Inter- und Intraorganklagen in der Aktiengesellschaft [1 ed.] 9783428558827, 9783428158829

Inter- und Intraorganklagen stellen im öffentlichen Recht ein probates Mittel zur Lösung von Konflikten zwischen Staatso

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German Pages 570 Year 2020

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Inter- und Intraorganklagen in der Aktiengesellschaft [1 ed.]
 9783428558827, 9783428158829

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 165

Inter- und Intraorganklagen in der Aktiengesellschaft Von

Tony Grobe

Duncker & Humblot · Berlin

TONY GROBE

Inter- und Intraorganklagen in der Aktiengesellschaft

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 165

Inter- und Intraorganklagen in der Aktiengesellschaft Von

Tony Grobe

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsfonds Wissenschaft der VG WORT.

Die Juristenfakultät der Universität Leipzig hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15882-9 (Print) ISBN 978-3-428-55882-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Liebsten

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2019 von der Juristenfakultät der Universität Leipzig als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Juni 2018 abgeschlossen; wesentliche Neuerungen in Rechtsprechung und Literatur konnten bis Dezember 2019 berücksichtigt werden. Ich danke besonders meinem akademischen Lehrer, Prof. Dr. Tim Drygala, der mir die Möglichkeit und Freiheit gab, als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl zu forschen und dabei die Schönheit von Wissenschaft und Lehre kennenzulernen. Von ihm stammte auch die Anregung zu der vorliegenden Untersuchung. Dank gebührt auch Herrn Professor Dr. Justus Meyer für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und seine hilfreichen Anmerkungen. Die Arbeit wurde von der Juristenfakultät der Universität Leipzig und der Dr.Feldbausch-Stiftung Landau/Pfalz mit dem Preis für eine herausragende Dissertation des Jahres 2019 ausgezeichnet. Dem Förderfonds Wissenschaft der VG Wort danke ich für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Zudem danke ich den Herausgebern für die Aufnahme in die Schriftenreihe über die Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht (AGK). Weiterhin danke ich Frau ref. iur. Elisabeth Friebe, Frau Rechtsanwältin Julia Kreuzer, Frau ref. iur. Anna Bechert, Herrn ref. iur. Kevin Schellenberg und Herrn ref. iur. Jakob Timmel für das Korrekturlesen des Manuskripts. Ein besonderer Dank gilt meinen ehemaligen Kollegen, Herrn Prof. Dr. Marco Staake sowie Herrn ref. iur. Dr. Tobias von Bressensdorf, MJur, für den regen Gedankenaustausch sowie die interessanten und beherzten Diskussionen, die meine Mitarbeiterzeit am Lehrstuhl begleitet haben. Leipzig, im Februar 2020

Tony Grobe

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

25

§ 1 Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 § 2 Die Kompetenzen der Organe und Konflikte zwischen den Organen der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 A. Die Kompetenzen der Organe der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Die Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Die Stellung des Vorstands als Gesamtorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Die Stellung des einzelnen Vorstandsmitglieds und des Vorstandsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Die Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . 32 1. Zur Stellung des Aufsichtsrats als Gesamtorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Zur Stellung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Zur Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4. Zur Stellung von Aufsichtsratsausschüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 5. Zur Stellung der Anteilseignervertreter- und Arbeitnehmervertreterseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 III. Die Aufgaben der Hauptversammlung in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . 43 1. Grundsätzliches zur Aufgabenwahrnehmung durch die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. „Geschriebene“ und „ungeschriebene“ Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . 45 3. Neuere Entwicklungen durch Rechtsprechung und Gesetzgebung . . . . 47 4. Der schwindende Einfluss der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . 49 B. Einflüsse auf das Spannungsverhältnis zwischen den Organen der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I. Das Problem der Interessengegensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Ein Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Interessen der Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Interessen der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 4. Interessen der Organe und Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 5. Interessen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 6. Das Gemeinwohl als Interesse innerhalb der Aktiengesellschaft . . . . . 55

10

Inhaltsverzeichnis 7. Die Theorie vom Unternehmensinteresse als Reaktion der Interessengegensätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 II. Der Principal-Agent-Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Das Wohl der Gesellschaft – das Unternehmensinteresse . . . . . . . . . . . . . . 57 IV. Die Einflüsse der Unternehmensmitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 V. Die Einflüsse der Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 VI. Aspekte der Organhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 VII. Die Existenz des Organinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 VIII. Zusammenfassung und Auswirkungen auf die nachfolgende Untersuchung 63 C. Mögliche Konfliktsituationen – eine Eingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 D. Der Konflikt zwischen Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 I. Informations- und Berichtsrechte als Konfliktgegenstand . . . . . . . . . . . . . . 65 II. Kompetenzverletzungen als Konfliktgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 III. Eine allgemeine Handlungskontrolle als Konfliktgegenstand . . . . . . . . . . . 67 E. Konflikte zwischen Vorstand und Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 F. Konflikte zwischen Aufsichtsrat und Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 G. Organteile und Organmitglieder als Beteiligte von Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . 69

§ 3 Geschriebene und ungeschriebene Konfliktlösungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . 70 A. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 B. Möglichkeiten des Vorstands zur Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I. Möglichkeiten gegenüber dem Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Verhandlungen zwischen den Organen – „Einigungsdruck“ als Mittel zur Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Einberufung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Schadensersatz nach § 93 Abs. 2 AktG und Strafverfahren nach §§ 399 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 II. Möglichkeiten gegenüber der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Weigerung der Ausführung; Anfechtung der gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Besonderheiten beim Verhältnis zur Hauptversammlung . . . . . . . . . . . 73 C. Möglichkeiten des Aufsichtsrats zur Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I. Möglichkeiten gegenüber dem Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1. Verhandlungen zwischen den Organen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Weisungen; Stellungnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Ersatzvornahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 4. Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 5. Festsetzung von Zustimmungsvorbehalten nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 6. Einberufung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 7. Abberufung nach § 84 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77

Inhaltsverzeichnis

11

8. Suspendierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 9. Zwangsgeld nach § 407 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 10. Schadensersatz nach § 93 AktG und Strafverfahren nach §§ 399 ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 II. Möglichkeiten gegenüber der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 D. Möglichkeiten der Hauptversammlung zur Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II. Möglichkeiten gegenüber dem Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Verweigerung der Entlastung, § 120 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Die Abberufung des Vorstands durch die Hauptversammlung? . . . . . . 84 3. Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 III. Möglichkeiten gegenüber dem Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Verweigerung der Entlastung, § 120 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Abberufung nach § 103 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3. Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 IV. Maßnahmen zwischen Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 V. Der Aktionär als Inhaber eines Organmitgliedschaftsrechts? . . . . . . . . . . . 87 E. Einwirkungsmöglichkeiten von Organmitgliedern und anderen Organteilen . . . . 88 I. Einwirkungsmöglichkeiten im eigenen Organ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Einwirkungsmöglichkeiten als Organmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3. Einwirkungsmöglichkeiten als Organteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Die Einwirkungsmöglichkeiten des Ausschusses als Unterorgan . . . 90 c) Die Einwirkungsmöglichkeiten der Gruppe/Bank/Seite als Teilorgan 91 II. Einwirkungsmöglichkeiten gegenüber fremden Organen . . . . . . . . . . . . . . 92 F. Die Notwendigkeit von Organklagen und die Abgrenzung zu den – die persönliche Rechtsstellung von Organmitgliedern betreffenden – Klagen und Aktionärsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

2. Kapitel Grundlagen im Recht der Organe

95

§ 4 Organisation und Organ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 § 5 Organ und Organwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 § 6 Unterorgan und Teilorgan als weitere Organteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 § 7 Zurechnung innerhalb der Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

12

Inhaltsverzeichnis

§ 8 Der Organbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 A. Bisherige Versuche einer Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 B. Der verbandsrechtliche Organbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. Die institutionellen Merkmale des verbandsrechtlichen Organbegriffs . . . . 106 1. Eingliederung in den Verband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Errichtung des Organs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Organe des Vor-Verbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 c) Zulässigkeit fakultativer Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 aa) Die grundsätzliche Zulässigkeit fakultativer Organe im privaten Verbandsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 bb) Die Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG als Grenze der Zulässigkeit fakultativer Organe für die Aktiengesellschaft . . . 112 3. Selbständigkeit des Organs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Organisatorische und rechtliche Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Selbständigkeit im Innenrecht des Verbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 c) Weisungsunabhängigkeit als nicht notwendiges Merkmal der Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 4. Konsequenzen der Verknüpfung von Verband und Organ . . . . . . . . . . . 117 a) Umwandlungsrechtliche Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Die Behandlung offener organinterner Sachverhalte . . . . . . . . . . . . 118 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Die funktionellen Merkmale des verbandsrechtlichen Organbegriffs . . . . . 120 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Das Handeln nach außen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 3. Das Handeln innerhalb des Verbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Unmittelbare und mittelbare Einflussnahme als Organhandeln . . . . 122 b) Die Änderung der Satzung als Organhandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 III. Die Orientierung des Handelns am Verbandsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Das Verbandsinteresse als prinzipielle Orientierung für die Organe . . . 125 2. Verbandsinteresse und Willensbildungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Exkurs: Das Verbandsinteresse und die Berücksichtigung von Drittund Partikularinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Die Sonderstellung der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Möglichkeiten zur Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 c) Dritte als Inhaber von satzungsimmanenten Mitwirkungsbefugnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 d) Fakultative Organe als Möglichkeit zur Konstituierung von Mitwirkungsbefugnissen Dritter im Verband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 e) Die Berücksichtigung von Partikularinteressen bei Gruppenorganen 133 f) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136

Inhaltsverzeichnis

13

IV. Die Existenz eines Organinteresses neben Verbands- und Partikularinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Die Geltung des materiellen Organbegriffs und die Orientierung am Verbandsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Differenzierende Auffassungen über das Verbandsinteresse bei mehreren Organen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 3. Organhandeln im eigenen Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 4. Konzeptionelle Unterschiede zwischen Verbands- und Organinteresse 139 V. Erkenntnisse für die weitere Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 C. Der Organbegriff der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 I. Die Übertragbarkeit des Gesagten auf die Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . 142 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Die Aktiengesellschaft als Verband und Organisation . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Vorstand, Aufsichtsrat als verbandsrechtliche Organe der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4. Die Hauptversammlung als Willensbildungsorgan der Aktiengesellschaft – Notwendigkeit einer besonderen Betrachtung . . . . . . . . . . . . . 143 5. Ausschüsse, „Gruppen“ und andere Organteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 6. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 II. Die weite Interpretation des verbandsrechtlichen Organbegriffs . . . . . . . . . 146 1. Die Folgen eines zu weiten Organbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Der Abschlussprüfer als Organ der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . 147 3. Der besondere Vertreter als Organ der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . 151 a) Grundsätzliches zu § 147 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Der Meinungsstand zur rechtlichen Qualifizierung des besonderen Vertreters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Eigene Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4. Der Insolvenzverwalter als Organ der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . 157 5. Abhängige und herrschende Gesellschaften als Organe . . . . . . . . . . . . 158 a) Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Die Situation im Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 aa) Konzernrechtliche Einflüsse auf die Organisationsverfassung 158 bb) Das herrschende Unternehmen als Organ des abhängigen Unternehmens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 cc) Das abhängige Unternehmen als Organ des herrschenden Unternehmens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 c) Die Situation im faktischen Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 D. Die Abgrenzung des verbandsrechtlichen Organbegriffs zum haftungs- und steuerrechtlichen Organbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

14

Inhaltsverzeichnis II. Die Abgrenzung zum haftungsrechtlichen Organbegriff . . . . . . . . . . . . . . . 165 III. Die Abgrenzung zum steuerrechtlichen Organbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

3. Kapitel Der Kampf um die Macht in der Aktiengesellschaft als Ausgangspunkt für den aktienrechtlichen Organstreit

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§ 9 Ursprung und Entwicklung von Organstreitigkeiten im öffentlichen Recht . . . . . . . 172 A. Verfassungsrechtliche Organstreitigkeiten – ein historischer Abriss . . . . . . . . . . 172 B. Der Rückgriff des öffentlichen Rechts auf die Lehre von der juristischen Person für die Bestimmung des Staats- und Staatsorganbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 C. Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 § 10 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichem und aktienrechtlichem Organstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 § 11 Die Machtverschiebung in der Aktiengesellschaft – von einer starken Generalversammlung zu einem durchregierenden Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 A. Absolutistische Strukturen als prägendes Merkmal der ersten Gesellschaften . . . 180 B. Das ADHGB von 1862 und die Generalversammlung als das „oberste Organ“ der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 C. Die 1. Aktienrechtsnovelle von 1870 – Errungenschaften und Defizite . . . . . . . . 187 I. Die dreigliedrige Unternehmensverfassung als innergesellschaftliche Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 II. Die in der Praxis gebräuchliche Unternehmensgliederung – von Herrschaftsorganen und viergliedrigen Organisationsformen . . . . . . . . . . . . . . . 188 III. Zusammenfassung und Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 D. Die Korrekturen der 2. Aktienrechtsnovelle von 1884 – Bekämpfung von Missständen, Beibehaltung alter Fehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 I. Der Grundgedanke der Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II. Die Ansatzpunkte des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Die Manifestierung des dreigliedrigen Organisationsmodells . . . . . . . . 192 2. Die Aufwertung der Generalversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Vorstand und Aufsichtsrat als Reformgegenstand – Die Konkretisierung der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . 194 4. Verwaltungsbefugnisse als Kontrollinstrument des Aufsichtsrats . . . . . 198 5. Die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 III. Conclusio der 2. Aktienrechtsnovelle von 1884 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 E. Die Kompetenzstruktur in der Aktiengesellschaft nach dem HGB von 1897 . . . 205 I. Umfang und Gegenstand der Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

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II. Die Revision der den Organen zugewiesenen Kompetenzen – die Verfestigung der vorhandenen Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. Der Vorstand nach dem HGB von 1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Die Generalversammlung nach dem HGB von 1897 . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Der Aufsichtsrat nach dem HGB von 1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 III. Die Möglichkeit von Organklagen nach dem HGB von 1897 . . . . . . . . . . . 210 1. Die Mitglieder des Vorstands als Adressat der Klage nach § 247 Abs. 2 HGB 1897 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 2. Die Stellung des Aufsichtsrats im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 3. Organinteresse und Organklage des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 4. Von § 247 Abs. 2 HGB 1897 umfasste Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . 213 5. Kompetenzabwehrrechte der Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 § 12 Die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft im Deutschen Reich nach 1900 und der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 A. Die Aktiengesellschaft nach 1900 und ihre Defizite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 I. Unternehmenszusammenbrüche und die Mängel der aktienrechtlichen Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 II. Problemkreise, Lösungsvorschläge und Verwerfungen . . . . . . . . . . . . . . . . 218 1. Die Überwachung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Das Meinungsbild in der Literatur und Reformvorschläge . . . . . . . . 218 b) Bewertung der Vorschläge und Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Organisatorische Fragen des Aufsichtsrats als Defizit der geltenden Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Gruppen im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Die innere Organisation des Aufsichtsrats als Reformgegenstand 224 3. Die Haftung der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . 225 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 B. Die Arbeitnehmervertreter als weitere Gruppe im Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . 227 C. Einflüsse der Kriegswirtschaft und die Lehre vom „Unternehmen an sich“ . . . . 230 D. Die Notverordnung vom 19. September 1931 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 I. Ausgangssituation und Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 II. Die Machtverhältnisse innerhalb der Aktiengesellschaft in der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 III. Gegenstände der Notverordnung vom 18. September 1931 . . . . . . . . . . . . . 236 1. Allgemeine Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 2. Stärkung der Rechtsstellung des Gesamtorgans und der Rechtsstellung der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 E. Zur Zulässigkeit von Organklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 F. Zusammenfassung und Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

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§ 13 Die Kompetenzordnung nach der Aktienrechtsnovelle von 1937 . . . . . . . . . . . . . . . 240 A. Ausgangssituation und Bestandsaufnahme: Die Machtverteilung der Organe bis zur Aktienrechtsnovelle 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 B. Die grundlegenden Veränderungen durch die Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 I. Die novellierte Unternehmensverfassung des Aktiengesetzes von 1937 . . . 241 II. Einflüsse des Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 III. Die Stärkung der Position des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 IV. Der Aufsichtsrat als reines Überwachungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 V. Die zurückgedrängte Rolle der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 VI. Bewertung der Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 C. Auswirkungen auf die Frage der Zulässigkeit und Erforderlichkeit von Organklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I. Weisungsbefugnisse als Machtinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 II. Schadensersatzklagen nach §§ 122, 123 AktG 1937 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 III. Die Regelung des § 97 Abs. 2 AktG 1937: Klagebefugnis in Vertretung der Gesellschaft oder aus eigenem Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 IV. Die Geltendmachung von Auskunfts- und Berichtsrechten des Aufsichtsrats gegen den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 D. Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 § 14 Die Kompetenzordnung nach der Aktienrechtsnovelle von 1965 . . . . . . . . . . . . . . . 258 A. Hintergrund der Reform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 B. Änderungen der Unternehmensverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 C. Auswirkungen auf die Frage der Zulässigkeit und Erforderlichkeit von Organklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 D. Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 § 15 Die Wiedereinführung der Unternehmensmitbestimmung als Grundlage gegenwärtiger innerorganschaftlicher Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 A. Hintergründe der Wiederbelebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 B. Die paritätische Mitbestimmung nach dem MitbestG von 1976 . . . . . . . . . . . . . . 266 C. Verfassungsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 D. Auswirkungen auf die Frage der Zulässigkeit und Erforderlichkeit von Organklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 § 16 Die Entwicklungen der Kompetenzordnung seit 1965 bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . 270 A. Die Aktiengesellschaft nach 1965 bis in die 1990er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 I. Die Reformruhephase im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 II. Die Wiederbelebung des Aktienwesens – „Aktienrechtsreform in Permanenz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 B. Das KonTraG von 1998 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 C. Das TransPuG von 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 I. Hintergründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

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II. Der Deutsche Corporate Governance Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 III. Die wesentlichen Auswirkungen auf die Organisationsverfassung durch das TransPuG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 1. Der Aufsichtsrat als „mitunternehmerisches“ Organ . . . . . . . . . . . . . . . 277 2. Die verbesserte Information und Auskunft des Aufsichtsrats . . . . . . . . 278 a) Das Eingehen auf die Abweichung von bisher berichteten Zielen, § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a.E. AktG 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 b) Die Berichtspflicht bei Konzernunternehmen, § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 c) Das Individualauskunftsrecht nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG 2002 280 d) Die Verpflichtung zum Bericht der Aufsichtsratsausschüsse gegenüber dem Aufsichtsratsplenum, § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG 2002 . . . 281 3. Die Etablierung eines Kataloges von Zustimmungsvorbehalten, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 IV. Die Auswirkungen auf die Machtverhältnisse innerhalb der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 D. Entwicklungen nach 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 § 17 Conclusio: Die gegenwärtige Situation der Organisationsverfassung der AG und die Notwendigkeit von Organklagen als Konfliktlösungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . 292 A. Die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft im Wandel der Zeit . . . . . . 292 B. Die Auswirkungen der Reformen auf die Machtverhältnisse in der aktienrechtlichen Organisationsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 C. Die Organklage als notwendiger Konfliktlösungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . 305

4. Kapitel Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen in Literatur und Rechtsprechung

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§ 18 Die möglichen Differenzierungen von Organklagen – ein unübersichtlicher Kanon 307 § 19 Organstreitigkeiten in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 A. Komplexität und Meinungsfülle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 B. Klagerechte von Organen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 I. Die Durchsetzung von Berichtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 1. Die bisher herrschende Auffassung: Die Aktiengesellschaft als Anspruchsinhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 2. Die gegenwärtig herrschende Lehre – die Lehre vom Organrecht . . . . 311 3. Erwägungen aus dem Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 a) Die Anknüpfung am Gesellschaftsvermögen als Streitvermögen (Häsemeyer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 b) Die Lehre vom Rechtsbeanstandungsverfahren (Pflugradt) . . . . . . . 313

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Inhaltsverzeichnis 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 II. Die Geltendmachung von Kompetenzschutzklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 1. Mögliche Situationen von innerorganschaftlichen Kompetenzüberschreitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 2. Praktische Bedenken und das fehlende Bedürfnis von Kompetenzschutzklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 3. Die Befürworter von Kompetenzschutzklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 III. Die allgemeine Verhaltenskontrolle durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . 319 C. Klagerechte einzelner Organmitglieder gegen Aufsichtsrat und Vorstand . . . . . . 322 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 II. Rechte von Mitgliedern des Aufsichtsrats gegenüber dem eigenen Organ

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1. Hilfsrechte des einzelnen Organmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Kompetenzschutz des einzelnen Organmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 3. Kontrolle der im Aufsichtsrat gefassten Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . 324 4. Fragen der allgemeinen Verhaltenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 III. Klagerechte von Mitgliedern des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand 328 1. Klagerechte aus eigenem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 2. Klagebefugnisse aus abgeleitetem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 D. Klagerechte von anderen Organteilen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 II. Der Ausschuss als Unterorgan des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 III. Gruppen als Teilorgane des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 E. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für die weitere Untersuchung . . . . . 335 § 20 Organstreitigkeiten in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 B. „Felten & Guilleaume“ – LG Köln AG 1976, 329 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 I. Hintergrund und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 II. Hauptaussagen und Entscheidungsgründe des LG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 III. Bewertung im Schrifttum und kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 C. „Opel“ – BGHZ 106, 54 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 I. Hintergrund und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 II. Die klagbaren Rechte des einzelnen Organs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 III. Die klagbaren Rechte von Organmitgliedern und anderen Organteilen . . . 348 IV. Die Ausführungen der Instanzgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 V. Bewertung im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 VI. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 D. „Pelikan“ – OLG Celle NJW 1990, 582 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 I. Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 II. Hauptaussagen des OLG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 III. Bewertung im Schrifttum und eigene kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . 355

Inhaltsverzeichnis

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E. „Züblin/Strabag“ – OLG Stuttgart NZG 2007, 549 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 I. Hintergrund und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 II. Hauptaussagen des Gerichts und der Vorinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 F. OLG München NZG 2014, 66 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 I. Hintergrund und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 II. Hauptaussagen des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 III. Bewertung im Schrifttum und kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 G. „Hamburg-Mannheimer“ – BGHZ 122, 342 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 I. Hintergrund und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 II. Keine Organrechtsfähigkeit oder Organparteifähigkeit bei der Kontrolle von Aufsichtsratsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 III. Die Feststellungsklage als Angriffsmittel fehlerhafter Aufsichtsratsbeschlüsse – die Abkehr von §§ 241 ff. AktG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 IV. Diskriminierung der Arbeitnehmervertreter bei Besetzung des Ausschusses 363 V. Bewertung im Schrifttum und kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 H. „ARAG/Garmenbeck“ – BGHZ 135, 244 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 I. Hintergrund und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 II. Hauptaussagen und Entscheidungsgründe des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 III. Bewertung im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 IV. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 I. BGH vom 29. 1. 2013 (BGH AG 2013, 257) sowie BGH vom 14. 5. 2013 (BGH AG 2013, 562) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 I. Hintergrund und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 II. Hauptaussagen des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 III. Kritische Würdigung und Bewertung im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 J. BGH vom 28. 4. 2015 – II ZB 19/14 (BGH AG 2015, 564) . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 I. Hintergrund Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 II. Hauptaussagen des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 III. Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 K. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374

5. Kapitel Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

383

§ 21 Materiellrechtliche Grundlagen des Organstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 A. Der Rechtscharakter der Beziehungen im Innenbereich der juristischen Person als Basis für die Institutionalisierung des Organstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 B. Zur „Lehre von der Impermeabilität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 I. Der Grundgedanke der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384

20

Inhaltsverzeichnis II. Die Relativierung und Ablehnung der Impermeabilitätstheorie . . . . . . . . . 385 III. Die Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf die juristische Person des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 C. Rechtsfähigkeit und subjektive Rechte von Organen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 I. Konsequenzen aus der Ablehnung der Impermeabilitätstheorie . . . . . . . . . 388 II. Rechtsfähigkeit von Organen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 1. Von der Ambivalenz der Rechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 2. Organe als Zurechnungsendsubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 3. Die Existenz innerorganisatorischer Eigenzuständigkeiten von Organen als Erfordernis zur Begründung ihrer Rechtssubjektivität . . . . . . . . . . . 391 III. Die Einordnung der den Organen zugeordneten Rechte . . . . . . . . . . . . . . . 393 1. Der Hintergrund der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 2. Der Streit über die Einordnung der organschaftlichen Befugnisse im Innenrecht der juristischen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 3. Die Qualifizierung des „Organrechts“ als subjektives Recht . . . . . . . . 396 a) Zweifel am Begriffsverständnis des subjektiven Rechts . . . . . . . . . . 396 b) Die Abgrenzung des Organinteresses von Verbands- und Partikularinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 c) Die Disponibilität des Rechteinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 4. Die Frage nach der Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Organrecht und subjektivem Recht und das lex parsimoniae . . . . . . . . . . 400 5. Zum Begriff des subjektiven Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 6. Das Organrecht als subjektives Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 D. Rechtsfähigkeit und subjektive Rechte von Organteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 I. Die Übertragbarkeit der bisher erzielten Ergebnisse auf Organteile . . . . . . 403 II. Die Stellung von Unterorganen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 III. Die Stellung von Teilorganen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 IV. Die Stellung von Organwaltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 A. Übertragbarkeit des bisher Gesagten auf das Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 B. Die Beschränkung auf Aufsichtsrat und Vorstand als alleinig Beteiligte eines Organstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 C. Rechtsfähigkeit und subjektive Rechte von Vorstand und Aufsichtsrat im Innenrecht der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 I. Bedenken hinsichtlich der Rechtsfähigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat 410 1. Die Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 2. Überzeugende Zweifel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 II. Das Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat innerhalb der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413

Inhaltsverzeichnis

21

III. Rechtsbeziehungen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat im Innenrecht der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 IV. Die Rechtssubjektivität von Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . 417 V. Vorstand und Aufsichtsrat als Inhaber subjektiver Rechte . . . . . . . . . . . . . . 419 1. Die Bestimmung der den aktienrechtlichen Organen zugeordneten Organrechte als subjektive Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 2. Die Informationsrechte von Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . 421 a) Aktienrechtliche Verhaltensberechtigungen von Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 b) Schutz- und Ausschließlichkeitsgewähr durch aktienrechtliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 c) Handeln im Organinteresse und Disponibilität der Verhaltensberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 3. Kompetenzschutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 a) Aktienrechtliche Verhaltensberechtigungen von Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 b) Schutz- und Ausschließlichkeitsgewähr durch aktienrechtliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 c) Handeln im Organinteresse und Disponibilität der Verhaltensberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 4. Allgemeine Verhaltenskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 a) Das „Für“ und „Wider“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 b) Die Existenz subjektiver Rechte als notwendige Voraussetzung aktienrechtlicher Organstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 D. Rechtsfähigkeit und subjektive Rechte von Organmitgliedern, Ausschüssen und Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 II. Die Stellung des Organmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 1. Die Übertragbarkeit der Erkenntnisse zur juristischen Person . . . . . . . 428 2. Informations- und Beteiligungsrechte der Organmitglieder als subjektive Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 a) Intra- und Interorganrechte der Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . 429 b) Die Qualifizierung der Informations- und Teilhaberechte von Organmitgliedern als subjektive Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 3. Kompetenzschutzrechte als subjektive Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 a) Eigene und fremde Kompetenzschutzrechte des Organmitglieds . . . 432 b) Die Qualifizierung der Kompetenzschutzrechte als subjektive Rechte des Organmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 4. Allgemeine Verhaltenskontrolle durch einzelne Organmitglieder . . . . . 433 III. Die Stellung von Ausschüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434

22

Inhaltsverzeichnis IV. Die Stellung von Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 1. Die Rechte von Gruppen in der aktienrechtlichen Organisationsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 2. Die Rechtsfähigkeit von Gruppen der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . 438 3. Die Qualifizierung der Befugnisse als subjektive Rechte der Gruppen 438 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439

6. Kapitel Die prozessuale Zulässigkeit von Organstreitigkeiten

442

§ 23 Zur Parteifähigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 § 24 Kosten im Organstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 § 25 Zwangsvollstreckung im Organstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 § 26 Prozessuale Fragen bei Organmitgliedern, Ausschüssen und Gruppen . . . . . . . . . . . 448 A. Organmitglieder der Aktiengesellschaft als Prozessbeteiligte . . . . . . . . . . . . . . . 448 B. Aktienrechtliche Ausschüsse als Prozessbeteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 C. „Gruppen“ der Aktiengesellschaft als Prozessbeteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450

7. Kapitel Die Bewährung von Organstreitigkeiten in der aktienrechtlichen Praxis

452

§ 27 Zur Funktion des aktienrechtlichen Organstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 A. Der Organstreit und die aktienrechtliche Kompetenzverfassung . . . . . . . . . . . . . 452 B. Der Organstreit als alternatives Konfliktlösungsmittel zur Herbeiführung von rechtmäßigem Verhalten in der aktienrechtlichen Kompetenzordnung . . . . . . . . 454 C. Die aktienrechtliche Kompetenzordnung als Grenze des Organstreits . . . . . . . . . 455 I. Notwendigkeit eines materiellen Anspruchs und die Gefahr der Verletzung von Organkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 II. Mögliche Beschränkung des Klagerechts zur Wahrung des Unternehmenswohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 1. Grundsätze und Beschränkungen im Rahmen der Organhaftung nach § 93 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 2. Die Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf präventive Organklagen . . 458

Inhaltsverzeichnis

23

§ 28 Die Auswirkungen für die jeweiligen Organstreitkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . 459 A. Die Durchsetzung von Auskunfts- und Berichtsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 I. Nichterstattung von Berichten des Vorstands nach § 90 Abs. 1 AktG gegenüber dem Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 1. Berichtverlangen nach § 90 Abs. 1, Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 2. Grenzen des Berichtverlangens – die Weigerung des Vorstands . . . . . . 460 II. Das Recht des Aufsichtsratsmitglieds zur Kenntnisnahme der Berichte nach § 90 Abs. 5 Satz 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 III. Nichterstattung von Berichten des Vorstands nach § 90 Abs. 1 AktG gegenüber einem Aufsichtsratsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 IV. Nichterstattung von Berichten eines Aufsichtsratsausschusses nach § 107 Abs. 3 Satz 5 AktG gegenüber dem Aufsichtsratsgremium . . . . . . . . . . . . . 464 V. Auskunftsverlangen einer Gruppe gegenüber Vorstand und Aufsichtsrat

464

B. Kompetenzabwehrklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 I. Außerachtlassen von Zustimmungsvorbehalten des Aufsichtsrats durch den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 1. Die Vereinbarung von Zustimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 2. Die Nichtbeachtung eines Zustimmungsvorbehalts durch den Vorstand 466 3. Befugnisse des Aufsichtsrats bei Missachtung des Zustimmungsvorbehalts durch den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 467 II. Anmaßung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat oder Aufsichtsratsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 1. Leitung und Überwachung in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 468 2. Kompetenzüberschreitung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . 469 3. Kompetenzüberschreitung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden . . . . . 470 4. Reaktionsmöglichkeiten des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 III. Die Nichtausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen durch den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 1. Die Ausführungspflicht des Vorstands nach § 83 Abs. 2 AktG . . . . . . . 471 2. Maßnahmen bei Weigerung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 3. Klage gegen Vorstand auf Ausführung des Hauptversammlungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 4. Klage des Aufsichtsrats aus eigenem Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 IV. Tätigwerden außerhalb des Unternehmensgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . 476 C. Der Organstreit als Mittel einer allgemeinen Verhaltenskontrolle . . . . . . . . . . . . 477 I. Die Eigenbetroffenheit des Organs als notwendige Voraussetzung für Organklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 II. Zweifel und Gegenreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 III. Das Fehlen einer konkreten Kompetenzzuweisung an den Aufsichtsrat . . . 478 IV. Das restriktive Verhalten des Aufsichtsrats in der Praxis und seine Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479

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Inhaltsverzeichnis V. Konkretisierung von Zustimmungsvorbehalten des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 VI. Die Vereinbarkeit von § 111 Abs. 4 Satz 2, Hs. 2 AktG-E mit der aktienrechtlichen Organisationsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 1. Einflüsse auf den Gesetzgeber bei Änderungen der Organisationsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 2. Die Einfügung der vorgeschlagenen Bestimmung unter Beachtung der aktienrechtlichen Organisationsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 D. Klagebefugnisse einzelner Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484

8. Kapitel Zusammenfassung

488

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566

1. Kapitel

Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft § 1 Problemaufriss Werner Flume schrieb 1983 in seinem Lehrbuch zur juristischen Person1: „Nach dem Recht der juristischen Person, sowohl dem Vereinsrecht des BGB wie dem ergänzenden Recht der Sondergesetze, sind nur die Organmitglieder und die juristische Person fähig, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, während die Organe als solche nur für die juristische Person handeln und für sie Rechte und Pflichten begründen. Weil Pflichten nur die Organmitglieder haben, werden auch nur sie und wird nicht das Organ entlastet (§ 120 AktG). Die einzelnen Organe der juristischen Person sind nicht rechtsfähig. Die Lehre vom Organstreit, nach welcher die einzelnen Organe miteinander über Rechte und Pflichten sollen prozessieren können, beruht auf einer grundsätzlichen Verkehrung der inneren Ordnung der juristischen Person.“

Legt man diese Ausführungen zugrunde, erscheinen die nachfolgenden Gedanken als bloße Fantastereien, die keinen Mehrwert aufweisen und vielmehr ein Beleg dafür sind, dass der Autor der vorliegenden Schrift die innere Ordnung der juristischen Person nicht verstanden zu haben scheint. Diesem Eindruck ist aus mehrerlei Gründen entschieden entgegenzutreten. Die vorliegende Arbeit will aufzeigen, warum die Auseinandersetzung mit dem Organstreit wichtig, notwendig und insbesondere für die Praxis von Vorteil ist. Diejenigen Stimmen, die einen Organstreit ablehnen, unterlassen in ihrer Kritik eine dogmatische Auseinandersetzung und führen nur unzureichende Gründe an, warum Organe innerhalb der Aktiengesellschaft nicht gegeneinander (gerichtlich) streiten können. Der bloße Verweis auf die nicht vorkommende Praxis gerichtlicher Auseinandersetzungen ist vielmehr ein Beleg für die Ungewissheit über die den Organen zur Verfügung stehenden Eingriffsmöglichkeiten. Dafür sprechen auch aktuelle Entwicklungen, die in dem letzten Jahrzehnt aufgrund der Corporate-Governanve-Debatte ihren Lauf nahmen: So gilt es gegenwärtig als unbestritten, dass der Aufsichtsrat als mitunternehmerisches Organ anzusehen ist, das den Vorstand überwacht und zugleich berät und somit mehr Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nimmt. Die Stellung des Aufsichtsrats und seiner 1

Flume, Juristische Person, § 11 V.

26

1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

Mitglieder wurde mit Recht aufgewertet. Die Praxis beweist hingegen, dass der Umgang mit den nun vorhandenen Befugnissen weiterhin restriktiv erfolgt. An dieser Unbeholfenheit tragen die Corporate-Governance-Debatte und die darauf beruhenden Entwicklungen eine gewisse Mitschuld. So heißt es in Grundsatz 13 des Deutschen Corporate Governance Kodex2 (DCGK; ehemals Ziff. 3.1 DCGK – 2017): „Vorstand und Aufsichtsrat arbeiten zum Wohle des Unternehmens eng zusammen“.

Ein solches kooperatives Zusammenwirken fördert eine schwächere und damit schlechtere Kontrolle durch den Aufsichtsrat. Es ist jedoch keine Seltenheit, dass zwischen den Organen aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktionen Konflikte entstehen, die zum Wohle der Gesellschaft auszutragen sind. Der DCGK sieht für Konflikte innerhalb der Gesellschaft allerdings keine Empfehlungen vor und weist damit eine erhebliche Lücke auf. Konflikte zwischen und innerhalb von Organen sind nicht zu vermeiden. Daran ändert auch die differenzierte Aufgabenzuordnung zwischen Leitung und Überwachung nichts. Die Konfliktgeneigtheit ergibt sich bereits aus der interessenpluralistischen Zusammensetzung des Aufsichtsrats. In diesem „prallen“ Anteilseignerauf Arbeitnehmerinteressen, obschon beide Lager zum Wohle der Gesellschaft und damit einem übergeordneten Verbandsinteresse verpflichtet sind und ihre Entscheidungen nach diesem auszurichten haben. Jedoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass vor allem das Lager der Arbeitnehmervertreter in den 1980er und 1990er Jahren im Wege verschiedener Konstellationen den Organstreit der Gerichtspraxis zugeführt hat. Die Aktualität verschiedener Skandale und Konflikte in Aktiengesellschaften – wie etwa zuletzt das VW-Diesel-Gate – und die Unbeholfenheit, die insbesondere der Aufsichtsrat dabei an den Tag legte, werfen die Frage auf, inwiefern das Überwachungsorgan in der Lage gewesen wäre, ein Fehlverhalten des Vorstands zu verhindern. Daran anschließend stellt sich die Frage, welche Befugnisse einem einzelnen Aufsichtsratsmitglied oder anderem Organteil in diesem Zusammenhang zustehen. Von den bisherigen Untersuchungen vernachlässigt wurde die Frage, ob auch Ausschüsse oder mit Rechten ausgestattete Gruppen innerhalb des Aufsichtsrats im Wege eines Organstreits beteiligt sein können. Dies soll mit dieser Untersuchung nachgeholt werden. Inter- und Intraorganklagen können einen Ansatz zur Konfliktlösung innerhalb der Aktiengesellschaft darstellen. Die nachfolgende Untersuchung wird dabei zunächst auf die den Organen zugeordneten Kompetenzen und die bestehenden Konflikte innerhalb der Aktiengesellschaft eingehen (§ 2) und die (unzureichenden) geschriebenen und ungeschriebenen Konfliktlösungsmittel aufzeigen (§ 3). 2

In der Fassung vom 16. 12. 2019.

§ 2 Kompetenzen der Organe und Konflikte zwischen Organen der AG

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Im zweiten Kapitel wird das Recht der Organe genauer betrachtet und der (verbandsrechtliche) Organbegriff (unter § 8) untersucht, wobei im Besonderen der aktienrechtliche Organbegriff herausgearbeitet wird und eine Abgrenzung zu anderen aktienrechtlichen Institutionen erfolgt, die nicht als Organe im verbandsrechtlichen Sinne anzusehen sind. Das dritte Kapitel setzt sich mit den historischen Ursprüngen von Organstreitigkeiten auseinander und greift dabei zunächst die Entwicklungen des öffentlichen Rechts auf (§ 9), um anschließend Gemeinsamkeiten und Unterschiede zur Situation im Aktienrecht darzulegen (§ 10). Es schließt sich daran eine historische Betrachtung der Entwicklung der aktienrechtlichen Organisationsverfassung an, die mit einer Auswertung im Sinne einer Conclusio abschließt und das gegenwärtige Stadium der aktienrechtlichen Organisationsverfassung aufzeigt. Das vierte Kapitel stellt den gegenwärtigen Streitstand zu Organklagen dar und geht dabei insbesondere auf aktuelle Entwicklungen ein, die in der Rechtsprechung erfolgen und mittelbar Einfluss auf die Rechtsfähigkeit von Organen nehmen. Das fünfte Kapitel behandelt die materiellrechtlichen Grundlagen eines Organstreits (§ 21) und überträgt die Ergebnisse anschließend auf den aktienrechtlichen Organstreit (§ 22). Nachdem die materiellrechtliche Zulässigkeit untersucht wurde, widmet sich das sechste Kapitel der prozessualen Zulässigkeit von Organstreitigkeiten. Das siebte Kapitel behandelt zunächst Umfang und Grenzen eines Organstreits und geht anschließend auf die konkreten Organstreitkonstellationen ein.

§ 2 Die Kompetenzen der Organe und Konflikte zwischen den Organen der Aktiengesellschaft A. Die Kompetenzen der Organe der Aktiengesellschaft I. Die Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand 1. Die Stellung des Vorstands als Gesamtorgan Der Vorstand leitet nach § 76 Abs. 1 AktG die Gesellschaft unter eigener Verantwortung. Damit weist ihm das Gesetz direkt und ausschließlich die Leitungskompetenz zu und schließt Aufsichtsrat und Hauptversammlung davon aus3. Er ist zugleich Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan der Gesellschaft (§§ 77, 78 3 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 1; Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, § 76 AktG Rn. 1; Eckert, in: Wachter, AktG, § 76 Rn. 1; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 1; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 1; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 76 Rn. 1; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG; § 76 Rn. 2; Wiesner, in: MünchHdB AG, § 19 Rn. 12.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

AktG). Die Leitung wird als herausgehobener Teil der Geschäftsführung verstanden, der nicht übertragbar ist4. Zur Leitung gehören die Unternehmensplanung, -koordination und -kontrolle – kurzum die Richtlinien der Unternehmenspolitik5. Die eigenverantwortliche Unternehmensleitung ist nicht nur ein dem Vorstand zustehendes Pflichtrecht, sondern zugleich eine Rechtspflicht, die von ihm wahrgenommen werden muss und die zur Sicherung der Autonomie der Gesellschaft als Wirtschaftssubjekt beiträgt6. Mit der Eigenverantwortlichkeit einher geht die dem Vorstand zustehende Unabhängigkeit, die es ihm ermöglicht, weisungsfrei zu handeln. Im Innenverhältnis wird die Leitungsmacht des Vorstands allein durch die Kompetenzen von Aufsichtsrat und Hauptversammlung sowie durch die Vorgaben der Satzung und den Geschäftsordnungen begrenzt, § 82 Abs. 2 AktG7. Der Unternehmensgegenstand ist eine Satzungsvorgabe nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG, die nicht nur eine Informationsfunktion gegenüber dem Rechtsverkehr wahrnimmt, sondern zum einen dem Vorstand vorgibt, nicht in Bereichen tätig zu werden, die außerhalb des Unternehmensgegenstands liegen und zum anderen den vorgegebenen Unternehmensgegenstand auszufüllen8. Ein zu eng gefasster Unternehmensgegenstand kann gegen die Leitungskompetenz des Vorstands verstoßen, wenn die eigenverantwortliche Unternehmensleitung durch den Vorstand dadurch eingeengt wird9. Die Gesellschaft wird gegenüber Dritten bei einem aus mehreren Personen bestehenden Vorstand nur durch diese gemeinsam vertreten. Nach § 78 Abs. 2 Satz 1 AktG kann die Satzung abweichend davon bestimmen, dass entweder jedes Vorstandsmitglied die Gesellschaft vertreten kann oder einzelne von ihnen, § 78 Abs. 3 AktG. Nach außen hin ist die Vertretungsmacht des Vorstands nicht beschränkbar, § 82 Abs. 1 AktG. Etwas anderes gilt nur in Fällen, in denen die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht greifen und Beschränkungen aus dem Innen-

4 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 14; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 8; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, Rn. 6; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 29; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 76 Rn. 1. 5 Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft. Die Leitungsaufgabe des Vorstands und die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats, 2. Aufl. 1996, Rn. 11; Bürgers/ Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 76 Rn. 9; Eckert, in: Wachter, AktG, § 76 Rn. 6; Emde, in: FS U. H. Schneider, 2011, S. 295 (299 f.); Henze BB 2000, 209, 210; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 9; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 36; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 76 Rn. 5; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 76 Rn. 15; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 9; Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 32. 6 Veil, Unternehmensverträge, S. 78 ff., 92 ff. 7 Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 38. 8 Dazu Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 39; Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 9 f. 9 Vgl. OLG Stuttgart AG 2006, 727,728; Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 9; Freitag, EWIR 2007, 257, 258; Martens, in: FS Kellermann, 1991, S. 271, 277 ff.; ähnlich Röhricht, in: Großkomm. AktG, § 23 Rn. 85.

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verhältnis auch nach außen wirken10. Liegt dieser Fall nicht vor, so ist das Rechtsgeschäft im Interesse des Dritten wirksam. Grenzen bestehen dahingehend, wenn die Gesellschaft Rechtsstreitigkeiten mit den Vorstandsmitgliedern führt. In diesen Fällen vertritt der Aufsichtsrat nach § 112 AktG die Gesellschaft. Abweichend davon vertreten Vorstand und Aufsichtsrat die Gesellschaft gemeinsam, wenn gegen Hauptversammlungsbeschlüsse oder den festgestellten Jahresabschluss Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage erhoben wird, vgl. §§ 246 Abs. 2 Satz 2, 249 Abs. 1 Satz 1, 250 Abs. 3, 251 Abs. 3, 253 Abs. 2, 254 Abs. 2, 255 Abs. 3, 256 Abs. 7, 257 Abs. 2 Satz 1 AktG11. Für das Freigabeverfahren nach § 246a AktG ist diese gemeinsame Vertretung allerdings nicht erforderlich12. Daneben sieht das in § 147 Abs. 2 AktG die Möglichkeit vor, dass durch die Hauptversammlung besondere Vertreter bestellt werden können (oder durch das Gericht), die entweder die Gesellschaft bei Ersatzansprüchen gegen die nach §§ 46 – 48, 53 AktG verpflichteten Personen oder gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder oder bei der Erhebung von Ersatzansprüchen nach § 117 AktG vertreten. Die den besonderen Vertretern zukommenden Befugnisse verdrängen die Vertretung durch Aufsichtsrat und Vorstand13. Der Vorstand hat seine Entscheidungen am Unternehmensinteresse auszurichten14. Er hat folglich für den dauerhaften Bestand und Erfolg des Unternehmens Sorge zu tragen und etwaige Geschäftschancen für das Unternehmen wahrzunehmen (Loyalitätspflicht)15. Bei der Erfüllung dieser Aufgaben muss er sich innerhalb des von Gesetz, Satzung und Anstellungsvertrag gesetzten Rahmens bewegen (sog. Legalitätspflicht)16. Zudem ist er bei erwerbswirtschaftlichen Unternehmen verpflichtet, rentabel zu wirtschaften und die in der Aktiengesellschaft bestehenden Konflikte17, auszugleichen18. Zu den organschaftlichen Pflichten des Vorstands gehört, dass er nach § 83 AktG Maßnahmen, die in der Zuständigkeit der Hauptversammlung liegen, auf Verlangen vorzubereiten und getroffene Beschlüsse auszuführen hat. Zudem ist er seit dem KonTraG verpflichtet, nach § 91 Abs. 2 AktG geeignete Maßnahmen zu treffen, 10 BGHZ 50, 112, 114; BGH NJW 1966, 1911; BGH NJW 1989, 26, 27; BGH NZG 2004, 139, 140; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 82 Rn. 45; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 82 Rn. 59; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 82 Rn. 6. 11 Dazu Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG. 3. Aufl., § 78 Rn. 13; Hueck, in: FS Bötticher, 1969, S. 197, 203 f. 12 So bereits Fassbender, AG 2006, 872, 874. 13 Koch in Hüffer/Koch, AktG, § 147 AktG Rn. 8; ausführlich zur Stellung des besonderen Vertreters siehe § 8 C.II.3. 14 Zum Begriff siehe später unter § 2 B.III. 15 Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 14; Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 83; siehe dazu auch später § 27 C.II.2. 16 Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 82. 17 Dazu ausführlich unter § 2 B.I. 18 Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 14.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

damit die den Fortbestand der Gesellschaft gefährdenden Entwicklungen früh erkannt werden können (bspw. durch Einrichtung eines Frühwarnsystems). Daneben hat er regelmäßig dem Aufsichtsrat Bericht zu erstatten, § 90 AktG und die Führung der Handelsbücher sicher zu stellen, § 91 Abs. 1 AktG. Ebenso ist er verpflichtet, die Hauptversammlung einzuberufen, wenn ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals droht oder eingetreten ist (§ 92 Abs. 1 AktG) oder wenn Gesetz oder Satzung es vorsehen oder das Wohl der Gesellschaft es erfordert, § 121 Abs. 1, 2 AktG. Zudem ist der Vorstand verpflichtet, den Jahresabschluss aufzustellen und an seiner Feststellung mitzuwirken (§ 264 HGB, §§ 170 ff. AktG). Diese Aufzählung ist nicht abschließend, gibt allerdings einen Einblick, wie mannigfaltig der Pflichtenkanon des Vorstands ausfällt. Für die weitere Betrachtung werden insbesondere die ungeschriebenen Vorstandspflichten von Interesse sein. Zu diesen zählt das Einhalten der eigenen Kompetenzgrenzen und – spiegelbildlich – die Akzeptanz der Kompetenzen anderer Organe19.

2. Die Stellung des einzelnen Vorstandsmitglieds und des Vorstandsvorsitzenden Das Gesetz knüpft bei der Festsetzung von Befugnissen überwiegend an dem Gesamtorgan „Vorstand“ an. Nur in einigen Regelungen wird auf das Mitglied des Vorstands Bezug genommen. Dies ist der Fall bei der Bestellung und Abberufung nach § 84 f. AktG, beim Anstellungsvertrag (§ 84 Abs. 1 Satz 5, Abs. 3 Satz 5 AktG), bei der Geschäftsführung (§§ 77 AktG, 82 Abs. 2 AktG) und Vertretung (§§ 78, 81 Abs. 1 AktG), beim Anfechtungsrecht (§ 245 Nr. 5 AktG) sowie bei der Haftung (§ 93 AktG). Welche rechtliche Stellung dem Vorstandsmitglied zu Teil wird, ergibt sich allerdings nicht aus dem Gesetz. Das einzelne Vorstandsmitglied ist kraft seiner Bestellung Teil des Gesamtorgans Vorstand und partizipiert damit an den Aufgaben, die dem Leitungsorgan zugewiesen sind20. Die Mitglieder des Vorstands haben bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG. Dass sie bei Wahrnehmung der Leitung im Interesse des Unternehmens handeln müssen, wurde bereits erwähnt. Da unternehmerische Entscheidungen neben den Chancen auch Risiken bergen, wird den Vorstandsmitgliedern ein Ermessensspielraum eingeräumt, der der gerichtlichen Kontrolle entzogen ist, sofern die Entscheidungen auf einer hinreichenden Informationsgrundlage und zum Wohle der Gesellschaft getroffen werden (sog. Business Judgment Rule), § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Darüber hinaus besteht durch den Anstellungsvertrag ein persönliches Verhältnis des einzelnen Mitglieds zur Gesellschaft21. Konkrete Ausgestaltungen und Befugnisse, die aus dem Leitungsauftrag des Gesamtorgans resultieren, können durch Satzung und Geschäftsordnung geregelt 19 20 21

Darauf bereits hinweisend Bauer, Organklagen, S. 6. Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 41 ff., 47 ff. Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 34.

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werden, müssen sich aber im Rahmen der gesetzlichen Kompetenzordnung bewegen22. Nach § 84 Abs. 2 AktG kann der Aufsichtsrat einen Vorstandsvorsitzenden bestimmen, wenn der Vorstand aus mehreren Mitgliedern besteht. Dieser Beschluss kann nach § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG nicht von einem Ausschuss gefasst werden, sondern obliegt allein dem Aufsichtsrat als Gesamtorgan. Obwohl der Gesetzgeber damit dem Vorstandsvorsitzenden eine besondere Bedeutung beigemessen hat, erfuhr seine rechtliche Stellung nicht diese Aufmerksamkeit, sodass er nach der gesetzlichen Konzeption als primus inter pares angesehen werden kann23. In der Praxis wird der fehlenden gesetzlichen Ausgestaltung damit begegnet, dass dem Vorsitzenden verschiedene Aufgaben durch die Geschäftsordnung übertragen werden. Diese Funktionen betreffen vor allem die organinterne Koordination, repräsentative Funktionen als auch der Kontakt zum Aufsichtsrat und dem Aufsichtsratsvorsitzenden24. Daneben können Satzung oder Geschäftsordnung für den Vorstandsvorsitzenden ein Stichentscheidungsrecht vorsehen, dass der Vermeidung von Patt-Situationen dient25. Ebenfalls wird ein Veto-Recht als zulässig angesehen26 ; dies gilt allerdings nur, wenn es sich um eine Gesellschaft handelt, die nicht der Mitbestimmung unterliegt und einen Arbeitsdirektor erfordert27. Die Einräumung eines sog. Alleinentscheidungsrechts, das sich gegen den Mehrheitsentscheid der anderen Mitglieder hinwegsetzt, ist nicht zulässig28. Die Rechtsstellung des einzelnen Mitglieds partizipiert an der Stellung des Organs selbst. Mit der Bestellung wird das einzelne Mitglied ipso iure verpflichtet, die Funktionswahrnehmung durch den Vorstand auszuüben. Die Koordinierung der innerorganschaftlichen Zuständigkeiten kann durch eine Geschäftsordnung konkretisiert werden. Der Vorsitzende des Vorstands nimmt dabei eine hervorgehobene Stellung im Organ ein, obwohl das Gesetz ihm per se keine speziellen Rechte zuweist. Erst durch Satzung oder Geschäftsordnung kann diese hervorgehobene 22

Dose, Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder, S. 45 ff., 47 ff. Darauf hinweisend Wicke, NJW 2007, 3755; Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 52. 24 Zusammenfassend Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 53. 25 BGHZ 89, 48, 59; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 77 Rn. 11; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 77 Rn. 12; Kort, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 77 Rn. 26; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 77 Rn. 14; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 518. 26 OLG Karlsruhe AG 2001, 93, 94; Kort, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 77 Rn. 27; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 77 Rn. 13 f.; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 77 Rn. 17; offen lassend BGHZ 89, 48, 58; a.A. Bezzenberger, ZGR 1998, 661, 667; ebenfalls kritisch Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 77 Rn. 12. 27 BGHZ 89, 48, 59; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 77 Rn. 13 und 23; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 77 Rn. 14; Kort, in: GroßKomm. AktG, 5. Aufl., § 77 Rn. 29; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 77 Rn. 15; Schiessl, ZGR 1992, 64, 70 f. 28 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 77 Rn. 16; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 77 Rn. 13; Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 53. 23

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Stellung auch mit materiellen Befugnissen in zulässiger – die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft berücksichtigender – Weise ausgestattet werden.

II. Die Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat 1. Zur Stellung des Aufsichtsrats als Gesamtorgan Der Aufsichtsrat hat nach § 111 Abs. 1 AktG die Geschäftsführung zu überwachen. Er nimmt damit die Rolle des Kontrollorgans in der Aktiengesellschaft ein. Nach § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG können ihm keine Maßnahmen der Geschäftsführung übertragen werden. Dieses Verbot ist Ausdruck der bereits angesprochenen Kompetenzverteilung der Organe innerhalb der Aktiengesellschaft. Nur im von § 112 AktG geregelten Fall der Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern agiert der Aufsichtsrat auch als Vertretungsorgan der Gesellschaft. Desgleichen ist diese besondere Stellung auf die Funktion des Aufsichtsrats als Überwachungsorgan zurückzuführen. Allerdings hat sich die Rolle des Aufsichtsrats insofern verändert, dass das strikte Verbot zur Geschäftsführung in seiner klassischen Form nicht mehr gilt. Dies ist auf die Interpretation des Überwachungsbegriffs zurückzuführen. Während die Überwachung nach traditionellem Verständnis in der bloßen vergangenheitsbezogenen Kontrolle gesehen wurde29, hat sich diese Interpretation – unter Einfluss der Corporate Governance-Diskussion – gewandelt. Nach modernem Verständnis umfasst die Überwachung durch den Aufsichtsrat auch die zukunftsgerichtete Beratung des Vorstands30. Der Aufsichtsrat nimmt damit die Position eines mitunternehmerischen Organs ein, das aktiv in die unternehmerische Planung einzubeziehen ist31. Daraus folgt zugleich, dass der Aufsichtsrat – ebenso wie der Vorstand als Leitungsorgan der Gesellschaft – im Interesse des Unternehmens zu handeln hat32. Da § 111 Abs. 1 AktG die Überwachung der Geschäftsführung als Überwachungsaufgabe nennt, stellt die Tätigkeit des Vorstands den zentralen Gegenstand der 29 Zur Entwicklung siehe Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 Rn. 56 f.; dass eine nachträgliche Kontrolle allein nicht mehr maßgebend sein kann, ist einstimmige Auffassung. Strittig ist die Tiefe der präventiven Kontrolle, vgl. etwa Hoffmann/Kirchhoff, WPg 1991, 592, 594; Scheffler, ZGR 1993, 63, 69. 30 BGHZ 114, 127, 130; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 111 Rn. 58¸ Drygala/ Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 110; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 50 ff. 31 Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 290 ff.; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 111 Rn. 5; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 111 Rn. 61 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 13; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 50 ff.; zur Wandlung der Organisationsverfassung und der Rolle des Aufsichtsrats siehe unten § 17 sowie Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, 506 ff. 32 Dazu ausführlich unter § 2 B.III.

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Überwachung dar. Der Begriff der Geschäftsführung ist organbezogen zu verstehen33 ; die Hauptversammlung, die nach § 119 Abs. 2 AktG ebenfalls über Fragen der Geschäftsführung Beschluss fassen kann, wird nicht vom Aufsichtsrat überwacht34. Der Gesetzgeber hat dem Aufsichtsrat zur Wahrnehmung seiner Aufgabe verschiedene Einwirkungsmittel zur Verfügung gestellt. Da bereits die Auswahl eines potentiellen Vorstandsmitglieds einen Teil der präventiven Überwachung darstellt, obliegt dem Aufsichtsrat die Personalkompetenz, § 84 Abs. 1 AktG. Potentielle Mitglieder für den Vorstand werden gesichtet und bei entsprechender Eignung durch das Gesamtgremium bestellt. Zugleich führt der Aufsichtsrat die Verhandlungen über den schuldrechtlichen Anstellungsvertrag. Die Personalhoheit enthält zudem – als retrospektives Mittel der Überwachung – die Möglichkeit, die Vorstandsmitglieder nach § 84 Abs. 3 AktG aus wichtigem Grund abzuberufen. Die wesentliche Grundlage einer vergangenheits- und zukunftsbezogenen Überwachung liegt jedoch in der hinreichenden Informationsversorgung des Aufsichtsrats. Ohne eine solche kann keine gute und effiziente Überwachung gewährleistet werden. So ist der Vorstand nach § 90 AktG verpflichtet, den Aufsichtsrat in regelmäßigen Abständen zu informieren. So muss der Vorstand nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG über die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung berichten, wobei er nun auch auf mögliche Abweichungen von früheren Berichten unter Angabe von Gründen eingehen muss. Zudem muss über die Rentabilität der Gesellschaft, insbesondere die des Eigenkapitals (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AktG), den Gang der Geschäfte (insbesondere den Umsatz) und die Lage der Gesellschaft berichtet werden (§ 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AktG). Darüber hinaus muss auch über solche Geschäfte berichtet werden, die für die Rentabilität oder Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sein können, § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG. Für Konzerngesellschaften erstreckt sich die Berichtspflicht nach § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG auch auf Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen. Insbesondere kann die Berichtspflicht des Vorstands ausgelöst werden, wenn ein Vorgang in einem verbundenen Unternehmen bekannt geworden ist, der auf die Lage der Gesellschaft von erheblichem Einfluss sein kann, § 90 Abs. 1 Satz 3 2. Hs. AktG. Daneben stellt der Gesetzgeber in § 111 Abs. 2 Satz 1 AktG dem Aufsichtsrat ein Einsichtsrecht zur Seite, das sich auf die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie Vermögensgegenstände bezieht. Es handelt sich dabei um ein Mittel für die retrospektive Überwachung, das vor allem dann nützlich ist, wenn bereits Ungereimtheiten aufgefallen sind und etwaige Schadensersatzprozesse vorbereitet

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Darauf hinweisend vor allem Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 111 Rn. 6; offen lassend hingegen Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 111 Rn. 160; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 23. 34 Spindler, in: Spindler/Stilz, § 111 Rn. 6.

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werden35. Überdies ist der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG verpflichtet, einen Katalog bestimmter Arten von Geschäften aufzustellen, die nur mit dessen Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Die Schaffung eines solchen Katalogs stellt ein Veto-Recht dar und dient wiederum der präventiven Überwachung36. Der Aufsichtsrat hat sicherzustellen, dass der Vorstand nicht rechtswidrig handelt. Erlangt er von rechtswidrigen Maßnahmen Kenntnis, ist er verpflichtet, einzuschreiten37. Daneben sind Ordnungs- und Zweckmäßigkeit vom Aufsichtsrat zu überwachen38. So ist es von besonderer Bedeutung, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Überwachungssysteme nach §§ 91 Abs. 2, 107 Abs. 3 Satz 2 AktG eingerichtet wurden und funktionieren sowie für eine hinreichende Koordination und Kontrolle der unternehmensinternen Entscheidungsprozesse Sorge getragen wurde und nachgeordnete Entscheidungsträger sorgfältig ausgesucht und überwacht werden39. Ebenso ist es wichtig, dass Fragen der Wirtschaftlichkeit berücksichtigt werden. Neben der angemessenen und effizienten Organisation des Unternehmens spielen Liquidität und Ertragskraft eine wichtige Rolle, weil an diesen Parametern gemessen wird, ob die Gesellschaft im Wettbewerb mit anderen überlebensfähig ist und bleibt40. Daran orientiert sich auch die Art und Weise sowie die Intensität der Überwachung, die der Aufsichtsrat für den Vorstand aufbringen muss. Semler prägte den Begriff der „begleitenden Überwachung“ bei wirtschaftlich gesunden und erfolgreichen Unternehmen41. Richtig ist daran, dass ein Aufsichtsrat in Krisenzeiten mehr gefordert ist und intensiver an wirtschaftlichen Strategien mitarbeiten muss, die zu einer Verbesserung der Unternehmenslage führen. Die Überwachungsdichte und der Beratungsaufwand nehmen bei negativen Entwicklungen zu. Jedoch kann daraus nicht geschlussfolgert werden, dass „in guten Zeiten“ der Vorstand ohne jegliche Kontrolle agieren darf. Insbesondere die Überwachung der Systeme zur Risikobegrenzung bedürfen einer stetigen Überwachung, um mögliche Fehlentwicklungen aufzudecken und diesen entgegentreten zu können42. Allerdings zeigt sich auch hier, dass der Aufsichtsrat eine Entwicklung, hin zum mitunternehmerischen Organ, genommen hat. Dieser Zuwachs an Kompetenz und vor allem Verantwortung führt dazu, dass das Verhältnis zum Vorstand nicht ohne Komplikationen bleibt.

35 BGHZ 179, 71 Rn. 21 – MPS; BGH ZIP 2007, 224, 225 f.; OLG Düsseldorf AG 2010, 126, 129; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 72; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 Rn. 408. 36 Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 123. 37 Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 111 Rn. 9; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 2. Aufl., 1996, Rn. 197; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 14. 38 Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 118; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 14, Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 71 ff. 39 Zusammenfassend Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 118. 40 Vgl. Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 118. 41 Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, 2. Aufl., 1996, Rn 232. 42 Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 111 Rn. 23.

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2. Zur Stellung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds Das Gesetz knüpft an verschiedenen Stellen nicht an die Stellung des Gesamtorgans, sondern an die des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds an. So richtet sich nach § 116 AktG die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder nach den Vorgaben des § 93 AktG, der dieses für die Mitglieder des Vorstands regelt. Daraus folgt, dass die Mitglieder die im Aktiengesetz ausformulierten Verbote und Gebote zu beachten, kollegial zusammenzuarbeiten und im Interesse des Unternehmens zu handeln haben43. Mit der Wahl und der Annahme des Mandats wird der Gewählte organschaftliches Mitglied des Aufsichtsrats. Er übernimmt damit Rechte und Pflichten, die sich aus dem Gesetz oder der Satzung ergeben44. Neben der organschaftlichen Stellung besteht ein – mit der entgeltlichen oder unentgeltlichen Geschäftsbesorgung vergleichbares45 – Anstellungsverhältnis46. Eine besondere Konstellation stellt der mitbestimmte Aufsichtsrat dar, der neben den durch die Hauptversammlung gewählten (oder entsandten) Mitgliedern, Vertreter der Arbeitnehmer enthält, vgl. §§ 1, 7 MitbestG. Inwiefern diesen Gruppen eine besondere Rechtsstellung zugestanden wird, wird noch näher ausgeführt werden (siehe unten § 2 A.II.5.). Grundsätzlich gilt allerdings, dass trotz eines unterschiedlichen Wahlverfahrens durch verschiedene Interessengruppen (Aktionäre und Arbeitnehmer), jedes einzelne Mitglied gleichberechtigt und weisungsunabhängig agiert (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 MontanmitbestG, § 5 Abs. 4 MitbestErgG) und nicht vordergründig als Interessenvertreter seiner Wähler handelt47. Das aufgrund der Wahrung des durch Art. 14 GG garantierten Eigentumsschutzes der Anteilseignerseite ein leichtes Übergewicht durch das MitbestG gewährt wird, hat keine Auswirkungen auf die Rechtsstellung des einzelnen Mitglieds. Sowohl die Satzung als auch die Geschäftsordnung haben die der §§ 25 ff. MitbestG gesetzten Grenzen bei der Behandlung der Aufsichtsratsmitglieder zu achten48. Die damit zum Ausdruck kommende Unabhängigkeit jedes einzelnen Mitglieds findet sich ebenso in verschiedenen Regelungen wieder. So haben die Aufsichtsratsmitglieder ihre Aufgaben persönlich und in eigener Verantwortung zu erfüllen und dürfen sie nicht auf andere abschieben (vgl. §§ 101 Abs. 3 Satz 1, 108 Abs. 3, 111 Abs. 6 AktG)49. Der Rückgriff aufs Hilfspersonen und Sachverständige ist daher nur in engen Grenzen

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Vgl. Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 91. Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 81. 45 Dazu Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 81. 46 Zu Fragen der Vergütung siehe Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., 2015, § 113 Rn. 6 ff.; Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 83 ff. 47 BGHZ 169, 98, 106; Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 94 f. 48 BGHZ 83, 106 ff.; BGHZ 83, 151 ff. 49 Raiser/Veil, KapGesR, § 21 Rn. 110. 44

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

möglich50. Grundsätzlich gilt seit der Hertie-Entscheidung, dass jedes Mitglied verpflichtet ist, sich die notwendigen Kenntnisse selbst anzueignen51. Die Stellung des einzelnen Mitglieds wurde in den letzten 20 Jahren immer wieder aufgewertet52. So enthält das Gesetz verschiedene Individualauskunftsrechte. Durch diese Stärkung des einzelnen Organmitglieds erhoffte sich der Gesetzgeber eine Stärkung des Gesamtorgans53. § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG gewährt dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied die Befugnis, vom Vorstand einen Bericht nach § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG an den Gesamtaufsichtsrat zu erstatten. Das davor geltende Erfordernis, dass dieses Begehren von einem weiteren Mitglied des Aufsichtsrats unterstützt werden musste, wurde auf Anraten der Regierungskommission Corporate Governance gestrichen, weil dies gerade kein Ausdruck einer durch gleiche Verantwortung geprägten Stellung von Aufsichtsratsmitgliedern sei54. So ist auch dieses Auskunftsverlangen nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG ein Pflichtrecht, das ausgeübt werden muss, wenn es für eine ordnungsgemäße Unternehmensüberwachung erforderlich ist55. Daraus folgt zugleich, dass ein missbräuchliches Auskunftsverlangen von dem Vorstand zurückgewiesen werden darf, wenn eine konkrete Missbrauchsgefahr besteht56. Diese wird insbesondere dann angenommen, wenn das Verlangen von einem Aufsichtsratsmitglied eines Wettbewerbers der Gesellschaft ausgeübt wird und die konkrete Befürchtung besteht, dass die Information an den Wettbewerber weitergegeben wird57. Darüber hinaus ist schikanöses und querulatorisches Verhalten erfasst58. Dem Vorstand obliegt daher eine Einschätzungsprärogative, ob er im kon-

50 Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 158 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 111 Rn. 121 ff.; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 Rn. 749 ff.; Hommelhoff, ZGR 1983, 551, 559 ff. 51 BGHZ 85, 293 – Hertie. 52 Siehe dazu die Ausführungen bei § 16 C.III. sowie § 22 D.II. 53 Vgl. dazu Begr. RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769; DAV NZG 2002, 115, 116; Knigge, WM 2002, 1729, 1731; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 5. 54 Vgl. Begr. RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 14. 55 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 90 Rn. 46; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 12, Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 40; Kort, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 90 Rn. 103. 56 Vgl. Begr. RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 14; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 12a; Kort, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 90 Rn. 108; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 41; weiter hingegen unter Hinwies auf das Geheimhaltungsinteresse Krieger/ Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 90 Rn. 46. 57 Vgl. Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., 2015, § 90 Rn. 45; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 12a; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 90 Rn. 16; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl., § 90 Rn. 17; Kort, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 90 Rn. 115. 58 Vgl. Begr. RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 14; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., 2015, § 90 Rn. 47.

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kreten Fall an den Aufsichtsrat berichtet59. Das anfordernde Aufsichtsratsmitglied ist allerdings nicht berechtigt, an sich selbst berichten zu lassen60. Jedoch gewährt § 90 Abs. 5 Satz 1 AktG jedem einzelnen Mitglied das Recht, von den an den Aufsichtsrat erstatteten Berichten Kenntnis zu nehmen. Auch darin ist ein zwingendes und klagbares Individualrecht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds zu sehen61. 3. Zur Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden Während der Vorsitzende des Vorstands im Aktiengesetz keine Erwähnung findet und aus organisatorischen Gründen durch die Satzung oder Geschäftsordnung mit Kompetenzen ausgestattet wird, die ihm eine hervorgehobene Stellung gegenüber den anderen Mitgliedern vermittelt, spricht § 107 Abs. 1 Satz 1 AktG ausdrücklich davon, dass der Aufsichtsrat aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter zu wählen hat. Die Satzung kann Regelungen zum Wahlverfahren vorsehen, aber nicht die Entscheidungsfreiheit des Aufsichtsrats einschränken62. Ein besonderes Verfahren gilt nach § 27 MitbestG bei mitbestimmten Gesellschaften. Nach § 27 MitbestG wird derjenige Vorsitzender, der eine 2/3-Mehrheit von den gesetzlichen Mitgliedern erzielt. Kommt diese nicht zustande, wird der Vorsitzende von den Anteilseignervertretern, der Stellvertreter von den Arbeitnehmervertretern gewählt63. Diese Ausnahme soll sicherstellen, dass die Arbeitnehmervertreter am Präsidium nicht ausgeschlossen werden können. Aber auch hinsichtlich des Aufsichtsratsvorsitzenden regelt das Aktiengesetz selbst nur vereinzelt Rechte und Pflichten, die diesem zustehen64. Auch hier können Satzung und Geschäftsordnung dem Vorsitzenden weitere Kompetenzen zuweisen65. Nach überwiegender Auffassung nimmt der Aufsichtsratsvorsitzende zwar damit eine hervorgehobene Stellung ein, ist aber kein eigenständiges Organ der Gesell59

Vgl. Begr. RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 14; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 12a; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., 2015, § 90 Rn. 49; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 41. 60 Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 42; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 12; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl., § 90 Rn. 17; Kort, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 90 Rn. 104; Müller-Michaels, in: Hölters, 2. Aufl., § 90 Rn. 18. 61 Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 90 Rn. 57; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 10 sowie Rn. 45; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 90 Rn. 57; Bürgers/ Israel, in: Bürgers/Körber, 3. Aufl., § 90 Rn. 18. 62 Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 51; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 730 ff. 63 Vgl. Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 52. 64 Vgl. Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 44; in der Literatur wurde vorgeschlagen, eine zentrale Vorschrift mit Aufgaben und Befugnissen zu schaffen, v. Schenck, AG 2010, 649, 654 ff. 65 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 107 Rn. 128; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 63.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

schaft66. Hingegen enthält das MitbestG explizitere Ausführungen. So weisen §§ 29 Abs. 2 Satz 1, 31 Abs. 4 MitbestG dem Aufsichtsratsvorsitzenden bei Abstimmungen ein Zweitstimmrecht zu; nicht dem Stellvertreter. Damit wird der Anteilseignerseite im paritätischen Aufsichtsrat ein Übergewicht eingeräumt, das aus verfassungsrechtlichen und politischen Gründen geboten erscheint67. Die geschriebenen und ungeschriebenen Zuständigkeitsbereiche des Aufsichtsratsvorsitzenden können in drei Teilbereiche gegliedert werden68. So stehen dem Aufsichtsratsvorsitzenden solche Befugnisse zu, die für die Leitung eines Kollegialorgans notwendig, aber nicht speziell geregelt sind. Erfasst sind damit alle Befugnisse, die die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Organs aufrechterhalten69. Daneben umfasst sein Aufgabenbereich die Einberufung und Leitung der Aufsichtsratssitzungen sowie die Repräsentation gegenüber Vorstand und Hauptversammlung, aber auch gegenüber dem Handelsregister70. Die Debatte über eine bessere Corporate Governance hat dazu beigetragen, dass die Rolle des Aufsichtsratsvorsitzenden ebenfalls eine Metamorphose erfuhr. Neben den genannten Befugnissen agiert er als Bindeglied zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Dieses Verständnis wird durch D.6 DCGK71 (ehemals Ziff. 5.2 DCGK – 2017) verstärkt, nach dem der Aufsichtsratsvorsitzende an den Sitzungen des Vorstands teilnehmen und mit dessen Vorsitzenden regelmäßig Kontakt halten soll. Dadurch soll gewährleistet werden, dass der Aufsichtsratsvorsitzende unverzüglich über wichtige Entwicklungen informiert wird (so ebenfalls § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG) und der Aufsichtsratsvorsitzende den Aufsichtsrat zu informieren und gegebenenfalls eine außerordentliche Sitzung einzuberufen hat. Damit wird wiederum die Rolle des Aufsichtsrats als mitunternehmerisches Organ deutlich: Gesamtgremium als auch der Aufsichtsratsvorsitzende beraten den Vorstand bei unternehmerischen Entscheidungen. Der Aufsichtsratsvorsitzende hat damit eine Schlüsselposition inne. Innerhalb des Aufsichtsrats ist er verpflichtet, die Kenntnisnahme von den Vorstandsberichten für die Mitglieder zu gewährleisten, da üblicherweise der Vorstand an den Vorsitzenden 66 Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 107 Rn. 38; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 45; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 107 Rn. 63; a. A. Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1983, S. 214; ders., ZGR 1987, 545, 552; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 60 f. 67 Dazu BVerfGE 50, 290 ff. 68 Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1983, S. 16 ff.; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 675 ff.; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 48; für eine Untergliederung in fünf Bereiche Semler, in: Semler/v. Schenk, Hdb. Aufsichtsrat, § 4 Rn. 38 f. 69 Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 107 Rn. 40; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 44, 48; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 107 Rn. 62; Schlitt, DB 2005, 2007, 2008. 70 Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 47 und 58; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, 2. Aufl., 2014, § 107 Rn. 41. 71 DCGK in der Fassung vom 16. Dezember 2019.

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berichtet, § 90 Abs. 5 Satz 3 AktG. Zwar stehen ihm weder ein Weisungs- oder Kontrollrecht noch ein Disziplinarrecht gegenüber den anderen Mitgliedern zu, allerdings kann er durch Redezeitbegrenzung und Entzug des Wortes, Einfluss auf die Geschicke des Verlaufs der Sitzung nehmen72. Ihm wird auch das Recht zugesprochen, dass er ein Mitglied des Saales verweisen kann, wenn eine ordnungsgemäße Sitzung nur so möglich ist73. Neben dem bereits angesprochenen Verhältnis zum Vorstand ist der Aufsichtsratsvorsitzende verpflichtet, nach § 176 Abs. 1 Satz 2 AktG den Bericht des Aufsichtsrats (§ 171 Abs. 2 AktG), der der Hauptversammlung erstattet wird, zu unterschreiben. Zudem ist es in der Praxis üblich, dass der Aufsichtsratsvorsitzende die Hauptversammlung leitet. Diese Befugnis leitet sich jedoch nicht aus seiner Stellung als Aufsichtsratsvorsitzender her. Vielmehr wird er durch Satzung, Geschäftsordnung oder durch Beschluss der Hauptversammlung bestimmt74. Er ist ebenfalls verpflichtet, im Zusammenhang mit der Anmeldung von Kapitalmaßnahmen zur Eintragung ins Handelsregister mitzuwirken, vgl. §§ 184 Abs. 1, 188 Abs. 1, 195 Abs. 1, 207 Abs. 2, 223, 229 Abs. 3, 237 Abs. 2 AktG75. Die Aufgaben, die dem Aufsichtsratsvorsitzenden zukommen, zeigen zugleich, dass innerhalb des Aufsichtsrats als auch außerhalb gegenüber dem Vorstand Konfliktsituationen nicht ausgeschlossen werden können. 4. Zur Stellung von Aufsichtsratsausschüssen Nach § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG kann der Aufsichtsrat – aus seiner Mitte – einen oder mehrere Ausschüssen bilden. Zwar ist er dazu nicht verpflichtet, allerdings werden größere Aufsichtsräte schon aus ihrer Pflicht zur sachgerechten Organisation ihrer Tätigkeit, verschiedene Ausschüsse bilden76. Hinsichtlich ihrer Befugnisse wird differenziert: Neben Ausschüssen, die die Verhandlungen und Beschlüsse des Gesamtaufsichtsrats vorbereiten und Ausschüssen, die die Ausführung der Be72

Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 107 Rn. 50; Drygala, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, 3. Aufl., 2015, § 107 Rn. 19; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 107 Rn. 109; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1983, S. 109 f. 73 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 107 Rn. 109; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 57; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, 2. Aufl., § 107 Rn. 38; enger hingegen Merten/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 107 Rn. 50. 74 OLG Frankfurt AG 2009, 549, 550; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 58; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 119 Rn. 108 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 142 ff. 75 Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 47 und 58; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, 2. Aufl., 2014, § 107 Rn. 41. 76 Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 743; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 107 Rn. 81; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl. 2015, § 107 Rn. 35; Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 166; Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 73.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

schlüsse des Gesamtaufsichtsrats überwachen, existieren Ausschüsse, die anstelle des Aufsichtsrats beschließen können77. Für die Praxis von Bedeutung sind vor allem Personalausschüsse und Aufsichtsratspräsidien78. § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG nennt ausdrücklich den Prüfungsausschuss79, der sich mit der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses, der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems und des internen Revisionssystems sowie der Abschlussprüfung zu befassen hat. In Gesellschaften, die dem MitbestG bzw. dem MontanmitbestG unterfallen, ist zwingend nach § 27 Abs. 3 MitbestG ein Vermittlungsausschuss einzurichten, der Personalvorschläge unterbreitet, wenn bei Bestellung oder Abberufung von Vorstandsmitgliedern im ersten Wahlgang die qualifizierte Mehrheit nicht erreicht wird. Ebenfalls eine Pflicht zur Errichtung spezieller Ausschüsse existiert seit 2014 für Bankinstitute nach § 25d KWG80. Es handelt sich um eine aufsichtsrechtliche Regelung, die vorsieht, dass entsprechende Institute nach § 25d VIII – XII KWG einen Risiko-, einen Prüfungs-, einen Nominierungs- und einen Vergütungskontrollausschuss einrichten müssen. Ebenfalls empfiehlt der DCGK in D.3 (ehemals Ziff. 5.3.2) und D.5 (ehemals Ziff. 5.3.3) die Errichtung von Prüfungs- und Nominierungsausschuss. Galt die Errichtung vieler Ausschüsse lange Zeit als Ausdruck professioneller Corporate Governance81, so änderte sich diese Einschätzung mit der Nachbewertung der Auswüchse der Bank- und Finanzkrise. Denn insbesondere die Bildung entscheidender Ausschüsse führt dazu, dass das Gesamtgremium geschwächt wird82. Bereits vorbereitende Ausschüsse haben erheblichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung des Gesamtaufsichtsrats83. Daher setzt das Aktiengesetz der Delegationsautonomie des Aufsichtsrats Schranken. § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG bestimmt, dass Aufgaben nach §§ 107 Abs. 1 Satz 1, 59 Abs. 3, 77 Abs. 2 Satz 1, 84 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1, 87 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1und 2, 111 Abs. 3, 171, 314 Abs. 2 und 3 sowie Beschlüsse, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen, nicht an einen Ausschuss zur Beschlussfassung überwiesen werden kann. So können seit dem VorstAG aus 2009 nun auch Fragen der Vergütung nicht mehr abschließend durch einen Ausschuss entschieden werden84. 77

Übersicht bei Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 167. So Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 166. 79 Dazu Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 170; Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 73. 80 Zu den Versicherungsinstituten siehe Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 107 Rn. 94. 81 Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 254 f.; Lutter, DB 2009, 775, 777; Plagemann, NZG 2013, 1293 ff. 82 Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., 2015, § 107 Rn. 37. 83 Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG; 3. Aufl., 2015, § 107 Rn. 37. 84 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31. 7. 2009, BGBl. I, S. 2509. 78

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Der jeweilige Ausschuss hat dem Gesamtaufsichtsrat regelmäßig zu berichten, § 107 Abs. 3 Satz 4 AktG. Zudem kann das Gesamtgremium Befugnisse, die auf einen Ausschuss übertragen wurden, generell oder im Einzelfall an sich ziehen85. Der Aufsichtsrat bleibt daher auch gegenüber einem Ausschuss immer Herr des Verfahrens. Allerdings steht einem Ausschuss nach § 90 Abs. 3 AktG analog ein Berichtsanspruch gegenüber dem Vorstand zu, wenn ein Beschluss gefasst wurde und sich der Berichtsanspruch auf das Aufgabengebiet des Ausschusses bezieht86. Dies gilt allerdings nicht für die Einsichts- und Prüfungsrechte nach § 111 Abs. 2 AktG, es sei denn, dass der Gesamtaufsichtsrat diese Befugnisse auf den Ausschuss übertragen hat87. Einen wesentlichen Gegenstand bildet die Besetzung von Ausschüssen. In der Praxis war nach Geltung des MitbestG versucht worden, die Beteiligung der Arbeitnehmerseite so gering wie möglich zu halten88. Die Bildung von Ausschüssen ohne Arbeitnehmerbeteiligung galt dafür als beste Lösung, da der Gesetzgeber im MitbestG keine Regelung über die Organisation und Besetzung von Ausschüssen vorsah. Richtigerweise muss hierbei das Diskriminierungsverbot von Aufsichtsratsmitgliedern beachtet werden89. In paritätisch mitbestimmten Gesellschaften darf nicht gezielt der Sinn und Zweck des MitbestG unterlaufen werden, indem nichtparitätische Ausschüsse gebildet werden90. Eine Nichtbeteiligung der Arbeitnehmervertreter ist daher nur gerechtfertigt, wenn sachliche Gründe vorliegen91. In der gegenwärtigen Diskussion nehmen Ausschüsse eine herausgehobene Stellung ein, da ihnen – trotz der bestehenden Einschränkungen nach § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG – wichtige Funktionen zukommen und die Arbeit des Gesamtaufsichtsrats damit unterstützt und professionalisiert wird. Daher stellt sich die Frage, 85 OLG Hamburg AG 1996, 84, 85; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., 2015, § 107 Rn. 41; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 94; Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 73; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 747; a.A. Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, 1986, S. 82 ff. 86 So Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 107 Rn. 121; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 783; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., 2015, § 107 Rn. 54; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 172; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3 Aufl., § 107 Rn. 137 f. 87 So bereits Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, 1986, S. 200; Semler, AG 1988, 60, 64; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 107 Rn. 121; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 781; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 107 Rn. 137; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 172; a.A. Lehmann, DB 1979, 2117, 2123. 88 Vgl. dazu die Ausführungen über den Einfluss der Einführung der Unternehmensmitbestimmung unter § 15. 89 Dazu Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., 2015, § 107 Rn. 49; Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 76; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 107 Rn. 100. 90 So ausdrücklich BGHZ 83, 144; BGHZ 122, 342, 357. 91 BGHZ 83, 144, 149; BGHZ 122, 342, 357; dazu Raiser/Veil/Jacobs, MitbestG, § 25 Rn. 51 ff.; Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 76; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 107 Rn. 100; für einen weiteren Spielraum zur Ausschussbesetzung Lutter, ZGR 1977, 306, 314; Schaub, ZGR 1977, 293, 302.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

welche rechtlichen Befugnisse einem Ausschuss gegenüber dem Aufsichtsrat, gegenüber dem Vorstand als anderem Organ oder gegenüber einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern zustehen können. Auch in diesen Verhältnissen erscheint Konfliktpotential angelegt zu sein, das zu untersuchen ist. 5. Zur Stellung der Anteilseignervertreterund Arbeitnehmervertreterseite In mitbestimmten Gesellschaften setzt sich der Aufsichtsrat aus Vertretern der Anteilseigner und Vertretern der Arbeitnehmer zusammen. Dementsprechend existieren zwei unterschiedliche Wahlverfahren für jede Seite. Ob jeder Seite als eine Art Gruppe bzw. Bank allerdings zugleich eine besondere Rechtsstellung zukommt, erscheint fraglich. Raiser/Veil sprechen davon, dass Sonderbeschlüsse einzelner Aufsichtsratsgruppen der Struktur des Aufsichtsrats als eines mit einheitlichen Aufgaben und gemeinsamer Verantwortung ausgestatteten Unternehmensorgans widersprechen92. Jedoch hält diese strikte Sichtweise dann nicht stand, wenn das Gesetz einzelnen Gruppen Befugnisse zuweist. Bis zum Jahr 2015 fand man im Aktiengesetz eine Anknüpfung an die Gruppe der Anteilseignervertreter nur in § 124 Abs. 3 Satz 5 AktG. Danach bedürfen bei mitbestimmten Gesellschaften die Beschlüsse des Aufsichtsrats über die Vorschläge zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern nur der Mehrheit der Stimmen der Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre. Damit wird der Gruppe – bestehend aus den Vertretern der Anteilseigner – ausdrücklich eine Kompetenz zuteil, die nicht durch das Gesamtgremium des Aufsichtsrats wahrgenommen werden kann und wahrgenommen werden darf. Seit der Verankerung der („weichen“ und „starren“) Geschlechterquote für (qualifiziert) mitbestimmte und/ oder börsennotierte Gesellschaften enthält das Aktiengesetz eine weitere – in § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG gefasste – Anknüpfung an die jeweiligen Bänke93. Zwar gilt grundsätzlich nach § 96 Abs. 2 Satz 2 AktG für den Aufsichtsrat die Gesamterfüllung der Quote. Den jeweiligen Gruppen wird aber ein Widerspruchsrecht nach § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG zuteil, wenn eine Bank auf Grund eines mit Mehrheit gefassten Beschlusses vor der Wahl der Gesamterfüllung gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden widerspricht. Damit wird explizit die Stellung der dem Aufsichtsrat angehörenden Gruppen hervorgehoben. Ihnen wird ein Recht zugestanden, das – sollte es beim Wahlverfahren zu Ungereimtheiten kommen – im Klagewege geltend werden kann. Dass ein solcher Fall eintritt, ist nicht unwahrscheinlich, da in der Literatur umstritten ist, bis zu welchem Zeitpunkt gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Gesamterfüllung widersprochen werden kann94. Außerhalb des 92

Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 72. Dazu Grobe, AG 2015, 289, 291 f.; Seibt, ZIP 2015, 1193, 1197; Drygala, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 96 Rn. 43 ff. 94 Vgl. die Übersicht bei Koch, in: Hüffer/Koch, § 96 AktG Rn. 16; einerseits Grobe, AG 2015, 289, 292: Zeitpunkt des Wahlvorschlags in Anlehnung an § 124 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AktG; 93

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Aktiengesetzes enthält nur noch das MitbestG Regelungen, die einer Gruppe von Mitgliedern Befugnisse einräumt. So sieht § 27 Abs. 2 MitbestG – wie bereits erörtert wurde95 – eine besondere Form des Wahlverfahrens für den Aufsichtsratsvorsitzenden und seinen Stellvertreter vor, nach dem der Vorsitzende von den Vertretern der Anteilseigner, der Stellvertreter von den Vertretern der Arbeitnehmer gewählt wird. Eine vergleichbare Regelung findet sich bei der Besetzung des Vermittlungsausschusses in §§ 27 Abs. 3, 31 Abs. 4 MitbestG. Auch hier gilt, dass neben dem Aufsichtsratsvorsitzenden und seinem Stellvertreter je ein – von der jeweiligen Gruppe gewähltes – Mitglied dem Vermittlungsausschuss anzugehören hat96. Diese einzelnen Regelungen belegen, dass das Gesetz den Gruppen des Aufsichtsrats Rechtszuständigkeiten zuweist, die weder vom Gesamtorgan wahrgenommen noch auf dieses übertragen werden können. Dass der Gesetzgeber im Rahmen der Etablierung der Geschlechterquote ausdrücklich den Gruppen im Aufsichtsrat ein Widerspruchsrecht zusprach, belegt die Aktualität der Bedeutung der jeweiligen Gruppen. Betrachtet man die zugewiesenen Kompetenzen, so wird deutlich, dass diese vor allem das Verhältnis zum Gesamtaufsichtsrat regeln.

III. Die Aufgaben der Hauptversammlung in der Aktiengesellschaft 1. Grundsätzliches zur Aufgabenwahrnehmung durch die Hauptversammlung Obwohl die Hauptversammlung in der Untersuchung grundsätzlich ausgeklammert wird, wäre eine Darstellung der aktienrechtlichen Kompetenzordnung unvollständig, wenn nicht auf die ihr zustehenden Befugnisse eingegangen wird. Während der Vorstand die Aktiengesellschaft leitet (§ 76 Abs. 1 AktG) und der Aufsichtsrat die Geschäftsführung des Vorstands überwacht (§ 111 Abs. 1 AktG), nimmt die Hauptversammlung die Funktion des Willensbildungsorgans der Gesellschaft wahr. Ihr Wille wird durch Beschlüsse gebildet und durch ihre Organstellung der Gesellschaft zugerechnet97. In ihren Ursprüngen wurde die Hauptversammlung als das „oberste Organ“ der Aktiengesellschaft angesehen98. Davon kann längst nicht mehr die Rede sein, da ein Hierarchieverhältnis zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung seit andererseits Seibt/Kraack, in: Hohenstatt/Seibt, Geschlechterquoten, 2015, Rn. 130 ff.: Feststellung des Wahlergebnisses durch Wahlvorstand. 95 Siehe oben § 2 A.II.3. 96 Zum Verfahren siehe Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 35. 97 Vgl. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 118 Rn. 9; Mülbert, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., Vorbem §§ 118 ff. Rn. 19; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 118 Rn. 3. 98 Siehe dazu § 11; dass es sich um eine historische Bewertung handelte, übersehen Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 194.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

der Aktienrechtsnovelle von 1937 nicht mehr durch Satzungsbestimmungen erzeugt werden kann99. Gleiches gilt für die Etablierung eines Weisungsrechts. Solche Bestimmungen sind nach § 23 Abs. 5 AktG unwirksam (sog. Satzungsstrenge). Begrifflich muss hinsichtlich der Hauptversammlung differenziert werden: Zum einen ist sie ein Organ der Gesellschaft. Zum anderen handelt es sich um die Zusammenkunft der Aktionäre, in der der Organwille gebildet wird100. Die Existenz der Hauptversammlung ist nicht von der konkreten Zusammensetzung des Aktionärskreises abhängig. Sie entsteht mit Feststellung der Satzung und endet mit dem Erlöschen der Gesellschaft101. Unstreitig ist darüber hinaus, dass die Hauptversammlung ein notwendiges und satzungsresistentes Organ ist102. Ihre Befugnisse als Organ der Gesellschaft sind folglich nicht auf andere Organe – weder durch Satzung noch durch Hauptversammlungsbeschluss – übertragbar103. Allerdings ist die Hauptversammlung wegen ihrer Konzeption als Handlungsorgan ungeeignet. Die Kompetenzverfassung der Aktiengesellschaft sieht hier grundsätzlich den Vorstand (§ 78 AktG) als auch den Aufsichtsrat (§ 112 AktG) als einzige zur Vertretung der Gesellschaft berechtigte Organe vor. Die gesetzlich vorgesehenen Zustimmungsvorbehalte der Hauptversammlung zu strukturändernden Maßnahmen, zu Maßnahmen, die für die Gesellschaft eine besondere Bedeutung haben sowie die Zustimmung der Hauptversammlung nach § 119 Abs. 2 AktG haben keine Wirkungen nach außen, sondern beschränken sich auf das Innenverhältnis104. Selbst wenn die Gesellschaft weder über einen Vorstand noch über einen Aufsichtsrat verfügt, kommt der Hauptversammlung keine Vertretungskompetenz zu105. Diese Begrenzungen, als reines Willensbildungsorgan zu agieren, werden an zwei Punkten durchbrochen: Zum einen kommt der Hauptversammlung organschaftliche Vertretungsmacht bei rein verbandsinternen Maßnahmen zu wie etwa Bestellung (§ 101 AktG) und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 103 AktG), sowie Entlastung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat (§ 120 AktG) als auch die Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG106. Zum anderen wird die 99

Hoffmann, in: Spindler/Stilz, § 119 Rn. 48; Kubis, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl., § 119 Rn. 97; Mülbert, in: Großkomm. AktG., 4. Auflage, § 119 Rn. 61; Koch, in: Hüffer/ Koch, AktG, § 119 Rn. 11; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 119 Rn. 38. 100 Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 192. 101 Ebenfalls für ein solchen Verständnis Kubis, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl., § 118 Rn. 11; Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 192. 102 Kubis, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl., § 118 Rn. 8, Hoffmann, in: Spindler/Stilz, § 118 Rn. 5; Drinhausen, in: Hölters, 2. Aufl., § 118 Rn. 9. 103 Hoffmann, in: Spindler/Stilz, § 118 Rn. 5; Drinhausen, in: Hölters, 2. Aufl., § 118 Rn. 9. 104 Vgl. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 118 Rn. 9; 105 Vgl. Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 118 Rn. 13; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 119 Rn. 19; Mülbert, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., Vorbem §§ 118 ff. Rn. 21. 106 So Kubis, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2013, § 119 Rn. 19; Mülbert, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., Vorbem §§ 118 ff. Rn. 23; von einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht ausgehend Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 12.

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Hauptversammlung bei der Bestellung von Sonderprüfern nach § 142 Abs. 1 AktG aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsbefugnis tätig107. Diese Funktionen können nicht durch ein anderes Organ der Aktiengesellschaft wahrgenommen werden. 2. „Geschriebene“ und „ungeschriebene“ Kompetenzen Betrachtet man die der Hauptversammlung als Organ zustehenden Kompetenzen, muss unterschieden werden: Zum einen enthalten § 119 Abs. 1 AktG und andere Gesetze108 die sog. geschriebenen Kompetenzen. Üblicherweise kann man diese in regelmäßig wiederkehrende Maßnahmen, Strukturmaßnahmen und Sonderfälle unterteilen109. § 119 Abs. 1 AktG benennt als Grenzen das Gesetz und die Satzung der Gesellschaft. Eine Ausweitung der Befugnisse der Hauptversammlung durch entsprechende Satzungsbestimmungen ist allerdings nicht möglich, da die Kompetenzverfassung der Aktiengesellschaft kein dispositives Recht ist, § 23 Abs. 5 AktG110. Nicht erfasst von diesem „verstreuten“ Katalog an Zuständigkeiten sind Fragen zur laufenden Geschäftsführung111. Dies wäre ebenfalls mit der vorgesehenen Kompetenzverfassung nicht zu vereinbaren. Jedoch sieht § 119 Abs. 2 AktG vor, dass der Vorstand solche Fragen der Hauptversammlung vorlegen kann, die sodann – auch bindend für den Vorstand – entscheidet. Allerdings wird davon in der Praxis selten Gebrauch gemacht, da leicht der Eindruck entstehen könnte, der Vorstand sei mit der Wahrnehmung der Leitungsaufgabe überfordert112. Neben den geschriebenen Hauptversammlungskompetenzen entwickelten sich in den letzten Jahrzehnten die sog. ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen heraus. Es handelt sich dabei um Maßnahmen, die weder durch Gesetz noch durch Satzung der Hauptversammlung zugewiesen sind. Jedoch erfordern sie wegen der Schwere ihres Eingriffs in die Rechte und Interessen der Aktionäre, dass der Vorstand eine Entscheidung der Aktionäre herbeiführt113. Hier hat die Rechtsprechung anhand verschiedener Urteile Merkmale herausgearbeitet, die eine solche Verpflichtung des Vorstands statuieren. Den Ausgangspunkt bildete die sog. Holzmüller-Entscheidung 107 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 12; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 119 Rn. 19; Bezzenberger, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 142 Rn. 39. 108 Dazu auch die Auflistung bei Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 196. 109 Vgl. die ausführliche Auflistung bei Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., 2015, § 119 Rn. 7 ff. 110 Hoffmann, in: Spindler/Stilz, § 119 Rn. 48; Kubis, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl., § 119 Rn. 97; Mülbert, in: Großkomm. AktG., 4. Auflage, § 119 Rn. 61; Koch, in: Hüffer/ Koch, AktG, § 119 Rn. 10; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 119 Rn. 38. 111 Zum historischen Hintergrund einer zu mächtigen Hauptversammlung siehe § 11 B. sowie § 13 B.V. 112 So ebenfalls Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 197. 113 Vgl. BGHZ 83, 122 ff. – Holzmüller.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

aus dem Jahre 1982. Danach ist nach Ansicht des BGH eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz gegeben, wenn eine Maßnahme (hier: die Ausgliederung wesentlichen Betriebsteils auf die Tochtergesellschaft) so tief in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen würde, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in eigener Verantwortung treffen114. Gleiches gilt nach Ansicht des BGH für Maßnahmen in der Tochtergesellschaft, sofern sie sich auf die wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse der Obergesellschaft und ihre Gesellschafter wesentlich auswirken können115. Begründet wurde diese Kompetenz mit der Reduzierung des dem Vorstand nach § 119 Abs. 2 AktG gegebenen Ermessens auf Null116. Erst im Jahr 2004 setzte sich der BGH in seinen „Gelatine I“- und „Gelatine II“- Entscheidungen erneut mit den ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen auseinander. Bis zu diesem Zeitpunkt sammelte sich eine unüberschaubare Fülle an Meinungen an117. Der BGH präzisierte seine Rechtsprechung und entschied sich gegen einen extensiven Anwendungsbereich ungeschriebener Kompetenzen118. Diese seien vielmehr ein Mittel des verbandsrechtlichen Minderheitenschutzes, sodass die Entscheidungsfindung durch die Aktionäre eine Maßnahme gegen die Aushöhlung mitgliedschaftlicher Rechte darstelle. Als Eingriffskriterien zieht der BGH qualitative und quantitative Merkmale zu Rate. Qualitativ muss die (strukturändernde) Maßnahme einen sog. Mediatisierungseffekt aufweisen, der zu einer faktischen Verkürzung mitgliedschaftlicher Rechte führt119. Quantitativ muss die Maßnahme eine quasi-satzungsändernde Qualität aufweisen. Hierbei liegt der Orientierungswert bei ca. 80 % des Unternehmenswerts120. Sind beide Kriterien erfüllt, muss die Maßnahme von der Hauptversammlung durch Beschluss mit qualifizierter Mehrheit abgesegnet werden121. Führt der Vorstand die Maßnahme aus, ohne die erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen, so ist sie im

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BGHZ 83, 122, 131 – Holzmüller. BGHZ 83, 122 ff. – Holzmüller. 116 Ausführlich zur Entscheidung siehe Staake, Ungeschriebene HV-Kompetenzen, S. 32 ff., 37 ff. 117 Dazu Heinsius, ZGR 1984, 383; Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825 ff.; Geßler, in: FS Stimpel, 1985, S. 781 ff.; Westermann, ZHR 156 (1992), 203. Westermann, ZGR 1984, 352. Martens, ZHR 147 (1983), 377. Werner, ZHR 147 (1983), 429. Götz, AG 1984, 85. Ebenroth, AG 1988, 1. Semler, BB 1983, 1566. Weisshaupt, NZG 1999, 804. Zeidler, NZG 1998, 91. Sieger/Hasselbach, AG 1999, 241. v. Gerkan, ZGR 1988, 441. Rehbinder, ZGR 1983, 92. 118 BGHZ 159, 30 ff. – Gelatine I; BGH ZIP 2004, 1001 ff. – Gelatine II. 119 BGH NJW 2004, 1860, 1863 – Gelatine I; dazu Drinhausen, in: Hölters, 2. Aufl., § 119 Rn. 20; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 119 Rn. 30; Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 203; Raiser/Veil, KapGesR, § 16 Rn. 13. 120 BGHZ 159, 30, 44 f. = BGH NJW 2004, 1860, 1864 – Gelatine I. 121 BGHZ 159, 30, 44 f. = BGH NJW 2004, 1860, 1864 – Gelatine I. 115

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Verhältnis gegenüber Dritten gleichwohl wirksam122 ; Ausnahmen gelten hier nur, wenn es sich um einen Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht handelt123. Allerdings führt die Nichteinholung des Votums durch die Hauptversammlung als auch das Übergehen eines – die Maßnahme ablehnenden – Beschlusses durch die Hauptversammlung zur Haftung des Vorstands nach § 93 Abs. 2 AktG124. Zudem liegt eine grobe Pflichtverletzung i.S.d. § 84 Abs. 2 Satz 3 AktG vor, sodass der Vorstand von seinem Amt abberufen werden kann125. Prozessual steht jedem Aktionär aus seiner mitgliedschaftlichen Stellung sowohl ein Anspruch auf Rückabwicklung der Maßnahme126 als auch ein Unterlassungsanspruch127 zu. Jedoch kann es nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Einfluss der Hauptversammlung schwindet. 3. Neuere Entwicklungen durch Rechtsprechung und Gesetzgebung Aktuell steht – im Anschluss an die Frosta-Entscheidung des BGH128 – die Frage im Mittelpunkt, inwiefern der Rückzug von der Börse („Delisting“) eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz begründet129. Nachdem der BGH in seiner Macrotron-Entscheidung130 eine solche aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie des Art. 14 GG herleitete und zugleich die Möglichkeit, den Ver122 Vgl. Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 119 Rn. 102; Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 203 ff. 123 Dazu Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 119 Rn. 102; ebenfalls Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien-und GmbH-Konzernrecht, 9. Aufl., 2019, Vorbem § 311 Rn. 53. 124 Allg. Auffassung Raiser/Veil, KapGesR, § 16 Rn. 19; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 119 Rn. 102; Drinhausen, in: Hölters, 2. Aufl., § 119 Rn. 27. 125 Hoffmann, in: Spindler/Stilz, § 119 Rn. 53; Drinhausen, in: Hölters, 2. Aufl., § 119 Rn. 27. 126 Vgl. BGHZ 83, 122, 136 = AG 1982, 158, 161 = NJW 1982, 1703, 1706 = ZIP 1982, 568, 572 f.; relativierend OLG Stuttgart AG 2003, 527, 532 = NZG 2003, 778, 785 = ZIP 2003, 1981, 1989 (zur KGaA). 127 Drinhausen, in: Hölters, 2. Aufl., § 119 Rn. 28; Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 207; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 119 Rn. 26; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 119 Rn. 103. 128 BGH NJW 2014, 146 ff. = ZIP 2013, 2254 ff. – Frosta. 129 Dazu ausführlich Hoffmann, in: Spindler/Stilz, § 119 Rn. 39 ff.; Kocher/Widder, NJW 2014, 127; K. Schmidt, JuS 2014, 174; M. Arnold/Rothenburg, DStR 2014, 150; Wieneke, NZG 2014, 22; Stöber, BB 2014, 9; Wasmann/Glock, DB 2014, 105; Mense/Klie, GWR 2013, 505; Paschos/Klaaßen, AG 2014, 33; Schockenhoff, ZIP 2013, 2429; Habersack, Anm. zur FrostaEntscheidung, JZ 2014, 147; Winter/Keßler, Der Konzern 2014, 69; Rosskopf, ZGR 2014, 487; Staake, LMK 2014, 356690. 130 BGHZ 153, 47 = NJW 2003, 1032 – Macrotron; ausführlich zu dieser Entscheidung: K. Schmidt, NZG 2003, 601; Henze, in: FS Raiser, 2005, S. 145 ff.; Land/Behnke, DB 2003, 2531; Ekkenga, ZGR 2003, 878; Bürgers, NJW 2003, 1642; Adolff/Tieves, BB 2003, 797; Klöhn, ZBB 2003, 208; Krämer/Theiss, AG 2003, 225; Geyrhalter/Zirngibl, DStR 2004, 1048; Benecke, WM 2004, 1122.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

kehrswert der Aktien jederzeit durch Veräußerung realisieren zu können, ebenfalls vom Schutzbereich erfasst sah, führte die Lindner/MV-Entscheidung des BVerfG im Jahre 2012 zu einer Neubewertung dieser Frage131. Das BVerfG führte aus, dass die bloße Verkehrsfähigkeit der Aktie nicht vom Schutzbereich des Art. 14 GG erfasst sei, sondern lediglich einen wertbildenden Faktor darstelle132. Allerdings hatte das BVerfG keine Bedenken gegen die bisherige Praxis, dass die Fachgerichte im Rahmen einer Gesamtanalogie zu den Bestimmungen anderer Strukturmaßnahmen § 1 SpruchG entsprechend anwenden133. Der BGH sah allerdings keine Notwendigkeit, an seiner bisherigen Rechtsprechung festzuhalten und zog die „Maximalkonsequenzen“134 : In der Frosta-Entscheidung aus dem Jahre 2013 führte der BGH aus, dass bei einem Delisting es weder erforderlich sei, die Hauptversammlung zu beteiligen noch einen durch das Spruchverfahren überprüfbaren Abfindungsanspruch für die Minderheitsaktionäre zu gewähren135. Diese Entscheidung stieß in der Literatur vermehrt auf Kritik136, sodass Stimmen lauter wurden, die ein Eingreifen des Gesetzgebers forderten137. Bereits im Oktober 2015 verabschiedete der Bundestag eine Ergänzung des § 39 BörsG, wonach nun für den Widerruf einer Zulassung von Aktien erforderlich ist, dass ein Erwerbsangebot nach dem WpÜG vorgelegt wird und die Gegenleistung in einer Geldleistung in Euro bestehen und mindestens dem gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs der letzten sechs Monate vor Veröffentlichung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 oder § 35 Abs. 1 Satz 1 BörsG entsprechen muss, § 39 Abs. 3 Satz 2 AktG. Hingegen ist der Wert des Unternehmens maßgeblich, wenn Insiderinformationen nicht unverzüglich oder falsch veröffentlicht wurden (§ 39 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 BörsG), der Emittent oder Bieter gegen das Verbot der Marktmanipulation nach § 20a WpHG verstoßen (§ 39 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 Satz 1 BörsG) oder der Börsenkurs größere Abweichungen aufweist. Die Regelung enthält jedoch kein Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung. Der einzige Schutz für die Aktionäre besteht darin, dass ihnen ein Erwerbsangebot nach dem WpÜG unterbreitet werden muss. Die Entscheidungskompetenz, ob eine Gesellschaft börsennotiert sein soll oder nicht, fällt damit als Leitungsaufgabe allein dem Vorstand zu, sofern die Satzung nicht abweichende Bestimmungen vorsieht.

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BVerfG NZG 2012, 826 – Lindner/MV; vgl. dazu Drygala/Staake, ZIP 2013, 907; Klöhn, NZG 2012, 1041; Reger/Schilha, NJW 2012, 3066; Kiefner/Gillessen, AG 2012, 645; Bungert/Wettich, DB 2012, 2265; Wackerbarth, WM 2012, 2077. 132 BVerfG NJW, 2012, 2012, 3081, 3083 = NZG 2012, 826, 828. 133 Vgl. BVerfG NJW 2012, 3081, 3085 Tz. 72 ff. 134 Dies betonend Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 1 SpruchG Rn. 23. 135 BGH NJW 2014, 146 ff. = ZIP 2013, 2254 ff. – Frosta. 136 Kritisch Staake, LMK 2014, 356690; Stöber, BB 2014, 9; Habersack, JZ 2014, 147, 148; Klöhn, NZG 2012, 1041, 1045. 137 Dies war übrigens auch die Intention des II. Zivilsenats, es zu unterlassen, rechtsfortbildend tätig zu werden, vgl. Bergmann, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2013, S. 13 f.

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4. Der schwindende Einfluss der Hauptversammlung Der Einfluss der Hauptversammlung auf Entscheidungen der Aktiengesellschaft ist seit den „Gelatine I“- und „Gelatine II“-Entscheidungen des BGH immer weiter zurückgedrängt worden. Bereits nach dem Gesetz nimmt die Hauptversammlung eine geschwächte Position innerhalb der Organtrias ein. Diese Stellung zeigt sich an verschiedenen Punkten. So ist die Hauptversammlung nur organschaftlicher Vertreter bei Maßnahmen, die im Innenbereich der Aktiengesellschaft liegen, wie Bestellung und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern und die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. Gleiches gilt für die Bestellung eines besonderen Vertreters, der Ansprüche der Gesellschaft gegen die Gründer oder Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats geltend macht138 oder die Bestellung eines Sonderprüfers. Dabei handelt es sich um Kompetenzen, die ihrer Natur nach nur von der Hauptversammlung wahrgenommen und von keinem anderen Organ angemaßt werden können. Ein weiterer Beleg für die schwache Stellung der Hauptversammlung ist das dem Aktiengesetz immanente Prinzip der unbeschränkten Vertretungsmacht (§ 82 Abs. 1 AktG). Dies gilt auch für Maßnahmen, die grundsätzlich der Zustimmung durch die Hauptversammlung bedürfen; nur in Ausnahmefällen sind zustimmungswidrige Handlungen unwirksam139. Ignoriert der Vorstand die fehlende oder ablehnende Beschlussfassung durch die Hauptversammlung, so machen sich die Organmitglieder „nur“ schadensersatzpflichtig nach § 93 Abs. 2 AktG; die Maßnahme selbst bleibt wirksam. Dieses Prinzip ist eine Folge der – der Hauptversammlung anhaftenden – Schwerfälligkeit, die der Gesetzgeber bereits frühzeitig erkannte und ihr entgegensteuern wollte. Würde die Zustimmung der Hauptversammlung Auswirkungen auf die Wirksamkeit haben, kann die Gesellschaft nicht mehr ohne größere Schwierigkeiten am Geschäftsverkehr teilnehmen, da der Vorstand nicht mehr eigenverantwortlich und unabhängig Entscheidungen treffen könne. Daher enthält das Gesetz vor allem Schutzinstrumente, die die Rechte der Aktionärsminderheit wahren. Der Einfluss der Hauptversammlung war in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand internationaler Untersuchungen. Im Jahre 2012 äußerte sich die OECD kritisch zu sog. Related Party Transactions140. Related Party Transactions sind Transaktionen mit nahestehenden Unternehmen oder Personen – mithin zwischen dem Unternehmen und seinen Geschäftsführern, Mitgliedern der Unternehmensleitung, herrschenden Unternehmen oder Aktionären. Für Minderheitsaktionäre und externe Gläubiger (der börsennotierten Tochtergesellschaft) besteht die Gefahr, dass Gesellschaftsvermögen zu deren Lasten auf diese nahestehenden Parteien verlagert

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Siehe zur rechtlichen Stellung des besonderen Vertreters § 8 C.II.3. BGHZ 50, 112, 114; BGH NJW 1966, 1911; BGH NJW 1989, 26, 27; BGH NZG 2004, 139, 140; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 82 Rn. 45; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 82 Rn. 59; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 82 Rn. 6. 140 OECD, Related Party Transactions and Minority Shareholder Rights, 2012, S. 20. 139

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

wird141. Im Anschluss daran nahm sich die EU-Kommission dieses Themas an und stellte im Jahr 2014 einen Vorschlag zur Änderung der Aktionärsrechte-RL vor142. Nachdem dieser in noch nie da gewesenser Weise kritisiert wurde143, erarbeiteten die Beteiligten einen Kompromissvorschlag (im Folgenden AktR-RL-TRILOG)144. Dieser wurde am 13. 12. 2016 durch den slowakischen Ratspräsidenten veröffentlicht und am 16. 12. 2016 vom AStV förmlich gebilligt145. Nachdem der kritisierte Vorentwurf eine Zustimmungspflicht durch die Hauptversammlung für alle Transaktionen, die mehr als 5 % des Unternehmensvermögens betreffen, vorsah und der dadurch begünstigte Aktionär – im Fall der Related Party Transaction innerhalb des Konzerns die Konzernmutter – von der Abstimmung ausgeschlossen war (vgl. Art. 9c Abs. 2 AktR-RL-KOM), enthält der Kompromissvorschlag eine Optionslösung, die eine Zustimmungspflicht durch den Aufsichtsrat vorsieht, vgl. Art. 9c Abs. 2 Satz 1 AktR-RL-TRILOG. Sowohl im Hinblick auf die Zustimmung durch die „Mehrheit der Minderheit“146 der Hauptversammlung, wie sie der Ursprungsentwurf vorsah, als auch der Kompromissvorschlag, der neben der Zustimmung durch die Hauptversammlung alternativ eine Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats vorsieht, nehmen erheblichen Einluss auf die aktienrechtliche Kompetenzverfassung. So verletzt die Statuierung einer Zustimmungspflicht durch die Hauptversammlung die Zuständigkeit des Aufsichtsrats147. Zugleich führt der Ausschluss des Hauptaktionärs zu einer Missachtung der Aktionärsdemokratie, da die nahestehende Partei im Konzern oftmals das herrschende Unternehmen und somit der Hauptaktionär sein dürfte, sodass eine Entscheidung der Hauptversammlung nur vom Willen der Minderheitsaktionäre getragen werden würde148. Insbesondere sind die Auswirkungen auf das deutsche Konzernrecht immens, da zum einen zwischen vertraglichen und faktischen Konzern zu differenzieren ist und zum anderen das herr-

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Wiersch, NZG 2014, 1131; Selzner, ZIP 2015, 753; Spindler/Seidel, AG 2017, 169. Siehe Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Einbeziehung der Aktionäre sowie der Richtlinie 2013/34/EU in Bezug auf bestimmte Elemente der Erklärung zur Unternehmensführung, KOM (2014) 213 final; im Folgenden: AktR-RL-KOM.; zur Vorgeschichte siehe Spindler/Seidel, AG 2017, 169. 143 Vetter, in: Fleischer/Koch/Kropff/Lutter, 50 Jahre AktG, 2016, S. 231, 268. 144 Rat der Europäischen Union, Pressemitteilung v. 16. 12. 2016 – 738/16, abrufbar unter: http://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2016/12/16-shareholders-rights-eucompanies (zuletzt abgerufen am 28. 5. 2017). 145 Vorschlag des slowakischen Ratspräsidenten unter Beachtung der im informellen Trilog gefundenen Ergebnisse v. 13. 12. 2016 – 15248/16. 146 So Spindler/Seidel, AG 2017, 169, 171. 147 Bungert/de Raet, Der Konzern 2015, 289, 296; Kort, in: Großkomm. AktG, Vor § 76 AktG Rn. 77; Bremer, NZG 2014, 415: „faktische Entmachtung“. 148 U. H. Schneider, EuZW 2014, 641, 642; DAV Handelsrechtsausschuss, NZG 2015, 54, 65; Vetter, ZHR 179 (2015), 273, 306 f. 142

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schende Unternehmen in den meisten Fällen auch die Mehrheit der Anteilseigner im Aufsichtsrat der beherrschten börsennotierten Gesellschaft stellt149. Welche konkreten Auswirkungen die Neuregelungen auf die aktienrechtliche Organisationsverfassung haben werden, ist noch nicht absehbar. Jedoch wird deutlich, dass der Richtliniengeber der Verhinderung von Missbrauch eine besondere Bedeutung einräumt und damit die restriktiven Minderheitenrechte in nicht unerheblicher Weise aufwertet. Die Befürchtung, die Regelung würde die aktienrechtliche Kompetenzverteilung aus ihrer Balance150 bringen, ist nicht unbegründet.

B. Einflüsse auf das Spannungsverhältnis zwischen den Organen der Aktiengesellschaft I. Das Problem der Interessengegensätze 1. Ein Überblick Die Aktiengesellschaft bildet in ihrer Konzeption einen Hort unzähliger und unterschiedlicher Interessen und damit auch eine Ansammlung ebenso vieler Interessengegensätze151. Dieses vorhandene und erhebliche Konfliktpotential führt dazu, dass die Entscheidungsfindung innerhalb der Gesellschaft und damit auch innerhalb eines Organs zu großen Schwierigkeiten führt. Dies gilt erst recht für das Verhältnis zwischen den Organen untereinander. Das Aktiengesetz versucht, die vorhandenen unterschiedlichen Interessen aufzugreifen und nach Abwägung der Interessen hinreichnd zu berücksichtigen, um etwaige Konflikte zu verhindern oder zumindest abzumildern. Dies gelingt allerdings nicht in jedem Fall. Neben den Interessen „der“ Aktionäre existieren die Interessen der Arbeitnehmer als auch die Interessen der Leitungsorgane und die Interessen von Unternehmensexternen, die durch geschäftliche Beziehung mit dem Unternehmen verbunden sind. Zudem ist fraglich, ob das Unternehmen selbst ein eigenes Interesse hat, das in Konfliktsituationen zu berücksichtigen ist152. Ebenfalls in den letzten Jahren diskutiert wurde die Frage, inwiefern ein öffentliches, allgemeines Interesse bei Entscheidungen Berücksichtigung finden muss153.

149 Zu Einzelfragen im Hinblick auf Unabhängig und Mitbestimmungsart siehe Spindler/ Seidel, AG 2017, 169, 171 ff. 150 Bungert/de Raet, Der Konzern 2015, 289 (296); Kort, in: Großkomm. AktG, Vor § 76 AktG Rn. 77; Bremer, NZG 2014, 415. 151 Darauf verweisend bereits Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 1. 152 Zum Unternehmensinteresse siehe Kübler, in: FS Zöllner, 1998, S. 321 ff.; Mülbert, ZGR 1997, 129; ders., in: FS Röhricht, 2005, S. 421 ff.; ders., AG 2009, 766 ff.; Raisch, in: FS Hefermehl, 1976, S. 347; v. Werder, in: FS Schwark, 2009, S. 285; Zöllner, AG 2003, 2 ff. 153 Das andeutend Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 30.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

2. Interessen der Anteilseigner Die Gruppe der Aktionäre verfolgt grundsätzlich ein finanzielles Interesse. Inhaber von Aktien hoffen zuvörderst darauf, dass der Wert der (börsennotierten) Aktie steigt und jährlich eine lukrative Dividende ausgeschüttet wird. Jedoch wäre es falsch von „einem“ Aktionärsinteresse zu sprechen. Betrachtet man nämlich die Aktionärsstruktur, so ist innerhalb dieser Interessengruppe eine beinahe unüberschaubare Ansammlung unterschiedlicher Aktionärstypen zu finden. Neben den Großaktionären, die durch ihre Kapital- und Stimmenmehrheit versuchen, Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen, existieren Kleinaktionäre, die zu einer solchen Einflussnahme nicht in der Lage sind154. Solche Konstellationen trifft man vor allem im Recht der verbundenen Unternehmen (Konzern) an, wenn das herrschende Unternehmen entgegen der Interessen der Aktiengesellschaft und anderer Aktionäre, seine Richtlinien der Konzernpolitik durchzusetzen vermag. Weiterhin kann der Aktionärskreis nach der Art der Anlage unterschieden werden. Dem sog. Spekulationsaktionär, der auf kurzfristige Gewinne durch Kurssprünge hofft oder auf hohe Dividenden setzt155, steht der Anlageaktionär gegenüber. Dieser hält Aktien zur langfristigen Vermögensanlage und ist in erster Linie darauf bedacht, den Substanzwert des Unternehmens zu erhalten und zu stärken156. Eine besondere Stellung nehmen die institutionellen Anleger ein. Zu ihnen zählen Hedge-Fonds und PrivateEquity-Unternehmen, aber auch Kapitalanlage- und Versicherungsgesellschaften157. Während Hedge-Fonds kurzfristige und schnelle Gewinne beabsichtigen, indem sie ihren (oftmals verhältnismäßig geringen) Kapital- und Stimmeneinfluss so einsetzen, dass die Gesellschaft möglichst hohe Ausschüttungsquoten erzielt, indem Reserven und Rücklagen abgebaut werden158, verfolgt ein Private-Equity-Unternehmen längerfristige Ziele, indem eine Gesellschaft übernommen, saniert und nach einiger Zeit mit Gewinn veräußert wird159. Kapitalanlage- und Versicherungsgesellschaften verpflichten sich über einen längeren Zeitraum in regelmäßigen Abständen ihren Kunden gegenüber, einen festen Zins zu zahlen160. Die Gesellschaften sind folglich in der Pflicht, entsprechende Anlagen zu tätigen, um diese Zahlungen leisten zu können. Sie sind weder daran interessiert besonders kurzfristig und spekulativ Ge154

Vgl. Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 1. Dazu Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 1; zu den Begriffen zuvor bereits Schmulewitz, Die Verwaltungsaktie, 1927, S. 3; Busse, Depotstimmrecht der Banken, 1962, S. 74. 156 Busse, Depotstimmrecht der Banken, 1962, S. 75; Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 1. 157 Vgl. zu den gegenwärtigen Problemen Hofmeier/Krause/Menning, DB 2015, 1477 ff.; zudem Weber-Rey, NZG 2003, 385 ff. 158 Dazu Engert, ZIP 2006, 2105 ff.; Schmolke, ZGR 2007, 701 ff.; Bunz, NZG 2014, 1049 ff.; Redeke, AG 2015, 253 ff.; rechtsvergleichend Kumpan, AG 2007, 461 ff.; Wilhelmi, WM 2008, 861 ff. 159 Dazu Noack, AG 2009, 227, 235; U. H. Schneider, AG 2006, 577 ff.; ders., NZG 2007, 888; Habersack, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 523; ebenso Kumpan, AG 2007, 461 ff.; Zetzsche, NZG 2009, 692. 160 Hofmeier/Krause/Menning, DB 2015, 1477 ff.; zudem Weber-Rey, NZG 2003, 385 ff. 155

§ 2 Kompetenzen der Organe und Konflikte zwischen Organen der AG

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winne zu erwirtschaften, noch besonders gestaltend tätig zu werden. Die institutionellen Anleger werden daher überwiegend als zwischen den Spekulations- und Anlageaktionären stehend, eigeordnet161. Obwohl die Öffnung der Kapitalmärkte und die damit einhergehende Öffnung für institutionelle Investoren ein wesentliches Ziel der beginnenden „Aktienrechtsreform in Permanenz“ darstellte162 und der Gesetzgeber kapitalmarktrechtliche Normen schuf, die die Informationsversorgung potentieller Investoren erheblich verbesserte, sah er sich ebenfalls gezwungen, die Kontrolle von institutionellen Investoren zu verbessern, da er befürchtete, dass die zunehmende Anzahl von Finanzinvestoren Risiken für die Stabilität des Finanzsystems und für die Zielunternehmen enthalten würde163. Diesen Befürchtungen begegnete er im Jahre 2008 mit der Verabschiedung des Risikobegrenzungsgesetzes164, das Rahmenbedingungen schaffen sollte, um gesamtwirtschaftlich unerwünschte Aktivitäten von Finanzinvestoren zu erschweren, aber effizienzfördernde Finanz- und Unternehmenstransaktionen unangetastet lassen sollte165. Neben diesen „klassischen Aktionärstypen“ muss auf Seiten der Aktionäre eine weitere Entwicklung berücksichtigt werden, die in den letzten Jahren in den Blickwinkel von Literatur166 und Gesetzgebung167 gerückt sind. Die Rede ist von sog. Proxy Advisors, die als Stimmrechtsberater – vor allem auf Seiten institutioneller Investoren – tätig werden und dadurch erheblichen Einfluss auf deutsche Aktiengesellschaften erlangen168. Die Besonderheit beruht auf der Tatsache, dass die Stimmrechtsberater selbst keinen unmittelbar geltenden mitgliedschaftlichen Treuepflichten gegenüber der Gesellschaft oder anderen Aktionären unterliegen169. Die Empfehlungen beruhen zumeist auf einem selbst festgesetzten Kodex des Proxy Advisors. Welche rechtlichen Beziehungen durch diese Beauftragung zu anderen Aktionären oder der Ge-

161

Vgl. Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 1. So Zöllner, AG 1994, 336 ff. sowie ausführlich zur Entwicklung siehe unten § 16 A.II. 163 Vgl. dazu Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 1. 164 Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) v. 12. 8. 2008, BGBl. I S. 1666; vgl. dazu Lutter/Drygala, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 67 Akt Rn. 2; Noack, AG 2009, 227, 235. 165 Vgl. Begr. RegE Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drucks. 16/7438, S. 1. 166 Dazu Peltzer, NZG 2011, 961 ff.; Fleischer, ZGR 2011, 155 ff.; ders., AG 2012, 2 ff.; Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149 ff.; Wilsing, ZGR 2012, 291 ff.; Seibt, DB 2014, 1910 ff. 167 Vgl. dazu die Bedenken der Europäischen Kommission im Grünbuch v. 5. 4. 2011, KOM(2011) 164, Ziff. 2.5. 168 Zu den bekanntesten Stimmrechtsberatern zählen ISS, Glass Lewis und Ivox GmbH; Marsch-Barner, in: HdB börsennotierte AG, § 2 Rn. 23 ff.; Schmolke, ZGR 2007, 701, 719 ff.; Fleischer, ZGR 2011, 155, 164 f.; ders., AG 2012, 2 ff.; Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149 ff.; Wilsing, ZGR 2012, 291, 294; Kocher/Heydel, AG 2011, 543; U. H. Schneider, EuZW 2006, 289; ders., ZGR 2012, 518, 525 f.; U. H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88; Vaupel, AG 2011, 63. 169 Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149 ff. 162

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

sellschaft bestehen, wird immer noch umfassend in der Literatur diskutiert170. Dies alles zeigt, dass man bereits innerhalb der Gruppe der Aktionäre – wie bereits einleitend schon erwähnt wurde – nicht von „einem“ Aktionärsinteresse gesprochen werden kann. Bereits innerhalb dieser Gruppe kommt es zu Interessengegensätzen, die Einfluss auf Entscheidungen innerhalb der Aktiengesellschaft haben. 3. Interessen der Arbeitnehmer Ein ähnliches Bild zeichnet sich in der Gruppe der Arbeitnehmer ab, wenn man deren Interessenlage näher betrachtet. Denn auch innerhalb dieser Gruppe wird zwischen Arbeitern, Angestellten und leitenden Angestellten unterschieden. Von einem gemeinsamen Interesse – bezogen auf das Unternehmen – kann man sprechen, wenn es um den Erhalt des Arbeitsplatzes, angemessene Löhne und Sozialleistungen, aber auch um die Arbeitsbedingungen geht171. Die innerhalb dieser Gruppierung auftretenden Interessengegensätze sind Gegenstand des Arbeitsrechts und werden hier nur erwähnt. Die gemeinsamen Interessen der Arbeitnehmer kollidieren mit denen der Aktionäre. Erweitert werden die Interessengruppen, wenn Arbeitnehmergruppen von Gewerkschaften vertreten werden172. Somit gelangen auch Interessen der Gewerkschaften in das Spannungsfeld innerhalb der Aktiengesellschaft. 4. Interessen der Organe und Organmitglieder Hinsichtlich der Leitungsorgane Vorstand und Aufsichtsrat muss zwischen den persönlichen Interessen der Organmitglieder und den Interessen, die im Zusammenhang mit dem Unternehmen und dessen Entwicklung stehen und aus der organmitgliedschaftlichen Stellung resultieren173, differenziert werden. Persönlich streben alle Mitglieder der Leitungsorgane nach einem hohen Einkommen, der Wahrung ihrer Stellung und Stärkung ihres Egos174. Bezogen auf das Unternehmen stehen Wachstum und Expansion im Vordergrund. Beide Interessenarten können zum einen zu Lasten der Dividenden gegenüber den Aktionären als auch zu Lasten der Sozialleistungen der Arbeitnehmer gehen175. Ebenso ist ein organspezifisches

170 Siehe dazu Klöhn/Schwarz, ZIP 2012, 149 ff.; Rieckers, DB 2016, 2526 ff.; Seibt/Scholz, AG 2016, 739, 742; Wilsing, ZGR 2012, 291, 294 ff.; Wettich, AG 2014, 534, 537; Graßl/ Nikoleyczik, AG 2017, 49 ff. 171 Vgl. Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 5. 172 Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 5. 173 Dazu siehe unten § 21 D.IV. sowie § 22 D.II. 174 Dazu Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 4 mit dem Verweis auf die Satireschrift Noll/ Bachmann, Der kleine Machiavelli, 2001. 175 Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 4.

§ 2 Kompetenzen der Organe und Konflikte zwischen Organen der AG

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Interesse denkbar, das sich an der durch Gesetz und Satzung festgeschriebenen Aufgabe des jeweiligen Organs orientiert176. 5. Interessen Dritter Neben den Interessen der Aktionäre, Arbeitnehmer und Organmitglieder ist eine weitere Gruppe von Bedeutung, wenn es um die Berücksichtigung von Interessen bei der Entscheidungsfindung innerhalb der Aktiengesellschaft geht. Denn das Aktiengesetz enthält Normen, die überwiegend „Gesellschaftsexterne“ in besonderem Maße schützen sollen (§ 27 AktG sowie § 57 AktG). Gemeint sind damit Gläubiger wie Kreditgeber, Lieferanten Abnehmer etc., die in einem schuldrechtlichen Verhältnis zum Unternehmen stehen und erheblichen Einfluss auf die Belange und Interessen der Gesellschaft haben können177. 6. Das Gemeinwohl als Interesse innerhalb der Aktiengesellschaft Zwar in geringerem, aber nicht weniger zu berücksichtigtem Maße spielen Interessen der Öffentlichkeit und folglich auch der Politik eine Rolle, wenn es um die Interessengegensätze innerhalb der Aktiengesellschaft geht. Seit ihrem Bestehen wurde die Aktiengesellschaft für politische Interessen missbraucht178. In unserer Gegenwart versucht die Politik dann Einfluss auszuüben, wenn die Entwicklung eines Unternehmens sich negativ auf die Allgemeinheit auswirkt. Mag es dabei um Arbeitsplatzzusagen für eine Region, gezahlte Subventionen, Verstöße gegen den Datenschutz oder Belange der Umwelt geht, so versucht der Staat in solchen Fällen, Einfluss auf die Entscheidungsfindung zu nehmen. Präventiv tätig wird er, wenn der Aktiengesellschaft per Gesetz oder durch Kodex-Empfehlung Vorgaben gemacht werden, die im Sinne der „sozialen Marktwirtschaft“ sind. 7. Die Theorie vom Unternehmensinteresse als Reaktion der Interessengegensätze Literatur179 und Rechtsprechung180 haben versucht, dieser Interessenvielfalt und den damit einhergehenden Interessengegensätzen mit der Theorie vom Unterneh176

Siehe dazu unten § 2 B.VII. Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 6. 178 Vgl. dazu § 12 C. 179 Hopt, ZGR 1993, 534, 536 f.; von einer Verabsolutierung des Unternehmens ausgehend Raiser, Das Unternehmen als Organisation, S. 166 ff.; ders., in: FS R. Schmidt, 1976, S. 101 ff.; eine Integration von Gesellschaft und Unternehmen annehmend Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 76 Rn. 6 f., Schilling, in: FS R. Fischer, 1979, S. 679, 680 ff.; ders., ZHR 144 (1980), 136 ff.; Jürgenmeyer, Das Unternehmensinteresse, 1984, S. 236 f.; Junge, in: FS v. 177

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

mensinteresse entgegenzutreten181. Vorstand und Aufsichtsrat haben bei ihren Entscheidungen zuvörderst zum Wohle des Unternehmens zu handeln. Daran knüpft auch die in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG verankerte Business Judgment Rule an, wenn es um die Frage geht, wann eine Pflichtverletzung eines Organmitglieds vorliegt oder nicht. Das Unternehmensinteresse stellt daher eine Orientierung für die Organe bei der Entscheidungsfindung und der Abwägung der bereits erwähnten anderen Interessen dar.

II. Der Principal-Agent-Konflikt Besonders deutlich werden die Interessengegensätze, wenn man die Konzeption der Aktiengesellschaft betrachtet. Das Aktiengesetz bestimmt, dass die Aktionäre dem Vorstand die Leitung der Aktiengesellschaft übertragen. Damit wird – ausgehend von einer reinen wirtschaftlichen Betrachtungsweise – der Vorstand als Treuhänder für die Aktionäre tätig, indem er das von den Aktionären bereitgestellte Kapital verwaltet182. Gleiches gilt für den Aufsichtsrat im Verhältnis zu den Aktionären. Auch dieser wird als Treuhänder für die Aktionäre tätig, um in deren Interesse die Überwachung des Vorstands zu gewährleisten183. Zum Konflikt kommt es bei dieser Trennung von Leitung/Überwachung und Teilhaberschaft, wenn die von Vorstand und/oder Aufsichtsrat getroffenen Entscheidungen im Widerspruch zu den Aktionärsinteressen stehen184. Man spricht dann von einem Principal-Agent-Konflikt, wenn der – im Interesse des Principal handelnde – Agent dazu neigt, sein Informations- und Wissensvorsprung zum eigenen Vorteil – und damit zum Nachteil des Principals – nutzt, wenn keine hinreichende Kontrolle gewährleistet ist185. Übertragen auf die Verhältnisse innerhalb der Aktiengesellschaft besteht daher zum einen die Gefahr, dass sowohl die Mitglieder des Vorstand als auch des Aufsichtsrats durch fehlende persönliche und fachliche Eignung den Interessen der Aktionäre zuwider handeln und nicht den bestmöglichen wirtschaftlichen Erfolg erzielen können. Zum anderen können eigene Interessen der Organmitglieder über die Interessen der Aktionäre und der Gesellschaft gestellt Caemmerer, 1978, S. 547, 549 ff.; Raisch, in: FS Hefermehl, 1976, S. 347 ff. nehmen ein Konglomerat von Interessen an; siehe zudem Brinkmann, AG 1982, 122, 127 ff. 180 BGHZ 64, 325, 329 – Bayer. 181 Kritisch Kuhner, ZGR 2004, 244, 252 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 27; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 76 Rn. 66. 182 Vgl. Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 6; Eidenmüller, JZ 2001, 1041, 1046 ff.; Hopt, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1013, 1014 f.; Wiedemann, ZGR 2006, 240, 244 f.; siehe auch Fama/Jensen, 26 Journal of Law and Economics (1983), S. 301 ff. 183 Vgl. Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 7. 184 Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 4; Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 5. 185 Dazu Seibert, ZRP 2011, 166; Fleischer, ZGR 2001, 1, 6 f.; Baums, ZIP 1995, 11.

§ 2 Kompetenzen der Organe und Konflikte zwischen Organen der AG

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werden. Dass diese nicht übereinstimmen müssen und voneinander abweichen können, wurde bereits unter § 2 B.I. ausgeführt. Eine besondere Zuspitzung erhält der Konflikt in der Aktiengesellschaft dadurch, dass der Vorstand nicht direkt von den Aktionären, sondern vom „überwachenden Treuhänder“ Aufsichtsrat berufen wird, und diesem Auswahl, Überwachung und Abberufung überlassen wird186. Inwiefern das Gesetz durch Regelungen, die eine bessere Überwachung gewährleisten sollen und zur Vermeidung von Interessenkonflikten dienen, der Problematik habhaft werden, erscheint im Angesicht der immer wieder in der Praxis auftauchenden Konfliktsituationen zwischen Organen und Aktionären fraglich.

III. Das Wohl der Gesellschaft – das Unternehmensinteresse Die in der Aktiengesellschaft vorherrschende Interessenvielfalt führt zwischen den einzelnen Gruppierungen zu Konflikten. Das Gesetz gibt daher zur Orientierung eine Richtschnur, welche Belange vordergründig bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen sind. Nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG haben die Mitglieder des Vorstands Entscheidungen zu treffen, die „zum Wohle der Gesellschaft“ erfolgen sollen. Der Vorstand ist damit wegen seiner Funktion als Leitungsorgan wichtigster, aber nicht alleiniger Adressat dieser Norm. Über die Verweisung des § 116 AktG sind auch die Mitglieder des Aufsichtsrats verpflichtet, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. Was jedoch darunter zu verstehen ist, wird vom Gesetz nicht erklärt. Allerdings ist nach allgemeiner Auffassung „das Wohl der Gesellschaft“ mit dem geläufiger verwendeten Begriff des „Unternehmensinteresses“ gleichzusetzen187. Folglich hat sich sowohl in wirtschafts-188 als auch rechtswissenschaftlicher189 Literatur ein immenses Meinungsspektrum gebildet, wie der Begriff vom „Unternehmensinteresse“ zu bestimmen ist190. In groben Zügen lassen sich die vertretenen Ansichten in zwei Lager teilen. Zum einen wird unter dem „Unternehmensinteresse“ die alleinige Orientierung des Organhandelns an den Aktionärsinteressen verstan-

186

Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 6. Zuletzt dazu Mertens, in: FS Klippel, 2013, S. 603; zur historischen Entwicklung siehe Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 808 ff. 188 Bea/Haas, Strategisches Management, S. 85 ff.; Wöhe, S. 52 ff.; Clemens, Unternehmensinteresse, 1984. 189 Hopt, ZGR 1993, 534, 536 f.; von einer Verabsolutierung des Unternehmens ausgehend Raiser, Das Unternehmen als Organisation, S. 166 ff.; ders., in: FS R. Schmidt, 1976, S. 101 ff.; eine Integration von Gesellschaft und Unternehmen annehmend Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 76 Rn. 6 f., Schilling, in: FS R. Fischer, 1979, S. 679, 680 ff.; ders., ZHR 144 (1980), 136 ff.; Jürgenmeyer, Das Unternehmensinteresse, 1984, S. 236 f.; Junge, in: FS v. Caemmerer, 1978, S. 547, 549 ff.; Raisch, in: FS Hefermehl, 1976, S. 347 ff. nehmen ein Konglomerat von Interessen an; siehe zudem Brinkmann, AG 1982, 122, 127 ff. 190 Vgl. dazu Mülbert, ZGR 1997, 129, 142 ff.; Kuhner, ZGR 2004, 244, 247 ff.; kritisch Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 76 Rn. 66. 187

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

den191. Nach diesem sog. Shareholder-Value-Ansatz stellt die Steigerung der Aktionärsrendite die alleinige Maxime dar. Andere – außerhalb dieser Orientierung liegende – Interessen sollen keine Berücksichtigung finden. Allerdings – und darauf weisen Teile der Literatur zu Recht hin192 – hatte der Begründer dieses Ansatzes, Alfred Rappaport – die langfristige Renditemaximierung im Blickfeld193, und nicht die kurzfristig durch Spekulationen hervorgerufene Steigerung des Börsenkurses. Die Gegenstimmen sprechen sich für eine interessenpluralistische Zielkonzeption aus194. Danach umfasse das Unternehmensinteresse nicht nur das Interesse der Aktionäre, sondern auch die Interessen der anderen, mit der Gesellschaft verbundenen Gruppen195. Letzterer Auffassung wird vorgeworfen, dass sie anfällig dafür sei, dass der Vorstand bzw. auch der Aufsichtsrat durch die Verpflichtung zur Auseinandersetzung unterschiedlicher Belange eigennützige Interessen verfolge und damit eine Kontrolle nicht zulasse, da jede getroffene Entscheidung mit der Berücksichtigung eines relevanten Interesses begründet werden könne196. Daher sei die Grundausrichtung der Unternehmenspolitik am Shareholder Value unabdingbar. Diese Einwände haben einiges an Gewicht. Können jedoch nicht völlig gegen die Berücksichtigung weiterer Interessen angeführt werden. Zwar ist die Orientierung der Leitungsorgane am unternehmerischen Erfolg und dem Gewinn der Aktionäre ein – wenn nicht sogar „der“ – zentrale Punkt, wenn es um Entscheidungen innerhalb der Gesellschaft geht. Allerdings ist es ein Trugschluss, das Interesse der Aktionäre mit dem „Unternehmensinteresse“ gleichzusetzen. Vielmehr hat sich mit der Entwicklung eines modernen Aktienrechts der Begriff des Unternehmensinteresses verselbständigt197. Insbesondere die Regelungen aus dem Konzernrecht sind ein Beleg dafür, dass es ein, von den Aktionären abgehobenes Interesse der Aktiengesellschaft gibt, dem der Vorstand und ebenso der Aufsichtsrat gegenüber verpflichtet ist. Ebenfalls finden sich im DCGK keine Anzeichen dafür, dass die Aktionärsinteressen den alleinigen Maßstab für die Entscheidungsfindung der Leitungsorgane bilden. Vielmehr erwähnt die Präambel des DCGK das – interessenpluralistisch verstandene – Unternehmensinteresse als maßgeblichen Orientierungspunkt. Das „Unternehmensinteresse“ sei danach die Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat, im Einklang mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft für den Bestand des Unternehmens und seine nachhaltige Wertschöpfung zu sorgen. Nach 191

Birke, Das Formalziel der Aktiengesellschaft, 2005, S. 130; Forstmoser, in: FS Simon, 2005, S. 207, 213; Mülbert, ZGR 1997, 129 ff.; v. Werder, ZGR 1998, 69 ff. 192 So Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 26. 193 Rappaport, Creating Shareholder Value, 1986 (dt.: Shareholder Value, 1999). 194 Raiser, Das Unternehmen als Organisation, S. 166 ff.; Zöllner, AG 2003, 2 ff. 195 In diesem Sinne auch Grünbuch der EU-Kommission „Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“, KOM (2001) 366, S. 1; zu den Ursprüngen siehe Blair/Stout, 85 Virginia Law Review (1999), S. 247 ff. 196 Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 28. 197 Dazu Kort, AG 2012, 605, 607.

§ 2 Kompetenzen der Organe und Konflikte zwischen Organen der AG

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Grundsatz 1, Grundsatz 10 und Grundsatz 19 sind Vorstand und Aufsichtsrat dem Unternehmensinteresse verpflichtet. Zwar sollten die Aktionärsinteressen bei der Beantwortung der Frage, was bei einer zu treffenden Entscheidung, dem Unternehmensinteresse entsprechen würde, angemessen und damit auch in einer höheren Gewichtung zu anderen Interessen berücksichtigt werden. Allerdings steht es den Organen auch zu, Entscheidungen zu treffen, die den Aktionärsinteressen widersprechen, aber nach hinreichender Abwägung im Einklang mit den übrigen Interessen stehen und daher im Unternehmensinteresse liegen198.

IV. Die Einflüsse der Unternehmensmitbestimmung Die in der Aktiengesellschaft bestehenden Interessengegensätze wurden bereits erörtert. Ob eine zu treffende Entscheidung im Sinne des Unternehmensinteresses liegt, muss durch Abwägung der oben beschriebenen Interessen erfolgen. Ein wesentlicher Gegensatz liegt bei den Interessen der Arbeitnehmer und den Interessen der Anteilseigner vor. Um diesen Gegensatz abzumildern, entwickelte sich in den 1960er Jahren in Deutschland der Gedanke, Arbeitnehmervertreter an der Unternehmensleitung zu beteiligen199. Seit der Einführung der paritätischen Unternehmensmitbestimmung durch das MitbestG von 1976 ist der Aufsichtsrat als überwachendes Organ hälftig mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen. Die bis dahin bestehenden Verhältnisse wurden „aufgerüttelt“. Zwar sind die Arbeitnehmervertreter weder an Weisungen noch an Aufträge gebunden und daher nicht in erster Linie als Interessenvertreter ihrer Wähler zu verstehen200. Allerdings kann nicht geleugnet werden, dass nach Einführung der paritätischen Mitbestimmung auf Seiten der Anteilseigner versucht wurde, die Einflüsse der Arbeitnehmervertreter einzudämmen201. Der BGH schob diesen Maßnahmen einen Riegel vor und stärkte damit das Prinzip der Gleichheit aller Aufsichtsratsmitglieder202. Trotz dieser Klarstellungen galt das Verhältnis zwischen Anteilseigner- und Arbeitnehmerbank in den meisten Gesellschaften fortgehend als zerrüttet203. Vorteilhaft war dies insofern, dass damit die grundsätzliche Kontrolle der Leitung durch den Aufsichtsrat intensiv und kritisch wahrgenommen wurde. Die Möglichkeit, ob der Aufsichtsrat – oder seine Mitglieder – gegen den Vorstand auf Unterlassung einer Maßnahme klagen können, wurde Ende der 1980er Jahre angeregt. Die in der Opel-Entscheidung getroffenen 198

Siehe Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 14. Zu dogmatischen, historischen und rechtspolitischem Hintergrund K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 16 IV 1 a) sowie unter § 15. 200 Vgl. BGHZ 169, 98, 106; Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 94. 201 Ausführlich dazu Lutter, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, Kap. 8, Rn. 81; sowie § 15. 202 BGHZ 83, 106 – Siemens. 203 Siehe dazu § 15 B. 199

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

Ausführungen sind daher zum großen Teil auf die Beteiligung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat und deren kritischen Bestreben zurückzuführen204. Von Nachteil ist dieses gegenseitige Misstrauen allerdings dann, wenn das Verhältnis innerhalb des Aufsichtsrats zwischen den Bänken, aber auch das Verhältnis zum Vorstand beträchtlichen Belastungen ausgesetzt wird und keine effektive Leitung der Geschäfte der Gesellschaft möglich ist. Eine solche Spaltung ist in einem Aufsichtsrat im Jahr 2015 nicht mehr vorstellbar. Besonders die am Ende der 1990er Jahre angestoßene Debatte zur Corporate Governance hat hier dazu beigetragen, dass sich das Verhältnis zwischen den „Bänken“ verbessert hat. Dies zeigt, dass sich auch das Verständnis der Arbeitnehmervertreter gewandelt hat und sie – neben der Berücksichtigung der Arbeitnehmerbelange – vordergründig sich dem Unternehmensinteresse verpflichtet fühlen. Jedoch ist der Einfluss innerhalb der Aktiengesellschaft, den die Beteiligung der Arbeitnehmervertreter mit Einführung der paritätischen Mitbestimmung erlangt hat, nicht von der Hand zu weisen.

V. Die Einflüsse der Corporate Governance Das bis in die Anfänge der 2000er Jahre vorherrschende Vertrauensdefizit zwischen den Arbeitnehmer- und Anteilseignervertretern des Aufsichtsrats wurde von Praxis als auch Literatur als hinderlich und gesellschaftsschädlich bewertet205. So beabsichtigte man, neben der Erhöhung der Attraktivität deutscher Aktiengesellschaften für internationale Investoren, das Verhältnis zwischen dem Aufsichtsrat und dem Vorstand durch verschiedene gesetzliche Regelungen zu verbessern. Wirklich vollzogen wurde dieser Prozess mit der Pflicht zur Etablierung bestimmter Zustimmungsvorbehalte für den Aufsichtsrat (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) und der Schaffung des Deutschen Corporate Governance Kodex im Jahr 2002206. Der Kodex – eine Zusammenfassung von Empfehlungen guter Unternehmensführung – stellt als sog. softlaw ein Novum im deutschen Recht dar und formuliert in Grundsatz 13 DCGK (ehemals Ziff 3.1 DCGK – 2017) das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat wie folgt: „Vorstand und Aufsichtsrat arbeiten zum Wohle des Unternehmens vertrauensvoll zusammen.“ Dass der DCGK eine gewisse und nicht unerhebliche Wirkung entfaltet, liegt an der Verankerung in § 161 AktG, nach der sich Vorstand und Aufsichtsrat erklären müssen, ob sie den Empfehlungen gefolgt sind oder nicht. Wird den Empfehlungen nicht gefolgt, so muss dies erklärt werden. Diese Praxis ist im anglo-amerikanischen Raum Standard und ebenfalls ein Beleg dafür, vor allem internationalen Investoren einen Anreiz zu geben, in deutsche (börsennotierte) Gesellschaften zu investieren.

204 205 206

BGHZ 106, 54 – Opel. Siehe dazu ausführlich § 16 A.II. Ausführlich zur Gesetzes- und Entstehungsgeschichte siehe § 16 C.

§ 2 Kompetenzen der Organe und Konflikte zwischen Organen der AG

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Insofern zeigt sich, dass die zunehmende Internationalisierung der Kapitalmärkte und die Schaffung des DCGK, der Vorschläge und Empfehlungen für das Zusammenarbeiten von Vorstand und Aufsichtsrat enthält, wesentlichen Einfluss auf das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ausübt.

VI. Aspekte der Organhaftung Die Organhaftung war in den letzten Jahren – wenn es um Fragen der Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft ging – das beherrschende Thema. Der 70. Deutsche Juristentag 2014 in Hannover beschäftigte sich intensiv mit dieser Materie207. Gegenstand der Diskussion war die – in materieller Hinsicht – scharfe Haftung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat nach §§ 93, 116 AktG und den erheblichen Problemen bei der Durchsetzung dieser und weiterer Schadensersatzansprüche. Denn nicht nur die sog. Zwei-Stufen-Prüfung des BGH bereitet in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten. Auch die Frage, wie der amtierende Vorstand Ansprüche gegen die Aufsichtsratsmitglieder durchsetzen kann, erscheint unbeantwortbar, da er damit indirekt aufzeigen müsse, die betreffenden Aufsichtsratsmitglieder wären der Überwachung des Vorstands nur unzureichend Herr geworden. Ähnliches gilt für Fragen rund um die Aktionärsklage nach § 147 AktG. Der Einfluss auf das Spannungsverhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ist dabei in vielerlei Hinsicht gegeben. Zur Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat kommt es tatbestandlich nur, wenn eine Pflichtverletzung i.S.v. § 93 Abs. 1 AktG vorliegt und die Business Judgment Rule nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht greift. Sowohl die Mitglieder des Vorstands als auch die Mitglieder des Aufsichtsrats werden daher ihre Entscheidungen so wählen, dass diese noch im Rahmen des durch die Business Judgment Rule gewährten Ermessens liegen. Zur Durchsetzung der Ansprüche gegen die Mitglieder des Vorstands selbst ist der Aufsichtsrat als Vertreter der Gesellschaft nach § 112 AktG vertretungsbefugt. Umgekehrt steht dem Vorstand das Recht zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen die Aufsichtsratsmitglieder zu, § 78 AktG. Noch schwieriger erscheint das Verhältnis der Organe bei der Organhaftung, wenn man die Empfehlungen des Kodex berücksichtigt und Vorstand als auch Aufsichtsrat eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten sollen. Die Durchsetzung von Schadensersatzklagen erscheint bei solchen vertrauten Verhältnissen Schwierigkeiten und Hemmnisse mit sich zu bringen, auch dann, wenn das betreffende Vorstandsmitglied aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Allerdings – und das zeigt die Auseinandersetzung mit der nachträglichen Haftung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern auch – stellt sich zugleich die Frage, warum es nicht möglich sein soll, Maßnahmen, die aus der ex-post-Per-

207 Vgl. Bachmann, in: Verhandlungen des 70. DJT, Band I, Teil E: Reform der Organhaftung?

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

spektive als rechtswidrig eingestuft werden, nicht bereits im Vorfeld durch Unterlassungsklagen verhindert werden können208.

VII. Die Existenz des Organinteresses Geht man von dem oben Gesagten aus, dass jedwede von Vorstand und Aufsichtsrat getroffene Entscheidung dem Unternehmensinteresse entsprechen muss und dieses damit als das maßgebliche Leitmotiv angesehen werden kann, stellt sich die Frage, ob beide Organe ein eigenes, individualisiertes Interesse innehaben können, das innerhalb vom Unternehmensinteresse liegt, aber sich vom Interesse des anderen Organs unterscheiden kann. Die Frage ist deshalb von Relevanz, da ein Handeln im eigenen Interesse eine Voraussetzung dafür bildet, ob Organe in dogmatischer Hinsicht Inhaber subjektiver (Organ-)Rechte sein können209. Ebenso stellt sich die Frage in praktischer Hinsicht: Dass Vorstand und Aufsichtsrat im Hinblick auf die Unternehmensentwicklung unterschiedliche Auffassungen vertreten können, ist nicht unwahrscheinlich. Der Vorstand als Leitungsorgan der Gesellschaft wird immer versuchen, die Entwicklung des Unternehmens den gegenwärtigen Umständen anzupassen, den Markt zu dominieren um Gewinne zu erwirtschaften, neue Märkte erschließen und bei all diesen Entscheidungen Risiken eingehen. Die bloße Verwaltung des bereits Erreichten kann der Existenz und Entwicklung der Gesellschaft eher schaden. Eine gewisse Risikoaffinität wird man dem Vorstand zugestehen müssen, um ein Unternehmen erfolgreich zu führen. Der Aufsichtsrat wird hingegen neben der Entwicklung der Gesellschaft vor allem darauf achten, dass der Vorstand seine Entscheidungen im „Rahmen des Riskierbaren“ trifft. Insbesondere die bereits angesprochene Aufwertung des Aufsichtsrats zum „mitunternehmerischen Organ“ verschärft diesen Konflikt. Das Handeln beider Organe ist demnach durch eine funktionsbezogene Komponente geprägt, die der dem Organ zugeordneten Aufgabe entspricht. Ob damit ein Organinteresse in dogmatischer Hinsicht begründet werden kann, wird an anderer Stelle untersucht210. Trotz dieser Umstände differenziert die überwiegende Auffassung allein zwischen Unternehmens- und Partikularinteresse und lehnt, weil Organe fremdbestimmt – nämlich im Interesse der Gesellschaft – handeln würden, die Existenz von Organinteressen ab. Folglich seien Organe nicht Inhaber subjektiver Rechte, obwohl einige Stimmen sie dann dennoch als „subjektive Rechte im weiteren Sinne“ bezeichnen211. 208

Darauf hinweisend Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 104. Siehe dazu § 21 C.III.3. 210 Siehe dazu § 8 B.IV. sowie § 21 C.III.3. 211 Dieses Eingeständnis macht beispielsweise Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 379. 209

§ 2 Kompetenzen der Organe und Konflikte zwischen Organen der AG

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Allerdings ist zumindest aufgezeigt worden, dass trotz der Orientierung beider Organe am Gesellschaftsinteresse, die Existenz von Organinteressen, die sich auch widersprechen können, nicht auszuschließen ist.

VIII. Zusammenfassung und Auswirkungen auf die nachfolgende Untersuchung Die Ausführungen haben gezeigt, dass innerhalb der Aktiengesellschaft eine große Interessenpluralität herrscht. Diese unterschiedlichen und teilweise auch gegensätzlichen Interessen erzeugen ein hohes Konfliktpotential. Beteiligt daran sind Gruppen wie Aktionäre, Arbeitnehmer, Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat, mittelbar beteiligte Dritte wie Gläubiger, Abnehmer und Lieferanten, aber auch die Allgemeinheit. Aufgrund der dreigliedrigen Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft und der bestehenden Kompetenzverteilung stehen sich als unmittelbare Konfliktparteien nur Vorstand und Aufsichtsrat gegenüber. Der Hauptversammlung stehen zum einen nur geringe Einwirkungsbefugnisse zu und zum anderen existiert ein umfassendes Klage- und damit Konfliktlösungssystem, wenn es um die Belange von Hauptversammlungsbeschlüssen geht. Die wesentlichen ungeklärten Fragen beschäftigen das Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat. Um Konflikte zwischen diesen Organen abzumildern, hat sich in der Literatur der Begriff des Unternehmensinteresses etabliert. Danach sind alle Organe daran gehalten, zum Wohle der Gesellschaft (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG) zu entscheiden. Umstritten ist dabei, was unter dem Unternehmensinteresse zu verstehen ist. Überzeugend ist der Ansatz, nach dem nicht nur die Interessen der Aktionäre als maßgeblich angesehen werden, sondern andere Interessengruppen wie Arbeitnehmer, Gläubiger bzw. Lieferanten und die Allgemeinheit. Von einem solchen Verständnis geht auch die Präambel des DCGK aus. Da allerdings auch dieser Begriff zur Abmilderung von Konflikten umstritten ist und sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat, Entscheidungen im Unternehmensinteresse fällen können, die sich inhaltlich widersprechen, hilft das Unternehmensinteresse für die Lösung von Konflikten nicht weiter. Zudem wurde aufgezeigt, dass das Handeln von Vorstand und Aufsichtsrat zwar im Interesse der Gesellschaft liegt, aber auch voneinander abweichen kann und damit die Existenz eines funktionsspezifischen Organinteresses nicht ausgeschlossen werden kann. Um dennoch herauszufinden, wie Konflikte zwischen den Organen beigelegt werden können, soll nachfolgend untersucht werden, welche konkreten Konfliktsituationen existieren und welche Konfliktlösungsmechanismen den Organen im Aktienrecht zur Verfügung stehen.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

C. Mögliche Konfliktsituationen – eine Eingrenzung Die vom Aktiengesetz vorgeschriebene Aufgabentrennung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung ist so konzipiert, dass Konflikte grundsätzlich nur Ausnahmesituationen bleiben sollen. Allerdings ist diese Funktionstrennung kein Garant dafür, dass Konflikte ausbleiben. Zu einem solchen Konflikt kommt es dann, wenn ein Organ den Aufgabenbereich eines anderen Organs in der Art beeinträchtigt, dass die ihm zugewiesenen Rechte ignoriert werden und eine kooperative Zusammenarbeit zum Wohle der Gesellschaft nicht mehr möglich ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es zu Kompetenzanmaßungen durch ein Organ gegenüber einem anderen kommt. Die in den letzten Jahren erfolgte Aufwertung des Aufsichtsrats zum mitunternehmerischen Organ führte dazu, dass dieser bei wesentlichen Geschäftsentscheidungen eine wichtigere Rolle einnimmt und die Gestaltungsmacht des Vorstands als Leitungsorgan beschnitten wurde. Daher sind die wesentlichen Konfliktsituationen im Verhältnis zwischen Leitungs- und Überwachungsorgan angesiedelt. In Anlehnung an Bauer lassen sich die Konfliktsituationen in drei Bereiche unterteilen212 : (1) Zunächst kann es zu Streitigkeiten über Befugnisse kommen, die einem Organ gegenüber einem anderen Organ zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Aufgaben vom Aktiengesetz zur Verfügung gestellt wurden. (2) Davon zu unterscheiden sind die Konflikte, die an die unmittelbare Aufgabenwahrnehmung durch ein Organ anknüpfen und dann zum Tragen kommen, wenn ein anderes Organ seine eigenen Kompetenzen überschreitet und damit die Kompetenzen eines anderen Organs verletzt. (3) Die dritte Konfliktsituation betrifft Fragen nach einer allgemeinen Verhaltenskontrolle. Hier geht es speziell darum, ob es einem Organ zusteht, die (zu treffende oder bereits getroffene) Entscheidung eines Organs einer Zweck- bzw. Rechtmäßigkeitskontrolle zu unterziehen. Die Hauptversammlung tritt als Konfliktgegner von Vorstand und Aufsichtsrat in der Praxis selten in Erscheinung. Dies liegt vor allem daran, dass ihr das Aktiengesetz nur eine geringe Anzahl an Kompetenzen zugesteht, die mit den Kompetenzen von Vorstand und Aufsichtsrat in Konflikt geraten können. Jedoch ist es denkbar, dass die Hauptversammlung ihre Kompetenzen dadurch überschreitet, dass Hauptversammlungsbeschlüsse gefasst werden, die auf keiner gesetzlichen Grundlage beruhen. Zudem können die Aktionäre als Mitglieder des Organs Hauptversammlung in Erscheinung treten und sich gegen Entscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat positionieren. Ebenfalls können Organteile und Organmitglieder als Konfliktpartei beteiligt sein. Insbesondere Aufsichtsratsausschüsse als Unterorgane können Funktionen des Aufsichtsrats wahrnehmen und dazu mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet sein, die ähnliche Konflikte mit dem Vorstand möglich erscheinen lassen. Bisher noch nicht in Erscheinung getreten, aber trotzdem denkbar, sind Konflikte unter 212

So Bauer, Organklagen, S.14, der jedoch eine andere Reihenfolge präferiert.

§ 2 Kompetenzen der Organe und Konflikte zwischen Organen der AG

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Beteiligung von Interessengruppierungen des Aufsichtsrats, die mit eigenen Rechten ausgestattet sind, sog. Teilorgane. Da diesen insbesondere bei der Erfüllung der neueingeführten Geschlechterquote eine wesentliche Rolle zugestanden wird, sind organinterne, aber auch gegenüber dem Vorstand – organexterne – Konflikte nicht unwahrscheinlich.

D. Der Konflikt zwischen Vorstand und Aufsichtsrat I. Informations- und Berichtsrechte als Konfliktgegenstand Zunächst kann es zwischen den Organen zu Streitigkeiten über die Informationsversorgung durch die Weigerung des Vorstands kommen, Berichte an den Aufsichtsrat zu erstatten. Dem Aufsichtsrat stehen nämlich gegenüber dem Vorstand Berichts- und Auskunftsrechte zur Verfügung, § 90 AktG. In der Literatur spricht man daher von „funktionalen Hilfsbefugnissen“213, „sekundären Organpflichten“214 oder auch „Kooperationsrechten“215. Ihnen wird eine mindere Bedeutung und Tragweite beigemessen216. Sie sind Annexkompetenzen zur Überwachungsaufgabe nach § 111 Abs. 1 AktG217 und dienen der Informationsbeschaffung des Gesamtorgans. So hat nach § 90 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 AktG der (Gesamt-)Vorstand an den (Gesamt-)Aufsichtsrat zu berichten. Ist dies nicht gewährleistet, kann der Aufsichtsrat keine hinreichende Überwachung ausüben. Daneben enthält § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG die Befugnis des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds, vom Vorstand einen Bericht an den Gesamtaufsichtsrat zu verlangen. Dabei handelt es sich um ein Individual- und Pflichtrecht, das die Rechtsstellung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds hervorheben soll218. Neben den Berichtspflichten nach § 90 AktG stehen dem Gesamtaufsichtsrat Einsichts- und Prüfungsrechte nach § 111 Abs. 2 AktG zur Verfügung.

II. Kompetenzverletzungen als Konfliktgegenstand Während die Weigerung an den Aufsichtsrat zu berichten nur die Ausübung von Hilfsrechten beeinträchtigt, weist die Anmaßung und/oder Verletzung von Kompetenzen anderer Organe eine „andere Qualität“219 auf, da es sich um eine Streitigkeit 213

Bauer, Organklagen, S.15. K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 215. 215 Hommelhoff, ZHR 1979, 288 ff. 216 So Bauer, Organklagen, S.16. 217 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 383. 218 Zur Gesetzesgeschichte siehe Kropff, S. 119, Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 90 Rn. 45 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 12; Kort, in: Großkomm. AktG, § 90 Rn. 103. 219 So Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 384. 214

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

handelt, die den unmittelbaren Aufgabenbereich eines Organs berührt220. Es wird sich daher zumeist um eine Maßnahme handeln, die vordergründig für die Gesellschaft von erheblicher Relevanz ist und möglicherweise die Existenz der Aktiengesellschaft betrifft221 und darüber hinaus die Stellung des Organs im Innenverhältnis der Aktiengesellschaft berührt222. Die in diesem Zusammenhang meist diskutierten Fälle betreffen die Etablierung von Zustimmungsvorbehalten nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. Seit dem TransPuG aus dem Jahre 2002 ist der Aufsichtsrat sogar verpflichtet, für bestimmte Arten von Geschäften, Zustimmungsvorbehalte festzulegen223. Zum einen kann es dann zu Konflikten kommen, wenn der Aufsichtsrat bei der Festsetzung in unzulässiger Art und Weise in die Leitungsmacht des Vorstands eingreift224. Ebenfalls kann der Vorstand die Vorgaben eines – in zulässiger Weise – vereinbarten Zustimmungsvorbehalts ignorieren und somit die Kompetenz des Aufsichtsrats verletzen225. Wie diese Beispiele aufzeigen, handeln die Konflikte des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG davon, wann die Grenze einer zulässigen Rechtsausübung bei Fragen der Leitung und Überwachung in der Aktiengesellschaft überschritten ist. Erschwerend kommt hinzu, dass das Gesetz keine klare Kompetenzabgrenzung vornimmt – bspw. einen gesetzlichen Katalog mit von der Zustimmung betroffenen Geschäften aufführt226. Da der Aufsichtsrat zudem nun nicht mehr nur als alleiniges Überwachungsorgan tätig wird, sondern nach modernem Verständnis ein mitunternehmerisches Organ darstellt227, wird eine Differenzierung, welche Arten von Geschäften noch in zulässiger Weise durch einen Vorbehalt eingeschränkt werden oder bereits die Leitungskompetenz des Vorstands verletzen, erschwert. Kompetenzstreitigkeiten dienen daher zum einen dazu, fremde Eingriffe in den eigenen Kompetenzbereich

220 Bauer, Organklagen, S.15; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 384. 221 Vgl. Bauer, Organklagen, S.15. 222 Darauf hinweisend Bauer, Organklagen, S.15. 223 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 14/8769 S. 17; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 115. 224 Vgl. Bauer, Organklagen, S.15; siehe dazu § 28 B.II.2. 225 Dazu Bauer, Organklagen, S.15; siehe § 28 B.I. 226 Der Gesetzgeber hat auf einen Katalog verzichtet, jedoch ist im Schrifttum umstritten, in welchem Umfang ein solcher existieren soll, vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 Rn. 605 ff.; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 120 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 111 Rn. 105; Kropff, in: Semler/v. Schenck, AR HdB, § 8 Rn. 43 f., 46; Fleischer, BB 2013, 835, 839 ff.; Fonk, ZGR 2006, 841, 846 ff.; für einen gesetzlichen Katalog wohl Bosse, DB 2002, 1592, 1594; Götz, NZG 2002, 599, 602 f.; Lange, DStR 2003, 376, 380. 227 Dazu Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 290 ff.; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 111 Rn. 5; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 111 Rn. 61 ff.; Koch, in: Hüffer/ Koch, AktG, § 111 Rn. 13; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 50 ff.; zur Wandlung der Organisationsverfassung und der Rolle des Aufsichtsrats siehe unten § 17 sowie Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 506 ff.

§ 2 Kompetenzen der Organe und Konflikte zwischen Organen der AG

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abzuwehren und zum anderen eigene Kompetenzen gegenüber anderen Organen durchzusetzen.

III. Eine allgemeine Handlungskontrolle als Konfliktgegenstand Neben der Durchsetzung von Auskunfts- und Berichtsansprüchen und Kompetenzstreitigkeiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat kann es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Leitungs- und Überwachungsorgan über Maßnahmen kommen, die das jeweilige Organ innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs ausführt. Es geht hierbei vor allem um die Frage, ob der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan die Leitung durch den Vorstand einer Zweck- und Rechtmäßigkeitskontrolle unterziehen kann, obwohl die Maßnahme im Zuständigkeitsbereich des Vorstands angesiedelt war. Inwiefern dem Aufsichtsrat dabei eine Kontrollbefugnis zukommen soll, wird in der Literatur hitzig diskutiert.

E. Konflikte zwischen Vorstand und Hauptversammlung Die Hauptversammlung erfüllt die Funktion des Willensbildungsorgans der Gesellschaft. Tritt sie zusammen, so kann sie durch Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat über die Entwicklung und die von diesen Organen getroffenen Entscheidungen befinden. Die in der alleinigen Zuständigkeit der Hauptversammlung liegenden Kompetenzen, sind jedoch begrenzt, wie bereits festgestellt wurde228. Insofern stellt sich die Frage, ob zwischen Vorstand und Hauptversammlung Konfliktpotential angelegt ist. Die Hauptversammlung kann ihre Kompetenzen dadurch überschreiten, dass sie Beschlüsse fasst, die keine hinreichende gesetzliche Grundlage aufweisen229. Exemplarisch sind dabei Beschlüsse über Geschäftsführungsmaßnahmen, die weder nach § 119 Abs. 2 AktG oder § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG durch den Vorstand einberufen wurden. In der Literatur wird ebenfalls über unverbindliche Beschlüsse diskutiert, die das Meinungsbild der Aktionäre wiedergeben, die aber faktisch Einfluss auf die Entscheidungsfindung von Vorstand und Aufsichtsrat nehmen können230. Darüber hinaus sind noch Konflikte zwischen dem Vorstand und Aktionären bzw. Aktionärsgruppen denkbar. Wahrscheinlicher ist es allerdings, dass der Vorstand Kompetenzen der Hauptversammlung verletzt. Hier muss zwischen Wirkungen im Innen- und Wirkungen im Außenverhältnis differenziert werden. Eine Verletzung liegt dann vor, wenn der Vorstand Maßnahmen beschließt, die ohne die erforderliche Zustimmung der 228 229 230

Siehe dazu § 2 A.III. Vgl. Hoffmann, in: Spindler/Stilz, § 119 Rn. 54. Darauf hinweisend Hoffmann, in: Spindler/Stilz, § 119 Rn. 54.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

Hauptversammlung erfolgten. Bei geschriebenen Hauptversammlungskompetenzen führt die Kontrolle durch das Registergericht – das von Amts wegen prüft, ob die Zustimmung vorlag (§ 26 FamFG) – dazu, dass keine solche Verletzung eingetragen und wirksam werden kann. Anders sieht es hingegen bei ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen aus. Wie schon erwähnt wurde, bleibt dabei die Vertretungsmacht nach § 78 AktG des Vorstands unberührt. Die Maßnahmen bleiben nach außen hin wirksam, es sei denn, dass ein Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht vorliegt231. Lediglich im Innenverhältnis kann die fehlende Zustimmung dazu führen, dass Schadensersatzansprüche gegen die Vorstandsmitglieder (§ 93 Abs. 2 Satz 1 AktG) bestehen oder eine grobe Pflichtverletzung nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG die Abberufung des Vorstands zur Folge hat. Ebenfalls kann sich der Vorstand weigern, von der Hauptversammlung getroffene Beschlüsse auszuführen. Ob dabei der Hauptversammlung oder einzelnen Aktionären Rechtsmittel zugestanden werden, oder ob der Aufsichtsrat in seiner Funktion als Überwachungsorgan einzuschreiten hat, ist umstritten232 und noch Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung.

F. Konflikte zwischen Aufsichtsrat und Hauptversammlung Grundsätzlich gilt für das Verhältnis zwischen Aufsichtsrat und Hauptversammlung das bereits Gesagte wie zum Verhältnis zwischen Vorstand und Hauptversammlung. Auch der Aufsichtsrat kann sich schadensersatzpflichtig machen, wenn Maßnahmen – unter seiner Beteiligung – getroffen werden, die ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen verletzen. Einzige Unterschiede ergeben sich aus der besonderen Stellung des Aufsichtsrats als Überwachungsorgan und der Tatsache, dass die Anteilseignervertreter von der Hauptversammlung gewählt werden. Streitigkeiten, die das Bestellungsverhältnis und die Vergütung des einzelnen Mitglieds betreffen, sind von den hier beschriebenen Konflikten auszuklammern. Diese betreffen das Mitglied als Privatperson und nicht in seiner Funktion als Teil des Überwachungsorgans.

231

BGHZ 50, 112, 114; BGH NJW 1966, 1911; BGH NJW 1989, 26, 27; BGH NZG 2004, 139, 140; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 82 Rn. 45; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 82 Rn. 59; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 82 Rn. 6. 232 Vgl. dazu § 28 B.III.

§ 2 Kompetenzen der Organe und Konflikte zwischen Organen der AG

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G. Organteile und Organmitglieder als Beteiligte von Konflikten233 Organteile können in der Aktiengesellschaft zum einen als Unterorgane – wie etwa der Ausschuss nach § 107 Abs. 3 AktG – und als Teilorgane – wie etwa die Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter als Gruppen im Aufsichtsrat – in Erscheinung treten. Das Gesetz weist diesen Institutionen Rechte und Befugnisse zu. Der Aufsichtsrat kann nach § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG aus seiner Mitte Ausschüsse bilden, die Verhandlungen und Beschlüsse für das Gesamtorgan vorbereiten oder die Ausführung von Beschlüssen überwachen. Ausdrücklich erwähnt das Gesetz in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG den Prüfungsausschuss, der zur Überwachung des Rechnungslegungsprozesses, der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems und des internen Revisionssystems sowie der Abschlussprüfung eingesetzt werden kann. Die vermehrte Ausschussbildung dient der weiteren Professionalisierung des Aufsichtsrats, da somit effektiver und mit entsprechend fachlich versierten Mitgliedern des Aufsichtsrats die Überwachung der Geschäftsführung erfolgen kann. Als einzige Schranke enthält § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG einen Katalog von Aufgaben, die den Kernbereich der Aufsichtsratskompetenz berühren und daher vom Gesamtgremium entschieden werden müssen. Konflikte können hierbei in ganz verschiedenen Konstellationen auftauchen. Zum einen kann es bereits innerhalb des Organs zu Streitigkeiten über die Besetzung des betreffenden Ausschusses gehen. Insbesondere die Beteiligung der Arbeitnehmervertreter an der Ausschussarbeit war Gegenstand der von Entscheidungen des BGH234. Zum anderen kann es zu Streitigkeiten des Ausschusses mit dem Vorstand kommen, wenn der Ausschuss Funktionen der Überwachung für den Gesamtaufsichtsrat wahrnimmt235. Im Verhältnis zu letzterem ist der Ausschuss verpflichtet, zu berichten, § 107 Abs. 3 Satz 4 AktG. Da es sich bei den Aufgaben des Ausschusses um solche Kompetenzen handelt, die sich vom Gesamtaufsichtsrat ableiten, ist dieser berechtigt – ohne Angabe von Gründen – Kompetenzen an sich zu ziehen und den Ausschuss aufzulösen236. Das Konfliktpotential gegenüber dem Gesamtaufsichtsrat ist folglich von geringer Natur. Daneben können als Organteile des Aufsichtsrats die unterschiedlichen Gruppen, aus denen sich der Aufsichtsrat zusammensetzt, Beteiligte von Konflikten sein, sog. Teilorgane. Die Mitglieder des Aufsichtsrats gehören entweder der Anteilseignervertreter- oder der Arbeitnehmervertreterseite an. Alle Mitglieder – unabhängig von 233

Zu den terminologischen Unterschieden siehe § 6. Vgl. BGHZ 83, 144 – Dynamit-Nobel. 235 Siehe zum Berichtsverlangen gegenüber dem Vorstand § 28 A.III. 236 OLG Hamburg AG 1996, 84, 85; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 747; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 107 Rn. 41; HoffmannBecking, in: MünchHdb. GesR IV, § 32 Rn. 4; Koch, in Hüffer/Koch, AktG, § 107 Rn. 27; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 95; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 107 Rn. 95; a.A. Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, 1986, S. 82 ff. 234

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

welcher Bank – sind gleichberechtigt und haben vordergründig zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Jedoch knüpft das Gesetz in einigen Bereichen an der Gruppenzugehörigkeit an. Verstärkt wurde diese Entwicklung durch die Einführung einer gesetzlichen Geschlechterquote in § 96 Abs. 2 AktG. Danach steht den jeweiligen Gruppen ein Widerspruchsrecht gegen die Gesamterfüllung der Mindestquote im Aufsichtsrat von qualifiziert mitbestimmten Gesellschaften zu. Wird von einer Gruppe gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden widersprochen, so muss jede Seite für sich die Mindestquote erreichen. Dieses Verfahren birgt erhebliches Konfliktpotential, da zum einen ungewiss ist, bis zu welchem Zeitpunkt widersprochen werden darf und zum anderen, die möglichen Konfliktparteien noch nicht abgeschätzt werden können. Gesellschaft, Aufsichtsratsvorsitzender, Vorstand, aber auch die andere Seite kommen als mögliche Konfliktgegner in Betracht. Es stellt sich dabei vor allem die Frage, ob der einzelnen Gruppe auch eine prozessrechtliche Handhabe gewährt wird. Bisher wird eine solche Möglichkeit nicht diskutiert.

§ 3 Geschriebene und ungeschriebene Konfliktlösungsmechanismen A. Ausgangspunkt Nachdem aufgezeigt wurde, welche Konfliktverhältnisse innerhalb der Aktiengesellschaft vorherrschen, soll nun untersucht werden, welche Konfliktlösungsmechanismen sich in der Praxis etabliert haben, sei es, dass es sich bei ihnen um geschriebene oder ungeschriebene Mittel handelt. Kommt man nach dieser Betrachtung zum Ergebnis, dass bereits durch Gesetz, Rechtsprechung oder Praxis hilfreiche Lösungsmechanismen bestehen, ist es nicht mehr erforderlich, inter- und intraorganschaftliche Klagen als mögliche Alternativen zur Konfliktlösung heranzuziehen. Nur wenn festgestellt wird, dass die vorhandenen Möglichkeiten für die Konfliktbeilegung unzureichend sind, ist es notwendig andere Wege zu gehen.

B. Möglichkeiten des Vorstands zur Konfliktlösung I. Möglichkeiten gegenüber dem Aufsichtsrat 1. Verhandlungen zwischen den Organen – „Einigungsdruck“ als Mittel zur Konfliktlösung Die bereits mehrfach erwähnte Aufwertung der Rolle des Aufsichtsrats zu einem mitunternehmerischen Organ hat Einfluss auf das Verhältnis der den Vorstand zustehenden Organkompetenzen. Zwar gilt dieser weiterhin als das Leitungsorgan, das sich um die geschäftlichen Belange der Gesellschaft kümmert. Jedoch ist der Vorstand verpflichtet, dem Aufsichtsrat regelmäßig zu berichten, § 90 AktG. Zudem hat

§ 3 Geschriebene und ungeschriebene Konfliktlösungsmechanismen

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der Aufsichtsrat die Möglichkeit durch Festsetzung von Zustimmungsvorbehalten nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG für bestimmte Arten von Geschäften, Einfluss auf die Unternehmenspolitik auszuüben. Dass es dabei zu unterschiedlichen Ansichten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat kommen kann, wann ein Geschäft im Sinne von § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG vorliegt und somit für einen Zustimmungsvorbehalt offen ist, ist eine notwendige Folge. Der dadurch hervorgerufene Konflikt soll nach einigen Autoren durch den „hervorgerufenen Einigungsdruck“237, der auf den Organen lastet, im Verhandlungswege gelöst werden. Verhandlungen stellen die Grundlage für das Zustandekommen von Beschlüssen innerhalb von Organen dar. Ausdrücklich werden sie nicht vom Gesetz erwähnt. Der regelmäßige Austausch zwischen Vorstand und Aufsichtsrat über die Ausrichtung der Gesellschaft gehört zur Grundlage einer funktionierenden Corporate Governance. Ist ein Punkt zwischen Vorstand und Aufsichtsrat streitig, so wird jede Seite versuchen, die für ihre Sichtweise sprechenden Argumente vorzubringen und so auf die andere Seite einzuwirken. Allerdings erscheint es aus verschiedenen Gründen nicht sinnvoll, die auf Verhandlungen zustande gekommene Lösung als alleinige Konfliktlösungsmethode – sofern es sich überhaupt um eine solche handelt – gelten zu lassen. Vielmehr überlässt dieser Lösungsansatz die Entscheidungsfindung der individuellen (physischen und/oder psychischen) Stärke der jeweiligen Verhandlungspartner und entfernt sich von der rechtlichen Frage, ob bspw. die Festsetzung eines Zustimmungsvorbehalts für ein bestimmtes Geschäft zulässig ist oder nicht. Es hängt daher vom Zufall („Tagesform der Organmitglieder“) ab, welches Resultat am Ende steht und ob es sich dabei um ein rechtmäßiges handelt. Diese damit verbundene Ungewissheit ist unbefriedigend und daher kein hilfreiches Mittel zur Konfliktlösung. 2. Einberufung der Hauptversammlung Nach § 121 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AktG kann der Vorstand die Hauptversammlung anrufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert. Nach § 119 Abs. 2 AktG kann die Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung entscheiden, wenn der Vorstand dies verlangt. Der Vorstand kann somit in den genannten Fällen die Entscheidung der Hauptversammlung herbeiführen. Konflikte zwischen Vorstand und Aufsichtsrat betreffen vordergründig Aspekte, die das Wohl der Gesellschaft betreffen und können zudem Fragen der Geschäftsführung tangieren. Insofern kann die Anrufung der Hauptversammlung sowohl nach § 121 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AktG als auch nach § 119 Abs. 2 AktG in Betracht gezogen werden. Obwohl die Anrufung der Hauptversammlung einen Konfliktlösungsmechanismus darstellt, ist von einer solchen Vorgehensweise aus verschiedenen Gründen abzuraten. Zunächst erscheint bereits der formale Aufwand, den die Abhaltung einer 237

Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 585.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

außerordentlichen Hauptversammlung mit sich bringt, völlig unverhältnismäßig. Kosten und Nutzen erscheinen in keinem angemessenen Verhältnis zu stehen. Misst man die Wichtigkeit der zu treffenden Entscheidung trotzdem höher, ist fraglich, ob die Hauptversammlung den zur Klärung des Konflikts notwendigen Sachverstand aufweist238. Das erscheint schon deshalb fraglich, da die Zusammensetzung des Aktionärskreises oft variiert und damit unbeständig ist. Zum anderen betreffen „Fragen der Geschäftsführung“ stets die Zweckmäßigkeit einer Maßnahme und nicht ihre Rechtmäßigkeit239. Eine umfassende rechtliche Bewertung über Kompetenzstreitigkeiten kann von der Hauptversammlung nicht gewährleistet werden. Daher ist ihre Anrufung zur Lösung von Konflikten nicht geeignet. 3. Schadensersatz nach § 93 Abs. 2 AktG und Strafverfahren nach §§ 399 ff. AktG Nach §§ 116 Satz 1, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG sind die Organmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Jedoch ist die Androhung einer Klage auf Schadensersatz durch den Vorstand gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern für die Beilegung eines Konflikts nicht zielführend. Der Aufsichtsrat wird grundsätzlich davon ausgehen, dass sein Verhalten rechtmäßig war240. Nichts anderes gilt für das Verfahren nach §§ 399 ff. AktG. Zudem ist der Anwendungsbereich sehr eng und schon gar nicht für Konfliktsituationen geeignet.

II. Möglichkeiten gegenüber der Hauptversammlung 1. Weigerung der Ausführung; Anfechtung der gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse Bereits erörtert wurde, dass die Hauptversammlung Kompetenzen des Vorstands dadurch verletzten kann, dass Beschlüsse ohne gesetzliche Grundlage gefasst werden241. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn Beschlüsse über Geschäftsführungsmaßnahmen gefasst werden, ohne dass eine Anrufung durch den Vorstand nach § 119 Abs. 2 AktG bzw. § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG erfolgte. Zwar ist der Vorstand nach § 83 Abs. 2 AktG verpflichtet, die gefassten Beschlüsse auszuführen. 238

Ebenso kritisch Bauer, Organklagen, S. 21. Vgl. Bauer, Organklagen, S. 21. 240 Zum umgekehrten Verhältnis, dass auch die Mitglieder des Vorstands stets von einem rechtmäßigen Handeln ausgehen siehe Bauer, Organklagen, S. 21; H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 9; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 32 f., 34 f.; Pflugradt, Leistungsklagen, S. 56; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 183. 241 Siehe oben § 2 E. 239

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Jedoch gilt dies nur für gesetzmäßige Hauptversammlungsbeschlüsse242. Beschlüsse, die Kompetenzen des Vorstands verletzen, sind rechtswidrig und nach § 241 Nr. 3 AktG als nichtig anzusehen, da sie mit dem Wesen der Aktiengesellschaft – explizit mit ihrer Kompetenzverfassung – nicht zu vereinbaren sind. Zudem ist der Vorstand berechtigt nach § 245 Nr. 4 AktG Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage zu erheben243. 2. Besonderheiten beim Verhältnis zur Hauptversammlung Streitigkeiten zwischen Vorstand und Hauptversammlung sind unter Berücksichtigung der möglichen Reibungspunkte relativ selten anzutreffen. Dies gilt vor allem in der Konstellation, in der die Hauptversammlung Kompetenzen des Vorstands verletzt. Das Gesetz sieht hier in §§ 241 ff. AktG jedoch ein umfassendes Konfliktlösungssystem vor für Fälle, in denen nichtige oder anfechtbare Hauptversammlungsbeschlüsse gefasst werden. Es handelt sich folglich um ein spezielles Intraorganklagesystem, das der Gesetzgeber für Konflikte konzipiert hat, die im Zusammenhang mit Hauptversammlungsbeschlüssen auftreten können.

C. Möglichkeiten des Aufsichtsrats zur Konfliktlösung I. Möglichkeiten gegenüber dem Vorstand 1. Verhandlungen zwischen den Organen Im Verhältnis zum Vorstand kann bereits auf die oben erwähnten Bedenken verwiesen werden. Ein – mangels Alternativen – bestehender Einigungsdruck bei Verhandlungen zwischen Vorstand und Aufsichtsrats hilft bei der Klärung von Konflikten nicht weiter. Insbesondere lässt sich nach dieser Methode kein Kompetenzkonflikt zwischen den Organen unter rechtlicher Berücksichtigung lösen. 2. Weisungen; Stellungnahmen Das Aktiengesetz sieht kein Weisungsrecht des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand vor. Ein solches kann auch nicht durch Satzungsbestimmung dem Aufsichtsrat eingeräumt werden, da es der Kompetenzverfassung der Aktiengesellschaft widersprechen würde, vgl. § 23 Abs. 5 AktG. 242

Dazu Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 83 AktG Rn. 9; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, § 83 AktG Rn. 5; Habersack, in: Großkomm. AktG, § 83 AktG Rn. 12; Haertlein, ZHR 168 (2004), 437, 445 ff.; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 83 AktG Rn. 18; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 83 AktG Rn. 9; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 83 AktG Rn. 10; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 V 2 a, S. 870. 243 Ob es sich dabei um eine Organstreitsituation handelt, wird unter § 28 B.III. untersucht.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

Jedoch steht es dem Aufsichtsrat frei, Entscheidungen des Vorstands zu kommentieren und gegebenenfalls zu beanstanden244. Eine tiefere rechtliche Relevanz kommt ihnen allerdings nicht zu. Der Vorstand ist lediglich verpflichtet, die Beanstandungen und Stellungnahmen zu prüfen245. Die ihm von § 76 Abs. 1 AktG zugewiesene Leitungskompetenz gewährt dem Vorstand Unabhängigkeit. Richtigerweise wird der Vorstand Beanstandungen dahingehend prüfen, ob die von ihm getroffene Maßnahme ein pflichtwidriges Verhalten darstellen könnte und er sich nach § 93 Abs. 2 AktG der Gesellschaft gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht hat246. Stellungnahmen sind grundsätzlich von Vorteil. Die Tatsache, dass der Aufsichtsrat als mitunternehmerisches Organ den Vorstand nicht nur überwachen soll, sondern ihm auch beratend zur Seite steht, macht es erforderlich, dass sich der Aufsichtsrat zu verschiedenen Entscheidungen positioniert und dies dem Vorstand mitteilt. Jedoch kann keine abschließende und endgültige Entscheidung zur Klärung des Konflikts durch Beanstandungen herbeigeführt werden. Vielmehr besteht vor allem die Gefahr, dass sich der Konflikt zwischen den Organen weiter vertieft247. Insofern können Stellungnahmen dazu führen, dass das Verhältnis und damit die Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat in Mitleidenschaft gezogen werden248. 3. Ersatzvornahme Bereits erwähnt wurde, dass der Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand kein Weisungsrecht ausüben kann. Dies ergibt sich aus der dem Aktiengesetz zugrundeliegenden Kompetenzordnung. Nichts anderes gilt für die Ersatzvornahme durch den Aufsichtsrat. Dieser kann nicht in den fremden Kompetenzbereich des Vorstands eindringen und Entscheidungen an dessen Stelle treffen. Auch eine solche Maßnahme würde der zugrundeliegenden Kompetenzordnung zuwider laufen. Zudem würde der Aufsichtsrat damit gegen das in § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG statuierte Geschäftsführungsverbot verstoßen249. 244 Ausführlich dazu Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 160. 245 Dazu Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 160; zudem Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 111 Rn. 37. 246 Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 160; Bauer, Organklagen, S. 17. 247 So Bauer, Organklagen, S. 17. 248 Der DCGK hebt in Grundsatz 13 (ehemals Ziff. 3.1 DCGK – 2017) gerade das gemeinsame Zusammenwirken zum Wohle der Gesellschaft hervor. In der Praxis ist vor allem die Stellungnahme des VW-Aufsichtsratsvorsitzenden Piech in einem Interview zum Verhältnis des VW-Vorstandsvorsitzenden Winterkorn in Erinnerung geblieben, als dieser angab, „auf Distanz zu Winterkorn zu sein“. 249 Vgl. Bauer, Organklagen, S. 17.

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4. Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand Der Grundsatz, dass jedes Organ seine eigene Geschäftsordnung und damit seine interne Organisation regeln kann, wird durch § 77 Abs. 2 AktG für den Vorstand durchbrochen. Da der Aufsichtsrat die Personalkompetenz gegenüber dem Vorstand innehat, steht diesem nach § 77 Abs. 2 AktG die Befugnis zu, für den Vorstand eine Geschäftsordnung zu erlassen250. Demnach hat der Aufsichtsrat die Möglichkeit, Einfluss auf die Tätigkeit des Vorstands auszuüben. Allerdings betrifft dies nur organisatorische Aspekte. In materieller Hinsicht ist es dem Aufsichtsrat bereits wegen § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG verwehrt, geschäftsführend tätig zu werden251. Hingegen kann die Geschäftsordnung vorsehen, wie die Form der Zusammenarbeit von Vorstand und Aufsichtsrat aussehen, wie die Geschäftsverteilung innerhalb des Vorstands strukturiert252 und wie die organinterne Willensbildung erfolgen soll253. Zudem ist es zulässig, dass die Geschäftsordnung einen Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte i.S.v. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG enthält, sofern diese durch den Aufsichtsrat erlassen wird254. Der Einfluss des Aufsichtsrats betrifft hierbei nur formale Aspekte, sodass von einem wirksamen Konfliktlösungsmechanismus nicht die Rede sein kann. 5. Festsetzung von Zustimmungsvorbehalten nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG Der Aufsichtsrat ist nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG verpflichtet, bestimmte Arten von Geschäften einem Zustimmungsvorbehalt zu unterstellen. Das Festsetzen der Vorbehalte stellt ein Mittel zur Überwachung des Vorstands dar255, beschränkt also dessen Kompetenzbereich. Jedoch darf die Festlegung von Zustimmungsvorbehalten nicht so weit reichen, dass die eigenverantwortliche Unternehmensleitung des Vorstands leer läuft. Hier wirkt das Geschäftsführungsverbot des Aufsichtsrats nach

250 Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 502 f.; Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, 1981, S. 193 f.; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 77 AktG Rn. 44; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 77 AktG Rn. 63. 251 Dazu Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 77 AktG Rn. 44. 252 Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 AktG Rn. 81; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 77 AktG Rn. 61. 253 Isenberg, Geschäftsordnung, S. 124 f.; Kort, in: Großkomm. AktG, § 77 AktG Rn. 88; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 77 AktG Rn. 52; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 77 AktG Rn. 35. 254 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 77 AktG Rn. 60; Oltmann, in: NK-AktG, § 77 AktG Rn. 14; Wiesner, in: MünchHdB AG, § 22 Rn. 17; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 504; zu den Grenzen von Zustimmungskatalogen siehe Fleischer, BB 2013, 835. 255 Siehe BGH ZIP 2007, 224, 225; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 AktG Rn. 583 ff.; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 AktG Rn. 100; Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 AktG Rn. 33.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

§ 111 Abs. 4 Satz 1 AktG als Schranke256. Jedoch soll der Aufsichtsrat auch die Möglichkeit haben, ad hoc einen Vorbehalt zu statuieren, wenn es sich um ein wichtiges Geschäft handelt257 oder die Maßnahme des Vorstands gesetzeswidrig wäre und sonst nicht verhindert werden kann258. Diese Möglichkeit wird ausdrücklich vorgesehen, um etwaige Schäden von der Gesellschaft abzuwenden259. Dem Aufsichtsrat steht es daher zu, neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des betreffenden Geschäfts zu prüfen260. Dieses Kontrollinstrument führt jedoch noch nicht dazu, dass der Aufsichtsrat bei verweigerter Genehmigung sicher sein kann, dass der Vorstand das Geschäft nicht ausführt. Zwar kann dieser nach § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG die Hauptversammlung anrufen, die dann über die Angelegenheit zu entscheiden hat, aber dies wird in der Praxis kaum wahrgenommen261. Im schlimmsten Fall wird der Vorstand das Geschäft trotzdem ausführen. Dass sich die Mitglieder dabei schadensersatzpflichtig machen, ändert nichts daran, dass die Festlegung des Zustimmungsvorbehalts kein Garant für die Beilegung des Konflikts ist, indem der Vorstand die Ausführung unterlässt. 6. Einberufung der Hauptversammlung Der Aufsichtsrat hat nach § 111 Abs. 3 AktG die Hauptversammlung einzuberufen, wenn das Wohl der Gesellschaft es erfordert. Damit dient als Anknüpfungspunkt wiederum das Unternehmensinteresse262. Wann dies erforderlich ist, ist in der Literatur umstritten. Die überwiegende Auffassung versucht anhand von Fallgruppen eine Begriffsbestimmung vorzunehmen263. Schwere Meinungsverschiedenheiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat fallen darunter, wenn der Aufsichtsrat überlegt,

256 Inwiefern zu weit gefasste Zustimmungsvorbehalte Gegenstand von Organstreitigkeiten sein können, siehe unten § 28 B.I. 257 BGHZ 124, 111, 127 = NJW 1994 520; OLG Braunschweig, AG 2013, 47, 49; OLG Karlsruhe, AG 2008, 900, 902; OLG Stuttgart, WM 1979, 1296, 1300; LG Bielefeld, ZIP 2000, 20, 25; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 111 Rn. 595 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 17, 18; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, §. 111 Rn. 67; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 111 Rn. 65; a.A. Kort, in: Großkomm. AktG, §111 Rn. 12. 258 BGHZ 124, 111, 127. 259 BGHZ 124, 111, 127; Dietrich, DStR 2003, 1577, 1578; Brandes, WM 1994, 2177, 2183. 260 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 AktG Rn. 67; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 155; Gawrisch, Ermessensentscheidung des AR, S. 260; a.A. Theisen, Überwachung, S. 371 f. 261 Götz, ZGR 1990, 633, 644 f.; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 AktG Rn. 719; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 AktG Rn. 148. 262 Siehe dazu bereits oben § 2 B.III. sowie Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 AktG Rn. 30; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 AktG Rn. 91. 263 Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 AktG Rn. 104 f.; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 111 AktG Rn. 57 f.

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den Vorstand aus wichtigem Grund abzuberufen264. Die Positionierung der Hauptversammlung könne darauf hinwirken, dass sich das kritisierte Organ das Fehlverhalten vor Augen führt und die betreffende Maßnahme unterlässt265. Dies erscheint allerdings fragwürdig, wenn der Vorstand nicht daran zweifelt, das Richtige für die Gesellschaft zu tun. Darüber hinaus fehlt der Hauptversammlung zumeist rechtliches und betriebswirtschaftliches Fachwissen266, sodass sie als Schlichtungsorgan ungeeignet ist. Zu Recht weisen einige Stimmen auf das Problem hin, dass die Diskussion über Streitigkeiten im Aktionärskreis dazu führen kann, dass Interna der Gesellschaft an die Öffentlichkeit treten. Folglich muss abgewogen werden, ob die Vorteile einer Einberufung der Hauptversammlung mögliche Nachteile überwiegt267. Als Konfliktlösungsmöglichkeit ist wegen der bestehenden Risiken von einer Einberufung der Hauptversammlung abzuraten.

7. Abberufung nach § 84 Abs. 3 AktG Der Aufsichtsrat übt gegenüber dem Vorstand die Personalkompetenz aus. Nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG kann er die Bestellung zum Vorstandsmitglied widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Satz 2 versucht das Merkmal des wichtigen Grundes durch eine nicht abschließende Aufzählung zu bestimmen. Ein wichtiger Grund ist bei einer groben Pflichtverletzung, der Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder wenn der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung erfolgte gegeben, es sei denn, dass das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen wurde. Das Erfordernis eines wichtigen Grundes soll die Stellung der einzelnen Vorstandsmitglieder vor unbegründeten und unsachlichen Abberufungen durch den Aufsichtsrat sichern268. Die Beschränkung des Widerrufsrechts ist Ausdruck der in § 76 Abs. 1 AktG mit der Leitungskompetenz verbundenen Unabhängigkeit des Vorstands269. Weder Satzung noch Hauptversammlung können dem Aufsichtsrat die Befugnis einräumen, den Vorstand jederzeit abzurufen270. Eine 264 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 AktG Rn. 545; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 111 AktG Rn. 57; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, § 111 AktG Rn. 68; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 AktG Rn. 105. 265 In diesem Sinne Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 111 Rn. 54. 266 Bauer, Organklagen, S. 18; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 167. 267 Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 168. 268 Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 AktG Rn. 34; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 84 AktG Rn. 99; Bauer, Organklagen, S. 18. 269 AllgM, Begr. RegE bei Kropff, S. 106; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 129; Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 AktG Rn. 26; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 84 Rn. 99; DaunerLieb, in: Henssler/Strohn, § 84 Rn. 30; Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 840. 270 Ebenso Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 364; Mertens/ Cahn, in: Kölner KommAktG, 3. Aufl., § 84 Rn. 123; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 129.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

solche Möglichkeit würde im Gegensatz zu § 23 Abs. 5 AktG stehen. Ob ein wichtiger Grund i.S.d. § 84 Abs. 3 AktG vorliegt, muss durch eine Einzelfallprüfung festgestellt werden, da die Aufzählung in § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG nicht abschließend ist und damit keine festen Maßstäbe für die Beurteilung eines wichtigen Grundes existieren271. Dem Aufsichtsrat steht bei der Entscheidung, ob ein wichtiger Grund gegeben ist, kein Beurteilungsspielraum zu272. Vielmehr ist die Entscheidung, ob der Widerruf rechtmäßig war oder nicht durch das Gericht vollständig überprüfbar273. Davon zu unterscheiden ist das Ermessen des Aufsichtsrats, ob das Vorstandsmitglied aufgrund des Vorliegens eines wichtigen Grundes abzuberufen ist274. Hier ist der Aufsichtsrat daran gehalten, abzuwägen, ob das Verhalten des betreffenden Vorstandsmitglieds diese absolute und schwere Maßnahme rechtfertigt. Davon wird man ausgehen können, wenn das weitere Wirken des Mitglieds oder des Gesamtorgans eine unerträgliche Belastung für das Wohl der Gesellschaft ist275. In einem solchen Fall reduziert sich das Ermessen des Aufsichtsrats auf Null und er ist verpflichtet, den Vorstand oder das betreffende Mitglied abzuberufen276. Nichtsdestotrotz steht damit dem Aufsichtsrat ein wirksames und schlagkräftiges Instrument zur Durchsetzung bei Meinungsverschiedenheiten zur Verfügung277. Insbesondere kann die Androhung der Abberufung bereits Einfluss auf das Verhalten des Vorstands haben. Hierbei ist allerdings fraglich, ob jeder zwischen den Organen bestehende Konflikt es rechtfertigt, dass der Aufsichtsrat mit der Abberufung des Vorstands droht bzw. die Drohung wahr macht. § 84 Abs. 3 AktG dient vor allem dem Ziel, unfähige oder grob pflichtwidrig handelnde Vorstandsmitglieder aus der Aktiengesellschaft zu entfernen278. Die Lösung eines Konfliktes steht dabei nicht im Mittelpunkt. Folglich erscheint die Abberufung als Konfliktlösungsmittel eher ungeeignet zu sein. Ebenfalls ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Entfernung des gesamten Vorstands oder einzelner Mitglieder einen außerordentlichen Eingriff auf die Struktur der Aktiengesellschaft darstellt279. 271

Vgl. BGHZ 8, 348, 361; Bauer, Organklagen, S. 19. OLG Frankfurt NZG 2015, 514 Rn. 18; Kort, in: Großkomm. AktG; § 84 AktG Rn. 145; Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 34; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 84 AktG Rn. 122; a.A. Krieger, Personalentscheidungen des AR, 1981, S. 138 ff.; einschränkend Habersack, DB 2015, 787, 790 f. 273 Siehe nur Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 130 f. 274 Darauf hinweisend Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 130; Kort, in: Großkomm. AktG; § 84 AktG Rn. 146 ff. 275 BGH AG 2007, 125 Rn. 2; OLG Stuttgart AG 2003, 211, 212; OLG Frankfurt NZG 2015, 514 Rn. 18; Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 AktG Rn. 34; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 364; Bauer, Organklagen, S. 18. 276 Kort, in: Großkomm. AktG, § 84 AktG Rn. 147. 277 Bauer, Organklagen, S. 19. 278 Ausführlich zu den Fallgruppen, Kort, in: Großkomm. AktG; § 84 AktG Rn. 154 ff. sowie 158 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 AktG Rn. 36. 279 Ebenso Bauer, Organklagen, S. 19. 272

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In der Gesamtschau erscheint daher die Abberufung des Vorstands für Organkonflikte als ungeeignet. Andere Autoren wiesen bereits darauf hin, dass sie wenig problemorientiert und daher als Konfliktlösungsmittel unverhältnismäßig ist280. 8. Suspendierung Als milderes Mittel zur Abberufung wird von verschiedenen Stimmen die Suspendierung des Vorstandsmitglieds angenommen281. Unproblematisch ist der Fall, in dem das Vorstandsmitglied und der Aufsichtsrat einvernehmlich eine Suspension vereinbaren282. Ob eine solche allerdings auch einseitig durch den Aufsichtsrat und unter Bezugnahme auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes283 nach § 84 Abs. 3 AktG oder des bloßen schweren Verdachts284 gegenüber dem betreffenden Vorstandsmitglied ausgesprochen werden kann, ist hoch umstritten285. Ob damit das Leitungsrecht des Vorstands in unsachgemäßer Art und Weise beeinträchtigt werde und es sich deshalb nicht mehr um eine „behutsame Rechtsfortbildung“ handele286, muss allerdings dann nicht näher erörtert werden, wenn die Suspendierung bereits kein geeignetes Konfliktlösungsmittel darstellt. Zwar führt die Suspendierung dazu, dass das betroffene Mitglied für einen bestimmten Zeitraum keine Befugnisse der Geschäftsführung wahrnimmt. Jedoch setzt dies zumindest voraus, dass ein schwerwiegender Verdacht auf ein Verhalten vorliege, das den Widerruf der Bestellung nach § 84 Abs. 3 AktG

280 Bauer, Organklagen, S. 19; zuvor bereits Lewerenz, Leistungsklagen, S. 28; Hommelhoff, ZHR 1979, 288, 289. 281 Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 84 Rn. 189; Thüsing, in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 5 Rn. 48 ff.; Meyer-Landrut, in: FS Fischer, 1979, S. 477, 481; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 84 Rn. 136 ff.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rn. 59; kritisch allerdings Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 157 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 43. 282 Meyer-Landrut, in: FS Fischer, 1979, S. 477, 484; Weber, in: Hölters, AktG, § 84 Rn. 90; ablehnend Thüsing, in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 5 Rn. 52; strengere Anforderungen im Sinne eines billigenswertes Interesse einer Suspension bei Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, 1981, S. 159; für Voraussetzungen wie bei einseitiger Suspension Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 84 Rn. 196. 283 LG München I AG 1986, 142; Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, 1981, S. 154 ff.; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 379, Thüsing, in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 5 Rn. 48. 284 Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 84 AktG 189, 191; Meyer-Landrut, in: FS R. Fischer, 1979, S. 477, 485; Eckert, in: Wachter, AktG, § 84 51; Wiesner, in: MünchHdB AG, § 20 Rn. 61. 285 Grundsätzlich gegen eine einseitige Suspendierung Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 157 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 84 Rn. 43. 286 Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 157.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

rechtfertige287. Dies ist bei einem Konflikt zwischen Organen über Maßnahmen, die noch gar nicht ausgeführt wurden und damit in der Zukunft liegen, nicht gegeben. Die Suspendierung eignet sich daher nicht als präventives Konfliktlösungsmittel. 9. Zwangsgeld nach § 407 AktG Nach § 407 AktG kann das Registergericht gegen die Mitglieder des Vorstands ein Zwangsgeld festsetzen, wenn Pflichten (§§ 90, 111 Abs. 2 AktG) gegenüber anderen Organen– hier insbesondere gegenüber dem Aufsichtsrat – nicht erbracht worden sind. Es handelt sich weder um eine Strafe oder ein Bußgeld, sondern um eine Beugemaßnahme, die den Vorstand bzw. das Mitglied dazu bewegen soll, die ihm obliegende Pflicht zu erfüllen. Das Verfahren richtet sich nach §§ 388 ff. FamFG. Die Erhebung eines Zwangsgeldes erscheint gegenüber dem Vorstand aus verschiedenen Gründen zur Konfliktlösung ungeeignet. Zum einen erfasst § 407 AktG nur Konflikte, die auf Maßnahmen nach § 90 AktG und § 111 Abs. 2 AktG beruhen. Weder Kompetenzstreitigkeiten noch die Kontrolle nach rechtmäßigem Verhalten des Vorstands werden in § 407 AktG genannt. Zudem führt die Festsetzung eines Zwangsgeldes noch nicht unmittelbar dazu, dass die Berichte nach § 90 AktG erstattet und die Wahrnehmung der Rechte nach § 111 Abs. 2 AktG gewährt werden. Wird das Zwangsgeld durch Zahlung beglichen, steht dem Aufsichtsrat kein gerichtlicher Auskunftsanspruch oder Ähnliches zur Seite. Vielmehr kann das Registergericht ein neues und höheres Zwangsgeld festsetzen. Folglich ist die Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 407 AktG als Mittel zur Konfliktlösung unbrauchbar. 10. Schadensersatz nach § 93 AktG und Strafverfahren nach §§ 399 ff. AktG Das Aktiengesetz sieht neben dem Schadensersatzanspruch nach § 93 Abs. 2 AktG gegen die Mitglieder des Vorstands auch Straf- und Bußgeldvorschriften nach §§ 399 ff. AktG vor. Beide Instrumente sind jedoch für die Lösung von Konflikten ungeeignet, da sie vornehmlich Verstöße gegen das Aktiengesetz ahnden und daher repressiv wirken288.

287

Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 84 AktG 189, 191; Meyer-Landrut, in: FS R. Fischer, 1979, S. 477, 485; Eckert, in: Wachter, AktG, § 84 51; Wiesner, in: MünchHdB AG, § 20 Rn. 61. 288 Vgl. auch Bauer, Organklagen, S. 20; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 32 ff.

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II. Möglichkeiten gegenüber der Hauptversammlung Konfliktsituationen zwischen Aufsichtsrat und Hauptversammlung sind in der Praxis kaum anzutreffen. Es ist bereits fraglich, welche Reibungspunkte zwischen den Organen entstehen können, die dazu führen, dass der Aufsichtsrat Maßnahmen zur Konfliktlösung gegenüber der Hauptversammlung ergreifen kann. Solche Maßnahmen sind nicht ersichtlich und nicht vom Gesetz vorgesehen. Wie bereits ausgeführt wurde, erfolgt die Bestellung des Aufsichtsrats durch die Hauptversammlung und bei mitbestimmten Gesellschaften, nach den modifizierten Wahlverfahren unter Beteiligung der Arbeitnehmer. Der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan vertritt in seiner Funktion damit auch die (Kapital-)Interessen der Anteilseigner. Denn die positive Entwicklung der Gesellschaft, die Erzielung von Gewinn und die Steigerung des Unternehmenswerts stellen die wesentlichen Kriterien dar. Laufen die Entscheidungen des Vorstands diesen Interessen zuwider, so muss der Aufsichtsrat einschreiten und die Geschäftspolitik des Vorstands hinterfragen. Dies obliegt dem Aufsichtsrat im Interesse der Gesellschaft und der Anteilseigner. Nur in einer Angelegenheit hat der Aufsichtsrat bzw. seine Mitglieder die Möglichkeit, eine Maßnahme der Hauptversammlung anzugreifen. So gewährt § 245 Nr. 5 AktG den Mitgliedern des Aufsichtsrats einen von der Hauptversammlung gefassten Beschluss anzufechten, wenn sie durch dessen Ausführung eine strafbare Handlung oder eine Ordnungswidrigkeit begehen oder wenn sie ersatzpflichtig werden würden. Damit wird nicht nur eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse durch die Organmitglieder gewährleistet, sondern vor allem der Schutz der Organmitglieder selbst vor zivil- oder strafrechtlichen Sanktionen289. Es handelt sich dabei um eine vom Gesetz selbst vorgesehene Organklage, die dem einzelnen Organmitglied kraft seiner Stellung ein Anfechtungsrecht zugesteht290. Klagegegner ist die Gesellschaft, § 246 Abs. 2 Satz 1 AktG. Wer sie hingegen vertritt, hängt davon ab, welchem Organ der Anfechtungskläger angehört. § 246 Abs. 2 Satz 3 AktG enthält die für diese Konstellationen entsprechende Regelung: Klagt der Vorstand oder ein Vorstandsmitglied, wird die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat, klagt ein Aufsichtsratsmitglied, wird sie durch den Vorstand vertreten. Andere Konflikte zwischen Aufsichtsrat und Hauptversammlung, die einer Klärung bedürfen, sind nicht ersichtlich.

289

Vgl. Dörr, in: Spindler/Stilz, § 245 AktG Rn. 48a; Hüffer/Schäfer, in: MünchKomm. AktG, § 245 AktG Rn. 72. 290 Zur Stellung des Aufsichtsratsmitglieds siehe § 2 A.II.2. sowie zu den ihm zustehenden Klagebefugnissen § 28 D.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

D. Möglichkeiten der Hauptversammlung zur Konfliktlösung I. Allgemeines Die Hauptversammlung ist aus organisationsrechtlicher Sicht ein schwaches Organ, das für die Geschäftsführung ungeeignet ist und nur bei grundlegenden Maßnahmen an der Entscheidungsfindung innerhalb der Aktiengesellschaft beteiligt werden soll. Diese schwache Stellung ist bereits mehrfach angesprochen und mit Beispielen belegt worden291. Jedoch bedeutet dies nicht, dass die Hauptversammlung bzw. die Aktionäre in ihrer Gesamtheit völlig ohne Einflussmöglichkeiten sind. Zwar existiert nichts Vergleichbares wie ein aus dem GmbH-Recht bekanntes Weisungsrecht nach § 37 Abs. 1 GmbHG. Jedoch hat die Hauptversammlung die Personalhoheit gegenüber dem Aufsichtsrat inne – zumindest gegenüber den Anteilseignervertretern. Damit obliegt ihr diesbezüglich die Bestellungs- und Abberufungshoheit292. Ist der Aktionärskreis gering oder existiert ein Hauptaktionär, der den Großteil der Anteile innehat, so kann es vorkommen, dass diese Aktionärsgruppen aktiv die Zusammensetzung des Aufsichtsrats beeinflussen293. In solchen Fällen ist es nicht unüblich, dass der Aufsichtsrat durch seine Personalkompetenz gegenüber dem Vorstand faktisch erheblichen Einfluss auf die Unternehmensleitung ausübt294. Der Großaktionär erhält ein Instrument zum Durchregieren. Daneben sieht das Aktiengesetz in §§ 241 ff. AktG ein Klagesystem vor, dass die Behandlung von nichtigen und anfechtbaren Hauptversammlungsbeschlüssen regelt. Es handelt sich dabei um ein organinternes Klagesystem, das es darüber hinaus zulässt, dass sowohl der Vorstand als Gesamtorgan295 und die Mitglieder des Vorstands als auch diejenigen des Aufsichtsrats klagebefugt sind, sofern mögliche Anfechtungsgründe sich abzeichnen. Klagegegner ist in diesen Fällen die Gesellschaft, vertreten durch Vorstand und Aufsichtsrat, § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG. Allerdings leiten sich die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Befugnis, gegen Beschlüsse der Hauptversammlung vorzugehen, aus den mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechten der Aktionäre her296. Es handelt sich folglich um keine organschaftliche Befugnis297. 291

Dazu siehe bereits oben § 2 A.III. Diese ergibt sich sich aus dem zwingenden Charakter der Norm, vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 101 AktG Rn. 9. 293 Aus diesem Grund wird auch die Vertretung der Minderheitsaktionäre diskutiert, vgl. Beyer, Minderheitsvertreter im Aufsichtsrat. 294 Zur Rechtswirklichkeit der Führungsorganisation siehe Raiser/Veil, KapGesR, § 13 Rn. 12 f. 295 Zur Konstruktion von §§ 241 ff. AktG Drescher, in: Spindler/Stilz, § 241 AktG Rn. 3 ff. 296 Dazu Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, § 118 AktG Rn. 14 ff.; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 118 AktG Rn. 34. 297 Dazu Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 74. 292

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Neben diesem vom Gesetz vorgesehenen Klagesystem erkennt die Rechtsprechung den Aktionären weitere Klagerechte zu298. Dabei steht es Aktionären frei, Mitgliedsrechte wie die Teilnahme an der Hauptversammlung, die Zahlung der Dividende und Auskunftsansprüche gegen die Gesellschaft einzuklagen299. Komplizierter ist hingegen, welche Rechte den Aktionären darüber hinaus zustehen. Differenziert werden muss hier nach Klagen aus abgeleiteten Recht und solchen aus eigenem Recht300. Zu ersteren zählen Schadensersatzansprüche gegen Vorstandsund/oder Aufsichtsratsmitglieder der Gesellschaft, die pflichtwidrig gehandelt haben. Diese stehen nur der Gesellschaft zu und können im Wege der „Klageerzwingung“ nach § 147 AktG und dem Klagezulassungsverfahren nach § 148 AktG geltend gemacht werden301. Daneben gewährt die Rechtsprechung den Aktionären Klagen aus eigenem Recht gegen die Gesellschaft in Form der Unterlassungs- und Beseitigungsklage sowie der Feststellungsklage. Unterlassungs- und Beseitigungsklagen vonseiten des Aktionärs sind dann möglich, wenn die Gesellschaftsorgane „über das durch Gesetz und Satzung gedeckte Maß hinaus seine Mitgliedschaftsrechte“302 beeinträchtigen. Ebenfalls zulässig sind in Ausnahmefällen Verpflichtungsklagen der Aktionäre, die Vorstand oder Aufsichtsrat dazu bringen sollen, gewisse Handlungen oder Entscheidungen vorzunehmen303. Ebenfalls sind Feststellungsklagen nach § 256 ZPO gegen die Gesellschaft zulässig, sofern der Kläger ein rechtliches Interesse darlegt304. All diese bestehenden Einflussnahmemöglichkeiten der Hauptversammlung bzw. der Aktionäre zeigen allerdings, dass sowohl das bereits im Aktiengesetz festgeschriebene innerorganschaftliche Konfliktlösungssystem nach §§ 241 ff. AktG als auch die von der Rechtsprechung entwickelten Klagen der Aktionäre allein an der Verletzung der Mitgliedschaft anknüpfen und allein deshalb den Aktionären das Recht eingeräumt wird, gegen die Gesellschaft und beabsichtigte Entscheidungen der Organe vorzugehen. Es handelt sich dabei nicht um Streitigkeiten, die organschaftlicher Natur sind und im Organverhältnis geklärt werden können.

298

Zu den Klagerechten von Aktionären siehe Rieckers, in: MünchHdb. GesR IV, § 18, zur Abwehrklage siehe dort Rn. 8 ff. 299 Vgl. Raiser/Veil, KapGesR, § 11 Rn. 41. 300 So ebenfalls Raiser/Veil, KapGesR, § 11 Rn. 41 ff. 301 Kritisch zu den Neuregelungen des UMAG Seibt, WM 2004, 2137 ff.; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 165; einen Überblick dazu geben Raiser/Veil, KapGesR, § 11 Rn. 42 ff. 302 BGHZ 83, 122, 131 – Holzmüller. 303 Dazu Zöllner, ZGR 1988, 392, 414 ff.; Raiser, ZHR 153 (1989), 1, 32 ff.; zur Klage einzelner Aktionäre bei Verstoß des Gleichbehandlungsgrundsatzes siehe Zöllner, ZGR 1988, 392, 405: actio pro socio bei Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz als Klage aus eigenem Recht. 304 Zur konkreten Fallgestaltung siehe BGHZ 83, 122, 125 f. – Holzmüller.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

II. Möglichkeiten gegenüber dem Vorstand 1. Verweigerung der Entlastung, § 120 Abs. 1 AktG Die Entlastung des Vorstands durch die Hauptversammlung hat zum einen eine informelle und zum anderen eine rechtliche Bedeutung305. Zum einen erhält der Vorstand ein Feedback, wie die von ihm getroffenen Entscheidungen in den Augen der Anteilseigner bewertet wurden306. Zum anderen wird die bisherige Verwaltungstätigkeit bei positiver Abstimmung gebilligt und dem Vorstand das Vertrauen ausgesprochen, § 120 Abs. 2 Satz 1 AktG. Dies ist insofern von Relevanz, als das bei versagter Entlastung und demzufolge mangelndem Vertrauen der Hauptversammlung, der Aufsichtsrat nach § 84 Abs. 3 Satz 2 Var. 3 AktG den Vorstand (oder ein Mitglied) aus wichtigem Grund abberufen kann, es sei denn, dass das Vertrauen aus unsachlichen Gründen entzogen wurde307. Der Entlastung kommt daher nur eine geringe rechtliche Bedeutung zu. So führt ein positiver Entscheid der Hauptversammlung nicht dazu, dass auf etwaige Ersatzansprüche gegen den Vorstand verzichtet wird, § 120 Abs. 2 Satz 2 AktG. Die Verweigerung der Entlastung hat folglich nur mittelbar Einfluss auf die Stellung des Vorstands. Denn selbst, wenn dem Vorstand das Vertrauen aus sachlichen Gründen entzogen wird, hat der Aufsichtsrat einen Ermessensspielraum darüber, ob die Abberufung in dieser Phase als sinnvoll angesehen werden kann, da der Aufsichtsrat besser über die Lage der Gesellschaft informiert ist als die Hauptversammlung und demnach die – mitunter – schlimmeren Folgen besser beurteilen kann, die eine Abberufung mit sich bringen würde308. 2. Die Abberufung des Vorstands durch die Hauptversammlung? Nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG obliegt die Abberufung allein dem Aufsichtsrat und damit dem Organ, das die betreffenden Vorstandsmitglieder bestellt hat (sog. actus contrarius). Es ist nicht möglich, diese Befugnis auf ein anderes Organ oder Dritte zu übertragen309. Folglich steht es der Hauptversammlung nicht zu, den Vorstand vorzeitig abzuberufen.

305

Zum Sinn und Zweck siehe Mülbert, in: Großkomm. AktG, § 120 AktG Rn. 6. Hoffmann, in: Spindler/Stilz, § 120 AktG Rn. 1; Mülbert, in: Großkomm. AktG, § 120 AktG Rn. 11; Drinhausen, in: Hölters, § 120 AktG Rn. 5. 307 BGHZ 13, 188, 193; ferner LG Darmstadt AG 1987, 318, 320; KG ZIP 2003, 1042, 1046 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 84 AktG Rn. 110; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 83 AktG Rn. 32. 308 So auch Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 142 f. 309 Vgl. RGZ 144, 384, 388; Kort, in: Großkomm AktG, § 84 Rn. 128; Mertens/Cahn, in: KölnKomm.AktG, 3. Aufl., § 84 Rn. 105; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 84 Rn. 46; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 84 Rn. 120. 306

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In der Rechtswirklichkeit kommt es darauf an, welchen Einfluss die Aktionäre gegenüber den anderen Organen kraft ihrer Kapital- und Stimmenmehrheit haben. Liegen letztere in der Hand eines Aktionärs, hat dieser die Möglichkeit, über den Aufsichtsrat direkt Einfluss auf die Zukunft des Vorstands auszuüben. Jedoch ist eine solche Konstellation – vor allem bei größeren Gesellschaften – in der Praxis kaum vorzufinden. 3. Schadensersatz Die Möglichkeit gegen den Vorstand Schadensersatzforderungen einzuklagen bzw. dieses Einklagen anzudrohen, findet ihren alleinigen Ursprung in der Mitgliedschaft des Aktionärs310. Sie sind darüber hinaus nicht in der Lage zur Lösung von Konflikten beizutragen.

III. Möglichkeiten gegenüber dem Aufsichtsrat 1. Verweigerung der Entlastung, § 120 Abs. 1 AktG Für die Entlastung des Aufsichtsrats gilt nichts anderes als für die Entlastung des Vorstands. Ein positiver Entscheid gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern hat keinen Einfluss auf etwaige Ersatzansprüche, § 120 Abs. 2 Satz 2. Eine verweigerte Entlastung durch die Hauptversammlung kann aber ausschlaggebend für schärfere Folgemaßnahmen sein, wie etwa der Abberufung. Jedoch führt auch eine verweigerte Entlastung nicht zur Klärung von Streitigkeiten mit dem Aufsichtsrat. 2. Abberufung nach § 103 AktG Die Hauptversammlung kann Aufsichtsratsmitglieder nach § 103 Abs. 1 AktG mit qualifizierter Mehrheit und ohne das Vorliegen eines wichtigen Grundes vorzeitig abberufen (vgl. zudem für mitbestimmte Gesellschaften § 12 Abs. 1 DrittelbG, § 23 MitbestG, § 11 Abs. 1 MontanmitbestG, § 10 Abs. 3 MitbestErgG). Dies wird in aller Regel der Fall sein, wenn dem betreffenden Aufsichtsratsmitglied das Vertrauen der Hauptversammlung nicht mehr entgegengebracht wird311. Dies kann die Folge einer verweigerten Entlastung sein, muss es aber nicht312. Für nach § 101 Abs. 2 AktG entsandte Mitglieder gilt, dass sie jederzeit vom Entsendungsberechtigten abberufen werden können, § 103 Abs. 2 AktG. Oftmals finden sich in den 310

Sie dazu bereits oben § 3 D.I. Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 48. 312 Da die Entlastung nur geringe rechtliche Bedeutung hat, kann selbst ein Mitglied abberufen werden, das im Vorfeld der Maßnahme von der Hauptversammlung entlastet wurde, vgl. zum einen § 93 Abs. 4 AktG sowie Mülbert, in: Grooßkomm. AktG, § 120 AktG Rn. 31 ff.; Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 93. 311

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

Satzungen von Gesellschaften, die dem MitbestG unterliegen, Regelungen, die eine einfache Mehrheit vorsehen, um die Anteilseignervertreter leichter auswechseln zu können313. Fühlt sich die Hauptversammlung von einem oder mehreren Aufsichtsratsmitgliedern nicht mehr adäquat vertreten, kann es dieses abberufen. Die Abberufung ist dazu geeignet, einen bestehenden Konflikt zwischen den Anteilseignervertretern und den Aktionären zu beenden. Aber auch hier stellt sich die Frage, ob das Entfernen der Mitglieder eine geeignete Maßnahme darstellt. Existiert eine Satzungsbestimmung, die eine einfache Mehrheit für die Abberufung vorsieht, kann jedes der Mehrheit der Aktionäre missliebige Aufsichtsratsmitglied ohne größere Hürden entfernt werden. Handelt es sich um eine Person, die fachlich besonders ausgewiesen ist, kann dies zu einer schlechteren Überwachungstätigkeit des Gesamtorgans führen. Allerdings darf hierbei nicht die Konzeption der gegenseitigen Abhängigkeiten außer Acht gelassen werden, denn der Einfluss der Hauptversammlung auf die Geschicke der Gesellschaft ist im Übrigen gering. Bestellung und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern sind genuin der Hauptversammlung vorbehaltene Instrumente, die in gewissen Fällen der Hauptversammlung eine sonst nicht vorhandene Machtposition einräumen. Demnach handelt es sich bei der Abberufung zwar um ein sehr hartes, aber gerechtfertigtes Konfliktlösungsmittel. 3. Schadensersatz Wie schon zum Vorstand festgestellt wurde, beruhen die Ansprüche auf Schadensersatz auf der mitgliedschaftlichen Stellung des Aktionärs, nicht aus einer organschaftlichen Eigenschaft. Zudem dienen Schadensersatzansprüche der Kompensation von Verfehlungen, die zu Schäden der Gesellschaft geführt haben und sind deshalb als Konfliktlösungsmittel ungeeignet.

IV. Maßnahmen zwischen Aktionären Die Hauptversammlung ist Willensbildungsorgan der Aktiengesellschaft. Wie bereits festgestellt, sind unter ihrer Bezeichnung zwei unterschiedliche Bedeutungen zu unterscheiden. Innerhalb des Organs Hauptversammlung kann es zwischen den verschiedenen Aktionären zu unterschiedlichen Auffassungen über die Entwicklung der Gesellschaft kommen. Auf der Hauptversammlung – der jährlichen Zusammenkunft aller Aktionäre314 – erfolgen für gewöhnlich Abstimmungen über Entscheidungen, die die Entwicklung der Gesellschaft betreffen. Kommt es auf einer solchen zu Streitigkeiten über gewisse Maßnahmen, so wird durch Mehrheitsbe313

Dazu Ulmer, Anpassung der Satzungen, S. 16, 25. Zum Begriff der Hauptversammlung siehe Mülbert, in: Großkomm. AktG, Vor §§ 118 – 147 AktG Rn. 13 ff.; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 118 AktG Rn. 1 ff. 314

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schluss durch Abstimmung entschieden. Dies stellt das grundlegende Konfliktlösungsinstrument dar, das innerhalb eines Organs zur Anwendung kommt. Das Recht über das Zustandekommen und Angreifen von Hauptversammlungsbeschlüssen ist durch das Aktiengesetz umfassend geregelt, vgl. 241 ff. AktG. Damit ist den Aktionären ein umfassendes Kontroll- und Konfliktlösungsinstrument an die Hand gegeben. Eine wesentliche Rolle für die Klärung von Konflikten zwischen Aktionären spielt die Treupflicht gegenüber der Gesellschaft und gegenüber den Mitaktionären315. Während in der Linotype-Entscheidung des BGH die Pflicht der Mehrheitsgesellschafterin herausgearbeitet wurde, bei Entscheidungen auch die Interessen der Minderheitsgesellschafter zur berücksichtigen, statuierte der BGH in seiner Girmes-Entscheidung die umgekehrte Pflicht für die Minderheitsgesellschafter, ihre Mitgliedschaftsrechte unter angemessener Berücksichtigung der gesellschaftsbezogenen Interessen der anderen Aktionäre auszuüben. Insofern stehen den Aktionären Unterlassungs- und Beseitigungsklagen gegen Mitaktionäre sowie Schadensersatzklagen, die auf einer Verletzung der Treupflicht beruhen zur Verfügung316. Ebenfalls wird die Möglichkeit zur Erhebung einer Verpflichtungsklage diskutiert. Ansonsten kennt das Gesetz noch Schadensersatzklagen gegen andere Aktionäre nach § 117 Abs. 1 Satz 2 AktG sowie im Konzern nach §§ 309 f., 317 f., 323 AktG. Wurde durch eine Maßnahme die Mitgliedschaft verletzt, können Schadensersatzansprüche nach §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 sowie § 826 BGB gegeben sein317. Während allerdings Schadensersatzansprüche im Allgemeinen nicht zur Klärung von Konflikten beitragen und die restlichen Klagen ihren Ursprung im mitgliedschaftlichen Charakter der Aktionärsstellung haben, sind sonst keine weiteren Befugnisse ersichtlich, die den Aktionären zur Verfügung stehen, um Konflikte mit Mitaktionären zu lösen.

V. Der Aktionär als Inhaber eines Organmitgliedschaftsrechts? In der bisherigen Untersuchung wurde an verschiedenen Stellen bereits aufgezeigt, dass die Hauptversammlung innerhalb der Aktiengesellschaft und gegenüber den anderen Organen eine Sonderstellung innehat. Aktionäre haben die Möglichkeit – wie unter § 3 D.I. aufgezeigt wurde – auch im Klagewege gegen Entscheidungen des Vorstands vorzugehen. Dies ist der Fall, wenn durch den Vorstand Kompetenzen der Hauptversammlung verletzt wurden. Allerdings resultieren diese Befugnisse aus der Mitgliedschaft des Aktionärs zum Verband. 315

Zu dieser und ihrem Ursprung bei der AG siehe BGHZ 103, 184 – Linotype sowie BGHZ 129, 136 – Girmes; vgl. dazu ausführlich Raiser/Veil, KapGesR, § 11 Rn. 55 ff. 316 Lange, in: Henssler/Strohn, § 53a AktG Rn. 12; Koch, in: Hüffer/Koch, § 53a AktG Rn. 28. 317 Ausführlich dazu Habersack, Mitgliedschaft, S. 171 ff.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

Schürnbrand weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass man bei rein formaler Betrachtungsweise zwar das Recht des Aktionärs auch als „Organmitgliedschaftsrecht“ qualifizieren könne und damit Gegenstand eines Organrechts sei. Richtigerweise sei es allerdings nur schwer vorstellbar, dass der einzelne Aktionär wie ein Organ eine Ersatzaufsicht wahrnehme318. Dadurch würde das Verhältnis des Aktionärs zum Organ Hauptversammlung sein Verhältnis zur Gesellschaft zu Unrecht überlagern, obwohl ersteres ein bloßes technisches Vehikel darstelle, das die Teilnahme an der kollektiven Willensbildung gewährleisten soll319.

E. Einwirkungsmöglichkeiten von Organmitgliedern und anderen Organteilen I. Einwirkungsmöglichkeiten im eigenen Organ 1. Allgemeines In einem aus mehreren Mitgliedern bestehenden Organ kommen Entscheidungen durch Beschluss zustande320. Dabei kann sowohl das Gesetz als auch die Satzung oder die Geschäftsordnung verschiedene Quoren – je nach Beschlussgegenstand – für eine Beschlussfassung vorsehen. Folglich wird den Organmitgliedern zum einen im Vorfeld der Abstimmung die Möglichkeit zuteil, in der Diskussion Einfluss auf die Abstimmung zu nehmen. Klammert man das Verhältnis des Aktionärs zum Organ Hauptversammlung wegen der bereits erörterten Gründe von der organschaftlichen Betrachtung aus, sind vor allem das Innenrecht des Aufsichtsrats und der dort stattfindende Willensbildungsprozess für die Beantwortung der Frage relevant, welche Einwirkungsmöglichkeiten den Organmitgliedern und Organteilen zur Verfügung stehen. Zwar finden im Vorstand ebenfalls Willensbildungsprozesse statt, die durch Abstimmung und Beschluss entschieden werden, jedoch sind das Streitpotential und die beteiligten Interessen geringer als diejenigen im Aufsichtsrat. 2. Einwirkungsmöglichkeiten als Organmitglied Die Mitglieder des Aufsichtsrats sind – unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zum Arbeitnehmer- oder Anteilseignerlager – mit den gleichen Rechten und Pflichten

318

So aber Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 603. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 360. 320 Vgl. Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 108 Rn. 5; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 8; Koch, in: Hüffer/Koch, § 108 Rn. 2. 319

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ausgestattet und bei der Ausübung der Überwachung weisungsunabhängig321. Dies bedeutet, dass sowohl Hauptversammlung als Wahlorgan der Anteilseignervertreter als auch die Gremien der Arbeitnehmer als Wahlorgan der Arbeitnehmervertreter keinen Einfluss auf die Entscheidungsfindung nehmen bzw. die Aufsichtsratsmitglieder sich beeinflussen lassen dürfen. Innerhalb des Organs nimmt der Aufsichtsratsvorsitzende verschiedene organisatorische Sonderfunktionen – auch nach außen – ein322. Bei Abstimmungen in mitbestimmten Gesellschaften gewährt ihm § 29 Abs. 2 MitbestG bei Pattsituationen die entscheidende Stimme. Nichtsdestotrotz hat auch der Aufsichtsratsvorsitzende kein Weisungsrecht gegenüber den anderen Aufsichtsratsmitgliedern323. Ein Hierarchieverhältnis ist nicht vorhanden. Demnach obliegt es dem einzelnen Mitglied, vor allem im Vorfeld der Beschlussfassung den Beschlussgegenstand betreffende Einwände und Vorschläge vorzubringen, um auch den anderen Mitgliedern etwaige Bedenken aufzuzeigen. Der Beschluss selbst stellt das maßgebliche Konfliktlösungsmittel innerhalb des Aufsichtsrats als Willensbildungsorgan dar. Durch ihn wird der Organwille gebildet324. Ist nichts anderes durch Gesetz bestimmt, ist der Beschluss mit einfacher Mehrheit wirksam325. Kommt der Beschluss allerdings fehlerhaft zustande, kann seine Nichtigkeit durch Erhebung der Feststellungsklage nach § 256 ZPO festgestellt werden. Sie kann erhoben werden, sofern der Kläger ein Rechtsschutzinteresse in Gestalt eines Feststellungsinteresses hat326. Regelmäßig liegt ein solches bei Mitgliedern des Vorstands oder des Aufsichtsrats vor327. Welche Maßnahme explizit das einzelne Aufsichtsratsmitglied ergreifen kann, wenn es um organinterne Streitigkeiten geht, wird an späterer Stelle ausgeführt werden328.

321 Zu den Rechten siehe BGHZ 83, 106 – Siemens; BGHZ 83, 144 – Dynamit Nobel; BGHZ 83, 151 – Bilfinger Berger; sowie zur Weisungsunabhängigkeit Raiser/Veil, KapGesR, § 21 Rn. 110. 322 Zur Stellung des Aufsichstratsvorsitzenden siehe § 2 A.II.3. 323 Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 107 Rn. 50; Drygala, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, 3. Aufl., 2015, § 107 Rn. 19; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 107 Rn. 109; Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1983, S. 109 f.; dazu bereits oben § 2 A.II.3. 324 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 108 AktG Rn. 15; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 108 AktG Rn. 8; Jürgenmeyer, ZGR 2007, 112, 114; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 108 AktG Rn. 5. 325 Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 60; Koch in Hüffer/Koch, § 108 AktG Rn. 6; Mertens/ Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 108 AktG Rn. 57; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 108 AktG Rn. 20; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 108 AktG Rn. 21; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, § 108 AktG Rn. 10. 326 BGHZ 35, 244, 248 – ARAG/Garmenbeck; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 741; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 108 AktG Rn. 174; Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 67. 327 Dazu Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 108 AktG Rn. 44 f.; Koch, in: Hüffer/ Koch, AktG, § 108 AktG Rn. 26 f. 328 Siehe dazu § 28 D.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

Daneben hat der Gesamtaufsichtsrat nach § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG die Möglichkeit, die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds durch Antrag bei Gericht herbeizuführen, wenn ein wichtiger Grund in der Person des Mitglieds gegeben ist. Diese Maßnahme ist für solche Fälle gedacht, in denen es für den Gesamtaufsichtsrat wegen eines Verhaltens des betroffenen Mitglieds unzumutbar geworden ist, dass dieses dem Organ angehört329. Zumindest in extremen Situationen erscheint daher die Abberufung durch Gericht eine harte, aber angemessene Variante zur Konfliktlösung darzustellen. Für die Klärung sonstiger Konflikte dient grundsätzlich die Beschlussfassung. Werden rechtswidrige Beschlüsse gefasst, besteht die Möglichkeit für das einzelne Mitglied im Klagewege gegen den gefassten Beschluss vorzugehen. 3. Einwirkungsmöglichkeiten als Organteil a) Grundsätzliches Wie noch konkreter auszuführen sein wird und hier nur angedeutet werden soll, kann sich ein Organ aus verschiedenen Untereinheiten zusammensetzen, sog. Organteile330. Zu diesen zählen Organmitglieder, Unterorgane und Teilorgane. In der Aktiengesellschaft finden sich Organteile im Aufsichtsrat. Ausschüsse nach § 107 Abs. 3 AktG, die vorbereitende und andere Funktionen für das Gesamtorgan Aufsichtsrat wahrnehmen, sind Unterorgane. Hingegen sind Teilorgane zwar am Willensbildungsprozess institutionell-rechtlich beteiligt, können hingegen keine Organfunktionen als solche wahrnehmen. Insbesondere können sie das betreffende Organ weder als solches repräsentieren noch Entscheidungen für dieses treffen331. Den Organteilen kommt eine gewichtige Rolle innerhalb des Organs, aber auch innerhalb der Organisation Aktiengesellschaft zu. b) Die Einwirkungsmöglichkeiten des Ausschusses als Unterorgan Der Ausschuss nimmt Funktionen des Gesamtaufsichtsrats wahr. Zwar gewährt das Gesetz in § 107 Abs. 3 AktG dem Ausschuss verschiedene Befugnisse, setzt ihm aber zugleich Grenzen. Das Gesamtgremium kann dem Ausschuss übertragene Befugnisse generell oder im Einzelfall – ohne Angabe besonderer Gründe – an sich ziehen332. Insofern befindet sich der Ausschuss gegenüber dem Gesamtorgan in einem Abhängigkeitsverhältnis. Kommt es zu Konflikten zwischen Ausschuss und 329 Koch, in: Hüffer/Koch, § 103 AktG Rn. 10 f.; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, § 103 AktG Rn. 12 ff. 330 Siehe dazu § 6. 331 So bereits zur Terminologie im öffentlichen Recht W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 31; sowie ausführlich unter § 6. 332 BGHZ 89, 48, 55 ff.; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, 1986, S. 140; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 AktG Rn. 175.

§ 3 Geschriebene und ungeschriebene Konfliktlösungsmechanismen

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Gesamtorgan steht dem Ausschuss kein Mittel zur Klärung des Konfliktes zur Seite. Umgekehrt steht es dem Gesamtorgan zu, regelmäßig Bericht zu verlangen (§ 107 Abs. 3 Satz 4 AktG) und bei Bedarf, Kompetenzen an sich zu ziehen. Eigene, an die Stellung des Ausschusses als Unterorgan anknüpfende Befugnisse gegenüber dem Aufsichtsrat bestehen hingegen nicht. Im Verhältnis zum Vorstand können grundsätzlich dem Aufsichtsrat zustehende Informations- und Berichtsrechte (§ 90 AktG), vom Ausschuss geltend gemacht werden, wenn ihm die Kompetenz für die entsprechende Aufgabe übertragen wurde333. c) Die Einwirkungsmöglichkeiten der Gruppe/Bank/Seite als Teilorgan Galt lange Zeit, dass „Sonderbeschlüsse“ einzelner Gruppen von Aufsichtsratsmitgliedern (Arbeitnehmer- und Anteilseignervertretern) der Struktur des Aufsichtsrats als ein mit einheitlichen Aufgaben und gemeinsamer Verantwortung ausgestatteten Organ widerspreche334, kann diese absolute Beurteilung nach gegenwärtiger Rechts- und Gesetzeslage nicht mehr stand halten. Denn zum einen sieht das Recht der Aktiengesellschaft in § 27 Abs. 2 MitbestG besondere Vorschriften zur Bestellung des Aufsichtsratsvorsitzenden und in § 27 Abs. 3 MitbestG zur Besetzung des Vermittlungsausschusses vor. Zum anderen beschließen allein die Vertreter der Anteilseigner über die Wahlvorschläge für Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseigner an die Hauptversammlung (§ 124 Abs. 3 Satz 5 AktG) und über die Ausübung von Beteiligungsrechten (§ 32 MitbestG, § 15 MitbestErgG)335. Diese Regelungen wurden bisweilen als systemfremd, aber unverzichtbar bewertet336. Das Aktiengesetz sieht nun in § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG eine weitere Bestimmung vor, die der einzelnen Gruppe ausdrücklich die Beschlusskompetenz einräumt, wenn es um die quotenmäßige Besetzung des Aufsichtsrats mit dem unterrepräsentierten Geschlecht geht337. Denn hier steht es der jeweiligen Gruppe frei, der grundsätzlich vom Gesetz vorgesehenen Gesamterfüllung zu widersprechen und eine – auf die einzelne Gruppe gerichtete – Quotenerfüllung zu verlangen. Es ist in diesem Zusammenhang noch nicht absehbar, welche Konfliktsituationen im Zusammenhang des Widerspruchs und der Wahlvorschläge zwischen den Seiten entstehen können. Das Gesetz weist ihnen jeweils die Entscheidungskompetenz über die Zusammensetzung zu, in dem der Gesamterfüllung „vor der Wahl“338 widersprochen 333

Siehe dazu ausführlich § 28 A.III. So Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 73. 335 Vgl. Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 72. 336 So Raiser/Veil, KapGesR, § 15 Rn. 72. 337 Ausführlich zur Frauenquote siehe Grobe, AG 2015, 289 ff. 338 Es ist in der Literatur umstritten, bis zu welchem konkreten Zeitpunkt der Wahl widersprochen werden kann, vgl. die Übersicht bei Koch, in: Hüffer/Koch, § 96 AktG Rn. 16; einerseits Grobe, AG 2015, 289, 292: Zeitpunkt des Wahlvorschlags in Anlehnung an § 124 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AktG; andererseits Seibt/Kraack, in: Hohenstatt/Seibt, Geschlechterquoten, 2015, Rn. 130 ff.: Feststellung des Wahlergebnisses durch Wahlvorstand. 334

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

werden kann. Demnach muss man auch davon ausgehen, dass bei etwaigen Streitigkeiten die jeweilige Bank ihre zugewiesenen Kompetenzen auch gerichtlich durchsetzen können muss. Das Gesetz selbst sieht sonstige Einwirkungsmöglichkeiten nicht vor.

II. Einwirkungsmöglichkeiten gegenüber fremden Organen Ausdrücklich sieht das Gesetz keine Regelungen vor, die dem einfachen Aufsichtsratsmitglied oder einem Organteil des Aufsichtsrats Konfliktlösungsmöglichkeiten gegenüber dem Vorstand an die Hand geben. Die dem einzelnen Mitglied zugewiesenen Kompetenzen gelten vor allem im und gegenüber dem eigenen Organ Aufsichtsrat. Die Frage wiederum, ob das einzelne Mitglied im Wege einer „actio pro socio“339 gegen den Vorstand vorgehen könnte, wird sich an späterer Stelle stellen, wenn die Konstellationen der Organklage betrachtet werden340. Für den Ausschuss als Unterorgan des Aufsichtsrats gilt grundsätzlich das Gleiche. Jedoch kann ein Ausschuss Aufgaben für den Aufsichtsrat wahrnehmen, wenn diese an ihn delegiert wurden. In einem solchen Falle steht dem Ausschuss ein Berichtsanspruch nach § 90 Abs. 3 AktG analog zu. Diesbezüglich kann in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen zu den Maßnahmen des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand verwiesen werden. Auch hier erscheint die Durchsetzung im Klagewege möglich. Die dem Aufsichtsrat angehörenden Gruppen stehen als solche in keiner Beziehung zum Vorstand. Folglich sieht das Gesetz auch keine entsprechenden Einwirkungsmöglichkeiten vor. Etwas anderes könnte aber gelten, wenn eine Gruppe im Rahmen der ihr von § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG zugewiesenen Kompetenz zur Durchsetzung ihrer Rechte gerichtlich gegen den Vorstand vorgeht, wenn dieser im Zusammenhang mit dem vorgebrachten Wahlvorschlag rechtswidrig handelt. Welche genaue Konfliktkonstellation hier vorherrscht, kann jetzt noch nicht beantwortet werden. Da es sich ebenfalls um Klagen eines Organteils gegen ein anderes Organ handeln würde, ist eine Betrachtung im Folgenden unentbehrlich.

339

314. 340

Zu dieser Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 332 f.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, Ausführlich dazu § 22 D.II. sowie zur Aktiengesellschaft § 28 D.

§ 3 Geschriebene und ungeschriebene Konfliktlösungsmechanismen

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F. Die Notwendigkeit von Organklagen und die Abgrenzung zu den – die persönliche Rechtsstellung von Organmitgliedern betreffenden – Klagen und Aktionärsklagen Die Untersuchung hat die Konflikte, die innerhalb der Aktiengesellschaft zwischen den Organen, den Organteilen und den Organmitgliedern auftreten können, umfassend aufgezeigt. Den Ausgangspunkt eines Konflikts bilden dabei, die den Beteiligten vom Aktiengesetz zugewiesenen Aufgaben. Zu seinem Ausbruch kommt es dann, wenn bei Wahrnehmung dieser zugewiesenen Aufgaben, Randbereiche des anderen Organs (bzw. Organteil oder -Mitglied) berührt und damit dessen Kompetenzen verletzt werden. Das Schwierige folgt aus dem Umstand, dass beide Beteiligten von ihrer jeweiligen rechtmäßigen Zuständigkeit in der betreffenden Angelegenheit ausgehen. Dies erfasst die Bereiche der Auskunfts- und Berichtsrechte, die bloße Kompetenzverletzung und die allgemeine Handlungskontrolle. Zugleich wurde dargelegt, dass weder die vom Gesetz vorgesehenen Konfliktlösungsmittel genügen noch die „ungeschriebenen“ Praktiken zur Konfliktbeilegung in hinreichendem Maße brauchbar sind. Es ist auch zu kurz gedacht, wenn man Konflikte allein auf Basis einer Verhandlungslösung beilegen will. Die der Aktiengesellschaft zugrundeliegende Kompetenzverfassung, die ein „Machtorgan“ nicht kennt, legt es nahe, den Konflikt einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich zu machen und ihn so zu lösen. Folglich muss den Organen die Möglichkeit an die Hand gegeben werden, die ihnen zugewiesenen Kompetenzen gegenüber anderen Organen gerichtlich durchzusetzen. Gleiches gilt für Organteile und Organmitglieder. Insofern sind Inter- und Intraorganklagen als wichtigstes Konfliktlösungsmittel für die Aktiengesellschaft notwendig. Richtigerweise müssen Organklagen (in welcher Form sie auch in Erscheinung treten) möglich sein, da – wie Raiser/Veil ausführen – ein Rechtssatz des allgemeinen Zivilrechts existiert, nach dem bei nachträglichen Sanktionen durch Schadensersatzansprüche auch ein vorbeugender Rechtsschutz gegeben sein muss, sofern ein Bedürfnis besteht341. Insbesondere die aktuelle Entwicklung um eine verbesserte Corporate Governance spricht für die Erforderlichkeit von Organklagen und die Möglichkeit, Entscheidungen von Organen einer gerichtlichen Kontrolle zuführen zu können. Die vom DCGK angestoßenen Anregungen zur Verbesserung des Verhältnisses der Organe zueinander waren insofern unzureichend, als sie keine Lösungsansätze für Konfliktsituationen vorsahen. Obwohl damit festgehalten werden kann, dass ein Bedürfnis nach Organklagen besteht, ist es notwendig, den Anwendungsbereich von Organklagen festzulegen. Nicht jeder Konflikt kann als Organstreitigkeit deklariert werden. So ist eine Streitigkeit zwischen der Gesellschaft und dem Organmitglied, die ihn als natürliche Person außerhalb seiner Organstellung betrifft, keine Organstreitigkeit; insbeson341 So bereits Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 104. Zum „Für“ und „Wider“ von Organklagen siehe den Streitstand unter § 19.

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1. Kap.: Das Erfordernis nach Organklagen in der Aktiengesellschaft

dere Streitigkeiten über Vergütungen und Abfindungszahlungen sind daher keine Organstreitigkeit. Ebenfalls nicht als eine solche erfasst, sind sog. „Aktionärsklagen“. Zwar könnten diese auch – wie Schürnbrand zu Recht feststellt – als Organmitgliedschaftsrecht qualifiziert werden. Jedoch käme es dann zu einer Hervorhebung der Mitgliedschaft des Aktionärs im Organ Hauptversammlung gegenüber der Beziehung der Mitgliedschaft des Aktionärs zur Gesellschaft342. Viel eher sei die Geltendmachung einer Aktionärsklage eine Folge der Verletzung eines aus der Mitgliedschaft entspringenden subjektiven Rechts343. Folglich stellen Aktionärsklagen keinen Gegenstand der nachfolgenden Betrachtung dar. Hingegen ist die Frage, welche Klagebefugnisse einem einzelnen Organmitglied von Vorstand und Aufsichtsrat innerhalb des eigenen Organs und gegenüber dem anderen Organ zustehen, nicht hinreichend geklärt. Noch gar nicht in der Diskussion behandelt wurde die Stellung der Organteile. Ausschüsse als Unterorgane und die dem Aufsichtsrat angehörenden Gruppen als Teilorgane kommen ebenfalls als Beteiligte von Organstreitigkeiten in Betracht.

342

Ausführlich dazu Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 360; zuvor bereits die Hauptversammlung wegen der fehlenden eigenständigen korporativen Binnenstruktur ablehenend Hommelhoff, ZHR 1979, 288, 315. 343 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 360.

2. Kapitel

Grundlagen im Recht der Organe Nicht jede aktienrechtliche Institution ist als Organ der Aktiengesellschaft anzusehen. Daher ist es für eine grundlegende und argumentativ überzeugende Auseinandersetzung mit dem aktienrechtlichen Organstreit erforderlich, herauszufinden, welche von diesen Institutionen in institutioneller und funktioneller Hinsicht Merkmale aufzeigen, die sie als Organe der Gesellschaft ausweisen. Insbesondere der Umstand, dass neben Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung andere Institutionen wie Abschlussprüfer, Insolvenzverwalter oder Sondervertreter existieren, die je nach Einordnung als Organe der Gesellschaft angesehen werden, führt dazu, dass der verbandsrechtliche Organbegriff als solcher näher untersucht werden muss. Es ist daher erforderlich, aufzuzeigen, in welchem Verhältnis das Organ zur Organisation und zum Organwalter steht, aber auch wie Verhalten, Wille und Wissen zugerechnet werden. Erst wenn diese grundsätzlichen Fragen erörtert wurden, ist eine Bestimmung des verbandsrechtlichen und des aktienrechtlichen Organbegriffs möglich.

§ 4 Organisation und Organ Ein Verband ist eine verselbständigte Organisation und gilt damit als juristische Person1. Eine solche Organisation bedarf rechtlicher Institutionen, um die auf sie bezogenen Rechte und Pflichten wahrzunehmen2. Diese rechtlichen Institutionen sind Organe. Sie kompensieren die dem Verband von Natur aus fehlenden Fähigkeiten wie Handeln und Wollen3. Denn diese Befähigungen haben nur Menschen4. Die ursprüngliche Wortbedeutung leitet sich von dem altgriechischen Wort „organon“ ab und bedeutet Werkzeug5. „Organ“ stellt daher in all seinen Bedeutungen immer ein Mittel zur Versehung von Funktionen dar6. In der Organisation kommt den

1

Vgl. Schnapp, AöR 105 (1980), 243, 254. So Krebs, Jura 1981, 569. 3 W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 22, Fn. 47. 4 So schon Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 1976, § 74 V, S. 60; ebenso W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 22. 5 So bereits RGZ 3, 123, 129; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 1976, § 74 I b, S. 46. 6 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 2010, § 82 Rn. 129. 2

96

2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

Organen somit die Aufgabe zu, für die Gesellschaft nach außen gegenüber Dritten zu handeln, aber auch innerorganisatorische Funktionen wahrzunehmen. Es ist der Verdienst von H. J. Wolff, die in vielen Bereichen undurchsichtige und komplexe Materie zum Organbegriff in vielerlei Hinsicht geordnet und folgende Definition zum Organ entwickelt zu haben. So sei ein Organ im juristischen Sinne „ein durch Rechtssatz gebildetes, selbstständiges institutionelles Rechtssubjekt, durch das eine (teil-)rechtsfähige Organisation ihre Aufgaben derart wahrnimmt, dass die Handlungen des Organs ihr zugerechnet werden“7.

Das besondere Verhältnis zwischen Organisation und Organ liegt damit vor allem in der Zurechnung von Handeln und Wissen. Demnach kann man sagen: Die Organisation handelt durch ihre Organe8. Von außen betrachtet, wird das Organ als unselbständiger Teil der juristischen Person wahrgenommen, der jedoch im Organisationsinneren mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet ist und für die juristische Person Aufgaben ausführt9. Die genaue Zuordnung der Funktionen an die Organe erfolgt durch das Organisationsstatut des Verbandes. Dabei können Organe sowohl innerhalb als auch nach außen gegenüber Dritten für den Verband tätig werden. Da das Organ die Funktion als Durchgangssubjekt der Zurechnung übernimmt, das vordergründig Aufgaben für den Verband wahrnimmt, wirft die (später zu beantwortende) Frage auf, inwiefern das Organ selbst Adressat und damit Zurechnungsendsubjekt sein kann10.

§ 5 Organ und Organwalter Organe nehmen für die Organisation verschiedene Funktionen wahr. So wird der Organisation zum einen das Verhalten und das Wissen der Organe zugerechnet11. Zum anderen entsteht der Wille der Organisation durch Willensbildung in den Organen12. Jedwede Zurechnung von Wille, Verhalten und Wissen eines Organs ist auf die „hinter dem Organ“ stehenden natürlichen Personen, den sog. „Organwaltern“ 7 Vgl. Wolff, Organschaft und Juristische Person, Bd. II, 1934, S. 236; Jestaedt, in GVwR, Bd. I, § 14 Rn. 34. 8 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht Bd. II, 2010, § 82 Rn. 132. 9 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 1976, 74 I c, S. 46; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 28; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbäde, 2007, S. 11. 10 Dazu siehe § 7 sowie ausführlich § 21 C.II.2. 11 Vgl. Wolff, Organschaft und Juristische Person, Bd. II, 1934, S. 236; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 24; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 45. 12 Wolff, Organschaft und Juristische Person, Bd. II, 1934, S. 236; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 24; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 45.

§ 5 Organ und Organwalter

97

zurückzuführen13. Das Organ ist daher einerseits von der Organisation und andererseits von den Organwaltern abzugrenzen14. Dass sich eine solche Unterscheidung zwischen Organ und Organwalter durchgesetzt hat, ist wiederum auf die Arbeit von H. J. Wolff zurückzuführen15. Für die Besonderheiten, die aus dem privatrechtlichen Verbandsrecht resultieren, hat die Untersuchung von Schürnbrand erhebliche Gewinne bereitet16. Auf sie wird bei der Auseinandersetzung zum Organbegriff zurückzukommen sein17. Vereinzelt findet man dennoch Aussagen, wonach das Handeln des Organwalters unmittelbar dem Verband zuzuordnen sei18. Diese Ansicht fußt auf das von Thur vertretene enge Verständnis des Organbegriffs, nach dem das Organ mit der hinter ihm stehenden natürlichen Person gleichgesetzt wird19. So galt das Organ zum einen als personenunabhängige Einrichtung der juristischen Person, aber zugleich wurden auch die dahinterstehenden natürlichen Personen als Organ angesehen, deren Handeln der juristischen Person zugerechnet wurde. Wolff stellte nun klar, dass zwischen dem personenunabhängigen Institut und die für dieses dahinterstehenden handelnden natürlichen Personen unterschieden werden müsse20. Eine gemeinsame Verwendung des Wortes „Organ“ könne zu Unklarheiten und Verwechslungen führen. Eine genaue Unterscheidung ist nur mit der Verwendung eindeutiger Termini möglich21. Ein Organ sei daher nur ein von natürlichen Personen ausgefüllter Zuständigkeitskomplex. Hingegen seien die dem Organ angehörenden Personen als Organwalter zu bezeichnen. Diese Unterscheidung überzeugt auf ganzer Linie und ist zu Recht als herrschende Meinung anzusehen22. Sie bildet zudem die Grundlage für die vorliegende Unter13

Dazu Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, 1980, § 4 II 3 S. 212; zuvor bereits Wolff, Organschaft und Juristische Person, Bd. II, 1934, S. 236 sowie ausführlich unter § 5. 14 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, 1976, § 74 I f. 15 Wolff, Organschaft und Juristische Person, Bd. II, 1934. 16 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007. 17 Siehe dazu § 8 B. 18 Die Gleichsetzung vom Organ als Zuständigkeitskomplex und natürlicher Person ist besonders im Zivilrecht noch anzutreffen, siehe v. Thur, Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 32 II, S. 460; Flume, Juristische Person, § 11 I, S. 377; Baltzer, Der Beschluss, S. 29; Koenen, Zurechnung, S. 20; aus der Kommentarliteratur Oltmanns, in: Heidel, AktG, § 76 Rn. 11; das öffentliche Recht legt jedoch den institutionell-normativen Organbegriff zugrunde, vgl. Wolff/Bachof/ Stober/Kluth, Verwaltungsrecht, Bd. II, § 82 Rn. 134; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 27 ff.; Erichsen, in: FS Menger, 1985, S. 211, 215; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 24. 19 v. Thur, Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 32 II, S. 460. 20 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 1976, § 74 I e, S. 47. 21 So Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 1976, § 74 I e, S. 47 f.; ebenso Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 42. 22 Vgl. BGHZ 160, 385, 390; Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit, S. 150; Ulmer, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1297, 1307; Kleindieck, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 178; Schöpflin, Der nichtrechtsfähige Verein, 2003, S. 16; Beuthien/

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

suchung. Verdeutlicht wird die Notwendigkeit der vorgenommen Differenzierung zwischen Organ und Organwalter, wenn es um die Existenz des Organs geht: Würde der Organwalter mit dem Organ als solchen gleichgesetzt werden, würde die Existenz des Organs von der Existenz des Organwalters und damit der natürlichen Person abhängen23. Scheidet der Organwalter aus irgendeinem Grund aus seinem Amt aus oder gerät er in einen Zustand, in dem er die Aufgaben des Organs nicht mehr wahrnehmen kann, so würde damit der Fortbestand des Organs und damit auch der Organisation gefährdet werden. Beuthien weist zudem darauf hin, dass das Organ kompetenz- und funktionslos wäre, würde man die Organbefugnisse nicht beim Organ ansiedeln24. Etwas anderes würde die Funktion der Organisation gefährden. Insofern ist dem Organ ein institutioneller Charakter zuzuschreiben25, da es zum einen im Rechtsträger eingegliedert, aber zum anderen organisatorisch selbständig ist26. Eine Folge der sprachlichen und damit inhaltlichen Differenzierung zwischen Organ und Organwalter war die Herausbildung einer weiteren Institutionalisierung. So haben einige Stimmen aus dem Schrifttum diesen Gedanken aufgegriffen und differenzieren auf der Ebene des Organmitglieds zwischen einer als „Amt“ bezeichneten apersonalen Verbandsinstitution und der als „Amtswalter“ handelnden natürlichen Person27. Die organmitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten ständen einer abstrakten Verbandsinstitution zu und nicht den handelnden natürlichen Personen. Der Amtswalter sei innerhalb dieser apersonal kontruierten Institution befugt, die darin gebündelten organmitgliedschaftlichen Befugnisse auszuüben28. Diese Trennung zwischen der organbezogenen Stellung und den persönlichen Interessen der natürlichen Person ist im Grundsatz überzeugend. Das Organmitglied tritt einerseits als Privatperson auf und erhält für die Aufgabenwahrnehmung innerhalb des Organs eine Vergütung oder ein entsprechendes Äquivalent. Andererseits sind an die organmitgliedschaftliche Stellung Befugnisse geknüpft, die dem Mitglied zur Verwirklichung der zugeordneten Aufgaben dienen. Letztere dadurch besonders herGrätsch, ZHR 156 (1992), 459, 468 ff.; Fleischer, NJW 2006, 3239, 3243; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 1 b, S. 415. 23 Siehe W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 22; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 43; ebenso Beuthien, NJW 1999, 1142, 1144. 24 Beuthien, NJW 1999, 1142, 1144. 25 So bereits Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 1976, § 74 I f 6, S. 50. 26 Zu den Merkmalen siehe unter § 8 B.I. 27 Ursprünglich findet sich diese Unterscheidung im öffentlichen Recht vgl. die Übersicht bei Diemert, Innenrechtsstreit, S. 96 ff.; im zivilrechtlichen Schrifttum aufgegriffen wurde es von H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 49 ff.; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 598; Pflugradt, Leistungsklagen, S. 32 ff.; Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 212 ff. 28 H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 49; siehe auch Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 214, der auf die Stellung des Insolvenzantrags nach § 15 InsO für die Notwendigkeit dieser Konstruktion hinweist.

§ 6 Unterorgan und Teilorgan als weitere Organteile

99

vorzuheben, indem man sie als apersonale Verbandsinstitution einordnet, ruft aber insbesondere aus praktischen Erwägungen Zweifel hervor. Die überwiegende Auffassung steht einer solchen Auftrennung kritisch gegenüber. Schürnbrand kritisiert diese institutionalisierte Einordnung als „gekünstelt und unnötig kompliziert“29. Er verweist vielmehr darauf, dass die Organmitglieder bei der Verletzung einer organmitgliedschaftlichen Pflicht sich sowohl straf- als auch zivilrechtlich zu verantworten haben30. Damit seien die Organmitglieder auch persönlich zum Tätigwerden verpflichtet. Daneben sprechen auch Aspekte zur Amtskontinuität gegen die Schaffung einer weiteren abstrakten Verbandsinstitution31. Folglich sei eine Differenzierung zwischen einer apersonalen Verbandsinstitution und der konkret agierenden natürlichen Person abzulehnen32. Die Mitgliedschaftsrechte seien vielmehr dem Organwalter persönlich zugeordnet. Diese Einwände zeigen die Schwächen einer institutionalisierten Sichtweise. Allerdings muss zwischen den persönlichen Rechten, die an die Organmitgliedschaft geknüpft sind und den konkreten organmitgliedschaftlichen Befugnissen, die die funktionsbezogene Ausübung betreffen, unterschieden werden. Die damit verbundene Trennung wird auch von der überwiegenden Auffassung nicht verneint. Ob es aus organisationsrechtlicher Sicht daher aber erforderlich ist, eine strikte Trennung von Amt und Walter vorzunehmen, ist zweifelhaft.

§ 6 Unterorgan und Teilorgan als weitere Organteile Aus den vorhergehenden Ausführungen ergibt sich, dass sich ein Organ aus einem oder mehreren Organwaltern zusammensetzt und diese die Befugnisse für das Organ wahrnehmen. Neben den einzelnen Organmitgliedern sind innerhalb des Organs weitere Institutionen denkbar, die aus mehreren Mitgliedern bestehen und wie diese als sog. Organteile anzusehen sind. Insbesondere das private Verbandsrecht hat sich bisweilen nur unzureichend mit ihrer rechtlichen Stellung auseinandergesetzt. Als Orientierungshilfe für eine dogmatische Einordung sind dabei die Vorarbeiten aus dem öffentlichen Recht dienlich33. Das dortige Schrifttum, aber auch die Recht-

29

So Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 234. Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 234. 31 Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 234. 32 So die überwiegende Auffassung, BGHZ 106, 54, 32 zu § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG; Bork, ZGR 1989, 1, 34; Hommelhoff, ZHR 143 (1979); 288, 315; Säcker, NJW 1979, 1521, 1525 f.; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 220; vgl. auch die Übersicht bei Diemert, Innenrechtsstreit, S. 212 ff. 33 W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 31; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 1976, § 74 I f 10; Bleutge, Der Kommunalverfassungsstreit, 1970, S. 40. 30

100

2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

sprechung34 haben im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Organstreits eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Terminologie von Organen und Organteilen geführt. Als Organteile zählen zunächst die einzelnen Organmitglieder35. Ebenso gelten als Organteile Zusammenschlüsse von Mitgliedern, die institutionell-rechtlich in den Meinungs- und Willensbildungsprozess des Organs einbezogen sind, jedoch wegen der Zusammensetzung und Konstituierung keine Organfunktionen als solche wahrnehmen und demzufolge keine Entscheidungen für das Organ treffen oder es vertreten36. Man bezeichnet diese Zusammenschlüsse als Teilorgane. Im öffentlichen Recht wird den Fraktionen diese Stellung zuerkannt37. Die Rechte der Organwalter als auch der Fraktionen leiten sich neben den punktuellen gesetzlichen Regelungen aus den Geschäftsordnungen der Organe her38. Davon abzugrenzen sind die sog. Unterorgane. Diese stellen innerhalb des Organs zuständige Einheiten („Organ des Organs“39) dar, die das Organ im Verhältnis zu anderen Organen und der Organisation repräsentieren und eine eigene Leitungsstruktur aufweisen40. Dabei können ihnen innerhalb des Organs oder auch an dessen Stelle bestimmte, eigenständig wahrzunehmende Aufgaben zugewiesen werden41. Insofern sind sie „innenrechtsfähige Organteile“ (d. h. Organteile, die eigene Zuständigkeiten im Verhältnis zum jeweiligen Organ besitzen)42. Das öffentliche Recht räumt sowohl den Ausschüssen des Gemeinderats, als auch dem Gemeinderatsvorsitzenden diese Stellung ein. Im Gegensatz zu den Stimmen aus dem öffentlichrechtlichen Schrifttum sind beschließende Ausschüsse nicht als Organe anzusehen, sondern bleiben Unterorgane des Organs43.

34 35 36

S. 31.

Siehe BVerwGE 90, 104 ff. W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 30. Siehe BVerwGE 90, 104, 108; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001,

37 So BVerwGE 90, 104, 105: Nach dem BVerwG sind Ratsfraktionen „Gruppen von Mitgliedern der Gemeindevertretung, mit jeweils gemeinsamen politischen Grundanschauungen, die sich zusammengeschlossen haben, um ihre Vorstellungen und Aktivitäten aufeinander abzustimmen und diesen im arbeitsteiligen Zusammenwirken zu besserer Wirksamkeit zu verhelfen“. 38 Siehe dazu § 35a SächsGemO sowie Lange, Kommunalrecht, 2013, Kap. 6 Rn. 46 f. m.w.N. 39 W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 31. 40 Vgl. Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht Bd. II, § 82 Rn. 166. 41 W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 31. 42 So noch Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 1976, § 74 I f.; nicht überzeugen kann hingegen die in einer späteren Auflage zwischen „Organteilen“ und „Unterorganen“ vorgenommene Differenzierung, Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht Bd. II, § 82 Rn. 166. 43 A.A. W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 31; Bleutge, Kommunalverfassungsstreit, 1970, S. 47; weitergehend Schreiber, BayVBl. 2000, 135 ff.: beratende Ausschüsse als Organe der Gemeinde.

§ 7 Zurechnung innerhalb der Organisation

101

§ 7 Zurechnung innerhalb der Organisation Die Grundsätze über die Verhaltenszurechnung bei juristischen Personen sind seit Ende des 19. Jahrhunderts ein wesentlicher Streitpunkt in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung44. Der Theorie der organschaftlichen Zurechnung („Organtheorie“) steht die Vertretertheorie gegenüber. Während die Organtheorie45 die Organisation selbst als Willens- und Handlungsträger sieht, da die Organe in ihrer Funktion als Handlungsmittler agieren, verneint die Vertretertheorie46 die Möglichkeit, dass die juristische Person einen Willen bilden kann und daher das Verhalten der Vertreter zugerechnet werden müsse. Beiden Theorien ist gemein, dass mit Hilfe des objektiven Rechts, das Verhalten eines Rechtssubjekts (des Vertreters) einem anderen Rechtssubjekt (des Vertretenen) zugeordnet wird, sodass aus dem Verhalten des Vertreters der Vertretene berechtigt und verpflichtet wird47. Die Organtheorie hat sich als herrschende Auffassung durchgesetzt. Damit liegt es auf der Hand, das rechtsgeschäftliches und tatsächliches Verhalten sowie der Wille und das Wissen, das in der Person des Organwalters vorliegt, dem Verband im Ergebnis zugerechnet werden. Jedoch erfolgt dies im Wege einer „doppelten“ Zurechnung48 und nicht unmittelbar49. So ist das Handeln des einzelnen Organwalters, auch wenn es sich um ein „Einpersonenorgan“ handelt, zunächst dem Organ zuzurechnen50. Gleiches gilt bei einem mehrköpfigen Organ: Hier ist das gemeinschaftliche Handeln der dem Organ angehörigen Organwalter der abstrakten Verbandsinstitution Organ zuzurechnen51. Erst durch einen weiteren Zurechnungsakt (daher „doppelt“) wird das Handeln dem Verband zugeordnet52. In der öffentlichrechtlichen Literatur wird diese Technik wie folgt umschrieben: „[…] Organisatorisches Handeln [wird] dadurch erfasst, dass das Handeln des Organwalters dem Organ und durch dieses als einer Wirkeinheit der Organisation nicht nur derart zugeordnet wird, dass die Rechtsfolgen des Organwalterverhaltens das Organ und die des

44

Vgl. zum Streitstand statt vieler K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 I 1, S. 250 ff. Siehe v. Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 603 ff. 46 Siehe Savigny, System des heutigen Römischen Rechts II, 1840, § 90, S. 282. 47 Vgl. Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht, BD. II, 2010, § 82 Rn. 33. 48 BGHZ 109, 327, 331; Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. II, 1934, S. 242 f.; Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 212; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 24; Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 45; Mülbert/Gramse, WM 2002, 2085 f.; Frels, ZHR 122 (1959), 173, 181. 49 v. Thur, Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 32 II, S. 460; Flume, Juristische Person, § 11 I, S. 377; Baltzer, Der Beschluss, S. 30; Koenen, Zurechnung, S. 20. 50 Vgl. W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 22 ff., Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 45. 51 Vgl. W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 29. 52 Ebenso Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 45. 45

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

Organverhaltens die Organisation treffen, sondern dass Organwalterverhalten Organverhalten und dieses Organisationsverhalten ist […]“53.

Von der Zurechnung sind neben Willenserklärungen auch Rechts- und Realakte erfasst, sofern sie zum Aufgabenkreis des Organs gehören54. Innerhalb des Verbandes sind die Kompetenzen folglich allein den Organen zugewiesen. Die dem Organ angehörenden Organwalter leiten aus ihrer organmitgliedschaftlichen Stellung Rechte und Pflichten her. Ihnen steht allerdings kein anteiliges Recht an der Organkompetenz zu. Vielmehr sind sie berechtigt und zugleich verpflichtet, an dem im Vorfeld einer Maßnahme stattfindenden Willenbildungsprozess mitzuwirken55. Das Organhandeln für den Verband stellt eine transitorische Zurechnung dar. Damit ist gemeint, dass das Handeln einer Person oder eines Funktionssubjekts diesem nicht endgültig, sondern nur transitorisch – als Vermittlungspunkt – zugerechnet wird (sog. Durchgangssubjekt56), weil die Person für ein anderes Funktionssubjekt tätig wird57. Dieses „Vertreterprinzip“ liegt der oben angesprochenen „doppelten Zurechnung“ zugrunde. Das Organ selbst ist nicht unmittelbarer Adressat, sondern handelt allein für die juristische Person, die das Endsubjekt der Zurechnung darstellt58 und als solches auch von außen wahrgenommen wird. Daraus abzuleiten, dass allein die juristische Person als Zurechnungsendsubjekt in Frage kommt, greift allerdings zu kurz. Vielmehr ist anhand der materiellrechtlichen Zuordnung danach zu fragen, ob im Hinblick auf das Innenrecht einer Organisation nicht auch das Organ als Zurechnungsendsubjekt in Frage kommen kann59.

§ 8 Der Organbegriff A. Bisherige Versuche einer Begriffsbestimmung Nachdem das Verhältnis des Organs zur Organisation und zum Organwalter dargestellt und die Art, wie Verhalten, Wille und Wissen der Organisation zugerechnet wird, aufgezeigt wurde, soll nachfolgend untersucht werden, was unter 53

So Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht Bd. II, § 82 Rn. 133; Krebs, Handbuch Staatsrecht, Bd. V, § 108 Rn. 43; Jestaedt, in: GVwR, Bd. I, § 14 Rn. 34. 54 Anders Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht Bd. II, § 82 Rn. 133, die von Aufgaben der Organisation sprechen. 55 Vgl. Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 46, der in einem Beispiel auf die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands nach § 77 AktG eingeht. 56 Dazu siehe § 21 C.II.2. 57 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht Bd. II, § 82 Rn. 27. 58 Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht Bd. II, § 82 Rn. 28, 29. 59 Dazu ausführlich § 21 C.II.2.

§ 8 Der Organbegriff

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einem „Organ“ im verbandsrechtlichen Sinne zu verstehen ist. Das zentrale Problem, das eine Begriffsbestimmung erforderlich macht, ist die von Schürnbrand wahrgenommene „Enthaltsamkeit des Gesetzgebers“ zum Organbegriff60. Andere sprechen in diesem Zusammenhang von „beträchtlichen Unschärfen“61, obwohl der verbandsrechtliche Organbegriff auch nicht „weitgehend ungeklärt“62 sei. So existieren zwar Normen, die die Existenz von Organen voraussetzen. Jedoch erfolgt in den organisationsrechtlichen Vorschriften keine Angabe darüber, welche Merkmale ein Organ ausmachen und wie es sich sonst auszeichnet63. Zieht man nun im Hinblick auf die Begriffsbestimmung die Rechtsprechung heran, so wird deutlich, dass sich der BGH nur vereinzelt zum Organbegriff geäußert hat. Dem BGH liegt ein institutionell-funktionales Verständnis vom Organbegriff zugrunde. Er bejaht in einer älteren Entscheidung die Organeigenschaft des Abschlussprüfers, da dieser organisatorisch eingegliedert und damit Teil der Verbandsverfassung sei und allein in einem Rechtsverhältnis zum Verband stehe64. Unklar ist, ob neben der originären Kompetenzzuordnung durch Gesetz und Statut die Orientierung an das Verbandsinteresse als Grundlage der Entscheidungsfindung erforderlich ist. Während eine solche Orientierung in jüngeren Entscheidungen bei der Bestimmung des Organbegriffs zur Kommanditgesellschaft und KGaA etwaige Partikularinteressen bei Gruppenorganen zurückdrängen sollte65, fehlt eine solche Orientierung beim Abschlussprüfer66. Dass der BGH von einem institutionell-funktionalen Organbegriff ausgeht, ist auf die Vorarbeiten des öffentlichen Rechts zurückzuführen. Hier hat wiederum H. J. Wolff den Grundstein des heute als herrschend anzusehenden institutionell-funktionalen Organbegriff gelegt. Nach ihm ist ein Organ „ein durch Rechtssatz gebildetes, selbstständiges institutionelles Rechtssubjekt, durch das eine (teil-)rechtsfähige Organisation ihre Aufgaben derart wahrnimmt, dass die Handlungen des Organs ihr zugerechnet werden“67.

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Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 35. So Ulmer, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1297, 1305; Schütz, Sachlegitimation, S. 113; ebenfalls Hüffer, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 521, 529. 62 Burgard, Gestaltungsfreiheit im Stiftungsrecht, 2006, S. 219; Beuthien/Gätzsch, ZHR 156 (1992), 459, 467; Semrau, Dritteinflussnahme, S. 42. 63 Vgl. die Ausführungen von Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 35 f. zu den vereinsrechtlichen Vorschriften. 64 BGHZ 16, 17, 25 sowie BGHZ 76, 338, 342. 65 Vgl. BGHZ 165, 192, 199. 66 Siehe BGHZ 16, 17; kritisch dazu Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 38 sowie S. 214 ff. 67 Vgl. Wolff, Organschaft und Juristische Person, Bd. II, 1934, S. 236; Jestaedt, in GVwR, Bd. I, § 14 Rn. 34. 61

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

Daran anschließend hat im öffentlich-rechtlichen Schrifttum eine Vielzahl von Autoren versucht, den Organbegriff weiter zu konkretisieren68. Die wohl gängigste Definition ist auf die Ausarbeitung von W. Roth zurückzuführen. Als Organ versteht er eine „in der Organisation eingegliederte, weder rechtsfähige noch auch nur rechtlich selbständige, wohl aber organisatorisch verselbständigte Einheit, die unabhängig vom Wechsel der Organwalter besteht, und der die Zuständigkeit sowie die Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Funktionen für die Organisation zukommt69.

Neben der institutionellen Komponente liegt dem Organbegriff eine funktionale zugrunde: Das Organhandeln besteht darin, die Verwaltungsaufgaben für die juristische Person wahrzunehmen. Dieses zweigliedrige Verständnis vom Organbegriff ist allerdings nicht abschließend. Neuere Stimmen aus dem öffentlich-rechtlichen Schrifttum sprechen sich für einen trialistischen Organbegriff aus70. So sei nach Auffassung Rottenwallners der Akt der Kreation und derjenige der Zuweisung vom Akt der Kreation des Organwalter, dem Organ im personellen Sinn, zu trennen71. Auswirkung hat diese Einteilung auf den Gegenstand des verwaltungsrechtlichen Organstreits, da dieser dann die Begründung, Ausübung und Beendigung des Amts erfasst und damit keine rein innerorganschaftliche Angelegenheit mehr darstellt. Rottenwallner erhofft sich dadurch ein Ende der für den Organstreit angehäuften zahlreichen Einzeldogmatiken72. Es würde eine Fixierung auf das „Innenrecht“ überwunden werden, ohne die zugrundeliegende Unterscheidung zwischen Individualrechten („außen“) und Organrechten („innen“) völlig aufzugeben73. Im Privatrecht kann grundsätzlich an das zweigliedrige Verständnis des verbandsrechtlichen Organbegriffs aus dem öffentlichen Recht angeknüpft werden. Auch hier hat das Organ eine institutionelle als auch eine funktionale Komponente. Das Organ soll die fehlende Handlungsfähigkeit des Verbandes (in dem jeweiligen funktionsspezifischen Bereich) überwinden und ist daher für seine Existenz notwendig. Ein solches institutionell-funktionales Begriffsverständnis teilt auch die Mehrzahl des privatrechtlichen Schrifttums, mag es dabei auch kleinere Abweichungen geben. Damit wird zugleich den früher vereinzelt geäußerten Bedenken, die eine Bestimmung des Organbegriffs in der Aktiengesellschaft für unmöglich hielten74, 68

Neben Wolff siehe etwa Jestaedt, in GVwR, Bd. I, § 14 Rn. 34; Wolff/Bachof/Stober/ Kluth, Verwaltungsrecht Bd. II, 2010, § 82 Rn. 132; Maurer, VerwR AT, 18. Aufl., § 21 Rn. 22 ff.; Detterbeck, VerwR AT, § 6 Rn. 208. 69 W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 27. 70 Siehe Rottenwallner, VerwArch 2014, 212. 71 Rottenwallner, VerwArch 2014, 212, 223. 72 Rottenwallner, VerwArch 2014, 212, 223. 73 Rottenwallner, VerwArch 2014, 212, 237; zuvor bereits Ipsen, VerwR AT, § 6 II Rn. 355 ff. 74 Vgl. Mertens, ZGR 1994, 426, 427; Wieland, Handelsrecht II, 1931, S. 90 f.

§ 8 Der Organbegriff

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Einhalt geboten. Das privatrechtliche Schrifttum orientiert sich bei der Begriffsbestimmung vor allem an der Funktionsbezogenheit organschaftlichen Handelns, da der rechtsfähige Verband weder willens- noch handlungsfähig ist75. Nach Flume gilt als Organ der juristischen Person jede Person oder Mehrzahl von Personen, die nach der Verfassung der juristischen Person deren Handlungsfähigkeit begründet76. Für Wiedemann handelt es sich um Personen oder Gruppen, deren Willensbildung für den Verband maßgebend ist und deren Entscheidung am Verbandsinteresse orientiert sein muss77. Nach K. Schmidt dienen die Organe der Bildung und Verwirklichung des Willens von Personenverbänden78. Ähnlich formuliert es Ulmer: „Ein Organ sind solche Personen oder Personenmehrheiten, die kraft Verbandsverfassung dazu berufen sind, an der Willensbildung, an der Geschäftsführung und Vertretung oder an der Kontrolle des Verbandshandeln mitzuwirken, und ihre Tätigkeit am Verbandsinteresse auszurichten haben79.“

Andere knüpfen nicht maßgeblich an der Funktion des Organs an, sondern leiten aus den dem Organ zugewiesenen Aufgaben und Eigenschaften der unterschiedlichen Gesetze allgemeingültige Merkmale ab80. Anhand der Analyse der Organtrias (Willensbildungs-, Handlungs- und Aufsichtsorgan) und fakultativer Organe sind Organe nach Semrau „… personenunabhängige Einrichtungen der Gesellschaft, denen durch Gesetz oder im Rahmen des gesetzlich zulässigen Statut Aufgaben zugewiesen werden, die der Ausgestaltung des Verbandszwecks dienen und deren Verhalten der Gesellschaft zugerechnet werde, indem sie durch geborene oder gekorene Organwalter wahrgenommen werden81.“

Eine Kombination aus diesen deduktiven und induktiven Methoden wählt Schürnbrand in seiner Analyse zum verbandsrechtlichen Organbegriff. Er versucht den institutionell-funktionalen Organbegriff zu präzisieren, indem er den Anwendungsbereich nicht nur auf die bekannten Organtrias beschränkt, sondern „Grenzfälle“ auf ihre Organeigenschaft untersucht82. Aus institutioneller Sicht besteht im Grundsatz kein Unterschied zu den gängigen Definitionen: Das Organ sei eine Instanz innerhalb des Verbandes, die durch Gesetz oder Satzung geschaffen werde und Träger organisatorischer Kompetenzen sei83. Eine Erweiterung des Organbegriffs 75

Siehe Herfs, Willensbildungsprozess der GmbH, S. 64; Ulmer, in: FS Wiedermann, 2002, S. 1297, 1305; Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit, S. 150. 76 Flume, Juristische Person, § 11 I, S. 377. 77 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 1, 1980, § 4 II 3a, S. 212; ähnlich Hammen, WM 1994, 765, 767; Herfs, Willensbildungsprozess der GmbH, S. 71; Veil, Unternehmensverträge, S. 181 ff.; Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 468 f. 78 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 II 1, S. 408. 79 Ulmer, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1297, 1305; ders., in: Staub, HGB, § 109 Rn. 46. 80 Vgl. Semrau, Dritteinflussnahme, S. 52; Müller/Wolff, NZG 2003, 751, 752. 81 Semrau, Dritteinflussnahme, 114 f. 82 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 40 f. 83 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 44 sowie 48 ff.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

will Schürnbrand allerdings dann auf institutioneller Ebene bei satzungsüberlagernden Organisationsverträgen (Beherrschungsvertrag) zulassen, sodass die herrschende Gesellschaft zum Organ der abhängigen Gesellschaft wird84. Im Hinblick auf das Organhandeln als funktionelles Merkmal hat sich dieses nach Schürnbrand am Verbandsinteresse zu orientieren. Dies entspricht zwar auch dem herrschenden Verständnis von einem materiellen Organbegriff. Jedoch sind nach Schürnbrand damit noch weitere Insitutionen (Insolvenzverwalter, besonderer Vertreter) als Organe des Verbandes anzusehen, da sie ihre Funktion in dessen Interesse ausüben85. Ob ein solch weites Verständnis dem verbandsrechtlichen Organbegriff zugrundeliegt, soll nachfolgend untersucht werden. Ist dies tatsächlich der Fall, sind weitere Konstellationen von Organstreitigkeiten denkbar, die entweder noch gar nicht oder nur in Grundzügen86 in der bisher geführten Diskussion erörtert wurden.

B. Der verbandsrechtliche Organbegriff Die sich anschließende Untersuchung zum verbandsrechtlichen Organbegriff bezieht sich auf den korporationsrechtlich-strukturierten Verband und damit der juristischen Person. Dass der (zweigliedrige) verbandsrechtliche Organbegriff allerdings ebenfalls für die Personengesellschalt nutzbar gemacht werden kann, ist bereits von Schürnbrand aufgezeigt worden87 und soll hier nicht weiter erörtert werden.

I. Die institutionellen Merkmale des verbandsrechtlichen Organbegriffs 1. Eingliederung in den Verband Ein wesentliches institutionelles Merkmal eines Organs stellt das „Eingegliedertsein“ in die Organisation dar88. Ein Anknüpfungspunkt, was darunter zu verstehen ist, liefert die interne Struktur der betreffenden Organisation: So ist es der Organisation nur möglich, ihre Aufgaben wahrzunehmen, wenn Organe vorgesehen sind, die für sie Entscheidungen treffen und handeln. Die Organe übernehmen Funktionen der Organisation und sind dadurch eingegliedert. Dieses „Eingeglie84

Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 223. Vgl. zusammenfassend bei Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 223. 86 Siehe insbesondere Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 396 f., der den Organstreit infolge seines weit vertretenen Organbegriffs entsprechend ausweitet. 87 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 46 f. 88 BGHZ 16, 17, 25; BGHZ 135, 48, 52; von „eingebaut“ sprechend BGHZ 43, 261, 263. 85

§ 8 Der Organbegriff

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dertsein“ führt zu einem besonderen Näheverhältnis zur Organisation, das zur Folge hat, dass das Organ ihr gegenüber verpflichtet ist und im Interesse der Organisation handelt. Schürnbrand spricht daher auch von dem Organ als integralem Bestandteil der Gesellschaft89. Jedoch ist nicht zu verkennen, dass die Anknüpfung der Eingliederung an die Aufgabenwahrnehmung des Organs eine Vermischung von institutionellen und funktionalen Kriterien darstellt. So spielen institutionelle Merkmale in den Definitionen einiger Autoren gar keine Rolle90. So finde beispielsweise nach Reuter das Merkmal, dass das Verbandsorgan eine Mindestintensität an Einbindung in das Verbandsleben aufweisen müsse91, keine Stütze92. Er begründet dies mit der Bundesversammlung im Staatsrecht. Es zweifle niemand an ihrer Organqualität, nur weil der Bundespräsident alle fünf Jahre von ihr gewählt werde93. Er verneint damit das Merkmal der Eingliederung, weil der angesprochene Mindestinhalt an Einbindung durch das geringe Zusammenkommen der Bundesversammlung nicht erfüllt werde. Ein solches Organverständnis greift allerdings zu kurz. Die Eingliederung trifft keine Aussage darüber, inwiefern das Organ tatsächlich und zeitlich beansprucht wird, sondern dass die „Eingliederung“ die Aufgabenwahrnehmung des Verbandes als Teil seiner Organisationsverfassung bezeichnet94.

2. Errichtung des Organs a) Allgemeines Verbände wie die juristische Person des Privatrechts verfügen bereits mit Gründung über Organe, die für sie handeln. Diese Organe sind vom Gesetz vorgesehen. Als gegründet gilt ein Verband, wenn er im Handelsregister (oder einem anderen Publizitätsverzeichnis) eingetragen wurde. Vor Eintragung besteht der Verband als solcher nicht, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 41 Abs. 1 Satz 1 AktG. Jedoch müssen im Vorfeld dieses Stadiums Maßnahmen erfolgen, damit die Eintragung geschehen und die Grundlage für das spätere Geschäft gelegt werden kann. Folglich muss ebenfalls der Vor-Verband in der Lage sein zu agieren. Dies kann nur gewährleistet werden, wenn bereits im Vor-Verband Organe existieren, die ein solches Handeln ermöglichen. Zudem stellt sich die Frage, inwiefern das Verbandsrecht es gestattet, fakultativ Organe einzuführen. Hierbei ist insbesondere die Satzungsstrenge der Aktiengesellschaft (§ 23 Abs. 5 AktG) als einschränkendes Kriterium zu berücksichtigen und näher zu untersuchen. Ebenso ist danach zu differenzieren, ob 89 90 91

923. 92

Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 49. So etwa Reuter, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 631, 634. So fordern es Teubner, ZGR 1986, 565, 568 und Ulmer, in: FS Werner, 1984, S. 911, 917,

Reuter, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 631, 634. Reuter, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 631, 634. 94 So Mai, Abschlussprüfer, S. 205; ihm sich anschließend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 49. 93

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

die Einführung eines fakultativen Organs nur aufgrund eines Organisationsakts wirksam sein kann oder auch eine schuldrechtliche Abrede eine hinreichende Grundlage darstellt. b) Organe des Vor-Verbandes Um festzustellen, auf welcher Grundlage die Organe des Vor-Verbandes handeln, ist zunächst die Rechtsnatur des Vor-Verbandes näher zu betrachten. Diese ist umstritten. Während die traditionelle Auffassung von einer Gesamthand ausgeht und den Vor-Verband in die Nähe von Personengesellschaften und dem nicht rechtsfähigen Verein einordnet95, erkennen andere die bereits existente körperschaftliche Struktur des Vor-Verbandes und sehen ihn daher bereits als juristische Person an96. Ein Großteil vermeidet jedoch eine Festlegung und sieht den Vor-Verband als Rechtsform „sui generis“97. Richtigerweise ist der Vor-Verband einer juristischen Person als juristische Person anzusehen. Die Vertreter, die den Vor-Verband als Gesamthandsgesellschaft einordnen, können nicht überzeugend darlegen, wie die Gründung eines Einpersonenverbandes erfolgen soll, da dieser mit Abschluss des Gesellschaftsvertrags bis zum Zeitpunkt der Eintragung ebenfalls einen Vor-Verband entstehen lässt98. Ein Einpersonenverband könnte danach nicht errichtet werden. Vielmehr stellt der VorVerband ein notwendiges Zwischenstadium dar, das durchlaufen wird und mit dem Verband, der nach Eintragung entsteht, identisch ist99. Die bereits vorhandene körperschaftliche Gliederung beruht auf dem Gesellschaftsvertrag (bzw. der Satzung), der diese sowohl für den Vor-Verband als auch für den Verband als solchen regelt. Die auf der Historie zur Aktiengesellschaft beruhenden Bedenken, dass eine juristische Person erst mit Eintragung im Handelsregister existieren könne100, überzeugen aus

95

RGZ 58, 55 f.; 83, 370, 373; Scholz, JW 1938, 3149; OLG Frankfurt NJW 1948, 429; OLG Hamburg JZ 1952, 436; OLG Oldenburg BB 1955, 713; Gottschling, GmbHR 1953, 152; W. Paul, NJW 1947/48, 417 ff.; Bayer, JZ 1952, 551 f.; Haberkorn, BB 1962, 1408, 1411; Merkert, BB 1951, 322 f.; Möhring, GmbHR 1951, 70; aus neuerer Zeit noch Beuthien, ZIP 1996, 305, 307; Beuthien, WM 2013, 1485, 1487. 96 Raiser/Veil, KapGesR, § 26 Rn. 94 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 IV 2b, S. 299; Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 19 Rn. 1; ebenso Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, § 41 AktG Rn. 5. 97 BGHZ 21, 242, 246; 45, 338, 347; Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 11 Rn. 7; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 11 Rn. 5. 98 Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 6 Rn. 5 bezogen auf die Vor-GmbH. 99 Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 6 Rn. 5; Drygala, in: K. Schmidt/ Lutter, § 41 AktG Rn. 5. 100 Koch, in: Hüffer/Koch, § 41 AktG Rn. 4; Pentz, in: MünchKomm. AktG, § 41 AktG Rn. 9; nur für die Mehrpersonengründung M. Arnold, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 41 AktG Rn. 18.

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gegenwärtiger Perspektive nicht, da die damaligen Gründe nicht mehr einschlägig sind bzw. eine Eintragung nicht mehr zwingend erforderlich machen101. Gesteht man dem Vor-Verband daher aufgrund seiner bereits vorhandenen korporationsrechtlichen Organisationsstruktur die Rechtsnatur der juristischen Person zu, können für diesen auch nur Organe tätig werden. Das Gesetz sieht für den besonderen Fall der Aktiengesellschaft bei der Bestellung der Organe in der Phase vor Eintragung ein spezielles Verfahren vor. Dieses soll die Handlungsfähigkeit der VorAktiengesellschaft sicherstellen102, da sowohl der Aufsichtsrat als auch der Vorstand zur Entstehung der Gesellschaft unverzichtbar sind103. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AktG haben die Gründer der Gesellschaft den ersten Aufsichtsrat zu bestellen104. Kommen die Gründer zur Festlegung und zum Beschluss der Satzung zusammen, bilden sie das erste Organ der Vor-Aktiengesellschaft: die Gründerversammlung105. Unerheblich ist dabei, dass mit der Gründung die Vor-Aktiengesellschaft erst entsteht. Vielmehr wird nicht nur die Gesellschaft errichtet, sondern die Gründerversammlung als Organ der Vor-Aktiengesellschaft tätig106. In dieser wird der Aufsichtsrat bestellt. Existiert ein solcher bei der noch vorzunehmenden Eintragung nicht, so liegt ein Hindernis vor, sodass die Gesellschaft nicht ins Handelsregister eingetragen werden kann107. Dies belegt deutlich den bereits angesprochenen identitätsgleichen Charakter des Vor-Verbandes mit dem Verband nach Eintragung. Zwar kann bereits in der Satzung die Bestellung des ersten Aufsichtsrats als formeller Bestandteil vorhanden sein108. Üblicherweise erfolgt sie allerdings gesondert nach Feststellung der Satzung109. Der von den Gründern bestellte Aufsichtsrat ist nach § 30 Abs. 4 AktG verpflichtet, den Vorstand zu bestellen. Die Bestellung erfolgt durch einen mit einfacher Mehrheit gefassten Beschluss. Obwohl das Gesetz keine spezielle Form verlangt, ist es erforderlich, dass die Sitzungsniederschrift (§ 107 Abs. 2 AktG) der Anmeldung der Gesellschaft beigefügt wird, § 37 Abs. 4 Nr. 3 AktG. Liegt sie dem Registergericht bei Anmeldung nicht vor, ist die Eintragung nach § 38 Abs. 1 AktG abzulehnen. Daneben sieht § 30 Abs. 1 Satz 1 AktG die Bestellung des Ab101 K. Schmidt, in: Großkomm. AktG, § 41 Rn. 42; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 41 Rn. 5; ebenso Staake, in: Recht und Wirtschaft, Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler 2007, S. 109, 126 f.; die von Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 41 Rn. 4 angemerkten Zweifel wegen der Gleichsetzung von „Körperschaft“ und „juristischer Person“ überzeugen hingegen nicht. 102 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 30 Rn. 1; Pentz, in: MünchKomm. AktG, § 30 Rn. 6; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 30 Rn. 1; Gerber, in: Spindler/Stilz, AktG, § 30 Rn. 1. 103 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 30 Rn. 1. 104 Zu den Formerfordernissen siehe Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 30 Rn. 3. 105 Zur Gründerversammlung OLG Zweibrücken FGPrax 2002, 187. 106 Vgl. OLG Zweibrücken FGPrax 2002, 187. 107 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 30 Rn. 2; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 30 Rn. 3; Lohse, in: Bürgers/Körber, AktG, § 30 Rn. 2; Gerber, in: Spindler/Stilz, AktG, § 30 Rn. 11. 108 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 30 Rn. 2. 109 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 30 Rn. 2.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

schlussprüfers vor. Der Gesetzgeber bezweckte damit, dass es der Gesellschaft nach erfolgter Eintragung erspart werden solle, eine Hauptversammlung einzuberufen, die den Abschlussprüfer bestellt110. Eine fehlende Bestellung hat allerdings keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Errichtung der Gesellschaft, sodass das Registergericht nach § 38 Abs. 1 AktG die Gesellschaft ins Handelsregister einzutragen hat111. Dieser nicht zwingende Charakter zur Bestellung wirft Zweifel an der Auffassung des BGH auf, dass der Abschlussprüfer ein Organ der Aktiengesellschaft sei112. Sind sowohl erster Aufsichtsrat als auch erster Vorstand bestellt, haben sie die sog. gründungsnotwendigen Geschäfte vorzunehmen, wie die Prüfung nach § 33 AktG, die Einforderung der Einlagen (§§ 36 Abs. 2, 36a AktG) und die Anmeldung der Gesellschaft nach § 36 AktG113. Inwiefern die Organe darüber hinaus weitere Handlungen als Leitungs- bzw. Überwachungsorgan wahrnehmen können, richtet sich danach, ob ein bereits bestehendes Unternehmen oder ein betriebsfähiger Unternehmensteil als Sacheinlage (§ 27 AktG) eingebracht wurden oder nicht. Ist dies nicht der Fall, so kann der Vorstand die Gesellschaft iSv § 76 Abs. 1 AktG nur leiten, wenn die Zustimmung aller Gründergesellschafter vorliegt bzw. die Satzung bereits eine entsprechende Handlungsermächtigung vorsieht114. Liegt hingegen eine Sachgründung nach § 27 AktG vor, so darf der Vorstand ohne besondere Zustimmung Geschäftsführungsmaßnahmen iSv § 76 Abs. 1 AktG wahrnehmen. Eine – auf das Vorbelastungsverbot der ehemaligen Rechtsprechung beruhende – Beschränkung der Vertretungsmacht findet keine Anwendung115. Wird der Vorstand aufgrund dieser Möglichkeiten geschäftsleitend tätig, entfaltet sich auch die Überwachungspflicht des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 1 AktG auf die entsprechenden Maßnahmen116. Pflichtverletzungen von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern, die im Rahmen der Gründung anfallen, richten sich nach § 48 AktG. Obwohl eine Eintragung noch nicht erfolgt ist, existieren bereits im Vor-Verband der Aktiengesellschaft Funktionsträger, die zum einen den Werdungsprozess des Vor-Verbandes zum Verband vorantreiben und daher als Organe auftreten. Handeln 110

Siehe dazu RegBegr. bei Kropff, S. 51 f. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 30 Rn. 10; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 30 Rn. 26; Gerber, in: Spindler/Stilz, § 30 Rn. 19; Röhricht, in: Großkomm. AktG, § 30 Rn. 28; Pentz, in: MünchKomm. AktG, § 30 Rn. 47. 112 Dazu ausführlich unter § 8 C.II.1. 113 Zum Ablauf der Gründung siehe Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 19 Rn 2 ff.; Raiser/Veil, KapGesR, § 10 II, S. 84 ff. 114 Pentz, in: MünchKomm. AktG, § 41 Rn. 34 f.; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 11 Rn. 71 ff.; zurückhaltender hingegen Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 41 Rn. 11. 115 BGHZ 80, 129, 133 ff.; Pentz, in: MünchKomm. AktG, § 41 Rn. 35 sowie 113 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 41 Rn. 12. 116 M. Arnold, in: KölnKomm. AktG, § 41 Rn. 35; Pentz, in: MünchKomm. AktG, § 41 Rn. 37; für den Fall der geschäftsleitenden Tätigkeit des Vorstands ebenso Koch, in: Hüffer/ Koch, AktG, § 41 Rn. 6. 111

§ 8 Der Organbegriff

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als auch Wissen der Organe werden dem Verband zugerechnet. Ein besonderer Publizitätsakt ist für ihre Existenz und Funktion im Vor-Verband nicht notwendig. Die Erfordernisse für Aufsichtsrat (§ 30 Abs. 1 Satz 2 AktG) und Vorstand (§ 37 Abs. 4 Nr. 3 AktG) für die Anmeldung zum Handelsregister beziehen sich allein auf den Verband selbst. c) Zulässigkeit fakultativer Organe aa) Die grundsätzliche Zulässigkeit fakultativer Organe im privaten Verbandsrecht Bereits der Vor-Verband einer noch einzutragenden Gesellschaft besitzt Organe, die für ihn die gründungsnotwendigen Maßnahmen besorgen müssen. Bei entsprechender Ermächtigung oder bei Einbringung eines bereits bestehenden Unternehmens sind in der Aktiengesellschaft erster Vorstand und erster Aufsichtsrat auch berechtigt, die Gesellschaft zu leiten bzw. die Geschäftsführung zu überwachen. Die Identität der Organe ändert sich auch nach Eintragung nicht. Das Entstehen des Verbandes als solchen hat keine Auswirkung auf die Existenz und Zusammensetzung der Organe. Grundsätzlich steht es den Verbandsmitgliedern offen, die Organisationsverfassung des Verbandes dahingehend abzuändern, dass im Gesellschaftsvertrag (oder in der Satzung) weitere Organe vorgesehen sind117. Dies leitet sich aus der privatautonomen Gestaltungsbefugnis ab, die ihren Ausfluss für den Verein in § 32 Abs. 1 BGB und für die GmbH in § 45 GmbHG gefunden hat118. So sieht das Gesetz für die GmbH die Schaffung eines fakultativen Aufsichtsrats nach § 52 GmbHG ausdrücklich vor und erwähnt in § 82 Abs. 2 Nr. 2 GmbHG neben den Mitgliedern des Aufsichtsrats auch solche eines „ähnlichen Organs“119. Dadurch können die Zuständigkeiten und Befugnisse im Inneren des Verbandes verändert bzw. ergänzt werden. Ein sehr enges Verständnis von privatautonomer Gestaltungsbefugnis vertritt Reuter120. So seien Organe Funktionsträger mit ausschließlicher und damit zugleich verdrängender Zuständigkeit, die stets eine gesetzliche Ermächtigung

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Für Personengesellschaften Schäfer, in: Münchkomm. BGB, § 705 BGB Rn. 259; Wiedemann, in: FS Schilling, 1973, S. 105, 108; für den Verein Flume, Juristische Person, § 7 I, S. 190 ff.; für die GmbH RGZ 137, 305, 308; BGHZ 43, 261; Müller/Wolff, NZG 2003, 751; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 45 Rn. 17. 118 Für Personengesellschaften wird auf § 109 HGB verwiesen, jedoch sind diese nicht als Verbände im vorliegenden Sinne anzusehen, a.A. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 50. 119 Darauf abstellend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 50. 120 Reuter, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 632 ff.; zuvor bereits Reuter, in: FS Steindorff, 1990, S. 229, 230.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

voraussetzen121. Eine solche Ermächtigung kenne ausdrücklich das GmbHG in § 52, sodass neben den gesetzlich vorgesehenen Organen nur ein weiteres fakultatives Organ möglich sei. Alle darüber hinaus gebildeten Gremien seien auf die vertretungsweise Ausübung von Gesellschafterrechten beschränkt122. Reuters Ausführungen können jedoch nicht ganz überzeugen, da die von ihm angeführte Vollmacht mit verdrängender Wirkung, die dem Vollmachtgeber keine Ausübungsbefugnisse zuerkennt123, nicht mit der reinen internen Maßnahme der Kompetenzverlagerung im Verband gleichzusetzen ist. Die Unzulässigkeit der verdrängenden Vollmacht ergibt sich aus § 137 BGB und dem dort verankerten numerus clausus der Formen der Zuordnung von Rechtsgütern. Im Mittelpunkt des Schutzinteresses liegt der Rechtsverkehr. Wie Schürnbrand allerdings richtig feststellt, sind Aspekte des Verkehrsschutzes, die Reuters Rechtsgedanken zugrunde liegen, nicht auf die Kompetenzverlagerungen im Innenverhältnis des Verbandes bzw. der juristischen Person zu übertragen124. Die Interessen außenstehender Dritter sind nicht von Änderungen der internen Organisationsverfassung betroffen, sondern werden durch die vertretungsrechtlichen Grundsätze der §§ 35, 37 GmbHG hinreichend gewürdigt125. Daraus folgt, dass die Gestaltungsbefugnis allein auf den numerus clausus der Rechtsformen beschränkt ist. Jedoch kann die innere Organisation weitere fakultative Organe vorsehen. Die Errichtung weiterer Organe beruht auf einer Abänderung der Organisationsverfassung. Eine bloße schuldrechtliche Abrede, die dem Gremium Organqualität einhauchen soll, genügt dafür hingegen nicht126. Jedoch können Gremien auf schuldrechtlicher Grundlage gebildet werden, die nicht in die Verbandsorganisation eingebunden sind127. bb) Die Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG als Grenze der Zulässigkeit fakultativer Organe für die Aktiengesellschaft Im Gegensatz zum bisher Gesagten wird in der Aktiengesellschaft die Gestaltungsfreiheit durch die Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG in erheblichem Maße beschränkt. Da das Gesetz keine Öffnungsklausel von der vorgegebenen dreiglie121

Reuter, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 631, 632 ff. verweist dabei auf das Beispiel der unzulässigen Vollmacht mit verdrängender Wirkung. Es könne kein Anderer mit verdrängender Wirkung zum Handeln im eigenen Rechtskreis ausgestattet werden. 122 Kritisch dazu Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 51 sowie Fn. 107. 123 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 52. 124 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 52. 125 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 52. 126 So bereits Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 55 f. 127 Wiedemann, in: FS Schilling, 1973, S. 105, 107; Bacher, GmbHR 2005, 465; Raiser/ Heermann, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, § 52 Rn. 318; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 55 f.

§ 8 Der Organbegriff

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drigen Organisationsverfassung vorsieht, sind Abweichungen nach § 23 Abs. 5 Satz 1 AktG verboten. Beiräte (siehe dazu § 160 Abs. 3 Nr. 8 AktG a.F. = § 285 Satz 1 Nr. 9 HGB) und andere fakultative Organe können daher nicht Funktionen wahrnehmen oder übertragen bekommen, die bereits von Vorstand, Aufsichtsrat oder Hauptversammlung ausgeübt werden128. So ist es einem zusätzlichen Beirat nicht gestattet, die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand wahrzunehmen oder sich selbst Geschäftsführungsbefugnisse anzumaßen. Einem solchen Beirat können auch keine Befugnisse übertragen werden, wie etwa die Bestellung von Vorstandsmitgliedern und der Abschluss der jeweiligen Anstellungsverträge129. Hingegen eröffnet § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG die Möglichkeit, eine ergänzende Bestimmung zur Satzung zuzulassen, wenn das Aktiengesetz keine abschließende Regelung vorsieht. Wohl in der Annahme, dass die Organisationsverfassung des Aktiengesetzes nicht abschließend geregelt sei, will eine nicht geringe Anzahl von Stimmen in der Literatur fakultative Organe zulassen, die „ergänzende organschaftliche Kompetenzen“ wahrnehmen und zusätzliche Beratungsund Überwachungsfunktionen ausüben130. Selbst einzelne Gerichte wie das LG Köln haben in der noch zu besprechenden Felten & Guileaume-Entscheidung aus dem Jahre 1976 die Zulässigkeit eines Beirats bejaht, ohne dabei auf etwaige Kompetenzverletzungen einzugehen131. Zur Begründung wurde vor allem auf § 160 Abs. 3 Nr. 8 AktG a.F. (heute: § 285 Satz 1 Nr. 9 HGB) verwiesen, der die Angabe im Geschäftsbericht für die Vergütung von Mitgliedern eines Beirats oder ähnlicher Institutionen regelt. Die Grenze der Zulässigkeit sei jedoch überschritten, wenn das fakultative Organ mit den etablierten Organen gleichgestellt bzw. zu einer Art „Oberüberwachungsorgan“ aufgewertet werden würde132. Nach dem LG Köln reiche es sogar aus, wenn das zusätzliche Organ als weiteres Überwachungsorgan die Tätigkeit des Aufsichtsrats nicht behindere133. Richtigerweise ist die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft durch das Aktiengesetz abschließend geregelt, sodass die Öffnungsklausel nach § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG nicht gilt134. Während der Vorstand die Leitung der Gesellschaft (§ 76 128

A. Arnold, in: KölnKomm. AktG, § 23 Rn. 148; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 23 Rn. 38; Sailer-Coceani, in: Münch HdB GesR IV, § 6 Rn. 11; Limmer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 23 Rn 41. 129 Limmer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 23 Rn 41; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 23 Rn. 36; Sailer-Coceani, in: Münch HdB GesR IV, § 6 Rn. 11. 130 Stöcker, Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, S. 483; Voormann, Der Beirat im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 1990, S. 62 f. 131 LG Köln AG 1976, 329; kritisch dazu Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330 ff. 132 Stöcker, Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, S. 483; Voormann, Der Beirat im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 1990, S. 62 f. 133 LG Köln AG 1976, 329. 134 So die überwiegende Auffassung in der Literatur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 3a, S. 418; Martens, AG 1982, 113, 114; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, Vor § 76 AktG Rn. 18; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 95 Rn. 42, 46; Koch, in: Hüffer/Koch, § 95 AktG Rn. 4; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 53.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

Abs. 1 AktG) innehat und damit nicht nur das Tagesgeschäft, sondern auch die grundlegende Ausrichtung der Gesellschaft bestimmt135, agiert der Aufsichtsrat als Überwachungs- und Beratungsorgan136, das die Geschäftsführung durch den Vorstand kontrolliert und beratend zur Seite steht (§ 111 Abs. 1 AktG), aber selbst nicht bei Leitungsmaßnahmen tätig wird (§ 111 Abs. 4 Satz 1 AktG). Vervollständigt werden die Organtrias durch die Hauptversammlung, die als Willensbildungsorgan der Gesellschafter die Mitglieder des Aufsichtsrats wählt und damit unmittelbar den hinreichenden Einfluss auf die Zusammensetzung von Aufsichtsorgan und mittelbar auf das Leitungsorgan ausübt. Wesentliche Gesellschaftsentscheidungen sind gem. § 119 AktG und nach den Grundsätzen der Holzmüller/Gelatine-Rechtsprechung137 der Hauptversammlung vorbehalten. Damit wird deutlich, dass das Aktiengesetz eine „wohlabgewogene Gewaltenteilung“ vorsieht138 und weitere fakultative Organe nur Funktionen ausüben könnten, die bereits durch eines der etablierten Organe wahrgenommen werden. Würde man weitere Organe zulassen, so würde die Alleinzuständigkeit der vom Gesetz vorgesehenen Organe in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt139. Für die Etablierung weiterer fakultativer Organe kann zudem nicht auf § 285 Satz 1 Nr. 9 HGB verwiesen werden, da man dadurch den historischen Kontext, der zur Entstehung der Norm geführt hat, außer Acht lassen würde140. Vielmehr ist die Regelung so zu lesen, dass weitere Gremien nicht als solche verboten sind. Jedoch ist es nicht erforderlich, dass sie in der aktienrechtlichen Organisationsverfassung integriert, sondern es genügt, wenn sie auf einer schuldrechtlichen Grundlage fußen141. 3. Selbständigkeit des Organs a) Organisatorische und rechtliche Selbständigkeit Die Selbständigkeit des Organs ist allein in einem organisatorischen Sinne zu verstehen. Eine rechtliche Selbständigkeit ist hingegen in jederlei Hinsicht zu verneinen. Dies ist auf die bereits dargestellte Aufgabenwahrnehmung durch das Organ für den Verband zurückzuführen. So agiert das Organ von außen her als „Durch135

Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 14; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 8; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, Rn. 6; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 Rn. 29; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 76 Rn. 1 sowie § 2 A.I.1. 136 Siehe zu den Aufgaben des Aufsichtsrats bereits § 2 A.II.1. 137 BGHZ 83, 122 – Holzmüller; BGHZ 159, 30 – Gelatine; allgemein zur Entwicklung dieser BGH-Rechtsprechung siehe Koch, in: Hüffer/Koch, § 119 AktG Rn. 16 ff. 138 So ausdrücklich Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 53. 139 Vgl. dazu Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 23 Rn. 38; Limmer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 23 Rn. 30. 140 Dazu ebenfalls Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 54 m.w.N. 141 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 55 ff.

§ 8 Der Organbegriff

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gangssubjekt der Zurechnung“142. Es ist eine bloße Funktionseinheit, die ausschließlich Aufgaben für den Verband wahrnimmt143. Organe sind nicht befähigt, am Rechtsverkehr teilzunehmen und etwaige Rechte oder Pflichten zu begründen144. Gleiches gilt im Hinblick auf die Auferlegung gesetzlicher Pflichten. Werden Organe durch das Gesetz berechtigt oder verpflichtet, so handelt es sich grundsätzlich um Rechte oder Pflichten des Verbandes, die durch das jeweilige Organ wahrgenommen werden. Daran ändert sich auch nichts, wenn das Gesetz bei der Verletzung von Organpflichten und der damit im Zusammenhang stehenden zivil- oder strafrechtlichen Sanktionierung an die Person der für das Organ handelnden Organwalter anknüpft145. Folglich beschränkt sich die Selbständigkeit allein auf das Innenverhältnis des Verbandes. b) Selbständigkeit im Innenrecht des Verbandes Aus der Außensicht – so wurde bereits deutlich – ist jedwedes organschaftliche Handeln dem Verband zuzuordnen. Selbiges gilt hingegen nicht für die innenrechtliche Beurteilung. Innerhalb des Verbandes sind den einzelnen Organen Befugnisse zugeordnet, die das Innenverhältnis der Organisation und damit vornehmlich die Beziehungen der Organe zueinander betreffen146. Da es sich bei den innerorganisatorischen Regelungen – wie an anderer Stelle noch ausführlich dargelegt wird147 – um Rechtssätze handelt, können Organe innerhalb der Organisation auch Zurechnungsendsubjekte – und damit der Adressat von Rechten und Pflichten – sein148. Nach Schnapp sind daher „auf der Organebene die Organe keine Organe mehr“149. Inwiefern Organe, Organwalter und andere Organteile als Rechtssubjekte und damit als Inhaber subjektiver Rechte – bezogen auf die ihnen innerhalb der Organisation zugeordneten Befugnisse – angesehen werden können und ob sie diese Befugnisse gerichtlich geltend machen können, stellt die grundsätzliche Fragestellung dieser Untersuchung dar. Auf diese Fragen soll an späterer Stelle ausführlich eingegangen werden150. 142 Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. II, 1934, S. 250; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 506. 143 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 58. 144 W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 27; Maurer, VerwR AT, 18. Aufl., § 21 Rn. 23; Beuthien, in: FS Zöllner, Bd.1, 1998, S. 87, 96. 145 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 58. 146 Siehe dazu ausführlich § 21 C.II.2. 147 Siehe dazu § 21 C. 148 Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. II, 1934, S. 248; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 81 ff.; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 93. 149 So Schnapp, Rechtstheorie 1978, 275, 277. 150 Siehe dazu § 21 C. und § 21 D.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

Innerhalb von Organen können weitere Zuordnungen von Befugnissen erfolgen. In Kollegialorganen wird zumeist ein Vorsitzender des Organs existieren, der die Sitzungen vorbereitet und leitet. In der Aktiengesellschaft nimmt der Aufsichtsratsvorsitzende diese herausgehobene Stellung ein, § 107 Abs. 1 AktG. Aufgrund dieser qua Gesetz hervorgehobenen und repräsentativen Position sehen einige Stimmen aus der Literatur ihn als Organ der Gesellschaft an151. Dies ist richtigerweise abzulehnen und wird an späterer Stelle ausführlich erörtert152. Zudem ist es möglich, dass ein Kollegialorgan zur Verbesserung der Aufgabenwahrnehmung Ausschüsse bildet. Diese sind entweder vorbereitend oder beschließend tätig. Im öffentlichen Recht wird dem beschließenden Ausschuss nach überwiegender Auffassung Organqualität zugesprochen153. Diese überzeugt allerdings nicht. Besteht ein solcher doch aus Mitgliedern des Organs und wird im Aufgabenbereich des Organs tätig. Zudem stehen die meisten Ausschüsse in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Organ, sodass eine besondere Stellung, die eine Organqualität rechtfertigen würde, nicht vorhanden ist154. Vielmehr ist ein Ausschuss als Organteil bzw. konkreter als Unterorgan einzuordnen155. c) Weisungsunabhängigkeit als nicht notwendiges Merkmal der Selbständigkeit Ohne Einfluss auf die Beurteilung der Selbständigkeit von Organen ist der Umstand, ob das jeweilige Organ weisungsfrei seine zugewiesenen Kompetenzen ausüben kann156. Dieses Verständnis einer bestehenden Weisungsfreiheit ist zwar für die Aktiengesellschaft als maßgeblich und richtig anzusehen. Jedoch ergibt sich diese Konstellation aufgrund der besonderen aktienrechtlichen Kompetenzverfassung, die kein weisungserteilendes „Machtorgan“ vorsieht157. Folglich kann dieses Merkmal nicht auf andere Verbandsformen übertragen werden. Bei der Aktiengesellschaft findet das Merkmal der Weisungsfreiheit zudem seine Schranke im Konzernrecht: So führt der Abschluss eines Beherrschungsvertrags, wie Schürnbrand feststellt, nicht dazu, dass die Organeigenschaft des Vorstands der abhängigen Aktiengesellschaft entfällt158. In anderen Verbandsformen wie GmbH und Verein stehen der Gesellschafter- bzw. Mitgliederversammlung Weisungsrechte gegenüber 151

So Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1983, S. 214; ders., ZGR 1987, 545, 552; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 60 f. 152 Siehe dazu § 8 C.I.5. 153 Siehe Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 1976, § 87 I d, S: 229; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 93; Bleutge, Der Kommunalverfassungsstreit, 1970, S. 47. 154 Siehe bereits § 3 E.I.3.b). 155 Ausführlich unter § 8 C.I.5. 156 So allerdings Oetker, in: Großkomm. AktG, § 25 MitbestG Rn. 27. 157 Zu den Entwicklungen der aktienrechtlichen Organisationsverfassung siehe § 11. 158 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 61.

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dem Geschäftsführer/Vorstand zu159. Auswirkungen auf die Organeigenschaft haben die Weisungsbefugnisse allerdings nicht. 4. Konsequenzen der Verknüpfung von Verband und Organ a) Umwandlungsrechtliche Besonderheiten Das Handeln des Organs wird dem Verband zugerechnet und damit als dessen Handeln gewertet. Daraus folgt zugleich, dass die Existenz des Organs an die Existenz des Verbandes geknüpft ist160. Die Organisationsverfassung eines Verbandes ist daher vor allem bei Umwandlungsmaßnahmen betroffen, die das Erscheinungsbild des Rechtsträgers verändern. Die bisher geltende Organisationsverfassung besteht dann nicht mehr fort. Etwas anderes gilt hingegen beim Formwechsel161. Zwar bleibt der Rechtsträger in seiner Identität erhalten, jedoch richtet sich die Organisationsverfassung des Rechtsträgers nach den gesetzlichen Bestimmungen der neuen Rechtsform. Grundsätzlich gilt dabei, dass die bisher bestehenden Organe erlöschen162. Für den Formwechsel erkennt das Gesetz in § 203 UmwG eine Organkontinuität an: Danach bleiben die Mitglieder des Aufsichtsrats des Rechtsträgers in der alten Rechtsform auch in ihrer Position, wenn in der neuen Rechtsform in gleicher Weise ein Aufsichtsrat gebildet und zusammengesetzt wird. Die Mitglieder sind dann bis zum Ende ihrer Wahlzeit weiterhin Angehörige des Organs. Etwas anderes gilt nur, wenn sich durch den Formwechsel das Mitbestimmungsmodell ändert. Hier greift die Kontinuitätswirkung aus § 96 Abs. 4 AktG bis das Statusverfahren nach §§ 97 ff. AktG durchlaufen ist. Der Formwechsel stellt mit dieser Möglichkeit der Organkontinuität einen Sonderfall dar. So erlischt bei der Verschmelzung der übertragende Rechtsträger und das gesamte Vermögen geht nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger über. Zeitgleich erlischt auch jegliche Organstellung des übertragenden Rechtsträgers. Die Bestellung von Organmitgliedern als auch die organschaftlichen Mitwirkungsbefugnisse fallen weg163. Von der Verschmelzung nicht betroffen sind hingegen die auf der Organstellung beruhenden Anstellungsverträge, sofern keine Vereinbarung existiert, dass die Dauer des Anstellungsvertrags an die Fortdauer der Organstellung geknüpft ist164. 159

§ 37 Abs. 2 GmbHG sieht dieses Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung ausdrücklich vor. Jedoch gilt ein solches nicht für den Mehrheitsaktionär. Da § 27 Abs. 3 BGB auf die Regelungen des Auftragsrechts verweist, steht nach § 665 BGB der Mitgliederversammlung ein Weisungsrecht zu. 160 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 64. 161 Dazu Krause-Ablaß/Link, GmbHR 2005, 731 ff. 162 BGH ZIP 2007, 910, 911; Meister/Klöcker, in: Kallmeyer, UmwG, § 202 Rn. 24; Leonard, in: Semler/Stengel, UmwG, § 202 Rn. 10. 163 Vgl. Hoffmann-Becking, in: FS Ulmer, 2003, S. 243 ff.; Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 UmwG Rn. 27. 164 BGH ZIP 2007, 910, 911; BGH NJW 2003, 2473.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

b) Die Behandlung offener organinterner Sachverhalte Besonders umstritten ist die Behandlung von offenen organinternen Sachverhalten, die vor Wegfall des Rechtsträgers (und damit auch der Organe) auftreten, aber aufgrund des Wegfalls nicht mehr abschließend geklärt werden können165. In Rechtsprechung und Literatur wird in diesem Zusammenhang die Entlastung der Organmitglieder des übertragenden Rechtsträgers als Beispiel diskutiert166. Ist die Verschmelzung in einem solchen Fall bereits im Handelsregister eingetragen, so ist es nicht mehr möglich, dass die Hauptversammlung des übertragenden Rechtsträgers nach § 120 AktG die Entlastung ausspricht. Es stellt sich nun die Frage, ob die aufnehmende Gesellschaft die Entlastung erteilen darf und wenn ja, welches Organ der aufnehmenden Gesellschaft eine solche erteilt167. Einige Stimmen aus Schrifttum und Rechtsprechung stellen auf die eben dargestellte Koppelung der internen Organisation mit dem Verband ab. Gehe der übertragende Rechtsträger in dem übernehmenden Rechtsträger auf, gehen die im Außenverhältnis bestehenden Rechte und Pflichten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger über. Gleiches gelte jedoch nicht für die interne Organisationsverfassung des übertragenden Rechtsträgers. Folglich könne die Entlastung nicht durch ein etwaiges Organ des übernehmenden Rechtsträgers wahrgenommen werden168. Dafür spreche zudem, dass für das Handeln der Organmitglieder nur das Unternehmensinteresse des übertragenden Rechtsträgers maßgeblich sei und darüber ein Organ des aufnehmenden Rechtsträgers nicht befinden könne169. Ebenfalls könne bei einer Entlastung durch ein Organ des übernehmenden Rechtsträgers nicht sicher gewährleistet werden, dass die Organe des übertragenden Rechtsträgers im Vorfeld der Verschmelzung auch in dessen Interesse handeln170. Andere Stimmen sprechen sich gegen die mit dieser Ansicht entstehenden „Entlastungslücke171“ aus. Sie wollen eine Entlastung (und damit zugleich die Fortwirkung interner Rechtsbeziehungen der übertragenden Gesellschaft) durch ein 165

Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 65. BGHZ 160, 385, 390; OLG München AG 2001, 197, 198; OLG Hamburg ZIP 2005, 1074, 1077; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 65 ff.; Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 30 f.; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 120 AktG Rn. 21; Mülbert, in: Großkomm. AktG, § 120 AktG Rn. 96; Martens, AG 1986, 57, 58 f.; HoffmannBecking, in: FS Ulmer, 2003, S. 243, 248. 167 Ebenfalls danach differenzierend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 65. 168 So OLG München AG 2001, 197, 198; Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 30; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 120 AktG Rn. 21. 169 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 31; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 120 AktG Rn. 21. 170 Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 20 Rn. 31; Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 120 AktG Rn. 21. 171 Mülbert, in: Großkomm. AktG, § 120 AktG Rn. 96. 166

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Organ des übernehmenden Rechtsträgers ermöglichen, sofern ein berechtigtes Interesse hieran erkennbar sei und keine gewichtigen Interessen des übernehmenden Rechtsträgers dagegen sprechen172. Da der übertragende Rechtsträger im übernehmenden Rechtsträger fortwirke, können auch dessen Organe über das unternehmerische Verhalten der Organe des übertragenden Rechtsträgers befinden. Die mit der Entlastung eng verbundene Frage über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Organwalter des übertragenden Rechtsträgers sei auch nie in Zweifel gezogen worden173. Zudem sei es unwahrscheinlich, dass sich die Organwalter der übertragenden Gesellschaft nicht mehr an deren Unternehmenswohl orientieren, da §§ 25 f. UmwG Schadensersatzansprüche bei etwaigen Pflichtverletzungen der Organmitglieder vorsehe174. Die Ausführungen der zuletzt genannten Auffassung können trotz alledem nicht überzeugen. Das Gesetz sieht gerade die völlige Auflösung des übertragenden Rechtsträgers – und damit zugleich den Wegfall der Organe – vor. Nur im Außenverhältnis gilt die Gesamtrechtsnachfolge. Eine explizite Übertragung von offenen organisationsinternen Sachverhalten auf den übernehmenden Rechtsträger sieht das Gesetz hingegen nicht vor. Die Kriterien „berechtigtes Interesse“ und „keine entgegenstehenden gewichtigen Interessen“ lassen eine gewisse Beliebigkeit erkennen. Gegen die Möglichkeit, dass ein Organ des übernehmenden Rechtsträgers die Entlastung erteilen kann, sprechen gerade auch die §§ 25 f. UmwG. Denn § 25 Abs. 2 UmwG fingiert den Fortbestand des Rechtsträgers nur für die mögliche Geltendmachung der Schadensersatzansprüche, die auf Pflichtverletzungen von Organen beruhen, die im Rahmen der Verschmelzung auftraten. Da für andere Fälle eine solche Fiktion nicht existiert, kann kein Organ des aufnehmenden Rechtsträgers über die Entlastung der Organe des übertragenden Rechtsträgers befinden. Folglich ist es auch nicht erforderlich, die Frage zu diskutieren, nach welchen Kriterien ein etwaiges Organ der aufnehmenden Gesellschaft für die Entlastung der Organmitglieder der übertragenden Gesellschaft zuständig ist175. 5. Zusammenfassung Der verbandsrechtliche Organbegriff stellt in institutioneller Hinsicht eine organisatorische, aber nicht rechtlich selbständige Einheit dar. Sie kann nicht auf einer schuldrechtlichen Abrede begründet werden, sondern kann nur durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung ins Leben gerufen werden. Die Ausübung zuge172 Martens, AG 1986, 57, 58; sich ihm anschließend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 66. 173 Darauf hinweisend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 66. 174 Schnorbus, ZHR 167 (2003), 666 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 66. 175 Zu dieser Diskussion dennoch Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 67 f.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

wiesener Kompetenzen muss nicht weisungsfrei erfolgen. Obwohl die Existenz der Organe mit derjenigen des Rechtsträgers verbunden ist und daher (mit Ausnahme ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen) keine Organkontinuität existiert, gilt dies nicht für das Verhältnis des Vor-Verbandes zum Verband selbst. Hier gehen die Organe des Vor-Verbandes identitätswahrend auf den errichteten Verband über.

II. Die funktionellen Merkmale des verbandsrechtlichen Organbegriffs 1. Grundsätzliches Bereits mehrfach wurde ausgeführt, dass Organe Aufgaben wahrnehmen, die für und gegen den Verband als solchen wirken. Dies betrifft zum einen das Handeln nach außen und zum anderen das Handeln innerhalb des Verbandes. Nach außen wird das Handeln der Organe dem Verband zugerechnet. Aber auch innerhalb des Verbandes nehmen Organe Funktionen wahr, die die gegenwärtige Existenz und den weiteren Fortbestand des Verbandes gewährleisten. Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag weisen Organen inner- als auch außerorganschaftliche Befugnisse zu. Nachfolgend soll dargelegt werden, welche Verbandsfunktionen in concreto davon erfasst sein können. 2. Das Handeln nach außen Gegenüber Dritten handelt für den Verband grundsätzlich das Leitungsorgan. Folglich wird die Aktiengesellschaft nach § 78 Abs. 1 AktG durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Die in § 82 Abs. 1 AktG sehr weit gefasste Vertretungskompetenz des Vorstands schützt in besonderem Maße das Vertrauen des Rechtsverkehrs. So führen interne Kompetenzüberschreitungen nicht zur Unwirksamkeit der Maßnahme. Aufsichtsrat und Hauptversammlung sind in einem solchen Fall verpflichtet, Schadensersatzansprüche nach § 93 Abs. 2 AktG gegen die Vorstandsmitglieder geltend zu machen176, sofern ein bezifferbarer Schaden vorliegt. Der Aufsichtsrat wird demnach für den Verband nach außen nur in besonderen, vom Gesetz ausdrücklich geregelten Fällen tätig. Nach § 112 AktG umfasst diese Zuständigkeit gerichtliche und außergerichtliche Handlungen gegenüber den Vorstandsmitgliedern. So ist der Aufsichtsrat nicht nur für die als innerorganschaftlich zu bewertenden Akte der Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder zuständig (§ 84 Abs. 1 und Abs. 3 AktG), sondern verhandelt und schließt im Namen 176

Vgl. BGH NJW 2013, 1958 Rn. 16; Koch, in: Hüffer/Koch, § 82 AktG Rn. 14; Bürgers/ Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 82 AktG Rn. 12; Fleischer, DStR 2009, 1204; Habersack, in: Großkomm.AktG, § 82 AktG Rn. 30; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG. § 82 AktG Rn. 43; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 82 AktG Rn. 48; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, § 82 AktG Rn. 19.

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der Gesellschaft die jeweiligen Anstellungsverträge mit den Vorstandsmitgliedern ab. Inwiefern dem Aufsichtsrat noch weitere Kompetenzen als „aktiver Vertreter“ der Gesellschaft zukommen, ist umstritten177. Die Hauptversammlung ist als Willensbildungsorgan der Aktiengesellschaft nur punktuell handlungsfähig. Damit sie überhaupt handeln kann, müssen die Mitglieder (Aktionäre) zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort zusammenkommen178. Nur in dieser (Haupt)Versammlung, von der § 118 AktG spricht, ist es den Aktionären möglich, ihre mitgliedschaftlichen Rechte auszuüben. Das Organ Hauptversammlung, das von der bloßen Zusammenkunft unterschieden werden muss, besteht unabhängig von der Abhaltung der Versammlung und stellt ein dauerhaftes Organ dar179. Nach außen tritt das Organ als solches nicht für die Gesellschaft in Erscheinung. Zwar sieht § 119 Abs. 1 AktG Maßnahmen vor, die der Hauptversammlung als alleinzuständiges Organ zugewiesen sind. Zudem eröffnet § 119 Abs. 2 AktG die Möglichkeit, über Maßnahmen der Geschäftsführung zu entscheiden, wenn der Vorstand dies verlangt. Jedoch entfalten diese Maßnahmen keine unmittelbare Wirkung nach außen180. Vielmehr handelt sich um verbandsinterne Handlungen, wie auch die Ausführungspflicht des Vorstands nach § 83 Abs. 2 AktG belegt. Eine andere Frage betrifft die Stellung des besonderen Vertreters nach § 147 AktG. Dieser ist berechtigt, im Auftrag der Hauptversammlungen Schadensersatzansprüche zu verfolgen. Jedoch heißt dies nicht, dass durch den besonderen Vertreter die Hauptversammlung selbst handelt. Vielmehr nimmt der besondere Vertreter eine eigene mit Rechten ausgestattete Stellung ein, die noch auf ihre Organqualität zu untersuchen sein wird181. Insgesamt ist die fehlende Fähigkeit, nach außen für den Verband zu handeln bei der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft auf ihre besondere Konstruktion zurückzuführen. Eine koordinierte und effiziente Abstimmung (bspw. hinsichtlich der Anstellungsverträge) ist in einem Organ, das sich aus einer großen Anzahl von Personen zusammensetzt, nicht möglich. Ihr deshalb aber die Organqualität abzusprechen, kann nicht überzeugen, da bei anderen Gesellschaftsformen (GmbH) das Organ der Verbandsmitglieder nach außen hin für den Verband handeln kann. Folglich ist das „Handeln nach außen“ nicht als wesentliches Merkmal eines Organs anzusehen. 177

Ausführlich dazu Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 112 AktG Rn. 22 ff. Siehe dazu Habersack/Schürnbrand, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 17, Rn. 44. 179 Kubis, in: MünchKomm. AktG, § 118 AktG Rn. 11; Mülbert, in: Großkomm. AktG, Vor §§ 118 – 147 AktG Rn 25; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter Rn 11. 180 Vgl. Wiesner, in: MünchHdb. GesR IV, § 19 Rn. 8: unmittelbare Wirkung nur, wenn der Vorstand ein Geschäft unter der aufschiebenden Bedingung abgeschlossen hat, dass die Hauptversammlung zustimmt. 181 Siehe dazu § 8 C.II.3. 178

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

3. Das Handeln innerhalb des Verbandes a) Unmittelbare und mittelbare Einflussnahme als Organhandeln Organhandeln ist dann gegeben, wenn – wie vom engsten Verständnis von Thurs ausgehend – der Wille des Verbandes mit dem Willen desjenigen Menschen, der hinter dem Organ steht, übereinstimmt182. Man könnte auch sagen, dass der Verbandswille mit unmittelbar verbindlicher Wirkung gebildet wird. Dies ist aber nicht die einzige Art für den Verband zu handeln. Innerhalb der Organisation existieren Handlungsweisen, die mittelbar an der Willensbildung des Verbands beteiligt, aber nicht abschließend sind183. Es wäre jedoch zu kurz gegriffen und würde der Komplexität der verbandsrechtlichen Organisationsverfassung nicht entsprechen, wenn nur die Institution als Organ anzusehen ist, deren Wille unmittelbar als Wille des Verbandes gilt184. So stellt die Entscheidungsfindung für den Verband einen teils mehrstufigen Prozess dar, der ein Zusammenspiel verschiedener Organe erfordert185. Nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG können Maßnahmen des Vorstands erst nach Zustimmung des Aufsichtsrats wirksam durchgeführt werden. Der Vorstand wird erst Leistungsorgan der Aktiengesellschaft, wenn der Aufsichtsrat die jeweiligen Mitglieder nach § 84 Abs. 1 AktG bestellt; zugleich obliegt diesem auch die Abberufung nach § 84 Abs. 3 AktG186. Der Aufsichtsrat in der Aktiengesellschaft wirkt damit mit „verbindlichgestaltender Wirkung“ auf den Willensbildungsprozess des Verbandes ein. Damit steht fest, dass auch Institutionen, die an mehrstufigen Entscheidungsprozessen beteiligt sind und nicht unmittelbar den Verbandswillen repräsentieren, Organe des Verbandes darstellen187. Aufgrund dieser den Organen zugeordneten Befugnisse werfen einige Stimmen aus der Literatur die Frage auf, inwieweit auch einzelne Gesellschafter, denen vergleichbare Befugnisse eingeräumt werden, als Organ anzusehen sind188. So können in der Aktiengesellschaft nach § 101 Abs. 2 AktG einzelne Aktionäre Aufsichtsratsmitglieder entsenden189. Vergleichbare Sonderrechte sieht § 35 BGB für Vereins182

v. Thur, Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 32 II, S. 460. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 72. 184 So bereits Herfs, Willensbildungsprozess der GmbH, S. 65; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 73. 185 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 73. 186 In der GmbH steht diese Befugnis grundsätzlich der Gesellschafterversammlung zu; zudem verfügt diese über ein Weisungsrecht gegenüber den Geschäftsführern (§ 37 GmbHG). 187 So Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 73; siehe überdies Ulmer, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1297, 1304. 188 Der BGH spricht dem einzelnen GmbH-Gesellschafter die Organstellung zu, so BGHZ 135, 48, 54 ff.; ebenso Lutter, ZGR 1982, 1,12 ff.; ausführlich und kritisch dazu Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 133 ff. 189 Zu diesen Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 101 AktG Rn. 30 ff.; Koch, in: Hüffer/ Koch, § 101 AktG Rn. 9 ff.; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, § 101 AktG Rn. 14 ff. 183

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mitglieder vor190. Daraus folgern einige Stimmen, dass der Inhaber dieser Rechte als „Kreationsorgan“191 anstatt der Hauptversammlung agiere und damit den gleichen Bindungen unterliege wie die Hauptversammlung als Organ selbst192. Überdies verweisen andere Befürworter dieser Auffassung darauf, dass alle Kompetenzen, die sich auf die Selbstverwaltung der Körperschaft beziehen, den Verbandsorganen zugewiesen seien193. Folglich könne es sich nur um Organe des Verbandes handeln. Schürnbrand skizziert das von ihm bezeichnete „mitgliedschaftliche Sonderverwaltungsrecht“ wie folgt: „[Es] werde ein fakultatives Organ neu geschaffen, dieses sodann mit dem zu begünstigenden Mitglied als Organwalter besetzt und damit zugleich ein besonderes Organverhältnis des Sonderrechtsinhabers zur Gesellschaft begründet194.“

Eine solche Konstruktion überzeugt richtigerweise dort nicht, wo bereits ein Mitverwaltungsrecht aus der Mitgliedschaft besteht, das in seiner Wahrnehmung bereits einem gesellschaftsrechtlichen Kontroll- und Sanktionsmechanismus unterliegt195. Das Mitwirkungsrecht aus der Mitgliedschaft überlagert dieses konstruierte Organrecht des jeweiligen Aktionärs196. Folglich kann die Figur des Kreationsorgans nicht überzeugen. Gesellschafter des Verbandes sind daher nicht als Organe anzusehen. Umstritten ist zudem, inwiefern beratende Institutionen bzw. Gremien als Organe des Verbandes anzusehen sind. Das Gesetz weist dem Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft unzählige Kompetenzen innerhalb des Verbandes zu, sodass keine Zweifel an seiner Organqualität bestehen197. Da es zu kurz greifen würde, nur die Instanz als Organ zu bezeichnen, die Entscheidungen endgültig trifft und verkündet, sind beratende Institutionen nicht ohne weiteres von der Organstellung auszuschließen. Jedoch sind Gremien, die nicht in die verbandsrechtliche Korporation eingegliedert sind, sondern nur auf einer schuldrechtlichen Grundlage dem Verband und dabei insbesondere einem Organ beratend zur Verfügung stehen, nicht Organe des Verbandes. Ihre Nichtbeachtung hat keine Sanktionierung durch Gesetz oder Satzung zur Folge und keine Auswirkungn auf die Wirksamkeit der getroffenen Beschlüs-

190 Dazu Leuschner, in: MünchKomm. BGB, § 35 BGB Rn. 1 ff.; Schöpflin, in: Bamberger/ Roth/Hau/Poseck, BGB, § 35 BGB Rn. 3 ff. 191 Dieser Begriff wurde von Feine, GmbH, 1929, § 34 II 3, S. 474 geprägt. 192 Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 101 AktG Rn. 69. 193 Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (1993), 483, 484 f. 194 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 73 f. sowie S. 150 ff. 195 So bereits Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 101 AktG Rn. 162; sich anschließend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 74. 196 So eine Grundthese von Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 74. 197 Ebenso Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 74.

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se198. Jedoch besteht im Verbandsrecht grundsätzlich die Möglichkeit, zusätzliche Organe durch Satzung oder Gesellschafterbeschluss in die Organisation einzugliedern. Zwar ist eine solche Konstellation wegen § 23 Abs. 5 AktG für die Aktiengesellschaft nicht möglich, jedoch ist im Aktienrecht strittig, inwiefern der Abschlussprüfer als beratendes Institut Organ der Aktiengesellschaft sein kann199. Zwar hat der BGH in früheren Entscheidungen seine Organeigenschaft bejaht200, jedoch ist diese Charakterisierung in neueren Entscheidungen nicht mehr anzutreffen201. Dies mag vor allem an den kritischen Stimmen aus dem Schrifttum liegen, die dem Abschlussprüfer die Organqualität nicht zugestehen202. Inwiefern der Abschlussprüfer ein Organ des Verbandes darstellt, wird an späterer Stelle untersucht203. Festzuhalten ist damit, dass die Organqualität beratender Gremien oder Institute nicht per se zu verneinen ist. b) Die Änderung der Satzung als Organhandeln Neben der Frage, ob unmittelbare und mittelbare Einflussnahme Organhandeln darstellt, muss zudem untersucht werden, inwiefern die Änderung der Satzung als organschaftliches Tätigwerden für den Verband zu werten ist204. Nach § 179 AktG obliegt die Änderung der Satzung der Hauptversammlung und damit dem Willensbildungsorgan des Verbandes. Der Beschluss der Hauptversammlung bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals umfasst, § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG. Obwohl dabei die Gesellschaft als Verband und die Aktionäre getrennt zu betrachten sind, wirken Letztere nicht von außen auf den Verband ein, sondern üben als Mitglieder des Verbandsorgans Einfluss auf die Änderung der Satzung aus205. Die Aktiengesellschaft bleibt „Herrin ihrer

198 Zu auf schuldrechtlicher Vereinbarung geschaffenen Institutionen siehe bereits c); zudem Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 76. 199 Gegen die Organstellung Mai, Abschlussprüfer, S. 211 ff. m.w.N.; ebenso Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 214 ff.; dafür jedoch Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, S. 318, 332 f.; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2123; Ulmer, in: Staub, HGB, § 114 HGB Rn. 16. 200 BGHZ 16, 17, 25; BGHZ 76, 338, 342. 201 Ausführlich dazu Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 215. 202 Herfs, Willensbildungsprozess der GmbH, S. 70 f.; Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 143 f.; Mai, Abschlussprüfer, S. 217; Schulze-Osterloh, ZGR 1976, 411, 417 ff.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, 2006, Rn. 323; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 214 ff.; Simitis, in: FS Reinhardt, 1972, S. 329, 332 ff. 203 Siehe unten § 8 C.II.2. 204 Für die juristische Person siehe Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 79. 205 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 79.

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selbst“206, indem sie durch das Handeln ihres Willensbildungsorgans Hauptversammlung ihre Verfassung ändert207. Dies gilt für alle juristischen Personen des Privatrechts. Demnach ist auch die Änderung der Satzung durch das Willensbildungsorgan des Verbandes als Organhandeln und damit zugleich als Handeln des Verbandes zu bezeichnen. Untermauert wird dies mit der vom Gesetz vorgesehenen Regelung, dass ein gefasster Hauptversammlungsbeschluss nur mit einer Klage gegen die Gesellschaft angefochten werden kann, § 246 Abs. 2 Satz 1 AktG208.

III. Die Orientierung des Handelns am Verbandsinteresse 1. Das Verbandsinteresse als prinzipielle Orientierung für die Organe Leitungs- und Überwachungsorgan, aber auch fakultativ ins Leben gerufene Beratungsorgane von juristischen Personen werden in ihrer Funktion als Treuhänder von fremden Vermögen tätig und haben daher ihr Handeln am Interesse des Verbandes auszurichten209. Eingangs dieser Untersuchung wurde bereits auf das Gesellschafts- bzw. Unternehmensinteresse eingegangen, das zwischen den Organen zu erheblichen Spannungen führen kann und das Verhältnis der Organe zueinander erheblich belastet, wenn unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, was im Interesse des Unternehmens liegt. Was allerdings unter Gesellschafts- oder Unternehmensinteresse anzusehen ist, ist umstritten. Während eine Auffassung die Eigenständigkeit der juristischen Person hervorhebt und daher die Bewertung des Gesellschaftsvermögens als maßgebliches Kriterium heranzieht210, verfolgen andere den shareholder-value-Ansatz und wollen das Organhandeln an der Steigerung des Wertes der Aktie im Interesse der Aktionäre ausrichten211. Beide Auffassungen gehen von einem am Interesse der Gesellschaft orientierten Handeln der Organe aus. Diese Orientierung ist zu eng gefasst und muss richtigerweise auf das Interesse des Un206

So bildlich auf die juristische Person bezogen Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 80. 207 Vgl. Schuld, Organschaftliche Beschlusszurechnung im Personengesellschaftsrecht, 2003, S. 97; Herfs, Willensbildungsprozess der GmbH, S. 165; Fleck, ZGR 1988, 104, 112; a.A. Beuthien/Gätsch, ZHR 157 (193), 483, 487 f. 208 Eine prozessstandschaftliche Konstruktion überzeugt nicht, siehe Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe, Kapitalmarkt, 2. Aufl., 1996, S. 243 ff. 209 Siehe bereits zum sog. Principal-Agent-Konflikt § 2 B.II.; sowie zum treuhänderischen Verhältnis Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 AktG Rn. 103; Kort, in: Großkomm. AktG, § 76 AktG Rn. 52; Fleischer, WM 2003, 1045 f.; ebenfalls spricht der DCGK 2017 bereits in der Präambel, dass Vorstand und Aufsichtsrat dem Unternehmensinteresse verpflichtet seien. 210 So vor allem der BGH siehe BGHZ 125, 239, 244; BGHZ 135, 244, 255; ebenso Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 155; Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 243 AktG Rn. 178. 211 Mülbert, ZGR 1997, 129, 156; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002 S. 58 ff.; v. Werder, ZGR 1998, 69 ff.; Busse von Colbe, ZGR 1997, 271.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

ternehmens als maßgeblicher Orientierungspunkt erweitert werden212. Unter dieses fallen nicht nur das Gesellschaftsvermögen oder die Wertsteigerung des Aktienkurses und damit das Aktionärsinteresse, sondern auch Belange von Arbeitnehmern (stakeholder-value-Ansatz)213. Für diese Definition sprechen auch der Grundsatz 1 und die Präambel des DCGK (ehemals Ziff. 4.1.1 DCGK – 2017). Danach leitet der Vorstand „das Unternehmen in eigener Verantwortung im Unternehmensinteresse.“

Das in der Präambel mit „[…] unter Berücksichtigung der Belange der Aktionäre, seiner Arbeitnehmer und der sonstigen dem Unternehmen verbundenen Gruppen (Stakeholder) mit dem Ziel nachhaltiger Wertschöpfung […]“

definiert wird. Gruppen- und Partikularinteressen haben im Konfliktfall mit dem Unternehmensinteresse zurückzustehen. Jedoch können sie innerhalb der Frage, was im Unternehmensinteresse liegt, mitberücksichtigt werden214. Ebenfalls gilt die Orientierung am Unternehmensinteresse für entsandte Mitglieder des Aufsichtsrats215. 2. Verbandsinteresse und Willensbildungsorgan Eine Sonderstellung nimmt die Mitgliederversammlung als Willensbildungsorgan des Verbandes ein. Zwar ist auch ihr Handeln grundsätzlich am Interesse des Unternehmens auszurichten216. Dies gilt uneingeschränkt bei der Beteiligung der Hauptversammlung in Fragen, die die Geschäftsführung betreffen217. Außerhalb dessen steht es der Versammlung frei, Beschlüsse zu fassen, die den Gesellschaftszweck ändern und damit zugleich unmittelbaren Einfluss auf die Einschätzung nehmen, was dem Unternehmensinteresse entspricht218. Diese Möglichkeit zeigt den Unterschied zu den treuhänderisch agierenden Organen. Denn in der 212

Zur Differenzierung siehe Zöllner, Mehrheitsmacht, S. 20 f. sowie 73 ff. Verse, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften, 2006, S. 264; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 149; Drygala/ Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 30. 214 Siehe dazu bereits oben § 2 B.III. 215 BGHZ 36, 296, 306 f.; BGH ZIP 2006, 2077, 2079; RG JW 1932, 2279, 2290; RGZ 165, 68, 79; OLG Hamburg AG 1990, 218, 219; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 101 AktG Rn. 146 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 101 AktG Rn. 69; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 101 AktG Rn. 51; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 101 AktG Rn. 24. 216 Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe, Kapitalmarkt, 1996, S. 233; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 148. 217 Zuvor bereits Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 148. 218 Vgl. Wiedemann, in: FS Lutter, 2000, S. 801, 804; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 148. 213

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Mitgliederversammlung des Verbandes agieren die Mitglieder nicht nur als Organmitglieder des Willensbildungsorgans, sondern sind zugleich Mitglieder des Verbandes selbst. Dabei überlagert das Verhältnis Verband – Mitglied das Verhältnis Organ – Organmitglied219. Nach Flume sei daher die Mitgliederversammlung das „einzig autonome Organ“ des Verbandes220. Wie Schürnbrand richtigerweise ausführt, agieren die Mitglieder nicht nur als „bloße Amtswalter“221, sondern sind als Mitglieder des Verbandes berechtigt bei der Wahrnehmung ihrer Rechte, eigene Interessen zu verfolgen. Als Grenze dieser Interessenwahrnehmung dient nur die Treubindung auf das Gemeinwohl222. 3. Exkurs: Das Verbandsinteresse und die Berücksichtigung von Dritt- und Partikularinteressen a) Die Sonderstellung der Aktiengesellschaft Grundsätzlich ist es den Verbänden freigestellt, fakultativ Organe zu errichten, in denen etwaige Dritte Einfluss auf den Verband ausüben können. In der Aktiengesellschaft besteht diese Möglichkeit nicht, da das Prinzip der Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG weitere, in den Verband eingegliederte Organe, nicht vorsieht223. Es handelt sich bei dieser Thematik vornehmlich um Aspekte, die im Recht der GmbH und der Vereine anzutreffen sind. Es bietet sich jedoch auch im Hinblick für die weitere Betrachtung der Aktiengesellschaft an, die Einflussnahmemöglichkeiten Dritter auf den Privatverband genauer zu untersuchen. Von Bedeutung ist dabei vor allem, inwiefern Dritte als Organ des Verbandes kreiert werden können und welchem Interesse sie unterworfen sind224. Obwohl § 23 Abs. 5 AktG dazu beiträgt, dass gegenwärtig in Aktiengesellschaften keine beratenden Sondergremien existieren, die sich aus Aktionären oder Dritten zusammensetzen und nicht zugleich als Organmitglieder für die Gesellschaft

219 Dazu bereits Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 74 sowie S. 148 f. 220 Flume, Juristische Person, § 7 I 1, S. 189. 221 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 149. 222 So bereits Wiedemann, in: FS Lutter, 2000, S. 801, 804; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 2, 2004, § 4; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe, Kapitalmarkt, 1996, S. 235; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 90. 223 Vgl. dazu bereits oben § 8 B.I.2.c)bb) sowie K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 III 3a, S. 418; Martens, AG 1982, 113, 114; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, Vor § 76 AktG Rn. 18; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 95 Rn. 42, 46; Koch, in: Hüffer/Koch, § 95 AktG Rn. 4; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 53. 224 Da in der Bearbeitung die Frage von Relevanz ist, ob es Organen gestattet ist, innerhalb des Verbandes und gegeneinander klagen zu können, und ob ihnen dabei ein eigenes Interesse zusteht, ist es hilfreich, die Situation außerhalb der Grenzen der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) wahrzunehmen.

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tätig sind, zeigt der Fall Felten&Guilleaume des LG Köln von 1976225, dass auch in der Aktiengesellschaft Fragen des Dritteinflusses vorkommen können. Zudem regelt § 101 Abs. 2 Satz 1 AktG, dass Aktionären die Befugnis zustehen kann, Aufsichtsratsmitglieder zu entsenden. b) Möglichkeiten zur Einflussnahme Außerhalb der Aktiengesellschaft ist die Frage, wie Dritte auf die Entscheidungsfindung innerhalb eines Verbandes einwirken und Partikularinteressen maßgeblich zur Orientierung herangezogen werden können, in vielerlei Hinsicht umstritten. Es wurde bereits festgestellt, dass grundsätzlich jedes Verbandsorgan seine Handlungen am Interesse des Unternehmens ausrichtet und Ausnahmen von diesem Grundsatz allein dem Willensbildungsorgan als organ- und mitgliedschaftliches Gebilde zukommen. Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass eine solche Einflussnahmemöglichkeit in bestimmten Fällen auch von Seiten des Verbands befürwortet wird226. Öfter ist jedoch der Fall anzutreffen, in dem der Dritte versucht, im Wege von Mitwirkungsbefugnissen Einfluss auf den Verband auszuüben227. Als Beispiele aus der Praxis gelten das Auskunfts- und Informationsrecht nach § 51a GmbHG, das sich die Hausbank einräumen lässt, um in der Krise der Gesellschaft, Einblick in deren finanzielle Situation zu erhalten oder die Einräumung der Befugnis, den Geschäftsführer der Gesellschaft einzusetzen228. Durch diese Weise der Einflussnahme auf die Organisationsverfassung der Gesellschaft bildete sich der Begriff des sog. „Kreationsorgans“ heraus229. Diskutiert wird überdies, ob Externen Entsenderechte für den Aufsichtsrat der GmbH zugestanden werden können230. Überdies finden sich in kirchlichen Vereinen oder sonstigen ideellen Gesellschaften Satzungsbestimmungen, die die Wirksamkeit von grundlegenden Entscheidungen von der Zustimmung kirchlicher Instanzen oder anderer Vertreter abhängig machen231. Zudem können gegenüber Dritten schuldrechtliche Verpflichtungen eingegangen werden; diese stellen jedoch keine Mitwirkungsrechte dar, da allenfalls Erfüllungsoder Schadensersatzansprüche bestehen232. Die Nichtberücksichtigung der Verpflichtungen gegenüber Dritten hat daher auch keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der beschlossenen Maßnahme.

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Dazu siehe ausführlich § 20 B. sowie LG Köln AG 1976, 329. Dazu Herfs, Willensbildungsprozess der GmbH, S. 41 f.; Voormann, Der Beirat im Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., 1990, S. 6 ff. 227 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 151. 228 Chr. Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss, S. 9; Hammen, WM 1994, 765. 229 Feine, GmbH, 1929, § 34 II 3, S. 474. 230 Siehe Ulmer, in: FS Werner, 1984, S. 911, 913. 231 BVerfGE 83, 341; OLG Köln NJW 1992, 1048; BayObLG NJW 1980, 1756. 232 Siehe dazu bereits oben § 8 B. I. 2 c) sowie Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 152. 226

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Durch die Einräumung von Mitwirkungsrechten für Nichtgesellschafter wird diesen eine hervorgehobene Position zuteil. Zugleich zeigt sich der Konflikt zwischen grundsätzlich gewährter Gestaltungsfreiheit und dem Erhalt der Verbandssouveränität, wonach Dritte keinen Einfluss auf die korporative Struktur gewährt werden soll233. c) Dritte als Inhaber von satzungsimmanenten Mitwirkungsbefugnissen Im Schrifttum wird im Hinblick auf den (GmbH-)Verband nun diskutiert, ob die Gewährung solcher Mitwirkungsbefugnisse mit der verbandsrechtlichen Organisationsverfassung zu vereinbaren ist. So halten es Steinbeck234 und Segna235 für möglich, dass die Satzung echte subjektive Rechte für Nichtmitglieder vorsehen kann. Die Gewährung solcher Rechte widerspreche weder der Rechtsnatur der Satzung noch könne aus dem Prinzip der abgeleiteten Organverwaltung hergeleitet werden, dass Kompetenzen innerhalb einer Körperschaft ausschließlich von ihren Organen wahrgenommen werden236. Zwar entspreche es dem Regelfall, dass Organe für den Verband handeln. Jedoch eröffne das Verbandsrecht die Möglichkeit, dass Verbandszuständigkeiten durch Personen wahrgenommen werden, die nicht Organwalter sind. Die überwiegende Auffassung lehnt diese Argumentation zu Recht ab237. Die Gewährung von Mitwirkungsrechten für Dritte stellt keinen zulässigen Bestandteil der Satzung dar. Diese erfüllt viel mehr die Funktion eines Organisationsvertrags und gestaltet dadurch die „innergesellschaftlichen Rechtsbeziehungen“ aus238. Allenfalls sind schuldrechtliche Bindungen möglich. Dieser strikten Eingrenzung des Satzungsbegriffs auf die gesellschaftliche Binnenstruktur des Verbandes wird von der Gegenauffassung vorgeworfen, dass es sich dabei um einen Zirkelschluss („petitio principii“) handele und der Begriff des Organisationsvertrags keine inhaltlichen Schlussfolgerungen zulasse239. Die überwiegende Auffassung führt allerdings weitere überzeugende Gründe an, warum die Gewährung von Mitwirkungsbefugnissen Dritter in der Satzung als subjektive Rechte nicht zulässig sein kann. Denn obwohl ihnen vermeintlich Mitwirkungsbefugnisse zuerkannt werden, fehlt die Möglichkeit diese durchzusetzen. 233 Siehe Wiedemann, in: FS Schilling, 1973, S. 105, 111 ff.; Schubel, Verbandssouveränität und Binnenorganisation. 234 A. Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluss, 1999, S. 70 ff., 79. 235 Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, 2002, S. 144 ff. 236 A. Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluss, 1999, S. 73 f. 237 Ulmer, in: FS Werner, 1984, S. 911, 916 f.; Leuschner, in: MünchKomm. BGB, § 27 BGB Rn. 14; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 3 GmbHG Rn. 75; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 153. 238 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 153. 239 A. Steinbeck, Vereinsautonomie und Dritteinfluss, 1999, S. 71; Segna, Vorstandskontrolle in Großvereinen, 2002, S. 147; Wolff, Der drittbestimmte Verein, 2006, S. 167.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

Da ihnen nicht die Stellung als Gesellschafter, Organ oder zumindest Organmitglied zukommt, sind sie nicht berechtigt, Gesellschafterbeschlüsse anzufechten, die sie in ihren Mitwirkungskompetenzen verletzen240. Zudem birgt die Mitwirkung Dritter an innerorganschaftlichen Entscheidungsprozessen weitaus größere Risiken für den Verband selbst: Hängt nämlich die Besetzung von Organen von der Zustimmung oder der Entscheidung des Dritten ab, ist die Handlungsfähigkeit des Verbandes gefährdet241. Die damit gewährten „isolierten Berechtigungen“ entsprechen nicht den geltenden gesellschaftsrechtlichen Wertungen. Zum einen stehen weder den Gesellschaftern noch Organen oder Organmitgliedern vergleichbar losgelöste Kompetenzen zur Verfügung. Vielmehr sind auch diese im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht daran gehalten, ihre Rechte nicht beliebig auszuüben242. Zum anderen existieren in den entsprechenden Gesetzen Normen, die eine Handlungsunfähigkeit des Verbandes verhindern sollen243. Es entspräche daher nicht dem Willen des Gesetzgebers, wenn man diese Wertung durch die Etablierung von Ernennungs- oder Zustimmungsbefugnissen unterlaufen würde. Folglich können Mitwirkungsbefugnisse für Dritte nicht als subjektive Rechte in der Satzung konstituiert werden. d) Fakultative Organe als Möglichkeit zur Konstituierung von Mitwirkungsbefugnissen Dritter im Verband Als weitere Gestaltungsmöglichkeit, um Dritten Mitwirkungsbefugnisse zu gewähren, kommt die Schaffung eines fakultativen Organs in Betracht. Diesem werden besondere Kompetenzen zugeteilt, die durch den Dritten ausgeübt werden244. Damit wird der Dritteinfluss im Verband konstitutionalisiert. Die Zulässigkeit eines solchen „Kreationsorgans“ im Wege der fakultativen Errichtung wurde bereits durch das Reichsgericht anerkannt245 und auch in der Literatur nie in Zweifel gezogen246. Die überwiegende Akzeptanz einer solchen Konstellation ist allerdings auf die vor-

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Ulmer, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1297, 1318 f. Bürkle, Rechte Dritter, S. 38 f.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 153. 242 Ulmer, in: FS Werner, 1984, S. 911, 925; Ulmer, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1297, 1306. 243 Vgl. bspw. § 29 BGB, auch in entsprechender Anwendung für andere Gesellschaftsformen sowie § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG für die GmbH-Gesellschafter. 244 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 155; zum fakultativen Aufsichtsrat Goette, DStR 2007, 356; Müller/Wolff, NZG 2003, 751; zum Beirat Huber, GmbHR 2004, 77. 245 RGZ 169, 65, 81. 246 Hammen, WM 1994, 765, 767; Fleck, ZGR 1988, 104, 121; Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 469; Semrau, Dritteinflussnahme, S. 115 ff.; Herfs, Willensbildungsprozess der GmbH, S. 61 ff.; Bürkle, Rechte Dritter, S. 38 ff. 241

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herrschende Geltung des materiellen Organbegriffs zurückzuführen247. Das fakultativ geschaffene Organ ist in die Organisationsverfassung des Verbandes eingegliedert. Ein möglicherweise den Verband schädigender Dritteinfluss werde nach dem materiellen Organbegriff dadurch begrenzt, dass der Dritte, der nun als Organwalter dem fakultativen Organ angehöre, aufgrund dieser Amtsstellung allein dem Unternehmensinteresse verpflichtet sei. Weicht er davon ab und erlangt die Gesellschaft dadurch einen Schaden, so ist er dieser zum Ersatz verpflichtet248. Andere präferieren hingegen ein formelles Verständnis vom Organbegriff249. So führt Chr. Weber in seiner Untersuchung aus, dass es sich um eine bloße Fiktion handele, wenn man nach dem materiellen Organbegriff davon ausgehe, dass aus der Funktionsübernahme innerhalb eines fremden Organisationsverbandes eine gleichzeitige Unterwerfung unter dessen Interessen erfolge250. Nach ihm seien die Grenzen des Außeneinflusses unter Berücksichtigung allgemein-privatrechtlicher Grundsätze durch Interessenabwägung zu ermitteln251. Chr. Weber ist dahingehend beizupflichten, dass es grundsätzlich den Gesellschaftern als Mitgliedern des Verbandes zustehe, darüber zu befinden, in welchem Maße und Umfang Dritteinfluss im Verband vorherrschen solle. Was hingegen durch diese alleinige Abstellung auf allgemein-privatrechtliche Grundsätze übersehen wird, ist die „überragende Bedeutung des Verbandszwecks“252. Es obliegt allein den Gesellschaftern nach § 53 GmbHG, den Zweck im Wege einer Satzungsänderung durchzuführen. Handeln im Sinne des Verbandszwecks setzt folglich ein Handeln im Interesse des Verbandes voraus. Auswirkungen hat dies auf den Inhalt mitgliedschaftlicher Treuepflichten, die sowohl unter den Verbandsmitgliedern als auch zwischen diesen und dem Verband bestehen253. Die Ausrichtung am Verbandszweck gilt daher für alle zum Verband gehörenden Organe. Nur der Mitgliederversammlung als Willensbildungsorgan ist es vorbehalten, den Verbandszweck zu ändern. Schürnbrand nennt als kritisches Beispiel die Einflussnahme einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, in dem sie Weisungen an den Geschäftsführer erteilt, ohne dabei die Interessen der Gesellschaft zu berücksichtigen, die vordergründig darin zu sehen sind, langfristig Gewinne zu erwirtschaften254.

247 Beuthien/Gätsch, ZHR 156 (1992), 459, 469; Semrau, Dritteinflussnahme, S. 119; Herfs, Willensbildungsprozess der GmbH, S. 71. 248 Semrau, Dritteinflussnahme, S. 119. 249 Chr. Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss, S. 168 f. 250 Chr. Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss, S. 157, 168. 251 Chr. Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss, S. 168 f. 252 So ausdrücklich Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 157; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II 1 a, S. 61; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe, Kapitalmarkt, 2. Aufl., 1996, S. 138 ff. 253 Dazu auch Hammen, WM 1994, 765, 767; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 157. 254 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 158.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

Diese verbandsinternen Argumente sprechen für eine Ausrichtung am Interesse der Gesellschaft und daher auch für den materiellen Organbegriff. Der Verband ist ein zweck- und funktionsgebundenes Rechtssubjekt, das am Rechtsverkehr teilnimmt und nicht bis zur Unkenntlichkeit durch nach außen offene Organisationsformen entstellt werden darf255. Folglich ist es Dritten nur eröffnet, eine bestimmte Art der Mitwirkung im Verband auszuüben, wenn sie als Mitglieder eines fakultativ errichteten Organs (Beirat) mit entsprechend zugewiesenen Kompetenzen tätig werden und bei Ausübung ihres Amtes im Interesse des Verbandes handeln256. Jedoch gibt es auch unter Geltung des materiellen Organbegriffs Ausnahmen, nach denen Dritten Mitwirkungsbefugnisse zugestanden werden, die keine zentrale Ausrichtung am Interesse des Verbandes erfordern. Eine solche Ausnahme wird bei kirchlichen Vereinigungen unter Hinweis auf Art. 4 Abs. 1 GG von der Rechtsprechung in dem Sinne gewährt, dass Zustimmungsbefugnisse bei grundlegenden Satzungsänderungen von Dritten bestehen, die hierarchisch übergeordnete Stellen darstellen257. Zum anderen ist es allgemein anerkannt, dass Dritten Entsenderechte für die Besetzung des fakultativen Aufsichtsrats zugestanden werden. Hier unterliegt der Entsendende nicht der Vorgabe, im Interesse des Verbandes zu handeln, sondern allein eine geeignete Person auszuwählen, die sowohl mit den anderen Aufsichtsratsmitgliedern als auch gegenüber anderen Organen in vertrauensvoller Weise zusammenarbeitet258. Als Mitglied des Organs hat der Entsandte seine Entscheidungen allein am Interesse des Verbandes auszurichten259. Einwände dahingehend, dass eine solche Möglichkeit dem in § 101 Abs. 2 Satz 1 AktG zugrundeliegenden körperschaftlichen Strukturprinzip widerspräche260, wurden spätestens mit den Ausführungen Schürnbrands, der neben der Gesetzeshistorie auch auf die europarechtlichen Bestimmungen zur SE in Art 47 Abs. 4 SE-VO verweist, wonach Entsenderechte neben Aktionären auch anderen Personen oder Stellen zugestanden werden261, widerlegt.

255 So Wiedemann, in: FS Lutter, 2000, S. 801, 808; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 159; kritisch Burgard, Gestaltungsfreiheit im Stiftungsrecht, 2006, S. 57 ff. 256 Huber, GmbHR 2004, 77; Herfs, Willensbildungsprozess der GmbH, S. 141; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 159. 257 BVerfGE 83, 341; OLG Köln NJW 1992, 1048; BayObLG NJW 1980, 1756; dazu Flume, Juristische Person, § 7 I 4, S. 199 ff. 258 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 101 Rn. 162; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 101 Rn. 45, 48; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 70. 259 BGHZ 36, 296, 306 f.; BGH ZIP 2006, 2077, 2079; RG, JW 1932, 2279, 2290; RGZ 165, 68, 79; OLG Hamburg AG 1990, 218, 219; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 101 AktG Rn. 146 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 101 AktG Rn. 69; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 101 AktG Rn. 51; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 101 AktG Rn. 24. 260 Ulmer, in: FS Werner, 1984, S. 911, 921 f. 261 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 161.

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e) Die Berücksichtigung von Partikularinteressen bei Gruppenorganen Jedwedes organschaftliche Handeln für den Verband muss an dessen Interesse ausgerichtet sein. Dies gilt – wie eben festgestellt wurde – auch für Verbandsfremde, die als Organwalter Kompetenzen innerhalb eines Organs wahrnehmen. Trotzdem gibt es Stimmen im Schrifttum, die neben der Orientierung an den Interessen des Gesamtverbands (Gesamtorgane) die Frage aufwerfen, ob sog. Gruppenorgane262, die ihr Handeln an dem Interesse einer spezifischen (Gesellschafter-)Gruppe ausrichten, existieren und als Organe des Verbandes anzuerkennen sind263. Solche Gruppen sind entweder Teile des Gesellschafterkreises (Familienstämme) oder andere Investoren. Gruppenorgane sind zwar in vielen Gesellschaftsformen denkbar, jedoch werden sie vor allem dort diskutiert, wo das Gesetz verschiedene Arten von Gesellschaftergruppen zulässt264. Solche Konstellationen sind daher bei Massen- und Familien-KGen sowie der GmbH zu finden und gelten als legitim265. In diesen Gesellschaftsformen ist die Ausübung der mitgliedschaftlichen Stimmrechte zumeist schwierig, wenn eine größere Anzahl an Gruppen vorhanden ist. Daher existieren Bestimmungen, die zur Ausübung des mitgliedschaftlichen Stimmrechts nur durch einen gemeinsamen Vertreter zulassen266. Diese sog. Vertreterklausel führt dazu, dass die jeweiligen Gesellschafter nur durch den bestellten Vertreter am Willensbildungsprozess der Gesellschaft teilhaben können267. Um die damit erzeugte Mediatisierung gewährleisten zu können, enthalten die meisten Vertreterklauseln sowohl das Verbot, das aus der Mitgliedschaft zustehende Mitwirkungsrecht auszuüben als auch das Gebot, nur über den gemeinsamen Vertreter Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen268. Die Gesellschafter selbst haben ein Weisungsrecht gegenüber dem Vertreter inne269. Nach Wiedemann sind Konstellationen, in denen es Gesellschaftern versagt ist, ihre Mitgliedschaftsrechte unabhängig vom Vertreter auszuüben, sondern sie ver262

Siehe Wiedemann, in: FS Schilling, 1973, S. 105, 108, der den Begriff durch seine Untersuchung eingeführt hat. 263 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 164. 264 Dazu Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 163. 265 Aus der Rechtsprechung BGHZ 46, 291, 294 ff.; BGHZ 119, 346, 353; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I 6, S. 327; Flume, Personengesellschaft, § 14 V, S. 222; K. Schmidt, ZHR 146 (1982), 525, 530 ff.; Bedenken wegen des Abspaltungsverbots im GmbHRecht bei Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 164; Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit, S. 357 ff.; Reuter, Privatrechtliche Schranken der Perpetuierung von Unternehmen, 1973, S. 213 ff. 266 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 164. 267 Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I 6, S. 327; Flume, Personengesellschaft, § 14 V, S. 222; K. Schmidt, ZHR 146 (1982), 525, 530 ff. 268 BGHZ 46, 291, 294. 269 Siehe dazu Grunewald, in: MünchKomm. HGB, § 161 HGB Rn. 179; Flume, Personengesellschaft, § 14 V, S. 224.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

pflichtet sind, sich „ständig“ des Vertreters zu bedienen, Merkmale dafür, dass der Vertreter als Organ der Gesellschaft agiere270. Die Organisation der Vertretung sei mithin Bestandteil des Verbandes, sodass sie nur von allen Gesellschaftern geschaffen, erweitert, geändert oder beseitigt werden könne. Die vertretenen Gesellschafter seien hingegen bei der Mitgestaltung auf die Bestimmungen der Gesellschaft verwiesen, sofern diese das zulassen271. Dass es sich um ein Organ handele, werde auch dadurch belegt, dass Mitwirkungsrechte der einzelnen Gesellschafter eingebüßt werden, indem sie durch ein Organ des Verbandes wahrgenommen werden272. Innerhalb dieser Auffassung ist jedoch der Umgang mit Partikularinteressen der jeweiligen Gruppe umstritten. Begreift man den Vertreter als Organ des Verbandes, so stellt sich die Frage, ob die besondere Konstellation der Vertretung einer Gruppierung dazu führt, dass bei Entscheidungen anstelle des Verbands- ein gruppenspezifisches Partikularinteresse maßgeblich ist. Dies hängt wesentlich von der bereits erörterten Frage ab, ob ein materieller oder formeller Organbegriff vorherrscht273. Diejenigen, die von einem formellen Organbegriff ausgehen, verneinen eine Verpflichtung gegenüber dem Verbandsinteresse274. Dies ist bereits wegen der vorangegangen Überlegungen zum Organbegriff abzulehnen. Die Organe eines Verbandes dienen dazu, den Verbandszweck zu verfolgen. Sowohl die bereits erörterte Einflussnahme Dritter als auch die Berücksichtigung einer vom Verbandszweck abweichenden Auffassung, die im Interesse einzelner Gesellschaftergruppen liegt, widersprechen dem Interesse des Verbandes. Dass der Gesamtheit der Gesellschafter die Möglichkeit zusteht, den Verbandszweck zu ändern, zeigt vor allem, dass einzelnen Gruppierungen diese Befugnis nicht zusteht. Nach der überwiegenden Auffassung stellt der Gruppenvertreter jedoch kein Organ der Gesellschaft dar275. Da er deren Interessen zu wahren habe und er überdies weisungsgebunden sei, handelt er nicht im Interesse des Verbandes und kann daher kein Organ nach der materiellrechtlichen Begriffsbestimmung sein276. Die Ausgestaltung der Rechtsbeziehung zum Vertreter selbst liege überdies in den Händen der Gruppe277. Überdies hat der BGH bezogen auf fakultative Organe von Personen270 Wiedemann, Übertragung und Vererbung, S. 388; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I 6, S. 327. 271 Wiedemann, Übertragung und Vererbung, S. 388; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Bd. 2, § 4 I 6, S. 327. 272 Vgl. Bälz, ZGR 1980, 1, 75. 273 Vgl. dazu Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 168 ff. 274 Zum formellen Organbegriff siehe bereits § 8 B.III.3.d). 275 BGHZ 46, 291, 295 f.; Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 505 f.; K. Schmidt, ZHR 146 (1982), 525, 531, 537; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 II 5c, S. 623; Flume, Personengesellschaft, § 14 V, S. 222; Herfs, Willensbildungsprozess der GmbH, S. 69; Enzinger, in: MünchKomm. HGB, § 119 HGB Rn. 54; Ulmer, in: Staub, HGB, § 109 HGB Rn. 53. 276 Grundmann, Der Treuhandvertrag, 1997, S. 505 f.; K. Schmidt, ZHR 146 (1982), 525, 531; Flume, Personengesellschaft, § 14 V, S. 222; Ulmer, in: Staub, HGB, § 109 HGB Rn. 53. 277 K. Schmidt, ZHR 146 (1982), 525, 538; Immenga, ZGR 1974, 385, 396.

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gesellschaften ausgeführt, dass es sich bei ihnen um Träger von Funktionen handele, die diese dem gemeinsamen Recht der Gesellschafter entnehmen278. Folglich kann sich ihre Organstellung nicht nur aus einer Gruppe von Gesellschaftern ableiten279. Nichts anderes gilt für den körperschaftlich organisierten Verband. Hinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeit, dass mehrere Vertreter von Gesellschaftergruppen in einem Beratungsorgan tätig werden und die Satzung des Verbandes diese besondere Art der mitgliedschaftlichen Mitwirkung vorsieht, handelt es sich bei diesem Gremium um ein fakultatives Organ im Sinne eines Beirats. Bei der Entscheidungsfindung können Partikularinteressen Berücksichtigung finden, sofern sie nicht im Widerspruch zum Verbandsinteresse stehen280. Jedoch ist der herrschenden Auffassung beizupflichten, dass es sich zumindest nicht um ein reines „Gruppenorgan“ handeln darf, da die Orientierung am Verbandszweck und damit am Verbandsinteresse allein maßgeblich ist. Etwas anderes liegt bei der Vertreterlösung hingegen vor, wenn diese allein schuldrechtlicher Natur und nicht statutarisch verankert ist. In diesem Fall handelt der Vertreter nicht als Organ der Gesellschaft. Es kommt daher bei der Beurteilung auf den jeweiligen Einzelfall an281. Für die Existenz von Gruppenorganen kann auch nicht auf den Aufsichtsrat der KGaA verwiesen werden, da dieser nach gegenwärtiger und richtiger Auffassung seit der Aktienrechtsnovelle von 1937 die KGaA als juristische Person einzuordnen ist und der Aufsichtsrat damit sein Handeln am Interesse der Gesellschaft auszurichten hat, vgl. § 278 Abs. 3, § 111 Abs. 1 AktG. Die von der Gegenauffassung angeführte Doppeltheorie, wonach nach den jeweils wahrgenommenen Aufgaben des Aufsichtsrats zu differenzieren ist282, entspricht nicht dem geltenden Recht. Innerhalb des Verbandes der KGaA herrscht eine der Aktiengesellschaft entsprechende Kompetenzverteilung zwischen den jeweiligen Organen vor283. Daraus folgt, dass grundsätzlich das Interesse des Verbandes als maßgeblicher Orientierungspunkt anzusehen ist. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die Interessen der Gruppe der Kommanditaktionäre völlig ohne Berücksichtigung bleiben. Sie sind im Entscheidungsprozess mit heranzuziehen und finden nur dann keine Beachtung, wenn sie dem Verbandsinteresse zuwider laufen284. Dafür spricht auch die Beteiligung der Arbeitnehmervertreter im Rahmen der Mitbestimmung285. 278

BGH WM 1968, 98. So ebenfalls Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 168 f. 280 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 168 f. 281 BGH NJW 1985, 1900; ebenso Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 170. 282 So insbesondere die ältere Lehre Steindorff, in: FS Ballerstedt, 1975, S. 127, 133; Barz, in: Großkomm. AktG, 2. Aufl., 1961, § 287 AktG Anm. 2 f. 283 Überzeugend Bachmann, in: Spindler/Stilz, § 278 AktG Rn. 1; Kessler, Möglichkeiten der Kommanditaktionäre, S. 66; Philbert, Die KGaA, S. 84 sowie S. 117; Koch, in: Hüffer/ Koch, § 278 AktG Rn. 3. 284 BGHZ 165, 192, 199; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 287 AktG Rn. 19; Assmann/Sethe, in: Großkomm. AktG, § 287 AktG Rn. 66. 279

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

Treffen die Kommanditaktionäre im Rahmen der Hauptversammlung, dem Verbandsinteresse widersprechende Beschlüsse oder beabsichtigen sie, Prozesse gegen die persönlich haftenden Gesellschafter zu führen, und dabei ebenfalls wider dem Verbandsinteresse zu handeln, so ist der Aufsichtsrat daran gehalten, die rechtswidrigen Beschlüsse nach § 245 Nr. 5 AktG anzugreifen286 und die Klagen unter Hinweis auf das Verbandsinteresse nicht zu verfolgen287. Den Kommanditaktionären steht es dann frei, einen besonderen Vertreter nach § 278 Abs. 2, § 147 AktG zu bestellen288, der ihre Interessen wahrnimmt. Inwiefern es sich bei diesem um ein Organ handelt, muss noch untersucht werden289. f) Zusammenfassung Der zentrale Gegenstand des Exkurses betraf die Möglichkeiten, Dritten innerhalb des Verbandes Mitwirkungsbefugnisse einzuräumen und anschließend aufzuzeigen, dass dies zwar durch Bildung fakultativer Organe ermöglicht werden kann, der Dritte aber nicht allein im eigenen Interessen handeln darf, sondern als Organ der Gesellschaft allein dem Verbandsinteresse verpflichtet ist. So wurde zunächst festgestellt, dass es Dritten nicht möglich ist, Mitwirkungsbefugnisse als ihnen zustehende subjektive Rechte in der Satzung zu verankern. Die Anerkennung einer solchen Befugnis hätte erhebliche und tiefgreifende Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit des Verbandes und kann sogar zu dessen Handlungsunfähigkeit führen. Zudem bliebe es den Dritten verwehrt, ihre Rechte verfahrensrechtlich geltend zu machen, da ihnen weder organschaftliche noch mitgliedschaftliche Befugnisse zuständen. Hingegen besteht die Möglichkeit, Dritten Mitwirkungsbefugnisse in der Form zukommen zu lassen, dass sie als Organwalter eines fakultativen Organs eingesetzt werden. Da von einem materiellen Organbegriff auszugehen ist, hat der Organwalter bei Wahrnehmung seiner Aufgaben im Interesse des Verbandes zu handeln. Berücksichtigt er dies nicht, macht er sich gegenüber dem Verband schadensersatzpflichtig, sofern diesem durch sein Handeln ein Schaden entsteht. Darüber hinaus können dem Dritten nur Befugnisse eingeräumt werden, die mit den Grundsätzen der Kompetenzverlagerung auf fakultative Organe im Einklang stehen. Schranken bilden insoweit der Grundsatz der Verbandssouveränität als auch zwingende Zuständigkeiten der Mitgliederversammlung. Abweichend davon kann einem Dritten jedoch 285 Herfs, in: MünchHdb AG, § 78 AktG Rn. 59 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 174. 286 Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 287 Rn. 17; von einer Pflicht zur Klageerhebung ausgehend Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 348 ff. 287 So Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 175. 288 Darauf verweisend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 175. 289 Siehe dazu unten § 8 C.II.3.

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die Befugnis eingeräumt werden, eine Person in einen fakultativen Aufsichtsrat zu entsenden. Der Dritte ist nur daran gehalten, eine für die Position geeignete Person auszuwählen. Wegen des bereits Gesagten ist der Entsandte – als Mitglied eines Organs – bei Ausübung seines Amtes dem Interesse des Verbandes verpflichtet. Grundsätzlich ist das Organhandeln demnach am Interesse des Verbandes auszurichten. Da die Mitglieder eines solchen oftmals verschiedene Gruppen repräsentieren (Familienstämme etc.) und das Gesellschaftsrecht es durch kautelarjuristische Gestaltung ermöglicht, dass die Teilnahme am Willensbildungsprozess über einen besonderen Vertreter erfolgen kann, wird von Teilen des Schrifttums angenommen, dass dieser bei Ausübung seiner Befugnisse, die Interessen der jeweiligen Gruppe alleinig zu berücksichtigen habe. Dies überzeugt insofern nicht, als dass der Vertreter, wenn er als Organ der Gesellschaft handelt, ebenfalls dem Verbandsinteresse verpflichtet ist. Zwar können die Interessen der jeweiligen Gruppe bei der Entscheidungsfindung herangezogen werden. Sie stehen jedoch dann zurück, wenn sie dem Verbandsinteresse widersprechen. Nichts anderes gilt für den Aufsichtsrat der KGaA, der wegen seiner Zwitterstellung von einigen Stimmen sowohl als Organ der Gesellschaft als auch als Organ der Gemeinschaft der Kommanditaktionäre angesehen wird. Diese Zweiteilung der Organfunktionen geht jedoch fehl. Der Verband der KGaA ist eine juristische Person. Das Handeln des Aufsichtsrats erfolgt daher immer im Interesse des Verbandes. Der Aufsichtsrat hat im Rahmen des § 287 AktG nur im Interesse des Verbandes zu handeln. Fassen folglich die Kommanditaktionäre rechtswidrige Beschlüsse, so sind die Mitglieder des Aufsichtsrats daran gehalten, diese nach § 245 Nr. 5 AktG anzufechten. Weigert sich der Aufsichtsrat, die Mehrheit der Kommanditaktionäre nach § 287 Abs. 2 AktG gegen die persönlich haftenden Gesellschafter zu vertreten, steht es den Kommanditaktionären frei, einen besonderen Vertreter nach § 147 AktG zu bestellen. Insgesamt zeigt sich, dass selbst bei einer zulässigen Beteiligung Dritter als Mitglieder eines Organs, die alleinige Orientierung an Partikularinteressen Entscheidungen innerhalb des Organs nicht maßgeblich sein kann. Zwar müssen sie bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Stehen sie jedoch im Widerspruch zum Verbandsinteresse, haben sie diesem zu weichen.

IV. Die Existenz eines Organinteresses neben Verbandsund Partikularinteresse 1. Die Geltung des materiellen Organbegriffs und die Orientierung am Verbandsinteresse Die bisherigen Ausführungen haben aufgezeigt, dass dem Verbandsrecht die Vorstellung eines materiellen Organbegriffs zugrunde liegt und damit das Organhandeln am Interesse des Verbandes ausgerichtet ist. Überdies wurde festgestellt, dass eine Einflussnahme von außen auf die Entscheidungsfindung innerhalb des

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

Organs und damit auf den Verband unter der Maßgabe, dass dabei außenstehende Interessen (Partikular- oder Drittinteressen) gegenüber dem Verbandsinteresse vorrangig berücksichtigt werden, nicht mit dem Prinzip der Verbandssouveränität zu vereinbaren ist290. Zwar ist es möglich, dass außenstehenden Dritten besondere Befugnisse gewährt werden, diese allerdings nicht dazu führen, dass die berechtigten Dritten als Organ des Verbandes zu qualifizieren sind. Die einzige Möglichkeit für Dritte in organschaftlicher Weise, Einfluss auf die Entscheidungsfindung eines Verbands auszuüben, besteht in der Wahrnehmung des Amtes als Mitglied eines obligatorisch oder fakultativ errichteten Organs. In dieser Position ist der Dritte (oder ein etwaiger Vertreter) berechtigt, die (Partikular-)Interessen zur Entscheidungsfindung innerhalb des Verbandes in den Abwägungsprozess einzubringen. Allerdings ist er aufgrund seiner Stellung als Organmitglied zugleich verpflichtet, im Interesse des Verbandes zu entscheiden. Macht er dies nicht und legt als alleinige Handlungsmaxime ein Drittinteresse zugrunde, so verletzt er eine ihn obliegende Organpflicht, die einen Schadensersatzanspruch des Verbandes gegenüber dem Organmitglied begründet. 2. Differenzierende Auffassungen über das Verbandsinteresse bei mehreren Organen Vermehrt wurde nun dargelegt, dass Organe die Willensbildungs- und Handlungsfähigkeit des Verbandes gewährleisten. Besteht der Verband nur aus einem Organ, so richten sich Willens- und Handlungsfähigkeit des Gesamtverbandes nach den Entscheidungen dieses Organs. Als Handlungsmaxime gilt dabei das Interesse des Verbandes. Etwas komplizierter ist es allerdings, wenn dem Verband mehrere Organe angehören, die jeweils im Grundsatz verschiedene, aber sich in Teilbereichen überschneidende Funktionen für den Verband wahrnehmen. K. Schmidt spricht daher zu Recht von der Verflechtung von Kompetenzen291. Eine solche Verflechtung ist vor allem in der Aktiengesellschaft vorzufinden. Da die Funktion des Aufsichtsrats in der Überwachung des Vorstands liegt, kann es vorkommen, dass beide Organe voneinander abweichende Auffassungen darüber haben, was im Hinblick einer Maßnahme im Interesse des Verbandes liegt und was nicht. Fraglich ist daher, ob neben Partikular- und Verbandsinteresse ein organeigenes Interesse existiert. Dies ist vor allem dann von Bedeutung, wenn man eine rechtliche Einordnung der den Organen zugewiesenen Befugnisse vornehmen will292. Denn ob es sich bei diesen um subjektive Rechte der Organe handelt, ist von dem Umstand abhängig, ob Organe in einem eigenen Interesse handeln können. Es ist daher angebracht, im Rahmen der Auseinandersetzung mit den Merkmalen des Organbegriffs aufzuzeigen, ob ein Organinteresse existiert. 290 Dazu bereits oben § 8 B.III.3.b) sowie Wiedemann, in: FS Schilling, 1973, S. 105, 111 ff.; Schubel, Verbandssouveränität und Binnenorganisation. 291 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 14 IV 2, S. 421. 292 Dazu siehe ausführlich § 21 C.

§ 8 Der Organbegriff

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3. Organhandeln im eigenen Interesse Die überwiegende Auffassung im Schrifttum verneint ein Handeln im eigenen Interesse, da die Organe im Interesse des Verbandes und damit fremdnützig agieren293. Diese Sichtweise hat sich sowohl im öffentlich-rechtlichen294 als auch im privatrechtlichen295 Verbandsrecht etabliert. Die von der überwiegenden Auffassung daraus abgeleitete Annahme, das an einem eigenen Interesse ausgerichtete Handeln widerspräche der Orientierung am Interesse des Verbandes, greift allerdings zu kurz und ignoriert die institutionellfunktionale Beziehung des Organs zum Verband. Die Besonderheit des Organinteresses ergibt sich einerseits aus einem funktionsbezogenen Einschlag, der dem Organhandeln innewohnt, und andererseits aus dem rein innerverbandlichen Kontext. Das Organinteresse wird durch die Aufgaben, die den Organen zugeordnet sind296, beeinflusst. Es handelt sich folglich nicht um eine Art von Dritt- oder Partikularinteresse, das dem Verbandsinteresse zuwiderlaufen kann. Das Organinteresse selbst ist ein mit dem Verbandsinteresse gleichlaufendes Interesse, das einen organfunktionsspezifischen Einschlag aufweist und sich am Verbandsinteresse orientiert. Innerhalb der Willensbildung des Organs können Partikularinteressen eingebracht werden und somit Einfluss auf das Organ- und damit Verbandsinteresse nehmen. Widersprechen sie allerdings dem Verbandsinteresse, so weichen sie auch vom Organinteresse ab. 4. Konzeptionelle Unterschiede zwischen Verbandsund Organinteresse Eine konkrete Beschreibung des Verhältnisses zwischen Organ- und Verbandsinteresse fällt hingegen schwer, da sich zwar grundsätzlich das Organinteresse am Verbandsinteresse orientiert, aber zugleich Organinteressen berührt sein können, ohne dass das Verbandsinteresse betroffen ist. Auch dadurch wird deutlich, dass das Organinteresse nur im Innenrecht des Verbandes von Relevanz sein kann. 293 Lewerenz, Leistungsklagen, S. 89; Hommelhoff, ZHR 1979, 288, 302; Bauer, Organklagen, S. 61; Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und sonstiges Recht, 1996, S. 20; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 592. 294 Siehe H. J. Wolff, Organschaft und Juristische Person, Bd II, 1934, S. 276; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 100; Böckenförde, in: FS Wolff, 1973, S. 269, 302 f.; Hoppe, Organstreitigkeiten vor VG und SG, S. 91. 295 Lewerenz, Leistungsklagen, S. 89; Hommelhoff, ZHR 1979, 288, 302; Bauer, Organklagen, S. 61; Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und sonstiges Recht, 1996, S. 20; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 592. 296 Ähnlich bereits H. J. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 1976, § 75 V, S. 61: „Aus dem Ziel der Verfolgung der den Organwaltern iwS anvertrauten Kompetenzen ergeben sich Organinteressen, welche die Organwalter in ihrer Eigenschaft als Amtswalter zu den ihrigen machen.“

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

Beide „Interessensarten“ weisen auch Unterschiede auf, wie LeyendeckerLangner in einem Beitrag aus 2012 im Hinblick auf die Aktiengesellschaft deutlich gemacht hat297. So ist das Organinteresse betroffen, wenn ein Organ die Kompetenzen eines anderen Organs verletzt und damit ein Verstoß gegen das allgemeine innerorganisatorische Störungsverbot erfolgt. In einem solchen Fall kann das in seiner Kompetenz verletzte Organ die ihm zugeordnete Funktion nicht wahrnehmen298. Das verletzte Organ als Träger des Kompetenzbereichs darf jedoch selbst entscheiden, ob es gegen die Störung vorgeht oder in welchem Rahmen es diese duldet299. Die Anerkennung eines solchen Spielraums überzeugt zum einen deshalb, da das allgemeine innerorganisatorische Störungsverbot sonst in einen allgemeinen Kompetenzwahrungsgrundsatz verkehrt werde300 und zum anderen den Organen im privatrechtlichen Verband die Möglichkeit nehmen würde, außerhalb des Klageweges Konfliktlösungen herbeizuführen. Insbesondere kann hier nach der Schwere des Eingriffes differenziert werden, um das Vertrauensverhältnis zum anderen Organ nicht in unerheblichem Maße zu beeinträchtigen. Das Verbandsinteresse ist erst dann betroffen, wenn neben der Verletzung des allgemeinen innerorganisatorischen Störungsverbots ein darüberhinausgehender wesentlicher Gesichtspunkt des Verbandsinteresses beeinträchtigt ist. Dies wird man ohne weiteres bejahen können, wenn die Existenz des Verbandes gefährdet ist oder eine erhebliche Beeinträchtigung im vermögensrechtlichen Sinne erfolgt. Zudem ist es nicht auszuschließen, dass eine besondere Beeinträchtigung des Verbandsinteresses bereits mit einer schweren Verletzung des innerorganisatorischen Störungsverbots gegeben ist. Die Orientierung des funktionsspezifischen Organinteresses am Verbandsinteresse wird durch diese Differenzierung nicht obsolet. Vielmehr belegt sie den Status, der durch die Verletzung des allgemeinen innerorganisatorischen Störungsverbots entstehenden Rechte als subjektive Rechte der Organe301.

V. Erkenntnisse für die weitere Betrachtung Nach alldem handelt es sich um ein Organ des Verbandes, wenn es durch Satzung oder Gesetz als Träger organisatorischer Kompetenzen innerhalb eines Verbandes eingegliedert ist und selbständig, aber nicht notwendigerweise weisungsunabhängig, tätig wird. Die Existenz des Organs ist an die Existenz des Verbandes geknüpft, sofern das Gesetz keine Ausnahmen vorsieht oder es sich um das Verhältnis des VorVerbandes zum Verband „als solchen“ handelt, da die Organe des Vor-Verbandes 297

Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 724 f. Siehe dazu ausführlich zur Qualifizierung der Organrechte als subjektive Rechte § 21 C.III.3. sowie für die Aktiengesellschaft § 22 C.V.3. 299 Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 724 f. 300 In diesem Sinne auch Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 724. 301 Dazu § 21 C. 298

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identitätswahrend übergehen. Ob das Organ rechtsfähig ist, wird an anderer Stelle erörtert werden und bleibt vorliegend außen vor302. Aus funktioneller Perspektive handeln Organe für den Verband. Ihr Handeln wird dem Verband zugerechnet. Obwohl dabei das unmittelbare Handeln nach außen eine der Hauptfunktionen der Leitungsorgane darstellt, ist es kein notwendiges Funktionsmerkmal eines Organs, da etwa die Hauptversammlung als Willensbildungsorgan der Aktiengesellschaft ihre Organfunktion nur innerhalb des Verbandes wahrnimmt, aber man keine Zweifel daran hegt, dass die Hauptversammlung kein Organ der Aktiengesellschaft darstellt. Innerhalb des Verbandes erfolgt das Organhandeln sowohl durch unmittelbare als auch nur mittelbare Einflussnahme. Mehrstufige Entscheidungsprozesse spielen innerhalb eines privatrechtlichen Verbandes eine erhebliche Rolle. Daraus folgt jedoch nicht, dass der einzelne Gesellschafter als Mitglied des Willensbildungsorgans ebenfalls ein Organ darstellt, wenn er an dem Zustandekommen von Beschlüssen beteiligt ist. Sein organschaftliches Mitspracheund Teilhaberecht tritt dann zurück, wenn ihm bereits aus seiner Mitgliedschaft, ein Mitwirkungsrecht zusteht. Ebenfalls als Organhandeln anzusehen ist die Änderung der Satzung durch das Willensbildungsorgan. Hier wirken die Aktionäre als dessen Mitglieder an der Änderung der Satzung mit und sind nicht als außenstehende Dritte anzusehen. Handeln Organe für den Verband, haben sie dabei auch nur dessen Interessen zu beachten. Partikularinteressen von Gruppen oder Dritten sind bei der Entscheidungsfindung mit zu berücksichtigen, treten aber zurück, wenn sie dem Verbandsinteresse zuwiderlaufen. Zwar gilt dies auch im Grundsatz für die Mitgliederversammlung als Willensbildungsorgan. Jedoch handelt es sich bei dieser nicht – wie beim Leitungs- und Überwachungsorgan – um ein treuhänderisch agierendes Organ. Die Mitglieder des Willensbildungsorgans sind vor allem auch Mitglieder des Verbandes und können den Gesellschaftszweck ändern und damit vorgeben, was dem Verbandsinteresse entspricht. Dritte können nur durch die Ausübung von Funktionen als Mitglieder fakultativer Organe Einfluss auf den Verband nehmen. Dabei haben sie jedoch – da ein materieller Organbegriff vorherrscht – als Angehörige des Organs ihr Handeln am Interesse des Verbandes auszurichten. Das Handeln im Interesse des Verbandes schließt allerdings nicht aus, dass Organe bei ihrer Entscheidung in einem organfunktionsspezifischen Eigeninteresse – dem sog. Organinteresse – handeln. Liegt ein Handeln im Interesse des Verbandes vor, ist zugleich ein Handeln im Interesse des Organs gegeben. Organ- und Verbandsinteresse unterscheiden sich jedoch in der Gewichtung ihres Betroffenseins: Das Verbandsinteresse ist berührt, wenn ein Organ die Kompetenz eines anderen Organs verletzt, sodass das allgemeine innerorganisatorsiche Störungsverbot verletzt wird und diese Verletzung in einem solchen Maße erfolgt, dass besondere Belange des Verbandes berührt werden wie die Existenz des Verbandes und vermögensrechtliche Aspekte. Das Organinteresse ist jedoch nur betroffen, wenn die Kompe302

Dazu § 21 C.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

tenzverletzung zur Verletzung des innerorganschaftlichen Störungsverbots führt. In diesem Fall hat das Organ einen Ermessenspielraum, ob es gegen die Verletzung vorgeht.

C. Der Organbegriff der Aktiengesellschaft I. Die Übertragbarkeit des Gesagten auf die Aktiengesellschaft 1. Allgemeines Anhand dieser umfassenden Analyse kann abgeleitet werden, welche Institutionen als Organe der Aktiengesellschaft anzusehen sind und damit zugleich als Beteiligte für einen Organstreit in Betracht kommen können. Bereits aufgezeigt wurde, dass das allgemeine Verbandsrecht größere Freiheiten in seiner Organisation kennt, als das Aktienrecht der Aktiengesellschaft zugesteht. Jedoch gibt es vor allem im Aktienrecht Institutionen, deren rechtliche Einordnung schwierig ist. So ist umstritten, ob der Abschlussprüfer, der Insolvenzverwalter, der besondere Vertreter nach § 147 AktG und die herrschende (bei der abhängigen) oder die abhängige (bei der beherrschenden) Gesellschaft Organe im institutionell-funktionellen Sinne darstellen. 2. Die Aktiengesellschaft als Verband und Organisation Die Aktiengesellschaft ist eine organisatorische Einheit im Sinne eines Verbandes und stellt damit eine juristische Person dar. Entscheidendes Merkmal ist der korporationsrechtliche Charakter, der die Aktiengesellschaft von Personengesellschaften unterscheidet303. Wie schon erwähnt wurde, ist die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft festgeschrieben und wegen der in § 23 Abs. 5 AktG festgelegten sog. Satzungsstrenge nicht abänderbar. Folglich sind ohne weiteres die Organtrias, bestehend aus Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung, als Organe der Aktiengesellschaft anzuerkennen. Im Gegensatz zum Vereins- oder GmbH-Recht ist es dagegen nicht möglich, fakultativ Organe zu schaffen und in die Organisationsverfassung im Wege einer entsprechenden Satzungsänderung zu integrieren304. Auf schuldrechtlicher Grundlage beruhende Beratergremien sind hingegen auch im Recht der Aktiengesellschaft zulässig. Sie nehmen jedoch keine organschaftliche Stellung innerhalb des Verbandes ein305. 303

Siehe zu den Unterscheidungsmerkmalen K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 3 I 2, S. 46; Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, § 2 Rn. 2. 304 Siehe dazu bereits § 8 B.I.2.c)bb). 305 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 95 Rn. 47; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 23 Rn. 38; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 23 Rn. 57; Vedder, in: Grigoleit, AktG, § 23

§ 8 Der Organbegriff

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3. Vorstand, Aufsichtsrat als verbandsrechtliche Organe der Aktiengesellschaft Vorstand und Aufsichtsrat sind treuhänderische Organe der Aktiengesellschaft. Jedwedes Handeln, ob innerhalb des Verbandes oder gegenüber Dritten, muss im Interesse der Aktiengesellschaft („Unternehmensinteresse“) erfolgen. Wie festgestellt wurde, sind Partikularinteressen innerhalb der Entscheidungsfindung nicht alleinig zu berücksichtigen, sondern müssen mit dem Unternehmensinteresse im Einklang stehen. Widersprechen Partikularinteressen dem Unternehmensinteresse, so haben sie Letzterem zu weichen. Organhandeln erfasst sowohl unmittelbare als auch mittelbare Ausführungen. Vorstand als auch Aufsichtsrat sind Organe im Sinne eines institutionell-funktionellen Organbegriffs. Allerdings gilt im Aktienrecht ebenfalls das bereits zum allgemeinen Verbandsrecht Ausgeführte306 : Aufsichtsrat und Vorstand haben ihr Handeln am Interesse des Unternehmens auszurichten. Handeln sie im Unternehmensinteresse, so handeln sie zugleich in einem funktionsspezifischen Organinteresse. Im organisationsinternen Organhandeln können Maßnahmen das Interesse eines Organs betreffen, ohne dass dabei das Unternehmensinteresse berührt wird307. Ein Widerspruch zum Unternehmensinteresse ist damit nicht möglich. 4. Die Hauptversammlung als Willensbildungsorgan der Aktiengesellschaft – Notwendigkeit einer besonderen Betrachtung Gleiches gilt im Grundsatz für die Hauptversammlung als Willensbildungsorgan. Sie hat bei Entscheidungen das Wohl des Unternehmens als Leitmotiv heranzuziehen. Als Besonderheit ist der Hauptversammlung jedoch zu Eigen, dass sie durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss die Satzung und damit den Gesellschaftszweck ändern kann und dadurch maßgeblichen Einfluss hat, was als Unternehmensinteresse anzusehen ist. Hier zeigt sich die Doppelnatur der Hauptversammlung: Die Aktionäre agieren nicht nur als Organmitglieder des Organs Hauptversammlung, sondern zugleich als Mitglieder des Unternehmens selbst. Bei der Ausübung ihrer mitgliedschaftlichen Befugnisse sind die Aktionäre berechtigt, ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Allein die Treubindung auf das Gemeinwohl stellt hierbei die Grenze dar.

Rn. 39; Körber, in: Bürgers/Körber, AktG; § 23 Rn. 43; Limmer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 23 Rn. 30. 306 Siehe dazu bereits § 8 B.IV. 307 Siehe dazu Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 724 f.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

5. Ausschüsse, „Gruppen“ und andere Organteile Ausschüsse nach § 107 Abs. 3 AktG als auch vom Gesetz besonders hervorgehobene „Gruppen“ (wie die von § 96 Abs. 2 AktG erwähnten „Seiten“, die die Anteilseigner- als auch die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat bezeichnen) stellen keine Organe, sondern bloße Organteile dar308. Das Aktiengesetz sieht für den Aufsichtsrat nach § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG vor, dass dieser aus seiner Mitte einen oder mehrere Ausschüsse bestellen kann, namentlich, um seine Verhandlungen und Beschlüsse vorzubereiten oder die Ausführung seiner Beschlüsse zu überwachen. Ausschüsse sind Organteile des Aufsichtsrats, da sie sich aus den Mitgliedern zusammensetzen, eine eigene Leitungsstruktur besitzen und vor allem Entscheidungen des Aufsichtsrats vorbereiten oder an dessen Stelle ausführen309. Demnach stellen sie ein Unterorgan dar. Gleiches gilt für den Aufsichtsratsvorsitzenden, dem das Gesetz nach § 107 Abs. 1 AktG eine gewisse Sonderstellung gegenüber anderen Aufsichtsratsmitgliedern einräumt, ohne ihn in die Stellung eines Organs der Gesellschaft zu heben310. Die Besonderheit von Ausschuss als auch dem Aufsichtsratsvorsitzenden liegt allerdings in der Abhängigkeit vom Gesamtaufsichtsrat. So kann der Aufsichtsrat ohne jegliche Begründung den Ausschuss auflösen oder Entscheidungen an sich ziehen311. Nichts anderes gilt grundsätzlich für den Aufsichtsratsvorsitzenden: Dieser wird aus der Mitte des Aufsichtsrats nach § 107 Abs. 1 AktG gewählt und kann diese Stellung ebenfalls durch Abwahl verlieren312. Seine Rechtsstellung ist sehr schwach ausgestaltet, was durch den Umstand belegt wird, dass selbst eine zu Unrecht erfolgte Abberufung Wirksamkeit entfaltet313. Etwas schwieriger ist die Beantwortung der Frage, ob innerhalb des Aufsichtsrats Zusammenschlüsse von Mitgliedern existieren, die am Willensbildungsprozess teilhaben, aber selbst keine Organfunktion ausüben, demnach ähnlich wie Fraktionen 308

Zu der Differenzierung siehe bereits oben § 2 G. sowie § 6. Siehe zum Unterorgan § 6. 310 Siehe zur Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden bereits oben § 2 A.II.3.; sowie Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 107 Rn. 38; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 44; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 107 Rn. 63; den Aufsichtsratsvorsitzenden als Organ einordnend hingegen Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1983, S. 214; ders., ZGR 1987, 545, 552; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 60 f. 311 OLG Hamburg AG 1996, 84, 85; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 747; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 107 Rn. 41; HoffmannBecking, in: MünchHdb. GesR IV, § 32 Rn. 4; Koch, in Hüffer/Koch, AktG, § 107 Rn. 27; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 94; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 107 Rn. 95 f.; a.A. Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, 1986, S. 82 ff. 312 Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 30 f.; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 107 Rn. 17. 313 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm. AktG, § 107 Rn. 35; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG § 107 Rn. 56; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 32. 309

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im öffentlichen Recht als sog. Teilorgane im Aufsichtsrat agieren. Zwar ist jedes Aufsichtsratsmitglied mit den gleichen Rechten und Pflichten ausgestattet und daran gehalten, im Interesse des Unternehmens diese Aufgabe wahrzunehmen. Jedoch setzt sich ein mitbestimmter Aufsichtsrat sowohl aus Vertretern der Anteilseigner, als auch aus Vertretern der Arbeitnehmer314 zusammen, die verschiedene Partikularinteressen in das Gremium einbringen315 und in formeller Hinsicht nach unterschiedlichen Verfahren gewählt werden. Im Aufsichtsrat stoßen damit verschiedene Interessengruppen aufeinander, die trotz dieses Konflikts im Interesse des Unternehmens zu handeln haben. Demnach sind zumindest faktisch im Aufsichtsrat verschiedene „Gruppen“ bzw. „Bänke“ vertreten. Nun stellt sich die Frage, ob an diese Zugehörigkeit auch rechtliche Befugnisse geknüpft sind. Da grundsätzlich jedes Organmitglied die gleiche Stellung innehat und damit weder bevorzugt, noch benachteiligt werden darf, wenn es um die Wahrnehmung seiner Aufgaben geht, kann die Zugehörigkeit zu einer Gruppe allein grundsätzlich keine Bedeutung für die rechtliche Einordnung haben316. Bis zum Jahr 2015 befand sich allein in § 124 Abs. 3 Satz 5 AktG 2009 eine Regelung, wonach die jeweilige Gruppe Wahlvorschläge für die zu vergebenden Aufsichtsratsposten abliefern sollte. Eine über diese formale Bestimmung hinausgehende Kompetenzzuweisung des Gesetzes an die Gruppe selbst existierte nicht und wurde auch von Rechtsprechung und Literatur nicht anerkannt317. Im Gegensatz zum öffentlichen Recht ist es auch nicht üblich, den Gruppen per Satzung oder per Geschäftsordnung bestimmte Rechte zuzugestehen. Eine solche Möglichkeit ist mit § 23 Abs. 5 AktG nicht zu vereinbaren. Mit Einführung der gesetzlichen Geschlechterquote für den Aufsichtsrat in § 96 Abs. 2 AktG hat die Frage über die rechtliche Beurteilung der dem Aufsichtsrat angehörenden Gruppen eine unverhoffte Aktualität erfahren318. Dies ist auf das Verfahren über die Geltung der Quote im Aufsichtsrat zurückzuführen. So ist zwar grundsätzlich die Mindestquote vom Gesamtorgan zu erfüllen, § 96 Abs. 2 Satz 2 AktG. Jedoch gilt die Erfüllung der Quote für jedwede Seite, wenn eine Seite vor der Wahl zur Gesamterfüllung gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden auf Grund eines mit Mehrheit gefassten Beschlusses widerspricht, § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG319. Diese Bestimmung räumt den Gruppen gestaltende Befugnisse ein, die Auswirkungen auf die interne Organisation des Aufsichtsrats haben. Trotz der grundsätz314

Zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats siehe Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 96 Rn. 2 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 96 Rn. 2. 315 Zu diesen siehe bereits § 2 B.I. 316 BGHZ 83, 106 – Siemens; zudem ausdrücklich im Hinblick auf Organrechte BGHZ 106, 54 – Opel: Ein Klagerecht ergebe sich weder aus aktienrechtlichen noch mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften. 317 Siehe zum sog. „Repräsentationsinteresse“ BGHZ 106, 54 – Opel; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 285 f.; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 142 f. 318 Siehe Grobe, AG 2015, 291 ff.; Seibt, ZIP 2015, 1193, 1197. 319 Dazu Grobe, AG 2015, 289, 291 ff.; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 96 Rn. 43 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 96 Rn. 15 f.

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lichen Orientierung am Unternehmensinteresse führt die Widerspruchsmöglichkeit dazu, dass zwischen den Gruppen Konflikte geschürt werden können. Erkennt eine Seite, dass die andere Seite nicht oder nur mit schweren Mittel die Mindestquote erfüllen kann, wird sie diese Schwachstelle ausnutzen. Denn sollte es der anderen Seite nicht gelingen, einen Kandidaten zu finden, der dem unterrepräsentierten Geschlecht entspricht, greift das „scharfe Schwert“ der Nichtigkeit der Wahl (§ 96 Abs. 2 Satz 6 AktG)320, sodass die Mehrheitsverhältnisse in erheblicher Weise berührt werden. Damit nimmt die Gruppe zumindest mittelbar Einfluss auf die Willensbildung innerhalb des Organs. Interessant ist darüber hinaus die Konstitution der Gruppe. So sieht § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG vor, dass der Widerspruch einen mit Mehrheit gefassten Beschluss der Gruppe/Seite voraussetzt. Damit wird sowohl die Seite der Anteilseigner-, als auch die der Arbeitnehmervertreter institutionalisiert. Es handelt sich folglich um ein Teilorgan321 des Aufsichtsrats, das im Hinblick auf die Berücksichtigung der Geschlechterquote im Rahmen der Zusammensetzung des Aufsichtsrats mit eigenen Befugnissen ausgestattet ist. 6. Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder Sowohl die Mitglieder des Vorstands als auch die des Aufsichtsrats stellen selbst keine Organe dar. Etwas anderes kann man nur für den Fall annehmen, wenn dem Vorstand nur eine Person angehört und der Organwalter zugleich das Organ darstellt und für dieses handelt.

II. Die weite Interpretation des verbandsrechtlichen Organbegriffs 1. Die Folgen eines zu weiten Organbegriffs Im Schrifttum wird der institutionell-funktionelle Organbegriff teilweise sehr weit verstanden, sodass neben den vom Aktiengesetz vorgesehenen Organtrias auch weitere Institutionen als Organe angesehen werden322. Sogar der BGH hat in früheren Entscheidungen den Abschlussprüfer als Organ der Gesellschaft angesehen323. Offen ist weiterhin allerdings, ob der besondere Vertreter nach § 147 AktG, der Insolvenzverwalter und das herrschende oder das abhängige Unternehmen bei verbundenen Gesellschaften ein Organ nach dem institutionell-funktionellen Organbegriff darstellen. 320

Vgl. Grobe, AG 2015, 289, 291. So bereits Grobe, AG 2015, 289, 291 ff.; zustimmend Seibt, ZIP 2015, 1193, 1197; nicht überzeugend hingegen Herb, DB 2015, 964, 965, die von einem „Quasi-Gremium“ spricht. 322 So insbesondere Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007 für den Insolvenzverwalter, S. 202 ff. und den besonderen Vertreter, S. 31. 323 BGHZ 16, 17; BGHZ 76, 338. 321

§ 8 Der Organbegriff

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2. Der Abschlussprüfer als Organ der Aktiengesellschaft Ob der Abschlussprüfer ein Organ der Aktiengesellschaft ist, kann durch die Heranziehung der oben ausgearbeiteten Merkmale entschieden werden. Der BGH bejahte in zwei früheren Entscheidungen seine Organeigenschaft324. In der ersten Entscheidung stellte er darauf ab, dass der Abschlussprüfer verpflichtet gewesen sei, den Vorstand über die Bedrohlichkeit der Lage zu informieren. Die Organstellung resultiere hier aus der Informationspflicht. Überdies sei der Abschlussprüfer in die Organisation der Gesellschaft eingegliedert und übe seine Aufgabe unabhängig von Vorstand, Aufsichtsrat oder Hauptversammlung aus325. In einer späteren Entscheidung sprach der BGH davon, dass der Abschlussprüfer eine „Stellung wie ein Organ“habe326. Hinsichtlich der Funktionsbeschreibung heißt es, dass er „eine Arbeit leiste, die an sich der Aufsichtsrat leisten müsse, aber nicht leisten könne“327. Aus alledem folgert der BGH, dass der Abschlussprüfer ein Organ der Gesellschaft sei und aus diesem besonderen Vertrauensverhältnis eine Treupflicht gegenüber der Gesellschaft begründet werde, die im konkreten Fall durch die nicht erfolgte Information verletzt wurde328. Nachdem das frühere Schrifttum dieser Bewertung überwiegend zustimmte329, hat sich das Meinungsbild erheblich gewandelt. Die Mehrheit verneint die Organeigenschaft des Abschlussprüfers330 und auch der BGH hat in jüngeren Entscheidungen den Abschlussprüfer nicht mehr als Organ der Gesellschaft bezeichnet331. Während die Ausführungen des BGH zu den Organmerkmalen sehr spärlich ausfallen, sind die Betrachtungen aus dem Schrifttum ergiebiger332. Zunächst könnte man im Hinblick auf die Organeigenschaft auf den Errichtungsakt abstellen: Das Gesetz sieht die Bestellung des ersten Abschlussprüfers nach § 30 Abs. 1 AktG durch die Gründer vor. Allerdings darf aus dem Umstand, dass daneben sowohl Aufsichtsrat und Vorstand bestellt werden, obwohl die Gesellschaft als solche (§ 14 324

BGHZ 16, 17; BGHZ 76, 338. BGHZ 16, 17, 25. 326 BGHZ 76, 338, 342. 327 BGHZ 16, 17 = BGH NJW 1955, 499. 328 BGHZ 16, 17 = BGH NJW 1955, 499. 329 Vgl. Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, S. 318, 332 f.; Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2123; Ulmer, in: Staub, HGB, § 114 HGB Rn. 16. 330 Ebke, Wirtschaftsprüfer und Dritthaftung, 1983, S. 14; Doralt, Haftung der Abschlussprüfer, 2005, S. 58; Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 143 f.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, 2006, Rn. 323; Herfs, Willensbildungsprozess der GmbH, S. 70 f.; Mai, Abschlussprüfer, S. 211 ff. m.w.N.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 214 ff. 331 Darauf hinweisend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 215. 332 Vgl. insbesondere die Auseinandersetzung bei Mai, Abschlussprüfer, S. 211 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 214 ff.; Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 143 f. 325

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

AktG) noch nicht besteht, nicht gefolgert werden, dass dem Abschlussprüfer bereits hieraus eine organgleiche Stellung zugedacht wird. Die Bestellung durch die Gründer hat vielmehr Praktikabilitätsgründe, da ansonsten bereits nach Eintragung der Gesellschaft eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen werden müsste, um den Abschlussprüfer zu bestellen333. Die fehlende Bestellung stellt auch kein Eintragungshindernis für die Aktiengesellschaft dar334. Der Errichtungsvorgang bietet damit keine Anhaltspunkte für die Einordnung als Organ. Umstritten ist, ob der Abschlussprüfer als in die Gesellschaft eingegliedert angesehen werden kann. Während eine Ansicht allein eine schuldrechtliche Verbindung annimmt335, gehen andere von einem, neben dem schuldrechtlichen Vertrag bestehenden, korporationsrechtlichen Bestellungsverhältnis aus336. Für ein Eingegliedertsein in den Verband spricht die rechtsformübergreifende Regelung der §§ 316 ff. HGB. Sowohl im Aktien-, GmbH- als auch Personengesellschaftsrecht handelt es sich bei der Bestellung des Abschlussprüfers um einen Akt, der allein von den Gesellschaftern bzw. dem Willensbildungsorgan ausgeübt werden darf. Demnach handelt es sich bei der Bestellung um eine grundsätzliche Maßnahme, die sowohl die Struktur als auch die Organisation der Gesellschaft betrifft337. Für die Stellung als Organ wird zudem der Auskunftsanspruch nach § 320 Abs. 2 HGB zu Felde geführt, der den Abschlussprüfer berechtigt, Aufklärung und Nachweise von Vorstand und Aufsichtsrat zu verlangen, um eine sorgfältige Prüfung durchführen zu können338. Allerdings erfolgt die Erteilung des Prüfauftrags selbst nach § 318 Abs. 1 Satz 4 HGB durch den gesetzlichen Vertreter, bzw. bei der Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat, § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG. Dies spricht wiederum gegen eine organschaftliche Stellung. Auch Lutter will dem Abschlussprüfer eher die Rolle eines unabhängigen Dritten zugestehen, der gerade nicht in den Verband eingebunden ist und dem gegenüber die Organmitglieder Stillschweigen zu bewahren haben339. Diese Gedanken sind grundsätzlich nachvollziehbar, jedoch sind sie auf der funktionalen Seite anzusiedeln, wo es von Relevanz ist, in welchem Interesse das Handeln des Abschlussprüfers zu erfolgen hat. Dass der Abschlussprüfer in den Verband auf eine gewisse Art integriert ist, kann nicht geleugnet werden. 333 Siehe RegBegr. bei Kropff, S. 51 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 30 AktG Rn. 10; Wardenbach, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 30 Rn. 12. 334 Vgl. auch Wardenbach, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 30 Rn. 12. 335 Ebke, in: MünchKomm. HGB, § 316 Rn. 30 ff. 336 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 473; Mai, Abschlussprüfer, S. 230 ff., 239 f.; Mößle, Abschlussprüfer und Corporate Governance, 2003, S. 103 ff.; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 AktG Rn. 453 f. 337 Vgl. BGHZ 16, 17, 25. 338 So BGHZ 16, 17, 25; ablehnend auch Lutter, Information und Vetraulichkeit, 2006, Rn. 467; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 218. 339 Lutter, Information und Vertraulichkeit, 2006, Rn. 467.

§ 8 Der Organbegriff

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Es stellt sich damit die Frage, ob der Abschlussprüfer in funktioneller Hinsicht wie ein Organ handelt. Hier nimmt er Aufgaben wahr, die grundsätzlich die Überwachung der Gesellschaft betreffen. Der durch das KonTraG eingeführte § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG bestärkt dieses Funktionsverständnis als „Gehilfe des Aufsichtsrats“340 tätig zu sein. Nicht ohnehin spricht der BGH bei der Tätigkeit des Abschlussprüfers von einer zu leistenden „Arbeit […], die an sich der Aufsichtsrat leisten müsse, aber nicht leisten könne“341.

Man könnte folglich davon ausgehen, dass die Prüfung allein dem Interesse der Gesellschaft dient. Jedoch bleibt dabei völlig unberücksichtigt, warum der Gesetzgeber 1931 den Abschlussprüfer dem Aufsichtsrat zur Seite gestellt hat. Die Einführung der Pflichtprüfung war eine Reaktion auf das Versagen der Aufsichtsräte bei den in der Wirtschaftskrise der 1920er Jahre auftretenden Unternehmenspleiten342. In den letzten Jahren wurde der Aufgabenkreis des Abschlussprüfers erheblich erweitert. Ausgehend von einem bloßen „financial audit“, das sich auf eine vergangenheitsbezogene Analyse bezog, hat sich die Prüfung seit Geltung des KonTraG zu einem „business audit“ gewandelt, das neben der Rechnungslegung, interne Prozesse, die Geschäftslage und potentielle Risiken einbezieht343. Hinzu tritt bei börsennotierten Gesellschaften die Pflicht, inwiefern das nach § 91 Abs. 2 AktG eingerichtete Frühwarnsystem geeignet und funktionsfähig ist344. Zuletzt wurden mit Änderung der Abschlussprüferrichtlinie, Verabschiedung einer AbschlussprüferVO und der Schaffung eines Abschlussprüfungsreformgesetz weitere Schritte gemacht, die sowohl zur besseren Transparenz der Abschlussprüfung beitragen als auch unmittelbare Auswirkung auf den Pflichtenkreis des Aufsichtsrats haben345. Inwiefern dadurch die Delegationsmöglichkeit an den Prüfungsausschuss berührt ist, ist im Schrifttum umstritten346. 340 So ursprünglich Schmölder, JW 1930, 2623, 2625; die RegBegr. BT-Drs. 13/9712 S. 16 spricht davon, dass der Abschlussprüfer den Aufsichtsrat zu unterstützen hat; dazu auch Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 25; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 90; Velte, AG 2009, 102 ff. 341 BGHZ 16, 17, 25. 342 Ausführlich dazu unten § 12 D.II. sowie zuvor bereits Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 319 ff.; Habersack, in. Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band 2, Kap. 16 Rn. 9 ff. 343 Habersack, in. Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band 2, Kap. 16 Rn. 32; Mattheus, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, 2. Aufl., S. 563 ff., 584; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 220. 344 Mattheus, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb Corporate Governance, 2. Aufl., S. 588; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 220; Hopt/Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 317 Rn. 10; Kort, in: Großkomm. AktG, § 91 Rn. 24; Habersack/ Schürnbrand, in: Staub, HGB, 5. Aufl., § 317 Rn. 31; für eine Zweckmäßigkeitskontrolle im Rahmen der Prüfung sogar Zimmer, in: Staub, HGB, 4. Auf., § 317 Rn. 35. 345 Gesetz v. 10. 5. 2016, BGBl. I 2016, 1142. 346 Siehe dazu Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 40 sowie Koch, in: Hüffer/ Koch, AktG, § 111 Rn. 27.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

Die damit vorgenommenen Änderungen durch Richtlinien- und Verordnungsgeber im Abschlussprüferrecht kommen nicht allein den Interessen der Gesellschaft zugute. Die Maßnahmen sind vielmehr Reaktionen auf Verfehlungen, die in den letzten Jahren durch Missbrauch bei Bilanzierungen aufgetreten sind. Damit wird zudem deutlich, dass der Abschlussprüfer durch seine Abgabe des Bestätigungsvermerks vor allem im öffentlichen Interesse handelt347. Verstärkt wird dies durch den Erwägungsgrund 9 der Abschlussprüfer-RL348 sowie den Erwägungsgrund 1 der AbschlussprüferVO349, wonach die Funktion für das öffentliche Interesse zu handeln aus der Tatsache erwächst, „dass ein breiter Kreis von Personen und Einrichtungen sich auf die Qualität seiner [des Abschlussprüfers] Arbeit verlässt. Eine gute Prüfungsqualität trägt zum ordnungsgemäßen Funktionieren der Märkte bei, indem die Integrität und Effizienz der Abschlüsse erhöht wird.“

Der Abschlussprüfer übt damit eine Garantiefunktion aus, indem er als neutraler Sachverständiger tätig wird und damit für eine zuverlässige und glaubwürdige Rechnungslegung steht. Damit dies gewährleistet werden kann, stellt das Gesetz besondere Hürden an eine qualitativ hochwertige, unabhängige und weisungsfreie Berufsausübung350. Diese Aspekte haben auch in der Abschlussprüferrichtlinie und dem Abschlussprüferreformgesetz Anklang gefunden. Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass die unabhängige Prüfung natürlich auch Vorteile für die Gesellschaft mit sich bringt. Jedoch ist dies nicht das zentrale Anliegen des Gesetzgebers351. Dafür sprechen im Übrigen noch andere Aspekte: Würde man die Organeigenschaft bejahen, würde auch die Haftung nach § 31 BGB analog greifen. Dass jedoch ein Institut, das die Prüfung losgelöst vom Verbandszweck ausübt, einer Haftung nach § 31 BGB analog ausgesetzt sein soll, kann nicht überzeugen352. Folglich steht nicht das Interesse der Gesellschaft im Mittelpunkt, sondern vielmehr das öffentliche Interesse an einer korrekt durchgeführten Prüfung. Damit gilt der Abschlussprüfer zwar als ein in der Gesellschaft institutionalisiertes In347 So bereits Ebke, Wirtschaftsprüfer und Dritthaftung, 1983, S. 14; Doralt, Haftung der Abschlussprüfer, 2005, S. 58; Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 143 f.; Lutter, Information und Vertraulichkeit, 2006, Rn. 323; Herfs, Willensbildungsprozess der GmbH, S. 70 f.; Mai, Abschlussprüfer, S. 211 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 221. 348 RL 2006/43/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006. 349 VO (EU) Nr. 537/2014 des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014. 350 Dazu Ring, Wpg 2005, 197. 351 Vgl. dazu Koch, DK 2005, 723, 726; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 221. 352 Ebenfalls trotz Annahme einer Organstellung die Anwendung von § 31 BGB verneinend BGHZ 16, 17, 25; im Ergebnis ebenso Mai, Abschlussprüfer, S. 195 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 222; Baumbach/Hueck, AktG, 12. Auflage, 1965, § 163 Rn. 4.

§ 8 Der Organbegriff

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strument, jedoch fehlt ihm das für ein Gesellschaftsorgan erforderliche Merkmal, im Interesse der Gesellschaft zu handeln. Mithin ist er kein Organ der Gesellschaft. 3. Der besondere Vertreter als Organ der Aktiengesellschaft a) Grundsätzliches zu § 147 AktG Grundsätzlich steht es der Hauptversammlung nach § 147 Abs. 1 AktG zu, Aufsichtsrat und/oder Vorstand zu verpflichten, gegen die in § 147 Abs. 1 AktG benannten Personen, etwaig bestehende Ansprüche der Gesellschaft geltend zu machen. Erforderlich dafür ist ein Hauptversammlungsbeschluss mit einfacher Mehrheit. Diese Befugnis kann als „Überbleibsel“ eines Verständnisses angesehen werden, das die Hauptversammlung als „Machtorgan“ der Aktiengesellschaft sah353. Grundsätzlich stehen damit der Hauptversammlung als Willensbildungsorgan der Gesellschaft Einwirkungsbefugnisse zur Verfügung, die Einfluss auf die Entscheidungshoheit von Vorstand und Aufsichtsrat nehmen. § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG sieht zudem vor, dass ein von der Hauptversammlung bestellter Vertreter (sog. besonderer Vertreter), die Ansprüche anstelle von Vorstand und Aufsichtsrat geltend machen kann. Nach § 147 Abs. 2 Satz 2 AktG steht es dem Gericht zu, auf Antrag von Aktionären, deren Anteile zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von einer Million Euro erreichen, als Vertreter der Gesellschaft zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs andere als die nach den §§ 78, 112 oder nach Satz 1 zur Vertretung der Gesellschaft berufenen Personen zu bestellen, wenn ihm dies für eine gehörige Geltendmachung zweckmäßig erscheint. b) Der Meinungsstand zur rechtlichen Qualifizierung des besonderen Vertreters Nun stellt sich jedoch die Frage, ob der besondere Vertreter – mag er durch Hauptversammlungsbeschluss oder durch Gericht eingesetzt worden sein – ein Organ der Gesellschaft darstellt. Einen Hinweis für die Beantwortung der Frage gibt das Maß der Einbindung des besonderen Vertreters in die Aktiengesellschaft. Sowohl Rechtsprechung354 als auch Literatur355 haben sich in den letzten Jahren ausgiebig mit der Figur des besonderen Vertreters auseinandergesetzt. Die vor-

353

Siehe dazu § 11 B. Zuletzt BGH AG 2015, 564; BGH ZIP 2013, 1467; BGH ZIP 2011, 2195; BGH NJW 1981, 1097, 1098; OLG München ZIP 2008, 73, 79; LG München ZIP 2007, 1809, 1812. 355 Humrich, Besondere Vertreter, S. 115 f.; Bobel, Die Rechtsstellung des besonderen Vertreters nach § 147 AktG, 1999, S. 62; Kling, ZGR 2009, 190, 209 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 31; Semler, AG 2005, 321, 330; Verhoeven, ZIP 2008, 245, 246; Wirth/Pospiech, DB 2008, 2471, 2474; Teichmann, in: FS Mühl, 1981, S. 663, 679; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 112 AktG Rn. 9; Koch, in: Hüffer/Koch, § 147 354

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

herrschende Auffassung bejaht die Organeigenschaft des besonderen Vertreters356. Wird überwiegend bei der Begründung der organschaftlichen Stellung darauf abgestellt, dass der Sondervertreter anstelle von Aufsichtsrat und Vorstand tätig wird und daher als Organ handele357, stellen andere auf die Eigenschaft als Funktionsträger zur Hauptversammlung ab und bejahen aufgrund dieser Sonderverbindung die Organeigenschaft des besonderen Vertreters358, ohne dabei aus der Organstellung bestimmte Rechte oder Stellung innerhalb der Aktiengesellschaft abzuleiten. Andere Stimmen hingegen lehnen die Organstellung des besonderen Vertreters ab. Vielmehr handele er entweder als gesetzlicher359 oder rechtsgeschäftlicher360 Vertreter der Hauptversammlung oder als gesetzlicher Prozessstandschafter361. c) Eigene Bewertung Gegen die Auffassung, die die Organqualität des besonderen Vertreters aufgrund der Wahrnehmung der Funktionen von Vorstand und Aufsichtsrat begründet, spricht bereits das in §§ 142 ff. AktG niedergelegte System zur Verfolgung von Ersatzansprüchen362. Der Hauptversammlung steht die Möglichkeit zur Verfügung, im Wege der Sonderprüfung (und damit aus eigenem Recht) Informationen zur Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses zu beschaffen. Im Anschluss führt die Hauptversammlung einen Beschluss nach § 147 Abs. 1 AktG herbei und verpflichtet dadurch Vorstand bzw. Aufsichtsrat, die entsprechenden Ansprüche geltend zu machen. Bestehen hingegen Bedenken gegen die Verwaltungsorgane, dass der gefasste Beschluss nicht entsprechend ausgeführt wird, kann nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG ein

AktG Rn. 8; M. Arnold, in: MünchKomm. AktG, § 147 AktG Rn. 58 ff.; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 147 AktG Rn. 23. 356 Aus der Rechtsprechung BGH ZIP 2013, 1467; BGH ZIP 2011, 2195; BGH NJW 1981, 1097, 1098; LG München ZIP 2007, 1809, 1812; aus dem Schrifttum Humrich, Besondere Vertreter, S. 115 f.; Bobel, Die Rechtsstellung des besonderen Vertreters nach § 147 AktG, 1999, S. 62; Kling, ZGR 2009, 190, 209 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 31; Semler, AG 2005, 321, 330; Verhoeven, ZIP 2008, 245, 246; kritisch allerdings OLG München ZIP 2008, 73, 79. 357 So BGH NJW 1981, 1097, 1098; LG München ZIP 2007, 1809, 1812; Verhoeven, ZIP 2008, 245, 246; Koch, in: Hüffer/Koch, § 147 AktG Rn. 8. 358 So Humrich, Besondere Vertreter, S. 115 f.; Bobel, Die Rechtsstellung des besonderen Vertreters nach § 147 AktG, 1999, S. 62; Kling, ZGR 2009, 190, 209 ff. 359 G. Wirth, in: FS Hüffer, 2010, S. 1129, 1143 f. 360 A. Wirth/Pospiech, DB 2008, 2471, 2474. 361 Teichmann, in: FS Mühl, 1980, S. 663, 679; ähnlich Westermann, AG 2009, 237, 247; sowie für den auf Antrag einer Minderheit durch das Gericht bestellten Sondervertreter Hopt/ Roth, in: Großkomm. AktG, § 112 Rn. 9. 362 So ebenfalls Humrich, Besondere Vertreter, S. 109; G. Wirth, in: FS Hüffer, 2010, S. 1129, 1144; zuvor bereits Bobel, Die Rechtsstellung der besonderen Vertreter gem. § 147 AktG, 1999, S. 62.

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besonderer Vertreter bestellt werden363. Ebenso sprechen die Unterschiede, die im Hinblick auf die Zusammensetzung und der Bestellung zwischen den Verwaltungsorganen und dem besonderen Vertreter gegeben sind, gegen eine Ableitung der Organeigenschaft364. Zudem übersieht diese Auffassung, dass das Gesetz die Verwaltungsorgane je nach Funktion in unterschiedlichem Ausmaß mit Befugnissen ausgestattet hat. Folglich würden die Befugnisse des Sondervertreters sich danach bestimmen, ob ein Anspruch gegen ein Vorstandsmitglied oder einen anderen in § 147 Abs. 1 AktG genannten Anspruchsgegner richtet365. Damit ist aber noch nicht endgültig darüber beschieden, ob der Sondervertreter als Organ anzusehen ist oder nicht. Denn auch innerhalb derjenigen Stimmen, die eine Funktionsträgereigenschaft des besonderen Vertreters als „verlängerten Arm“ der Hauptversammlung befürworten, sprechen sich einige für366 und andere gegen367 seine Organstellung aus. Es bietet sich daher an, sich die bereits im vorherigen Abschnitt herausgearbeiteten Merkmale für die Bestimmung des institutionellfunktionalen Organbegriffs zunutze zu machen. Nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG kann die Hauptversammlung besondere Vertreter bestellen. Damit obliegt der Hauptversammlung die Kompetenz, einen Funktionsträger innerhalb der Organisation der Aktiengesellschaft zu integrieren368. Da der Errichtungsakt (§ 147 Abs. 2 Satz 1 AktG) vom Gesetz vorgesehen ist und eine Funktionszuweisung durch den Beschluss der Hauptversammlung existiert, der dazu führt, dass in diesem sachlich und zeitlich begrenzten Aufgabenbereich zur Verfolgung des Anspruchs die Zuständigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat verdrängt wird369, ist der besondere Vertreter in die Organisationsverfassung eingegliedert. Bedenken können sich allerdings im Hinblick auf das gewährte Weisungsrecht370 der Hauptversammlung gegenüber dem besonderen Vertreter ergeben. Zwar ist das Merkmal der „Weisungsunabhängigkeit“ grundsätzlich nicht entscheidend für die Bestimmung des verbandsrechtlichen Organbegriffs. Zweifel können aber vorliegend bestehen, wenn man berücksichtigt, dass die aktienrechtliche Organisationsverfassung zwischen den Organen kein „Machtorgan“ vorsieht und dementspre363

Vgl. auch Humrich, Besondere Vertreter, S. 109 f. Humrich, Besondere Vertreter, S. 109. 365 Ebenso Humrich, Besondere Vertreter, S. 109. 366 Bobel, Die Rechtsstellung der besonderen Vertreter gem. § 147 AktG, 1999, S. 62; ihm folgend Humrich, Besondere Vertreter, S. 109 ff. 367 G. Wirth, in: FS Hüffer, S. 1129, 1143 f.; ebenfalls die Organstellung ablehnend Teichmann, in: FS Mühl, 1981, S. 663, 679; A. Wirth/Pospiech, DB 2008, 2471, 2474; für den besonderen Vertreter, der nach § 147 Abs. 2 Satz 2 AktG durch eine Minderheit gerichtlich bestellt wird Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 112 Rn. 9; Westermann, AG 2009, 237, 247; Fabricius, in: GS Gruson, 2009, S. 133, 141 f. 368 Zur Bestellung und zum korporationsrechtlichen Verhältnis zwischen Sondervertreter und Hauptversammlung siehe Humrich, Besondere Vertreter, S. 117 ff. sowie S. 126 ff. 369 Verhoeven, ZIP 2008, 245, 246 f. 370 G. Wirth, in: FS Hüffer, 2010, S. 1129, 1144. 364

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chend keine Weisungsrechte kennt und solche wegen § 23 Abs. 5 AktG auch nicht zulässig sind371. Dies übersehen diejenigen, die den verbandsrechtlichen Organbegriff zwar anwenden, aber die besondere Struktur der Aktiengesellschaft ignorieren372. Aber selbst wenn man das Merkmal der Weisungsunabhängigkeit außer Acht lässt, sprechen andere Gründe auf Seiten der funktionalen Merkmale für die Negierung der Organstellung. Bereits festgestellt wurde, dass der besondere Vertreter durch den Bestellungsakt mit Handlungsbefugnissen für die Verfolgung der betreffenden Ersatzansprüche ausgestattet wird, sodass auf die Rechte und Pflichten von Vorstand und Aufsichtsrat nicht zurückgegriffen werden muss. Er handelt bei Geltendmachung der Ansprüche folglich für die Aktiengesellschaft und vertritt diese, wie es § 147 Abs. 2 Satz 2 AktG anordnet. Das Handeln des besonderen Vertreters ist allerdings nur dann als Handeln eines Organs anzusehen, wenn dieses im Interesse der Aktiengesellschaft erfolgt. Die Verfolgung der Ansprüche ist demnach nur als Organhandeln einzuordnen, wenn es im Interesse der Gesellschaft erfolgt. Ist dies nicht der Fall oder resultiert das Vorgehen des besonderen Vertreters aus anderen Motiven (Partikularinteressen), liegt kein Handeln im Interesse der Gesellschaft vor. Nun führt interessenwidriges Handeln durch Aufsichtsrat und Vorstand nicht dazu, dass ihnen die Organeigenschaft abgesprochen wird, sondern dass sich die Mitglieder gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig handeln und gegebenenfalls schadensersatzpflichtig machen. Beim besonderen Vertreter stellt sich allerdings vordergründig die Frage, ob die Bestellung als auch die Verfolgung der Ansprüche vornehmlich allein im Interesse der Gesellschaft wahrgenommen werden. Bedenken ergeben sich vor allem bei der Bestellung des besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 2 Satz 2 AktG. Hier kann eine Aktionärsminderheit die Bestellung eines besonderen Vertreters bewirken. Der besondere Vertreter ist an den Antrag der Aktionärsminderheit gebunden und handelt vordergründig in deren Interesse, wenn es um die Verfolgung der jeweiligen Ansprüche geht. Es handelt sich um eine Regelung, die allein die Mitgliedschaftsrechte der Minderheitsaktionäre ein besonderes Kontrollmittel an die Hand geben will. Folglich wird der Sondervertreter aufgrund von Drittinteressen (der Aktionäre) tätig. Dass der besondere Vertreter im Namen der Gesellschaft die Ansprüche verfolgt, ändert nichts an der Beurteilung, dass er im Interesse einer Minderheit den Anspruch verfolgt. Wird der Sondervertreter hingegen mit einfacher Mehrheit nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG bestellt, gestaltet sich die Bestimmung seiner Stellung schwieriger. Wie bereits festgestellt wurde, nimmt die Hauptversammlung bei der Orientierung am Gesellschaftsinteresse eine Sonderstellung ein, da sie als Willensbildungsorgan der Aktiengesellschaft unmittelbar Einfluss auf den Gesellschaftszweck hat und damit festlegen kann, was im Gesellschaftsinteresse liegt oder nicht373. Die Interessen 371 372 373

Siehe dazu bereits § 8 B.I.2.c)bb). So etwa Humrich, Besondere Vertreter, S. 116. Siehe zur Sonderstellung der Hauptversammlung § 8 C.I.4. sowie b).

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einzelner Aktionäre oder Aktionärsgruppen sind dabei jeweils nicht von Relevanz374. Entscheidend ist allein, dass ein mit jeweils notwendiger Mehrheit gefasster Beschluss zustande kommt. Grundsätzlich müsste man in einem solchen, durch einfache Mehrheit nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG gefassten Beschluss davon ausgehen, dass sowohl die Bestellung des Sondervertreters und die Funktionsübertragung im Interesse der Gesellschaft liegen. Nach dieser Beurteilung würde es sich folglich im Hinblick auf Bestellung und Verfolgung der Ansprüche um ein Organ der Gesellschaft handeln. Dieses Ergebnis ist aus mehreren Gründen nicht überzeugend. Zunächst erscheint es widersinnig, für die Qualifizierung des besonderen Vertreters als Organ danach zu differenzieren, nach welcher Art und Weise dieser bestellt wurde. Sowohl der Sondervertreter nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG als auch derjenige, der aufgrund von § 147 Abs. 2 Satz 2 AktG zum Sondervertreter bestimmt wurde, verfügt über die gleichen Befugnisse. Überzeugender ist es daher, wenn man die ratio von § 147 AktG heranzieht: Die Pflicht zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen obliegt grundsätzlich und unabhängig von § 147 AktG den Verwaltungsorganen der Aktiengesellschaft; auch wenn man sich dies in der Konstellation schwer vorstellen mag, in der ein Vorstand wegen unzureichender Überwachung durch den Aufsichtsrat Schadensersatzansprüche gegen dessen Mitglieder geltend macht. Dieser Grundsatz bleibt auch bei § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG erhalten. Dieser stellt vielmehr sicher, dass etwaige Ansprüche gegen die in § 147 Abs. 1 AktG benannten Personen auch wirklich verfolgt werden, da den Verwaltungsorganmitgliedern Beurteilungs-, aber auch Ermessensspielräume bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Verfügung stehen. § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG, der es zulässt, dass diese Aufgabe nicht nur von Vorstand und Aufsichtsrat erledigt werden soll, eröffnet den Aktionären die Möglichkeit, als „gemeinschaftlich agierendes Korrektiv“ in diese gängige Organisations- und Zuständigkeitsverfassung einzugreifen. Dieses Eingriffsmittel stellt daher vielmehr einen besonderen Ausfluss der mitgliedschaftlichen Kontrollrechte dar, die die Aktionäre in ihrer Gesamtheit im Rahmen der Hauptversammlung ausüben. Dass es sich bei den Bestimmungen der §§ 142 ff. AktG um besondere mitgliedschaftliche Befugnisse handelt, verdeutlicht auch die in § 148 AktG niedergeschriebene „actio pro socio“, die dem einzelnen Aktionär die Prozessstandschaft unter den gegebenen Voraussetzungen einräumt. Folglich wird der besondere Vertreter als Prozessstandschafter tätig375. Diese Einschätzung wird durch verschiedene Ausführungen einiger „OrganBefürworter“ bestärkt. Denn auch dort wird von einer anderen Qualität von Organ gesprochen, wenn es um die Beurteilung des besonderen Vertreters geht. Den vom BGH vorgenommenen Vergleich, dass es sich um ein Organ „wie Vorstand und 374

Vgl. oben § 8 B.III.3. Ebenso bereits A. Teichmann, in: FS Mühl, 1980, S. 663, 679; ähnlich Westermann, AG 2009, 237, 247; sowie für den auf Antrag einer Minderheit durch das Gericht bestellten Sondervertreter Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 112 Rn. 9. 375

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Aufsichtsrat“ handele376, findet man nur bei denjenigen, die allein an die Rechte und Pflichten der verdrängten Verwaltungsorgane anknüpfen377. Hingegen finden sich Ausführungen, die gewisse Zweifel an der eigenen vertretenen Auffassung aufzeigen. So handele es sich nach Rieckers/J. Vetter beim besonderen Vertreter nicht wie bei Vorstand und Aufsichtsrat um ein „Organ im medizinischen Sinne“, sondern um eine „noch nicht mal dauerhaft benötigte Prothese“378. Nach Humrich handele es sich zwar um ein Organ der Gesellschaft, jedoch würden daraus weder bestimmte Rechte, noch eine besondere Stellung in der Aktiengesellschaft folgen379. Warum man dann jedoch eine Qualifizierung als Organ präferiert, mag nicht überzeugen. Der besondere Vertreter handelt daher nicht als Organ der Gesellschaft, sondern als gesetzlicher Prozessstandschafter380. In diese Richtung scheint auch die von G. Wirth vertretene Auffassung zu zielen, wenn dieser von einer gesetzlichen Vertretungsmacht des besonderen Vertreters spricht381. Nicht überzeugen kann der Ansatz von A. Wirth/Pospiech, wonach die Stellung des besonderen Vertreters mit der des Aufsichtsratsvorsitzenden bei der Anmeldung der Eintragung des Beschlusses über die Erhöhung des Grundkapitals beim Handelsregister zu vergleichen sei382. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist zugleich Mitglied des Aufsichtsrats und dessen Repräsentant. Zwar kann auch ein Aktionär zum besonderen Vertreter bestellt werden, jedoch ist die Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden mit der Position des besonderen Vertreters nicht zu vergleichen, da der Aufsichtsratsvorsitzende qua seiner Stellung direkt einem Organ angehört383. Genährt werden die Zweifel an der Organstellung auch durch Aussagen des BGH in einem Beschluss aus dem Jahr 2015, die er hinsichtlich des Beitritts des Sondervertreters als Nebenintervenient zum Prozess tätigt384. Es handele sich danach zwar um ein Organ, jedoch müsse beim besonderen Vertreter nicht erörtert werden, ob dieser als Organ oder Organmitglied parteifähig sei. Erforderlich sei keine spezielle aktienrechtliche „Interventionsbefugnis“, sondern es genüge, dass der Nebenintervenient als natürliche Person nach § 50 ZPO parteifähig sei und ein rechtliches Interesse geltend machen könne385. Bei Organen, die nur aus einer natürlichen Person bestehen, bedürfe es keiner Unterscheidung, ob ein Organ oder Organmit-

376 377 378 379 380 381 382 383 384 385

BGH NJW 1981, 1097, 1098; LG München ZIP 2007, 1809, 1812. Verhoeven, ZIP 2008, 245, 246; Koch, in: Hüffer/Koch, § 147 AktG Rn. 8. Rieckers/J. Vetter, in: KölnKomm. AktG, 3. Auflage, § 147 Rn. 523. Humrich, Besondere Vertreter, S. 116. So bereits A. Teichmann, in: FS Mühl, 1981, 663, 679 f. G. Wirth, in: FS Hüffer, 2010, S. 1129, 1143 f. A. Wirth/Pospiech, DB 2008, 2471, 2474. Ebenfalls kritisch Humrich, Besondere Vertreter, S. 113. BGH AG 2015, 564. BGH AG 2015, 564.

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glied handelt. Die Frage, ob dem Organ Parteifähigkeit zustehe, sei dagegen bei der Beschlussfassung durch ein mehrköpfiges Organ von Bedeutung386. Die Entscheidung enthielt verschiedene Schwierigkeiten, die den BGH vermutlich zu dieser Differenzierung nach ein- und mehrköpfigen Organen antrieb. Hätte er an die Organstellung als solche angeknüpft, wäre damit eine klare Aussage zur Rechts- und Parteifähigkeit von Organen getroffen worden387. Der BGH hat es jedoch bisweilen vermieden, sich hierzu klar zu positionieren. Da er sich weder für noch gegen Organklagen aussprechen, aber zugleich dem Sondervertreter nicht die Stellung als Organ absprechen wollte, knüpfte er an die Unterscheidung an, ob es sich um ein- oder mehrköpfiges Organ handelte. Im konkreten Fall wäre es vorzugswürdig und überzeugender gewesen, von der Organeigenschaft des besonderen Vertreters Abstand zu nehmen. Richtigerweise handelt der besondere Vertreter als gesetzlicher Prozessstandschafter der Gesellschaft und ist kein Organ von dieser. 4. Der Insolvenzverwalter als Organ der Aktiengesellschaft Welche rechtliche Stellung der Insolvenzverwalter einnimmt, ist seit jeher umstritten388. Nach der herrschenden Meinung handelt er im eigenen Namen als Amtsträger, der pflichtgebunden und damit fremdnützig tätig wird389. Andere – insbesondere K. Schmidt – sehen ihn als organschaftlichen Vertreter des Schuldners, der auch für die Aktiengesellschaft handele390. Dies kann in seiner Gesamtheit nicht überzeugen. Zwar mag man zugestehen, dass mit Einführung der Insolvenzordnung im Jahre 1999 und vor allem der Erweiterung der Sanierungsinstrumente in der Insolvenz, den Aspekt zur Erhaltung und wirtschaftlichen Fortführung der insolventen Gesellschaft in den Vordergrund gerückt hat. Jedoch können auch diese Neuerungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Insolvenzvertreter vorrangig

386

BGH AG 2015, 564. Zu dieser siehe unten § 21 C., § 22 C. sowie § 23. 388 Zum Streitstand siehe Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 282 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 202 ff.; Ott/Vuia, in: MünchKomm. InsO, § 80 InsO Rn. 26 ff.; Sternal, in: K. Schmidt, InsO, § 80 Rn. 17 ff. 389 So die ganz h.M. St. Rspr. seit RGZ 29, 29; zur Rspr. des BGH s. BGHZ 24, 393; BGHZ 32, 114; BGHZ 44, 1; BGHZ 88, 331, 334; BGHZ 100, 346, 351; BGHZ 127, 156; BGH ZInsO 2006, 260; BGH WM 2005, 1084; BVerwG NVwZ 2006, 599 f.; seither z. B. Oetker, Konkursrechtliche Grundbegriffe, S. 25 f., 314 ff.; Weber, KTS 1955, 102, 111; Henckel, ZIP 1991, 133; Stürner, ZZP 94 (1981), 263, 268 ff.; Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 78 ff., 80; Lüke, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 80 Rn. 37; Häsemeyer. Insolvenzrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 15.06 ff. 390 Sog. modifizierte Organtheorie: K. Schmidt, KTS 1984, 345 ff.; ders., Gesellschaftsrecht, § 11 VI 4 b cc, S. 326 ff.; ders., NJW 1995, 911, 912 f.; ders., ZGR 1998, 633, 644 ff.; ebenfalls befürwortend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 202 ff. 387

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

den Interessen der Gläubiger verpflichtet ist und daher nach dem institutionellfunktionellen Organbegriff nicht vorrangig im Interesse der Gesellschaft handelt391. 5. Abhängige und herrschende Gesellschaften als Organe a) Grundlegendes Eine besondere Organ-Konstellation wird im Zusammenhang mit dem Konzernrecht diskutiert. Hier stellt sich die Frage, inwiefern eine abhängige Gesellschaft Einfluss auf die herrschende Gesellschaft ausübt und andersherum die herrschende Gesellschaft Einfluss auf die abhängige. Ansatzpunkte für eine Bestimmung bilden dabei die im Konzernrecht besonders bestehenden Rechte und Pflichten, die sowohl die abhängige als auch die herrschende Gesellschaft treffen. So steht dem herrschenden Unternehmen nach § 308 AktG bei Bestehen eines Beherrschungsvertrags ein Weisungsrecht zu. Diese Einflussnahme wird von Stimmen in der Literatur als organschaftliches Handeln interpretiert392. Andere wollen hingegen auch der abhängigen Gesellschaft eine Organstellung (bei der herrschenden Gesellschaft) zuerkennen393. Zusätzlich muss dabei unterschieden werden, ob zwischen den Gesellschaften ein Beherrschungsvertrag existiert oder nicht. Denn auch für den letzteren Fall des sog. faktischen Konzerns kennt das Gesetz besondere Regelungen, §§ 311 ff. AktG. Anhand der Art der Konzernierung soll nachfolgend die Frage diskutiert werden, inwiefern die Einflussnahme der abhängigen oder herrschenden Gesellschaft als organschaftliches Handeln eingestuft werden kann. b) Die Situation im Vertragskonzern aa) Konzernrechtliche Einflüsse auf die Organisationsverfassung § 15 AktG eröffnet die Möglichkeit, dass Unternehmen sich miteinander verbinden. §§ 291, 292 AktG sehen dafür verschiedene Formen von Unternehmensverträgen vor. Besteht zwischen den Gesellschaften ein solcher Unternehmensvertrag, spricht man von einem Vertragskonzern. Diese Art von Konzernierung hat Einfluss auf die Organisationsverfassung der abhängigen Gesellschaft, da sowohl

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Henckel, in: FS Merz, 1992, S. 197, 205; Koch, in: Hüffer/Koch, § 264 Rn. 9. So Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 99 sowie S. 177 ff. 393 So Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1984, S. 52; ablehnend Veil, Unternehmensverträge, S. 181 Fn. 21 sowie Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 99 und S. 183 f. 392

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eine Status-394 als auch eine Satzungsänderung395 einhergeht. Wesentlichster Ausdruck dieser Umgestaltung der Verfassung ist die Existenz eines Weisungsrechts des herrschenden Unternehmens gegenüber dem Vorstand des abhängigen Unternehmens nach § 308 Abs. 1 AktG396. Die grundsätzlich dem Vorstand des abhängigen Unternehmens zustehende eigenverantwortliche Leitung nach § 76 Abs. 1 AktG wird infolge eines „Leitungstransfers“397 auf das herrschende Unternehmen übertragen. Nach § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG können dem Vorstand sogar schädigende Weisungen erteilt werden. Ein solcher Eingriff ist, verglichen mit einer unabhängigen Gesellschaft, die erwerbswirtschaftlich und selbständig am Rechtsverkehr teilnimmt, nur als gerechtfertigt anzusehen, wenn eine Änderung des Verbandszwecks erfolgt und damit die Ausrichtung der Handlung nicht mehr am Interesse der abhängigen Gesellschaft erfolgt, sondern durch eine Betätigung im Konzerninteresse ersetzt wird398. Erforderlich ist daher ein von der Gesellschafterversammlung erteilter Zustimmungsbeschluss, der die bestehende Satzung überlagert und daher nach § 293 Abs. 1 Satz 2 AktG einer qualifizierten Mehrheit bedarf399. bb) Das herrschende Unternehmen als Organ des abhängigen Unternehmens? Umstritten ist nun, ob das herrschende Unternehmen infolge des Beherrschungsvertrags und der damit einhergehenden Veränderung der Unternehmensverfassung durch Geltung spezieller konzernrechtlicher Vorschriften als Organ der abhängigen Gesellschaft anzusehen ist. Die herrschende Meinung bejaht eine solche Organeigenschaft400 oder spricht zumindest von einer „organähnlichen“ Stellung401. 394 Saenger, Gesellschaftsrecht, § 30 Rn. 968; Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 32 Rn. 2; von „rechtlicher Struktur“ spricht Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, § 291 Rn. 1. 395 K. Schmidt, GesR, § 31 III 1 a; Saenger, Gesellschaftsrecht, § 30 Rn. 968; Drygala/ Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 32 Rn. 2. 396 Saenger, Gesellschaftsrecht, § 30 Rn. 971; Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 32 Rn. 24 f.; Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 178. 397 So Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 178. 398 BGHZ 103, 1, 5; BGHZ 135, 374, 377; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe, Kapitalmarkt, 1996, S. 163 f.; Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 178. 399 Der ausdrückliche Hinweis in § 293 Abs. 1 Satz 4 AktG, der bestimmt, dass die Vorschriften über die Satzungsänderung keine Anwendung finden, hat keine Auswirkungen auf die strukturelle Einordnung. Vielmehr enthalten §§ 293a ff. AktG spezielle Verfahrensvorschriften, Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 179. 400 Bayer, Der grenzüberschreitende Beherrschungsvertrag, 1988, S. 17; ders., ZIP 2005, 1053, 1054; Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 179 f.; Fabian, Beherrschungsvertrag, S. 67; Mestmäcker, in: Festgabe Kronstein, 1967, S. 129, 135; Rehbinder, Konzernaußenrecht und allg. Privatrecht, S. 254; Immenga, ZGR 1978, 269, 276; Fleischer, DB 2005, 759, 761.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

Begründet wird diese Einordnung zum einen mit der Eingliederung des herrschenden Unternehmens in die Organisation der abhängigen Gesellschaft, indem § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG ein Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft gegenüber dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft vorsieht und nicht nur gegenüber der Gesellschaft allein402. Ferner können Organe entweder durch Gesetz oder Satzungsstatut errichtet werden. Da der Beherrschungsvertrag ein satzungsändernder Organisationsvertrag sei, sei es demnach auch möglich, Organe zu errichten403. Zudem spreche die Regelung des § 309 Abs. 1 und Abs. 2 AktG für die Organstellung des herrschenden Unternehmens404. Denn danach haben dessen gesetzliche Vertreter bei der Weisung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden und sind der abhängigen Gesellschaft bei einer Pflichtverletzung zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verantwortlich, § 309 Abs. 2 Satz 1 AktG. Da die Gemeinsamkeiten mit dem Grundtatbestand der Geschäftsleiterhaftung nach § 93 AktG offensichtlich seien, passe man die Haftungslage an die veränderte Zuständigkeitsordnung an405. Folglich sehe damit bereits das Gesetz eine „Organhaftung“ vor, sodass es sich bei der herrschenden Gesellschaft um ein Organ der abhängigen Gesellschaft handeln müsse406. Richtigerweise kommt dem herrschenden Unternehmen keine Organqualität zu, wenn dieses durch Beherrschungsvertrag Einfluss auf die Zuständigkeitsverfassung des abhängigen Unternehmens nimmt407. Der abzulehnenden überwiegenden Einordnung als Organ liegt, wie Veil richtigerweise feststellt, eine „betont rechtskonstruktive Sichtweise“ zugrunde408. Dies mag keine Kritik oder gar Abkehr einer dogmatischen Begründung darstellen, jedoch können die Argumente, die für die Organstellung angeführt werden, nicht überzeugen. So hat bereits Wiedemann aufgezeigt409, dass der oftmals angeführte Vergleich, das herrschende Unternehmen agiere wie ein Organ (und im Besonderen als der Vorstand) einer selbständigen 401 Knoblau, Leitungsmacht und Verantwortlichkeit, S. 79; Studienkommission Deutscher Juristentag, 1967, Rn 416: „Quasi-Organ“; Baumgartl, Die konzernbeherrschte Personengesellschaft, 1986, S. 35 f.: „praktisch als Organ“; insofern ungenau Kantzas, Das Weisungsrecht im Vertragskonzern, 1988, S. 40 f., der sich grundsätzlich gegen die Organstellung ausspricht, aber an späterer Stelle (S. 73) von einer „organähnlichen“ Funktion ausgeht. 402 Vgl. Beuthien, ZIP 1993, 1589, 1594. 403 Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 179 f., der zudem auf die Unterscheidung zum bloßen schuldrechtlichen Vertrag hinweist. 404 Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 180 f. 405 Vgl. Begr. RegE bei Kropff, S. 404; Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 282; Emmerich, in: GS Sonnenschein, 2003, S. 651, 652 f.; Hirte, in: Großkomm. AktG, § 309 AktG Rn. 4. 406 Vertiefend Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 180 f. 407 So ebenfalls Veil, Unternehmensverträge, S. 181; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band I, 1980, § 6 IV 2 b) aa), S. 349 f.; Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1984, S. 51 f.; ebenfalls verneinend Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, § 309 Rn. 2, 16, 138. 408 Veil, Unternehmensverträge, S. 180. 409 Dazu Wiedemann, Gesesellschaftsrecht, Band I, 1980, § 6 IV 2 b) aa), S. 349 f.

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Gesellschaft410, nicht stimmig ist. Während das herrschende Unternehmen selbst unternehmerisch tätig ist und durch Weisung die eigene Unternehmenspolitik in das abhängige Unternehmen hineinträgt und damit den Konzernkonflikt verursacht, ist es wegen des Wettbewerbsverbots nach § 88 Abs. 1 AktG den einzelnen Vorstandsmitgliedern untersagt, eine anderweitige gewerbliche Tätigkeit auszuführen411. Zudem besteht gegenüber den Vorstandsmitgliedern die Möglichkeit, sie nach § 84 Abs. 3 AktG aus wichtigem Grund („treuwidriges Handeln“) abzuberufen. Dieses Sanktionsmittel ist gegenüber dem Mehrheitsaktionär nicht anwendbar412. Insofern soll man nach seiner Auffassung den Vergleich mit der Organhaftung vermeiden und hingegen von einer „besonders institutionalisierten Loyalitätspflicht des Mehrheitsaktionärs“ sprechen413. Dieser von der Mitgliedschaft ausgehende Ansatz wurde von Veil konkretisiert414 : Wenn ein wesentliches Merkmal eines Organs das fremdnützige Handeln sei, könne dies gerade nicht für das Vorgehen des herrschenden Unternehmens herangezogen werden. Denn dieses handelt bei Erteilung der Weisung nach § 308 Abs. 1 AktG im eigenen Interesse und nicht im Interesse des abhängigen Unternehmens. Unterstützt wird diese Sichtweise von der – dem herrschenden Unternehmen zugedachten – Möglichkeit nach § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG eine nachteilige Weisung zu erteilen. Danach sind nachteilige Weisungen möglich, wenn sie dem Interesse des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienen. Die Gegenauffassung wendet zwar ein, dass die Verfolgung eines Konzerninteresses nicht gegen eine organschaftliche Einordnung spreche und leitet daraus ab, dass die mit Abschluss des Beherrschungsvertrags eintretende satzungsändernde Wirkung dazu führe, dass die Geschäftsleitung (Vorstand) entmachtet werde und das herrschende Unternehmen und dessen gesetzliche Vertreter an deren Stelle trete, sodass das herrschende Unternehmen in den internen Willensbildungsprozess eingebunden werde415. Eine solche Beurteilung ist jedoch lückenhaft und lässt wesentliche Aspekte außer Betracht, sodass sie insgesamt nicht überzeugen kann. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand der „Eingliederung“ in der Organisation der abhängigen Aktiengesellschaft. So muss zunächst zwischen der abhängigen und herrschenden Gesellschaft ein Beherrschungsvertrag nach § 291 Abs. 1 AktG geschlossen werden, um das Weisungsrecht nach § 308 Abs. 1 AktG ausüben zu können. Erst mit dessen 410 Würdinger, in: Großkomm. AktG, Vorbem §§ 311 – 318 AktG, Anm. 1b.; Immenga, ZGR 1978, 269, 276 ff.; Strohn, Die Verfassung der Aktiengesellschaft im faktischen Konzern, 1977, S. 68 ff.; Mestmäcker, in: Festgabe Kronstein, 1967, S. 129, 134 ff.; Möhring, in: FS Schilling, 1973, S. 253, 256. 411 Vgl. Wiedemann, Gesellschaftrecht, Band I, 1980, § 6 IV 2 b) aa), S. 350. 412 Vgl. Wiedemann, Gesellschaftrecht, Band I, 1980, § 6 IV 2 b) aa), S. 350. 413 Wiedemann, Gesellschaftrecht, Band I, 1980, § 6 IV 2 b) aa), S. 350. 414 Veil, Unternehmensverträge, S. 181. 415 So Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 180 f. sowie zusammenfassend S. 186.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

Abschluss steht es dem herrschenden Unternehmen zu, Weisungen gegenüber dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft zu erteilen. Für die Wirksamkeit des Vertrages ist ein mit qualifizierter Mehrheit zustande gekommener Hauptversammlungsbeschluss erforderlich. Ein Aktionär wird den Abschluss eines Beherrschungsvertrages nur anstreben, wenn er diese Mehrheit erreicht. Folglich fußen Beherrschungsvertrag und Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens auf der mitgliedschaftlichen Stellung des Mehrheitsaktionärs. Ebenso hat Veil bereits ausgeführt, dass der Beherrschungsvertrag dazu führe, dass die „aktienrechtliche Gesetzesstrenge“ aufgehoben und den Aktionären die Entscheidungsbefugnis eingeräumt werde, die Organisationsverfassung (der abhängigen Gesellschaft) auszugestalten416. Diese Befugnis zur Ausgestaltung führt allerdings nicht dazu, dass das herrschende Unternehmen ein Organ der abhängigen Gesellschaft wird. Sie beruht vielmehr auf der mitgliedschaftlichen Stellung des herrschenden Unternehmens. Der Eingriff in die Kompetenzverfassung der abhängigen Gesellschaft durch Weisung an deren Vorstand ist allein auf die konzernrechtliche Konstellation zurückzuführen und damit wiederum auf die Maßnahmen, die der Mehrheitsaktionär aufgrund seiner mitgliedschaftlichen Stellung bewirkt hat. Legt man einen engeren Organbegriff zugrunde, wie er in der Aktiengesellschaft vorherrscht, so zeigen bereits die einzelnen Kompetenzbestimmungen des § 308 AktG, dass es sich bei dem herrschenden Unternehmen um kein Organ des abhängigen Unternehmens handeln kann. Innerhalb der geltenden aktienrechtlichen Kompetenzverfassung existiert kein Herrschaftsorgan, das befugt ist, gegenüber anderen Organen Weisungen zu erteilen. Für vertragskonzernverbundene Unternehmen wird dem herrschenden Unternehmen nach § 308 Abs. 1 AktG ein Weisungsrecht zugesprochen, das nach § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG sogar zum Nachteil der abhängigen Gesellschaft genutzt werden kann, wenn eine solche Weisung mit den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dient. § 308 Abs. 2 AktG sieht nun die Verpflichtung des Vorstands, sich an die Weisung zu halten und damit die Kehrseite zu § 308 Abs. 1 AktG vor. Nur wenn die in Abs. 1 aufgeführten Belange offensichtlich nicht verfolgt werden, kann sich der Vorstand weigern, die Weisung auszuführen. Wenn Schürnbrand von einer Entmachtung der Organe (des abhängigen Unternehmens) spricht417, übersieht er, dass trotz Weisungsrecht, die Struktur des ursprünglichen Organisationsgefüges innerhalb der abhängigen Gesellschaft nicht verschwindet, sondern weiterhin fortbesteht. Für diese Fortgeltung spricht insbesondere das in § 308 Abs. 3 AktG geregelte Verfahren bei Weisungen, die zustimmungsbedürftige Geschäfte betreffen. So führt die fehlende Zustimmung des Aufsichtsrats der abhängigen Gesellschaft zunächst dazu, dass die Maßnahme nicht wirksam wird. Nach § 308 Abs. 3 Satz 2 AktG kann das herrschende Unternehmen nach dieser Mitteilung wiederum die Weisung gegenüber dem Vorstand erteilen, 416 417

Veil, Unternehmensverträge, S. 124. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 181 ff.

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ohne dass der Aufsichtsrat des abhängigen Unternehmens zustimmen muss. Hat allerdings das herrschende Unternehmen einen Aufsichtsrat, so verlagert sich die Zustimmungskompetenz auf diesen. Damit bleibt das Organisationsgefüge der abhängigen Gesellschaft fortbestehen, insbesondere auch deshalb, damit die wirtschaftliche Betätigung der Tochtergesellschaft nicht zum Erliegen kommt. Im Übrigen ist auf den Einzelfall abzustellen und auf die Intensität, die das herrschende Unternehmen aufbringt, um in die Leitung der abhängigen Gesellschaft einzugreifen. Die Weisungskompetenz gegenüber dem Vorstand ergibt sich allerdings nicht aufgrund der organschaftlichen Einbindung der herrschenden Gesellschaft in der Organisation des abhängigen Unternehmens, sondern aufgrund der konzernrechtlichen Verbindung beider Unternehmen, die allein auf die mitgliedschaftliche Stellung des herrschenden Unternehmens in der abhängigen Gesellschaft zurückzuführen ist. Gegen diese mitgliedschaftliche Einordnung spricht auch nicht die Ausgestaltung der Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter der herrschenden Gesellschaft nach § 309 AktG, die Ähnlichkeit mit der Organhaftung nach § 93 AktG aufweist. Da die herrschende Gesellschaft nicht im Interesse des abhängigen Unternehmens handelt, liegt kein fremdnütziges Handeln vor, das für die Organeigenschaft sprechen würde, sodass § 309 AktG auch nicht als Beleg für die Eigenschaft des herrschendes Unternehmens als Organ angeführt werden kann. Vielmehr dient § 309 AktG – wie Altmeppen richtig feststellt – dazu, die fehlende Organbeziehung zwischen herrschender und abhängiger Gesellschaft zu überwinden418. cc) Das abhängige Unternehmen als Organ des herrschenden Unternehmens? Vereinzelt wird vertreten, dass hingegen dem abhängigen Unternehmen eine Organstellung im herrschenden Unternehmen zustehe. So stelle nach Exner die beherrschte Gesellschaft ein ausführendes Organ des herrschenden Unternehmens dar, das als unselbständige Geschäftsabteilung in dieses eingegliedert sei419. Mit Recht wird dies sowohl von Rechtsprechung als auch dem übrigen Schrifttum abgelehnt420. Es fragt sich insbesondere, wie eine etwaige Eingliederung in die Organisationsverfassung im herrschenden Organ erfolgen soll. Auch das abhängige Unternehmen stellt damit kein Organ des herrschenden Unternehmens dar. c) Die Situation im faktischen Konzern Im faktischen Konzern fehlt zwischen den Gesellschaften die vertragliche Verbindung, sodass sich die Rechte und Pflichten nach §§ 311 ff. AktG bestimmen. Die 418 419 420

Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, § 309 Rn. 141. Exner, Beherrschungsvertrag und Vertragsfreiheit, 1984, S. 51 f. Vgl. Veil, Unternehmensverträge, S. 181 Fn. 21.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

überwiegende Auffassung sieht auch in den Bestimmungen zur Verantwortlichkeit des herrschenden Unternehmens und seiner gesetzlichen Vertreter nach § 317 AktG einen Fall der Organhaftung421. Dies kann nicht überzeugen, da bereits eine Eingliederung in den Verband fehlt. Das in § 317 Abs. 1 AktG niedergelegte Veranlasserprinzip und die Gesetzesgeschichte lassen die Norm als einen besonderen Tatbestand der Deliktshaftung erscheinen422. Im Zusammenhang mit den Bestimmungen zum Vertragskonzern überzeugender ist hingegen, dass es sich bei § 317 AktG um eine Haftungsnorm handelt, die die Verletzung der mitgliedschaftlichen Treuepflicht sanktioniert423.

III. Zusammenfassung Die Untersuchung hat aufgezeigt, dass der aktienrechtliche Organbegriff enger gefasst ist als der zuvor untersuchte verbandsrechtliche Organbegriff. Ein Organ im aktienrechtlichen Sinne liegt demnach vor, wenn es durch Gesetz als Träger organisatorischer Kompetenzen innerhalb der Aktiengesellschaft eingegliedert ist und selbständig und weisungsunabhängig tätig wird. Das Handeln des Organs wird der Aktiengesellschaft zugerechnet. Aufsichtsrat und Vorstand haben ihr Handeln am Interesse der Aktiengesellschaft auszurichten. Im Innenbereich der Aktiengesellschaft orientiert sich ihr Handeln an einem funktionsspezifischen Organ(eigen)interesse. Für die Hauptversammlung als Willensbildungsorgan gilt dies entsprechend. Jedoch handelt es sich bei dieser nicht – wie bei Vorstand und Aufsichtsrat – um ein treuhänderisch agierendes Organ. Die Aktionäre sind Mitglieder des Organs Hauptversammlung, aber vor allem auch Mitglieder der Aktiengesellschaft und daher befugt, den Gesellschaftszweck zu ändern und damit vorzugeben, was dem Interesse der Aktiengesellschaft entspricht. Dass der aktienrechtliche Organbegriff enger gefasst ist, liegt an der geltenden Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft. So ist es in dieser nach § 23 Abs. 5 AktG nicht möglich, weitere Organe zu schaffen oder abweichend von der geltenden Kompetenzordnung Zuständigkeiten auf andere Organe zu verlagern. Folglich sind nur diejenigen Institutionen als Organe anzusehen, die das Gesetz als solche vorsieht. In der Satzung können daher keine weiteren Organe geschaffen werden. Zudem ist es nicht möglich, durch Übertragung von Kompetenzen ein Organ zum „Machtorgan“ zu erheben, das anderen Weisungen erteilt. Das Recht der Aktiengesellschaft kennt keine Weisungsbefugnisse zwischen den Organen. Folglich stellt die Weisungsun421 Voigt, Haftung aus Einfluss, S. 344 ff.; Vogel, Haftung der Muttergesellschaft, S. 116; Altmeppen, in: MünchKomm. AktG, § 317 AktG Rn. 8; Koppensteiner, in: KölnKomm. AktG, § 317 AktG Rn. 5; Kort, in: Großkomm. AktG, § 117 AktG Rn. 265; Stöcklhuber, Der Konzern 2011, 253, 255 ff. 422 Baums, Der Geschäftsleitervertrag, 1987, S. 281 f.; Mertens, AcP 178 (1978), 227, 234; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 186 ff. 423 So bereits Wimmer-Leonhardt, Konzernhaftungsrecht, S. 139 f.

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abhängigkeit ein wesentliches, weil vom verbandsrechtlichen Organbegriff abweichendes Merkmal des aktienrechtlichen Organbegriffs dar. Der in der Aktiengesellschaft vorherrschende Organbegriff hat zugleich Auswirkungen auf die Frage, wer Beteiligter bei Organstreitigkeiten sein kann. Im Gegensatz zu den Ausführungen von Schürnbrand ist der Anwendungsbereich auf Vorstand, Aufsichtsrat, Organmitglieder und andere Organteile – sofern ihnen vom Gesetz Rechte zugestanden werden – beschränkt424. Weder der Insolvenzverwalter oder der besondere Vertreter nach § 147 AktG noch das herrschende Unternehmen nach §§ 291, 308 AktG sind als Organe anzusehen. Überdies wird auch der Abschlussprüfer in einem öffentlichen Interesse tätig und handelt daher nicht im Interesse der Gesellschaft. Folglich kommen sie nicht als Beteiligte eines Organstreits in Betracht.

D. Die Abgrenzung des verbandsrechtlichen Organbegriffs zum haftungs- und steuerrechtlichen Organbegriff I. Allgemeines Die vielartige Verwendung von „Organbegriffen“ und ihre teilweise unterschiedliche Bedeutung machen es erforderlich, den verbandsrechtlichen Organbegriff von anderen existierenden Organbegriffen abzugrenzen. So tauchen im Rechtsverkehr neben dem verbandsrechtlichen Organbegriff (institutionell-funktioneller Organbegriff) der haftungsrechtliche und der steuerrechtliche Organbegriff auf.

II. Die Abgrenzung zum haftungsrechtlichen Organbegriff Ursprünglich war der Organbegriff allein in einem verbandsrechtlichen Sinne zu verstehen425. Damit wurde versucht, die Existenz und die Funktionen von Organisationen („Staat“ in seinen verschiedenen Ausprägungen und privatrechtliche Gesellschaften) zu beschreiben und zu erklären. Dieses Verhältnis von Organ und Organisation sowie von deren Existenz und Aufgaben sind Gegenstand des verbandsrechtlichen (institutionell-funktionellen) Organbegriffs. Der rechtsfähige Verein, der als Prototyp der Körperschaften gilt und auf den alle anderen Erscheinungsformen aufbauen426, enthält neben dem verbandsrechtlichen Organbegriff nach

424 425 426

A.A. Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 396 f. Siehe dazu bereits die Ausführungen unter § 4, § 5 sowie § 8 B. So Bork, BGB AT, § 5 Rn. 196.

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2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

§ 26 BGB427 den sog. haftungsrechtlichen Organbegriff nach § 31 BGB. Grundsätzlich stellt § 31 BGB eine Zurechnungsnorm dar, die nach überwiegender Auffassung für die Figur des haftungsrechtlichen Organbegriffs stehen soll428. Danach ist der Verein für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. Blickt man in die Entstehungsgeschichte, so sollte § 31 BGB die Ergänzung zum „verunglückten“ § 831 BGB darstellen429, der deliktisches Fehlverhalten von Angestellten ahndet. Nach heutiger allgemeiner Anschauung gilt diese enge Normauslegung in dreierlei Punkten nicht mehr430. Zum einen hat sich der Kreis der erfassten Rechtsformen erheblich erweitert. Galt § 31 BGB lange Zeit als alleinige Zurechnungsnorm für Vereine nach dem BGB, so findet § 31 BGB nach heute überwiegender Auffassung neben den juristischen Personen auch auf die Personengesellschaften – inklusive der GbR – analog Anwendung431. Darüber hinaus gilt § 31 BGB nicht mehr nur für deliktisches Fehlverhalten, sondern ist ebenfalls auf rechtsgeschäftliche Handlungen432 und die Wissenszurechnung433 anzuwenden. Ein Rückgriff auf § 278 BGB434 oder § 166 BGB435 ist nicht erforderlich. Zudem hat die Rechtsprechung den umfassten Personenkreis und damit auch

427

§ 26 Abs. 1 Satz 1 BGB enthält das institutionelle Merkmal, dass der Verein einen Vorstand aufweisen muss. § 26 Abs. 1 Satz 2 BGB enthält die funktionale Komponente, nach der der Vorstand den Verein zu vertreten hat. 428 Dazu Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 99 ff.; Bydlinski, in: FS Koppensteiner, 2001, S. 569, 581: Organe im deliktsrechtlichen Sinne; zur Unterscheidung der Organbegriffe Chr. Weber, Privatautonomie und Außeneinfluss, S. 160; Bürkle, Rechte Dritter, S. 40 f. 429 So Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 100. 430 Vgl. Martinek, Repräsentantenhaftung, S. 21; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 79 III 5b, S. 483; Schöpflin, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB, § 31 BGB Rn. 1. 431 Vgl. BGH NJW 2007, 2490, 2491; NJW 2003, 1445, 1446 f.; zuvor bereits Flume, Personengesellschaft, § 16 IV, S. 322; Beuthien, DB 1975, 725, 729 f.; Fabricius, in: GS R. Schmidt, 1966, S. 171 ff.; Leuschner, in: MünchKomm. BGB, § 31 Rn. 15 f.; Schöpflin, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB, § 31 BGB Rn. 3; zur Systematik siehe K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 IV, S. 273. 432 Siehe Hadding, in: Soergel, BGB, § 31 BGB Rn. 4; Westermann, in: Erman, BGB, § 31 BGB Rn. 10; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 IV 3, S. 276 ff.; Martinek, Repräsententenhaftung, S. 46 ff.; Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 277; Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 99. 433 Sich nicht festlegend BGHZ 140, 54, 61; für die Anwendung von § 31 BGB hingegen K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 V 2b, S. 288; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S. 629 ff.; Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 278; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 27 sowie S. 99; Waltermann, AcP 192 (1992), 181, 221; Habersack/Förster, in: Großkomm. AktG, § 78 AktG Rn. 38 f. 434 So hingegen RGZ 121, 351, 355; Flume, Juristische Person, §11 III 5, S. 395. 435 Flume, Juristische Person, §11 IV, S. 404 f.; Buck, Wissen, S. 250 ff.; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 35 GmbHG Rn. 58.

§ 8 Der Organbegriff

167

den Organbegriff aus § 31 BGB erheblich erweitert436. So definiert der BGH den verfassungsmäßig berufenen Vertreter in einer Entscheidung aus dem Jahre 1967 wie folgt: „Verfassungsmäßig berufene Vertreter im Sinne des § 31 BGB sind nicht nur Personen, deren Tätigkeit in der Satzung der juristischen Person vorgesehen ist; auch brauchen sie nicht mit rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht ausgestattet zu sein. Es braucht sich auch nicht um einen Aufgabenbereich innerhalb der geschäftsführenden Verwaltungstätigkeit der juristischen Person zu handeln. Vielmehr genügt es, dass dem Vertreter durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, dass er also die juristische Person auf diese Weise repräsentiert. Bei einer solchen Sachlage wäre es unangemessen, der juristischen Person den Entlastungsbeweis nach § 831 BGB zu eröffnen.“437

Im Anschluss an diese Ausführungen sprach man in der Literatur von einer allgemeinen Repräsentantenhaftung, die dem § 31 BGB zu Eigen sei438. Unabhängig davon, ob der betroffene Repräsentant in korporativer Weise in die Gesellschaft integriert ist, soll sein Handeln der Gesellschaft zugerechnet werden. Zwar stellt die Grundlage der Zurechnung nach § 31 BGB immer noch der verbandsrechtliche Organbegriff dar. Jedoch hat die Rechtsprechung den Anwendungsbereich des § 31 BGB durch die großzügige Auslegung des verfassungsmäßigen Vertreters erheblich erweitert439 und ist nicht mehr mit dem institutionellen-funktionellen Organbegriff des § 26 BGB identisch. Strittig ist allerdings, ob auch nicht repräsentative Organe wie die Gesellschafter-/Mitgliederversammlung oder gebildete Beiräte vom haftungsrechtlichen Organbegriff des § 31 BGB erfasst werden440. Obwohl daher grundsätzlich § 31 BGB analog auch auf die Aktiengesellschaft angewendet wird, ist der ihm zugrundeliegende haftungsrechtliche Organbegriff nicht maßgeblich bei der Bestimmung, wer Beteiligter eines aktienrechtlichen Organstreits ist. Insofern darf der Charakter als bloße Haftungszurechnungsnorm nicht durch die weitere Auslegung der Rechtsprechung überlagert werden. Für die vorliegende Untersuchung bedeutet dies, dass die Ausdehnung der Rechtsprechung zu § 31 BGB den institutionell-funktionalen Organbegriff, der § 31 BGB zugrunde lag, verdrängt hat und ein auf der Repräsentantenhaftung beruhender Organbegriff entwickelt wurde. Der haftungsrechtliche Organbegriff bezweckt 436

Vgl. BGH NJW 1982, 1144, 1145; BAG NJW 1997, 3261, 3262; Schöpflin, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB, § 31 BGB Rn. 7; Leuschner, in: MünchKomm. BGB, § 31 Rn. 4 ff. 437 BGHZ 49, 19, 21; der BGH hält an dieser Auffassung bis heute fest vgl. BGH BB 2013, 1039 Rz. 12. 438 Kritisch dazu Leuschner, in: MünchKomm. BGB, § 31 Rn. 15; ebenfalls für eine analoge Anwendung von § 31 BGB Hadding, in: Soergel, BGB, § 31 Rn. 18; Weick, in: Staudinger, BGB, § 31 Rn. 24 ff. 439 BGH NJW 1982, 1144, 1145; BAG NJW 1997, 3261, 3262. 440 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 101 ff.

168

2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

vordergründig Haftungslücken des Vereins als Organisation zu schließen. Er ist daher nicht für die Bestimmung des „Organs“ im aktienrechtlichen Organstreit heranzuziehen441.

III. Die Abgrenzung zum steuerrechtlichen Organbegriff Neben den haftungsrechtlichen Organbegriff tritt der steuerrechtliche Organbegriff, der vom verbandsrechtlichen Organbegriff abgegrenzt werden muss. Dieser hat seinen Ursprung in der Rechtsprechung442 des Reichsfinanzhofes443. So hat der Reichsfinanzhof in den 1920er Jahren anerkannt, dass auch eine juristische Person „bloßes“ Organ eines anderen Unternehmens sein könne444. Damit zeigt sich schon die steuerrechtliche Besonderheit dieses Begriffes: Wegen der im Steuerrecht vorherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise soll die Besteuerung von Unternehmen nicht davon abhängig sein, ob diese als Einzelunternehmen oder als Konzern, bestehend aus mehreren rechtlich selbständigen Gesellschaften, in Erscheinung treten445. Da sich die Idee aus dem Konzernrecht, den Konzern als selbständige Einheit zu sehen446, weder im Konzern- noch im Steuerrecht durchgesetzt hat447, musste eine andere Möglichkeit gefunden werden, die vom Steuerrecht beabsichtigte Gleichbehandlung wirtschaftlich gleicher Fälle zu erreichen. Die entwickelte Rechtsfigur der Organschaft sorgt für diese weitgehende Gleichstellung448. Während der verbandsrechtliche Organbegriff die Willens- und Handlungsfähigkeit der Organisation erklären will, verfolgt der steuerrechtliche Organbegriff den Ansatz, wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte trotz unterschiedlicher rechtlicher Gestaltung vergleichbar zu versteuern449. Es spielt daher keine Rolle, ob ein einzelner Angestellter, eine Filiale oder ein selbständiges Tochterunternehmen für den fi441

A.A. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 112. Vgl. RFHE 3, 290; 5, 317; 11, 265; 15, 116; 18, 10; 19, 339; 20, 4; 22, 183. 443 Berücksichtigt wurde dabei die Vorarbeit des Preußischen Oberverwaltungsgerichts, dazu Spindler, Recht und Konzern, S. 308 ff. 444 So vor allem RFHE 22, 183; zuvor bereits PrOVGSt 5, 163 ff.; dazu Hüttemann, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel Bd. II, 2007, Kap. 27 Rn. 55 ff.; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. (1993), § 20 I. 445 Vgl. Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 96. 446 Zur Frage, ob der Konzern eine Einheit darstellt siehe Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 10 ff. 447 Siehe zum Konzernrecht Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien-und GmbHKonzernrecht, 9. Aufl., 2019, § 18 Rn. 5 f.; zu Konzernkonstellationen, die auf die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Gesellschaften keine Rücksicht mehr nehmen wie divisional aufgebaute Konzerne oder sog. Matrixorganisationen, siehe Seibt/Wollenschläger, AG 2013, 229; siehe zum Steuerrecht Hey, in: Tipke/Lang, § 11 Rn. 25; Montag, in: Tipke/Lang, § 13 Rn. 1 ff sowie § 14 Rn. 1; Herzig, in: Herzig, Organschaft, 2003, S. 3. 448 Vgl. Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 96. 449 Vgl. Montag, in: Tipke/Lang, § 14 Rn. 1 m.w.N. 442

§ 8 Der Organbegriff

169

nanziellen Erfolg verantwortlich ist450. Der Konzern ist als Einheit aufzufassen und als solche zu besteuern. Für den steuerrechtlichen Organbegriff ist hingegen festzuhalten, dass er eine wirtschaftliche Betrachtung vornimmt, somit andere Merkmale heranzieht und daher ebenfalls nicht mehr Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung ist.

E. Zusammenfassung In der Gesamtschau ergibt sich folgende Struktur: Die Organisation handelt durch ihre Organe, die wiederum durch Organwalter tätig werden. Willenserklärungen und Handlungen des Organwalters werden zunächst dem Organ und dann der Organisation zugerechnet bzw. zugeordnet451. Organe wiederum bestehen aus Organteilen. Das einzelne Organmitglied (Organwalter) ist ebenso ein Organteil, wie der Zusammenschluss einzelner Organmitglieder (Teilorgan) als auch der institutionell geschaffene Ausschuss (Unterorgan), der für das Organ Funktionen wahrnimmt. Diese Wahrnehmung von Funktionen durch Organe und Organteile bildet das Grundverständnis für den verbandsrechtlichen Organbegriff. Nach dem verbandsrechtlichen (institutionell-funktionalen) Organbegriff liegt ein Organ vor, wenn es durch Satzung oder Gesetz als Träger organisatorischer Kompetenzen innerhalb eines Verbandes eingegliedert ist und selbständig, aber nicht notwendigerweise weisungsunabhängig, tätig wird. Die Existenz des Organs ist an die Existenz des Verbandes geknüpft, sofern das Gesetz keine Ausnahmen vorsieht oder es sich um das Verhältnis des Vor-Verbandes zum Verband „als solchem“ handelt, da die Organe des Vor-Verbandes identitätswahrend übergehen. Aus funktioneller Perspektive handeln Organe für den Verband. Ihr Handeln wird dem Verband zugerechnet. Innerhalb des Verbandes erfolgt das Organhandeln sowohl durch unmittelbare als auch nur mittelbare Einflussnahme. Der einzelne Gesellschafter als Mitglied des Willensbildungsorgans stellt kein Organ dar. Sein organschaftliches Mitsprache- und Teilhaberecht tritt dann zurück, wenn ihm bereits aus seiner Mitgliedschaft ein Mitwirkungsrecht zusteht. Ebenfalls als Organhandeln anzusehen ist die Änderung der Satzung durch das Willensbildungsorgan. Das Handeln der Organe hat sich am Interesse des Verbandes auszurichten. Partikularinteressen von Gruppen sind bei der Entscheidungsfindung mit zu berücksichtigen, treten aber zurück, wenn sie dem Verbandsinteresse zuwiderlaufen. Eine besondere Stellung nimmt die Mitgliederversammlung als Willensbildungsorgan des Verbandes ein. Da sie kein treuhänderisch agierendes Organ darstellt und die Mitglieder des 450

S. 97.

So beispielhaft Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007,

451 Kritisch zum Begriff der Zurechnung W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 24 f.: Nach ihm erzeuge dieser die Vorstellung von „etwas Getrenntem“. Eine solche Vorstellung sei jedoch für die Verhältnisse von Organisation, Organ und Organwalter unzutreffend. Daher bevorzugt er den Begriff der „Zuordnung“.

170

2. Kap.: Grundlagen im Recht der Organe

Organs zugleich Mitglieder des Verbandes sind, sind sie in der Lage, den Verbandszweck zu ändern und das Verbandsinteresse festzulegen. Dritte können nur durch die Ausübung von Funktionen als Mitglieder fakultativer Organe Einfluss auf den Verband nehmen. Dabei haben sie jedoch – da nur ein materieller Organbegriff vorherrscht – als Angehörige des Organs ihr Handeln am Interesse des Verbandes auszurichten. Der verbandsrechtliche Organbegriff ist von dem steuer- sowie dem haftungsrechtlichen Organbegriff abzugrenzen. Der aktienrechtliche Organbegriff ist im Vergleich zum allgemeinen verbandsrechtlichen Organbegriff wegen der strengeren Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft enger gefasst. So ist es in dieser nach § 23 Abs. 5 AktG nicht möglich, weitere Organe zu schaffen oder abweichend von der geltenden Kompetenzordnung Zuständigkeiten auf andere Organe zu verlagern. Folglich sind nur diejenigen Institutionen als Organe anzusehen, die das Gesetz als solche vorsieht. In der Satzung können daher keine weiteren Organe geschaffen werden. Zudem ist es nicht möglich, durch Übertragung von Kompetenzen ein Organ zum „Machtorgan“ zu erheben, das anderen Weisungen erteilt. Das Recht der Aktiengesellschaft sieht Weisungsbefugnisse unter Organen nicht vor. Folglich stellt die Weisungsunabhängigkeit ein wesentliches, weil vom verbandsrechtlichen Organbegriff abweichendes, Merkmal des aktienrechtlichen Organbegriffs dar. Nicht als Organe der Gesellschaft anzusehen sind daher der Insolvenzverwalter, der besondere Vertreter nach § 147 AktG, der Abschlussprüfer als auch das herrschende Unternehmen nach §§ 291, 308 AktG. Zugleich wird damit der Kreis derjenigen, die an einem Organstreit beteiligt sein können, erheblich eingegrenzt. Beteiligte können daher nur die treuhänderisch agierenden Organe – Vorstand und Aufsichtsrat – sein als auch die Mitglieder dieser Organe. Die Hauptversammlung als Willensbildungsorgan nimmt eine Sonderstellung ein. Sie ist wegen der fehlenden Vertretungsmöglichkeit nicht in der Lage in einem „organschaftlichen“ Streit mit anderen Organen der Gesellschaft zu treten. Die Aktionäre haben hingegen die Möglichkeit aufgrund ihres aus der Mitgliedschaft zustehenden Rechts gegen Mitglieder der Organe vorzugehen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen Organstreit. Zudem sind weder der Insolvenzverwalter oder der besondere Vertreter nach § 147 AktG noch das herrschende Unternehmen nach §§ 291, 308 AktG als Organe anzusehen452. Überdies wird auch der Abschlussprüfer in einem öffentlichen Interesse tätig und handelt daher nicht im Interesse der Gesellschaft. Folglich sind diese Institutionen nicht als Beteiligte eines Organstreits anzusehen. Bisweilen wurde die Stellung der verschiedenen Organteile – mit Ausnahme der Organmitglieder – bei der Frage der Beteiligtenfähigkeit bei Organstreitigkeiten weder von der Rechtsprechung noch von der Literatur behandelt. Dass eine solche Beteiligung möglich ist, erscheint sowohl für Ausschüsse als Unterorgane, die für den Gesamtaufsichtsrat tätig werden, als auch für den Aufsichtsrat angehörende 452

A.A. Schürnbrand, Die Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 396 f.

§ 8 Der Organbegriff

171

„Gruppen“, denen als Teilorgane zumindest hinsichtlich des Verfahrens über die Erfüllung der Geschlechterquote Rechte zugewiesen sind, möglich. Nachdem mit der vorherigen Untersuchung die terminologische Grundlage für die Betrachtung der Organstreitigkeiten gelegt wurde, soll nachfolgend die Notwendigkeit von Inter- und Intraorganklagen als Konfliktlösungsmittel unter Zuhilfenahme einer historischen Analyse der Entwicklung der aktienrechtlichen Organisationsverfassung erfolgen. Die damit erzielten Erkenntnisse sollen die Frage beantworten, ob aus gegenwärtiger Sicht erhebliche Gründe gegen Organklagen als Konfliktlösungsmittel sprechen.

3. Kapitel

Der Kampf um die Macht in der Aktiengesellschaft als Ausgangspunkt für den aktienrechtlichen Organstreit § 9 Ursprung und Entwicklung von Organstreitigkeiten im öffentlichen Recht A. Verfassungsrechtliche Organstreitigkeiten – ein historischer Abriss Organklagen sind vor allem aus dem öffentlichen Recht bekannt. Auf Bundes-, Landes- und auch Kommunalebene werden sog. Organstreitverfahren geführt. Das Grundgesetz sieht in Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG das Organstreitverfahren vor. Blickt man in die Geschichte, so existierten bereits im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation streitschlichtende Institutionen (Reichsgerichte, Reichskammergericht und Reichshofrat), die mit den heutigen verfassungsrechtlichen Organstreitigkeiten zu vergleichen sind1. Gestritten wurde dabei um die von den Landesständen „wohlerworbenen Rechte“, die durch den Landesherrn verletzt wurden2. Die Zuständigkeit der Reichsgerichte ergab sich aus der Überordnung der Reichsgewalt über die Reichsstände, die ursprünglich auf der Verpflichtung des Kaisers beruhte, seinen Untertanen Rechtsschutz zu gewähren3. Daraus folgte allerdings zugleich, dass weder der Kaiser als Träger der rechtsprechenden Gewalt, noch der Reichstag als Aufsichtsinstanz der Reichsgerichte der Gerichtsbarkeit der Reichsgerichte unterworfen war4. Insofern war der Rechtsschutz nur einschränkend gewährt und von einem absolutistischen Verständnis geprägt, da man eine Kontrolle der Herrschaftsgewalt des Kaisers nicht für notwendig hielt.

1

Dazu umfassend Grote, Verfassungsorganstreit, 2009, S. 71 f. Scheuner, Die Überlieferung der deutschen Staatsgerichtsbarkeit im 19. und 20. Jahrhundert, in: BVerfG und GG I, S. 16; Hoke, in: C. Starck/K. Stern, Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Bd. 1, 1983, S. 25, 35 ff. 3 Scheuner, Die Überlieferung der deutschen Staatsgerichtsbarkeit im 19. und 20. Jahrhundert, in: BVerfG und GG I, S. 15. 4 Scheuner, Die Überlieferung der deutschen Staatsgerichtsbarkeit im 19. und 20. Jahrhundert, in: BVerfG und GG I, S. 15; Gönner, Teutsches Staatsrecht, 1804, S. 496. 2

§ 9 Ursprung/Entwicklung von Organstreitigkeiten im öffentl. Recht

173

Diese Grundtendenz, verfassungsrechtliche Streitigkeiten durch ein Gericht klären zu lassen, wurde auch zu Zeiten des Deutschen Bundes verfolgt, allerdings war diesen Bemühungen kein Erfolg beschieden5. Während ab 1815 die Landesfürsten freiwillig sich den konstitutionellen Bestrebungen öffneten und Verfassungen zuließen, sahen diese allerdings nur restriktive Regelungen über die Geltendmachung von Verfassungsverletzungen vor, wie etwa die Beschwerde der Landstände, die direkt dem Landesherrn vorzutragen war oder, wenn die Verfassung ein Gericht vorsah, die Anrufung dieses, was allerdings auch nur über den Landesherrn angetragen werden konnte6. In der Phase zwischen 1830 und 1850 trugen die Bestrebungen der Landstände, ihre verfassungsgemäßen Rechte auch durchsetzen zu können, Rechnung7. Allerdings führten im Anschluss an das Scheitern der Paulskirchenverfassung und die daraufhin folgende monarchische Restauration dazu, dass die Idee der gerichtlichen Austragung verfassungsrechtlicher Streitigkeiten immer stärker verblich8. Eine völlige Abkehr einer gerichtlichen Kontrolle erfolgte mit der Reichsverfassung von 1871. Nach Art. 76 Abs. 2 wurde der „gütliche Ausgleich“ und wenn ein solcher nicht möglich war, die „Erledigung von Verfassungsstreitigkeiten“ in Bundesstaaten, deren Verfassung keine Behörde zur Entscheidung solcher Streitigkeiten vorsah, dem Bundesrat zugewiesen9. Diese Abkehr von einer gerichtlichen Kontrolle war beabsichtigt, da man den politischen Organen ein größtmögliches Maß an Handlungsspielraum bei Verfassungskonflikten einräumen und sich nicht den Zwängen der juristischen Streitbeilegung unterwerfen wollte10. Mit der Weimarer Reichsverfassung wurde das Institut der Verfassungsstreitigkeit wiederbelebt. Art. 19 Abs. 1 WRV sah eine subsidiäre Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs bei Verfassungsstreitigkeiten vor. Allerdings fehlten Verfahren wie Verfassungsbeschwerde und abstrakte Normenkontrolle, sodass der Begriff der Verfassungsstreitigkeit immer weiter aufgebläht wurde. Auch der Anwendungsbereich der Organstreitigkeiten wuchs infolge der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs an, da die Beteiligtenfähigkeit auf Gemeinden und Religionsgemeinschaften mit Körperschaftstatus erstreckt wurde11.

5

Grote, Verfassungsorganstreit, 2009, S. 73. Scheuner, Die Überlieferung der deutschen Staatsgerichtsbarkeit im 19. und 20. Jahrhundert, in: BVerfG und GG I, S. 21. 7 Grote, Verfassungsorganstreit, 2009, S. 76. 8 Dennoch sollte sie für spätere juristische Generationen weiterhin ideeller Bezugspunkt einer umfassenden Verfassungsgerichtsbarkeit in Deutschland, vgl. Grote, Verfassungsorganstreit, 2009, S. 75; für das Kaiserreich bereits K. Binding, DJZ 1899, 69, 74 f. 9 Grote, Verfassungsorganstreit, 2009, S. 78. 10 Scheuner, Die Überlieferung der deutschen Staatsgerichtsbarkeit im 19. und 20. Jahrhundert, in: BVerfG und GG I, S. 37 f.; Grote, Verfassungsorganstreit, 2009, S. 78. 11 Siehe zur Entwicklung Grote, Verfassungsorganstreit, 2009, S. 81 ff. 6

174

3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes konnten daher auf einen Fundus zurückgreifen, der für die Gestaltung der Verfassungsgerichtsbarkeit einen erheblichen Vorteil brachte. Nachvollziehbar sind unter Berücksichtigung dieser Entwicklung, die Worte Korioths, der von einer „unübersichtlichen Lage“ sprach, die das Grundgesetz vorfand, als es erstmals in der deutschen Verfassungsentwicklung eine umfassende Verfassungsgerichtsbarkeit schuf12. So sieht das Grundgesetz in Art. 93 verschiedene Formen von Verfassungsstreitigkeiten wie Verfassungsbeschwerde, Organstreit, Normenkontrolle vor, die noch nach der WRV unter Art. 19. Abs. 1 gefasst wurden. Der für uns relevante Organstreit ist in Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG geregelt. Danach entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Auslegung des Grundgesetzes „… aus Anlaß von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Bundesorgans oder anderer Beteiligter, die durch [das, Veränderung durch Verf.] Grundgesetz oder in der Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind“.

Gegenstand von verfassungsrechtlichen Organklagen sind daher Kompetenzstreitigkeiten zwischen den obersten Bundesorganen. Vergleichbare Regelungen finden sich in den Länderverfassungen13. Dass allerdings über die Anerkennung des Organstreits im öffentlichen Recht nicht mehr gestritten wird, ist vor allem auf die Rechtsprechung des BVerfG zurückzuführen14. So wurden insbesondere der Kreis der Beteiligten15 und der Gegenstand von Organstreitigkeiten16 durch das BVerfG herausgearbeitet und geklärt17.

B. Der Rückgriff des öffentlichen Rechts auf die Lehre von der juristischen Person für die Bestimmung des Staatsund Staatsorganbegriffs Die historische Betrachtung zeigt, dass Verfassungsstreitigkeiten, die als Gegenstand Rechte und Pflichten von „Staatsorganen“ oder vergleichbaren Institutionen haben, seit Jahrhunderten im Staatsrecht anzutreffen sind. Aus der historischen Zusammenfassung wird allerdings nicht der dogmatische Hintergrund deutlich, der für Organstreitigkeiten von Relevanz ist. Denn die Terminologie Organ beruht auf der im Zivilrecht angesiedelten Lehre von der juristischen Person, deren Willens12

So Korioth, AöR 137 (2012), S. 295. Vgl. etwa Art. 81 SächsVerf zur Zuständigkeit des sächsisches Verfassungsgerichtshofs. 14 Vgl. Grote, Verfassungsorganstreit, 2009, S. 89 ff.; Korioth, AöR137 (2012), S. 295, 296. 15 BVerfGE 2, 142; BVerfGE 13, 54, 81; dazu Grote, Verfassungsorganstreit, 2009, S. 96 f.; dies hervorhebend Korioth, AöR137 (2012), S. 295, 296. 16 Siehe BVerfGE 70, 324, 351; BVerfGE 80, 188, 219; dazu Grote, Verfassungsorganstreit, 2009, S. 122 ff. 17 Vgl. Korioth, AöR137 (2012), S. 295, 296. 13

§ 9 Ursprung/Entwicklung von Organstreitigkeiten im öffentl. Recht

175

bildungs- und Handlungsfähigkeit nur über die Existenz von Organen möglich ist18. Sucht man nach einer Gemeinsamkeit zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Organstreit, so muss man sich mit dem Verbandsrecht des 19. und frühen 20. Jahrhunderts auseinandersetzen. Daher überrascht es auch nicht, dass die Staatslehre für ihre Begriffs- und Funktionsbestimmung des Staates auf den aus dem Privatrecht stammenden Begriff der juristischen Person zurückgriff und diesen auch für Staatsgebilde nutzbar machte19. Savigny, Begründer der sog. Fiktionstheorie, hielt zwar die Lehre über die juristische Person nur für das Privatrecht anwendbar, ohne diese Einschränkung näher zu begründen20. Der Staatsrechtler Wilhelm Eduard Albrecht erkannte, dass mit der juristischen Person, die Möglichkeit bestand, patrimonialstaatliche Elemente zu verdrängen und den Monarchen durch Verleihung von Organqualität in den Staatsaufbau und die Verfassungsordnung einzubinden21. War der Staatsbegriff nämlich davor noch von der pufendorfschen Formel22 der „persona moralis“ bestimmt worden, die nicht zwischen den Herrschaftsrechten des Landesherrn und seinen übrigen Rechten unterschied, sondern diese wie dessen Privatrechte behandelte23, so differenzierte Albrecht die in dem Monarchen vereinigten Rechte zum einen nach Privatrechten und zum anderen nach Rechten des Staates, die der Monarch als Organ des Staates, nicht nach den Regeln des Privatrechts, sondern nach denen der Verfassung auszuüben hatte24. Mit diesem Organverständnis wurde festgelegt, dass der Monarch als Organ des Staates mit Befugnissen ausgestattet war, die er im Interesse des Staates zu gebrauchen hatte. In den nachfolgenden demokratischen Staatsformen breitete sich diese Entwicklung auf die von der Verfassung vorgesehenen Organe aus. Erst mit der Erkenntnis, dass der Staat eine juristische Person darstellt, die nur durch ihre Organe handeln kann, kann man von einem öffentlich-rechtlichen Organstreit sprechen.

18 Zum Streit über die juristische Person siehe statt vieler K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 8 II, S. 186 ff. 19 Dazu Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. II, 1992, S. 108 m.w.N. 20 Vgl. E. Zitelmann, Juristische Person; Chr. Meurer, Die juristischen Personen nach deutschen Reichsrecht, 1901; W. Henkel, Theorie der Juristischen Person, 1973. 21 Albrecht, Göttingische Anzeigen, 1837, S. 1493 ff.; so auch schlussfolgernd Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. II, 1992, S. 108. 22 Siehe dazu G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 1921, S. 169 f.; U. Häfelin, Die Rechtspersönlichkeit des Staates, 1959; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. II, 1992, S. 107 Fn. 175. 23 So bspw. R. Maurenbrecher, Grundsätze StaatsR, S. 56, 247 ff. 24 Albrecht, Göttingische Anzeigen, 1837, S. 1493 f., 1512; dazu auch Grote, Verfassungsorganstreit, 2009, S. 11.

176

3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

C. Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten Erscheinen verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten aus heutiger Perspektive ein anerkanntes Rechtsinstitut zu sein, so darf dieser Eindruck nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch diese besondere Form des öffentlich-rechtlichen Organstreits in seinen dogmatischen Grundzügen lange Zeit umstritten war. Denn obwohl in den 1950er und 1960er Jahren die Verwaltungsgerichte Klagen zwischen Verwaltungsorganen für zulässig erachteten25, obgleich die VwGO keine Regelungen für solche Prozesse vorsah26, verneinte eine erhebliche Anzahl von Stimmen in der Literatur die Möglichkeit, dass ein verwaltungsgerichtlicher Streit zwischen Organen juristischer Personen des öffentlichen Rechts von der verwaltungsgerichtlichen Generalklausel (§ 40 Abs. 1 VwGO) erfasst sei27. Der bereits angesprochene „Kommunalverfassungsstreit“28, der trotz seiner Bezeichnung kein Verfassungsstreit darstellt, sondern es sich um einen Streit „verfaßter Funktionssubjekte kommunaler Gebietskörperschaften über den organschaftlichen Funktionsablauf handelt“29,

beendete diese unbefriedigende Situation und kann für den verwaltungsrechtlichen Organstreit als Prototyp herangezogen werden30. Denn Organstreitigkeiten sind nicht nur im Kommunalrecht existent, sondern in zahlreichen anderen Bereichen der Verwaltung31. Damit konnte eine viel intensivere Auseinandersetzung mit Organstreitigkeiten jeglicher Art stattfinden. Insbesondere die Arbeiten von Hoppe32 und Roth33 haben wesentlich dazu beigetragen, dass der verwaltungsrechtliche Organstreit ein grundlegendes dogmatisches Fundament erhalten hat34. Zwar beklagte Hoppe noch 1980, dass der Organstreit im Verwaltungsrecht auf keiner konsensfä25 Vgl. etwa OVG Lüneburg DÖV 1951, 589; OVG Lüneburg DÖV 1961, 548 f.; BayVGH BayVBl, 1960, 21 ff. 26 Die VWGO ist für Konflikte zwischen Staat und Bürger konzipiert, vgl. Bethge, in: Mann/Püttner, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2007, § 28 Rn. 34. 27 Rottenwallner, VerwArch 2014, 212, 213 verweist auf das bayerische Standardwerk „Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 2. Aufl.“ aus dem Jahr 1962, das einen verwaltungsgerichtlichen Streit von Organen juristischer Personen des öffentlichen Rechts noch ablehnte. 28 Dieser wurde wahrscheinlich erstmals von Baring, Der Städtetag 1952, 105, 108 f. und Henrichs, DVBl 1959, 548, 549 erwähnt; zu diesem Bleutge, Der Kommunalverfassungsstreit, 1970; sowie zu öffentlich-rechtlichen Organstreitigkeiten Hoppe, Organstreitigkeiten vor VG und SG; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001. 29 Krebs, JA 1980, 569, 570. 30 So Rottenwallner, VerwArch 2014, 212, 213. 31 Vgl. Rottenwallner, VerwArch 2014, 212, 214 f. m.w.N. 32 Hoppe, Organstreitigkeiten vor VG und SG. 33 W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001. 34 Ebenso von Relevanz waren die Arbeiten von Kisker, Insichprozess und Einheit der Verwaltung, 1968; D. Lorenz, AöR 93 (1968), 308 ff. und Tsatsos, Der verwaltungsgerichtliche Organstreit, 1969.

§ 9 Ursprung/Entwicklung von Organstreitigkeiten im öffentl. Recht

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higen Theorie basiere35. Heute habe sich aber der verwaltungsrechtliche Organstreit in der Rechtsprechung als Argumentations- und Entscheidungstopos bzw. geläufige prozessuale Konstellation etabliert36. Nichtsdestotrotz zeigen kritische Stimmen aus dem gegenwärtigen Schrifttum, dass auch im verwaltungsrechtlichen Organstreit – sowohl in prozessualer und materieller Hinsicht – noch gewichtige Fragen ungeklärt sind und daher keine abschließende Beurteilung vorgenommen werden könne37. Per definitionem liegt ein verwaltungsrechtlicher Organstreit vor, wenn Verwaltungsorgane über Verwaltungsrecht streiten und es dabei ausschließlich um Innenrecht geht38. Ausgeschlossen sind folglich Streitigkeiten zwischen Verfassungsorganen39. Dass der prominenteste verwaltungsrechtliche Organstreit die Bezeichnung „Kommunalverfassungsstreit“ trägt, ist aus dieser Betrachtung missverständlich und irreführend, da eben gerad keine Verfassungsorgane beteiligt sind40. Eine weitere Abgrenzung erfolgt zu Außenrechtsstreitigkeiten, da ein Organstreit nur das Innenrecht zum Gegenstand hat41. Während eine Innenrechtsstreitigkeit den Funktionsablauf von Organ, Organwalter und Organismus regelt, folglich Rechtssätze betrifft, die die Beziehungen der Untergliederungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts regeln42, betreffen Außenrechtsstreitigkeiten das Verhältnis des Staates i.S.d. Verwaltungsorganisation zum Bürger, der keine Verwaltungsfunktion wahrnimmt und daher nicht der Verwaltungsorganisation zuzurechnen ist43. Eine weitere Abgrenzung ist zum Insichprozess vorzunehmen. Zwar liegen auch bei diesem Innenrechtsstreitigkeiten vor, jedoch sind die beteiligten Streitparteien Behörden desselben Rechtsträgers, die über eine gemeinsame Verwaltungsspitze verfügen, die zur Streitentscheidung befugt ist44. Verwaltungsorgane gehören zur Verwaltungsspitze und haben nicht die Möglichkeit einer autoritativen Streitentscheidung45. 35 Hoppe, NJW 1980, 1017 ff.; zur damals vorherrschenden Diskussion siehe ebenfalls Bethge, DVBl 1980, 824 ff.; Papier, DÖV 1980, 292 ff.; Krebs, JA 1981, 569 ff. 36 So Bethge, in: Mann/Püttner, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2007, § 28 Rn. 1 ff. 37 Rottenwallner, VerwArch 2014, 212, 216; Greim/Michl, Kommunalverfassungsrechtliche Drittanfechtung, NVwZ 2013, 775 ff.; Lange, in: FS Schenke, 2011, S. 959 ff.; Trésoret, Die Geltendmachung von Grundrechten im verwaltungsinternen Organstreitverfahren, 2011. 38 Schoch, in: Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im öffentlichen Recht, 2009, § 28 Rn. 5, 26; Rottenwallner, VerwArch 2014, 212, 216; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 2017, Rn. 784; Stober, Kommunalrecht, S. 122. 39 Ipsen, VerwR AT, § 17 Rn. 1020. 40 Rottenwallner, VerwArch 2014, 212, 217. 41 Dazu Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 34; J. Schwabe, JA 1975, 45, 46. 42 Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 34. 43 Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 34. 44 Dazu Rottenwallner, VerwArch 2014, 212, 217. 45 Rottenwallner, VerwArch 2014, 212, 217.

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

Betrachtet man die Problemkreise, die im verwaltungsrechtlichen Organstreit diskutiert werden, stellt man Überschneidungen mit Streitfragen zum aktienrechtlichen Organstreit fest. So ist beiden zu eigen, dass prozessuale, materielle als auch praktische Aspekte bei der Diskussion eines Für und Wider angeführt werden. Im verwaltungsgerichtlichen Organstreit ist streitig, welche richtige Klageart statthaft und ob zur Vermeidung von Popularklagen, eine Klagebefugnis nach § 42 Abs.2 VwGO analog notwendig ist46. Bei Organen sei nur eine analoge Klagebefugnis anzunehmen, da sie nur Inhaber von Kompetenzen, nicht aber von Rechten seien47. Bei materiellen Fragestellungen wird die Unterscheidung zwischen Innen- und Außenrecht kritisiert, da eine klare Trennlinie nur schwer zu ziehen sei48. Zudem wird kritisiert, dass eine Reduktion der Komplexität des verwaltungsrechtlichen Organisationsrechts stattgefunden habe und deshalb eine Einbuße an Reflexion der organschaftlichen Realität die Folge sei49. Auswirkungen habe diese Einbußen an Reflexion auch für die Praxis, da die Rechtsprechung weit mehr „hineingelegt“ habe, als das es sich mit dem Innenrecht erfassen und im Prozess mit den vorhandenen Klagearten bewältigen lasse50. Obwohl das Verwaltungsrecht in dogmatischer als auch prozessualer Hinsicht gegenüber dem Aktienrecht einen erheblichen Vorsprung bei Fragen zum Organstreit innehat, zeigt sich, dass trotz Anerkennung von verwaltungsrechtlichen Organstreitigkeiten, der Entwicklungsprozess nicht zum Erliegen gekommen ist. Vielmehr verfolgen einige Stimmen aus dem öffentlich-rechtlichen Schrifttum das Ziel, den durch die Anerkennung von Organklagen ausufernden Anwendungsbereich einzugrenzen und der damit einhergehenden Ungenauigkeit entgegenzutreten51. Das Privatrecht kann sich diese Entwicklungen zu Nutze machen

§ 10 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichem und aktienrechtlichem Organstreit Existierten im „historischen“ Staatsrecht so etwas wie Verfassungsstreitigkeiten zwischen Institutionen eines Staates und entwickelte sich dort – mit Hilfe der aus 46 Dazu Rottenwallner, VerwArch 2014, 212, 218; ausführlich Schoch, in: Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im öffentlichen Recht, 2009, § 28 Rn. 6; Bethge, in: Mann/Püttner, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2007, § 28 Rn. 41. 47 Böckenförde, in: FS Wolff, 1973, S. 269 ff.; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 23; Schoch, in: Ehlers/Schoch, Rechtsschutz im öffentlichen Recht, 2009, § 28 Rn. 13 ff. 48 Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 10. Aufl., § 21 Rn. 2; Krebs, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. 5, § 108 Rn. 34; Jestaedt, in: GVwR, Bd. I, § 14 Rn. 14. 49 Dazu Windthorst, in: Jahrbuch des öffentlichen Rechts, 2013, 548 ff.; Rottenwallner, VerwArch 2014, 212, 219. 50 So Rottenwallner, VerwArch 2014, 212, 220. 51 Zuletzt Rottenwallner, VerwArch 2014, 212 ff.

§ 10 Unterschiede zwischen öffentlich- u. aktienrechtlichem Organstreit

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dem Zivilrecht stammenden Lehre der juristischen Person – das heutige herrschende Verständnis von Organklagen heraus, ist Vergleichsartiges im Recht der Aktiengesellschaft nur in Ansätzen zu finden52. Quellen über gerichtliche Verfahren zwischen Organen einer Aktiengesellschaft sind kaum vorhanden53. Zwar reichen auch Erscheinungsformen der Aktiengesellschaft bis in das Mittelalter zurück54. Jedoch ist der aktienrechtliche Organstreit eine Thematik, die erst Mitte der 1970er Jahre mit Einführung der Mitbestimmung in einem vergleichbar umfassenden Maße diskutiert wurde, wie das öffentliche Recht dies schon Jahrhunderte zuvor tat. Die Gründe dafür sind offensichtlich: Streitigkeiten zwischen Staatsorganen, die innerhalb eines Staates geführt wurden, betrafen – und betreffen immer noch – Fragen der politischen Macht55. Streitgegenstände sind von der Verfassung gewährte Rechte, die ein Organ innehat und die von einem anderen Organ negiert und/oder sogar verletzt werden. Die Klärung eines solchen Konflikts war und ist notwendig, um eine Gefährdung des Staates und seiner Bürger abzuwenden und gegebenenfalls seine Existenz zu sichern. Von besonderer Relevanz ist darüber hinaus, dass ein hohes Interesse an einer öffentlichen Debatte besteht, da die Zuweisung von Kompetenzen (und damit von Macht) an ein Organ der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden soll. Das liegt besonders an der Konstellation Staat – Bürger. Denn grundsätzlich ist jeder Bürger daran interessiert, welche Kompetenzen dem Staat und einzelnen Staatsorganen zustehen. Es handelt sich bei Organstreitigkeiten im öffentlichen Recht kurzum um ein ganz anderes Ausmaß an Rechtsverletzungen, deren Klärung notwendig ist. Hingegen fehlt den Streitigkeiten innerhalb einer Aktiengesellschaft diese Außenwirkung. Sie ist vielmehr ein von Menschen geschaffenes wirtschaftliches Konstrukt, das zuvörderst den Zweck verfolgt, ein von ihr getragenes Unternehmen so zu leiten, dass es Gewinne erwirtschaftet. Der Aktionsbereich ist auf diese wirtschaftliche Tätigkeit begrenzt. Konflikte zwischen den Organen entstehen immer im Zusammenhang mit Entscheidungen, die unmittelbar die wirtschaftliche Tätigkeit der Aktiengesellschaft betreffen. Im Gegensatz zu Streitigkeiten im öffentlichen Recht ist es bei Streitigkeiten innerhalb der Aktiengesellschaft zudem fraglich, ob ein ebenso gleiches Interesse der Öffentlichkeit an einer Konfliktklärung 52 So sprechen Lehmann/Ring, Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1902, § 247 HGB Nr. 2 davon, dass dem Organ Aufsichtsrat ein eigenständiges Klagerecht zustehen soll. Ein solches bildet die Grundlage für Organklagen. Leider sind die Ausführungen zu unausgereift, weil zentrale Fragen wie Kostentragung und Rechtsfähigkeit des Organs nicht angesprochen werden. 53 Gemeint sind damit explizit Verfahren, die einen Streit zwischen den Organen betreffen. Nicht darunter fallen allerdings die Entscheidungen, in denen das ROHG oder das RG im Rahmen der Frage, wann ein Abberufungsgrund für Mitglieder des Vorstands gegeben ist, das Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat zueinander erörtert haben, vgl. ROHGE 24, 222 ff. sowie RGZ 75, 308; RGZ 115, 351; siehe zudem Landrock, Innenrechtsstreit, S. 41 ff. 54 Vgl. Henssler/Wiedemann, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, 1. Kap. Rz. 1. 55 Dazu auch Grote, Verfassungsorganstreit, 2009, S. 78 f.: „verfassungsrechtliche Streitfragen als Machtfragen“.

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

gegeben ist. Neben den beteiligten Organen sind allein die Aktionäre und – wenn überhaupt – mit der Gesellschaft in Geschäftsbeziehungen stehende Dritte daran interessiert, wie ein interner Konflikt ausgeht. Eine negative Außenwirkung kann dabei der Aktiengesellschaft auch Schaden zufügen. Es ist daher festzuhalten, dass die Interessenlagen zwischen privatem und öffentlich-rechtlichem Verband nicht deckungsgleich sind. Um diese Entwicklung nachvollziehen zu können, ist es notwendig zu verstehen, wie die Aktiengesellschaft ursprünglich innerverbandlich strukturiert war und durch weitere Gesetzesreformen verändert und zu dem uns heut bekannten Konstrukt geformt wurde.

§ 11 Die Machtverschiebung in der Aktiengesellschaft – von einer starken Generalversammlung zu einem durchregierenden Aufsichtsrat56 A. Absolutistische Strukturen als prägendes Merkmal der ersten Gesellschaften Die Machtverteilung innerhalb der Aktiengesellschaft gibt einen ersten Anhaltspunkt darüber, warum Organklagen im 19. Jahrhundert in der Praxis weder vorkamen, noch vertiefend diskutiert wurden. So waren die ersten Aktiengesellschaften57 wegen des damals vorherrschenden Oktroisystems58 sehr eng mit dem Staat verbandelt. Absolutistische Strukturen zeichneten sich daher auch in der Verwaltung von Gesellschaften ab59. Monarchen waren oftmals alleinige Gesellschafter60 und übten unmittelbar Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft 56 Vertiefend und ausführlich zur Entwicklung der Machtstrukturen innerhalb der Aktiengesellschaft dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006. 57 Dabei ist bereits umstritten, was die erste Aktiengesellschaft war, vgl. dazu mit weiteren Nachweisen Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 39 Fn. 1. 58 Es handelte sich dabei um ein Einzelfallgesetz, das die Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft regelte, dazu Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968, S. 115 ff.; Lippert, Überwachungspflicht, S. 55; Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 40. 59 Als Beispiele für diese enge Verflechtung gelten die Niederländisch-Ostindische Kompanie als auch die Brandenburgisch-Afrikanische Kompanie, vgl. dazu v. Gierke, Genossenschaftsrecht, S. 992 f.; Wieland, Handelsrecht II, 1931, S. 6; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte, S. 16; Heckscher, Der Merkanitilismus, Erster Band, 1932, S. 326, 333 ff. sowie Schück, Kolonial-Politik I, 1889, S. 354 ff. 60 Dies beruhte vor allem darauf, dass das Kapital der Gesellschaften aus öffentlichen Mitteln stammte. So vor allem in Frankreich, vgl. v. Gierke, Genossenschaftsrecht, S. 997 ff.; Heckscher, Der Merkanitilismus, Erster Band, 1932, S. 323 ff.; Steinitzer, Ökonomische Theorie der Aktiengesellschaft, 1908, S. 22 f.; Wiethölter, Interessen und Organisation, S. 61; für England siehe Renaud, Actiengesellschaften, S. 33 ff.; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte, S. 17.

§ 11 Die Machtverschiebung in der Aktiengesellschaft

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aus. Später – im frühen 19. Jahrhundert – existierte zwar oftmals eine dreigliedrige Struktur mit Direktorium, Verwaltungsrat und Generalversammlung61. Jedoch war die Befugnis der Direktoren zur Leitung des Unternehmens sehr schwach ausgebildet. Viel eher waren sie dazu angehalten, die im Verwaltungsrat getroffenen Entscheidungen umzusetzen62. So war der Verwaltungsrat nicht nur als bloßes Überwachungsorgan tätig, sondern als eigentliches Leitungsorgan der Gesellschaft, das allerdings selbst nicht überwacht wurde63. Diese besondere Stellung ergab sich aus dem Umstand, dass die Generalversammlung die Mitglieder des Verwaltungsrats wählte, wobei zumeist die Gründungsgesellschafter, die zugleich Großaktionäre waren, im Verwaltungsrat saßen64. Durch diese Konstellation wurde erheblicher Missbrauch betrieben65. Unzählige Beispiele belegen, dass man von einem homogenen Verhältnis der einzelnen Organe weit entfernt war.

B. Das ADHGB von 1862 und die Generalversammlung als das „oberste Organ“ der Aktiengesellschaft Allerdings war man bestrebt, innerhalb des Deutschen Bundes ein einheitliches Handels- und Gesellschaftsrecht zu schaffen. Aktiengesellschaften waren ein Produkt der Rechtswirklichkeit und existierten bereits seit Hunderten von Jahren, ohne dass der Gesetzgeber Einfluss über ihre Ausgestaltung nahm66. Mit dem ADHGB versuchte er restriktiv und zaghaft den verschiedenartigen Erscheinungsformen Einhalt zu gebieten, ohne allerdings die Gestaltungsfreiheit der Gesellschaften völlig einzudämmen67. Einige neu geschaffene Regelungen entlehnten sich an anderen 61 Passow, ZHR 64 (1909), 27, 30; Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte, S. 84; Assmann, in: Großkomm. AktG., Einl. Rn. 43, 65; Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 52. 62 Zusammenfassend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 61. 63 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 62, der offenlegt, dass dieser Makel gar nicht erkannt wurde und Kritik allein dahingehend geübt wurde, dass die Existenzberechtigung des Direktoriums hinterfragt wurde. 64 Dazu Schäffle, DVS 1856, 259, 278 ff.; Hopt, in: Horn/Kocka, 1979, S. 227, 229 f.; Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 58. 65 So wird vor allem die „Agiospekulation“ zum Nachteil der Aktionäre in der Literatur angeführt. Aus dem historischen Schrifttum dazu Schäffle, DVS 1856, 259, 278, 281; Hansemann, Eisenbahnen und Aktionäre, § 122, S. 144; sowie aus dem gegenwärtigem Schrifttum Hopt, in: Coing/Wilhelm, S. 128, 154, der darin die Vorzeichen von Insiderhander erkennen will; vgl. ferner Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 59 f. 66 Während die einen die St. Georgsbank in Genua als älteste Aktiengesellschaft ansehen, wie v. Gierke, Genossenschaftsrecht, S. 991 f.; Fick, ZHR 5(1862), 1; Renaud, Actiengesellschaft, 1. Aufl., 1863, S. 21 ff.; Wieland, Handelsrecht II, 1931, S. 5, sehen andere die Handelscompagnien in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts als erste Aktiengesellschaften an, so Assmann, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., Einl Rn. 14; Lehmann, Entwicklung des Aktienrechts, S. 9 ff.; Wiethölter, Interessen und Organisation, S. 54 ff. 67 Vgl. die Analyse bei Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 90 f.

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

Gesellschaftsformen. So sah das Recht der KGaA bereits ein dreigliedriges Organisationssystem vor. Neben Vorstand und Kommanditisten („stille Gesellschafter“68) existierte in der KGaA ein überwachender Verwaltungsrat69. Hingegen war die Aktiengesellschaft grundsätzlich nur zweigliedrig organisiert70. Dies änderte sich mit dem Entwurf zum ADHGB von 1861, der neben Vorstand und Generalversammlung, die Möglichkeit vorsah, fakultativ nach Art. 225 ADHGB 1862 einen Aufsichtsrat einzurichten. Zum einen sollte damit, die mit dem (späteren) Wegfall des Konzessionssystems befürchteten Missbräuche eingedämmt werden71. Zum anderen sollten – vergleichbar mit den Regelungen der KGaA – die Rechte der Aktionäre besser repräsentiert werden72. Er stand damit in der Tradition der Verwaltungsräte, war mit diesen allerdings nicht deckungsgleich, da das Gesetz es zuließ, neben dem Aufsichtsrat, einen Verwaltungsrat zu errichten, vgl. Art. 231 Abs. 2 ADHGB 1862. Jedoch sollte die Aufgabenwahrnehmung allein auf die Überwachungsfunktion begrenzt sein73. Zwar hatten die Überlegungen zur Verhinderung von Missbrauch bei Gesellschaftsgründungen zur Schaffung des (fakultativen) Aufsichtsrats beigetragen. Allerdings führte erst die Aktienrechtsnovelle von 1870 dazu, dass das Konzessionssystem völlig aufgegeben wurde74. Die Aktiengesellschaft des ADHGB von 1862 kannte folglich nur zwei Pflichtorgane: Neben dem Vorstand, der nach Art. 227 ADHGB 1862 die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich vertrat, existierte die Generalversammlung, die die Befugnisse ausübte, die den Aktionären in Gesellschaftsangelegenheiten zustanden, Art. 224 Abs. 1 ADHGB 1862. Nur fakultativ bestand die Möglichkeit, einen „Aufsichtsrath“ zu bestellen, der nach Art. 225 ADHGB 1862 die Geschäftsführung der Gesellschaft „in allen Zweigen der Verwaltung“ zu überwachen hatte. Es ergab sich folgende Rollenverteilung: Die Generalversammlung wurde von der Rechtsprechung als das „Willensorgan“75 der Aktiengesellschaft und damit als das „oberste Organ“76 der Gesellschaft betrachtet. Es galt als einhellige Auffassung, dass die 68

Die Bezeichnung „Kommanditgesellschaft auf Aktien“ wurde erst später gebraucht. Man sprach zunächst von einer „stillen Gesellschaft auf Aktien“, vgl. den Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Preussischen Staaten von 1857, Abdruck bei Schubert, Protokolle HGB, Band 10. 69 Vgl. Art. 158 Abs. 1 des Preussischen Entwurfes von 1857. 70 Vgl. dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 71. 71 Die Abschaffung des Konzessionssystems erfolgte mit der 1. Aktienrechtsnovelle von 1870, wurde aber bereits für das ADHGB von 1862 diskutiert; vgl. Pahlow, in: Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 1, 8. Kap., Rn. 41; die einzelnen Landesgesetze konnten jedoch von dem Konzessionserfordernis absehen, vgl. die Nachweise bei Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 94 Fn. 3. 72 Primker, in: Endemann, Handbuch I, S. 583. 73 Renaud, Actiengesellschaft, 1. Aufl., 1863, S. 553. 74 Zu den Hintergründen siehe Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 94 ff. 75 RGZ 3, 123, 129. 76 So bereits das ROHG 20, 207, 222; Renaud, Actiengesellschaft, 1. Aufl., 1863, S. 279, 405, 442.

§ 11 Die Machtverschiebung in der Aktiengesellschaft

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Generalversammlung berechtigt war, dem Vorstand Weisungen zu erteilen77 und der Vorstand verpflichtet war, die durch Gesellschaftsstatut oder Generalversammlungsbeschluss erteilten Beschränkungen einzuhalten, Art. 231 Abs. 1 ADHGB 1862. Da darüber hinaus nach Art. 214 ADHGB 1862 das Recht der Satzungsänderung ebenfalls in den Kompetenzbereich der Generalversammlung fiel, konnte diese sämtliche Befugnisse an sich ziehen, es sei denn, ein anderes Organ war ausschließlich zuständig oder die Angelegenheit war per Gesetz nicht dem Zuständigkeitsbereich der Generalversammlung entzogen78. Die Befugnisse des Vorstands glichen in etwa denen, die uns auch heute bekannt sind. So verwaltete der Vorstand das Gesellschaftsvermögen und vertrat die Gesellschaft gegenüber Dritten nach außen, Art. 227 ADHGB 1862. Interne Beschränkungen der Vertretungsmacht hatten keine Auswirkung auf die Wirksamkeit nach außen79. Diente diese Vorschrift zwar vordergründig dem Verkehrsschutz, stellte sie eine deutliche Stärkung der Position des Vorstands dar, im Gegensatz zur Stellung der Direktoren in früheren Aktiengesellschaften80. Handelte es sich allerdings um besonders bedeutsame Geschäfte, oblag die Vertretung der Gesellschaft der Generalversammlung81. Der fakultativ errichtete Aufsichtsrat hingegen galt nach einhelliger Ansicht im Schrifttum als permanenter Aktionärsausschuss, der die strukturellen Schwächen der Generalversammlung kompensieren sollte und im Interesse dieser den Vorstand zu überwachen hatte82. Die besondere beabsichtigte Neuausrichtung als Überwachungsorgan, das nicht allein den Interessen der Aktionäre unterworfen war, wurde sowohl vom Schrifttum83 als auch der Praxis84 vollkommen ignoriert85. Dabei wird deutlich, dass der Aufsichtsrat im Sinne eines Verwaltungsrats früherer Aktiengesellschaften verstanden wurde86. Diese Fehlinterpretation durch Schrifttum und Praxis führte zu einem Ungleichgewicht der einzelnen Organkompetenzen. Sie stellt den Ursprung der Kompetenzverschiebung hin zu einem starken durchregierenden Aufsichtsrat dar. Dies verdeutlicht sich, wenn man sich mit den einzelnen Befugnissen des Auf77

Renaud, Das Recht der Actiengesellschaften, 1. Aufl., 1863, S. 449. RGZ 117, 203, 206. 79 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 78. 80 So bereits Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 78. 81 Renaud, Das Recht der Actiengesellschaften, 1. Aufl., 1863, S. 360 f. 82 Dazu Renaud, Das Recht der Actiengesellschaften, 1. Aufl., 1863, S. 406, 550 f.; Weinhagen, Recht der Aktien-Gesellschaften, Art. 225 Anm. 2, S. 183. 83 So wurden in vielen Gesellschaften die Organe einfach umbenannt, siehe Passow, Die Aktiengesellschaft. Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, 1922, S. 353 f. 84 Zur Wahrnehmung der Neuerungen durch die Praxis siehe Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 89. 85 Dazu vor allem Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 79, 90. 86 Vgl. Auerbach, Gesellschaftswesen, S. 379 f.; Renaud, Das Recht der Actiengesellschaften, 1. Aufl. 1863, S. 406 sowie S. 550 f. Diesen Mangel aufdeckend und anmahnend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 79. 78

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sichtsrats auseinandersetzt. Neben den zur Überwachungsfunktion zugehörigen Kompetenzen wie Informationsrechten, dem Recht zur Einberufung der Generalversammlung, der Prüfung der Rechnungslegung und auch der Möglichkeit, prozessual Ansprüche gegenüber den Mitgliedern des Vorstands geltend zu machen, bestand nach Art. 231 Abs. 2 ADHGB 1862 die Möglichkeit, weitere Befugnisse auf den Aufsichtsrat zu übertragen. Der Aufsichtsrat wurde als eine Art „verkleinerte Generalversammlung“87 verstanden: Der Machterhalt der Gründungsgesellschafter stand im Vordergrund und um diesen zu sichern, enthielt der Gesellschaftsvertrag statutarische Regelungen, die es ermöglichten, dass die Generalversammlung als „oberstes Organ“ Befugnisse an den Aufsichtsrat übertrug88. In diesem saßen vornehmlich die Groß- und Gründungsaktionäre selbst bzw. deren Vertraute. Die übertragenen Befugnisse lesen sich dementsprechend weit: So wurde oftmals dem Aufsichtsrat das Recht eingeräumt, die Mitglieder des Vorstands zu bestellen, abzuberufen als auch zu entlasten89. Daneben standen häufig Geschäfte des Vorstands unter dem Zustimmungsvorbehalts des Aufsichtsrats90. Diese Befugnisse – mit Ausnahme der Entlastung – sind auch im gegenwärtigen geschriebenen Recht der Aktiengesellschaft vorhanden. Allerdings bestand darüber hinaus die Möglichkeit, dem Aufsichtsrat Weisungsrechte einzuräumen, die zwar an bestimmte Voraussetzungen geknüpft waren, aber mit dem Einfluss der Verwaltungsrechte der frühen Aktiengesellschaften verglichen werden können91. Zwar mag es überspitzt klingen, wenn Lieder schreibt, dass man mit Geltung des ADHGB von 1862 „schlicht die bestehenden Gesellschafsorgane [der frühen Aktiengesellschaften, Anm. d. Verf.] um[benannte]“92.

Jedoch spiegelt diese Analyse die damals vorherrschenden Interessen der Großund Gründungsaktionäre wider, die eine Änderung des status quo ablehnten und auch die vom Gesetzgeber beabsichtigte Umwidmung des Verwaltungsrats in ein vordergründig der Überwachung der Gesellschaft dienendes Organ ignorierten. Indem der Aufsichtsrat per Statut umfassende Befugnisse übertragen bekam, galt er zugleich als mächtigstes und konfliktlösendes Organ der Gesellschaft. Kompetenz87 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 91; die damalige Literatur sprach von einer „verkürzten“ Generalversammlung, so Strey, Handelsgesellschafts-Recht, S. 243, Renaud, Actiengesellschaften, S. 626 oder von einem „Vertrauensausschuss der Actionäre“, so Perrot, Actienschwindel, S. 164. 88 So auch Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 85 sowie S. 91. 89 Dazu Auerbach, Gesellschaftswesen, S. 384; Strey, Handelsgesellschafts-Recht, S. 250; Löwenfeld, Kritik und Reformvorschläge, S. 233. 90 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 86. 91 Eine Aufzählung verschiedener Statute von Aktiengesellschaften, die eine solches Weisungsrecht enthielten, findet man bei Weinhagen, Recht der Aktien-Gesellschaften, Anhang, S. 178, 187 sowie S. 254, 263. 92 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 89; dazu auch Passow, Die Aktiengesellschaft. Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, 1922, S. 353 f.

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streitigkeiten wurden durch Ausnutzung des Weisungsrechts gegenüber dem Vorstand und der Androhung eines jederzeit möglichen Widerrufs der Bestellung gelöst93. Lässt man die durch Gesellschaftsvertrag dem Aufsichtsrat eingeräumten Befugnisse außer Acht und greift allein auf diejenigen Befugnisse zurück, die dem Aufsichtsrat per Gesetz eingeräumt wurden, zeigt sich, dass das ADHGB von 1862 bereits eine Regelung enthielt, die dem Aufsichtsrat Klagebefugnisse gegen den Vorstand einräumte, vgl. Artt. 226, 194 ADHGB 1862. Art. 226 verwies in das Recht der KGaA. Bei dieser konnten die Kommanditisten gegen den bzw. die persönlich haftenden Gesellschafter klagen, wenn die Generalversammlung hierüber beschlossen hatte (Art. 194 Abs. 1 ADHGB 1862) oder eine Angelegenheit betroffen war, in der „es sich um die eigene Verantwortlichkeit des Aufsichtsraths“ handelte, Art. 194 Abs. 3 ADHGB 1862. Art. 194 ADHGB 1862 war durch die Verweisung in Art. 226 ADHGB 1862 entsprechend anzuwenden. Erst mit dem HGB von 1897 wurde diese Verweistechnik aufgehoben und die Systematik dahingehend verändert, dass die Aktiengesellschaft vor die KGaA gestellt wurde und eine eigene Vorschrift zu den Klagebefugnissen bekam94. Fraglich ist allerdings, wer als Adressat der Klage zu sehen war; insbesondere, wenn der Aufsichtsrat nach Artt. 226, 194 Abs. 3 ADHGB 1862 selbst beschloss, Klage zu erheben. Denn während im Recht der KGaA nach Art. 194 Abs. 3 ADHGB 1862 ausdrücklich die persönlich haftenden Gesellschafter als Klagegegner genannt wurden, galt nach Art. 226 ADHGB 1862 das Klagerecht für den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft nur entsprechend ohne jeglichen weiteren Verweis, ob das Organ oder die Organmitglieder persönlich Adressaten der Klage sein sollten. Würde man Art. 194 Abs. 3 ADHGB 1862 allerdings entsprechend angewandt haben, hätten die Besonderheiten der aktienrechtlichen Organisationsstruktur berücksichtigt werden müssen. Nach dieser war die Leitung der Aktiengesellschaft grundsätzlich dem Vorstand vorbehalten, sofern dem Aufsichtsrat durch Statut keine weitergehenden Befugnisse eingeräumt wurden95. Umfasst war damit auch die Vertretung der Gesellschaft. Der Wortlaut des Gesetzes knüpfte bei der Aufgabenwahrnehmung durch den Vorstand nicht an die einzelnen, dem Organ angehörenden Personen an, sondern allein an der Stellung als Gesamtorgan (vgl. Art. 227 Abs. 1, Art. 231 ADHGB 1862). Demnach konnte bei einer entsprechenden Anwendung von Art. 194 Abs. 3 ADHGB 1862 nur der Vorstand als Organ als richtiger Klagegegner angesehen werden. Dass dieser sich aus einzelnen Personen zusammensetzte (Art. 227 Abs. 2 ADHGB 1862), ändert nichts an der Wertung, dass der Adressat grundsätzlich das Organ und nicht die einzelnen Mitglieder waren. 93

Dazu Primker, in: Endemann, Handbuch I, S. 579 f. Vgl. unter § 11 E. 95 Zwar fand der Begriff der Leitung erst später Einzug ins Gesetz, allerdings leitet sich diese Befugnis des Vorstands aus den in Art. 227 Abs. 1 und Art. 230 ADHGB 1862 festgeschriebenen Kompetenzen, die Gesellschaft nach außen zu vertreten und die Geschäfte zu führen, her. 94

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Eine andere Frage behandelt hingegen die Problematik, ob es sich bei diesem vom Gesetz vorgesehenen Klagerecht um ein Beispiel für eine Organstreitigkeit handelte, die im Klagewege ausgefochten werden konnte. Grundsätzlich vertrat der Vorstand die Gesellschaft gerichtlich sowie außergerichtlich, Art. 227 ADHGB 1862. Artt. 226, 194 Abs. 1 und 3 ADHGB 1862 übertrug jedoch die Kompetenz zur Klage auf den Aufsichtsrat. Da nach Art. 194 Abs. 1 ADHGB 1862 der Aufsichtsrat gegen den Vorstand zur Klage berechtigt war, wenn die Hauptversammlung dies beschloss, handelte der Aufsichtsrat im Interesse der Gesellschaft und als Vertreter der Aktiengesellschaft. Nach Art. 194 Abs. 3 ADHGB 1862 konnte der Aufsichtsrat einschreiten, wenn seine Verantwortlichkeit betroffen war. Der überwiegende Teil der Literatur sah zwischen Art. 194 Abs. 1 und Abs. 3 ADHGB 1862 eine Verknüpfung, sodass der Aufsichtsrat auch im Rahmen von Art. 194 Abs. 3 ADHGB 1862 als Vertreter der Gesellschaft auftrat96. Einige Stimmen aus der Literatur gingen diesbezüglich allerdings so weit, dass sie aus der Eigenbetroffenheit des Aufsichtsrats so etwas wie ein Organrecht ableiteten, das nicht im Namen der Gesellschaft, sondern im Namen des Aufsichtsrats geltend gemacht werden konnte97. Dies ist aus heutiger Perspektive ein unglaublich fortschrittlicher Gedanke, der allerdings nicht in allen seinen Dimensionen zu Ende gedacht wurde98. Schreibt man dem Vorstand wegen der entsprechenden Anwendung von Art. 194 Abs. 3 ADHGB 1862 und der damit einhergehenden besonderen Bedeutung der aktienrechtlichen Organisationsverfassung die gleiche Stellung wie dem Aufsichtsrat zu, der im eigenen Namen klagt, so waren bereits im Jahre 1862 die Voraussetzungen für einen Interorganstreit gegeben. Jedoch muss relativierend hinzugefügt werden, dass zu diesem Zeitpunkt immer noch strittig war, in welcher Hinsicht der juristischen Person Rechtsfähigkeit zukommt, sodass an die Rechtsfähigkeit eines Organs nicht zu denken war. Folglich sind Erörterungen über das dem Aufsichtsrat zustehenden Klagerecht im damaligen Schrifttum nicht, oder wenn nur in Ansätzen zu finden. Gleiches gilt über die Frage, ob es sich um eine Interorganstreitigkeit handelt. Hingegen zeigt die vorgenommene Analyse, dass das Recht der Aktiengesellschaft von 1862 bereits das materielle Fundament enthielt, Interorganklagen zu führen. Die Praxis nutzte die Möglichkeit, ein Organ zum Herrschaftsorgan der Gesellschaft zu erheben, das durch die zugewiesenen (Weisungs-)Befugnisse in der Lage war, Konflikte mit anderen Organen zu entscheiden.

96 So die überwiegenden Stimmen, auch zu den späteren Parallelvorschriften (Abs. 1 und Abs. 2) vgl. etwa Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 247 HGB S. 298; Pinner, in: Staub, HGB, 14. Aufl., § 247 Anm. 7. 97 Vgl. dazu Lehmann/Ring, Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1902, § 247 Nr. 2, die diesen Gedanken bei Art. 247 HGB 1897 aufbrachten. Zwar enthielt die Norm keinen Verweis, allerdings war sie mit allen Vorgängervorschriften identisch. 98 Weder über die Rechtsfähigkeit von Organen noch über die Kostentragung findet man Gedanken.

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C. Die 1. Aktienrechtsnovelle von 1870 – Errungenschaften und Defizite I. Die dreigliedrige Unternehmensverfassung als innergesellschaftliche Organisationsstruktur Die Novelle von 1870 war hauptsächlich davon geprägt, die im ADHGB von 1862 bereits angedachte Abschaffung des Konzessionssystems zu vollziehen und ein Normativsystem zu errichten99. Unter diesem Blickwinkel sind beinahe alle vorgenommenen Veränderungen der Unternehmensverfassung zu bewerten. Insbesondere die Institutionalisierung des Aufsichtsrats als obligatorisches Organ fällt darunter100, vgl. Art. 209 Nr. 6 sowie Art 225a ADHGB 1870. Da nun mit der Novelle von 1870 die Einführung von Normativbestimmungen erfolgte, wurde die Errichtung eines Aufsichtsrats Pflicht. Das ist – trotz der inhaltlichen Mängel – mit den Worten Lieders zu sagen, „der große Verdienst der 1. Aktienrechtsnovelle, eine moderne dreigliedrige Unternehmensverfassung geschaffen zu haben, wie sie dem deutschen Aktienrecht auch heute noch eigen ist.“101

Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in rechtstatsächlicher Hinsicht, erhebliche Defizite in der Aufgabendeutung und Aufgabenwahrnehmung des Aufsichtsrats gab. Denn trotz der „modernen dreigliedrigen Unternehmensverfassung“ versäumte es der Gesetzgeber, den bisher schon praktizierten Umgehungsmöglichkeiten der Gründungsgesellschafter und späteren Großaktionären, Einhalt zu gebieten102; stattdessen wurde weiterhin von ihnen in erheblichem Umfang Gebrauch gemacht. Denn ein Institut wie die in § 23 Abs. 5 AktG geregelte Satzungsstrenge, das abweichende Regelungen nur zulässt, wenn sie das Aktiengesetz ausdrücklich nennt und ergänzende Bestimmungen grundsätzlich als zulässig gelten, es sei denn, dass das Gesetz keine abschließende Regelung getroffen hat, kannte das ADHGB nicht103. Die Unternehmensverfassung der Aktiengesellschaft des ADHGB von 1870 sah wie folgt aus: Die Generalversammlung galt weiterhin als das „oberste Organ“ der Aktiengesellschaft. Diese wählte auch den Aufsichtsrat, Art. 210a Abs. 1 Nr. 3 99 Dazu Stenografische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes, I. Legislatur-Periode, Session 1870, Band 4, Anlage Nr. 158, S. 645, 650; zudem Schäffle, DVS 1856, 259, 290; Reich, in: IuS Commune II, S. 239, 264; aus dem gegenwärtigen Schrifttum dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 94 f.; ders., in: Bayer/ Habersack, Aktienrecht im Wandel I, Rn. 4; Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968, S. 136 ff. 100 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 112. 101 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 127. 102 Keysner, Die Aktiengesellschaften und die Kommanditgesellschaften auf Aktien unter dem Reichs-Gesetz vom 11. Juni 1870, 1873, S. 186 ff. 103 Ebenso darauf abstellend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 119.

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ADHGB 1870. Die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats ergaben sich aus Artt. 225a, 226 ADHGB 1870 und waren inhaltlich mit den Vorgängernormen unverändert. Der Aufsichtsrat hatte weiterhin die Geschäftsführung der Gesellschaft in allen Zweigen der Verwaltung zu überwachen, Art. 225a ADHGB 1870. Zwar stand ihm ein Einsichts- und Prüfungsrecht zur Verfügung (Art. 225a Abs. 1 Hs. 2 ADHGB), allerdings war es in der Praxis ohne Wert und man war auf die Kooperationsbereitschaft des Vorstands angewiesen104. Da es der Gesetzgeber allerdings versäumte, die Befugnisse des Aufsichtsrats zu konkretisieren, war seine vom Gesetz vorgesehene Stellung als eher schwach einstufen. Ebenfalls unverändert blieben die Befugnisse des Vorstands als das Organ, das die Aktiengesellschaft gegenüber Dritten gerichtlich und außergerichtlich vertrat.

II. Die in der Praxis gebräuchliche Unternehmensgliederung – von Herrschaftsorganen und viergliedrigen Organisationsformen Die Praxis allerdings beließ es nicht bei den vom Gesetz vorgesehenen Befugnissen des Aufsichtsrats. Die Gründungsgesellschafter und späteren Großaktionäre nutzten die Möglichkeit, dem Aufsichtsrat weitere statuarische Befugnisse einzuräumen. Da Mitglied des Aufsichtsrats nur werden konnte, wer selbst Aktionär war, sorgten sie zum einen dafür, dem Organ selbst anzugehören und zum anderen, dieser „verkürzten Generalversammlung“105 umfangreiche Befugnisse einzuräumen106. Als Basis dieser Konzeption galt das damalige Verständnis über die Machtverhältnisse innerhalb der Aktiengesellschaft. Es war undenkbar, dass die Anteilseigner – gemeint sind dabei vor allem die Gründungsgesellschafter und späteren Großaktionäre – keinen direkten Einfluss auf die Leitung der Gesellschaft haben sollten. Weit verbreitet war daher die Konzeption, dass dem Aufsichtsrat neben der vom Gesetz vorgesehenen Überwachungstätigkeit, verwaltungsrechtliche Befugnisse, wie Bestellung und Abberufung, aber auch Zustimmungsvorbehalte und Weisungsrechte, eingeräumt wurden. Diese Zuweisung weitreichender Befugnisse – insbesondere das Weisungsrecht – fand in der damaligen Literatur sich nur geringer Kritik ausgesetzt107. In diesem Zusammenhang bezeichnend sind die Ausführungen des Reichsoberhandelsgerichts, das das Verhältnis des Vorstands zum überwachenden und mit weiteren Befugnissen ausgestatteten Aufsichtsrat dahingehend beschreibt, dass der Vorstand zum einen verpflichtet ist, die vom Aufsichtsrat gefassten Be104

So zutreffend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 122. Daher sprach man auch von einem „Aktionärs-Ausschuss“ einer „verkürzten Generalversammlung“, vgl. dazu Strey, Handelsgesellschafts-Rechts, S. 243; Löwenfeld, Kritik und Reformvorschläge, S. 226; zusammenfassend auch Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 102, 116. 106 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 119. 107 Renaud, Actiengesellschaft, 2. Aufl., 1875, S. 631 ff.; Passow, Die Aktiengesellschaft. Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, 1922, S. 402. 105

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schlüsse auszuführen und zum anderen bei divergierenden Ansichten, die Ansicht des Aufsichtsrats zu berücksichtigen und dieser zu folgen108. Handelt der Vorstand zuwider dieser Maßgabe oder missbraucht er das Vertrauen des Aufsichtsrats, sodass der Gesellschaft ein Schaden entsteht, kann der Aufsichtsrat den Vorstand noch vor der vertraglich bedungenen Amtszeit abberufen109. Allerdings war die Machtausübung durch einen „starken“ Aufsichtsrat nur eine Gestaltungsvariante. Daneben bestand die Möglichkeit, dass die Gründungsgesellschafter ihren Einfluss dahingehend nutzten, sich oder ihnen nahe stehende Personen in den Vorstand zu berufen110. Dementsprechend schwach waren die Befugnisse des Aufsichtsrats, dem nur die von Gesetzes wegen zustehenden Rechte blieben. Die Überwachungstätigkeit durch den Aufsichtsrat erfolgte hier nur unzureichend111. Dies schlug sich vor allem bei der Zusammensetzung des Gremiums und der Einstellung der Aufsichtsratsmitglieder zu ihrer Tätigkeit durch112. Als zusätzliche und dritte Organisationsform existierten viergliedrige Unternehmensverfassungen, in denen neben Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung durch Gesellschaftsstatut ein Verwaltungsrat als viertes Gesellschaftsorgan errichtet wurde113. Möglich wurde diese Konstruktion durch das Fehlen einer Satzungsstrenge, ähnlich der des § 23 Abs. 5 AktG. Die Gründungsgesellschafter beriefen entweder sich selbst oder ihre Vertrauten in dieses Gremium und räumten dem Verwaltungsrat erhebliche Verwaltungsbefugnisse ein. In dieser Konstellation war das Überwachungsdefizit noch größer, da das durch Gesellschaftsstatut geschaffene Organ selbst nicht der Überwachung unterstand114 und den anderen Organen geringe (gesetzliche) Befugnisse zustanden. Aber selbst, wenn durch Gesellschaftsstatut die Befugnisse der Organe nicht so stark variierten, konnten die Gründungsgesellschafter und Großaktionäre durch ihren Kapital- und Stimmenanteil ihre Interessen innerhalb der Aktiengesellschaft durchsetzen115.

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Vgl. ROHG 21, 375 ff. ROHG 21, 375, 376. 110 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 121; Horn, in: Horn/Kocka, 1979, S. 123, 152. 111 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 121. 112 Häufig kamen die Aufsichtsratsmitglieder daher nicht ihrer Pflicht nach, vgl. Grünhut, ZPÖR 1 (1874), 79, 105; Lasker, Interpellation, 1873, S. 31. 113 Wiethölter, Interessen und Organisation, S. 287; Passow, Die Aktiengesellschaft. Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, 1922, S. 356 ff. 114 Dazu Passow, Die Aktiengesellschaft. Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, 1922, S. 356 ff.; Lasker, Interpellation Lasker und Genossen, 1873, S. 31 f.; dieses Merkmal hervorhebend auch Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 123. 115 So vor allem die Kritik von Perrot, Actienschwindel, S. 250 ff. 109

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III. Zusammenfassung und Erkenntnisse Die Novelle von 1870 diente der Einführung des Normativsystems. Der Aufsichtsrat wurde obligatorischer Bestandteil der Unternehmensverfassung und sollte neben der Interessenwahrnehmung der Anteilseigner, die weggefallene obrigkeitsrechtliche Pflicht der Gründungsprüfung übernehmen. Eine weitergehende kompetenzrechtliche Neugliederung war daher grundsätzlich nicht vorgesehen. Der Gesetzgeber wollte es weiterhin den Gesellschaften bzw. deren Gründern überlassen, durch Gesellschaftsstatut festzulegen, welchem Organ, welche Befugnisse zugewiesen werden. Das damit gewährte Missbrauchspotential sah der Gesetzgeber allerdings nicht. Relevant für die weitere Betrachtung ist die Erkenntnis, dass die gesetzliche Festschreibung der dreigliedrigen Unternehmensverfassung einen materiellen Grundstein für die Frage bildet, ob innerorganschaftliche Streitigkeiten einer gerichtlichen Klärung zugänglich sind. Denn erst durch die 1. Aktienrechtsnovelle von 1870 wurde das Grundgerüst der uns heute bekannten Kompetenzordnung geschaffen. Allerdings war man auch hier weit von einer gerichtlichen Klärung von Organstreitigkeiten entfernt. Diese Situation ist auf die bereits angesprochene Struktur der Machtverhältnisse der Organe untereinander zurückzuführen. Denn je nachdem, welches Organ als „Herrschaftsorgan“ der Gesellschaft fungierte, wurden diesem Organ umfangreiche Befugnisse eingeräumt. Weisungs- und Abberufungsrechte fanden sich in den Statuten der damaligen Aktiengesellschaften zuhauf. Kam es wirklich einmal zu Konflikten zwischen Organen, die zur Folge hatten, dass die Mitglieder eines Organs durch das andere abberufen wurden und dies zu einem Prozess zwischen den Organmitgliedern und der durch den Aufsichtsrat vertretenen Gesellschaft führte, so wird die damals vorherrschende Sichtweise über das Verhältnis der einzelnen Organe zueinander sichtbar. Denn nach Ansicht des ROHG war der Vorstand verpflichtet „nicht nur die statutenmäßig gefassten Beschlüsse des Aufsichtsraths zur Ausführung zu bringen, sondern er war auch verpflichtet, wenn seine Ansichten über das, was im Interesse der Gesellschaft vorzunehmen oder zu unterlassen war, mit den Ansichten des Aufsichtsraths in Widerspruch standen, diese letzteren als maßgeblich anzuerkennen. Insbesondere durfte er keine Handlungen vornehmen, durch welche er den ihm bekannten Intentionen des Aufsichtsraths entgegen arbeite.“116.

Damit unterstützte auch die Rechtsprechung die betriebene Praxis, dass die von den Gründern durch Gesellschaftsstatut gestärkten Organe ohne jegliche Kontrolle die eigentliche Machthoheit über die Aktiengesellschaft ausübten. Überdies sorgte bereits die Zusammensetzung der Organe dafür, dass das Konfliktpotential möglichst gering gehalten wurde. Denn die Besetzung des Aufsichtsrats orientierte sich an den Vorschriften über die Besetzung der KGaA117. Da bei 116 117

ROHGE 21, 375, 376. Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 107.

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dieser nur Kommanditisten in den Aufsichtsrat gewählt werden konnten, galt Gleiches für die Aktiengesellschaft: Art. 209 Nr. 6 ADHGB 1870 beschränkte die Wählbarkeit auf Aktionäre, da man davon ausging, diese mit einem eigenen Risiko an der Gesellschaft beteiligten Anteilseigner seien besonders sorgfältig und verantwortungsvoll bei ihrer Aufgabenwahrnehmung118. Dies entsprach leider nicht den realen Begebenheiten. Im Aufsichtsrat war damit nur eine „Gruppe“ vertreten, die aus Personen bestand, die zumeist noch Hauptaktionäre und sogar Gründer der Gesellschaft waren.

D. Die Korrekturen der 2. Aktienrechtsnovelle von 1884 – Bekämpfung von Missständen, Beibehaltung alter Fehler I. Der Grundgedanke der Novelle Während die 1. Aktienrechtsnovelle von 1870 den Übergang vom Konzessionszum Normativsystem vollzog, lagen Sinn und Zweck der 2. Aktienrechtsnovelle darin, die in der Praxis aufgetretenen Missstände zu beheben119. Denn auf die Gründerjahre 1871 – 1873, die einen rasanten Anstieg der AG-Gründungen auslöste, folgte die Gründerkrise von 1873 – 1879120, die den Untergang von ungefähr ein Drittel der Neugründungen im Wege der Liquidation mit sich zog und damit auf dem Gebiet des Kaiserreichs erhebliche Schäden verursachte121. Opfer dieser Krise waren vor allem die Anteilseigner, die über die Börse wertlose Aktien von Unternehmen erwarben, die wiederum von ihren Gründern nicht mit ausreichend Grundkapital versorgt wurden, indem entweder nur fingierte Einzahlungen erfolgten oder eingebrachte Sacheinlagen zu hoch bewertet waren122. Der Gesetzgeber beabsichtigte daher, eine besondere Konzeption des Aktionärsschutzes in das ADHGB durch die 2. Aktienrechtsnovelle von 1884 zu integrieren123. Indem er sich für eine weitere No118 Perl, Gruchot 27 (1883), 338, 348 f.; damit folgte der Gesetzgeber dem bereits angesprochenen, damals vorherrschendem Verständnis, dass der Aufsichtsrat eine verkleinerte Generalversammlung darstelle. 119 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 129 spricht von einem „Missstandsgesetz“; Reich, in: Horn/Kocka, 1979, S. 255, 256 spricht von „Missbrauchsgesetz“; kritisch zur 2. Aktienrechtsnovelle v. d. Heydt, Aufsichtsrat, S. 25, der sie als „Gelegenheitsgesetz“ bezeichnet. 120 Zu den Hintergründen der Gründerkrise Hofer, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, 11. Kap. Rn. 2 m.w.N. 121 Vgl. dazu die Angaben nach der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, abgedruckt in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, 5. Legislaturperiode, 4. Session 1884, Bd. 3, Anlage Nr. 21, 215, 245. 122 Die Missstände waren immens. Vgl. zu der Vorgehensweise bei fingierten Buchungen die Ausführungen von Wolffson, in: Verhandlungen des 11. DJT II, 1873, 83. 123 Zu den Motiven siehe Hofer, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 1, Kap. 11 Rn. 4 ff. sowie zur Ausgestaltung des Schutzes Rn. 15 ff.

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velle entschied, bekannte sich der Gesetzgeber zugleich zur Aktiengesellschaft und wehrte die (zwar wenigen) Stimmen ab, die sich für ihre Abschaffung aussprachen124. Im Gegensatz zur Novelle von 1870 wählte er bereits eine andere Herangehensweise beim Gesetzgebungsverfahren125. Ignorierte man bei der 1. Novelle noch wissenschaftliche Stellungnahmen und handelte überstürzt, bediente sich der Gesetzgeber nun – neben dem Gutachten des ROHG126 – den Ausführungen des damaligen aktienrechtlichen Schrifttums127. Diese Hinzuziehung von Rechtsrat und vor allem die umfassende Dokumentation des Gesetzgebungsverfahrens stellten eine grundlegende Abkehr zur bisherigen Praxis der Gesetzgebung dar128.

II. Die Ansatzpunkte des Gesetzgebers 1. Die Manifestierung des dreigliedrigen Organisationsmodells Neben der Änderung der Gründungsvorschriften zielte die Reform auch auf die Organisation der Aktiengesellschaft ab. Zwar wurde die mit der 1. Novelle geschaffene dreigliedrige Organisationsform beibehalten129. Allerdings wurde die Möglichkeit zur Errichtung eines weiteren fakultativen Organs per Gesetz ausgeschlossen, indem der Wortlaut von Art. 231 Abs. 2 Satz 2 ADHGB 1884 geändert wurde, um keine Konkurrenz zum Aufsichtsrat zu erzeugen130. Das dreigliedrige Organisationsmodell bildete damit die gesetzliche Grundlage der Unternehmensstruktur. Jedoch wurde mit dem Verbot eines zusätzlichen fakultativen Organs nur ein Problem der zwischen den Organen bestehenden Machtfrage gelöst. Denn in der Rechtswirklichkeit galten entweder der Aufsichtsrat oder der Vorstand als sog. Herrschaftsorgan131. Diese Praxis entsprach weder den Vorstellungen des Gesetz124 So Perrot, Das Aktienunwesen; ders., Ein parlamentarisches Votum über das Aktienwesen, 1884; sowie die Kommission der Handels- und Gewerbekammer Chemnitz (abgedruckt bei Hecht, Börsen- und Actienwesen, S. 157 ff.). Hofer, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 1, Kap. 11 Rn. 11 spricht von einer isolierten Sondermeinung. 125 Zu diesem umfassend Hofer, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 1, Kap. 11 Rn. 4 ff.; Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 129 f. 126 Gutachten über die geeignetsten Mittel zur Abhülfe der nach den Erfahrungen des Reichsoberhandelsgerichts bei der Gründung, der Verwaltung und dem geschäftlichen Betriebe von Aktienunternehmungen hervorgetretenen Uebelstände, abgedr. bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, S. 157 ff. 127 Vgl. Behrend, Reform des Aktiengesellschaftswesens; Goldschmidt, Reform, Lasker, Interpellation Lasker und Genossen, 1873; Strey, Handelsgesellschafts-Recht, 1873; Zimmermann, BuschA 20 (1871), 406 ff.; Silberschlag, JW 1875, 150, 151. 128 Die damit geschaffene Transparenz erfüllt auch in heutiger Zeit noch ihren Nutzen, darauf eingehend Hofer, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 1, Kap. 11 Rn. 1. 129 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 132. 130 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 135 f. 131 Siehe dazu bereits oben unter § 11 C.II. sowie Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 119 ff.

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gebers noch denen der Rechtsprechung über die Machtverhältnisse innerhalb der Aktiengesellschaft. Denn danach wurde immer noch die Generalversammlung als das „Willensorgan der Aktiengesellschaft“ angesehen132. Das Reichsgericht sprach sogar vom „obersten Organ“ der Gesellschaft und postulierte, dass die anderen Organe sich nach dessen Beschlussfassung zu richten haben133. Die damit zum Ausdruck kommende Abstufung der anderen Organe – ähnlich einem Über-UnterOrdnungsverhältnis – wird aus heutiger Perspektive weniger streng beurteilt, da das Gesetz unübertragbare Befugnisse jedes Organs vorsah und somit einen „Kernbereich unentziehbarer Kompetenzen“134 schuf. Demnach standen die Organe – ohne Berücksichtigung statutarischer Abweichungen – nach den ihnen vom Gesetz zugewiesenen Kompetenzen gleichberechtigt nebeneinander135. Betrachtet man allerdings die Kompetenzen, die nicht per Gesetz strikt einem Organ zugewiesen waren, so ergab sich Folgendes: Einerseits war es möglich, dass die Generalversammlung Weisungen an Vorstand und Aufsichtsrat erteilte, andererseits konnte aber auch der Gesellschaftsvertrag vorsehen, das Kompetenzen einem Organ übertragen wurden136. 2. Die Aufwertung der Generalversammlung Nichtsdestotrotz verfolgte der Gesetzgeber von 1884 vor allem das Ziel, die Generalversammlung zu stärken. Vor diesem Hintergrund müssen die durch die Aktienrechtsnovelle erfolgten Änderungen gesehen werden: Insgesamt sollten die einzelnen Organkompetenzen geschärft und die Rechte der Generalversammlung aufgewertet werden137. Die Stärkung betraf allerdings nicht nur die Kompetenzen, die dem Gesamtorgan Generalversammlung zugewiesen waren, sondern auch die Rechtsstellung des einzelnen Aktionärs. Unter dem Leitbild der Aktionärsdemokratie138 stand daher jedem Aktionär nun ein Stimmrecht zu, das unabhängig von der Anzahl seiner gehaltenen Aktien war, Art. 221 Abs. 2, 190 Abs. 1 ADHGB 1884.

132 Vgl. die Allgemeine Begründung, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 387, 464; zuvor bereits ROHGE 8, 180, 189. 133 So noch RGZ 73, 234, 236. 134 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 135. 135 So auch bereits die Begründung zum Gesetzesentwurf, vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, abgedruckt in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 457. 136 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 135 sowie 173 f. 137 Allgemeine Begründung, bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 387, 464; sowie Hommelhoff, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 53, 87 ff. 138 So vor allem Wiethölter, Interessen und Organisation, S. 49 ff.

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Hinzutraten Individual- und Minderheitenrechte, die allerdings in der Praxis von geringer Bedeutung waren139. Dem Gesamtorgan Generalversammlung räumte der Gesetzgeber weitere wichtige Entscheidungsbefugnisse ein, die nicht durch Statut auf andere Organe übertragen werden konnten140. Damit bildeten sich mit der 2. Aktienrechtsnovelle Grundprinzipien der Satzungsstrenge heraus. Allerdings galten diese nicht für ungeschriebene Befugnisse. Außerhalb dessen bestand weiterhin die Möglichkeit, dass die Generalversammlung die ihr nicht bereits von Gesetzes wegen zugewiesenen Kompetenzen an sich selbst zog oder an Vorstand oder Aufsichtsrat übertrug141. 3. Vorstand und Aufsichtsrat als Reformgegenstand – Die Konkretisierung der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats Was die anderen Organe angeht, so setzte sich die Novelle vor allem mit der Stellung und Funktion des Aufsichtsrats auseinander. Die Regelungen zum Vorstand blieben beinahe unangetastet. Man sah keine Notwendigkeit, die ihm bisher zugeschriebene Funktion abzuändern142. Alleinig in Art. 225a I ADHGB 1884 wurde festgelegt, dass man nicht gleichzeitig Mitglied beider Organe sein konnte. Mit dieser Regelung legte man zugleich den Grundstein des heute in Deutschland geltenden dualistischen Organisationsmodells143 und verabschiedete sich von dem in anderen Ländern noch heute existierenden monistischen System144. Die Stellung des Aufsichtsrats erfuhr erhebliche Veränderungen. Insbesondere wandelte sich das Wesen des Aufsichtsrats. Wurde im Rahmen der 1. Aktienrechtsnovelle von 1870 dieser noch als „verkürzte Generalversammlung“ angesehen, führte die Gesetzesänderung dazu, dass sich der Aufsichtsrat zu einem selbständigen Organ der Aktiengesellschaft entwickelte, das einen eigenen von der Generalversammlung unabhängigen Kompetenzbereich innehatte145. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass für Bestellung und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder die Generalversammlung alleinzuständig war und nach Art. 225 Abs. 3 ADHGB 1884 139

So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 134. Vgl. die Auflistung bei Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 133 f. 141 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 134. 142 Vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, abgedruckt in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 457. 143 Siehe dazu die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, abgedruckt in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 457 ff. sowie die Argumente von Lasker, Interpellation Lasker und Genossen, 1873, S. 16 ff. 144 Ausführlich zum englischen Board-System siehe Leyens, Information des Aufsichtsrats, 2006, S. 51 ff. 145 So bereits Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 145. 140

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dem Aufsichtsrat noch weitere Aufgaben durch Gesellschaftsvertrag übertragen werden konnten. Der Gesetzgeber und das überwiegende Schrifttum sprachen sich für den Erhalt eines obligatorischen Überwachungsorgans aus146. Die Errichtungspflicht wurde beibehalten, Art. 209f ADHGB 1884. Zwar gab es auch Stimmen im damaligen Schrifttum, die seine Abschaffung und dafür – dem französischen Recht entlehnt – sog. Kommissäre forderten, die nicht als ständiges Organ tagten, sondern lediglich zur Prüfung der vom Vorstand aufgestellten Bilanz und Verwaltungsrechnung zusammentraten147. Allerdings entschied sich der Gesetzgeber zur Beibehaltung und Manifestierung des Organs im ADHGB als Überwachungsorgan des Vorstands148. Diese Überwachungsfunktion wurde jedoch seit der 1. Novelle von 1870 durch die Aufsichtsräte nur unzureichend wahrgenommen, sodass der Gesetzgeber Handlungsbedarf sah149. Als Ansatzpunkt diente hier wiederum die Frage, inwiefern Missbrauchsfälle auftraten, die auf eine unzureichende Wahrnehmung der Überwachungstätigkeit zurückzuführen waren. Die Grundsatzschwäche ergab sich aus der Konzeption des Organs, das durch Gesellschaftsvertrag mit weiteren Befugnissen ausgestattet werden konnte, aber nicht musste. Hatte es weitere (auch geschäftsführende) Befugnisse inne, galt der Aufsichtsrat als Herrschaftsorgan und war zumeist mit den Gründern der Gesellschaft besetzt150. Der Aufsichtsrat trat dann weniger als Überwachungs-, sondern vielmehr als eigentliches Leitungsorgan auf, das selbst nicht überwacht wurde. Lag hingegen der konträre Fall vor, dass es sich um einen „schwachen“151 Aufsichtsrat handelte, waren seine Befugnisse nur unzureichend und die Machtposition des Vorstands zu stark ausgeprägt. Das lag vor allem daran, dass die Organe unter dem bereits erwähnten Einfluss der Gründer standen. Liest man die weiteren Beanstandungen der zeitgenössischen Literatur, so ergeben 146 Allgemeine Begründung, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 387, 457 ff. sowie aus der Literatur: Tscharmann, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, 1896, S. 21, Ladenburg, BuschA 38 (1878), 187, 212 ff.; Hecht, Börsen- und Actienwesen, S. 16 f. 147 Vgl. dazu die Ausführungen und Nachweise in der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, abgedruckt in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 457. Zudem gab es wirtschaftsliberale Strömungen, die vorschlugen, gesetzliche Regelungen über die Organisationsform der Aktiengesellschaft ganz zu streichen und es den Gesellschaften selbst zu überlassen, wie die eigene Organisation zu erfolgen habe. Die Kräfte des freien Marktes würden dann festlegen, welche Struktur überlebe und welche aus dem Markt gedrängt werde, vgl. Wolffson, in: Verhandlungen des 11. DJT II, 1873, S. 129, 132; Keyßner, Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften, 1873, S. 194 ff. 148 Dazu umfassend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 141 ff. 149 Zum Gesetzgebungsverfahren siehe Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 129 ff. 150 Siehe dazu bereits oben § 2 B.II.3.a). 151 Dieser Zustand war dann gegeben, wenn keine weiteren Befugnisse dem Aufsichtsrat übertragen wurden, sondern nur die von Gesetzes wegen bestehenden Befugnisse Anwendung fanden.

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

sich sogar Parallelen mit aktuellen Diskussionen über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats152 : So wurde bemängelt, dass den Mitgliedern des Aufsichtsrats die nötige Befähigung für dieses Amt und die erforderlichen Kenntnisse fehlten153. Die Gesetzesänderungen zielten auf die Schwächen der bisherigen Regelungen ab. Die Gründer durften keine gesellschaftsvertragliche Regelungen mehr über die Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrats treffen154. Die Bestellung des Aufsichtsrats oblag daher der Alleinzuständigkeit der Generalversammlung155; betroffen waren daher auch die Regelungen über den ersten Aufsichtsrat156. Darüber hinaus legte der Gesetzgeber mit der zweiten Novelle einen weiteren Grundstein der deutschen Aufsichtsratspraxis. Indem es nicht mehr vorausgesetzt wurde, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats zugleich Aktionäre waren, wurde die Vielfältigkeit der Zusammensetzung des Organs hervorgehoben und die Gruppenlehre im Aufsichtsrat begründet. Nach Lutter bildete diese Maßnahme die Einleitung einer Entwicklung, die zur paritätischen Mitbestimmung157 führte158. Parallel dazu wurde die Rechtsstellung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds gestärkt, indem zum einen der schon angesprochene Art. 225a Abs. 1 ADHGB 1884 vorschrieb, dass man nicht gleichzeitig Mitglied von Aufsichtsrat und Vorstand sein durfte und es zum anderen nach Art. 225 Abs. 4 ADHGB 1884 untersagt war, die dem Mitglied zugewiesenen Aufgaben auf einen Dritten (selbst wenn dieser Dritte Mitglied des Aufsichtsrats war) zu übertragen. Damit wurde der „höchstpersönliche Charakter des Amtes“ begründet159. Dass die Hauptaufgabe des Aufsichtsrats „den Vorstand bei seiner Geschäftsführung in allen Zweigen der Verwaltung zu überwachen“ weder revidiert noch

152 Zur Diskussion über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats siehe Jung, WM 2013, 2110 ff. m.w.N. 153 Zudem wird die fehlende Autorität von Mitgliedern bemängelt, vgl. Zimmermann, BuschA 31 (1875), 259, 271; Martens, Die Aktiengesellschaft in der Kritik, S. 42 f. 154 Vgl. dazu bereits die Ausführungen zur Generalversammlung sowie Lutter, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 2, 2007, Kap. 8 Rn. 3. 155 Begründung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, abgedruckt in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 458; zur Wahl des Aufsichtsrats ausführlich Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 145 ff. 156 Begründung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, abgedruckt in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 459. 157 Die Grundlage dafür bildeten zum einen das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie vom 21. 5. 1951 – Montan-MitbestimmungsG, BGBl. I 347, zum anderen das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 1. 7. 1976 – MitbestimmungsG, BGBl. I 1153. 158 Lutter, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 2, 2007, Kap. 8 Rn. 2. 159 So Lutter, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 2, 2007, Kap. 8 Rn. 2.

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erweitert wurde, ist so nicht ganz korrekt160. Zwar sah das ROHG in seinem Gutachten161 keine Notwendigkeit, weitere Regelungen zur Überwachung zu schaffen. Zudem sorgte die Literatur dafür, dass sich Überwachungsprinzipien und Überwachungsmaßstäbe, die in ihren Grundzügen und darüber hinaus bis heute noch gelten, herausbildeten162. Allerdings sind im Rahmen der Überwachungsfunktion auch die neu geschaffenen Informations- und Auskunftsrechte des Aufsichtsrats zu erwähnen, die ihm unterstützend zur Verbesserung seiner Überwachungsaufgabe zur Verfügung gestellt wurden163. So war der Aufsichtsrat nach Art. 225 Abs. 1 Satz 2 ADHGB 1884 berechtigt, jederzeit Berichterstattung über die Geschäftsführung und den Gang der Gesellschaftsangelegenheiten vom Vorstand zu verlangen. Weigerte sich der Vorstand, so konnte zum einen gegen seine Mitglieder eine Ordnungsstrafe nach Art. 249g Abs. 2 ADHGB 1884 verhängt werden. Zum anderen bestand die Möglichkeit, dass der Aufsichtsrat gegen den Vorstand auf Auskunft klagte, Art. 223 Abs. 3, Art 194 Abs. 2 ADHGB 1884164. Erweitert wurde zudem seine Befugnis, nicht nur wie bisher die Bücher und Schriften sowie den Bestand der Gesellschaftskasse einzusehen, sondern auch Einsicht über die Bestände an Effekten, Handelspapieren und Waren verlangen zu können, vgl. Art. 225 Abs. 1 Satz 2 ADHGB 1884. Diese Kontrolle musste nicht vom Gesamtorgan wahrgenommen werden, sondern konnte auf einzelne Mitglieder delegiert werden, Art. 225 Abs. 1 Satz 2 ADHGB 1884. Ferner sah Art. 225 Abs. 1 Satz 3 ADHGB 1884 vor, dass der Aufsichtsrat die Jahresrechnungen, Bilanzen und Vorschläge der Gewinnverwendung zu prüfen und der Generalversammlung darüber Bericht zu erstatten habe. Umstritten war dabei zuweilen, ob aus den Informations- und Auskunftsrechten des Aufsichtsrats auch eine Pflicht zur Information folgte. Entgegen einiger Stimmen aus der Literatur stellte die h.M. auf den klaren Wortlaut der Regelung ab, die im Gegensatz zur vorherigen Fassung nicht mehr von „unterrichten … konnte“ sprach (so noch Art. 225a Abs. 1 Satz 1 ADHGB 1870), sondern dem Aufsichtsrat die Pflicht auferlegte, dass er sich zu „unterrichten hatte“, vgl. Art. 225 Abs. 1 Satz 1 ADHGB 1884165. Der Gesetzgeber hatte es allerdings versäumt, parallel für den Vorstand Berichtspflichten an den Aufsichtsrat zu statuieren166. Zudem oblag dem 160 So aber anscheinend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 163 ff., der zwischen Überwachungsfunktion und den Auskunfts- und Informationsrechten differenziert. 161 Gutachten des Reichs-Oberhandelsgerichts, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 157, 226. 162 Anschaulich dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 164 f. 163 So ebenfalls Lutter, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 2, 2007, Kap. 8 Rn. 5. 164 Dazu Ring, Reichsgesetz betreffend die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Aktiengesellschaften, 1893, Art. 225 Anm. 2, S. 505. 165 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 170 weist zu Recht darauf hin, dass die gleiche Problematik in der Gegenwart unter dem Stichwort „Holschuld des Aufsichtsrats“ diskutiert wird. 166 Dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 170. Das Schrifttum sah dafür allerdings keine Notwendigkeit, siehe Tscharmann, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, 1896, S. 22.

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

Aufsichtsrat die Befugnis nach Art. 225 Abs. 2 ADHGB 1884, die Generalversammlung einzuberufen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich war. Auch dies ist als Ausdruck des besonderen Kontrollcharakters aufzufassen, der dem Aufsichtsrat vom Gesetzgeber zugeschrieben wurde. 4. Verwaltungsbefugnisse als Kontrollinstrument des Aufsichtsrats Der Gesetzgeber regelte in Art. 225 Abs. 3 ADHGB 1884, dass dem Aufsichtsrat weitere Obliegenheiten durch den Gesellschaftsvertrag übertragen werden konnten. Eine solche Regelung überrascht aus heutiger Sicht, wenn man die Machtkonstellation betrachtet, die innerhalb der Aktiengesellschaft herrschte. Blickt man in die Regelungen der früheren Gesetzesfassungen, so ergab sich das Überwachungsdefizit immer daraus, dass ein Organ zum „Herrscherorgan“ durch die Gründer erkoren wurde, das selbst unzureichend (Vorstand als Herrscherorgan wird von „schwachem“ Aufsichtsrat überwacht) oder gar nicht (Aufsichtsrat als Herrscherorgan mit umfassenden Handlungsbefugnissen oder auch fakultativ-geschaffener Verwaltungsrecht) überwacht wurde. So gab es in der Literatur im Vorfeld vermehrt Stimmen, die sich strikt gegen die Möglichkeit aussprachen, Verwaltungsbefugnisse dem Überwachungsorgan zu übertragen167. Selbst der Referentenentwurf vom 23. Juni 1880 nahm diese Belange auf und formulierte in Art. 225c des Entwurfs, dass die Mitglieder des Aufsichtsrats „auch nicht in anderer Weise an der Geschäftsführung“ teilnehmen dürfen168. Jedoch enthielt bereits der Entwurf von 1882 diese Vorschrift nicht mehr169. Die Befürworter der Möglichkeit, dem Aufsichtsrat weitergehende Befugnisse einzuräumen, brachten vor, dass es dem Aufsichtsrat nicht möglich sei, seinen in Art. 225 Abs. 1 ADHGB 1884 festgeschriebenen Überwachungsauftrag wahrzunehmen. Insbesondere das Gutachten des ROHG sprach sich dafür aus, dass es dem Aufsichtsrat ermöglicht werden müsse, seine Meinung gegenüber dem Vorstand durchzusetzen, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erfolgt170. Man sah eine effektive Überwachung durch den Aufsichtsrat gefährdet, würde man ihm keine

167 So bereits 1876 die Denkschrift Preußens zur Reformierung des Aktienrechts, Protokolle über die Verhandlungen des Bundesrates des Deutschen Reichs, Nr. 89/1876, S. 14; Hecht, Börsen- und Actienwesen, S. 102; Zimmermann, BuschA 31 (1875), S. 259, 272. 168 So nachzulesen bei Schubert, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 1, 24. 169 Vgl. Art. 225 – 225b, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 263, 267; Lieder weist darauf hin, dass bereits im Entwurf des Reichsjustizamts vom Dezember 1880 die Norm nicht mehr zu finden ist, vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 174 Fn. 250 unter Verweis auf den Abdruck bei Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 1, 27. 170 Vgl. Gutachten des Reichs-Oberhandelsgerichts, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 157, 200 ff.

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Eingriffsbefugnisse an die Hand geben171. Die Unternehmenspraxis sah in den meisten Gesellschaften Weisungsrechte des Aufsichtsrats vor. So enthielt die Mehrzahl der an der Berliner Börse notierten Unternehmen Regelungen, die den Aufsichtsrat berechtigten, Weisungen gegenüber dem Vorstand auszusprechen172. Der Gesetzgeber nahm sich der oben angeführten Argumentation an und begründete die Ablehnung einer strikten Kompetenztrennung damit, dass „… einer doktrinären Ansicht zu Liebe die realen Verhältnisse des Lebens nicht genügende Berücksichtigung fänden.“173

Bis auf wenige Ausnahmen174 fand diese Haltung in der Literatur überwiegend Zustimmung175. Die kritischen Stimmen der Literatur waren ihrer Zeit weit voraus. Denn in dem bei uns heute vorherrschenden dualistischen Verwaltungsmodell ist es ein allseits akzeptierter Grundsatz, dass ein Organ, das ein anderes beaufsichtigen soll, nicht selbst die Aufgaben des zu überwachenden Organs wahrnehmen kann176. Das Organ überwacht dann sich selbst und steht in einem schwerwiegenden Interessenkonflikt177. Esser spricht in seiner Kritik vom „Vorstand …[, der] zum Executivbeamten des Aufsichtsraths herabsinkt …“178.

Etwas anderes sei es hingegen, wenn eine wichtige Entscheidung von der Zustimmung des Aufsichtsrats oder der Generalversammlung abhängen würde. In diesem Falle müsse der Vorstand das Veto des Aufsichtsrats akzeptieren, sei aber nicht verpflichtet, auf Geheiß Geschäfte abzuschließen, die er selbst für die Gesellschaft nicht vorteilhaft oder nachteilig einschätze179. Treffend erkennt Lieder, dass Art. 225 Abs. 3 ADHGB 1884 im Widerspruch zum neu eingeführten Art. 225a 171 So die Bedenken der Aktienrechtskommission, vgl. Verhandlungen der Aktienrechtskommission, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 288, 350. 172 Vgl. dazu die Untersuchung von Flechtheim/Wolff/Schmulewitz, Satzungen, S. 264 ff. Danach enthielten 517 von 689 Aktiengesellschaften solche Weisungsrechte. Dazu siehe im Überblick Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 173 f. 173 So Allgemeine Begründung in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 460 linke Spalte. 174 Kritisch insbesondere Esser II, Entwurf, S. 76; Martens, Die Aktiengesellschaft in der Kritik, S. 42; Löwenfeld, Kritik und Reformvorschläge, S. 264 f.; Wiener, in: Wiener/Goldschmidt/Behrend, Drei Gutachten, S. 20. 175 Rud. Fischer, in: Ehrenberg, Handbuch III/1, § 43 I, S. 238 f.; Siegfried, Rechte der Aktionäre, S. 3; Eisenhut, Kontrollorgane, S. 16; Gumprecht, Aufsichtsrat, S. 15. 176 Vgl. dazu das Geschäftsführungsverbot des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG; dazu Mertens/Cahn, in: KölnerKomm. AktG, § 111 Rn. 77; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 110 sowie zu den Durchbrechungen dieses Grundsatzes in Rn. 113. 177 So zusammenfassend Lieder, in: Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 178. 178 Esser II, S. 76. 179 Esser II, Entwurf, S. 77.

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ADHGB 1884 stand. Denn wenn Art. 225a ADHGB beabsichtigte, das Zusammenfallen von Geschäftsführung und Kontrolle in einer Person zu verhindern, dann sei Art. 225 Abs. 3 ADHGB 1884 eine geradezu systemwidrige Vorschrift, da durch die Satzungsregelung ermöglicht wurde, dass Geschäftsführung und Kontrolle in einem Organ – dem Aufsichtsrat – zusammenfallen180. Trotz dieser dogmatischen Mängel und Einwände akzeptierte die Mehrheit im Schrifttum die Möglichkeit, dass der Aufsichtsrat zu einem Organ modifiziert werden konnte, das neben der Überwachungsaufgabe auch die Geschäftsführung innehatte181. Erst die Rechtsprechung entwickelte Grenzen gegen dieses ausufernde Verständnis. In concreto wurden zwei wesentliche Aspekte der Kompetenzübertragung vom Reichsoberhandelsgericht und später auch vom Reichsgericht dem Anwendungsbereich von Art. 225 Abs. 3 entzogen. Zum einen sollte der Aufsichtsrat nicht mehr in der Lage sein, die Gesellschaft nach außen hin zu vertreten182. Zum anderen konnten die der Generalversammlung per Gesetz zugewiesenen Rechte nicht dem Aufsichtsrat übertragen werden183. Allerdings stellte das Reichsgericht dabei nicht auf die Kompetenzbeschränkungen des Vorstands in Art. 227 sowie Art. 231 ADHGB 1884 ab, sondern verwies darauf, dass bei Gewährung einer solchen Übertragung, der Gesellschaft ein Organ fehlen würde, das die Verpflichtungen eines Aufsichtsrats gegenüber diesem Organ wahrnehmen könne184. Damit wird auch deutlich, dass bereits die Rechtsprechung das Problem des „verwaltenden Aufsichtsrats“ erkannte, aber weiterhin gegenüber der Vorgehensweise der Praxis untätig blieb185. Somit blieb die „Janusköpfigkeit“186 des Aufsichtsrats erhalten. Zudem wurde dem verwaltenden Aufsichtsrat per Statut die Kompetenz eingeräumt, den Vorstand zu bestellen und abzuberufen; Zweifel des Gesetzgebers an dieser Praxis bestanden nicht187. Er sprach sich zudem gegen eine gesetzliche Regelung aus, da die Unternehmen in Anbetracht ihrer wirtschaftlichen Bedürfnisse selbst darüber zu entscheiden hatten. Ausdrücklich sprach der Gesetzgeber der

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Lieder, in: Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 206, S. 178. Vgl. dazu nur die Kommentierung von Staub, ADHGB, Art. 225 § 9, S. 518, der davon sprach, dass „… der Vorstand nichts thun darf, als was der Aufsichtsrath bestimmt“; sich anschließend Jeidels, Verhältnis Großbanken zur Industrie, S. 147. 182 ROHGE 14, 89, 91; RGZ 73, 355, 356; dazu Behrend, Handelsrecht, 1896, S. 857; Zborowski, Die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats, S. 16. 183 Dazu Tscharmann, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, 1896, S. 27. 184 Vgl. RG, Holdheim 1898, 86. 185 So bereits Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 180. 186 Vgl. Löwenfeld, Kritik und Reformvorschläge, S. 283. 187 Begründung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, abgedruckt in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 458. 181

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Generalversammlung die Eignung ab, über die Personalie des Vorstands zu entscheiden, da ihre Zusammensetzung einem steten Wechsel unterliege188. 5. Die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder Da sowohl Literatur und Rechtsprechung die Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder kritisch beurteilten und das ADHGB von 1870 dazu nur unzureichende Regelungen enthielt, schuf der Gesetzgeber mit Art. 226 ADHGB 1884 eine Norm, die die Mitglieder des Aufsichtsrats einer persönlichen Haftung gegenüber der Gesellschaft und in besonderen Fällen auch gegenüber den Gesellschaftsgläubigern aussetzte. Nach Art. 226 Abs. 1 ADHGB 1884 hatten die Aufsichtsratsmitglieder, bei der Erfüllung der ihnen nach Art. 225 ADHGB 1884 zugewiesenen Obliegenheiten, die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns anzuwenden. Zudem wurde mit der in Art. 226 Abs. 2 ADHGB 1884 enthaltenen Aufzählung der Kapitalschutz der Gesellschaft dahingehend erweitert, dass neben den Mitgliedern des Vorstandes, die Mitglieder des Aufsichtsrates persönlich und solidarisch zum Ersatz verpflichtet waren, wenn sie mit Wissen und ohne Einschreiten gegen die gesetzlichen Bestimmungen zum Kapitalschutz verstießen. Nach Abs. 3 waren dann auch die Gesellschaftsgläubiger berechtigt, den Ersatzanspruch geltend zu machen, sofern Befriedigung gegenüber der Gesellschaft nicht möglich war. Zudem enthielt Artt. 249 – 249c ADHGB 1884 Strafbestimmungen, die als „präventive“189 Maßnahmen, zu einer ordnungsgemäßen Amtsführung anhalten sollten. Allerdings führte auch die Einführung von Haftungsregeln nicht zu dem beabsichtigten Erfolg. Das lag insbesondere an zwei wesentlichen Punkten: Zum einen wurde die zunächst vorgesehene Beweislastumkehr190 zuungunsten der Aufsichtsratsmitglieder gestrichen, da die Aktienrechtskommission191 davon ausging, dass es keiner besonderen Regelung bedarf, da es geltendem Recht entspreche, dass der Kläger nachweisen müsse, durch welche Handlung ein Schaden entstanden sei. Im Übrigen verwies man darauf, dass die Rechtsprechung im Einzelfall darüber zu entscheiden habe, welche Partei welche Nachweispflichten zu erbringen habe. Schrifttum als auch Rechtsprechung stellten daraufhin das Erfordernis auf, dass die 188 Begründung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, abgedruckt in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 458. 189 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 184 über die Strafvorschriften. Dass diese weder „präventive“ noch in irgendeiner Weise abschreckende Wirkung hatten, stellt er allerdings selbst fest, vgl. S. 184, 185. 190 So der im Entwurf noch enthaltene Art. 226 Abs. 1 Satz 2, Begründung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, abgedruckt in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 399; zuvor bereits im Gutachten des ROHG vorgeschlagen, abgedruckt in: Schubert/ Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 228. 191 Vgl. Bericht der IX. Kommission, Verhandlungen des Reichstags, Stenographische Berichte, 5. Legislaturperiode, 4. Session 1884, Band 4, S. 1020.

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Aufsichtsratsmitglieder hinsichtlich der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Obliegenheiten nachweispflichtig waren192. Zum anderen führte die Art der Ausgestaltung der Durchsetzung von Haftungstatbeständen dazu, dass der Anwendungsbereich klein gehalten wurde193. Zwar normierte Art. 223 ADHGB 1884 ein Minderheitenrecht. Danach konnte gem. Abs. 1 die Generalversammlung mit einfacher Mehrheit bzw. eine Aktionärsminderheit, die über den fünften Teil des Grundkapitals verfügte, Haftungsansprüche gegen die Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats geltend machen, sofern diese aus der Geschäftsführung von Vorstand und Aufsichtsrat resultieren. Allerdings stellten die Tatbestandsvoraussetzungen nach Art. 223 Abs. 2 ADHGB 1884 beinahe unüberwindbare Hürden dar. Neben der Voraussetzung, den fünften Teil des Grundkapitals in Aktien für die Dauer des Prozesses zu hinterlegen und dem Gericht glaubhaft zu machen, diese bereits sechs Monate, vom Zeitpunkt der Generalversammlung zurückgerechnet, inne zu haben (Art. 223 Abs. 2 Satz 4 ADHGB 1884), mussten die Kläger – auf Verlangen der Beklagten – eine Sicherheit leisten, deren Höhe vom Gericht festgelegt wurde (Art. 223 Abs. 2 Satz 5 ADHGB 1884) und für die Prozesskosten der Gesellschaft aufkommen (Art. 223 Abs. 2 Satz 8 ADHGB 1884). Entstand zudem durch eine unbegründete Klage den beklagten Organmitgliedern ein Schaden, hafteten die Aktionäre solidarisch, wenn ihnen bei Erhebung des Anspruchs eine bösliche Handlungsweise zur Last fiel (Art. 223 Abs. 2 Satz 9 ADHGB 1884). Ein Individualrecht für Aktionäre wurde allerdings ausdrücklich abgelehnt194.

III. Conclusio der 2. Aktienrechtsnovelle von 1884 Analysiert man das Gebilde der Aktiengesellschaft nach dem ADHGB von 1884, so wird deutlich, dass die Novelle insgesamt nicht in der Lage war, die vorhandenen strukturellen Defizite zu beheben. Der Gesetzgeber von 1884 beabsichtigte den Aktionären einen besseren Schutz zukommen zu lassen195. Das ADHGB von 1884 schaffte nun ein Gebilde, das strengere Gründungsvorschriften enthielt und die dreigliedrige Organisationsstruktur für die Aktiengesellschaft manifestierte. Ein zusätzliches fakultatives Organ mit besonderen Kompetenzen konnte von den 192

Vgl. für die eingetragene Genossenschaft RGZ 13, 43, 46; Ring, Reichsgesetz, Art. 226 Anm. 3., S. 514; Lehmann, Verhandlungen des 27. DJT I, S. 78; aus dem gegenwärtigen Schrifttum siehe Cahn, Der Aufsichtsrat, S. 94 ff. 193 Auch auf die Schwierigkeiten der Durchsetzbarkeit hinweisend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 186. 194 Siehe Begründung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften, abgedruckt in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 467. 195 Vor diesem Hintergrund ist auch die Aussage von Gesetzgeber und Rechtsprechung zu verstehen, die von der Generalversammlung als „höchstes Organ“ der Aktiengesellschaft sprachen.

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Gründern der Aktiengesellschaft nicht mehr per Satzungsstatut errichtet werden. Die von Gesetzes wegen notwendigen Organe waren bis auf den Vorstand Gegenstand der Novelle. Der Generalversammlung wurden grundlegende Kompetenzen zugeschrieben, die ebenfalls nicht per Statut auf andere Organe übertragen werden konnten. Zum einen wurde damit die Generalversammlung aufgewertet und zum anderen das Prinzip der Satzungsstrenge im Recht der Aktiengesellschaft verankert. Neben der Generalversammlung war der Aufsichtsrat ein wesentliches Reformobjekt. Denn die Krise der 1870er Jahre beruhte nicht nur darauf, dass bereits bei Gründung der Aktiengesellschaft gegen Kapitalvorschriften durch die Gründer verstoßen wurde. Vielmehr wurde die Überwachungspflicht durch die Aufsichtsratsmitglieder nur unzureichend wahrgenommen und vielen Gesellschaften dadurch erheblicher Schaden zugefügt. Der Aufsichtsrat begann eine Metamorphose von einem Organ, das zum einen in seinem Ursprung nur mit Gründern besetzt war und daher auch als „verkürzte Generalversammlung“ bezeichnet wurde und zum anderen per Gesellschaftsstatut mit zusätzlichen Verwaltungskompetenzen ausgestattet werden konnte, hin zu einem Organ, das einen eigenen Kompetenzbereich inne hatte und es nicht mehr notwendig war, zugleich Aktionär der Aktiengesellschaft zu sein. Der Gesetzgeber handelte in seinem Reformeifer zwar mit gutem Vorsatz, aber letztendlich inkonsequent. Zwar erkannte man die Grundsatzschwäche des Gesetzes von 1870, nach dem der Aufsichtsrat durch Statut zum eigentlichen Leitungsorgan der Aktiengesellschaft mutieren konnte und damit seiner Überwachungsaufgabe nicht mehr nachkam. Daher beschnitt der Gesetzgeber den Gründern die Kompetenz, bereits im Gesellschaftsvertrag Bestellungs- und Abberufungsregelungen zu erlassen. Mit der Öffnung des Aufsichtsratsamtes für Nicht-Aktionäre wurde darüber hinaus der Grundstein für die Gruppenlehre und dabei insbesondere für die paritätische Mitbestimmung gelegt. An der Hauptaufgabe des Aufsichtsrats, „den Vorstand bei seiner Geschäftsführung in allen Zweigen der Verwaltung zu überwachen“, hielt der Gesetzgeber fest. Allerdings wurden ihm verschiedene Berichts- und Auskunftsrechte zur Seite gestellt, die seine Überwachungstätigkeit unterstützen sollten. Aus dem klaren Wortlaut von Art. 225 Abs. 1 Satz 1 ADHGB 1884 ergab sich, dass er zur Informationsbeschaffung verpflichtet war. Ein Ermessen wurde ihm – im Unterschied zur Vorgängernorm – nicht eingeräumt. Betrachtet man die Novelle bis zu diesem Punkt, so handelt es sich um ein Reformvorhaben, das den Grundstein für ein modernes Aktienrecht legen sollte. Viele Prinzipien, die heute das Fundament unseres Aktienrechts bilden, beruhen auf dieser Normierung. Mit der gesetzlichen Kompetenzzuweisung an einzelne Organe wurde eine ausgeglichene innerverbandliche Demokratie geschaffen. Allerdings empfand die Mehrheit – bestehend aus Gesetzgeber, Rechtsprechung und Schrifttum –, dass die dem Aufsichtsrat zugewiesenen Befugnisse für eine effektive und nützliche Überwachung nicht genügten. Sollte der Aufsichtsrat herausfinden, dass eine Entscheidung des Vorstands der Gesellschaft Schaden zufüge, so müsse der Aufsichtsrat

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in der Lage sein, einzugreifen und den Schaden von der Gesellschaft abwenden, in dem er die Entscheidung überbot. Aus diesem Grund enthielt Art. 225 Abs. 3 ADHGB 1884 die Regelung, dass dem Aufsichtsrat weitere Obliegenheiten durch eine gesellschaftsvertragliche Regelung übertragen werden konnten. Art. 225 Abs. 3 ADHGB 1884 sollte eine Eingriffsmöglichkeit schaffen, die den Überwachungsauftrag des Aufsichtsrats verbessern sollte. In der Unternehmenspraxis führte diese Regelung allerdings dazu, dass dem Aufsichtsrat weitere umfassende Weisungsrechte gegenüber dem Vorstand eingeräumt wurden. Der Aufsichtsrat konnte durch Satzungsregelung zum Herrschafts- und Leitungsorgan der Aktiengesellschaft ausgestaltet werden. Dass dadurch ein unüberwindbarer Interessenkonflikt geschaffen wurde, indem der Aufsichtsrat die Leitlinien der Geschäftspolitik festlegte und selbst einer Kontrolle außen vor war, wurde nur von wenigen Stimmen in der Literatur gesehen und bemängelt. Eine Einschränkung erfuhr die Unternehmenspraxis durch die Rechtsprechung von Reichsoberhandelsgericht und Reichsgericht. Zum einen durfte der Aufsichtsrat danach die Aktiengesellschaft nicht mehr nach außen hin vertreten und zum anderen durften die der Hauptversammlung per Gesetz zugewiesenen Rechte nicht an den Aufsichtsrat übertragen werden. Diese Einschränkungen wurden damit begründet, dass in diesen Bereichen kein Organ zu Verfügung stehe, dass den Aufsichtsrat kontrollieren könne. Damit erkannte die Rechtsprechung die Problematik des verwaltenden Aufsichtsrats, hielt sich aber grundsätzlich gegenüber der betriebenen Unternehmenspraxis zurück und blieb untätig. Zudem oblag dem Aufsichtsrat die Befugnis, den Vorstand zu bestellen und abzuberufen. Der Generalversammlung sprach man dafür die Kompetenz ab. Neben diesem Konstruktionsfehler, den Aufsichtsrat zum weisungsgebenden Organ der Aktiengesellschaft auszugestalten, können ebenfalls die neu eingeführten Haftungsnormen gegenüber den Organmitgliedern als für die Praxis untauglich eingestuft werden. Die Untauglichkeit ergab sich dabei nicht aus ihrem materiellen Bestand, sondern aus den Voraussetzungen der Geltendmachung des Anspruchs. Zwar war die Durchsetzung des Anspruchs als Minderheitenrecht ausgestaltet, jedoch waren die Dauer der Aktieninhaberschaft und das Erreichen des notwendigen Anteils am Grundkapital von 1/5 die geringsten Hürden. Nach Art. 223 Abs. 2 Satz 5 ADHGB 1884 waren die Kläger verpflichtet, auf Verlangen des Beklagten, eine Sicherheit zu leisten, deren Höhe vom Gericht nach freiem Ermessen festgelegt wurde. Zudem mussten sie die Prozesskosten für die Aktiengesellschaft übernehmen. Stellte sich zudem noch heraus, dass der Anspruch unbegründet war, hafteten die klagenden Aktionäre solidarisch, sofern ihnen bei Erhebung des Anspruchs eine bösliche Handlungsweise zur Last fiel. Wobei nicht ganz klar wird, wann eine „bösliche Handlungsweise“ vorliegt. Insgesamt kann man festhalten, dass auf die 2. Aktienrechtsnovelle grundlegende – dem heutigen Aktienrecht noch angehörende – Prinzipien zurückzuführen sind. Dies kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Absicht des Gesetzgebers, den Missbrauch einzudämmen in keinster Weise erfüllt wurde. Viel eher wurde der geschaffene Machtausgleich der Organe mit der von einem liberalen

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Gedanken geprägten Idee der zusätzlichen Kompetenzübertragung auf den Aufsichtsrat völlig aus der Balance gebracht und die innere Struktur der Aktiengesellschaft in einen Status versetzt, der an Zeiten vor der Novelle anknüpfte. Die Stellung des Aufsichtsrats als Quasi-Leitungsorgan der Gesellschaft führte dazu, dass die ihm bereits per Gesetz zustehenden Rechte ohne Funktion blieben. Denn obwohl der Gesetzgeber dem Aufsichtsrat Informations- und Auskunftsrechte nach Art. 225 Abs. 1 Satz 2 ADHGB 1884 zur Verfügung stellte, und deren Bedeutung mit Verhängung eines Ordnungsgeldes bei Nichtbefolgung unterstrich, waren diese nutzlos, wenn der Aufsichtsrat durch Satzungsstatut viel weiterreichende Befugnisse übertragen bekam. So trat ebenfalls das dem Aufsichtsrat zustehende Klagerecht aus Art. 223 Abs. 3 i.V.m. Art. 194 Abs. 2 ADHGB nicht in Erscheinung. Von Bedeutung war dabei auch die Sichtweise der damaligen Rechtsprechung zum Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat zueinander. Denn die dem Gesetz immanenten verbandsdemokratischen Ansätze, die jedem Organ Kompetenzen zuwiesen und eine ausgeglichene Machtbalance schufen, fanden sich nicht in der Rechtsprechung wieder. Nach dem ROHG war der Vorstand zum einen verpflichtet, die vom Aufsichtsrat gefassten Beschlüsse auszuführen, und zum anderen bei divergierenden Ansichten der Organe, die Ansicht des Aufsichtsrats zu berücksichtigen und dieser zu folgen196. Bei Zuwiderhandlungen des Vorstands, die der Gesellschaft einen Schaden verursachten, konnte der Aufsichtsrat den Vorstand noch vor der vertraglich bedungenen Amtszeit abberufen197. Der Vorstand war damit weisungsgebunden und damit ein Organ zweiter Klasse. Kompetenzabwehrrechte standen dem Vorstand nicht zur Verfügung. Es ist auch nicht ersichtlich, dass Schrifttum und Rechtsprechung solche diskutiert und in Erwägung gezogen haben. Insofern litt das Organisationsmodell der Aktiengesellschaft unter einer erheblichen Unausgewogenheit.

E. Die Kompetenzstruktur in der Aktiengesellschaft nach dem HGB von 1897 I. Umfang und Gegenstand der Änderungen 13 Jahre nach der letzten Novellierung bestand im Grunde keine Notwendigkeit, die erst neu geschaffenen Normen einer Revision zu unterziehen. Denn im Gegensatz zur 2. Aktienrechtsnovelle von 1884 beruhte die Änderung von 1897 nicht darauf, etwaige Missstände zu beheben198, sondern war vordringlich politischer Natur199. 196

ROHGE 21, 375 ff. ROHGE 21, 376. 198 Dazu vor allem Reich, IuS Commune 2 (1969), 276, der davon sprach, dass die Entwicklung des deutschen Aktienrechts durch die Novelle von 1884 als „abgeschlossen“ gesehen werden kann. 199 So Pahlow, in: Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 1, 12. Kap. Rn. 5. 197

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Das neu geschaffene Handelsgesetzbuch200 vom 10. Mai 1897 diente vor allem der Rechtsvereinheitlichung im Deutschen Reich. Insbesondere die Verabschiedung des Bürgerlichen Gesetzbuchs201 ein Jahr zuvor beschleunigte das Revisionsvorhaben zu einem einheitlichen Handelsgesetzbuch erheblich202. Die 2. Aktienrechtsnovelle stellte Grundlagen für die Aktiengesellschaft auf, die weiterhin galten und nicht als Reformgegenstand betrachtet wurden. Da vor allem formale und systematische Aspekte Gegenstand der Revision von 1897 waren, hat das HGB von 1897 in der Geschichte des Aktienrechts nur eine untergeordnete Bedeutung erlangt203. Bestand zu Beginn des Gesetzesvorhabens noch der Anspruch, eine umfassende Reform des Handelsrechts durchzuführen, wurde mit fortschreitender Entwicklung des Reformprozesses deutlich, dass zum einen die Verzögerungen zum BGB als auch das Verhalten einzelner Interessengruppen ein nicht überwindbares Hindernis darstellten204. Inhaltlich beschränkte sich die Revision auf Korrekturen. Es gab kleinere Änderungen, die im Wege der 2. Novelle noch nicht behoben wurden oder sich erst im Nachhinein als Mängel zeigten. In formeller Hinsicht ist hervorzuheben, dass sowohl Systematik als auch Sprache des Gesetzes Gegenstand einer umfassenden Änderung waren205. So wurde die in der Praxis bedeutsamere „Aktiengesellschaft“ (§§ 178 ff. HGB 1897) vor die „Kommanditgesellschaft auf Aktien“ (§§ 320 ff. HGB 1897) gezogen. Zu einem Gros diente die Revision der aktienrechtlichen Normen dazu, den Schutz von Gesellschaft, Aktionären und Gläubigern zu verbessern, da es trotz der vorhandenen Schutzmechanismen immer noch zu vereinzelten Missbräuchen kam206. In die Organisationsstruktur wurde nicht eingegriffen. Vor allem respektierte der Gesetzgeber die den Unternehmern durch die Aktiengesellschaft geschaffenen Freiräume207. Indem er es also vermied, Normen zu schaffen, die „die Aktiengesellschaft für den Verkehr unbrauchbar machen [könnte]“208, bewahrte er die für die „Volkswirthschaft unentbehrlichen Vorzüge …“209.

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RGBl. 1897, S. 219. RGBl. 1896, S. 195. 202 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 189; zum Verfahren siehe Pahlow, in: Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 1, 12. Kap. Rz. 4 ff. 203 Kritisch dazu Pahlow, in: Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 1, 12. Kap. Rn. 1 m.w.N. 204 Dazu ausführlich Pahlow, in: Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 1, 12. Kap. Rn. 7 f. sowie Gierke, ZHR 45 (1896), 441, 444. 205 Zur Systematik vgl. Sitzung vom 16. Oktober 1896, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen HGB II, S. 608; grundsätzlich positive Reaktionen zu Systematik und Sprache bei Gierke, ZHR 45 (1896), 441, 487; Riesser, DJZ 1896, 132. 206 Darauf weist vor allem Pahlow, in: Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 1, 12. Kap. Rn. 15 hin und somit der überwiegenden Meinung widerspricht, das HGB von 1897 habe nur geringe Bedeutung. Weiterführend auch Denkschrift RJA-E I, in: Schubert/Schmiedel/Krampe, Bd. 2, 1987, S. 105. 207 Vgl. Pahlow, in: Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 1, 12. Kap. Rn. 15. 208 Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen HGB II, S. 1047 f. 209 Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen HGB II, S. 1047 f. 201

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II. Die Revision der den Organen zugewiesenen Kompetenzen – die Verfestigung der vorhandenen Organisationsstruktur 1. Der Vorstand nach dem HGB von 1897 Der Vorstand vertrat die Gesellschaft gerichtlich sowie außergerichtlich, § 231 Abs. 1 HGB 1897. Insgesamt waren die Vorschriften ohne größere inhaltliche Veränderungen ins HGB übernommen worden. Allerdings fand man die uns heute bekannte Terminologie der Leitung noch nicht im Gesetz. Erst aus einer Zusammenschau einzelner Vorschriften wird deutlich, dass – ohne fakultative Befugnisse anderer Organe zu berücksichtigen – allein nach dem Gesetz, dem Vorstand die Führung der Geschäfte oblag210. 2. Die Generalversammlung nach dem HGB von 1897 Die der Generalversammlung zugeschriebenen Kompetenzen wurden in ihrem Substrat ebenfalls nicht reformiert. Die Generalversammlung galt als „oberstes“ Organ der Gesellschaft und wurde in dieser Funktion nicht in Frage gestellt. Allerdings gab es kleinere Modifikationen, die durch Diskussionen im Schrifttum angeregt wurden. Dadurch wurden insbesondere die Vorschriften zur Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrats Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens211. Während der Bestellungsvorgang in § 190 HGB 1897 so kodifiziert wurde, wie es die überwiegende Auffassung bereits in der Literatur vertrat212, stellte sich bei der Abberufung die Frage, welches Quorum für eine solche maßgeblich sein sollte213. Die derzeitige Regelung sah vor, dass die Generalversammlung nur mit qualifizierter Mehrheit ein Aufsichtsratsmitglied abberufen konnte. Die Kritiker dieser Regelung verwiesen darauf, dass ein Aufsichtsratsmitglied auch dann weiterhin sein Amt ausüben könnte, obwohl die Mehrheit der Aktionäre ihm kein Vertrauen mehr entgegenbrachte. Insbesondere wurde vergleichend die Lage bei Vorstandsmitgliedern herangezogen: Diese könnten nach § 231 Abs. 3 HGB 1897 jederzeit und mit ein210

Dazu auch Hüffer, in: Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 2, 7. Kap. Rn. 4, der darauf hinweist, dass die Normen zum Vorstand zu seinen Rechten und Pflichten aus dem Mandat noch nichts sagen. 211 Dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 189 ff. 212 Danach wurde differenziert: Übernahmen die Gründer alle Aktien der Gesellschaft, so waren sie verpflichtet, gleichzeitig zur Errichtung der Gesellschaft einen Aufsichtsrat zu bestellen oder dies durch eine gerichtliche oder notarielle Verhandlung vorzunehmen. Wurden hingegen nicht alle Aktien durch die Gründer übernommen, so musste nach Zeichnung des Grundkapitals eine Generalversammlung einberufen werden, damit der Aufsichtsrat gewählt werden konnte. Vgl. dazu Staub, ADHGB, Art. 209 f. § 1, S. 395; Tscharmann, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, 1896, S. 33 f.; Behrend, Handelsrecht, 1896, S. 726, Fn. 3 a.E.; a.A. Ring, Das Reichsgesetz betreffend die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18. Juli 1884, 2. Aufl., 1893, Art. 209f Anm. 1, S. 232. 213 Vgl. dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 190 f.

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facher Mehrheit abberufen werden214. Allerdings konnten diese Argumente die Mehrheit der Kommission nicht überzeugen215. Man befürchtete nicht nur, dass damit die Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Einflussnahme der Aktionäre auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats bestehe, sondern führte zudem ins Feld, dass die Arbeitsweise und das Engagement der Organmitglieder bei einer niedrigen Schwelle zur Abberufung leiden könnte. Vor allem müsse man berücksichtigen, dass die Zusammensetzung der Generalversammlung einer starken personellen Fluktuation unterliege. Daher entschloss sich auch der Gesetzgeber, die bisher erforderliche Dreiviertelmehrheit auch weiterhin als maßgebliches Quorum beizubehalten, § 243 Abs. 4 Satz 2 HGB 1897, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag eine abweichende Regelung vorsah216. 3. Der Aufsichtsrat nach dem HGB von 1897 Trotz der überwiegenden Zurückhaltung kann die Aktivität des Gesetzgebers von 1897 bei der Revision der Normen zum Aufsichtsrat als verhältnismäßig intensiv beurteilt werden. Denn im Gegensatz zu den Vorschriften von Vorstand und Generalversammlung erhielt die zentrale Funktionsbestimmung des Aufsichtsrats eine – wenn auch nur „semantische“217 – Veränderung. Während der Aufsichtsrat nach Art. 225 Abs. 1 Satz 1 ADHGB 1884 noch ausdrücklich den Vorstand als Adressaten der Überwachung nannte und die Funktion des Aufsichtsrats darin bestand, die „Geschäftsführung [des Vorstands] in allen Zweigen der Verwaltung zu überwachen“, hatte der Aufsichtsrat nach § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB 1897 die Pflicht „die Geschäftsführung der Gesellschaft“ zu überwachen. Durch diese sprachliche Ausweitung entbrannte der Streit darüber, wie weit die Überwachung durch den Aufsichtsrat reiche218. In concreto ging es um die Frage, ob weiterhin allein der Vorstand

214 So der Änderungsantrag von Gamp, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen HGB II, S. 1215, 1242; sowie der Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines HGB und den Entwurf zum EinfG des HGB, bei Hahn/Mugdan, Materialien zum Handelsgesetzbuch, 1897, S. 532, 596. 215 Vgl. dazu den Bericht der XVIII. Kommission über den Entwurf eines HGB und den Entwurf zum EinfG des HGB, bei Hahn/Mugdan, Materialien zum Handelsgesetzbuch, 1897, S. 532, 596 sowie zur zweiten Beratung im Plenum des Reichstags, bei Hahn/Mugdan, Materialien zum Handelsgesetzbuch, 1897, S. 659, 713, 721 sowie die Stellungnahmen von Nieberding, S. 718 f., Lenzmann, S. 719 f. sowie Spahn, S. 720 f. 216 Ring, Das Reichsgesetz betreffend die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18. Juli 1884, 2. Aufl., 1893, Art. 224 (Art. 191) Anm. 9 S. 499; v. Völderndorff, Das Reichsgesetz betreffend die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18. Juli 1884, 1885, Art. 224 Anm. IV S. 595. 217 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 193. 218 Interessant ist dabei, dass eine ähnliche Diskussion über 100 Jahre später zur gleichen Problematik geführt wird, vgl. vor allem Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl., § 111 AktG Rn. 43 m.w.N. sowie § 107 Rn. 75 f.

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Überwachungsadressat bliebe219 oder ob darüber hinaus auch Angestellte, die nicht dem Vorstand angehörten, aber Geschäftsführungsbefugnisse inne hatten, durch den Aufsichtsrat überwacht werden konnten220. Denn sonst hätte nach deren Ansicht die Änderung des Wortlauts durch den Gesetzgeber keinen Sinn ergeben. Hingegen stellt die andere Auffassung darauf ab, dass die Angestellten der AG keine wesentlichen Glieder der gesellschaftlichen Organisation darstellen. Vielmehr sei der Vorstand angehalten, die Tätigkeiten der Angestellten zu überwachen und der Aufsichtsrat kontrolliere wiederum den Vorstand, dass er diese Aufgabe sinnvoll wahrnimmt221. Problematisch an der gesamten Diskussion ist der Umstand, dass aus heutiger Perspektive nicht mehr nachvollziehbar ist, warum der Gesetzgeber überhaupt diese Änderung vornahm. Die Quellenlage gibt keine tiefere Bewertung her222. Allerdings steht fest, dass während der Beratungen zum HGB keine Aussprache über die Änderungen des § 246 HGB erfolgten. Auch ist aus den Materialien nicht ersichtlich, dass der oben geschilderte Streitstand in irgendeiner Weise entschieden werden sollte bzw. überhaupt bekannt war223. Daneben führte die Revision dazu, dass die Vertretungsbefugnisse des Aufsichtsrats erweitert wurden. Neben der – aus dem ADHGB übernommenen224 – Befugnis, die von der Generalversammlung eingeleiteten Rechtsstreitigkeiten gegen die Mitglieder des Vorstands zu führen (§§ 268, 269 HGB 1897), war nun auch der Aufsichtsrat berechtigt, die Aktiengesellschaft zu vertreten, wenn diese Rechtsgeschäfte mit den Mitgliedern des Vorstands vornahm, § 247 HGB 1897225. Diese Erweiterung stand nicht nur im Einklang mit dem im BGB neugeschaffenen § 181 BGB226, sondern entsprach auch der Regelung, wie sie bereits bei der Genossenschaft zu finden war, § 37 GenG227. Die Literatur begrüßte die Regelung228. Nur vereinzelt zweifelte man daran, dass die damit gewährte Vertretungsbefugnis der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats zuwiderlaufen würde229. Dieser Einwand überzeugt 219 So Cahn, Der Aufsichtsrat, S. 186 ff.; Esser II, KGaA und AG, Art. 225 Anm. 1, S. 159; Gumprecht, Aufsichtsrat, S. 18. 220 So Brodmann, Kommentar zum Aktienrecht, 1928, § 246 Anm. 1 b; Könige, Handelsgesetzbuch, 1899, § 246 N. 200. 221 Vgl. Ritter, Aktiengesetz, 1939, § 95 AktG Anm. 2 a cc. 222 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 194. 223 So deutet es Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 194. 224 Vgl. Art. 226 ADHGB 1861 sowie Art. 223 Abs. 3 i.V.m. Art. 194 ADHGB 1884. 225 Dies war bereits im Schrifttum zuvor vertreten worden, vgl. Staub, ADHGB, Art. 225 Einl., S. 516; Behrend, Handelsrecht, 1896, S. 859 Fn. 17. 226 Vgl. dazu Art. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) vom 18. August 1896, RGBl. S. 195; sowie Zborowski, Die Vertretungsmacht des Aufsichtsrat, S. 36 ff. 227 Gesetz, betreffend die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften vom 1. Mai 1889, RGBl. 1889, S. 55. 228 Befürwortend Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 247 1. a); Lehmann/Ring, Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1902, § 247 Nr. 1. 229 Cahn, Der Aufsichtsrat, S. 117.

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allerdings nicht. Wie Lieder bereits richtig ausführt, kam durch die Verlagerung der Vertretungsbefugnis vom Vorstand auf den Aufsichtsrat bei Geschäften, die mit Mitgliedern des Vorstands abgeschlossen wurden, gerade die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats zum Tragen, indem verhindert wurde, „dass der Vorstand im Wege der Selbstkontrahierung Rechtsgeschäfte ohne die Beteiligung eines unabhängigen Dritten […] mit sich selbst abschloss und im Einzelfall gegen das Unternehmensinteresse verstieß.“230

Daher war dieser Fortschritt zu begrüßen. Allerdings stellte sich die Folgefrage, wie weit dem Aufsichtsrat per Gesellschaftsvertrag weitere Vertretungsbefugnisse nach § 246 Abs. 3 HGB 1897 übertragen werden konnten. Bereits festgestellt wurde, dass die Rechtsprechung einer zu weiten Kompetenzübertragung Grenzen steckte. Die Kompetenz, dass der Aufsichtsrat die Aktiengesellschaft nach außen hin vertreten konnte, wurde eingeschränkt231. Die grundsätzliche Vertretungskompetenz des Vorstands durfte nicht durch gesellschaftsvertragliche Regelungen völlig ausgehöhlt werden. Zudem durften die der Generalversammlung zustehenden Befugnisse nicht auf den Aufsichtsrat übertragen werden232. Damit stärkte die Rechtsprechung, die vom Gesetz vorgezeichnete Kompetenzverteilung an die einzelnen Organe. Die Literatur war sich hinsichtlich dieser Frage uneins233. Jedoch wurde die Streitigkeit als nicht besonders praxisrelevant eingeschätzt234.

III. Die Möglichkeit von Organklagen nach dem HGB von 1897 Die Revision der aktienrechtlichen Vorschriften durch das HGB von 1897 führte zu keiner Verschiebung von Organkompetenzen; vielmehr trat eine Verfestigung der sich herausgebildeten Organisationsstruktur ein. Diese Verfestigung führte dazu, dass die Literatur nicht mehr nur zu den verschiedenen und ständig wechselnden Reformvorhaben Stellung beziehen musste, sondern sich endlich den grundsätzlichen dogmatischen Fragen der Aktiengesellschaft widmen konnte. Fand man in den Stellungnahmen zum ADHGB von 1884 und seinen Vorgängerversionen keine Ausführungen dazu, ob und inwieweit den einzelnen Organen Klagerechte zustehen sollten, gab es nun vereinzelt monographische Auseinandersetzungen235 als auch Stellungnahmen in der Kommentarliteratur236. 230

Vgl. dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 195. ROHGE 14, 89, 91; RGZ 73, 355, 356. 232 Tscharmann, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, 1896, S. 27. 233 Für eine erweiterte Anwendung Mankiewicz, Die Rechte und Pflichten des Aufsichtsraths der Aktiengesellschaft nach dem Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897, 1899, S. 15; a.A. hingegen Neukamp, Holdheim 1900, 209 f. 234 So zumindest Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 196. 235 Vgl. dazu vor allem Cahn, Der Aufsichtsrat, S. 127 sowie 173. 231

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1. Die Mitglieder des Vorstands als Adressat der Klage nach § 247 Abs. 2 HGB 1897 Die Revision von 1897 führte zu einer – kaum bzw. gar nicht – beachteten Veränderung: Während in der Vorgängervorschrift für die Aktiengesellschaft auf das Recht der KGaA verwiesen wurde und das Klagerecht des Aufsichtsrats entsprechend anzuwenden war, befand sich nun in § 247 Abs. 2 HGB 1897 eine eigenständige Regelung für die Aktiengesellschaft. Während die Vorgängernorm eine entsprechende Anwendung von Art. 194 Abs. 2 ADHGB 1884 vorsah und nach hier vertretener Auffassung bei einer solchen nur der Vorstand der Aktiengesellschaft als Adressat heranzuziehen war, übernahm nun der Gesetzgeber die auf die KGaA zugeschnittene Vorschrift, die sich gegen die persönlich haftenden Gesellschafter richtete ohne Änderungen und verpflichtete dadurch die Mitglieder des Vorstands persönlich. Dies kann aus heutiger Perspektive nur so erklärt werden, dass sich weder Gesetzgeber noch Literatur über die entsprechende Anwendung des Klagerechts aus Art. 194 Abs. 2 ADHGB 1884, das in seiner Grundfassung an die persönlich haftenden Gesellschafter adressiert war, auseinander gesetzt haben. Die neue Gesetzesfassung führte allerdings dazu, dass der Vorstand als Organ nicht mehr als Adressat einer Klage nach § 247 Abs. 2 HGB 1897 in Betracht kam. Danach kam dem Aufsichtsrat die Befugnis zu, gegen die Mitglieder des Vorstands zu klagen, sofern es sich um die Verantwortlichkeit der Mitglieder des Aufsichtsrats handelte. 2. Die Stellung des Aufsichtsrats im Prozess Da zum einen nach § 247 Abs. 1 HGB 1897 der Aufsichtsrat ausdrücklich als Vertreter der Gesellschaft bezeichnet wurde sowie nach überwiegender Auffassung § 247 Abs. 2 HGB 1897 daran anknüpfte und zum anderen die Mitglieder des Vorstands persönlich Adressaten des Anspruchs waren und diese nicht in ihrer Stellung als Organ der Gesellschaft handelten, galt der Aufsichtsrat auch nach § 247 Abs. 2 HGB 1897 als Vertreter der Gesellschaft237. Nur wenige Stimmen schlossen sich nicht dieser Normauslegung an. Nach Lehmann/Ring konnte „der Aufsichtsrat aus eigenem Recht und deshalb selbst gegen den Willen des obersten Gesellschaftsorgans, der Generalversammlung, Vorstandsmitglieder beklagen [sic.!], wenn es sich um die Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder“ handelte238.

Danach war der Aufsichtsrat als Organ und nicht die Gesellschaft im Prozess parteifähig. Hervorzuheben ist dabei die Entstehungsgeschichte der Norm, nach der dem Aufsichtsrat „ein besonderes persönliches Interesse seiner Mitglieder“ und 236

Lehmann/Ring, Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1902, § 247 Nr. 2; Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 247 S. 298; Staub, HGB, 11. Aufl., § 247 Anm. 7. 237 Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 247 S. 298; Staub, HGB, 11. Aufl., § 247 Anm. 7; Cahn, Der Aufsichtsrat, S. 125. 238 So Lehmann/Ring, Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1902, § 247 Nr. 2.

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daraus resultierend „ein selbständiges Klagerecht“ zustehen soll. Damit wird zum ersten Mal auf ein, dem Aufsichtsrat zugewiesenes Organrecht abgestellt und einem Organ durch das Zugestehen der Parteifähigkeit zugleich für die Führung des Prozesses eine Art Rechtfähigkeit zuerkannt239. Das potentielle Ausgesetztsein einer Haftung der Aufsichtsratsmitglieder wurde als besonderes Interesse des Aufsichtsrats gewertet, das dazu befähigen sollte, gegen die Vorstandsmitglieder zu klagen. Diese Sichtweise kann aus heutiger Perspektive für die damalige Zeit als fortschrittlich betrachtet werden. Einzugestehen ist allerdings, dass sie insgesamt nicht ganz zu Ende gedacht wurde. Das offenbart besonders der Aspekt, dass bei Klageabweisung die entstandenen Kosten nicht der Gesellschaft, sondern dem Aufsichtsrat auferlegt worden wären240. Wenn allerdings der Aufsichtsrat als Organ der Gesellschaft die Kosten trage, dann trifft das – mangels eigenen Vermögens des Aufsichtsrats – wiederum die Gesellschaft selbst. Der Aufsichtsrat selbst konnte nicht Inhaber eigenen Vermögens sein, da er das Organ der Gesellschaft darstellte. Die dem Organ für die Parteifähigkeit im Prozess zugesprochene Rechtsfähigkeit fand dort ihre Grenze. 3. Organinteresse und Organklage des Aufsichtsrats Während daher die überwiegende Ansicht allein den Wortlaut der Norm und die Systematik heranzog, um zu begründen, dass der Aufsichtsrat die Gesellschaft vertrat241, stellten Lehmann/Ring auf das durch die Norm geschützte Interesse ab242. Da die „Verantwortlichkeit der Mitglieder“ dann betroffen war, wenn die Aufsichtsratsmitglieder nach §§ 241, 249 HGB 1897 einer Haftung gegenüber der Gesellschaft oder den Gläubigern ausgesetzt waren, leiteten Lehmann/Ring daraus ein Organinteresse her, das den Aufsichtsrat zur Parteifähigkeit im Prozess gegenüber den Vorstandsmitgliedern berechtigte. Nicht untersucht wurde allerdings, ob es zwischen dieser aus der „Verantwortlichkeit der Mitglieder“ stammenden Berechtigung (Organinteresse) und dem die Gesellschaft berechtigenden Interesse einen Unterschied gibt. Richtigerweise stellt das Organinteresse ein Teil des Gesellschaftsinteresses, da der Aufsichtsrat als Organ der Gesellschaft auch die Interessen der Gesellschaft berücksichtigen musste. Insbesondere in der hier von § 247 Abs. 2 HGB 1897 beschriebenen Funktion erscheint allerdings ein dem Aufsichtsrat allein zustehendes Klagerecht als irritierend. Denn Adressat einer Klage nach § 247 Abs. 2 HGB 1897 waren die Vor239 Diese Konsequenz zur Rechtsfähigkeit wird auch von Lehmann/Ring nicht gezogen. Tiefergehende dogmatische Ausführungen fehlen, vgl. Lehmann/Ring, Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1902, § 247 Nr. 2. 240 So Lehmann/Ring, Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1902, § 247 HGB Nr. 2. 241 Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 247 HGB S. 298; Pinner, in: Staub, HGB, 14. Aufl., § 247 Anm. 7; Cahn, Der Aufsichtsrat, S. 125. 242 Lehmann/Ring, Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1902, § 247 HGB Nr. 2.

§ 11 Die Machtverschiebung in der Aktiengesellschaft

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standsmitglieder als einzelne natürliche Personen und nicht, wie man noch wegen der entsprechenden Verweisung zu Art. 223 Abs. 3 i.V.m. Art. 194 Abs. 2 ADHGB 1884 hätte annehmen können, der Vorstand als Kollegialorgan. Warum in einem solchen Fall der Aufsichtsrat nicht als Vertreter der Gesellschaft auftreten sollte, wenn doch das Organinteresse auch das Gesellschaftsinteresse berührte und kein gesellschaftsinterner Disput zwischen Aufsichtsrat und Vorstand in der Form bestand, dass unklar wäre, wer auf Seiten der Gesellschaft auftrat, erscheint nicht schlüssig. Allerdings ist auch das Merkmal der „Verantwortlichkeit der Mitglieder“ ein weiter und unbestimmter Begriff. Insbesondere stellt sich die Frage, wann diese – außerhalb einer möglichen Haftungssituation – berührt war. Festzuhalten ist allerdings, dass in der Literatur dem Organ Aufsichtsrat eine vom Verband der Aktiengesellschaft losgelöste Rechtsposition zuerkannt wurde. 4. Von § 247 Abs. 2 HGB 1897 umfasste Ansprüche Eine Klage nach § 247 Abs. 2 HGB 1897 konnte vom Aufsichtsrat dann erhoben werden, wenn „es sich um die Verantwortlichkeit der Mitglieder des Aufsichtsrats [handelte]“.

Dass dieser Umstand gegeben war, wenn der Aufsichtsrat sich möglicher Schadensersatzansprüche der Gesellschaft oder der Gläubiger ausgesetzt sah, wurde bereits erläutert. Dies konnte nur der Fall sein, wenn der Aufsichtsrat seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft nicht in der genügenden Sorgfalt wahrnahm bzw. wahrnehmen konnte, § 249 Abs. 1 HGB 1897. Die Hauptfunktion des Aufsichtsrats bestand darin, den Vorstand zu überwachen. Folglich lag dann ein Pflichtenverstoß des Aufsichtsrats vor, wenn er dieser Überwachung nicht nachkam. Ersucht der Aufsichtsrat den Vorstand Berichte und Informationen an diesen zu erteilen (vgl. § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB 1897) und weigert sich der Vorstand darauf, muss dem Aufsichtsrat ein Recht zustehen, seiner Pflicht gegenüber der Gesellschaft zur sorgfältigen Überwachung nachzukommen. Mit Ausnahme der Mittel, die dem Aufsichtsrat durch gesellschaftsvertragliche Regelungen übertragen wurden, kamen nur Klagen i.S.d. § 247 Abs. 2 HGB 1897 in Betracht. Im historischen Schrifttum findet man Stellungnahmen, die sich für die Klage gegen den Vorstand aussprachen243. Allerdings wurde nirgends erkannt, dass der Auskunftsanspruch des Aufsichtsrats aus § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB 1897 nicht gegen die Mitglieder des Vorstands, sondern gegen den Vorstand als Gesamtorgan gerichtet war. Insofern waren § 246 Abs. 1 Satz 2 und § 247 Abs. 2 HGB inkongruent.

243 Vgl. Pinner, in: Staub, HGB, 14. Aufl., § 246 Anm. 7; Lehmann/Hirsch, VO über Aktienrecht, 1931, § 246 HGB Anm. 3.; a.A. Schlegelberger/Quassowski/Schmölder, VO über Aktienrecht vom 19. September 1931 nebst den Durchführungsbestimmungen, 1932, § 239a HGB Anm. 8

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

5. Kompetenzabwehrrechte der Organe Inwiefern ein Organ seine ihm vom Gesetz zugewiesene Kompetenz gegen Einwirkungen anderer Organe behaupten konnte, war grundsätzlich ebenfalls Gegenstand des damaligen Schrifttums244. Allerdings führte die Möglichkeit, durch gesellschaftsvertragliche Regelungen ein Organ (meist der Aufsichtsrat) zum Herrschaftsorgan zu küren, dazu, dass über die Frage, ob es so etwas wie Abwehrrechte geben müsste, nicht gestellt wurde. Zumeist standen dem Aufsichtsrat umfassende Weisungsrechte zu, die im Konfliktfalle zum Tragen kamen. Aber selbst die Rechtsprechung sah den Vorstand in einem Abhängigkeitsverhältnis vom Aufsichtsrat, indem der Vorstand verpflichtet war, die gefassten Beschlüsse auszuführen und bei divergierenden Ansichten, der Ansicht des Aufsichtsrats zu folgen sei245. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass dem Vorstand zur Aufgabenwahrnehmung in irgendeiner Weise ein Schutz seines Kompetenzbereichs zuerkannt wurde, obwohl dem Aufsichtsrat mit § 247 Abs. 2 HGB 1897 eine, dessen Schutzbereich berücksichtigende Norm, zur Verfügung gestellt wurde. Dass diese vordergründig nur dem Wohle der Gesellschaft diente und nicht explizit den Aufsichtsrat als zu schützendes Objekt sah, spricht nicht gegen diese Annahme. Denn obwohl man davon ausgehen konnte, dass der Vorstand die Aktiengesellschaft gegenüber den Mitgliedern des Aufsichtsrats in einem Prozess nach § 249 HGB 1897 vertritt, fehlt dem Vorstand ein entsprechender Kompetenzschutzanspruch, wie ihn § 247 Abs. 2 HGB 1897 dem Aufsichtsrat – bewusst oder unbewusst – gewährt. Auch dies hätte dem Wohle der Gesellschaft entsprochen.

F. Zusammenfassung Betrachtet man den Zeitraum zwischen dem ADHGB von 1862 und dem HGB von 1897, so wird deutlich, dass es den Gründern und Großaktionären vor allem daran gelegen war, ihre Macht zu erhalten und mögliche gesetzliche Einschränkungen zu umgehen. Erst das ADHGB von 1884 schaffte es, den Missbrauch im vorher betriebenen Maße einzudämmen. Allerdings war es jederzeit möglich, ein Organ (später nur den Aufsichtsrat) mit umfassenden Befugnissen auszustatten und damit eine Hierarchie der Organe innerhalb der Aktiengesellschaft zu schaffen. Erst die Rechtsprechung grenzte diese umfassende Kompetenz ein und begründete damit den Vorläufer der uns heute bekannten Satzungsstrenge. Nichtsdestotrotz änderte dies nichts an der grundsätzlich gegebenen Möglichkeit, die Macht innerhalb der Aktiengesellschaft in einem Organ (dem Aufsichtsrat) zu zentrieren.

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Pinner, in: Staub, HGB, 14. Aufl., § 231 Anm. 7. ROHGE 13, 180; OLG Hamburg ZHR 35, 247; zusammenfassend bei Pinner, in: Staub, HGB 14. Aufl., § 246 Anm. 10. 245

§ 11 Die Machtverschiebung in der Aktiengesellschaft

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Die ersten Aktiengesellschaften des 19. Jahrhunderts verfügten noch über eine freie, ihnen selbst überlassene Organisationsform. Es existierten Organe, deren Funktion von den Gründern selbst festgelegt werden konnte. Da ihr Gesellschafterbestand sich zumeist aus den territorial ansässigen Monarchen zusammensetzte, waren die Gesellschaften eng mit dem Staat verbandelt. Die Machtstruktur war absolutistisch geprägt. Die Gesellschafter übten ihren Einfluss auf die Aktiengesellschaft aus, indem sie zugleich Mitglieder des Verwaltungsrates und damit wiederum weisungsbefugt gegenüber den geschäftsführenden Directoren waren. Der Verwaltungsrat war daher nicht nur das Überwachungs-, sondern zugleich das eigentliche Leitungsorgan der Gesellschaft, das allerdings selbst nicht überwacht wurde. Mit dem ADHGB von 1862 wollte man unter Wahrung der Gestaltungsfreiheit, den verschiedenartigen Erscheinungsformen Einhalt gebieten. In Anlehnung an die dreigliedrige Struktur der KGaA schuf man die Möglichkeit, neben den bereits existierenden Organen Vorstand und Generalversammlung, fakultativ einen Aufsichtsrat einzurichten, der zum einen den Wegfall des Konzessionssystems kompensieren und die Rechte der Aktionäre besser repräsentieren sollte. Der Aufsichtsrat stand in der Tradition der Verwaltungsräte. Allerdings blieb es den Gründern offen, per Gesellschaftsvertrag weitere Organe zu errichten. Nach Art. 225 ADHGB 1862 hatte der Aufsichtsrat die Gesellschaft „in allen Zweigen der Verwaltung“ zu überwachen. Die Generalversammlung wurde als „oberstes Organ“ der Gesellschaft angesehen, das Weisungsrechte gegenüber dem Vorstand hatte und dem bei wichtigen Geschäften die Vertretungsmacht zustand. Obwohl der Vorstand dagegen in einer verhältnismäßig schwachen Position war, wurde seine Stellung im Vergleich zu den Directoren der alten Aktiengesellschaften gestärkt, indem seine Vertretungsmacht zwar intern beschränkbar war, diese Beschränkung aber gegenüber Dritten keine Wirkung entfaltete. Die Aufgabe des fakultativen Aufsichtsrats wurde allerdings dahingehend missinterpretiert, dass dieser zu einer „verkleinerten Generalversammlung“, bestehend aus den Gründungsgesellschaftern und Großaktionären, ausgestaltet wurde. Eine grundlegende Abkehr zum alten System und eine damit einhergehende Änderung waren nur in der Bezeichnung der Organe auszumachen. Wichtigste Neuerung durch die Novelle des ADHGB von 1870 war – neben der Einführung des Normativsystems – die nunmehr obligatorische Stellung des Aufsichtsrats. Damit wurde zugleich die dreigliedrige Unternehmensverfassung für die Aktiengesellschaft festgeschrieben. Allerdings bestand weiterhin die Möglichkeit, durch gesellschaftsvertragliche Regelungen ein zusätzliches Organ zu errichten und dieses oder ein anderes zum Herrschaftsorgan mit umfassenden Befugnissen zu küren. Damit blieb zugleich die bisher schon betriebene Praxis unangetastet, dass Gründer und Großaktionäre versuchten, ihre Stellung weitestgehend zu sichern. Der damit betriebene Machtmissbrauch wurde weder vom Gesetzgeber noch von der Literatur wahrgenommen. Die Kompetenzen des Vorstands wurden nicht angetastet. Die Generalversammlung galt immer noch als das

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„oberste Organ“ der Aktiengesellschaft, das den Aufsichtsrat wählte, Art. 210a Abs. 1 Nr. 3 ADHGB 1870. Erst mit der 2. Aktienrechtsnovelle des ADHGB von 1884 versuchte man, dem Missbrauch der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten der Organisationsverfassung Herr zu werden. Der Gesetzgeber sah sich zum Handeln genötigt, da im Laufe der Gründerkrise der 1870er Jahre große Aktiengesellschaften zusammenbrachen und als Grund die ungenügende Kontrolle durch den Aufsichtsrat angemahnt wurde. Neben der Reformierung der Gründungsvorschriften wurde die dreigliedrige Organisationsstruktur manifestiert, indem es nicht mehr möglich war, fakultative Organe zu errichten. Die Generalversammlung wurde dahingehend aufgewertet, dass ihr bereits per Gesetz Befugnisse zugeordnet wurden, die keinem anderen Organ übertragen werden konnten. Während die Stellung des Vorstands wiederum unangetastet blieb, rückte der Aufsichtsrat in den Mittelpunkt der Novelle. Zwar war er weiterhin verpflichtet, „den Vorstand bei seiner Geschäftsführung in allen Zweigen der Verwaltung zu überwachen“, allerdings wurden ihm zusätzlich Informationsund Berichtsrechte zur Verfügung gestellt. Zudem verschärfte der Gesetzgeber die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder während der Gründungsphase der Gesellschaft. Der Aufsichtsrat wandelte sich zu einem Organ, das einen eigenen Kompetenzbereich inne hatte und für dessen Mitgliedschaft nicht mehr vorausgesetzt wurde, das man Aktionär der Gesellschaft sein muss. Mit der Novelle wurde der Grundstein für ein modernes Aktienrecht gelegt, dessen Kompetenzzuweisung an die Organe eine ausgeglichene innerverbandliche Demokratie schuf. Insgesamt muss man aber eingestehen, dass die strukturellen Defizite der Organisationsverfassung nicht überwunden werden konnten. Denn obwohl es nun nicht mehr möglich war, dass weitere fakultative Organe errichtet werden konnten, blieb es den Gründern weiterhin eröffnet, umfassende Befugnisse durch gesellschaftsvertragliche Regelung dem Aufsichtsrat zu übertragen. Dieser blieb eigentliches Leitungsorgan der Gesellschaft. Überwachung konnte nach der überwiegenden Ansicht nur gewährleistet werden, wenn diese mit Macht und somit durch Eingriffsmöglichkeiten flankiert wurde. Dass darin ein Trugschluss lag, wurde erst viele Jahrzehnte später wahrgenommen. Das HGB von 1897 und die damit vorgenommene Revision der aktienrechtlichen Vorschriften führten zu keiner umfassenden Neukonzeption der Organisationsverfassung. Hervorzuheben ist allein die im HGB neu geschaffene Systematik, die der hervorgehobenen Stellung der Aktiengesellschaft Rechnung trug.

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§ 12 Die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft im Deutschen Reich nach 1900 und der Weimarer Republik A. Die Aktiengesellschaft nach 1900 und ihre Defizite I. Unternehmenszusammenbrüche und die Mängel der aktienrechtlichen Organisationsstruktur Die seit dem HGB geltende – und seit dem ADHGB von 1884 nur geringfügig veränderte – Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft erlebte um das Jahr 1900 ihre erste Bewährungsprobe. In einer noch nie zuvor bekannten Art und Weise häuften sich die Stellungnahmen zum Recht des Aufsichtsrats246. Wie schon zur Gründerkrise der 1870er Jahre sollte auch dieses Mal eine Reihe von Zusammenbrüchen von Banken und Industrieunternehmen Anlass für eine nähere Betrachtung der aktienrechtlichen Vorschriften geben247. Den Grund für die Zusammenbrüche sah die Mehrzahl des Schrifttums in der unzureichenden Wahrnehmung der Überwachung durch den Aufsichtsrat248. Lieder stellt hierzu fest, dass die Stellungnahmen, die schon seit Jahrzehnten vorhandenen Defizite erst jetzt wahrgenommen hätten, als seien sie vor kurzem aufgetreten249. Obwohl die Probleme bereits seit Bestehen des ADHGB von 1862 existierten, stellte das Schrifttum erst jetzt die Frage, wie der Aufsichtsrat seine Funktion als Überwachungsorgan wahrnahm250. Hierzu ging man auf das Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat zueinander ein. Das Bild von Organisationsmodellen, das man vorfand, war vielgestaltig: So gab es Gesellschaften, in denen der Vorstand das „starke Organ“ darstellte, da entweder die Gründer ihre Befugnis nach § 246 Abs. 3 HGB nicht oder nur unzureichend nutzten, um den Aufsichtsrat mit weiteren Kompetenzen auszustatten oder sich der Einfluss der einstigen Großaktionäre durch eine größere Streubreite des Aktienbesitzes verringerte251. Zum anderen gab es den Typus, der bereits in der bisherigen Untersuchung dargestellt wurde: Einem schwachen Vorstand stand ein starker Aufsichtsrat gegenüber, der durch gesellschaftsvertragliche Regelungen Inhaber von umfassenden Verwaltungsbefugnissen wurde und so zum eigentlichen Leitungsorgan der 246 Von „papierner Sündflut“ sprach Steinitzer, Ökonomische Theorie der Aktiengesellschaft, 1908, S. 156. 247 Eine Aufzählung der Unternehmen und Banken findet man bei Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 203. 248 Falk, Reform des Aufsichtsrats, S. 19 f.; v. d. Heydt, Aufsichtsrat, S. 196, 204; Passow, Die Aktiengesellschaft: Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, 1922, S. 440 f. 249 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 204. 250 Dazu Passow, Die Aktiengesellschaft: Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, 1922, S. 437. 251 Umfassend dazu die Ausführungen von Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 208 ff.; nach Lehmann, Das Recht der Aktiengesellschaft, Bd. 2, 1904, S. 354 sei dieser Typus häufiger anzutreffen gewesen als die Konstellation mit einem starken Aufsichtsrat.

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Gesellschaft „mutierte“, das nur unzureichend die Überwachungsfunktion wahrnahm und selbst kaum252 überwacht wurde253.

II. Problemkreise, Lösungsvorschläge und Verwerfungen Allerdings wurde nicht nur das Verhältnis der Organe zueinander als Problem wahrgenommen. Vielmehr war man sich im Unklaren, wie man das Konstrukt Aufsichtsrat von seinen leidigen Defiziten befreien konnte. Zu den wesentlichsten Problemkreisen zählten die Frage der Überwachungsaufgabe, alle Aspekte, die die Zusammensetzung des Organs betrafen, die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder sowie Haftungsfragen. 1. Die Überwachung durch den Aufsichtsrat a) Das Meinungsbild in der Literatur und Reformvorschläge Die mangelhafte Wahrnehmung der Überwachungsfunktion war der zentrale und wesentliche Vorwurf zahlreicher Kritiker254. Nicht wenige forderten deshalb seine Abschaffung und die Einsetzung staatlicher Revisoren255. Allerdings interpretierte die überwiegende Ansicht die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats nach § 246 Abs. 1 HGB eher restriktiv. Das Aufsichtsratsamt wurde nicht als Vollzeit-Beschäftigung wahrgenommen, da die Organmitglieder zumeist noch einen Hauptberuf ausübten. Diese Stimmen forderten ebenfalls, die Überwachungspflichten nicht zu weit zu fassen, um hochkarätige Persönlichkeiten vor der Tätigkeit im Aufsichtsrat nicht abzuschrecken. Das Verlassen auf die Berichte des Vorstands ohne diese zu prüfen oder stichprobenartig Kontrollen durchzuführen, war danach aus rechtlicher Perspektive kein vorwerfbares Verhalten256. Die kritischen Stimmen der Literatur warfen aber gerade dieses oberflächliche Handeln den Aufsichtsratsmitgliedern

252 Zwar lagen Bestellhoheit und damit auch Überwachung in den Händen der Generalversammlung. Allerdings schritt diese zum einen nicht ein, da die Großaktionäre daran kein Interesse hatten, zum anderen waren die Rechte der Minderheit durch das umständliche formalistische Verfahren einer Aktionärsklage blockiert, vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 206 f. 253 Zu diesem Typus siehe ebenfalls Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 205 ff. 254 v. d. Heydt, Aufsichtsrat, S. 204 f.; Passow, Die Aktiengesellschaft: Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, 1922, S. 440 f. 255 Vgl. Falk, Reform des Aufsichtsrats, S. 41; Stier-Somlo, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, S. 16 f. Fn. 1; Pinner, DJZ 1901, 373, 374; zusammenfassend dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 213. 256 So wiederum N. Müller, Holdheim 1904, 246, 249; Rehm, in: Verhandlungen des 28. DJT I, 1905, S. 20, 24.

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vor257. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Wortlaut von § 246 Abs. 1 HGB in seiner Fassung nicht mehr als zeitgemäß anzusehen war, da sich das Größenverhältnis der Aktiengesellschaft als Unternehmensform seit dem ADHGB von 1861 erheblich verändert hatte258. Insofern war denjenigen Stimmen, die eine restriktive Anwendung von § 246 Abs. 1 HGB und damit der Überwachungspflicht befürworteten, kein Vorwurf zu machen. Um dennoch eine Verbesserung der Überwachung zu erzielen, wurden verschiedene Vorschläge unterbreitet: So sollte der Überwachungsauftrag konkretisiert werden, indem die dem Aufsichtsrat zur Erfüllung seiner Aufgabe anhand gestellten Überwachungsrechte nach § 246 Abs. 1 Satz 2 HGB (Informations-, Einsichts- und Prüfungsrechte) in Überwachungspflichten gewandelt werden259. Damit erhoffte man sich, dass die Wahrnehmung von Kontrollrechten vom Vorstand nicht als Misstrauensbekundung gedeutet werden würde, da diese ja nun gesetzlich festgeschrieben waren. Andere wiederum sprachen sich gegen eine gesetzliche Normierung dieser Pflichten aus und favorisierten dagegen, die Überwachungsverpflichtung als gesellschaftsvertragliche Regelung nach § 246 Abs. 3 HGB zu statuieren260. Dieser Ansicht schloss sich auch der 28. Deutsche Juristentag an, der sich auch für ein zurückhaltendes Agieren des Gesetzgebers aussprach261. Daneben wurden Individualrechte für Aufsichtsratsmitglieder vorgeschlagen262. Es hatte sich gezeigt, dass eine Kollektivüberwachung durch den Aufsichtsrat nicht den gewünschten Erfolg versprach263. Rechte für einzelne Aufsichtsratsmitglieder waren zwar in der Literatur diskutiert worden, konnten sich allerdings nie etablieren264. Zu den Vorschlägen zählten u. a. ein Individualeinberufungsrecht zur Generalversammlung265, individualisierte Einsichts- und Prüfungsrechte für Organmit257 Vgl. dazu Warschauer, Reorganisation des AR, S. 19; v. Brockdorf, Die Reorganisation des Aufsichtsratswesens in Deutschland, Annalen des Deutschen Reichs für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, 1902, S. 735, 739; v. d. Heydt, Aufsichtsrat, S. 205. 258 Dazu auch Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 236. 259 So Stier-Somlo, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, S. 51, Grünhut, in: Verhandlungen des 31. DJT II, 1912, S. 1, 13. 260 Vgl. v. d. Heydt, Aufsichtsrat, S. 234 f.; dazu Riesser, in: FG Koch, 1903, S. 293, 310 ff.; ders., in: Verhandlungen des 28. DJT III, 1907, S. 212, 218; Pinner, DJZ 1901, 373 374 f.; Rehm, in: Verhandlungen des 28. DJT I, 1905, S. 20, 28. 261 Beschlüsse, in: Verhandlungen des 28. DJT I, S. 233. 262 v. Gierke, ZHR 84 (1921), S. 249, 255; Rehm, in: Verhandlungen des 28. DJT I, 1905, S. 20, 37; Lehmann, Das Recht der Aktiengesellschaft, Band 2, 1904, S. 357; Stier-Somlo, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, S. 50 f.; Wittkowsky, JW 1901, 768, 769. 263 Vgl. Rehm, in: Verhandlungen des 28. DJT I, 1905, S. 20, 33; Passow, Die Aktiengesellschaft: Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, 1922, S. 441 f.; v. d. Heydt, Aufsichtsrat, S. 209 f. 264 Insbesondere im Vorfeld der 2. Aktienrechtsnovelle von 1884 sprach sich der Gesetzgeber gegen Individualrechte von Aufsichtsratsmitgliedern aus, vgl. Allgemeine Begründung in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 387, 461. 265 Lehmann, in: Verhandlungen des 27. DJT I, 1904, S. 57, 62.

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glieder266 sowie ein individuelles Auskunftsrecht gegenüber dem Vorstand267. Der 31. DJT befürwortete nicht alle dargebrachten Aspekte, legte sich aber darauf fest, dass zumindest der Minderheit im Aufsichtsrat ein ständiges Aufsichts- und Prüfungsrecht zukommen sollte268. Dass sich Individualrechte nicht durchsetzen konnten, lag an der immer noch währenden Kritik solcher Befugnisse. Im Rahmen der 2. Aktienrechtsnovelle lehnte man sie ab, da man um die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Gesellschaft fürchtete und diese Bedenken auch hier wieder sah269. Zudem befürchtete man, dass Individualrechte zu einer weiteren und intensiveren Überwachung führen würde, die bei unzureichender Wahrnehmung ein erhebliches Haftungsrisiko für die Aufsichtsratsmitglieder darstellt270. Vor allem sah man allerdings eine Gefahr darin, dass einzelne Mitglieder ihre Informationsbefugnis zum Nachteil der Gesellschaft missbrauchen könnten271. Ebenfalls diskutiert wurde die Pflicht zur Schaffung spezieller Zustimmungsvorbehalte für die Aktiengesellschaften272. Damit sollte in Gesellschafen, in denen ein mächtiger Vorstand existierte, ein Machtausgleich geschaffen werden, indem der Aufsichtsrat für bestimmte Geschäfte seine Zustimmung erteilen musste und der Vorstand so keine übermäßigen Risiken eingehen konnte. Allerdings sah man nicht die Möglichkeit, allgemeingültige Grundsätze aufzustellen, die für alle Aktiengesellschaften Geltung gefunden hätten, sodass die Gesellschaften weiterhin die Möglichkeit nutzen sollten, Zustimmungsvorbehalte im Gesellschaftsvertrag festzusetzen273. b) Bewertung der Vorschläge und Einwände Das damals vorherrschende Meinungsbild offenbart zugleich, dass trotz guter Vorschläge, die überwiegende Meinung vorherrschte, nicht vorschnell zu tiefgreifende Änderungen herbeizuführen. Festzumachen ist diese Einstellung vor allem an den Beschlüssen des 28.274 und 31.275 Deutschen Juristentages. Die Konkretisierung des Überwachungsauftrags und die Qualifizierung als Überwachungspflicht sollten 266

Rehm, in: Verhandlungen des 28. DJT I, 1905, S. 20, 37. So nun Lehmann, in: Verhandlungen des 31. DJT I, 1912, S. 502, 538, der damit weitere Rechte für Aufsichtsratsmitglieder forderte. 268 Vgl. Beschlüsse, Verhandlungen des 31. DJT III, 1913, S. 969; weitere Individualbefugnisse lehnte man ab vgl. Simon, in: Verhandlungen des 31. DJT III, 1913, S. 972. 269 Vgl. J. Bauer, Der Aufsichtsrat, S. 159 f. 270 So v. d. Heydt, Aufsichtsrat, S. 226 f. 271 So J. Bauer, Der Aufsichtsrat, S. 159 f.; Passow, Die Aktiengesellschaft: Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, 1922, S. 455 ff.; Tscharmann, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, 1896, S. 22. 272 Gemünd/Knödgen, Mängel und Vorschläge, S. 10 f. 273 Vgl. Strauß, Holdheim 1902, 79, 81. 274 Beschlüsse, Verhandlungen des 28. DJT I, 1905, S. 233. 275 Beschlüsse, Verhandlungen des 31. DJT III, 1913, S. 969. 267

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durch eine statutarische Regelung im Gesellschaftsvertrag erfolgen. Gleiches galt für die Einführung von Zustimmungsvorbehalten. Individualrechte wurden gar nicht gewährt. Allein der Aufsichtsratsminderheit sollte nach Beschluss des 31. Juristentages ein Einsichts- und Prüfungsrecht zustehen. Diese Entscheidungen offenbarten die damals vorherrschende Angst, dass die Aktiengesellschaft durch Eingriffe des Gesetzgebers in Mitleidenschaft geraten und tiefergreifende Probleme als sie jetzt schon auftraten, verursachen könnte. Zu bedauern ist, dass trotz der tiefgreifenden Auseinandersetzung der wesentliche Kern der Problematik von dem Großteil des Schrifttums verkannt wurde276 : Denn das eigentliche Problem bestand weiterhin darin, dass der Aufsichtsrat nach § 246 Abs. 3 HGB nicht nur mit Kompetenzen ausgestattet werden konnte, die seine Überwachungstätigkeit verbesserten277, sondern mit Verwaltungsbefugnissen, die den Aufsichtsrat zum eigentlichen Leitungsorgan der Aktiengesellschaft formten. Die damit ermöglichte Einflussnahme auf den Vorstand barg ein erhebliches Missbrauchspotential, was von der Reformliteratur nicht erkannt wurde278. Es galt weiterhin der seit der 2. Aktienrechtsnovelle vorherrschende Gedanke, dass eine Überwachung des Vorstands nur effizient ermöglicht werden könne, wenn dem Aufsichtsrat Befugnisse an die Hand gegeben werden, die ihm das Eingreifen gegenüber dem Vorstand ermöglichen279. Was nicht gesehen wurde, ist der Umstand, dass die Einzelvorschriften, die zur Verbesserung der Überwachung angedacht waren280, dann keine Wirkung entfalten konnten, wenn das zu überwachende Organ durch statutarische Regelungen in seinen Leitungskompetenzen beschnitten war. Der Vorstand agierte dann nur als „Exekutivorgan“281 des Aufsichtsrats. Es sollte noch weitere Jahre dauern, bis dieses grundlegende Problem der Kompetenzübertragung aus dem Recht der Aktiengesellschaft verbannt wurde. Erst dann hätten die Reformvorschläge für eine echte Verbesserung der Überwachungstätigkeit durch den Aufsichtsrat gesorgt.

276 Lehmann, in: Verhandlungen des 31. DJT I, 1915, S. 502, 537; Cahn, Der Aufsichtsrat, S. 256; Dühringer, in: Verhandlungen des 28. DJT III, 1907, S. 202, 204; Kritisch allerdings Passow, Die Aktiengesellschaft: Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, 1922, S. 447; Küntzel, Aufsichtsrat, S. 85. 277 So lautete das gängige Argument der Befürworter, vgl. Lehmann, in: Verhandlungen des 31 DJT I, 1912, S. 502, 537. 278 So auch in der Bewertung Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 238 sowie 244. 279 Vgl. Verweise in Fn. 1071. 280 Lehmann, in: Verhandlungen des 31. DJT I, 1915, S. 502, 536 f. sprach sich aus, vor allem durch Einzelvorschriften die Überwachungsdefizite zu beseitigen. 281 So die Bezeichnung von Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 205.

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2. Organisatorische Fragen des Aufsichtsrats als Defizit der geltenden Rechtslage a) Gruppen im Aufsichtsrat Die Zusammensetzung des Gremiums war ein wesentlicher Diskussionspunkt. So wurden die Erweiterung des Einflusses der Aufsichtsratsminderheit sowie die Einflüsse der Banken- und Unternehmensvertreter diskutiert. In der Literatur wurde die Frage aufgeworfen, ob der Einfluss der Aktionärsmehrheit über die Vergabe aller Aufsichtsratsplätze noch zu rechtfertigen wäre, da die Interessen der Aktionärsminderheit im Aufsichtsrat nicht wahrgenommen und berücksichtigt wurden282. Dabei sollte vor allem das Wahlverfahren diese wahrgenommene Ungerechtigkeit in der Zusammensetzung beheben283. Andere schlugen hingegen vor, die in Betracht kommenden Kandidaten bereits in den Ankündigungen zur Generalversammlung zu veröffentlichen, damit die Aktionäre, die Möglichkeit haben, sich über diese zu erkundigen284. Erwogen wurde ebenfalls, sich an der Regelung zum österreichischen Aktienrecht zu orientieren und eine Proportionalwahl einzuführen285. Letztendlich konnte sich keiner dieser Vorschläge durchsetzen. Die bisher geltende Rechtslage wurde damit gerechtfertigt, dass die Herrschaft der Aktionärsmehrheit bei der kapitalistisch konstituierten und strukturierten Aktiengesellschaft immanent wäre286. Die Kapitalmehrheit trage das höhere Risiko und sei deshalb berechtigt, mehr Macht auszuüben287. Zudem wurde der Aktionärsminderheit die Schutzwürdigkeit abgesprochen288 und vor allem in der Ausübung von Minderheitenrechten eine Missbrauchsgefahr gesehen289. Ebenfalls bezeichnend für das damalige Verständnis zur Aufsichtsratstätigkeit ist die Ansicht, die Minderheitenrechte deshalb ablehnte, weil ihr Ausüben als wirkungslos angesehen wurde290. Macht und Einfluss sollte den Großaktionären zustehen und erhalten bleiben. Allerdings stand dann die Tätigkeit als Überwachungsorgan nicht mehr im Vordergrund und der Missbrauch durch die Majorität waren keine Grenzen gesetzt.

282

Lehmann, Das Recht der Aktiengesellschaft, Bd. 2, 1904, S. 362. Hierzu gab es verschiedene Vorschläge zum Wahlverfahren wie das Abstimmen nach Köpfen als auch die Einführung eines Verhältniswahlrechts, vgl. die Darstellung bei Falk, Reform des Aufsichtsrats, S. 55 ff.; für ein Höchstzahlstimmrecht v. d. Heydt, Aufsichtsrat, S. 150. 284 So Loeb, JbNS 23 (1902), 1, 23. 285 Die Norm (§ 37 Nr. 6 des Regulativs für die Errichtung und Umbildung von Aktiengesellschaften auf dem Gebiet der Industrie und des Handels) ist abgedruckt bei Keyßner, ZHR 49 (1900), 308, 326 f.; dazu auch Falk, Reform des Aufsichtsrats, S. 58 f. 286 So Stier-Somlo, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, S. 84. 287 Vgl. Rehm, in: Verhandlungen des 28. DJT I, 1905, S 20, 27 f. 288 Rehm, in: Verhandlungen des 28. DJT I, 1905, S 20, 27. 289 Stier-Somlo, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, S. 84 Fn. 10a. 290 So Falk, Reform des Aufsichtsrats, S. 52 f. 283

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Neben der Stärkung von Minderheitenrechten wurde die Frage diskutiert, wie die Rolle von Großbanken und Industrieunternehmen bei der Besetzung des Aufsichtsrats zu bewerten sei291. So war es üblich, dass die die Gesellschaft finanzierenden Banken ebenfalls im Aufsichtsrat vertreten waren. Das ergab sich zum einen daraus, dass sie bei Gesellschaftsgründung, Kapitalerhöhungen und der Emission neuer Aktien für die Aktiengesellschaft tätig waren292 und zum anderen später als Fremdkapitalgeber die Finanzierung der Gesellschaft sicherstellten293. Der Einfluss der Bankenvertreter wuchs dadurch immens. Verflechtungen zwischen Industrie und Banken waren die Folge. Zwar war diese Verbindung für Unternehmen als auch für Banken von Vorteil, da essentielle Finanzierungsfragen im Aufsichtsrat diskutiert und entschieden werden konnten294. Allerdings führte die gesteigerte Machtfülle der Bankenvertreter dazu, dass sie in einigen Fällen ihre Position missbrauchten295. Da es sich überwiegend um Einzelfälle handelte, die bekannt geworden waren, konnte nicht auf einen verallgemeinernden Missbrauch durch Bankenvertreter geschlossen werden296. Zudem sah man auch, dass die Banken als Fremdkapitalgeber ein besonderes Interesse daran hatten, dass die Gesellschaft gut geführt wurde und somit die Bankenvertreter als Überwacher besonders qualifiziert waren. Überdies war die Fachkenntnis der Bankenvertreter bei Vielerlei Entscheidungen gefragt, sodass letztendlich an der Beteiligung von Banken im Aufsichtsrat nichts verändert wurde297. Eine vergleichbare Sachlage existierte bei Vertretern von anderen Industrieunternehmen, die als Mitglieder im Aufsichtsrat tätig waren. Zumeist handelte es sich um Angehörige von Lieferanten und Großkunden, die ihre Erfahrung einbrachten und deren vordergründiges Anliegen das Pflegen der Geschäftsbeziehung und die Wahrnehmung eigener Interessen waren298. Dass diese Tätigkeiten allerdings nicht das primäre Ziel eines Überwachungsorgans darstellen, liegt auf der Hand299. Trotz 291 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 218 Fn. 77 m.w.N. und statistischen Daten. 292 Passow, Die Aktiengesellschaft: Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, 1922, S. 418 f.; Eulenburg, JbNS 32 (1906), 92, 97; Loeb, JbNS 23 (1902), 1, 12 f.; Riesser, Großbanken, S. 303. 293 Eulenburg, JbNS 32 (1906), 92, 97; Passow, Die Aktiengesellschaft: Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, 1922, S. 418; Falk, Reform des Aufsichtsrats, S. 101. 294 Dazu Jeidels, Verhältnis Großbanken zur Industrie, S. 143 ff.; Passow, Die Aktiengesellschaft: Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, 2. Aufl., 1922, S. 418 ff. 295 Verschiedene Missbrauchsfälle bei Jeidels, Verhältnis Großbanken zur Industrie, S. 147 f. 296 Dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 218, S. 220. 297 Es wurde allerdings darauf hingewiesen, dass der Einfluss nicht durch sachfremde Erwägungen oder durch Entscheidungen, die im eigenen Interesse standen bestimmt werden sollte, vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 220. 298 Vgl. Passow, Die Aktiengesellschaft: Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, 1922, S.423; Eulenburg, JbNS 32 (1906), 92,99. 299 Ebenso Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 221.

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

einzelner Kritiken sah man jedoch keine Notwendigkeit, Repräsentanten anderer Unternehmen von Aufsichtsratsamt auszuschließen. b) Die innere Organisation des Aufsichtsrats als Reformgegenstand Neben der Frage über die Personenzusammensetzung und den Voraussetzungen, die Aufsichtsratsmitglieder erfüllen sollten, wurden auch Fragen zur internen Organisation des Aufsichtsrats diskutiert. Zunächst wurde vorgeschlagen, dass sich der Aufsichtsrat als solcher spezialisieren sollte, indem eine arbeitsteilige Organisation vorgenommen werden sollte300. Damit beabsichtigte man, die Funktionsfähigkeit und Effektivität des Aufsichtsrats zu verbessern. Explizit sollten spezielle Dezernate geschaffen werden, die für verschiedene Überwachungsfunktionen zuständig waren. Der Kritik, dass eine solche Funktionsaufteilung wegen der Vielgestaltigkeit der Aktiengesellschafen nicht gerecht werden könnte301, entgegnete man, dass dann zumindest im Gesellschaftsvertrag oder per Generalversammlungsbeschluss für die Gesellschaft individuelle Dezernate schaffen sollte, die an Art und Größe des Unternehmens angeglichen waren302. Aus heutiger Perspektive werden die damaligen Vorschläge als vielversprechend bewertet303. Allerdings ist der Mehrheit des damaligen Schrifttums zuzustimmen, die eine Funktionsaufgliederung des Aufsichtsrats per Gesetz nicht für notwendig hielt, da bereits die Möglichkeit bestand, themenspezifische Ausschüsse einzurichten304. Ferner war noch die Sitzungshäufigkeit des Aufsichtsrats Diskussionsgegenstand. Hier wurde bemängelt, dass der Aufsichtsrat maximal ein- bis zweimal pro Jahr zusammentrat und von Entscheidungen des Vorstands zumeist erst ex post erfahren hatte305. Eine pflichtgemäße Überwachung konnte so nicht stattfinden, sodass gefordert wurde, dass der Aufsichtsrat mindestens einmal pro Monat Zusammentreten und bei Nichterscheinen einzelner Mitglieder eine Konventionalstrafe verhängt werden sollte306. Die Mehrheit lehnte ein solches striktes Vorgehen ab. Zum einen gebe es keine gesicherten Erkenntnisse, dass durch eine häufigere Abhaltung von

300 Warschauer, Reorganisation des AR, S. 21; v. Brockdorff, Die Reorganisation des Aufsichtsratswesens in Deutschland, Annalen des Deutschen Reichs für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft, 1902, S. 735, 739 f. 301 Cahn, Der Aufsichtsrat, S. 261, Stier-Somlo, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, S. 49; Falk, Reform des Aufsichtsrats, S. 148. 302 Warschauer, Reorganisation des AR, S. 21. 303 Vgl. die Einschätzung von Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 232. 304 Vgl. v. d. Heydt, Aufsichtsrat, S. 214 ff.; Cahn, Der Aufsichtsrat, S. 262. 305 Dazu Loeb, JbNS 23(1902), 1, 15; Stier-Somlo, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, S. 47; v. d. Heydt, Aufsichtsrat, S. 205. 306 Warschauer, Reorganisation des AR, S. 35 ff. sowie Gemünd/Knödgen, Mängel und Vorschläge, S. 7 f., die sich allerdings nicht für eine Strafe, sondern nur für Präsenzlisten aussprachen.

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Sitzungen sich die Überwachung durch den Aufsichtsrat verbessere307, zum anderen blieben die Besonderheiten der Gesellschaft völlig unberücksichtigt, da kleinere Aktiengesellschaften durch eine solche Regelung erheblich benachteiligt werden würden308. 3. Die Haftung der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder Ebenso wurden Fragen zur Haftung der Mitglieder des Aufsichtsrats diskutiert. Der Haftungstatbestand von § 249 Abs. 1 HGB blieb allerdings trotz Bedenken309 erhalten. Als Anknüpfungspunkt dienten hingegen die den Mitgliedern zur Verfügung stehenden Überwachungsrechte und -pflichten, die konkretisiert werden sollten310. Ebenfalls schon im Rahmen früherer Reformen diskutiert wurde die Verbesserung der Durchsetzung und Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen die Aufsichtsratsmitglieder durch eine Aktionärsminderheit311. Das Mindestquorum sollte auf 10 % des in der Generalversammlung vertretenen Kapitals herabgesetzt werden. Allerdings scheiterte auch dieser Versuch, die vom Gesetz erhobenen Zulassungsschranken zu senken. Begründet wurde ihre Beibehaltung mit der Befürchtung, dass bei einem geringeren Quorum die erhöhte Gefahr bestehe, dass etwaige Klagen einer Minderheit missbräuchlich erhoben werden könnten312. Damit hätte man zudem etwaige fachkundige, aber weniger vermögendere Persönlichkeiten vor der Ausübung eines Aufsichtsratsamtes abgeschreckt313. Einigkeit konnte nicht erzielt werden, sodass die Anforderungen an die Durchsetzung von Ersatzansprüchen unverändert blieb.

III. Zusammenfassung Die notwendige Diskussion endete zunächst im Nichts. Erst in den 1920er Jahren griff man die Ideen und Reformvorschläge wieder auf, die dann zum einen in der Notverordnung von 1931 und im Aktiengesetz von 1937 mündeten. Insofern dienten 307

Steinitzer, Ökonomische Theorie der Aktiengesellschaft, 1908, S. 158. Strauß, Holdheim 1902, 79, 81; Falk, Reform des Aufsichtsrats, S. 135 f. 309 Kritisiert wurde vor allem die „Farblosigkeit“ des Wortlauts, vgl. Steinitzer, Ökonomische Theorie der Aktiengesellschaft, 1908, S. 178, v. d. Heydt, Aufsichtsrat, S. 263. 310 Stier-Somlo, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, S. 62 f.; v. d. Heydt, Aufsichtsrat, S. 264 f. 311 So Gemünd/Knödgen, Mängel und Vorschläge, S. 41 ff.; Rehm, in: Verhandlungen des 28. DJT I, 1905, S. 20, 38; a. A. Stier-Somlo, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, S. 68 f.; Falk, Reform des Aufsichtsrats, S. 236. 312 Loeb, JbNS 23 (1902), 1, 27; Stier-Somlo, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, S. 68; Falk, Reform des Aufsichtsrats, S. 236. 313 Stier-Somlo, Der Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, S. 68 f.; Loeb, JbNS 23 (1902), 1, 27 f. 308

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

die geäußerten Gedanken zumindest den späteren Reformvorhaben als Hilfe. Viele der angesprochenen Reformvorschläge konnten sich im Laufe der Jahrzehnte im Recht der Aktiengesellschaft etablieren314. Auffällig ist, dass die grundsätzliche Schwäche der Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft in der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats gesehen wurde. Wieso die Reformdebatte trotzdem zu Beginn des 20. Jahrhunderts scheiterte, hatte verschiedene Ursachen: Lieder verweist darauf, dass oftmals sachlich nicht gerechtfertigte Kritik geäußert wurde und der Gesetzgeber bzw. die beratenden Gremien mit der Fülle an Meinungen überfordert waren315. Man hoffte vor allem, dass die vorgebrachten Ansichten sich durch weiteres Abwarten klären könnten316. Das Prinzip der „Problemlösung durch Zeitablauf“ führte allerdings nicht zu der erhofften Lösung. Überdies verkannte der Großteil der Literatur, welche Funktion der Aufsichtsrat erfüllen sollte. Lieder spricht davon, dass „man [gemeint sind die Vertreter des Schrifttums und ebenfalls die in der Praxis tätigen Aufsichtsratsmitglieder] für einen grundlegenden Wandel des Aufsichtsratswesens (noch) nicht bereit war“317.

Solange die Mehrheit die Überwachungsaufgabe durch den Aufsichtsrat nicht als dessen Hauptfunktion ansah, sondern es sogar befürwortete, wenn die Mitglieder des Aufsichtsrats ihre Stellung dazu nutzten, ihre persönlichen und geschäftlichen Kontakte zu pflegen318, war jeder Reformansatz zum Scheitern verurteilt. Nicht wenige Stimmen hielten diese Mängel in der Überwachung durch den Aufsichtsrat allerdings für Ausnahmen, die nicht auf die Mehrheit der Aktiengesellschaften übertragen werden konnte319. Damit standen sie in einer Linie zu den Positionen, die bereits in den Regelungen der 1. und 2. Aktienrechtsnovelle zum Ausdruck kamen320. Ähnlich verhielt es sich mit denjenigen, die allein Fehler in der Zusammensetzung des Organs für das Versagen der Überwachung zur Verantwortung ziehen wollten321. Nach diesen würde es aber nicht helfen, wenn der Gesetzgeber tätig werde, da dieser nicht in der Lage sei, die Missstände zu beheben. Vielmehr müsse mehr Sorgfalt bei der Auswahl möglicher Aufsichtsratsmitglieder 314 Nach Semler soll man sich mit dem damaligen Reformschrifttum auseinandersetzen, um Sinn und Zweck des heutigen Aufsichtsrats verstehen zu können, vgl. Semler, in: MünchKomm. AktG, 2. Auflage, Einl. Rn. 24. 315 Dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 257 m.w.N. 316 So vor allem Dühringer, in: Verhandlungen des 28. DJT III, 1907, S. 202, 211. 317 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 259. 318 So insbesondere Rehm, in: Verhandlungen des 28. DJT I, 1905, S. 20, 32, der den Aufsichtsrat vor allem in seiner Funktion als Interessenvertretungsorgan sah und in der Überwachungstätigkeit nur eine Nebenfunktion sah. 319 Cahn, Der Aufsichtsrat, S. 264; Küntzel, Aufsichtsrat, S. 102; Riesser, in: Verhandlungen des 28. DJT III, 1907, S. 212, 216. 320 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 259; vgl. zudem oben zur 1. Novelle § 11 C.III. sowie zur 2. Novelle § 11 D.III. 321 So vor allem Cahn, Der Aufsichtsrat, S. 267.

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geleistet werden. Diese Ansicht ließ allerdings die tatsächlichen Machtverhältnisse innerhalb der Aktiengesellschaft unberücksichtigt322. Denn zum einen konnten die Großaktionäre mit ihrem Stimm- und Kapitalanteil dafür sorgen, dass der Aufsichtsrat nur mit Personen besetzt wurde, die die Machtposition der Großaktionäre stärkten. Zum anderen konnte der mächtige Vorstand in Aktiengesellschaften, deren Aktien sich überwiegend im Streubesitz befanden, durch seine Wahlvorschläge gegenüber der Generalversammlung, Personen in den Aufsichtsrat bringen, die ihm gegenüber positiv gesonnen waren. Dass ein dringliches Bedürfnis zum Tätigwerden des Gesetzgebers nicht gesehen wurde, lag daher überwiegend an soziologischen Aspekten. In den Fehlern der Natur und des Charakters des Menschen sah man den Hauptgrund für die mangelhafte Überwachung durch den Aufsichtsrat. Dass hingegen gesetzgeberisches Tätigwerden auch dazu führen kann, dass sich das menschliche Verhalten verändert und normgemäßes Handeln hervorruft, wurde nicht in Erwägung gezogen.

B. Die Arbeitnehmervertreter als weitere Gruppe im Aufsichtsrat Es wurde bereits erwähnt, dass dem Aufsichtsrat nicht nur Vertreter der Aktionäre angehörten, sondern auch Vertreter von finanzierenden Banken und anderen Unternehmen323. Obwohl auch diese Zusammensetzung nicht ohne Kritik blieb, sprach sich die Mehrheit im Schrifttum dafür aus, da diese Persönlichkeiten vor allem Fachwissen und Erfahrung in das Gremium einbrachten324. Kritisch wurde hingegen gesehen, dass diese Vertreter nicht das Wohl der zu überwachenden Gesellschaft als höchste Maxime ansahen, sondern vor allem Entscheidungen trafen, die im Interesse ihrer Bank oder Gesellschaft lagen. Positiv formuliert kann man von einer beginnenden Interessenpluralität – namentlich von Gläubiger- und Aktionärsinteressen – sprechen, die im Aufsichtsrat Einzug hielt. Daneben führten die aufstrebenden sozialdemokratischen Strömungen dazu, dass auch im Recht der Aktiengesellschaft die Interessen der Arbeitnehmer gewichtiger berücksichtigt wurden. Mit dem Betriebsrätegesetz325 von 1920 wurde die Arbeit322

Ebenso Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 258. Vgl. dazu bereits § 12 A.II.2.a). 324 Dazu Wolferstätter, Das Bankenstimmrecht und seine Regelungen im Aktiengesetz vom 30. Januar 1937, S. 50 ff.; Passow, Die Aktiengesellschaft: Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, 1922, S. 428. 325 § 70 Betriebsrätegesetz v. 4. 2. 1920, RGBl. I, S. 147: In Unternehmungen, für die ein Aufsichtsrat besteht, und nicht aufgrund anderer Gesetze eine gleichartige Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat vorgesehen ist, werden nach Maßgabe eines besonderen hierüber zu erlassenden Gesetzes ein oder zwei Betriebsratsmitglieder in den Aufsichtsrat entsandt, um die Interessen und Forderungen der Arbeitnehmer, sowie deren Ansichten und Wünsche hinsichtlich der Organisation des Betriebs zu vertreten. Die Vertreter haben in allen Sitzungen des 323

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nehmermitbestimmung im Aktienrecht eingeführt und durch das Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern326 von 1922 verfestigt. Neben den Vertretern, die durch die Generalversammlung bestimmt wurden, konnten nun zwei vom Betriebsrat gewählte Mitglieder in den Aufsichtsrat entsendet werden. Nach § 70 BetriebsräteG standen ihnen die gleichen Befugnisse und Rechte zu wie den von der Generalversammlung gewählten Aufsichtsratsmitgliedern. Umstritten war hingegen, ob ihnen damit auch die gleiche Rechtsstellung wie den Kapitalvertretern zukommen sollte327. Die Arbeitgeberseite befürwortete eine Kompetenzbeschränkung auf die sozialen Belange der Belegschaft; denn eine gleichberechtigte Stellung sei aus § 70 BetriebsräteG nicht abzuleiten gewesen328. Die überwiegende Ansicht – so auch das Reichsarbeitsministerium und die Arbeitnehmerseite – interpretierten § 70 BetriebsräteG hingegen so, dass die Arbeitnehmervertreter zwar die Interessen und Forderungen der Arbeitnehmer gewährleisten sollen, dieses Erfordernis aber grundsätzlich nur den Anlass der Entsendung widerspiegelte, sie ansonsten gleichberechtigte Mitglieder des Aufsichtsrats waren329. Diese Ansicht setzte sich auch mit Geltung des Betriebsräteentsendegesetzes von 1922 durch, in dem § 3 die Gleichbehandlung der Aufsichtsratsmitglieder anordnete. Obwohl danach die Mitwirkung der Arbeitnehmervertreter in der Praxis überwiegend positiv bewertet wurde330, versuchte die Anteilseignerseite den Einfluss der Arbeitnehmervertreter möglichst gering zu halten331. Allerdings spielte dabei nicht vordergründig die fehlende Erfahrung und mangelnde Kenntnis in unternehmerischen Fragestellungen eine Rolle332, vielmehr beabsichtigte man, die Macht der Anteilseigner zu sichern Aufsichtsrats Sitz und Stimme, erhalten jedoch keine andere Vergütung als eine Aufwandsentschädigung. Sie sind verpflichtet, über die ihnen gemachten vertraulichen Angaben Stillschweigen zu bewahren. 326 Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat vom 15. 2. 1922, RGBl. I, S. 209. 327 Vgl. Plumpe, Betriebliche Mitbestimmung in der Weimarer Republik, 1999, S. 53; Flatow/Kahn-Freund, in: Betriebsrätegesetz, 13. Aufl., 1931, § 70 Anm. 1. 328 Kritisch wurde vor allem bewertet, dass neben der Gleichstellung von Rechten auch eine Gleichstellung von Pflichten zu erfolgen habe, die Arbeitnehmervertreter allerdings die Anforderungen daran nicht erfüllen könnten, dazu Brodmann, Aktienrecht, 1928, § 243, S. 282. 329 Vgl. dazu die Ausführungen bei Plumpe, Betriebliche Mitbestimmung in der Weimarer Republik, 1999, S. 53 f. 330 Dazu Enquette-Ausschuss, in: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926 – 1932), Band 2, 1999, S. 741, 790 f. 331 Ebenfalls Enquette-Ausschuss, in: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926 – 1932), Band 2, 1999, S. 741, 789 ff.; Plumpe, Betriebliche Mitbestimmung in der Weimarer Republik, 1999, S. 55. 332 Zwar konnte man dieses Argument nicht völlig von der Hand weisen, vgl. EnquetteAusschuss, in: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926 – 1932), Band 2, 1999, S. 741, 791. Allerdings stellte man in Untersuchungen fest, dass die Zusammenarbeit ohne größere Probleme funktionierte und die Arbeitnehmervertreter über bessere Informationen verfügten als die Vertreter der Anteilseigner, vgl. ebenfalls EnquetteAusschuss, in: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926 – 1932), Band 2, 1999, S. 741, 790.

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und wesentliche Unternehmensinformationen den Betriebsratsmitgliedern vorzuenthalten333. Mit der Mehrheit der Generalversammlung wurde daher eine Vielzahl von Satzungsänderungen durchgeführt, die den Einfluss des Gesamtgremiums (und damit auch der Arbeitnehmervertreter) begrenzten, indem Befugnisse entweder Ausschüssen – in denen die Arbeitnehmervertreter nicht vertreten waren – oder einzelnen Organmitgliedern zugewiesen wurden334. In concreto erfolgte die Berichterstattung durch den Vorstand nicht mehr gegenüber dem Gesamtaufsichtsrat, sondern nur gegenüber dem dafür vorgesehenen Ausschuss. Ebenfalls in die Zuständigkeit eines Ausschusses oder in die des Aufsichtsratsvorsitzenden fielen die Verhandlungen über die Anstellungsverträge mit den Vorstandsmitgliedern. Damit erzeugte man eine systematische Ausgrenzung der Arbeitnehmervertreter335. Zudem entwickelte sich die bis heute geltende Praxis, dass die beiden Lager – zumeist im Vorfeld einer Aufsichtsratssitzung – getrennte Treffen abhielten336. Diese Vorgehensweise wurde von Unternehmensjuristen empfohlen. Selbst die Rechtsprechung unterstützte die Beschneidung des Einflusses der Arbeitnehmervertreter. Das Reichsgericht sah in ihrer Beteiligung durch das Betriebsrätegesetz kein Anhaltspunkt dafür, dass sich die Unternehmen an den Interessen der Arbeitnehmer zu orientieren hatten337. Folglich stand den Arbeitnehmervertretern kein Widerspruchsrecht gegen die Übertragung von Befugnissen des Gesamtaufsichtsrats auf einen Ausschuss zur Verfügung338. Obwohl die Beteiligung der Arbeitnehmer damit eine untergeordnete Rolle einnahm, führte ihre Institutionalisierung dazu, dass neben der Organisation der Charakter des Aufsichtsrats eine weitere Veränderung durchlebte. War dieser ursprünglich mit an der Gesellschaft beteiligten Aktionären besetzt, wurde dieser Kreis später um Gläubiger (Banken) und Geschäftspartner erweitert. Mit der Einbeziehung der Arbeitnehmerschaft wurde der Aufsichtsrat somit zum pluralistisch besetzten Interessenvertretungsorgan339.

333 Dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 275 f., der auf die Protokolle der Verhandlungen des Arbeitsausschusses des Vorläufigen Reichswirtschaftsrats verweist, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik, 1987. 334 Dazu Nörr, ZHR 150 (1986), 155, 162; Passow, Die Aktiengesellschaft: Eine wirtschaftswissenschaftliche Studie, Band II, 1922, S. 428. 335 Plumpe, Betriebliche Mitbestimmung in der Weimarer Republik, 1999, S. 258 f. 336 Plumpe, Betriebliche Mitbestimmung in der Weimarer Republik, 1999, S. 259. 337 Vgl. RG JW 1924, 1144, 1145. 338 Dazu RGZ 107, 221, 225 ff.; RG JW 1924, 1144, 1145. 339 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 277.

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C. Einflüsse der Kriegswirtschaft und die Lehre vom „Unternehmen an sich“ Allerdings hatte sich bereits vor der Weltwirtschaftskrise und den damit verbundenen Auswirkungen auf das Deutsche Reich das Bild der liberalen Aktiengesellschaft gewandelt. Wesentlich für diese Entwicklung waren die Kriegsjahre von 1914 – 1918. Die sozialdemokratischen Bestrebungen führten dazu, dass die Unternehmensmitbestimmung auch im Aktienrecht Einhalt fand. Neben den Anteilseignervertretern, den Vertretern der Gläubiger, den Vertretern der Arbeitnehmer rückte eine weitere Gruppe in den Mittelpunkt, die ebenfalls versuchte, ihren Einfluss auf die Aktiengesellschaft auszuüben und im Aufsichtsrat zur Überwachung der Gesellschaft beitragen sollte: die öffentlichen Körperschaften – kurzum der Staat. Der 1. Weltkrieg hatte dazu geführt, dass der Staat Einfluss auf kriegswichtige Industrien nahm, indem er sog. Kriegsgesellschaften gründete, die die Versorgungsprobleme der deutschen Wirtschaft beheben sollten340. Die Organisationsverfassung dieser Gesellschaften wurde ebenfalls vom Staat beeinflusst. Über § 246 Abs. 3 HGB 1837 wurden dem Aufsichtsrat durch gesellschaftsvertragliche Regelung die wesentlichen Leitungsbefugnisse übertragen – insbesondere hatte der Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand ein Weisungsrecht inne341, sodass der Vorstand zu einem „bloßen Vollzugsorgan“342 gemacht wurde. Die Wahrnehmung der Unternehmensleitung durch den Aufsichtsrat hatte dann allerdings nur Sinn, wenn der Staat im Aufsichtsrat seinen Einfluss ausüben konnte. Dies gewährleistete man dadurch, dass Staatskommissare in den Aufsichtsrat entsendet wurden343. Daneben wurde in der Unternehmenssatzung festgeschrieben, dass den Staatssekretären ein Vetorecht zustand344. Neben dieser unmittelbaren Einflussnahme auf ein – eigentlich – privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen sollte das während der Kriegszeit durch die Staatsvertreter repräsentierte Interesse auch für die Zukunft weitreichende Konsequenzen für das Aktienrecht mit sich bringen. Denn obwohl nach dem Ende des Krieges alle Staatsvertreter aus dem Aufsichtsrat der Gesellschaften ausschieden345,

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Während zu Beginn des Krieges 25 solcher Kriegsgesellschaften existierten stiegt die Zahl bis zum Jahre 1918 auf 150 an, vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 267; sowie eine Auflistung von 134 Gesellschaften bei Rohlack, Kriegsgesellschaften, S. 215 ff. 341 Vgl. dazu Heymann, Rechtsreformen, S. 140; sowie Rohlack, Kriegsgesellschaften, S. 70 für die Kriegsmetall AG. 342 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 268. 343 Ahrends, Geschichte der Interessengegensätze, S. 63; Heymann, Rechtsreformen, S. 139. 344 Heymann, Rechtsreformen, S. 139. 345 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 268.

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etablierte sich die Idee vom öffentlichen bzw. gemeinwirtschaftlichen Interesse346, das auch bei unternehmerischen Entscheidungen berücksichtigt werden sollte. Wurde während des Krieges die Einflussnahme in den Gesellschaften und die damit verbundenen Interessen mit der besonderen Kriegssituation und den darauf beruhenden Anforderungen begründet, stellte man später auf die allgemeinen Bedürfnisse der deutschen Volkswirtschaft ab347. Hoheitliche Interessen wurden seitdem mittels der Aktiengesellschaft verfolgt348. Die das Bild der Aktiengesellschaft prägende liberale Organisationsstruktur, die seit der 1. Aktienrechtsnovelle von 1870 bestand, wurde durch die Nachwirkungen der kriegswirtschaftlichen Einflussnahme zurückgedrängt349 und bildete die Grundlage der einige Jahre später aufkommenden Lehre vom „Unternehmen an sich“350. Als Grundlage dieser Lehre können die von Rathenau geführten Überlegungen über die Gemeinwirtschaft gesehen werden351. Bereits in der von Geiler 1927 erschienenen Abhandlung über „Die wirtschaftsrechtliche Methode im Gesellschaftsrecht“ wird der Begriff des Unternehmensinteresses verwendet352. Nach Geiler führte die wachsende Anzahl von Großunternehmen und die damit einhergehende Bildung von Konzernen zur Verwirklichung der Planwirtschaft innerhalb der freien Privatwirtschaft353. Es fand seiner Auffassung nach eine Konzentrierung und damit verbundene gleichzeitige Trennung von Leitung und Eigentum statt. Nicht mehr das alleinige Streben der Eigentümer nach Gewinnmaximierung, die zugleich das Unternehmen leiteten, konnte daher als maßgebliches Interesse angesehen werden354. Vielmehr führte zum einen die breite Streuung auf Seite der Anteilseigner dazu, dass weitere Interessen Berücksichtigung fanden, zum anderen führte die – für die AG immanente – Trennung von Leitung und Eigentum dazu, dass die Unternehmensleitung von Treuhändern wahrgenommen wurde und somit auch Interessen von am Produktionsprozess beteiligten Personenkreisen, wie Arbeiter und Ver346 Walther Rathenau wurde als sog. „Vater der Gemeinwirtschaft“ bezeichnet. Nach ihm galt Wirtschaft „nicht als Privatsache, sondern Gemeinschaftssache, nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Absoluten, nicht Anspruch, sondern Verantwortung“, vgl. Rathenau, Von kommenden Dingen, 1917, S. 95. 347 Dazu auch Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 268. 348 Vgl. Schmalz, Verfassung der Aktiengesellschaft, S. 60. 349 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 268 spricht von einer „Erosion des liberalistisch geprägten Konzepts“. 350 Dazu Haußmann, Vom Aktienwesen und Aktienrecht, 1928, 27; kritische aber intensive Auseinandersetzung von Netter, in: FS Albert Pinner, 1932, S. 507, 546 sowie Nußbaum, Zur neueren Entwicklung der Lehre vom Unternehmen, in: Beiträge zum Wirtschaftsrecht, FS Ernst Heymann, Bd. 2, 1931, S. 492, 501. 351 Explizit ist die Lehre vom „Unternehmen an sich“ – obwohl Rathenaus Überlegungen gewisse Grundlagen bildeten – nicht mit Rathenau in Verbindung zu setzen, vgl. Spindler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 13 Rn. 75 sowie 77. 352 Vgl. Geiler, Gruchots Beiträge 68 (1927), 593, 612. 353 Geiler, Gruchots Beiträge 68 (1927), 593, 611. 354 Geiler, Gruchots Beiträge 68 (1927), 593, 612.

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

braucher, berücksichtigt wurden355. Als Begründer der Lehre vom „Unternehmen an sich“ kann vielmehr Fritz Haußmann bezeichnet werden356. Er machte sich die Vorarbeit von Rathenau zur Gemeinwirtschaft zunutze357. Die Ausgangslage für die erstmalige Begriffsverwendung bildete seine Erkenntnis, dass in dem der Generalversammlung innewohnenden Mehrheitsprinzip zugleich ein Schutz des Unternehmens gegenüber der Mehrheit der Generalversammlung zu sehen war358. Die bis dahin überwiegend vertretene Auffassung, wonach das Interesse der Aktionärsmehrheit das Interesse der Gesellschaft darstelle, konnte damit so nicht mehr völlig überzeugen359. Die verschiedenen Interessen der Gesellschafter, Gläubiger oder Arbeitnehmer, die in einem Gesamtinteresse verbunden seien, stellen einen Rahmen dar, der als „Unternehmen an sich“ bezeichnet werden könne360. Dieses Gesamtinteresse habe im Kollisionsfall immer Vorrang vor gesellschaftsfremden Interessen361, welche selbst nicht unzulässig seien. Im Gegensatz zu Rathenau stellte Haußmann das privatwirtschaftliche Gebilde der Aktiengesellschaft und ihr kapitalistisches Prinzip nicht in Frage. Vielmehr verwies er darauf, dass grundsätzlich die Erwirtschaftung von Gewinnen weiterhin im Vordergrund stehe362. Einige Gesellschaften erreichten durch Zusammenschlüsse und Verflechtungen eine derartige Größe, dass ihnen nicht nur eine Monopolstellung zukam, sondern sie auch aus staatlicher Sicht als besonders wichtig eingestuft wurden363. Es ist daher nicht überraschend, dass die Lehre vom „Unternehmen an sich“ vor allem zur Zeit der Weimarer Republik dann ins Feld geführt wurde, wenn die öffentliche – und damit gemeinwirtschaftliche – Bedeutung von Aktiengesellschaften hervorgehoben werden sollte. Darüber hinaus diente die Bündelung mehrerer Interessen zu einem „Gesamtinteresse“ dazu, Streitigkeiten zwischen Aktionärsminderheit und Aktionärsmehrheit beizulegen364. Mit Recht kann man davon ausgehen, dass sie in ihrer 355

Geiler, Gruchots Beiträge 68 (1927), 593, 612. Vgl. Haußmann, Bankarchiv 30 (1930/31), 57, 58; darauf hinweisend Spindler, in: Der Aufsichtrat im Wandel Bd. 1, 2007, Kap.13 Rn. 77 m.w.N. 357 Siehe Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 38 f. 358 Haußmann, Vom Aktienwesen und Aktienrecht, 1928, S. 27. 359 Dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 278. 360 Haußmann, Bankarchiv 30 (1930/31), 57, 63 f.; Haußmann, Vom Aktienwesen und Aktienrecht, 1928, S. 52. 361 Haußmann, Bankarchiv 30 (1930/31), 57, 58, 63 f. 362 Haußmann, Bankarchiv 30 (1930/31), 57, 58, 60 f.; Haußmann, Vom Aktienwesen und Aktienrecht, 1928, S. 54. 363 Insbesondere traten nationale Aspekte in den Vordergrund, die Gesellschaften vor ausländischem Einfluss zu schützen, vgl. Spindler, in: Der Aufsichtrat im Wandel Bd. 1, 2007, Kap.13 Rn. 17 ff.; ebenso ist in der zunehmenden Verflechtung verschiedener Aktiengesellschaften die Grundlage des uns heute bekannten Konzernrechts zu sehen, vgl. auch Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 266; sowie ausführlich zur Herausbildung des Konzernrechts Spindler, in: Der Aufsichtrat im Wandel Bd. 1, 2007, Kap.13 Rn. 211 ff. 364 Dies erkannte auch das Reichsgericht RGZ 107, 72, 75; RGZ 107, 202, 204; RGZ 113, 188, 193. 356

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Grundgestalt – dem Berücksichtigen öffentlicher Belange – die Basis für die spätere sog. Gemeinwohlklausel365, wie sie etwa durch die Aktienrechtsnovelle von 1937 Eingang ins Aktiengesetz fand366, bildete. Zuvor fand man bereits im Entwurf von 1930 als auch in dem von 1931 Ideen zur Lehre vom „Unternehmen an sich“367. Jedoch kann nicht nachgewiesen werden, dass sowohl Gesetzgebung als auch Rechtsprechung von der Lehre beeinflusst wurden. Einzelne Regelungen lassen allerdings vermuten, dass man sich zumindest mit der von der Lehre verfolgten Intention auseinandersetzte368.

D. Die Notverordnung vom 19. September 1931 I. Ausgangssituation und Vorgeschichte Die Notverordnung von 1931 brachte seit der Revision des Aktienrechts von 1897 wesentliche Veränderungen mit sich. Obwohl bereits im Vorfeld der „Entwurf eines Gesetzes über die AG und KGaA“ im Jahre 1930369 und nochmals im Jahre 1931370 der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, sah sich die Reichsregierung gezwungen, wesentliche Aspekte in Form einer „Notverordnung“ zu regeln371. Hintergrund war die Zuspitzung der Wirtschaftskrise im Deutschen Reich372 in der Mitte des Jahres 1931. Neben den gesamtwirtschaftlichen Schwierigkeiten wie Staatsverschuldung, Arbeitslosigkeit, Konjunkturschwäche und Kapitalflucht werden überwiegend die Zahlungsschwierigkeiten der Darmstädter- und Nationalbank (Danatbank) – der 365 Siehe insbesondere dazu Danielcik, AktG, § 70 Anm. 7; Herrmann/Nitsch, Die Wirtschaft im nationalsozialistischen Weltbild, 2. Aufl., 1934, S. 30. 366 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 278 verwendet den Begriff bereits im Zusammenhang mit der Lehre vom „Unternehmen an sich“. 367 Siehe Erläuternde Bemerkungen zum Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien sowie Entwurf eines Einführungsgesetzes mit erläuternden Bemerkungen, 1931, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik, 1987, S. 936; dazu Laux, Lehre vom Unternehmen, S. 238; Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 278. 368 Siehe dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 279. 369 Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien sowie Entwurf eines Einführungsgesetzes nebst erläuternden Bemerkungen, 1930, abgedruckt bei Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926 – 1931), 1999, S. 847 ff.; dazu auch Quassowski, JW 1930, 2618; Schmölder, JW 1930, 2623; Ullmann, JW 1930, 2633. 370 Amtlicher Entwurf eines Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien sowie Entwurf eines Einführungsgesetzes mit erläuternden Bemerkungen, 1931, abgedruckt bei Schubert/Hommelhoff, Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik, 1987, S. 849 ff. 371 Zu den Entwürfen und den einzelnen vorgeschlagenen Änderungen siehe ausführlich Spindler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 13, Rn. 84 ff. 372 Zum Hintergrund der Weltwirtschaftskrise von 1929 und dem sog. „black Thursday“ siehe Maltschew, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 14 Rn. 6 ff.

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zweitgrößten Bank des Deutschen Reichs373 – als zentrales Ereignis für die Handlung durch die Reichsregierung angeführt374. Die Danatbank musste am 13. Juli 1931 Konkurs anmelden375. Die damit ausgelöste Panik in der Bevölkerung (Sturm auf die Bankschalter verschiedener Kreditinstitute) wurde von der Reichsregierung mit einer Fülle an Notverordnungen begegnet376.

II. Die Machtverhältnisse innerhalb der Aktiengesellschaft in der Weimarer Republik Die beschriebenen Einflüsse aus Kriegs- und Nachkriegszeit sowie wirtschaftlichem Auf und Ab blieben nicht ohne Konsequenzen auf die „gelebte“ Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft. Der Einfluss des Staates während der Kriegszeit, die zunehmende Streuung der Anteilseignerschaft infolge der wirtschaftlichen Erholung zu Beginn der 1920er Jahre als auch die Konzernierung verschiedener Aktiengesellschaften führten dazu, dass der Einfluss der Großaktionäre schwand377. Mithin verminderte sich die Anzahl der Gesellschaften, in denen der Aufsichtsrat (als verkürzte Generalversammlung) das „Machtorgan“ der Gesellschaft darstellte378. Diese Stellung wuchs dem Vorstand zu. Da Macht – in Form der Leitung – und Kapital somit kein kongruentes Paar mehr bildeten, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Vorstand und Generalversammlung379. Bestand die Kritik an der bisherigen Machtstruktur vor allem darin, die Kompetenzen des Vorstands einzugrenzen, da man befürchtete, dieser könnte missbräuchliche Entscheidungen treffen und somit das Vermögen der Gesellschaft (und zum damaligen Zeitpunkt auch der Aktionäre) mindern, wandelten sich diese Bedenken. Da die Generalversammlung nunmehr überwiegend aus Kleinaktionären bestand und Großaktionäre kaum noch Einfluss auf die Gesellschaft durch ihr Wirken im Aufsichtsrat ausübten, sprach die Mehrzahl im Schrifttum der Generalversammlung die

373

Vgl. Oehlrich/Baltes/Geldermann/Helmer/Hempel/Sautter, ZRP 2011, 40, 41. Siehe Maltschew, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 14 Rn. 10; Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, CRR-VO, 2016, Einf. Rn. 4; Oehlrich/Baltes/Geldermann/Helmer/Hempel/Sautter, ZRP 2011, 40 ff. 375 Siehe Maltschew, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 14 Rn. 10. 376 Vgl. dazu Maltschew, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 14 Rn. 11. 377 Dazu umfassend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 266 ff.; ebenfalls wuchs durch § 70 Betriebsrätegesetz der Einfluss der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. Auch darin sah man eine Rückdrängung des Einflusses der Anteilseigner, vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 277. 378 Siehe Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 277. 379 Dieser Konflikt stellte ein wesentliches Streitthema innerhalb des Schrifttums dar, vgl. Ludewig, Hauptprobleme der Reform des Aktienrechts, 1929, S. 4 ff.; Pauly, Anonymitätsgefahren, S. 3 f.; Schreiber, ZBH 1926, 267 ff. 374

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Kompetenz ab, Unternehmensentscheidungen richtig beurteilen zu können380. Eher sah man in den Beschlüssen der Generalversammlung die Gefahr, die Entscheidungsfähigkeit des Vorstands zu lähmen381. Die Ideen, die um die Lehre vom „Unternehmen an sich“ entstanden, fanden dadurch in den Reihen, die den Einfluss der Generalversammlung zurückdrängen wollten, Anklang. Im Vordergrund stand vielmehr der Aspekt, die Wirtschaft des Deutschen Reichs – die trotz der grundsätzlichen Besserung immer noch unter den Lasten der Kriegsniederlage litt – wieder aufzubauen382. Der gemeinnützliche Zweck stand damit an oberster Stelle. Dass dadurch die Kleinaktionäre zu bloßen Kapitalgebern herabgestuft wurden, wurde zwar gesehen, aber gegen Abwägung des höher angesehenen öffentlichen Interesses akzeptiert383. Auch wenn die überwiegende Mehrheit in der Literatur der Lehre vom „Unternehmen an sich“ kritisch gegenüberstand384, wurden einzelne Aspekte aufgegriffen. Bestrebungen zur Stärkung der Befugnisse des Vorstands blieben nicht ohne Auswirkungen auf die Stellung des Aufsichtsrats. Die bereits erwähnten Unternehmenskrisen am Ende der 1920er Jahre und zu Beginn der 1930er Jahre waren zu einem großen Teil durch unternehmerische Fehlentscheidungen und Missbrauch des Vorstands hervorgerufen worden385. Die beim Vorstand angesiedelte Macht führte dazu, dass der Aufsichtsrat nur noch unzureichend bzw. gar nicht mit notwendigen Unternehmensdaten versorgt wurde386. Der Aufsichtsrat war deshalb nicht mehr in der Lage, die ihm zugewiesene Überwachungsfunktion wahrzunehmen und rückte somit in den Mittelpunkt der Reformliteratur. Die Ideen einer möglichen Reformierung des Aufsichtsrats waren mannigfaltig387. Der Auffassung, dem Aktienrecht hinsichtlich der Vorschriften über den Aufsichtsrat „freien Lauf“ zu lassen, wurden die rechtstatsächlichen Geschehnisse über den Zusammenbruch der Favag und der damit verbundenen Versäumnisse des Aufsichtsrats zum Verhängnis388. Die Vorschriften der NotVO zielten daher vordergründig darauf ab, eine verantwortungs-

380 Dazu Pauly, Die Bekämpfung der Anonymitätsgefahren nach dem Aktiengesetz von 1937, 1938, S. 15; sowie Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 279. 381 Vgl. Ludewig, Hauptprobleme der Reform des Aktienrechts, 1929, S. 5; Schreiber, ZBH 1926, 267 ff. 382 Ludewig, Hauptprobleme der Reform des Aktienrechts, 1929, S. 12. 383 Ludewig, Hauptprobleme der Reform des Aktienrechts, 1929, S. 12; Planitz, Die Stimmrechtsaktie, S. 9. 384 Vgl. DJT-Kommission, Generalbericht des 34. DJT, 1928, S. 6. 385 Ausführlich beschreibt dies Lieder am Beispiel der Favag: Der Aufsichtsrat war dem Vorstand in jeder Situation unterlegen und unzureichend informiert, Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 282. 386 Vgl. dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 280. 387 Ausführlich dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 281 ff. 388 Kritisch Gottschalk, Die Lehren aus den Aktienskandalen der Nachkriegszeit, 1934, S. 27.

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volle Wahrnehmung der Überwachungsfunktion durch den Aufsichtsrat sicherzustellen389.

III. Gegenstände der Notverordnung vom 18. September 1931 1. Allgemeine Änderungen Die Notverordnung beruhte auf den Entwürfen von 1930 und 1931. Aus verfassungsrechtlichen und politischen Gründen sah man sich allerdings nicht in der Lage, rechtzeitig den Entwurf durch das Parlament verabschieden zu lassen, sodass man die wesentlichen Bestimmungen in Form einer Notverordnung verabschiedete390. Der Gesetzgeber reagierte auf die öffentlich gewordenen Fehlentscheidungen einiger Vorstände, die jeglicher wirtschaftlicher Grundlage entbehrten oder vorsätzlich und missbräuchlich der Gesellschaft schadeten und trotzdem vom Aufsichtsrat übersehen oder sogar gebilligt wurden391, indem dem Aufsichtsrat ein von der Generalversammlung gewählter Pflichtprüfer (Buchprüfer) zur Seite gestellt wurde, der die Position der Aktionäre und Gläubiger stärken sollte. Damit rückte die Stellung des Aufsichtsrats als Überwachungsorgan in den Vordergrund. Man erhoffte sich, dass dieser „Gehilfe des Aufsichtsrats“392, bilanzielle Ungereimtheiten besser feststellen und damit Missstände aufgedeckt und ihnen entgegengetreten werden konnte. Daher wurden auch erhöhte Anforderungen an die Person des Bilanzprüfers gestellt393. 2. Stärkung der Rechtsstellung des Gesamtorgans und der Rechtsstellung der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder Zudem wurden die Rechte des Aufsichtsrats gestärkt. Dem bereits in § 246 HGB 1931 bestehendem Recht des Aufsichtsrats, Berichte vom Vorstand zu verlangen, wurde nun die dazu korrespondierende Pflicht des Vorstands in § 239a HGB 1931 geschaffen, dem Aufsichtsrat regelmäßig zu berichten394. Ferner durften Kredite an 389

So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 284. Zum Hintergrund und den verfassungsrechtlichen Bedenken Maltschew, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 1, 2007, Kap. 14 Rn. 27 ff.; Lutter, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 2, 2007, Kap. 8 Rn. 30 spricht davon, dass die Umsetzung des zweiten Entwurfs aus staatsrechtlichen Gründen abgelehnt wurde. 391 Siehe insbesondere zu den Hintergründen Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 322 f. m.w.N. 392 So Lutter, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 2, 2007, Kap. 8 Rn. 34. 393 Vgl. dazu Maltschew, Der Rückerwerb eigener Aktien in der Weltwirtschaftskrise 1929 – 1931, 2003, S. 126. 394 Dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 311 ff. 390

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Vorstandsmitglieder und ihnen nahe stehenden Personen nach § 240a HGB 1931 nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Aufsichtsrats vergeben werden395. Wurde gegen die Vorschriften verstoßen, enthielt § 240a Abs. 4 sowie Abs. 5 HGB 1931 zugleich eine Schadensersatzpflicht gegen die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats. Neben der Stärkung der Organrechte, wurden die Rechte des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds aufgewertet. Dieses konnte nun selbst vom Vorstand das Erstatten von Berichten an den Gesamtaufsichtsrat verlangen, § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB 1931396. Daneben war es ebenfalls dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied gestattet, die Einberufung des Gesamtaufsichtsrats zu fordern. Wurde diese Forderung vom Aufsichtsratsvorsitzenden zurückgewiesen, bedurfte es der weiteren Unterzeichnung eines anderen Aufsichtsratsmitglieds zur Einberufung, § 244a HGB.

E. Zur Zulässigkeit von Organklagen Dass der Verordnungsgeber den Vorstand nach § 239a HGB 1931 verpflichtete, an den Aufsichtsrat zu berichten, änderte nichts an der vorherrschenden und bereits früher erwähnten allgemeinen Auffassung, dass die Klagbarkeit von Informationsbefugnissen deshalb ausscheide, weil es sich um das Verhältnis zweier Organe der selben Gesellschaft handelte397. Ähnlich verneinte die Rechtsprechung die Zulässigkeit von Organklagen, da zwar der Aufsichtsrat ein Organ der juristischen Person sei, aber selbst keine juristische Persönlichkeit hatte398. Es hatte in dieser Debatte keine weiteren Fortschritte gegeben. Neben den dogmatischen Bedenken, sind vor allem praktische Aspekte zu nennen, da grundsätzlich immer noch die Möglichkeit bestand, per Satzung dem Aufsichtsrat umfassende Weisungsbefugnisse einzuräumen, und somit man kein Bedürfnis für eine Klageoption sah. Einen wesentlichen Fortschritt stellte allerdings die Herausbildung eines „Unternehmensinteresses“ dar, die zur Berücksichtigung mehrerer Interessen als sog. Gesamtinteresse innerhalb der Entscheidungsfindung der Aktiengesellschaft führte.

F. Zusammenfassung und Erkenntnisse Das Recht der Aktiengesellschaft durchlebte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts schwere Belastungsproben. Nachdem das HGB von 1897 verabschiedet und die Nomenklatur der Aktiengesellschaft neu strukturiert wurde, begann eine bis dahin 395

Damit wurde die Grundlage des uns heute bekannten § 89 AktG gelegt. Vgl. Lutter, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 2, 2007, Kap. 8 Rn. 32. 397 Vgl. Protokolle der Beratungen im Reichsjustizministerium (1930/1931), in: Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926 – 1932), Band 2, 1999, S. 975, 1003. 398 RGZ 55, 75, 76; RGZ 75, 308, 309. 396

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kaum für möglich gehaltene Analyse des status quo durch das Schrifttum, die den Gesetzgeber erheblich überforderte. Die dort vorgebrachten Reformvorschläge wurden allesamt nicht aufgegriffen, da die restriktive Mehrheit im Schrifttum, eine Reformierung des Aktienrechts nicht für notwendig erachtete. So sah sich auch der Gesetzgeber nicht verpflichtet, einzuschreiten. Ferner ist auch davon auszugehen, dass trotz der unüberblickbaren Fülle an Stellungnahmen der Gesetzgeber zunächst abwarten wollte, wie die Praxis – die sich zuvörderst im Wege von Satzungsbestimmungen half – mit der bisherigen Gesetzeslage zurechtkam. Bezeichnend ist, dass eine Vielzahl von Reformvorschlägen in den Entwürfen von 1930 sowie 1931 wiederzufinden waren und letztendlich in der Notverordnung von 1931 aufgegriffen wurden. Eine besondere Entwicklung nahm die Machtstruktur innerhalb der Aktiengesellschaft während dieses Zeitraums. Obwohl die Kompetenzverfassung selbst keine Änderung erfuhr, wandelte sich die Rolle des Machtorgans und der einflussnehmenden Personenkreise innerhalb weniger Jahre. Als bedeutender Einschnitt ist hierbei der Einfluss des Wirtschaftsgebarens auf die Aktiengesellschaften während des Ersten Weltkriegs zu sehen. Vor Beginn des Krieges stellte der Aufsichtsrat das Machtorgan dar, das sich zumeist aus Großaktionären bzw. deren Vertrauten zusammensetzte und per Satzungsbestimmung mit umfangreichen Weisungs- und Verwaltungsbefugnissen ausgestattet wurde. Daneben fungierten erfahrende Banker und ebenfalls Vertreter anderer Industrieunternehmen als Aufsichtsratsmitglieder. Der Aufsichtsrat wurde daher überwiegend als Ort zur Pflege von Geschäftsbeziehungen genutzt und weniger zur Kontrolle des Vorstands. Zwar oblag wiederum Letzterem das Tagesgeschäft; insgesamt handelte er allerdings nur als ausführendes Organ und hatte dementsprechend geringen Einfluss bei wesentlichen Entscheidungen. Mit Beginn des Krieges begann der Einfluss des Staates in Kriegsgesellschaften und kriegswichtigen Gesellschaften in erheblichem Maße zuzunehmen, sodass – wieder im Wege von Satzungsbestimmungen – den im Aufsichtsrat vertretenen Staatsdienern umfassende Befugnisse eingeräumt wurden. Rathenau begründete diese Einflussnahme mit den Bedürfnissen der Gemeinwirtschaft, die aufgrund des Krieges zu berücksichtigen seien. Nicht allein gewinnorientierte Bestrebungen wurden als Maßstab für Entscheidungen innerhalb der (grundsätzlich) privatwirtschaftlich agierenden Aktiengesellschaft herangezogen, sondern zum ersten Mal Aspekte des Gemeinwohls und damit eine Form des Staatsinteresses. Damit wurde zugleich die Interessenpluralität im Aufsichtsrat um die gemeinwohlorientierten Belange erweitert. Obwohl nach dem Ende des Krieges alle Staatsbediensteten aus den Aufsichtsräten ausschieden, blieb der Grundgedanke eines gemeinwohlorientierten Ansatzes erhalten und wurde durch Stimmen in der Literatur dahingehend fortentwickelt, dass sich die Lehre vom „Unternehmen an sich“ herausbildete. Mit Ende des Krieges, dem Untergang des Kaiserreiches und der Gründung der Weimarer Republik kamen vor allem sozialdemokratische Bestrebungen auf. Mit

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dem Betriebsrätegesetz von 1920 wurde die Basis für die Arbeitnehmermitbestimmung gelegt. Dem Betriebsrat stand damit das Recht zu, zwei von ihm gewählte Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. Damit begann das Machtmonopol, das den Anteilseignervertretern im Aufsichtsrat zukam, zu schwinden. Die Bestrebungen, die Arbeitnehmervertreter in ihrer Kompetenz zu beschränken, blieben erfolglos. § 70 BetriebsräteG und vor allem § 3 BetriebsräteentsendeG ordneten an, dass den Arbeitnehmervertretern die gleiche Rechtsstellung zukam, wie sie die Vertreter der Anteilseignerseite genossen. Zur gleichen Zeit vollzog sich eine Veränderung der Aktionärsstruktur. Während Großaktionäre schwanden, wuchs die Zahl der Kleinaktionäre. Diese Entwicklung veränderte ebenfalls die Machtstruktur innerhalb der Aktiengesellschaft. Die Generalversammlung wählte von dem Vorstand vorgeschlagene – und ihm genehme – Personen in den Aufsichtsrat. Damit wandelte sich der Vorstand zum neuen Machtorgan in der Aktiengesellschaft. Er musste dabei nicht befürchten, dass der Aufsichtsrat ihm infolge einer ambitionierten Wahrnehmung der Überwachung in die Quere kommen würde. Diese Entwicklungen führten dazu, dass innerhalb der Aktiengesellschaft die Trennung von Macht und Kapital erfolgte. Die bisher überwiegende und nicht angezweifelte Auffassung, dass das Interesse der Gesellschaft mit dem Interesse der Gesellschafter deckungsgleich sei, konnte so nicht mehr Bestand haben. Insbesondere die von Haußmann gebildete Erkenntnis, dass in dem Mehrheitsprinzip der Generalversammlung ein Schutz der Gesellschaft selbst vor der Mehrheit der Generalversammlung zu sehen sei, führte dazu, dass man zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterinteressen zum ersten Mal differenzierte. Damit wurde die Lehre vom „Unternehmen an sich“ begründet. Und obwohl nicht nachgewiesen werden kann, dass der Gesetzgeber sich dieser Lehre annahm, enthielten die Entwürfe von 1930 sowie 1931 wesentliche Ideen, die auf die Lehre zurückzuführen sind. So enthielten beide Entwürfe eine Generalklausel, die eine wirksame Ausübung des Stimmrechts der Aktionäre daran knüpfte, ob Gesellschaftsinteressen verletzt würden, indem gesellschaftsfremde Interessen für sich oder einen Dritten verfolgt wurden. Zur Umsetzung der Entwürfe kam es allerdings nicht mehr, da verschiedene Unternehmen und Banken in Schieflage gerieten und die Politik schnellstmöglich handeln musste. So sollte die NotVO von 1931 die in den Unternehmenskrisen sichtbar gewordenen Defizite beheben. Neben der Eindämmung der Möglichkeit eines Aktienrückkaufs wurde die Prüfung durch einen Bilanzprüfer verpflichtend. Vor allem sollte die Überwachung durch den Aufsichtsrat verbessert und professionalisiert werden, indem nicht nur die Rechte des Gesamtaufsichtsrats, sondern ebenfalls die Stellung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds aufgewertet wurde. Dazu gehörte nicht nur die Möglichkeit zur Einberufung einer Aufsichtsratssitzung durch zwei Aufsichtsratsmitglieder, sondern es stand dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied das Recht zu, Berichte vom Vorstand an den Gesamtaufsichtsrat zu verlangen.

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Obwohl durch die NotVO eine Berichtspflicht des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat statuiert wurde und überdies dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied weitere Befugnisse zukamen, die in materiellrechtlicher Hinsicht Gegenstände von Organstreitigkeiten waren, verneinte man die Möglichkeit, diese Rechte im Klagewege durchzusetzen, da man zum einen dogmatische Bedenken hatte und in der Praxis keine Bedarf ausmachte.

§ 13 Die Kompetenzordnung nach der Aktienrechtsnovelle von 1937 A. Ausgangssituation und Bestandsaufnahme: Die Machtverteilung der Organe bis zur Aktienrechtsnovelle 1937 Die bereits in den 1920er Jahren begonnene Reform des Aktienrechts fand mit dem Aktiengesetz von 1937 ihr Ende. Das liberale Aktienrecht, das es den einzelnen Gesellschaften ermöglichte, wesentliche Kompetenzen einzelner Organe per Satzung anderen Organen zuzuweisen, führte in den Krisenjahren zu erheblichen Schwierigkeiten für die gelebte Aktienrechtswirklichkeit. Bemängelte man zu Beginn des 20. Jahrhunderts, dass Großaktionäre und Gründer, die zugleich Mitglieder des Aufsichtsrats waren, per Satzungsdekret den Aufsichtsrat zum eigentlichen Verwaltungsorgan der Gesellschaft erhoben und den Vorstand zum bloßen Ausführungsorgan degradierten und dadurch die Überwachung durch den Aufsichtsrat nur unzureichend wahrgenommen wurde399, sorgte die Veränderung der Aktionärsstruktur dazu, dass die Anzahl der Kleinaktionäre zunahm und die Machtposition des Aufsichtsrats schwand400. Der Vorstand nutzte sein Recht, ihm genehme Personen für die Posten des Aufsichtsrats der Generalversammlung vorzuschlagen, die das Handeln des Vorstands nicht hinterfragten. Diese gewandelte Aktienrechtswirklichkeit änderte aber nichts daran, dass die Überwachung durch den Aufsichtsrat weiterhin nur unzureichend war. Die NotVO von 1931 versuchte durch Einräumung verschiedener Individualrechte für einzelne Aufsichtsratsmitglieder, den Überwachungsdefiziten durch den Gesamtaufsichtsrat zu begegnen. Obwohl damit das Bewusstsein der Aufsichtsratsmitglieder zur korrekten Wahrnehmung ihrer Überwachungstätigkeit hervorgerufen bzw. wiederbelebt wurde, stellten die Regelungen nur einen Tropfen auf einem heißen Stein dar. Denn die Ursachen der Wirtschaftskrise hatten gezeigt, dass die Kompetenzordnung unter grundlegenden Defiziten litt. So waren vor allem das missbräuchliche Agieren der Vorstände als auch die bloße Inkompetenz der Geschäftsleiter, die neben Börsenspekulationen und der allgemein angespannten wirtschaftlichen Lage, zum Zusammenbruch vieler Ge399

Siehe dazu bereits § 11 C. sowie § 11 D.II.4. Rathenau, Vom Aktienwesen: Eine geschäftliche Betrachtung, 1917, S. 13; Lehmann, Das Recht der Aktiengesellschaften, Band II, 1904, S. 354. 400

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sellschaften führten. Es zeigte sich, dass die Gesamtkonstruktion der Aktiengesellschaft Defizite enthielt, die es galt, zu beseitigen. Allerdings führte der Erlass der erwähnten NotVO dazu, dass die „Reformbewegung ihren Schwung verlor“401. Da die NotVO am Grundgerüst der Unternehmensverfassung der Aktiengesellschaft des HGB 1897 festhielt, konnten Befugnisse, die nicht per Gesetz den obligatorischen Organen zugewiesen waren, weiterhin fakultativ errichteten Organen übertragen werden402, sodass es zur Wiedergeburt von Verwaltungsräten und anderen Nebenorganen kam403. Diese hatten nicht nur die Personalkompetenz zur Bestellung der Vorstandsmitglieder inne, sondern waren befugt, Zustimmungsvorbehalte aufzustellen oder direkt Weisungen zu erteilen. Somit mutierten diese Gremien zu den eigentlichen Machtorganen404. Dass diese Folge aus rechtspolitischen Gründen weder von der Literatur noch vom Gesetzgeber gewollt war, liegt unter Berücksichtigung der bisherigen Untersuchung auf der Hand und bestärkte die Befürworter der Novellierung in ihrem Vorhaben, die Unternehmensverfassung zum wesentlichen Gegenstand der nächsten Aktienrechtsreform zu erheben405.

B. Die grundlegenden Veränderungen durch die Novelle I. Die novellierte Unternehmensverfassung des Aktiengesetzes von 1937 Daher kann die Neugestaltung der Unternehmensverfassung mit Recht als das Kernstück des Aktiengesetzes von 1937 bezeichnet werden406. Die Kompetenzen von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung (zuvor: Generalversammlung) wurden neu strukturiert und führten so zu einer besseren Abgrenzung untereinander407. Das Aktiengesetz von 1937 bildete die Grundlage des uns heute bekannten Aktienrechts. Insbesondere ist das Prinzip der Satzungsstrenge408, das die Organkompetenzen per Gesetz unveränderlich festschreibt und selbst durch Satzungsdekret nicht abgeändert werden kann, auf das Aktiengesetz von 1937 zurückzuführen409. 401

So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 331. Klausing, Reform, S. 259 f. 403 Vgl. Schlegerberger/Quassowski, AktG, § 95 Anm. 41. 404 So Klausing, AktG, S. 66. 405 Während zu Beginn der Reformdebatte vor allem die Beseitigung der Strukturprobleme im Vordergrund stand und eine Reaktion auf die – durch Missbrauch hervorgerufene – Unternehmenszusammenbrüche war, sah sich das nationalsozialistische Regime dazu verpflichtet, seine Ideologien auch im Wirtschaftsrecht umzusetzen, vgl. v. Miller, ZHR 100 (1934), 256 f. 406 So bspw. Bayer/Engelke, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 1, 2007, Kap. 15 Rn. 62. 407 Bayer/Engelke, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 1, 2007, Kap. 15 Rn. 62. 408 Vgl. Allgemeine Begründung, AktG 1937, S. 182. 409 Möhring/Schwartz, Satzungsgestaltung, S. 69. 402

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

Es setzte sich die Sichtweise durch, dass Aktiengesellschaften – neben den privatwirtschaftlichen Belangen der Anteilseigner – öffentliche Interessen berühren. Daher seien diese Interessen der Allgemeinheit bei der Entscheidungsfindung innerhalb der Aktiengesellschaft vordergründig mit zu berücksichtigen410. Dass der Staat versuchte, Einfluss auf die Geschicke von privatwirtschaftlichen Unternehmen auszuüben, bildete sich während des Ersten Weltkriegs heraus, in dem in Kriegsgesellschaften Vertreter der öffentlichen Hand Mitglieder des Aufsichtsrats waren und letzterem umfassende Kompetenzen zustanden. Dogmatisch lässt sich die Berücksichtigung der Interessen der Allgemeinheit auf die Lehre vom „Unternehmen an sich“ zurückführen411. Damit begegnete man zum einen den (befürchteten) Übergriffen der Aktionäre gegenüber der Gesellschaft, die durch bloßes Profitstreben dem Wohle der Gesellschaft schaden würden. Zum anderen sollte eine vom Staat beeinflusste Wirtschaftspolitik der Wirtschaftskrise im Deutschen Reich entgegentreten. Dass diese Überlegungen bereits in der Reformdiskussion vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten eine Rolle spielten, zeigt, dass die Berücksichtigung von Gemeinwohlbelangen kein besonderes Spezifikum der nationalsozialistischen Ideologie darstellte, wenn auch in der wirtschaftlichen Betrachtung erhebliche Übereinstimmungen zu finden waren412. Die Berücksichtigung von Gemeinwohlbelangen stellt daher einen wesentlichen Bestandteil des damaligen neuen Aktienrechts dar. Die besondere Stellung des Staates wird nicht nur in § 70 AktG 1937 deutlich, nach dem der Vorstand bei der Unternehmensleitung „den gemeinen Nutzen von Volk und Reich“ zu berücksichtigen hatte. Ebenfalls wurde dem Staat die Befugnis eingeräumt, die Gesellschaft aufzulösen, sofern durch grob gesetzeswidriges Handeln der Organe das Gemeinwohl gefährdet war413. Dass die Verknüpfung zwischen privatrechtlicher Organisation und staatsrechtrechtlichen Interessen mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten weiter vertieft und ideologisiert wurde, wird deutlich, wenn man den Weg betrachtet, den die Reform des Aktienrechts nahm414.

II. Einflüsse des Nationalsozialismus So beeinflussten die Ideale des Nationalsozialismus die Entstehung der Bestimmungen der Unternehmensverfassung des Aktiengesetzes in erheblichem Maße. 410 Dazu Klausing, AktG, S. 59; Herrmann/Nitsch, Die Wirtschaft im nationalsozialistischen Weltbild, 2. Aufl., 1934, S. 30; siehe zudem zu den Hintergründen Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 335 ff. 411 Zum „Unternehmen an sich“ siehe bereits § 12 C. 412 So bereits Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 336. 413 Er trat als „Wahrer des öffentlichen Interesses auf“, so Bayer/Engelke, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 1, 2007, Kap. 15 Rn. 61. 414 Zur Übergangsphase zwischen NotVO 1931 und dem revidierten Entwurf eines Aktiengesetzes von 1932 siehe Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 331 f.

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Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler wurde die zuvor erarbeiteten, nicht von der NotVO umgesetzten Regelungen verworfen415. Die Ausarbeitung des neuen Entwurfes oblag dem aktienrechtlichen Ausschuss der Akademie für Deutsches Recht416; darüber hinaus wirkten noch Schlegelberger und Quassowski als Vertreter des Reichsjustizministeriums mit417. Das Reichsjustizministerium selbst sah keine eigene Kommission vor. Der Einfluss des nationalsozialistischen Gedankengutes war besonders stark in den ersten Jahren des Reformprozesses ausgeprägt. Sowohl Ausschuss als auch Schrifttum griffen in ihren Stellungnahmen und Begründungen auf nationalsozialistische Ideen zurück418. In dem ersten Bericht der Akademie für Deutsches Recht wird dies vor allem anhand der Verankerung des Führerprinzips deutlich419. Dieses stellte den wesentlichen Aspekt der Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft dar. Die Aktiengesellschaft sollte von einem starken – unternehmerischen – Führer geleitet werden, der an der Spitze des Unternehmens steht420. Der Vorstand nahm dabei die Rolle dieses Führers ein. Durch die beabsichtigte Übertragung dieses politischen Grundsatzes auf die Aktiengesellschaft wurde der Widerspruch zum bis dahin vorherrschenden „demokratischen Masse- und Mehrheitsprinzip“ deutlich421. Der Geist der liberal organisierten Aktiengesellschaft sollte verbannt werden. Mit der Einführung des Führerprinzips wurden die Organkompetenzen von Aufsichtsrat422 und Generalversammlung423 beschnitten. Der zweite Bericht der Kommission aus dem April 1935 beinhaltete nur geringe Änderungen, die sich auf das Kompetenzgefüge der Aktiengesellschaft bezogen. Hier standen vor allem Konkretisierungen der Kompetenzen der Generalversammlung im Mittel-

415

Umfassend dazu Schubert, ZRG GA 103 (1986), 140, 142, Nörr, ZHR 150 (1986), 155 ff.; dazu auch die radikalen Reformer W. Bachmann, Die deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 591; Hunke, Die deutsche Volkswirtschaft 1934, S. 492. 416 Ausführlich dazu Bayer/Engelke, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 15 Rn. 4; Lieder, in: Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 333 f. 417 Eine Kurzbiografie von Schlegelberger und Quassowski findet sich bei Schubert, Akademie für Deutsches Recht 1933 – 1945, 1986, Anhang S. I.X. 418 So bspw. zum „Führerprinzip“ aus dem Ersten Bericht der Akademie für Deutsches Recht bei Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 26; aus dem regimenahen Schrifttum Heiser, Der praktische Betriebswirt 1934, 499 ff.; Bachmann, Die deutsche Volkswirtschaft 1934, 590, ders., Die deutsche Volkswirtschaft 1934, 1131; C. Fischer, Der praktische Betriebswirt 1935, 475 ff.; ders., Die deutsche Volkswirtschaft 1934, 1004 ff.; Dietrich, DJ 1935, 1268 ff. 419 Ein weiterer Aspekt, der neben der Einführung des Führerprinzips zum Gegenstand der Novelle gehörte, war die Bekämpfung der Anonymität der Aktionäre. Man meinte, dass das bloße Renditestreben nicht im Einklang mit dem Wohl des Unternehmens stehen würde, dazu ausführlich Bayer/Engelke, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 1, 2007, Kap. 15 Rn. 5 ff. 420 Vgl. Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 26. 421 So Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 26. 422 Dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 345 sowie ausführlich 347 ff.; Bayer/Engelke, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 15 Rn. 23 f. 423 Dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 342 f.; Bayer/Engelke, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 15 Rn. 17 f.

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punkt424. An dem zwischen den einzelnen Organen bestehenden Kompetenzverhältnis, das dem ersten Bericht zugrunde lag, wurde festgehalten. Die Kritik des regimetreuen, nationalsozialistischen Schrifttums zum ersten als auch zweitem Bericht der Akademie für Deutsches Recht fiel scharf aus425 ; Auswirkungen hatte sie allerdings nicht426. So wurde dem Ausschuss im Anschluss an die Veröffentlichung des ersten Berichtes vorgeworfen, dass oft auf die Ideale des Nationalsozialismus Bezug genommen wurde, ohne dass eine inhaltliche nationalsozialistische Prägung der Regelungen erfolgte427. Insofern kann man aus heutiger Perspektive von einer gewissen Anbiederung des Ausschusses an die Nationalsozialisten sprechen, die in einigen gesellschaftsrechtlichen Fragen komödiantische Züge annahm428. Dieses Phänomen taucht nicht nur in den Berichten des Ausschusses, sondern auch in den Stellungnahmen des Schrifttums auf429. Hilfreiche Vorschläge brachten die Beiträge des regimetreuen Schrifttums nicht hervor; vor allem können sie als weltfremd und radikal-ideologisch eingestuft werden. So sollte nach Curt Fischer der Nationalsozialismus keine Resignation vor den unabänderlichen Gesetzen der Wirtschaft kennen, sondern habe vielmehr die Kraft und den Willen, die Wirtschaftspraxis nach seinen Vorstellungen zu gestalten430. Er folgerte daraus, dass die Gleichheit der Aktionäre abzuschaffen sei, da dieses Prinzip die Schuld dafür trage, dass Gesetzesumgehungen und Skandalfälle in der Vergangenheit auftraten. Andere argumentierten unter dem Mantel des Nationalsozialismus ähnlich. So forderte Bachmann, dass das hergebrachte Aktienrecht als Ausgangspunkt für eine Novellierung nicht dienen könne und man für eine Neugestaltung den Mut haben müsse, Überlebtes zu vernichten431. Nach Heiser müsse zumindest der Aufsichtsrat abgeschafft und ein Vetorecht eingefügt werden, das dem Vorstand gegen Beschlüsse der Generalversammlung zu Verfügung stehe432. In Folge des zweiten Ausschussberichts fielen die Stellungnahmen gemäßigter aus. Nichtsdestotrotz gab es Forderungen nach einem völlig neu zu gestaltenden Gesellschafts-

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Kißkalt, ZAkDR 1934, 247, 251. Zusammenfassend bei Bayer/Engelke, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 1, 2007, Kap. 15 Rn. 29 ff. sowie 37 ff. 426 Dazu Lasch, ZAkDR 1934, 172 ff. 427 Heiser, Der praktische Betriebswirt 1934, 499 ff. 428 Insbesondere wenn darüber diskutiert wurde, welche Regelung mit der Ideologie des Nationalsozialismus vereinbar sei oder nicht, dazu auch Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 34. 429 Beispielhaft dafür sind die Ausführungen Dietrichs, nach dem das qualifizierte Stimmrecht des Vorstands nicht mit dem Führerprinzip zu vereinbaren sei, da der Führer vom Vertrauen des Volkes, folglich der Vorstand von Vertrauen der Aktionäre abhängig wäre, DJ 1935, 1268, 1269. 430 So C. Fischer, Der praktische Betriebswirt 1935, 475 ff. 431 Bachmann, Die deutsche Volkswirtschaft 1934, 590; ders., Die deutsche Volkswirtschaft 1934, 1131. 432 Heiser, Der praktische Betriebswirt 1934, 499 ff. 425

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recht433 oder einer weitergehenden Entmachtung der Generalversammlung434. Der Entwurf von 1935 folgte keiner dieser Forderungen435. Wesentlich zur Entideologisierung der Novelle trug die Rede des Reichswirtschaftsministers Hjalmar Schacht vor der Akademie für Deutsches Recht bei436, indem er sich gegen eine Denaturierung der Aktiengesellschaft aussprach. Dies soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch er grundsätzlich am Führerprinzip festhielt437. Allerdings sprach er sich dafür aus, die Kompetenzen von Aufsichtsrat und Generalversammlung nicht in solchen Maße zu beschneiden, da sie sonst praktisch machtlos wären. Insbesondere die Rolle des Aktionärs als Kapitalgeber, der am Willensbildungsprozess der Aktiengesellschaft beteiligt sein müsse, wurde von Schacht betont, da der Aktionär sonst nicht mehr bereit wäre, in die Gesellschaft zu investieren438. Der daraufhin vom Reichsjustizministerium überarbeitete Entwurf war deutlich von Vorstellungen Schachts geprägt und überwiegend entideologisiert439. Nunmehr hatte der Vorstand die Gesellschaft „unter eigener Verantwortung so zu leiten, wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es erfordern“440. Diese Formulierung war zwar immer noch im nationalsozialistischen Sinne, da Volk und Reich einen maßgeblichen Orientierungspunkt für die Entscheidungen des Vorstands darstellen sollten. Allerdings wurde die bei weitem radikalere Formulierung aus dem ersten Bericht damit verworfen441.

III. Die Stärkung der Position des Vorstands Die Stellung des Vorstands wurde gegenüber der Hauptversammlung und dem Aufsichtsrat erheblich aufgewertet. Nach § 70 Abs. 1 AktG 1937 hatte der Vorstand die Aktiengesellschaft „unter eigener Verantwortung […] so zu leiten, wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es 433

So dann Heiser, Der praktische Betriebswirt 1935, 578. Heyl zu Herrnsheim, Der deutsche Volkswirt 1934, 943 ff. 435 Zum Entwurf siehe Schubert, Akademie für Deutsches Recht 1933 – 1945, 1986, Einleitung, S. XL f. 436 Schacht, Die deutsche Aktienrechtsreform 1936, Rede vom 30. 11. 1935; vgl. auch Bayer/Engelke, in: Aktienrecht im Wandel Bd. 1, 2007, Kap. 15 Rn. 53. 437 Schacht, Die deutsche Aktienrechtsreform 1936, S. 13. 438 Schacht, Die deutsche Aktienrechtsreform 1936, S. 15 ff. 439 Vgl. Schubert, Akademie für Deutsches Recht 1933 – 1945, 1986, Einleitung, S. XXXIX. 440 Vgl. Schubert, Akademie für Deutsches Recht 1933 – 1945, 1986, Einleitung, S. XL f. m.w.N. 441 Vgl. Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 30: „Der Vorstand ist der Führer der Aktiengesellschaft. Er hat die Gesellschaft zu leiten, wie das Wohl des Betriebes und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Staat es erfordern. Für seine Geschäftsführung trägt er die selbständige Verantwortung“. 434

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erfordern.“ Damit erlangte der Vorstand Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von Aufsichtsrat und Hauptversammlung und war nicht mehr weisungsgebunden. Die Hauptversammlung verlor damit ihre Stellung als „oberstes Organ“ der Aktiengesellschaft an den Vorstand442. Dieser galt mithin als Führer der Aktiengesellschaft443. Folglich war der Vorstand in seinen unternehmerischen Entscheidungen weder an Beschlüsse der Hauptversammlung, noch an Vorgaben des Aufsichtsrats gebunden. Bestand der Vorstand aus mehreren Personen, so hatte der Vorstandsvorsitzende diese Stellung inne, § 70 Abs. 2 Satz 2 AktG 1937. Bei Meinungsverschiedenheiten konnte er – auch gegen den Willen aller anderen Mitglieder – seine Position durchsetzen444. Nicht mit dem Führerprinzip vereinbar war hingegen, dass der Vorstand sich unter Hinweis auf Beschlüsse von Aufsichtsrat und Vorstand für unternehmerisches Fehlverhalten entlasten konnte445. Dies war Ausdruck des mit dem Führerprinzip einhergehenden Verantwortungsprinzips, das nicht umgangen werden konnte, vgl. auch § 84 AktG 1937. Durch die Verteilung der Verantwortung und die damit einhergehende Funktionstrennung und Kompetenzverteilung wurde eine Grundvoraussetzung geschaffen, die es ermöglichte, ein „gewaltenteiliges Unternehmensleitungssystem zu etablieren“446.

IV. Der Aufsichtsrat als reines Überwachungsorgan Der Aufsichtsrat hatte sich als Institution behauptet und wurde als unentbehrliches Element der Organisationsverfassung angesehen447. Kritisiert wurde allerdings immer, dass die Überwachungstätigkeit in erheblichem Maße vernachlässigt wurde bzw. unzureichend war448. Nach dem Aktiengesetz von 1937 war der Aufsichtsrat nun verpflichtet, den Vorstand – den „Führer“ der Gesellschaft449 – zu überwachen und damit einen Gegenpol zu dessen umfassenden Befugnissen zu bilden, da der Vorstand nach dem Verantwortungsprinzip einem höheren Organ gegenüber ver-

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Schlegelberger, Die Erneuerung des deutschen Aktienrechts, 1935, S. 23. Dazu auch Kißkalt, in: Frank, NS-Handbuch, S. 1136, 1143. 444 Schlegelberger/Quassowski, AktG, § 70 Anm. 13. 445 Dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 344. 446 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 344. 447 So Klausing, Reform, S. 251 f.; ebenso Schlegelberger/Quassowski/Schmölder, Verordnung über Aktienrecht vom 19. September 1931 nebst den Durchführungsbestimmungen, 1932, Art. VIII Anm. 1. 448 Dazu bereits § 11 C. sowie § 11 D.II.4.; sowie zur Diskussion über den Nutzen des Aufsichtsrats: Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 348 f. 449 So insbesondere das nationalsozialistische Schrifttum Paul, JW 1934, 8, 9; Schacht, Die deutsche Aktienrechtsreform 1936, S. 14. 443

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antwortlich sein sollte450. Im Gegensatz zur vorherigen Regelung war es nicht mehr möglich, dem Aufsichtsrat weitere Kompetenzen (wie bspw. Geschäftsführungsmaßnahmen) zu übertragen (so noch § 246 Abs. 3 HGB 1897). Ihm wurde diese Befugnis nun ausdrücklich verboten, § 95 Abs. 5 Satz 1 AktG 1937. Begründet wurde dies damit, dass eine solche Kompetenzerweiterung in nicht hinnehmbarer Weise in die „Führerrechte“ des Vorstands eingreifen würde451. Hier wurde eine klare Kompetenztrennung vollzogen. In diesem Zusammenhang wurde im Vorfeld ebenfalls diskutiert, ob nicht der Vorsitzende des Aufsichtsrats als „Führer“ des Unternehmens besser in Betracht käme. Dass dies so nicht erfolgte, ist auf die vorgefundenen Machtverhältnisse zurückzuführen452. Der „Führer“ des Unternehmens sollte sich hauptberuflich voll und ganz für die Gesellschaft einsetzen und ihre Interessen wahrnehmen453. Da der Aufsichtsrat vordergründig den Vorstand überwachen sollte und darüber hinaus die Mitglieder des Aufsichtsrats diese Tätigkeit nicht hauptberuflich ausübten, konnte der Aufsichtsrat – und im Speziellen der Aufsichtsratsvorsitzende – diesen Voraussetzungen nicht entsprechen. Leitung und Überwachung sollten – eben wegen der Erfahrungen aus der Vergangenheit – nicht in einem Organ zusammenfallen454. Die Beteiligung der Arbeitnehmer wurde zwar nicht durch das AktG von 1937 berührt, allerdings wurden BetriebsräteG und BetriebsräteentsendeG, die die Beteiligung der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat regelten, durch § 65 Nr. 1 des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit v. 20. 1. 1934455 aufgehoben. Dass sich der Ausschuss mit der Arbeitnehmerbeteiligung auseinandersetzte, ist nicht ersichtlich. Wohl eher war die Beteiligung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat an der Überwachung des Vorstands mit der nationalsozialistischen Ideologie des „Führergedankens“ nicht zu vereinbaren456. Unter Verweis auf die Interessen des Gemeinwohls sollten individuelle Belange (der Arbeitnehmergruppe) zurückstehen und sich diesen unterordnen457. Diese Sichtweise ist bereits zirkulär, da die Berücksichtigung von Gemeinwohlbelangen erst dann möglich ist, wenn verschiedenartige Interessengruppen bestehen. Gleichwohl führte die Ausgrenzung der Arbeitnehmervertreter dazu, dass in der Zusammensetzung des Aufsichtsrats der status quo wieder hergestellt wurde, der vor Geltung von BetriebsräteG und Betriebsräteent450 Kißkalt, in: NS-Handbuch, S. 1136, 1146; ebenso Schacht, Die deutsche Aktienrechtsreform 1936, S. 14. 451 Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 30. 452 Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 30. 453 Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 30. 454 Beabsichtigt war eine klare Trennlinie zwischen den Befugnissen des Vorstands und denen des Aufsichtsrats, vgl. Amtl. Begründung, AktG 1937, S. 174. 455 Vgl. RGBl. I, S. 1333. 456 Vgl. Höppner, Praxis des Aktienrechts, S. 255. 457 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel, 2006, S. 278; weiterführend Reichelt, Die Institution des Aufsichtsrats, S. 86 f.; sowie Plumpe, Betriebliche Mitbestimmung in der Weimarer Republik, 1999, S.

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sendeG herrschte. Da die Arbeitnehmerbeteiligung in der Praxis und der aktienrechtlichen Literatur bereits zu ihrer Einführung kritisch betrachtet wurde, wurde ihre Außerkraftsetzung kritiklos hingenommen. Zur Wahrnehmung der Überwachungsaufgabe wurden dem Aufsichtsrat vom Gesetzgeber Befugnisse zur Seite gestellt, die die absolute Leitungskompetenz des Vorstandes in wenigen Bereichen durchbrachen. So musste der Aufsichtsrat herangezogen werden, wenn neue Aktien aus genehmigten Kapital ausgegeben werden sollten, § 169 Abs. 3 Satz 2 AktG 1937. Viel wichtiger war hingegen das Recht, die Ausführung von Geschäften von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig zu machen, § 95 Abs. 5 Satz 2 AktG 1937. Zudem oblag die Personalkompetenz für die Bestellung der Vorstandsmitglieder ausschließlich dem Aufsichtsrat, § 75 AktG 1937. In der Literatur werden diese Einwirkungsbefugnisse aus Ausdruck des Verantwortungsprinzips gedeutet, dem der Vorstand unterworfen war458. Ebenfalls standen dem Aufsichtsrat Befugnisse zur Seite, die eine notwendige Informationsversorgung gewährleisten sollten. So musste der Vorstand nach § 81 Abs. 1 AktG 1937 an den Aufsichtsrat vierteljährlich berichten. Der Aufsichtsrat konnte nach § 95 Abs. 2 AktG 1937 jederzeit vom Vorstand Bericht über die Angelegenheiten der Gesellschaft verlangen.

V. Die zurückgedrängte Rolle der Hauptversammlung Die Hauptversammlung verlor ihren Status als „oberstes Organ“ der Aktiengesellschaft. War es bisher üblich, dass per Satzung der Hauptversammlung Weisungsbefugnisse gegenüber dem Vorstand zugesprochen wurden, war diese Möglichkeit durch die starre im Aktiengesetz verankerte Kompetenzzuteilung an die Organe versperrt. Im Gesetzgebungsverfahren spielte die Anonymität des Aktionärskreises überdies eine hervorgehobene Rolle459. Das nationalsozialistische Schrifttum griff diesen Umstand auf bezeichnete ihn als Ursache der vorangegangenen Krise. Zudem entsprach die Konzeption der Hauptversammlung (vormals Generalversammlung) nicht den Vorstellungen eines vom Nationalsozialismus geprägten „Führerprinzips“460. Die vorgenommene Kompetenzbeschneidung ist auf verschiedene Gründe zurückzuführen: So war die Zusammensetzung des Aktionärskreises vielfältig und stetig wechselnd. Zudem waren die Aktionäre nicht verpflichtet, für die von ihnen getroffenen Entscheidungen, Rechenschaft abzulegen461. Damit war die Hauptver458

So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 346. Dazu Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 23; Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 342; Bayer/Engelke, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 15 Rn. 82. 460 Vgl. Pauly, Anonymitätsgefahren, S. 20 ff.; Becher, Aufbau, Organisation und Umwandlung, S. 36. 461 Vgl. Schlegelberger, Die Erneuerung des deutschen Aktienrechts, 1935, S. 8. 459

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sammlung in ihrer Grundkonstruktion mit dem – dem „Führerprinzip“ verbundenen – „Verantwortungsprinzip“ nicht zu vereinbaren462. Neben diesen ideologischen Aspekten sprachen auch strukturelle Schwächen gegen die bisherige Praxis, die Hauptversammlung als „oberstes Organ“ der Aktiengesellschaft zu bezeichnen. So war es noch gar nicht so lange her, dass zwischen Aktionären und Vorstand erhebliche Gefechte um Kompetenzen geführt wurden, bei denen als Leidtragender die Gesellschaft hervorging463. Diesen Kampf um Kompetenzen galt es zu vermeiden. Zudem fehlten den Aktionären die Nähe zu Informationen und oftmals die erforderliche Sachkunde, die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft richtig einzuschätzen464. Darüber hinaus kam man mit der Entmachtung der Hauptversammlung den Forderungen derer entgegen, die sich gegen die Anonymität des Kapitals bzw. der Anteilseigner aussprachen465. Denn wie sowohl im ersten als auch im zweiten Bericht festgestellt wurde, stellte die Anonymität des Aktionärskreises ein zentrales Wesensmerkmal der Aktiengesellschaft dar, das nicht ohne weiteres beseitigt werden konnte466. Ferner wurden vom Ausschuss der Akademie für Deutsches Recht rechtsvergleichende Untersuchungen berücksichtigt, die der Hauptversammlung ebenfalls die Rolle als Leitungsorgan absprachen467. In concreto konnte nach dem Aktiengesetz von 1937 die Hauptversammlung auf die Geschäftsführung des Vorstands keinen Einfluss mehr ausüben. Die Leitung oblag allein dem Vorstand (§ 70 AktG 1937), es sei denn, dieser entschied sich dazu, der Hauptversammlung eine unternehmerische Frage vorzulegen, § 103 Abs. 2 AktG 1937. Daneben waren nun allein Vorstand und Aufsichtsrat für die Feststellung des Jahresabschlusses zuständig, § 125 AktG 1937. Weiterhin zu den Kompetenzen der Hauptversammlung zählten die Änderung der Satzung (§ 145 AktG 1937), zudem bedeutende Strukturmaßnahmen wie Verschmelzung, Umwandlung, Vermögensübertragung und Gewinngemeinschaft (§§ 234, 247, 253 ff. AktG 1937), sowie die Beschaffung und Herabsetzung des Grundkapitals (§§ 149, 153, 159, 169, 174, 175, 192 AktG 1937). Überdies oblag der Hauptversammlung die Personalkompetenz über die Bestellung und Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder, § 87 AktG 1937. Daraus folgerten einige Stimmen aus dem zeitgenössischen Schrifttum, dass auch weiterhin die Hauptversammlung das „oberste Organ“ der Aktiengesellschaft darstellte468. Daneben konnte die Hauptversammlung Schadensersatzansprüche gegen 462

Dazu auch Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 342. Dazu Maltschew, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 14 Rn. 13 ff. 464 So bereits Schlegelberger, Die Erneuerung des deutschen Aktienrechts, 1935, S. 8. 465 Darauf verweisend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 342. 466 Vgl. Kißkalt, ZAkDR 1934, 20, 23. 467 Ausführlich Zahn, Wirtschaftsführertum und Vertragsethik im neuen Aktienrecht, 1934. 468 So etwa Cunio, HRGZ 1937, Sp. 361, 365 f.; diese Ansicht wurde in der juristischen Nachkriegsliteratur als auch zum AktG 1965 vermehrt aufgegriffen, siehe etwa Teichmann/ Köhler, AktG, 3. Aufl. 1950, § 102 Anm. 1; v. Godin/Wilhelmi, AktG, 2. Aufl. 1950, § 102 Anm. I; Baumbach/Hueck, AktG, 12. Aufl. 1965, Üb. vor § 70 Anm. 1B; Dippel, DRiZ 1965, 353, 354; a.A. hingegen v. Gierke, ZHR 111 (1948), 39, 47 f. 463

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die Gründungsgesellschafter und Organmitglieder geltend machen (§§ 122 ff., § 43 AktG 1937). Ferner oblag ihr die Entlastung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat, § 104 AktG 1937.

VI. Bewertung der Veränderungen Das Aktiengesetz von 1937 führte zu einer grundlegenden Neuordnung der Organkompetenzen innerhalb der aktienrechtlichen Unternehmensverfassung, die so in ihren Grundzügen noch heute fortbestehen. Das zeitgenössische Schrifttum war daher voll des Lobes über die geschaffene Neukonstruktion469. Deutlich erkennbar ist, dass der Entstehungsprozess des neuen Aktiengesetzes vom Gemeinwohlgedanken geprägt und damit auf die in den 1920er Jahren aufgekommene Lehre vom „Unternehmen an sich“ zurückgegriffen wurde. Nicht mehr allein maßgeblich waren die Belange der Aktionäre, sondern auch die – von der nationalsozialistischen Terminologie geprägten und in § 70 AktG 1937 bezeichneten – Belange von Volk und Reich. Dass dieser Gemeinwohlgedanke oftmals allein den Nationalsozialisten zugeschrieben wird, ist folglich ein Trugschluss470. Seinen Ursprung hat der Gemeinwohlgedanke in den wirtschaftlichen Problemen der Weimarer Republik, die zum Ende der 1920er Jahre hervortraten. Neben der von der Krise geplagten Volkswirtschaft traten vermehrt Missbrauchsfälle in Aktiengesellschaften zutage, die auf ein Fehlverhalten verschiedener Organe bzw. Organmitglieder zurückzuführen waren. Zudem wuchs die Bedeutung einzelner großer Gesellschaften für die deutsche Volkswirtschaft zu einer solchen Größe, dass Stimmen in der Literatur als auch der Gesetzgeber es für notwendig ansahen, dass bei Unternehmensentscheidungen nicht allein privatwirtschaftliche Aspekte herangezogen werden sollten. Verstärkt wurden diese Ansinnen durch die deutliche Zunahme von Konzernierungen deutscher Unternehmen. Daher sind die auf dem Gemeinwohl basierenden Vorschriften, die sich wie ein roter Faden durch das Aktiengesetz ziehen, allein auf wirtschaftliche und sinnvolle Überlegungen zurückzuführen. Dass die neu geschaffene Organisationsverfassung mit ihrer strikten Kompetenztrennung ohne weiteres mit den Idealen der nationalsozialistischen Wirtschaftsführung, insbesondere mit dem Führer- und Verantwortungsprinzip, zu vereinbaren war, bedeutet nicht, dass die Unternehmensverfassung, wie sie das Aktiengesetz von 1937 vorsah, allein und in besonderem Maße auf nationalsozialistischer Ideologie fußte471. Denn obwohl mit Machtergreifung der Nationalsozialisten ab 1933 offiziell mit den Vorarbeiten zum Aktiengesetz gebrochen wurde, fanden sich noch zahlreiche Re-

469

Dazu Schmidt/Meyer-Landrut, in: Großkomm. AktG, 2. Aufl. 1961, Einl. S. 4. So auch Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 406. 471 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 406 hält die Frage nach dem „nationalsozialistischen Gehalt des Aktiengesetzes von 1937“ falsch gestellt. 470

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gelungen aus dem Entstehungsprozess, die beinahe wortgleich übernommen wurden472. Nicht Gegenstand der Reform des Aktiengesetzes von 1937, aber mit dieser im Zusammenhang stehend, war die Ausgrenzung der Arbeitnehmervertreter aus dem Aufsichtsrat durch das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit von 1934473. Diese Maßnahme ist allein auf die nationalsozialistische Ideologie zurückzuführen, dass die Arbeitnehmer als (Betriebs-)Volk keinen Einfluss auf die Leitung durch den Vorstand (Führer des Betriebs) haben sollten. Dass sachliche Aspekte keine Rolle spielten, wird dadurch bestärkt, dass im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens vermehrt und von einflussreichen Personen auch darauf hingewiesen wurde, dass die Leitungsmacht des Vorstands nicht schrankenlos gewährt werden durfte474. Dies schien bei der Frage des Ausschlusses der Arbeitnehmervertreter hingegen keine Rolle mehr zu spielen. Die vollzogene Erneuerung der Unternehmensverfassung stellte einen fundamentalen Bruch zur bisherigen Organisations- und Kompetenzstruktur der Aktiengesellschaft dar. Das gesetzliche Festschreiben von Kompetenzen, die nicht auf andere Organe übertragen werden konnten, gilt als die Geburtsstunde des Prinzips der Satzungsstrenge475. Damit wurde zugleich der nach dem Ende des Ersten Weltkriegs einsetzende Strukturwandel innerhalb der Gesellschaften durch die klare Kompetenzabgrenzung der einzelnen Organe berücksichtigt. Konnte vor der Novelle ein Organ per Satzungsbestimmung mit umfassenden Weisungs- und Verwaltungsrechten ausgestattet und so zu Herrschaftsorgan der Gesellschaft erkoren werden (§ 246 Abs. 3 HGB 1897), war dies nun ausdrücklich untersagt, § 95 Abs. 5 Satz 1 AktG 1937. Die Fülle von Ausgestaltungen der aktienrechtlichen Organisationsstruktur einiger Gesellschaften, die bis zur Novelle von 1937 auftraten und bestimmten, welches Organ zum Herrschaftsorgan erhoben werden konnte, waren vielgestaltig und vor allem davon abhängig, wie sich der Aktionärskreis zusammensetzte. War dieser geprägt von Großaktionären, so waren diese zumeist Mitglieder des Aufsichtsrats und die Satzung sah Bestimmungen vor, die dem Aufsichtsrat umfassende Befugnisse gegenüber dem Vorstand einräumten. Die Entscheidungsgewalt ging vom Aufsichtsrat aus; überwacht wurde dieser hingegen nicht. Der Vorstand nahm die Position eines bloßen Ausführungsorgans ein. Dieses Verhältnis änderte sich mit der sich nach dem Ersten Weltkrieg wandelnden Unternehmens- und Aktionärsstruktur. Die Zahl der Großaktionäre, die ihre Kapitalund Stimmenmehrheit dazu verwendete, Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft zu nehmen, verringerte sich erheblich. Dagegen stieg die Anzahl der (spekulierenden) Kleinaktionäre. Hinzu trat eine neue Art von Verflechtungen einzelner Un472

Dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 406. RGBl. I, S. 1333. 474 Exemplarisch dazu Schacht, Die deutsche Aktienrechtsreform 1936, S. 14: „Auch ein Führer braucht Schranken“. 475 Möhring/Schwartz, Satzungsgestaltung, S. 69. 473

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ternehmen, die gegenseitig voneinander Beteiligungen hielten. Die so entstandenen Konzernierungen bildeten die Grundlage des ebenfalls vom AktG von 1937 erstmals geregelten Konzernrechts. Diese Entwicklungen führten zur Aufwertung der Position des Vorstands. So schlug dieser der Generalversammlung für die Wahl des Aufsichtsrats Personen vor, die ihm genehm waren und von denen er ausgehen konnte, dass sie nicht in seinen Kompetenzbereich eingreifen würden. Die Kleinaktionäre, die vordergründig nur einem eigenen finanziellen Interesse nachgingen, nickten die Vorschläge des Vorstands ohne Bedenken ab. Die Vertreter der konzernierten Unternehmen waren entweder diejenigen, die als Mitglieder des Aufsichtsrats auserkoren wurden oder dem Vorstand in der Weise verbunden, dass sie ihre Position in der Weise nutzten, um vordergründig die gemeinsamen geschäftlichen Beziehungen pflegen. Der Vorstand erhob sich damit zum Herrschaftsorgan, das von dem Aufsichtsrat unzureichend überwacht wurde und daher keine Konsequenzen für ein etwaiges Fehlverhalten befürchten musste. Die strukturellen Änderungen der Organisationsverfassung müssen folglich unter diesen Eindrücken berücksichtigt werden. Die neu geschaffene klare Kompetenztrennung sollte einen Machtausgleich wiederherstellen, der in der Vergangenheit durch Missbrauch verloren gegangen war. Die hervorgehobene Stellung des Vorstands sollte ihn von dem Einfluss durch andere Organe schützen. Die Leitung der Gesellschaft oblag allein dem Vorstand. Die Befugnisse des Aufsichtsrats waren beschränkt auf die Auswahl des Vorstands und seine anschließende Überwachung. Der damit für den Vorstand geschaffene Freiraum diente der Professionalisierung der Leitung. Ferner wurden Streitigkeiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat zu Fragen der Geschäftsführung damit vorgebeugt; ganz vermeiden konnte man diese allerdings nicht. Jedoch wäre es falsch davon zu sprechen, dass der Vorstand als unantastbar angesehen werden konnte. Vielmehr verlangte das – mit dem Führerprinzip verbandelte – Verantwortungsprinzip, dass der Vorstand für seine unternehmerischen Entscheidungen die volle Verantwortung zu tragen hatte. Dem Aufsichtsrat stand daher die Kompetenz zu, den Vorstand bei Fehlverhalten aus wichtigem Grund abzuberufen, § 75 Abs. 3 Satz 1 AktG 1937. Neben der Abberufung aus wichtigem Grund als ultima ratio sah das Gesetz in § 95 Abs. 5 Satz 2 AktG 1937 einen Zustimmungsvorbehalt vor, wonach der Aufsichtsrat für bestimmte Arten von Geschäften seine Zustimmung erteilen musste. Daneben standen dem Aufsichtsrat Auskunfts- und Berichtsrechte zur Verfügung (§§ 81, 95 Abs. 2 AktG 1937. Insgesamt sah das Gesetz folglich ein dreistufiges Überwachungssystem vor, das dem Aufsichtsrat zur Kontrolle an die Hand gegeben wurde. Dieses besteht in seinen Grundzügen heute noch fort. Viele zeitgenössische Stellungnahmen interpretierten die Beschneidung der Befugnisse der Hauptversammlung (zuvor Generalversammlung) dahingehend, dass sie ihre Stellung als „höchstes Organ“ der Aktiengesellschaft verlor. Diese Aussage kann so nicht ganz überzeugen. Sowohl der Ausschuss der Akademie für Deutsches Recht476 als auch Schacht477 haben in ihren 476 Vgl. Sitzungsprotokoll des Aktienrechtsausschusses der Akademie, abgedruckt bei Schubert, Akademie für Deutsches Recht 1933 – 1945, 1986, S. 423 ff.

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Ausführungen hervorgehoben, dass die Aktiengesellschaft ohne – einen in Grundfragen mitzubestimmenden – Aktionär nicht denkbar wäre. In wesentlichen Grundfragen oblag der Hauptversammlung weiterhin die Alleinkompetenz. Insbesondere die Befugnis, die Mitglieder des Aufsichtsrats zu wählen, ist ein wesentliches Indiz dafür, dass die Stellung der Hauptversammlung nicht als bedeutungslos angesehen werden kann. Vielmehr war es den Großaktionären verwehrt, über die Änderung von Satzungsbestimmungen, Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft zu nehmen. Diese Kompetenz oblag im Grundsatz allein dem Vorstand. Allerdings konnten Sie mit der Stimmenmehrheit sich weiterhin in den Aufsichtsrat wählen lassen, um dort die Geschicke des Vorstands zu kontrollieren. Die bisher getroffenen Feststellungen über das Bild der Unternehmensverfassung überraschen. Denn obwohl die Entstehung des Aktiengesetzes ab 1933 einen erheblich ideologisch geprägten Prozess durchlief, sind die Normen selbst nur geringfügig davon betroffen. Vielmehr zeigt sich, dass die klare Abgrenzung der Organkompetenzen zu einem Ausgleich der Machtstruktur innerhalb der Aktiengesellschaft führte478. Die Neuordnung der Organkompetenzen durch das Aktiengesetz von 1937 stellt daher eine wesentliche Zäsur im Recht der Aktiengesellschaft dar. Der Grundstein für eine ausgeglichene Machtbalance innerhalb der Aktiengesellschaft wurde gelegt, aber wie Lieder schon feststellte, dauert „… der Kampf um ein Gleichgewicht der Kräfte in der Organisationsverfassung […] aber bis heute an.479“

C. Auswirkungen auf die Frage der Zulässigkeit und Erforderlichkeit von Organklagen I. Weisungsbefugnisse als Machtinstrument Klagen zwischen einzelnen Organen sind dann notwendig, wenn die Klärung einer Streitigkeit nicht durch andere Maßnahmen erzielt werden kann. Wurden im früheren Aktienrecht dem Aufsichtsrat nach § 246 Abs. 3 HGB 1897 im Wege der Satzung umfassende Weisungsbefugnisse gegenüber dem Vorstand erteilt, so bedurfte es einer speziellen Klagemöglichkeit nicht, da der Vorstand sich an die Weisungen zu halten hatte und kein Konflikt entstehen konnte480. Betrachtet man nun 477

Schacht, Die deutsche Aktienrechtsreform 1936, S. 16 f. Dies ist mitunter auf die personelle Betreuung im Reichsjustizministerium zurückzuführen, so dass auch die Vorarbeiten aus der Weimarer Republik – entgegen der Ankündigung der Nationalsozialisten – berücksichtigt wurden, vgl. dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 407. Eine Ausnahme davon stellt allerdings der Ausschluss der Arbeitnehmervertreter dar, der allerdings bereits 1934 erfolgte. 479 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 398. 480 Vgl. dazu auch die Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts ROHGE 21, 375, 376. 478

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die neugeschaffene Organisationsverfassung des Aktiengesetzes von 1937, so stellt sich die Frage, ob die gesetzliche Festsetzung von Organkompetenzen und das klare Verbot nach § 95 Abs. 2 AktG 1937, das auch ein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand erfasste, den Bedarf nach Organklagen erhöhte bzw. eine Situation geschaffen wurde, die Organklagen für notwendig hielt.

II. Schadensersatzklagen nach §§ 122, 123 AktG 1937 Das Gesetz sah ausdrücklich keine Klagen für Organe gegen andere Organe vor. Allerdings kannte es Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat. Diese Regelungen waren bereits im HGB von 1897 enthalten. Die Mitglieder des Vorstands (§ 84 Abs. 2 AktG 1937) bzw. die Mitglieder des Aufsichtsrats (§ 99 AktG 1937 i.V.m. § 84 Abs. 2 AktG 1937) waren der Gesellschaft zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, der durch ihre Obliegenheitsverletzung entstanden war. Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AktG 1937 mussten die Ansprüche geltend gemacht werden, wenn die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit dies beschloss oder es eine Minderheit verlangte, deren Anteile zusammen zehn Prozent des Grundkapitals erreichten. Kam ein solcher Beschluss zustande, so war grundsätzlich nach §§ 122 Abs. 2 Satz 3, 97 Abs. 1 AktG 1937 der Aufsichtsrat – wenn es um Verfehlungen des Vorstands ging – für die Geltendmachung des Anspruchs zuständig. Unterließ der Aufsichtsrat die Geltendmachung oder ließ er die nach § 123 Abs. 1 AktG 1937 festgesetzte Frist verstreichen, so machten sich die Mitglieder des Aufsichtsrats ebenfalls ersatzpflichtig481. In einem solchen Fall – oder wenn die Hauptversammlung es als notwendig ansah, dass nicht der Aufsichtsrat die Ansprüche geltend machen sollte – konnte die Hauptversammlung – abweichend von § 122 Abs. 2 Satz 3 AktG 1937 – einen besonderen Vertreter zur Geltendmachung der Ansprüche bestellen, § 122 Abs. 2 Satz 1 AktG 1937. Dass Klagen der Minderheit der Aktionäre eine Ausnahme blieb, war auf die Regelung zur Kostentragung nach § 123 Abs. 4 AktG 1937 zurückzuführen. Denn diese sah – wie bereits fast alle vergleichbaren Vorgängervorschriften – vor, dass die Minderheit, die nach § 122 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AktG auf die Geltendmachung des Anspruchs hingewirkt hatte, die Kosten für den Prozess, die der Gesellschaft anfielen, zu tragen hatte482.

481

Vgl. Schlegelberger/Quassowski, AktG, § 123 Anm. 2. Vgl. dazu auch § 123 Abs. 2 AktG 1937, der verlangte, dass die Minderheit den zehnten Teil bzw. im Falle des § 122 Abs. 1 Satz 2 AktG 1937 den zwanzigsten Teil des Grundkapitals der Gesellschaft zu hinterlegen hatte. 482

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III. Die Regelung des § 97 Abs. 2 AktG 1937: Klagebefugnis in Vertretung der Gesellschaft oder aus eigenem Recht? Daneben stand es dem Aufsichtsrat nach § 97 Abs. 2 AktG 1937 ebenfalls zu, gegen die Mitglieder des Vorstands zu klagen, ohne dass ein Beschluss der Hauptversammlung vorlag oder ein entgegengesetzter Beschluss der der Hauptversammlung gefasst wurde, „wenn die Verantwortlichkeit eines seiner Mitglieder in Frage [kam]“. Sinn und Zweck der Norm sind nicht ganz ohne Zweifel bestimmbar. § 97 Abs. 2 AktG von 1937 enthielt eine zu seiner Vorgängernorm wesentliche Änderung. Sprach § 247 Abs. 2 HGB noch von der „Verantwortlichkeit der Mitglieder des Aufsichtsrats“, war nun die Verantwortlichkeit eines seiner Mitglieder maßgeblich. Die zeitgenössische Literatur sah in der Veränderung keinen wesentlichen Aspekt und deutete sie als bloße sprachliche Korrektur483. Aus dem Begriff der Verantwortlichkeit deutet die Literatur, dass eine Klage gegen den Vorstand dann erforderlich sei, wenn der Aufsichtsrat andernfalls selbst haften würde484. Demnach handele es sich bloß um eine Klage in Vertretung der Gesellschaft485. Diese Begründung greift allerdings zu kurz: Vielmehr deutet die Anknüpfung an die Verantwortlichkeit aller Mitglieder des Aufsichtsrats darauf hin, dass eine Pflicht zum Einschreiten des Aufsichtsrats bestand, die verletzt werden würde, wenn keine Klage gegen die Mitglieder des Vorstands erhoben werde. Folglich handelt es sich bei der Erhebung der Klage um eine Organpflicht, die eine Klagebefugnis aus eigenem Recht begründet. Die sprachliche Änderung ist auf das Bestreben des Gesetzgebers zurückzuführen, erst gar nicht den Interpretationsspielraum zu eröffnen, dass es sich um eine organrechtliche Klagebefugnis handelte486. Die Anknüpfung an die Verantwortlichkeit eines Mitglieds des Aufsichtsrats lässt nur schwerlich eine Pflicht eines ganzen Organs begründen. Nichtsdestotrotz handelt es sich auch dabei um ein Recht des Aufsichtsrats, das aus seiner Überwachungspflicht folgt. Daher ist die Geltendmachung nach § 97 Abs. 2 AktG 1937 als ein eigenes Klagerecht des Aufsichtsrats zu sehen. Ob im umgekehrten Falle – gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern – auch der Vorstand zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen berechtigt war, erscheint bereits aus Gründen der kompetenzrechtlichen Zuständigkeit abwegig. Warf man dem Aufsichtsrat ein Versäumnis zur Überwachung des Vorstands vor, so konnte 483

So aber Schlegelberger/Quassowski, AktG, § 97 Rz. 1. Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 852. 485 Schlegelberger/Quassowski, AktG, § 97 Rz. 9; sich dem anschließend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel, 2006, S. 851. 486 Vergleiche dazu bereits die Ausführungen zum Auskunftsrecht des Aufsichtsrats zum Entwurf eines Aktiengesetzes von 1931, bei Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926 – 1931), 975, 1003: Das Auskunftsrecht des Aufsichtsrats konnte nicht im Wege der Klage erzwungen werden, da „es sich hier um das Verhältnis zweier Organe derselben Gesellschaft handelt“. 484

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Letzterer – aus zu großer Eigenbetroffenheit – nicht selbst gegen seine eigenen Kontrolleure vorgehen.

IV. Die Geltendmachung von Auskunfts- und Berichtsrechten des Aufsichtsrats gegen den Vorstand Obwohl aus heutiger Perspektive Vieles dafür spricht, dass bereits § 97 Abs. 2 AktG 1937 dem Aufsichtsrat eine Klagebefugnis aus eigenem Recht zugestand, lehnte der Gesetzgeber es grundlegend ab, dass Organe eigene Rechte im Klagewege geltend machen können487. In den Schadensersatzklagen nach § 122 i.V.m. § 97 Abs. 1 AktG 1937 als auch des § 97 Abs. 2 AktG 1937 handelte es sich daher nach dem Willen des Gesetzgebers um Klagen der Gesellschaft, die der Aufsichtsrat (§ 97 Abs. 1 und Abs. 2 AktG 1937) bzw. der besondere Vertreter (§ 122 Abs. 2 Satz 1 AktG 1937) stellvertretend gegen die Mitglieder von Vorstand oder Aufsichtsrat führte. Die klare Abtrennung der Organzuständigkeiten und das Verbot nach § 95 Abs. 5 Satz 1 AktG 1937, Angelegenheiten der Geschäftsführung nicht auszuüben sowie der Wegfall der Möglichkeit, per Satzung dem Vorstand Weisungen zu erteilen, führten dazu, dass dem Aufsichtsrat andere Mittel an die Hand gegeben werden mussten, damit er seine Überwachungsfunktion ausüben konnte. Neben der Personalhoheit (Bestellung/Abberufung des Vorstands aus wichtigem Grund, § 75 Abs. 1 sowie Abs. 3 AktG 1937) konnte die Satzung oder der Aufsichtsrat Zustimmungsbefugnisse für bestimmte Arten von Geschäften vorsehen. Daneben war der Vorstand nach § 81 AktG 1937 verpflichtet vierteljährlich über den Gang der Geschäfte und über die Lage des Unternehmens dem Aufsichtsrat zu berichten. Parallel dazu hatte der Aufsichtsrat nach § 95 Abs. 2 AktG 1937 das Recht, Bericht über die Angelegenheiten der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu einem Konzernunternehmen zu verlangen. Damit die vom Gesetz vorgesehenen Berichte eine wirksame Informationsbasis bilden können, muss dem Aufsichtsrat die Möglichkeit zur Seite gestellt werden, im Klagewege die Berichte verlangen zu können, wenn der Vorstand sich weigert, diese zu erteilen. Wie schon zur Vorgängernorm § 247 Abs. 2 HGB 1897 vertreten wurden, hat der Aufsichtsrat eine Klagebefugnis aus eigenem Recht488. Sowohl Gesetzgeber als auch Rechtsprechung lehnten allerdings diese Möglichkeit ab, da die Recht-

487 Dazu Schlegelberger/Quassowski, AktG, § 97 Rz. 9 sowie schon Entwurf eines Aktiengesetzes von 1931, bei Schubert, Quellen zur Aktienrechtsreform der Weimarer Republik (1926 – 1931), 975, 1003. 488 Siehe dazu bereits oben § 11 E.III.; sowie Lehmann/Ring, Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1902, § 247 Nr. 2.

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stellung des Organs nicht derjenigen einer juristischen Person gleichkam489. Richtigerweise stand dem Aufsichtsrat ein eigenes Klagerecht zur Verfügung. Nichts anderes gilt hinsichtlich der Missachtung von Zustimmungsbefugnissen als auch bei Kompetenzverletzungen durch andere Organe.

D. Erkenntnisse Die neu geschaffene Organisationsverfassung bildet noch heute die Grundlage der uns bekannten Aktiengesellschaft. Die scharfe Trennung von Leitung und Überwachung wurde im Aktiengesetz von 1937 eingeführt. Obwohl die nationalsozialistische Literatur erheblichen Einfluss nahm und versuchte, grundlegende fundamentale Änderungen herbeizuführen, sind nur wenige ideologische Merkmale wirklich Gesetz geworden. Wesentliche Grundideen wurden aus ökonomischen Überlegungen bereits während des Entwurfs in den 1920er Jahren erarbeitet und ins Aktiengesetz von 1937 übernommen. Die Auswirkungen dieser Neukonzeption können als immens bezeichnet werden. Insbesondere erscheint es aus heutiger Perspektive unwahrscheinlich, dass Aufsichtsräte, die zuvor dem Vorstand Weisungen erteilten, in ihrer neuen Funktion als reines Überwachungsorgan mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu Recht kamen. Das Verhältnis der Organe zueinander stand daher umso mehr im Mittelpunkt. Profiteur dieser Situation war der Vorstand, der ohne Bedenken die Gesellschaft leiten und die Geschicke (in seinem Interesse) lenken konnte. Der Aufsichtsrat hatte zwar die Personalhoheit und konnte durch Zustimmungsvorbehalte, Einfluss auf die Geschicke des Vorstands nehmen, war jedoch von der Zuarbeit der Berichte vom Vorstand abhängig. Die Hauptversammlung, deren Machtfülle sich zwar verminderte, hatte die Personalhoheit gegenüber dem Aufsichtsrat inne und musste bei wesentlichen Fragen herangezogen werden. Schwierig erscheint die Beantwortung der Frage, welches Organ nach dieser Neukonzeption das Machtorgan der Gesellschaft darstellte. Zwar ist die Stellung des Vorstands als selbständig und weisungsunabhängig hervorzuheben. Allerdings konnte der Aufsichtsrat erheblichen Druck auf den Vorstand ausüben, wenn er mit der vorzeitigen Abberufung bzw. der nicht nochmaligen Bestellung drohte. Obwohl die Anzahl der Großaktionäre sank, konnten diese immer noch erheblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben, wenn sie ihren Kapital- und Stimmenanteil dazu nutzten, Vertraute in den Aufsichtsrat zu wählen, die ihnen genehme Personen in den Vorstand beriefen. Zum ersten Mal konnte man hinsichtlich der Unternehmensverfassung von einer ausgeglichenen Machtbalance sprechen. Dies wirft allerdings die Grundsatzfrage auf, wie Konflikte zwischen den Organen gelöst werden konnten, wenn innerhalb der Gesellschaft kein Organ existierte, 489

Siehe dazu § 21 C.

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dessen Ansicht für die Gesellschaft maßgeblich war490. Die Androhung mit der vorzeitigen Abberufung durch den Aufsichtsrat kam nur in Frage, wenn ein wichtiger Grund gegeben war. Nicht jeder Konflikt zwischen den Organen konnte daher die Abberufung rechtfertigen. So erscheint es, dass zumindest bei Kompetenzverletzungen als auch der Weigerung durch den Vorstand, dem Aufsichtsrat Bericht zu erstatten, ein Klagerecht für das jeweilige Organ zugestanden werden musste, um ein drohendes Machtvakuum zu verhindern, das durch die Neugestaltung der Unternehmensverfassung geschaffen wurde.

§ 14 Die Kompetenzordnung nach der Aktienrechtsnovelle von 1965 A. Hintergrund der Reform Die Aktienrechtsnovelle von 1965 verfolgte zwei wesentliche Ziele: Zum einen sollte das Aktiengesetz den neuen gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen angepasst werden, indem es von den der nationalsozialistischen Ideologie (sog. „Entnazifizierung“) befreit und der freiheitlichen Wirtschafts- und Eigentumsordnung entsprechen sollte. Zum anderen musste das Aktiengesetz aus wirtschaftspolitischer Sicht so gestaltet werden, dass es den neuen (ökonomischen) Herausforderungen der Bundesrepublik gerecht werden konnte491. Man beabsichtigte damit, dass „das Aktienrecht an die liberale Wirtschaftsverfassung angepasst, die Stellung der Aktionäre wesentlich gestärkt und das Konzernrecht weiter ausgestaltet werden [sollte]“492.

Gesellschaftspolitisch zeigte sich, dass das Aktiengesetz von 1937 nur in wenigen Bereichen mit „(vermeintlich) nationalsozialistischem Gedankengut“493 bespickt war. Zwar führten einige Stimmen in der Literatur das Verhältnis des „mächtigen Vorstands“ gegenüber der „machtlosen Hauptversammlung“ als Beleg dafür an, dass das „Führerprinzip“ der Unternehmensverfassung inne wohnen würde494. Allerdings sprach sich die Mehrheit im Schrifttum für eine Beibehaltung der Unternehmensverfassung des Aktiengesetzes von 1937 aus, da die nationalsozialistische Ideologie begrenzt und die grundlegende Organisationsstruktur nicht betroffen war. Dies at-

490

Vgl. dazu ROHGE 21, 375, 376. Dazu auch Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 414. 492 Lutter, in: Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 2, Kap. 8 Rn. 60. 493 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 414 (im Original ebenfalls mit Klammer). 494 v. Gierke, ZHR 111 (1948), 39, 48 f. 491

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testierte auch die alliierte Kontrollbehörde495. Insgesamt wurden allein terminologische Veränderungen befürwortet496. Die Neuorientierung an die freiheitliche Wirtschafts- und Eigentumsordnung führte dazu, dass im Besonderen die Rechtsstellung der Aktionäre in den Blickpunkt der Reform rückte. Wurden deren Rechte und Befugnisse durch die Reform von 1937 beschnitten bzw. eingegrenzt, so musste nach Geltung des Grundgesetzes von 1949 und dem damit erfolgten Schutz des privaten Eigentums eine Neubewertung der Beschränkungen vorgenommen werden. Die Einwirkungsbefugnisse sollten nur in dem Maße begrenzt werden, als sie „die Funktionsfähigkeit und die Erreichung des Zwecks des Zusammenschlusses [= das Betreiben der Aktiengesellschaft] … sichern […] und die Wahrung übergeordneter wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Ziele … gewährleisten“497.

Damit wurde die Stellung der Aktionäre innerhalb der Gesellschaft aufgewertet. Die Lehre vom „Unternehmen an sich“ verlor hingegen an Bedeutung und fand nicht mehr Eingang im Gesetz498. Daneben beabsichtigte der Gesetzgeber, die Aktie als Anlageinstrument für die Bevölkerung als auch als Finanzierungsinstrument für die Gesellschaften attraktiv zu machen499. Folglich sollte vor allem die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts durch die Reform des Aktiengesetzes wieder hergestellt werden. Die Weltwirtschaftskrise zu Beginn der 1930er Jahre, die kritische Stellung der Nationalsozialisten zur Aktie, als auch die Folgen des Krieges hatten dazu geführt, dass in der Bevölkerung die Anzahl der Kleinaktionäre gering war500. Zudem nahm die bereits in den 1920er Jahren entfachte Konzernierung von Gesellschaften weiter an Fahrt auf, sodass Gesellschaften vermehrt von anderen Gesellschaften beherrscht wurden501. Gesellschaften, die über eine breite Aktionärsstruktur verfügten und sich daher über den Kapitalmarkt finanzierten, waren daher deutlich in der Minderzahl502. Man erhoffte sich mit der Aufwertung der Rechtsstellung der Aktionäre, zugleich die Attraktivität der Aktie zu fördern und den benötigten Kapitalbedarf zur Finanzierung der Wirtschaft zu decken.

495

Begr. RegE, bei Kropff, S. 13; ebenso Meyer, NJ 1947, 151; Schmalz, Verfassung der Aktiengesellschaft, S. 104. 496 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 411. 497 Begr. RegE, bei Kropff, S. 14. 498 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 415. 499 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 415. 500 Kutzenberger, Mitbestimmung, S. 23. 501 Siehe dazu RegE. AktG 1965, S. 214 f.; Rausch, Verhandlungen zum 42. DJT I/3, S. 7. 502 Kutzenberger, Mitbestimmung, S. 15; Dippel, DRiZ 1965, 353, 354; Strauß, Grundlagen und Aufgaben der Aktienrechtsreform, 1960, S. 10; Wiethölter, Interessen und Organisation, S. 97 ff.

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B. Änderungen der Unternehmensverfassung Sowohl der Gesetzgeber als auch die Mehrheit des Schrifttums attestierten der Unternehmensverfassung des Aktiengesetzes von 1937 keinen tief ideologischen nationalsozialistischen Hintergrund, sondern hielten vielmehr die vorgefundene Kompetenzverteilung auch aus gesellschafts- und wirtschaftspolitischer Sicht für die Bundesrepublik am besten geeignet503. Grundlegende Änderungen der Unternehmensverfassung erfolgten daher nicht; vielmehr wurden Ergänzungen vorgenommen. Das bedeutet aber nicht, dass die Unternehmensverfassung keine Rolle im Gesetzgebungsverfahren spielte. Die Literatur als auch verschiedene Interessenverbände brachten zahlreiche Reformüberlegungen in den Entstehungsprozess der Novelle ein. So gab es einige Stimmen, die sich für die Einführung des monistischen Board-Systems aussprachen504. Allerdings führten die Kritiker gegen diesen Vorschlag zu Felde, dass die Arbeitnehmervertreter durch die Mitbestimmung, die seit 1952 wieder für Aktiengesellschaften galt505, keinen direkten Einfluss auf das geschäftsführende Organ haben sollten506. Daneben bezweifelte man, ob eine – dem Board-System entsprechende – organinterne Überwachung wirklich effizient sein konnte. Vielmehr sah man es als notwendig an, dass eine Überwachung der Verwaltung nur erfolgen könne, wenn ein anderes Organ die Kontrollgewalt ausübe507. Andere wiederum wollten den Zustand herstellen, der vor der Aktienrechtsnovelle von 1937 galt. Dabei sollten die Aufgaben zwischen Aufsichtsrat und Vorstand verteilt werden, sodass der Vorstand weiterhin das Geschäftsführungsorgan war, der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan diesem aber übergeordnet sein sollte508. Wiederum andere wollten das Prinzip der Satzungsstrenge aufweichen, indem der Satzung ein größerer Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Organisationsverfassung

503 Vgl. etwa Veith, DB 1948, 30; Schmölder, ZfhF N.F.2 (1950), 347; Frenzel, Einfluss der Aktionäre, S. 128 ff.; ebenso äußerten sich die Interessenverbände DSW Denkschrift, S. 16; DIHT; sowie BMJ RefE, S. 221. 504 Vgl. etwa Wiethölter, Interessen und Organisation, S. 305; Potthoff, DB 1952, 169, 170; Bühler, AG 1957, 135, 138. 505 Siehe Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie v. 7. Mai 1951, BGBl. I, S. 642, 656 sowie Betriebsverfassungsgesetz 1952 v. 11. Oktober 1952, BGBl. I, S. 681; zudem die Nachzeichnung der Debatte bei Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 423 ff. 506 So die Einwände Geßlers, nachgewiesen bei Bahrenfuss, Entstehung des Aktiengesetzes, S. 672. 507 Siehe dazu Geßler, nachgewiesen bei Bahrenfuss, Entstehung des Aktiengesetzes, S. 674. 508 So etwa W. Koch, in: Die Neugestaltung des Aktienrechts und Umgründung einer o.H.G. in eine Kapitalgesellschaft, 1948, S. 7, 19 ff.; ebenfalls für einen größeren Einfluss des Aufsichtsrats Hardach, DB 1952, 293.

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eingeräumt werden sollte509. In diesem Zusammenhang wurde zudem diskutiert, ob dem Aufsichtsrat ein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand zustehen soll510; letztendlich lehnte man all diese Ideen wegen der klaren Aufgabentrennung des Aktiengesetzes, die beibehalten werden sollte, ab511. Vielversprechender war das Vorbringen des Gesetzgebers, eine schärfere Berichtspflicht des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat in Fragen der Geschäftspolitik und bei größeren Investitionsvorhaben zu etablieren, vgl. § 85 Abs. 1 Nr. 1 und 3 RefE. Damit sollte die Stellung des Aufsichtsrats als Überwachungsorgan des Vorstands weiter an Profil gewinnen. Der Aufsichtsrat war demgegenüber nach § 85 Abs. 6 RefE verpflichtet, zu den Berichten des Vorstands ausdrücklich Stellung zu beziehen. Mithin war er nicht nur auf die bloße Kenntnisnahme beschränkt512. Die erweiterte Berichtspflicht als auch die Verpflichtung zur Stellungnahme des Aufsichtsrats sahen sich in der Literatur zahlreicher –nicht nur positiver – Kritik ausgesetzt. So führe nach Flume die verschärfte Berichtspflicht dazu, dass die strikte Aufgabentrennung der Unternehmensverfassung „fast preisgegeben [werde]“513. Zwar sei der Vorstand nach § 86 Abs. 6 Satz 2 RefE nicht an die Stellungnahme gebunden. Jedoch verursachen solche Bestimmungen faktische Zwänge, denen der Vorstand sich beugen würde. Weitere kritische Stimmen schlossen sich den Bedenken Flumes an und verglichen die Kombination aus verschärfter Berichtspflicht des Vorstands und der Pflicht des Aufsichtsrats zur Stellungnahme mit der Einführung des Board-Systems. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Verpflichtung zur Stellungnahme den Aufsichtsrat berechtige, auch auf Einzelgeschäfte Einfluss zu nehmen514. Der Gesetzgeber griff diese Bedenken auf und beließ es allein bei der Erweiterung der Berichtspflicht. Man hielt es als eine Selbstverständlichkeit, dass sich der Aufsichtsrat mit den Berichten auseinandersetzen musste515. Eine weitere Modifizierung erhielt das Auskunftsrecht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds. War es nach § 95 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 AktG 1937 noch erforderlich, dass bei einem Versagen der Auskunft durch den Vorstand, die Auskunftserteilung daran gekoppelt war, ob der Vorsitzende des Aufsichtsrats das Ansinnen des Mitglieds unterstützte, genügte es nun, wenn ein beliebiges Mitglied ihn unterstützte, § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG 1965. Die Unterstützung durch den Auf509 So Dürrhammer, DB 1951, 765, 766; sowie die Stellungnahmen des DAV, referierend bei Barz, AG 1961, 149; gegen diese Position Jagenburg, AG 1965, 156, 161 f. 510 Siehe DAV, nachgewiesen bei Bahrenfuss, Entstehung des Aktiengesetzes, S. 291, 668, 676 f, 681. 511 Dazu umfassend und mit weiteren Nachweisen Bahrenfuss, Entstehung des Aktiengesetzes, S. 669. 512 Vgl. BMJ, RefE, S. 238. 513 Flume, RefE, S. 9; a.A. hingegen Duden, BB 1958, 1101, 1103; W. Koehler, JZ 1959, 110, 112. 514 Vgl. Ausführungen bei Bahrenfuss, Entstehung des Aktiengesetzes, S. 677 f. 515 Dazu Kropff, AktG 1965, S. 120.

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

sichtsratsvorsitzenden sah man als verzichtbares Erfordernis, das seinen Ursprung im „Führerprinzip“ hatte516. Daneben galt es, die durch das Aktiengesetz von 1937 zurückgedrängte Stellung der Hauptversammlung aufzuwerten. So oblag ihr die Befugnis zur Verwendung des Jahresüberschusses (§§ 58, 119 I Nr. 2, 153 ff., 172 f. AktG 1965). Zudem wurde das Auskunftsrecht der Aktionäre erweitert, § 131 AktG 1965. Ebenso wurde die Stellung der Minderheitsaktionäre aufgewertet, indem die Erfordernisse zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen, zur Durchführung von Sonderprüfungen (vgl. §§ 147, 142 AktG 1965) und zur Geltendmachung von Beschlussmängeln der Hauptversammlung (§§ 243 ff., 256 AktG 1965) herabgesetzt wurden. Ergänzt wurden diese Befugnisse mit der Erweiterung von Publizitätspflichten (vgl. §§ 151 ff., 160 AktG 1965). Ebenfalls im Sinne der Hauptversammlung wertete man die Regelungen zur Zusammensetzung des Aufsichtsrats (§ 100 Abs. 2 AktG 1965) als auch die Stärkung seiner Befugnisse gegenüber dem Vorstand (§ 90 AktG 1965). Bezeichnend für das Verständnis über das Machtverhältnis der einzelnen Organe zueinander und ebenfalls ein Beleg für die Aufwertung des Hauptversammlung ist die – in der Praxis leider untaugliche517 – Regelung des § 111 Abs. 4 Satz 3 – 5 AktG 1965, die vorsieht, dass dem Vorstand das Recht zusteht sich, bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Aufsichtsrat über zustimmungspflichtige Geschäfte, an die Hauptversammlung zu wenden. Hier stand besonders die Bedeutung der Hauptversammlung als zuletzt entscheidendes Organ im Mittelpunkt; praxisrelevant war die Bestimmung hingegen nicht. Insgesamt lässt sich zur Unternehmensverfassung festhalten, dass sie in ihrer Grundkonstellation beibehalten und im Besonderen nur terminologisch überarbeitet wurde. Als eine der wenigen Veränderungen ist die erweiterte Berichtspflicht nach § 90 AktG 1965 zu nennen. Das BMJ wollte damit die Informationsversorgung des Aufsichtsrats verbessern und die Überwachungstätigkeit aktivieren518. Weitergehende Vorschläge zur Reform der Unternehmensverfassung wurden nicht verwirklicht.

C. Auswirkungen auf die Frage der Zulässigkeit und Erforderlichkeit von Organklagen Das Aktiengesetz von 1965 kannte – wie schon das Aktiengesetz von 1937 – keine Organklagen als solche, die dem Aufsichtsrat zur Erfüllung seiner Überwachungsfunktion zur Verfügung gestellt wurden. Allerdings ist die Bedeutung der Novelle von 1965 für die Frage nach Organklagen nicht von geringer Natur. Zwar enthielt die 516

Dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 564. Vgl. dazu Franta, DB 1958, 1347, 1352; Natzel, AG 1959, 33, 37 sowie in der Nachbetrachtung Vogel, Aktienrecht und Aktienwirklichkeit, S. 222. 518 Vgl. Bahrenfuss, Entstehung des Aktiengesetzes, S. 688. 517

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Novelle für die Unternehmensverfassung keine Änderungen. Allerdings wurde die Frage nach der Macht in der Gesellschaft (wieder) aufgegriffen und im Entstehungsprozess zur Diskussion gestellt. Hervorzuheben ist dabei das Bekenntnis des Gesetzgebers, die seit der Aktienrechtsnovelle von 1937 bestehende Satzungsstrenge beizubehalten und eine klare Kompetenzverteilung auch für das Aktiengesetz von 1965 vorzusehen. Insbesondere die Beibehaltung des Verbots zur Übertragung von Geschäftsführungsbefugnissen auf den Aufsichtsrat (§ … AktG 1965) stellt eine klare Positionierung zur vorgefundenen Machtlage dar. Zugleich blieb die wesentliche Frage, welches Organ der Gesellschaft als das Machtorgan angesehen werden kann, unbeantwortet. Die auf die Aktienrechtsnovelle von 1937 zurückgehende und bei der Aktienrechtsnovelle von 1965 vorgefundene Unternehmensverfassung galt als die bestmöglichste Lösung, um den Gefahren wie Machtmissbrauch einzelner Organe und Misswirtschaft, die vor der Novelle von 1937 die Aktiengesellschaften plagten, Herr zu werden. Die Festlegung eines Organs als Machtorgan hätte den gefundenen Ausgleich aus der Balance gebracht. Daher stellt sich wiederum die Frage, ob in innerorganschaftlichen Konfliktsituationen, Organklagen als Lösung des Konflikts in Betracht zu ziehen sind. Hier kann – bezogen auf die Verletzung von Organkompetenzen – auf die Ausführungen zur Novelle von 1937 verwiesen werden. Unterschiedlich zu bewerten sind allerdings die Personenkreise, die dem Aufsichtsrat angehörten. Denn seit 1951 (Montan-Mitbestimmungsgesetz519) und 1952 (Betriebsverfassungsgesetz520) wurde die Arbeitnehmermitbestimmung wieder in den Gesellschaften etabliert, die einen wesentlichen Aspekt zur Frage, inwiefern Organklagen für erforderlich gehalten werden, darstellt521. Im Übrigen ist diesbezüglich keine andere Bewertung vorzunehmen. Durch die Ergänzung des Gesetzgebers zum Berichts- und Auskunftsrecht des Aufsichtsrats dahingehend, dass dieser zu Fragen der Geschäftspolitik und bei größeren Investitionsvorhaben vom Vorstand Auskunft verlangen konnte, sollte die Überwachungs- und Kontrollfunktion durch den Aufsichtsrat effizienter ausgestaltet werden. Ob damit dem Aufsichtsrat ein klagbares Recht zur Seite gestellt wurde, wird in den Materialien nicht ausgeführt. Es ist davon aber auszugehen, dass der Gesetzgeber im Verhältnis der Organe zueinander eine klagbare Auseinandersetzung über das „ob“ und „wie“ der Auskunftsrechte für nicht möglich erachtete und damit dem herrschenden Verständnis folgte, dass innerhalb eines Verbandes keine rechtsfähigen Subjekte existieren können. Überdies sah man (noch) kein praktisches Bedürfnis. Dies mag zumindest in der Hinsicht irritierend sein, wenn man bedenkt, wie ein Aufsichtsrat reagieren soll, wenn der Vorstand ohne Angabe von Gründen die 519

Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie v. 7. Mai 1951, BGBl. I, S. 642, 656. 520 Betriebsverfassungsgesetz 1952 v. 11. Oktober 1952, BGBl. I, S. 681. 521 Dazu ausführlich unter § 15.

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

Auskunft verweigert. Finden sich die Organmitglieder damit ab, vernachlässigen sie ihre Überwachungspflicht und haften unter Umständen der Gesellschaft gegenüber, wenn die mangelhafte Überwachung einen Schaden für die Gesellschaft verursachte. Die Berichtspflichten nach § 90 AktG nicht als klagbare Rechte anzusehen, bedeutet die Berichts- und Auskunftsrechte des Aufsichtsrats nur als Hilfsmittel zur Überwachung des Vorstands zu begreifen, wenn dieser den Wunsch nach Überwachung akzeptiert. Dies widerspricht allerdings dem Gedanken des ausgeglichenen Machtverhältnisses der Organe untereinander.

D. Erkenntnisse Mit dem Aktiengesetz von 1965 bekannte sich der Gesetzgeber zur dualistischen Organisationsverfassung und der strikten – nicht durch Satzung modifizierbaren – Kompetenztrennung der einzelnen Organe. Man erachtete die damit gefundene Aufteilung als bestmöglichste Lösung, um eine interessengerechte Machtbalance innerhalb der Aktiengesellschaft zu schaffen. Vor allem bestand das Hauptaugenmerk darin, die Terminologie von der nationalsozialistischen Ideologie zu befreien. Es hatte sich gezeigt, dass tiefgreifende Änderungen nicht notwendig waren, da die Unternehmensverfassung des AktG von 1937 eine interessengerechte, nicht allein auf ideologische Belange gestützte Konstruktion war. Nur in geringem Umfang nahm der Gesetzgeber Korrekturen vor. So wurde die Stellung der Hauptversammlung aufgewertet, indem ihr wesentliche Befugnisse übertragen wurden. Zudem sprach ihr das Gesetz eine Art Endentscheidungsrecht zu: Verweigerte der Aufsichtsrat die Zustimmung für eine Geschäftsführungsmaßnahme, konnte der Vorstand die Klärung durch die Hauptversammlung verlangen, § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG 1965. Obwohl die Vorschrift in der Praxis wenig Bedeutung erfuhr, wird deutlich, dass zumindest in einer symbolischen Art und Weise die besondere Stellung der Hauptversammlung hervorgehoben werden sollte. Lieder hebt ebenso die Stärkung der Stellung des Aufsichtsrats durch die Erweiterung der Berichts- und Auskunftsrechte als Stärkung der Stellung der Aktionäre hervor522. Indem dieser die Geschäftsführung besser überwachte, handelte er zugleich im Interesse der Aktionäre. Während die Überwachungsfunktion den Schwerpunkt der Tätigkeit bildete, gerieten die Beratungs- und Repräsentationsfunktion – die auch noch während der Geltung des Aktiengesetzes von 1937 zumindest gleichberechtigt nebeneinander standen – in den Hintergrund. Damit wurde zugleich der Grundstock für die Professionalisierung des Aufsichtsrats gelegt. Denn die dem Aufsichtsrat zur Seite gestellten Kompetenzen, wie die Erweiterung der Berichts- und Auskunftspflichten des Vorstands, als auch die Festlegung von Zustimmungsvorbehalten führten dazu, dass der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan an Fragen der Geschäftsführung partizipiert, ohne selbst Geschäftsführungsorgan zu sein. Die Ent522

Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 476.

§ 15 Die Wiedereinführung der Unternehmensmitbestimmung

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wicklung der letzten 30 Jahre zeigt zudem, dass die Rolle des Aufsichtsrats als beratendes Organ erstarkt ist. Die Grundlage für diese Entwicklung ist der Aktienrechtsnovelle von 1965 zuzuschreiben. Erheblicher Einfluss während des Reformprozesses ging von den Interessenverbänden der Gewerkschaften aus. Seit 1952 gehörten Vertreter der Arbeitnehmer wieder den Überwachungsorganen der Aktiengesellschaften an. Folglich wurden auch während des Gesetzgebungsverfahrens zahlreiche Vorschläge zur Reform des Aktienrechts unterbreitet. So sind die verschärften Inkompatibilitätsregeln für Aufsichtsratsmitglieder und die Erweiterung von Publizitätspflichten auf die Vorschläge von DGB und DAG zurückzuführen523. Gleiches gilt für die Begrenzung der Anzahl der Aufsichtsratsmandate, um möglichen Interessenskonflikten vorzubeugen. Der Gesetzgeber konnte sich den Vorschlägen nicht immer verschließen und verwies auf wirtschafts- und gesellschaftspolitische Interessen, die für bzw. gegen eine Regelung sprachen. Damit zeigt sich, dass die Beteiligung der Arbeitnehmer zu einer Erweiterung der zu berücksichtigenden Interessen führte. Die Unternehmensmitbestimmung ist ein wesentlicher Aspekt für die Frage, wie die Machtbalance innerhalb der Unternehmensverfassung erzielt und ob für die Erreichung und Beibehaltung der Balance, Organklagen in Betracht kommen.

§ 15 Die Wiedereinführung der Unternehmensmitbestimmung als Grundlage gegenwärtiger innerorganschaftlicher Konflikte A. Hintergründe der Wiederbelebung Durch das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit von 1934524 wurden die Vertreter der Arbeitnehmer aus dem Aufsichtsrat ausgeschlossen. Ihre Beteiligung im Überwachungsorgan einer Aktiengesellschaft entsprach nicht den nationalsozialistischen Vorstellungen zur Arbeitnehmerschaft. Die Regelung ist vor allen auf ideologische und politische Gründe zurückzuführen, da vor allem die Angehörigen des Betriebsrats dem sozialdemokratischen oder kommunistischen Lager zuzurechnen waren525. Bis dahin erfolgte die Berufung der Arbeitnehmervertreter nach § 70 Betriebsrätegesetz durch den Betriebsrat der Gesellschaft. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs dauerte es erst bis 1951, bis im Recht der Bundesrepublik eine einheitliche Regelung verabschiedet wurde, die mit der Mitbestimmung aus den 1920er Jahren vergleichbar war. Zuvor hatte die britische Militärverwaltung im Jahre 523

Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 430 ff. sowie 477; zudem Bahrenfuss, Entstehung des Aktiengesetzes, S. 675. 524 Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit v. 20. Januar 1934, RGBl. I, S. 45. 525 Siehe dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 277 f.; Plumpe, Betriebliche Mitbestimmung in der Weimarer Republik, 1999, S. 58 ff.

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

1946 eine paritätische Mitbestimmung für Unternehmen eingeführt, die der MontanIndustrie angehörten526. Ein Jahr später galt durch das Betriebsverfassungsgesetz eine Drittel-Mitbestimmung der Arbeitnehmer für alle Aktiengesellschaften, § 76 BetrVG 1952. Allerdings wurden die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nicht mehr von den Betriebsräten entsandt, sondern von den Mitarbeitern der Gesellschaft gewählt. Damit sollte die Unabhängigkeit der Arbeitnehmervertreter von den Betriebsräten gewährleistet werden527. In den weiteren Jahren wurden vereinzelt Verfahrensvorschriften an die neuen Regelungen angepasst528. Allerdings gab es im Rahmen der Aktienrechtsreform von 1965 keine Änderungen im Recht der Mitbestimmung529.

B. Die paritätische Mitbestimmung nach dem MitbestG von 1976 Am 4. 5. 1976 wurde in der Bundesrepublik mit dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer530 die paritätische Mitbestimmung für alle Aktiengesellschaften mit in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmern, die nicht dem MontanMitbestimmungsgesetz unterfielen, eingeführt, §§ 1 Abs. 1, 5 MitbestG 1976. Um dem Schutz des Eigentums der Anteilseigner aus Art. 14 GG gerecht zu werden, wurden in § 29 Abs. 2 MitbestG 1976 dem Aufsichtsratsvorsitzenden bei Stimmengleichheit für die anschließende Abstimmung zwei Stimmen zuerkannt. Nach § 27 Abs. 2 Satz 2 MitbestG 1976 waren die Anteilseigner berechtigt, den Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu wählen, wenn im ersten Wahlgang die erforderliche Mehrheit (§ 27 Abs. 1 MitbestG 1976) nicht erreicht wurde. Nichtsdestotrotz wurde der Einfluss der Arbeitnehmervertreter in einem vorher noch nicht gekannten Maße verstärkt531. Dies führte dazu, dass auf Seiten der Anteilseigner versucht wurde, die Einflüsse des Arbeitnehmerlagers zu beschränken, indem die Organisationsverfassung des Aufsichtsrats zum Gegenstand des Gestaltungsspielraums der Satzung gemacht wurde. So beabsichtigte man die Position eines zweiten Stellvertreters – dessen Zulässigkeit dem § 27 MitbestG 1976 nicht entgegenstand – dem Lager der Anteilseignervertreter zuzuschreiben, was der BGH in seiner Siemens-Entscheidung als mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Aufsichtsratsmitglieder nicht zu vereinbaren sah532. Darüber hinaus führte er aus, dass die Satzung nicht in die Or526 Vgl. Potthoff, Zur Geschichte der Mitbestimmung, in: Potthoff/Blume/Duvernell, Zwischenbilanz der Mitbestimmung, 1962, S. 1 ff. 527 So Lutter, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, Kap. 8 Rn. 57. 528 Zusammenfassend bei Lutter, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, Kap. 8 Rn. 58 ff. 529 Vgl. Lutter, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, Kap. 8 Rn. 64 ff. 530 BGBl. I, 1976, S. 1153. 531 Ausführlich zu Einzelheiten Lutter, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, Kap. 8 Rn. 81. 532 BGHZ 83, 106, 112 – Siemens.

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ganisationsfreiheit des Aufsichtsrats bezüglich seiner Gestaltung und Ordnung eingreifen dürfe533. Diese beiden zentralen Aussagen wurden sowohl in der DynamitNobel-Entscheidung534 (Besetzung von Ausschüssen) als auch in der Bilfinger&Berger-Entscheidung535 (Satzungsbestimmung über die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats) weiter präzisiert und gestärkt. Zu Recht geht der BGH auf die Möglichkeit ein, dass eine der beiden Seiten aufgrund der Organautonomie missbräuchlich handeln könnte, indem nur sie in einem Ausschuss vertreten ist. Zwar könne dies grundsätzlich nicht als rechtswidrig gewertet werden, jedoch müsse eine solche Besetzung auf sachlichen Gründen beruhen536. Der mitbestimmte Aufsichtsrat setzt sich folglich nicht aus unterschiedlichen Qualitätsmandaten – dem niederen Arbeitnehmervertreter und dem höherrangigen Anteilseignervertreter – zusammen, sondern aus gleichberechtigten und gleichverpflichteten Mitgliedern besteht. In einer Reihe von Entscheidungen präzisierte der BGH die Pflichten des Gesamtorgans als auch die der einzelnen Mitglieder537. Darüber hinaus obliegt dem Aufsichtsrat als Gesamtorgan die Autonomie über die eigene Organisationsverfassung, die nicht zum Gegenstand der Satzung erhoben werden kann. Damit erkannte der BGH zugleich an, dass dem Aufsichtsrat eine eigene Rechtsposition innerhalb der Gesamtorganisation Aktiengesellschaft zukommt. Die paritätische Teilhabe der Arbeitnehmervertreter an den Entscheidungen des Aufsichtsrats führte dazu, dass die innerorganschaftliche Meinungs- und Interessenvielfalt erheblich zunahm, folglich eine kritischere Auseinandersetzung mit der Arbeitsweise des Vorstands erfolgte. Allerdings wuchs zugleich das innerorganschaftliche Konfliktpotential in ebenso gleicher Weise an. Dass damit zugleich das Verhältnis des Aufsichtsrats zum Vorstand belastet wurde, war nur eine logische Folge. Die Funktion und Arbeitsweise des Aufsichtsrats musste unter dieser Neuzusammensetzung eines Personenkreises erstmalig ergründet werden. Nur so lassen sich auch die unzähligen Entscheidungen des BGH über die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder verstehen. Dem Überwachungsauftrag des Aufsichtsrats hat die Beteiligung der Arbeitnehmer keine Nachteile, sondern vor allem eine kritischere Auseinandersetzung mit der Vorstandstätigkeit gebracht.

C. Verfassungsrechtliche Bedenken Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens des MitbestG 1976 wurden unzählige Gutachten über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zur Unterneh533

BGHZ 83, 106, 114 – Siemens. BGHZ 83, 144 – Dynamit-Nobel. 535 BGHZ 83, 151 – Bilfinger&Berger. 536 Lutter, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, Kap. 8, Rn. 85 spricht von einem „Begründungszwang bei sehr einseitigem Vorgehen“. 537 Zur Eigenverantwortlichkeit von Aufsichtsratsmitgliedern BGHZ 64, 342 – Bayer; BGHZ 85, 293 – Hertie; zu Fragen der Vergütung BGHZ 114, 127; BGHZ 126, 340. 534

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

mensmitbestimmung eingeholt538. Im Nachhinein handelte es sich um eine kontrovers und vor allem rechtspolitisch geführte Debatte, die aufgrund ihrer (scheinbaren) europarechtlichen Unvereinbarkeit auch heute noch fortwirkt539. Die eingeführte Bestimmung, die bei Geltung einer kupierten Parität den Anteilseignern ein Übergewicht zusprach (vgl. die schon oben angesprochenen §§ 29 Abs. 2, 27 Abs. 2 Satz 2 MitbestG 1976), war nach Ansicht des Gesetzgebers mit dem Grundgesetz vereinbar. Es dauerte nicht lange, bis sich das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1979 mit den Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes auseinandersetzen musste und zu dem Ergebnis kam, dass das MitbestG 1976 mit den Grundrechten (Artt. 9, 12, 14 GG) der betroffenen Gesellschaften, der Anteilseigner als auch der Koalitionen der Arbeitgeber zu vereinbaren sei540 : Dem Gesetzgeber hat das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der tatsächlichen Wirkungen zuerkannt, die im Rahmen der verfassungsrechtlichen Bewertung zu berücksichtigen sind541. Insofern sind die Regelungen zur Mitbestimmung mit dem Grundgesetz zu vereinbaren.

D. Auswirkungen auf die Frage der Zulässigkeit und Erforderlichkeit von Organklagen Durch das MitbestG von 1976 (sowie den Regelungen der Montanmitbestimmung) erlangten die Arbeitnehmer einen bis zu diesem Zeitpunkt nie da gewesenen Einfluss auf die Entscheidungsfindung einer (mitbestimmten) Aktiengesellschaft. Der Aufsichtsrat, der bis dahin als ein interessenmonistisches Organ bezeichnet werden konnte, wandelte sich durch die Einbeziehung der Arbeitnehmerbank zu einem interessendualistischen Organ542. Dies hatte nicht nur zur Folge, dass Arbeitnehmerbelange in größerem Maße bei Aufsichtsratsentscheidungen berücksichtigt wurden, sondern auch, dass der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan die Tätigkeit des Vorstands kritischer beurteilte543. Folge dieser Entwicklung war eine Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Aufsichtsrat und Vorstand. Ebenso kam es aufgrund der Bestrebungen der Vertreter der Anteilseigerseite, den Einfluss der Arbeitnehmervertreter so gering wie möglich zu halten, indem Kompetenzen im Wege der Satzungsgestaltung der Entscheidungsautonomie des Gesamtorgans entzogen werden sollten, zu innerorganschaftlichen Spannungen zwischen beiden Seiten. Die auf einzelne Streitigkeiten resultierenden Entscheidungen des BGH 538

Vgl. dazu die Aufzählung bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 16 IV Fn. 148. Ausführlich zum dogmatischen, historischen und rechtspolitischen Hintergrund K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 16 IV 1 a). 540 BVerfGE 50, 290. 541 BVerfGE 50, 290, 332; dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 16 IV 1 g). 542 So bereits Bauer, Organklagen, 1986, S. 13. 543 Dazu bereits oben § 15 B.; sowie Bauer, Organklagen, 1986, S. 13. 539

§ 15 Die Wiedereinführung der Unternehmensmitbestimmung

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(Siemens, Dynamit-Nobel, Bilfinger&Berger) führten zu einer nochmaligen Klarstellung der gleichberechtigten Stellung der Arbeitnehmervertreter. So überrascht es auch nicht, dass der bisher einzige vom BGH entschiedene Organklagesachverhalt („Opel“544) auf Bestrebungen der Arbeitnehmerbank zurückzuführen ist545. Zwar wurde in der historischen Betrachtung deutlich, dass seit der Gründerkrise 1884 die Interessenpluralität im Aufsichtsrat aufgrund seiner vielfältigen Zusammensetzung (Vertreter von Gläubigern, von in geschäftlichen Beziehungen stehenden Unternehmen, von Gründern, von Großaktionären) in stetigem Maße zunahm, wenngleich die Mitglieder grundsätzlich als Vertreter der Anteilseigner agierten. Allerdings kam es wegen der bis 1937 geltenden Kompetenzverfassung, die im Wege der Satzungsregelung dem Aufsichtsrat ein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand zukommen lassen konnte, nie zu einem – in ähnlicher Weise vergleichbaren – Interorgankonflikt, der gerichtlich entschieden werden musste. Die Machtposition innerhalb der Aktiengesellschaft hatte das weisungsgebende Organ (meist der Aufsichtsrat) inne. Der Vorstand agierte nur als Ausführungsorgan. Einen Einblick in das Verhältnis der Organe zueinander wurde bereits durch die Ausführungen des Reichsoberhandelsgerichts von 1878546 gegeben. Demgemäß hatte der Vorstand den Weisungen des Aufsichtsrats Folge zu leisten. Erst durch die klare Kompetenztrennung der Aktienrechtsnovelle von 1937 wurde mit dieser Praxis gebrochen. Daneben erscheint es auch fraglich, ob innerhalb des Aufsichtsrats – als bis dato interessenmonistisches Organ – ein mit dem Arbeitnehmerlager vergleichbares Konfliktpotential angelegt war. Die Analyse der zeitgenössischen Literatur ergab, dass der Aufsichtsrat vor allem als Repräsentationsorgan, nicht als Überwachungsorgan betrachtet wurde. Divergierende Ansichten innerhalb dieses Gremiums waren zwar nicht unüblich, jedoch ist nicht ersichtlich, dass offene Konflikte innerhalb des Gremiums oder gegenüber dem Vorstand in vergleichbarem Maße hervortraten, insbesondere da dem Aufsichtsrat ein Weisungsrecht zustehen konnte und oftmals auch zustand. Insofern hat die auf dem MitbestG 1976 beruhende Beteiligung der Arbeitnehmer am Entscheidungsprozess im Aufsichtsrat einer betroffenen Aktiengesellschaft erheblich zur Herbeiführung von Konfliktsituationen beigetragen. Da den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat die gleiche Rechtsstellung zukommt wie den Anteilseignervertretern stehen ihnen die im Rahmen der Aktienrechtsnovelle von 1965 diskutierten Auskunfts- und Kompetenzschutzrechte zu.

544

BGHZ 106, 54 – Opel. Zum Urteil ausführlich § 20 C.; dass aus der Mitbestimmung keine besondere Klagebefugnis folgt, ist überwiegend anerkannt, siehe ausführlich dazu § 19 C.III.1.; a.A. LG Darmstadt ZIP 1986, 1389. 546 ROHGE 21, 375, 376. 545

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

§ 16 Die Entwicklungen der Kompetenzordnung seit 1965 bis heute A. Die Aktiengesellschaft nach 1965 bis in die 1990er Jahre I. Die Reformruhephase im Aktienrecht Die Entwicklung des Aktienrechts bis in die frühen 1990er Jahre kann als „Phase relativer Konstanz“547 bezeichnet werden. Zwar gab es sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene Reformen und Gesetzesänderungen548, allerdings waren diese überschaubar und von überwiegend geringer Bedeutung für die Gesellschaften. Als einzige wirkliche Ausnahme von dieser „Reform-Ruhephase“ gilt die Einführung der paritätischen Mitbestimmung im Jahre 1976. Das MitbestG 1976 enthält Bestimmungen, die die Regelungen des Aktiengesetzes überlagern. Gleichzeitig führte die deutsche Mitbestimmung dazu, dass der Prozess der europäischen Rechtsangleichung für Jahrzehnte blockiert wurde549. Das Gros des europäischen Auslands kannte solche Regelungen nicht. Ein weiterer Grund für dieses behäbige Entwicklungstempo im Aktienrecht ist auf die gering ausgeprägte kapitalmarktrechtliche Verknüpfung der europäischen Staaten zurückzuführen550. Die Wahrnehmung europäischer Grundfreiheiten steckte in ihren Kinderschuhen. Aus aktienrechtlicher Sicht bezeichnend kann die Einstellung des Baumbach/Hueck – ein Standardwerk des Aktienrechts – nach der 13. Auflage bezeichnet werden. In einem Rechtsgebiet, das keine neuen Entwicklungen erlebt, kann keine wissenschaftliche Diskussion stattfinden.

II. Die Wiederbelebung des Aktienwesens – „Aktienrechtsreform in Permanenz“ Diese Ruhephase änderte sich mit dem Gesetz für die „kleine AG“ aus dem Jahre 1994551. Nach Karsten Schmidt begann damit ein Prozess der Reform von innen her552. Andere sprachen vom Beginn der „Aktienrechtsreform in Permanenz“553. Der Gesetzgeber beabsichtigte, die Rechtsform der Aktiengesellschaft auch für mittel547

So Habersack/Schürnbrand, in: Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 1 Kap. 17, Rn. 4. Vgl. die Aufzählung sämtlicher Änderungsgesetze bei Habersack, in: MünchKomm. AktG, Einl. Rn. 33 ff. 549 Ebenso Lutter, in: Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 2 Kap. 8, Rn. 123. 550 Ebenso Habersack/Schürnbrand, in: Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 1 Kap. 17, Rn. 4. 551 Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2. August 1994, BGBl. I, S. 1961. 552 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 26 II 2 h. 553 So Zöllner, AG 1994, 336 ff. 548

§ 16 Entwicklungen der Kompetenzordnung seit 1965 bis heute

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ständische Unternehmen attraktiv zu machen und die als unzureichend empfundene Eigenkapitalausstattung zu verbessern554. Als methodische Umsetzung bestand daher die Möglichkeit, den Kapitalmarkt auch für andere Gesellschaftsformen als Aktiengesellschaft und Kommanditgesellschaft auf Aktien zu öffnen555. Dieser Idee folgte der Gesetzgeber allerdings nicht, sondern entschied sich für die auf Lutter und Albach zurückgehende Differenzierung zwischen börsennotierten („großen“) und nicht börsennotierten („kleinen“) Aktiengesellschaften556. Auswirkungen hatte die Reform auch auf das Mitbestimmungsrecht: So waren nun neu gegründete Aktiengesellschaften, die in der Regel nicht mehr als 500 Mitarbeiter haben, nicht mehr der Unternehmensmitbestimmung unterworfen, selbst dann nicht, wenn sie nicht den Charakter einer Familiengesellschaft aufweisen557. Nur mittelbare Auswirkungen hatte das Gesetz über die „kleine AG“ auf die Organisationsverfassung, wenn man die Besetzung des Aufsichtsrats mit Vertretern der Arbeitnehmerseite berücksichtigt, die nun nach der neuen Mitbestimmungsregelung für „kleine“ Aktiengesellschaften nicht mehr erforderlich war. Insofern wurde die Interessenpluralität im Aufsichtsrat durch die Beschränkung der Unternehmensmitbestimmung eingegrenzt558. Der Einfluss des Kapitalmarkts auf das Recht der Aktiengesellschaft wuchs stetig und mit immer größer werdendem Tempo. Parallel dazu wuchsen die Internationalität des Tätigkeitsbereichs der Gesellschaften und die Internationalität der Zusammensetzung ihres Aktionärskreises. Diese Entwicklungen führten dazu, dass neben den nationalen Vorschriften, europäische Vorgaben traten und der Begriff der Corporate Governance sich auch im deutschen Rechtsraum559 etablierte. Die Variationen an Definitionen für den Begriff der Corporate Governance sind vielfältig. Grundsätzlich sind damit Fragen der effektiven Leitungsstruktur, der Etablierung eines Regelwerkes zur Unternehmenskontrolle sowie Fragen der Rechnungslegung erfasst560. Auf nationaler Ebene wurde mit Einführung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) ein Regelwerk zur „guten Unternehmensführung“ 554

Vgl. Habersack/Schürnbrand, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 17 Rn. 8. Siehe Kommission „Zweiter Börsenmarkt“, Börsenzugang für kleine und mittlere Unternehmen, 2 Bde., 1987 und 1989; dazu Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181; Assmann, in: GroßKomm. AktG, Einl. Rn. 493; Marsch-Barner, in: HdB börsennotierte AG, § 1 Rn. 2. 556 Albach/Corte/Friedewald/Lutter/Richter, Deregulierung des Aktienrechts, S. 34 ff.; dazu Assmann, in: Großkomm. AktG, Einl. Rn. 497 ff.; kritisch zu zum ursprünglich erdachten Drei-Stufen-Modell Wiesner, WM 1988, 1841. 557 Zu den Problemen der getroffenen Stichtagsregelung siehe Henssler, ZfA 2000, 241, 259 f. 558 Vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 DrittelbG sowie Habersack/Schürnbrand, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 17 Rn. 9. 559 Siehe dazu vor allem Hopt, ZHR 175 (2011), 444, 446 f.; Lutter, ZGR 2001, 224; zur Geschichte der Corporate Governance Frentrop, A History of Corporate Governance, 1602 – 2002, 2002/2003; Morck, A History of Corporate Governance, 2005. 560 Dazu Hopt, ZGR 2000, 779, 782; Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 150 ff., 166 ff. 555

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

geschaffen. Es besteht aus Empfehlungen („Soll“-Vorschriften) und Anregungen („Kann“- und „Sollte“-Vorschriften), die mangels Gesetzescharakters des Kodizes nicht bindend sind. Jedoch sind Vorstand als auch Aufsichtsrat dazu verpflichtet, offenzulegen, inwieweit dem Kodex gefolgt wurde, § 161 AktG. Corporate Governance setzt sich aus einem äußeren und einem inneren Bestandteil zusammen. Während der äußere Teil durch Transparenz (nach außen) gewährleisten soll, dass potentielle Investoren sich hinreichend über Risiken und die Lage der Gesellschaft informieren können, zielt der innere Teil auf die Unternehmensleitung und Unternehmensüberwachung ab. Insbesondere die Fragen der Unternehmensüberwachung haben innerhalb der letzten beiden Jahrzehnte erheblich an Bedeutung gewonnen, bzw. sind diese in das Bewusstsein von Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder geraten. Einen wesentlichen Anteil haben daran die Börsennotierungen großer deutscher Gesellschaften an internationalen Handelsplätzen und deren listing rules, die bei Verstößen empfindliche Strafzahlungen vorsahen und immer noch vorsehen.

B. Das KonTraG von 1998561 Das KonTraG stellte die erste Reaktion des Gesetzgebers dar, das Aktiengesetz an die Bedürfnisse des internationalen Kapitalmarkts auszurichten562. In § 3 Abs. 2 AktG wurde legal definiert, wann eine Gesellschaft als börsennotiert galt. Damit griff der Gesetzgeber die bereits beim Gesetz zur „kleinen AG“ vorgenommene Unterscheidung zwischen kapitalmarktorientierten und börsenfernen Gesellschaften auf. Die grundsätzliche Organisationsverfassung des Aktiengesetzes von 1965, bestehend aus Leitung durch den Vorstand und Kontrolle durch den Aufsichtsrat, wurde nicht angetastet. Infolge der kapitalmarktorientierten Ausrichtung der Unternehmensstrategie auf potentielle Anleger sah der Gesetzgeber es allerdings als geboten an, Publizität, Transparenz, Kommunikation und Effizienz der Kontrolltätigkeit zu verbessern563. Daneben ist der Entschluss für die Reform auf eine nicht geringe Anzahl von Unternehmenszusammenbrüchen zurückzuführen, die auf erhebliche Mängel im Management durch den Vorstand, aber auch in der Überwachung durch den Aufsichtsrat hinwiesen564. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass diese bei genügend getroffenen Vorkehrungen verhindert hätten werden können565. 561 Das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. April 1998, vgl. BGBl. I, S. 786. 562 Vgl. Begr. RegE, BR-Drucks. 872/97, S. 24 f. 563 Habersack/Schürnbrand, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 17 Rn. 10. 564 Dazu Claussen, DB 1998, 177, als betroffene Gesellschaften genannt werden Schneider, Balsam, Metallgesellschaft, KHD; ebenso Beschlüsse, Verhandlungen des 61. DJT II/1, Nr. 4 (N 61). 565 Vgl. dazu die Zusammenfassung bei Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 484 f.

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Da vordergründig ein Kontrolldefizit in den niedergegangenen Gesellschaften ausgemacht wurde, standen vor allem die Regelungen zum Aufsichtsrat und Abschlussprüfer im Mittelpunkt der Reform566. Die durch die Novellen von 1937 und 1965 geschaffene Trennung zwischen Leitung und Überwachung hatte sich als Problem erwiesen. Zwar hatte der Aufsichtsrat das Recht auf Berichterstattung und Auskunft (§ 90 Abs. 1 und 3 AktG) und der Vorstand die Pflicht, dieser nachzukommen, allerdings kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan eine gewisse Ferne zum operativen Geschäft aufwies. Dieser Situation versuchte der Gesetzgeber damit zu begegnen, indem er den Aufsichtsrat professionalisierte567 und die Grundlage dafür schuf, dass man ihn heute als sog. mitunternehmerisches Organ bezeichnet568. Als Maßnahmen zur Professionalisierung sind die Konkretisierung der Berichtspflicht für Fragen der Unternehmensplanung (insbesondere Finanz-, Investitions- und Personalplanung) nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG569, die doppelte Zählung von Vorsitzmandaten (§ 100 Abs. 2 Satz 3 AktG) sowie die Erhöhung der Sitzungsfrequenz bei börsennotierten Gesellschaften (§ 110 Abs. 3 Satz 1 AktG)570, als auch die Angabe gegenüber der Hauptversammlung, welche Ausschüsse gebildet und wie viele Sitzungen abgehalten wurden, § 171 Abs. 2 Satz 2 AktG571. Beabsichtigt wurde damit das Verantwortungsbewusstsein und Engagement der Aufsichtsratsmitglieder zu steigern572. Zudem fiel nunmehr die Bestellung des Abschlussprüfers in die Zuständigkeit den Aufsichtsrats, § 111 Abs. 2 Satz 3 AktG, da dieser den Aufsichtsrat bei der Kontrolle des Vorstands zu unterstützen hatte und somit die Unabhängigkeit gegenüber dem Vorstand hervorgehoben werden sollte573. Dass Fragen der Überwachung einen zentralen Punkt des KonTraG bildeten, belegt zudem die Reformierung des § 147 AktG, der es der Aktionärsminderheit ermöglichen sollte, gegen Vorstand bzw. Aufsichtsrat Organhaftungsansprüche der 566 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 487 spricht vom „Herzstück der Novellierung“. 567 Dazu Lutter, NJW 1995, 1133 f.; ders., ZHR 159 (1995), 287, 307 ff.; Seibert, ZBB 1994, 349, 351 f. 568 Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 290 ff.; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 111 Rn. 5; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 111 Rn. 61 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 13; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 50 ff.; zur Wandlung der Organisationsverfassung und der Rolle des Aufsichtsrats siehe § 17 sowie Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 506 ff. 569 Zu den Hintergründen und der gelebten Praxis einer retrospektiven Betrachtung Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 513. 570 Dazu Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 290 ff.; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 111 Rn. 5; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 111 Rn. 61 ff.; Koch, in: Hüffer/ Koch, AktG, § 111 Rn. 13; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 50 ff. 571 Ausführlich Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 508 f. 572 Vgl. Krawinkel, Neuregelung, S. 41. 573 Weitergehend dazu Habersack/Schürnbrand, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 17 Rn. 11.

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Gesellschaft geltend zu machen574. Dass diese Änderungen letztendlich als unzureichend nur wenige Jahre durch das UMAG verworfen wurden575, mag allerdings ein Beleg dafür sein, welche immensen Schwierigkeiten bestehen, wenn Konflikte mit und zwischen Organen bzw. ihren Mitgliedern existieren576. Nichts anderes gilt daher für die Frage der präventiven Klärung von inter- und intraorganschaftlichen Konflikten. Der Gesetzgeber vermied es allerdings, dem Aufsichtsrat weitergehende Einwirkungsbefugnisse zur Seite zu stellen, da man davon ausging, dass der Aufsichtsrat in seiner gegenwärtigen Verfassung als Überwachungsorgan in sachgerechter Art und Weise, seine Kontrollfunktion gegenüber dem Vorstand wahrnehmen konnte577. Der eingeschlagene Weg des Gesetzgebers, durch Mechanismen der Selbstorganisation und Deregulierung, den aufgeworfenen Defiziten zu begegnen und damit die Vielfältigkeit der Gesellschaften zu berücksichtigen, wurde im Schrifttum überwiegend positiv beurteilt578. Dass hingegen der Gesetzgeber die von 1994 aufgegriffene Differenzierung nach börsennotierten und nichtbörsennotierten Aktiengesellschaften auch im Rahmen des KonTraG als Ausgangspunkt für die Verbesserung der Kontrolle wählte, wird im Nachhinein auch kritisch bewertet. Die Effektivität der Überwachung sei nicht alleiniges Bedürfnis in großen, börsennotierten Aktiengesellschaften, sondern müsse generell in allen deutschen Aktiengesellschaften berücksichtigt werden579. Weiterhin wurden zahlreiche Aspekte, wie die Verkleinerung des Aufsichtsrats, Qualifikation und Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder, nicht berücksichtigt580.

C. Das TransPuG von 2002581 I. Hintergründe Die Veränderungen, die durch das KonTraG Eingang ins Gesetz fanden, sollten nicht die letzten Maßnahmen zur Verbesserung der Corporate Governance in Deutschland gewesen sein. Bereits zwei Jahre nach Verabschiedung des KonTraG rückte der Zusammenbruch der Philipp Holzmann AG in den Mittelpunkt des me574

Dazu Krieger, ZHR 163 (1999), 343, 346 ff.; Zimmer, NJW 1998, 3521, 3526 f. Vgl. ausführlich Habersack/Schürnbrand, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, Kap. 17 Rn. 11. 576 Von einem strukturellen Defizit sprechen Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 541; Thümmel, DB 1997, 261, 263. 577 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 488. 578 So z. B. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 548 m.w.N. 579 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 549, zuvor bereits Theisen, in: Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und Prüfung, 2. Aufl., 2003, S.431, 438. 580 Zusammenfassend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 550. 581 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität vom 19. Juli 2002, BGBl. I, S 2681. 575

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dialen Interesses. Nach dem Scheitern des Schröderschen Rettungsversuchs mehrten sich die Stellungnahmen aus dem Schrifttum, die sich mit den Gründen des Untergangs von Philipp Holzmann und mit den „bestehenden Unzulänglichkeiten in der deutschen Unternehmenslandschaft“ auseinandersetzten582 und damit vorhandene Missstände anprangerten. Beinahe zeitgleich erfolgte der Niedergang des Neuen Marktes, der zu einer erheblichen Erschütterung des deutschen Kapitalmarkts führte583. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen setzte die Regierung eine Kommission ein, die sich mit den Defiziten des deutschen Systems der Unternehmensführung und -kontrolle befassen sollte und zugleich unter Berücksichtigung der Auswirkungen von Globalisierung und Internationalisierung der Kapitalmärkte auf die Unternehmens- und Marktstrukturen Vorschläge für eine Modernisierung der deutschen Regelungen unterbreiten sollte584. Nachdem diese Regierungskommission „Corporate Governance – Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts“ am 20. Juni 2000 ihre Arbeit aufnahm und zunächst einen Fragenkatalog erarbeitete585, der an 80 Sachverständige und Verbände in Inund Ausland versendet wurde586, konnte bereits ein Jahr später, am 10. Juli 2001, der Abschlussbericht vorgestellt werden587. Dieser enthielt neben Empfehlungen an den Gesetzgeber, die Anregung, eine ständige Kommission einzurichten, die einerseits einen Corporate Governance Kodex für Deutschland ausarbeiten588 und im Anschluss anhand nationaler und internationaler Entwicklungen, entsprechende Anpassungen im Kodex vornehmen sollte589. Der Referentenentwurf zum TransPuG beruhte in seinen Grundzügen auf dem Abschlussbericht der Regierungskommission Corporate Governance590.

582 Rudolph, BB 2003, 2053; zu Unternehmenskrisen nach 1998 Holl, Die Reform des aktienrechtlichen Aufsichtsrats, 2002, S. 1 f. 583 Darauf verweisend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 551. 584 Siehe den Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, bei Baums, S. 1. 585 Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, bei Baums, S. 333 ff. 586 Eine Aufzählung von beteiligten Sachverständigen und Verbänden findet man bei Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, S. 339 ff. 587 Vgl. Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, bei Baums, passim. 588 Der erste Entwurf vom 18. Dezember 2002 ist abgedruckt in NZG 2002, 75 ff.; die erste gültige Fassung vom 26. Februar 2002 ist abgedruckt in AG 2002, 236 ff. = NZG 2002, 273 ff. = ZIP 2002, 452 ff.; derzeit gilt der Kodex in der Fassung vom 07. Februar 2017 und ist unter www.dcgk.de/de/kodex.html abrufbar. 589 Vgl. letzter Absatz der Präambel DCGK; ausführlich Bachmann, in: Kremer/Bachmann/ Lutter/v. Werder, DCGK, 7. Auflage, 2018, Rn. 33. 590 Der RefE ist abgedruckt bei Seibert, ZIP 2001, 2192, 2193 ff.; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit für die Reformausarbeitung auf eine Regierungskommission zurückzugreifen siehe Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 552 f.; kritisch ebenfalls Hopt, in: Hommelhoff/Lutter/Schmidt, Corporate Governance, 2002, S. 27, 33 ff.; der Entwurf selbst wurde hingegen überwiegend positiv bewertet, vgl. Seibert, in: Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und Prüfung, 2. Aufl., 2003, S. 41, 65.

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II. Der Deutsche Corporate Governance Kodex Umgesetzt wurde nur eine Auswahl von Änderungsempfehlungen. Zu diesen zählte die Schaffung des § 161 AktG, der den Kodexempfehlungen normativen Charakter verschaffen sollte, da die dort ausgearbeiteten Anregungen und Empfehlungen sog. softlaw darstellen und es sich nicht um ein vom Bundestag verabschiedetes Gesetz handelte591. Nach § 161 AktG sind Vorstand und Aufsichtsrat verpflichtet, jährlich zu erklären, ob den Empfehlungen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) entsprochen wurde und wird, oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden und warum nicht. Damit verwendet der Gesetzgeber eine, dem deutschen Recht bisher unbekannte Regelungsmethode592. § 161 AktG knüpft an das Nichtbefolgen der Empfehlungen keine Rechtsfolgen im Sinne einer Sanktionsanordnung, sondern stellt es sogar frei, Empfehlungen nicht zu folgen, wenn dies in der Erklärung offen gelegt und begründet wird. Die Kommission und – ihr folgend – der Gesetzgeber zielten mit der Pflicht zur Entsprechenserklärung zum Kodex darauf ab, einen gewissen „Rechtsfertigungsdruck“ auf betroffene Unternehmen auszuüben, damit diese sich den Kodexempfehlungen unterwerfen, um einem möglichen negativen Image, das in der (vor allem aus potentiellen Investoren bestehenden) Öffentlichkeit wahrgenommen werde könnte, vorzubeugen593. Die Verwendung von Verhaltenskodizes hat seinen Ursprung im anglo-amerikanischen Recht, die dort fehlende Organisationsvorschriften kompensieren594. Im Unterschied dazu agierte der deutsche Gesetzgeber im Aktienrecht bisher durch zwingendes Gesetzesrecht. Bereits in der Privatwirtschaft und in anderen Ländern des europäischen Festlands existierten allerdings Kodizes, die Vorbildwirkung für den DCGK hatten595. Beabsichtigt wurde, dass die Unternehmensleitung und -überwachung durch die Empfehlungen des Kodex verbessert werden und im Wege der Verpflichtung zur Stellungnahme („Comply or Explain“) nach § 161 AktG, das verloren gegangene Vertrauen internationaler Investoren dadurch wiedergewonnen werden sollte, in dem die Investoren mit der „Erklärung zum Kodex“ ein ihnen vertrautes Mittel erhalten, um Einblick in die Organisationsverfassung deutscher Aktiengesellschaften zu nehmen. Gesellschaften, die Empfeh591 Dazu Goette, in: MünchKomm. AktG, § 161 AktG Rn. 1 ff.; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 162; Lutter, ZGR 2000, 1, 18. 592 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 589 spricht von einer neuen Ära für das moderne Aktienwesen; Lutter, in: Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und Prüfung, 2003, S, 67, 69 spricht von einem Novum; andere sprechen von einer Regelung, die ohne Beispiel sei, vgl. Seidel, ZIP 2004, 285, 289; Bayer/Scholz, in: Spindler/Stilz. AktG, § 161 AktG Rn. 8; Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 152; a.A. Abram, NZG 2003, 307. 593 Bayer/Scholz, in: Spindler/Stilz. AktG, § 161 AktG Rn. 7; Goette, in: MünchKomm. AktG, § 161 Rn. 1. 594 Ausführlich zum anglo-amerikanischen Rechtsraum Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, bei Baums Rn. 5; sowie Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 589, 595 ff. 595 Zur Entwicklung in Deutschland ausführlich Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 590.

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lungen des Kodex nicht befolgen, sollen durch die Reaktion der Anleger am Kapitalmarkt abgestraft werden.

III. Die wesentlichen Auswirkungen auf die Organisationsverfassung durch das TransPuG 1. Der Aufsichtsrat als „mitunternehmerisches“ Organ Neben der Verankerung des DCGK durch § 161 AktG sah das TransPuG weitere Regelungen vor, die vordergründig die Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats im Blickfeld hatten. Die „Professionalisierung des Aufsichtsrats“596 nahm durch das TransPuG eine weitere Hürde. Die Rolle des bloßen Überwachungsorgans, das Entscheidungen des Vorstands nur im Nachhinein bewertete, begann sich zu wandeln. Der Aufsichtsrat sollte näher und damit auch intensiver in den Entscheidungsprozess für die strategische Entwicklung der Gesellschaft eingebunden werden597. Aus dem Überwachungsorgan wurde ein mitunternehmerisches598 Organ. Diese Wandlung beruhte auf zwei wesentlichen Säulen des TransPuG. Zum einen erweiterte der Gesetzgeber die Auskunfts- und Berichtsansprüche des Aufsichtsrats. Zum anderen wurden die Gesellschaften zur Einrichtung eines Mindestkatalogs zustimmungspflichtiger Geschäfte verpflichtet, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG 2002. Diese Aufwertung der Stellung des Aufsichtsrats ist Ausdruck einer immer noch fortschreitenden Entwicklung, die als „Konvergenz der Systeme“599 – die Annäherung des dualistischen an das monistische System – bezeichnet wird. Dass Aufsichtsrat und Vorstand nicht gegeneinander, sondern vor allem miteinander zum Wohle des Unternehmens handeln sollen, wird auch deutlich, wenn man die betreffenden Passagen im DCGK betrachtet. So spricht Grundsatz 6 (ehemals Ziff. 5.1.1 DCGK – 2017) davon, dass der Aufsichtsrat den Vorstand bei der Leitung des Unternehmens nicht nur regelmäßig zu überwachen, sondern im gleichen Maße zu beraten habe und bei Entscheidungen von grundlegender Bedeutung mit einzubinden sei. Nach Grundsatz 13 (ehemals Ziff. 3.1 DCGK – 2017) arbeiten beide Organe zum Wohle des Unternehmens eng zusammen. Zudem ist es nach Grundsatz 2 (ehemals Ziff. 3.2 DCGK – 2017) vorgesehen, dass die strategische Aus596

Zu dieser bereits Lutter, NJW 1995, 1133; Bürgers, NJW 2004, 3022; Roth, ZHR 2011, 605; Rubner/Fischer, NZG 2015, 782; vgl. zur Professionalisierung auch Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 764 ff. 597 Dazu auch Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 555 f. 598 Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 290 ff.; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 111 Rn. 5; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 111 Rn. 61 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 13; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 50 ff.; zur Wandlung der Organisationsverfassung und der Rolle des Aufsichtsrats siehe § 17 sowie Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 506 ff. 599 Dazu Marsch-Barner, in: HdB börsennotierte AG, § 2 Rn. 17 ff.; sowie Böckli, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Hdb. Corporate Governance, 2009, S. 267 ff.

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

richtung des Unternehmens gemeinsam erörtert und in regelmäßigen Abständen der Stand der Strategieumsetzung diskutiert wird. Mithin hat sich der Aufsichtsrat zu einem Organ entwickelt, das in dem Prozess über wesentliche unternehmerische Entscheidungen näher an den Vorstand als Leitungsorgan herangerückt ist. Diese neue Nähe, die beratende und überwachende Elemente bündelt, weist Akzente des monistischen Verwaltungsmodells auf und stärkt die Stellung des Aufsichtsrats. 2. Die verbesserte Information und Auskunft des Aufsichtsrats a) Das Eingehen auf die Abweichung von bisher berichteten Zielen, § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a.E. AktG 2002 Die Wandlung des Aufsichtsrats zum mitunternehmerischen Organ konnte nur vollzogen werden, da die Befugnisse des Aufsichtsrats erweitert und teilweise konkretisiert wurden. Zum einen sollte seine Informationsgrundlage dadurch verbessert werden, indem die Berichtspflicht des Vorstands nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG ausgedehnt wurde. Der Vorstand musste nun nicht mehr nur über die beabsichtigte Geschäftspolitik und grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung berichten, sondern war zudem verpflichtet, auf die Abweichungen von beabsichtigten Zielen früherer Berichte einzugehen. Damit folgte der Gesetzgeber des TransPuG bereits früheren Forderungen aus dem Schrifttum600, die diese Verpflichtung zur Erklärung von Abweichungen früherer Berichte forderte (sog. followup-Berichterstattung601). Allerdings vertrat die überwiegende Ansicht bereits zur bisherigen Rechtslage, dass der Vorstand über die tatsächlichen Abweichungen zu berichten hatte602, sodass man eher von einer bloßen deklaratorischen603 Anpassung an das geltende Recht sprechen konnte. Einige hielten daher die vom Gesetzgeber vorgenommene Korrektur als überflüssig604. Andere wiederum begrüßten die Vorschriften, sprachen sich aber für eine Verlagerung in den Kodex aus605. Jedoch übersahen diese Stimmen, dass die Praxis sich zum einen nicht vollumfänglich an die Verpflichtung zum Berichten über Abweichungen hielt606 und zum anderen es sich um eine Problematik handelte, die nicht nur börsennotierte Aktiengesellschaften traf607. Die Schaffung einer legislatorischen Regelung führt zum einen dazu, dass der 600

Dreher, in: Feddersen/Hommelhoff/Schneider, Corporate Governance, S. 33, 54; Scheffler, in: FS Havermann, 1995, S. 651, 664. 601 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 14/8769, S. 13. 602 Claussen, AG 1996, 481, 487; Hoffmann/Mattheus, AG 1998, 249, 253; Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 293. 603 Vgl. dazu BT-Drucks. 14/8769, S. 13. 604 Vgl. Holl, Die Reform des aktienrechtlichen Aufsichtsrats, 2002, S. 243 f. 605 So DAV, NZG 2002, 115, 116. 606 Dazu Bosse, DB 2002, 1592; Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 561; Schwark, in: Hommelhoff/Lutter/Schmidt, Corporate Governance, 2002, S. 75, 90. 607 Darauf hinweisend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 561.

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Vorstand nicht mehr unter Hinweis einer fehlenden Regelung sich der Auskunft gegenüber dem Aufsichtsrat verweigern kann, und zum anderen dazu, dass der Aufsichtsrat Nachlässigkeiten in der Kontrolle nicht mehr damit erklären kann, dass über die abweichenden negativen Geschäftsentwicklungen nicht berichtet wurde608. Darüber hinaus führt die Regelung dazu, dass der Aufsichtsrat vor allem eine verbesserte zukunftsgerichtete Kontrolle wahrnehmen kann, die im Verhältnis zur rückblickenden Überwachung von der Praxis eher als Gegensatzpaar wahrgenommen wird609. b) Die Berichtspflicht bei Konzernunternehmen, § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG 2002 Daneben wurde in § 90 Abs. 2 AktG eingefügt, dass der Bericht nach § 90 Abs. 1 AktG auch auf Tochter- und Gemeinschaftsunternehmen (§ 310 Abs. 1 HGB) eingehen müsse, wenn es sich bei der betroffenen Gesellschaft um ein Mutterunternehmen nach § 290 Abs. 1, Abs. 2 HGB handelt. Zwar wurde auch schon bisher im Schrifttum vertreten, dass über die einzelnen Konzerngesellschaften berichtet werden musste610. Allerdings gab es auch in diesem Bereich Defizite in der Praxis, sodass Vorstände unter Hinweis auf § 90 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 AktG 1998 dem Aufsichtsrat einen entsprechenden, erweiterten Bericht verweigerten611. Die eingefügte Ergänzung sollte diesem Defizit gerecht werden, denn nur eine Überwachung, die auch die Entwicklungen in den Tochterunternehmen berücksichtigt, kann dazu beitragen, dass der Aufsichtsrat in beratender als auch überwachender Hinsicht die Entwicklung des Unternehmens und dessen Unternehmensplanung hinreichend einschätzen kann. Die damit verfolgten Grundsätze konnten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die vorgesehene Regelung über erhebliche Anwendungsdefizite verfügte, da die Zugriffsmöglichkeiten des Vorstands auf Daten der Tochtergesellschaft sich im Rahmen des geltenden Konzernrechts bewegten und daher unterschiedlich stark voneinander abwichen612. Lieder griff daher den Vorschlag der Regierungskommission Corporate Governance auf, das Einsichts- und Prüfungsrecht nach § 111 Abs. 2 Satz 1 AktG auch auf Konzernunternehmen auszudehnen, und unterbreitete einen entsprechen-

608 So bereits Hirte, Transparenz- und Publizitätsgesetz, S. 3; ihm folgend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 561. 609 Dazu bereits Theisen, in: Reform des Aktienrechts, der Rechnungslegung und Prüfung, 2003, S. 431, 462; sich dem anschließend und auf die damit erzielte Effektuierung der Aufsichtsratsarbeit abstellend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 562. 610 So bereits Hoffmann-Becking, ZHR 159 (1995), 325, 334 ff.; Lutter, ZGR 2001, 224, 235. 611 Darauf verweisend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 562. 612 Dazu ausführlich Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 563.

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den Formulierungsvorschlag, der Abhilfe schaffen könnte, aber bis jetzt nicht vom Gesetzgeber berücksichtigt wurde613. c) Das Individualauskunftsrecht nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG 2002 Zu beinahe jeder Reformanstrengung im Aktienrecht beabsichtigte der Gesetzgeber die Stellung des Aufsichtsrats zu verbessern, bzw. das Verantwortungsbewusstsein der Aufsichtsratsmitglieder für ihre wahrgenommene Tätigkeit zu stärken. Diese Gründe spielten auch für die Entstehung des TransPuG eine gewichtige Rolle614. Denn die bisherige Regelung verlangte, dass das Auskunftsbegehren eines einzelnen Mitglieds durch ein weiteres Mitglied unterstützt werden musste, vgl. § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG 1998. Diese Regelung war nicht mehr zeitgemäß. Sie begrenzte die Kompetenzen des einzelnen Organmitglieds ohne Rechtfertigung. Zudem führte die Beteiligung der Arbeitnehmer am Entscheidungsprozess des Aufsichtsrats dazu, dass die Stellung des einzelnen Organmitglieds Gegenstand der Diskussion wurde. Vor allem in drittelparitätischen Aufsichtsräten, die nur aus drei Mitgliedern bestanden, wurde bemängelt, dass der Vertreter aus dem Arbeitnehmerlager auf die Unterstützung eines Mitglieds aus dem Lager der Anteilseignervertreter angewiesen war615. Vermögen diese Bedenken aus dem Gewerkschaftslager zwar nicht unmittelbaren Einfluss auf den Gesetzgeber ausgeübt haben616, so sah man zumindest die Notwendigkeit der zusätzlichen unterstützenden Stimme als nicht mehr gegeben an617. § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG 2002 sah nun vor, dass ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied vom Vorstand einen Bericht an den Gesamtaufsichtsrat verlangen kann. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist als Vertreter des Aufsichtsrats zur Entgegennahme der Berichte empfangsberechtigt618. Das einzelne Aufsichtsratsmitglied hat nach § 90 Abs. 5 Satz 1 AktG 2002 das Recht von den Berichten Kenntnis zu nehmen, sofern der Gesamtaufsichtsrat nichts Abweichendes nach § 90 Abs. 5 Satz 2 AktG 2002 entschieden hat. Die Bewertung der Einführung eines „echten“ Individualanspruchs fällt im Nachgang überwiegend positiv aus619. Besonders hervorzuheben ist, dass sich ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied nicht mehr auf die Einwendung stützen kann, dass 613

Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 563, die vorgeschlagene Regelung findet sich auf S. 791. 614 Siehe Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 100; Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 563 f.; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 41 f. 615 Vgl. Schulte, BFuP 1996, 292, 295. 616 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 564. 617 Dazu Begr. RegE, BT-Drucks. 14/8769, S. 14; die Literatur schloss sich dem ohne Bedenken an DAV, NZG 2002, 115, 116; Ihrig/Wagner, BB 2002, 789, 794; später zudem Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 565. 618 Kort, in: Großkomm. AktG, § 90 Rn. 106; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 12. 619 Vgl. die Bewertung bei Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 565 f.

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die hinreichende Information nur mit der Unterstützung eines weiteren Aufsichtsratsmitglieds möglich sei. Zudem wurde dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied ein wichtiges Mittel zur Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe an die Hand gegeben, um relevante Unternehmensdaten einzusehen. Damit wird das Verantwortungsbewusstsein des einzelnen Mitglieds gestärkt, da es weder von der Aufsichtsratsmehrheit, dem Vorsitzenden oder einem anderen Mitglied abhängig ist. Einzelne Stimmen weisen auch darauf hin, dass das gewährte Recht zur Auskunftserteilung nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG 2002 zugleich eine Pflicht auf Auskunftserteilung darstelle, wenn der Ernstfall es verlange620. Die Kritiker dieses „echten“ Individualanspruchs sahen hingegen die Gefahr des Rechtsmissbrauchs, wenn das Gesetz einem einzelnen Aufsichtsratsmitglied ein Auskunftsrecht zur Seite stellt und dieses die zur Verfügung gestellten Daten für eigene oder sachfremde Zwecke verwendet621. Diese Befürchtungen haben sich nicht bestätigt, insbesondere da sowohl dem Vorstand als auch dem Aufsichtsrat Mittel zur Wahrung der Geheimhaltung sensibler Informationen zur Verfügung stehen, die das Auskunftsverlangen begrenzen. So ist der Vorstand berechtigt, die Auskunft zu verweigern, wenn eine rechtsmissbräuchliche Anfrage an ihn gestellt wird622. Hier sind die allgemeinen Grundsätze über die Beschränkung von Informationsbefugnissen anzuwenden. Der Gesetzgeber sah sich nicht verpflichtet, legislatorisch tätig zu werden und verwies darauf, dass Wissenschaft und Rechtsprechung angehalten seien, Konkretisierungen vorzunehmen623. Zudem hat auch der Aufsichtsrat die Möglichkeit, nach § 90 Abs. 5 Satz 2 AktG 2002, in begründeten Ausnahmefällen die Aushändigung schriftlicher Vorstandsberichte zu verweigern624. d) Die Verpflichtung zum Bericht der Aufsichtsratsausschüsse gegenüber dem Aufsichtsratsplenum, § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG 2002 Die vermehrte Bildung von Ausschüssen diente der Professionalisierung des Aufsichtsrats und ist vor allem auf die Empfehlungen der Regierungskommission Corporate Governance625 zurückzuführen. Die Differenzierung nach Organ, Organteil und Organmitglied und ihren zugehörigen Kompetenzen legt es nahe von Ge620 So Vetter, DB 2004, 2623, 2625; sich dem anschließend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 565. 621 Vgl. Gaul/Otto, GmbHR 2003, 6,8; Holl, Die Reform des aktienrechtlichen Aufsichtsrats, 2002, S. 251 f. 622 Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 14/8769, S. 14; zuvor bereits Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, bei Baums, Rn. 30; ebenso zu alten Rechtslage Mertens, in: KölnerKomm. AktG, 2. Aufl., § 90 Rn. 11 ff., 42. 623 So Begr. RegE, BT-Drucks. 14/8769, S. 14; dem zustimmend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 566. 624 Umfassend zu Fragen der Form und dem Beschleunigungsgebot Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 566 ff. 625 Siehe RegBegr., BT-Drucks. 14/8769, S. 16; Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, bei Baums, Rn. 30 Rn. 56.

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genständen des „Organinnenrechts“ zu sprechen626. Dass insbesondere ein Ausschuss in gewissen Bereichen abschließend und anstelle eines Beschlusses des Gesamtgremiums entscheiden konnte und immer noch kann, beweist, dass es sich bei der Bildung von Ausschüssen nicht nur um einen formellen Organisationsakt handelt, sondern ihnen eine innerorganschaftliche Rechtsstellung zukommt. Die Bildung von Ausschüssen, die eine Verbesserung der Arbeitsteilung innerhalb des Aufsichtsrats erzielte, barg allerdings auch Risiken. So war es nicht unüblich, dass zwischen Ausschussmitgliedern und externen Aufsichtsratsmitgliedern erhebliche Informationsgefälle über verschiedene überwachungsrelevante Unternehmensdaten bestanden627. Zwar wurde bereits überwiegend vertreten, dass die Ausschüsse dazu verpflichtet waren, dem Plenum Informationen zukommen zu lassen, die zur Entscheidungsfindung des Plenums erforderlich waren628. Teilweise sah man sogar eine Pflicht des Aufsichtsratsplenums, sich umfassend vom Ausschuss berichten zu lassen629. Allerdings nahm die Unternehmenspraxis überwiegend diese ungeschriebenen Grundsätze nicht wahr630. Mit der Normierung der Berichtspflicht an das Plenum beseitigte der Gesetzgeber diesen Zustand. Folglich erledigte sich auch die bisher nach h.M. geltende Beschränkung, dass Informationen nur weitergegeben werden dürfen, die zur Entscheidungsfindung im Plenum erforderlich waren631. Der Ausschuss muss nach § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG nun regelmäßig dem Plenum über seine Arbeit berichten632. § 107 AktG und die Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit in Form der Ausschussbildung sollten auch in der näheren Zukunft vermehrt Gegenstand des Gesetzgebers werden. Dem Ausschuss als Organteil wurden explizite und teilweise abschließende Kompetenzen zuteil, die im Laufe der letzten Jahre immer wieder begrenzt wurden633. 3. Die Etablierung eines Kataloges von Zustimmungsvorbehalten, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG 2002 Eine auf dem ersten Blick unscheinbare, aber inhaltlich gehaltvolle – die Machtverteilung in der Aktiengesellschaft betreffende – Veränderung erfuhr die 626

Zur Terminologie siehe bereits § 6 sowie zur Qualifizierung als Innenrecht § 21 B.III. Dazu Deckert, ZIP 1996, 985, 987. 628 Vgl. Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, 1986, S. 206; Semler, AG 1988, 60, 65. 629 So vor allem Hoffmann-Becking, in: MünchHdBAG, § 32 Rn. 21; vgl. auch Mertens, in: KölnKomm. AktG, 2. Aufl., § 107 Rn. 128. 630 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 571. 631 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, 571. 632 Richtigerweise folgte der Gesetzgeber nicht den restriktiven Vorschlägen aus der Praxis, die eine solche Regelung im DCGK ansiedeln wollten, siehe DAV NZG, 2002, 115, 116. 633 Zu den delegierbaren und nicht delegierbaren Aufgaben siehe Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 146; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 107 Rn. 27 f. 627

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Regelung über die Etablierung von Zustimmungsvorbehalten, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. Sah das Aktiengesetz von 1965 vor, dass die Satzung oder der Aufsichtsrat bestimmen kann, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit der Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen, verlangte § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG 2002 nun, dass die Satzung oder der Aufsichtsrat solche Zustimmungsvorbehalte vorzusehen hat. Der fakultative Charakter der Vorgängerregelung sah sich seit längerer Zeit Kritik ausgesetzt634. Als Folge der Einführung der paritätischen Unternehmensmitbestimmung im Jahre 1976 reduzierte ein Großteil der Gesellschaften die zustimmungspflichtigen Geschäfte oder strich die Zustimmungskataloge gar ersatzlos635. Man beabsichtigte damit, den Einfluss der Arbeitnehmervertreter so gering wie möglich zu halten636. Diese Motivation hatte zur Folge, dass zum einen der Vorstand aus dem Fokus der Überwachung durch den Aufsichtsrat rückte und ihm zum anderen die Möglichkeit eröffnet wurde, grundlegende Entscheidungen gegen den Willen des Aufsichtsrats zu treffen637. Dieses „Auseinanderdriften“ von Leitung und Überwachung galt es zu verhindern, führte doch die Reduzierung der zustimmungspflichtigen Geschäfte zu einer Beeinträchtigung des vertrauensvollen Zusammenwirkens zwischen Vorstand und Aufsichtsrat638. Die Regierungskommission Corporate Governance schlug daher vor, einen Mindestkatalog zustimmungspflichtiger Geschäfte gesetzlich festzuschreiben639. Obwohl das Schrifttum rechtspolitische640 und dogmatische641 Bedenken hegte, griff der Gesetzgeber den Vorschlag auf. Kritisch wurde insbesondere gesehen, dass die Arbeitnehmermitbestimmung eine (vermeintliche) Aufwertung erfahre642. Überwiegend fiel aus rechtspolitischer Sicht das Echo zur Neufassung hingegen positiv aus. Insbesondere wurde hervorgehoben, dass der Prozess zur Zusammenarbeit der Organe erheblich verbessert werden würde und beide Organe in der Lage 634 Martens, BB 1973, 1118, 1123 schlug daher die Errichtung eines gesetzlichen Mindestkatalogs vor. 635 Siehe den Bericht zur Mitbestimmung der Bertelsmann-Stiftung/Hans-Böckler-Stiftung, Mitbestimmung und neue Unternehmenskulturen: Bilanz und Perspektiven, 1998, S. 103. 636 Vgl. Hoffmann-Becking, in: FS Havermann, 1995, S. 229, 242 f.; Lange, DStR 2003, 376, 380; Schiessl, AG 2002, 593, 597; Schilling, AG 1981, 341, 343. 637 Vgl. dazu Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 580. 638 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 580. 639 Siehe Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, bei Baums, Rn. 34; zuvor bereits Reichelt, Die Institution des Aufsichtsrats, S. 207; zustimmend Berrar, DB 2001, 2181, 2186. 640 Vgl. Hüffer, AktG, 5. Aufl. 2002, § 111 Rn. 17 a.E.; Kort, in: Großkomm.AktG, Vorbem. § 76 Rn. 9; Hopt/Roth, in: Großkomm.AktG, § 111 Rn. 17; Schiessl, AG 2002, 593, 597. 641 Hucke/Ammann, DStR 2002, 689, 691; Hopt/Roth, in: Großkomm.AktG, § 111 Rn. 608 ff. 642 Siehe Hüffer, AktG, 5. Aufl. 2002, § 111 Rn. 17 a.E.; Kort, in: Großkomm.AktG, Vorbem. § 76 Rn. 9; Hopt/Roth, in: Großkomm.AktG, § 111 Rn. 17; Schiessl, AG 2002, 593, 597.

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wären, schneller mögliche Fehlentwicklungen aufzuspüren und diesen entgegenzuwirken643. Die dogmatischen Bedenken betrafen überwiegend die Frage, welche Rolle dem Aufsichtsrat in der Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft zukommt, wenn die Erstellung eines Katalogs über Zustimmungsvorbehalte über bestimmte Arten von Geschäften verpflichtend ist644. Nach Hucke/Ammann führe die Etablierung einer Pflicht, bestimmte Geschäfte unter den Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats zu stellen zu einer Verwischung der Trennlinie zwischen Leitung und Überwachung645. Richtig daran ist, dass die Statuierung einer solchen Pflicht zu einer Verschiebung von Kompetenzen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat führt. Bezweckt wurde damit, dass der Aufsichtsrat eine bessere und – bei Etablierung eines Katalogs zustimmungspflichtiger Geschäfte – vor allem präventive Kontrolle wahrnehmen soll. Durch die Regelung wird der Aufsichtsrat näher an die unternehmerischen Entscheidungen herangeführt und das Verhältnis zwischen Aufsichtsrat und Vorstand wiederbelebt, indem das kooperative Zusammenwirken zum Wohle der Gesellschaft im Mittelpunkt steht. Die bisher vom Gesetz vorgesehene Trennung von Aufsicht und Leitung stellt im Grundsatz ein tragbares Konzept zur Unternehmenskontrolle dar und bleibt auch weiterhin erhalten. Die Kritiker, die eine zu starke Verwischung von Leitung und Überwachung anprangern, übersehen daher, dass die Einführung der Arbeitnehmermitbestimmung in den 1970er Jahren und die daran anknüpfende Reduzierung bzw. Streichung von Zustimmungsvorbehalten zu einer tiefen Spaltung im Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat beigetragen hat. Die Debatte über eine verbesserte Corporate Governance, angestoßen durch die eingerichtete Regierungskommission, hat aufgezeigt, dass das Verhältnis und die Zusammenarbeit zwischen den Organen erheblich verbessert werden musste. Nur so erklären sich auch die teilweise plakativ klingenden Formulierungen des Kodex, der in Grundsatz 13 (ehemals Ziff. 3.1 DCGK – 2017) davon spricht, dass „Vorstand und Aufsichtsrat […] zum Wohle des Unternehmens vertrauensvoll zusammen [arbeiten].“

Der Kodexgeber verfolgte damit die Absicht, mittelbar Einfluss auf die Unternehmenspraxis auszuüben und aufzuzeigen, dass ein gutes Verhältnis zwischen Vorstand und (mitbestimmten) Aufsichtsrat der Verbesserung der Corporate Governance dient. Dass der Kodex keine unmittelbare Wirkung entfaltet, spielte dabei keine Rolle. Es galt, einen Weckruf zu erzeugen, um eine Wandlung im sich eingeprägten Bewusstsein herbei zu führen. Unabhängig von dieser Absicht richtete sich die Bewertung der Pflicht zur Etablierung vom Zustimmungsvorbehalten allein 643

So vor allem Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 581 f. Kritisch hinsichtlich der Verwischung der Trennlinie zwischen Leitung und Überwachung Hucke/Ammann, DStR 2002, 689, 691; kritisch hinsichtlich des Umfangs der Zustimmungskataloge für sämtliche grundlegenden Geschäfte Hopt/Roth, in: Großkomm.AktG, 5. Aufl., 2005, § 111 Rn. 608 ff. 645 Hucke/Ammann, DStR 2002, 689, 691. 644

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nach der Frage, ob die Kompetenzverschiebung sich im Rahmen der geltenden und bisweilen ausgeglichenen Machtstruktur der Aktiengesellschaft bewegt. Vorliegend bleibt dem Vorstand die alleinige Leitungskompetenz erhalten. Dem Aufsichtsrat steht ein bloßes Veto-Recht zu, das es ihm nicht gestattet in die Leitungskompetenz des Vorstands einzugreifen und selbst unternehmerisch tätig zu werden646. Dem Aufsichtsrat ist es auch nicht gestattet, im Wege des Zustimmungsvorbehalts, alle wichtigen Leitungsentscheidungen an sich zu ziehen647. Folglich bleibt der Vorstand in seinen Entscheidungen unabhängig vom Aufsichtsrat. Ein weiterer Kritikpunkt an der Regelung wurde von Hopt/Roth vorgebracht, die Bedenken gegen die Zustimmungspflichten für sämtliche grundlegende Geschäfte hegen648. So sei die Aufstellung eines solchen Katalogs aus praktischen Gründen kaum zu bewerkstelligen, da ein solcher nicht hinreichend bestimmt werden könne649. Insbesondere bestehe weiterhin die Möglichkeit, ad hoc einen Zustimmungsvorbehalt einzuführen650. Sowohl der Wortlaut der Regelung651 als auch der Wortlaut der Gesetzesbegründung652 und Grundsatz 6 (ehemals Ziff. 3.3 DCGK – 2017) des DCGK sprechen nicht für die Etablierung einer Pflicht für sämtliche grundlegenden Geschäfte653. Aufgegriffen wird auch die bereits anfangs geäußerten Bedenken, dass mit der Pflicht, Zustimmungsvorbehalte einzuführen, die Arbeitnehmermitbestimmung in nicht mehr zu rechtfertigender Weise aufgewertet werde und der Prozess der Entscheidungsfindung beeinträchtigt werden könne654. Daneben werden Risiken darin gesehen, dass die Einführung von Zustimmungsvorbehalten erhebliches Streitpotential berge und damit zum einen die Rückabwicklung von Geschäften, deren Zustimmung ausblieb, zur Folge habe und zum anderen ein unkalkulierbares Haftungsrisiko für die Aufsichtsratsmitglieder ausgemacht werde655. Zudem wird angeführt, dass bei einer Pflicht zur Übereinstimmung ebenfalls ausreichende Konfliktlösungsmöglichkeiten existieren müssen, wenn eine Übereinstimmung nicht zu erzielen sei656. Das Gesetz sehe solche Regelungen nicht vor. 646

Ebenfalls Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 582. Zuvor bereits OLG Stuttgart 1979, 1296, 1300; zustimmend die Literatur Hopt/Roth, in: Großkomm.AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 643; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 42; Mertens, in: KölnKomm. AktG, 2. Aufl., § 111 Rn. 67; übereinstimmend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 582; umfassend Schönberger, Zustimmungsvorbehalt des AR, S. 99 ff. 648 Umfassend Hopt/Roth, in: Großkomm.AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 608 ff. 649 Hopt/Roth, in: Großkomm.AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 608. 650 So Hucke/Ammann, DStR 2002, 689, 691; ebenso Kort, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., Vorbem § 76 Rn. 12, Schönberger, Zustimmungsvorbehalt des AR, S. 201 ff. 651 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 609. 652 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 610. 653 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 613. 654 So Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 616. 655 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 612. 656 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 618. 647

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Diese Einwände sind nicht vollkommen von der Hand zu weisen. Den Unternehmen wird es nicht möglich sein, für alle grundlegenden Geschäfte hinreichend bestimmte Zustimmungsvorbehalte zu statuieren657. Jedoch enthält zum einen die Regierungsbegründung eine Aufzählung verschiedener Geschäfte, die in einen Mindestkatalog aufgenommen werden können658 und zum anderen obliegt es Wissenschaft und Rechtsprechung eine Konkretisierung vorzunehmen, welche Geschäfte unter einen Vorbehalt gestellt werden sollten659. Die Wissenschaft ist dieser Aufforderung in den letzten Jahren umfassend nachgekommen660. Der Wortlaut des Gesetzes lässt es zu, dass bedeutende Maßnahmen in einen Mindestkatalog zusammengefasst werden661. Besonders von Gewicht bei der Beantwortung der Frage der Zulässigkeit ist die Absicht des Gesetzgebers: Der Aufsichtsrat soll näher an die strategische Unternehmensplanung geführt werden, um besser beratend und überwachend tätig zu werden. Die beschriebene Entwicklung, dass Zustimmungsvorbehalte als Folge der Einführung der Unternehmensmitbestimmung zusammengekürzt und teilweise gestrichen wurden, lassen Hopt/Roth völlig außer Acht. Mit Lieder ist beizustimmen, dass eine – bezogen auf die Verpflichtung der Ausarbeitung eines Mindestkatalogs – restriktive Sichtweise zur Folge hätte, dass es zur Erfüllung der Verpflichtung nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG 2002 genügen würde, wenn ein einziges Geschäft von einem Zustimmungsvorbehalt erfasst ist662. Ein solches Verständnis würde die Regelung als ad absurdum darstellen und entspricht auch nicht der Intention des Gesetzgebers663. Noch weniger überzeugend ist der Verweis auf die Möglichkeit ad hoc bestimmte Geschäfte einem Zustimmungsvorbehalt zu unterstellen664. Diese Variante steht dem Aufsichtsrat zu, um schnell korrigierend einzugreifen, wenn der Vorstand ein wichtiges und risikobehaftetes Geschäft beabsichtigt, das von besonderer Bedeutung ist und die Existenz des Unternehmens gefährden könnte. Unberücksichtigt bleibt dabei, dass gerade die Existenz eines Katalogs, der grundlegende wichtige Maßnahmen beinhaltet, gewährleisten kann, dass der Aufsichtsrat stärker in die strategische Ausrichtung der Gesellschaft und unternehmerische Entscheidungsfindung eingebunden wird665. Zudem müssen nicht alle wesentlichen relevanten Geschäfte einem Zustimmungsvorbehalt unterfallen; 657

Dem auch zustimmend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 584. Vgl. RegBegr. BT-Drucks. 14/8769, S. 17. 659 So RegBegr. BT-Drucks. 14/8769, S. 17. 660 Vgl. die Analyse bei Fleischer, BB 2013, 835 ff.; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 55 ff.; Thiessen, AG 2013, 573; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 118; Musterkataloge bei Lutter, in: Kremer/Bachmann/Lutter/v. Werder, DCGK, 7. Auflage, 2018, Rn. 522. 661 Ebenso Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 585. 662 Für bedenklich haltend Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 585; hingegen darauf ohne Zweifel abstellend Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 622; ebenso Wirth, ZGR 2005, 327, 337. 663 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 586. 664 So aber Hucke/Ammann, DStR 2002, 689, 691. 665 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 583. 658

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dem Aufsichtsrat steht dabei ein großzügiger und die Individualität des Unternehmens berücksichtigender Ermessensspielraum zu. Der Vorwurf, die Verpflichtung zur Festlegung von Zustimmungsvorbehalten führe dazu, dass die Arbeitnehmermitbestimmung aufgewertet werde, kann nicht als stichhaltige Kritik bewertet werden666. Lieder hat Recht, wenn er ausführt, dass nicht allein die Arbeitnehmermitbestimmung aufgewertet werde, sondern die Stellung des Aufsichtsrats als Gesamtorgan und die Stellung jedes einzelnen Aufsichtsratsmitglieds betroffen ist667. Die Pflicht zur Schaffung von Zustimmungsvorbehalten führt folglich nicht dazu, dass die Arbeitnehmervertreter in besonderer Art und Weise profitieren. Die Kritik betrifft in erster Linie die Konzeption der geltenden Arbeitnehmermitbestimmung, die wiederum Lieder aufgreift und als berechtigte Bedenken an der Zukunftsfähigkeit der gegenwärtigen Arbeitnehmermitbestimmung bezeichnet, da sie die Funktionsfähigkeit des Überwachungsorgans beeinträchtige und damit den Entscheidungsprozess verlangsame668. Dies kann m. E. in dieser Form nicht überzeugen. Stellt man allein auf das Konfliktpotential ab, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch auf Seiten der Anteilseignervertreter verschiedene Interessen aufeinanderprallen. Insbesondere die Existenz verschiedener Familienstämme als Großaktionäre führte in den letzten Jahren vermehrt zu Konflikten innerhalb der Gesellschaft und speziell im Aufsichtsrat669. Die Mischung der Vertreter und Interessengruppen ist vielschichtig; und das ist auch von Gesetz und Kodex beabsichtigt. Allein die enge Anbindung der Arbeitnehmervertreter und ihre besondere Stellung im deutschen Aktienrecht dafür verantwortlich zu machen, dass der Entscheidungsfindungsprozess im Aufsichtsrat beeinträchtigt ist, überzeugt nicht. Gerade die nahe Anbindung der Arbeitnehmervertreter an unternehmerischen Entscheidungen in schwierigen Phasen und Krisen war in den letzten Jahren ein Beleg dafür, dass ohne größere Proteste von Gewerkschaften und Arbeitnehmern zum Wohle der Gesellschaft Einsparungen und Kürzungen akzeptiert wurden. Besteht ein Gremium aus Vertretern verschiedener Gruppen, ist der Entscheidungsfindungsprozess immer beeinträchtigt, wenn als Ziel ein gemeinsamer Konsens zustande kommen soll. Dieser Konsens soll im Interesse des Unternehmens erfolgen. Die Vielgestaltigkeit der Zusammensetzung des Organs führt dazu, dass jede Gruppe das Interesse des Unternehmens gegebenenfalls anders definiert und demnach die Dauer des Entscheidungsfindungsprozess herausgezögert wird670. Überzeugend ist hingegen der Kritikpunkt, der das Fehlen von nützlichen Konfliktlösungsmechanismen anprangert671. Wenn eine Pflicht auf Übereinstimmung 666

Darauf abstellend Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 616 f. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 586 f. 668 So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 587. 669 Erinnert sei hier an die Übernahmeschlacht zwischen Porsche und Volkswagen als auch an die Differenzen innerhalb des Porsche/Piech-Clans, die darin mündeten, dass Ferdinand Piech sowohl aus dem VW-Aufsichtsrat ausschied als auch die Porsche-Holding verließ. 670 Zum Unternehmensinteresse siehe bereits § 2 B.I.7. 671 Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 618. 667

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besteht, müssen solche vorhanden sein, wenn keine Übereinstimmung erzielt werden kann. Der Einwand von Lieder, es gebe in diesem Fall einen rechtspolitisch erwünschten Einigungsdruck und Konfliktlösungsmechanismen würden hier nur kontraproduktiv wirken672, liegt außerhalb jeglicher rechtlicher Beurteilung. Die vorhandenen Mechanismen werden entweder in der Praxis nicht nutzbar gemacht (Einberufung der Hauptversammlung nach § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG), sind mit der Konzeption der dualistischen Organisation der Aktiengesellschaft nicht zu vereinbaren (Hopt/Roth sprechen als Möglichkeit die gemeinsame Beschlussfassung mit der Mehrheit der Mitglieder beider Organe an673) oder enthalten eine Rechtfolge, die wegen ihres überschießenden Charakters für die konkrete Konfliktlösung unbrauchbar ist (Niederlegung des Aufsichtsratsmandats oder Abberufung des Vorstands aus wichtigem Grund, § 84 Abs. 3 AktG)674. Weder Lieder noch Hopt/Roth gehen aber darauf, dass in einem solchen Konfliktfall als alternative Lösungsmöglichkeit eine Organklage möglich ist. Diese werden in der Literatur für einen solchen Fall diskutiert675 und sollten auch als Lösungsmöglichkeit in Betracht gezogen werden676.

IV. Die Auswirkungen auf die Machtverhältnisse innerhalb der Aktiengesellschaft Das TransPuG führte dazu, dass die Stellung des Aufsichtsrats aufgewertet wurde. Sowohl das Gesamtorgan als auch das einzelne Aufsichtsratsmitglied profitierten davon. Die Schaffung des DCGK ergänzte das geltende Aktienrecht, die infolge ihrer regelmäßigen Aktualisierung neue Impulse für Corporate Governance schuf. Die grundlegende Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft wurde hingegen nicht angetastet; vielmehr kam es zu einer bloßen Verschiebung von Kompetenzen zugunsten des Aufsichtsrats. Die Erfahrungen aus der liberalen Organisationsverfassung, die es vor 1937 ermöglichte, ein Organ per Satzungsbestimmung zum Machtorgan zu erheben, waren Beweis genug, dass an einer ausgeglichenen Organisationsverfassung festzuhalten war. Dem Aufsichtsrat blieb es folglich weiterhin verwehrt, Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands wahrzunehmen. Die punktuellen Änderungen führten dazu, dass der Aufsichtsrat einen (noch) besseren Einblick in die unternehmerische Entwicklung der Gesellschaft bekam. Die Erweiterung der Berichtspflichten des Vorstands nach § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AktG, die Schaffung eines echten Individualauskunftsrechts nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG, die Pflicht zur Erstellung eines Mindestkatalogs für Zustimmungs672 673 674 675 676

Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 585. Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 618. Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 618. Vgl. dazu umfassend Bauer, Organklagen, S. 95 ff. Siehe § 28 B.I.

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vorbehalte (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) rundeten die Aufwertung der Aufsichtsratsstellung ab. Damit wurde die bisher nur zaghafte bzw. kaum wahrgenommene präventive Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat gestärkt und in das Bewusstsein der Organmitglieder gerufen. Das deutsche Aktienrecht nahm zugleich eine wichtige Hürde, um den internationalen Standards eines modernen Aktienrechts entsprechen zu können. Obwohl das TransPuG in seiner Konzeption und seinem Inhalt positiv zu bewerten ist, gibt es trotzdem Kritikpunkte, die von der Literatur oftmals gar nicht oder nur am Rande angesprochen und ohne Lösungsvorschlag zurückgelassen werden677. Neben der Frage, wie die Berichtspflicht nach § 90 AktG vom Aufsichtsrat als auch dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied durchgesetzt werden kann, sollte sich der Vorstand weigern zu berichten, zeigt die Diskussion über die Etablierung eines Katalogs von Zustimmungsvorbehalten, welches Defizit der gesamten Corporate Governance-Debatte anhaftet: Zwar regt Grundsatz 13 (ehemals Ziff. 3.1 DCGK – 2017) DCGK an, dass Aufsichtsrat und Vorstand gemeinsam und vertraulich zum Wohle des Unternehmens zusammenarbeiten sollen. Jedoch fehlen Ausführungen dazu, wie die Organe sich verhalten sollen, wenn in einer Sache keine Einigung erzielt werden kann bzw. ein Organ sich über die Bedenken und Einwände des anderen Organs hinwegsetzt. Es ist davon auszugehen, dass sich sowohl Praxis als auch Literatur in den nächsten Jahren intensiv mit möglichen Konfliktlösungsmechanismen auseinandersetzen werden. Dass der jetzige Kodex diesbezüglich keine Regelungen enthält, ist darauf zurückzuführen, dass sowohl Gesetz- als KodexGeber die Verbesserung des Verhältnisses zwischen Vorstand und Aufsichtsrat im Blick hatten, da dieses seit der Einführung der Unternehmensmitbestimmung in den 1970er Jahren einen erheblichen Bruch erlitten hat und das vordergründige Ziel von Vorstand und den Anteilseignervertretern im Aufsichtsrat nicht mehr allein darin bestand, im Interesse des Unternehmens zu handeln, sondern vor allem darin, den Einfluss der Arbeitnehmervertreter zu beschränken. Die Überwindung dieses grundsätzlichen Misstrauens durch die Erweiterung der Kompetenzen des Aufsichtsrats als auch die die Empfehlungen des Kodex sind in ihrem Grundanliegen begrüßenswert. Wichtig ist allerdings, dass man erkennt, dass ein professionelles Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ohne Reibungspunkte und ohne Konflikt nicht denkbar ist. Die Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand und die Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat können bereits aus funktionaler Betrachtung nicht als konfliktfreier Bereich angesehen werden. Die im Zusammenhang zum Zustimmungsvorbehalt angebrachten Ausführungen Lieders, Konfliktlösungsmechanismen seien kontraproduktiv, sofern der Vorstand sich über den Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats hinwegsetzen und die Regelintention eines solchen sonst als ad absurdum geführt werden könne, verschließen sich einer rechtlichen Klärung, wenn allein auf den „rechtspolitisch gewünschten Einigungs677 So sprechen Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 111 Rn. 618 zwar die fehlenden Konfliktlösungsmechanismen an, machen aber keine Vorschläge, wie eventuell nützliche aussehen können.

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druck“ verwiesen wird678. Denn ob ein Zustimmungsvorbehalt in rechtswidriger oder rechtmäßiger Weise Kompetenzen des Vorstands tangiert, kann so nicht festgestellt werden. Inwiefern gerichtliche Hilfe zur Klärung des Konflikts beitragen kann, wird kaum bis gar nicht diskutiert.

D. Entwicklungen nach 2002 Der von Zöllner gebrauchte Ausspruch der „Aktienrechtsreform in Permanenz“ ist auch für den Zeitraum nach 2002 allgegenwärtig679. Jedoch hat der Reformprozess an Geschwindigkeit eingebüßt. Die ursprünglich als Aktienrechtsnovelle 2011 vorgesehene Reform ist im Jahre 2016 verabschiedet worden. Die im Rahmen der geltenden Organisationsverfassung den Organen zustehenden Befugnisse sind allerdings nicht mehr zentraler Gegenstand der Diskussion. Vereinzelt setzt sich die Literatur zwar mit der Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden680, des Ehrenvorsitzenden681 des Aufsichtsrats und Fragen über die Vertreterrolle682 des Aufsichtsrats auseinander. Der Gesetzgeber hält es allerdings nicht für erforderlich an der geltenden – dem Aktiengesetz zugrundeliegenden – Aufgabenwahrnehmung zu rütteln683. Eine Ausnahme davon stellen die im Bankenaufsichtsrecht geschaffenen Normen zu den Leitungs- und Aufsichtsorganen dar. So besteht nach § 25d Abs. 8 – 12 KWG die Pflicht zur Errichtung verschiedener Ausschüsse, die berechtigt sind, auch ohne Abstimmung mit dem Vorstand leitende Angestellte der Gesellschaft zu kontaktieren und Informationen von ihnen zu verlangen684. Dass dem Aufsichtsorgan oder einem Ausschuss eine solche Befugnis zusteht, ist aktienrechtlich höchst umstritten. Die noch überwiegende – aber nicht überzeugende – Auffassung hält die Kontaktaufnahme „am Vorstand vorbei“ mit der geltenden aktienrechtlichen Kompetenzverfassung als nicht vereinbar685. Es ist aber davon auszugehen, dass die aufsichtsrechtlich geschaffenen Normen in KWG und VAG Ausstrahlungswirkung auf die aktienrechtlichen Bestimmungen haben werden, da die Verbesserung der Corporate 678

So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 585. Zöllner, AG 1994, 336 ff. 680 So z. B. Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721; Rubner/Pospiech, NJW-Spezial 2015, 463; Hoffmann-Becking, NZG 2017, 281; zu Investorenkontakten des Aufsichtsratsvorsitzenden siehe Hirt/Hopt/Mattheus, AG 2016, 725; Koch, AG 2017, 129; Leyendecker-Langner, NZG 2015, 44. 681 Dazu ausführlich Johannsen-Roth/Kießling, NZG 2013, 972 ff. 682 von Falkenhausen, ZIP 2015, 956 ff. 683 Jedoch wurde der DCGK in seiner Fassung vom 7. Februar 2017 dahingehend geändert, dass der Aufsichtsratsvorsitzende in angemessenem Rahmen Gespräche mit Investoren führen sollte, Ziff. 5.2; jetzt in Anregung A.3. 684 Ausführlich dazu Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 111 Rn. 70 ff. 685 So vor allem Lutter, Information und Vertraulichkeit, 2006, Rn. 309. 679

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Governance von Banken bei Schaffung der Regelungen im Vordergrund stand686 und es nicht ersichtlich ist, warum dies nicht auch bei „normalen“ Aktiengesellschaften nützlich sein soll. Neben den Vorschlägen der Aktienrechtsnovelle und den aufsichtsrechtlichen Einflüssen auf die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft, wurde im März 2015 das Gesetz über die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst687 verabschiedet. Das Gesetz sieht zum einen eine feste Quote von 30 Prozent für Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften vor, die börsennotiert und qualifiziert mitbestimmt sind (§ 96 Abs. 2 AktG) und zum anderen sind börsennotierte oder der Mitbestimmung unterfallende Gesellschaften verpflichtet, für Aufsichtsrat und Vorstand (§ 111 Abs. 5 AktG) sowie für die zwei, dem Vorstand nachfolgenden Führungsebenen (§ 76 Abs. 4 AktG), Zielquoten für den Frauenanteil festzusetzen. Das Verfahren zur Zusammensetzung von Vorstand und Aufsichtsrat wird dabei erheblich beeinflusst. Allerdings wird erst auf dem zweiten Blick deutlich, dass von den neuen Regelungen auch die Organisationsverfassung berührt wird. So knüpft der Gesetzgeber zum ersten Mal im geschriebenen Aktienrecht explizit an die Stellung der „Bänke“ an, wenn es um die Erfüllung der 30-Prozent-Quote für den Aufsichtsrat einer qualifiziert mitbestimmten und börsennotierten Aktiengesellschaft geht. Damit kommt den „Bänken“ als Teilorgane eine besondere Rechtsposition innerhalb des Aufsichtsrats und innerhalb der Aktiengesellschaft zu688. Diese besondere Hervorhebung durch den Gesetzgeber ist vermutlich – auch aufgrund der dürftigen Ausführungen zu dieser Bestimmung in der Regierungsbegründung – allein auf praktikable Gesichtspunkte und weniger auf dogmatische Feinheiten zurückzuführen. Welche konkrete Ausprägung die Rechtstellung der „Bänke“ daher nehmen wird, insbesondere wenn es zu Streitigkeiten über die Getrennt- oder Gesamterfüllung kommt, ist Rechtsprechung und Literatur vorbehalten.

686

Darauf abstellend Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 111 Rn. 72. Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst v. 6. 3. 2015, RegE, BR-Drucks. 636/ 14. 688 Zur Terminologie bereits § 6; so bereits Grobe, AG 2015, 289, 292. 687

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§ 17 Conclusio: Die gegenwärtige Situation der Organisationsverfassung der AG und die Notwendigkeit von Organklagen als Konfliktlösungsmechanismus A. Die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft im Wandel der Zeit Die Entwicklung der aktienrechtlichen Organisationsverfassung wurde maßgeblich durch die historischen Einflüsse geprägt. Die Hintergründe der Reformen waren dementsprechend unterschiedlicher Natur. Neben wirtschaftlichen Beweggründen spielten politische, aber auch ideologische Motive eine erhebliche Rolle689. In den ersten Jahrzehnten nach Einführung des ADHGB gehörten zu den Hauptanliegen des Gesetzgebers, aufgetretene Missstände zu beenden. Aktiengesellschaften hatten eine besondere wirtschaftliche Bedeutung inne, sodass oftmals ein Einschreiten des Staates unausweichlich war. Das besondere Verhältnis zum Staat stellte somit einen wesentlichen Aspekt dar, der Einfluss auf die Reformen in der Aktiengesellschaft nahm. Dies wurde insbesondere dann deutlich, wenn politische oder ideologische Gründe den Gesetzgeber zum Handeln veranlassten. Bezweckt wurde damit immer auch eine Einflussnahme auf die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft. Mit der Kodifizierung der Aktiengesellschaft durch das ADHGB von 1862 wurden die möglichen Erscheinungsformen der Aktiengesellschaft beschränkt. Neben Vorstand und Generalversammlung, die als „oberstes Organ“ der Gesellschaft angesehen wurde, konnte fakultativ ein Aufsichtsrat errichtet werden. Da dieser die Rechte der Aktionäre repräsentieren sollte und damit in der Tradition der Verwaltungsräte agierte, nahm er den Platz einer „verkleinerten Generalversammlung“ ein. Per Gesellschaftsvertrag stand es den Gründern offen, weitere Organe zu errichten. Damit wollte der Gesetzgeber den Bedürfnissen der Unternehmenspraxis gerecht werden, sodass die Gesellschaften nach den wirtschaftlichen Vorstellungen der Gründer organisiert werden konnten. Die weiterhin bestehende enge Verknüpfung zum Staat wurde durch das geltende Konzessionssystem deutlich, nach dem eine Gesellschaft nur wirksam errichtet werden konnte, wenn das zuständige Ministerium zustimmte. Mit der 1. Aktienrechtsnovelle von 1870 wurde das Konzessionssystem vom Normativsystem abgelöst. Damit erfolgte ein Zurückdrängen staatlichen Einflusses. Zudem wurden Korrekturen an der Organisationsverfassung vorgenommen. Der Aufsichtsrat war als obligatorisches Organ vorgesehen, sodass das dreigliedrige Organisationssystem als Grundlage galt. Damit sollte die Kontrolle bei Geltung des Normativsystems gewährleistet bleiben. Daneben stand es den Gründern weiterhin offen, durch eine gesellschaftsvertragliche Regelung ein zusätzliches Organ zu er689 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2007, S. 613; zuvor bereits Mertens, AG 1981, 1, 2.

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richten, das mit umfassenden Weisungsbefugnissen ausgestattet werden konnte. Dass gerade diese Konstellation ein erhebliches Missbrauchsrisiko bedeutete, wurde erst im Laufe der „Gründerkrise“ deutlich. Grundsätzlich handelte es sich aber um eine Reform, die maßgeblich wirtschaftlichen Bedürfnissen der Unternehmer zugutekommen sollte. Durch die 2. Aktienrechtsnovelle des ADHGB von 1884 reagierte der Gesetzgeber auf die Auswirkungen der „Gründerkrise“. Sie stellte ein „klassisches Missstandsgesetz“690 dar. Denn als eine wesentliche Ursache der Zusammenbrüche verschiedener Aktiengesellschaften wurde die ungenügende Kontrolle durch den Aufsichtsrat ausgemacht. Neben der Reformierung der Gründungsvorschriften wurde die dreigliedrige Organisationsstruktur manifestiert, indem es nicht mehr möglich war, fakultative Organe zu errichten. Mit der Novelle wurde der Grundstein für ein modernes Aktienrecht gelegt, dessen Kompetenzzuweisung an die Organe eine ausgeglichene innerverbandliche Demokratie schuf. Der Generalversammlung wurden Zuständigkeiten zugeordnet, die nicht auf andere Organe übertragen werden konnten. Während der Vorstand bei der Reform außen vor blieb, bildete der Aufsichtsrat deren Mittelpunkt. Zur Erfüllung der Pflicht zur Überwachung der Geschäftsführung wurden ihm Informations- und Berichtsrechte zur Seite gestellt. Der Aufsichtsrat wandelte sich zu einem Organ, das einen eigenen Kompetenzbereich innehatte und für dessen Mitgliedschaft nicht mehr vorausgesetzt wurde, dass man Aktionär der Gesellschaft sein musste. Den Gründern blieb es weiterhin eröffnet, Befugnisse durch gesellschaftsvertragliche Regelung dem Aufsichtsrat zu übertragen. Dies wurde damit gerechtfertigt, dass der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan nur dann effektiv und nützlich agieren könne, wenn ihm die entsprechenden Befugnisse an die Hand gegeben werden. Damit konnte er weiterhin als eigentliches Leitungsorgan der Gesellschaft agieren. Der Gesetzgeber erkannte zwar die damit verbundenen Gefahren, griff aber nur unzureichend ein. Insgesamt konnten die strukturellen Defizite der Organisationsverfassung durch die Novelle nicht überwunden werden. Da dem Aufsichtsrat durch Satzungsbestimmungen weiterhin Befugnisse übertragen werden konnten, wurde dieser zum „Machtorgan“ der Gesellschaft, sodass eine ausgeglichene Organisationsverfassung nur in der Theorie existierte. Während die Schaffung des HGB von 1897 zur Einführung einer neuen Systematik innerhalb des Gesetzes führte, die die besondere Stellung der Aktiengesellschaft berücksichtigte, erfolgte zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine umfassende Analyse der Aktiengesellschaft durch das Schrifttum. Verschiedene Reformvorschläge wurden unterbreitet. Der überwiegende Teil in der Literatur lehnte hingegen ein Tätigwerden ab. Vielmehr wollte man abwarten, wie die Praxis mit der Gesetzeslage umging und inwiefern im Wege von Satzungsbestimmungen Abhilfe geschaffen wurde. Dieser restriktiven Auffassung schloss sich auch der Gesetzgeber an. Erst in den Entwürfen von 1930 und 1931 sowie letztlich in der Notverordnung von 690

So Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2007, S. 614.

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1931 fanden sich einzelne Aspekte aus den Reformvorschlägen wieder. Obwohl damit die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft keine Änderungen erfuhr, veränderte sich die Aktienwirklichkeit. Der Erste Weltkrieg führte dazu, dass in kriegswichtigen Gesellschaften und sog. Kriegsgesellschaften der staatliche Einfluss zunahm, da durch Satzungsstatut Entsenderechte für den Staat vorgesehen waren. Somit rückten neben den bislang maßgeblichen wirtschaftlichen Bedürfnissen der Aktionäre gemeinwirtschaftliche Belange (Staatsinteressen), die wegen des Krieges besonders zu berücksichtigen waren, in den Vordergrund der Entscheidungsfindung. Obwohl mit Ende des Krieges jegliche staatliche Einflussnahme wegfiel und die Repräsentanten aus den Aufsichtsräten der Gesellschaften ausschieden, blieb der Grundgedanke des gemeinwohlorientierten Ansatzes erhalten, der von einigen Stimmen in der Literatur zur Lehre vom „Unternehmen an sich“ fortentwickelt wurde. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die wirtschaftlich schlechte Gesamtsituation, die auch zu einer Zunahme von Zusammenschlüssen verschiedener Aktiengesellschaften führte. Teilweise entstanden Konzerne, die dem Staat zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben unterstützend zur Seite stehen sollten. Die Orientierung am Gemeinwohl war ein neuer Aspekt, der bei der Entscheidungsfindung in der Aktiengesellschaft eine wichtige Rolle spielte und in Konkurrenz zum „Aktionärsinteresse als oberste Direktive“691 trat. Der politische Kampf um die Aktiengesellschaft war damit angestoßen. Die damit begonnene Interessenpluralität im Aufsichtsrat wurde durch die sozialdemokratischen Bestrebungen in der Weimarer Republik noch verstärkt. So enthielt das Betriebsrätegesetz von 1920 ein Entsenderecht zugunsten des Betriebsrats. Dieser konnte zwei von ihm gewählte Mitglieder in den Aufsichtsrat entsenden. Die damit heraufbeschworenen Versuche, den Einfluss der Arbeitnehmervertreter zu beschränken, blieben erfolglos. Vielmehr stand ihnen die gleiche Rechtsstellung zu, wie sie die Vertreter der Anteilseigner bereits innehatten. Zugleich veränderte sich die Aktionärsstruktur der Gesellschaften. Während die Zahl der Großaktionäre zurückging, wuchs die Anzahl der Kleinaktionäre. Dies hatte erhebliche Einflüsse auf die Wahrnehmung von Kompetenzen innerhalb der aktienrechtlichen Organisationsverfassung. Bei den von Großaktionären beherrschten Gesellschaften wurde weiterhin der Aufsichtsrat als verkleinerte Gesellschafterversammlung genutzt, die unmittelbar Weisungen an den Vorstand erteilt. In Gesellschaften, in denen hingegen die Anzahl der Kleinaktionäre überhandnahm, veränderte sich die Machtstruktur in umgekehrter Richtung: So nutzte der Vorstand seine Stellung in der Weise aus, dass der (unwissenden) Generalversammlung Kandidaten für die Aufsichtsratsämter vorgeschlagen wurden, die dem Vorstand wohlgesonnen und unkritisch gegenüberstanden. Da dadurch die Überwachung durch den Aufsichtsrat nur unzureichend stattfand, wuchs dem Vorstand die Stellung des Machtorgans der Gesellschaft zu. Was heute unter der Bezeichnung des prin-

691

Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2007, S. 615.

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cipal-agent-Konflikts bekannt ist, fand seinen Ursprung in diesem Auseinanderdriften von Macht („Leitung“) und Kapital. Diese in der Gesellschaft auftretende Diskrepanz stellte zudem die bisher nicht angezweifelte These in Frage, dass das Interesse der Gesellschaft mit dem Interesse der Gesellschafter gleichzusetzen sei. Vielmehr führten diese Entwicklungen und das Aufkommen der Lehre vom „Unternehmen an sich“ dazu, dass zwischen Gesellschafts- und Aktionärsinteressen differenziert wurde. Dass diese Entwicklung auch vom Gesetzgeber wahrgenommen wurde, ist anhand der Entwürfe von 1930 und 1931 zu sehen: Beide enthielten eine Generalklausel, die die Wirksamkeit der Ausübung des Stimmrechts daran knüpfte, ob die konkrete Ausübung Gesellschaftsinteressen verletzen würde, indem gesellschaftsfremde Interessen für sich oder einen Dritten verfolgt würden. Dass der Entwurfsstatus zunächst nicht umgesetzt wurde, lag an der eintretenden wirtschaftlichen Verschlechterung der Gesamtlage. Die daraufhin geschaffene Notverordnung von 1931 enthielt spezielle Maßnahmen, die die Unternehmenskrisen eindämmen sollten. Eine grundlegende Reformierung des Aktienrechts blieb zunächst außen vor. Der grundlegende Einschnitt, der die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft bis heute prägt, erfolgte durch die Aktienrechtsnovelle von 1937. Das nationalsozialistische Regime versuchte die Grundsätze der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik in das Aktienrecht einfließen zu lassen. Dies konnte ihnen letztendlich nur in geringem Maße gelingen. Die verhältnismäßig schwache Stellung der Hauptversammlung und das Verbot zur Entsendung von Gewerkschaftsmitgliedern in den Aufsichtsrat sind auf die ideologischen Einflüsse zurückzuführen. Ebenfalls eröffnete ihnen die Novellierung des Aktiengesetzes die Möglichkeit, nationalsozialistische Wirtschaftsprinzipien in die neugefasste Kompetenzaufteilung hineinzulesen. So leitete man aus der unabhängigen Stellung des Vorstands das Führer- und Verantwortungsprinzip ab. Obwohl daher der Reformprozess durch Stellungnahmen begleitet wurde, die verstärkt die nationalsozialistische Ideologie im Aktienrecht verwurzeln wollten, beruhten die vorgenommenen Änderungen auf sinnvollen und ökonomischen Überlegungen, die bereits in der Weimarer Republik entwickelt wurden. Die neu geschaffene und strikte Kompetenztrennung basierte auf Vorarbeiten und Entwürfen, die bereits in den 1920er Jahren in Wissenschaft und Praxis diskutiert wurden. Indem der Gesetzgeber die Möglichkeit zur freien Kompetenzzuweisung an den Aufsichtsrat unterband, schaffte er ein System, das von den Gründern und Großaktionären unabhängig war. Die Kappung dieser Einflussnahmemöglichkeiten führte zu einer Veränderung der Machtstrukturen und der Aufgabenwahrnehmung innerhalb der Aktiengesellschaft. Die Hauptversammlung bestellte die Mitglieder des Aufsichtsrats. Da damit eine direkte Einflussnahme auf den Vorstand nicht mehr möglich war, musste bereits der Aufsichtsrat aus Personen bestehen, die im Interesse der Gesellschaft und damit überwiegend auch im Interesse der Aktionäre handelten. Dem Aufsichtsrat oblag wiederum die Suche nach einem fähigen Vorstand. Da es

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dem Aufsichtsrat nicht mehr gestattet war, unmittelbar in das Tagesgeschäft einzugreifen, musste ebenfalls eine „Vorverlagerung“ der Einflussnahme erfolgen: Die in Betracht kommenden Kandidaten sollten die fachliche Eignung erfüllen und ebenfalls ihr Handeln am Interesse der Gesellschaft (und dabei wiederrum im Interesse der Aktionäre) ausrichten. Damit wurden in allen Bereichen die Anstrengungen nach einer professionellen Personalpolitik intensiviert. Zugleich wurde eine Verbesserung von Leitung, aber auch Kontrolle erzielt. Insbesondere wurde die Aufsichtsratstätigkeit als Aufgabe neuinterpretiert: Durch die fehlende direkte Einflussnahmemöglichkeit rückte die Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands in den Mittelpunkt. Die Möglichkeit, die bisher frei gestaltbare aktienrechtliche Organisationsverfassung zu missbrauchen, war daher nicht mehr durchführbar. So war es nicht mehr möglich, dass im Wege gesellschaftsvertraglicher Regelungen Kompetenzen des Aufsichtsrats erweitert werden konnten. Es bestand eine vom Gesetz vorgesehene und im Grundsatz ausgewogene Machtbalance innerhalb der Aktiengesellschaft. Damit erfolgte ein „Zusammenstutzen“ der in der Praxis üblichen Auswüchse an Sonderbestimmungen, die bisher durch gesellschaftsvertragliche Regelungen zugunsten des Aufsichtsrats getroffen wurden. Bereits die NotVO von 1931 enthielt Regelungen, die den Gesamtaufsichtsrat, aber vor allem auch das einzelne Mitglied in seiner Stellung aufwerteten. So gab es nicht nur eine Begrenzung der Anzahl an Aufsichtsratsmandaten und der Größe des Organs, sondern auch eine Verbesserung der Pflicht zur Berichterstattung des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat. Weisungen waren im AktG von 1937 nicht vorgesehen. Damit wurde die Unabhängigkeit des Vorstands in erheblicher Weise gestärkt, während der Aufsichtsrat allein die Überwachung wahrnahm. Die einzige Einflussmöglichkeit des Aufsichtsrats bestand in der Personalhoheit. Zwar ist die Stellung des Vorstands als selbständig und weisungsunabhängig hervorzuheben. Allerdings konnte der Aufsichtsrat erheblichen Druck auf den Vorstand ausüben, wenn er mit der vorzeitigen Abberufung bzw. der nicht nochmaligen Bestellung drohte. Der Einfluss der Hauptversammlung beschränkte sich darauf, die Vertreter des Aufsichtsrats zu wählen. Obwohl die Anzahl der Großaktionäre sank, konnten diese immer noch erheblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben, wenn sie ihren Kapital- und Stimmenanteil dazu nutzten, Vertraute in den Aufsichtsrat zu wählen, die ihnen genehme Personen in den Vorstand beriefen. Zum ersten Mal konnte man hinsichtlich der Unternehmensverfassung von einer ausgeglichenen Machtbalance sprechen. Mit der Aktienrechtsnovelle von 1965 bezweckte der Gesetzgeber eine Anpassung des Aktienrechts an die Rechts- und Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik. Dabei war er vor allem daran gehalten, die nationalsozialistisch geprägte Terminologie, die das Gesetz in Stellen aufwies an eine freiheitlich demokratische Grundordnung anzupassen. Die vorgefundene Kompetenzverfassung wurde beibehalten, da nur diese eine interessengerechte Machtbalance innerhalb der Aktiengesellschaft gewährleisten konnte. Die Stellung der Aktionäre erfuhr hingegen eine Aufwertung. Da der Einfluss der Hauptversammlung durch die Novelle von 1937 auf

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das Wesentliche reduziert wurde, sah der Gesetzgeber Handlungsbedarf. Die Lehre vom „Unternehmen an sich“ erfuhr damit eine klare Absage. In concreto wurde der Hauptversammlung ein Endentscheidungsrecht zugestanden, wenn der Aufsichtsrat einer Maßnahme des Vorstands die Zustimmung verweigerte. Obwohl dieser Regelung in der Praxis wenig Bedeutung zukam, sollte sie symbolisch die Aufwertung der Hauptversammlung aufzeigen. Weiterhin wurden dem Aufsichtsrat weitere Berichtsrechte eingeräumt und die Bestimmungen über Zustimmungsvorbehalte erweitert. Der Aufsichtsrat sollte als Überwachungsorgan nur noch in geringem Maße an geschäftsführenden Entscheidungen partizipieren. Seit 1952 gehörten zudem wieder Vertreter der Arbeitnehmer dem Aufsichtsrat an. Im Rahmen des Reformprozesses der Aktienrechtsnovelle nahmen auch die Gewerkschaften eine zentrale Rolle ein, indem sie im Gesetzgebungsverfahren zahlreiche Vorschlägen einbrachten. Sowohl die verschärften Inkompatibilitätsregeln als auch die Erweiterung der Publizitätspflichten sind auf Bestrebungen des DGB und DAG zurückzuführen. Der Gesetzgeber griff damit unter Beachtung gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Gesichtspunkte verschiedene Anregungen auf. Bis zur Einführung der paritätischen Mitbestimmung im Jahre 1976 folgten keine Eingriffe in die Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft. Da den Aufsichtsräten ehemalige und gegenwärtige Vorstände anderer Gesellschaften angehörten, bestand zwischen den Organen ein kooperatives und damit konfliktarmes Verhältnis. Unter diesem Zustand litt allerdings die Überwachung: So war es unwahrscheinlich, dass ein Aufsichtsratsmitglied, das zugleich Vorstandsmitglied einer anderen Gesellschaft war, gegenüber dem Vorstand eine engmaschigere und damit härtere Überwachung an den Tag legen sollte, derer er selbst als Vorstand nicht ausgesetzt sein wollte. Damit zeigte das grundsätzlich überzeugende System einer ausgeglichenen Machtbalance seine ersten Schwächen. Eine wirksame Überwachung konnte so nicht erfolgen. Mit Geltung der paritätischen Mitbestimmung änderte sich die Stimmung innerhalb der Aktiengesellschaft. So führte der Einfluss der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zu Spannungen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat, aber auch zu Misstrauen innerhalb des Überwachungsorgans selbst. Die Versuche der Anteilseignervertreter, die Vertreter der Arbeitnehmer in ihren organmitgliedschaftlichen Rechten zu beschneiden, blieben erfolglos. Nach Auffassung des BGH sind alle Mitglieder des Aufsichtsrats als gleichberechtigt anzusehen und damit Inhaber gleicher Rechte als auch Pflichten. Sie sind bei ihren Entscheidungen daran gehalten, im Interesse des Unternehmens zu handeln. Mitnichten erfolgte damit allerdings eine Verbesserung der Situation im Aufsichtsrat. Vielmehr nahm die Bildung von Ausschüssen, die auch mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen waren, als auch die Anzahl von Zustimmungsvorbehalten des Aufsichtsrats ab. Durch diese „NichtMaßnahmen“ erfolgte keine Diskriminierung der Arbeitnehmervertreter, sondern man hielt ihren Einfluss gering. Allerdings war die Folge, dass die Überwachung durch den Gesamtaufsichtsrat nur noch unzureichend ausgeübt wurde.

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Mit Ausnahme der Einführung der paritätischen Mitbestimmung herrschte im Aktienrecht eine „Reformruhephase“ vor, die erst zu Beginn der 1990er Jahre aufgebrochen wurde, womit die „Aktienrechtsreform in Permanenz“ eingeläutet wurde. So gab es innerhalb der letzten 25 Jahre erhebliche Entwicklungen, die vor allem auf die Internationalisierung der Kapitalmärkte zurückzuführen ist. Der aus dem angloamerikanischen Rechtsraum stammende Begriff „Corporate Governance“ etablierte sich im deutschen Gesellschaftsrecht. Dieser setzt sich aus einem äußeren und einem inneren Teil zusammen. So gilt es, nach außen eine umfassende Unternehmenstransparenz zu garantieren um damit potentielle (internationale) Investoren über Risiken aufzuklären und die Lage der Gesellschaft aufzuzeigen. Der innere Teil der Corporate Governance fokussiert sich auf die Unternehmensleitung und die Unternehmensüberwachung. Letztere stand wegen verschiedener aufgetretener Defizite in den letzten Jahren vor allem im Mittelpunkt des gesetzgeberischen Tätigwerdens. Während die Novelle von 1965 wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ziele verfolgte, reagierte der Gesetzgeber mit dem KonTraG von 1998 und dem TransPuG von 2002 auf Zusammenbrüche und Unternehmenskrisen, die vor allem auf die seit 1965 veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zurückzuführen waren692. Das KonTraG aus dem Jahre 1998 stellte den Anfang der „Professionalisierung“ der Aufsichtsratstätigkeit dar. Der Aufsichtsrat sollte „näher“ an das operative Geschäft geführt werden, um nicht nur als reines Überwachungsorgan, sondern als beratendes „mitunternehmerisches“ Organ aufzutreten. Zu den wesentlichen Änderungen gehörten die Erweiterung der Informationspflicht des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat, die Erhöhung der Sitzungsfrequenz des Aufsichtsrats börsennotierter Gesellschaften und Bestellung des Abschlussprüfers durch den Aufsichtsrat. Daneben war der Vorstand nach § 91 Abs. 2 AktG verpflichtet, ein Risikomanagementsystem einzurichten. Man beabsichtigte damit, die Funktionsfähigkeit und Effektivität der Aufsichtsratsarbeit zu verbessern sowie die Tätigkeit des Aufsichtsrats transparenter zu machen. Überdies oblag die verbesserte Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Abschlussprüfern im Mittelpunkt. In der Nachbetrachtung wird bei diesen Maßnahmen von einem „spezifisch deutschen Beitrag zur Corporate Governance Debatte“ gesprochen693. Das TransPuG aus dem Jahre 2002 war eine weitere Reaktion auf verschiedene Unternehmenszusammenbrüche, die auf noch vorhandene Defizite in der deutschen Unternehmenslandschaft zurückzuführen waren. Dabei wurde wiederum die mangelhafte Überwachung durch den Aufsichtsrat als grundsätzliches Übel der Misere ausgemacht. Der Gesetzgeber reagierte mit einer Erweiterung der Befugnisse des Aufsichtsrats. Gestärkt wurde dabei nicht allein das Gesamtorgan, sondern auch das einzelne Aufsichtsratsmitglied. Zunächst erfolgte eine Erweiterung der Berichtspflicht des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat bei Abweichungen von vorher berichteten Zielen, § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a.E. AktG 2002. Bei Konzerngesell692 693

Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2007, S. 617. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2007, S. 617.

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schaften wurde eine erweiterte Berichtspflicht konstituiert, § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG 2002. Zur wesentlichen Stärkung einzelner Aufsichtsratsmitglieder trug die die Neugestaltung des Individualauskunftsrechts nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG 2002 bei. Hier wurde das Erfordernis des unterstützenden Verlangens eines weiteren Aufsichtsratsmitglieds abgeschafft, sodass das individuelle Verantwortungsbewusstsein gestärkt wurde. Eine organinterne Bestimmung betraf die Organisationsmöglichkeit des Aufsichtsrats, Ausschüsse einzurichten. Die Aufgabenteilung diente ebenfalls der Verbesserung der Aufsichtsratstätigkeit. Jedoch war es nicht üblich, dass das Gesamtgremium über die Arbeit des Ausschusses informiert wurde. Daher wurde in § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG 2002 eine diesbezügliche Pflicht des Ausschusses eingefügt. Von besonderer Bedeutung kann die Pflicht zur Etablierung eines Katalogs von Zustimmungsvorbehalten nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG 2002 gesehen werden. Stand dem Aufsichtsrat es bisweilen frei, ob er eine solchen anlege, bestand nunmehr die Pflicht. Die unscheinbare Vorschrift führte im Schrifttum zu erheblichen Diskussionen: Während einige Stimmen eine Aufwertung der Arbeitnehmermitbestimmung in nicht zu rechtfertigender Weise ausmachten, hatten andere Bedenken, ob die Regelung nicht zu sehr die Trennung zwischen Leitung und Überwachung verwischt. Ebenfalls bemängelt wurde die fehlende Bestimmtheit, die bei einem solchen Katalog auftreten kann, wenn sämtliche grundlegende Geschäfte vom Vorbehalt erfasst seien. Diese Bedenken konnten allesamt nicht überzeugen. Vielmehr ließen sie außer Acht, dass Zustimmungsvorbehalte in geringer Anzahl festgelegt wurden, um die Beteiligung der Arbeitnehmervertreter zurückzudrängen. Dies hatte aber zur Folge, dass die Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat einen Riss erhielt. Die Pflicht zur Erstellung von Zustimmungsvorbehalten wirkte diesem Auseinanderdriften entgegen. Zudem ist es zu kurz gegriffen von einer Aufwertung der Arbeitnehmermitbestimmung zu sprechen, wenn doch das gesamte Organ durch die Pflicht zur Erstellung von Zustimmungsvorbehalten ein Kompetenzzuwachs erfährt. Die dogmatischen Bedenken lassen in ihrer Bewertung außer Acht, dass die grundsätzliche Gewaltenteilung unberührt bleibt und die Zustimmungsvorbehalte allein zur Wahrnehmung der Überwachungsfunktion dienen. Weitaus größere Bedeutung erlangte die Einführung des DCGK, der durch § 161 AktG 2002 normativen Charakter entwickelt. Zuvor hatte die Regierungskommission „Corporate Governance“ verschiedene Vorschläge unterbreitet, die auch vom TransPuG berücksichtigt wurden. Die Schaffung eines Kodex, der durch eine Kommission in regelmäßigen Abständen angepasst wird, wurde in Anlehnung verschiedener ausländischer Vorbild-Kodizes befürwortet. Auch in diesem Fall galt es, die notwendige Internationalisierung voranzutreiben. Insgesamt ist der Reformprozess in den letzten Jahren etwas ins Stocken geraten. Die bereits im Jahr 2011 vorgesehene Aktienrechtsnovelle wurde erst Ende 2015 umgesetzt. Eingriffe in die Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft wurden nicht vorgenommen. Im Schrifttum wird vereinzelt die Rolle des Aufsichtsratsvorsitzenden, des Ehrenvorsitzenden und die Vertreterrolle des Aufsichtsrats diskutiert. Mit Ausnahme der bereits an anderer Stelle diskutierten Etablierung der

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gesetzlichen Mindestquote im Aufsichtsrat, die mittelbar Einfluss auf die Zuständigkeitsordnung innerhalb des Organs nahm, indem sowohl die Arbeitnehmer- als auch die Anteilseignerseite mit Befugnissen ausgestattet wurde, existieren spezialgesetzliche Regelungen für Leitungs- und Überwachungsorgane von Banken und Versicherungen (KWG sowie VAG). Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese Bestimmungen auch Ausstrahlungswirkung auf das allgemeine Aktienrecht haben und zu einer weiteren Erneuerung der aktienrechtlichen Organisationsverfassung führen.

B. Die Auswirkungen der Reformen auf die Machtverhältnisse in der aktienrechtlichen Organisationsverfassung Für das deutsche Aktienrecht orientierte man sich folglich an der internationalen Praxis. Dieser Einfluss strahlte in besonderem Maße auf die Reformen aus. Deutlich wurde dies mit der Einführung des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), der Empfehlungen für eine gute Unternehmensführung enthielt und in regelmäßigen Abständen von einer Kommission aktualisiert wird. Damit fand eine Methode Einzug in das deutsche Gesellschaftsrecht, die bisweilen ebenso nur im anglo-amerikanischen Rechtskreis verbreitet war. Der Kodex selbst beinhaltet Empfehlungen und Anregungen, insbesondere zur Unternehmensverfassung und dem Verhältnis der Organe zueinander, und hat keine bindende Gesetzeswirkung. Jedoch sieht § 161 AktG vor, dass Vorstand als auch Aufsichtsrat von börsennotierten Gesellschaften angeben müssen, ob den Empfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ entsprochen wurde und wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden und warum nicht. Damit erlangt auch der Kodex mittelbar Gesetzesqualität. Die damit angestoßenen Maßnahmen wirkten sich direkt auf die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft aus. Die vorhandenen Überwachungsdefizite, die in ihrem Kern auf der veralteten Organisationsverfassung von 1965 beruhten und durch die Einführung der paritätischen Mitbestimmung in erheblicher Weise vertieft wurden, galt es zu auszumerzen. Der Ursprung allen Übels lag in der unzureichenden Aufgabenwahrnehmung durch die Mitglieder des Aufsichtsrats. Die zwischen den Gruppen bestehenden Grabenkämpfe führten zu einer Lähmung des Überwachungsorgans. Gleichzeitig litt darunter das Verhältnis zum Vorstand, sodass der Gesetzgeber – immer unter Berücksichtigung und Zuhilfenahme internationaler Standards – versuchte, Veränderungen herbeizuführen, die auf die Aufgabenwahrnehmung durch den Aufsichtsrat abzielten. Indem der Aufsichtsrat verpflichtet wurde, einen Katalog mit Zustimmungsvorbehalten einzurichten, waren beide Lager verpflichtet, miteinander im Interesse der Gesellschaft die ihnen auferlegte Pflicht zur Überwachung wahrzunehmen. Flankiert wurde Aufsichtsratsarbeit mit der Verbesserung der Auskunftsrechte des Gesamtorgans, aber auch des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds. Besonderen Einfluss zur Verbesserung der Beziehung zwischen den Mitgliedern des Aufsichtsrats und gegenüber dem Vorstand übte der neu

§ 17 Conclusio

301

geschaffene Kodex aus. Dieser regelt ausdrücklich das Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat. So gilt nach Grundsatz 13 DCGK (ehemals Ziff. 3.1 DCGK – 2017), dass „Vorstand und Aufsichtsrat […] zum Wohle des Unternehmens vertrauensvoll zusammen [arbeiten]“.

Die stärkere Einbindung des Aufsichtsrats in den unternehmerischen Entscheidungsprozess verdeutlicht Grundsatz 2 DCGK (ehemals Ziff. 3.2 DCGK – 2017): „Der Vorstand entwickelt die strategische Ausrichtung des Unternehmens, stimmt sie mit dem Aufsichtsrat ab und sorgt für ihre Umsetzung.“

Die Arbeitsweise ist folglich auf einer konstruktiven und vertrauensvollen Grundlage aufgebaut. Die Entscheidungen haben im Interesse des Unternehmens zu erfolgen. Es ist daher im Wesentlichen auf diese Maßnahmen des Gesetzgebers zurückzuführen, dass das bis zu diesem Zeitpunkt anhaltende Misstrauensverhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat beendet und die Zusammenarbeit auf einer vertrauensvollen Basis neubegründet wurde. Zugleich beabsichtigte man, dass eine bessere Kontrolle gewährleistet werden konnte, die wiederum im Sinne des Unternehmens und im Interesse der Aktionäre lag. Die Stellung der Aktionäre war Gegenstand des UMAG von 2005. Die zunächst erfolgte Verbesserung der Anspruchsverfolgung gegenüber Mitgliedern des Vorstands und Aufsichtsrats wurde durch das ARUG nur vier Jahre später wieder eingeschränkt. Zu viele „räuberische Aktionäre“ nutzen die neue Gesetzeslage aus und blockierten die Eintragung von Hauptversammlungsbeschlüssen im Handelsregister. Gleichzeitig wurde durch das UMAG die Business Judgment Rule in das Aktiengesetz eingefügt, die auf materieller Ebene Einschränkungen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vorsah. Auch hier richtete man sich an internationalen Standards aus, die der BGH bereits in seiner Rechtsprechung anwendete. Der Gesetzgeber – so formuliert es Fleischer im Jahre 2005 – strebte „nach dem Gleichgewicht der Kräfte im Aktienrecht“694.

Dieser Antrieb kann für fast jede aktienrechtliche Reformanstrengung herangezogen werden, die in den letzten 150 Jahren erfolgte, obwohl in einigen Fällen das genaue Gegenteil erzeugt wurde. Zur Erreichung eines solchen Gleichgewichts darf es zu keiner Anhäufung von „Macht“ innerhalb der Gesellschaft kommen. Betrachtet man die aktuellen Entwicklungen von Aktienrecht und Aktienrealität, so zeigt sich, dass der Prozess noch nicht abgeschlossen ist. So wird die Zusammensetzung des Aufsichtsrats hinsichtlich seiner Unabhängigkeit zur Vermeidung von Interessenskonflikten und hinsichtlich der Diversität des Organs diskutiert. Neben gesellschaftlichen und rechtspolitischen Erwägungen dürfen allerdings die Bedürfnisse der Praxis nicht außen vor bleiben. In der Nachbetrachtung zur US-amerikanischen Bankenkrise wurde die fehlende Unabhängigkeit und Diversität der Board-Mit694

Fleischer, NJW 2005, 3525, 3530.

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

glieder von Lehman Brothers kritisiert695. Ob allerdings ein Board, das den Vorgaben einer modernen Corporate Governance entsprochen hätte, dazu beigetragen hätte, den Zusammenbruch zu verhindern, ist zweifelhaft696. Zuletzt rückten Vorstand und Aufsichtsrat des Automobilherstellers VW bei der Frage, wer von der Manipulation der Werte der Dieselmotoren wusste, in den Mittelpunkt der Diskussion. Hier ist noch nicht absehbar, in welcher Hinsicht Vorstand und Aufsichtsrat Versäumnisse begangen haben. Dass es jedoch zu Verfehlungen kam, bestätigen zumindest die Ermittlungen, die die US-Justiz gegenüber dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn führt697. Inwiefern die deutschen Strafverfolgungsbehörden Maßnahmen ergreifen werden, bleibt weiterhin abzuwarten698. Betrachtet man den status quo der aktienrechtlichen Organisationsverfassung unter Heranziehung der Entwicklung, die durch die Corporate Governance-Debatte beeinflusst und eingeschlagen wurde, sieht man zunächst die Aufwertung der Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Diese Entwicklung war notwendig, da die zuvor vorherrschende Aufgabenwahrnehmung beider Organe unter Spannungen litt und weder eine zufriedenstellende Leitung noch eine wirksame Überwachung erfolgen konnte. Diese Entwicklung war notwendig und gut. Sie kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Nähe zwischen Vorstand und Aufsichtsrat zu Beeinträchtigungen der Überwachung führt. So enthält der Kodex beispielsweise zwar Empfehlungen, wie die Organe miteinander zusammenwirken sollen und Empfehlungen, wie Konflikte vermieden werden können. Jedoch existieren keine Bestimmungen zur Lösung von Konflikten. Es wurde bereits eingangs dieser Untersuchung dargestellt, dass das Aktienrecht weder geschriebene noch ungeschriebene Konfliktlösungsmittel enthält, die in jeglicher Hinsicht hilfreich für den Konfliktlösungsprozess sind. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass das Verständnis von moderner Corporate Governance einer weiteren Fortentwicklung bedarf. Wird bisweilen der Konflikt zwischen Vorstand und Aufsichtsrat sowie zwischen den Organmitgliedern durch den Großteil des Schrifttums als schlimmstmöglicher Zustand innerhalb von Organ und Organisation wahrgenom-

695

Siehe insbesondere Adams/Ragunathan, Lehman Sisters, Version 2015, FIRN – Financial Research Network Research Paper Series. 696 Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 67 i weist zurecht darauf hin, dass die Annahme, Frauen seien generell weniger risikoaffin, statusbewusst und durch monetäre Anreize motiviert, inzwischen als sog. Lehman-Sisters-Hypothese bekannt sei. Dass die Qualität der Corporate Governance sich verbessert habe, ist empirisch nicht belegbar, siehe Lindstädt/ Wolff/Fehre, Frauen in Führungspositionen, S. 4. 697 Vgl. https://www.nytimes.com/2018/05/03/business/volkswagen-ceo-diesel-fraud.html. 698 Vgl. http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/vw-krise-winterkorn-koenn ten-auch-in-deutschland-ermittlungen-drohen/21247966.html?ticket=ST-802718-BAVyrQfEfq CQV6QHGdbo-ap1.

§ 17 Conclusio

303

men699, ist es im Sinne einer modernen Corporate Governance erforderlich, diese Sichtweise einer Korrektur zu unterziehen und die Tabuisierung von Konflikten zu beenden. Wenn in Grundsatz 13 Satz 2 DCGK (ehemals Ziff. 3.5 DCGK – 2017) die Rede davon ist, dass „[g]ute Unternehmensführung […] eine offene Diskussion zwischen Vorstand und Aufsichtsrat sowie in Vorstand und Aufsichtsrat voraus[setzt]“,

dann betrifft dies auch die Fälle, in denen trotz „vertrauensvoller Zusammenarbeit zum Wohle des Unternehmens“ (so Satz 1 von Grundsatz 13 DCGK (ehemals Ziff. 3.1 DCGK – 2017)) zwischen Vorstand und Aufsichtsrat oder innerhalb der Organe konträre Ansichten zur Unternehmensentwicklung bestehen700. So kann es vielmehr vorkommen, dass Maßnahmen des Vorstands von diesem selbst als wesentlicher Fortschritt für das Unternehmen eingeschätzt werden, wohingegen der Aufsichtsrat in der gleichen Maßnahme eine nicht unerhebliche Gefahr für den Bestand des Unternehmens sehen kann. Je nachdem, welche Kriterien in dem betreffenden Gremium maßgeblich sind (bspw. Risikogeneigtheit, Umsatz- und Gewinnmaximierung, Tradition, Nachhaltigkeit, Arbeitnehmerzufriedenheit), kann die jeweilige Einschätzung divergieren. Das derzeit vorherrschende Verständnis einer Corporate Governance, das die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat als Notwendigkeit ansieht, verkennt, dass gute und kritische Corporate Governance nur gelebt werden kann, wenn innerorganschaftliche Konflikte ausgetragen werden und die „Angst vor dem Konflikt“ aus den Gremien entschwindet. Diese Angst umgibt auch den DCGK. Denn obwohl er ausführliche Empfehlungen zu Interessenkonflikten und Unabhängigkeit der Organmitglieder enthält, fehlen Bestimmungen, die Anleitungen geben oder Prozesse aufzeigen, die zur Konfliktlösung beitragen. Entsprechende Bestimmungen zur Konfliktlösung enthält hingegen der Governance Kodex für Familiengesellschaften. Mag dieser nicht einmal mittelbare Verpflichtungen, wie sie § 161 AktG an die Stellungnahmen der Organe zum DCGK knüpft, erzeugen, so enthält er jedoch in Ziff. 7 GK für Familiengesellschaften verschiedene Anregungen, die sowohl auf eine Konfliktvermeidung als auch auf eine Konfliktlösung abzielen701. Obwohl dort speziell auf die Familienkonstellationen als Grund für die Notwendigkeit der Konfliktlösungsmittel verwiesen wird, stellt sich die Frage, warum diese nicht auf Konflikte zwischen Vorstand und Aufsichtsrat übertragbar sein sollen. 699 Siehe dazu etwa Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, Vor 76 Rn. 4 f., die die Vorstellung, organinterne Konflikte durch Einschaltung der Gerichte zu lösen als „Schreckbild“ bezeichnen. 700 Dazu umfassend zur Diskussionskultur im Aufsichtsrat v. Werder, in: Kremer/Bachmann/Lutter/v. Werder, DCGK, 6. Aufl. 2016, Rn. 542 m.w.N. 701 Siehe den Governance Kodex (GK) für Familienunternehmen, abrufbar unter http:// www.kodex-fuer-familienunternehmen.de/images/Downloads/Kodex_2015.pdf, zuletzt abgerufen am 11. 06. 2017.

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

Diesen Zustand einer unzureichend ausgestalteten Konfliktkultur gilt es zu überwinden, insbesondere für den Fall, wenn es um Maßnahmen geht, die von einem Organ oder einem Organmitglied als rechtswidrig eingeschätzt werden. Da die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat dem Interesse des Unternehmens verpflichtet sind, sollen sie Bedenken und Zweifel offen äußern und auf Gefahren und Risiken hinweisen. So ist es ohne Zweifel im Unternehmensinteresse, etwaige Schäden von der Gesellschaft fernzuhalten, seien sie monetärer Natur oder das Image der Gesellschaft betreffend. Innerorganschaftliche Konflikte, die in der Gesellschaft wurzeln, müssen daher ausgetragen werden. Dass die Auseinandersetzung mit Organen oder Organmitgliedern von Vorstand und Aufsichtsrat eine schwierige und differenzierte Materie betrifft, zeigen die Diskussionen, die hinsichtlich der Organhaftung geführt werden. Der BGH nimmt dabei eine zweistufige Prüfung vor: Während auf der ersten Stufe unter Berücksichtigung der Business Judgment Rule (§ 93 Abs. 2 Satz 1 AktG) die Voraussetzungen eines Anspruchs geprüft werden, muss auf einer zweiten Stufe „aufgrund einer sorgfältigen und sachgerechten Risikoanalyse“ abgeschätzt werden, ob Erfolgschancen bei einem Prozess bestehen. Zwar ist der Aufsichtsrat grundsätzlich verpflichtet, gegen die Mitglieder des Vorstands vorzugehen und die Ansprüche zu verfolgen. Ausnahmsweise kann aber von einer Verfolgung abgesehen werden, wenn gewichtige Gründe des Gesellschaftswohls dagegen sprechen und diese Umstände die Gründe, die für die Geltendmachung der Ansprüche sprechen, überwiegen oder zumindest gleichwertig sind702. Die Möglichkeit, von der Verfolgung abzusehen, stellt einen wesentlichen Streitpunkt innerhalb des Aufsichtsrats dar. Das von der Corporate Governance geforderte enge und vertrauliche Zusammenarbeiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat hat zur Folge, dass bei dem Verdacht einer rechtswidrigen, die Gesellschaft schädigenden Handlung das Urteilsvermögen der Mitglieder des Aufsichtsrats beeinträchtigt ist. Zudem – und dies wird ausdrücklich im ARAG/Garmenbeck-Urteil des BGH erwähnt – sind Aspekte, wie die negative Außenwirkung auf die Geschäftstätigkeit und das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit, bei dem Abwägungsprozess zu berücksichtigen. Auch in diesem Punkt kann es zu unterschiedlichen Einschätzungen kommen: Während einige Aufsichtsratsmitglieder bereits in der Geltendmachung einer Schadensersatzklage eine Maßnahme sehen, die dem Image der Gesellschaft schadet und deshalb unterbunden werden müsse, sehen andere es als notwendig an und im Interesse der Gesellschaft liegend, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die der Gesellschaft einen Schaden zugefügt haben. Die gegenwärtige Rechtslage ist daher als erheblich unsicher zu bewerten. Sie kann auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass trotz Corporate Governance-Debatte alte Strukturen und damit unzureichende Überwachung in einigen Gremien vorherrscht. Konflikte zwischen den Organen sind gut für eine wirksame Corporate Governance. Was bei der Diskussion über Konflikte allerdings nicht außer Acht gelassen werden darf, ist der Umstand, dass Sinn und Zweck einer funktionierenden Cor702

BGHZ 135, 244, 255 – ARAG/Garmenbeck.

§ 17 Conclusio

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porate Governance Erhalt bzw. Herbeiführung einer ausgeglichenen Machtstruktur innerhalb der Gesellschaft sind. Konflikte zwischen den Organen haben unmittelbar Einfluss auf die Machtverhältnisse der Aktiengesellschaft. Ein Ungleichgewicht entsteht dann, wenn ein Organ seine Kompetenzen überschreitet oder Kompetenzen anderer Organe verletzt. Tritt eine solche Situation ein, muss es innerhalb der Aktiengesellschaft möglich sein, den status quo wieder herzustellen. Wie bereits an anderer Stelle dieser Untersuchung aufgezeigt wurde703, existieren jedoch weder geschriebene noch ungeschriebene Mittel zur Konfliktlösung, die ein befriedigendes Ergebnis beinhalten. Die Debatte über eine wirksame und effektive Corporate Governance ist folglich noch nicht beendet, sondern ist weiteren Herausforderungen ausgesetzt.

C. Die Organklage als notwendiger Konfliktlösungsmechanismus In der Untersuchung über die Entwicklung der Organisationsverfassung wurde aufgezeigt, wie sich die Machtstrukturen innerhalb der Aktiengesellschaft veränderten und dadurch auch die Verfahrensweise bei Konflikten zwischen den Organen beeinflusst wurde. Dabei wurde deutlich, dass die Möglichkeit, ein Organ mit umfassenden Befugnissen auszustatten und damit zum Machtorgan der Gesellschaft zu erheben, dazu führte, dass im Wege von Weisungen des Machtorgans (Aufsichtsrat oder vor 1884 ein bemächtigtes fakultatives Organ) gegenüber dem Vorstand Konflikte erst gar nicht auftraten bzw. gelöst wurden. Selbst als die Anzahl von Gesellschaften anstieg, die nicht mehr von Großaktionären beherrscht wurden, die ihren Einfluss durch den Aufsichtsrat ausübten, nutzte der Vorstand diese Situation, um im Aufsichtsrat Personen einzusetzen, die ihm gewogen waren. Hier mutierte der Vorstand zum Machtorgan und war keiner wirksamen Überwachung ausgesetzt. Mit der Aktienrechtsnovelle von 1937 verschwand die Möglichkeit, Organe durch gesellschaftsvertragliche Regelungen mit besonderen Kompetenzen auszustatten. Nun wurden die Zuständigkeiten den Organen strikt zugewiesen. Eine Abweichung davon war nicht mehr möglich. Diese Aufteilung, die auch nach der Novelle von 1965 – mit kleineren Veränderungen zugunsten der Stellung der Hauptversammlung – beibehalten wurde, hatte sich als notwendiges und hilfreiches Konstrukt zur Erhaltung der Machtbalance innerhalb der Aktiengesellschaft etabliert. Dennoch haben die Entwicklungen, die in den letzten Jahrzehnten Einzug hielten, aufgezeigt, dass es immer noch zu Konflikten zwischen Organen kommen kann, die einer Klärung zugänglich sein müssen. In der frühen Debatte für eine bessere Corporate Governance wurde zunächst versucht, das angeschlagene Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat neu zu definieren. Eine vertrauensvolle und kooperative Zusammenarbeit zwischen den Organen sollte maßgeblich sein. Dabei wurde allerdings außer Acht gelassen, dass gute Corporate Governance nicht frei von Konflikten 703

Siehe ausführlich unter § 3.

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3. Kap.: Kampf um Macht in der AG als Ausgangspunkt für Organstreit

existieren kann. Berücksichtigt man das mögliche Konfliktpotential nicht, so liegt ein „falsches Verständnis“ von Corporate Governance vor. Da Konflikte – gewollt oder ungewollt – zwischen den Organen auftreten können, aber keine überzeugenden Konfliktlösungsmechanismen existieren, liegt es im Sinne einer guten, wirksamen und effizienten Corporate Governance, Organklagen als nützliche Konfliktlösungsmittel in Erwägung zu ziehen. Damit können nicht nur innerorganisatorische Konflikte beendet werden, sondern zugleich ein wesentlicher Beitrag geleistet werden, die Corporate Governance also solche fortzuentwickeln und zu verbessern.

4. Kapitel

Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen in Literatur und Rechtsprechung § 18 Die möglichen Differenzierungen von Organklagen – ein unübersichtlicher Kanon Der Begriff der privatrechtlichen „Organklage“ wird in Schrifttum und Rechtsprechung in einem sehr weit gefassten Zusammenhang gebraucht. Dabei ist jeglicher Verwendung gemein, dass ein Organ, ein Organteil oder sogar bloß ein Organmitglied in einem Konflikt mit einem anderen, der Institution Aktiengesellschaft verbundenen Organ, Organteil oder Organmitglied steht. Es existieren zum Beispiel im Aktiengesetz sowohl Individualauskunftsansprüche (§ 90 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 Satz 1 AktG), die dem einzelnen Organmitglied einen Anspruch zugestehen, als auch Kollektivauskunftsansprüche (§ 90 Abs. 1 AktG), die an das Gesamtorgan anknüpfen. Dabei finden sich Konstellationen, in denen Individualbefugnisse sowohl gegenüber einem fremden Organ für das eigene Organ (§ 90 Abs. 3 Satz 2 AktG) geltend gemacht werden können, als auch gegenüber dem eigenen Organ (§ 90 Abs. 5 Satz 1 AktG). Daher spricht man zum einen von Interund zum anderen von Intraorganstreit. Zu den Intraorganstreitigkeiten werden zudem auch Beschlussanfechtungsklagen gerechnet. Organklagen erfassen sowohl präventive als auch repressive Maßnahmen. Die Idee der vorbeugenden Organklage beruht auf der Vorstellung, dass der nachträglichen Auferlegung von Sanktionen in Gestalt von Schadensersatzansprüchen (bspw. im Verhältnis Aufsichtsrat gegenüber Vorstand) ein vorbeugender Rechtsschutz (bspw. in Form einer Unterlassungsklage) zugeordnet sein muss, sofern dafür ein Bedürfnis besteht1. Schadensersatzansprüche gegen einzelne Organmitglieder als repressive Maßnahme kommen dann zum Tragen, wenn sich in der Nachbetrachtung herausstellt, dass schuldhaft Pflichtverletzungen begangen wurden, die bei der Gesellschaft einen Schaden verursacht haben. Adressaten sind entweder Mitglieder des Vorstands gem. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, aber auch Mitglieder des Aufsichtsrats nach §§ 116, 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Haftbar sind sowohl gegenwärtige als auch ehemalige Organmitglieder. Der BGH hat zur Frage der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen Mitglieder des Vorstands die sog. „Zwei-Stufen-Prü1 Dies aus einem „Rechtssatz des allgemeinen Zivilrechts“ herleitend Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 104.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

fung“ entwickelt2. Nachdem der Aufsichtsrat auf der ersten Stufe zunächst festgestellt hat, dass ein Anspruch besteht, muss auf der zweiten Stufe abgewogen werden, ob der Anspruch „um jeden Preis“ durchgesetzt werden muss. Hier sind prozessuale Schwierigkeiten, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des betroffenen Vorstandsmitglieds, aber auch mögliche Nachteile für die Gesellschaft in der Außenwirkung zu diskutieren3. Präventive Organklagen werden als Leistungs- bzw. Unterlassungs-, aber auch als Feststellungsklagen diskutiert. Als Gegenstand von präventiven Organklagen können Auskunfts- und Berichtsrechte, Kompetenzstreitigkeiten als auch die Kontrolle auf rechtmäßiges Organhandeln in Betracht kommen.

§ 19 Organstreitigkeiten in der Literatur A. Komplexität und Meinungsfülle Die Meinungsfülle über Inter- und Intraorganklagen ist kaum zu überblicken. Dies zeigt bereits, welche Konstellationen als „Organklagen“ überhaupt diskutiert und in Betracht gezogen werden4. Zugleich belegt es die Komplexität, die der Problematik anhaftet. So stoßen zum einen dogmatische Prinzipien auf praktische Bedürfnisse und zum anderen materielle Überlegungen auf prozessuale Erfordernisse. Die Thematik verkompliziert sich, wenn es zu Überschneidungen verschiedener Organstreitkonstellationen kommt. So kann sich ein Konflikt, der im Ursprung innerhalb des Aufsichtsrats angesiedelt ist (beispielsweise in Form der Beschlussfassung über die Zustimmung einer Maßnahme des Vorstands) – folglich einen Intraorganstreit darstellt – zu einem Interorganstreit entwickeln, wenn die im Aufsichtsrat zu beurteilende Maßnahme Entscheidungen betrifft, die der Vorstand durchführen möchte. In einem solchen Fall müssten die Mitglieder des Aufsichtsrats, die sich gegen dessen Zustimmung aussprechen, zunächst versuchen, den mit der Mehrheit gefassten Beschluss zu beseitigen. Sollte dies keinen Erfolg haben, müsste die Durchführung der Maßnahme durch den Vorstand verhindert werden. Hier stellt sich die Frage, ob das einzelne Aufsichtsratsmitglied gegen den Vorstand bzw. die Minderheit als Gruppe und aus eigenem Recht oder im Wege einer „actio pro socio“ für den Aufsichtsrat klagen kann. Nur am Rande wurde in den bisherigen Stellungnahmen die Bedeutung von Ausschüssen und den „Bänken“ aus Arbeitnehmerund Anteilseignervertretern diskutiert.

2 3 4

BGHZ 135, 244 – ARAG/Garmenbeck. Vgl. Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 97 f. Ebenso Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 16.

§ 19 Organstreitigkeiten in der Literatur

309

B. Klagerechte von Organen I. Die Durchsetzung von Berichtspflichten 1. Die bisher herrschende Auffassung5: Die Aktiengesellschaft als Anspruchsinhaber Sucht man im Schrifttum seit Geltung des Aktiengesetzes von 1965 nach Aussagen über den Organstreit in der Aktiengesellschaft, so stößt man zunächst auf einen Beitrag von H. Westermann von 1969, der sich mit der Geltendmachung der Berichtspflichten nach § 90 AktG auseinandersetzt6. Er legte damit einen Grundstein für die bisher als herrschende Lehre bezeichnete Ansicht, dass der Anspruch nach § 90 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 AktG der Gesellschaft zustehe und gegen die Vorstandsmitglieder persönlich gerichtet sei7. Der Aufsichtsrat agiere nur als Vertreter der Gesellschaft nach § 112 AktG im Prozess8. Da es sich danach um einen Anspruch der Gesellschaft handele, sei es auch einzelnen Mitgliedern verwehrt, im eigenen Namen9 oder im Wege einer „actio pro socio“ für den Gesamtaufsichtsrat in Prozessstandschaft, den Anspruch geltend zu machen10. Anders sei es hingegen, wenn der Anspruch dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied als Person zugewiesen sei, wie dies § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG sowie § 90 Abs. 5 AktG vorsehen11. Umstritten ist innerhalb dieser Ansicht, wer im Prozess passivlegitimiert ist. Während hinsichtlich des Anspruchs aus § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG nach einer Ansicht die Vorstandsmitglieder verpflichtet werden12, stellen andere auf die Gesellschaft als richtigen Klagegegner ab13. Hingegen ist die Lage, wer bei § 90 Abs. 5 AktG passivlegitimiert ist, 5

Dass sich die Kräfteverhältnisse durch Beiträge des jüngeren Schrifttums verändert haben, wird auch von den kritischen Stimmen zum Organstreit wahrgenommen, vgl. Koch, in: Hüffer/ Koch, AktG, § 90 Rn. 18. 6 H. Westermann, in: FS Bötticher, 1969, S. 369 ff. 7 H. Westermann, in: FS Bötticher, 1969, S. 369, 377 ff.; Flume, Die juristische Person, § 11 V, S. 406; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 108 f.; K. Schmidt, Informationsrechte, S. 18; ebenso Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 19; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 90 Rn. 69 f. 8 Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, § 90 Rn. 19; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 15; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 61; Flume, Jur. Person, § 11 V; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 7; H. Westermann, in: FS Bötticher, 1969, S. 369, 372 f. 9 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 21. 10 Zu dieser Möglichkeit siehe Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 332 f.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 314. 11 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 22; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, Vorbem § 76 Rn. 7; Borgmann, Organstreit, S. 214; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 225; H. Westermann, in: FS Bötticher, 1969, S. 369, 379; a.A. hinsichtlich § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG aber Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 14 f.: Da der Berichtsanspruch der Gesellschaft der Gesellschaft zustehe und an den Gesamtaufsichtsrat zu richten sei, handele es sich um einen Fall der Prozessstandschaft. 12 So Lewerenz, Leistungsklagen, S. 109. 13 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 22; ebenso Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 90 Rn. 66; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, § 90 Rn. 20; Kort, in: Großkomm. AktG, § 90,

310

4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

unübersichtlicher: Zum einen soll der Aufsichtsratsvorsitzende richtiger Klagegegner sein, da es sich bei der Weitergabe von Berichten um eine organinterne Streitigkeit handele14. Andere sehen die Gesellschaft als richtige Beklagte an15, wobei wiederum umstritten ist, ob diese durch den Vorstand nach § 78 AktG16 oder durch den Aufsichtsrat nach § 112 AktG (analog)17 oder einem externen Prozesspfleger18 vertreten wird. Die Art und Weise, wie die Vertreter der bisweilen als herrschenden Ansicht bezeichneten Lehre die Diskussion um die Erfüllung der Berichtspflicht aus § 90 AktG geführt haben, verdeutlicht, dass zwar der Konflikt als solcher erkannt, jedoch nicht als sog. Organstreitigkeit geführt wird, da entweder die Gesellschaft oder die als Organmitglied handelnde Person als Beteiligte einer gerichtlichen Auseinandersetzung gesehen werden19. Dass diese Vorgehensweise erhebliche Mängel enthält, soll hier nur angedeutet werden. Diejenigen Stimmen, die die Existenz einer Organklage im Rahmen der Berichtspflicht ablehnen, verweisen auf den Wortlaut des § 90 AktG, aus dem deutlich werde, dass die Funktionen und Befugnisse den Organen nicht als selbständige Rechtssubjekte zugewiesen werden, sondern als unselbständige Organe der juristischen Person20. Daraus wird gefolgert, dass die Rechte und Pflichten im Innenrecht des Verbandes nicht mit der allgemeinen zivilrechtlichen Anspruchsstruktur in Einklang zu bringen seien21. Eine solche prozessual durchsetzbare Rechtsposition stelle einen Fremdkörper dar, der nur durch Rechtsfortbildung konstruiert werden könne und einer speziellen teleologischen Rechtfertigung bedürfe22. Da jedoch bereits die Gesellschaft selbst klagen könne, sei dies nicht erforderlich23.

Rn. 198; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 90 Rn. 71; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 63. 14 Borgmann, Organstreit, S.216 f.; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 98 ff.; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 226 f.; H. Westermann, in: FS Bötticher, 1969, S. 369, 380 f. 15 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 23; ebenso Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 90 Rn. 66; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 15 f.; Flume, Die juristische Person, § 11 V, S. 406. 16 So Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 23. 17 Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 15 f. 18 So Becker, Verwaltungskontrolle, S. 508. 19 H. Westermann, in: FS Bötticher, 1969, S. 369, 372; Flume, Juristische Person, § 11 V, S. 406. 20 So Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 90 Rn. 3; ihm zustimmen Koch, in: Hüffer/ Koch, AktG, § 90 Rn. 19. 21 Zöllner, ZGR 1988, 392, 423 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 19. 22 So Koch, in: Hüffer/Koch, § 90 Rn. 19 (ebenfalls schon in Vorauflage so vertreten, Rn. 18); Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 90 Rn. 30. 23 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 19.

§ 19 Organstreitigkeiten in der Literatur

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2. Die gegenwärtig herrschende Lehre – die Lehre vom Organrecht Diesen Überlegungen wird entgegengehalten, dass der Berichtsanspruch nach § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG dem Aufsichtsrat als Organ zustehe und deshalb gegen den Vorstand als Berichtsschuldner zu richten sei24. Da § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG unmittelbar Vorstand als auch Aufsichtsrat mit Rechten und Pflichten ausstatte, sollen auch nur diese Organe als Berechtigte und Verpflichtete in Erscheinung treten. Umstritten ist hingegen, wie die unterschiedlichen innerkorporativen Rechte und Pflichten zu qualifizieren sind. So vertreten einige Stimmen, dass diese echte subjektive Rechte der Organe darstellen25. Andere wiederum verweisen auf die fehlende Dispositionsbefugnis der berechtigten Organe, da diese kraft ihrer Organstellung verpflichtet seien, die Rechte auszuüben26. Stattdessen ständen den Organen sog. „Organrechte“ zur Verfügung, die im Wege der Organklage geltend gemacht werden27. Hinsichtlich der „Lehre vom Organrecht“ stellt § 90 AktG allerdings nur eine Teilnormierung des materiellrechtlichen Streitverhältnisses zwischen Vorstand und Aufsichtsrat dar28. Daneben spielt sie bei Kompetenzstreitigkeiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat und bei Konflikten über die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Organhandeln eine zentrale Rolle29. Inwiefern es einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern möglich sein soll, im Klagewege Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand durchzusetzen, wird auch in der „Lehre vom Organrecht“ differenziert betrachtet: Handelt es sich um Rechte, die den Organmitgliedern als – auf Information gerichtete – Individualansprüche zugewiesen sind, so können die Organmitglieder nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG nach der Lehre

24 Bauer, Organklagen, S. 49 ff.; Bork, ZGR 1989, 1, 4 ff.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 290 ff.; Ihrig/Schäfer, Rechte und Pflichten des Vorstands, 2014, Rn 917; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 214 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 171 ff., 191, 196 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 374 ff.; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 93; Raiser/ Veil, KapGesR, § 14 Rn 97; Kort, in: Großkomm. AktG, Vorbem § 76 Rn. 56 sowie § 90 Rn. 193; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 90 Rn. 70. 25 Bork, ZGR 1989, 1, 7 ff.; Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 463; Geißler, GmbHR 1998, 1114, 1117. 26 Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 590; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 377 f.; Bauer, Organklagen, S. 60 f.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 302; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 89. 27 So vor allem Bauer, Organklagen, S. 62 ff.; Hauswirth, Befugnisse und Pflichten, S. 123; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 590; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 379. 28 Dazu Kort, in: Großkomm. AktG, Vorbem § 76 Rn. 56. 29 Zu diesen beiden Punkten siehe § 19 B.II. sowie § 19 B.III.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

vom Organstreit gegen den Vorstand als Gesamtorgan30 vorgehen. Umstritten ist die Behandlung von § 90 Abs. 5 AktG. Während einerseits auf das organinterne Verhältnis zwischen Aufsichtsratsmitglied und Aufsichtsratsvorsitzenden abgestellt wird, wobei letzterer verpflichtet sei, die Mitglieder des Aufsichtsrats umfassend zu informieren und die Berichte weiterzuleiten und deshalb als alleiniger Beklagter in Betracht komme31, sei nach Bork der Aufsichtsrat richtiger Klagegegner32. Hingegen sei es dem einzelnen Mitglied verwehrt, im eigenen Namen gegen den Vorstand, Rechte des Gesamtaufsichtsrats nach § 90 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 AktG geltend zu machen33. Während nach einer Ansicht die Prozessführungsbefugnis des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds fehle und daher die Klage unzulässig sei34, fehle nach einer anderen Auffassung die Aktivlegitimation, sodass die Klage als unbegründet abzuweisen sei35. Umstritten ist wiederum die Frage, ob das einzelne Aufsichtsratsmitglied für den Aufsichtsrat im Wege einer „actio pro socio“ – als Prozessstandschafter – gegen den Vorstand klagen kann. Die traditionelle Auffassung, die die Notwendigkeit eines Organstreits ablehnt, verneint diese Möglichkeit, da ein verfolgbarer Anspruch des Aufsichtsrats bereits nicht bestehe36. Die Befürworter der Lehre vom Organrecht erkennen hingegen grundsätzlich die Klagemöglichkeit des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds im Wege der „actio pro socio“ an, machen aber unterschiedliche Einschränkungen. So soll zum Beispiel – mit dem BGH37 – die „actio pro socio“ nicht dazu dienen, Konflikte im Gesamtorgan zwischen Mehrheit und Minderheit über eine gerichtliche Inanspruchnahme des Vorstands auszutragen38. Vielmehr soll das betreffende Aufsichtsratsmitglied zunächst alle möglichen Rechtsmittel gegen den zustande gekommenen Aufsichtsratsbeschluss wahrnehmen39.

30 So Bork, ZGR 1989, 1, 32 f.; ders., ZIP 1991, 137, 141; Raiser, AG 1989, 185, 189; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 316. 31 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 383; zuvor bereits K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 226 f.; Borgmann, Organstreit, S. 216 f.; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 237. 32 Bork, ZIP 1991, 137, 143. 33 Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 21; Kort, in: Großkomm. AktG, § 90 Rn. 202. 34 Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 90 Rn. 73; Kort, in: Großkomm. AktG, § 90 Rn. 202. 35 So Bork, ZGR 1989, 1, 37 f. 36 So Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 20. 37 BGHZ 106, 54, 62 – Opel; ausführlich dazu unter § 20 C. 38 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 394; Kort, AG 1987, 193, 199 f.; Spindler, in: MünchKomm. AktG, Vor § 76 Rn. 58; Raiser, ZGR 1989, 44, 56 ff. 39 So bspw. Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 90 Rn. 72; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 394.

§ 19 Organstreitigkeiten in der Literatur

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3. Erwägungen aus dem Prozessrecht40 Neben diesen beiden dem Gesellschaftsrecht entspringenden Ansichten entwickelten sich in der Literatur Ansätze, die den Konflikt aus prozessrechtlicher Perspektive zu lösen versuchten. a) Die Anknüpfung am Gesellschaftsvermögen als Streitvermögen (Häsemeyer) So ist zwar auch nach Häsemeyer die Gesellschaft selbst Inhaber der Rechte, die im Innenbereich des Verbandes bestehen41. Jedoch streiten im Prozess die Organe (Vorstand und Aufsichtsrat) im eigenen Namen, aber um fremde Rechte und Pflichten und agieren daher als Prozessstandschafter – auf Aktiv- und Passivseite – der Gesellschaft42. Organrechte als auch Organpflichten seien folglich dem Vermögen der Gesellschaft zugehörig43. Diese Ansicht anerkennt auch die Tatsache, dass es sich bei dem Konflikt zwischen den Organen um einen Insichprozess handelt44, aber dieser Umstand hinzunehmen sei, da solche auch im Insolvenzrecht anzutreffen sind45. b) Die Lehre vom Rechtsbeanstandungsverfahren (Pflugradt) Hingegen soll nach der Ansicht von Pflugradt in einem – in der Aktionärsklage integrierten – Konzept der Gesamtaufsichtsrat kraft einer „selbständigen Prozessführungsbefugnis“46 zur Einhaltung der Verpflichtung aus § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG47 gegen die Gesellschaft klagen können48. Den Organen selbst komme jedoch im Verhältnis zueinander keine eigene Rechtsposition zu49.

40 Ebenfalls in diesem Zusammenhang zu erörtern wäre die Auffassung von Landrock, Innenrechtsstreit, S. 72 ff., die von einem planwidrig unvollständigen Rechtsschutzsystem hinsichtlich von Innenrechtsstreitigkeiten ausgeht und im Wege der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung die vorhandenen Lücken schließen möchte. Jedoch sind „Hilfsbefugnisse“ wie § 90 AktG von ihrer Untersuchung ausgeklammert. 41 Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 268; zuvor schon de Boor, Parteiwechsel, S. 50 ff. 42 Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 273, 277 f. 43 Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 269, 278. 44 Hingegen stellt die traditionelle Auffassung in ihrer Argumentation darauf ab, dass das deutsche Zivilprozessrecht so etwas wie einen Insichprozess nicht kenne und ein solcher daher nicht zulässig sei, vgl. Flume, Juristische Person, § 11 V, S. 407; H. Westermann, in: FS Bötticher, 1969, S. 375, 377; Kort, AG 1987, 193, 195. 45 Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 278. 46 Pflugradt, Leistungsklagen, S. 110 ff., 123. 47 Pflugradt, Leistungsklagen, S. 123. 48 Pflugradt, Leistungsklagen, S. 156 f. 49 Pflugradt, Leistungsklagen, S. 103 ff.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

4. Zusammenfassung Der Streit über die Durchsetzung von Berichtspflichten und die Frage nach der Existenz von Organrechten verliert – wie Koch richtig feststellt – seine praktische Bedeutung, weil überwiegend anerkannt ist, dass die Rechte aus § 90 AktG im Klagewege der AG zustehen und daher von dieser wahrgenommen werden können50. Ob dies auch dogmatisch überzeugt, stellt eine andere Frage dar und wird noch kritisch untersucht werden51. Hinsichtlich der Durchsetzung individueller Berichtspflichten von einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern vertreten die traditionelle Ansicht und die Lehre vom Organrecht teilweise übereinstimmende Lösungsansätze. Im Hinblick auf die Wahrnehmung der Rechte aus § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG wird allerdings wieder unterschieden, ob die AG oder der Vorstand richtiger Beklagter sein soll. Dass einzelne Mitglieder Rechte des Gesamtorgans wahrnehmen können, wird nur von Vertretern der „Lehre vom Organrecht“ befürwortet, allerdings unter engen Voraussetzungen. Im Rahmen der Rechte aus § 90 Abs. 5 AktG gibt es wieder Überschneidungen zwischen den dogmatischen Lagern. Dass entweder der Aufsichtsvorsitzende oder die Gesellschaft richtiger Klagegegner ist, findet in beiden Lagern Anhänger.

II. Die Geltendmachung von Kompetenzschutzklagen 1. Mögliche Situationen von innerorganschaftlichen Kompetenzüberschreitungen Die aktienrechtliche Kompetenzordnung weist jedem Organ einen speziellen Aufgabenbereich zu. Während der Vorstand die Gesellschaft leitet und die unternehmerische Ausrichtung festlegt (§ 76 Abs. 1 AktG), überwacht der Aufsichtsrat die Geschäftsführung durch den Vorstand und steht ihm beratend als mitunternehmerisches Organ zu Seite, ohne dabei selbst Maßnahmen der Geschäftsführung wahrzunehmen, § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG. Trotz dieser grundsätzlichen Trennung kann es zu gegenseitigen Kompetenzverletzungen durch den Vorstand, als auch durch den Aufsichtsrat kommen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Vorstand eine Maßnahme durchführt, die der Zustimmung des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG bedurft hätte, der Aufsichtsrat aber entweder gar nicht angerufen wurde oder er die Zustimmung verweigert hat. Gleichfalls kann es zu einer Kompetenzverletzung durch den Aufsichtsrat kommen, wenn die festgelegten Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG zu weit in den Kompetenzbereich des Vorstands hineinragen.

50 51

So Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 17. Siehe dazu § 22 C.V.2. sowie § 28 A.

§ 19 Organstreitigkeiten in der Literatur

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Außerhalb von § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG können zudem Kompetenzen der Hauptversammlung – insbesondere durch den Vorstand – verletzt werden. Hierbei stellt sich die Frage, ob der Aufsichtsrat in seiner Funktion als Überwachungsorgan, Maßnahmen gegen den Vorstand ergreifen darf oder ob die Hauptversammlung selbst gegen eine mögliche Beeinträchtigung vorgehen muss. 2. Praktische Bedenken und das fehlende Bedürfnis von Kompetenzschutzklagen Im Unterschied zu der Durchsetzung von Berichtspflichten ist die Geltendmachung von Kompetenzschutzrechten dahingehend umstritten, dass die bisher als herrschend bezeichnete Auffassung das Bedürfnis nach Kompetenzschutzklagen allgemein verneint52. Begründet wird die Aussage teilweise damit, dass der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan bei einer solchen Vorgehensweise selbst nicht mehr geeignet sei und abberufen gehöre53. Gar wird davon gesprochen, dass er sich der Lächerlichkeit preisgebe, wenn er gegen den eigenen Vorstand klage54. Darüber hinaus sei ein Gericht gar nicht in der Lage, Maßnahmen zu beurteilen und Lösungen aufzuzeigen, die besser dem Gesellschaftsinteresse entsprechen würden55. Eine gerichtliche Kontrolle von Angelegenheiten der Geschäftsführung sei daher nicht geeignet56. Ließe man Organklagen zu und werde durch das Gericht im Prozess ein Kompetenzverstoß verneint, dann liege eine „unverzeihliche politische Dummheit“ vor57. Einige Autoren verweisen daher auch auf die negative Außenwirkung für das Unternehmen, wenn öffentlich wird, dass zwischen Aufsichtsrat und Vorstand ein Prozess geführt wird. Ein solcher sei nur schädigend und könne nicht im Interesse des Unternehmens liegen58. Des Weiteren wird darauf verwiesen, dass dem Aufsichtsrat andere Mittel zur Verfügung stünden, sollte es zu einer Kompetenzverletzung durch den Vorstand kommen. Insbesondere stehe dem Aufsichtsrat bereits dann das Recht zu, den Vorstand abzuberufen, wenn dieser seiner Verpflichtung zur Berichtserstattung nicht nachkomme59. Zudem wird vorgebracht, dass der Vorstand einen erheblichen Teil seiner Arbeitskraft besonders in die Verteidigung gegen die Klage 52

Flume, Juristische Person, § 11 V; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl., § 52 Rn. 129; Mertens, ZHR 154 (1990), 24, 28 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., Vorbem. § 76 Rn. 3 ff.; Hopt/Roth, in: GroßKomm. AktG, § 111 Rn. 351; Noack, ZHR 162 (1998), 120, 122; Brücher, AG 1989, 190, 191; kritisch ebenfalls Borgmann, Organstreit, S. 240 ff. 53 Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., Vorbem. § 76 Rn. 5. 54 Littbarski, Einstweiliger Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht, 1995, S. 187; ebenso Mertens, ZHR 154 (1990), 24, 33 in Bezug auf verweigerte Berichte nach § 90 AktG. 55 Littbarski, Einstweiliger Rechtsschutz im Gesellschaftsrecht, 1995, S. 160. 56 Martens, in: Timm, Missbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990, S. 63, 64. 57 Mertens, ZHR 154 (1990), 24, 32. 58 Darauf hinweisend Spindler, in: MünchKomm. AktG, Vorbem § 76 Rn. 60. 59 So Brücher, AG 1989, 190, 192; Mertens, ZHR 154 (1990), 24, 33.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

aufbringen und darunter die Leitung der Gesellschaft leiden würde60. Käme es dann zur Verurteilung, drohe im Vollstreckungswege die Ordnungshaft, die zur Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen würde61. Andere verneinen die Existenz von Organstreitverfahren, da im Aktiengesetz dafür keine Grundlage zu finden sei62. So kenne das Gesetz zwar Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gem. §§ 147, 148, 243, 249, 250 AktG, außerhalb dessen seien aber keine besonderen Klageformen für Organmitglieder oder Organe vorhanden63. Ebenfalls wird keine zivilrechtliche Grundlage gesehen, die dem Aufsichtsrat eine eigenständige Rechts- und Prozessführungsbefugnis verleihe, da er nur als Inhaber von innenrechtlichen Befugnissen innerhalb des Verbandes agiere64. Eine Anlehnung an Organstreitigkeiten im öffentlichen Recht widerspreche der aktienrechtlichen Kompetenzverfassung, da diese jedem Organ eine freie Entfaltung innerhalb seines Kompetenzspielraums sichere65. Vielmehr handele es sich bei Organstreitverfahren um Rechtsfortbildung, derer es aber nicht bedürfe, da genügend andere Sanktionsmöglichkeiten vorhanden seien66. Zudem basiere die aktienrechtliche Verfassungsordnung auf einem „kooperativen Zusammenwirken“ von Vorstand und Aufsichtsrat67. Ein Klageverfahren zwischen den Organen würde dieses Verhältnis belasten und stünde daher im Widerspruch zum Aktienrecht68. Daher müsse im Rahmen des „kooperativen Zusammenwirkens“ eine Lösung bei Konflikten gefunden werden. Sei dies nicht möglich, stünde die Abberufung des Vorstands als legitimes Mittel zur Verfügung69. Überdies spreche auch das fehlende Fallmaterial gegen die Notwendigkeit von Organstreitverfahren70. Es handele sich daher vielmehr um „totes Recht“71.

60

Brücher, AG 1989, 190, 192. So Brücher, AG 1989, 190, 192. 62 Vgl. Spindler, in: MünchKomm. AktG, Vorbem § 76 Rn. 60. 63 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 16; Spindler, in: MünchKomm. AktG, Vorbem § 76 Rn. 55. 64 So bereits Zöllner, ZGR 1988, 392, 423 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 19. 65 Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., Vorbem. § 76 Rn. 6; Koch, in: Hüffer/ Koch, § 90 Rn. 23. 66 So Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 19; ebenso Spindler, in: MünchKomm. AktG, Vorbem § 76 Rn. 55; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, § 90 Rn. 30. 67 Spindler, in: MünchKomm. AktG, Vorbem § 76 Rn. 60. 68 Spindler, in: MünchKomm. AktG, Vorbem § 76 Rn. 60. 69 Spindler, in: MünchKomm. AktG, Vorbem § 76 Rn. 60. 70 Borgmann, Organstreit, S. 239; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 19; Mertens/ Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 90 Rn. 66. 71 So ausdrücklich Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, Vorbem § 76 Rn. 5. 61

§ 19 Organstreitigkeiten in der Literatur

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3. Die Befürworter von Kompetenzschutzklagen Nach der überwiegenden Auffassung überzeugen diese Bedenken nicht. Sie will im Gegenzug Kompetenzabwehrklagen zwischen Organen zulassen72. Kritisiert wird an der restriktiven Ansicht, dass ein Teil ihrer Argumente eine rechtliche Bewertung nicht zulasse73. So sei die bloße Aussage, dass es kein Bedarf nach Organklagen gebe, kein Abweisungsgrund für eine Klage74. Nichts anderes gelte dafür, ob es sich bei einer Klage gegen den Vorstand um eine politische Dummheit handele oder sich der Aufsichtsrat der Lächerlichkeit preisgebe. Ob dies der Fall sei oder nicht, obliege allein dem Aufsichtsrat75. Ob der Aufsichtsrat nach Abschluss des Rechtsstreits noch in der Lage sei, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Vorstand zu leisten, sei alleinige Entscheidung des Aufsichtsrats und nicht durch die Rechtslehre festzulegen76. Zudem dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass bereits im Zeitpunkt, in dem sich der Aufsichtsrat dazu entschließen würde, Klage zu erheben, das Vertrauensverhältnis gestört sei77. Welches Organ für diese Zerrüttung verantwortlich sei, könne allerdings erst durch einen Prozess geklärt werden, indem sich mit der materiellen Rechtslage auseinander gesetzt werden müsse78. Kein Anzeichen für ein fehlendes Bedürfnis sei die bisher geringe Anzahl erhobener Klagen. Vielmehr liege diese Zurückhaltung daran, dass die betroffenen Organe das Prozessrisiko deshalb scheuen, da bisher weder Rechtsprechung noch Rechtslehre Organklagen anerkannt haben79.

72 Bauer, Organklagen, S. 95 ff., 106 ff.; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 601; Bork, ZGR 1989, 1, 17 ff.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 307 ff.; Poseck, DB 1996, 2165, 2167 f.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 384 f.; Geißler, GmbHR, 1998, 1114, 1120; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 209 f.; Feddersen, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder, Handbuch Corporate Governance, 2010, S. 467; Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 468 f.; Teichmann, in: FS Mühl, 1981, S. 663, 671; auf einer prozessrechtlichen Grundlage beruhend, leitet Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 279 die Kompetenzschutzklage der jeweiligen Organe her. 73 Nach Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 601, „bleibt [sie] die Einhaltung jeglicher methodischen lex artis schuldig“; vgl. auch Poseck, DB 1996, 2165, 2166; Schulz-Gardyan, Die sogenannte Aktionärsklage, 1991, S. 98. 74 So Bork, ZIP 1990, 1037, 1040. 75 Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 601. 76 Darauf abstellend Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 186; Poseck, DB 1996, 2165, 2167; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 601. 77 So bereits Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 186; ebenso Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 601. 78 Ausdrücklich Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 601. 79 So ausdrücklich Geißler, GmbHR 1998, 1114, 1119.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

In der geltenden Zuständigkeitsordnung seien Konflikte zwischen Vorstand und Aufsichtsrat unvermeidbar, da ihre jeweiligen Funktionen – Leitung und Überwachung – zu Kontrasten führen, die einer gerichtlichen Klärung zugänglich sein müssen80. Die Lösung solcher Kompetenzkonflikte könne nicht allein durch die Personalhoheit des Aufsichtsrats erreicht werden81. Begründet wird dies damit, dass im Einzelfall die Voraussetzungen für eine Abberufung nicht vorlägen. Da die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft keine satzungsautonomen Gestaltungsmöglichkeiten zulasse, müsse bei Verstößen die Herstellung der zwingenden Zuständigkeitsordnung durch gerichtliche Hilfe möglich sein82. Dies könne nur durch ein gesetzlich nicht vorgesehenes Konfliktlösungsinstrument passieren83. Die Möglichkeit einer Kompetenzschutzklage werde zudem auch den Entwicklungen gerecht, dass eine zunehmende Professionalisierung des Aufsichtsrats stattgefunden habe84. Dem Aufsichtsrat müssen Mittel an die Hand gegeben werden, um eine effektive Aufgabenwahrnehmung gewährleisten zu können85. Bisweilen fokussierte sich die Beurteilung der Kompetenzschutzklage auf die Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat. Letzterer solle gegen den Vorstand klagen können, wenn dieser seine Kompetenzen überschreitet bzw. die Kompetenzen des Aufsichtsrats verletzt. Jedoch könne eine Kompetenzverletzung aber auch dadurch erfolgen, dass der Aufsichtsrat in rechtswidriger Weise in den Kompetenzbereich des Vorstands eingreift86. Eine solche „umgekehrte“ Klagemöglichkeit wird daher in der Literatur auch in Erwägung gezogen. Allerdings wird bei Kompetenzüberschreitungen, die durch einen zu weiten Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG durch den Aufsichtsrat herbeigeführt werden, eine restriktivere Linie vertreten87. Hier müsse der vom Gesetz vorgesehene Konfliktlösungsmechanismus nach § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG angewandt werden88. Folglich sei es dem Vorstand in diesem Fall verwehrt, zu klagen, und er müsse erst die

80 Dazu Landrock, Innenrechtsstreit,S. 74 f.; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 602. 81 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 363. 82 So bereits Teichmann, in: FS Mühl, 1981, S. 663, 667; sich anschließend Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 602; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 363. 83 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 363. 84 Dazu Habersack/Schürnbrand, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, Kap. 17 Rn. 32; zuvor bereits Lutter, ZIP 2003, 417; Sünner, ZIP 2003, 834, 835. 85 So Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 614 f.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 385; zuvor bereits Geißler, GmbHR 1998, 1114, 1115. 86 Dazu Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 13; Pentz, in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 16 Rn. 168; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 386. 87 Pentz, in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 16 Rn. 167. 88 Dazu Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 386.

§ 19 Organstreitigkeiten in der Literatur

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Hauptversammlung anrufen89. Die Diskussion wurde deshalb wieder aktuell, da in der Literatur die Frage aufgeworfen wurde, inwiefern dem Vorstand Rechte zur Verfügung gestellt sind, wenn der Vorsitzende des Aufsichtsrats Kompetenzen des Vorstands verletzt90. In einem solchen Fall wird ebenfalls ein Klagerecht des Vorstands gegen den Aufsichtsrat befürwortet, da dem Vorstand keine vergleichbaren anderen Konfliktlösungsmittel zur Verfügung stehen würden, um sich gegen Handlungen einzelner Aufsichtsratsmitglieder zu wehren91. Ein Klagerecht verdichte sich zudem dann zu einer Klagepflicht, wenn durch die Kompetenzüberschreitung eine schwerwiegende Beeinträchtigung des (vermögensrechtlichen) Unternehmensinteresses hervorgerufen werde92. Interessanterweise haben diese Einwände dazu geführt, dass Verfechter der restriktiven Meinung zu Kompetenzschutzklagen dem Vorstand ein Klagerecht zugestehen wollen93.

III. Die allgemeine Verhaltenskontrolle durch den Aufsichtsrat Neben der Durchsetzung von Berichtspflichten und der Geltendmachung von Kompetenzschutzklagen wird im Schrifttum darüber diskutiert, inwiefern der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft gegen rechtswidrige Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands vorgehen kann94. Im Gegensatz zur Kompetenzschutzklage ist der Aufsichtsrat selbst hierbei nicht von der Maßnahme des Vorstands betroffen95. Die überwiegende Auffassung – und dabei bilden sowohl Vertreter als auch Gegner von Organklagen eine Mehrheit – lehnt eine sog. allgemeine Verhaltenskontrolle in Form einer Leistungsklage gegen den Vorstand durch den Aufsichtsrat ab96. Verwiesen wird dabei vor allem auf die Leitungsautonomie des

89 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 386; Pentz, in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 16 Rn. 167. 90 Dazu Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721 ff. 91 Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 724. 92 Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 725. 93 So Spindler, in: MünchKomm. AktG, Vorbem. § 76 Rn. 60 a.E. 94 Dazu ausführlich Raiser, ZGR 1989, 44, 63 ff.; ders., AG 1989, 185, 188; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 5; zuvor bereits Grunewald, DB 1981, 407, 408. 95 Dazu Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 386 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 201 ff. 96 Lewerenz, Leistungsklagen, S. 115 f., S. 121 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 197 ff.; 202 f.; Bauer, Organklagen, S. 119 ff.; Bork, ZGR 1989, 1, 20 f.; Pflugradt, Leistungsklagen, S. 117, 126, 155 ff.; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 279 ff.; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 230, der jedoch Feststellungsklagen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer Maßnahme anerkennen will, um mögliche Prozesse nach der Abberufung des Vorstands zu vermeiden; ebenfalls ab-

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

Vorstands, die ihm durch § 76 Abs. 1 AktG eingeräumt werde97. Zwar sei rechts- und satzungswidriges Verhalten nicht von diesem Schutz erfasst. Jedoch werde der Vorstand einen solchen Vorwurf jederzeit bestreiten98. Insbesondere werde der Vorstand gehindert, seine Geschäftsführungsaufgaben – zumindest vorübergehend – wahrzunehmen und darüber hinaus genötigt, getroffene Entscheidungen vor Gericht zu verteidigen99. Damit gefährde man das Funktionieren der Führung der Gesellschaftsgeschäftsführung und die Existenz der Gesellschaft selbst. Die Gegenmeinung anerkennt die vorhandene Kompetenzordnung und wolle auch nicht die Leitungsautonomie des Vorstands verletzen100. Ebenfalls könne der Aufsichtsrat nicht wie der Inhaber eines Weisungsrechts in den Ermessensspielraum des Vorstands eingreifen. Jedoch gelte dies nicht für rechtswidrige Maßnahmen des Vorstands, da solche nicht von der Leitungsautonomie erfasst seien101. Der Aufsichtsrat müsse als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft die Möglichkeit haben, einen potentiell eintretenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, wenn Anzeichen bestehen, das eine Maßnahme des Vorstands einen solchen heraufbeschwöre102. Es liege auch im Interesse der Gesellschaft, wenn schwere Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften vermieden werden103. Dafür sprechen auch allgemeine zivilrechtliche Grundsätze, wonach restitutiven Ansprüchen (Schadensersatz), präventive Ansprüche (Unterlassung) zur Seite gestellt werden müssen104. Dass der Aufsichtsrat erst abwarten solle, bis der Schaden eingetreten sei, könne nicht überzeugen. Dabei müsse insbesondere die persönliche Leistungsfähigkeit der betroffenen Organmitglieder berücksichtigt werden, da die Kompensalehnend Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., Vorbem § 76 Rn. 5 f., vermittelnd hingegen noch Mertens, in: KölnKomm. AktG, 1. Aufl., Vorbem § 76 Rn. 5. 97 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 387; Bauer, Organklagen, S. 120; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 279 f.; Bork, ZGR 1989, 1, 21; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 363, 366; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 232; Mertens, ZHR 154 (1990), 24, 29 f. 98 So ebenfalls Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 387. 99 Mertens, ZHR 154 (1990), 24, 29 f.; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 232; Bauer, Organklagen, S. 120. 100 Eine Klage des Aufsichtsrats gegen den Vorstand befürwortend Raiser, ZGR 1989, 44, 57 ff.; ders., AG 1989, 185, 188 f.; Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 104; H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 94 ff.; eine Klage der Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat, präferieren hingegen Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 10 ff.; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 93 Rn. 605. 101 Raiser, AG 1989, 185, 188 f.; zuvor bereits Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, AktG, § 82 Rn. 36. 102 Dazu Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 93 Rn. 606; Arlt, DZWiR 2007, 177, 181 f.; dem grundsätzlich beipflichtend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 386 f. 103 Raiser, ZGR 1989, 44, 64 f.; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 12; H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 96. 104 So Raiser, ZGR 1989, 44, 85; Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 104; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 5; Grunewald, DB 1981, 407, 408.

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tion des eingetretenen Schadens von diesen überwiegend nicht allein getragen werden könne105. Eine Klage auf Unterlassung sei nach Raiser nur zulässig, wenn der Vorstand unrechtmäßig handelt106. Je schwerer die Verletzung sei, desto intensiver müsse der Aufsichtsrat eine Klage gegen den Vorstand prüfen107. Nicht erfasst seien jedoch unzweckmäßige Geschäftsführungsmaßnahmen108. Bei diesen beschränken sich die Handlungsalternativen des Aufsichtsrats auf Information, Meinungsäußerung und Beratung109. Einige Stimmen aus der Literatur befürworten im Rahmen der allgemeinen Verhaltenskontrolle ein Einschreiten des Aufsichtsrats, wenn der Vorstand außerhalb des Unternehmensgegenstands tätig wird oder sich weigert, Hauptversammlungsbeschlüsse (§ 83 Abs. 2 AktG) auszuführen110. Es handelt sich hierbei um eine Problematik, die Bereiche der Kompetenzschutzklagen berühren und teilweise auch dort diskutiert werden111. Überwiegend wird dabei vertreten, dass der Aufsichtsrat nicht aus seiner Stellung als Überwachungsorgan aus eigenem Recht auf Unterlassung der – die Kompetenz der Hauptversammlung verletzenden – Maßnahme gegen den Vorstand klagen könne112. Eine solche Vorgehensweise stelle vielmehr wiederum eine Verletzung von Kompetenzen der Hauptversammlung durch den Aufsichtsrat dar113. Ausnahmsweise sollen aber sowohl Hauptversammlung als auch Aufsichtsrat in ihren Kompetenzen verletzt sein, wenn beide ihre Zustimmung nach § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG verweigert haben, der Vorstand die Durchführung der Maßnahme trotzdem weiter verfolge114. Hier sei der Aufsichtsrat berechtigt, im eigenen Namen 105

Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 387. Raiser, ZGR 1989, 44, 64 f.; ebenso Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 12 f. 107 Raiser, ZGR 1989, 44, 64 f.; H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status,S. 94 ff. 108 A.A. hingegen Grunewald, DB 1981, 407, 408. 109 Raiser, ZGR 1989, 44, 63. 110 Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 83 Rn 25; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 310; Bauer, Organklagen, S. 105; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 9 f. 111 So beispielsweise Bauer, Organklagen, S. 102; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 193 f. 112 Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 83 Rn 25; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 310; Bauer, Organklagen, S. 105; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 9 f.; von einer organisatorischen Wahrnehmungszuständigkeit des Aufsichtsrats ausgehend, der aus eigenem Recht klagen dürfe H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status,S. 91; ebenso Pflugradt, Leistungsklagen, S. 114 f., 125 f., 155 ff.; inwiefern Raiser ebenfalls dem Aufsichtsrat ein eigenes Recht zugestehen will, wird nicht ganz deutlich. Zwar befürwortet er ein Einschreiten bei rechtswidrigen Maßnahmen des Vorstands, die eine gewisse Schwere aufweisen, so dass bei einer Verletzung der Hauptversammlungszuständigkeit ein solcher Fall gegeben sei. Jedoch verweist er auf § 112 AktG, wonach der Aufsichtsrat die Rechte für die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand und dessen Mitgliedern wahrzunehmen habe, ZGR 1989, 44, 61 f. 113 Ausführlich Bauer, Organklagen, S. 102 sowie S. 103; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 194 f. 114 So Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 192, 195. 106

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gegen den Vorstand zu klagen115. In allen anderen Fällen liege nach überwiegender Auffassung eine Klage der Gesellschaft – vertreten durch den Aufsichtsrat – gegen den Vorstand vor116. Dabei ist allerdings wieder strittig, auf welcher Grundlage der Aufsichtsrat als Vertreter tätig wird. Während die einen § 112 AktG heranziehen wollen117, stellen andere auf eine Analogie zu § 246 Abs. 2 Satz 3 AktG ab118. Andere wiederum sehen darin einen „verkappten“ Organstreit zwischen Hauptversammlung und Vorstand und lehnen diese Vorgehensweise ab. Sie präferieren hingegen eine Klage des Aktionärs auf Verletzung der Mitgliedschaft119. Den Aktionären stehe dann ein individueller Unterlassungsanspruch gegen den Vorstand zu, der die Durchführung der Maßnahme im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes mit einstweiliger Verfügung verhindere120.

C. Klagerechte einzelner Organmitglieder gegen Aufsichtsrat und Vorstand I. Allgemeines Innerhalb eines Organs kann es zwischen einzelnen Mitgliedern, anderen Organteilen, aber auch im Verhältnis zum Gesamtorgan zu Streitigkeiten über die aus dem Organschaftsverhältnis resultierenden Rechte und Pflichten kommen. Diese Konflikte können daher sowohl im Vorstand als auch im Aufsichtsrat auftreten. Wegen der interessenpluralistischen Zusammensetzung des Aufsichtsrats sind Intraorganstreitigkeiten in der Praxis vor allem im Aufsichtsrat von Relevanz121. Gegenstand von solchen Konflikten ist zum einen die Beschränkung der Befugnisse einzelner Mitglieder durch die Mehrheit, den Aufsichtsratsvorsitzenden oder andere Organteile122. Zum anderen steht die Kontrolle der vom Gesamtorgan gefassten 115 Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 192, 195. 116 Vgl. die Verweise in den beiden nachfolgenden Fußnoten. A.A. H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status,S. 91; ebenso Pflugradt, Leistungsklagen, S. 114 f., 125 f., 155 ff. 117 Bauer, Organklagen, S. 102; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 9; wohl auch Raiser, ZGR 1989, 44, 61 f. und Lewerenz, Leistungsklagen, S. 121 und 128. 118 Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 196; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 274; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 310. 119 So ausdrücklich Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 83 Rn. 6. 120 Vgl. Hoffmann, in: Spindler/Stilz, § 119 Rn. 53; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 83 Rn. 12; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 83 Rn. 6; Seibt, in: Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 83 Rn. 14; einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Mitgliedschaft als sonstiges Recht sehen Habersack/Förster, in: Großkomm. AktG, § 83 Rn. 15. 121 So Hauswirth, Befugnisse und Pflichten, S. 209. 122 Zu diesen ausführlich unter § 19 D.

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Beschlüsse im Mittelpunkt. Inwiefern eine solche vorgenommen werden kann, ist im Schrifttum erheblich umstritten.

II. Rechte von Mitgliedern des Aufsichtsrats gegenüber dem eigenen Organ 1. Hilfsrechte des einzelnen Organmitglieds Dem einzelnen Mitglied sind gegenüber dem eigenen Organ verschiedene Informationsrechte (§§ 90 Abs. 5, 107 Abs. 2 Satz 4, § 110 Abs. 1 und 2, § 170 Abs. 3 AktG) zugewiesen. Umstritten ist hierbei wiederum, wer in einem solchen Fall als passivlegitimiert anzusehen ist. Sowohl innerhalb der traditionellen Auffassung als auch innerhalb der Lehre vom Organrecht herrscht keine Einigkeit. Während die einen gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden klagen wollen123, sehen die anderen die Gesellschaft, vertreten durch Vorstand124 oder Aufsichtsrat125 oder durch einen externen Prozesspfleger126 als richtige Beklagte an. 2. Kompetenzschutz des einzelnen Organmitglieds Innerhalb des Organs stehen dem Organmitglied selbst keine eigenen Kompetenzen zu. Nach einhelliger Auffassung nehmen Organmitglieder die Kompetenzen des Organs wahr, wobei ihr Handeln dem Organ zugerechnet werde127. Davon seien jedoch sog. Organmitgliedschaftsrechte zu unterscheiden, die innerorganisatorische subjektive Rechte darstellen128. Solche gewähren es, zu den Sitzungen geladen zu werden, an diesen teilzunehmen, sich zu äußern, Anträge zu stellen und mitzustimmen129. Nach den Vertretern der Lehre vom Organrecht handele es sich dabei um Rechte, die eigene Verhaltensspielräume gewähren und deshalb nicht als Hilfsrechte anzusehen seien130. Passivlegitimiert seien entweder die Aktiengesellschaft131, der Aufsichtsrat als Gesamtorgan132 oder die übrigen Aufsichtsratsmitglieder133. 123

Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 383; zuvor bereits K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 226 f.; Borgmann, Organstreit, S. 216 f.; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 237; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 98 ff.; H. Westermann, in: FS Bötticher, 1969, S. 369. 124 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 23. 125 Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 15 f.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 314 f. 126 Becker, Verwaltungskontrolle, S. 508. 127 Die Kompetenz zur Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands nach § 111 Abs. 1 AktG ist daher eine Kompetenz des Organs Aufsichtsrat und nicht eine Kompetenz der einzelnen Mitglieder, vgl. Bork, ZGR 1989, 1, 34. 128 Bork, ZGR 1989, 1, 34. 129 Dazu Säcker, NJW 1979, 1521 ff.; Bork, ZGR 1989, 1, 34. 130 So Bork, ZGR 1989, 1, 34.

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Nach Bork bilde dieses Organmitgliedschaftsrecht ein subjektives Recht im weiteren Sinne, das zu einem ungeschriebenen innerorganisatorischen Störungsverbot führe134. (Drohende) Verletzungen dieses Störungsverbots führen dazu, dass Abwehrrechte gegenüber demjenigen entstehen, der die Störung des Organmitgliedschaftsrechts hervorgerufen habe. Passivlegitimiert können bei solchen Beeinträchtigungen sowohl das eigene Organ oder die übrigen Organmitglieder als auch ein anderes Organ sein135. 3. Kontrolle der im Aufsichtsrat gefassten Beschlüsse Die Willensbildung innerhalb des Aufsichtsrats erfolgt gem. § 108 Abs. 1 AktG durch Beschluss. Will ein einzelnes Organmitglied einen gefassten (fehlerhaften) Beschluss angreifen, so ist umstritten, mit welcher Klage er dies herbeiführen kann136. Unstreitig kann der gefasste Beschluss nur auf seine Rechtmäßigkeit, nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin überprüft werden137. Bei Letzterer könne das einzelne Mitglied nicht sein Ermessen anstelle des Beurteilungsvermögens der Mehrheit setzen138. Das Gesetz sieht weder Regelungen für das Verfahren noch für die Rechtsfolge eines solchen Vorgehens vor, sodass verschiedene Ansätze diskutiert werden. Einige Stimmen plädieren dafür, die für die Hauptversammlung geltenden Vorschriften über die Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen auch auf die Kontrolle von Aufsichtsratsbeschlüssen anwenden zu können139. Dafür spreche die Notwendigkeit nach Schwere und Wesentlichkeit des Verfahrensverstoßes zu differenzieren. Danach sollen nach § 243 AktG analog Aufsichtsratsbeschlüsse angefochten werden können. Unterbleibe eine Anfechtung, gelten die Beschlüsse als 131 Mertens, ZHR 154 (1990), 24, 34, 38, der die Möglichkeit eines Organstreits bereits ablehnt. 132 Säcker, NJW 1979, 1521, 1526; Bork, ZGR 1989, 1, 34; Kort, AG 1987, 193, 197. 133 So Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 284 f. 134 Bork, ZGR 1989, 1, 34 f. 135 Vgl. Bork, ZGR 1989, 1, 35. 136 Einige Stimmen wollen im Vorfeld einer Klage eine „Anfechtung“ gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden vornehmen, so Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 603 f.; ihnen zustimmend Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, § 12 Rn. 837. 137 Vgl. Raiser, ZGR 1989, 44, 65 f. 138 So Raiser, ZGR 1989, 44, 67. 139 Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 565 ff.; Radke, BB 1960, 1045, 1046; Baums, ZGR 1983, 300, 305 ff.; Becker, Verwaltungskontrolle, S. 489, 493; Landrock, Innenrechtsstreit, S. 190 f.; 193 f.; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 212 f.; Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 103; Axhausen, Anfechtbarkeit Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 157 ff.; Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, 1994, S. 94 ff.; zwischen Nichtigkeit und Vernichtbarkeit nach eigenen Regeln differenzierend aber Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 108 Rn. 101.

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wirksam zustande gekommen140. Hingegen seien Beschlüsse, die schwerwiegende Verstöße gegen Gesetze oder Grundsätze des Aktienrechts enthalten nach § 241 AktG analog nichtig141. Wer hiernach aktiv- und passivlegitimiert sein soll, ist umstritten. Grundsätzlich sei das einzelne Aufsichtsratsmitglied berechtigt, einen gefassten Beschluss anzufechten142. Teilweise wird dabei im Zusammenhang mit § 245 Nr. 1 AktG analog gefordert, dass das Aufsichtsratsmitglied in der Sitzung erschienen sei und dem Beschluss widersprochen habe143. Überwiegend verneint wird die Anfechtungsbefugnis für den Vorstand144 selbst und seine Mitglieder145. Grundsätzlich gelte dies auch hinsichtlich einer allgemeinen Anfechtungsbefugnis der Aktionäre146. Ausnahmsweise könne ein Aktionär allerdings auch gegen einen Beschluss des Aufsichtsrats Nichtigkeitsklage erheben, wenn er rüge, dass der gefasste Beschluss die Kompetenz des Aufsichtsrats zum Nachteil der Hauptversammlung überschreite147. Passivlegitimiert sei nach einer Auffassung die Gesellschaft selbst, vertreten durch den Vorstand nach § 246 Abs. 2 Satz 3 AktG analog148. Teilweise wird dagegen vorgebracht, dass die Vertretung durch den Vorstand dazu führe, dass das Leitungsorgan als eigentliches Überwachungsobjekt durch die Vertretung der Gesellschaft in Angelegenheiten der Überwachung eingreife und den

140 Axhausen, Anfechtbarkeit Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 212 ff.; Baums, ZGR 1983, 300, 305 ff, 337 ff. 141 Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 566 ff.; Landrock, Innenrechtsstreit, S. S. 227; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 212 f. 142 Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 571; Axhausen, Anfechtbarkeit Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 219; K. Schmidt, in: FS Semler, 1993, S. 329, 345; Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, 1994, S. 180. 143 So Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 571; ebenso Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, 1994, S. 181; Baums, ZGR 1983, 300, 339; a.A. Becker, Verwaltungskontrolle, S. 494; Axhausen, Anfechtbarkeit Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 220 f. 144 Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, 1994, S. 182; Becker, Verwaltungskontrolle, S. 495; Axhausen, Anfechtbarkeit Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 223; Baums, ZGR 1983, 300, 340; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 571; a.A: Radke, BB 1960, 1045, 1048. 145 Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 571; a.A. hingegen Radke, DB 1960, 1045, 1048. 146 So Axhausen, Anfechtbarkeit Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 173; Radke, DB 1960, 1045, 1048; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 572; Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, 1994, S. 182 f.; a.A. Becker, Verwaltungskontrolle, S. 495 f. 147 Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 573; zuvor bereits Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, 1994, S. 176. 148 Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 571; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 213; zuvor bereits GK-Naendrup, Mitbestimmungsgesetz, 1977, § 25 Rn. 218.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

Aufsichtsrat kontrolliere149. Folglich solle der Aufsichtsrat als Vertreter der Gesellschaft agieren150. Andere befürworten es, dass der Aufsichtsrat gar in die Rolle der beklagten Prozesspartei treten solle151. Gegen die Heranziehung der Vorschriften über die Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen wird von der herrschenden Auffassung eingewandt, dass die daran angelehnte Unterscheidung zwischen Nichtigkeits- und Anfechtungsgründen auf Beschlüsse des Aufsichtsrats nicht übertragbar sei152. Vielmehr müsse die Geltendmachung der Nichtigkeit eines Beschlusses über die normale Feststellungsklage erfolgen153. Im Gegensatz zu Hauptversammlungsbeschlüssen gehe es bei Aufsichtsratsbeschlüssen nicht um den Schutz des Vertrauens der Öffentlichkeit oder der Anleger in die Wirksamkeit der gefassten Beschlüsse154. Es handele sich bei diesen vielmehr um Funktionen mit Innenwirkung, sodass die für eine Analogie notwendige vergleichbare Interessenlage nicht gegeben sei155. Zwar sei anerkannt, dass zur Erzeugung von Rechtssicherheit Teilanalogien zu den Bestimmungen der §§ 241 ff. AktG heranzuziehen sind156. Jedoch könne keine pauschale Gleichsetzung erfolgen. Berechtigt zur Klage sei danach jeder, der Feststellungsinteresse vorweisen könne157. Dies sei grundsätzlich bei jedem Vorstands-158 als auch Aufsichtsratsmitglied gegeben159, selbst wenn die betroffenen Beschlüsse vor ihrer Bestellung erfolgt seien160.

149 So aber Häsemeyer, AcP 188 (1988), 140, 161; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 314 f.; kritisch ebenfalls Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 213. 150 Landrock, Innenrechtsstreit, S. 243. 151 So Poseck, DB 1996, 2165, 2169; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 303 ff.; Raiser, ZGR 1989, 44 ff.; Noack, DZWir 1994, 341, 342. 152 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 108 Rn. 28; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 81; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 108, Rn. 77; Fleischer, DB 2013, 217, 218 f.; Götz, in: FS Lüke, 1997, S. 167, 178; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 108 Rn. 37. 153 Ausführlich Meilicke, in: FS W. Schmidt, 1959, S. 71, 109 ff.; Spindler, in: Spindler/ Stilz, § 108, Rn. 78; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 108 Rn. 26; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 85; kritisch dazu und sich für eine Kodifikation aussprechend Fleischer, DB 2013, 217, 223. 154 Spindler, in: Spindler/Stilz, § 108 Rn. 77; Kindl, AG 1993, 153, 156; Götz, in: FS Lüke, 1997, S. 167, 178 f. 155 Meilicke, in: FS W. Schmidt, 1959, S. 71, 77 ff.; Kindl, DB 1993, 2065, 2066; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 108 Rn. 77. 156 So Fleischer, DB 2013, 217 f.; ebenso Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 108 Rn. 29. 157 Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 108 Rn. 44; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 85. 158 Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 108 Rn. 45; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 108 Rn. 79; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 108 Rn. 88; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 108 Rn. 30; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 85; a.A. Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluß, 1994, S. 182. 159 Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 108 Rn. 44 und 45; Spindler, in: Spindler/ Stilz, § 108 Rn. 79; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 741;

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Nur in Ausnahmen soll dieses nicht gegeben sein, dann etwa, wenn das Aufsichtsratsmitglied in Kenntnis des Mangels zugestimmt habe161 oder im Rahmen eines Verfahrensfehlers nur ein Mitglied betroffen sei162. Bei allen anderen potentiellen Klägern, insbesondere den Aktionären, wird ein besonderes Feststellungsinteresse gefordert. Eine solche spezifische Betroffenheit sei bei einem Aufsichtsratsbeschluss dann gegeben, wenn Vermögensinteressen des Aktionärs – bspw. durch den Ausschluss des Bezugsrechts – verletzt werden163. Die erfolgreiche Feststellungsklage wirke für und gegen alle Organmitglieder und Aktionäre. Überwiegend werde dafür eine punktuelle Analogie zu § 248 AktG in Betracht gezogen164. Wer passivlegitimiert ist, ist wiederum umstritten. Während die überwiegende Ansicht darauf abstellt, dass die Aktiengesellschaft selbst, vertreten durch den Vorstand, passivlegitimiert sei165, sehen andere den Aufsichtsrat in der richtigen Beklagtenrolle166. 4. Fragen der allgemeinen Verhaltenskontrolle Inwiefern nach dem bisher Gesagten noch Platz für eine allgemeine Verhaltenskontrolle des Gesamtaufsichtsrats durch einzelne Aufsichtsratsmitglieder bestehen könne, wird allein nur von wenigen Stimmen in der Literatur in Erwägung gezogen und untersucht167. Überwiegend wird dabei eine restriktive Haltung vertreten. So sei es nach H. Bitter überflüssig, den Aufsichtsrat im Wege einer Klage zu verpflichten, bestimmte Amtshandlungen gegen den Vorstand vorzunehmen168. Allein Raiser hält es für nicht völlig ausgeschlossen, dass eine Leistungsklage gegen die anderen Mitglieder auf Zustimmung einer beantragten Vorgehensweise statthaft

Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 108 Rn. 112; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 108 Rn. 171; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 108 Rn. 85. 160 Spindler, in: Spindler/Stilz, § 108 Rn. 79; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 108 Rn. 30; zuvor bereits BGH AG 2012, 677 Rn. 12. 161 Fleischer, DB 2013, 217, 219; ihm folgend Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 108 Rn. 44. 162 Dazu Fleischer, DB 2013, 217, 219. 163 Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 108 Rn. 45; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 108 AktG Rn. 112; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 108 AktG Rn. 85. 164 Fleischer, DB 2013, 217, 223 f.; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 108 AktG Rn. 79; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 108 Rn. 46. 165 Spindler, in: Spindler/Stilz, § 108 AktG Rn. 80; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 108 Rn. 113; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, § 108 Rn. 21; unter Verweis auf eine entsprechende Anwendung von § 246 siehe Fleischer, DB 2013, 217, 222. 166 Raiser, ZGR 1989, 44, 56, 66 ff.; Bork, ZIP 1991, 137, 144 f.; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 18. 167 Raiser, ZGR 1989, 44, 68 f. 168 H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 108.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

wäre169. Sie habe dann voraussichtlich Aussicht auf Erfolg, wenn es um eine Angelegenheit gehe, in der nur eine Entscheidung rechtmäßig oder dem Unternehmensinteresse entsprechen würde und dem Aufsichtsrat kein Ermessen zukomme170.

III. Klagerechte von Mitgliedern des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand 1. Klagerechte aus eigenem Recht Für Klagen aus eigenem Recht wird von einigen Stimmen auf § 245 Nr. 5 AktG verwiesen171. Danach könne ein Mitglied von Vorstand und Aufsichtsrat einen Hauptversammlungsbeschluss anfechten, wenn die Mitglieder der Organe durch die Ausführung des Beschlusses „eine strafbare Handlung oder eine Ordnungswidrigkeit begehen oder wenn sie ersatzpflichtig werden würden“.

Folglich kenne das Aktiengesetz Regelungen, die es Organmitgliedern gestatten, selbst gegen rechtswidrige Maßnahmen anderer Organe vorzugehen. Jedoch wird ebenso erkannt, dass eine vergleichbare Situation im Verhältnis Aufsichtsratsmitglied – Vorstand nicht gegeben sei. Vielmehr verlange § 245 Nr. 5 AktG zudem, dass die Organmitglieder in eine unzumutbare Zwangslage geraten, da sie einerseits verpflichtet seien, den Beschluss auszuführen und andererseits bei Ausführung des Beschlusses sich schadensersatzpflichtig und strafbar machen würden172. Eine solche Zwangslage existiere jedoch im Verhältnis Aufsichtsratsmitglieder – Vorstand nicht, da der Aufsichtsrat nicht verpflichtet sei, die Beschlüsse des Vorstands auszuführen173. Folglich könne § 245 Nr. 5 AktG nicht zu Felde geführt werden. Ebenfalls in Erwägung gezogen wird eine Prozessführungsbefugnis durch die Mehrheit einzelner Aufsichtsratsmitglieder aufgrund eines bestehenden „Repräsentationsinteresses“174. Abgestellt wird dabei auf die Zugehörigkeit einzelner Organmitglieder zur „Bank“ der Arbeitnehmervertreter. Jedoch wird auf den Willen des 169 Vgl. Raiser, ZGR 1989, 44, 69 Fn. 67 mit dem Verweis auf die aus der Treupflicht abgeleiteten Klagen eines Gesellschafters gegen die Mitgesellschafter, dem Ausschluss eines Gesellschafters zuzustimmen oder in eine Satzungsänderung einzuwilligen. 170 Raiser, ZGR 1989, 44, 69. 171 Die Möglichkeit in Betracht ziehend, aber im Ergebnis verneinend Raiser, ZGR 1989, 44, 54; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 215. 172 Siehe Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 215. 173 Raiser, ZGR 1989, 44, 54 f.; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 19; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 215. 174 Dazu Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 285 f.; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 142 f.

§ 19 Organstreitigkeiten in der Literatur

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Gesetzgebers verwiesen, da durch das Mitbestimmungsgesetz kein „Bänkeprinzip“ geschaffen werden sollte und daher der Arbeitnehmerseite als Organteil175 kein eigenes Klagerecht zugebilligt werden könne176. Daran anschließend wird gefolgert, dass auch die Arbeitnehmervertreter allein nicht berechtigt seien, gegen den Vorstand zu klagen177. Zum einen sei jedes Aufsichtsratsmitglied mit den gleichen Rechten und Pflichten ausgestattet178. Zum anderen enthalte das Mitbestimmungsgesetz keine Rechtsgrundlage, die für eine solche Sonderstellung spreche179. Eine weitere Analogie wird zum Klagerecht der Aktionäre infolge der Holzmüller-Doktrin des BGH in Erwägung gezogen180. Der BGH habe eine Einzelklagebefugnis des Aktionärs zuerkannt, wenn das Mitgliedschaftsrecht verletzt werde, weil der Vorstand die Hauptversammlung in unzulässiger Weise von der Mitwirkung an einer Geschäftsführungsmaßnahme ausschließe181. In einem solchen Fall könne der Aktionär im Klagewege sich zur Wehr setzen, da er einen verbandsrechtlichen Anspruch darauf habe, dass die Gesellschaft die Mitgliedschaftsrechte achte und alles unterlasse, was sie über das durch Gesetz und Satzung gedeckte Maß hinaus beeinträchtige182. Grundsätzlich wird in der Literatur das Bestehen einer vergleichbaren Situation bejaht, da der Vorstand Rechte des Aufsichtsrats verletze. Jedoch wird zugleich eingewandt, dass es zweifelhaft sei, ob das einzelne Aufsichtsratsmitglied aus seiner bloßen Zugehörigkeit zum Organ Aufsichtsrat ein Klagerecht zustehe, wie es dem Aktionär zukomme, der dem Organ Hauptversammlung angehöre183. Das Abwehrrecht des Aktionärs entstamme nicht aus der Zugehörigkeit zum Organ. Vielmehr beruhe das Abwehrrecht des Aktionärs auf der individuellen Mitgliedschaft im Verband und damit auf der Beteiligung an der Gesellschaft184. Es stelle daher kein Ersatzaufsichtsrecht der Gesellschaft dar, son-

175

Dazu ausführlicher unter § 19 D.III. Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 216; Raiser, ZGR 1989, 44, 52; Kort, AG 1987, 193, 195; Bork, ZGR 1989, 1, 35 f. 177 So ausdrücklich Kort, CR 1987, 105, 106, da ein Einzelklagerecht der Arbeitnehmervertreter das dem Mitbestimmungsgesetz tendenziell angelegte Übergewicht der Anteilseignerseite unterlaufen würde. 178 Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 216; Raiser, ZGR 1989, 44, 52; Kort, AG 1987, 193, 195; Bork, ZGR 1989, 1, 35 f. 179 So Raiser, ZGR 1989, 44, 53; Kort, CR 1987, 105, 106; ders., AG 1987, 193 ff. 180 Dazu Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 216 ff. 181 BGHZ 83, 122 ff. – Holzmüller. 182 BGHZ 83, 122, 133 f. – Holzmüller. 183 Dazu Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 217 f. 184 Bork, ZGR 1989, 1, 43; Raiser, ZHR 1989, 1, 9 f.; ders., AG 1989, 185, 186. 176

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

dern sei ein eigenes Recht des Aktionärs185. Ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied verfüge über kein vergleichbares Mitgliedschaftsrecht zum Verband, sondern leite seine Befugnisse allein aus der Mitgliedschaft zum Organ Aufsichtsrat ab186. Eine Verletzung dieser Organmitgliedschaftsrechte könne nur durch den Aufsichtsrat selbst erfolgen, wenn dieser bei einer rechtswidrigen Geschäftsführungsmaßnahme durch den Vorstand untätig bleibe, nicht aber durch den rechtswidrig handelnden Vorstand187. Das Mitglied sei vielmehr daran gehalten, durch Einberufung des Aufsichtsrats (§ 110 Abs. 1 AktG) und Teilnahme an der Beratung und Beschlussfassung über ein mögliches Einschreiten durch den Aufsichtsrat, sein Organmitgliedschaftsrecht wahrzunehmen188. Ein sog. Ersatzaufsichtsrecht könne ihm nicht zukommen189. Folglich seien Klagerechte des Aufsichtsratsmitglieds in Analogie zur Aktionärsklage nicht ersichtlich190. Unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Handelns zur Verbesserung der Corporate Governance und des Gedankenguts zur Kompetenzschutzklage, die dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied sowohl präventiv das Recht zubillige, auf Unterlassung zu klagen als auch nachträglich Beseitigung zu verlangen, müsse nach Schwab auch einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern das Recht zugestanden werden, pflichtwidrige Handlungen des Vorstands zu verhindern, bevor sie vollzogen werden191. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn sich der Aufsichtsrat als Kollegialorgan sperrt, gegen pflichtwidriges Vorstandshandeln mit gerichtlicher Hilfe vorzugehen. Es sei kaum vorstellbar, dass der Gesetzgeber durch Einführung des KonTraG zum einen die Pflichtenbindung des Aufsichtsrats verschärfen wolle192, zum anderen aber einem einzelnen Mitglied gerichtliche Hilfe gegen die den pflichtwidrig handelnden Vorstand deckende Mehrheit im Aufsichtsrat und den Vorstand versage193. Dies werde gestützt durch die Entwicklungen, die die Organ-

185 Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 19; Flume, Juristische Person, § 8 V, S. 311; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 217. 186 Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 218. 187 Bork, ZGR 1989, 1, 40 f.; ebenso Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 218. 188 Bork, ZGR 1989, 1, 41; ebenso Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 218; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 19 f. 189 So Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 392; a.A. hingegen Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 603. 190 So Raiser, AG 1989, 185, 190; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 218; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 392 f. 191 Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 614. 192 Ebenso Berrar, DB 2001, 2181; Hommelhoff/Mattheus, AG 1998, 249, 255 ff. 193 Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 614.

§ 19 Organstreitigkeiten in der Literatur

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haftung, insbesondere durch das ARAG/Garmenbeck-Urteil des BGH194, in den letzten Jahren genommen habe. Seitdem sei ihre praktische Bedeutung in erheblicher Weise gestiegen, sodass auch eine stärkere Betonung der Klagerechte zur Abwehr rechtswidriger Behinderungen angebracht sei195. 2. Klagebefugnisse aus abgeleitetem Recht Da die Mehrheit in der Literatur keine Klagerechte für das einzelne Aufsichtsratsmitglied anerkennt, stellt sich die Frage, ob ein solches in Prozessstandschaft für das Gesamtorgan Aufsichtsrat Klagerechte ausüben kann. Die Möglichkeit einer sog. „actio pro societate“ oder „actio pro socio“ für das Organ wurde zuerst von Hommelhoff/Timm in Erwägung gezogen196. Danach könne ein Aufsichtsratsmitglied klagen, wenn es sicher erscheine, dass der Gesamtaufsichtsrat es ausdrücklich ablehne, gegen die rechtswidrigen Maßnahmen des Vorstands vorzugehen197. Nach Bork sei eine „actio pro socio“ in Situationen möglich, in denen die aufsichtsratsinternen Maßnahmen zu spät kommen würden oder der gefasste Aufsichtsratsbeschluss nichtig sei198. Überwiegend wird die Heranziehung der „actio pro socio“ in der Literatur abgelehnt199. Zum einen befürchte man die Missbrauchsgefahr einer Klagebefugnis eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds, zum anderen führe eine solche Befugnis durch die gerichtliche Zuhilfenahme zu einer „Störung des Systems der unternehmensinternen checks and balances of power“200. Die „actio pro socio“ habe den Charakter einer Notzuständigkeitsregelung und dürfe nicht dazu benutzt werden, einen Konflikt zwischen Mehrheit und Minderheit im Aufsichtsrat über eine gerichtliche Inanspruchnahme des Vorstands auszufechten201. Zunächst müsse man daher alle Maßnahmen gegen das eigene Organ in Betracht ziehen, bevor man gegen

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BGHZ 135, 244. So Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 615; zuvor bereits Geißler, GmbHR 1998, 1114 f. 196 Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 332 f.; zur Personengesellschaft siehe ausführlich Schütz, Sachlegitimation und richtige Prozesspartei bei innergesellschaftlicher Streitigkeiten in der Personengesellschaft, 1993, S. 126. 197 Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 332 f.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 314. 198 Bork, ZGR 1989, 1, 42; dafür, wenn der Beschluss erfolgreich angefochten wurde Deckert, AG 1994, 457, 465; Kindl, AG 1993, 153 f. 199 Raiser, ZGR 1989, 44, 69 f.; ders., AG 1989, 185, 190; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 19 f.; Kort, AG 1987, 193, 198 f.; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 221 f. 200 So ausdrücklich Raiser, ZGR 1989, 44, 70. 201 Dazu Bork, ZGR 1989, 1, 40; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 219; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 19; dagegen Zöllner, ZGR 1988, 392, 406. 195

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

den Vorstand im Wege der „actio pro socio“ vorgehen könne202. So müsse das einzelne Organmitglied nach § 110 Abs. 2 AktG zunächst eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung einberufen und könne die betreffende Geschäftsführungsmaßnahme auf die Tagesordnung setzen. Weigere sich anschließend die Aufsichtsratsmehrheit gegen den Vorstand vorzugehen, obwohl sie dazu verpflichtet sei, könne das Mitglied den Beschluss anfechten203. Damit wäre zugleich die Rechtswidrigkeit offen hervorgetreten und ein verantwortungsvoll handelnder Vorstand würde von der beabsichtigten Geschäftsführungsmaßnahme Abstand nehmen204. Aus dieser Sichtweise ist auch die Ansicht Raisers zu verstehen205, der durch eine Leistungsklage gegen die anderen Mitglieder des Aufsichtsrats auf Zustimmung vorgehen will, wenn nur eine Entscheidung rechtmäßig sei oder im Unternehmensinteresse liegen würde und der Aufsichtsrat kein Ermessen habe206. Darüber hinaus werden grundlegende Zweifel geäußert, die auf der Basis des Verhältnisses zwischen Gesellschafter und Verband entwickelten Klagemöglichkeit der „actio pro socio“ auf das Verhältnis Organ und Organmitglied zu übertragen207. Dem Gesellschafter stehe das Recht zu klagen aus seiner Mitgliedschaft zum Verband zu208. Etwas Vergleichbares sei bei dem Aufsichtsratsmitglied hingegen nicht vorhanden. Folglich könne das einzelne Aufsichtsratsmitglied nicht aus fremdem Recht im Wege der „actio pro socio“ gegen den Vorstand vorgehen.

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Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 90 Rn. 72; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 394. 203 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 394; Bork, ZGR 1989, 1, 42; Raiser, ZGR 1989, 44, 67. 204 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 395; Raiser, ZGR 1989, 44, 69 f. 205 Raiser, ZGR 1989, 44, 69. 206 Dazu ausführlich unter § 19 C.II.4. 207 Lewerenz, Leistungsklagen, S. 131; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 19 f.; Mertens, ZHR 154 (1990), 24, 33; W. Werner, WuB, II A § 111 1/89, S. 459; zweifelnd Raiser, AG 1989, 185, 190; Raiser, ZGR 1989, 44, 69 f.; Kort, AG 1987, 193, 198 f. 208 Zu dieser im Allgemeinen Altmeppen, in: FS Musielak, 2004, S. 1; Berger, ZHR 149 (1985), 599; Grunewald, Gesellschafterklage; Raiser, ZHR 153 (1989), 1; die überwiegende Auffassung lehnt die actio pro socio für die Aktiengesellschaft ab, vgl. Zöllner, ZGR 1988, 392, 408; Casper, in: Spindler/Stilz, AktG, Vorb. §§ 241 ff. Rn. 29; K. Schmidt, GesR § 21 IV 6, S. 641; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 148 Rn. 2; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 93 Rn. 207; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 111 ff. sowie S. 117; Raiser, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 14. Kap. Rn. 68; a.A. Bühring-Uhle/Nelle, AG 1989, 41, 49 ff.; Großfeld, Aktiengesellschaft, Unternehmenskonzentration und Kleinaktionär, 1968, S. 224.

§ 19 Organstreitigkeiten in der Literatur

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D. Klagerechte von anderen Organteilen des Aufsichtsrats I. Allgemeines Neben Organmitgliedern stellt sich die Frage, inwiefern anderen Organteilen209 Klagerechte gegenüber dem eigenen Organ oder einem fremden Organ zustehen können. Dies ist bislang nur marginal vom Schrifttum untersucht worden. Das mag zum einen an der grundsätzlich restriktiven Haltung zu Organklagen liegen, zum anderen daran, dass mit Ausnahme von Ausschüssen als Unterorganen, den „Gruppen“ als Teilorganen im Aufsichtsrat keine besonderen rechtlichen Befugnisse zugestanden werden. Jedoch haben die Gruppen im Aufsichtsrat mit Einführung der gesetzlichen Geschlechterquote bisher nicht vorhandene Kompetenzen erhalten, die die Frage aufwerfen, ob damit auch eine Aufwertung ihrer rechtlichen Stellung erfolgte und ihnen in Bezug auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats etwaige Klagerechte zugebilligt werden.

II. Der Ausschuss als Unterorgan des Aufsichtsrats Nach § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG kann der Aufsichtsrat aus seiner Mitte Ausschüsse bilden, die Funktionen des Gesamtaufsichtsrats wahrnehmen können. Insbesondere sollen Ausschüsse Verhandlungen und Beschlüsse vorbereiten oder die Ausführung der vom Gesamtaufsichtsrat gefassten Beschlüsse überwachen. Dadurch wird deutlich, dass ein vom Aufsichtsrat eingesetzter Ausschuss, Funktionen des Überwachungsorgans wahrnehmen und damit zugleich die Überwachung verbessern soll. Er wird quasi anstelle des Gesamtaufsichtsrats tätig. Das Verhältnis eines Ausschusses zum Gesamtaufsichtsrat ist demnach von einer bestimmten Abhängigkeit geprägt. Der Gesamtaufsichtsrat kann Befugnisse des Ausschusses an sich ziehen und den Ausschuss jederzeit auflösen. Folglich sind die Befugnisse des Ausschusses als Unterorgan des Aufsichtsrats begrenzt. Hingegen ist der Gesamtaufsichtsrat berechtigt, regelmäßig durch den Ausschuss informiert zu werden, § 107 Abs. 3 Satz 4 AktG. Gegenüber dem Vorstand als fremdes Organ stellt sich die Frage, ob dem Ausschuss in entsprechender Anwendung von § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG Berichtsansprüche zustehen. Dagegen könnte man einwenden, dass die Berichterstattung des Vorstands grundsätzlich gegenüber dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu erfolgen habe. Die Weitergabe an den Ausschuss wäre dann eine reine aufsichtsratsinterne Angelegenheit. Folglich würde ein Berichtsanspruch des Ausschusses gegenüber dem Vorstand nicht bestehen. Andererseits könnte man wiederum an der oben beschriebenen Funktionswahrnehmung eines Ausschusses anknüpfen. So nehme ein Ausschuss in seinem Zuständigkeitsbereich die Stellung des Aufsichtsratsplenums 209 Unter dieser Begrifflichkeit fällt grundsätzlich auch das einzelne Organmitglied, das bereits behandelt wurde.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

ein210. Folglich müsse, da der Ausschuss in der Funktion des Gesamtaufsichtsrats tätig wird, auch der Ausschuss nach § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG analog berechtigt sein, Berichtsansprüche gegen den Vorstand geltend zu machen211. Wie die gerichtliche Geltendmachung dieser Befugnisse erfolgen soll, ist bisher im Schrifttum nicht diskutiert worden. Zieht man die Ideen der traditionellen Auffassung zur Geltendmachung von Berichtspflichten durch den Aufsichtsrat heran, so könne für Ausschüsse nichts wesentliches anderes gelten. Auch hier müsse es sich um eine Klage der Gesellschaft gegen die Vorstandsmitglieder selbst handeln. Die Gesellschaft müsse dementsprechend auch vom Aufsichtsrat vertreten werden. Da auch bei den Vertretern der Lehre vom Organrecht keine Ausführungen darüber zu finden sind, wie ein Ausschuss als Unterorgan Berichtspflichten gegen den Vorstand geltend machen könne, können auch hier nur mögliche Anlehnungen angesprochen werden. Da ein Ausschuss in seiner Zuständigkeit, Aufgaben des Gesamtorgans wahrnimmt, müsse nach der Lehre vom Organrecht auch nur der Ausschuss als Unterorgan berechtigt sein, gegen den Vorstand zu klagen. Im Schrifttum außen vor bleibt die Frage, ob ein Ausschuss ebenfalls Kompetenzschutzrechte innehat und diese gegenüber dem anderen Organ gerichtlich geltend machen kann. Gegenüber dem eigenen Organ Aufsichtsrat ist ein solcher Kompetenzschutz abzulehnen. Dies begründet sich auf dem abhängigen Verhältnis des Ausschusses zum Aufsichtsrat212. Inwiefern die Zugehörigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds zu einem geschaffenen Ausschuss, besondere „unterorganschaftliche Mitgliedsrechte“ entstehen lässt, mag zweifelhaft sein. Insgesamt kann bei der Betrachtung von Ausschüssen festgestellt werden, dass ihre Rechtsstellung in viel zu geringer Art und Weise aus dogmatischer Sicht von der Literatur beleuchtet wurde und demzufolge mögliche Klagerechte nur oberflächlich in Erwägung gezogen werden können.

III. Gruppen als Teilorgane des Aufsichtsrats An anderer Stelle wurde bereits angeführt, dass mit Einführung der paritätischen Mitbestimmung keine besondere Aufwertung der jeweils im Aufsichtsrat vertretenen Gruppe einherging213. So sollte aus der Existenz des MitbestG von 1976 den Mitgliedern der Arbeitnehmervertreter keine besondere Stellung gegenüber den Ver-

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Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 107 Rn. 137; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 107 Rn. 433; Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, 1986, S. 179 ff., S. 193; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn 167; Hasselbach/Seibel, AG 2012, 114, 122. 211 So Rellermeyer, Aufsichtsratsausschüsse, 1986, S. 179. 212 Siehe dazu bereits § 3 E.I.3. 213 Siehe dazu bereits § 15 B.

§ 19 Organstreitigkeiten in der Literatur

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tretern der Anteilseigner zukommen214. Vielmehr sprach man davon, dass jedes Mitglied die gleichen Rechte und Pflichten innehatte und dadurch kein Raum für ein sog. Repräsentationsinteresse bleiben sollte. So setzte sich der Aufsichtsrat einer mitbestimmten Aktiengesellschaft zwar aus zwei unterschiedlichen Gruppen zusammen, die auch in unterschiedlichen Wahlverfahren Mitglied des Überwachungsorgans wurden. Jedoch wurden an diese unterschiedliche Zugehörigkeit keine besonderen rechtlichen Befugnisse geknüpft. Allein in § 124 Abs. 3 Satz 5 AktG 2009 (und den Vorgängernormen), der Regelungen über die Wahlvorschläge für den Aufsichtsrat enthält, wurde auf die unterschiedliche Zugehörigkeit der Gruppe eingegangen. Mit Einführung der gesetzlichen Geschlechterquote in § 96 Abs. 2 AktG im Jahr 2015 hat die Bedeutung der jeweiligen Gruppe eine erhebliche Aufwertung erfahren. Dies liegt an den Kompetenzen, die das Gesetz nun jeder Seite zugesteht: Grundsätzlich gilt nach § 96 Abs. 2 Satz 2 AktG die Gesamterfüllung der Quote im Aufsichtsrat. Jedoch kann jede Seite nach § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG dieser Gesamterfüllung widersprechen, sodass die Erfüllung der Quote von jeder Seite getrennt herbeigeführt werden muss (Getrennterfüllung). Dieser Widerspruch soll auf einem von der Gruppe gefassten mehrheitlichen Beschluss beruhen215. Damit wird ihr zugleich die Stellung einer organisatorischen Einheit – Teilorgan216 – zugesprochen. Nicht absehbar ist allerdings, ob die Widerspruchsmöglichkeit der jeweiligen Seite ein erhöhtes Konfliktpotential in sich birgt und im Rahmen eines möglichen Konflikts, eine gerichtliche Klärung zwischen den jeweiligen Gruppen möglich ist. Das liegt zum einen daran, dass es schwer zu beurteilen ist, welches Handeln zum Konflikt führen kann und wer dabei als Konfliktpartei auftritt. Dies können sowohl die beteiligten Bänke, der Aufsichtsrat als Gesamtorgan oder die jeweiligen Mitglieder, die Gesellschaft selbst, aber auch der Aufsichtsratsvorsitzende als Widerspruchsadressat sein. Jedoch finden sich in den bisherigen Stellungnahmen nur wenige Andeutungen zu dieser Problematik217. Überwiegend wird dieser Gefahrenpunkt nicht behandelt.

E. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für die weitere Untersuchung Die Darlegung der verschiedenen Konfliktsituationen und der bestehenden Streitstände haben die Positionen der Lager explizit aufgezeigt: Die Gegner von Organstreitigkeiten wollen Konflikte, zwischen und innerhalb von Organen, auch 214 BGHZ 106, 54 – Opel; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 285 f.; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 142 f. 215 Vgl. dazu bereits Grobe, AG 2015, 289, 291 ff. 216 Dazu bereits § 2 A.II.5. sowie § 2 G. 217 Angedeutet bereits bei Grobe, AG 2015, 289, 292.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

nur innerhalb des Verbandes und unter Zuhilfenahme der vom Gesetz gewährten Möglichkeiten, lösen. Sie sträuben sich, auch nur die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle in Betracht zu ziehen. Jedwede Einmischung von außen sei eine Gefährdung für das Unternehmensinteresse und könne nicht in dessen Sinne sein. Ihre dogmatische Argumentation verneint zudem die Rechtsfähigkeit von Organen. Nur die Gesellschaft als juristische Person und das einzelne Organmitglied als natürliche Person seien in der Lage, Parteien eines möglichen Prozesses zu sein. Die Befürworter von Organklagen sehen hingegen gerade in der Öffnung nach außen und der Heranziehung einer richterlichen Kontrolle ein Handeln, das dem Unternehmensinteresse entspreche. Zudem seien sie Organe selbst am Prozess als Parteien beteiligt. Die dogmatische Begründung ist wiederum auch unter den Befürwortern strittig. Hinsichtlich der vom Aktiengesetz vorgesehenen Berichtspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat (§ 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG) ist eine gerichtliche Geltendmachung sowohl bei den Gegnern als auch bei den Befürwortern von Organklagen anerkannt. Die dogmatische Konstruktion als auch die Frage, wer aktivund passivlegitimiert sei, ist zwischen, aber auch innerhalb der Auffassungen, umstritten. Einen wesentlichen Streitpunkt stellen hingegen die Fragen nach dem Kompetenzschutz eines Organs gegenüber einem anderen Organ dar. Die traditionelle Auffassung verneint hier die Notwendigkeit eines solchen für die Organe. Es wird dabei vor allem das praktische Bedürfnis solcher Kompetenzschutzklagen verneint, als auch die negative Außenwirkung für die Gesellschaft als Argument herangezogen. Aus dogmatischer Sicht fehle es an entsprechenden Vorschriften im Aktiengesetz und an einer zivilrechtlichen Grundlage, die (vor allem) dem Aufsichtsrat eine eigenständige Rechts- und Prozessführungsbefugnis verleihe. Ebenso seien aktienrechtliche Organstreitigkeiten nicht mit öffentlich-rechtlichen Organstreitigkeiten zu vergleichen. Überdies baue die Kompetenzverfassung der Aktiengesellschaft auf einem „kooperativen Zusammenwirken“ von Vorstand und Aufsichtsrat. Ein Klageverfahren zwischen beiden Organen widerspreche daher dem Aktienrecht. Zudem seien andere legitime Mittel ausreichend vorhanden. Hingegen sieht die als herrschend zu bezeichnende Auffassung verschiedene Konstellationen, die Kompetenzschutzklagen rechtfertigen. Ein wesentlicher Vorwurf gegenüber der restriktiven Auffassung ist die fehlende rechtliche Auseinandersetzung. Die Anzahl von Organklagen in der Praxis als auch die Außenwirkung der Gesellschaft und der Organe sei kein hinreichender Maßstab für die Notwendigkeit von Organklagen. Ebenfalls überzeuge es nicht, dass ein Klageverfahren zwischen den Organen dem Aktienrecht widerspräche. Vielmehr seien Konflikte zwischen den Organen unvermeidbar. Dafür spreche auch die zunehmende Professionalisierung des Aufsichtsrats, die es verlange, dass diesem Mittel zur Verfügung gestellt werden, um eine effektive Aufgabenwahrnehmung und damit auch Überwachung des Vorstands gewährleistet werden könne.

§ 19 Organstreitigkeiten in der Literatur

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Eine allgemeine Verhaltenskontrolle des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand wird hingegen von der klaren Mehrheit abgelehnt. Eine solche Möglichkeit greife zu sehr in die alleinige Leitungskompetenz des Vorstands (§ 76 Abs. 1 AktG) ein. Zudem würde der Vorstand jederzeit verneinen, rechtswidrig zu handeln. Die einzelnen Gegenstimmen wollen in einem engen Rahmen, dem Aufsichtsrat die Möglichkeit geben, einen potentiell eintretenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. So sei eine Klage auf Unterlassung durch den Aufsichtsrat dann zulässig, wenn der Vorstand unrechtmäßig handelt. Eine Zweckmäßigkeitskontrolle finde hingegen nicht statt. Es könne darüber hinaus der Gesellschaft nicht zugemutet werden, dass der Aufsichtsrat erst tätig werde, wenn der Schaden bereits eingetreten sei. Dem restitutiven Schadensersatzanspruch müsse ein präventiver Unterlassungsanspruch als Gegenstück zur Seite stehen. Eine Schnittstelle zwischen Kompetenzschutzklagen und allgemeiner Verhaltenskontrolle bilden das Tätigwerden des Vorstands außerhalb des Unternehmensgegenstands und die Weigerung des Vorstands, Hauptversammlungsbeschlüsse auszuführen, § 83 Abs. 2 AktG. Einige Stimmen aus dem Schrifttum sehen hier den Aufsichtsrat in der Pflicht, einzuschreiten. Hier vermischen sich jedoch Ansichten, die den Aufsichtsrat als Vertreter der Gesellschaft zum Handeln gegen den Vorstand verpflichtet sehen mit denjenigen, die den Aufsichtsrat als Organ ein Klagerecht zugestehen wollen. Andere sehen in dem Einschreiten durch den Aufsichtsrat wiederum eine Verletzung der Kompetenzen der Hauptversammlung durch diesen. Eine weitere Auffassung will einen solchen „verkappten“ Organstreit in keiner Weise zulassen und präferiert eine Klage des einzelnen Aktionärs auf Verletzung seiner Mitgliedschaft. Nicht weniger interessant ist die Frage, welche Rechte den einzelnen Organmitgliedern zugestanden werden. Auch dabei stehen vor allem die Mitglieder des Aufsichtsrats im Mittelpunkt der bisherigen Stellungnahmen, wobei es ist nicht auszuschließen ist, dass auch den Mitglieder des Vorstands in vergleichbarer Weise Klagerechte zustehen. Folglich wird überwiegend nach den Rechten von Aufsichtsratsmitgliedern gegenüber dem eigenen Organ und den Rechten gegenüber einem anderen Organ (und dabei kommt vor allem der Vorstand in Betracht) differenziert. Gegenüber dem eigenen Organ kann das einzelne Mitglied verschiedene Berichtsrechte geltend machen. Dass diese Möglichkeit besteht, ist überall anerkannt. Jedoch herrscht Streit über die Passivlegitimation. Die Frage, ob dem einzelnen Organmitglied eine Art Kompetenzschutz zusteht, kann nicht ohne weiteres beantwortet werden. Eigene Kompetenzen stehen ihm innerhalb des Organs nicht zu, vielmehr nimmt er Kompetenzen des Organs wahr, sodass sein Handeln dem Organ zugerechnet werde. Einige erkennen jedoch in den Rechten, die aus der Organstellung resultieren (Sitzungsteilnahme, Recht zur Stellungnahme, Recht zur Abstimmung etc.), innerorganisatorische subjektive Rechte, sog. Organmitgliedschaftsrechte. Diese bilden nach dieser Auffassung die Grundlage für ein sog. ungeschriebenes innerorganisatorisches Störungsverbot, das Abwehrrechte des einzelnen Mitglieds aktivieren könne.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

Ebenfalls eine Problematik, die das Verhältnis des Aufsichtsratsorgans zum eigenen Organ betrifft, behandelt die Kontrolle von Aufsichtsratsbeschlüssen. Hier befürworten einige Stimmen aus dem Schrifttum, die Heranziehung der §§ 241 ff. AktG, da die Differenzierung nach nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen, die das Aktiengesetz kennt, auch auf Beschlüsse des Aufsichtsrats zu übertragen sei. Insbesondere der Vorteil von kodifizierten Regelungen würde der Behandlung von fehlerhaften Beschlüssen erheblich zugutekommen. Die überwiegende Auffassung lehnt eine Analogie mangels vergleichbarer Interessenlage ab. Die Geltendmachung der Nichtigkeit müsse über die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 ZPO erfolgen. Anerkannt ist allerdings dabei, dass punktuelle Analogien zu den §§ 241 ff. AktG gezogen werden. Der Bereich der Aktiv- und Passivlegitimation ist je nachdem, welcher Auffassung man folgt, sehr begrenzt oder sehr weit gefächert. Die Vertreter der analogen Anwendung von §§ 241 ff. AktG sehen grundsätzlich nur das einzelne Aufsichtsratsmitglied als anfechtungsbefugt an. Die Mehrheit verneint eine solche Befugnis für den Vorstand, dessen Mitglieder und im Grundsatz auch für die Aktionäre. Letztere können in Ausnahmefällen klagen, wenn der gefasste Beschluss Kompetenzen der Hauptversammlung verletzt. Hingegen sind bei den Befürwortern der allgemeinen Feststellungsklage all diejenigen berechtigt, die ein besonderes Feststellungsinteresse vorweisen können. Dies sei bei Mitgliedern des Aufsichtsrats als auch des Vorstands grundsätzlich vorhanden. Aktionäre dürfen danach klagen, wenn der Beschluss Vermögensinteressen des Aktionärs verletzt. Keine Differenzierung herrscht zwischen den Ansichten bei der Frage, wer passivlegitimiert ist. Sowohl nach der einen wie auch bei der anderen Auffassung werden ähnliche Bedenken geteilt. So sei entweder die Gesellschaft selbst, vertreten durch den Vorstand bzw. durch den Aufsichtsrat oder der Aufsichtsrat allein richtiger Beklagter. Ob das einzelne Aufsichtsratsmitglied gegen den Aufsichtsrat im Wege der Klage eine allgemeine Verhaltenskontrolle ausüben könne, wird überwiegend verneint. Zumindest sei das einzelne Mitglied nicht in der Lage, den Aufsichtsrat zu verpflichten, Maßnahmen gegen den Vorstand einzuleiten. Nur Raiser hält es nicht völlig ausgeschlossen im Wege einer Leistungsklage die anderen Mitglieder auf Zustimmung zu einer beantragten Vorgehensweise zu verpflichten. Hinsichtlich möglicher Klagen einzelner Aufsichtsratsmitglieder gegen den Vorstand als fremdes Organ differenziert die Literatur nach Klagen aus eigenem und aus fremdem Recht. Die Befugnis aus eigenem Recht zu klagen, wird dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied überwiegend abgesprochen. Zwar setzt sich die Literatur mit verschiedenen Möglichkeiten, die ein eigenes Klagerecht enthalten können auseinander, jedoch will ein solches allein Schwab unter engen Voraussetzungen zuerkennen. Die anderen möglichen Begründungsansätze können allerdings nicht überzeugen. Weder herrsche eine vergleichbare Interessenlage wie bei § 245 Nr. 5 AktG vor, die dem Aufsichtsratsmitglied eine Anfechtungsbefugnis zuspreche, noch könne aus der Stellung als Arbeitnehmervertreter ein sog. Repräsentationsinteresse für ein solches besonderes Klagerecht einzelner Mitglieder herangezogen werden. Ebenfalls nicht hilfreich seien Vergleiche zur Holzmüller-Entscheidung des BGH, da

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das Abwehrrecht des Aktionärs nicht aus der Zugehörigkeit zum Organ Hauptversammlung resultiere, sondern aus der Mitgliedschaft im Verband. Das einzelne Aufsichtsratsmitglied verfüge über kein vergleichbares mitgliedschaftliches Recht. Es sei vielmehr daran gehalten, durch Teilnahme an Beratung und Beschlussfassung ein mögliches Einschreiten durch den Aufsichtsrat herbeizuführen. Allein Schwab will aus dem Gedankengut zur Kompetenzschutzklage und dem Handeln des Gesetzgebers zur Verbesserung der Corporate Governance dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied das Recht zugestehen, gegen pflichtwidriges Vorstandshandeln im Wege einer Ersatzaufsicht tätig zu werden. Er begründet dies vor allem mit Verschärfung der Pflichtenbindung durch das KonTraG. Ebenso spreche die zunehmende Bedeutung der Organhaftung für eine solche Klagemöglichkeit, um rechtswidrige Maßnahmen zu verhindern. Da das überwiegende Schrifttum dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied keine Klagebefugnis aus eigenem Recht gewährt, wollen einige Vertreter die „actio pro socio“ als Hilfsmittel heranziehen. So könne das Aufsichtsratsmitglied im Wege der „actio pro socio“ gegen den Vorstand klagen, wenn der Gesamtaufsichtsrat ein Einschreiten ablehne, gegen rechtswidrige Maßnahmen des Vorstands vorzugehen oder aufsichtsratsinterne Maßnahmen zu spät kämen oder der gefasste Beschluss nichtig sei. Andere wiederum lehnen auch diese Möglichkeit der Einflussnahme auf den Vorstand durch einzelne Aufsichtsratsmitglieder ab. Raiser verweist darauf, dass mit der gerichtlichen Zuhilfenahme durch ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied die „Störung des Systems der unternehmensinternen checks and balances“ herbeigeführt wird. Die „actio pro socio“ stelle ein reines Notinstrument dar und könne nicht dazu benutzt werden, organinterne Konflikte zwischen Mehr- und Minderheit über eine gerichtliche Inanspruchnahme des Vorstands auszufechten. Ebenfalls gegen die Heranziehung der „actio pro socio“ wird angeführt, dass auch diese Klagemöglichkeit grundsätzlich auf dem Verhältnis Aktionär und Gesellschaft fuße und zweifelhaft sei, ob eine Übertragung auf das Verhältnis Organmitglied und Organ vergleichbar sei. Folglich wird auch dieses Rechtsinstitut überwiegend abgelehnt. Ein Schattendasein in der Auseinandersetzung der Literatur spielen die weiteren Organteile wie Ausschüsse und Gruppen, die dem Aufsichtsrat angehören. Da erstere als Unterorgane des Aufsichtsrats Aufgaben für diesen – quasi stellvertretend – wahrnehmen, werden ihnen ohne weiteres Berichtsrechte gegenüber anderen Organen gewährt. Ob hingegen auch Kompetenzschutzklagen und eine allgemeine Verhaltenskontrolle durch Ausschüsse gegenüber dem Vorstand erfolgen können, wurde noch nicht diskutiert. Hingegen ist das Verhältnis gegenüber dem Gesamtaufsichtsrat weniger unklar. Da jeder Ausschuss durch den Gesamtaufsichtsrat ins Leben gerufen wird, besteht ihm gegenüber eine gewisse Abhängigkeit. So ist dem Aufsichtsrat gestattet, Befugnisse auf den Ausschuss zu übertragen, an sich zu ziehen und den Ausschuss ad hoc aufzulösen. Folglich sind die Rechte des Ausschusses gegenüber dem Gesamtaufsichtsrat mehr als begrenzt. Hingegen regelt § 107 Abs. 3 Satz 4 AktG ausdrücklich, dass der Ausschuss regelmäßig an den Aufsichtsrat zu berichten habe.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

Während die rechtliche Bedeutung von Ausschüssen überwiegend geklärt ist, wird die Bedeutung der Gruppen nur rudimentär im Aktienrecht diskutiert. Somit ist die Frage nach der Auseinandersetzung für mögliche Organklagen in der Literatur ebenfalls beantwortet. Einen Ansatzpunkt, ob Gruppen ihnen zugewiesene Rechte durch Organklagen geltend machen können, gibt das bereits angesprochene Repräsentationsinteresse. Einige Stimmen aus der Literatur wollten dieses heranziehen, um dem einzelnen (dem Arbeitnehmerflügel zugehörigem) Aufsichtsratsmitglied Klagebefugnisse aus eigenem Recht zu gewähren. Dies widerspräche allerdings dem Grundsatz, dass alle Mitglieder des Aufsichtsrats die gleichen Rechte und Pflichten innehaben. Die Sonderstellung, eine besondere Gruppe im Aufsichtsrat zu repräsentieren, sei nicht mit dem Gedanken vereinbar, dass alle Organmitglieder im Interesse des Unternehmens zu handeln haben. Daher komme weder den Anteilseignernoch den Arbeitnehmervertretern eine Sonderstellung zu. Darüber hinaus knüpfte das Gesetz keine besonderen Befugnisse an die Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Dies hat sich jedoch mit der Einführung der gesetzlichen Geschlechterquote dahingehend geändert, dass den jeweiligen Gruppen ein Widerspruchsrecht zusteht und bei Ausübung des Widerspruchs die sog. Getrennterfüllung in jeder Gruppe gilt. Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht diskutiert, inwiefern den jeweiligen Gruppen bei Streitigkeiten hinsichtlich des Widerspruchs ein eigenes Klagerecht gegen die andere Gruppe, den Aufsichtsrat als Gesamtorgan oder den Aufsichtsratsvorsitzenden als Adressat des Widerspruchs zusteht.

§ 20 Organstreitigkeiten in der Rechtsprechung A. Allgemeines Von der bisherigen Betrachtung ausgeklammert blieben die Entwicklungen in der Rechtsprechung. Überwiegend wurden diese durch das Einschreiten von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat herbeigeführt, die sich entweder durch den Vorstand oder den Anteilseignervertretern in ihren, aus der Organstellung resultierenden Rechten und Pflichten verletzt sahen218. Die besondere Betrachtung der Rechtsprechung soll einen Blick darüber geben, wie die Praxis mit Organ-Konstellationen umgeht und welche Rechte den Organen und ihren Mitgliedern zugedacht werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit die vom Schrifttum vorgelegten Lösungswege von der Rechtsprechung wahrgenommen oder sogar aufgegriffen wurden.

218 Im Opel-Fall versuchten die Arbeitnehmervertreter die Ausgliederung der IT-Abteilung zu verhindern, siehe BGHZ 106, 54 – Opel; OLG Celle ZIP 1989, 1552 – Pelikan; LG Köln AG 1976, 329 – Felten & Guileaume.

§ 20 Organstreitigkeiten in der Rechtsprechung

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Für die Frage der Zulässigkeit und Notwendigkeit von Organklagen sind die Entscheidungen zum „Opel-Fall“ des LG Darmstadt219, des OLG Frankfurt220 und des BGH221 als wichtigste Quellen der Rechtsprechung heranzuziehen. Zum einen verfolgen die Vorinstanzen unterschiedliche Argumentationslinien. Zum anderen geht der BGH sehr ausführlich auf die verschiedenen Konstellationen von Organklagen ein. Um einen ebenfalls durch Arbeitnehmervertreter vorangetriebenen Organstreit handelt es sich bei dem Pelikan-Fall des OLG Celle222. Auch hier versuchten die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gegen Umstrukturierungsmaßnahmen des Vorstands im Wege des Organstreits eine Unterlassungsklage zu erwirken. Vor dem OLG Stuttgart versuchte im Jahr 2007 ein Aufsichtsratsmitglied gegen eine Umstrukturierungsmaßnahme vorzugehen223. Neben der Feststellung der Nichtigkeit des gefassten Aufsichtsratsbeschlusses, verlangte es zudem die Unterlassung der Maßnahme durch den Vorstand und Einsicht in verschiedene Urkunden. Der BGH wies die daran anschließende Revision im Jahr 2008 zurück224. Interessant an dieser Konstellation war jedoch, dass der Kläger nicht dem Lager der Arbeitnehmervertreter angehörte, sondern als Anteileigner (und Aktionär) seine Rechte durchzusetzen versuchte. Dass auch Mitglieder des Vorstands als agierende Protagonisten organschaftlicher Konflikte in Erscheinung treten, zeigt ein Urteil des OLG München aus dem Jahr 2013225. Hier wollte ein Vorstandsmitglied im Wege der einstweiligen Verfügung einen Anspruch auf ein bestimmtes Abstimmungsverhalten gegenüber einem Aufsichtsratsmitglied geltend machen. Damit wurde die schwierige Frage zumindest angeschnitten, inwiefern der Vorstand oder eines seiner Mitglieder Einfluss auf den Aufsichtsrat ausüben und dabei Maßnahmen des Aufsichtsrats kontrollieren kann. Die Feststellung der Nichtigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen als besonderer Fall organinterner Streitigkeiten wurde durch das OLG Hamburg im Jahr 1992226 und dem BGH im Jahr 1993227 intensiv diskutiert. Hier stand vor allem im Mittelpunkt, welche Klage gegen einen (vermeintlich) fehlerhaften Beschluss statthaft ist. Der Fall, der sowohl Literatur als auch Rechtsprechung und sogar Gesetzgeber in den letzten Jahren intensiv beschäftigte, hatte die Haftung der Organmitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat im Mittelpunkt. In der Entscheidung ARAG/Garmenbeck 219 220 221 222 223 224 225 226 227

LG Darmstadt ZIP 1986, 1389. OLG Frankfurt WM 1988, 330. BGHZ 106, 54 – Opel. OLG Celle ZIP 1989, 1552 – Pelikan. OLG Stuttgart NZG 2007, 549 ff. – Züblin/Strabag. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 – II ZR 141/07 – juris. OLG München NZG 2014, 66 ff. OLG Hamburg AG 1992, 197 f. BGHZ 122, 342 ff. – Hamburg-Mannheimer.

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aus dem Jahr 1997228 stellte der BGH Anforderungen für die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Organmitglieder auf. Die Organhaftung stellt seitdem einen der wichtigsten und auch umstrittensten aktienrechtlichen Schwerpunkte dar und betrifft gleichwohl das Verhältnis der Organe Aufsichtsrat und Vorstand zueinander. So ist ein zentrales Argument von Verfechtern der präventiven Organklage, dass das Gesetz Schadensersatzansprüche (als nachträgliche Ansprüche) bei rechtswidrigem Organhandeln vorsehe. Die Gegenposition stellt hingegen in Teilen darauf ab, dass die Existenz von Schadensersatzansprüchen gerade die Notwendigkeit von präventiven Klagen ausschließe. Abseits dieser Sachverhalte, die konkret interorganschaftliche (BGH [Opel und ARAG/Garmenbeck], OLG Celle [Pelikan], OLG München von 2013 und OLG Stuttgart von 2007) wie auch intraorganschaftliche Streitigkeiten zum Gegenstand hatten, existieren Urteile, die sich mit den Befugnissen und der Stellung der Organe und Organmitglieder zueinander auseinandersetzen und deshalb für die Untersuchung von Bedeutung sind. So rückte in der Entscheidung Felten&Guilleaume des LG Köln von 1976229 die Stellung der Aufsichtsratsmitglieder in einer mitbestimmten Aktiengesellschaft in den Vordergrund, da die Gesellschaft überdies noch einen „Aktivitätsausschuss“ aufwies, der mit Vertretern der beiden Hauptaktionäre besetzt war. Der Einfluss des mitbestimmten Aufsichtsrats sollte durch diese Konstellation geschwächt werden. Erst im Jahr 2013 setzte sich der BGH mit prozessualen Detailfragen auseinander230, insbesondere darüber, wie die Aktiengesellschaft in einem Verfahren gegenüber vermeintlich abberufenen Vorstandsmitgliedern vertreten wird. Zudem wurde zuvor im gleichen Verfahren diskutiert, inwiefern ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied als Nebenintervenient der Gesellschaft im Streit mit den Vorstandsmitgliedern beitreten könne. Nachdem der BGH im Jahr 2013 über die Zulässigkeit des einzelnen Organmitglieds als Nebenintervenient zu entscheiden hatte, erfolgte im Jahr 2015 die Auseinandersetzung über die Stellung des besonderen Vertreters nach § 147 Abs. 2 AktG . Auch dies erfolgte im Rahmen der Frage, ob es zulässig ist, dass der besondere Vertreter als Nebenintervenient dem Prozess beitreten kann. In früheren Entscheidungen des BGH wurden Fragen diskutiert, die die Stellung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds betrafen, ob etwa die Satzung Bestimmungen enthalten kann, die innerorganisatorische Prozesse des Aufsichtsrats beeinflussen231

228

BGHZ 135, 244 – ARAG/Garmenbeck. LG Köln AG 1976, 329. 230 BGH AG 2013, 257; BGH AG 2013, 562. 231 Hinsichtlich der Verstärkung des Verschwiegenheitsgebots siehe BGH NJW 1975, 1412 – Bayer; zuletzt zur Frage der Verschwiegenheit von Aufsichtsratsmitgliedern BGH NZG 2016, 910. 229

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oder ein Aufsichtsrat einen Sachverständigen bei Einsicht in den Abschlussbericht hinzuziehen kann232.

B. „Felten & Guilleaume“ – LG Köln AG 1976, 329 I. Hintergrund und Sachverhalt In der Entscheidung Felten & Guilleaume des LG Köln setzte sich ein Gericht zum ersten Mal mit der Frage auseinander, inwiefern einem Organ oder einem Organmitglied durch das Gesetz klagbare Befugnisse gegen die Gesellschaft zugewiesen sind. Zudem wird auf die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft eingegangen, da im konkreten Fall ein Aktivitätsausschuss existierte, der sich aus zwei Vertretern der beiden Großaktionäre, die zugleich dem Aufsichtsrat angehörten, zusammensetzte und gemeinsam mit dem Vorstand die Unternehmenspolitik maßgeblich beeinflusste. Der Verdacht lag nahe, dass man den Einfluss des mitbestimmten Aufsichtsrats geringhalten wollte. Die Entscheidung hat in der Literatur vor allem kritische Reaktionen hervorgerufen, auf die noch eingegangen wird. Die Gesellschaft hatte neben den gesetzlich vorgeschriebenen Organen Vorstand und Aufsichtsrat ein aus den Hauptaktionären bestehendes Gremium (Aktivitätsausschuss), das im regelmäßigen Austausch mit dem Vorstand stand. Die Mitglieder dieses Ausschusses repräsentierten ca. 70 % des Kapitalanteils der Gesellschaft. Der Aufsichtsrat setzte sich aus sechs Anteilseignervertretern und drei Arbeitnehmervertretern zusammen. Kläger war ein Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, der gewisse Formen des Zusammenwirkens (genauer: das Berichten an den Ausschuss, das Entgegennehmen von Weisungen des Ausschusses und gemeinsame Beschlussfassung) zwischen Vorstand und Ausschuss untersagt haben wollte. Er begründete dies mit der Umgehung des mitbestimmten Aufsichtsrats, da der Ausschuss anstelle des Aufsichtsrats die Überwachung der Geschäftsführung wahrnehmen würde. Die Aufsichtsratssitzungen seien zur reinen Formalie geworden und bestanden allein aus Zwiegesprächen zwischen Aufsichtsratsvorsitzenden und dem Kläger.

II. Hauptaussagen und Entscheidungsgründe des LG Das LG verneinte bereits die Klagebefugnis des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds. Die Rechte und Pflichten seien dem Aufsichtsrat als Kollegium zugewiesen und nicht seinen einzelnen Mitgliedern. Daher können diese nicht gegen die Gesellschaft klagen. Eine Ausnahme davon könne jedoch nach § 826 BGB gelten. Vorliegend sei vom Kläger dazu nichts Substantiiertes vorgetragen worden. Zudem bestehe auch kein anderes Rechtsverhältnis, das dem Kläger eine Klagebefugnis zukommen lasse. Insbesondere könne vorliegend nicht auf das Recht auf Mitbestimmung im Aufsichtsrat für ein Klagebegehren verwiesen werden, da er etwas verlange, was den 232

BGHZ 85, 293 – Hertie.

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gesamten Aufsichtsrat tangiere. Etwas anderes könne hingegen gelten, wenn das Klagebegehren Arbeitnehmerrechte zum Gegenstand habe. Aber auch dies sei vorliegend nicht vorgetragen worden. Das LG geht auch auf die Zulässigkeit des Aktivitätsausschusses ein. Zunächst habe der Aufsichtsrat kein Unterrichtungsmonopol, da aus § 131 Abs. 4 AktG hervorgehe, dass auch den einzelnen Aktionären außerhalb der Hauptversammlung, Auskunft erteilt werden könne. Ein Beirat i.S.v. § 160 Abs. 3 Nr. 8 AktG233 [a.F.] (jetzt: § 285 Nr. 9 HGB) müsse als dauernde Einrichtung an der Verwaltung der Gesellschaft (Vorbereitung, Ausführung und Überwachung von Maßnahmen der Geschäftsführung) beteiligt sein234. Gleichzeitig dürfe die Tätigkeit des Beirats nur eine Unterstützung des Aufsichtsrats, nicht aber zu dessen Ausschaltung führen. Die Überwachung des Vorstands müsse der Aufsichtsrat unbeschränkt wahrnehmen können235. Vorliegend habe nach Ansicht des LG der Kläger nicht substantiiert dargelegt, inwiefern der Aktivitätsausschuss die Tätigkeit des Aufsichtsrats behindere. Dies wäre nur der Fall, wenn der Vorstand den Aufsichtsrat nicht hinreichend informiert habe oder der Ausschuss Teilbereiche der Überwachung an sich zöge. Jedoch könne er nicht die Unterlassung der Berichtung an den Ausschuss verlangen. Zudem könne dem Vorstand nicht untersagt werden, Weisungen des Ausschusses entgegenzunehmen, solange dadurch seine Verpflichtung zur selbständigen und eigenverantwortlichen Geschäftsführung nicht verletzt und eventuelle Weisungen nicht ungeprüft befolge. Gleiches gelte für die gemeinsame Beschlussfassung von Vorstand und Aktivitätsausschuss. Solange der Vorstand nicht gegen seine Verpflichtung zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft zuwiderhandelt, sei auch eine gemeinsame Beschlussfassung zulässig.

III. Bewertung im Schrifttum und kritische Würdigung Das Urteil ist im Schrifttum auf erhebliche Kritik gestoßen. So könne die Entscheidung nach Hommelhoff/Timm nicht überzeugen, da ihre knappe Begründung nicht nur wesentliche gesellschaftsrechtliche Probleme übergehe, sondern auch die mitbestimmungsrechtlichen Implikationen des Falles236. So werfen beide einleitend dem Gericht vor, dass es sich nicht hinreichend ein Bild vom Aktivitätsausschuss und seiner Arbeitsweise verschafft habe. Da dies nicht erfolgt sei, sei durchaus offen, ob die Erwägungen wirklich zuträfen. Grundsätzlich führe das Gesetz in § 160 Abs. 3 Nr. 8 AktG (heute § 285 Nr. 9 HGB) auch Beiräte auf, sodass diese nicht per se verboten seien. Jedoch ständen Zusatzorgane im Widerspruch zum Aktienrecht, die in ihrer Existenz und Tätigkeit die Funktion der gesetzlichen Gesellschaftsorgane 233 234 235 236

Das Urteil des LG spricht hier durchgängig von § 140 Abs. 3 Nr. 8 AktG. LG Köln AG 1976, 329, 330. LG Köln AG 1976, 329, 330 mit Hinweis auf Rutenfranz, NJW 1965, 238, 239. Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330.

§ 20 Organstreitigkeiten in der Rechtsprechung

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beeinträchtigen würden237. Anknüpfend an den Ausführungen des Klagevortrags greife nach Hommelhoff/Timm bereits die gemeinsame Beschlussfassung von Vorstand und Aktivitätsausschuss in die eigenverantwortliche Geschäftsführung des Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG ein238. Dafür spreche auch § 109 AktG, der gemeinsame Sitzungen des Aufsichtsrats und eines Beirats verhindern solle. Nichts anderes dürfe dann für Sitzungen des Vorstands gelten. Zudem würden durch eine gemeinsame Beschlussfassung Organkompetenzen vermengt239. Grundsätzlich habe jedes Organ seine Verwaltungs- und Gestaltungsrechte isoliert auszuüben. Ausnahmen kenne das Gesetz zwar in § 172 oder § 124 Abs. 3, jedoch erfolge dann die Beschlussfassung je Organ parallel oder nacheinander. Gegen die gemeinsame Beschlussfassung von Vorstand und Aktivitätsausschuss spreche ebenso § 105 AktG, da die Angehörigen des Ausschusses zugleich Mitglieder des Aufsichtsrats waren. Zudem verstoße die Verlagerung von Zuständigkeiten auf den Aktivitätsausschuss gegen § 111 Abs. 4 Satz 1 und § 119 Abs. 2 AktG. Durch die Information des Ausschusses und die gemeinsame Beschlussfassung mit dem Vorstand werde der Aufsichtsrat in seinem Zuständigkeitsbereich beeinträchtigt. Da zudem die Vertreter der Großaktionäre dem Ausschuss angehören und dort ihre Kontrolle ausüben würden, fehle dem Aufsichtsrat das stimulierende Eigeninteresse der Großaktionäre. Insgesamt schließen Hommelhoff/Timm daraus, dass die vom Kläger behauptete Tätigkeit des Aktivitätsausschusses im Widerspruch zum aktiengesetzlichen Kompetenzgefüge stehe240. Nach Landrock liege in der Errichtung eines vierten Organs eine inhaltlich gegen § 23 Abs. 5 Satz 2 AktG verstoßende Ergänzung der gesetzlich zwingend und abschließend fixierten Organen der AG241. Darüber hinaus äußern sich Hommelhoff/Timm noch zur Sachlegitimation des Klägers und gehen sowohl auf gesellschaftsrechtliche Klagebefugnisse des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds ein als auch auf Klagebefugnisse, die aus der mitbestimmungsrechtlichen Stellung resultieren können242. Ebenso ziehen beide das Institut der „actio pro socio“ als Instrument zur Durchsetzung von Organrechten durch einzelne Organmitglieder in Erwägung243. Danach solle diese Kontrollmöglichkeit dann „zum Zuge kommen, wenn die Legitimation einer umfassenden Willensbildung des gesamten Aufsichtsrats entfalle, weil die Gesamtwillensbildung nachweisbar durch unter-

237 238 239 240

267. 241 242 243

Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 331. Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 331. Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 331. Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 331; dem zustimmend Immenga, ZGR 1977, 249, Landrock, Innenrechtsstreit, S. 225. Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 333 f. Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 333; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 314.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

nehmensfremde, insbesondere spezifisch ,aufsichtsratsfremde‘ Erwägungen ausschlaggebend beeinflusst werde“244.

Da die anderen Mitglieder sich nicht gegen die Errichtung und Funktion des Aktivitätsausschusses gewehrt haben, spreche vorliegend Vieles dafür, dass die „actio pro socio“ hier greife245. Kort greift diese Gedanken in einem Beitrag aus dem Jahr 1987 auf246. Er untersucht, welche Klagebefugnisse einzelnen Organmitgliedern oder Gruppen zustehen können. Diesbezüglich stellt er fest, dass dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied kein eigenes Kontrollrecht zukomme und auch nur in einem engeren Anwendungsbereich eine „actio pro socio“ möglich erscheine. Die Einführung der (quasi-)paritätischen Mitbestimmung habe auch nicht dazu geführt, dass den Arbeitnehmervertretern oder der Gruppe besondere Kontrollbefugnisse zustehen. Die Ausführungen des Gerichts überzeugen auf keinster Linie. Dies liegt allerdings vor allem an ihrer Kürze und Oberflächlichkeit, die auch schon Hommelhoff/ Timm kritisiert haben. Weder erfolgt eine Analyse der Funktion des Aktivitätsausschusses und inwiefern ein solcher mit der aktienrechtlichen Organisationsverfassung vereinbar sei, noch wird hinreichend untersucht, welche aktien- und mitbestimmungsrechtlichen Befugnisse für ein etwaiges Klagerecht in Betracht kommen können. Die bloße Feststellung, dass die Kontrolle des Vorstands dem Gremium zugewiesen und daher einzelnen Mitgliedern eine eigene Kontrollbefugnis verwehrt sei, überzeugt nicht. Insbesondere wenn im vorliegenden Fall vom Aufsichtsrat keine Kontrolle des Vorstands oder kritische Auseinandersetzung mit der Funktion des Aktivitätsausschusses erfolgen konnte, muss dem einzelnen Organmitglied die Befugnis zugestanden werden, diese Vorgehensweise gerichtlich überprüfen zu lassen. Beim Lesen der Begründung gewinnt man den Eindruck, dass das Gericht mit der Tiefe und Bedeutsamkeit der Thematik überfordert war, was durch die kritischen Stellungnahmen belegt sein dürfte. Die Rechtsprechung nutzte jedoch in den darauffolgenden Jahren die Möglichkeit, zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu beziehen.

C. „Opel“ – BGHZ 106, 54 ff. I. Hintergrund und Sachverhalt Das Opel-Urteil gilt als die wichtigste Entscheidung zur causa Organklagen. Hier äußerte sich der BGH zum ersten Mal, ob und inwiefern Klagen durch das Organ selbst oder durch einzelne Organmitglieder gegen ein anderes Organ (hier: Vorstand) erhoben werden können: 244 245 246

Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 333. Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 333. Kort, AG 1987, 193.

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Die Kläger waren im Zeitpunkt der Klageerhebung Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat der Adam Opel AG, die eine hundertprozentige Tochter der General Motors Corporation (GMC) war. Zwar bestand zwischen beiden Gesellschaften kein Beherrschungsvertrag, jedoch übte GMC eine faktische Konzernherrschaft aus. Die Klagen der Arbeitnehmervertreter richteten sich zum einen gegen die Adam Opel AG als auch gegen deren Vorstand. Dieser beschloss die Ausgliederung der IT-Abteilung in eine von der GMC gegründete Tochtergesellschaft. Damit sollte der Konzern mehrere hunderte Millionen einsparen. Nachdem der Aufsichtsrat über die Pläne informiert wurde, erfolgte im Plenum über diese eine Diskussion. In dieser sprachen sich die Arbeitnehmervertreter gegen die Maßnahmen aus und stellten Gegenanträge, die allesamt durch die Mehrheit der Anteilseignervertreter zurückgewiesen wurden. Daraufhin entschied der Vorstand, die IT-Abteilung an die Tochtergesellschaft von GMC zu übertragen. Dagegen wanden sich die Kläger: Zum einen könne der Vorstand seine Pflicht zur eigenverantwortlichen Leistung nach § 76 Abs. 1 AktG der Adam Opel AG nicht erfüllen, da er durch die Ausgliederung in bedeutsamen Bereichen der Planung, Organisation, Produktion und Finanzierung entmachtet werde. Zum anderen könne er seine aus § 90 AktG folgende Berichtspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat nun nicht mehr erfüllen. Infolgedessen werde die Überwachungspflicht nach § 111 Abs. 1 AktG des Aufsichtsrats erheblich beeinträchtigt. Die Beklagten hielten die Klage für unzulässig: Zum einen räume das Gesetz den Klägern nicht das Recht ein, gegen die Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands vorzugehen, und diesen überdies die Rechtsfähigkeit und damit die erforderliche Parteifähigkeit i. S. des § 50 ZPO fehle. Jedenfalls sei die Klage unbegründet, weil die angegriffene Geschäftsführungsmaßnahme nicht gegen geltendes Recht verstoße.

II. Die klagbaren Rechte des einzelnen Organs Der BGH geht zunächst auf die im Schrifttum vertretenen Auffassungen ein und betont hierbei, dass vor dem Hintergrund des Vorbringens des Klägervortrags der Aufsichtsrat zum einen nach der Ansicht von Raiser247 verpflichtet sei, rechtswidrige Handlungen zu verhindern, die vorliegend darin bestanden hätten, dass der Vorstand durch eine Maßnahme gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoße248. Zum anderen sei auch an einen Kompetenzverstoß gegenüber dem Aufsichtsrat zu denken, wenn der Vorstand nicht mehr in der Lage sei, gegenüber dem Aufsichtsrat nach § 90 AktG nicht mehr umfassend berichten zu können und dieser seiner Überwachungsaufgabe nach § 111 Abs. 1 AktG nicht mehr nachkommen könne249. Die Entscheidung trifft der BGH jedoch nicht, da die Arbeitnehmervertreter und nicht der Aufsichtsrat Kläger sei. Ob die einzelnen Arbeitnehmervertreter jedoch berechtigt seien, das Recht des Aufsichtsrats im eigenen Namen und damit im Wege der „actio pro socio“250 geltend zu

247

Raiser, ZGR 1989, 44, 64. BGHZ 106, 54, 61 – Opel. 249 BGHZ 106, 54, 61 f. – Opel. 250 Zu dieser siehe bereits Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 333; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 314. 248

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

machen, lehnte er im konkreten Fall ab, hält es aber nicht für unmöglich251. Maßgeblich sei, dass die Rechtsfigur der „actio pro socio“ nicht dazu dienen dürfe, dass Konflikte, die zwischen Mehrheit und Minderheit im Aufsichtsrat auftreten, über den Umweg einer gerichtlichen Inanspruchnahme des Vorstandes ausgetragen werden252. Im vorliegenden Fall wurde zudem der die Geschäftsführungsmaßnahme missbilligende Beschluss nicht von den Vertretern der Arbeitnehmerseite angegriffen253. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Beschluss aus anderen Gründen nichtig sei254. Erst bei diesen Voraussetzungen hätte überhaupt die Rechtsfigur der „actio pro socio“ in Betracht gezogen werden können. Folglich können die Kläger keine Rechte des Aufsichtsrats geltend machen. Der BGH macht dahingehend auch keine weiteren Ausführungen zur „Lehre vom Organstreit“.

III. Die klagbaren Rechte von Organmitgliedern und anderen Organteilen Der BGH trennt zwischen Befugnissen, die dem Organ Aufsichtsrat zustehen und den Befugnissen, die den einzelnen Organmitgliedern zustehen. Innerhalb dieser Kategorie unterscheidet er nach Befugnissen, die aus eigenen den einzelnen Mitgliedern zustehenden Rechten geltend gemacht werden können und den bereits angesprochenen Befugnissen, die die Aufsichtsratsmitglieder aus fremden Recht (im Wege der „actio pro socio“) geltend machen können. Zunächst untersucht der BGH, ob die in § 90 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 AktG niedergelegten Befugnisse, Eigenrechte des Aufsichtsratsmitglieds seien. Jedoch genüge eine derartige Verletzung nicht, eine Klagebefugnis des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds zu begründen. Zwar könnte man in Erwägung ziehen, dass durch die Maßnahme des Vorstands die Informationsrechte des einzelnen Mitglieds ausgehöhlt werden würden und damit eine, den Kompetenzbereich verletzende Maßnahme gegeben sei. Jedoch sei dann nur der Aufsichtsrat berechtigt, gegen diese Maßnahme vorzugehen, da auch ein Eingriff in die Informationsrechte nach § 90 AktG, eine Verletzung des Überwachungsrecht aus § 111 Abs. 1 AktG darstelle und dieses dem Kollegialorgan zugewiesen sei und nicht dem einzelnen Mitglied255. Dagegen spreche auch nicht, dass § 116 AktG an eine eigenverantwortliche Amtsausübung anknüpfe. Vielmehr sei die Überwachung des Vorstands und die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 112 AktG dem Gesamtaufsichtsrat zugewiesen256. Ebenso enthalte § 245 Nr. 5 AktG keinen Anhaltspunkt für ein Klagerecht 251 252 253 254 255 256

BGHZ 106, 54, 65 – Opel. BGHZ 106, 54, 66 – Opel. BGHZ 106, 54, 67 – Opel. BGHZ 106, 54, 67 – Opel. BGHZ 106, 54, 62 f. – Opel. BGHZ 106, 54, 63 – Opel.

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des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds und sei daher nicht entsprechend anzuwenden. Dieser setze voraus, dass ein Mitglied des Vorstands oder Aufsichtsrats durch die Ausführung eines (Hauptversammlungs-)Beschlusses eine strafbare Handlung oder eine Ordnungswidrigkeit begehe und sich deshalb schadensersatzpflichtig machen würde. Einer solchen Zwangslage seien die Mitglieder des Aufsichtsrats bei gesetzeswidrigen Handlungen durch den Vorstand aber nicht ausgesetzt, da der Aufsichtsrat Beschlüsse des Vorstands nicht ausführe257. Ebenfalls sei die Klagebefugnis nicht aus den Holzmüller-Doktrinen258 herzuleiten259. Nach diesen bestehe ein Klagerecht des einzelnen Aktionärs, wenn in schwerwiegender Weise in Rechte und Interessen der Aktionäre eingegriffen werde, indem der Vorstand in unzulässiger Weise die Hauptversammlung ausschaltet und dadurch die Mitgliedsstellung der betroffenen Aktionäre verletzt260. Dies liege aber nicht vor, da die Rechtsstellung der Aufsichtsratsmitglieder nicht betroffen sei. Insbesondere sei das Ausscheiden der Hauptversammlung als Kontrollorgan, da die Opel AG eine 100-prozentige Tochtergesellschaft von GMC sei und die Maßnahme auf deren Weisung durchgeführt wurde, kein Argument für eine andere Bewertung. Denn der Aufsichtsrat könne zum einen nicht die Rechte der Hauptversammlung wahrnehmen und zum anderen bei faktischer Konzernierung die Schutzrechte auf §§ 311 ff. AktG beschränken261. Ebenfalls nicht für ein Klagerecht der einzelnen Mitglieder der Arbeitnehmervertreter sprechen die mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften. § 25 MitbestG als Generalklausel verweise allein auf das Aktiengesetz. Eine explizite Rechtsgrundlage sei nicht ersichtlich, sodass ein Klagerecht nur durch eine im Wege des Richterrechts vorzunehmende Erweiterung des Mitbestimmungsgesetzes möglich wäre262. Die eindeutige Gesetzeslage spreche aber gegen eine solche Erweiterung. Zugleich verneint der BGH ein Klagerecht aus Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes als auch des Datenschutzgesetzes. Zudem führt er aus, dass durch das Mitbestimmungsgesetz im Aufsichtsrat kein „Bänkeprinzip“ geschaffen wurde, sondern dieser aus gleichberechtigten und gleichverpflichteten Mitgliedern, homogen und dem Unternehmensinteresse verpflichtend, zusammengesetzt sei263. Etwaige widerstreitende Interessen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern können nur durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gelöst werden264.

257 258 259 260 261 262 263 264

BGHZ 106, 54, 63 – Opel. BGHZ 83, 122 ff. – Holzmüller. BGHZ 106, 54, 64. – Opel. BGHZ 83, 122 ff. – Holzmüller. BGHZ 106, 54, 64 f. – Opel. BGHZ 106, 54, 65 – Opel. BGHZ 106, 54, 65 – Opel. BGHZ 106, 54, 65 – Opel.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

IV. Die Ausführungen der Instanzgerichte Während das LG Darmstadt die Hauptanträge sowie die äußerst hilfsweise gestellten Anträge als unbegründet, den Hilfsantrag mangels Unzulässigkeit abwies, hielt das OLG Frankfurt die gesamte Klage für unzulässig. Die Ausführungen des LG Darmstadt zur Zulässigkeit der Anträge gehen teilweise über die Äußerungen in der damaligen Literatur hinaus, teilweise werden Ideen aus dem Schrifttum aufgegriffen. So bejaht es die Prozessführungsbefugnis der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder mit dem Hinweis, dass der Aufsichtsrat einer mitbestimmten Aktiengesellschaft – im Gegensatz zum BGH – keine homogene Gruppe bilde, da die Arbeitnehmervertreter neben dem allgemeinen Unternehmensinteresse auch spezifische Belange der entsendeten Gruppe wahrnehmen265. Dafür spreche auch die persönliche Haftung der Aufsichtsratsmitglieder. Kompetenzinteressen und persönliche Interessen seien danach eng miteinander verknüpft266. Das LG verweist – unter Bezug auf die mitbestimmungsrechtlichen Besonderheiten – auf den durch Häsemeyer267 geprägten Begriff des sog. spezifischen Repräsentationsinteresses268. Gleichzeitig lehnt es aber eine Geltendmachung durch die Gruppe der Arbeitnehmer als Organ oder selbständiger Organteil ohne genauere Begründung ab. Das LG Darmstadt befürwortet die Möglichkeit von Organklagen und sieht darin auch ein milderes Mittel gegenüber der Abberufung nach § 84 Abs. 3 AktG. Ebenso sei der Vorstand wegen seiner Organstellung innerhalb der Aktiengesellschaft, die unmittelbar mit der Prozessführungsbefugnis verknüpft ist, parteifähig269. Trotz alledem sei die Klage unbegründet, da die Ausgliederung der EDV-Abteilung durch den Vorstand weder eine Kompetenzverletzung darstelle noch rechtswidrig sei. Weder eine Überschreitung der Sorgfaltspflicht aus §§ 76, 93 AktG liege vor, noch sei ein Verstoß gegen die organschaftliche Kompetenzverteilung gegeben, da dadurch der Aufgabenbereich des Aufsichtsrats und der Aufsichtsratsmitglieder nicht verändere270. Die Kontrollmöglichkeiten des Vorstands blieben bestehen. Zudem verneint das LG Darmstadt eine Zuständigkeit des Aufsichtsrats, wenn Grundlagenentscheidungen der Aktiengesellschaft betroffen sind. Denn dadurch sei eine Kompetenz der Hauptversammlung betroffen, deren mögliche Verletzung nicht durch den Aufsichtsrat gerügt werden könne. Das OLG Frankfurt verneint hingegen bereits die Zulässigkeit der Anträge. Die Aufsichtsratsmitglieder als Kläger seien nicht prozessführungsbefugt, da sie nicht Inhaber der beanspruchten Rechte auf Überwachung und Beeinflussung der Ge-

265 266 267 268 269 270

LG Darmstadt ZIP 1986, 1389, 1390. LG Darmstadt ZIP 1986, 1389, 1390. Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265 ff. LG Darmstadt ZIP 1986, 1389, 1391. LG Darmstadt ZIP 1986, 1389, 1391. LG Darmstadt ZIP 1986, 1389, 1391.

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schäftsführung des Vorstands seien271. Diese Befugnis stehe allein dem Aufsichtsrat zu. Nichts anderes ergebe sich aus dem Aktiengesetz, dem Mitbestimmungsgesetz oder anderen gesetzlichen Bestimmungen272. Zwar enthalte das Aktiengesetz Einzelbefugnisse für Aufsichtsratsmitglieder. Jedoch sei aus diesen keine Berechtigung eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds herzuleiten, anstelle des Organs Aufsichtsrat aus eigenem Recht die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen und gegebenenfalls in rechtlich erheblicher Weise zu beeinflussen oder zu missbilligen273. Weder dem einzelnen Mitglied noch einer Gruppe von Mitgliedern könne ein solches Recht zugestanden werden. Ebenfalls spreche auch nicht die mögliche Haftung wegen Sorgfaltspflichtverletzung nach §§ 116, 93 AktG für eine Klagebefugnis. Habe der Gesamtaufsichtsrat seine Pflichten verletzt, komme es bei der Verantwortung des einzelnen Mitglieds auf dessen Beteiligung an der Beschlussfassung an. Zudem gewähre das Mitbestimmungsgesetz weder für das einzelne Mitglied noch für eine Gruppe von Mitgliedern Klagebefugnisse gegenüber dem Vorstand. Gruppeninteressen treten danach hinter dem Unternehmensinteresse zurück274. Die Berücksichtigung eines besonderen Repräsentationsinteresses der Arbeitnehmervertreter sei deshalb nicht anzuerkennen. Zudem könne die in der Abstimmung unterlegene Minderheit nicht im gerichtlichen Wege, ihre Meinung einer Überprüfung zugänglich machen. Eine solche Möglichkeit widerspreche dem Grundsatz, dass der Aufsichtsrat seine Entscheidungen durch Mehrheitsbeschluss fasse und die Minderheit diese Niederlage hinzunehmen habe275. Abgelehnt wird die Möglichkeit, im Wege der „actio pro societate“ den einzelnen Mitgliedern aus abgeleitetem Recht eine Klagebefugnis zu gewähren276.

V. Bewertung im Schrifttum Da bereits in der Literatur im Wesentlichen zwei Positionen zur Zulässigkeit von Organklagen vertreten werden, finden sich in den Stellungnahmen auch nur diese beiden wesentlichen Positionen wieder. Während die einen Organklagen befürworten, geißeln die anderen diese Konfliktlösungsmöglichkeit als handele es sich um ein „aktienrechtliches Schreckbild277. Raiser begrüßt, dass eine Organstreitigkeit Gegenstand einer höchstgerichtlichen Entscheidung wurde und äußert die Hoffnung, dass durch die „Opel“-Entscheidung weitere Gerichtsverfahren provoziert werden278. Bis auf die Pelikan-Entscheidung des OLG Celle279 sind soweit ersichtlich – 271 272 273 274 275 276 277 278

OLG Frankfurt WM 1988, 330, 332. OLG Frankfurt WM 1988, 330, 332 f. OLG Frankfurt WM 1988, 330, 333. OLG Frankfurt WM 1988, 330, 333. OLG Frankfurt WM 1988, 330, 334. OLG Frankfurt WM 1988, 330, 334. Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, Vor § 76 Rn. 4. Raiser, AG 1989, 185.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

bis in die Mitte der 2000er Jahre – in der Praxis keine weiteren Organstreitigkeiten geführt geworden. Im vorliegenden Fall hätte eine Klage des Gesamtaufsichtsrats Erfolg gehabt280. Zudem hebt Raiser hervor, dass die Befürwortung von Organklagen auch die prozessrechtlichen Einwände entschärfe281: Ob ein Organstreit stattfinde oder nicht sei allein eine Frage des materiellen Aktienrechts und nicht des Prozessrechts. Dass in der vorliegenden Entscheidung hingegen die konkrete materielle Frage, ob die Ausgliederung der EDV-Abteilung gegen § 76 Abs. 1 AktG verstoße, da der Vorstand seiner Leitungsaufgabe nicht mehr nachkommen könne, wenn er keinen direkten Zugriff auf etwaige Daten habe oder die Mitglieder des Aufsichtsrats rechtswidrig handeln, wenn sich der Vorstand einer solchen Situation aussetze, führen Raiser als auch Theisen als erheblichen Nachteil an282. Insbesondere Theisen spricht von einer vergebenen Chance, da der BGH es versäumt habe, die wesentlichen Fragen zum „(Mindest-)Überwachungsumfang“ und „(Mindest-)Überwachungsinformationsumfang“ des Aufsichtsrats zu beantworten283. Raiser verweist hinsichtlich des konzernrechtlichen Nachteils auf die Ausführungen von Ursula Stein284, die in der Delegation von Zuständigkeiten an ein anderes Konzernunternehmen es für möglich hält, dass dort Konzerninteressen Eingang finden, die dem delegierenden Unternehmen zuwiderlaufen. Daher gehe es konzernrechtlich nicht allein darum, ob der Tochtergesellschaft Vermögensnachteile i.S.v. § 311 AktG entstehen285. Die Verneinung eigener Klagerechte von Aufsichtsratsmitgliedern wird überwiegend begrüßt. Gleiches gilt für die Möglichkeit, im Wege der „actio pro societate“ gegen den Vorstand klagen zu können. Jedoch wird die vom BGH dazu vorgenommene Einschränkung, dass die Minderheit nicht im Wege der Organklage sich gegen den mit der Mehrheit getroffenen Beschluss durchsetzen dürfe286, von Raiser kritisch hinterfragt. Denn ein solcher Konflikt sei vor allem bei Zweckmäßigkeitsentscheidungen relevant, hingegen gehe es bei der Verfolgung um Rechtsbrüche um eine andere Linie287. Zwar begrüßt Brücher die ablehnende Entscheidung des Gerichts, findet es aber bedauerlich, dass der BGH es versäumt habe, den Organstreit mit einer klaren Aussage zu beenden, dass dem Aufsichtsrat ein derartiges Recht nicht zustehe288. Da

279 280 281 282 283 284 285 286 287 288

OLG Celle NJW 1990, 582 ff. – Pelikan. Raiser, AG 1989, 185, 189. Raiser, AG 1989, 185, 188. Raiser, AG 1989, 185, 186; Theisen, DB 1989, 311, 312. Theisen, DB 1989, 311, 312. U. Stein, ZGR 1988, 163, 188 ff. Raiser, AG 1989, 185, 186. BGHZ 106, 54, 66 – Opel. Raiser, AG 1989, 185, 190. Brücher, AG 1989, 190, 191.

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bisher erst das LG Köln289 mit einer vergleichbaren Thematik befasst war, bestehe kein praktisches Bedürfnis für solche Klagen290. Insbesondere könne das Organisationsgefüge der Aktiengesellschaft durch das Abweichen von der wohl abgewogenen gesetzlichen Regelung zerstört werden291.

VI. Kritische Würdigung Man kann dem BGH keinen Vorwurf machen, sich nicht umfassend mit der Thematik auseinandergesetzt zu haben. Immerhin werden alle Positionen, die im Rahmen des aktienrechtlichen Organstreits vertreten werden, aufgegriffen. Da vorliegend nur einzelne Mitglieder des Aufsichtsrats gegen die Maßnahme des Vorstands vorgehen wollten, musste auf die Frage, ob dem Organ Aufsichtsrat Befugnisse gegenüber dem Vorstand zustehen, nicht eingegangen werden. Gleiches gilt bezüglich der Beteiligung des Vorstands. Der BGH setzt sich allerdings umfassend mit der Frage auseinander, ob ein einzelnes Mitglied berechtigt ist, gegen den Vorstand aus eigenem oder fremdem Recht vorzugehen. Hier lässt er offen, ob im Wege der „actio pro socio“ ein einzelnes Mitglied gegen den Vorstand klagen könne. Da der BGH für den Anwendungsbereich einer organschaftlichen „actio pro socio“ Kriterien aufstellt, die für die mitgliedschaftsrechtliche „actio pro socio“ bisher nicht gefordert wurden, spricht Vieles für ihre Berechtigung und Anerkennung durch den BGH. Trotz allem führte die Entscheidung nicht zu der von Raiser erhofften Provokation weiterer Gerichtsverfahren. Dies mag zum einen an der Zurückhaltung der Gerichte gelegen haben, die eine Berechtigung von Organklagen nicht sahen, insbesondere weil der BGH diese im Opel-Fall verneinte. Zudem muss der Entwicklungsstand des damals vorherrschenden Verständnisses zur aktienrechtlichen Organisationsverfassung berücksichtigt werden. Die uns heute bekannte Corporate Governance-Diskussion wurde noch nicht geführt. Transparenz und professionelle Überwachung durch den Aufsichtsrat sind Aspekte, die erst innerhalb der letzten 20 Jahre an Bedeutung gewonnen haben und die es jetzt ermöglichen, darüber nachzudenken, ob innerorganschaftliche Konflikte im Klagewege gelöst werden können.

289 290 291

LG Köln AG 1976, 329. Brücher, AG 1989, 190, 191. Brücher, AG 1989, 190, 191.

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D. „Pelikan“ – OLG Celle NJW 1990, 582 ff. I. Sachverhalt Kurz nach der Opel-Entscheidung des BGH setzte sich das OLG Celle ebenfalls mit einem Organstreit auseinander: Der Aufsichtsrat der Pelikan AG stimmte einer Umstrukturierungsmaßnahme des Vorstands zu. Daraufhin stellten die Arbeitnehmervertreter des Aufsichtsrats einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, um (1) der AG zu untersagen, Maßnahmen zur Restrukturierung vorzunehmen, bis ein ordnungsgemäßer Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrats zustande gekommen sei, und hilfsweise (2) der AG zu untersagen, dass die bereits gefassten Zustimmungsbeschlüsse des Aufsichtsrats als wirksam zu behandeln sind und (3) äußerst hilfsweise, festzustellen, dass die bereits gefassten Zustimmungsbeschlüsse des Aufsichtsrats unwirksam seien. Die Anträge 1 und 2 wurden vom LG mangels Prozessführungsbefugnis zurückgewiesen. Dem Antrag zu 3 wurde jedoch durch das LG entsprochen. Dieser Antrag wurde damit begründet, dass die Arbeitnehmervertreter über den Beschlussgegenstand zu wenig informiert wurden. Das OLG lehnte allerdings den Antrag zu 3 mangels Verfügungsanspruchs ab.

II. Hauptaussagen des OLG Nach dem OLG Celle war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung von Anfang an unbegründet, da die Verfügungskläger (=Arbeitnehmervertreter) keinen Verfügungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte (Pelikan AG) oder deren Vorstand auf Unterlassung der Maßnahme hatten292. Das OLG verweist hinsichtlich des Hauptantrags und des 1. Hilfsantrags auf die Opel-Entscheidung und auf die Vorgaben, die durch den BGH gesetzt wurden. So stehen Kompetenzschutzrechte dem Organ und nicht einzelnen Mitgliedern zu293. Daraus folgert das Gericht zugleich, dass auch die Feststellung der Nichtigkeit des Zustimmungsbeschlusses durch den 2. Hilfsantrag das Ziel verfolgte, die vom Vorstand der Aktiengesellschaft beabsichtigte Neustrukturierung mangels wirksamer Zustimmung des Aufsichtsrats jedenfalls vorläufig zu unterbinden294. Ebenfalls verneinte das OLG die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes, da die Antragsteller nicht beabsichtigten, gegen den Aufsichtsratsbeschluss vorzugehen. Ob materiell eine hinreichende Informationsversorgung durch den Vorstand erfolgte, konnte daher nicht festgestellt werden. Jedoch führt das OLG zugleich an, dass es ausreichend gewesen wäre, dem Vorstand durch eine einstweilige Verfügung aufzugeben, von bestimmten Einzelmaßnahmen vorübergehend abzusehen295. 292 293 294 295

OLG Celle NJW 1990, 582. OLG Celle NJW 1990, 582. OLG Celle NJW 1990, 582, 583. OLG Celle NJW 1990, 582, 583.

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III. Bewertung im Schrifttum und eigene kritische Würdigung Raiser begrüßt zunächst die Ausführungen des OLG, das dem Aufsichtsrat als Überwachungsorgan Kompetenzschutzrechte gewährt und damit dem BGH folgt, jedoch Klagebefugnisse einzelner Mitglieder verwehrt296. Klagen einzelner Mitglieder gegen den Vorstand könnten dazu führen, dass es zu einer Störung des Systems der unternehmensinternen checks and balances of power kommen könne297. Kritisch wird hingegen gewertet, dass das OLG auch den 2. Hilfsantrag mit der Begründung zurückweist, dass der Feststellungsantrag das Ziel verfolge, die vom Vorstand beabsichtigte Neustrukturierung zu unterbinden298. Vielmehr sei eine solche Klage der gebotene Weg, die Überwachungspflicht des Aufsichtsrats gegenüber rechtswidrigem Vorstandshandeln in Gang zu bringen. Noch weniger passe die Begründung, dass der einstweilige Rechtsschutz nicht gewährt werden konnte, da die Antragsteller gar nicht beabsichtigten, den Aufsichtsratsbeschluss anzugreifen. Vielmehr hätte hierbei der Senat eine materielle Prüfung vornehmen müssen299. Bereits zur Entscheidung der Vorinstanz hat Finken kritisiert, dass dem 2. Hilfsantrag stattgegeben wurde, obwohl jedem Aufsichtsratsmitglied das Recht zustehe, die Unwirksamkeit durch gerichtliche Klage gegen die Gesellschaft feststellen zu lassen300. Dies wurde jetzt durch den Senat bereinigt. Denn in dem Gewähren des vorläufigen Rechtsschutzes würde die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen und widerspreche daher Sinn und Zweck301. Raiser begrüßt jedoch die Aussage des Gerichts, dass einstweiliger Rechtsschutz in Fällen zulässig sein müsse, in denen die Kläger ein rechtliches Interesse daran haben, alsbald Klarheit über die Wirksamkeit der Beschlüsse zu erhalten, weil davon nicht nur ihr eigenes Verhalten, sondern auch das Verhalten der anderen Aufsichtsratsmitglieder und das des Vorstands abhänge302. Im Grunde enthält die Entscheidung des OLG keine neuen Erkenntnisse. Eine Ausnahme davon ist die Zurückweisung des zweiten Hilfsantrags, der die Feststellung, dass die Beschlüsse des Aufsichtsrats zur Neustrukturierung unwirksam seien, beinhaltete. Zwar ist dem OLG beizupflichten, dass grundsätzlich ein einzelnes Mitglied im Wege der Feststellungsklage gegen einen gefassten Beschluss vorgehen könne. Jedoch überzeugt es vorliegend nicht, wenn darauf verwiesen wird, dass nicht vordergründig der Aufsichtsratsbeschluss angegriffen, sondern die Maßnahme des Vorstands verhindert werden sollte. Wie Raiser richtig ausführt, 296

Raiser, EWiR 1990, 117. So bereits Raiser, ZGR 1989, 44, 69 f. 298 Raiser, EWiR 1990, 117, 118. 299 Raiser, EWiR 1990, 117, 118. 300 Finken, EWiR 1989, 941. 301 Raiser, EWiR 1990, 117, 118. 302 Raiser, EWiR 1990, 117, 118 ; aktuell zum einstweiligen Rechtsschutz bei Intraorganstreitigkeiten Friedeborn, NZG 2018, 770, 774 f. 297

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

beruhe die Ausführung auf dem gefassten Beschluss. Sei dieser rechtswidrig, so handle der Vorstand rechtswidrig303.

E. „Züblin/Strabag“ – OLG Stuttgart NZG 2007, 549 ff. I. Hintergrund und Sachverhalt Klagerechte einzelner Aufsichtsratsmitglieder, die aus ihrer Organstellung resultieren, waren seit den Entscheidungen zu Opel und Pelikan kaum noch Gegenstand in der Rechtsprechungspraxis. Dies mag vor allem daran gelegen haben, dass die Arbeitnehmervertreter, die sowohl bei Opel als auch bei Pelikan die treibenden Kräfte der gerichtlichen Zuhilfenahme waren, einsehen mussten, dass die vom BGH aufgestellten Hürden für eine mögliche Klagebefugnis einzelner Mitglieder zu hoch waren. Desto weniger überrascht es, dass beinahe 17 Jahre nach der Pelikan-Entscheidung wieder über Klagebefugnisse einzelner Aufsichtsratsmitglieder höchstrichterlich entschieden wurde. Diesmal betraf es jedoch ein Aufsichtsratsmitglied, das zugleich Aktionär der Gesellschaft war und nicht dem Lager der Arbeitnehmervertreter angehörte. Wiederum handelte es sich um ein Verfahren, das die Zustimmung des Aufsichtsrats zu Umstrukturierungsmaßnahmen im Blickfeld hatte. Der Kläger – ein Aufsichtsratsmitglied, das gegen die Zustimmungsbeschlüsse gestimmt hatte – beantragte zunächst die Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse und darüber hinaus die Unterlassung der Umstrukturierungsmaßnahmen durch den Vorstand. Zudem verlangte er die Vorlage von den in diesem Zusammenhang relevanten Unterlagen. Die Unterlassungsanträge wies das LG wegen fehlender Prozessführungsbefugnis als unzulässig, die übrigen Anträge als unbegründet ab.

II. Hauptaussagen des Gerichts und der Vorinstanz Das OLG Stuttgart verneint im Hinblick auf die Unterlassungsanträge die Prozessführungsbefugnis des Klägers304. Hier folgt es den Ausführungen, die bereits der BGH zum Opel-Fall machte. Insbesondere wird angeführt, dass eine Klage aus fremdem Recht im Wege der „actio pro socio“ nicht möglich sei, wenn sie dazu diene, die zwischen Mehrheit und Minderheit im Aufsichtsrat auftretenden Konflikte über den Umweg der gerichtlichen Inanspruchnahme der durch den Vorstand vertretenen Gesellschaft auszutragen305. Zudem würden die Unterlassungsanträge auch inhaltlich keinen Erfolg haben, da die Nachteiligkeit der Umstrukturierungsmaßnahmen (i.S. eines qualifizierten faktischen Konzerns) nicht substantiiert vorgetra303 304 305

Raiser, EWiR 1990, 117, 118. OLG Stuttgart NZG 2007, 549. OLG Stuttgart NZG 2007, 549.

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gen wurde306. Der Kläger trat in einem Parallelverfahren zudem als Aktionär der Gesellschaft auf und machte dort einen Unterlassungsanspruch gegen die beklagte Gesellschaft auf Grund seines Mitgliedschaftsrechts geltend. Er hätte aber im vorliegenden Verfahren konkret darlegen müssen, aus welchem Grund er als Aufsichtsratsmitglied eigene Rechte in einem gesonderten Verfahren in Anspruch nehmen müsse und warum hinsichtlich seiner Mitgliedschaftsrechte eine effektive Rechtsverfolgung in dem Parallelverfahren nicht möglich sei307. Die abstrakte Gefahr einer Haftung als Aufsichtsratsmitglied reiche nicht aus, zumal der Kläger seine Bedenken gegen die Beschlüsse klar und eindeutig formuliert und weitgehend gegen die Beschlüsse gestimmt habe, sich aber nicht durchsetzen konnte. Die Anträge auf Feststellung der Nichtigkeit der Aufsichtsratsbeschlüsse seien zwar zulässig, aber unbegründet, da weder Verfahrensverstöße noch ein Verstoß gegen Gesetz oder Satzung vorgelegen haben308. Zu guter Letzt setzt sich das OLG mit dem Einsichtsverlangen des Klägers auseinander. Zwar ergebe sich aus § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG das Recht des einzelnen Mitglieds, Berichte vom Vorstand anzufordern309. Jedoch enthalte dieses Recht keinen Anspruch zur Einsichtnahme in die betreffenden Unterlagen. Ein solches Recht gewähre auch nicht § 111 Abs. 2 AktG. Denn nach diesem habe nur das Gesamtgremium Anspruch auf Urkundenvorlage und Einsichtnahme310. Zudem kenne das Recht zum faktischen Konzern weitere Informations- und Kontrollmöglichkeiten (Abhängigkeitsbericht, §§ 312, 314 AktG sowie Sonderprüfung, §§ 315, 142 AktG), sodass keine Notwendigkeit bestehe, dass ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied weitere Informationsbefugnisse erhalte311. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers vor dem BGH wurde als unbegründet abgewiesen. Da das OLG sich sehr ausführlich – auch zu materiellen Fragen – äußerte, sah der BGH keinen Grund, die Nichtzulassungsbeschwerde zuzulassen312.

III. Stellungnahme Die Entscheidung des OLG wurde bedauerlicherweise nicht näher vom Schrifttum diskutiert. Dies lag vermutlich auch daran, dass der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers abwies und somit keine neuen Erkenntnisse vortraten. Da der Senat bereits die Prozessführungsbefugnis des Klägers verneint, wird nicht 306 307 308 309 310 311 312

OLG Stuttgart NZG 2007, 549. OLG Stuttgart NZG 2007, 549. OLG Stuttgart NZG 2007, 549, 550. OLG Stuttgart NZG 2007, 549, 550. OLG Stuttgart NZG 2007, 549, 550. OLG Stuttgart NZG 2007, 549, 550. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 – II ZR 141/07 – juris.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

näher ausgeführt, wer passivlegitimiert ist (Gesellschaft oder der Vorstand selbst). Darüber hinaus richtete sich der Antrag des Klägers gegen die Gesellschaft, nicht gegen den Vorstand. Daher kann man davon ausgehen, dass der Senat es nicht für notwendig hielt, hier Konkretisierungen vorzunehmen. Interessant ist hingegen, dass vorliegend ein Vertreter der Anteilseigner versuchte, Maßnahmen des Vorstands zu verhindern. Es widerlegt die bisher als allgemeinüblich vorgetragene Annahme, nur Arbeitnehmervertreter in mitbestimmten Gesellschaften wollen im Wege der Organklage Entscheidungen des Vorstands und des Aufsichtsrats gerichtlich überprüfen lassen313. Vorliegend konnte der Kläger nicht darlegen, in welchen Rechten er als Mitglied des Aufsichtsrats durch die Umstrukturierungsmaßnahme verletzt wurde. Vielmehr übernahm der Kläger in seinen Ausführungen die Gründe, auf die er sich bereits im Parallelverfahren berief314. Sowohl OLG als auch BGH hielten es daher nicht für notwendig, rechtsfortbildend tätig zu werden.

F. OLG München NZG 2014, 66 ff. I. Hintergrund und Sachverhalt Die bisher angesprochenen und in der Literatur überwiegend diskutierten Sachverhalte behandelten die Befugnisse des Aufsichtsrats oder einzelner Mitglieder gegen Maßnahmen des Vorstands. Vorliegend wird die Frage aufgeworfen, inwiefern ein Vorstandsmitglied im Allgemeinen auf organschaftliche Prozesse des Aufsichtsrats Einfluss nehmen kann. Dem Kläger – einem Vorstandsmitglied der nicht börsennotierten S-AG – wurde von der Hauptversammlung das Vertrauen entzogen. Daraufhin diskutierte der Aufsichtsrat die Abberufung des Vorstandsmitglieds nach § 84 Abs. 3 AktG. Der Kläger begehrt nun mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, dem Verfügungsbeklagten (Vorsitzender des Aufsichtsrats) zu untersagen, für den Widerruf seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied, für eine vorläufige Amtsenthebung als Vorstand der Gesellschaft und für die Kündigung seines Anstellungsvertrags aus wichtigem Grund zu stimmen. Das LG erließ die beantragte einstweilige Verfügung und begründete den Verfügungsanspruch damit, dass hinsichtlich des gefassten Hauptversammlungsbeschlusses unsachliche Erwägungen nach § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG zugrunde lägen. Die Berufung des Beklagten wendete ein, warum der einstweilige Rechtsschutz nur gegen ein Mitglied des Aufsichtsrats begehrt wurde.

313

In der Opel-Entscheidung des BGH als auch in der Pelikan-Entscheidung des OLG Celle waren Arbeitnehmervertreter die Initiatoren der Klage. Im Fall ARAG/Garmenbeck klagten zwei Anteilseignervertreter gegen den Beschluss des Aufsichtsrats, vgl. Raiser, ZGR 1989, 44, 47; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 606; Noack, DZWiR 1994, 341, 342. 314 OLG Stuttgart ZIP 2007, 1210.

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II. Hauptaussagen des Gerichts Die Berufung des Aufsichtsratsvorsitzenden (Beklagten) hatte in der Sache Erfolg. Das OLG verneinte einen Anspruch des Vorstandsmitglieds (Kläger) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, dem Aufsichtsratsvorsitzenden zu untersagen, für den Widerruf der Bestellung, für eine vorzeitige Amtsenthebung und für die Kündigung des Anstellungsvertrages zu stimmen. § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG sei dafür keine Anspruchsgrundlage315. Die Entscheidung des OLG München befasst sich zum einen mit prozessualen, den einstweiligen Rechtsschutz betreffenden Fragen und Fragen der aktienrechtlichen Organisationsverfassung. Der Senat bezweifelte hier, ob durch den geltend gemachten Anspruch überhaupt effektiver Rechtsschutz gewährt werden könne, da der Antrag lediglich gegen ein Mitglied des Aufsichtsrats gerichtet werde und dies nicht geeignet sei, auf das Abstimmungsverhalten im Aufsichtsrat einzuwirken316. Vielmehr hindere die beantragte Untersagung die anderen Aufsichtsratsmitglieder nicht daran, mehrheitlich für die Abberufung des Klägers zu votieren317. Daher fehle zugleich die Passivlegitimation des Beklagten. Da die Bestellung nach § 84 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsrat obliege, sei für den Widerruf ebenfalls nur dieser zuständig. Der Aufsichtsrat entscheidet durch Beschluss nach § 108 Abs. 1 AktG, sodass ein Anspruch auf ein bestimmtes Abstimmungsverhalten gegen lediglich ein Mitglied des Aufsichtsrats unter Berufung auf einen effektiven Rechtsschutz nicht hergeleitet werden könne. Der Verweis auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht greife zudem nicht318. Vielmehr spreche die Zuständigkeit des Aufsichtsrats dafür, dass ein Anspruch allenfalls gegen die Gesellschaft, vertreten durch den Aufsichtsrat nach § 112 AktG, zu richten sei319.

III. Bewertung im Schrifttum und kritische Würdigung Neben der Auseinandersetzung der prozessualen Fragen, finden sich auch Äußerungen zu den Befugnissen des Vorstands oder seiner Mitglieder gegenüber dem Aufsichtsrat im Rahmen der aktienrechtlichen Organisationsverfassung. So beschäftigt sich Reichard mit der durch das Urteil aufgeworfenen Frage, inwiefern sich ein Vorstand zum Kontrolleur des Aufsichtsrats aufschwingen dürfe320. Da beide Organe durch Treubindungen der Gesellschaft gegenüber verpflichtet seien und beide Organe der Legalitätspflicht unterlägen, müsse es der Gesellschaft möglich sein, bei Verfehlungen der Aufsichtsratsmitglieder, gegen diese gerichtlich vorzu315 316 317 318 319 320

OLG München NZG 2014, 66. OLG München NZG 2014, 66. OLG München NZG 2014, 66. OLG München NZG 2014, 66 f. OLG München NZG 2014, 66, 67. Reichard, GWR 2014, 149.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

gehen321. Die Gesellschaft werde dabei durch den Vorstand nach § 78 Abs. 1 AktG vertreten. Damit läge nach Reichard auch keine Kompetenzverletzung vor322. Im vorliegenden Fall wurde einstweiliger Rechtsschutz nicht gewährt. In dem Fall, in dem der Vorstand als Vertreter der Gesellschaft handele und einen Anspruch der Gesellschaft geltend mache, empfiehlt Reichard, einen erweiterten Antrag auf Untersagung der Teilnahme an der Abstimmung zu stellen323. In einem solchen Fall sei der Aufsichtsrat nach § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG nicht beschlussfähig. Ebenfalls denkbar sei es, einen Untersagungsantrag gegen mehrere Mitglieder des Aufsichtsrats zu richten, um die Beschlussfähigkeit zu beseitigen324. Mache hingegen ein einzelnes Vorstandsmitglied einen Anspruch geltend, sei dieser gegen die Gesellschaft zu richten, die dann nach § 112 AktG durch den Aufsichtsrat vertreten werde325. Der vom OLG München entschiedene Sachverhalt gibt dem Schrifttum die Möglichkeit, die Frage zu diskutieren, inwiefern der Vorstand den Aufsichtsrat kontrollieren kann. Die Vertreter der Lehre vom Organrecht haben sich – auch mangels gerichtlicher Ausführungen – zu dieser Thematik nur oberflächlich und wenig tiefgründig geäußert326. Leyendecker-Langner hat in einem Beitrag aus 2012 die Frage aufgeworfen, inwiefern dem Vorstand Kompetenzschutz gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden bzw. gegenüber dem Aufsichtsrat zustehe327. Die Möglichkeit zur Abberufung des Aufsichtsratsvorsitzenden, selbst bei schwerwiegenden Kompetenzverstößen, sei nicht gegeben. Vielmehr sei der Vorstand Inhaber eines innerorganisatorischen Abwehrrechts, das dem Vorstand die Eingriffsmöglichkeit an die Hand gibt, eine gerichtliche Abgrenzung der Verantwortungsbereiche herbeizuführen328. Ein solches verdichte sich zur Pflicht, wenn eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Unternehmensinteresses, insbesondere vermögensrechtlicher Art, auftrete329. Grundsätzlich mag die Entscheidung den „umgekehrten“ Organstreit betreffen. Jedoch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sich organschaftliche Fragen und die das Vorstandsmitglied als Privatperson betreffende Fragen überschneiden. Weder das Urteil, noch die Besprechungen gehen auf die Möglichkeit ein, dass das Vorstandsmitglied gegen den Aufsichtsrat als Organ klagen kann. In diesem Fall wäre auch die Passivlegitimation des Beklagten gegeben, da der Aufsichtsrat für Be321

Reichard, GWR 2014, 149. Reichard, GWR 2014, 149. 323 Reichard, GWR 2014, 149. 324 Reichard, GWR 2014, 149. 325 Reichard, GWR 2014, 149. 326 Vgl. dazu die Ausführungen unter § 19, die vornehmlich einen agierenden Aufsichtsrat oder dessen Mitglieder zum Gegenstand haben. 327 Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721. 328 Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 725. 329 Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 724. 322

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stellung als auch Abberufung des Vorstands zuständig ist. Obwohl das Vorstandsmitglied auch als Privatperson betroffen ist, handelt es sich vorliegend vordergründig um eine organschaftsrechtliche Streitigkeit. Liegt ein unsachlicher Grund nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG vor, würde eine erfolgte Abberufung durch den Aufsichtsrat rechtswidrig gefasst worden sein. Folglich muss dem betroffenen Vorstandsmitglied ein Recht zustehen, diese rechtswidrige Handlung durch den Aufsichtsrat zu verhindern. Ein Vorgehen des Vorstandsmitglieds gegen den gefassten Hauptversammlungsbeschluss, der das Vertrauen entzieht, ist nicht notwendig, da dem Aufsichtsrat nach § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wird, ob unsachliche Gründe bei der Entziehung des Vertrauens eine Rolle gespielt haben. Das betroffene Mitglied hätte folglich gegen den Aufsichtsrat einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen eine mögliche Abberufung durch den Aufsichtsrat stellen müssen.

G. „Hamburg-Mannheimer“ – BGHZ 122, 342 ff. I. Hintergrund und Sachverhalt Die Entscheidung des BGH setzt sich mit der Frage auseinander, wie fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse angegriffen werden können. Neben der grundsätzlichen Diskussion, welche Klageart statthaft ist, geht der BGH darauf ein, wer bei einem solchen Rechtsstreit richtiger Klagegegner ist. Zudem behandelt der BGH die Diskriminierung von Arbeitnehmervertretern bei der Besetzung von beschließenden (Personal)Ausschüssen. Damit erfolgt eine Auseinandersetzung mit der Rechtstellung von Gruppen im Aufsichtsrat als innerorganschaftliche Besonderheit. In dem vorliegenden Fall waren wiederum die Arbeitnehmervertreter diejenigen, die eine Beschlusskontrolle anstrebten. Interessant ist die Thematik zudem, da das OLG Hamburg der im Schrifttum neu aufgekommenen Ansicht folgte, §§ 241 ff. AktG analog heranzuziehen330. Gegenstand der Entscheidung war der mit der Mehrheit der Anteilseignervertreter gefassten Beschluss des Aufsichtsrats der Beklagten, der Mitbestimmung unterliegenden Aktiengesellschaft, über die Besetzung des Personalausschusses. Der Kläger, ein Arbeitnehmervertreter, ging sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen den Aufsichtsrat als Organ vor und begehrte deren Verurteilung, die von ihm benannten Aufsichtsratsmitglieder an der Arbeit des „Vorstandsausschusses“ zu beteiligen, hilfsweise die Feststellung ihrer Wahl und weiter hilfsweise die Feststellung, dass die erfolgte Wahl des Vorstandsausschusses nichtig sei. Vor beiden Vorinstanzen blieben die Anträge erfolglos.

330

OLG Hamburg AG 1992, 197 f.

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II. Keine Organrechtsfähigkeit oder Organparteifähigkeit bei der Kontrolle von Aufsichtsratsbeschlüssen Der BGH befasst sich zunächst damit, wer bei der Kontrolle von Aufsichtsratsbeschlüssen richtiger Klagegegner ist. Da durch die Klage eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds auf Feststellung der Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat als ihr Organ durch die von ihm getroffene Entscheidung und deren weitere Folgen berechtigt und verpflichtet werden könne, sei auch nur sie richtiger Klagegegner331. Begründet wird dies zunächst mit dem Gleichlauf von Rechts- und Parteifähigkeit. Da nach geltendem Recht nur natürliche und juristische Personen rechtsfähig seien, könne außerhalb dessen nur in gesetzlich geregelten Fällen Ausnahmen zugelassen werden332. Da bereits gegenwärtig sachgerechte Lösungen ermöglicht werden, liege keine planwidrige Regelungslücke vor333. Interessant, aber zugleich ernüchternd, wirkt die Aussage des Senats mit Verweis auf die Berufungsinstanz, dass die Annahme einer Parteifähigkeit von Organen dazu führe, dass für bestimmte Streitigkeiten zahlreiche erst noch künftiger Klärung bedürftige Abgrenzungsfragen in das geltende Recht hineingetragen würden. Aus Gründen der Rechtssicherheit sei sie daher abzulehnen334. Zudem werde bei einer gegen die Gesellschaft gerichteten Klage die Gesellschaft durch den Vorstand nach § 78 AktG und nicht durch den Aufsichtsrat vertreten. Etwaige Bedenken hinsichtlich möglicher Interessenkollisionen sieht der BGH nicht335.

III. Die Feststellungsklage als Angriffsmittel fehlerhafter Aufsichtsratsbeschlüsse – die Abkehr von §§ 241 ff. AktG analog Das OLG Hamburg wies als Berufungsinstanz den Hauptantrag des Klägers als unbegründet zurück, da dieser nicht rechtzeitig die Anfechtungsklage erhoben habe336. Danach seien die Vorschriften über die Anfechtbarkeit und Nichtigkeit fehlerhafter Hauptversammlungsbeschlüsse (§§ 241 ff. AktG) auch auf fehlerhafte Aufsichtsratsbeschlüsse zu übertragen337. Das OLG begründet dies damit, dass nach der herkömmlichen Ansicht, die von der grundsätzlichen Nichtigkeit von fehlerhaften Aufsichtsratsbeschlüssen ausgehe, das bestehende Bedürfnis nach Rechtssi331 332 333 334 335 336 337

BGHZ 122, 342, 344 f. BGHZ 122, 342, 345. BGHZ 122, 342, 345. BGHZ 122, 342, 345. BGHZ 122, 342, 345 f. OLG Hamburg AG 1992, 197. OLG Hamburg AG 1992, 197, 198.

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cherheit nicht hinreichend befriedigt werden könne338. Der BGH schließt sich dieser Auffassung nicht an und hält eine sinnentsprechende Anwendung der §§ 241 ff. AktG für nicht angebracht339. Vielmehr müsse die Geltendmachung der Nichtigkeit über die allgemeine Feststellungsklage erfolgen340. So gehe es bei Aufsichtsratsbeschlüssen nicht um den Schutz des Vertrauens der Öffentlichkeit oder der Anleger in die Wirksamkeit der gefassten Beschlüsse, sondern vielmehr um interne Angelegenheiten. Da der Aufsichtsrat aus einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von Mitgliedern bestehe, die einander kennen und die durch ihre vertrauensvolle Zusammenarbeit dem Gesellschaftsinteresse verpflichtet seien, würden Bedenken innerhalb des Gremiums im Wege gütlicher Einigung behoben werden341. Zudem sei die Differenzierung nach anfechtbaren und nichtigen Klagen bei Aufsichtsratsbeschlüssen nicht geeignet342. Die Einführung einer festen Klagefrist würde dazu führen, dass das an der Rechtmäßigkeit zweifelnde Mitglied in die Position des Klägers gedrängt werde, und die Möglichkeit bestehe, dass vor Erschöpfung sämtlicher innerer Einigungsmöglichkeiten die Öffentlichkeit durch eine Klage involviert wäre343. Eine Beschränkung des Personenkreises der Klagebefugten sei durch die Versagung des Rechtsschutzinteresses im Einzelfall herbeizuführen344.

IV. Diskriminierung der Arbeitnehmervertreter bei Besetzung des Ausschusses Der BGH sah vorliegend eine missbräuchliche Diskriminierung von Arbeitnehmervertretern, da ohne sachliche Erwägungen die Beteiligung an einem beschließenden Personalausschuss verwehrt wurde345. Insbesondere die Mitwirkung der Arbeitnehmervertreter bei der Auswahl des Vorstands stelle das Kernstück der (fast) paritätischen Mitbestimmung des MitbestG von 1976 dar. Dies sehe man vor allem an der gleichgewichtigen Mitwirkung beider Seiten nach § 31 MitbestG346. Weder überzeuge das Argument, dass die Arbeitnehmervertreter arbeitsrechtlich dem Vorstand untergeordnet seien, noch könne auf eine vermeintlich fehlende Fachkenntnis verwiesen werden347. Da vorliegend keine sachlichen Gründe, die den Ausschluss der Arbeitnehmervertreter gerechtfertigt hätten, zu sehen waren, habe 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347

OLG Hamburg AG 1992, 197, 198. BGHZ 122, 342, 347. BGHZ 122, 342, 352. BGHZ 122, 342, 348. BGHZ 122, 342, 349. BGHZ 122, 342, 349. BGHZ 122, 342, 351. BGHZ 122, 342, 357 f. BGHZ 122, 342, 359. BGHZ 122, 342, 360.

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der zweite Hilfsantrag – die Feststellung der Nichtigkeit des gefassten Beschlusses – Erfolg.

V. Bewertung im Schrifttum und kritische Würdigung Die überwiegenden Stimmen in der Literatur begrüßten die Ausführungen des BGH, der, wie Raiser feststellt, sehr ausführlich den Streitstand zur Geltendmachung von Aufsichtsratsbeschlüssen darstellt und damit eine abschließende Wirkung entfallen solle348. Eine Analogie zu §§ 241 ff. AktG wird überwiegend verneint349. Positiv aufgenommen werden auch die Ausführungen zur Diskriminierung von Arbeitnehmervertretern. Der BGH schloss sich dem bereits in der Literatur vertretenen Mittelweg an350, der das Fehlen von Arbeitnehmervertretern in Ausschüssen nur als gerechtfertigt ansieht, wenn sachliche Gründe vorliegen351. Raiser setzt sich darüber hinaus noch mit der Frage der Aktiv- und Passivlegitimation bei der Feststellung der Nichtigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen auseinander, zu der sich auch der BGH in seiner Entscheidung positionierte. Nach Auffassung des BGH sei vorliegend die Gesellschaft, nicht der Aufsichtsrat als Organ, passivlegitimiert. Die Begründung des BGH wird zwar als pragmatisch und sachgerecht eingeschätzt, jedoch insgesamt als unbefriedigend bewertet352. Für die vorliegende Konstellation werde das Problem beiseitegeschoben. Zwar verweist der BGH darauf, dass noch zahlreiche Abgrenzungsfragen zu klären seien, wenn man bestimmte Streitigkeiten bejahen möchte353. Jedoch weist Raiser zu Recht darauf hin, dass notwendige Vorarbeiten aus der Wissenschaft dazu erfolgt seien354. Hervorzuheben ist die Positionierung zur Stellung der Arbeitnehmervertreter innerhalb des Aufsichtsrats. Unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit wurde klargestellt, dass jedwede Ungleichbehandlung zu unterbleiben hat. In prozessueller

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Raiser, DZWir 1993, 510. Vgl. Fleischer, DB 2013, 217 f.; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 108 AktG Rn. 73; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 108 Rn. 28 f. m.w.N.; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 737. 350 So Raiser, DZWir 1993, 510, 512 351 Ulmer/Habersack, in: Ulmer/Habersack/Henssler, MitbestG, § 25 Rn. 127; Raiser/Veil/ Jacobs, MitbestG, § 25 Rn. 55; Oetker, in: Großkomm AktG, § 25 MitbestG Rn. 33 ff.; ders., ZGR 2000, 19, 52 ff.; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 141; Koch, in: Hüffer/ Koch, AktG, § 107 Rn. 31; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 107 Rn. 279 f.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 107 Rn. 126; enger und damit von einem Missbrauchsverbot ausgehend Zöllner, in: FS Zeuner, S. 161, 182 ff.; Canaris, DB 1981, Beilage 14 S. 15; Rittner, DB 1980, 2493, 2500. 352 Vgl. Raiser, DZWir 1993, 510. 353 BGHZ 122, 342, 345. 354 Raiser, DZWir 1993, 510. 349

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Hinsicht hat der BGH dargelegt, dass im Hinblick auf die Beschlussanfechtung nur die Feststellungsklage nach § 256 ZPO statthaft ist.

H. „ARAG/Garmenbeck“ – BGHZ 135, 244 I. Hintergrund und Sachverhalt Die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung behandelt die in der Praxis selten vorgekommene Situation der Inanspruchnahme von Organmitgliedern auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzung nach § 93 AktG bzw. §§ 93, 116 AktG. Sie ist für Organklagen deshalb so von Bedeutung, da die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen eine nachgelagerte Reaktion auf rechtswidrige Maßnahmen von Vorstand und Aufsichtsrat darstellt und somit als Organstreit im weiteren Sinne bezeichnet werden kann355. Die Organhaftung greift erst ein, wenn der Gesellschaft bereits ein Schaden entstanden ist. Nach Raiser/Veil sei es ein zivilrechtlicher Grundsatz, dass nachgelagerten Reaktionen wie die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, vorgelagerte Äquivalente zugeordnet werden müssen356. Sei eine rechtswidrige Maßnahme durch Vorstand oder Aufsichtsrat absehbar, müsse die Möglichkeit bestehen, einzugreifen, um den Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Es könne der Gesellschaft nicht zugemutet werden, dass erst ein Schaden eintrete, um diesen von den Organmitgliedern ersetzt verlangen zu können357. Darüber hinaus existieren Stellungnahmen im Schrifttum, die hinsichtlich der Haftung der Organmitglieder, abweichend vom Wortlaut der §§ 93, 116 AktG, das Organ als solches als Haftungssubjekt heranziehen wollen358. Der Vorstand der ARAG AG war in dubiose Finanzgeschäfte verwickelt und gab verschiedene Patronatserklärungen zur Sicherung verschiedener Forderung einer niederländischen Tochtergesellschaft ab. Der Beschluss des Aufsichtsrats gegen den Vorstandsvorsitzenden einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, kam mit der Stimmenmehrheit des Aufsichtsrats nicht zustande. Dagegen wehrten sich die Kläger und begehrten die Feststellung der Nichtigkeit des durch die Mehrheit des Aufsichtsrats gefassten Beschlusses, nicht gegen die Mitglieder des Vorstands eine Schadensersatzklage zu erheben. Durch die Abgabe der Patronatserklärungen habe nach Ansicht der Kläger der Vorstand die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt und müsse der Gesellschaft den entstandenen Schaden ersetzen. Während das Landgericht der Klage stattgab, wies das Berufungsgericht die Klage ab.

355 356 357 358

Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, 606 f. Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 104. Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 104. So Marz/Szalai, DStR 2010, 809.

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II. Hauptaussagen und Entscheidungsgründe des BGH Die Entscheidung ARAG/Garmenbeck kann ohne weiteres als eines der wichtigsten – die Aktiengesellschaft betreffenden – Urteile der letzten Jahrzehnte bezeichnet werden. Zunächst bejaht der BGH das Feststellungsinteresse der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder kraft ihrer Organstellung und der daraus resultierenden gemeinsamen Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der von ihnen gefassten Beschlüsse359. Ferner treffe sie sogar die Pflicht, die ihrer Organtätigkeit zugewiesenen Aufgaben mit den Anforderungen, die Gesetz und Satzung an die Erfüllung stellen, wahrzunehmen. Jedes einzelne Mitglied sei aufgrund seiner Organstellung verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die vom Organ getroffenen Entscheidungen nicht im Widerspruch zu Gesetz und Satzung stehen. Genüge dabei die Diskussion und Entscheidungsfindung nicht, so sei das Mitglied berechtigt, eine Klärung auf dem Klagewege herbeizuführen360. Dass die Hauptversammlung nach § 147 Abs. 1 AktG ebenfalls die Möglichkeit habe, über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber einem Vorstandsmitglied zu befinden, ändere nichts an der eigenverantwortlichen Prüfung und Entscheidung des Aufsichtsrats361. Weiterhin führt der BGH aus, dass bei dieser eigenverantwortlichen Prüfung, der Aufsichtsrat berücksichtigen müsse, dass dem Vorstand bei Fragen der Unternehmensleitung ein weiter Handlungsspielraum eingeräumt sei362. Wurde die Existenz eines solchen Anspruchs auf der ersten Stufe festgestellt, müsse auf einer zweiten Stufe „aufgrund einer sorgfältigen und sachgerechten Risikoanalyse“ abgeschätzt werden, ob Erfolgschancen bei einem Prozess bestehen. Ob der Erfolg mit Gewissheit eintrete, sei hingegen nicht erforderlich363. Grundsätzlich sei der Aufsichtsrat verpflichtet, die bestehenden Ansprüche zu verfolgen. Ausnahmsweise könne jedoch davon abgesehen werden, wenn gewichtige Gründe des Gesellschaftswohls dagegen sprächen und diese Umstände die Gründe, die für die Geltendmachung der Ansprüche sprächen, überwiegen oder zumindest gleichwertig seien364. Zu diesen Gründen zählen die vom Berufungsgericht aufgeführten Gesichtspunkte wie etwa die negative Auswirkung auf die Geschäftstätigkeit und das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit, die Behinderung der Vorstandsarbeit und die Beeinträchtigung des Betriebsklimas365. Nur in Ausnahmefällen dürfen vom Aufsichtsrat auch Aspekte herangezogen werden, die außerhalb des

359

So BGHZ 135, 244, 248 ff.; zuvor bereits BGHZ 122, 342, 351. BGHZ 135, 244, 248 – ARAG/Garmenbeck. 361 BGHZ 135, 244, 249 – ARAG/Garmenbeck. 362 Die damit zum Ausdruck kommende Business Judgment Rule wurde durch das UMAG im Jahr 2005 in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifiziert, dazu Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, § 21 Rn. 84 m.w.N. 363 BGHZ 135, 244, 254 – ARAG/Garmenbeck. 364 BGHZ 135, 244, 255 – ARAG/Garmenbeck. 365 BGHZ 135, 244, 255 – ARAG/Garmenbeck. 360

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Unternehmenswohls liegen366. Dazu zählen Gesichtspunkte wie die Schonung eines verdienten Vorstandsmitglieds oder das Ausmaß der mit der Beitreibung für das Mitglied und seine Familie verbundenen sozialen Konsequenzen367.

III. Bewertung im Schrifttum Die Stellungnahmen zur ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH sind kaum zu überblicken. Da Fragen zur Organhaftung in den letzten Jahren in den Blickpunkt der Rechtspolitik geraten sind, werden auch weitere folgen. Im Schrifttum haben sich im Nachgang der Entscheidung zwei Extrempositionen herausgebildet, die auch in den nächsten Jahren Rechtsprechung und Gesetzgebung beschäftigen werden. Während die einen die Sorglosigkeit überbezahlter Manager beklagen368, verweisen die anderen darauf, dass durch die geltenden Haftungsgrundsätze eine „existenzvernichtende Organhaftung“ herrsche und die Schwierigkeit bestehe, bei diesen möglichen Risiken, geeignetes Führungspersonal zu finden369. Diese gegensätzlichen Positionen waren bereits in den ersten Anmerkungen zu finden. Während Raiser sowohl die Begründung als auch das Ergebnis des Senats begrüßte370, kritisiert Dreher die durch die Rechtsprechung erfolgte „zunehmende Verrechtlichung der Binnenbeziehung einerseits und eine Einschränkung der der unternehmerischen Handlungsfreiheit sowie insbesondere der Willensbildungsautonomie andererseits“371.

Diese Beschränkung sei nicht durch die Interessen der Aktionäre gerechtfertigt, da § 147 AktG ein ausreichendes Instrument zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen zur Verfügung stehe372. Zudem sei bereits die vorgenommene Differenzierung nach präventiver und repressiver Kontrolle nicht immer klar durchzuhalten373. Dem Vorstand müsse in beiden Bereichen (und nicht nur im Rahmen der präventiven Kontrolle) unternehmerisches Ermessen gewährt werden374. Mit der Einführung des Klagezulassungsverfahren in § 148 AktG hat der Gesetzgeber die vom BGH aufgestellten Grundsätze dahingehend verschärft, dass nur bei überwiegenden Gegengründen von einer Anspruchsverfolgung abgesehen wer366

BGHZ 135, 244, 256 – ARAG/Garmenbeck. BGHZ 135, 244, 256 – ARAG/Garmenbeck. 368 Vgl. dazu Faßbender, NZG 2015, 501, 502. 369 So insbesondere Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115; auch Mertens/Cahn in KölnKomm. AktG, § 93 Rn. 38, die vermögenden Personen von Organämtern abraten, damit ihr Vermögen nicht gefährdet werde. 370 Raiser, WuB II A. § 111 AktG 1.97; sowie schon zur Vorinstanz Raiser, NJW 1996, 552. 371 Dreher, JZ 1997, 1074, 1075; zuvor bereits ders., ZHR 158 (1994), 614 ff. 372 Dreher, JZ 1997, 1074, 1076. 373 Dreher, JZ 1997, 1074, 1075. 374 Dreher, JZ 1997, 1074, 1075 367

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den darf. Koch leitet daraus überzeugend ab, dass der Verfolgungsmaßstab unabhängig von dem Umstand sei, wer als Kläger auftrete375. Folglich strahle der schärfere Maßstab auch auf die Verfolgungspflicht durch den Aufsichtsrat aus. Die dieser Auffassung entgegengebrachten Bedenken können nicht überzeugen376. Dass das Thema Organhaftung nicht an Bedeutung verloren hat, zeigen die gegenwärtigen Diskussionen. So befasste sich die Abteilung Wirtschaftsrecht des 70. Deutschen Juristentages im Jahr 2014 mit möglichen Haftungsbeschränkungen zur Vermeidung der angesprochenen wirtschaftlichen Existenzvernichtung, der gänzlichen Haftungsfreistellung bei leicht fahrlässigem Handeln und der Aufhebung der Beweislastumkehr377. Darüber hinaus finden sich im Schrifttum Positionen, die einem Tätigwerden des Gesetzgebers eher kritisch gegenüberstehen und nur punktuelle Veränderungen befürworten378.

IV. Kritische Würdigung Schadensersatzklagen gegen Vorstands- als auch Aufsichtsratsmitglieder stellen ebenfalls Organklagen (im weiteren Sinne) dar. Zwar sind die Ansprüche gegen die Vorstandsmitglieder persönlich gerichtet und nicht gegen den Vorstand selbst. Jedoch ist hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft der Vorstand als Kollegialorgan verantwortlich. Daher spielt die Existenz eines Ressortprinzips bei der Geltendmachung von Haftungsklagen eine erhebliche Rolle. Da nach dem BGH der Aufsichtsrat bei Pflichtverletzungen durch den Vorstand zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen einzelne Vorstandsmitglieder verpflichtet ist, sind grundsätzlich keine Bedenken ersichtlich, dem Aufsichtsrat nicht auch ein präventives Klagerecht zuzugestehen. Insofern überzeugen auch die Ausführungen von Raiser. Da der BGH Gründe nennt, die es ermöglichen – trotz der Existenz eines Schadensersatzanspruchs – von der Verfolgung Abstand zu nehmen und der Gesetzgeber diese Gründe in § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG ver-

375 Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 9; zuvor bereits Koch, ZGR 2006, 769, 776; Redeke, ZIP 2008, 1549, 1551 ff.; Scholz, Die existenzvernichtende Haftung von Vorstandsmitgliedern, 2014, S. 152 ff. 376 Rickers/J. Vetter, in: KölnKomm. AktG, § 148 Rn. 124 ff.; K. Schmidt, NZG 2005, 796, 798; Reichert, in: FS Hommelhoff, 2012, S. 923 ff.; darüber hinaus eine Verschärfung des Maßstabes allgemein ablehnend: Happ, in: FS Westermann, 2008, S. 971, 990; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 629 f. 377 Vgl. Beschlüsse des 70. Deutschen Juristentags, Nr. 6, S. 18; Haarmann/Weiß, BB 2014, 2115, 2118; Paefgen, NZG 2009, 891 sowie Bachmann, in: Verhandlungen des 70. DJT, Band I, Teil E: Reform der Organhaftung?, S. 35 f. m.w.N.; Mayer, NZG 2014, 1208, 1211; aus aktueller Perspektive die sich wandelnde Rolle der Aufsichtsratsmitglieder hervorhebend Freund, NZG 2018, 1361: „starke Aufsichtsräte“. 378 Siehe vor allem Faßbender, NZG 2015, 501 ff.

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schärft hat, stellt sich die Frage, ob bei präventiven Organklagen ebenfalls von der Verfolgung abgesehen werden kann379. Entgegen der Befürchtungen der kritischen Stimmen aus dem Schrifttum kam es im Anschluss an die Entscheidung des BGH nur zu wenigen (wenngleich aber prominenten380) Organhaftungsfällen. Trotzdem hat die Thematik nicht an Aktualität eingebüßt. Dass Unmengen an Reformvorschlägen existieren, wurde dargelegt. Nicht aus dem Blickwinkel geraten darf dabei, dass durch die Entscheidung des BGH ebenfalls die Haftung des Aufsichtsrats in den Mittelpunkt rückte, da grundsätzlich der Aufsichtsrat zur Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen die Vorstandsmitglieder verpflichtet sei. Mache er dies in pflichtwidriger Weise nicht, so hat die Gesellschaft nach §§ 116, 93 Abs. 2 AktG ebenfalls einen Anspruch gegen die Aufsichtsratsmitglieder381. Ein solcher Anspruch müsse für die Gesellschaft nach § 78 Abs. 1 AktG grundsätzlich durch den Vorstand geltend gemacht werden382. Hier zeigt sich der Konstruktionsfehler der geltenden aktienrechtlichen Organhaftung, da in diesem konkreten Fall, der Vorstand den Aufsichtsrat kontrollieren muss, da dieser die Überwachung des Vorstands nur unzureichend wahrgenommen habe. Der Vorstand müsste dann in eigener Sache mittelbar gegen sich selbst tätig werden.

I. BGH vom 29. 1. 2013 (BGH AG 2013, 257) sowie BGH vom 14. 5. 2013 (BGH AG 2013, 562) I. Hintergrund und Sachverhalt Der im Mai 2013 gefasste Beschluss des BGH setzt sich mit der Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat bei Rechtsstreitigkeiten mit Vorstandsmitgliedern (§ 112 AktG) auseinander und befasst sich dabei mit Problemen bei der Beschlussfassung im Aufsichtsrat und den Auswirkungen eines fehlenden Beschlusses auf einen Passivprozess der Gesellschaft383. Bereits im Januar 2013 hatte der BGH durch Zwischenurteil entschieden, dass ein Aufsichtsratsmitglied auf Seiten der Gesellschaft als Nebenintervenient treten könne, da dieses zum einen nicht gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft sei und deshalb als andere Person i.S.v. § 66 379

Siehe dazu unten § 27 C.II. Dazu zählen etwa die Klage der Kirch-Erben gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank AG Rolf Breuer, die Haftung der Vorstandsmitglieder im Zusammenhang mit dem Korruptionsskandal bei Siemens, die Klage gegen den Ex-Vorstandsvorsitzenden der MAN AG Håkan Samuelsson sowie ähnliche Verfahren im Bereich der Unternehmen ThyssenKrupp, BayernLB oder Ferrostaal; vgl. dazu auch Bieder, NZG 2015, 1178 ff.; Schöne/Petersen, AG 2012, 700. 381 Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 116 Rn. 13 ff.; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 116 Rn. 71 ff.; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 116 Rn. 124 ff. 382 Wahrscheinlicher ist allerdings, dass ein besonderer Vertreter nach § 147 Abs. 2 AktG bestellt wird, zur Geltendmachung siehe Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 116 Rn. 77. 383 BGH AG 2013, 562. 380

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

ZPO gelte und zum anderen aus der Organstellung des Mitglieds ein rechtliches Interesse bestehe, die Rechtmäßigkeit eines im Aufsichtsrat gefassten Beschlusses zu verteidigen, wenn der Vorstand dessen Wirksamkeit in Frage stelle384. Beklagte ist ein Unternehmen aus der Bauwirtschaft, das als Aktiengesellschaft firmiert. Der Kläger ist Mitglied des Vorstands der Aktiengesellschaft. Die Anteile werden mittelbar von zwei Brüdern bzw. deren Familienstämmen gehalten, zwischen denen Spannungen herrschen. Jedes Lager bestellt jeweils die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten. Konkreter Gegenstand ist ein vom Aufsichtsrat gefasster Beschluss über die Abberufung der Kläger aus wichtigem Grund. Während drei Mitglieder des Aufsichtsrats für die Abberufung votierten, stimmten die anderen drei Mitglieder dagegen. Der Aufsichtsratsvorsitzende bewertete die Ablehnung des Beschlussvorschlags als rechtsmissbräuchlich, berücksichtigte die Stimmen nicht und stellte die Abberufung der Kläger aus dem Vorstand fest. Der Kläger beantragt gegen die Gesellschaft, die durch den Aufsichtsrat vertreten wird, festzustellen, dass der Aufsichtsrat die Abberufung nicht beschlossen habe, hilfsweise, dass ein solcher Beschluss nichtig oder für ungültig zu erklären sei. Zudem fordert er Schadensersatz von der Beklagten, der ihm aus dem unwirksamen Widerruf entstanden sei und noch entstehe.

II. Hauptaussagen des BGH In seiner Entscheidung aus dem Januar 2013 bejaht der BGH in einem Zwischenurteil die Möglichkeit, dass ein Aufsichtsratsmitglied als Nebenintervenient einer Aktiengesellschaft in einen Rechtsstreit der Aktiengesellschaft mit einem Vorstandsmitglied über die Wirksamkeit oder den Inhalt eines Abberufungsbeschlusses beitreten könne385. So sei das Aufsichtsratsmitglied zum einen eine andere Person nach § 66 ZPO und gelte nicht als gesetzlicher Vertreter der Aktiengesellschaft. Letztere werde bei einem Prozess gegen bereits ausgeschiedene Vorstandsmitglieder durch den Aufsichtsrat nach § 112 AktG vertreten386. Maßgeblich sei dabei, dass der Aufsichtsrat durch Mehrheitsbeschluss nach § 108 Abs. 1 AktG den Organwillen bilde, der nicht mit dem Willen des einzelnen Mitglieds gleichzusetzen sei, da dieses einen eigenen, abweichenden Wille bilden könne387. Darüber hinaus habe das einzelne Aufsichtsratsmitglied ein rechtliches Interesse am Beitritt. Obwohl dem Gesamtaufsichtsrat die Überwachung des Vorstands nach § 111 Abs. 1 AktG zugewiesen sei, könne das einzelne Mitglied die Verletzung von zwingenden Gesetzes- oder Satzungsrecht durch einen gefassten Beschluss im Wege der Feststellungsklage nach § 256 ZPO angreifen. Dieses Interesse folge aus der Organstellung der Aufsichtsratsmitglieder und der sich daraus ergebenden gemeinsamen Verant-

384 385 386 387

BGH AG 2013, 257. BGH AG 2013, 257. BGH AG 2013, 257, 258 Rz. 10. BGH AG 2013, 257, 258 Rz. 11.

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wortung für die Rechtmäßigkeit der von ihnen gefassten Beschlüsse388. Das gleiche Interesse habe das Organmitglied in den Fällen, in denen es den gefassten Beschluss für rechtmäßig halte und dies gegenüber dem Vorstand, der an der Wirksamkeit des Beschlusses zweifele, verteidige389. Neben den zivilprozessualen Sonderproblemen über die wirksam erteilte Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, die im engen Zusammenhang mit den Nebenintervenienten steht, geht der BGH auch auf Fragen innerorganschaftlicher Kompetenzen des Aufsichtsratsvorsitzenden und des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds ein. So stellt der BGH nochmals dar, dass die Aktiengesellschaft nach § 112 AktG bei Prozessen mit (ehemaligen) Vorstandsmitgliedern vom Aufsichtsrat vertreten werde. Dies gelte grundsätzlich auch bei Passivprozessen oder der Einlegung von Rechtsmitteln. Jedoch könne der Aufsichtsratsvorsitzende in Eilfällen einen Rechtsanwalt bevollmächtigen, ohne vorher eine Mehrheitsentscheidung vom Aufsichtsrat eingeholt zu haben. Er handele dann als Vertreter ohne Vertretungsmacht nach § 177 BGB, sodass der Aufsichtsrat durch Beschluss im Nachgang die Handlungsweise genehmigen könne390. Bei der Genehmigung der Prozessführung durch den Aufsichtsrat unterliegen nach Auffassung des BGH diejenigen Mitglieder, die zuvor gegen die Abberufung des betreffenden Vorstandsmitglieds gestimmt haben, keinem Stimmverbot. Der Umstand, dass die betreffenden Aufsichtsratsmitglieder bei der Beschlussfassung über die Abberufung des Aufsichtsrats gegen diese und aus Sicht des Aufsichtsratsvorsitzenden damit rechtsmissbräuchlich gehandelt haben, reiche für ein Stimmverbot wegen Richtens in eigener Sache nicht aus und könne folglich nicht als Begründung angeführt werden. Der BGH führt dazu aus, dass es wegen der Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat in Prozessen mit Vorstandsmitgliedern zu Streitigkeiten über die Wirksamkeit eines den Vorstand betreffenden Aufsichtsratsbeschluss kommen könne. Ein Stimmverbot gegenüber den Aufsichtsratsmitgliedern für die Beschlussfassung über die Vertretung der Gesellschaft in einem Prozess gegen Vorstandsmitglieder widerspräche der Kompetenzverteilung nach § 112 AktG, wenn der einzige Grund darin bestehe, dass sie in einer früheren, für den Prozess möglicherweise bedeutsamen Beschlussfassung beteiligt waren391. Hingegen sei – in einem wie dem vorliegenden Fall – die Verweigerung der Genehmigung durch den Aufsichtsrat schon deshalb treuwidrig und nichtig, da die Klage gegen einen Beschluss des Aufsichtsrats gerichtet wurde. Es entspräche wohl nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen dem Unternehmenswohl, wenn der Aufsichtsrat sich weigere, der Aktiengesellschaft die Möglichkeit zu geben, sich gegen die erhobenen Klagen zu wehren. Vielmehr liege es regelmäßig nahe, dass die 388 389 390 391

BGH AG 2013, 257, 258 Rz. 13. BGH AG 2013, 257, 258 Rz. 14. BGH AG 2013, 562, 565 Rz. 23. BGH AG 2013, 562, 565 Rz. 24.

372

4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

Aufsichtsratsmitglieder sich von sachfremden Erwägungen leiten ließen, wenn sie der Gesellschaft die Rechtsverteidigung in einem solchen Fall unmöglich machen.

III. Kritische Würdigung und Bewertung im Schrifttum Die Entscheidung stellt wiederum einen Beleg dafür dar, dass Konflikte innerhalb und zwischen Organen nicht immer auf die Beteiligung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat zurückzuführen sind. Insbesondere dann, wenn die Anteilseignervertreter unterschiedlichen Lagern angehören und diese Verteilung auch im Aufsichtsrat deutlich wird, kann es bei unternehmerischen als auch personalistischen Entscheidungen zu Zerwürfnissen innerhalb des Aufsichtsrats und gegenüber dem Vorstand kommen. Der BGH erörtert zum einen die Kompetenz des Aufsichtsrats bei Vertretung der Gesellschaft nach § 112 AktG und die Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden bei solchen Sachverhalten. Insbesondere bei eilbedürftigen Prozessen kommt dem Vorsitzenden eine hervorgehobene Stellung zu, wenn er ohne Beschluss einen Prozessbevollmächtigten bestellt. Trotzdem muss der Aufsichtsrat diese Handlung genehmigen nach § 177 BGB, da er als Vertreter ohne Vertretungsmacht agiert. Innerorganschaftlich relevant ist die Aussage, dass diejenigen Aufsichtsratsmitglieder, die in einer früheren Abstimmung zu einem Gegenstand, der die Vertretungssache betrifft, beteiligt waren und dagegen gestimmt haben, keinem Stimmverbot unterliegen. Jedoch handeln sie rechtsmissbräuchlich, wenn sie die Genehmigung in einem solchen Fall versagen, da bei einem Passivprozess der Aktiengesellschaft die Verteidigungsmöglichkeit genommen wird. Dies entspreche nur in wenigen Ausnahmefällen dem Unternehmenswohl und beruhe vor allem auf sachfremden Erwägungen. Die Ausführungen zur Frage des wirksamen Beitritts eines Aufsichtsratsmitglieds geben Einblick in die Stellung, die ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied im Verhältnis zum Organ Aufsichtsrat, aber auch zur Aktiengesellschaft hat. Denn obwohl es nicht als Vertreter der Gesellschaft handelt und folglich eine andere Person darstellt, bejaht der BGH ein rechtliches Interesse, das aus der Organstellung des Aufsichtsratsmitglieds herrührt. Zwar obliegt die Überwachung des Vorstands dem Gesamtorgan Aufsichtsrat, jedoch fußt der gefasste Beschluss auf der gemeinsamen Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder für die Rechtmäßigkeit. Nicht ohne Grund hat das einzelne Mitglied die Möglichkeit, einen Beschluss im Wege der Feststellungsklage auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen. Geht das einzelne Mitglied in gleicher Weise davon aus, dass ein gefasster Beschluss rechtmäßig ist, hat es ein Interesse daran, diesen Beschluss zu verteidigen. Die Entscheidung wurde im Schrifttum vor allem hinsichtlich der prozessrechtlichen Besonderheiten um die Nebenintervention eines Aufsichtsratsmitglieds diskutiert392. 392

Vgl. Backhaus, jurisPR extra 2013, 123; Deiß, EWiR 2013, 301; Elzer, GWR 2013, 85.

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J. BGH vom 28. 4. 2015 – II ZB 19/14 (BGH AG 2015, 564) I. Hintergrund Sachverhalt Nachdem der BGH die Zulässigkeit der Nebenintervention eines Aufsichtsratsmitglieds bejaht hatte und dabei insbesondere auf dessen organmitgliedschaftliche Stellung verwies, setzte sich der BGH im Jahr 2015 sich mit der Frage auseinander, inwiefern der besondere Vertreter nach § 147 Abs. 2 AktG berechtigt ist, als Nebenintervenient zweier Beschlussanfechtungsklagen beizutreten. Während die eine Anfechtungsklage die Bestellung des besonderen Vertreters selbst betraf, richtete sich die andere Anfechtungsklage gegen die gleichzeitige Bestellung eines Sonderprüfers.

II. Hauptaussagen des BGH Der BGH bejaht im Hinblick auf die Anfechtungsklage gegen die Bestellung des besonderen Vertreters die Zulässigkeit, als Nebenintervenient beizutreten. Insbesondere weist er ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Gesellschaft im Anfechtungsprozess gegen seine Bestellung und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auf. Nach Auffassung des BGH ist der besondere Vertreter ein Organ der Gesellschaft. Jedoch scheitere ein Beitritt nicht an einer fehlenden Parteifähigkeit. Der BGH lässt dabei offen, ob Organe der Gesellschaft als selbstständige Gebilde nur dort, wo dies wie in § 245 Nr. 4 AktG für die Anfechtungsbefugnis des Vorstands gesetzlich bestimmt ist, Parteifähigkeit zukommt. Dies möge für die Frage der Beschlussanfechtung durch ein mehrköpfiges Organ von Bedeutung sein. Der vorliegende Beitritt setze aber keine der Anfechtungsbefugnis entsprechende besondere aktienrechtliche „Nebeninterventionsbefugnis“ voraus. Folglich sei der Nebenintervenient als natürliche Person parteifähig (§ 50 ZPO). Ob er beim Beitritt im Rahmen der ihm als besonderem Vertreter zugewiesenen Aufgaben als Organ oder Organmitglied handele, sei für seine Rechts- und Parteifähigkeit ohne Bedeutung. Bei Organen, die nur aus einer natürlichen Person bestehen, bedürfe es der Unterscheidung zwischen Organ und Organmitglied nicht. Soweit ein Organmitglied ein rechtliches Interesse geltend machen könne, könne dieses auch gerade auf seiner Organstellung beruhen. Der besondere Vertreter trete hier auch nicht als gesetzlicher Vertreter der beklagten Gesellschaft auf. Er sei nur insoweit gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft, als seine Befugnis reiche, Ersatzansprüche gegen Mitglieder des Vorstands oder Aufsichtsrats im Namen der Gesellschaft zu verfolgen, die ein abgespaltener Teil der umfassenden gesetzlichen Vertretungsmacht des Vorstands sei. Im Anfechtungsstreit um seine Bestellung vertrete er die Gesellschaft nicht; sie werde vielmehr durch Vorstand und Aufsichtsrat vertreten (§ 246 II 2 AktG). Eine Vertretung im Anfechtungsprozess würde der gesetzlichen Regelung in § 246 II 2 AktG widersprechen und stehe mit den beschränkten Aufgaben des besonderen

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

Vertreters, Ersatzansprüche geltend zu machen, nicht in Einklang. Für eine Erweiterung seiner Befugnisse auf die Vertretung im Anfechtungsprozess bestehe auch kein Bedürfnis. Der Nebenintervenient habe als besonderer Vertreter ebenfalls ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Gesellschaft im Anfechtungsstreit um seine Bestellung und über die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen. Das Interventionsinteresse des gemeinsamen Vertreters folge aus der Gestaltungswirkung einer Entscheidung, die seine Bestellung und die Entscheidung für eine Verfolgung von Ersatzansprüchen für nichtig erkläre. Bei gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsklagen komme wegen der Gestaltungswirkung des § 241 Nr. 5 AktG eine Nebenintervention desjenigen Dritten in Betracht, der von der Nichtigerklärung betroffen sei. Die Nichtigerklärung des Bestellungsbeschlusses und des Beschlusses über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen betreffe den besonderen Vertreter unmittelbar, weil er sein Amt und seinen Auftrag verliere. Dem stehe nicht entgegen, dass die Aufgabe des besonderen Vertreters nicht die Verteidigung von Hauptversammlungsbeschlüssen, sondern die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen sei. Für das rechtliche Interesse reiche es aus, dass die Gestaltungswirkung der Nichtigerklärung ihn und sein Amt berühre. Mit der rechtskräftigen Nichtigerklärung des Bestellungsbeschlusses verliere er die Befugnis, für die Gesellschaft Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Der BGH verneint jedoch das rechtliche Interesse für den Beitritt hinsichtlich der Anfechtungsklage gegen den Beschluss über die Sonderprüfung, da der Rechtsbeschwerdeführer dazu nichts vorgetragen habe.

III. Kritische Würdigung Der Einordnung als Organ ist bereits aus den unter § 8 C.II.3. dargelegten Gründen entgegenzutreten. Der besondere Vertreter ist nicht als Organ der Gesellschaft anzusehen. Er nimmt allein mitgliedschaftliche Befugnisse der Aktionäre wahr. Auch unter Zugrundelegung dieser Einordnung als Nicht-Organ wäre der besondere Vertreter im vorliegenden Fall als Nebenintervenient zuzulassen gewesen, da man ihm ein besonderes Interesse im Hinblick auf die Anfechtung des Bestellungsbeschlusses nicht absprechen kann.

K. Zusammenfassung Die Analyse gibt den aktuellen Stand der Rechtsprechung wieder, in welchem Umfang und in welchen Situationen diese einem Organ, einer Gruppe oder auch dem einzelnen Organmitglied Rechte zuerkennt, die im Klagewege durchgesetzt werden können.

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Im Fall Felten & Guilleaume des LG Köln von 1976 war ein Gericht zum ersten Mal mit der Frage befasst, ob ein Organmitglied befugt ist, gegen rechtswidrige Maßnahmen des Vorstands vorzugehen. Die Rechtmäßigkeit einer gemeinsamen Beschlussfassung zwischen Vorstand und Aktivitätsausschuss wurde allerdings nicht hinreichend untersucht. Vielmehr versagte das LG bereits dem Aufsichtsratsmitglied die Klagebefugnis, da die Überwachung durch den Aufsichtsrat als Gesamtorgan erfolge und einem einzelnen Mitglied kein weitergehendes Recht zustehe. Dass der Aufsichtsrat als Organ keine Maßnahmen bezüglich des Aktivitätsausschusses ergriff, obwohl Mitglieder des Aufsichtsrats an dessen Errichtung und Funktion zweifelten, begründet die von Hommelhoff und Timm aufgeworfene Frage, ob dann nicht dem einzelnen Mitglied im Wege der „actio pro socio“ eine Befugnis aus fremden Recht zu klagen zukomme. Insbesondere erfolgte nur eine unzureichende Auseinandersetzung mit der Zulässigkeit eines zusätzlichen Organs. Da vor allem die Stimmen aus dem Schrifttum im Anschluss an die Entscheidung die Rolle des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds untersuchten und neben der bereits angesprochenen „actio pro socio“ auch den Einfluss der Mitbestimmung erörterten, kann das Urteil zumindest als Anstoß einer Debatte gesehen werden, die sowohl Literatur als auch Rechtsprechung länger beschäftigte. Bereits Ende der 1980er Jahre setzte sich der BGH in seiner Opel-Entscheidung mit der Problematik von Organstreitigkeiten und klagbaren Rechten einzelner Aufsichtsratsmitglieder auseinander. Da nach der Entscheidung des LG Köln aus dem Jahre 1976 eine intensive Auseinandersetzung im Schrifttum folgte und auch auf die Urteile der Vorinstanzen (LG Darmstadt, OLG Frankfurt) Befürworter und Kritiker reagierten, konnte der BGH auf ein breites Potpourri an Meinungen zurückgreifen. Ob und inwiefern einem Organ – und im Besonderen dem Aufsichtsrat – Klagerechte zukommen, lässt der BGH außen vor, da dies vorliegend nicht relevant für die Entscheidung war. Hingegen beleuchtet er, ob einzelne Organmitglieder aus eigenem oder fremdem Recht gegen den Vorstand klagen können. Weder das Aktiennoch das Mitbestimmungsrecht enthalten danach Eigenrechte, die eine Klagebefugnis des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds begründen. Ebenfalls könne nicht auf die Holzmüller-Doktrin als Anlehnung verwiesen werden. Gleichzeitig stellt der BGH fest, dass auch der Gruppe von Aufsichtsratsmitgliedern kein Klagerecht zustehe, da alle Mitglieder im Interesse des Unternehmens Entscheidungen zu treffen haben und kein gruppenspezifisches Repräsentationsinteresse gelte. Damit verdeutlicht der BGH, dass die Bedürfnisse von Arbeitnehmern im Rahmen der Diskussion im Aufsichtsrat zu berücksichtigen seien, aber auch diese mit anderen und möglicherweise entgegenstehenden Interessen abgewogen werden müssen. Ob dem einzelnen Mitglied aus fremdem Recht im Wege der „actio pro socio“ eine Klagebefugnis zugestanden werden könne, lehnt der BGH im konkreten Fall ab, lässt es aber im Grundsatz offen und hält eine solche für möglich. Maßgeblich sei für den BGH, dass durch die gerichtliche Inanspruchnahme des Vorstands, kein Konflikt zwischen Mehrheit und Minderheit des Aufsichtsrats ausgetragen werde. Raiser wies in einer Besprechung darauf hin, dass ein solcher Konflikt nur bei Zweckmäßigkeits-

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

nicht jedoch bei Rechtmäßigkeitserwägungen auftreten würde393. Sowohl die Befürworter als auch die Gegner begrüßten die Entscheidung. Während erstere (leider vergeblich) hofften, dass die Entscheidung des BGH dazu führen würde, dass die Rechtsprechung sich in den nächsten Jahren mit weiteren Organstreitkonstellationen auseinandersetzen würde, begrüßten die Gegner die Ablehnung von Organstreitigkeiten, fanden dabei aber, dass der BGH strikter gegen die Existenz von aktienrechtlichen Organstreitverfahren argumentieren hätte müssen. Entgegen der von Raiser erhofften Wirkung kam es nicht zu einer Mehrzahl verschiedener Organstreitigkeiten. Der BGH ließ in seiner Entscheidung zwar genügend Spielraum für die Zulässigkeit verschiedener Organkonstellationen. Dieser Interpretationsspielraum kann jedoch für die Praxis als zu weit gefasst und zu offen und damit ungewiss angesehen werden. Da insbesondere die kritischen Stimmen weiterhin die Notwendigkeit eines Organstreitverfahrens verneinen, scheuen betroffene Organmitglieder das Prozessrisiko, da die Frage über die Kostentragung bei Organstreitverfahren weiterhin ungeklärt ist. Hinzu kommt, dass in den wenigen Organkonflikten, die Gegenstand von Gerichtsentscheidungen im Nachgang des Opel-Urteils waren, eine gewisse Zurückhaltung der Gerichte bezüglich einer möglichen Rechtsfortbildung zu erkennen ist394. Die anschließenden höchstrichterlichen Entscheidungen setzten sich trotz ihrer Verschiedenheiten mit wesentlichen Grundfragen zu den Organstreitigkeiten auseinander. So behandelte das Pelikan-Urteil des OLG Celle aus dem Jahr 1990 nochmals die vergleichbare Situation im Opel-Fall des BGH. Jedoch griffen hierbei die Arbeitnehmervertreter den zugrundliegenden Aufsichtsratsbeschluss im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes an. Das OLG Celle versagte die Gewährung eines solchen, da die Antragsteller nicht beabsichtigten, den Beschluss anzugreifen, sondern vordergründig die Maßnahme des Vorstands zu verhindern. Dass der Beschluss die Grundlage für das beabsichtigte Vorstandshandeln darstellt und damit eine Voraussetzung für ihre Rechtmäßigkeit ist, wird nicht gesehen. Daher ist die Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes durch das OLG Celle nicht nachvollziehbar. Im Anschluss an diese Entscheidungen wurden Organstreitigkeiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat von der Rechtsprechung kaum noch diskutiert. Die vom BGH aufgestellten Anforderungen, inwiefern ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied eigene oder fremde Kontrollbefugnisse im Klagewege gegenüber einem anderen Organ geltend machen kann, erscheinen im Nachhinein als zu hoch aufgestellt. Erst im Jahr 2007 setzte sich das OLG Stuttgart in der Entscheidung Züblin/Strabag wieder mit der Frage auseinander, ob ein Mitglied des Aufsichtsrats durch Umstrukturierungsmaßnahmen in seinen organschaftlichen Rechten verletzt wurde. Das Urteil ist deshalb von besonderer Bedeutung, da im Gegensatz zu den bisherigen Entscheidungen die Klage nicht durch Vertreter der Arbeitnehmerseite angestrebt 393 394

Raiser, AG 1989, 185, 190. Siehe insbesondere zum OLG Celle unter § 20 D.

§ 20 Organstreitigkeiten in der Rechtsprechung

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wurde, sondern durch ein Mitglied der Anteilseignervertreter, das zugleich Aktionär der Gesellschaft war. Das zeigt, dass die Organklage, die bisweilen als Kontrollmittel der Arbeitnehmervertreter betrachtet, nun auch als mögliches Überwachungsinstrument in Reihen der Anteilseignervertreter genutzt wurde. Vorliegend hat der Kläger jedoch nicht dargelegt, dass er durch die Maßnahme in organschaftlichen Rechten verletzt wurde. Vielmehr führte er die Gründe aus dem Parallelprozess an, in dem auf die Verletzung von mitgliedschaftlichen Rechten verwiesen wurde. Da sich zudem das OLG Stuttgart intensiv mit den Argumenten auseinandersetzte, sah der BGH keinen Anlass, die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde anzunehmen. Organschaftliche Rechte wären dann verletzt gewesen, wenn er dargelegt hätte, dass ihm als Aufsichtsratsmitglied oder dem Gesamtaufsichtsrat durch die verschiedenen Umstrukturierungsmaßnahmen Überwachungsdefizite entstehen, die nicht auf anderer Weise kompensiert werden können. Im Wege der „actio pro socio“ hätte der Kläger diese Einwände vorbringen können, wenn der Aufsichtsrat selbst das Überwachungsdefizit ignoriert und einen negativen Beschluss gefasst hätte. Hier hätte der Kläger zunächst den Beschluss und im Wege der „actio pro socio“ gegen die Vorstandsmaßnahme vorgehen können. Dass Konflikte zwischen den Organen und deren Mitgliedern keine bloßen Beispiele der Literatur darstellen, belegt der Fall des OLG München aus dem Jahr 2013. Zudem zeigt dieser Sachverhalt, dass Klagen zwischen den Organen und ihren Mitgliedern nicht grundsätzlich durch den Aufsichtsrat initiiert sein müssen, sondern auch von Seiten des Vorstands ausgehen können. Das vom Vorstandsmitglied im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verfolgte Begehren, dass der Aufsichtsratsvorsitzende im Aufsichtsrat nicht für den Widerruf der Bestellung des Antragstellers votieren dürfe, wirft zum einen die Frage auf, inwiefern der Vorstand das rechtmäßige Handeln des Aufsichtsrats prüfen darf und ob ihm oder eines seiner Mitglieder ein Antragsrecht zukomme. Zum anderen darf dabei nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Vorstandsmitglied als Privatperson betroffen ist, da Gegenstand der Aufsichtsratsabstimmung seine Abberufung und die damit verbundene Kündigung des Anstellungsvertrags ist. Die Verhinderung an der Teilnahme der Abstimmung über die Abberufung hätte vorliegend nicht dazu geführt, dass der Antragsteller nicht abberufen worden wäre. Der Fall wirft jedoch die Frage auf, welche weiteren Möglichkeiten noch zur Verfügung standen, damit das Begehren erfolgsversprechend gewesen wäre. Zum einen hätte der Antragsteller – um eine Abberufung zu verhindern – gegen die anderen beiden Aufsichtsratsmitglieder ebenfalls im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Teilnahme an der Abstimmung verhindern können. Da zum anderen der Aufsichtsrat die Alleinzuständigkeit hinsichtlich der Bestellung als auch der Abberufung innehat, ist eine Klage gegen den Aufsichtsrat oder gegen die Gesellschaft denkbar. Bei letzterer Möglichkeit würde das Handeln des Aufsichtsrats der Gesellschaft zugerechnet. Nach Ansicht des OLG München müsse in einem solchen Fall die Gesellschaft durch den Aufsichtsrat nach § 112 AktG vertreten werden. Geht man davon aus, dass der Vorstand in einem vergleichbaren Fall in seiner Organfunktion als Kontrolleur des

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

Aufsichtsrats agiert, müsste die Frage geklärt werden, wer aktiv- und passivlegitimiert ist. Da die Aktiengesellschaft nicht auf beiden Seiten agieren kann, folglich weder Aufsichtsrat noch Vorstand als Vertreter der Gesellschaft handeln können, erscheint es nur folgerichtig an die Organe selbst als Prozessparteien anzuknüpfen. Neben höchstrichterlichen Entscheidungen, die vordergründig das Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat zueinander behandelten und damit den sog. Interorganstreit thematisierten, setzte sich zu Beginn der 1990er Jahre die Rechtsprechung mit der Frage auseinander, wie Streitigkeiten innerhalb des Aufsichtsrats, insbesondere bei vermeintlich fehlerhaft zustande gekommenen Beschlüssen, gerichtlich geklärt werden können. Es handelt sich dabei um einen Intraorganstreit. In der Entscheidung Hamburg-Mannheimer des BGH aus dem Jahr 1993 stellt der Senat nicht nur klar, dass im Wege der Feststellungsklage etwaige Beschlussmängel geltend zu machen sind und keine Analogie zu den §§ 241 ff. AktG gezogen werden kann. Viel interessanter ist, dass der BGH die Organrechtsfähigkeit und damit zugleich die Organparteifähigkeit des Aufsichtsrats verneint. Richtiger Klagegegner sei die Gesellschaft als solche, da der Beschluss des Aufsichtsrats dieser zugerechnet werde. Dogmatisch begründen kann und will er diese Ansicht nicht. Da nach geltendem Recht nur natürliche und juristische Personen rechts- und parteifähig seien und dadurch auch sachgerechte Lösungen erzielt werden können, liege eine planwidrige Regelungslücke nicht vor. Hinsichtlich einer Organrechtsfähigkeit und Organparteifähigkeit stellt der BGH unter Verweisung auf die Ausführungen zur Vorinstanz nur fest, dass für bestimmte Streitigkeiten noch zahlreiche Abgrenzungsfragen einer Klärung bedürfen, sodass vor allem aus Gründen der Rechtssicherheit die Rechtsund Parteifähigkeit von Organen abzulehnen sei. Der BGH beweist damit eine gewisse Mutlosigkeit, das Recht fortzuentwickeln, obwohl auch in der Literatur umfassende Auseinandersetzungen mit der Problematik erfolgt sind395. Ob damit auch Rückschlüsse auf Interorganklagen zu ziehen sind, ist zu bezweifeln. Die Ausführungen können nicht als endgültig angesehen werden, da der Senat nicht auf konkrete Abgrenzungsfragen bei Streitigkeiten im Organ eingeht. Eine besondere Art der Organstreitigkeit behandelt die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Vorstands- als auch Aufsichtsratsmitglieder. Die Entscheidung ARAG/Garmenbeck des BGH rüttelte in bis zu diesem Zeitpunkt kaum vorstellbarer Weise die aktienrechtliche Organhaftung aus ihrem „Dornröschenschlaf“. Die damit in Gang gebrachte Diskussion über eine Reform der Organhaftung dauert weiterhin an. Sowohl Befürworter als auch Kritiker der Entscheidung sprechen sich für eine Reform aus. Ausgangspunkt bildet dabei die vom BGH aufgestellte Zwei-Stufen-Lösung: Während auf der ersten Stufe zu prüfen sei, ob die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen und dabei der dem Vorstand bei Unternehmensfragen zustehende Handlungsspielraum hinreichend berücksichtigt wurde, müsse auf der zweiten Stufe geprüft werden, wie die Erfolgsaussichten bei einem Prozess liegen. Grundsätzlich sei danach der Aufsichtsrat verpflichtet, gegen 395

Vgl. ausführlich § 19 C.II.

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die betroffenen Vorstandsmitglieder vorzugehen. Nur ausnahmsweise könne man davon absehen, wenn gewichtige Gründe des Gesellschaftswohls dagegen sprächen und diese Gründe die Argumente einer Anspruchsverfolgung überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Beispielhaft zählt das Gericht auf, dass darunter negative Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit und auf das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit fallen, sowie die Behinderung der Vorstandsarbeit als auch die Beeinträchtigung des Betriebsklimas. Gründe, die die Vorstandsmitglieder persönlich betreffen und außerhalb des Unternehmenswohls liegen, sind hingegen nur in Ausnahmefällen zu berücksichtigen. Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzungen der Organmitglieder stellen nach Ansicht von Raiser/Veil nachträgliche Sanktionen dar, denen nach einem allgemeinen zivilrechtlichen Rechtssatz vorbeugender Rechtsschutz zur Seite gestellt werden müsse396. Damit spricht er sich zugleich für die Existenz von präventiven Unterlassungsklagen zwischen Organen aus. Nun stellt sich für die vorliegende Untersuchung die Frage, ob Ansätze der ARAG/Garmenbeck-Rechtsprechung des BGH auf präventive Organklagen übertragen werden können. Ohne Bedenken ist die Business Judgment Rule (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG) auch bei Entscheidungen zu berücksichtigen, die im Wege einer Unterlassungsklage verhindert werden sollen. Wenn eine solche Kontrolle im Nachhinein im Rahmen einer Schadensersatzklage möglich ist, erscheint es widersinnig, die Grundlage auf der die vom Vorstand getroffene Entscheidung beruht, nicht auch zu untersuchen. Hervorzuheben ist dabei, dass die Business Judgment Rule nur auf unternehmerische Entscheidungen anzuwenden ist, in denen dem Vorstand ein Ermessensspielraum eingeräumt wird. Umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist die Frage, ob die sog. Legal Judgment Rule zulässig ist397. Bisweilen wird sie überwiegend im Schrifttum abgelehnt, sodass sie hier nicht näher auszuführen ist. Hingegen stellt sich die Frage, ob diejenigen Aspekte, die auf der zweiten Stufe diskutiert werden, auch im Rahmen der präventiven Organklage Berücksichtigung finden können. Dass Klagen dem Unternehmensinteresse zuwiderlaufen, wird vor allem von den Gegnern von Organklagen vorgebracht398. Genauere Ausführungen finden sich dazu jedoch nicht. Denkbar ist zum einen, dass die erwähnten und im Ausnahmefalle im Rahmen des Schadensersatzanspruchs zu berücksichtigenden Aspekte des Unternehmenswohls auch bei der präventiven Organklage zu berücksichtigen sind. Demnach könnte man von einer Klage im Ausnahmefall dann absehen, wenn Aspekte des Unternehmenswohls dagegen sprechen und diese Gründe gleichwertig sind oder die Argumente zur Anspruchsverfolgung überwiegen. Zum anderen könnte aber für präventive Organklagen gerade das Gegenteil davon gelten. Vergleicht man sie mit der Schadensersatzklage, so treten einige Unterschiede zutage, die an der Übertragbarkeit der Erwägungen zur Schadensersatzhaftung nach 396

Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 104. Zu dieser siehe Bachmann, WM 2015, 105 ff.; Bürkle, VersR 2013, 792 ff.; Fleischer, DB 2014, 1971 ff. 398 Vgl. etwa Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, Vor § 76 Rn. 4 f. 397

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

§ 93 Abs. 2 AktG Zweifel erwecken. So ist bei der Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG der eingetretene Schaden für die Gesellschaft bereits bezifferbar. Mit dieser Kenntnis kann ein Abwägungsprozess stattfinden, ob die Geltendmachung der Ansprüche die Interessen der Gesellschaft überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Diese Möglichkeit ist – zumindest in dieser Bewertbarkeit – bei der präventiven Organklage nicht gegeben. Zudem zielt eine Organklage des Aufsichtsrats allein darauf ab, rechtswidriges Handeln des Vorstands, nicht jedoch etwaiges zweckwidriges Handeln zu verhindern. Zwar hat der Aufsichtsrat als mitunternehmerisches und beratendes Organ die Pflicht, den Vorstand auch auf etwaige Risiken hinzuweisen und damit in den Entscheidungen zu beeinflussen. Er kann jedoch nicht Weisungen gegenüber dem Vorstand aussprechen, da dies § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG widersprechen würde. Erst wenn der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist, der auf einer zweckwidrigen Entscheidung des Vorstands ruhte, greift der Schadensersatzanspruch nach § 93 Abs. 2 AktG ein. Rechtswidrige Entscheidungen des Vorstands führen grundsätzlich zur Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG. Folglich spricht Vieles dafür, dass bei Organstreitigkeiten, die gesetzes- und satzungswidriges Verhalten zum Gegenstand haben, keine Abwägung mit dem Unternehmenswohl möglich ist. Jedoch bedarf es dazu einer ausführlicheren Auseinandersetzung. Festzuhalten ist, dass die Voraussetzungen und Aspekte einer nachträglichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach § 93 Abs. 2 AktG auch im Rahmen von Organklagen von Bedeutung sind. Die vom BGH ergangene Entscheidung aus dem Jahr 2013 setzte sich mit dem Verhältnis des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds und dem Gesamtorgan Aufsichtsrat auseinander und berührte damit mittelbar Fragen zur Möglichkeit und Zulässigkeit von Organklagen. Da im verfahrensrechtlichen Teil ausgeführt wird, dass ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied in einem Prozess der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied nach § 66 ZPO beitreten kann und nicht als Vertreter der Gesellschaft angesehen oder dem Vertretungsorgan Aufsichtsrat zugerechnet wird. Dies unterstreicht der BGH in materiellrechtlicher Hinsicht in seinen Ausführungen zu Aufsichtsrat und Aufsichtsratsvorsitzenden. Zwar wird die Gesellschaft grundsätzlich (d. h. auch bei Passivprozessen) vom Aufsichtsrat vertreten, § 112 AktG. Jedoch ist der Aufsichtsratsvorsitzende berechtigt, in Eilfällen einen Rechtsanwalt zu bevollmächtigen. Der Aufsichtsrat ist aber gehalten, die Bevollmächtigung zu genehmigen (§ 177 I BGB). Diejenigen Mitglieder, die bei der Abstimmung des Aufsichtsrats über die ursprüngliche Maßnahme unterlagen, sind bei der Abstimmung über die Genehmigung der Prozessbevollmächtigung nicht durch ein Stimmverbot ausgeschlossen. Jedoch kann die Verweigerung der Genehmigung im Einzelfall treuwidrig und damit nichtig sein, wenn die Klage gegen einen Beschluss des Aufsichtsrats gerichtet wurde und durch die Weigerung der Gesellschaft die Möglichkeit genommen wird, sich zu verteidigen. Damit zeigt der BGH nochmals, dass das maßgebliche Orientierungsmerkmal bei Entscheidungen innerhalb des Aufsichtsrats das Unternehmenswohl ist. Zudem bekennt sich der BGH durch seine Ausführungen zur Nebenintervention zur besonderen Stellung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds.

§ 20 Organstreitigkeiten in der Rechtsprechung

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Denn dieses ist zwar Teil des Aufsichtsorgans, besitzt aber darüber hinaus zur Verwirklichung der Überwachung ein eigenes rechtliches Interesse, das sich aus der Organstellung ableitet. Im Hinblick auf den besonderen Vertreter bejaht der BGH die Möglichkeit, dass dieser als Nebenintervenient am Prozess teilnehmen kann, obschon er an der Einordnung als Organ der Gesellschaft festhält. Er weist das erforderliche besondere Interesse auf und ist im Hinblick auf den Prozess nicht als Vertreter der Gesellschaft tätig, sondern Dritter. Die Rechtsprechung des BGH als auch die anderer Höchstgerichte zeigen, dass Streitigkeiten innerhalb der Gesellschaft, zwischen und innerhalb von Organen eine gewisse Entwicklung erlebt haben und immer noch erleben. Während das LG Köln in seiner Entscheidung von 1976 noch unbeholfen die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft als Argument anführte, dass ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied keine Befugnis habe, gegen eine Maßnahme des Vorstands vorzugehen, obwohl genau diese Kompetenzordnung durch die Schaffung eines weiteres Organs wesentlich beeinträchtigt wurde und die Mehrheit des Aufsichtsrats kein Bedarf sah, einzuschreiten, legte die Opel-Entscheidung grundlegende Weichen für die Diskussion über Klagen als Konfliktlösungsmittel beim Organstreit. Die zentrale Frage dabei ist weiterhin, wann dem einzelnen Organmitglied eigene oder fremde Klagebefugnisse zustehen. Letzteres hat der BGH offen gelassen. Gleiches gilt für die Rechts- und Parteifähigkeit von Organen. Hingegen können Konflikte innerhalb von Organen durch einzelne Mitglieder auch gerichtlich geklärt werden. Der BGH hat in seiner Hamburg-Mannheimer-Entscheidung festgestellt, dass im Wege der Feststellungsklage nach § 256 ZPO eine Beschlusskontrolle erfolgt. Damit hat er einer analogen Anwendung von §§ 241 ff. AktG eine klare Absage erteilt. Dass in einem solchen Fall nach Ansicht des BGH die Gesellschaft richtiger Klagegegner ist, überzeugt nicht. Eine tiefere Auseinandersetzung mit der Rechts- und Parteifähigkeit von Organen vermeidet der BGH mit dem Hinweis, dass auch ohne Auseinandersetzung eine sachgerechte Lösung möglich sei. Der BGH sieht noch ungeklärte Bereiche bei Streitigkeiten zwischen Organen und mit Organmitgliedern und lehnt aus Gründen der Rechtssicherheit die Parteifähigkeit von Organen ab. Eine wesentliche Bedeutung hat die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH zur Haftung von Vorstandsmitgliedern nach § 93 Abs. 2 AktG. Zwar werden vorbeugende Klagen von Organen unter Hinweis auf die Existenz von Schadensersatzansprüchen gegen Organmitglieder als notwendiges Gegenstück betrachtet399. Jedoch fehlt bisweilen eine vergleichende Auseinandersetzung zwischen der vorbeugenden Organklage und der nachträglichen Haftungsklage nach § 93 Abs. 2 AktG. Da beide Instrumente dem Aufsichtsrat zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage, ob insbesondere Aspekte der Schadensersatzhaftung nach § 93 Abs. 2 AktG übertragen werden können. Da die bisherigen präventiven Organklagen auf Initiative des Arbeitnehmerlagers beruhten, überraschte der Fall „Züblin/Strabag“ des OLG Stuttgart aus dem Jahr 2007, da 399

Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 104.

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4. Kap.: Der gegenwärtige Streitstand von Organklagen

hierin ein Gesellschafter, der zugleich Mitglied des Aufsichtsrats war, gegen eine Umstrukturierungsmaßnahme des Vorstands vorgehen wollte. Allerdings konnte der Kläger nicht näher darlegen, in welchen organschaftlichen Rechten er verletzt wurde. Bisweilen wurde die Organklage als Überwachungsinstrument des Aufsichtsrats bzw. dessen Mitglieder gegen den Vorstand diskutiert. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2013 vom OLG München versuchte ein Vorstandsmitglied seine Abberufung zu verhindern, indem er gegen ein Mitglied des dreiköpfigen Aufsichtsrats per einstweiligen Rechtsschutz die Teilnahme an der Sitzung verhindern wollte. Da zudem die Rechtswidrigkeit des (noch zu beschließenden) Aufsichtsratsbeschlusses in Frage gestellt wurde, spielte die Frage eine Rolle, ob der Vorstand oder eines seiner Mitglieder berechtigt ist, über das rechtmäßige Handeln des Aufsichtsrats zu wachen. Der Kläger ging leider nicht auf diese Möglichkeit der Kontrolle ein.

5. Kapitel

Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe § 21 Materiellrechtliche Grundlagen des Organstreits A. Der Rechtscharakter der Beziehungen im Innenbereich der juristischen Person als Basis für die Institutionalisierung des Organstreits Die Anerkennung gerichtlich durchsetzbarer Rechtspositionen von Organen ist einer Fülle von Bedenken ausgesetzt. Dabei handelt es sich nicht um vordergründig aktienrechtliche Zweifel, sondern um Aspekte, die allgemein in der juristischen Person des öffentlichen und privaten Rechts angesiedelt sind. Wie bereits bei der Untersuchung des Organbegriffs dargelegt, sind Organe sowohl institutionell als auch funktional in die juristische Person als Organisation eingebunden1. In funktioneller Hinsicht sind den Organen durch Gesetz oder Satzung Befugnisse zugeordnet, die diese wiederum für die juristische Person wahrnehmen. Damit verleihen sie der Organisation die Befugnis zu handeln. Das Handeln für die juristische Person erfolgt nach außen gegenüber dem Rechtsverkehr (Außenbereich) und nach innen gegenüber Organen, Organmitgliedern und Organteilen (Innenbereich). Bisher ungeklärt blieb dagegen die rechtliche Einordnung der zugewiesenen Befugnisse und Aufgaben, die durch die Organe ausgeübt werden. Dies betrifft vor allem die Handlungen, die innerhalb des Verbandes zwischen Organen, Organmitgliedern und anderen Organteilen vorgenommen werden. Um die Handlungsfähigkeit des Verbandes zu gewährleisten, sollen Organe ihre Funktionen ohne innerverbandliche Beeinträchtigung wie bspw. Konflikte ausüben können. Kommt es zu einer Beeinträchtigung durch ein anderes Organ, muss bereits aus funktioneller Sicht der status quo wiederhergestellt werden. Sind dabei innerorganisatorische Lösungen nicht vorhanden, muss es dem beeinträchtigten Organ ermöglicht werden, gerichtlich gegen die Beeinträchtigungen vorzugehen. Ob allerdings Fragen der inneren Organisation und Zuständigkeit eines Verbandes gerichtlich überprüfbar sind, ist umstritten. Die gerichtliche Geltendmachung von Rechten knüpft an das Vorliegen verschiedener Voraussetzungen an. Es ist aber fraglich, ob Organe eines Verbandes überhaupt berechtigt und von der Rechtsord1

Zum verbandsrechtlichen Organbegriff siehe § 8 B.

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

nung de lege lata legitimiert werden, die Verteidigung der ihnen zugewiesenen Kompetenzen auch gerichtlich durchzusetzen. Das setzt in materiellrechtlicher Hinsicht voraus, dass ihnen die Rechtsordnung Rechtsfähigkeit zuerkennt und ihre Kompetenzen als eine Art subjektiver Rechte qualifiziert2. In prozessrechtlicher Hinsicht folgt bei Bestehen der (Teil-)Rechtsfähigkeit die Zuerkennung von Parteifähigkeit im Prozess. Inwiefern Rechtsstreitigkeiten innerhalb eines Verbandes existieren, beurteilt sich folglich danach, ob die Beziehungen zwischen den Organen als Rechtsverhältnisse zwischen Rechtssubjekten zu qualifizieren sind und diese Beziehungen es zulassen, dass das eine „Rechtssubjekt gegenüber dem anderen etwas tun, darf oder kann“3.

Bevor allerdings diese Thematik konkreter betrachtet wird, muss zunächst festgestellt werden, ob das „Innenleben“ der Organisation überhaupt rechtliche Beziehungen von Organen zueinander aufweist, ob es sich folglich um „Innenrecht“ handelt. Das terminologische Antonym, das sog. „Außenrecht“ stellt den „Normalfall“ aller rechtlichen Beziehungen zwischen Personen dar4. An der Rechtsqualität dieser Beziehungen bestehen keine Zweifel, sodass ohne weiteres von „Außenrecht“ gesprochen werden kann. Der Innenbereich der juristischen Person enthält die rechtlichen Grundlagen für Organstreitigkeiten5. Es kann allerdings nicht ohne Bedenken die Rechtsqualität von innerorganisatorischen Beziehungen angenommen werden. So lehnt insbesondere die „Lehre von der Impermeabilität“ eine Verrechtlichung dieser ab, sodass eine tiefere Auseinandersetzung gefordert ist.

B. Zur „Lehre von der Impermeabilität“ I. Der Grundgedanke der Lehre Aus der frühen Staatslehre – die in diesem Zusammenhang von Laband und Jellinek geprägt wurde – stammt der Gedanke, dass das Innenleben eines Verbandes einer rechtlichen Regelung nicht zugänglich sein könne6. Begründet wurde dieser Gedanke damit, dass Regelungen, die nur innerhalb eines Verbandes gelten und an

2

Siehe zur Qualifizierung der Befugnisse § 21 C.III. Vgl. dazu Friesenhahn, in: FS Thoma, 1950, S. 36 f.; Bauer, Organklagen, S. 29. 4 Vgl. bereits Bauer, Organklagen, S. 29. 5 Bethge, Die Verwaltung 1975, 459 f.; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 34. 6 G. Jellinek, Gesetz und Verordnung, 1919, S. 238, 244; ders., System der subjektiven öffentlichen Rechte, 1905, S. 194; Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Band II, 5. Auflage, 1911, S. 181. 3

§ 21 Materiellrechtliche Grundlagen des Organstreits

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keine anderen außenstehenden Subjekte adressiert seien, keine Rechtssätze seien7. Innerhalb eines Verbandes (Staat) galten Verwaltungsvorschriften, die dem Vergleich mit dem Staat-Bürger-Verhältnis, welches beispielsweise bei Gerichtsprozessen gegeben war und bei dem Rechtsnormen zur Anwendung kamen, nicht standhielten. Rechtsnormen lagen demnach nur vor, wenn das Verhältnis zwischen zwei unabhängigen und selbständigen Rechtssubjekten im Außenverhältnis geregelt wurde8. Damit waren allein die vollrechtsfähigen juristischen und natürlichen Personen erfasst9.

II. Die Relativierung und Ablehnung der Impermeabilitätstheorie Dass die von Laband und Jellinek entwickelte Theorie nach heutigem Verständnis nicht mehr aufrechtzuerhalten war, ist im öffentlich-rechtlichen Schrifttum bereits umfassend und mehrfach festgestellt worden10. Jedoch muss für die vorliegende Untersuchung festgehalten werden, dass nach Ansicht der Vertreter der Impermeabilitätstheorie Streitigkeiten zwischen Organen, Organteilen und Organmitgliedern mangels rechtssatzmäßiger Regelung keinen Rechtsstreit darstellen11. Die Vorstellung, dass innerhalb von Organisationen keine rechtsförmigen Beziehungen vorliegen, die Organisation quasi ein undurchdringliches, impermeables Objekt darstelle, konnte bereits bei ihrer Begründung und kann auch gegenwärtig nicht überzeugen12. Um allerdings die hinter der Impermeabilitätstheorie stehenden Gedanken aus heutiger Sicht erfassen zu können, ist ein Blick auf den historischen Kontext angebracht: Das politische als auch das rechtliche Staatsverständnis zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Deutschen Reich war monarchistisch, absolutistisch und damit demokratiefeindlich geprägt. Demokratische Tendenzen waren nur in Ansätzen ausgebildet. Man sah daher den Staat nicht als eine aus verschiedenen Teilen bestehende Organisation, sondern als ein einziges Subjekt an13. Der Gedanke, dass etwaige unterschiedliche Auffassungen innerhalb dieser Organisation gerichtlich überprüft werden könnten, war nicht vorstellbar. Da die „Lehre von der 7

Dazu Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 234 ff.; Bleutge, Der Kommunalverfassungsstreit, 1970, S. 71; Hoppe, Organstreitigkeiten vor VG und SG, S. 157 ff.; aus dem privatrechtlichen Verbandsrecht Bauer, Organklagen, S. 30. 8 Schnapp, Rechtstheorie 1978, 275, 277. 9 Vgl. Hauswirth, Befugnisse und Pflichten, S. 35. 10 Vgl. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 283 ff.; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 20 ff.; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 167. 11 Vgl. dazu W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 166. 12 So W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 167. 13 Vgl. zu diesem Verständnis Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. II, 5. Aufl., 1911, S. 181 f.; erläuternd Krebs, Jura 1981, 569, 572.

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

Impermeabilität“ die Unteilbarkeit der natürlichen Person als Subjekt auf die juristische Person übertrug, verneinte sie die Existenz (teil)rechtsfähiger Organisationen14. Nimmt man die Organisation nach außen als einheitliches Subjekt wahr, gilt dies nicht aus Sicht der betroffenen Organisation, wenn der Blick sich nach innen wendet. Hier zeigt sich, dass die Organisation kein „Individuum“ im Sinne einer Unteilbarkeitsvorstellung darstellt15. An dieser Einschätzung ändert sich auch nichts, wenn man in Erwägung zieht, dass juristische Personen einen einzigen Menschen als Träger haben, der zugleich als Organwalter des einzigen Organs fungiert16. Zudem ist sowohl in privaten als auch in öffentlich-rechtlichen Verbänden überwiegend ein anderes Bild gegeben: Hier existieren mehrere Organe und Organteile und demzufolge auch mehrere Organwalter nebeneinander17. Diese Pluralität verstärkt die Meinungsvielfalt innerhalb des Verbandes und führt dazu, dass verschiedene Beziehungen zwischen dem Verband, dem Organ und den Organwaltern entstehen. Genauer betrachtet treten mindestens folgende Beziehungen auf: Verband – Organ, Organ – Organwalter, Verband – Organwalter18. Daneben kann es zu weiteren OrganOrgan-Beziehungen kommen, wenn die Organisation über mehr als ein Organ verfügt. Durch die Existenz dieser Beziehungen ist zwar noch nichts darüber gesagt, ob und wie diese rechtlich geregelt sind19. Jedoch wird aufgezeigt, dass in einem Komplex, in dem Organe verschiedene Aufgaben wahrnehmen, entgegenstehende Interessen bestehen können, die einer rechtlichen Klärung bedürfen und somit zwischen diesen Organen Rechtsbeziehungen existieren. Nach Rupp kann hinsichtlich der „Überwindung der Impermeabilitätstheorie“ auf die Relativität jeglicher Rechtsbeziehung verwiesen werden: So könne das StaatBürger-Verhältnis aus völkerrechtlicher Sicht ebenfalls als staatliches Innenverhältnis aufgefasst werden, es folglich als impermeabel anzusehen sein, mit der Konsequenz, dass die Existenz des Staatsrechts negiert werde20. Die Auseinandersetzung des öffentlichen Rechts mit der Frage, ob innerhalb eines Verbandes Rechtsbeziehungen bestehen und somit organisationsinterne Rechtstreitigkeiten möglich sind, hat auch zu einer Neubewertung der Impermeabilitäts14 Über die „Unhaltbarkeit der Impermeabilitätstheorie“ W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 167. 15 Ebenfalls W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 167. 16 Vgl. W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 167. 17 Vgl. dazu auch jüngst Rottenwallner, VerwArch 2014, 212 ff. Nicht überzeugen können hier die Ausführungen von Anschütz, Kritische Studien, S. 73 f., der von einer Teilbarkeit des Menschen ausgeht, da sich dieser selbst nur aus einem „Haufen von Molekülen“ zusammensetze; dagegen ausdrücklich W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 168 f. 18 Ähnlich bereits Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 14, § 20 Rn. 52 ff.; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 169. 19 W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 169. 20 Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 21.

§ 21 Materiellrechtliche Grundlagen des Organstreits

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theorie geführt21. Wurde diese früher in einigen Stellungnahmen als „Trauma“22 bezeichnet, das große Unsicherheiten ob der Anwendung verwaltungsprozessualer Vorschriften auf Organstreitigkeiten hervorrief, so wird ihr im gegenwärtigen Schrifttum hoch angerechnet, dass in „ergebnisrelevanter Weise Argumentationslasten verteilt und eine tendenziell restriktive Handhabung von Organstreitigkeiten impliziert [wurde], die aus heutiger Sicht die aktuelle Diskussion von unnötigem Ballast befreien würde“23.

Obschon kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Annahme eines rechtsleeren Verbandes nicht haltbar ist24. Im öffentlichen Recht spricht bereits das Grundgesetz gegen eine solche Einschätzung. So sehen Art. 93 Abs. 1 Nrn. 1 und 4, 3. Alt. GG verschiedene Varianten eines verfassungsrechtlichen Organstreits vor. Damit ist positivrechtlich die Existenz von organinternen Beziehungen für das Verfassungsrecht festgestellt und zugleich ihre rechtliche Relevanz bestimmt worden25. Das Gesetz geht sogar davon aus, dass solche Beziehungen nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb von Organen bestehen können. Damit ist offensichtlich, dass auch der Gesetzgeber nicht von einem impermeablen Staatsverständnis ausgeht26. Daher kann für den verwaltungsrechtlichen Organstreit nichts anderes gelten27.

III. Die Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf die juristische Person des Privatrechts Die Ausführungen haben gezeigt, dass Rechtssätze nicht nur im Außenverhältnis zwischen rechtsfähigen Personen existieren, sondern auch im Innenbereich eines Verbandes28. Diese Erkenntnisse sind nicht auf den Staat als öffentlich-rechtlichen Verband beschränkt, sondern auf andere juristische Personen – wie die Aktienge21

Dazu W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 171 f. So Bethge, DVBl 1980, 311. 23 So W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 172. 24 Aus dem öffentlich-rechtlichen Schrifttum: Kisker, Insichprozeß und Einheit der Verwaltung, 1968, S. 10; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 20 f.; Bethge, Die Verwaltung 1975, 459; aus dem privatrechtlichen Schrifttum Bauer, Organklagen, S. 30; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 376; Hauswirth, Befugnisse und Pflichten, S. 40. 25 W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 170. 26 So bereits W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 170. 27 W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 170. 28 Vgl. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 1974, § 24 II d; Kisker, Insichprozeß und Einheit der Verwaltung, 1968, S. 10; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 21; Böckenförde, in: FS Wolff, 1973, S. 277 f., 289 Fn. 67; ebenso Bauer, Organklagen, S. 31; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 377; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 593; Bork, ZGR 1989, 1, 15. 22

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sellschaft – zu übertragen29. Regelungen, die innerhalb einer Organisation gelten und ihre Bindungskraft nicht aufgrund moralischer, sittlicher oder religiöser Gründe entfalten, sind als Rechtsnormen anzusehen30. Diese Erkenntnisse werden durch die verbandsinterne Interessenlage bestätigt: So kann es innerhalb des Verbandes zu verschiedenen Konfliktsituationen zwischen Organen kommen, die mit Mitteln des Rechts verbindlich bewältigt werden müssen31. Dass dabei organspezifische Interessen im Mittelpunkt des Konflikts stehen, führt nicht dazu, dass ein verbandsrechtliches Gesamtinteresse von vornherein nicht besteht oder nur oberflächlich berücksichtigt wird. So können divergierende Organinteressen – aus dem Blickwinkel des jeweiligen Organs – im Interesse des Verbandes liegen. Im Übrigen sind die Organinteressen ein Teil der körperschaftlichen Willensbildung und ein Produkt des komplexen Innenlebens eines Verbandes32. Wie allerdings schon Bauer zutreffend feststellt, sind diese „individuellen“ Organinteressen nicht überzubewerten33, da sie sich zusammen mit dem Organisationsinteresse des Verbandes mischen, um so die Innenbeziehungen angemessen zu erfassen. Nach Hoppe sei dies der wahre Gehalt der Bezeichnung, dass es sich bei der juristischen Person – und nichts anderes ist ein Verband – um ein „Subjekt nach innen“ handle34. Demnach ist festzuhalten, dass innerhalb eines Verbandes Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen Organen bestehen und man daher auch von „Innenrecht“35 sprechen kann.

C. Rechtsfähigkeit und subjektive Rechte von Organen I. Konsequenzen aus der Ablehnung der Impermeabilitätstheorie Beziehungen zwischen Organen, Organteilen und Organwaltern, die das Innenleben des Verbandes umfassen, sind damit als Rechtsbeziehungen zu deklarieren. Das Innenleben des Verbandes stellt keinen rechtsleeren Raum dar. Wenn die Existenz von Organen die Handlungsfähigkeit des Verbandes sichert, gewährleistet das Zusammenwirken von Organen, Organteilen und Organwaltern die innerorganisatorische Willensbildung und damit das Handeln im Interesse des Verbandes. Das bedeutet allerdings auch, dass innerhalb dieses Prozesses Unstimmigkeiten oder 29

Lorenz, AöR 1968, 308, 314; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212; Friesenhahn, in: FS Thoma, 1950, S. 37; Bauer, Organklagen, S. 31. 30 Vgl. Bleutge, Der Kommunalverfassungsstreit, 1970, S. 77 Fn. 59, 60 sowie Bauer, Organklagen, S. 31. 31 Zu den Konfliktsituationen in der Aktiengesellschaft siehe bereits § 2; vgl. auch Bauer, Organklagen, S. 31; Friesenhahn, in: FS Thoma, 1950, S. 54. 32 Tsatsos, Der verwaltungsrechtliche Organstreit, 1969, S. 29. 33 Bauer, Organklagen, S. 31. 34 Hoppe, Organstreitigkeiten vor VG und SG, S. 176; sowie Bauer, Organklagen, S. 31. 35 So auch schon Bauer, Organklagen, S. 31.

§ 21 Materiellrechtliche Grundlagen des Organstreits

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weitreichendere Konflikte zwischen Organen oder innerhalb dieser auftreten können. Es liegt daher besonders im Interesse des Verbandes, den bestehenden Konflikt aufzulösen. Sieht die Organisationsverfassung des Verbandes keine zureichenden Konfliktlösungsmittel vor, muss den Organen die Möglichkeit eröffnet werden, eine gerichtliche Klärung herbeizuführen. Als Beteiligte kommen nur diejenigen in Betracht, die innerhalb des Verbandes Rechtsbeziehungen unterhalten, d. h. Organe, Organteile und Organwalter. Für die gerichtliche Geltendmachung ist es allerdings erforderlich, dass ihnen von der Rechtsordnung Rechtsfähigkeit zuerkannt wird und die geltend gemachten Rechte entsprechend subjektive Rechte darstellen. Ist dies der Fall, kann ihnen prozessrechtlich Parteifähigkeit vor Gericht zuerkannt werden.

II. Rechtsfähigkeit von Organen 1. Von der Ambivalenz der Rechtsfähigkeit Anknüpfungspunkt für einen gerichtlichen Organstreit bildet die Frage, inwiefern den beteiligten Organen Rechtsfähigkeit zukommt36. (Voll-)Rechtsfähigkeit steht dann einer Person als Eigenschaft zu, wenn sie Träger von subjektiven Rechten und entsprechenden Pflichten ist. Die Rechtsordnung gewährt der natürlichen Person, der juristischen Person und der Gesamthand in der Form der Außenpersonengesellschaft Rechtsfähigkeit, vgl. § 14 BGB. Das Anerkennen von Rechtsfähigkeit durch die Rechtsordnung in derlei verschiedenen Formen bestätigt die Annahme, dass „Rechtsfähigkeit ambivalent ist“37. Versteht man Rechtsfähigkeit als eine allumfassende, gegenüber jedermann wirkende Willens- und Rechtsmacht, so ist ein solches Verständnis in Bezug auf Organe nicht angebracht38. Organe sind ein „Substrat des Innenrechts“ eines anderen, seinerseits rechtsfähigen Gebildes39. Die Rechtsordnung verleiht bisweilen nur solchen Konstruktionen Rechtsfähigkeit, die im Außenverhältnis mit anderen rechtsfähigen Personen („interpersonal“) in Kontakt treten. Jedoch wurden auch hinsichtlich dieser rechtsfähigen, interpersonal auftretenden Rechtssubjekte Zweifel geäußert, ob sie als absolut (voll-)rechtsfähig angesehen werden können40. Absolut rechtsfähig seien weder natürliche, noch juristische Person oder Außenpersonengesellschaften. Sowohl der natürlichen Person ist es verwehrt, Rechtssubjekte bei Umwandlungen zu sein, als auch sind juristische Person oder Personengesellschaft nicht fähig, als Rechtssubjekt des Familienrechts zu agieren. 36 37 38 39 40

Zu den Organteilen und Organwaltern siehe unten § 21 D. So Marco Staake dem Verfasser gegenüber. Bauer, Organklagen, S. 33. So Bauer, Organklagen, S. 33. Thoma, in: Handbuch des deutschen Staatsrechts, Band II, 1932, S. 611.

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

Die Literatur machte sich diese von Thoma geäußerten Zweifel41 zum Begriff einer absoluten Rechtsfähigkeit zu eigen und sprach seitdem bezogen auf die rechtliche Stellung von Organen von der Relativierung der Rechtsfähigkeit oder Teilrechtsfähigkeit42. Diese Bezeichnung beschränkt sich richtigerweise nicht nur auf Organe juristischer Personen. Vielmehr ist jede von der Rechtsordnung verliehene Rechtsfähigkeit in ihrer Wirkweise relativ und gilt daher genauso für Organe wie auch für natürliche und juristische Person. 2. Organe als Zurechnungsendsubjekte Diese Gedanken wurden insbesondere von Bauer in Bezug auf die Organe im privatrechtlichen Verband aufgegriffen43. Maßgeblich sei es nicht, ob das Rechtssubjekt im Außenverhältnis auftrete, sondern ob die in dem Rechtsbereich geltenden Rechtnormen auf das Rechtssubjekt bezogen sind. Daher sei auch vielmehr von der Rechtssubjektivität von Organen zu sprechen. Diese meint die Fähigkeit, Zuordnungssubjekt von Rechtssätzen zu sein und daher innerhalb des Verbandes berechtigt und verpflichtet zu werden44. Ob Organe als Zurechnungsendsubjekte in Frage kommen, erscheint unter der bereits an anderer Stelle aufgestellten Definition des Organs als eher abwegig45. So wird das Handeln der Organe als interne Funktionseinheiten dem Verband selbst zugerechnet. Organe nehmen (fremde) Funktionen für den Verband wahr46 und sind daher als „Durchgangssubjekte der Zurechnung“47 anzusehen. Eine solche – rein außenrechtliche – Sichtweise verkennt jedoch, dass Organe zugleich im Innenrecht des Verbandes Adressat von Normen sein können, die sie berechtigen als auch verpflichten. Schnapp spricht davon, dass auf dieser „Organebene die Organe keine Organe“ seien48, sondern es sich um Zurechnungsendsubjekte von Innenrechtssätzen handelt49. 41 Thoma, in: Handbuch des deutschen Staatsrechts, Band II, 1932, S. 611; ebenso gegen die Bezeichnung einer „absoluten“ Rechtsfähigkeit, Bork, ZGR 1989, 1, 12. 42 Vgl. Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 303; Bauer, Organklagen, S. 33 f.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 380; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 591; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 176; den Begriff der Teilrechtsfähigkeit ablehnend Lehmann, AcP 207 (2007), 226, 233 ff. 43 Bauer, Organklagen, S. 34 ff. 44 Vgl. Bauer, Organklagen, S. 34; zuvor bereits zwischen Rechtsfähigkeit und Rechtssubjektivität differenzierend H. J. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 1974, § 32 III; Schönfeld, AcP 1932, 331, 333. 45 Siehe bereits § 8 B.; sowie zum Organbegriff Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 43 f. 46 So bereits Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 1976, § 74 I f. 47 Wolff, Organschaft und juristische Person, Bd. 2, 1934, S. 250; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 506. 48 Vgl. Schnapp, Rechtstheorie 1978, 275, 285.

§ 21 Materiellrechtliche Grundlagen des Organstreits

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Damit Organe als Zurechnungsendsubjekte gelten und Träger von innerorganisatorischen Rechten und Pflichten sein können, müssen nach Schürnbrand weitere bestimmte Voraussetzungen vorliegen50. Anknüpfend an die von John begründete Lehre von der „Personifikation der Personenverbände“51 könne ein Organ nur Rechtsträgerqualität innehaben, wenn es eine eigene Identitätsausstattung aufweise und eine eigene Handlungsorganisation innehabe52. Dass Organe eine gewisse organisatorische Selbständigkeit aufweisen und eine durch Gesetz oder Satzung in Grundzügen geregelte Handlungsorganisation vorhanden ist, wurde bereits im Rahmen der Bestimmung des Organbegriffs festgestellt53. Nicht erforderlich ist es allerdings, dass ein Organ mit einer eigenen Haftungsverfassung ausgestattet sein muss, da es als Innenrechtssubjekt nicht am Rechtsverkehr teilnimmt54. Die bei einem möglichen Organrechtsstreit anfallenden Kosten sind dem Verband der streitenden Organe aufzuerlegen55. 3. Die Existenz innerorganisatorischer Eigenzuständigkeiten von Organen als Erfordernis zur Begründung ihrer Rechtssubjektivität Die innerhalb des Verbands anfallenden Funktionen werden durch Gesetz oder Satzung den jeweiligen Organen zugeordnet. Dies besagt aber noch nichts darüber, ob diese Zuständigkeiten zugleich wehrfähige Rechtspositionen56 darstellen, die gerichtlich durchgesetzt werden können. Da bei der Wahrnehmung der Zuständigkeiten allein das Interesse des Verbandes zu berücksichtigen sei, wird eingewandt, dass die Organe keine eigenen Interessen verfolgten, sondern rein fremdnützig – nämlich für den Verband – handelten57. Zwar komme ihnen daher eine Funktionsträgerschaft zu, aber eben keine Rechtsträgerschaft. Jedoch handelt es sich bei dieser Bewertung wiederum um eine bloße, von außen gerichtete Sichtweise, die jegliches Handeln der Organe als Handeln des Verbandes ansieht. Eine solche ignoriert allerdings, die innerhalb des Verbandes vorherrschende Zuständigkeitsordnung: So sind Organen sowohl Rechte als auch Pflichten zuge49

Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 57 f. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 375. 51 John, Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 72 ff. 52 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 375. 53 Siehe oben § 8 B.; zuvor bereits Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 376. 54 So bereits Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 398; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 375. 55 Ebenso Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 376 sowie insbesondere für die Aktiengesellschaft S. 372 f.; Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 466; Pflugradt, Leistungsklagen, S. 160 ff.; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 287. 56 So Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 376. 57 So Teichmann, in: FS Mühl, 1981, S. 663, 667; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 271; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., Vorbem § 76 AktG Rn. 3. 50

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

ordnet, die zwar nicht als Gesetze im materiellen Sinne angesehen werden58, jedoch trotzdem als Rechtsquellen für den Innenbereich des Verbandes und damit zur Gewährleistung der verfassungsgemäßen Funktions- und Machtverteilung dienen59 und es sich um keinen bloßen Formalismus handelt60. Einen Rahmen als Kontrollmaßstab bildet dabei das Verbandsinteresse, an dem sich die Organe hinsichtlich ihres Handelns zu orientieren haben. Im Innenrecht eines Verbandes ist danach zu differenzieren, ob es sich bei den zugewiesenen Rechten um Eigenzuständigkeiten des Organs oder Wahrnehmungszuständigkeiten handelt. Eigenzuständigkeiten liegen vor, wenn das Recht dem Rechtssubjekt selbst zusteht oder das Rechtsubjekt zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet wird61. Wahrnehmungszuständigkeiten liegen dagegen vor, wenn das Organ Rechte und Pflichten wahrnimmt, die ihm nicht um seiner selbst willen zugeordnet sind, sondern nur durch ihn verwirklicht werden62. In der juristischen Person wird das Handeln der Organe der juristischen Person zugeordnet. Damit üben Organe vor allem Wahrnehmungszuständigkeiten für den Verband aus63. Richtigerweise sind aber auch diese Wahrnehmungszuständigkeiten als sog. Durchgangszuständigkeiten aus Sicht des Innenrechts Kompetenzen, die dem Organ aufgrund seiner innerorganisatorischen Stellung zugeordnet sind und daher selbständiges und eigenverantwortliches Handeln im innerverbandlichen Bereich erfordern64. Zur Erhaltung dieser Zuständigkeitsordnung ist es geradezu notwendig, dass den Organen entsprechende durchsetzbare Rechte zur Verfügung gestellt werden65. Organe sind daher in der Lage, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Die unterschiedliche Einordnung von Rechtsfähigkeit geht fehl, da sowohl natürliche als auch juristische Person nicht als allumfassend rechtsfähig angesehen werden können. Da folglich alle von der Rechtsordnung mit Rechtsfähigkeit ausgestatteten Personen bzw. Konstrukte relativ rechtsfähig sind, ist es nicht notwendig, nur hinsichtlich der Organe von relativer Rechtsfähigkeit zu sprechen. Organe als Bestandteile des Innenrechts sind Rechtssubjekte und können die ihnen zugewiesenen Kompetenzen gerichtlich durchsetzen. 58 59

d 1. 60

Bauer, Organklagen, S. 35. Bauer, Organklagen, S. 35; zuvor bereits Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 1974, § 24 II

So Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 376. Bauer, Organklagen, S. 35 f. 62 Hoppe, Organstreitigkeiten vor VG und SG, S. 169. 63 So Bauer, Organklagen, S. 35. 64 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 377; Bauer, Organklagen, S. 35; zuvor bereits Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 1976, § 74 I f. 65 Dazu bereits Hauswirth, Befugnisse und Pflichten, S. 87 ff.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 307; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 86 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 377. 61

§ 21 Materiellrechtliche Grundlagen des Organstreits

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III. Die Einordnung der den Organen zugeordneten Rechte 1. Der Hintergrund der Diskussion Nachdem festgestellt wurde, dass Organe auch im Innenrecht einer juristischen Person Zuordnungsendsubjekte von Zuständigkeiten sein können, stellt sich die Frage, wie diese Zuständigkeiten rechtlich zu qualifizieren sind. Für eine gerichtliche Rechtsverfolgung wird nach einhelliger Auffassung die Existenz subjektiver Rechte vorausgesetzt66. Nach überwiegender Auffassung ist ein subjektives Recht eine dem einzelnen zwecks Befriedigung seiner Bedürfnisse durch die Rechtsordnung zuerkannte und gesicherte Willensmacht oder gleichbedeutend eine Rechtsmacht als ein festes, der Person zugeeignetes Machtverhältnis, in dem ihr Wille herrscht67. Umstritten ist nun, ob die den Organen zugeordneten Kompetenzen als subjektive Rechte in diesem Sinne zu qualifizieren sind. Neben der historischen Entwicklung des subjektiven Rechts als Begriff des Außenrechts68 werden hinsichtlich einer möglichen Übertragung auf Organzuständigkeiten zudem Bedenken dahingehend geäußert, dass Organe nicht im eigenen Interesse handeln, sondern nur fremdnützig agieren. Sowohl im öffentlichen69 als auch im privatrechtlichen70 Schrifttum hat sich diese Sichtweise als herrschend etabliert. Die den Organen zugeordneten Befugnisse seien danach nicht als subjektive Rechte anzusehen. Fraglich ist, ob diese Einwände überzeugen und inwiefern die Einordnung der Befugnisse Auswirkungen auf die Frage hat, ob ein Organstreit ein sinnvolles Instrument zur Konfliktlösung innerhalb des Verbandes darstellt. 2. Der Streit über die Einordnung der organschaftlichen Befugnisse im Innenrecht der juristischen Person Die herrschende Auffassung verneint in Bezug auf den Organstreit, dass Organe einer juristischen Person Inhaber subjektiver Rechte sind. Begründet wird dies zum einen damit, dass Organe als Teil der juristischen Person und wegen der damit verbundenen spezifischen Funktionswahrnehmung grundsätzlich im Interesse des 66

Siehe Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO, Einl A III. Rn. 9 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, § 1 Rn. 5 ff.; Musielak, in: Musielak/Voit, ZPO, Einl. Rn. 5. 67 Im Ursprung bereits Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1840, § 4 S. 7; Windscheid/Kipp, Pandekten, Bd. I, 9. Aufl. 1906, § 37. 68 Darauf abstellend Bauer, Organklagen, S. 37 f.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 377; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 590 ff. 69 Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 100; Hoppe, Organstreitigkeiten vor VG und SG, S. 174; G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 1892, S. 227. 70 So Teichmann, in: FS Mühl, 1981, S. 663, 667; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 271; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., Vorbem § 76 AktG Rn. 3.

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

Gesamtverbandes handeln und kein – für subjektive Rechte notwendiges – Eigeninteresse vorweisen71. Zum anderen wird darauf verwiesen, dass das subjektive Recht als Ausdruck von Rechtsmacht eine Zuordnungsgröße sei, die sich auf das Verhältnis von mit voller Rechtsfähigkeit ausgestatteter Personen beziehe und daher einen Begriff des Außenrechts darstelle und somit auf Organe, die nur im Innenrecht eines rechtsfähigen Verbandes wirken, nicht anzuwenden sei72. Die vorherrschende Ansicht folgert aus dieser Argumentation allerdings nicht, dass die den Organen zustehenden Kompetenzen gar keine rechtliche Qualifizierung erfahren. Vielmehr soll allein in diesem Zusammenhang die Verwendung des Begriffs „subjektives Recht“ vermieden werden. Stattdessen entstand ein Sammelsurium von – mehr oder weniger kreativen – Bezeichnungen, wie die den Organen zugeordneten Kompetenzen zu benennen seien73. So soll nach Bauer der Begriff „Interorganrecht“ verwendet werden74. Diese Bezeichnung trage dem Umstand Rechnung, dass „echte“75 subjektive Rechte im Innenbereich nicht nur nicht bestünden, sondern auch nicht vonnöten seien und eine Identität von subjektivem Recht und Interorganrecht ausscheide76. Insbesondere komme Organen keine allumfassende Rechtsmacht zu und es fehle ihnen Dispositionsfreiheit. Interorganrechte seien auf der Grundlage der funktionsteiligen Aufgabenzuweisung an die Organe und des Interesses der Organe an der Erfüllung dieser Aufgaben als klagebewehrte Rechtspositionen zuzugestehen77. Hommelhoff befürwortet hingegen die Verwendung des Begriffs „Organrecht“, um eine deutliche Unterscheidung gegenüber dem subjektiven Recht vorzunehmen78. Er verweist auf den rechtsethischen Rückbezug des subjektiven Rechts zur eigenverantwortlichen Person79, die sich durch den grundsätzlich in ihr freies Belieben gestellten Einsatz ihrer Rechte nach ihren individuellen Vorstellungen in der Gemeinschaft selbst behaupten und frei entfalten könne. Organkompetenzen seien aufgrund des Grundsatzes der „Funktionentrennung“ als Organrecht zu deklarieren. 71 So vor allem Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 100; Hoppe, Organstreitigkeiten vor VG und SG, S. 174; G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 1892, S. 227. 72 So Bauer, Organklagen, S. 37 f.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 377; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 590 ff. 73 Kritisch dazu Bork, ZGR 1989, 1, 7. 74 Bauer, Organklagen, S. 38 f. 75 Die Kennzeichnung befindet sich auch im Originalzitat. 76 Bauer, Organklagen, S. 39. 77 Bauer, Organklagen, S. 65. 78 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 302; sich ihm anschließend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 593. 79 Dazu bereits Coing, Zur Geschichte des Privatrechts, 1962, S. 54; zuletzt Peine, Organstreit, S. 83 ff.

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Zudem bestehe ein praktisches Bedürfnis intrapersonale Konflikte durch Einschaltung der Gerichte zu lösen und nicht dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen80. Die Mehrheit des zivilrechtlichen Schrifttums hat sich dieser Terminologie – trotz vereinzelter Abweichungen in den Begründungen – angeschlossen. So weisen auch nach Schürnbrand Organrechte gegenüber subjektiven Rechten im herkömmlichen Sinne wesentliche Unterschiede auf81. Er geht dabei – wie Hommelhoff – von einem geistesgeschichtlich geprägten Verständnis subjektiver Rechte aus. Organkompetenzen seien beschränkt und fremdnützig und dienten der Ordnung eines arbeitsteiligen Zusammenwirkens und seien daher mit diesem traditionellen Verständnis des subjektiven Rechts nicht zu vereinbaren. Nach Schürnbrand bedeutet dies jedoch nicht, dass das Konzept wehrfähiger Organbefugnisse aufgegeben werden müsse. Vielmehr seien Organrechte subjektive Rechte im weiteren Sinne und daher von den der Verwirklichung der persönlichen Freiheit dienenden subjektiven Rechten im engeren Sinne zu unterscheiden82. Nach anderen Stimmen wiederum sei die Begründung von subjektiven Rechten oder Organrechten entweder aufgezwungen83 oder nicht nachweisbar84. Diese Stimmen wollen hingegen ein objektives Beanstandungsverfahren heranziehen. So sei nach Raiser für die Zulässigkeit einer Organklage die konfliktträchtige Rechtsbeziehung und die Tatsache des Konflikts selbst maßgeblich85. Allerdings können nach ihm aus dem Wesen des subjektiven Rechts keine Bedenken bezüglich eines Organstreits hergeleitet werden86. Pflugradt zweifelt an der Nachweisbarkeit subjektiver Rechte bzw. Organrechte. Denn die im Innenbereich („Mikrokosmos“) diskutierten Organklagekonstellationen führen zu Eingriffen in das Auftreten des Verbandes im Rechtsverkehr und damit in den Außenbereich („Makrokosmos“)87. Eine ausschließlich im Innenbereich des Verbandes anknüpfende Auseinandersetzung der streitenden Organe werde den tatsächlichen Auswirkungen nicht gerecht88. Nur wenige – darunter Bork und Jacoby – vertreten die These, dass der Begriff des subjektiven Rechts nach formellen Kriterien definiert werden müsse und Organe

80

Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 377. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 377. 82 So Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 379; die Mehrheit in der Literatur nimmt eine solche Unterscheidung hingegen nicht vor: siehe etwa Hauswirth, Befugnisse und Pflichten, S. 123; H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 71; insbesondere spricht sich Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 302 gegen eine Ausweitung des Begriffs vom „subjektiven Recht“ aus. 83 Raiser, AG 1989, 185, 187 f.; ders./Veil, KapGesR, § 14 Rn. 104. 84 Pflugradt, Leistungsklagen, S. 29 f. 85 Raiser, AG 1989, 185, 187 f. 86 Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 104. 87 Pflugradt, Leistungsklagen, 29 f. 88 Pflugradt, Leistungsklagen, S. 30. 81

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

daher auch als Träger subjektiver Rechte in Frage kommen89. So enthalte ein subjektives Recht zum einen die Berechtigung zugunsten einer bestimmten Person (sog. Freiheits- oder Verhaltensermächtigung) sowie einen generellen Ausschluss aller anderen von dieser Berechtigung (sog. Generalverbot)90. Den Argumenten der herrschenden Auffassung hält Bork entgegen, dass die Rechtsordnung sehr wohl subjektive Rechte kenne, die nicht das Erfordernis eigener Interessen verlangen, wie § 335 BGB aufzeige. Zudem sei es inkonsequent, wenn man „verselbständigte Organinteressen“ anerkennen und gerichtlich schützen wolle, jedoch die Qualifizierung als subjektive Rechte verneine, da die innerorganisatorischen Positionen allein im Interesse des Verbandes wahrgenommen werden91. So zweifelt Bork darüber hinaus an, ob die Eigeninteressen der Organe hinsichtlich der innerorganisatorischen Streitigkeiten so „minderwertig“ seien, dass aus ihnen zwar die Zuweisung einer Prozessführungsbefugnis, nicht aber die Zuweisung eigener subjektiver Rechte folge92. Zudem gehöre es nicht zum Wesen des subjektiven Rechts – insbesondere wenn es um die Berücksichtigung von Drittinteressen geht93 – frei darüber zu disponieren, dieses auch geltend zu machen94. Er wirft den anderen Stimmen aus dem Schrifttum vor, dass die von ihnen betriebene begriffliche Differenzierung zwischen „subjektiven Rechten der Organe“ und „subjektiven Organrechten“ nicht deutlich erkennen lasse, wo der Unterschied bestehe95. So seien Organrechte eine Untergruppe der subjektiven Rechte. Die von Bork geäußerten Bedenken sind näher zu betrachten, da die von der herrschenden Auffassung vorgenommene Unterscheidung, wer Inhaber subjektiver Rechte sein kann, eine nicht zu übersehende Beliebigkeit aufweist. 3. Die Qualifizierung des „Organrechts“ als subjektives Recht a) Zweifel am Begriffsverständnis des subjektiven Rechts Nach der herrschenden Auffassung kommen Organe eines Verbandes nicht als Träger subjektiver Rechte in Frage. Aus mehreren Gründen können jedoch die dargebrachten Einwände nicht überzeugen. Zunächst ist die von der überwiegenden Auffassung vertretene rechtsphilosophische Prägung des Begriffs des subjektiven Rechts kritisch zu hinterfragen. So wird 89 Bork, ZGR 1989, 1, 10 f.; Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 463; ebenso grundlegend zum subjektiven Recht Lewerenz, S. 95 ff., der jedoch das Bedürfnis nach klagbaren Organrechten verneint, S. 108. 90 Bork, ZGR 1989, 1, 10; ders., Allgemeiner Teil des BGB, Rn. 281. 91 Bork, ZGR 1989, 1, 9. 92 Bork, ZGR 1989, 1, 9. 93 Verwiesen wird hierbei auf § 66 Abs. 1 AktG sowie § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG. 94 Bork, ZGR 1989, 1, 9. 95 Bork, ZGR 1989, 1, 10.

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grundsätzlich der natürlichen Person als Individuum durch das subjektive Recht eine im eigenen Interesse liegende Rechtsmacht zuerkannt96. Versucht man dies auf Rechtspositionen innerhalb der juristischen Person zu übertragen, bereitet diese Definition erhebliche Schwierigkeiten. Bereits zum Pendant im öffentlichen Recht – dem subjektiv-öffentlichen Recht – bemerkte Schnapp deshalb, dass dieses terminologisch „vorbelastet“ sei, da ursprünglich ein Anspruch des Bürgers gegen den Staat gemeint war97. Diese Sichtweise hat sich in Literatur und Rechtsprechung so sehr verfestigt, dass die Möglichkeit einer Ausdehnung des Begriffs des subjektiven Rechts nur von wenigen Stimmen in Erwägung gezogen wird. Dass bei einem öffentlich-rechtlichen Organstreit gerade nicht das Verhältnis Bürger – Staat erfasst sei, rechtfertige zwar nach Schnapp die Verwendung anderer Begriffe, jedoch weder „Organrechte“ aus dem Kreis der rechtstheoretisch definierten subjektiven Rechte auszuschließen noch eine entsprechende Übertragung auf das Zivilrecht zu versagen. Zudem zeigt sich, dass das rechtsphilosophisch geprägte Begriffsverständnis eine gewisse Inkonsequenz aufweist: Wenn das subjektive Recht allein der eigenverantwortlich handelnden Person zustehen soll, da diese Inhaberschaft einen Ausdruck zur Verwirklichung individueller Freiheit darstelle und der Durchsetzung eigener Interessen diene, dann kann nach diesem engen Verständnis allein die natürliche Person als Inhaberin solcher Rechte in Frage kommen, nicht hingegen die juristische Person oder rechtsfähige Personengesellschaft. Dass der Begriff des subjektiven Rechts nicht ohne weiteres auf die Rechte der juristischen Person übertragen werden kann, haben bereits Enneccerus/Nipperdey festgestellt98. Nach ihnen komme daher nur eine Analogie der subjektiven Rechte für die juristische Person in Frage. So werde die Analogie dadurch bewirkt, „daß man die zur Förderung des Zweckes geschaffene Organisation […] als Rechts- und Willenssubjekt denkt und den Willen der verfassungsmäßigen Verwalter (Organe) als den Willen dieses Subjekts betrachtet.“99

Eine solche Differenzierung findet man allerdings nicht bei den Befürwortern der Organrechte im Hinblick auf die juristische Person. Dieser wird ohne Bedenken die Inhaberschaft subjektiver Rechte zugestanden, während einem Organ diese Eigenschaft verwehrt werden soll100. Eine solche Ungleichbehandlung überzeugt in keinster Weise. 96 So Bauer, Organklagen, S. 60 f., der auf das Begriffsverständnis der h.M. verweist und dabei auf Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, § 72 I und Larenz/Wolf, BGB AT, § 14 Rn. 11 Bezug nimmt. Richtigerweise hat bereits Bork, ZGR 1989, 1, 7 Fn. 20 darauf hingewiesen, dass Larenz von der herrschenden Definition abweicht und von einem Rahmenbegriff in dem Sinne ausgeht, „daß jemanden etwas rechtens zukommt oder gebührt“. Ebenfalls setzen subjektive Rechte nach Enneccerus/Nipperdey nicht eigene Interessen voraus, sondern dienen allgemein der Befriedigung von Interessen. 97 Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 213 ff. 98 Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, S. 610 N. 6. 99 Enneccerus/Nipperdey, BGB AT, S. 610 N. 6. 100 Dazu Bauer, Organklagen, S. 36 f.; zuletzt Peine, Organstreit, S. 83 ff.

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

Eine weitere „Inkonsequenz“101 liegt in der Unterscheidung zwischen subjektiven Rechten und klagbaren Organrechten. Dies hat bereits Bork in seiner Untersuchung den Kritikern von subjektiven Rechten im Innenbereich der juristischen Person vorgeworfen. So erkennen diese zwar verselbständigte innerorganisatorische Rechte an, die den Organen als Zurechnungsendsubjekte zugestanden und zudem gerichtlich geschützt werden sollen. Jedoch wird die Einordnung als subjektives Recht negiert, da die Organe im Interesse des Verbandes und nicht im eigenen Interesse handeln würden102. Widersprüchlich sind deshalb die Ausführungen Bauers, der zunächst die Qualifizierung von Organrechten als subjektive Rechte verneint103, jedoch im Anschluss ein den Organen zustehendes Organinteresse bejaht104. Nach Bork sei es jedoch nicht maßgeblich für die Existenz subjektiver Rechte, dass ein Handeln im eigenen Interesse vorliege, wie sein Beispiel des Vertrags zugunsten Dritter belegt105. b) Die Abgrenzung des Organinteresses von Verbandsund Partikularinteresse Überzeugender ist es allerdings, das eigene Interesse der Organe positiv festzustellen. Denn auch andere Stimmen aus dem Schrifttum weisen darauf hin, dass Organe eigene Interessen aufweisen106. Unstreitig ist, dass Organ, Organwalter und andere Organteile das Interesse des Verbandes bei seiner Entscheidungsfindung als maßgebliche Orientierung heranziehen müssen. Dies wurde bereits bei der Analyse zum verbandsrechtlichen Organbegriff dargelegt107. Die daraus gezogene Konsequenz, es könne damit kein Eigeninteresse des Organs existieren, geht von einem falschen Verständnis vom Organinteresse aus. Nicht gemeint sind damit individuelle oder gruppenspezifische Partikularinteressen, die innerhalb des Organs und unter den Organmitgliedern vorherrschen können. Würden die Organmitglieder bei der Entscheidungsfindung Partikularinteressen als alleinige Orientierung zugrunde legen, würden sie pflichtund rechtswidrig handeln. Allerdings können Partikularinteressen berücksichtigt werden, wenn sie im Einklang mit dem Verbandsinteresse stehen108.

101

So Bork, ZGR 1989, 1, 8 f. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 377; zuvor schon H. J. Wolff, Organschaft und Juristische Person, Band 2, 1934, S. 275 f.; Hoppe, Organstreitigkeiten vor VG und SG, S. 174; G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 1892, S. 227. 103 Bauer, Organklagen, 38. 104 Vgl. Bauer, Organklagen, S. 63 f. 105 Bork, ZGR 1989, 1, 8. 106 So Bauer, Organklagen, S. 63 f.; ebenso Peine, Organstreit, S. 80 f., 87 ff. 107 Siehe dazu § 8 B. 108 Dazu § 8 B.IV. 102

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Diese Differenzierung macht es allerdings erforderlich, näher zu bestimmen, was unter dem Organinteresse zu verstehen ist. Den Ausgangspunkt bilden dabei die den Organen zugeordneten Aufgaben. Organe nehmen Funktionen für den Verband wahr, um die Handlungs- und Willensbildungsfähigkeit zu gewährleisten. Dass sie dabei im Interesse des Verbandes handeln, steht dann nicht im Widerspruch zur Existenz eines eigenen Organinteresses, wenn dieses in seinem funktionsspezifischen Kontext zu den Kompetenzen des Organs betrachtet wird. Das Organinteresse ergibt sich folglich aus dem Gebot zur Verwirklichung der, dem jeweiligen Organ zugewiesenen Kompetenzen und Befugnisse sowie dem Schutz dieser Kompetenzen durch das Organ109. Entschließt sich das Organ zu handeln, entspricht dieses Handeln dem Organ- und Verbandsinteresse. Organ- und Verbandsinteresse sind gleichlaufend und nicht konträr zueinander. Das Organinteresse stellt vielmehr einen Teil des Verbandsinteresses dar. Darin liegt auch kein Widerspruch, sondern ist im Hinblick auf die Herleitung subjektiver Rechte von Organen auf die hier maßgebliche Besonderheit zurückzuführen, dass es sich um die Qualifizierung von Organkompetenzen bzw. daraus resultierenden Befugnissen als subjektive Rechte im Innenrecht des Verbandes handelt. Fällt das Organ Entscheidungen, die nicht im Interesse des Verbandes liegen, erfolgt das Handeln auch nicht im Interesse des Organs. Das Organinteresse stellt damit ein Spezifikum der innenrechtlichen Organisationsverfassung dar. c) Die Disponibilität des Rechteinhabers Als ein weiteres Merkmal wird die Disponibilität des Rechtsträgers über das ihm zustehende Recht gefordert. Organen stünde eine solche Dispositionsbefugnis nicht zu, da sie stets verpflichtet seien, im Interesse des Verbandes zu handeln110. Bork stellt in seiner Untersuchung fest, dass im Recht der Aktiengesellschaft Vorschriften existieren, die die Aktiengesellschaft als Rechteinhaber zwingen, die eigenen subjektiven Rechte im Interesse Dritter (der Gläubiger) geltend zu machen111. Folglich gehöre die Freiheit, das subjektive Recht nicht geltend zu machen, nicht zwingend zu seinem Wesen. Bork leitet daraus ab, dass die Interessen der Gesellschaft Drittinteressen der Organe seien. Dies ist, wie oben bereits festgestellt wurde, allerdings nicht der Fall. Richtigerweise können die Organe im Grundsatz frei darüber disponieren, ob und wie sie ihre Organrechte ausüben. Wie bereits unter § 8 B.IV.4. ausgeführt wurde, führt die Kompetenzverletzung eines Organs gegenüber einem anderen Organ dazu, dass aufgrund der gleichzeitigen Verletzung des innerorganisatorischen Störungs-

109 Ähnlich bereits D. Lorenz, AöR 93 (1968), 308, 320 auf die Frage, ob Behörden Träger subjektiver Rechte sein können. 110 So vor allem Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 302 f. 111 Bork, ZGR 1989, 1, 9 stellt dabei auf § 66 Abs. 1 AktG und § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG ab.

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verbots das Organinteresse betroffen ist112 und das verletzte Organ berechtigt wird, gegen die Maßnahme vorzugehen. Das Organ ist aber nicht gezwungen, gegen die Störung vorzugehen, sondern kann auf anderem Wege versuchen, den Konflikt zu beenden. Dies folgt aus der Tatsache, dass das innerorganisatorische Störungsverbot ansonsten in einen allgemeinen Kompetenzwahrungsgrundsatz verkehrt würde113. Das Organ ist allerdings dann verpflichtet einzugreifen, wenn neben der Verletzung des allgemeinen innerorganschaftlichen Störungsverbots ein gewichtiger Gesichtspunkt des Verbandsinteresses beeinträchtigt wird114. 4. Die Frage nach der Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Organrecht und subjektivem Recht und das lex parsimoniae Damit wurde belegt, dass das herrschende Begriffsverständnis des subjektiven Rechts mit erheblichen Widersprüchen konfrontiert wird. Es stellt sich damit die Frage, ob die vorgenommene Differenzierung, dass Organe Inhaber durchsetzungsfähiger Rechte sein können, aber diese Rechte nicht als subjektive Rechte zu qualifizieren seien, erforderlich ist. Die Beibehaltung dieser Differenzierung überzeugt nur, wenn sie einen wissenschaftlichen Mehrwert enthält. Unter Verweis auf Aristoteles entwickelte sich in der Wissenschaftstheorie das „Prinzip der Parsimonie“115. Danach sei bei der Bildung von erklärenden Hypothesen und Theorien eine höchstmögliche Sparsamkeit geboten. Dieses Prinzip findet sich in den Schriften Wilhelm von Ockham116 wieder und wurde von dem Philosophen Johannes Clauberg im Jahre 1654 wie folgt zusammengefasst und präzisiert: „Wesenheiten dürfen nicht über das Notwendige hinaus vermehrt werden.“ („Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem [oder: sine necessitate]“)117

Dieses Sparsamkeitsprinzip wurde im 19. Jahrhundert durch William Rowan Hamilton unter der Bezeichnung Ockhams Rasiermesser bekannt und erlangte als wissenschaftstheoretisches Prinzip besondere Geltung118. Bei Anwendung dieses Prinzips auf die – von der herrschenden Meinung dargelegte – Unterscheidung von Organrechten und subjektiven Rechten wäre ein wissenschaftlicher Mehrwert nur erkennbar, wenn die den Organen zugeordneten 112

Zu diesem siehe § 22 C.V.3. So bereits Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 724 f. 114 Vgl. dazu Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 724 f. 115 Zum Prinzip der Parsimonie siehe Charlesworth, Philosophical Studies (Irland) 6, 1956, S. 105. 116 Dazu J. Losee, Philosophy of science, Oxford University Press, 1977. 117 Clauberg, Logica vetus et nova, 1654, S. 320. 118 Hamilton, Discussions, 1852, S. 590. 113

§ 21 Materiellrechtliche Grundlagen des Organstreits

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Rechte in unverhältnismäßiger Art und Weise aufgewertet oder subjektive Rechte im ursprünglichen (engeren) Sinne entwertet würden. Die Gegenauffassung erkennt Rechtspositionen von Organen innerhalb eines Verbandes an und will Organen zudem zugestehen, diese auch gerichtlich zu verteidigen. Zugleich wird die Bedeutung subjektiver Rechte in keinster Weise berührt. Der Kanon subjektiver Rechte erfährt nur eine sachlich nachvollziehbare Erweiterung. Folglich ist in der vorgenommenen Unterscheidung kein wissenschaftlicher Mehrwert erkennbar. Ein durchsetzbares Organrecht anzuerkennen, aber ihm die Qualifizierung als subjektives Recht zu verweigern, ist vorliegend nur auf eine traditionell geprägte Sichtweise zurückzuführen. Zudem wird die Inhaberschaft subjektiver Rechte durch die juristische Person hingegen nicht in Zweifel gezogen. Es sind damit auch keine Gründe ersichtlich, innerorganisatorische Rechtspositionen anders zu behandeln, wenn zugleich ihre Existenz und ihr Nutzen als notwendig angesehen werden. Die Qualifizierung von Organrechten als subjektive Rechte führt vor allem zu Erleichterungen bei der Frage der Durchsetzbarkeit der Rechte. Denn für eine gerichtliche Geltendmachung müssen den Parteien subjektive Rechte von der Rechtsordnung zugestanden werden. Diejenigen, die eine Qualifizierung als subjektives Recht ablehnen, sind gehalten, die prozessuale Durchsetzung der Organrechte besonders zu begründen119. 5. Zum Begriff des subjektiven Rechts Für den Begriff des subjektiven Rechts gilt daher ein rein formales Verständnis. In Anlehnung an die Ausführungen von Bork sind subjektive Rechte dann zu bejahen, wenn einem Rechtssubjekt eine Verhaltensberechtigung zugewiesen ist und nur das Rechtssubjekt allein berechtigt ist, dieses Verhalten wahrzunehmen. Eine solche Ausschließlichkeits- und Schutzgewähr ist nur dann gegeben, wenn das Rechtssubjekt aufgrund einer Ermächtigungsnorm Inhaber eines Handlungsspielraums ist, den nur er wahrnehmen kann (damit sogleich eine „Inkompetenznorm“). Dabei ist festzuhalten, dass allgemeine Störungsverbote nicht Bestandteile eines subjektiven Rechts sind. Nach Bork bedarf es einer „,Verdichtung‘ der allgemeinen Rechtsbeziehung ,gegen jedermann‘ zum subjektiven Recht gegen eine bestimmte Person.120“

So führt die (bevorstehende) Kompetenzverletzung eines Organs gegenüber einem anderen Organ dazu, dass damit zugleich das innerorganschaftliche Störungsverbot verletzt wird und sich die Rechtsbeziehung der Organe zu einem subjektiven Recht verdichtet121.

119 120 121

Siehe etwa Bauer, Organklagen, S. 40 f. Bork, ZGR 1989, 1, 12. Vgl. Bork, ZGR 1989, 1, 19.

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Abweichend von Bork ist der Träger des subjektiven Rechts berechtigt, über dieses zu disponieren und hat es überdies im eigenen Interesse auszuüben. 6. Das Organrecht als subjektives Recht Organe sind Inhaber subjektiver Rechte. Enthält das Gesetz Rechte und Befugnisse, die ausdrücklich (Schutz- und Ausschließlichkeitsgewähr) und nur diesem einen Organ zugeordnet sind (Verhaltensberechtigungen), dann handelt es sich um subjektive Rechte, wenn das Organ darüber entscheiden kann, ob es diese Befugnis im eigenen Interesse ausüben will. Jedoch sind dabei nicht die ihnen zugeordneten Kompetenzen oder Funktionsbeschreibungen als subjektive Rechte anzusehen122. Auf das zuvor bereits zur Verletzung von Organkompetenzen durch ein anderes Organ Ausgeführte kann daher verwiesen werden. Erst durch die mit der Kompetenzverletzung einhergehende Verletzung des innerorganisatorischen Störungsverbots verdichtet sich die Rechtsbeziehung der Organe zu einem subjektiven Recht, das zur Abwehr der Verletzung berechtigt. Allerdings ist das Organ in seiner Entscheidung darüber frei, aufgrund dieser Verletzungen gegen das andere Organ Maßnahmen zu ergreifen. Zwar würden entsprechende Abwehrmaßnahmen im Interesse des Organs liegen, jedoch ist das Organ nicht verpflichtet einzuschreiten. Von einer Pflicht zum Einschreiten wird man erst dann ausgehen müssen, wenn überdies das Interesse des Verbandes betroffen ist. Wie bereits unter § 8 B.IV. ausgeführt wurde, ist dieses dann berührt, wenn die Existenz des Verbandes gefährdet ist oder eine erhebliche Beeinträchtigung im vermögensrechtlichen Sinne erfolgt. Zudem ist es nicht auszuschließen, dass eine besondere Betroffenheit des Verbandsinteresses bereits mit einer schweren Verletzung des innerorganisatorischen Störungsverbots gegeben ist. Die Pflicht zum Einschreiten stellt allerdings keinen Widerspruch zum Merkmal der Disponibilität des subjektiven Organrechts dar. Vielmehr führt die Betroffenheit des Verbandsinteresses dazu, dass der innerverbandliche Geltungsbereich verlassen wird und somit der Wirkbereich des subjektiven Organrechts endet. Dies ändert nichts an der Einordnung als subjektives Recht.

IV. Zusammenfassung Festzuhalten ist damit, dass die Rechtsordnung den Organen eines Verbandes subjektive Rechte im Innenrecht zuordnet, die von ihnen gerichtlich geltend gemacht werden können und ihnen damit Rechtsfähigkeit zuerkennt. Der Innenbereich eines Verbandes stellt damit keinen rechtsfreien Raum dar, sondern ordnet den Organen 122 So bereits Bork, ZGR 1989, 1, 18; zuvor bereits Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 213 ff.

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innerorganisatorische Kompetenzen zu, sodass Organe in diesem Verhältnis als Zurechnungsendsubjekte agieren. Ein subjektives Recht ist immer dann gegeben, wenn die Rechtsordnung dem Rechtsinhaber einen Verhaltensspielraum mit Schutz- und Ausschließlichkeitsgewähr einräumt, der frei disponibel ist und im eigenen Interesse ausgeübt wird. Folglich sind Organe Träger subjektiver Rechte.

D. Rechtsfähigkeit und subjektive Rechte von Organteilen I. Die Übertragbarkeit der bisher erzielten Ergebnisse auf Organteile Organteile können innerhalb des Verbandes verschiedene Funktionen für das Organ und damit mittelbar für den Verband wahrnehmen. Da sie selbst keine Organe sind, stellt sich die Frage, ob und wenn ja inwiefern ihnen Rechtsfähigkeit zugestanden wird und ob die ihnen zugewiesenen Kompetenzen durchsetzbare Rechtspositionen darstellen und sogar als subjektive Rechte deklariert werden können. Hier gilt es zwischen der Stellung von Unterorganen, Teilorganen und den einzelnen Organwaltern zu unterscheiden.

II. Die Stellung von Unterorganen Wie bereits an anderer Stelle123 ausgeführt wurde, sind Unterorgane zuständige Einheiten des Organs, die dieses gegenüber anderen Organen und der Organisation repräsentieren und eine eigene Leitungsstruktur vorweisen. Ihnen können bestimmte, eigenständig wahrzunehmende Aufgaben des Organs durch das Organ zugewiesen werden124. Werden durch Gesetz, Satzung oder Beschluss einem Unterorgan Kompetenzen, die grundsätzlich dem Organ zugeordnet sind und von diesem wahrgenommen werden, übertragen, dann kann – in Anlehnung der Ausführungen zur Rechtsfähigkeit von Organen und ihrer Eigenschaft als Träger subjektiver Rechte – für Unterorgane keine andere Einschätzung in Frage kommen. Allerdings muss hierbei danach differenziert werden, wer Konfliktgegner ist: Nimmt das Unterorgan Kompetenzen des ihm angehörenden Organs wahr und gerät dabei in einen Konflikt mit einem anderen Organ, so kommt dem Unterorgan die gleiche rechtliche Stellung zu, wie wenn das Organ selbst an dem Konflikt beteiligt wäre. Danach ist das Unterorgan in diesem Konfliktverhältnis rechtsfähig und Träger subjektiver Rechte. Etwas anderes kann gegenüber dem Organ gelten, dem das Unterorgan angehört. Ist 123 124

Dazu bereits § 6. Vgl. Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 1976, § 74 I f.

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das Unterorgan in seinem Bestand vom Willen des Organs abhängig und steht es dem Organ zu, an das Unterorgan übertragene Kompetenzen wieder an sich zu ziehen, liegt eine klare Kompetenzverteilung vor, die es dem Unterorgan nicht ermöglicht, im Klagewege zur Verteidigung der übertragenen Kompetenzen gegen das (eigene) Organ vorzugehen. In einem solchen Fall stellen die übertragenen Kompetenzen keine dem Unterorgan zugeordneten subjektiven Rechte dar.

III. Die Stellung von Teilorganen Für Teilorgane können diese Ausführungen nicht analog herangezogen werden. Wie ebenfalls schon an anderer Stelle ausgeführt wurde, sind Teilorgane Zusammenschlüsse von Mitgliedern, die institutionell-rechtlich in den Meinungs- und Willensbildungsprozess des Organs einbezogen sind, jedoch wegen der Zusammensetzung und Konstituierung keine Organfunktionen als solche wahrnehmen und demzufolge keine Entscheidungen für das Organ treffen oder es vertreten125. Teilorgane sind aufgrund von Gesetz, Satzung oder Geschäftsordnung mit bestimmten Rechten ausgestattet. Bekanntestes Beispiel eines Teilorgans ist die Gemeinderatsfraktion126. Den Fraktionen werden zahlreiche eigenständige Rechte zugeordnet, die allerdings nicht eine bloße Zusammenfassung der Rechte der Mitglieder darstellen. Ein wesentliches Recht stellt die dem Gesetz entsprechende verhältnismäßige Vertretung in den Ausschüssen dar127. Jedoch steht den Fraktionen kein Recht zu, in einzelnen Ausschüssen vertreten zu sein, da es ihnen an der rechtlichen Garantie eines sog. Grundmandates fehlt. So sind Fraktionen, anders als die Organmitglieder, nicht demokratisch legitimierte Vertreter des Volkes und daher nicht berechtigt, aus eigenem Recht an der Sacharbeit des Gemeinderats mitzuwirken128 ; nichts anderes gilt für die Stellung der Fraktionen des Bundestags129. Darüber hinaus können Fraktionen Einsichts- und Auskunftsrechte zugestanden werden130. 125

Zur Stellung von Teilorganen siehe § 6. Daran anknüpfend W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 688 ff. 127 Für Fraktionen im Gemeinderat VGH München NVwZ-RR 1989, 90 f.; W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 688; für Fraktionen und Ausschüsse des Bundestags BVerfGE 84, 304, 323; BVerfGE 112, 118, 133; BVerfGE 130, 318, 354; BVerfGE 131, 230, 235; sowie Butzer, in: Epping/Hillgruber, Art. 38 Rn. 147. 128 Vgl. BVerwG, DÖV 1978, 415; DVBl. 1986, 240, 241; NVwZ-RR 1993, 209; VGH Mannheim, ESVGH 28, 7, 13. 129 Vgl. Achterberg/Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz Art. 38 Rn. 96 ff.; Morlok, in: Dreier/Wittreck, Grundgesetz Art. 38 Rn. 171 ff.; Trute, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar Art. 38 Rn. 96 ff.; Magiera, in: Sachs (Hrsg.) Grundgesetz Art. 38 Rn. 67; Roth, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz Art. 38 Rn. 120 ff.; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Grundgesetz Art. 40 Rn. 51 ff.; Butzer, in: Epping/Hillgruber, Art. 38 Rn. 123 ff.; Klein, in: Maunz/Dürig, GG Art. 38 Rn. 237 ff. 130 Siehe dazu W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 690. 126

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Diese Funktionsbeschreibung zeigt, dass der Wirkbereich der Fraktion grundsätzlich auf das Organinnenleben beschränkt ist. Umstritten ist, ob Fraktionen als Prozessstandschafter für das Organ Rechte gegenüber einem anderen Organ ausüben können131. Bejaht man dies, kann in einem solchen Fall auch gegenüber einem anderen Organ ein Organstreitverfahren geführt werden. Da eine entsprechende Anwendung der Ausführungen zu den Organen auf Teilorgane nicht möglich ist, ist es erforderlich, die rechtliche Stellung individuell zu bestimmen. Werden Teilorganen Rechte durch Gesetz, Satzung oder Geschäftsordnung (beispielsweise für Fraktionen nach § 10 GOBT) zugestanden, handelt es sich – nach dem zu den Organen ausgeführten Verständnis – um subjektive Rechte (im weiteren Sinne). Da Teilorgane zudem keine Wahrnehmungsfunktionen ausüben, sind sie als Zurechnungsendsubjekte der ihnen zugeordneten Innenrechtssätze anzusehen. Daher sind sie im Hinblick auf die ihnen zugeordneten Befugnisse als rechtsfähige Konstrukte anzusehen, die in der Lage sind, diese Rechtspositionen gegenüber Beeinträchtigungen auch im Rechtsweg zu verteidigen. Insofern kann auf die Ausführungen zur Eigenschaft von Organen als Träger subjektiver Rechte verwiesen werden. Da Teilorgane wegen ihrer Konstituierung keine Organfunktionen wahrnehmen, besteht gegenüber dem Organ kein Abhängigkeitsverhältnis, das einer möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Organ entgegenstehen würde.

IV. Die Stellung von Organwaltern Für die Organwalter muss zwischen den Rechten, die ihnen als Privatperson eingeräumt werden und den Rechten, die ihnen zur Verwirklichung ihrer Aufgaben zur Verfügung gestellt werden, differenziert werden. Fallen unter erstere etwa noch offene Vergütungsansprüche des Organmitglieds, so bestehen diese weiterhin fort, wenn die Stellung als Organmitglied bereits beendet ist132. Hingegen stehen Organwaltern zur Verwirklichung ihrer Tätigkeit organmitgliedschaftliche Rechte und Befugnisse zu, die mit der Amtsstellung unmittelbar verbunden sind und bei Beendigung des Amtes entfallen133. Diese Befugnisse können sich aus dem Gesetz, aber auch aus der Satzung ergeben. Fraglich ist allerdings, ob diese an die Organmitgliedschaft geknüpften Rechte als subjektive Rechte der Organwalter zu qualifizieren sind. Zum Begriff des subjek131 Dagegen die h.M. OVG Bautzen NVwZ-RR 1997, 665; VGH Mannheim NVwT 1985, 284, 285; Zimmerling, Organstreitigkeiten innerhalb der Hochschule, S. 87. 132 Zum sog. „Bedienstetenverhältnis“ Hoppe, Organstreitigkeiten vor VG und SG, S. 171 f.; aus dem privatrechtlichen Schrifttum Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 360; Säcker, NJW 1979, 1521, 1525; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 16; Hoffmann-Becking, in: MünchHdb. GesR IV, § 33 Rn. 89. 133 Vgl. dazu W. Roth, Verwaltungsrechtliche Organstreitigkeiten, 2001, S. 23 f.

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tiven Rechts kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden134. Es stellt sich damit die Frage, ob Mitgliedern eines Organs einer juristischen Person eigene wehrfähige Rechtspositionen im Innenrecht zugeordnet sind und diese als subjektive Rechte angesehen werden können. Neben etwaigen Informations- und Auskunftsrechten, die sowohl gegenüber dem eigenen als auch gegenüber fremden Organen bestehen135 und die in Anlehnung an die Ausführungen zum Organ disponible Verhaltensberechtigungen mit Schutz- und Ausschließlichkeitsgewähr darstellen und im eigenen Interesse wahrgenommen werden, stellt sich die Frage, ob und in welchem Rahmen dem einzelnen Mitglied Kompetenzschutzrechte gewährt werden. Auch hier muss nach Rechten des Organs und nach eigenen, sich aus der Organmitgliedschaft ableitenden Rechten des Organmitglieds differenziert werden. Einzelne Organmitglieder sind grundsätzlich nicht berechtigt, Kompetenzen, die dem Organ selbst zugeordnet sind, alleine auszuüben. Schutzrechte, die dem Organ zugewiesen sind, fallen demnach nicht in die Kompetenz einzelner Mitglieder136. Etwas anderes gilt hingegen für organmitgliedschaftliche Rechte. Zu diesen gehören die Befugnisse, an Sitzungen des Organs teilzunehmen, Anträge zu stellen, seine Meinung zu äußern und abzustimmen137. Dem Organmitglied werden damit Verhaltensspielräume eingeräumt, um seine Aufgaben wahrnehmen zu können. Es handelt sich dabei um Innenrechte, die gegenüber dem Organ bestehen und nicht gegenüber dem Verband. Diese organmitgliedschaftlichen Rechte sind als subjektive Rechte im weiteren Sinne anzusehen138. Daraus leitet sich ein innerorganisatorisches Störungsverbot ab, wenn die Verletzung dieser Rechte durch das eigene oder andere Organe oder Organmitglieder droht. Ob dem einzelnen Organmitglied weitergehende Befugnisse eingeräumt werden können, bspw. um gegen Maßnahmen eines anderen Organs vorzugehen, kann nicht völlig ausgeschlossen werden, wenn man davon ausgeht, dass das einzelne Mitglied innerhalb des Organs verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, rechtswidrige Maßnahmen zu verhindern. Schreitet das eigene Organ nicht ein, ist das Organmitglied berechtigt, dagegen vorzugehen. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass die Befugnis des einzelnen Mitglieds so weit reicht, dass es selbst gegen das fremde Organ vorgehen kann. Will man eine solche Befugnis bejahen, so handelt es sich auch um ein subjektives Recht139.

134 135 136 137 138 139

Siehe bereits § 21 C. Siehe zu diesen bereits Bork, ZGR 1989, 1, 32. Dazu bereits Bork, ZGR 1989, 1, 34; Bauer, Organklagen, S. 59. Bork, ZGR 1989, 1, 34. In dieser Konsequenz bereits Bork, ZGR 1989, 1, 34 f. Dazu ausführlich unter § 22 D. sowie § 28 D.

§ 21 Materiellrechtliche Grundlagen des Organstreits

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E. Zusammenfassung Die Auseinandersetzung mit dem Begriff der Rechtsfähigkeit hat aufgezeigt, dass die Rechtsordnung weder der natürlichen noch der juristischen Person oder irgendeinem anderen Konstrukt eine allumfassende Rechtsfähigkeit zuerkennt. Rechtsfähigkeit ist ambivalent. Dass allerdings allein Organe als „relativ rechtsfähig“ bezeichnet werden, überzeugt daher nicht. Die Rechtsfähigkeit von Organen umfasst eine Thematik, die immer noch zahlreiche dogmatische Fragen aufwirft. Die aus der frühen Verbandslehre stammende „Impermeabilitätstheorie“, die im Innenleben eines Verbandes die Existenz von Rechtssätzen verneinte und damit zugleich innerorganschaftliche Streitigkeiten als nicht möglich ansah, wurde durch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Organisationsstruktur des Verbandes und der damit einhergehenden Einordnung des Verbandinnenlebens als „Innenrecht“ überwunden. Organe sind Inhaber von Zuständigkeiten und nehmen diese für den Verband wahr. Damit wird diesem die Fähigkeit verliehen, nach außen am Rechtsverkehr teilzunehmen. Zugleich nehmen Organe im Innenrecht des Verbandes die Position als Zurechnungsendsubjekte ein. Die ihnen durch Gesetz oder Satzung zugewiesenen Kompetenzen sind wehrfähige Rechtspositionen. Jede Wahrnehmungszuständigkeit erfordert aus der Sicht des Innenrechts und der innerorganschaftlichen Stellung der Organe selbständiges und eigenverantwortliches Handeln. Folglich sind sie Rechtssubjekte des Innenrechts und berechtigt, die ihnen zugewiesenen Kompetenzen gerichtlich durchzusetzen. Organe des Verbandes sind entgegen der überwiegenden Auffassung in der Literatur nicht nur als Träger durchsetzungsfähiger Organrechte zu qualifizieren, sondern es handelt sich bei diesen Organrechten richtigerweise um subjektive Rechte. Die Bedenken gegen eine solche Qualifizierung vermögen nicht zu überzeugen. Die von der herrschenden Meinung vorgenommene Unterscheidung zwischen Organrechten und subjektiven Rechten ist willkürlich und enthält keinen wissenschaftlichen Mehrwert. Im Grunde gilt für Unterorgane nichts anderes. Da diese Funktionen für das Organ wahrnehmen, dem sie angehören und das sie geschaffen hat – sie quasi eine organgleiche Stellung einnehmen – sind sie rechtsfähig und Inhaber subjektiver Rechte, sofern sie Maßnahmen gegenüber anderen Organen des Verbandes gerichtlich durchsetzen wollen. Gegenüber dem eigenen Organ gilt dies nicht, da die Organisationsverfassung des Verbandes die Kreationshoheit dem Organ zugeteilt hat und dieses „seine“ Kompetenzen wieder unmittelbar an sich ziehen oder das geschaffene Unterorgan wieder auflösen kann, sofern nicht das Gesetz etwas abweichendes regelt. Ebenso ist auch der Organwalter in Ausübung seiner organmitgliedschaftlichen Stellung Träger subjektiver Rechte. Diese können sowohl gegenüber dem eigenen als auch gegenüber einem fremden Organ bestehen. Ersteres ist darauf zurückzuführen,

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

dass der einzelne Organwalter zwar dem Organ angehört, aber nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis steht, wie dies beim Unterorgan der Fall ist.

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit A. Übertragbarkeit des bisher Gesagten auf das Aktienrecht Da die Aktiengesellschaft eine juristische Person des Privatrechts darstellt, können im Grundsatz die Ausführungen zum allgemeinen (zivil- und öffentlichrechtlichen) Verbandsrecht auf die Aktiengesellschaft übertragen werden140. Allerdings sind wegen der Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft verschiedene Besonderheiten zu berücksichtigen. Zentrale Bedeutung hat die sogenannte Satzungsstrenge aus § 23 Abs. 5 AktG: Nach Satz 1 kann die Satzung von den Vorschriften des Aktiengesetzes nur abweichen, wenn es ausdrücklich zugelassen ist. Nach Satz 2 sind ergänzende Bestimmungen der Satzung zulässig, es sei denn, dass das Aktiengesetz eine abschließende Regelung enthält. Die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft, bestehend aus Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung ist – wie bereits die historische Betrachtung gezeigt hat141 – abschließend geregelt. Weitere Organe im Wege der Satzung zu schaffen bzw. Kompetenzen eines Organs auf ein anderes Organ zu übertragen, sind nicht realisierbare Gestaltungsvarianten. Die damit einhergehende Beschränkung, die Organisationsstruktur zu gestalten, ist auf die negativen Erfahrungen mit Gestaltungsmöglichkeiten vor der Aktienrechtsnovelle von 1937 zurückzuführen142. Je nach Ausgestaltung der Satzung konnten Vorstand oder Aufsichtsrat als „Machtorgan“ der Gesellschaft agieren und ihren Einfluss so ausüben, dass es zu Machtmissbrauch und Misswirtschaft innerhalb der Gesellschaft kam. Die mit dem Aktiengesetz von 1937 geschaffene Kompetenzordnung führte zu einer Machtbalance zwischen den Organen, die auch nach der Aktienrechtsnovelle von 1965 beibehalten wurde. Damit herrscht auch im Vergleich zu anderen privat- oder öffentlich-rechtlichen Verbänden eine weitere Besonderheit vor: Mag bei diesen ein Organ die Kompetenz innehaben, Konflikte durch Weisung zu beenden143, fehlt dem Aktienrecht ein dafür notwendiges Über-Unterordnungsverhältnis zwischen den Organen. Der Bedarf eines aktienrechtlichen Organstreits wird durch diese Konstruktion immer sichtbarer144.

140 141 142 143 144

Eine genauere Analyse der Übertragbarkeit findet sich bei Bauer, Organklagen, S. 42 f. Siehe dazu oben § 12 sowie § 13 A. Vgl. dazu § 13 D. Bethge, Die Verwaltung 1975, 459, 462. Ebenso Bauer, Organklagen, S. 43.

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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B. Die Beschränkung auf Aufsichtsrat und Vorstand als alleinig Beteiligte eines Organstreits Als Beteiligte eines Organstreits kommen nur Vorstand und Aufsichtsrat und die ihnen angehörenden Organteile in Betracht. Die Hauptversammlung als Willensbildungsorgan der Aktiengesellschaft ist aufgrund ihrer Konstitution nicht dazu geschaffen, innerorganisatorische Streitigkeiten mit anderen Organen auszutragen und etwaige Prozesse zu führen145. Zudem wurde bereits an anderer Stelle dieser Untersuchung festgestellt, dass ein dem einzelnen Aktionär zustehendes organmitgliedschaftliches Recht von der verbandsrechtlichen Mitgliedschaft überlagert wird146. Befugnisse der Hauptversammlung, die im Rahmen eines Organstreits geltend gemacht werden können, existieren daher als solche nicht. Vielmehr handelt es sich immer um Befugnisse, die aus der aktienrechtlichen Mitgliedschaft resultieren. Aufgrund der bereits angesprochenen Satzungsstrenge aus § 23 Abs. 5 AktG ist die Schaffung weiterer Organe nicht vorgesehen. Gleiches gilt für die Übertragung von Kompetenzen von einem Organ auf ein anderes. Folglich sind dem Aktienrecht sogenannte Kreationsorgane grundsätzlich fremd147. Andere Institutionen, die das Aktienrecht kennt, sind nicht als Organe der Aktiengesellschaft anzusehen und kommen daher auch nicht als Beteiligte eines Organstreits in Frage. Obwohl einige Stimmen aus dem Schrifttum den aktienrechtlichen Organbegriff weiter fassen wollen148, zählen weder der Insolvenzverwalter oder der besondere Vertreter nach § 147 AktG, noch das herrschende Unternehmen nach §§ 291, 308 AktG als Organe der Aktiengesellschaft. Gleiches gilt für den allein im öffentlichen Interesse handelnden Abschlussprüfer.

145

So bereits Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 360; Hommelhoff, ZHR 1979, 288, 315. 146 Siehe oben § 3 D.V sowie § 3 F. 147 Vgl. aber das nicht überzeugende Urteil des LG Köln AG 1976, 329 (Felten & Guilleaume) sowie dazu oben § 20 B. 148 So vor allem Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 396 f.

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

C. Rechtsfähigkeit und subjektive Rechte von Vorstand und Aufsichtsrat im Innenrecht der Aktiengesellschaft I. Bedenken hinsichtlich der Rechtsfähigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat 1. Die Einwände Die früher als vorherrschend zu bezeichnende Auffassung lehnt die Rechtsfähigkeit von Organen der Aktiengesellschaft ab149. Dies wurde bereits in den Ausführungen zum status quo organschaftsrechtlicher Streitigkeiten dargelegt. Anknüpfungspunkt für eine gerichtliche Geltendmachung bilde danach entweder die Gesellschaft als juristische Person oder die beteiligten Organmitglieder als natürliche Personen. Nach dieser Vorstellung erzeugen nicht die zwischen den Organen und die innerhalb einer Organisation bestehenden Rechtsverhältnisse den notwendigen Ansatzpunkt zur Bewältigung interner Konflikte, sondern das aus dem Bestellungs- und Anstellungsverhältnis zwischen den Organmitgliedern und der Gesellschaft resultierende Rechtsverhältnis150. Aus diesem ließen sich unproblematisch Rechte und Pflichten herleiten. 2. Überzeugende Zweifel Diese Einschätzung greift in verschiedenerlei Hinsicht zu kurz. So führt eine solche Vorgehensweise dazu, dass man eine „nähere Bestimmung der Zuständigkeitsträger“151 unterlässt, und stattdessen – wie Jacoby richtig feststellt – eine „Umetikettierung des organisationsrechtlichen Problems“ vornimmt152. Wie jedoch bereits die Untersuchung zur juristischen Person aufgezeigt hat, sind Regelungen, die innerhalb eines Verbandes Organen Zuständigkeiten zuordnen, ebenfalls als Rechtssätze anzusehen153. Die interne Organisationsverfassung eines Verbandes stellt folglich keinen rechtsfreien Raum dar. Nichts anderes gilt für die Aktiengesellschaft. Offensichtlich wird die Problematik, wenn man die Berichtspflicht aus § 90 Abs. 1 AktG betrachtet154: So ist danach der Vorstand als Gesamtorgan verpflichtet, den Aufsichtsrat zu informieren, damit dieser seiner, ihm nach § 111 Abs. 1 AktG zugewiesenen, Überwachungsfunktion nachgehen kann. All diese Funktionen 149 Vgl. Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 4 ff.; H. Westermann, in: FS Bötticher, 1969, S. 369, 380; Pentz, in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 16 Rn. 172. 150 Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 4 ff.; H. Westermann, in: FS Bötticher, 1969, S. 369, 380; Pentz, in: Handbuch des Vorstandsrechts, § 16 Rn. 172. 151 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 367. 152 Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 460. 153 Dazu bereits Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 57 f.; Bauer, Organklagen, S. 35 sowie oben § 21 C.II.2. 154 Dazu bereits Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 368.

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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sind den Organen zugewiesen. Zwar ist für die Erstellung der Berichte das einzelne Vorstandsmitglied zur Mitwirkung verpflichtet. Eine Klage der Gesellschaft gegen das Mitglied lässt sich daraus allerdings nicht ableiten. Denn das einzelne Mitglied kann nur als Klagegegner in Frage kommen, wenn es in seiner Rechtsstellung als natürliche Person betroffen ist. Dies ist es allerdings nicht, wenn es um die organmitgliedschaftliche Pflicht zur Mitwirkung am Organhandeln geht. Denn hier wird das Mitglied in seiner Funktion als Teil des Organs tätig. So liegt immer eine Zurechnung zur Gesellschaft vor, sodass sowohl auf Kläger- als auch Beklagtenseite die Aktiengesellschaft steht155. Die Zweifel wachsen, wenn man die verschiedenen Varianten der Berichterstattung des § 90 AktG betrachtet. So soll bei § 90 Abs. 1 sowie Abs. 3 Satz 1 AktG nach dem traditionellen Verständnis ein Anspruch der Gesellschaft gegen die einzelnen Organmitglieder vorliegen156. Bei § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG handele es sich hingegen um ein Recht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds, den Bericht an den Gesamtaufsichtsrat zu verlangen. So ergibt es sich, dass, je nach Prozesskonstellation, entweder die Gesellschaft als Klägerin auftritt (§ 90 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 AktG) oder sie nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG als Beklagte in Erscheinung tritt. Dies ist willkürlich und überzeugt nicht157. Ebenso sprechen die vorhandenen Vertretungsvorschriften des Aktiengesetzes gegen eine Anknüpfung an das Bestellungsverhältnis. Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG vertritt grundsätzlich der Vorstand die Gesellschaft. Nur ausnahmsweise liegt die Vertretung der Gesellschaft beim Aufsichtsrat, § 112 Satz 1 AktG, wenn die (persönlichen) Rechtsverhältnisse zu den Vorstandsmitgliedern betroffen sind. Diese Bestimmung beugt damit einer möglichen Befangenheit im Interesse der Gesellschaft vor158. Die Klärung von Kompetenzstreitigkeiten zwischen Organen ist damit nicht erreichbar159.

155 Pflugradt, Leistungsklagen, S. 26; ebenso Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 368. 156 H. Westermann, in: FS Bötticher, 1969, S. 369, 372 f.; Flume, Juristische Person, § 11 V, S. 406; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 AktG Rn. 62. 157 Hauswirth, Befugnisse und Pflichten, S. 164; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 582; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 370. 158 Siehe zum Sinn und Zweck von § 112 AktG BGH ZIP 2006, 2213, 2214; BGH AG 2009, 327; KG NZG 2011, 865, 866; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 112 Rn. 1; HamblochGesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, § 112 Rn. 1; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG. § 116 Rn. 4 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 112 Rn. 2; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 112 Rn. 1; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 369; Brandes, WM 2000, 53; Werner, ZGR 1989, 369, 381 f.; a.A. und von einer Annexkompetenz ausgehend Kleindiek, WuB II A § 112, AktG 1. 88; kritisch auch Behr/Kindl, DStR 1999, 119, 123. 159 Ebenso Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 172; Bauer, Organklagen, S. 25; Hauswirth, Befugnisse und Pflichten, S. 124; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 369; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 274.

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

Wird bisweilen angeführt, dass das klassische Prozessrecht nicht für innerorganschaftliche Streitigkeiten, in denen die Organe die Parteirollen einnehmen, geschaffen sei und man deshalb daran anknüpfen müsse, ob die Gesellschaft als juristische Person oder das jeweilige Organmitglied als natürliche Person berechtigt oder verpflichtet werde, so übersieht diese Auffassung erhebliche, damit einhergehende Nachteile160. Legt man dies zugrunde, so kann bereits die Vertretung der Gesellschaft zu Komplikationen führen. Macht das einzelne Aufsichtsratsmitglied den Anspruch aus § 90 Abs. 5 AktG auf Kenntnisnahme der Vorstandsberichte gegen die Gesellschaft geltend, so wäre grundsätzlich der Vorstand nach § 78 AktG verpflichtet, die Gesellschaft zu vertreten. Damit würde er jedoch in den Kompetenzbereich des Aufsichtsrats eingreifen, selbst wenn er bloß eine Entscheidung des Gesamtaufsichtsrats oder des Aufsichtsratsvorsitzenden verteidigt161. Daher wollen andere § 112 AktG analog heranziehen162. Obwohl damit ein Kompetenzverstoß des Vorstands verhindert wird, widerspricht die entsprechende Anwendung von § 112 AktG dem Sinn und Zweck der Norm. Denn dieser beruht allein darauf, mögliche Interessenskonflikte bei Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern zu verhindern163; im Verhältnis zu klagenden Aufsichtsratsmitgliedern, die einen Anspruch nach § 90 Abs. 5 AktG geltend machen, überzeugt dieser Lösungsvorschlag nicht164. Ein weiteres Problem ergibt sich aus dem unweigerlichen Erfordernis, dass nur natürliche oder juristische Personen Partei eines Prozesses sein können, wenn die Stellung eines Organmitglieds endet und eine Neubesetzung während des laufenden Verfahrens oder nach dessen Abschluss, aber vor Vollstreckung des Titels erfolgt165. Denn dadurch stellt jede Auswechslung eines Organmitglieds einen Parteiwechsel dar. Erfolgt nach Rechtskraft des Urteils die Veränderung im Kollegialorgan, ist notfalls gegen das Neumitglied erneut Klage zu erheben166. Demnach ist es nicht überzeugend, auf die Einbindung natürlicher Personen bei einem organinternen Streit, der gerichtlich ausgetragen werden soll, ab160 Vgl. die Beispiele bei Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 370 ff. 161 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 315; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 274; Hauswirth, Befugnisse und Pflichten, S. 168. 162 Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 16; Noack, DZWiR 1994, 341, 342. 163 BGH ZIP 2006, 2213, 2214; BGH AG 2009, 327; KG NZG 2011, 865, 866; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 112 Rn. 1; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, § 112 Rn. 1; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG. § 116 Rn. 4 ff.; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 112 Rn. 2; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 112 Rn. 1; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 369; Brandes, WM 2000, 53; Werner, ZGR 1989, 369, 381 f.; a.A. und von einer Annexkompetenz ausgehend Kleindiek, WuB II A § 112, AktG 1.88; kritisch auch Behr/Kindl, DStR 1999, 119, 123. 164 BGHZ 122, 342, 346; dem beipflichtend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 371. 165 Darauf verweisen Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 597; Lutter, Information und Vertraulichkeit, 3. Aufl., 2006, Rn. 236; Hess, ZZP 117 (2004), 267, 285; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 371. 166 Lewerenz, Leistungsklagen, S. 100 f.; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 21.

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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zustellen. Richtigerweise kann eine sachgerechte Lösung nur erzielt werden, wenn die Organisationsverfassung und die damit vorgegebene innerverbandliche Kompetenzaufteilung als maßgeblicher Orientierungspunkt herangezogen und damit die Rechtsfähigkeit von Organen nicht im Voraus ausgeschlossen wird.

II. Das Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat innerhalb der Aktiengesellschaft Die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft wurde bereits zu Beginn der Untersuchung umfassend beleuchtet. Dabei wurden die jeweiligen Funktionen beschrieben, die den aktienrechtlichen Organen zugewiesen sind. Die Funktionsträger der Aktiengesellschaft sind der Vorstand als Leitungsorgan, der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan und die Hauptversammlung als Willensbildungsorgan. Das Aktiengesetz hat diesen Organtrias jeweils bestimmte Kompetenzen zugeordnet, die damit zur Verwirklichung der Aktiengesellschaft beitragen167. Die Hauptversammlung als Willensbildungsorgan der Aktiengesellschaft verfolgt die Aufgabe, die Interessen der Gründer und Anteilseigner zu repräsentieren und entsprechenden Einfluss auf die Entwicklungen der Aktiengesellschaft auszuüben. Obwohl grundlegende Entscheidungen der Hauptversammlung vorbehalten sind (vgl. §§ 119, 179a AktG), ist ihr Einfluss verhältnismäßig schwach ausgeprägt168. Zurückzuführen ist dies zum einen auf die Ungeeignetheit der Hauptversammlung als Vertreter der Gesellschaft zu handeln, da ihr die notwendige korporative Binnenstruktur fehlt169. Zum anderen hat die historische Analyse zur Entwicklung der aktienrechtlichen Organisationsverfassung gezeigt, dass es aus dem Kreis der Anteilseigner immer wieder Versuche gab, Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben, um eigene Vorteile zu erlangen170. Die Kompetenzen, die das Handeln der Gesellschaft gewährleisten, obliegen daher dem Aufsichtsrat, der von der Hauptversammlung (und ggf. nach den Vorschriften der Mitbestimmung) gewählt wird sowie dem Vorstand, der vom Aufsichtsrat bestellt wird. Wollen Aktionäre gegen Entscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat vorgehen, so sind andere Wege zu bestreiten171. Ihre Befugnis leitet sich dann aus ihrem Mitgliedschaftsrecht her, und nicht aus einem Organrecht oder organmitgliedschaftlichen Recht172. 167 In Anlehnung an Bauer, Organklagen, S. 44, der von der Verwirklichung der juristischen Person spricht. 168 Vgl. dazu bereits oben § 8 C.I.4. 169 So Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 315; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 360. 170 Siehe dazu ausführlich die nachgezeichnete Entwicklung im 3. Kapitel. 171 Zur Aktionärsklage siehe Becker, Verwaltungskontrolle, S. 620; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 603; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 10; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 360, 385. 172 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 360.

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

Da die Hauptversammlung damit als Beteiligte eines Organstreits ausscheidet, ist das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat näher zu betrachten. Beide Organe stellen die Funktions- und Handlungsfähigkeit der Gesellschaft sicher. Sie sind verpflichtet, Entscheidungen zu treffen, die im Interesse der Gesellschaft liegen. Die Kompetenzordnung des Aktiengesetzes weist sowohl dem Vorstand als auch dem Aufsichtsrat konkrete Zuständigkeiten zu. Der Vorstand als Leitungsorgan und der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan sind so konzipiert, dass es grundsätzlich zu keinen Überschneidungen von Befugnissen kommen kann173. Der Aufsichtsrat wirkt aufgrund seiner Aufgaben grundsätzlich nur im Innenbereich der Gesellschaft, es sei denn, dass das Aktiengesetz eine Ausnahme davon vorsieht, vgl. § 112 AktG. Dagegen ist der Vorstand dasjenige Organ, das die Gesellschaft gegenüber Dritten vertritt. Dieses Handeln nach außen wird der Gesellschaft zugerechnet, selbst wenn interne Beschränkungen überschritten werden, vgl. § 82 Abs. 1 AktG. Jedoch bilden Vorstand und Aufsichtsrat aufgrund der zugeordneten Funktionen innerorganschaftliche Gegenpole, die in Konflikt geraten können. Bauer spricht aufgrund der vorhandenen Kompetenzaufteilung in Anlehnung an das im Staatsrecht geltende „Prinzip der Gewaltenteilung“ von einem „Prinzip der Funktionentrennung“, das in der Aktiengesellschaft vorherrsche174. Allerdings führe diese Einordnung nicht dazu, dass Organe, die als selbständige Wirkeinheiten agieren, selbst als juristische Person anzusehen sind175. Dennoch ist die ihnen zuzuschreibende korporative Struktur nicht von der Hand zu weisen176. Wichtig ist bei dieser Einordnung, dass die Prinzipien der dem öffentlichen Recht zugrundeliegenden gewaltenteiligen Struktur nicht ohne weiteres auf die Aktiengesellschaft übertragen werden können, sondern die Besonderheiten der aktienrechtlichen Materie hinreichend zu berücksichtigen sind177.

III. Rechtsbeziehungen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat im Innenrecht der Aktiengesellschaft Nachdem das grundlegende Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat dargelegt wurde, muss festgestellt werden, ob zwischen Vorstand und Aufsichtsrat und damit innerhalb der Aktiengesellschaft Rechtsbeziehungen bestehen. Wie bereits zum allgemeinen Verbandsrecht ausgeführt wurde, gewährleisten Organe die Handlungs- und Willensfähigkeit der juristischen Person und damit die

173

Dazu Bauer, Organklagen, S. 45. Bauer, Organklagen, S. 45. 175 Bauer, Organklagen, S. 47. 176 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 304; Bauer, Organklagen, S. 47. 177 So Teichmann, Gestaltungsfreiheit in Gesellschaftsverträgen, 1970, S. 114; ihm beipflichtend Bauer, Organklagen, S. 46. 174

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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Anerkennung als rechtsfähiges Subjekt178. Dies gilt ebenfalls für Vorstand und Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft. Der Vorstand ist der Vertreter der Aktiengesellschaft gegenüber Dritten, §§ 78 Abs. 2 AktG, 82 AktG. Dem Aufsichtsrat wird eine solche Vertretungsbefugnis nach § 112 AktG zuteil, wenn die Rechtsbeziehung einzelner Vorstandsmitglieder zur Gesellschaft betroffen ist. Beide Organe werden daher als Träger von Wahrnehmungs- und Durchgangszuständigkeiten tätig. Allerdings schließt diese Wahrnehmung von Zuständigkeiten nicht aus, dass auch innerhalb der Aktiengesellschaft und damit zwischen den Organen rechtliche Beziehungen existieren. Die dem Aktiengesetz zugrundeliegende Kompetenzordnung geht von keinem – zwischen den Organen bestehenden – Subordinationsverhältnis aus. Obwohl der Aufsichtsrat nach § 84 Abs. 1 AktG die einzelnen Vorstandsmitglieder auswählt, bestellt und abberufen kann, sind seine Einwirkungsbefugnisse auf den Vorstand gering179. Die Machtstruktur innerhalb der Aktiengesellschaft ist im wahrsten Sinne des Wortes ausgeglichen. Jedoch führen die den Organen zugewiesenen Befugnisse dazu, dass zwischen Vorstand und Aufsichtsrat eine gegenseitige Verknüpfung gegeben ist. Der Aufsichtsrat kann als Überwachungsorgan nur dann seine Funktion ausüben, wenn er über die Lage der Gesellschaft und die Leitung durch den Vorstand entsprechend informiert ist. Daher hat der Gesetzgeber in § 90 AktG eine Berichtspflicht konzipiert, die nicht nur als eine unverbindliche Empfehlung gilt, sondern gerichtlich durchgesetzt werden kann180. Würde man die Verrechtlichung der Berichtspflicht des Vorstands hinwegdenken, würde es zu einem innerorganisatorischen Machtkampf kommen, der außerhalb eines rechtlichen Rahmens ausgetragen wird und damit auch außerhalb sachlicher Argumente liegen würde. Das Aktiengesetz sieht aber noch weitere Regelungen vor, die das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat rechtlich gestalten. So hat der Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 2 AktG das Recht, Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen und den Vermögensbestand zu verlangen. Die Norm ist im Vergleich zur Berichtspflicht aus § 90 AktG restriktiv ausgestaltet, da ein weitergehendes Einsichtnahmerecht durch den Aufsichtsrat den Kompetenzbereich des Vorstands erheblich beeinträchtigen würde. Diese Zurückhaltung ist im Schrifttum zu Recht nicht ohne Kritik geblieben181. 178

Siehe dazu § 21 C.II. Zu den Maßnahmen des Aufsichtsrats zur Konfliktlösung siehe § 3 C. 180 Dies ist allgemeine Auffassung und wird selbst von den Kritikern von Organklagen bejaht, siehe dazu bereits § 19 B.I. 181 So weist Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 790 f. ausdrücklich darauf hin, dass dem Aufsichtsrat in einem konzerndimensionalen Hinblick weitergehende Einsichtnahmerechte zugestanden werden müssen. In Anlehnung an § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG müsse dem § 111 Abs. 2 Satz 1 AktG ein Satz zwei angefügt werden: „Ist die Gesellschaft Mutterunternehmen (§ 290 Abs. 1, des Handelsgesetzbuchs), so erstreckt sich die Befugnis aus Satz 1 auch auf Tochterunternehmen und auf Gemeinschaftsunternehmen (§ 310 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs.“ 179

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

Daneben ist der Aufsichtsrat seit dem TransPuG von 2002 verpflichtet182, einen Katalog von Zustimmungsvorbehalten aufzustellen, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. Damit wurde die Position des Aufsichtsrats in der Hinsicht gestärkt, dass er nicht nur als bloßes Überwachungsorgan tätig wird, sondern zugleich als mitunternehmerisches Organ auftritt und in dieser Funktion den Vorstand berät183. Diese Entwicklung ist auf die seit Mitte der 1990er Jahre in Deutschland diskutierte Corporate Governance zurückzuführen. Seitdem wurde das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat mit weiteren Regelungen ausgestaltet, die den Einfluss des Aufsichtsrats erweiterten und somit zu einer Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit beitrugen184. Holt der Vorstand im Vorfeld einer Maßnahme die Zustimmung nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG nicht ein oder verweigert der Aufsichtsrat die Zustimmung, muss dem Aufsichtsrat ein Mittel an die Hand gegeben werden, damit der Vorstand die Entscheidung akzeptiert. Zwar besteht die Möglichkeit, dass der Vorstand die Entscheidung der Hauptversammlung nach § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG einholen kann, jedoch findet dieses Konfliktlösungsmittel in der Praxis kaum Anwendung185. Daneben hat die Einführung des DCGK dazu geführt, dass sich das Zusammenwirken zwischen den Organen weiter verbessern soll. Es handelt sich beim DCGK um ein Instrument aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis, das keine unmittelbare Rechtswirkung hat186. Jedoch sind sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft nach § 161 AktG verpflichtet, darüber zu berichten, inwiefern den Empfehlungen des Kodex gefolgt wurde und wenn nicht, warum dies nicht geschah („comply or explain“)187.

182

Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität vom 19. Juli 2002, BGBl. I, S 2681. 183 Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 290 ff.; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 111 Rn. 5; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 111 Rn. 61 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 13; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 50 ff.; zur Wandlung der Organisationsverfassung und der Rolle des Aufsichtsrats siehe § 17 sowie Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 506 ff. 184 Zu dieser bereits Lutter, NJW 1995, 1133; Bürgers, NJW 2004, 3022; Roth, ZHR 2011, 605; Rubner/Fischer, NZG 2015, 782; vgl. zur Professionalisierung auch Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 764 ff. 185 Götz, ZGR 1990, 633, 644 f.; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 Rn. 719; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 AktG Rn. 148. 186 Zu den internationalen Hintergründen der Norm siehe Hopt, ZHR 175 (2011), 444 ff.; kritisch im Hinblick auf die Verfassungskonformität von § 161 AktG Wernsmann/Gatzka, NZG 2011, 1001; Spindler, NZG 2011, 1007 ff.; Krieger, ZGR 2012, 202, 216 f.; a.A. Bachmann, AG 2011, 181, 191; ausführlich zum Diskussionsstand Goette, in: MünchKomm. AktG, § 161 Rn. 22 m.w.N. 187 Zur Rechtsnatur des DCGK Ulmer, ZHR 166 (2002), 151, 158 ff.; zur Wirkweise von DCGK und Entsprechenserklärung Goette, in: MünchKomm. AktG, § 161 Rn. 22 ff. sowie 35 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 161 Rn. 1 ff.; Bayer/Scholz, in: Spindler/Stilz, AktG, § 161 Rn. 29 ff.

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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Damit wurde aufgezeigt, dass die innerhalb der Aktiengesellschaft zwischen Vorstand und Aufsichtsrat bestehenden Beziehungen als Rechtsbeziehungen anzusehen sind. Dass diesen keine Außenwirkung zukommt, ändert nichts an ihrer Einordnung als Rechtsbeziehungen188.

IV. Die Rechtssubjektivität von Vorstand und Aufsichtsrat In dieser Untersuchung wurde bereits festgestellt, dass die von der herrschenden Meinung vertretene Lehre vom Organrecht nicht völlig konsequent erscheint. Der Großteil der Befürworter legt ein altruistisch geprägtes Verständnis von der Rechtsfähigkeit zugrunde und differenziert zwischen einer vollumfänglichen Rechtsfähigkeit, die der natürlichen und juristischen Person zukomme und der relativen Rechtsfähigkeit, die Organen der juristischen Person zustehe189. Diese Differenzierung überzeugt nicht, da weder die natürliche noch die juristische Person als allumfassend rechtsfähig anzusehen sind, wie dies schon an anderer Stelle herausgearbeitet wurde190. Vielmehr gilt, dass jedes Rechtssubjekt als relativ rechtsfähig anzusehen ist, wenn ihm das Gesetz eigene wehrfähige Rechtspositionen zugesteht. Da das Handeln von Vorstand und Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft zugerechnet wird und beide in deren Interesse handeln, stellt sich die Frage, ob die Organe selbst Rechtsträger sein können oder als bloße Funktionsträger anzusehen sind191. Für die Qualifizierung als Funktionsträger spricht die von außen auf die Aktiengesellschaft gerichtete Sichtweise. Denn für einen Dritten sind die innerorganisatorisch getroffenen Entscheidungen nicht erkennbar; jegliches Handeln wird als Handeln der Aktiengesellschaft wahrgenommen. In dieser Eindeutigkeit sieht es auch die Vertretungsregelung nach § 78 Abs. 1 AktG. Allerdings wurde bereits festgestellt, dass diese außenrechtliche Sichtweise nicht für den Innenbereich der Aktiengesellschaft maßgeblich sein kann192. Im Innenbereich der Aktiengesellschaft bilden Vorstand und Aufsichtsrat aufgrund ihrer Aufgabenzuordnung Gegenpole und stehen sich daher gegenüber. Gesteht man den aktienrechtlichen Organen keine Rechtsfähigkeit zu, stellt es einen bloßen Akt der Willkür dar, welches Organ bei einem innerorganisatorischen Konflikt mit der Gesellschaft klagt und welches nicht193. Wie Bauer richtig feststellt, ist die Gefahr eines Insichprozesses, in dem auf beiden Seiten die

188

Dazu auch Bauer, Organklagen, S. 49. Vgl. etwa Bauer, Organklagen, S. 50. 190 Siehe dazu bereits § 21 C.II.3. 191 Teichmann, in: FS Mühl, 1981, S. 663, 667; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 271; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., Vorbem § 76 AktG Rn. 3. 192 Siehe dazu § 21 C.II.2. 193 So Hommelhoff, ZHR 1979, 288, 295, 306; Bauer, Organklagen, S. 50. 189

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

Gesellschaft steht, nur zu vermeiden, wenn man den streitenden Organen Rechtssubjektivität zuerkennt194. Es stellt sich damit die Frage, ob Vorstand und Aufsichtsrat selbst als Zuordnungssubjekte von Rechtssätzen angesehen werden können, durch die sie berechtigt oder verpflichtet werden. Gegen eine solche rechtliche Stellung der Organe könnte sprechen, dass die Aufgabenwahrnehmung nicht durch das Organ erfolgt, sondern durch die einzelnen, dem Organ angehörenden Mitglieder195. Hier kann der Wortlaut der betreffenden aktienrechtlichen Bestimmungen herangezogen werden: Dieser differenziert klar danach, ob dem Gesamtorgan eine Aufgabe zugewiesen wird – wie etwa § 111 Abs. 1 AktG die Pflicht zur Überwachung dem Aufsichtsrat aufträgt – oder ob einzelne Mitglieder des Organs Inhaber von Rechten oder Pflichten sind. Letzteres ist etwa in § 90 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 AktG sowie § 111 Abs. 6 AktG der Fall. Zudem wäre die Anknüpfung an die Organmitglieder von Nachteil, wenn diese aus dem Organ ausscheiden196. Gleiches gilt im Hinblick auf die Arbeitsorganisation innerhalb des Organs. Das Gesetz kann hier nur einen Rahmen vorgeben, wie etwa § 107 Abs. 3 AktG dies für Ausschüsse vorsieht, da interne Abläufe grundsätzlich von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich organisiert werden, je nach Art der Gesellschaft. Die einzelnen Organmitglieder sind hingegen verpflichtet, durch ein planmäßig organisiertes Zusammenwirken und in ihrer Verbundenheit das Funktionieren des Organs zu gewährleisten, wie es das Gesetz verlangt197. Nichts anderes kann für den Vorstand gelten. Auch hier knüpft das Gesetz in §§ 76 Abs. 1, 77 Abs. 2, 78 Abs. 1, 90 Abs. 1 AktG an den Vorstand als Gesamtorgan an. Zudem existieren Normen, die direkt das einzelne Mitglied berechtigen und verpflichten, §§ 76 Abs. 3, 77 Abs. 1 AktG. Folglich sind danach sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat als Gesamtorgan verpflichtet und berechtigt. Nachdem nun festgestellt wurde, dass nicht nur die den Organen angehörenden Mitglieder durch das Aktiengesetz verpflichtet und berechtigt werden, stellt sich nun die Frage, ob das Aktiengesetz Rechtsnormen beinhaltet, die Vorstand und Aufsichtsrat als Zurechnungsendsubjekte ausweist und nicht die Aktiengesellschaft selbst als ein solches ansieht. Ableiten lässt sich dies aus der den Organen zugewiesenen Funktionskompetenz. Diese gewährt ihnen Rechte zur Verwirklichung ihrer vom Gesetz vorgesehenen Pflichten198. So unterscheidet die Kompetenzverfassung der Aktiengesellschaft zwischen dem Vorstand als Leitungsorgan und dem Aufsichtsrat als Überwachungsorgan. Eine Aufweichung dieser Kompetenzzuordnung ist nach § 23 Abs. 5 AktG nicht möglich. Mit der Leitungskompetenz des 194 195 196

hin. 197

Bauer, Organklagen, S. 51. Vgl. dazu auch die Bedenken bei Bauer, Organklagen, S. 52. Darauf weist Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 371

Vgl. Hommelhoff, ZHR 1979, 288, 293; Bauer, Organklagen, S. 52. Bauer, Organklagen, S. 53; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 376. 198

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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Vorstands aus § 76 Abs. 1 AktG und der Überwachungskompetenz aus § 111 Abs. 1 AktG sind weitere Rechte bzw. Pflichten der Organe verknüpft. Diese in der Literatur als „sekundäre Hilfsrechte“199 bezeichneten Befugnisse wie § 90 Abs. 1 AktG oder § 111 Abs. 2 AktG dienen dazu, die jeweilige, den Organen zugeordnete Aufgabe entsprechend effektiv und mit hinreichender Sorgfalt auszuüben. Der Wortlaut der Normen belegt, dass allein der Vorstand oder der Aufsichtsrat verpflichtet oder berechtigt werden sollen. Mithin gelten sie im Innenbereich der Aktiengesellschaft als „Endpunkte der Zurechnung“200 und damit als sogenannte Zuordnungsendsubjekte. Dass sie nicht nur als „Durchgangssubjekte“ agieren, die das Handeln der Aktiengesellschaft zurechnen, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass in einem solchen Fall die Gesellschaft sowohl Überwacher als auch Überwachter wäre201. Aufsichtsrat und Vorstand handeln zwar im Interesse der Aktiengesellschaft, damit aber zugleich in einem eigenen, jeweils organspezifischen Interesse, das dem Interesse der Gesellschaft nicht zuwiderläuft202. Dies wurde bereits in Bezug auf die juristische Person dargelegt und kann ohne weiteres auf die Aktiengesellschaft übertragen werden. Für die Frage der Rechtssubjektivität kommt es zunächst allerdings darauf an, dass das Gesetz im Innenbereich der Aktiengesellschaft den Organen Pflichten zuordnet, die zugleich eine Rechtszuständigkeit der Organe begründet. Wie eben festgestellt wurde, ist der Vorstand als Leitungsorgan und der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan Träger der ihnen zugeordneten Rechte und Pflichten, sodass ihnen Rechtssubjektivität zukommt203.

V. Vorstand und Aufsichtsrat als Inhaber subjektiver Rechte 1. Die Bestimmung der den aktienrechtlichen Organen zugeordneten Organrechte als subjektive Rechte Sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat sind damit Rechtssubjekte, denen die Rechtsordnung Kompetenzen zuordnet, um die Handlungsfähigkeit der Aktiengesellschaft zu gewährleisten. Die Gesamtheit der den Innenbereich der Aktiengesellschaft regelnden Vorschriften – so wurde bereits ausgeführt – ist aufgrund dieser

199 Siehe auch Bauer, Organklagen, S. 110, der von sekundären Hilfsbefugnissen spricht oder K.Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 215, 224, der von sekundären Organpflichten spricht. 200 Bauer, Organklagen, S. 53; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 375. 201 In diesem Sinne Bauer, Organklagen, S. 53; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 376 f. 202 Siehe bereits dazu § 8 B.II. sowie § 8 B.IV. als auch zum subjektiven Recht in der Aktiengesellschaft § 21 C.III.3. 203 Ebenso Bauer, Organklagen, S. 54.

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

innerorganisatorischen Zuordnung von Rechten und Pflichten und der zwischen den Organen bestehenden Existenz von Rechtsbeziehungen als Innenrecht anzusehen204. Es stellt sich nun im Hinblick auf die Aktiengesellschaft die Frage, ob die den Organen zugeordneten Organrechte als subjektive Rechte angesehen werden können. Die überwiegende Auffassung – und darunter befindet sich die überwiegende Anzahl von Befürwortern von Organklagen – lehnt die Qualifizierung als subjektive Rechte ab205. Das darin zugrundeliegende Verständnis vom Begriff des subjektiven Rechts geht von einer, dem Individuum verliehenen allumfassenden Rechtsmacht zur Durchsetzung eigener Interessen aus206. Organe weisen danach eine solche Rechtsmacht nicht auf und können nicht Inhaber subjektiver Rechte sein. Dass diese Einordnung allerdings fehl geht, wurde bereits im Rahmen dieser Untersuchung festgestellt207. Weder der natürlichen Person noch der Aktiengesellschaft als juristische Person kommt eine allumfassende Rechtsmacht zu – beide sind in ihren Wirkbereichen relativ rechtsfähig208. Dennoch sollen sie nach einhelliger Auffassung Inhaber subjektiver Rechte sein. Diese Einordnung ist – insbesondere wenn man den historischen Streit über die Anerkennung der juristischen Person berücksichtigt – nicht überzeugend. Der Begriff des subjektiven Rechts ist vielmehr in Anlehnung an Bork und Jacoby weiter zu fassen und daher ein rein formales Verständnis zugrunde zu legen209. Ein subjektives Recht ist dann gegeben, wenn dem Normadressaten eine Verhaltensberechtigung zugestanden wird und zugleich nur der Adressat befugt ist, dieses Verhalten auszuüben, ihm folglich eine Schutz- und Ausschließlichkeitsgewähr zukommt210. Ergänzend zu Bork handelt das Organ im eigenen Interesse und ist frei darin, über das subjektive Recht zu disponieren. Die Befugnisse von Vorstand und Aufsichtsrat können nach verschiedenen Kategorien getrennt werden: Neben den Informationsrechten (2.) sind Kompetenzschutzrechte (3.) und allgemeine Kontrollrechte (4.) zu unterscheiden.

204 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 375 f.; Bauer, Organklagen, S. 53; Bork, ZGR 1989, 1, 13. 205 Bauer, Organklagen, S. 65; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 378 f.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 302 f.; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 590. 206 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 379; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 592. 207 Siehe § 21 C.III. 208 Kritisch dazu bereits Thoma, in: Handbuch des deutschen Staatsrechts, Band II, 1932, S. 611; siehe ebenso oben § 21 C.II.1. 209 Bork, ZGR 1989, 1, 13; Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 463; siehe zudem ausführlich bereits § 21 C.III.3. 210 So grundlegend Bork, ZGR 1989, 1, 10 ff.

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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2. Die Informationsrechte von Vorstand und Aufsichtsrat a) Aktienrechtliche Verhaltensberechtigungen von Vorstand und Aufsichtsrat Das Aktiengesetz spricht den Organen verschiedene Verhaltensberechtigungen zu. Explizit werden dem Aufsichtsrat in §§ 90 Abs. 1, Abs. 3, 111 Abs. 2, 170 AktG Informationsrechte eingeräumt, die zugleich durchsetzbare Rechtspositionen darstellen211. Es ist dabei unerheblich, ob das Gesetz an die Pflicht des Vorstands anknüpft (so § 90 Abs. 1 AktG) oder dem Aufsichtsrat eine Berechtigung zum Handeln gewährt (so § 90 Abs. 3 AktG). Auch aus materiellrechtlicher Sicht können die Informationsrechte nur den Organen zugeordnet sein, da ihnen auch jeweilig die Hauptbefugnis – Überwachung durch den Aufsichtsrat (§ 111 Abs. 1 AktG) und Leitung durch den Vorstand (§ 76 Abs. 1 AktG) – zugewiesen ist212. Es überzeugt daher nicht, eine Zuordnung an die Aktiengesellschaft anzunehmen, wie dies andere Stimmen befürworten213. Der Aktiengesellschaft steht weder die Kompetenz zur Überwachung noch zur Leitung zu. Das Gesetz knüpft hierbei allein an die Organe an – nicht an die Gesellschaft. Im Übrigen ergibt sich für Informationsbefugnisse des Vorstands nichts anderes214. b) Schutz- und Ausschließlichkeitsgewähr durch aktienrechtliche Bestimmungen Die Verhaltensweisen zur Informationsversorgung knüpfen ausschließlich an die Organe selbst an. Der Aufsichtsrat ist berechtigt, Berichte nach § 90 Abs. 3 AktG oder Einsichtnahme nach § 111 Abs. 2 AktG zu verlangen. Zudem ist der Vorstand verpflichtet, nach § 90 Abs. 1 AktG an den Aufsichtsrat zu berichten. Dabei handelt es sich um – wie Bork treffend formuliert – „reservierte“ Verhaltensberechtigungen, die dem Aufsichtsrat das Recht zugestehen, vom Vorstand Informationen zu fordern215. Allerdings steht nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG die Befugnis zum Berichtsverlangen an den Aufsichtsrat auch dem einzelnen Organmitglied zu. Jedoch ist auch in diesem Fall allein der Aufsichtsrat Adressat des Berichts, nicht das Organmitglied allein. Demnach ist ein besonderer Sanktionsschutz auch in diesem Falle nicht notwendig216. 211

Siehe dazu bereits § 19 B.I. Ebenso Bork, ZGR 1989, 1, 17; Bauer, Organklagen, S. 110; Hommelhoff, ZHR 1979, 288, 301; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 383. 213 So vor allem H. Westermann, in: FS Bötticher, 1969, S. 369, 377 ff.; Flume, Die juristische Person, § 11 V, S. 406; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 108 f.; K. Schmidt, Informationsrechte, S. 18; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 4; ebenso Koch, in: Hüffer/Koch, § 90 Rn. 19; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 90 Rn. 69 f. 214 Bork, ZGR 1989, 1, 17. 215 Bork, ZGR 1989, 1, 16. 216 Dazu bereits Bork, ZGR 1989, 1, 16 Fn. 63. 212

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

c) Handeln im Organinteresse und Disponibilität der Verhaltensberechtigung Abweichend von Borks Definition des subjektiven Rechts ist es jedoch erforderlich, dass das Organ im eigenen Interesse handelt und über das Recht frei disponieren kann. Nach den oben angestellten Überlegungen ergibt sich das Organinteresse aus dem Gebot zur Verwirklichung der dem Organ zugewiesenen Kompetenzen und den damit einhergehenden Befugnissen zum Schutz dieser Kompetenzen durch das Organ217. Der Aufsichtsrat ist nach § 111 Abs. 1 AktG verpflichtet, die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe dienen vor allem die ihm zur Verfügung gestellten Informationsrechte wie § 90 Abs. 1 AktG. Die Ausübung dieser Rechte dient wiederum der Verwirklichung seiner Position als Überwachungsorgan. Demnach handelt der Aufsichtsrat bei Geltendmachung des Berichtsverlangens im eigenen Interesse. Ob der Aufsichtsrat jedoch dieses Informationsmittel gebraucht, indem er es gerichtlich geltend macht, liegt grundsätzlich in der Entscheidungshoheit des Aufsichtsrats selbst. Von einer Pflicht zum Einschreiten wird man erst dann ausgehen müssen, wenn überdies das Interesse des Unternehmens betroffen ist. Wie bereits unter § 8 B.IV. ausgeführt wurde, ist das Unternehmensinteresse dann berührt, wenn die Existenz des Unternehmens gefährdet ist oder eine erhebliche Beeinträchtigung im vermögensrechtlichen Sinne erfolgt. Zudem ist es nicht auszuschließen, dass eine besondere Beeinträchtigung des Unternehmensinteresses bereits mit einer schweren Verletzung des innerorganisatorischen Störungsverbots gegeben ist. Diese Pflicht stellt allerdings keinen Widerspruch zum Merkmal der Disponibilität des subjektiven Organrechts dar. Vielmehr führt die Betroffenheit des Verbandsinteresses dazu, dass der innerverbandliche Geltungsbereich verlassen wird und somit der Wirkbereich des subjektiven Organrechts endet. Trotzdem ändert dies nichts an der Einordnung als subjektives Recht. 3. Kompetenzschutzrechte a) Aktienrechtliche Verhaltensberechtigungen von Vorstand und Aufsichtsrat Die einzelnen, den Organen vom Aktiengesetz zugeordneten Kompetenzen wie die Leitungskompetenz des Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG und die Überwachungskompetenz des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 1 AktG stellen als solche keine subjektiven Rechte dar218. Vielmehr erfolgt damit allein eine Beschreibung der Aufgaben des Organs, jedoch ohne dabei etwaig bestehende Verhaltensspielräume 217

Siehe oben § 21 C.III.3.; zuvor bereits D. Lorenz, AöR 93 (1968), 308, 320 f. Bork, ZGR 1989, 1, 18; Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 213 ff.; Hoppe, DVBl 1970, 845, 847 Fn. 21; a.A. jedoch H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 95. 218

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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gegenüber anderen Organen festzulegen. Dennoch muss es sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat möglich sein, Eingriffe des anderen Organs in den eigenen Kompetenzbereich abzuwehren. Fraglich ist dabei nur, wie ein solches Abwehrrecht i.S.e. Kompetenzschutzrechts dogmatisch herzuleiten ist. Nach Bauer sei die Kompetenz der Organe ein „subjektives Recht im weiteren Sinne“, da damit zugleich die zur Kompetenz gehörenden Einzelbefugnisse erfasst werden219. Bork weist in seiner Untersuchung jedoch darauf hin, dass aus dieser Einordnung nicht folgen könne, dass das Störungsverbot nicht bereits aus dem Begriff des subjektiven Rechts folgen, sondern sich allein aus dem materiellen Recht ergeben müsse220. Die den Organen zustehende Verhaltensberechtigung ergibt sich aus der jeweils anzutreffenden Konfliktsituation: Sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat nehmen spezielle Kompetenzen wahr, die ihnen durch die aktienrechtliche Organisationsverfassung zugewiesen sind. Weiterhin enthält das Aktiengesetz keine Berechtigung für ein Organ, in die Kompetenz eines anderen Organs „hineinzuregieren“221. Die Kompetenzwahrnehmung durch die Organe und den damit durch den Gesetzgeber festgeschriebenen Rahmen, nur innerhalb des Kompetenzbereichs zu agieren und nicht in fremde Kompetenzbereiche einzudringen, belegt sowohl den Bedarf als auch die Existenz eines allgemeinen, aber ungeschriebenen innerorganisatorischen Störungsverbots222. Der Kompetenzbereich eines Organs bildet somit die „Grundlage subjektiver Abwehrrechte“ in der Form, dass bei einer Verletzung des Kompetenzbereichs zugleich eine Verletzung des allgemeinen, ungeschriebenen innerorganisatorischen Störungsverbots vorliegt. Allerdings fehlt die Verknüpfung mit einer konkreten – geschriebenen oder ungeschriebenen – Verhaltensberechtigung, sodass das allgemeine Störungsverbot nicht als subjektives Recht eingeordnet werden kann223. Allerdings verdichtet sich dieses allgemeine Störungsverbot zu einem subjektiven Recht, wenn eine Verletzung der organschaftlichen Rechtsbeziehungen erfolgt oder nur droht und unmittelbar bevorsteht224. Die Verhaltensberechtigung zur Abwehr ergibt sich hier aus der Art der Verletzung und kann sowohl in der Feststellung der rechtswidrigen Handlung als auch in der Vornahme oder Unterlassung von Maßnahmen bestehen225.

219 220 221 222 223 224 225

Bauer, Organklagen, S. 59. Bork, ZGR 1989, 1, 18. So bereits Bork, ZGR 1989, 1, 19. Neben Bork, ZGR 1989, 1, 12, 19 f.; Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 724. So bereits Bork, ZGR 1989, 1, 19. Bork, ZGR 1989, 1, 19. Ebenso Bork, ZGR 1989, 1, 19.

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

b) Schutz- und Ausschließlichkeitsgewähr durch aktienrechtliche Bestimmungen Konkrete aktienrechtliche Bestimmungen, die Eingriffe in den Kompetenzbereich gewähren lassen oder Kompetenzabwehrrechte vorsehen, sind dem Aktiengesetz nicht zu entnehmen. Allerdings wurde bereits auf die durch § 23 Abs. 5 AktG festgeschriebene Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft eingegangen, die Vorstand und Aufsichtsrat konkrete Kompetenzbereiche zuweist. Folglich kann eine erfolgte oder noch unmittelbar bevorstehende Kompetenzverletzung allein von dem betroffenen Organ abgewehrt werden. Auch hier kann eine Anknüpfung an die Aktiengesellschaft als Betroffene aus den bereits oben erwähnten Gründen nicht überzeugen226. Ob das einzelne Organmitglied berechtigt ist, das allgemeine Störungsverbot des Aufsichtsrats aus eigenem oder aus fremden Recht und damit in Prozessstandschaft geltend machen kann, wird unter § 22 D.II. explizit diskutiert. Grundsätzlich liegt die Zuständigkeit einer (unmittelbar bevorstehenden) Organverletzung auch nur bei dem Gesamtorgan und nicht bei einzelnen Mitgliedern. c) Handeln im Organinteresse und Disponibilität der Verhaltensberechtigung Nach den oben angestellten Überlegungen ergibt sich das Organinteresse aus dem Gebot zur Verwirklichung der dem Organ zugewiesenen Kompetenzen und den damit einhergehenden Befugnissen zum Schutz dieser Kompetenzen durch das Organ227. Der Aufsichtsrat ist nach § 111 Abs. 1 AktG verpflichtet, die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen. Verletzt der Vorstand den Kompetenzbereich des Aufsichtsrats ist Letzterer in seiner Aufgabenwahrnehmung beeinträchtigt und nicht mehr fähig, die ihm vom Gesetz zugewiesene Überwachungsfunktion wahrzunehmen. Die Geltendmachung von Abwehrrechten liegt damit im Interesse des Aufsichtsrats. Auch hier gilt das Gleiche, wenn der Aufsichtsrat in den Kompetenzbereich des Vorstands eindringt228. Richtigerweise können die Organe im Grundsatz frei darüber disponieren, ob und wie sie ihre Organrechte ausüben. Das Organ ist nicht gehalten, gegen die Störung vorzugehen, sondern kann auf anderem Wege versuchen, den Konflikt zu beenden. Dies folgt aus der Tatsache, dass das innerorganisatorische Störungsverbot ansonsten in einen allgemeinen Kompetenzwahrungsgrundsatz verkehrt werde229. Allerdings ist das Organ bei der Verletzung von Kompetenzen dann zum Einschreiten verpflichtet, wenn wiederum das Unternehmensinteresse betroffen ist. 226 227 228 229

Siehe zur Rechtssubjektivität der Organe § 22 C.IV. Siehe oben § 21 C.III.3.; zuvor bereits D. Lorenz, AöR 93 (1968), 308, 320 f. Zu möglichen Fallkonstellationen siehe § 28 B.II. So bereits Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 724 f.

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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Dieses liegt vor, wenn die Existenz des Unternehmens gefährdet ist oder eine erhebliche Beeinträchtigung im vermögensrechtlichen Sinne erfolgt. Zudem ist es nicht auszuschließen, dass eine besondere Betroffenheit des Unternehmensinteresses bereits mit einer schweren Verletzung des innerorganisatorischen Störungsverbots gegeben ist. Wie bereits dargestellt wurde, ändert die Pflicht zum Einschreiten nicht die Einordnung des Organrechts als subjektives Recht230. 4. Allgemeine Verhaltenskontrolle a) Das „Für“ und „Wider“ Es stellt sich damit die Frage, ob der Aufsichtsrat berechtigt ist, im Klagewege auf rechtmäßiges Verhalten des Vorstands hinzuwirken. Eine solche Befugnis wird man dem Aufsichtsrat überhaupt nur für den Bereich zugestehen, der nicht vom Ermessensspielraum des Vorstands aufgrund Geltung der Business Judgment Rule (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG) abgedeckt ist231. Die Befürworter einer solchen Befugnis verweisen darauf, dass ein Einschreiten den Kompetenzbereich des Vorstands gar nicht verletzen könne, da dessen Leitungsautonomie eben gerade nicht rechtswidrige Vorstandshandlungen abdecke232. Zudem müsse dem Aufsichtsrat die Möglichkeit zustehen, einen potentiell eintretenden Schaden von der Gesellschaft abzuwenden, wenn Anzeichen bestehen, das eine Maßnahme des Vorstands einen solchen heraufbeschwöre233. Es liege auch im Interesse der Gesellschaft, wenn schwere Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften vermieden werden234. Insbesondere Raiser verweist auf allgemeine zivilrechtliche Grundsätze, wonach den restitutiven Ansprüchen (Schadensersatz), präventive Ansprüche (Unterlassung) zur Seite gestellt werden müssen235. Dass der Aufsichtsrat erst abwarten solle, bis der Schaden eingetreten sei, könne nicht überzeugen. Eine Klage auf Unterlassung sei nach Raiser nur zulässig, wenn der Vorstand unrechtmäßig handelt236. Je schwerer die Verletzung sei, desto intensiver müsse der Aufsichtsrat eine Klage gegen den Vorstand prüfen237. 230

Vgl. dazu § 21 C.III.6. So bereits Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 386. 232 Raiser, AG 1989, 185, 188 f.; zuvor bereits Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, AktG, § 82 Rn. 36. 233 Dazu Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 93 Rn. 606; Arlt, DZWiR 2007, 177, 181 f.; dem grundsätzlich beipflichtend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 386 f. 234 Raiser, ZGR 1989, 44, 64 f.; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 12; H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 96. 235 So Raiser, ZGR 1989, 44, 85; Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 104; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 5; Grunewald, DB 1981, 407, 408. 236 Raiser, ZGR 1989, 44, 64 f.; ebenso Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 12 f. 237 Raiser, ZGR 1989, 44, 64 f.; H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 94 ff. 231

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

Nicht erfasst seien jedoch unzweckmäßige Geschäftsführungsmaßnahmen238. Bei diesen beschränken sich die Handlungsalternativen des Aufsichtsrats auf Information, Meinungsäußerung und Beratung239. Unterschiedliche Sichtweisen existieren allerdings bei den Befürwortern einer allgemeinen Verhaltenskontrolle im Hinblick auf die beteiligten Prozessparteien. Während Hopt/Roth und Stodolkowitz eine Klage der Gesellschaft gegen die einzelnen Vorstandsmitglieder, vertreten durch den Aufsichtsrat, präferieren240, nehmen Raiser und H. Bitter eine Klage des Aufsichtsrats gegen den Vorstand an241. Die überwiegende Auffassung lehnt eine sog. allgemeine Verhaltenskontrolle in Form einer Leistungsklage gegen den Vorstand durch den Aufsichtsrat ab242. So würde ein solches Recht in die Leitungsautonomie des Vorstands, die ihm durch § 76 Abs. 1 AktG eingeräumt werde, eingreifen243. Zwar sei rechts- und satzungswidriges Verhalten nicht von diesem Schutz erfasst. Jedoch werde der Vorstand einen solchen Vorwurf jederzeit bestreiten244. Insbesondere werde der Vorstand gehindert, seine Geschäftsführungsaufgaben – zumindest vorübergehend – wahrzunehmen und darüber hinaus genötigt, getroffene Entscheidungen vor Gericht zu verteidigen245. Damit gefährde man das Funktionieren der Führung der Gesellschaftsgeschäftsführung und die Existenz der Gesellschaft selbst.

238

A.A. hingegen Grunewald, DB 1981, 407, 408. Raiser, ZGR 1989, 44, 63. 240 Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 10 ff.; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 93 Rn. 605. 241 Raiser, ZGR 1989, 44, 57 ff.; ders., AG 1989, 185, 188 f.; Raiser/Veil, KapGesR, § 14 Rn. 104; H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 94 ff. 242 Lewerenz, Leistungsklagen, S. 115 f., S. 121 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 197 ff.; 202 f.; Bauer, Organklagen, S. 119 ff.; Bork, ZGR 1989, 1, 20 f.; Pflugradt, Leistungsklagen, S. 117, 126, 155 ff.; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 279 ff.; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 230, der jedoch Feststellungsklagen hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer Maßnahme anerkennen will, um mögliche Prozesse nach der Abberufung des Vorstands zu vermeiden; ebenfalls ablehnend Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., Vorbem § 76 Rn. 5 f., vermittelnd hingegen noch Mertens, in: KölnKomm. AktG, 1. Aufl., Vorbem § 76 Rn. 5. 243 Vgl. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 387; Bauer, Organklagen, S. 120; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 279 f.; Bork, ZGR 1989, 1, 21; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 363, 366; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 232; Mertens, ZHR 154 (1990), 24, 29 f. 244 So ebenfalls Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 387. 245 Mertens, ZHR 154 (1990), 24, 29 f.; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 232; Bauer, Organklagen, S. 120. 239

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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b) Die Existenz subjektiver Rechte als notwendige Voraussetzung aktienrechtlicher Organstreitigkeiten Die bisherige Untersuchung hat für Informations- und Kompetenzschutzrechte von Vorstand und Aufsichtsrat aufgezeigt, dass als Voraussetzung für einen Organstreit die Organe Inhaber subjektiver Rechte sein müssen. Nach dem hier vertretenen Begriff des subjektiven Rechts ist ein solches gegeben, wenn den Organen eine mit Schutz- und Ausschließlichkeitsgewähr ausgestattete Verhaltensberechtigung zukommt, die sie im eigenen Interesse und damit grundsätzlich frei disponibel ausüben können. Das Aktiengesetz sieht für Informationsrechte bzw. -pflichten ausdrückliche Verhaltensberechtigungen im Sinne eines solchen subjektiven Rechts vor, vgl. §§ 90, 111 Abs. 2 AktG. Für die Abwehr von Kompetenzverletzungen sieht das Gesetz keine entsprechende Verhaltensberechtigung vor. So sind die den Organen zugeordneten Kompetenzen keine subjektiven Rechte, sondern bloße Aufgabenbeschreibungen. Jedoch bildet der Kompetenzbereich die „Grundlage subjektiver Abwehrrechte“. So stellt die Verletzung der Kompetenz zugleich eine Verletzung des allgemeinen, ungeschriebenen innerorganschaftlichen Störungsverbots dar. Zwar ist auch dieses kein subjektives Recht, jedoch verdichtet sich das Störungsverbot zu einem subjektiven Recht, wenn eine Verletzung der organschaftlichen Rechtsbeziehungen droht246. Eine allgemeine Verhaltenskontrolle gegenüber dem Vorstand wäre damit nur möglich, wenn dem Aufsichtsrat ein subjektives Organrecht auf gesetzes- und satzungsmäßiges Verhalten des Vorstands zukommt247. Allein H. Bitter bejaht die Existenz eines solchen Rechts248. Für Raiser sei hingegen das Bestehen solcher Organrechte nicht maßgeblich für die Zulässigkeit des Organstreits und damit auch nicht für eine allgemeine Verhaltenskontrolle durch den Aufsichtsrat. Wer nach ihm subjektive Rechte annehme, tue „den Strukturen im Inneren einer Korporation Gewalt an“249. Richtigerweise enthält das geltende Aktienrecht keine Verhaltensberechtigung für den Aufsichtsrat, in die Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands einzugreifen250. Erforderlich ist dafür die eigene Betroffenheit. Weder die Verletzung von Kompetenzen der Hauptversammlung noch die Absicht, rechtswidrige Geschäftsführungsmaßnahmen durchzuführen, berechtigen den Aufsichtsrat als „nicht betroffenes Organ“ vorbeugend einzuschreiten251. Etwas anderes gilt allerdings, wenn die Hauptversammlung den Aufsichtsrat ermächtigt, gegen die Kompetenzverlet246

So zuvor bereits Bork, ZGR 1989, 1, 19. Vgl. Bork, ZGR 1989, 1, 21. 248 H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 95. 249 Raiser, AG 1989, 185, 187. 250 Bork, ZGR 1989, 1, 21. 251 Ebenso Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 389; Bork, ZGR 1989, 1, 21; Bauer, Organklagen, S. 119 ff.; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 231 ff.; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 279 f. 247

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

zung vorzugehen. In diesem Fall vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft nach § 112 AktG. Welche Möglichkeiten dem Aufsichtsrat bei rechtswidrigem Vorstandshandeln eröffnet sind, soll unter § 28 C. ausführlich erörtert werden. 5. Zusammenfassung Die vorgehende Untersuchung hat aufgezeigt, dass die Organe der Aktiengesellschaft Inhaber subjektiver Rechte sind. Insofern besteht kein Unterschied zu dem bisher Gesagten über die Organe der juristischen Person. Allerdings ergeben sich auch aktienrechtliche Besonderheiten: So ergibt sich aus der aktienrechtlichen Organisationsverfassung, dass vor allem der Aufsichtsrat mit Befugnissen ausgestattet ist. Dies zeigt sich deutlich an den Informationsrechten (§ 90 AktG sowie § 111 Abs. 2 AktG), die ihm das Aktiengesetz ausdrücklich gewährt. Allerdings muss Entsprechendes für etwaige (ungeschriebene) Informationsrechte des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat gelten. Das den Organen zustehende Recht auf Kompetenzschutz leitet sich nicht bereits aus der vom Gesetz gewährten Kompetenz ab, sondern erfordert eine (bevorstehende) Verletzung der dem Organ zugewiesenen Kompetenz durch das andere Organ. Eine allgemeine Verhaltenskontrolle durch den Aufsichtsrat ist nicht möglich, da weder das geschriebene noch das ungeschriebene Aktienrecht dem Aufsichtsrat ein subjektives Recht gewährt. An anderer Stelle wird noch darauf einzugehen sein, welche Möglichkeiten dem Aufsichtsrat zur Verfügung stehen, um ein etwaiges rechtswidriges Verhalten des Vorstands zu verhindern252.

D. Rechtsfähigkeit und subjektive Rechte von Organmitgliedern, Ausschüssen und Gruppen I. Allgemeines Nachdem für Vorstand und Aufsichtsrat festgestellt wurde, dass sie rechtsfähige Innenrechtssubjekte darstellen und Inhaber subjektiver Rechte sind, stellt sich die Frage, ob Vergleichbares für die dem Organ angehörenden Organteile gilt.

II. Die Stellung des Organmitglieds 1. Die Übertragbarkeit der Erkenntnisse zur juristischen Person Für die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat kann auf die grundlegenden Ausführungen zu den Organmitgliedern der juristischen Person verwiesen werden. 252

Siehe § 28 C.

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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So gilt auch für diese, dass zwischen den persönlichen Rechten und denjenigen Rechten, die zur Verwirklichung der organmitgliedschaftlichen Tätigkeit eingeräumt werden, zu differenzieren ist. Letztere sind vorliegend maßgeblich für die Qualifizierung der Befugnisse als subjektive Rechte. Es handelt sich bei den Befugnissen dann um subjektive Rechte, wenn dem Organmitglied ein Verhaltensspielraum gewährt wird, der diesem ausschließlich zusteht und er bei Wahrnehmung der Befugnisse im eigenen organmitgliedschaftlichen Interesse handelt. Das Aktiengesetz enthält explizit nur Bestimmungen, die die Befugnisse der Mitglieder des Aufsichtsrats enthalten. Es bietet sich wiederum an, die bereits für Vorstand und Aufsichtsrat nach Informationsrechten, Kompetenzschutzrechten und der allgemeinen Verhaltenskontrolle vorgenommene Unterscheidung auch hier vorzunehmen. 2. Informations- und Beteiligungsrechte der Organmitglieder als subjektive Rechte a) Intra- und Interorganrechte der Organmitglieder Die Informationsrechte der Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstands können in Anlehnung an Säcker nach Befugnissen, die gegenüber dem eigenen Organ bestehen („Intraorganrechte“) und Befugnissen, die gegenüber einem anderen Organ bestehen („Interorganrechte“) eingeordnet werden253. Das Gesetz regelt selbst Informations- und Teilhaberechte des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds. Intraorganrechte können gegenüber dem Aufsichtsrat selbst, den Aufsichtsratsvorsitzenden oder anderen Mitgliedern bestehen. So hat nach § 90 Abs. 5 Satz 1 AktG jedes Mitglied das Recht, von den Berichten, die der Vorstand dem Aufsichtsratsvorsitzenden mitgeteilt hat, Kenntnis zu nehmen. Nach Satz 3 ist der Vorsitzende des Aufsichtsrats verpflichtet, in der nächsten Aufsichtsratssitzung zu berichten, wenn ihm vom Vorstand nach § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG – aus einem sonstigen wichtigen Anlass – berichtet wurde. Nach § 170 Abs. 3 AktG ist jedes Mitglied berechtigt, von den Vorlagen und Prüfungsberichten, die der Vorstand dem Aufsichtsrat zuvor mitgeteilt hat, Kenntnis zu nehmen. Daneben enthält das Aktiengesetz Bestimmungen, die das Teilhaberecht des einzelnen Mitglieds betreffen. Nach § 110 Abs. 1 und Abs. 2 AktG wird dem Mitglied die Befugnis gewährt, auf die Einberufung des Aufsichtsrats einzuwirken bzw. bei Nichtbeachtung, den Aufsichtsrat selbst einzuberufen. § 107 Abs. 2 Satz 4 AktG gewährt den Mitgliedern das Recht, eine Abschrift der Sitzungsniederschrift zu verlangen. Insbesondere wenn es um entsprechende Befugnisse des einzelnen Vorstandsmitglieds geht, die gegenüber dem Gesamtorgan bestehen, wird man vergleichbare 253

Säcker, NJW 1979, 1521 ff.; sich ihm anschließend Bork, ZGR 1989, 1, 32.

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

Informations- und Teilhaberechte der Mitglieder auf den Wirkbereich „Vorstand“ übertragen können, sollten sie nicht bereits in der Geschäftsordnung des Vorstands vorhanden sein. Ebenfalls als Intraorganrecht ist die Befugnis des einzelnen Mitglieds anzusehen, gegen fehlerhaft zustande gekommene Aufsichtsratsbeschlüsse zu klagen254. Dabei ist es nicht erforderlich, eine Analogie zu §§ 241 ff. AktG zu ziehen, da zum einen die dort normierten Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe ganz auf die Hauptversammlung zugeschnitten sind und zum anderen einige Verfahrensregeln (z. B. Widerspruch zu Protokoll, starre Monatsfrist für Anfechtung) nicht zum Aufsichtsrat passen255. Richtigerweise ist nach Art und Schwere der Mängel zu differenzieren und eine Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 256 ZPO die richtige Klageart256. Richtiger Klagegegner ist, entgegen der weit verbreiteten Auffassung nicht die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand257, sondern – da es sich um eine intraorganrechtliche Streitigkeit handelt – der Aufsichtsrat258. Die Rechtskraft eines auf der erfolgreichen Feststellungsklage beruhenden Urteils wirkt für und gegen alle Aktionäre und Organmitglieder. Hier bietet es sich an, eine punktuelle Analogie zu § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG zu bejahen, da eine anderweitige gesetzliche Grundlage nicht erkennbar ist259.

254

So ebenfalls Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 108 Rn. 26. Anders jedoch OLG Hamburg AG 1992, 197 f.; OLG Hamburg WM 1982, 1090, 1095; OLG Hamburg WM 1984, 965, 967; Mertens/Cahn, in: Köln.Komm AktG, § 108 Rn. 101 ff. differenzieren zwischen Nichtigkeit und Vernichtbarkeit; Baums, ZGR 1983, 300, 305 ff.; Rellermeyer, ZGR 1993, 77, 103; Axhausen, Anfechtbarkeit Aufsichtsratsbeschlüsse, S. 157 ff.; Lemke, Der fehlerhafte Aufsichtsratsbeschluss, 1994, S. 94 ff. Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 565 ff.; Radke, BB 1960, 1045, 1046; Becker, Verwaltungskontrolle, S. 489, 493; Landrock, Innenrechtsstreit, S. 190 f.; 193 f.; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 212 f. 256 BGHZ 122, 342, 347 ff., 349 – Hamburg-Mannheimer; BGHZ 124, 111, 115; BGHZ 135, 244, 247 – ARAG/Garmenbeck; BayObLG AG 2003, 427, 429; KG AG 2005, 205, 206; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG § 108 Rn. 28; Fleischer, DB 2013, 217; Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 108 Rn. 38; Raiser, DZWiR 1993, 510 f.; Brandes, WM 1994, 2177, 2182; Hüffer, ZGR 2001, 833, 870; ähnlich Götz, in: FS Lüke, 1997, S. 167, 178 f.; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 737. 257 BGHZ 83, 144, 146 – Holzmüller; BGHZ 85, 293, 295 – Hertie; BGHZ 122, 342, 344 – Hamburg-Mannheimer; BGHZ 135, 244 ff. – ARAG/Garmenbeck; Baums, ZGR 1983, 300, 342; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 108 Rn. 80; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 108 Rn. 113; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 108 Rn. 21; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 108 Rn. 30; Fleischer, DB 2013, 217, 222: Entsprechende Anwendung von § 246 Abs. 2 Satz 1. 258 So ebenfalls bereits Poseck, DB 1996, 2165, 2169; Bork, ZIP 1991, 137, 139 ff., 144 f.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 303 ff.; Raiser, ZGR 1989, 44 ff.; Noack, DZWir 1994, 341, 342. 259 Fleischer, DB 2013, 217, 223 f.; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 108 Rz. 82; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 108 Rn. 46. 255

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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Neben diesen „Intraorganrechten“ kennt das Gesetz für die Mitglieder des Aufsichtsrats auch „Interorganrechte“, die gegenüber dem Vorstand bestehen. So regelt § 125 Abs. 3 und Abs. 4 AktG Informationsrechte der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder gegenüber dem Vorstand. Nach dem Wortlaut der Norm handelt es sich nicht um ein Recht des Aufsichtsrats. Wird das Auskunftsrecht durch die Aufsichtsratsmitglieder geltend gemacht, so wird der Vorstand verpflichtet, nicht hingegen die Aktiengesellschaft260. Dies ist auf das besondere innerorganisatorische Rechtsverhältnis zurückzuführen, das zwischen Vorstand und den Aufsichtsratsmitgliedern existiert. An dieser Beurteilung ändert sich auch dann nichts, wenn die den Aktionären nach § 125 Abs. 3 AktG und den Kreditinstituten nach § 125 Abs. 1 AktG zugedachten Mitteilungsrechte gegen die Aktiengesellschaft und nicht gegen den Vorstand zu richten sind. In diesen Fällen wird das Verhältnis von Dritten zur Gesellschaft geregelt, sodass eine Außenrechtsbeziehung gegeben ist und kein innerorganisatorisches Rechtsverhältnis vorliegt, wie das beim Aufsichtsrat der Fall ist261. Ein weiteres Recht, das den Aufsichtsratsmitgliedern gegen den Vorstand zusteht, enthält § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG. Obwohl die Berichterstattung an den Aufsichtsrat als Gesamtorgan zu erfolgen hat, agiert ein Aufsichtsratsmitglied nicht nur in Prozessstandschaft, sondern ist selbst Inhaber des Rechts. Dabei handelt es sich um ein Recht, das dem Minderheitenschutz dient und dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied zugestanden wird. Dies wurde durch die Streichung des Erfordernisses eines den Antrag unterstützenden Mitglieds deutlich262. Dass es sich nicht um eine gesetzliche Prozessstandschaft handelt, belegt der Umstand, dass das Recht aus § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG auch dann fortbesteht, wenn der Aufsichtsrat durch Mehrheitsbeschluss auf sein Berichtsrechtsrecht nach § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG verzichtet oder einen inhaltlich unzureichenden Bericht durch den Vorstand akzeptiert263. Wie bereits erwähnt wurde, haben die einzelnen Mitglieder nach § 90 Abs. 5 AktG ein Recht auf Kenntnisnahme. Entsprechendes gilt im Hinblick auf Informationsrechte für Vorstandsmitglieder gegenüber dem Aufsichtsrat, wenn dieser über Informationen verfügt, die der Wahrnehmung des Aufgabenbereichs des Vorstandsmitglieds dienlich sind. Da das Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat betroffen ist, genügt eine entsprechende Regelung in der Geschäftsordnung des Vorstands nicht. Allerdings leitet sich die Berechtigung aus ungeschriebenen aktienrechtlichen Grundsätzen her, die zur Verwirklichung der Leitungsaufgabe der einzelnen Vorstandsmitglieder dienen.

260 261 262 263

Bork, ZGR 1989, 1, 32. Siehe dazu Bork, ZGR 1989, 1, 33 Fn. 144. Vgl. Begr. RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 14. So allerdings Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 14 f.

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

b) Die Qualifizierung der Informations- und Teilhaberechte von Organmitgliedern als subjektive Rechte Sowohl die Intra- als auch die Interorganrechte der Organmitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat gewähren dem einzelnen Mitglied einen Verhaltensspielraum, der weder dem Organ noch der Aktiengesellschaft zugeordnet ist, sondern ausschließlich dem Organmitglied. Zudem ist es für die Einordnung als subjektives Recht erforderlich, dass der Rechtsinhaber im eigenen organmitgliedschaftlichen Interesse handelt. Entsprechend zum sog. Organinteresse ergibt sich dieses eigene organmitgliedschaftliche Interesse aus dem Gebot zur Verwirklichung der Informationsund Teilhaberechte, die das Aktiengesetz dem Organmitglied zur Verfügung stellt. Dieses Interesse steht nicht im Widerspruch zum Organ- und Unternehmensinteresse. Wird z. B. nur unzureichend an den Aufsichtsrat nach § 90 Abs. 3 Satz 1 AktG berichtet und wird dies von der Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder akzeptiert, kann ein Mitglied der Minderheit nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG die Verbesserung des Berichts an den Aufsichtsrat verlangen. Dieses Verlangen entspricht seinem eigenen Interesse. Auch für die organmitgliedschaftlichen Rechte gilt, dass das Organmitglied frei darüber disponieren kann, ob es diese geltend macht oder nicht. Erst wenn das Unternehmensinteresse betroffen ist, ist das einzelne Organmitglied zur Geltendmachung verpflichtet. Auch hier kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Die Pflicht zum Einschreiten aufgrund der Betroffenheit des Unternehmensinteresses führt nicht dazu, dass den organmitgliedschaftlichen Rechten ihre Qualifikation als subjektive Rechte abgesprochen wird. 3. Kompetenzschutzrechte als subjektive Rechte a) Eigene und fremde Kompetenzschutzrechte des Organmitglieds Den Organmitgliedern von Vorstand und Aufsichtsrat sind zunächst eigene Kompetenzen zur Wahrnehmung ihrer organmitgliedschaftlichen Tätigkeit zugeordnet. So ist mit der Mitgliedschaft unmittelbar verbunden, sowohl an den Sitzungen teilzunehmen, Ansichten zu äußern, Anträge zu stellen als auch abzustimmen. Wird das Mitglied gehindert, diese qua seiner Stellung zustehenden Rechte auszuüben, ist damit zugleich die Verletzung eines innerorganisatorischen Störungsverbots gegeben, sodass das jeweilige Mitglied berechtigt ist, gegen die ihn verletzende Maßnahme vorzugehen264. Adressat dieser Maßnahme können nur die in Betracht kommenden Störer sein, zu denen das Organ selbst bzw. die jeweiligen Mitglieder oder der Vorsitzende des Organs zählen können.

264

Siehe Bork, ZGR 1989, 1, 33 ff. sowie bereits § 22 C.V.3.

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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Kritisch beurteilt und überwiegend verneint wird die Möglichkeit, dass das einzelne Mitglied Kompetenzschutzrechte des Organs wahrnehmen kann265. Dafür spricht, dass das Gesetz die jeweiligen Kompetenzrechte ausdrücklich den Organen zugewiesen hat (§ 111 Abs. 1 AktG für den Aufsichtsrat und in § 76 Abs. 1 AktG für den Vorstand) und nicht den Organwaltern, die dem Organ anhören. Allerdings erscheint es unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Entwicklung zur Verbesserung der Corporate Governance nicht unwahrscheinlich, dem einzelnen Organmitglied ein Ersatzkontrollrecht zuzugestehen, wenn das Organ selbst seine Rechte nicht oder unzureichend ausübt266 oder ihm zumindest die Möglichkeit eröffnet, im Wege der „actio pro socio“ für den Aufsichtsrat zu handeln267. b) Die Qualifizierung der Kompetenzschutzrechte als subjektive Rechte des Organmitglieds Die dem Organmitglied (aus eigenem Recht) gewährten Kompetenzschutzrechte sprechen dem einzelnen Organmitglied Verhaltensspielräume zu, die ihm allein durch die Kompetenzordnung zugewiesen sind268. Bei einer drohenden Kompetenzverletzung und der damit verbundenen Verletzung des ungeschriebenen innerorganisatorischen Störungsverbots werden subjektive Abwehrrechte aktiviert, die eine potentielle Kompetenzverletzung verhindern. Zugleich handelt das Organmitglied bei Ausübung dieses Abwehrrechts im eigenen organmitgliedschaftlichen Interesse. Damit stellen Kompetenzschutzrecht zugleich subjektive Rechte dar. Bejaht man eine Ersatzaufsichtsbefugnis des einzelnen Organmitglieds, entsteht zugleich ein Abwehrrecht, wenn die Kompetenzverletzung des Organs droht, indem es sich weigert, selbst kompetenzschützende Maßnahmen einzuleiten. Ihm wird in einem solchen Fall eine Verhaltensberechtigung zuteil, die wegen der Nichtwahrnehmung durch das Organ auf die ihm angehörenden Organmitglieder übergeht269. 4. Allgemeine Verhaltenskontrolle durch einzelne Organmitglieder Es stellt sich die Frage, ob es einem einzelnen Organmitglied gestattet ist, gegen eine Maßnahme eines anderen Organs vorzugehen, wenn es diese für rechtswidrig hält. Die Konstellation betraf die oben bereits angeführte „Opel-Entscheidung“ des 265

Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 221; Raiser, ZGR 1989, 44, 70; Krieger, EWiR 1988, 211, 212; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 392. 266 Siehe Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 603; sowie an späterer Stelle unter § 28 D. 267 Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330 ff.; Raiser, ZGR 1989, 44, 68; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 2, 2004, § 3 III 6a, S. 284; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 394. 268 Bork, ZGR 1989, 1, 33 ff. 269 Siehe dazu ausführlich § 28 D.

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

BGH270. Nach dem bisher Gesagten ist bereits der Aufsichtsrat als Gesamtorgan nicht berechtigt, in die Leitungsbefugnis des Vorstands einzugreifen, selbst wenn er geplante Maßnahmen des Vorstands als rechtswidrig einschätzt271. Demnach stehen dem einzelnen Mitglied keine weiterreichenden Befugnisse zu. Das einzelne Mitglied ist vielmehr daran gehalten, alle innerorganschaftlichen Möglichkeiten in Betracht zu ziehen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dem der aktienrechtlichen Organisationsverfassung innewohnendem Prinzip der checks and balances of power gerecht zu werden272. So kann es darauf hinwirken, dass der Aufsichtsrat einen ad-hoc-Zustimmungsvorbehalt erlässt. Kommt ein entsprechender Beschluss nicht zustande, so kann das einzelne Mitglied diesen im Wege der Feststellungsklage angreifen. Dies wird man insbesondere annehmen müssen, wenn der Aufsichtsrat durch einen negativen Beschluss seiner Überwachungspflicht nicht nachkommt und darin ein rechtswidriges Handeln zu sehen ist. Diese Befugnisse ergeben sich aus dem organmitgliedschaftlichen Recht273. Ein darüber hinausgehendes Recht steht dem einzelnen Mitglied allerdings grundsätzlich nicht zu. Erst wenn das einzelne Mitglied alle Befugnisse, die aus seiner organmitgliedschaftlichen Stellung resultieren, ausgeübt hat und der Aufsichtsrat trotz gerichtlicher Feststellung, dass der negativ beschiedene ad-hoc-Beschluss rechtswidrig war, nicht handelt, ist es überzeugend, dem einzelnen Mitglied die Befugnis einzuräumen, gegen den Vorstand vorzugehen. Unter § 28 D. wird dies umfassend erörtert. Da dem einzelnen Mitglied grundsätzlich die Befugnis zum Einschreiten fehlt und damit kein subjektives Recht vorliegt, ist die Möglichkeit einer allgemeinen Verhaltenskontrolle durch einzelne Aufsichtsratsmitglieder nicht möglich.

III. Die Stellung von Ausschüssen Der Ausschuss wird durch das Aktiengesetz in § 107 Abs. 3 AktG geregelt. Dass daneben in größeren Vorständen aufgrund Satzungsbestimmung oder Geschäftsordnung ebenfalls Ausschüsse gebildet werden können, obwohl das Gesetz selbst solche nicht erwähnt, ist nicht von der Hand zu weisen. Die nachfolgenden Ausführungen für den Aufsichtsratsausschuss können daher mit den entsprechenden – auf die Funktion des Vorstands angepassten – Besonderheiten übertragen werden. Da ein Ausschuss als Unterorgan des Aufsichtsrats agiert274 und ihm von diesem Überwachungsfunktionen übertragen werden können, die der Aufsichtsrat für gewöhnlich selbst wahrnimmt, müssen dem Ausschuss gegenüber dem Vorstand die gleichen Rechte zustehen, die dem Aufsichtsrat bei Ausübung seiner Aufgaben 270 271 272 273 274

BGHZ 106, 54 – Opel. Ebenso Bork, ZGR 1989, 1, 20 ff. Raiser, ZGR 1989, 44, 70. Vgl. Bork, ZGR 1989, 1, 35; zuvor bereits Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330, 332, 333. Zur Terminologie siehe bereits oben § 6.

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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zukommen. Folglich können entsprechende Berichtspflichten des § 90 AktG auch gegenüber einem Aufsichtsratsausschuss und von diesem gegenüber dem Vorstand geltend gemacht werden. Ebenfalls ist ein Aufsichtsratsausschuss berechtigt, die ihm übertragenen Kompetenzen im Wege einer Abwehrklage zu verteidigen, wenn die Gefahr besteht, dass der Vorstand die dem Ausschuss zugeordneten Kompetenzen verletzt. Etwas anderes gilt nur gegenüber dem eigenen Organ, dem Aufsichtsrat. Da diesem das Recht zusteht, übertragene Kompetenzen an sich zu ziehen und sogar den Ausschuss aufzulösen, stehen ihm keine vergleichbaren Abwehrrechte zur Verfügung. Die dem Aufsichtsratsausschuss damit eingeräumten Befugnisse sind als subjektive Rechte im hier vertretenen weiten Sinne anzusehen. Hinsichtlich der Informationsbefugnisse gilt, da es sich um übertragene Kompetenzen des Aufsichtsrats handelt, das bereits oben zum Aufsichtsrat Ausgeführte275. Dem Ausschuss wird demnach durch den Berichtsanspruch ein Verhaltensspielraum zugeordnet, der im Interesse des Ausschusses ausgeübt wird. Gleiches gilt für den Fall, einer drohenden Kompetenzverletzung durch den Vorstand. Die damit verbundene, bevorstehende Verletzung des innerorganisatorischen Störungsverbots lässt alleinig dem betroffenen Ausschuss die Verhaltensberechtigung zukommen, sich gegen die drohende Kompetenzverletzung zur Wehr zu setzen. Diese Ausübung des Kompetenzschutzrechts erfolgt zudem im Interesse des Ausschusses.

IV. Die Stellung von Gruppen 1. Die Rechte von Gruppen in der aktienrechtlichen Organisationsverfassung Wie bereits an anderer Stelle dieser Untersuchung ausgeführt wurde, sind Gruppen dogmatisch als Teilorgane einzuordnen276. Sie nehmen im Gegensatz zu Ausschüssen (Unterorgane) gerade keine Funktionen des Organs wahr, sondern stellen Zusammenschlüsse von Mitgliedern dar, die institutionell-rechtlich in den Willensbildungsprozess des Organs einbezogen sind, jedoch wegen ihrer Zusammensetzung und Konstituierung keine Organfunktion wahrnehmen277. Die in der aktienrechtlichen Praxis im besonderen Maße vertretenen Gruppen finden sich in der mitbestimmten Aktiengesellschaft. In dieser gehören dem Aufsichtsrat sowohl Anteilseigner- als auch Arbeitnehmervertreter an278. Obwohl die jeweiligen Vertreter im Interesse des Unternehmens und damit auch im Interesse des Organs handeln, 275

Siehe § 22 C.V.2. Zur Stellung von Teilorganen im Verband § 21 D.III. sowie § 6. 277 Siehe § 21 D.III. 278 Siehe zur Zusammensetzung des mitbestimmten Aufsichtsrats Koch, in: Hüffer/Koch, § 96 Rn. 4 ff.; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 96 Rn. 5 ff. 276

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

werden durch sie Partikularinteressen in den Aufsichtsrat eingebracht279. Diese werden zwar bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt, bleiben jedoch hinter den Interessen des Unternehmens zurück, wenn sie diesen widersprechen. Das Aktiengesetz selbst knüpft in seiner ursprünglichen Fassung an die Gruppenzugehörigkeit keine besonderen Befugnisse. Zwar enthalten § 124 Abs. 3 AktG und das MitbestG Verfahrensvorschriften, die die Wahl des Aufsichtsrats und die entsprechenden Vorschlagsrechte regeln und nach Gruppenzugehörigkeit differenzieren. Eine besondere Kompetenz, Kontrollrechte des Aufsichtsrats oder der Gruppe selbstzustehende Befugnisse geltend zu machen, wird ihnen jedoch weder aus dem Aktiengesetz noch aus dem Mitbestimmungsgesetz zuteil280. Hier tritt eine aktienrechtliche Besonderheit zum Vorschein, die im verfassungsrechtlichen Kontext auf Bundesebene für die dort tätigen Fraktionen anders geregelt wird. So sind Fraktionen, im Gegensatz zu den Gruppen der Aktiengesellschaft, mit umfassenderen eigenen Rechten ausgestattet und können auch Rechte des Verfassungsorgans Bundestag als Prozessstandschafter wahrnehmen (vgl. § 64 Abs. 1 BVerfGG: „oder das Organ, dem er angehört“)281. Der BGH hat jedoch in mehreren Entscheidungen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich weder aus dem Mitbestimmungsgesetz noch aus dem Aktiengesetz eine besondere Kompetenzwahrnehmung für die jeweiligen Gruppen ergibt282. Folglich knüpft das Gesetz nicht an die Gruppenzugehörigkeit der Organmitglieder an. Diese seit Jahrzehnten in Rechtsprechung und Literatur verfestigte Einschätzung hat mit der Einführung der gesetzlichen Mindestquote im Jahr 2015 einen Riss erhalten. Denn seitdem enthält § 96 Abs. 2 AktG eine Bestimmung, die der jeweiligen Gruppe („Seite“) nicht nur Befugnisse innerhalb des Aufsichtsrats zugesteht, sondern darüber hinaus durch das Erfordernis eines durch Mehrheit gefassten (Gruppen-)Beschlusses die Gruppe als solche institutionalisiert. Zwar ist es nicht von der Hand zu weisen, wie Seibt anmerkt, dass bereits zuvor hinsichtlich des Wahlverfahrens der Aufsichtsratsmitglieder zwischen denjenigen Kandidaten, die nach dem Aktiengesetz und denjenigen, die nach den Mitbestimmungsgesetzen gewählt werden, unterschieden wurde283. Jedoch haben die Neuregelungen eine andere Qualität in der Hinsicht, dass das Gesetz ausdrücklich der Gruppe wehrfähige Kompetenzen zuordnet. Diese können bei Missachtung vom Aufsichtsrat oder einem sonstigen Beteiligten zu einem Konflikt führen, der im Wege eines gerichtlichen Verfahrens geklärt werden muss. In concreto sind die Befugnisse allerdings auf die Regelungen des § 96 Abs. 2 AktG begrenzt. Es werden den jeweiligen Gruppen aufgrund der neuen Anforde279 Zur Interessenvielfalt bereits § 2 B.I. und der Berücksichtigung von Partikularinteressen siehe § 8 B.III.3. 280 Vgl. BGHZ 106, 54, 65 – Opel. 281 BVerfGE 90, 286, 336; BVerfGE 100, 266, 268. 282 Vgl. BGHZ 106, 54, 65 – Opel. 283 Seibt, ZIP 2015, 1193, 1197.

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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rungen durch die Geschlechterquote keine weitergehenden Kontrollbefugnisse zu teil. Nach § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG kann die jeweilige Seite gegen die Gesamterfüllung der Quote durch den Aufsichtsrat aufgrund eines vorher mit Mehrheit gefassten Beschlusses gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden widersprechen. Nach einem solchen Widerspruch ist jede Gruppe verpflichtet, die Quote innerhalb der Gruppe zu erfüllen. Trotz großer Kritik und angemahnter Sorgen ist fast drei Jahre nach der Einführung der Quote das etwaig befürchtete Schreckensszenario einer nichtigen Wahl oder Entsendung ausgeblieben. Obwohl vor allem im Hinblick auf die Befugnis zum Widerspruch weiterhin viele Fragen ungeklärt sind, kam es bisher zu keinem bekannten Konflikt zwischen den beteiligten Gruppen oder dem Aufsichtsrat, der von Gerichten entschieden werden musste. Allerdings sagt das nichts über das trotzdem vorhandene Konfliktpotential aus, dass das Verfahren nach § 96 Abs. 2 AktG mit sich bringt. Obwohl bereits das Widersprechen der Gesamterfüllung zu Unstimmigkeiten im Aufsichtsrat führen kann, insbesondere wenn eine Seite nur erschwert in der Lage sein wird, die Quote zu erfüllen, handelt es sich dabei nicht um einen Konflikt, der einer gerichtlichen Klärung offen steht. Allerdings ist denkbar, dass der Aufsichtsratsvorsitzende den Widerspruch einer Seite als verspätet abweist. Andere mögliche und vor allem sachliche Gründe, die eine Zurückweisung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Da in der Literatur umstritten ist, bis zu welchem Zeitpunkt widersprochen werden kann284, stellt eine Zurückweisung des Widerspruchs einen Auslöser eines solchen innerorganschaftlichen Konfliktes dar. Da das Gesetz den jeweiligen Seiten das Widerspruchsrecht zugesteht, muss den Gruppen mithin die Möglichkeit eingeräumt werden, diese Befugnis gerichtlich durchzusetzen. Fraglich ist dabei, wer möglicher Klagegegner ist. Hier kommen neben dem Aufsichtsratsvorsitzenden, der Aufsichtsrat und die Gesellschaft in Betracht. Die Gesellschaft selbst scheidet – wie bereits bei anderen Konfliktkonstellationen – als Klagegegner aus. Es überzeugt nicht, warum die klagende Seite, der das Gesetz das Widerspruchsrecht einräumt, nicht selbst im Namen der Gesellschaft klagen kann, obwohl sie Organteil des Aufsichtsrats ist. Da der Empfänger des Widerspruchs der Aufsichtsratsvorsitzende ist, könnte man zunächst davon ausgehen, dass der Aufsichtsrat richtiger Klagegegner ist. Dass diesem bei innerorganisatorischen Streitigkeiten Rechtsfähigkeit zukommt, wurde bereits an anderer Stelle ausgeführt285. Fraglich ist allerdings, ob es sich vorliegend um eine Streitigkeit handelt, bei welcher der Aufsichtsrat durch den Vorsitzenden vertreten wird, sodass die Versagung durch 284 Vgl. die Übersicht bei Koch, in: Hüffer/Koch, § 96 AktG Rn. 16; einerseits Grobe, AG 2015, 289, 292: Zeitpunkt des Wahlvorschlags in Anlehnung an § 124 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AktG; andererseits Seibt/Kraack, in: Hohenstatt/Seibt, Geschlechterquoten, 2015, Rn. 130 ff.: Feststellung des Wahlergebnisses durch Wahlvorstand. 285 So ist der Aufsichtsrat richtiger Klagegegner bei Feststellungsklagen, die die Nichtigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen zum Gegenstand haben, siehe dazu bereits § 22 D.II.2.a) sowie zuvor Poseck, DB 1996, 2165, 2169; Bork, ZIP 1991, 137, 139 ff., 144 f.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 303 ff.; Raiser, ZGR 1989, 44 ff.; Noack, DZWir 1994, 341, 342.

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

den Vorsitzenden dem Aufsichtsrat zuzurechnen ist. Dies erscheint schon nach dem Wortlaut des § 96 Abs. 2 AktG unwahrscheinlich zu sein, da danach ausdrücklich der Aufsichtsratsvorsitzende als Adressat des Widerspruchs benannt ist. Zudem sprechen Sinn und Zweck der Regelung gegen den Aufsichtsrat als Adressaten: Der Widerspruch gegen die Gesamterfüllung der Quote im Aufsichtsrat behandelt einen Gegenstand, der nicht in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats als Gesamtgremium fällt. Ob die Erfüllung der gesetzlichen Mindestquote durch das Gesamtorgan oder getrennt für jede Seite erfolgen soll, hängt allein davon ab, ob eine der beiden Gruppen der Gesamterfüllung widerspricht. Der Gesamtaufsichtsrat selbst hat keine Möglichkeit, Einfluss auf dieses Verhalten zu nehmen. Somit kann letztendlich allein der Aufsichtsratsvorsitzende richtiger Klagegegner sein. Dieser handelt nicht als private Person, sondern aufgrund seiner besonderen organmitgliedschaftlichen Stellung als Vorsitzender des Aufsichtsrats. 2. Die Rechtsfähigkeit von Gruppen der Aktiengesellschaft Durch die Einführung der Mindestquote für das unterrepräsentierte Geschlecht im Aufsichtsrat börsennotierter und der qualifizierten Mitbestimmung unterliegenden Aktiengesellschaften erfolgte eine Institutionalisierung der dem Aufsichtsrat angehörenden Gruppen. Ihnen ordnet das Gesetz ausdrücklich die Befugnis zu, der Gesamterfüllung durch den Aufsichtsrat zu widersprechen, mit der Folge, dass jede Gruppe selbst die Quote erfüllen muss. Damit sind die Gruppen Zurechnungsendsubjekte von Innenrechtssätzen und bezogen auf das Widerspruchsrecht befugt, diese Rechtsposition gegenüber Beeinträchtigungen im Rechtsweg zu verteidigen. 3. Die Qualifizierung der Befugnisse als subjektive Rechte der Gruppen Das Widerspruchsrecht ist dann als subjektives Recht im weiteren Sinne anzusehen, wenn damit der Gruppe ein Verhaltensspielraum eingeräumt wird, der ausschließlich dieser zusteht und die Gruppe dabei im Gruppeninteresse handelt. Das Widerspruchsrecht kann nur von den dem Aufsichtsrat angehörenden Gruppen ausgeübt werden. Somit sind diese ausschließlich berechtigt, der Gesamterfüllung durch den Aufsichtsrat zu widersprechen. Dabei müssen sie im Interesse der jeweiligen Gruppe handeln. Das Interesse ergibt sich hierbei aus der Förderung, das unterrepräsentierte Geschlecht stärker in den Organen der Aktiengesellschaft zu vertreten. Denn die damit einhergehende Erhöhung der Diversität liegt im Interesse der Gesellschaft und damit auch im Interesse der jeweiligen Gruppe. Weist der Aufsichtsratsvorsitzende demnach den Widerspruch einer Gruppe zurück, so muss der Gruppe die Möglichkeit gewährt werden, dieses Recht durchzusetzen. Folglich handelt es sich bei der Widerspruchsbefugnis um ein subjektives Recht im weiteren Sinne.

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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E. Zusammenfassung Die Ausführungen zum aktienrechtlichen Organstreit haben aufgezeigt, dass die Erkenntnisse, die über den Organstreit zur juristischen Person erzielt wurden, überwiegend auf die Aktiengesellschaft übertragen werden können. Als beteiligte Organe eines aktienrechtlichen Organstreits kommen allein der Vorstand und der Aufsichtsrat in Betracht; die Hauptversammlung als Willensbildungsorgan ist hingegen nicht geeignet, einen Organstreit zu führen. Es wurde dargelegt, dass die innerhalb der Aktiengesellschaft vorherrschende Kompetenzverfassung vom „Prinzip der Funktionentrennung“ geprägt ist, sodass dieses Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat zur Verwirklichung der Aktiengesellschaft beiträgt. Obwohl dadurch die Organe als selbständige Wirkeinheiten mit korporativer Struktur wahrzunehmen sind, sind sie nicht als juristische Personen zu qualifizieren. Versucht man das Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat zueinander und zur Aktiengesellschaft in rechtlicher Hinsicht zu bestimmen, so sind die ihnen zugewiesenen Funktionen näher zu betrachten. Beide Organe stellen die Handlungsund Willensfähigkeit der Aktiengesellschaft sicher. Ihnen sind jeweils Vertretungsbefugnisse (§§ 78 Abs. 2, 82 AktG für den Vorstand, § 112 AktG für den Aufsichtsrat) zugeordnet, sodass sie vordergründig Wahrnehmungs- bzw. Durchgangszuständigkeiten für die Aktiengesellschaft innehaben. Neben der Ausübung von Wahrnehmungszuständigkeiten für die Aktiengesellschaft sind den Organen Aufgaben zugewiesen, die das Innenverhältnis der Gesellschaft und damit die Beziehung der Organe zueinander betreffen. So kennt das Gesetz Berichtspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat nach § 90 AktG, das Einsichtnahmerecht des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 2 AktG als auch das Erfordernis, nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG einen Katalog mit Zustimmungsvorbehalten aufzustellen. Diese Regelungen zeigen auf, wie eng die Beziehung zwischen Leitungs- und Überwachungsorgan verknüpft ist. Zudem wurden die Befugnisse des Aufsichtsrats in den letzten zwei Jahrzehnten erweitert und damit eine Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit erzielt. Der Aufsichtsrat wandelte sich vom bloßen Überwachungsorgan zum mitunternehmerischen und damit beratenden Organ. Nichts anderes belegen die entsprechenden Anregungen des DCGK zum Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Diese verschiedenartig ausgeprägten Beziehungen zueinander sind insbesondere, wenn es sich um gegenseitige Rechte und Pflichten handelt, Rechtsbeziehungen im Innenbereich der Aktiengesellschaft. Dieser stellt damit keinen „rechtsfreien“ Raum dar. Vorstand und Aufsichtsrat sind im Innenrecht der Aktiengesellschaft als Rechtssubjekte anzusehen, da ihnen das Gesetz eigene wehrfähige Rechtspositionen zuweist. Sie sind nicht nur Funktionsträger, sondern selbst Rechtsträger und damit Zurechnungsendsubjekte aktienrechtlicher Normen. Das Gesetz weist sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat Befugnisse zu, die weder die Aktiengesellschaft selbst noch die den Organen angehörenden Mitglieder berechtigen.

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5. Kap.: Zur rechtlichen Stellung der aktienrechtlichen Organe

Die den Organen zugeordneten Rechte sind entgegen der überwiegenden Auffassung als „subjektive Rechte“ anzusehen. Das mehrheitlich vertretene Begriffsverständnis des subjektiven Rechts ist widersprüchlich und geht von der Existenz einer „allumfassenden“, dem Individuum verliehenen Rechtsmacht aus, die es als solche nicht gibt. Demnach können nicht nur natürliche und juristische Personen Inhaber subjektiver Rechte sein, sondern auch Organe einer juristischen Person. Der Begriff des subjektiven Rechts ist daher weiter zu fassen und in einem formellen Sinne zu definieren. Ein subjektives Recht ist immer dann gegeben, wenn dem Normadressaten eine disponible Verhaltensberechtigung eingeräumt wird, die ausschließlich von diesem ausgeübt werden kann und er bei Ausübung der Befugnis im eigenen Interesse handelt. Letzteres wird von der überwiegenden Auffassung verneint, da das Organ im Interesse der Gesellschaft handeln würde und demnach kein eigenes Interesse aufweise. Dabei verkennt diese Argumentation, dass das Organinteresse zwar vom Verbandsinteresse getrennt zu betrachten ist, mit diesem aber nicht konträr laufen kann. Handelt der Aufsichtsrat im eigenen Organinteresse, dann liegt aufgrund des funktionsspezifischen Einschlags kein Widerspruch zum Verbandsinteresse vor. Sind dem Aufsichtsrat Verhaltensberechtigungen eingeräumt, wie sie im Rahmen der Informations- und Auskunftsrechte und den Kompetenzschutzrechten dargestellt wurden, handelt es sich bei diesen um subjektive Rechte. Eine allgemeine Verhaltenskontrolle durch den Aufsichtsrat ist aufgrund fehlender Verhaltensberechtigungen nicht gegeben. Für die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat gilt Entsprechendes, wenn es um die Möglichkeit geht, an einem Organstreit beteiligt zu sein. Der Innenbereich der Aktiengesellschaft stellt keinen rechtsfreien Raum dar, sondern besteht aus Rechtsbeziehungen zwischen Organen, Organteilen und der Aktiengesellschaft selbst. Das Gesetz ordnet verschiedene Befugnisse nicht nur den Organen, sondern auch den Organmitgliedern zu. Obschon die Mitglieder des Organs Inhaber subjektiver organmitgliedschaftlicher Rechte sind, wäre es gekünstelt, ihre Beteiligtenfähigkeit nicht aus ihrer Stellung als natürliche Person herzuleiten. Im Hinblick auf die Klagebefugnis für einen Organstreit ist jedoch darauf abzustellen, dass nur die ihnen vom Gesetz zur Verwirklichung ihrer Aufgaben zugeordneten Rechte Gegenstand eines Organstreits sein können. Diese Rechte sind subjektive Rechte im weiteren Sinne, da sie dem Organmitglied disponible Verhaltensspielräume einräumen, die diesem ausschließlich zustehen und das Organmitglied im eigenen organmitgliedschaftlichen Interesse handelt. Neben Informations- und Teilhabebefugnissen (§§ 90 Abs. 5 Satz 1, 110 Abs. 1 und Abs. 2, 170 Abs. 3 AktG), stehen den Organmitgliedern Kompetenzschutzrechte zu, die Eingriffe in den eigenen Kompetenzbereich abwehren. Grundsätzlich ist es einem Organmitglied verwehrt, aus eigenem Recht gegen eine Kompetenzverletzung vorzugehen, die dem eigenen Organ durch ein anderes Organ zugefügt wird. Nur wenn das Organ es unterlässt, trotz der Gefahr einer

§ 22 Der aktienrechtliche Organstreit

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Kompetenzverletzung entsprechende Schutzmaßnahmen einzuleiten und das Organmitglied alle innerorganschaftlichen Befugnisse ausgereizt hat, wird dem Organmitglied eine entsprechende Verhaltensberechtigung zuteil. Eine Befugnis zur allgemeinen Verhaltenskontrolle gegenüber einem fremden Organ steht dem einzelnen Mitglied nicht zu. Ausschüsse nehmen Befugnisse wahr, die ihnen vom Aufsichtsrat übertragen wurden („Organe des Organs“). Folglich kann ein Aufsichtsratsausschuss ebenfalls Berichtsansprüche gegenüber dem Vorstand sowie Kompetenzschutzrechte geltend machen, wenn durch den Vorstand Maßnahmen drohen, die die Kompetenzen des Ausschusses verletzen können. Allerdings steht dem Ausschuss nicht die Befugnis zu, gegen das eigene Organ – den Aufsichtsrat – vorzugehen, wenn dieser Befugnisse wieder an sich zieht oder die Auflösung des Ausschusses beschließt. Obwohl der Aufsichtsratsausschuss nach § 107 Abs. 3 AktG ein durch den Aufsichtsrat ins Leben gerufenes Konstrukt darstellt, ist es – sofern ihm Funktionen des Aufsichtsrats übertragen wurden – Zuordnungsendsubjekt dieser Befugnisse und damit Rechtssubjekt. Die dem Ausschuss übertragenen Rechte sind subjektive Rechte im weiteren Sinne. Die Rechtsstellung von Gruppen ist im Hinblick auf die Beteiligung eines Organstreits sehr schwach ausgebildet. Ihnen können nicht wie beim Ausschuss Aufgaben des Aufsichtsrats übertragen werden. Der Gesetzgeber hatte es zudem bisweilen vermieden, besondere Kompetenzen an die Zugehörigkeit der Gruppe zu knüpfen. Er hat mit der Einführung der gesetzlichen Mindestquote für den Aufsichtsrat den jeweiligen Gruppen die Befugnis eingeräumt, durch Widerspruch gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden einer der Quote entsprechenden Gesamterfüllung entgegenzutreten. Weist der Vorsitzende den Widerspruch zurück, steht es der jeweiligen Gruppe zu, gegen diesen Akt vorzugehen. Da es sich um ein Recht handelt, das der Gruppe als solches zugewiesen ist und nicht den jeweiligen Gruppenmitgliedern, können auch nur die Gruppe als Klägerin und der Aufsichtsratsvorsitzende als Beklagter in Betracht kommen. Die Gruppe ist Zurechnungsendsubjekt und damit Rechtssubjekt. Die Durchsetzung des Widerspruchs gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden stellt damit ein subjektives Recht im weiteren Sinne dar.

6. Kapitel

Die prozessuale Zulässigkeit von Organstreitigkeiten Eine Untersuchung zu Organstreitigkeiten innerhalb der Aktiengesellschaft weist nur dann einen praktischen Wert auf, wenn die materiellrechtlichen Gedanken durch das Prozessrecht verwirklicht werden können. Hierbei ist nicht außer Acht zu lassen, dass dieses zuvörderst der Verwirklichung des materiellen Rechts dienen soll. Im Hinblick auf Organstreitigkeiten ist aus prozessrechtlicher Perspektive vieles fraglich. So verneinen kritische Stimmen – in Anlehnung an die (vermeintlich) fehlende Rechtsfähigkeit der aktienrechtlichen Organe – die Parteifähigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat1. Vielmehr handele es sich um einen unzulässigen Insichprozess. Daran schließen sich Bedenken an, wer bei einem Organstreit die Kosten trägt und wie vollstreckungsrechtliche Maßnahmen erfolgen können. Neben der Beantwortung dieser Fragen sollen die prozessrechtlichen Besonderheiten der bereits angesprochenen Organteile – Mitglied, Ausschuss, Gruppe – erörtert werden.

§ 23 Zur Parteifähigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat Nach § 50 Abs. 1 ZPO ist parteifähig, wer rechtsfähig ist. Damit sind nach allgemeinem Verständnis die natürliche und die juristische Person als parteifähig anzusehen.2. Dass sich allerdings die Rechtsfähigkeit nicht auf juristische und natürliche Personen beschränkt, ist seit der Entscheidung „ARGE Weißes Roß“ des BGH zur Rechtsfähigkeit der (Außen-)GbR nicht mehr in Zweifel zu ziehen3. Darüber hinaus sei die Anerkennung der Prozessfähigkeit der GbR „die notwendige prozessrechtliche Konsequenz“, wie der BGH ausführt4. Damit stellt sich die Frage, ob die Anerkennung der Rechtsfähigkeit von Organen die gleiche Konsequenz für ihre Prozessfähigkeit hervorruft. Wer ihre Rechtsfähigkeit verneint, wird die Parteifähigkeit verneinen5. Nicht zu folgen ist der – auch vom BGH vorgenommenen – 1 Flume, Juristische Person, § 11 V, S. 407; H. Westermann, in: FS Bötticher, 1969, S. 375, 377; Kort, AG 1987, 193, 195. 2 Auf die Intentionen des historischen Gesetzgebers eingehend OLG Hamburg ZIP 1992, 1312; Bork, ZIP 1991, 137, 139. 3 BGHZ 146, 341 – ARGE weißes Roß. 4 BGHZ 146, 341, 348. 5 Flume, Juristische Person, § 11 V, S. 407; H. Westermann, in: FS Bötticher, 1969, S. 375, 377; Kort, AG 1987, 193, 195.

§ 23 Zur Parteifähigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat

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Unterscheidung zwischen Voll- und Teilrechtsfähigkeit. Vielmehr hat die vorliegende Untersuchung aufgezeigt, dass Rechtsfähigkeit relativ ist und zwar für jedes Rechtssubjekt, dem Rechte und Pflichten zugeordnet werden6. Da es sich bei den innerhalb der Aktiengesellschaft existenten Beziehungen zwischen den Organen und der Gesellschaft um Rechtsbeziehungen handelt und die Organe nicht nur als Durchgangssubjekte, sondern vielmehr als Zuordnungsendsubjekte von (Innen-) Rechtssätzen fungieren, sind sie rechtsfähig und damit nach § 50 Abs. 1 ZPO parteifähig7. Für die Parteifähigkeit der aktienrechtlichen Organe spricht darüber hinaus § 245 Nr. 4 AktG8, wenn auch einige Stimmen eine Verallgemeinerung dieser Bestimmung ablehnen9. Dennoch wird der Vorstand nach überwiegender Auffassung nicht als Vertreter der Gesellschaft tätig, sondern ist selbst Partei des Prozesses10. Gleiches gilt für den Vorstand bei Verfahren nach § 98 Abs. 2 Nr. 1 AktG (gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats) oder für den Aufsichtsrat bei Anträgen nach § 103 Abs. 3 AktG (Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds)11. Bedenken werden allerdings dahingehend geäußert, dass die Beteiligung von Vorstand und Aufsichtsrat dem Zweiparteienprinzip im Zivilprozess widerspreche und ein unzulässiger Insichprozess vorliege12. Nach dem Zweiparteienprinzip könne niemand weder gegen sich selbst klagen noch gegen sich selbst vollstrecken13. Da bei 6

Siehe dazu bereits § 22 C.IV. So auch Bauer, Organklagen, S. 80; Bork, ZGR 1989, 1, 22 f.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 381. 8 Ebenfalls Bork, ZGR 1989, 1, 22; Geißler, GmbHR 1998, 1114, 1117; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 220 f., zuletzt Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 594; Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 464; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 381. 9 So Koch, in: Hüffer/Koch, § 90 Rn. 16; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 90 Rn. 68; Kort, in: Großkomm. AktG, § 90 Rn. 205; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 4. 10 OLG Düsseldorf ZIP 1997, 1153, 1155; Koch, in: Hüffer/Koch, § 245 Rn. 4, 36; Dörr, in: Spindler/Stilz, AktG, § 245 Rn. 42; Drescher, in: Henssler/Strohn, § 245 Rn. 14; K. Schmidt, in: Großkomm. AktG, § 245 Rn. 33; Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 245 Rn. 29; Hüffer/Schäfer, in: MünchKomm. AktG, § 245 Rn. 16; a.A. Flume, Juristische Person, § 11 V, S. 407 sowie Zöllner, in: KölnKomm. AktG, § 246 Rn 24. 11 So Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 382; zu § 103 AktG siehe Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 103 Rn. 44; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG, § 103 Rn. 73; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 103 Rn. 22; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG, § 103 Rn. 39; zu § 98 AktG siehe Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 98 Rn. 13; Hopt/Roth/Peddinghaus, in: Großkomm. AktG, § 98 Rn. 26; a.A. nur Mertens/ Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 98 Rn. 34, die davon ausgehen, dass der Vorstand zugleich die Gesellschaft als Verfahrensbeteiligte vertritt. 12 Siehe dazu Bauer, Organklagen, S. 67 ff.; H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 128 f.; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 268 ff.; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 219. 13 Dazu bereits Heinsheimer, in: FS Wach, Band 3, 1913, S. 125, 129 ff.; Jacoby, in: Stein/ Jonas/ZPO, Vor § 50 Rn. 25; Lindacher, in: MünchKomm. ZPO, Vor § 50 Rn. 4. 7

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6. Kap.: Die prozessuale Zulässigkeit von Organstreitigkeiten

einem Organstreit auf Kläger- und Beklagtenseite Organe einer Gesellschaft stehen, liege eine Verletzung dieses Zweiparteienprinzips vor. Diejenigen Stimmen, die die Rechtsfähigkeit von Organen ablehnen, aber ein Bedürfnis dafür sehen, die dem Aufsichtsrat nach § 90 Abs. 1 AktG zustehenden Informationsrechte gegen den Vorstand durchzusetzen, konstruieren eine Vertretung der (klagenden) Gesellschaft durch den Aufsichtsrat gegen die einzelnen Vorstandsmitglieder, um den Makel eines vermeintlichen Insichprozesses zu vermeiden14. Zu Recht weist Bauer darauf hin, dass in Bezug auf den sog. Insichprozess terminologisch differenziert werden müsse15 : So existiere ein Verbot des Insichprozesses allein in prozessrechtlicher Hinsicht. Aus materiellrechtlicher Sicht stellt ein Streit innerhalb der Aktiengesellschaft zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ebenfalls einen „Insichprozess“ dar, der jedoch seine Rechtfertigung dadurch findet, dass im Innenbereich der Aktiengesellschaft die Organe eine gewisse Verselbständigung erfahren haben16. Nach Häsemeyer wiederum sind die Organe nicht Träger eigener Rechte, sondern fungieren als Prozessstandschafter für die Aktiengesellschaft17. Abgestellt wird dabei auf den „funktionellen Parteibegriff“, nach dem danach zu differenzieren sei, im Interesse welchen Vermögens gestritten werde. Dabei sei das Vermögen der Aktiengesellschaft als dieses Interessevermögen anzusehen. Nicht erklärbar ist hingegen, warum diese Konstruktion, nach der beide Organe als Prozessstandschafter für die gleiche Aktiengesellschaft handeln, nicht als Insichprozess angesehen werden soll18, wenn man nicht von einer Verselbständigung der jeweiligen Prozessstandschafterinteressen ausgeht19. Überzeugender ist es deshalb, nicht allein das „Interessevermögen“ der Aktiengesellschaft als ausschließliches Merkmal heranzuziehen, sondern die den Organen zugeordneten Kompetenzschutzinteressen als Grundlage für ihre Prozessführungsbefugnis nutzbar zu machen20. Für die Frage des Parteibegriffs ist es daher überzeugend, das Prozessrecht dem materiellen Recht folgen zu lassen21. So kommt den Organen eine Verselbständigung zu, die sie für einen Prozess erkennund individualisierbar machen, sodass ihre Existenz nachgewiesen werden kann. Zudem weisen sie eine Handlungsorganisation auf, die geeignet ist, in einem Prozess notwendige Prozesshandlungen vorzunehmen22. Sie sind somit Rechtssubjekte, die rechtsfähig und damit parteifähig sind. Folglich spricht nichts dagegen, auch bei Streitigkeiten, die allein die innere Organisation und Kompetenzverfassung der Aktiengesellschaft zum Gegenstand 14 15 16 17 18 19 20 21 22

Siehe dazu bereits § 19 B.I.1. Bauer, Organklagen, S. 69. Bauer, Organklagen, S. 69. Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 268 ff. Kritisch bereits Bauer, Organklagen, S. 68; Bork, ZGR 1989, 1, 25. So Teichmann, in: FS Mühl, 1981, S. 669 f. Bork, ZGR 1989, 1, 25. So Bork, ZGR 1989, 1, 26. Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 381.

§ 24 Kosten im Organstreit

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haben, den Organen Parteifähigkeit in einem Zivilprozess nach § 50 Abs. 1 ZPO zu gewähren23.

§ 24 Kosten im Organstreit Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Dieses dem Zivilprozessrecht innewohnende Prinzip der Kostentragung erweist sich für Organstreitigkeiten deshalb als schwierig, da die zwar rechts- und parteifähigen Organe der Aktiengesellschaft selbst kein eigenes Vermögen haben. In der Literatur haben sich daher – orientiert an den jeweils zu Organstreitigkeiten bestehenden Auffassungen – verschiedene Lösungsansätze herausgebildet24. Überwiegend Einigkeit besteht darüber, dass die Gesellschaft die Kosten trägt; umstritten ist nur die dogmatische Begründung. Die eher als tradiert einzuordnende – ein Vertretungsmodell favorisierende – Meinung25, nach der auf der Klägerseite die Gesellschaft selbst als Partei und auf der Beklagtenseite die einzelnen Organmitglieder als Prozesspartei agieren, wendet § 91 ZPO unmittelbar an, mit der Folge, dass die Kosten der jeweils unterliegenden Streitpartei auferlegt werden. Unterliegt nach dieser Konstellation die Klägerseite, so fallen die Kosten der Gesellschaft an. Problematisch und nicht unbedenklich ist allerdings die konträre Situation, wenn die Beklagten unterliegen. In diesem Fall unterliegen die Organmitglieder persönlich der Kostentragungspflicht. Dieses Szenario würde immer denjenigen bevorteilen, indem mit der Gesellschaft im Rücken geklagt wird, der zuerst Klage erhebt. Diejenigen, die diesen Ansatz präferieren, wollen allerdings den unterliegenden Organmitgliedern einen Ausgleichsanspruch nach §§ 670, 675 BGB zugestehen26. In ähnlicher Art und Weise will Pflugradt die Kostentragung der Gesellschaft nach § 91 ZPO begründen. So habe diese die Kosten zu tragen, wenn der Aufsichtsrat kraft Amtes klagt27. Allerdings überzeugt auch hier die Anknüpfung. 23

Ebenso Bauer, Organklagen, S. 79 f.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 302, 305 ff.; Raiser, AG 1989, 185, 188; Hauswirth, Befugnisse und Pflichten, S. 148 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 177 ff.; Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, S. 250; zwar bejaht Pflugradt, Leistungsklagen, S. 153 die Parteifähigkeit des Aufsichtsrats als Kläger. Beklagte soll seiner Auffassung allerdings die Gesellschaft sein, S. 157. 24 Zusammenfassungen und Überblicke finden sich bei Bauer, Organklagen, S. 80 f.; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 224; Borgmann, Organstreit, S. 84 ff. 25 So Lewerenz, Leistungsklagen, S. 145 f.; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 223; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 23. 26 Lewerenz, Leistungsklagen, S. 145 f.; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 223; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 23; kritisch dazu Bauer, Organklagen, S. 25, 81; Bork, ZGR 1989, 1, 27; Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 287 Fn. 132. 27 Pflugradt, Leistungsklagen, S. 160, 162 ff.

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6. Kap.: Die prozessuale Zulässigkeit von Organstreitigkeiten

Nach Häsemeyer wiederum seien die Kosten in Anknüpfung an die von ihm vertretene funktionelle Parteilehre von der Gesellschaft zu tragen, da auch in ihrem Vermögen das Streitinteresse begründet werde28. Wie Bork zutreffenderweise ausführt, ist es fraglich, ob man anhand der Parteilehre begründen kann, dass die Kosten von der Gesellschaft zu tragen sind, obwohl diese gar nicht am Prozess beteiligt ist29. Denn auch als Prozessstandschafter ist man Partei des Prozess und damit als Kläger oder Beklagter Kostenschuldner nach § 91 ZPO. Bork selbst hingegen will in Anlehnung an Hommelhoff30 § 99 Abs. 6 Satz 8 und 9 AktG a.F. (heute in § 23 Nr. 10 GNotKG) analog auf den Organstreit anwenden31. Zwar handele es sich grundsätzlich nicht um ein kontradiktorisches Verfahren, jedoch spreche dies nicht gegen die analoge Heranziehung der Norm. So handele es sich bei der Frage über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats um einen Streit, der mit dem Organstreit thematisch verwandt sei und selbst einen innerorganisatorischen Streit darstelle. Überdies sei der Vorstand als Organ nach § 98 Abs. 2 Nr. 1 AktG antragsberechtigt. Leitet ein anderer Berechtigter das Verfahren ein, ist die Gesellschaft selbst nicht formell beteiligt, trägt allerdings die Kosten des Verfahrens, da in ihren innerorganisatorischen Angelegenheiten gestritten werde32. Ob es dieser Analogie bedarf, kann allerdings bezweifelt werden33. Die Verlagerung der betreffenden Regelung ins GNotKG spricht grundsätzlich nicht gegen eine analoge Anwendung34. Nach Schürnbrand seien allerdings die Kosten – unabhängig vom Ausgang des Organstreits – der Gesellschaft zuzuweisen, da dies sich bereits aus der Rechtsnatur des Organstreits ergebe35. Die Simplizität dieser Feststellung mag zwar in ihrem Inhalt richtig erscheinen, unterlässt dabei allerdings vollkommen eine dogmatische Herleitung und ist insofern unbefriedigend. Überzeugender ist es daher, die gegebene Konstellation richtig einzuordnen. Wie Bauer feststellt, sind Vorstand und Aufsichtsrat in einem Organstreit parteifähig, sodass sie bei einem Unterliegen nach § 91 ZPO auch Kostenschuldner sind36. Da die Organe jedoch selbst kein eigenes Vermögen aufweisen, ist entweder ein Rückgriff auf das Privatvermögen der Organmitglieder oder auf das Vermögen der Aktiengesellschaft zurückzugreifen. Es wurde bereits bei der Darstellung der traditionellen Vertreterlösung erkannt, dass der Rückgriff auf die Organmitglieder bei Ausübung 28

Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 287. Bork, ZGR 1989, 1, 27. 30 Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 306. 31 Bork, ZGR 1989, 1, 27; ebenso Lutter, Information und Vertraulichkeit, 3. Aufl., 2006, Rn. 238 ; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 584. 32 Bork, ZGR 1989, 1, 27; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 306. 33 So vor allem Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 373. 34 A.A. hinsichtlich des FGG-Verfahrens (heute entsprechend FamFG) des § 98 Abs. 6 AktG Pflugradt, Leistungsklagen, S. 161. 35 Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 373; Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 466. 36 Bauer, Organklagen, S. 81 f. 29

§ 25 Zwangsvollstreckung im Organstreit

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ihrer organschaftlichen Tätigkeit unbillig ist und nicht überzeugen kann37. Da die Einordnung der Gesellschaft als Kostenschuldner § 91 ZPO widerspricht und eine Analogie zu § 99 Abs. 6 AktG gekünstelt wirkt, muss es den Organen allein möglich sein – wie Bauer richtigerweise ausführt – auf das Gesellschaftsvermögen als Haftungsmasse zurückzugreifen. Genau diese Konstruktion entspricht der Rechtsnatur des Organstreits, da den Organen kein eigenes Vermögen zugeordnet ist. Wird ein Prozess geführt und unterliegt ein Organ, obwohl man bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass es sich im Unrecht befindet, so steht der Gesellschaft im Hinblick auf die Prozesskosten ein Schadensersatz nach §§ 93 Abs. 2 bzw. §§ 116. 93 AktG gegen die Aufsichtsrats- bzw. Vorstandsmitglieder zu.

§ 25 Zwangsvollstreckung im Organstreit In der Praxis kann man davon ausgehen, dass das unterlegene Organ das rechtskräftige Urteil freiwillig befolgen wird38. Jedoch ist es in dogmatischer Hinsicht nicht unumstritten, wie eine mögliche Vollstreckung zu erfolgen habe. So lehnt Flume die Vollstreckung eines Leistungsurteils gegenüber einem Organ ab, ohne dies genauer zu begründen39. Nach K. Schmidt seien die §§ 887 – 890 ZPO gegenüber einem Gesellschaftsorgan ebenfalls nicht einsetzbar40. Diese Einwände können nicht überzeugen. Ist die Vollstreckung eines Urteils erforderlich, so handelt es sich um unvertretbare Handlungen oder Unterlassungen, die zu erzwingen sind, sodass §§ 880, 890 ZPO zur Anwendung kommen41. Die fehlende Handlungsfähigkeit der Organe selbst stellt keinen Hinderungsgrund dar. Vielmehr ist an das Handeln der Organmitglieder, deren Wille und Handlungen den Organen zugerechnet werden, anzuknüpfen42. Erfasst werden davon diejenigen Organmitglieder, die zum Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung dem Organ angehören43. Als mögliche Zwangsmittel kommen die Festsetzung von Zwangsgeld und die Verhängung von Zwangshaft in Frage, § 888 Abs. 1 ZPO.

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Ebenso Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 224. So Bork, ZGR 1989, 1, 29. 39 Siehe Flume, Juristische Person, S. 406. 40 K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 222. 41 So die überwiegende Auffassung im Schrifttum, siehe Bork, ZGR 1989, 1, 29; Bauer, Organklagen, S. 83 f.; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 225. 42 Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 225; Bork, ZGR 1989, 1, 29; Bauer, Organklagen, S. 84; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 144 f. 43 So Bork, ZGR 1989, 1, 29 Fn. 127; A.A. Bauer, Organklagen, S. 84, der auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abstellen will. 38

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6. Kap.: Die prozessuale Zulässigkeit von Organstreitigkeiten

Orientiert man sich an den Ausführungen zur Kostentragung im Organstreit, so könnte man annehmen, dass bei der Festsetzung von Zwangsgeld gegenüber den Mitgliedern eines Organs ebenfalls das Vermögen der Gesellschaft in Anspruch genommen werden kann. Dies lässt allerdings außer Acht, dass es sich bei der Festsetzung eines Zwangsgeldes um eine Maßnahme zur Willensbeugung handelt, sodass diese nur an die Organmitglieder persönlich gerichtet sein kann, da sie die Realisierung des Organverhaltens herbeiführen44. Im Gegensatz dazu stellt die Kostentragungspflicht der Gesellschaft eine Folge des Unterliegens der jeweiligen Partei im Prozess dar. Für diese Beurteilung in Bezug auf den Organstreit spricht auch § 407 AktG, der in den dort erwähnten Fällen die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Organmitglieder als natürliche Personen und nicht gegen das Organ vorsieht45. Alternativ zur Verhängung eines Zwangsgeldes kann die Zwangshaft verhängt werden. Auch diese richtet sich gegen die Organmitglieder persönlich, die im Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung dem Organ angehören46. Zudem könnte man daran denken, dass die Zwangsvollstreckung nach § 888 Abs. 3 ZPO ausgeschlossen ist, da es sich um Leistungen von Diensten aus einem Dienstvertrag handelt. Allerdings sind die von den Organmitgliedern wahrzunehmenden Pflichten zuvörderst organschaftlicher Natur, da sie mit Annahme ihrer Bestellung zum Organmitglied in die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft eingegliedert sind47.

§ 26 Prozessuale Fragen bei Organmitgliedern, Ausschüssen und Gruppen A. Organmitglieder der Aktiengesellschaft als Prozessbeteiligte Da den Organmitgliedern durch die Rechtsordnung eigene Kompetenzen zugeordnet sind, die sie im Prozesswege geltend machen können, kommen sie als potentielle Beteiligte eines Organstreits in Betracht. Fraglich ist dabei, wie Parteifähigkeit, Kostentragung und Zwangsvollstreckung dogmatisch begründet werden. Die Parteifähigkeit der Organmitglieder knüpft an die Rechtsfähigkeit an, die sie als natürliche Personen genießen48. Wie schon an anderer Stelle festgestellt wurde, 44 Ebenso Pflugradt, Leistungsklagen, S. 170; Bauer, Organklagen, S. 84; Bork, ZGR 1989, 1, 30; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 225. 45 Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 226; Bork, ZGR 1989, 1, 30. 46 Bork, ZGR 1989, 1, 30; a.A. Bauer, Organklagen, S. 84, der wiederum auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abstellt. 47 So bereits Lewerenz, Leistungsklagen, S. 145; Bauer, Organklagen, S. 85; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 226. 48 Ebenso bereits Teichmann, in: FS Mühl, 1981, S. 669.

§ 26 Prozessuale Fragen bei Organmitgliedern, Ausschüssen u. Gruppen

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wirkt eine zusätzliche Aufteilung in eine als „Amt“ bezeichnete apersonale Verbandsinstitution und einer als „Amtswalter“ handelnde natürliche Person gekünstelt49. Die Kosten bestimmen sich wiederum nach § 91 ZPO. Pflugradt will bei einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern auf § 245 Nr. 5 AktG abstellen mit der Folge, dass diese die Kosten persönlich tragen, aber ihnen zugleich die Vorteile von § 247 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AktG zugutekommen50. Jedoch kann diese Bestimmung nicht auf Organstreitigkeiten übertragen werden. Vielmehr handelt es sich um eine Sonderregelung, um die Möglichkeit einer rechtlichen Kontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen sicher zu stellen, ohne eine vorherige Beschlussfassung durch Aufsichtsrat und Vorstand herbeiführen zu müssen. Folglich ist das unterliegend Organmitglied Kostenschuldner. Die Organmitglieder werden aufgrund organschaftlicher Rechte und Pflichten tätig, sodass im Hinblick auf die Kosten nicht auf das Privatvermögen abgestellt werden kann. Folglich ist auf das Vermögen der Aktiengesellschaft als Haftungsmasse zurückzugreifen51. Stellt sich später heraus, dass es sich um eine mutwillige Klage handelte, so haftet das Mitglied der Gesellschaft gegenüber nach §§ 93, 116 AktG bzw. § 93 AktG. Hinsichtlich der Zwangsvollstreckung gegenüber einem einzelnen Organmitglied kann wiederum auf die Ausführungen zum Organ verwiesen werden, da dort bereits an die Handlungen der Organmitglieder angeknüpft wird. Dies erscheint insbesondere in der Konstellation einschlägig zu sein, wenn der Vorstand gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden vorgehen will, da dieser den Kompetenzbereich des Vorstands verletzt. Die Maßnahmen richten sich nach §§ 888 – 890 ZPO, sodass Zwangshaft und die Festsetzung eines Zwangsgeldes erfolgen kann.

B. Aktienrechtliche Ausschüsse als Prozessbeteiligte Ob hingegen ein Ausschuss – vornehmlich der Aufsichtsratsausschuss nach § 107 Abs. 3 AktG – Beteiligter eines Organstreits sein kann, wurde bisweilen im Schrifttum nicht näher untersucht. Blickt man in das Verfassungsrecht, so handelt es sich bei der Beteiligung eines vom Bundestag einberufenen Untersuchungsausschusses, der auf Herausgabe von Informationen gegen die Bundesregierung klagt, um ein Organstreitverfahren52. Das PUAG sieht dabei eine besondere Zuständigkeit nach § 18 Abs. 3 vor. Somit kommt dem Untersuchungsausschuss durch eine ausdrückliche Regelung die Befugnis zu, Prozesspartei bei einem Organstreit zu sein. Für den Aufsichtsratsausschuss fehlt eine solche Regelung im Aktienrecht. Da allerdings der Organstreit als solcher ebenfalls nicht vom Aktiengesetz positiv49 50 51 52

Siehe dazu bereits § 5. Pflugradt, Leistungsklagen, 160 ff. unter Hinweis auf das öffentliche Recht. Siehe dazu bereits § 24 sowie Bauer, Organklagen, S. 82 f. Brocker, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 44 Rn. 68;

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6. Kap.: Die prozessuale Zulässigkeit von Organstreitigkeiten

rechtlich eine Normierung erfahren hat – die Historie der Aktiengesellschaft hat die Hintergründe aufgezeigt –, kann dies weder als Argument für noch gegen seine Beteiligung angeführt werden. Allerdings wurde bereits festgestellt, dass einem aktienrechtlichen Ausschuss Aufgaben des Aufsichtsrats übertragen werden können. Da dem Ausschuss in materiellrechtlicher Hinsicht damit Rechtsfähigkeit zukommt und er die ihm zugeordneten Rechte durchsetzen kann, muss ihm in prozessrechtlicher Hinsicht entsprechend Parteifähigkeit zugestanden werden, wie § 50 ZPO dies für Rechtssubjekte vorsieht. Zwar könnte man darauf abstellen, dass das entsprechende Organ (hier der Aufsichtsrat) als für den Ausschuss klagende Prozesspartei in Erscheinung tritt, da dieser den Ausschuss auflösen bzw. Befugnisse an sich ziehen kann. Dies würde aber dem Sinn und Zweck der Einberufung eines Ausschusses zuwiderlaufen. Viel eher muss dem spezialisierten Ausschuss die Möglichkeit eingeräumt werden, klageweise gegen andere Organe oder Organmitglieder vorzugehen. Da die Rechtsfähigkeit des Ausschusses in dieser Hinsicht bereits bejaht wurde, wird dem Ausschuss entsprechend Parteifähigkeit zuteil. Der Ausschuss ist zudem Kostenschuldner nach § 91 ZPO, sofern er in einem Prozess unterliegt. Da weder er noch das ihm angehörende Organ über Vermögen verfügt, ist auf das Vermögen der Gesellschaft als Haftungsmasse zurückzugreifen. Da die einzelnen Ausschussmitglieder – die zugleich Mitglieder des Organs sind – in ihrer organschaftlichen Funktion handeln, kann hinsichtlich der Kostentragung nicht an ihr Privatvermögen angeknüpft werden. Sollte sich allerdings später herausstellen, dass es sich um mutwillig veranlasste Gerichtsverfahren handelte, steht der Gesellschaft ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 93 Akt bzw. §§ 116, 93 AktG gegen die handelnden Organmitglieder zu. Etwaige Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in Bezug auf den Ausschuss richten sich allein an die Ausschussmitglieder. Insofern gilt das zu den Organen entsprechend Ausgeführte. §§ 888 – 890 ZPO finden insoweit Anwendung, sodass Zwangshaft als auch Zwangsgeld verhängt werden kann.

C. „Gruppen“ der Aktiengesellschaft als Prozessbeteiligte Den Anteilseigner- und Arbeitnehmergruppen steht im Aufsichtsrat einer, der qualifizierten Mitbestimmung unterliegenden Aktiengesellschaft, ein Widerspruchsrecht gegen die Gesamterfüllung der gesetzlichen Mindestquote im Aufsichtsrat nach § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG zu. Wie bereits ausgeführt wurde, kommt den jeweiligen Gruppen im Hinblick auf diese Widerspruchsmöglichkeit Rechtsfähigkeit zu. Es ist dabei unbeachtlich, dass an die Stellung als Gruppe im sonstigen Aktienrecht keine weitreichenderen Befugnisse zuerkannt werden. Insbesondere gewährt ihnen weder das Aktiengesetz noch die Gesetze zur Mitbestimmung das Recht, Befugnisse des Organs auszuüben. Ihre Rechtsstellung ist im Gegensatz zur Fraktion im Verfassungsrecht sehr schwach ausgeprägt. Da ihnen aber im Hinblick auf diese

§ 26 Prozessuale Fragen bei Organmitgliedern, Ausschüssen u. Gruppen

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Befugnis Rechtsfähigkeit zuerkannt wird, sind sie nach § 50 ZPO ebenfalls als parteifähig anzusehen. Wie bereits erwähnt wurde, kommt als einzige denkbare Konfliktkonstellation ein Streit zwischen einer Gruppe und dem Aufsichtsratsvorsitzenden in Betracht, sofern dieser einen ihm gegenüber erteilten Widerspruch zurückweist. Beteiligte dieses Intraorganstreits sind demnach die Gruppe und der Vorsitzende des Aufsichtsrats. Bei einem Unterliegen der Gruppe, ist diese nach § 91 ZPO Kostenschuldner. Da sie allerdings ebenfalls über kein eigenes Vermögen verfügt, ihr jedoch als Teilorgan des Aufsichtsrats eigene subjektive Rechte (im weiteren Sinne) vom Aktiengesetz zugeordnet werden und diese wahrnimmt, ist wiederum auf das Gesellschaftsvermögen als Haftungsmasse zurückzugreifen. Da sich die Gruppe aus Organmitgliedern des Aufsichtsrats zusammensetzt, gilt hinsichtlich der Zwangsvollstreckung das bereits Gesagte. §§ 888 – 890 ZPO finden insoweit Anwendung, sodass Zwangshaft als auch Zwangsgeld verhängt werden kann53.

53 Richtigerweise ist allerdings eine solche Konstellation, in der gegen die Mitglieder der Gruppe vollstreckt wird, als eher unwahrscheinlich anzusehen.

7. Kapitel

Die Bewährung von Organstreitigkeiten in der aktienrechtlichen Praxis § 27 Zur Funktion des aktienrechtlichen Organstreits A. Der Organstreit und die aktienrechtliche Kompetenzverfassung Eingangs der Untersuchung wurde aufgezeigt, welche Konflikte zwischen den Organen der Aktiengesellschaft auftreten können. Dabei wurde festgestellt, dass es in verschiedenen Konstellationen an entsprechenden und hilfreichen Konfliktlösungsmitteln fehlt, seien sie geschriebener oder ungeschriebener Natur. Deshalb wurde in der bisherigen Untersuchung belegt, dass Konflikte innerhalb eines Verbandes durch ein gerichtliches Organstreitverfahren beseitigt werden können und ein solcher Organstreit für das Aktienrecht keinen Fremdkörper darstellt1. Ebenfalls wurde aufgezeigt, dass gegenüber einem zwischen Vorstand und Aufsichtsrat geführten Organstreit auch aus prozessualer Sicht keine überzeugenden Einwände bestehen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob trotz dogmatischer und prozessualer Zulässigkeit eines aktienrechtlichen Organstreits, Aspekte gegen die Klagbarkeit von Ansprüchen bei Organstreitigkeiten sprechen. Wie bereits Bauer in seiner Darstellung aufgezeigt hat, sind materiellrechtliche Ansprüche denkbar, denen die Klagbarkeit abzusprechen ist, sei es dass der Anspruch noch nicht fällig ist oder eine schiedsgerichtliche Entscheidung bei Bestehen eines Schiedsvertrags erst gefällt werden muss (§§ 1025 ff. ZPO) oder Bedenken im Hinblick auf die geltende Organisationsverfassung bestehen2. So erscheint es nicht unplausibel, wenn man sagt, dass „der Organstreit dort seine Grenzen finde(t), wo er seinerseits die Kompetenzordnung der AG verletzen bzw. in Frage stellen würde.“3

Der aktienrechtlichen Organisationsverfassung liegt eine Kompetenzordnung zugrunde, die zum einen gewährleistet, dass jedes Organ die ihm zugewiesenen 1 2 3

Bauer, Organklagen, S. 87 spricht von Institutionalisierung des Organstreits. Vgl. Bauer, Organklagen, S. 87 ff. So Bauer, Organklagen, S. 89.

§ 27 Zur Funktion des aktienrechtlichen Organstreits

453

Funktionen störungsfrei ausüben kann und zum anderen potentielle Kompetenzverletzungen aufgrund der geltenden Struktur und entsprechender Regelungen im Vorfeld verhindern soll. Während der Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG die Gesellschaft zu leiten hat, enthält § 111 Abs. 1 AktG die dem Aufsichtsrat zugeschriebene Funktion, die Geschäftsführung zu überwachen. Damit diese Funktionen konfliktfrei ausgeübt werden kann, enthält § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG das ausdrückliche Verbot, Aufgaben der Geschäftsführung auf den Aufsichtsrat übertragen zu können. Damit geht zugleich das Verbot einher, dass sich der Aufsichtsrat außerhalb des § 111 AktG und etwaiger Annexkompetenzen Geschäftsführungsbefugnisse anmaßt4. Ebenso ist es den Aufsichtsratsmitgliedern untersagt, zugleich Mitglied des Vorstands zu sein, § 105 AktG. Diese Bestimmungen gewährleisten es, die innerhalb der Gesellschaft geltende Machtbalance zwischen Vorstand und Aufsichtsrat aufrecht zu erhalten5. Diese strikte Trennung von Zuständigkeiten ist eine dem deutschen Aktienrecht innewohnende Eigenheit, die auf die historischen Erfahrungen, die im Zusammenhang mit der Aktiengesellschaft gemacht wurden, zurückzuführen ist6. Daher sieht das Aktiengesetz nur in sehr begrenzter Form die Möglichkeit vor, die interne Organisationsverfassung zu gestalten, vgl. § 23 Abs. 5 AktG. Allerdings wurde in dieser Arbeit mehrfach aufgezeigt, dass Kompetenzen nicht klar voneinander abgegrenzt werden können und sich deshalb interne Konflikte zwischen den Organen und ihren Mitgliedern herausbilden. Ist eine klare Kompetenzzuordnung nicht auszumachen, können im Wege eines Organstreits die jeweiligen Organkompetenzen dargelegt und ihre Grenzen präziser definiert werden. Die Entwicklungen der letzten beiden Jahrzehnte, die die geführte Diskussion über eine Verbesserung der Corporate Governance prägten, zeigten auch aufgrund der in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Verfehlungen von Vorstand und Aufsichtsrat verschiedener Gesellschaften, dass das gegenwärtig vorherrschende und gelebte Verständnis von guter Corporate Governance erhebliche Defizite aufweist und hinterfragt werden muss7. Organstreitverfahren stellen daher ein hilfreiches Mittel dar, die aufgezeigten Defizite zu beseitigen. Allerdings – und insofern ist Bauer zuzustimmen – darf ein Organstreitverfahren nicht dazu führen, die Grundfesten der aktienrechtlichen Kompetenzverfassung auszuhebeln8.

4

Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 33 sowie zur Anmaßung von Geschäftsführungsmaßnahmen § 28 B.II. 5 Dazu ausführlich Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 5 sowie § 105 Rn. 1. 6 Siehe zu den historischen Hintergründen und der Schaffung der Aktienrechtsnovelle von 1937 unter § 13 A. 7 Siehe dazu bereits § 17. 8 Bauer, Organklagen, S. 89.

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7. Kap.: Bewährung von Organstreitigkeiten in aktienrechtlicher Praxis

B. Der Organstreit als alternatives Konfliktlösungsmittel zur Herbeiführung von rechtmäßigem Verhalten in der aktienrechtlichen Kompetenzordnung Zu Beginn der Untersuchung wurden bereits die geschriebenen und ungeschriebenen Maßnahmen aufgezeigt, die Vorstand und Aufsichtsrat zur Verfügung stehen, um inter- und intraorganisatorische Konflikte zu lösen. Dabei wurde deutlich, dass dieser Katalog unzureichend und in vielerlei Hinsicht nicht die richtige und angemessene Reaktion auf verschiedene Konfliktsituationen enthält. So kann es zwischen Vorstand und Aufsichtsrat insbesondere zu Differenzen kommen, die es nicht rechtfertigen, den Vorstand nach § 84 Abs. 3 AktG abzuberufen. Dieses Dilemma ist der Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft geschuldet, die kein „Machtorgan“ vorsieht und es nach § 23 Abs. 5 AktG auch ausdrücklich untersagt, im Wege von Satzungsbestimmungen die Organisationsstruktur abweichend zu gestalten. Allerdings wurde ausgeführt, dass dieses Konzept ein Resultat aus den historischen Erfahrungen früherer Organisationsstrukturen darstellt. Denn bis zur Aktienrechtsnovelle von 1937 war es im Wege von Satzungsbestimmungen möglich, ein Organ mit weitreichenden Kompetenzen auszustatten9. Dies führte dazu, dass Gründer und Großaktionäre ihren Stimmrechts- und Kapitaleinfluss dazu nutzten, die Gesellschaft zu eigenen Zwecken zu missbrauchen. Die mit der Novelle von 1937 geschaffene Organisationsstruktur entzog diesen Entfaltungen die Grundlage und wurde daher von der Aktienrechtsnovelle von 1965 übernommen. Die damit einhergehende Schwächung der Stellung der Hauptversammlung innerhalb der Aktiengesellschaft ist allerdings ein Umstand, der immer noch fortbesteht und in den letzten Jahren vermehrt Gegenstand von Rechtsprechung und Literatur war10. Zwar wurden der Hauptversammlung weitergehende ungeschriebene Kompetenzen zugestanden, allerdings nur unter strengen (qualitativen und quantitativen) Maßgaben11. Inwiefern europäische legislatorische Einflüsse Auswirkungen auf diesen status quo haben werden, wird sich in naher Zukunft zeigen12. Obwohl damit grundsätzlich die Kompetenzen innerhalb der Aktiengesellschaft den Organen klar zugeordnet sind, ist die Funktionsfähigkeit der Organisation beeinträchtigt, wenn ein Organ seine Kompetenzen nicht oder rechtswidrig ausübt. Eine Abberufung ist unter den strengen Voraussetzungen des § 84 Abs. 3 AktG nicht immer möglich oder angemessen. Insofern erscheint es angebracht, dass durch Führung eines Organstreits der entsprechende Konflikt beseitigt wird. Allerdings darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass der Organstreit selbst in die Kompetenzordnung eingreift und sie damit tangiert13. Er ist daher nur dort zu führen, 9

Siehe dazu die Defizite bei § 13 A. Zu den Entwicklungen der Stellung der Hauptversammlung bereits § 2 A.III. 11 Dazu Staake, Ungeschriebene HV-Kompetenzen; sowie § 2 A.III.2. 12 Zu Related Party Transactions siehe bereits § 2 A.III.3. 13 K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 230 spricht insofern von einer Relativierung der Gewaltenteilung; ihm beipflichtend Bauer, Organklagen, S. 90. 10

§ 27 Zur Funktion des aktienrechtlichen Organstreits

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wo weder geschriebene noch ungeschriebene, aber mildere Maßnahmen hinreichend Erfolg versprechen und nimmt damit eine entsprechende „Lückenfüllungsfunktion“14 ein.

C. Die aktienrechtliche Kompetenzordnung als Grenze des Organstreits I. Notwendigkeit eines materiellen Anspruchs und die Gefahr der Verletzung von Organkompetenzen Es wurde aufgezeigt, dass der Organstreit – mag er inter- oder intraorgan angesiedelt sein – ein Mittel darstellt, um Konflikte innerhalb der Gesellschaft zu lösen und damit zum Erhalt der der Organisationsverfassung innewohnenden Machtbalance beiträgt. Daraus folgt zugleich, dass der Organstreit nicht dazu benutzt werden darf, die geltende Organisationsverfassung auszuhebeln und die Machtbalance aus dem Gleichgewicht zu bringen. So muss die Zulässigkeit eines Organstreits dann verwehrt sein, wenn ein solcher willkürlich angestrebt wird15. Zunächst ist es daher erforderlich, dass dem klagenden Organ ein aus dem materiellen Aktienrecht resultierender Anspruch zusteht. Fehlt ein solcher, ist die Klage wegen fehlender Aktivlegitimation als unbegründet abzuweisen. Es wurde dargelegt, dass das Aktienrecht solche Rechtspositionen den Organen, Organmitgliedern und Organteilen zugesteht16. Daneben wird diskutiert, welche Auswirkungen ein bestehender Anspruch auf die anderen Organe der Aktiengesellschaft haben kann. So erscheint es nicht abwegig, dass eine Klage des Aufsichtsrats gegen den Vorstand zugleich zu einer Kompetenzverletzung beim Vorstand führt17. Ebenso kann eine solche Klage Auswirkungen auf die Hauptversammlung haben18.

14 15

S. 91. 16 17 18

So Bauer, Organklagen, S. 91. Siehe bereits Knobbe-Keuk, in: FS Ballerstedt, 1975, S. 239, 254; Bauer, Organklagen, Siehe dazu § 21 C.II.3. sowie § 22 C.IV. Darauf hinweisend Bauer, Organklagen, S. 92. Bauer, Organklagen, S. 93.

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7. Kap.: Bewährung von Organstreitigkeiten in aktienrechtlicher Praxis

II. Mögliche Beschränkung des Klagerechts zur Wahrung des Unternehmenswohls 1. Grundsätze und Beschränkungen im Rahmen der Organhaftung nach § 93 Abs. 2 AktG Im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Organklagen bisher unberücksichtigt geblieben sind die Beschränkungen, die die Rechtsprechung für die Schadensersatzklage nach § 93 Abs. 2 AktG bei Pflichtverletzungen durch Organmitglieder aufgestellt hat. Wie bereits im Rahmen der Analyse zur Rechtsprechung von Organstreitigkeiten ausgeführt wurde, hat der BGH in seinem ARAG/GarmenbeckUrteil aus dem Jahre 1997 eine Zwei-Stufen-Theorie entwickelt19. Auf der ersten Stufe ist der Aufsichtsrat verpflichtet, den Sachverhalt zu klären und die schuldhafte Pflichtverletzung der Organmitglieder feststellen20. Ihm steht dabei kein Ermessensspielraum zu, sondern entscheidet in gerichtlich voll nachprüfbarer Weise. Bei der Untersuchung hat er im Rahmen einer Prozessrisikoanalyse zu berücksichtigen, dass dem Vorstand allerdings ein weiter Handlungsspielraum zusteht, wie dies heute in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG (Business Judgment Rule) festgeschrieben ist. Wurde festgestellt, dass die Organmitglieder der Gesellschaft gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sind, ist auf der zweiten Stufe die Frage aufzuwerfen, ob der Aufsichtsrat gleichwohl von einer Verfolgung des Anspruchs und damit einer Wiedergutmachung des der Gesellschaft zugefügten Schadens absehen kann21. Wie an anderer Stelle bereits ausgeführt wurde22, sind unter Berücksichtigung von § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG nur überwiegende Gründe des Gesellschaftswohls heranzuziehen. Was unter diese fällt, ist je nach Einzelfall zu beurteilen. Jedenfalls müssen sie eine größere Intensität aufweisen, da das Absehen von einer Anspruchsverfolgung nur die Ausnahme darstellt23. Beispielhaft genannt werden personalpolitische Gründe oder die Absicht, betroffene Vorstandsmitglieder kooperationsbereit im Hinblick auf die kartellrechtliche Kronzeugenregelung zu machen24. Mögliche Auswirkungen auf den Ruf des Unternehmens können in die Abwägung einfließen, jedoch dürften Maßnahmen wie Vertuschung und die Nichtverfolgung der Ansprüche intensivere Maßnahmen auslösen25. Erscheint es als unmöglich, dass die betroffenen Vorstandsmitglieder die Schadensersatzsumme aufbringen können, 19

BGHZ 135, 244 – ARAG/Garmenbeck. Ausführlich zu den Voraussetzungen Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 8 ff. 21 BGHZ 135, 244, 255; dazu auch Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 9. 22 Siehe bereits § 20 H.II. sowie Koch, ZGR 2006, 769, 776; Redeke, ZIP 2008, 1549, 1551 ff. 23 BGHZ 202, 26 Rn. 19; ebenso RegBegr UMAG BT-Drs. 15/5092, S. 22; Casper, ZHR 176 (2012), 617, 635; Habersack, ZHR 177 (2013), 782, 787; Strohn, CCZ 2013, 177; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 10. 24 Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 10; zudem Schnorbus/Ganzer, WM 2015, 1832, 1841; Wilsing, in: FS Haarmann, 2015, S. 259, 269 ff. 25 Darauf hinweisend Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 10. 20

§ 27 Zur Funktion des aktienrechtlichen Organstreits

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liegt es im Interesse der Gesellschaft, wenn der Aufsichtsrat entsprechende Teilbeträge von den Vorstandsmitgliedern fordert und gegebenenfalls eine Kürzung der Altersbezüge vornimmt26. Umstritten ist, ob die Abwägungsentscheidung einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist. Eine große Anzahl von Literaturstimmen will in Anlehnung an § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG dem Aufsichtsrat einen umfassenden Ermessenspielraum zugestehen27. Warum dieser dem Aufsichtsrat gewährt werden soll, wird mit unterschiedlichen Ansätzen begründet: Einige nehmen einen ungeschriebenen Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum an28. Andere wiederum stellen auf die besonderen Umstände der Haftungssituation ab29. Teilweise wird auf die ursprüngliche Ausrichtung des ARAG/Garmenbeck-Urteils abgestellt30. Und wiederum andere sehen in der Einführung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG eine Korrektur dieses Urteils31. Eine weitere Strömung will einen eingeschränkten Ermessensspielraum anerkennen32. Entscheidend sei danach, ob die Aufsichtsratsmitglieder in der ex-ante-Situation richtig gehandelt haben, wobei sie letztlich eine Prognoseentscheidung zu treffen hatten33. Richtigerweise ist die Abwägungsentscheidung einer gerichtlichen Kontrolle in vollem Umfang zugänglich34. Auch dies ergibt sich aus dem Vergleich zu § 148 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AktG35. Es kann nicht überzeugen, warum dem Gericht bei einer Klage eines Aktionärs ein uneingeschränktes Prüfungsrecht zusteht, bei der Klage durch den Aufsichtsrat aber nicht. Insgesamt spricht auch der Wille des Gesetzgebers des UMAG dafür, dass die gesellschaftsinterne Anspruchsverfolgung effektiver ausgestaltet und nicht entschärft werden sollte36. 26

Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 10. Siehe zum Streitstand Koch, NZG 2014, 934, 935 ff. 28 So etwa Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 38; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 46; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 111 Rn. 46; Bachmann, Gutachten zum 70. DJT, 2014, S. 80 f.; Bieder, NZG 2015, 1178 ff.; Cahn, WM 2013, 1293, 1295 ff.; Haarmann/Weiß, DB 2014, 2115, 2124; Reichert, in: FS Hommelhoff, 2012, S. 907 ff. 29 Casper, ZHR 176 (2012), 617, 624, 628 ff. 30 Goette, in: GS M. Winter, 2011, S. 153 ff.; ders., ZHR 176 (2012), 588 ff. 31 Paefgen, AG 2008, 761, 762 ff.; ders., AG 2014, 554, 571 ff. 32 LG Essen NZG 2012, 1307; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 116 Rn. 86 ff.; Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 114. 33 LG Essen NZG 2012, 1307, 1309. 34 Kort, in: Großkomm. AktG, Vor § 76 Rn. 59; Schick, in: Wachter, AktG, § 111 Rn. 7; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 116 Rn. 10 f. ;Koch, AG 2009, 93 ff.; ders., NZG 2014, 934 ff.; Bayer/Scholz, NZG 2014, 926, 929; Cobe/Kling, NZG 2015, 48, 50 Fn. 40; Gaul, AG 2015, 109, 112 f.; Henze, NJW 1998, 3309, 3311; Lutter, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 747, 752 f. 35 Vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 11; zuvor bereits Koch, NZG 2014, 934, 940 f.; sich dem anschließend Kort, in: Großkomm. AktG, Vor § 76 Rn. 59. 36 So auch RegBegr. UMAG BT-Drs. 15/5092 S. 19 f. 27

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7. Kap.: Bewährung von Organstreitigkeiten in aktienrechtlicher Praxis

Obwohl der Regelfall die Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs des Aufsichtsrats gegen die Vorstandsmitglieder darstellt, sind Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder des Aufsichtsrats, die durch den Vorstand eingeleitet werden wegen § 116 AktG ebenfalls möglich, sodass auch in dieser Konstellation die vom BGH aufgestellte Zwei-Stufen-Theorie zur Anwendung kommt, wenn auch die praktische Relevanz einer solchen Klagekonstellation unwahrscheinlich ist.

2. Die Übertragbarkeit dieser Grundsätze auf präventive Organklagen Die Untersuchung hat aufgezeigt, dass sowohl Aufsichtsrat als auch Vorstand Inhaber subjektiver (Organ-)Rechte sind und ihnen innerhalb der Aktiengesellschaft Rechtssubjektivität zukommt. Daher steht ihnen im innerorganisatorischen Wirkbereich die Möglichkeit zu, Organrechte gerichtlich geltend zu machen. Nach der hier vertretenen Auffassung liegt ein subjektives Recht dann vor, wenn dem Rechtsinhaber eine disponible Verhaltensberechtigung eingeräumt ist, die ihm mit Schutz- und Ausschließlichkeitsgewähr zusteht und bei deren Wahrnehmung er im eigenen Interesse handelt. Für die Organe der Aktiengesellschaft bedeutet dies, dass die ihnen von der Rechtsordnung zugestandenen Rechte subjektive Rechte darstellen. Ebenfalls wurde ausgeführt, dass die Organe bei Wahrnehmung ihrer Rechte im eigenen Interesse handeln und daher auch frei in ihrer Entscheidung sind, ob sie die Rechte überhaupt ausüben. An dieser Einordnung ändert sich auch dann nichts, wenn eine Handlung das Unternehmensinteresse berührt und die Organe zum Einschreiten verpflichtet sind. Vielmehr führt die Betroffenheit des Unternehmensinteresses dazu, dass der innerverbandliche Geltungsbereich verlassen wird und somit der Wirkbereich des subjektiven Organrechts endet. Dies hat allerdings keine Auswirkungen auf die Einordnung als subjektives Recht. Fraglich ist nun, ob im Interesse des Unternehmens die Organe auch gehalten sein können, auf die Geltendmachung zu verzichten. Dabei muss festgehalten werden, dass das Organinteresse kein dem Unternehmensinteresse widersprechendes Interesse darstellt oder gar als externes Gruppeninteresse einzuordnen ist. Das Organinteresse ist als ein Teil des Unternehmensinteresses anzusehen, das einen funktionsspezifischen Einschlag (Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats bzw. Leitungsfunktion des Vorstands) aufweist. In Anlehnung an die Ausführungen zur ARAG/Garmenbeck-Entscheidung wird man den Verzicht zur Geltendmachung für einen engen Anwendungsbereich im Ausnahmefalle zu bejahen haben. Überwiegend wird jedoch bereits zwischen den Organen strittig sein, welches Vorgehen im Interesse des Unternehmens liegt. Grundsätzlich wird der Verzicht, eine Organklage zu erheben, nicht im Interesse des Unternehmens liegen. Man wird es nur dann im Interesse des Unternehmens bejahen können, wenn außerorganisatorische Einflüsse wie Ruf und Image in sol-

§ 28 Auswirkungen für die jeweiligen Organstreitkonstellationen

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chem Maße betroffen sind, dass ein Einschreiten im Wege der Organklage zur Existenzgefährdung für das Unternehmen führen würde. Die dabei zugrundeliegende Entscheidungsfindung ist dabei vollständig gerichtlich überprüfbar.

§ 28 Die Auswirkungen für die jeweiligen Organstreitkonstellationen A. Die Durchsetzung von Auskunfts- und Berichtsrechten I. Nichterstattung von Berichten des Vorstands nach § 90 Abs. 1 AktG gegenüber dem Aufsichtsrat 1. Berichtverlangen nach § 90 Abs. 1, Abs. 3 AktG Weigert sich der Vorstand, an den Aufsichtsrat zu berichten, so steht dem Aufsichtsrat selbst die Möglichkeit zu, auf Berichterstattung zu klagen. Bereits der Wortlaut von § 90 Abs. 1 und Abs. 3 AktG deutet darauf hin, dass es sich bei diesem Recht um ein subjektives Recht des Aufsichtsrats handelt und das nur diesem zugeordnet ist37. Es mag daher auch nicht überzeugen, wenn die traditionelle Auffassung eine dogmatische Einordnung unterlässt und den Anspruch der Aktiengesellschaft selbst zugestehen will38. Die damit geäußerten Bedenken, dass innenrechtliche Befugnisse nicht Organen zugeordnet werden können (sondern nur der Gesellschaft als juristischer Person selbst) und in prozessualer Hinsicht daher einen Fremdkörper darstellen, verkennen, dass es das Prozessrecht ermöglichen muss, materielle Rechtspositionen prozessual geltend zu machen39. Mag es mitunter im Rahmen von § 90 Abs. 1 AktG Gestaltungsvarianten geben, die eine nähere dogmatische Bestimmung der jeweiligen Befugnisse nicht notwendig erscheinen lassen, so gilt dies nicht, wenn es um die Frage geht, inwiefern (potentielle) Kompetenzverletzungen verhindert werden können. Da § 90 AktG einen Teilausschnitt des materiellrechtlichen Streitverhältnisses zwischen Vorstand und Aufsichtsrat darstellt, müssen die grundlegenden dogmatischen Überlegungen auch im Rahmen von 37

So bereits grundlegend Bork, ZGR 1989, 1, 16; siehe zudem oben § 22 C.V.2. H. Westermann, in: FS Bötticher, 1969, S. 369, 377 ff.; Flume, Die juristische Person, § 11 V, S. 406; Lewerenz, Leistungsklagen, S. 108 f.; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 4 ff.; ebenso Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 Rn. 19; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 90 Rn. 3. 39 So bereits LG Darmstadt ZIP 1986, 1389; Bork, ZGR 1989, 1, 6 ff., 22 ff.; H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 129 ff.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 303 ff.; Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 236; Hauswirth, Befugnisse und Pflichten, S. 159 ff.; Jacoby, Das private Amt, 2007, S. 462 ff.; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten, S. 172 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 366; Raiser, AG 1989, 185, 187; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 590 ff. 38

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7. Kap.: Bewährung von Organstreitigkeiten in aktienrechtlicher Praxis

§ 90 AktG herangezogen werden. Die den Organen zugeordneten Rechte sind als subjektive Rechte zu qualifizieren. Passivlegitimiert ist der Vorstand als Organ selbst und nicht die jeweiligen Organmitglieder. Auch dies ergibt sich aus der Stellung des Vorstands als Berichtsschuldner. Zudem steht dem einzelnen Mitglied nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG das Recht zu, den Bericht i.S.v. § 90 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 AktG an den Aufsichtsrat zu verlangen. Es handelt sich bei diesem Recht um ein Individualorganrecht des Aufsichtsratsmitglieds40. Demnach ist die Anknüpfung der traditionellen Auffassung an die Rechtsfähigkeit des Organmitglieds als natürliche Person verfehlt41. Vielmehr ist auch das einzelne Organmitglied Träger organschaftlicher Rechte und Pflichten. Es klagt aufgrund seiner organmitgliedschaftlichen Stellung. Überdies liegt – nur weil dieses Recht dem Aufsichtsrat selbst zum Vorteil gereicht – liegt keine Prozessstandschaft vor42. Insofern ist der Lehre vom Organrecht zu folgen. Passivlegitimiert kann infolgedessen nur der Vorstand als Berichtsschuldner sein43. 2. Grenzen des Berichtverlangens – die Weigerung des Vorstands Grundsätzlich hat der Aufsichtsrat ein umfassendes Informationsrecht inne. Er ist als Überwachungsorgan befugt, von allen Geschäftsvorfällen Kenntnis zu erhalten44. Folglich ist ein Verweigerungsrecht des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat grundsätzlich abzulehnen, da ansonsten der Vorstand jederzeit die Überwachungspflicht des Aufsichtsrats vereiteln könnte. Nur unter sehr strengen Voraussetzungen soll es dem Vorstand ausnahmsweise gestattet sein, eine Auskunft oder einen Bericht zu verweigern45. Maßgeblich ist dabei, dass das Berichtsverlangen des Aufsichtsrats oder des einzelnen Mitglieds nicht als missbräuchlich anzusehen ist. In diesem Zusammenhang werden verschiedene Fallgruppen diskutiert, die an die Geltung der Legalitätspflicht für den Vorstand anknüpfen. In Anlehnung an die bereits diskutierten Organrechte kann man auch sagen, dass dem Vorstand ein Verweigerungsrecht zusteht, wenn das Berichten an den Aufsichtsrat nicht im Interesse der Gesellschaft liegt46. Dies ist insbesondere 40 Vgl. BGHZ 106, 54, 62; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 90 Rn. 18; Koch, in: Hüffer//Koch, AktG, 90 Rn. 22; Kort, in: Großkomm AktG, § 90 Rn. 196; Lutter/Krieger/ Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 838; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 AktG Rn. 63; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 594; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 90 Rn. 71. 41 So allerdings Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 90 AktG Rn. 49 f. sowie 66; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 AktG Rn. 63; Koch, in: Hüffer/Koch, § 90 AktG Rn. 22. 42 Dafür aber Häsemeyer, ZHR 144 (1980), 265, 275 ff. 43 Bauer, Organklagen, S. 115 ff.; Bork, ZGR 1989, 1, 32 f.; Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 595. 44 Vgl. Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 54. 45 Vgl. Manger, NZG 2010, 1255, 1257; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 54. 46 Siehe dazu bereits oben § 8 B.III. sowie § 8 C.I.3.

§ 28 Auswirkungen für die jeweiligen Organstreitkonstellationen

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dann der Fall, wenn die Berichterstattung an den Aufsichtsrat gegen gesetzliche Vorschriften verstößt47. Ebenfalls darf das Berichtsverlangen nicht missbräuchlich in dem Sinne sein, dass ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied seine eigenen Interessen über die Interessen des Organs bzw. der Gesellschaft stellt. Eine konkrete Missbrauchsgefahr wird zum einen dann bejaht, wenn ein Organmitglied einem konkurrierenden Wettbewerber angehört und konkret zu befürchten ist, dass die betroffenen Informationen an den Wettbewerber weitergegeben werden48. Zum anderen erwähnt die Regierungsbegründung zum TransPuG den Fall, dass ein Aufsichtsratsmitglied von einem mit den anderen Gesellschaftern zerstrittenen Familienstamm entsandt worden ist und daher die Gefahr des Ausplauderns von Interna bestehe49. Insbesondere das Berichtverlangen einzelner Aufsichtsratsmitglieder ist im Vorstand in erhöhtem Maße Vorbehalten ausgesetzt. So gelten Berichtsverlangen als missbräuchlich, die als schikanös oder querulatorisch einzuordnen sind50 und die Führung der Geschäfte durch den Vorstand nicht nur unerheblich beeinträchtigen51. Wann dies der Fall ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Überwiegend anerkannt ist allerdings, dass die Überwachung und das damit einhergehende Berichtsverlangen durch den Aufsichtsrat in Krisenzeiten der Gesellschaft zunehmen52. Eine Weigerung steht dem Vorstand demnach nur zu, wenn das Berichtsverlangen die Vorstandsarbeit lahmlegen würde. Ähnlich verhält es sich bei Berichtsverlangen, die einen fehlenden Funktions- und Gesellschaftsbezug aufweisen53. Der Vorstand ist verpflichtet im Rahmen der Weigerung den fehlenden Bezug nachzuweisen. In den dargelegten Fällen ist der Vorstand berechtigt, das Berichtverlangen zurückzuweisen. Die für die Weigerung angegebenen Gründe sind gerichtlich voll nachprüfbar54. Umstritten ist hingegen, ob der Vorstand sich gegenüber Dritten verpflichten kann, keine oder nur bestimmte Aufsichtsratsmitglieder zu informieren und unter Hinweis auf diese Vereinbarung, ein Berichtsverlangen durch den Auf-

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Siehe Manger, NZG 2010, 1255, 1257; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 54; Kort, in: Großkomm. AktG, § 90 Rn. 167; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 90 Rn. 44. 48 Koch, in: Hüffer/Koch, § 90 AktG Rn. 12a; Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 90 Rn. 47; Manger, NZG 2010, 1255, 1257. 49 Begr. RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 14. 50 Dazu bereits Begr. RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 14; sowie Manger, NZG 2010, 1255, 1257. 51 Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 90 Rn. 47; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 36. 52 Vgl. Lutter, Information und Vertraulichkeit, Rn. 123; Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 90 Rn. 47; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 36; Manger, NZG 2010, 1255, 1257; Hasselbach, NZG 2012, 41, 43. 53 Krieger/Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 90 Rn. 47; Manger, NZG 2010, 1255, 1257 f. 54 Manger, NZG 2010, 1255, 1258.

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sichtsrat oder ein Mitglied verweigern kann55. Richtigerweise ist eine solche Verpflichtung des Vorstands als Fall der anfänglichen Unmöglichkeit nach § 311a BGB einzuordnen, da es sich bei § 90 AktG um eine Pflicht handelt, die zwingenden Charakter aufweist und nicht vertraglich beschränkt werden kann56. Die Gesellschaft macht sich demnach gegenüber dem Dritten schadensersatzpflichtig.

II. Das Recht des Aufsichtsratsmitglieds zur Kenntnisnahme der Berichte nach § 90 Abs. 5 Satz 1 AktG § 90 Abs. 5 AktG stellt wie § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG ein Individualorganrecht des Aufsichtsratsmitglieds dar. Die Organmitglieder sollen in die Lage versetzt werden, sich umfassend zu informieren, um ihrer Überwachungsfunktion als Mitglieder des Aufsichtsrats gerecht zu werden. Eine hinreichende Informationsbasis bildet daher die Grundlage für die Aufsichtsratstätigkeit. Die Befugnis zur Kenntniserlangung ist demnach jedem Aufsichtsratsmitglied als organmitgliedschaftliches Recht zugeordnet57. Die Bestimmung, wer nach § 90 Abs. 5 AktG als Anspruchsgegner in Frage kommt, ist aufgrund der vielfältigen Auffassungen zum Organstreit nicht einfach vorzunehmen. Deutlich wird hierbei vor allem, dass die traditionelle Auffassung in ihrer Begründungsstruktur Grenzen erreicht und verkomplizierte Lösungen anbietet58. So sei die Gesellschaft nach dieser Auffassung als Anspruchsschuldner anzusehen59, sodass sich die Folgefrage stellt, wer die Gesellschaft vertritt. Bejaht man dies für den Vorstand, setzt man sich dem Vorwurf aus, Kompetenzen des Aufsichtsrats zu verletzten60. Aus ebenfalls diesem Grund ist die Einschaltung eines externen Prozesspflegers61 abzulehnen. Da es sich um eine organinterne Angelegenheit handelt, überzeugt es auch nicht, wenn der Aufsichtsrat als Vertreter der Gesellschaft62 auftritt; in diesem Fall steht das klagende Mitglied zugleich im Lager des die Gesellschaft vertretenden Organs. Es bietet sich daher an, den Wortlaut der 55 So Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 90 Rn. 8; Oltmanns, in: Heidel, AktR, § 90 Rdnr. 15. 56 Manger, NZG 2010, 1255, 1257; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 90 Rn. 55; Kort, in: GroßKomm. AktG, § 90 Rn. 120. 57 Dazu bereits oben § 22 D.II.2. 58 Siehe dazu die Ausführungen unter § 19 B.I.1.; kritisch ebenso Friedeborn, NZG 2018, 770, 773 f. 59 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 90 AktG Rn. 23; ebenso Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 90 AktG Rn. 66; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 15 f.; Flume, Die juristische Person, § 11 V, S. 406. 60 Darauf weist Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 371 zu Recht hin. 61 So Becker, Verwaltungskontrolle, S. 508. 62 So hingegen Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 16, Noack, DZWiR 1994, 341, 342.

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Vorschrift nutzbar zu machen: Während Satz 1 das Auskunftsrecht des Organmitglieds regelt, wird in Satz 3 ausdrücklich der Aufsichtsratsvorsitzende als derjenige genannt, der die Informationsversorgung des Aufsichtsrats zu gewährleisten hat. Richtigerweise kann dann nur dem Aufsichtsratsvorsitzenden in seiner besonders ausgeprägten organmitgliedschaftlichen Stellung die passive Parteirolle zukommen63. Dafür sprechen auch die Grundsätze des Vollstreckungsrechts, wie Friedeborn überzeugend dargelegt hat64.

III. Nichterstattung von Berichten des Vorstands nach § 90 Abs. 1 AktG gegenüber einem Aufsichtsratsausschuss Aufsichtsratsausschüsse können nach § 107 Abs. 3 AktG durch den Gesamtaufsichtsrat ins Leben gerufen werden. Damit erreicht man, dass die Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats in bestimmten Bereichen professionalisiert wird, indem der Ausschuss entweder vorbereitend oder sogar alleinentscheidend tätig wird65. In dogmatischer Hinsicht wurde bereits ausgeführt, dass es sich bei Ausschüssen um Unterorgane handelt, die Aufgaben des Gesamtorgans wahrnehmen. Zwar spricht § 90 Abs. 1 AktG davon, dass dem Aufsichtsrat und damit dem Gesamtgremium zu berichten ist. Jedoch kann ein solcher Bericht auch gegenüber einem Ausschuss erfolgen, wenn dem Ausschuss die Aufgabe durch den Aufsichtsrat übertragen wurde66. Dies gilt namentlich vor allem für den Prüfungsausschuss. Ausschüsse können daher direkt gegen den Vorstand im Klagewege vorgehen, wenn der Vorstand sich weigert, an den Ausschuss zu berichten. Es ist nicht erst erforderlich, dass der Aufsichtsrat als Gesamtgremium gegen den Vorstand einen Anspruch nach § 90 Abs. 1 AktG geltend macht. Sowohl in materiellrechtlicher als auch in zivilprozessualer Hinsicht bestehen keine Bedenken gegen eine solche Vorgehensweise67.

63 Ebenso Lutter, Information und Vertraulichkeit im Aufsichtsrat, 2006, Rn. 237; Borgmann, Organstreit, S. 216 f.; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 226 f.; aus dem jüngeren Schrifttum: Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 383. 64 Friedeborn, NZG 2018, 770, 773 f. 65 Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 107 AktG Rn. 38; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 102. 66 Zur Stellung von Ausschüssen § 22 D.III. 67 Siehe dazu bereits oben § 22 D.III. sowie § 26 B.

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IV. Nichterstattung von Berichten eines Aufsichtsratsausschusses nach § 107 Abs. 3 Satz 5 AktG gegenüber dem Aufsichtsratsgremium Bisweilen ungeklärt ist die Beurteilung des Umstands, wenn der Aufsichtsratsausschuss es unterlässt, dem Gesamtaufsichtsrat nach § 107 Abs. 3 Satz 5 AktG Bericht zu erstatten. Zwar ist in Anbetracht des Wortlauts ebenfalls eine Klage des Gesamtorgans gegen den Ausschuss denkbar, da dem Ausschuss eine Berichtspflicht auferlegt wird. Allerdings stehen im Verhältnis „Gesamtaufsichtsrat – Ausschuss“ andere wirksamere Mittel zur Verfügung, wie etwa das Recht, Gegenstände an sich heranzuziehen und damit wieder auf das Gesamtgremium zu übertragen oder den Ausschuss durch Beschluss aufzulösen. Obwohl aus materiellrechtlicher und zivilprozessualer Sicht eine OrganstreitKonstellation denkbar ist, existieren andere Konfliktlösungsmittel, die wirkungsvoller und unkomplizierter sind.

V. Auskunftsverlangen einer Gruppe gegenüber Vorstand und Aufsichtsrat Der mitbestimmte Aufsichtsrat setzt sich aus Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern zusammen. Diese Gruppen werden aufgrund unterschiedlicher Verfahren in den Aufsichtsrat gewählt und repräsentieren entsprechende Partikularinteressen68. Wie bereits mehrfach ausgeführt wurde, werden an diese besondere Gruppenzugehörigkeit keine weitergehenden Befugnisse geknüpft69. Die Repräsentanten von Anteilseigner und Arbeitnehmern handeln als Mitglieder des Aufsichtsrats im Interesse des Überwachungsorgans und damit im Interesse der Gesellschaft. Folglich kann sich aus der besonderen Gruppenzugehörigkeit keine weitergehende Kompetenz ergeben, es sei denn, eine solche ist vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen, wie dies im Rahmen der Mindestquote nach § 96 Abs. 2 AktG der Fall ist. Etwaige Berichtsrechte der Gruppen gegenüber Vorstand und Aufsichtsrat lassen sich daraus allerdings nicht ableiten.

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Zu den in der Aktiengesellschaft anzutreffenden Interessen siehe § 2 B.I. sowie § 8 B.II. Siehe BGHZ 106, 54, 65 – Opel; Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 216; Raiser, ZGR 1989, 44, 52; Kort, AG 1987, 193, 195; Bork, ZGR 1989, 1, 35 f.; a.A. LG Darmstadt ZIP 1986, 1389. 69

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B. Kompetenzabwehrklagen I. Außerachtlassen von Zustimmungsvorbehalten des Aufsichtsrats durch den Vorstand 1. Die Vereinbarung von Zustimmungsvorbehalten Das Aktiengesetz enthält mit der Möglichkeit zur Festlegung von Zustimmungsvorbehalten in § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG ein Mittel, um die Geschäftsführung des Vorstands zu kontrollieren. Seit dem TransPuG von 2002 sind Satzungsgeber und Aufsichtsrat sogar verpflichtet, für gewisse Arten von Geschäften Zustimmungsvorbehalte aufzustellen70. Überdies ist es anerkannt, dass der Aufsichtsrat auch ad hoc einen Zustimmungsvorbehalt einführen kann71. Das Gesetz schränkt damit das in § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG normierte Geschäftsführungsverbot ein und gesteht dem Aufsichtsrat eine vorbeugende Überwachung zu72. Nach dem BGH gestaltet damit der Aufsichtsrat die unternehmerische Tätigkeit des Vorstands begleitend mit73. Der Aufsichtsrat agiert als mitunternehmerisches Organ, das allerdings nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG nur ein Vetorecht zukommt, hingegen nicht die Möglichkeit zusteht, eigeninitiativ geschäftsführend tätig zu werden74. Die aktuelle Vorschrift war eine wesentliche Weiche zur Verbesserung der internen Corporate Governance in mitbestimmten Unternehmen. In diesen wurden seit Einführung der Mitbestimmung 1976 die Zustimmungskataloge weitestgehend ausgehöhlt, um die Befugnisse der Arbeitnehmervertreter zu beschränken75. Diese Praxis ist seitdem obsolet. Die Vorschrift ist ein Beleg dafür, dass die Übergänge von Geschäftsführung und Überwachung fließend verlaufen und es entsprechend schwierig ist, festzustellen, ob ein Kompetenzverstoß vorliegt oder nicht.

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Siehe dazu Begr. RegE, BT-Drucks. 14/8769 S. 17. BGHZ 124, 111, 127; OLG Braunschweig AG 2013, 47, 49; OLG Karlsruhe AG 2008, 900, 902; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 52; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG § 111 Rn. 67; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 115, 130; HamblochGesinn/Gesinn, in: Hölters, 2. Aufl., § 111 AktG Rn. 75; zuvor bereits Lutter, in: FS Vieregge, 1995, S. 603, 612; Boujong, AG 1995, 203, 206; Brandes, WM 1994, 2177, 2183; Dreher, ZHR 158 (1994), 614, 634; a.A. Kort, in: Großkomm. AktG, Vor § 76 AktG Rn. 12. 72 Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 110. 73 BGHZ 135, 244, 254 f. 74 Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 290 ff.; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 111 Rn. 5; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 111 Rn. 61 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 13; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 50 ff.; zur Wandlung der Organisationsverfassung und der Rolle des Aufsichtsrats siehe § 17 sowie Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 506 ff. 75 So bereits BDA, Arbeitskreis Mitbestimmung, 1976, S. 16; Fleischer, BB 2013, 835, 838; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 115; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 Rn. 616 f.; Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 AktG Rn. 35. 71

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7. Kap.: Bewährung von Organstreitigkeiten in aktienrechtlicher Praxis

2. Die Nichtbeachtung eines Zustimmungsvorbehalts durch den Vorstand Ignoriert der Vorstand die Existenz eines Zustimmungsvorbehalts oder wird die Zustimmung durch den Aufsichtsrat verweigert, so hat dies nach § 82 Abs. 1 AktG keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Maßnahme im Außenverhältnis. Etwas anderes ergibt sich hingegen für das Verhältnis innerhalb der Aktiengesellschaft. Der erste Fall – das Nichtbeachten des Zustimmungsvorbehalts ohne überhaupt eine Zustimmung einzuholen – stellt einen Verstoß gegen die interne Organisationsverfassung dar und wirft die Frage auf, ob und wie der Aufsichtsrat gegen ein solches Handeln einschreiten kann76. Für den anderen Fall der Versagung der Zustimmung kennt das Gesetz in § 111 Abs. 4 Satz 3 – Satz 5 AktG ein spezielles Verfahren. Richtigerweise muss die Zustimmung i.S.d § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG nach Sinn und Zweck der Norm als Einwilligung und damit vorherige Zustimmung verstanden werden77. Nur in Ausnahmefällen bei eilbedürftigen Geschäften ist es zwar umstritten, aber nach richtiger Auffassung möglich, dass der Aufsichtsrat auch nachträglich die Zustimmung erteilt78. Verweigert der Aufsichtsrat die vorherige Zustimmung, so kann auf Betreiben des Vorstands eine Entscheidung der Hauptversammlung eingeholt werden, § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG. Ein die Vorstandsmaßnahme unterstützender Beschluss bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfasst, § 111 Abs. 4 Satz 4 AktG. § 111 Abs. 4 Satz 5 AktG bestimmt ausdrücklich, dass die Satzung keine andere Mehrheit oder weitere Erfordernisse vorsehen kann. Es stellt sich nun die Frage, ob neben diesem vom Gesetz vorgesehenen Mechanismus weitere Konfliktlösungsmöglichkeiten bestehen können. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass die praktische Relevanz von § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG gering ist79. Die Möglichkeit, dass der Vorstand gar nicht den Aufsichtsrat über eine zustimmungspflichtige Maßnahme informiert oder ein vom Aufsichtsrat negativ gefasster Beschluss ignoriert wird, lässt die Frage aufwerfen, ob der Aufsichtsrat 76

Bauer, Organklagen, S. 96 f.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 384 f. 77 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 46; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 140; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 124; J. Hüffer, in: FS Hüffer, 2010, S. 365, 374 ff.; Seebach, AG 2012, 70, 71; zuvor bereits Bauer, Organklagen, S. 97. 78 Für Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, § 111 Rn. 80; Fonk, ZGR 2006, 841, 871; für sehr enge Ausnahme auch Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 47; gegen eine nachträgliche Zustimmungsmöglichkeit Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 141; Lutter/ Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 124; Götz ZGR 1990, 633, 643 f.; überzeugend ist es daher, eine Satzungsregelung zu statuieren, die eine nachträgliche Zustimmung ermöglicht, so Seebach, AG 2012, 70, 75; für die grundsätzliche Möglichkeit einer nachträglichen Zustimmung Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, 5. Aufl. 2003, Rn. 302. 79 Götz, ZGR 1990, 633, 644 f.; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 AktG Rn. 719; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 148; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 63; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 111 Rn. 74.

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dieses rechtswidrige Verhalten dulden muss oder ob man ihm andere Befugnisse, die sich aus der Überwachungskompetenz ableiten, gewährt. 3. Befugnisse des Aufsichtsrats bei Missachtung des Zustimmungsvorbehalts durch den Vorstand Handelt der Vorstand ohne die erforderliche Zustimmung einzuholen oder ignoriert er die Zustimmungsverweigerung durch den Aufsichtsrat, so stellt sich die Frage, ob der Aufsichtsrat mittels einer Organklage gegen das vom Vorstand beabsichtigte Verhalten eingreifen kann. Wie bereits zuvor ausgeführt wurde, wird dem Aufsichtsrat ein solches Recht nur zuteil, wenn ihm eine wehrhafte Verhaltensberechtigung zukommt, die ihm ausschließlich zugeordnet ist und er bei Ausübung dieser Verhaltensberechtigung im Organinteresse handelt. Die Leitungskompetenz des Vorstands wird durch die Aufstellung von Zustimmungsvorbehalten nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG begrenzt. Das Gesetz weist hier ausdrücklich den Satzungsgebern und dem Aufsichtsrat Befugnisse zu, die die Kompetenz des Vorstands beschränken80. Beabsichtigt der Vorstand nun einen Zustimmungsvorbehalt zu missachten und dadurch die innerorganisatorische Kompetenzverfassung der Aktiengesellschaft zu verletzen, verletzt er damit zugleich das allgemeine, aber ungeschriebene innerorganisatorische Störungsverbot81. Wie bereits ausgeführt wurde, stellt das Störungsverbot selbst kein subjektives Abwehrrecht des Aufsichtsrats dar. Ebenfalls ist die Befugnis aus § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG nicht als ein solches zu qualifizieren. Allerdings bildet sich ein subjektives Abwehrrecht aus der konkreten Konfliktsituation: Indem der Vorstand den Zustimmungsvorbehalt selbst oder die vom Aufsichtsrat verweigerte Zustimmung ignoriert und die beabsichtigte Maßnahme weiter verfolgt, verletzt er damit die aktienrechtliche Kompetenzordnung, sodass sich das innerorganisatorische Störungsverbot zu einem subjektiven Abwehrrecht verdichtet, das den Aufsichtsrat berechtigt, im Wege der Organklage gegen die bevorstehende oder bereits begonnene Kompetenzverletzung vorzugehen82. Bei diesem Einschreiten handelt der Aufsichtsrat auch im eigenen organspezifischen Interesse in seiner Funktion als Überwachungsorgan.

80 Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 114; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 40 ff. 81 Bork, ZGR 1989, 1, 18 f.; ebenfalls von einem allgemeinen innerorganschaftlichen Störungsverbot ausgehend, ohne dieses als subjektives Recht zu qualifizieren Bauer, Organklagen, S. 65 f.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 386. 82 So grundlegend Bork, ZGR 1989, 1, 18 f.; sowie ausführlich zu den dogmatischen Grundlagen unter § 21 C.III.3.

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II. Anmaßung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat oder Aufsichtsratsvorsitzenden 1. Leitung und Überwachung in der Aktiengesellschaft Das in der Aktiengesellschaft vorherrschende System von Leitung und Überwachung wurde in der vorliegenden Untersuchung bereits umfassend erörtert. Das Gesetz bestimmt, dass der Vorstand die Gesellschaft leitet (§ 76 Abs. 1 AktG) und der Aufsichtsrat die Geschäftsführung des Vorstands (§ 111 Abs. 1 AktG) überwacht. Dass das Gesetz Abweichungen von diesem Grundsatz vorsieht, wurde hinsichtlich des eben diskutierten Zustimmungsvorbehalts deutlich. Eine klare Kompetenztrennung ist in verschiedenen Randbereichen nicht immer möglich. Erschwert wird eine Grenzziehung zwischen Leitung und Überwachung durch die Aufwertung der Stellung des Aufsichtsrats, die dieser in den letzten beiden Jahrzehnten – von einem reines Überwachungsorgan hin zu einem mitunternehmerischen Organ – erlebte83. Ein moderner Aufsichtsrat ist in die Geschäftsplanung intensiver eingebunden und nimmt vor allem eine beratende Rolle ein. Gegenwärtig gibt es Bestrebungen, dem Aufsichtsrat weitere Befugnisse einzuräumen. So sieht der DCGK von 2019 in A.3 (ehemals Ziff. 5.2 DCGK – 2017) als Anregung vor, dass der Aufsichtsratsvorsitzende in angemessenen Rahmen bereit sein sollte, mit Investoren über aufsichtsratsspezifische Themen Gespräche zu führen. Diese Änderung ist sowohl auf Befürworter84, aber auch auf starke Kritik gestoßen. Insbesondere Jens Koch hat darauf hingewiesen, dass eine solche Empfehlung nicht mit dem aktienorganisationsrechtlichen status quo zu vereinbaren ist85. Kontakte zu den Investoren seien grundsätzlich Geschäftsführungsaufgaben und damit dem Vorstand vorbehalten. Überdies finde die Hervorstellung des Aufsichtsratsvorsitzenden als denjenigen, der die Gespräche führen soll, ebenso keine Stütze im Aktiengesetz, das organschaftliche Funktionen nur von Organen wahrgenommen werden können; der Aufsichtsratsvorsitzende sei hingegen kein Organ der Aktiengesellschaft86. Mag man 83

Lutter, ZHR 159 (1995), 287, 290 ff.; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, 3. Aufl., § 111 Rn. 5; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 111 Rn. 61 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 13; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 50 ff.; zur Wandlung der Organisationsverfassung und der Rolle des Aufsichtsrats siehe § 17 sowie Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 506 ff. 84 Für die Zulässigkeit der Kommunikation durch den Aufsichtsratsvorsitzenden bereits vor Änderung des Kodex Scherer, in: Dehnen, Der Professionelle Aufsichtsrat, 2011, S. 148, 151, 155; Drinhausen/Marsch-Barner, AG 2014, 337, 349 f.; Bommer/Steinbach, BOARD 2013, 219; Bortenlänger, BOARD 2014, 71, 72; Roth, ZGR 2012, 343, 369; grundsätzlich befürwortend: Kremer, in: Kremer/Bachmann/Lutter/v. Werder, DCGK, 7. Aufl. 2018, Rn. 1270 ff.; zurückhaltend Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, § 107 Rn. 54. 85 Siehe Koch, Stellungnahme vom 15. 12. 2016 zum DCGK, S. 1; sehr kritisch ebenso Stellungnahme von ver.di vom 5. 12. 2016 zum DCGK, S. 1 ff., sowie die Stellungnahme des DGB vom 1. 12. 2016 zum DCGK, S. 1 ff.; ebenfalls kritisch E. Vetter, AG 2016, 873. 86 Koch, Stellungnahme vom 15. 12. 2016 zum DCGK, S. 1; siehe zur Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden bereits oben § 2 A.II.3.; sowie Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG,

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dieser Entwicklung auch kritisch gegenüberstehen, so ändert es nichts an dem Umstand, dass sie stattfindet. Zwar wurde an anderer Stelle bereits aufgezeigt, dass der DCGK keine Gesetzesqualität besitzt, jedoch als sog. soft law über die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG gewisse Entwicklungslinien für das künftige Aktienrecht aufzeigt87. Dem Aufsichtsrat werden demnach weitere Befugnisse zuerkannt. Obschon erscheint es verfrüht anzunehmen, dass der Vorstand jedweden Eingriff des Aufsichtsrats dulden muss. Die Ausführungen zu den aktienrechtlichen Kompetenzschutzrechten als subjektive Abwehrrechte der Organe lassen sich auch für den Vorstand nutzbar machen88. In welchen Situationen dies auftreten kann, soll nachfolgend geklärt werden. 2. Kompetenzüberschreitung durch den Aufsichtsrat Zustimmungsvorbehalte schränken die Geschäftsführung durch den Vorstand ein. Dies ist vom Gesetzgeber auch in diesem Sinne beabsichtigt, da dem Aufsichtsrat eine präventive Kontrolle ermöglicht werden soll89. Durch eine zu weitreichende Anwendung von Zustimmungsvorbehalten kann die Leitungskompetenz des Vorstands in erheblicher Weise beschnitten werden. Dies ist bei solchen Bestimmungen zu bejahen, die für jede Art von Geschäften des Vorstands eine Zustimmung vorsehen90. In diesen Fällen wird der Vorstand regelmäßig in seiner Kompetenz nach § 76 Abs. 1 AktG verletzt sein, da eine eigenverantwortliche Unternehmensleitung nicht möglich ist. Eine Abstufung des Vorstands zum reinen Ausführungsorgan des Aufsichtsrats ist daher mit der in § 23 Abs. 5 AktG zugrundeliegenden Organisationsverfassung nicht zu vereinbaren.

3. Aufl., § 107 Rn. 38; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 107 Rn. 45; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 107 Rn. 63; a. A. Peus, Der Aufsichtsratsvorsitzende, 1983, S. 214; ders., ZGR 1987, 545, 552; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 60 f. 87 Zum Einfluss des DCGK siehe § 16 C.II. 88 Siehe oben § 22 C.V. 89 BGH ZIP 2007, 224, 225; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 114; Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 33; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 AktG Rn. 583; Fonk, ZGR 2006, 841, 866; Lieder, DB 2004, 2251; Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2006, S. 843; Bauer, Organklagen, S. 106; Raiser, in: FS für L. Raiser, 1974, S. 355, 358. 90 Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl., § 111 AktG Rn. 85; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 120; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 AktG Rn. 639 f.; Habersack, ZHR 178 (2014), 131, 141 ff.; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 111 Rn. 59; Thiessen, AG 2013, 573, 579 ff.; Fonk, ZGR 2006, 841, 846; Semler, in: FS Doralt, 2004, S. 609, 613.

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3. Kompetenzüberschreitung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden Leyendecker-Langner hat in einem Beitrag von 2012 auf die in der Praxis auftretende Besonderheit aufmerksam gemacht, dass der Aufsichtsratsvorsitzende vermehrt die ihn zugeordneten Mitwirkungsbefugnisse überschreitet und dadurch den Kompetenzbereich des Vorstands verletzt91. Er begründet dies mit der Aufwertung der rechtlichen Stellung des Aufsichtsrats im Zuge der Corporate-Governance-Debatte. Zu solchen kompetenzwidrigen Eingriffen durch den Aufsichtsratsvorsitzenden zählen die widerkehrende Einmischung in das Tagesgeschäft92, aber auch die Kontaktaufnahme mit Mitarbeitern des Unternehmens oder Dritten zur Informationsbeschaffung, ohne den Vorstand vorher zu fragen93. Ebenfalls ist es nur dem Vorstand vorbehalten, Absprachen mit Mitbewerbern zu führen, die die strategische Ausrichtung der Gesellschaft betreffen94. Bereits angeklungen ist allerdings, dass eine Stärkung des Aufsichtsratsvorsitzenden zumindest vom Kodex-Geber weiter befürwortet wird. Nach A.3 DCGK (ehemals Ziff. 5.2 DCKG – 2017) sollte der Aufsichtsratsvorsitzende Gespräche mit potentiellen Investoren führen dürfen, ohne dabei verpflichtet zu sein, den Vorstand einzubinden. Diese Regelung widerspricht der aktienrechtlichen Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden, wie sie das Gesetz vorsieht. Folglich ist vorliegend trotz dieser Entwicklungen von einem Kompetenzverstoß gegenüber dem Vorstand auszugehen, sollte der Aufsichtsratsvorsitzende Befugnisse wahrnehmen, die von der Geschäftsführungskompetenz des Vorstands umfasst sind. 4. Reaktionsmöglichkeiten des Vorstands Dem Vorstand steht sowohl bei einem zu weit gefassten Zustimmungsvorbehalt als auch bei einer Kompetenzüberschreitung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden ein Abwehrrecht zu, wenn sie in unzulässiger Art und Weise die Leitungskompetenz des Vorstands beschneiden und dadurch verletzen95. Der zu weit gefasste Zustimmungsvorbehalt stellt eine Kompetenzverletzung und damit einen Verstoß gegen das innerorganisatorische Störungsverbot dar. Durch die Kompetenzverletzung verdichtet sich das innerorganisatorische Störungsverbot zu einem subjektiven Abwehrrecht des Vorstands, der gegen den (durch den Aufsichtsrat ergangenen) Zustimmungsvorbehalt im Wege der Organklage vorgehen 91

Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721 ff. Scholz, in: Semler/v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 7 Rn. 35; Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721. 93 OLG Zweibrücken, NJW-RR 1990, 1124 verweist dabei auf die Auskunftsrechte nach § 90 AktG; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 82. 94 OLG Zweibrücken DB 1990, 1401; Hasselbach, NZG 2012, 41; Scholz, in: Semler/ v. Schenck, Arbeitshandbuch für Aufsichtsrastmitglieder, § 11 Rn. 70. 95 Bauer, Organklagen, S. 107. 92

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kann96. Ist der Zustimmungsvorbehalt in der Satzung verankert, so kann der Vorstand den gefassten Beschluss nach §§ 241 ff. AktG angreifen. Der gefasste Beschluss ist nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig. Überschreitet der Aufsichtsratsvorsitzende seine Befugnisse und verletzt damit die Geschäftsführungskompetenzen des Vorstands, so steht diesem ebenfalls ein sich aus dem innerorganisatorischen Störungsverbot verdichtendes Abwehrrecht gegen die Maßnahme zu97. Allerdings stellt sich die Frage, ob der Aufsichtsratsvorsitzende selbst oder der Aufsichtsrat Adressat einer möglichen Klage ist. Nach LeyendeckerLangner sei der Aufsichtsratsvorsitzende kein Organ und ein bloßer Repräsentant des Aufsichtsrats, sodass Letzterer verpflichtet sei, das kompetenzwidrige Verhalten seines Vorsitzenden zu verhindern98. Diese Argumentation verkennt allerdings, dass auch das einzelne Aufsichtsratsmitglied und insbesondere der Vorsitzende des Aufsichtsrats Inhaber organmitgliedschaftlicher Rechte und Pflichten ist, sodass auch dieser die geltende Organisationsverfassung zu respektieren hat und nicht die Kompetenzen des Vorstands verletzen darf. Daher ist der Aufsichtsratsvorsitzende selbst aus seiner organmitgliedschaftlichen Stellung Partei eines gerichtlichen Organstreits und somit Adressat einer Unterlassungsklage des Vorstands.

III. Die Nichtausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen durch den Vorstand 1. Die Ausführungspflicht des Vorstands nach § 83 Abs. 2 AktG Nach § 83 Abs. 2 AktG ist der Vorstand verpflichtet, die von der Hauptversammlung im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossenen Maßnahmen auszuführen. Zu Beginn der Untersuchung wurde bereits aufgezeigt, dass die Kompetenzen, die von der Hauptversammlung als Willensbildungsorgan der Aktiengesellschaft wahrgenommen werden, Entscheidungen betreffen, die von wesentlicher Bedeutung sind99. Neben geschriebenen Kompetenzen (wie bspw. §§ 179, 179a, 182, 192, 202 Abs. 2, 207, 222, 229 AktG) haben sich durch die Rechtsprechung ungeschriebene Kompetenzen der Hauptversammlung herausgebildet100. Allerdings kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Einfluss, der durch die Hauptversammlung auf die 96

So im Ursprung bereits Bork, ZGR 1989, 1, 19; ebenfalls Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 724; sowie bereits oben § 22 C.V.3.; eine Klagerecht des Vorstands auf anderer dogmatischer Grundlage befürwortend Bauer, Organklagen, S. 109; Hommelhoff, ZHR 1979, 288, 309. 97 Bork, ZGR 1989, 1, 19; Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 724; sowie oben § 22 C.V.3. 98 Leyendecker-Langner, NZG 2012, 721, 722. 99 Siehe dazu § 2 A.III. 100 Siehe dazu bereits § 2 A.III.2.; zu den ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen siehe Staake, Ungeschriebene HV-Kompetenzen.

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7. Kap.: Bewährung von Organstreitigkeiten in aktienrechtlicher Praxis

Gesellschaft ausgeübt wird, gering ist101. So gilt die Hauptversammlung nicht mehr als „Machtorgan“ der Gesellschaft und ist nicht befugt, unmittelbar in die Geschäftsführung des Vorstands einzugreifen oder Kompetenzen an sich zu ziehen102. Darüber hinaus ist der Vorstand nicht gehalten, rechts- oder satzungswidrige Hauptversammlungsbeschlüsse auszuführen. § 83 Abs. 2 AktG enthält damit zugleich eine Beschränkung der Bindungswirkung103. Eine Pflichtverletzung durch den Vorstand ist folglich dann nicht gegeben, wenn der von der Hauptversammlung gefasste Beschluss rechtswidrig ist und der Vorstand sich infolgedessen weigert, ihn auszuführen104. 2. Maßnahmen bei Weigerung des Vorstands Weigert sich allerdings der Vorstand, einen (in formeller und materieller Hinsicht) rechtmäßigen Hauptversammlungsbeschluss auszuführen, handelt er pflichtwidrig, sodass sich die Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 AktG schadensersatzpflichtig machen105, sofern ein Schaden entstanden ist. Der Aufsichtsrat ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Anspruch gegen die Vorstandsmitglieder geltend zu machen. Ebenso ist der Aufsichtsrat berechtigt, den Vorstand nach § 84 Abs. 3 Satz 1 und 2 AktG abzuberufen106. Hat der Vorstand allerdings Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Beschlusses, so ist er berechtigt, diesen nach §§ 243, 245 Nr. 4 AktG anzufechten107.

101

Zum Bedeutungsverlust der Hauptversammlung siehe bereits § 2 A.III.4. Zur Organisationsverfassung und den Gestaltungsmöglichkeiten der ersten Aktiengesellschaften in Deutschland siehe § 11. 103 Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 83 Rn. 5; Habersack, in: Großkomm. AktG, § 83 Rn. 12; Haertlein, ZHR 168 (2004), 437, 445 ff.; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 83 Rn. 18; Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 83 Rn. 9; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 83 Rn. 10; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 83 Rn. 9. 104 Raiser, in: FS L. für Raiser, 1974, S. 355, 359; Bauer, Organklagen, S. 104. 105 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 83 Rn. 6; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 83 Rn. 26; Haertlein, ZHR 168 (2004), 437, 450; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 83 Rn. 18; Habersack, in: Großkomm. AktG, § 83 Rn. 15; Bauer, Organklagen, S. 104; Hommelhoff, ZHR 1979, 288, 310. 106 Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 83 Rn. 6; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 83 Rn. 26; Habersack, in: Großkomm. AktG, § 83 Rn. 15; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 83 Rn. 18; Findeisen, ZIP 2009, 1653. 107 Bauer, Organklagen, S. 104; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 83 Rn. 10; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 83 Rn. 24; Volhard, ZGR 1996, 55, 59; Hefermehl, in: FS Schilling, 1973, S. 159, 166; Servatius, Strukturmaßnahmen, S. 334 ff. 102

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3. Klage gegen Vorstand auf Ausführung des Hauptversammlungsbeschlusses Das Gesetz enthält damit verschiedene Möglichkeiten, den bestehenden Konflikt zu beenden. Führen diese jedoch nicht zum Erfolg, so stellt sich zumindest die Frage, ob der Vorstand zur Ausführung des Hauptversammlungsbeschlusses im Klagewege verpflichtet werden kann108. Ob eine solche Verpflichtungsklage in Form einer Leistungsklage möglich ist, ist heftig umstritten. Eine Auffassung befürwortet ein aus der Mitgliedschaft abgeleitetes Recht auf gesetz- und satzungsmäßiges Verhalten der Organe und eine daraus resultierende Abwehrklage des einzelnen Aktionärs109. Die Mehrheit im Schrifttum lässt eine solche ungeschriebene Abwehrklage nur zu, sofern der Aktionär die Verletzung eines bestimmten, durch die Verbandsordnung konkretisierten subjektiven Rechts behauptet110. Richtigerweise ist allein die aktienrechtliche Kompetenzverfassung als Orientierungspunkt für die Abwehrklage des Aktionärs heranzuziehen111, da ein umfassendes Recht auf gesetz- und satzungsmäßiges Verhalten mit der aktienrechtlichen Kompetenzordnung nicht zu vereinbaren ist und die Ausweitung einer (vermeintlichen) individuellen Betroffenheit zu einer Flut von Klagen führen würde. Da allerdings der Konflikt zwischen Vorstand und Hauptversammlung besteht und die Weigerung zur Ausführung eines Hauptversammlungsbeschlusses den Kompetenzbereich der Hauptversammlung verletzt, ist grundsätzlich diese berechtigt, gegen den Vorstand einzuschreiten. Dieses Abwehrrecht leitet sich aus dem bereits angesprochenen allgemeinen innerorganisatorischen Störungsverbot her. Da es der Hauptversammlung allerdings an einer eigenen korporativen Binnenstruktur mangelt und keine Vertretungsregeln existieren, sind Vorbereitung und Durchführung eines solchen Verfahrens schwierig und umständlich. Zunächst kann die Hauptversammlung einen entsprechenden Beschluss fassen, gegen den Vorstand vorzugehen. Einige Stimmen folgern daraus, dass der Aufsichtsrat als Vertreter der Gesellschaft nach § 112 AktG gegen den Vorstand auf Ausführung der Hauptver-

108 Dazu Bauer, Organklagen, S. 104 f.; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 12; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 389 ff. 109 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 188 ff.; Becker, Verwaltungskontrolle und Gesellschafterrechte, 1997, S. 613 ff.; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, § 119 AktG Rn. 53. 110 Zöllner, ZGR 1988, 392, 421 ff.; Bayer, NJW 2000, 2609, 2611; Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives oder „sonstiges“ Recht, 1996, S. 286 ff.; Verse, Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Recht der Kapitalgesellschaften, 2006, S. 279 ff.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 389; Hoffmann-Becking, ZHR 167 (2003), 357, 360 ff.; Noack, Fehlerhafte Beschlüsse, S. 41 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 21 V 3 b, S. 649 f. 111 Rieckers, in: MünchHdb. GesR IV, § 18 Rn. 10; Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 324 f.; Busch, NZG 2006, 81, 83 f.; ebenso Lutter, JZ 2000, 837, 841.

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7. Kap.: Bewährung von Organstreitigkeiten in aktienrechtlicher Praxis

sammlungsbeschlüsse klagt112. Richtig daran ist, dass der Aufsichtsrat tätig wird, jedoch nicht als Vertreter der Gesellschaft, sondern aufgrund gewillkürter Prozessstandschaft für das Organ Hauptversammlung. Die Hauptversammlung ist berechtigt, dem Aufsichtsrat die Befugnis zu übertragen, das aus der Verletzung des allgemeinen Störungsverbots resultierende Abwehrrecht gegen den Vorstand geltend zu machen und somit die Ausführung des Hauptversammlungsbeschlusses herbeizuführen. Weigert sich der Aufsichtsrat – trotz expliziten Hauptversammlungsbeschluss – gegen den Vorstand vorzugehen, kann die Hauptversammlung die Organmitglieder nach § 103 AktG mit qualifizierter Mehrheit abberufen. Ein besonderer Grund ist dafür nicht erforderlich. Überdies können etwaige Ersatzansprüche, die aufgrund der Pflichtverletzung von Vorstand und Aufsichtsrat der Gesellschaft entstanden sind, durch einen besonderen Vertreter nach § 147 AktG geltend gemacht werden113. Allerdings ist es nicht möglich, dass der besondere Vertreter gegen den Vorstand auf Ausführung des Hauptversammlungsbeschlusses klagt114. Zum einen spricht bereits der Wortlaut von § 147 AktG gegen eine solche Ausweitung der Klagerechte des besonderen Vertreters. Zum anderen würde eine solche Befugnis die Organisationsverfassung in erheblicher Weise beeinträchtigen. Alternativ wird man dem einzelnen Aktionär in einem solchen Fall eine Abwehrklage aufgrund der Verletzung der aktienrechtlichen Kompetenzordnung zugestehen115. 4. Klage des Aufsichtsrats aus eigenem Recht? Wenn der Aufsichtsrat aufgrund des Hauptversammlungsbeschlusses als Prozessstandschafter gegen den Vorstand agieren kann, stellt sich ebenso die Frage, ob er auch aus eigenem Recht und ohne vorherige Ermächtigung durch die Hauptversammlung zur Klage gegen den Vorstand auf Ausführung des Hauptversammlungsbeschlusses berechtigt ist116. Eine Klage aus eigenem Recht wäre nach den Erkenntnissen der bisherigen Untersuchung immer dann gegeben, wenn durch das 112 Bauer, Organklagen, S. 105; Spindler, in: MünchKomm. AktG, § 83 Rn. 27; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 83 Rn. 13; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 310; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 9 f. 113 Dazu bereits oben § 8 C.II.3. 114 So die überwiegende Auffassung Rieckers/J. Vetter, in: KölnKomm. AktG, § 147 Rn. 132 ff.; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 147 Rn. 3; M. Arnold, in: MünchKomm. AktG, § 147 Rn. 24; differenzierend Koch, in: Hüffer/Koch, § 147 Rn. 2; a.A. G. Bezzenberger, in: Großkomm. AktG, § 147 Rn. 14; Herrler, in: Grigoleit, AktG, § 147 Rn. 4. 115 Vgl. Rieckers, in: MünchHdb. GesR IV, § 18 Rn. 10; Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 324 f.; Busch, NZG 2006, 81, 83 f.; ebenso Lutter, JZ 2000, 837, 841; im Ergebnis ebenso BGHZ 136, 133, 141 –Siemens/Nold; BGHZ 164, 249, 254 ff. – Mangusta/Commerzbank II. 116 Vgl. dazu Bauer, Organklagen, S. 103 f.; Bork, ZGR 1989, 1, 18 f.; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 386 f.

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pflichtwidrige Verhalten des Vorstands eine wehrfähige Verhaltensberechtigung des Aufsichtsrats entsteht und er bei Ausübung dieser Verhaltensberechtigung im eigenen Interesse handelt und ihm damit ein subjektives Abwehrrecht117 zukommt. Die in § 111 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsrat zugeschriebene Kompetenz, die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen, stellt allerdings keine Verhaltensberechtigung mit Schutz- und Ausschließlichkeitsgewähr dar118. Vielmehr handelt es sich um eine bloße Definition des Organs, die keine konkreten Verhaltensspielräume festlegt. Selbst wenn man wie Bauer von einem „Bündel“ zugewiesener Einzelbefugnisse spricht, ohne dies näher zu konkretisieren119, handelt es sich bei ihnen nicht um subjektive Rechte, die zur Geltung eines allgemeinen Störungsverbots führen. Wie Bork richtig feststellt, kann sich ein solches nur aus dem materiellen Aktienrecht und dabei insbesondere aus der aktienrechtlichen Kompetenzordnung ergeben120. Weigert sich der Vorstand, einen Hauptversammlungsbeschluss auszuführen, so handelt er rechtswidrig. Eine wehrfähige und ausschließliche Verhaltensberechtigung des Aufsichtsrats kann allerdings nur gegeben sein, wenn der Aufsichtsrat auch bei der Verletzung fremder Organkompetenzen (hier der Hauptversammlung) von der aktienrechtlichen Kompetenzordnung zum Eingreifen berechtigt ist121. Der Kompetenzordnung liegt das Prinzip der Funktionstrennung zugrunde. Damit ist jedem Organ ein Aufgabenbereich zugeordnet. Diese Zuständigkeitsaufteilung kann aufgrund der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG) in ihrem organisationsrechtlichen Gehalt nicht verändert werden. Dass die dem Aufsichtsrat zustehenden Befugnisse begrenzt sind, wurde an anderer Stelle bereits ausgeführt. So ist der Aufsichtsrat weder dem Vorstand gegenüber befugt, Weisungen zu erteilen, noch existiert die Möglichkeit der Ersatzvornahme122. Der Hauptversammlung als Willensbildungsorgan der Gesellschaft wird die Befugnis zur Streitbeilegung bei Kompetenzstreitigkeiten zwischen Vorstand und Aufsichtsrat vom Aktiengesetz nicht zuerkannt123. Als einzige außerorganisatorische Möglichkeit kann der Aufsichtsrat den Vorstand nach § 84 Abs. 3 AktG abberufen. Dass dieses Vorgehen nicht immer als geeignet und angemessen anzusehen ist, wurde bereits gesagt124. Zwar wird damit belegt, dass 117

So bereits Bork, ZGR 1989, 1, 18. Dazu Bork, ZGR 1989, 1, 18; Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 213 ff.; Hoppe, DVBl 1970, 845, 847 Fn. 21; a.A. jedoch H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 95. 119 Bauer, Organklagen, S. 59, im Ergebnis allerdings eine Klagemöglichkeit des Aufsichtsrats bei fehlender Betroffenheit ablehnend, S. 104 f. 120 Bork, ZGR 1989, 1, 18. 121 Vgl. dazu Bork, ZGR 1989, 1, 18. 122 Siehe dazu bereits oben § 3 C.; zuvor schon Bauer, Organklagen, S. 17; Bork, ZGR 1989, 1, 18. 123 Bork, ZGR 1989, 1, 18. 124 Dazu bereits LG Darmstadt AG 1987, 218, 219; Bauer, Organklagen, S. 19, 90; Bork, ZGR 1989, 1, 19; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 309; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 230. 118

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dem Aktiengesetz ein hilfreiches Konfliktlösungssystem fehlt und man daher im Wege der Rechtsfortbildung eine Organklage auch für die Fälle statuieren könnte, in denen die Kompetenz des Aufsichtsrats nicht verletzt ist125. Allerdings belegt die vorhandene Konzeption vielmehr, dass der Gesetzgeber den Organen „abgeschottete Kompetenzen“ zugestehen wollte, in die kein anderes Organ hineinregieren kann126. Dafür sprechen vor allem die historischen Erfahrungen einer frei gestaltbaren Organisationsverfassung wie sie HGB und ADHGB für die Aktiengesellschaft vor der Aktienrechtsnovelle von 1937 vorsahen127. Die abgeschottete Organkompetenz kann die Grundlage subjektiver Abwehrrechte darstellen, wenn dem mit ihm verbundenen ungeschriebenen, innerorganisatorischen Störungsverbot eine Verletzung droht. In diesem konkreten Fall verdichtet sich das innerorganisatorische Störungsverbot zu einem subjektiven Abwehrrecht des Organs128. Eine solche Konstellation ist für den Aufsichtsrat bei der Verletzung von Hauptversammlungskompetenzen durch den Vorstand nicht gegeben129. Der Wirkbereich des Organs bleibt auf den eigenen Kompetenzbereich beschränkt. Es fehlt demnach an der notwendigen Verknüpfung zwischen innerorganisatorischen Störungsverbot und Verhaltensberechtigung gegenüber dem anderen Organ130. Das subjektive Abwehrrecht reicht nur so weit, wie die eigene Kompetenz geht. Ignoriert der Vorstand einen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats oder greift der Aufsichtsrat in Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands ein, so sind in den jeweiligen Fällen die betroffenen Organe berechtigt, dem pflichtwidrig handelnden Organ die geltenden Grenzen im Wege einer Organklage aufzuzeigen. Dem Aufsichtsrat steht allerdings kein subjektives Abwehrrecht gegenüber dem Vorstand zu, wenn der Vorstand Kompetenzen der Hauptversammlung verletzt131.

IV. Tätigwerden außerhalb des Unternehmensgegenstandes Für die Überschreitung des Unternehmensgegenstands durch den Vorstand gilt das zur Nichtausführung eines Hauptversammlungsbeschlusses Ausgeführte entsprechend. Da Bestimmung und Änderung des Unternehmensgegenstandes in der alleinigen Zuständigkeit der Hauptversammlung liegen, überschreitet der Vorstand seine eigene Kompetenz und verletzt zugleich die Kompetenz der Hauptversammlung. Demnach ist die Hauptversammlung berechtigt, einen Beschluss zu fassen und 125

Dafür Raiser, ZGR 1989, 44, 61 f.; Stodolkowitz, ZGR 154 (1990), 1, 14. Bork, ZGR 1989, 1, 19. 127 Zur historischen Entwicklung der aktienrechtlichen Organisationsverfassung siehe 3. Kapitel. 128 So bereits oben § 28 B.I. und § 28 B.II.; sowie Bork, ZGR 1989, 1, 19. 129 Bork, ZGR 1989, 1, 19. 130 Bork, ZGR 1989, 1, 19. 131 So ebenfalls Bauer, Organklagen, S. 105; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 310 f.; Bork, ZGR 1989, 1, 20. 126

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den Aufsichtsrat damit zu beauftragen als Prozessstandschafter gegen den Vorstand, auf Einhaltung des Unternehmensgegenstands zu klagen. Ebenso wird man dem einzelnen Aktionär einen Anspruch gegen den Vorstand aufgrund der Kompetenzverletzung zugestehen132. Wiederum liegt keine Verletzung von Aufsichtsratskompetenzen vor, sodass der Aufsichtsrat nicht berechtigt ist, aus eigenem Recht eine Kompetenzverletzung geltend zu machen.

C. Der Organstreit als Mittel einer allgemeinen Verhaltenskontrolle I. Die Eigenbetroffenheit des Organs als notwendige Voraussetzung für Organklagen Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass ein Organ dann als Partei eines Organstreits agieren kann, wenn es Inhaber subjektiver Organrechte ist. Dies ist gegeben, wenn ihm eine Verhaltensberechtigung zusteht, die ihm ausschließlich zugewiesen ist und er bei Wahrnehmung der Verhaltensberechtigung im eigenen Organinteresse tätig wird133. Daraus ergibt sich, dass ein Organstreit grundsätzlich nur dann geführt werden kann, wenn Vorstand oder Aufsichtsrat selbst betroffen sind. Eine Selbstbetroffenheit des Aufsichtsrats ist hingegen zu verneinen, wenn der Vorstand – wie unter § 28 B.III. und § 28 B.IV. festgestellt wurde – Kompetenzen der Hauptversammlung verletzt. In diesen Fällen steht allein der Hauptversammlung die Befugnis zu, Maßnahmen einzuleiten und die Rechtsverletzung zu ahnden.

II. Zweifel und Gegenreden Die geltende aktienrechtliche Organisationsverfassung gibt damit dem Aufsichtsrat kein Mandat zur Verhinderung rechts- und satzungswidriger Handlungen durch den Vorstand ohne eigenes Betroffensein. Bedeutende Stimmen aus dem Schrifttum134 haben entgegen der überwiegend ablehnenden Meinung135 Zweifel geäußert und wollen dem Aufsichtsrat auch ohne eigene verhaltensbegründende Betroffenheit die Befugnis zugestehen, präventiv gegen den Vorstand einzuschreiten.

132 Rieckers, in: MünchHdb. GesR IV, § 18 Rn. 10; Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 324 f.; Busch, NZG 2006, 81, 83 f.; ebenso Lutter, JZ 2000, 837, 841; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, § 119 AktG Rn. 53: „individueller Unterlassungsanspruch“. 133 Dazu bereits § 21 C.III.3. 134 Raiser, ZGR 1989, 44, 64; H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 96; Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 12; Grunewald, DB 1981, 407, 408. 135 Bauer, Organklagen, S. 119; Bork, ZGR 1989, 1, 20; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 386; K. Schmidt, ZZP 92 (1979), 212, 232.

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Die Befürworter solcher Klagen bringen vor, dass der Aufsichtsrat nicht „sehenden Auges“ rechtswidrige Maßnahmen des Vorstands dulden könne, die der Gesellschaft möglicherweise erhebliche Schäden zufügen136. Zudem sei die Funktionentrennung nur in geringem Maße tangiert, da nur besonders schwere Gesetzesverstöße von einer Klage erfasst seien137. Überdies habe das Gericht bei Prüfung der Rechtswidrigkeit den weiten Ermessensspielraum des Vorstands bei unternehmerischen Entscheidungen zu berücksichtigen138. Ebenso kann für die Möglichkeit einer solchen Klage angeführt werden, dass die Hauptversammlung aufgrund ihrer Konstituierung zur Geltendmachung präventiv gerichteter Ansprüche zu schwerfällig und daher ungeeignet ist. Daher sei der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan prädestiniert, aus eigenem Recht gegen den Vorstand einzuschreiten. Dafür spricht zudem, dass dem Aufsichtsrat bereits die alleinige Personalhoheit gegenüber dem Vorstand zusteht. Wenn der Aufsichtsrat diesen aus wichtigem Grund nach § 84 Abs. 3 AktG abberufen könne, müsse eine „mildere“ Maßnahme ebenso möglich sein.

III. Das Fehlen einer konkreten Kompetenzzuweisung an den Aufsichtsrat Die vorgebrachten Einwände sind nicht von der Hand zu weisen. Dass der Aufsichtsrat erst abwarten muss, bis der Gesellschaft ein Schaden entstanden ist und die Vorstandsmitglieder erst im Nachgang und oftmals Jahre später in Haftung genommen werden, ist ein Zustand, der unter Corporate-Governance-Gesichtspunkten mehr als unbefriedigend anzusehen ist. Allerdings liegt der Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft eine Zuständigkeitsordnung zugrunde, die jedem Organ einen eigenständigen Aufgabenbereich zugesteht, der selbständig von dem Organ ausgefüllt wird. Eine weitergehende Eingriffsbefugnis in die Kompetenzen eines anderen Organs ist gerade nicht vorgesehen. Eine Ausnahme stellt davon der bereits angesprochene ungeschriebene Grundsatz vom innerorganisatorischen Störungsverbot dar, der allerdings die Grundlage dafür bildet, dass die Organe, ihre zugeordneten Kompetenzen ausüben können139. Eine darüber hinausgehende Befugnis des Aufsichtsrats, eine allgemeine Verhaltenskontrolle gegen den Vorstand im Klagewege zu erreichen, ist mit der geltenden Organisationsverfassung demnach nicht zu verein136

Vgl. Raiser, ZGR 1989, 44, 64. H. Bitter, Leistungsklagen und organisationsrechtlicher Status, S. 96; zuvor bereits Stodolkowitz, ZHR 154 (1990), 1, 12. 138 Diese Argumente werden von einigen Stimmen bei der Gesellschafterklage angeführt, so dass sie ohne weiteres in der vorliegenden Konstellation ebenfalls zu berücksichtigen sind und übertragen werden können, so bereits Becker, Verwaltungskontrolle, S. 617 f.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, 2002, S. 318 ff.; Grunewald, DB 1981, 407, 408. 139 Dazu bereits oben § 22 C.V.3. sowie Bork, ZGR 1989, 1, 18 f. 137

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baren. Dass nur schwerwiegende Verstöße Gegenstand einer Kontrolle sein sollen, genügt nicht für ihre Berechtigung. Da es sich bereits um eine ungeschriebene Klagebefugnis handelt, fehlt es an der erforderlichen Bestimmtheit, wenn man den Anwendungsbereich auf besonders schwere Gesetzesverstöße beschränkt. Zudem wird im konkreten Fall der Vorstand einen solchen Verstoß als nicht gegeben ansehen140. Folglich bleibt der Hauptversammlung die Möglichkeit, durch Beschluss den Aufsichtsrat als Prozessstandschafter zu beauftragen, gegen den Vorstand vorzugehen. Zudem steht den Aktionären der Weg frei, Abwehr- bzw. Erfüllungsklagen gegen den Vorstand geltend zu machen141. Da dem Aufsichtsrat ein Einschreiten aus eigenem Recht verwehrt ist, ist er allein darauf verwiesen, im Vorfeld einer rechtswidrigen Maßnahme des Vorstands, einen ad-hoc-Zustimmungsvorbehalt zu statuieren, der infolge der Nichtbeachtung durch den Vorstand, das innerorganisatorische Störungsverbot aktiviert und einer Kompetenzabwehrklage als Konfliktlösungsmittel zur Verfügung steht142.

IV. Das restriktive Verhalten des Aufsichtsrats in der Praxis und seine Auswirkungen Die Diskussion über die Zulässigkeit einer allgemeinen Verhaltenskontrolle konnte allerdings noch nicht das eigentliche Problem darlegen, das aufgrund der aktienrechtlichen Organisationsverfassung besteht. Die Befürworter einer allgemeinen Verhaltenskontrolle stellen darauf ab, dass dem Aufsichtsrat weitergehende Befugnisse zuteilwerden müssen, um größere Schäden von der Gesellschaft abzuwenden. Auch die Gegner einer allgemeinen Verhaltenskontrolle befürworten nicht, dass der Gesellschaft ein Schaden entstehen soll, sondern ermöglichen durch die Statuierung eines ad-hoc-Vorbehalts ein Einschreiten durch den Aufsichtsrat. Betrachtet man allerdings einige prominente Fälle aus der Vergangenheit, die rechtswidriges Handeln bzw. Unterlassen von Organen als Gegenstand hatten und die es in die Öffentlichkeit schafften, so zeigt sich, dass die Aufsichtsräte, die ihnen zur Verfügung stehenden Kompetenzen nicht hinreichend ausschöpften, in vielen Fällen restriktiv gegenüber dem Vorstand agierten und damit (erst recht) dem Wohl der Gesellschaft schadeten143. Dieses restriktive Verhalten beruht auf der Befürchtung, 140 Ebenso Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 391: „… über die Schwere eines Rechtsverstoßes lässt sich trefflich streiten.“ 141 Rieckers, in: MünchHdb. GesR IV, § 18 Rn. 10; Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 324 f.; Busch, NZG 2006, 81, 83 f.; ebenso Lutter, JZ 2000, 837, 841. 142 So der überzeugende Vorschlag von Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 391 f. 143 Siehe zuletzt das Verhalten des Aufsichtsrats gegenüber den Vorstandsmitgliedern der Volkswagen AG im Hinblick auf die Auszahlung von Boni trotz des Diesel-Gate-Skandals.

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Kompetenzen des anderen Organs zu verletzen, wenn man Maßnahmen des Vorstands für rechtswidrig erachtet. Bestärkt wird dieses Verhalten durch die Einflüsse des DCGK. Dieser legt ein Verständnis eines konfliktfreien Verhältnisses zwischen Vorstand und Aufsichtsrat zugrunde. So heißt es in Grundsatz 13 Satz 1 (ehemals Ziff. 3.1), dass Vorstand und Aufsichtsrat zum Wohle des Unternehmens vertrauensvoll zusammenarbeiten. Allein in Grundsatz 13 Satz 2 (ehemals Ziff. 3.5) wird darauf hingewiesen, dass eine gute Unternehmensführung eine offene Diskussion zwischen Vorstand und Aufsichtsrat voraussetzt. Zwar hat der Kodex keinen Gesetzescharakter, jedoch übt er wegen der Pflicht nach § 161 AktG einen nicht geringen Einfluss auf die Praxis aus. Dies und die fehlenden Konfliktlösungsmechanismen im Gesetz führen dazu, dass der Aufsichtsrat eher zurückhaltend gegenüber dem Vorstand auftritt. Nicht wirklich überzeugen können die Ausführungen, wonach ein Organstreit zu einer schlechten Außenwahrnehmung der Gesellschaft führt144. So belegt gegenwärtig der Diesel-Gate-Skandal der Volkswagen AG (u. a. Unternehmen), dass ein unterlassenes Einschreiten durch den Aufsichtsrat schwerwiegendere Konsequenzen mit sich bringen kann.

V. Konkretisierung von Zustimmungsvorbehalten des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG de lege ferenda Nach geltendem Recht ist es demnach nicht möglich, die Verletzung fremder Kompetenzen durch den Aufsichtsrat zu verhindern. Die in § 111 Abs. 1 AktG enthaltene Funktionsbeschreibung gewährt dem Aufsichtsrat keine entsprechende Verhaltensberechtigung. Unter IV. wurde festgestellt, dass in der Praxis eine erhebliche Unsicherheit im Hinblick auf die Ausübung der den Organen zustehenden Kompetenzen besteht. Die vorhandenen Maßnahmen (bspw. die Statuierung eines ad-hoc-Vorbehalts) werden nicht genutzt, sei es aus Unwissenheit oder aus übertriebener Rücksichtnahme dem Vorstand gegenüber. Bestärkt wird dies durch die unzureichende und unbestimmte Beschreibung der Überwachungsaufgabe durch den Aufsichtsrat im Aktiengesetz. Es bietet sich daher an, die in § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG enthaltene Pflicht zur Statuierung von Zustimmungsvorbehalten im Sinne einer vorbeugenden Kontrolle zu konkretisieren und Satz 2 um einen zweiten Halbsatz zu ergänzen. Nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG wird der Punkt durch ein Semikolon ersetzt und der nachfolgende Halbsatz angefügt:

144 Darauf abstellend Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 391; zuvor bereits allgemein zum Organstreit Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, Vor § 76 Rn. 4 ff.; Mertens, ZHR 154 (1990), 24, 26 ff.; Borgmann, Organstreit, S. 238 ff.; Brücher, AG 1989, 190, 191 f.; Werner, AG 1990, 1, 6.

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„zu diesen Arten von Geschäften zählen insbesondere solche, die nicht mehr vom Unternehmensgegenstand im Sinne des § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG gedeckt sind und ohne vorherige erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung erfolgen sowie solche, die einen von der Hauptversammlung gefassten Beschluss verletzen.“

Das Gesetz verpflichtet den Aufsichtsrat in diesen beiden konkreten Fällen, einen Zustimmungsvorbehalt zu statuieren, sollte ein solcher nicht bereits existieren. Wird der Vorstand dennoch außerhalb des Unternehmensgegenstands tätig oder verletzt einen Beschluss der Hauptversammlung, ist davon auszugehen, dass er ebenso den Zustimmungsvorbehalt missachten wird, sodass eine Verletzung der Kompetenz des Aufsichtsrats gegeben ist, und dieser wegen der damit verbundenen Verletzung des ungeschriebenen innerorganschaftlichen Störungsverbots zum Einschreiten gegen den Vorstand berechtigt ist.

VI. Die Vereinbarkeit von § 111 Abs. 4 Satz 2, Hs. 2 AktG-E mit der aktienrechtlichen Organisationsverfassung 1. Einflüsse auf den Gesetzgeber bei Änderungen der Organisationsverfassung Grundsätzlich bedarf die Ergänzung einer organisationsrechtlichen Norm einer besonderen Begründung. Der Gesetzgeber verfolgt im Hinblick auf Veränderungen der aktienrechtlichen Organisationsstruktur ein reserviertes Vorgehen. Die letzte große einschneidende Novelle, die Änderungen der Organisationsstruktur mit sich brachte, erfolgte im Jahr 1937. Seit dieser Zeit bildet die in § 23 Abs. 5 AktG festgeschriebene Satzungsstrenge und die damit einhergehende Unveränderbarkeit der Organisationsstruktur die Grundlage der gegenwärtigen aktienrechtlichen Organisationsverfassung145. Da sich die damit verbundene Funktionstrennung in den letzten Jahrzehnten bewährt hat, hielt es der Gesetzgeber nicht für notwendig, größere und einschneidende Veränderungen vorzunehmen146. Wurde er dennoch tätig, so waren die Änderungen entweder eine Folge der fortschreitenden CorporateGovernance-Debatte147 oder eine Reaktion auf eine zuvorige Krise148. Insbesondere die Reform der Berichtspflichten nach § 90 AktG, die Pflicht zur Statuierung von Zustimmungsvorbehalten für bestimmte Arten von Geschäften nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG und die Etablierung des DCGK stellen Beispiele für den Einfluss dar, der durch Aspekte der Corporate Governance auf den deutschen Ge145

Siehe dazu bereits § 13. Eine Ausnahme stellt dabei die Aufwertung der Hauptversammlung durch die Aktienrechtsnovelle von 1965 dar, siehe dazu § 14 B. 147 Siehe insbesondere zum TransPuG und den Grundlagen zur Corporate-GovernanceDiskussion § 16 C. 148 Siehe bereits § 16 B. sowie § 16 C.I.; Rudolph, BB 2003, 2053; zu Unternehmenskrisen nach 1998 Holl, Die Reform des aktienrechtlichen Aufsichtsrats, 2002, S. 1 f. 146

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setzgeber ausgeübt wurde und immer noch wird. Außerhalb des Aktiengesetzes nahm der Gesetzgeber Einfluss auf die Überwachungskompetenzen der Aufsichtsorgane von Kreditinstituten. So regelt § 25d KWG zum einen, dass das Aufsichtsorgan verpflichtet ist, gewisse Ausschüsse zu bilden. Zum anderen stehen diesen Ausschüssen teilweise Befugnisse zu, die unter „üblichen“ aktienorganisationsrechtlichen Gesichtspunkten in die Leitungskompetenz des Vorstands hineinragen würden. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob diese bankaufsichtsrechtlichen Entwicklungen Ausstrahlungswirkung auf das „gewöhnliche“ Aktienrecht haben149. Auch diese Gesetzesänderungen stellten eine Reaktion auf eine Krise dar. Die Entwicklungen verdeutlichen allerdings, dass Veränderungen der Organisationsverfassung jedweder Art nur sehr restriktiv erfolgen können. So stellte die Erweiterung der Berichtspflichten nach § 90 AktG und die damit ebenso vollzogene Stärkung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds eine Ergänzung von Hilfsmitteln zur Wahrnehmung der Überwachung durch den Aufsichtsrat dar. Bereits die Pflicht zur Statuierung von Zustimmungsvorbehalten nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG wurde von Teilen der Literatur kritisch bewertet150 und teilweise als Eingriff in die Leitungskompetenz des Vorstands angesehen151. Die überwiegende Auffassung begrüßte hingegen die Neuregelung152. 2. Die Einfügung der vorgeschlagenen Bestimmung unter Beachtung der aktienrechtlichen Organisationsverfassung Die empfohlene Ergänzung von § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG verpflichtet den Aufsichtsrat, Zustimmungsvorbehalte für die beiden genannten Fälle zu statuieren und stärkt damit die vorbeugende Überwachung durch den Aufsichtsrat. Zwar hat bereits Schürnbrand darauf hingewiesen, dass ein solcher Vorbehalt vom Aufsichtsrat auch ad hoc gefasst werden könne153 und sich daraus schließen lässt, dass eine gesetzliche Pflicht, einen Vorbehalt für eine bestimmte Art von Geschäften zu etablieren, nicht erforderlich erscheint. Eine gesetzliche Verankerung wegen der Möglichkeit abzulehnen, einen ad-hoc-Beschluss zu fassen, verkennt jedoch die schwierige Situation, in der sich der Aufsichtsrat befindet. Erlangt der Aufsichtsrat Kenntnis darüber, dass der Vorstand einen Beschluss der Hauptversammlung nicht ausführen will oder ein Geschäft wahrnehmen möchte, das außerhalb des Unternehmensgegenstandes liegt und in beiden Fällen die Kompetenz der Hauptver149

Dazu Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG , § 111 Rn. 72. Vgl. Mertens/Cahn, in: KölnKomm. AktG, § 111 Rn. 104 ff.; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 Rn. 608 ff. m.w.N. 151 So vor allem Hucke/Ammann, DStR 2002, 689, 691. 152 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, 2002, S. 579 ff. sowie 842 ff.; Lieder, DB 2004, 2251, 2253; Schönberger, Zustimmungsvorbehalt des AR, S. 187 ff.; ebenso Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 111 Rn. 4, 115. 153 Siehe Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 391 f. 150

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sammlung verletzt werde, so würde zunächst der Aufsichtsrat – in Gestalt des Aufsichtsratsvorsitzenden – versuchen, auf den Vorstand durch Gespräche einzuwirken, um einen sich anbahnenden Konflikt zu vermeiden. Fraglich ist dabei, ob der Aufsichtsrat in der betreffenden Situation in der Lage ist, rechtzeitig zusammenzutreten und über die Maßnahme und geeignete Reaktionen zu beraten. Zudem kann man darüber zweifeln, ob der Aufsichtsrat in diesem Zeitpunkt hinreichend und umfassend informiert ist. Ist dies nicht der Fall, besteht die Gefahr, dass der Aufsichtsrat einen zu weit gefassten Zustimmungsvorbehalt statuiert und damit die Leitungskompetenz des Vorstands verletzt. Aus diesen Gründen erscheint es sachgerecht, den Aufsichtsrat im Vorfeld und durch gesetzliche Regelungen zu verpflichten, für Geschäfte, die außerhalb des Unternehmensgegenstands liegen als auch für Maßnahmen, die einen Hauptversammlungsbeschluss verletzen, einen Zustimmungsvorbehalt zu statuieren. Eine solche Regelung greift unausweichlich die bei der letzten Reform der Norm bereits diskutierte Frage auf, ob das Gesetz einen Katalog spezieller Geschäfte vorgeben soll154. Der Gesetzgeber hat sich damals gegen einen solchen entschieden155. Dies ist unter den damals angestrebten Absichten nachvollziehbar. Aus heutiger Perspektive zeigt sich allerdings, dass der Aufsichtsrat in der Praxis nicht immer die ihm zur Verfügung stehenden Befugnisse ausgeschöpft hat. Mit der Pflicht zur Statuierung von Zustimmungsvorbehalten, die rechtswidriges Handeln durch den Vorstand begrenzen, wird die vorbeugende Kontrolle durch den Aufsichtsrat verbessert und die Gefahr einer überstürzten und fehlerhaften Reaktion, die bei einem ad-hoc-Beschluss nicht unwahrscheinlich ist, gemindert. Neben diesen praktischen Vorzügen der vorgeschlagenen Regelung sprechen auch dogmatische Aspekte für sie. So wurde bereits ausgeführt, dass Veränderungen, die die aktienrechtliche Organisationsverfassung betreffen, nicht zu einer Verschiebung der gegenwärtigen Zuständigkeitsordnung führen sollen. Den Erhalt der Trennung zwischen Leitung und Überwachung gilt es, bei jeder beabsichtigten Änderung der Organisationsverfassung aufrecht zu erhalten. Zunächst könnte man daher daran denken, dass ein solcher Vorbehalt die Leitungskompetenz des Vorstands verletzt. Das wäre allerdings nur der Fall, wenn der Aufsichtsrat durch den Zustimmungsvorbehalt zugleich Fragen der üblichen Geschäftsführung an sich ziehen würde. Für beide Regelungen ist dies nicht der Fall. Zudem ist es nicht ausgeschlossen, dass in einigen Aktiengesellschaften bereits jetzt ein Katalog existiert, der die Überschreitung des Unternehmensgegenstands oder die Missachtung eines Hauptversammlungsbeschlusses unter Zustimmungsvorbehalt stellt. Überdies kann – wie schon angesprochen wurde – auch nach gegenwärtiger Rechtslage ad hoc ein Zustimmungsvorbehalt statuiert werden. 154

Für einen solchen Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, § 111 Rn. 627; dafür ebenso Lutter/ Krieger/Verse, Rn. 118; Ziemons, in: Nirk/Ziemons/Binnewies, Hdb. Aktiengesellschaft, Rn. I 8.620. 155 Siehe Begr. RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, S. 17.

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Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob eine solche Regelung, Kompetenzen der Hauptversammlung verletzt. Allerdings wäre eine solche Kompetenzverletzung nur gegeben, wenn der Vorstand eine entsprechende Maßnahme beabsichtigt, die Zustimmung der Hauptversammlung einholt, es aber für die Wirksamkeit der Maßnahme zusätzlich auf die Entscheidung des Aufsichtsrats ankäme. Ein entsprechender Zustimmungsvorbehalt würde die Hauptversammlungskompetenz verletzen. Allerdings ist auch dieser Fall nicht gegeben. Die Regelung erfasst gerade allein die Sachverhalte, in denen der Vorstand keine Zustimmung durch die Hauptversammlung einholt. Der Regelungsvorschlag verletzt damit nicht die geltende Kompetenzverfassung und kann auch nicht dazu führen, die Leitungskompetenz des Vorstands zu weit zu beschränken oder die Kompetenz der Hauptversammlung zu verletzen. Etwaige Missbrauchsgefahren sind ebenfalls nicht ersichtlich. Vielmehr entspricht eine solche Bestimmung den Entwicklungen der letzten Jahre und würde einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der aktienrechtlichen Corporate Governance leisten.

D. Klagebefugnisse einzelner Aufsichtsratsmitglieder Die Aufgabe zur Überwachung des Vorstands ist nach § 111 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsrat als Gesamtorgan zugeordnet. Dies schließt allerdings nicht aus, dass einzelne Aufsichtsratsmitglieder versuchen, gegen Maßnahmen des Vorstands vorzugehen, die sie als rechtswidrig erachten. In der Praxis bildeten solche Versuche von Seiten der Arbeitnehmervertreter die Grundlage der Opel-Entscheidung des BGH156. Obwohl die eigentliche Überwachungsaufgabe dem Gesamtorgan zukommt, sind die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder kraft ihrer Stellung berechtigt und verpflichtet, innerhalb des Aufsichtsrats mitzuwirken, um dieser Überwachungsaufgabe bestmöglich gerecht zu werden und den Willen des Aufsichtsrats durch Beschluss zu bilden. Für diese Aufgabenwahrnehmung hat ihnen das Gesetz verschiedene Befugnisse zugeordnet. An früherer Stelle wurde bereits ausgeführt, dass ihnen Ansprüche auf Berichterstattung gegen den Vorstand (§ 90 Abs. 3 Satz 2 AktG, 125 Abs. 3 AktG) – sog. Interorganstreit – als auch gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden (§ 90 Abs. 5 Satz 3 AktG) – sog. Intraorganstreit – zukommen. Ein Intraorganstreit ist zudem gegeben, wenn ein Aufsichtsratsbeschluss durch ein Mitglied im Wege der Feststellungsklage angegriffen wird. Es handelt sich bei diesen Befugnissen – sowohl gegenüber dem Vorstand als auch gegenüber dem Aufsichtsrat bzw. einem Mitglied – um subjektive Rechte des Organmitglieds157.

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Im Opel-Fall versuchten die Arbeitnehmervertreter die Ausgliederung der IT-Abteilung zu verhindern, siehe BGHZ 106, 54 – Opel; OLG Celle ZIP 1989, 1552 – Pelikan; LG Köln AG 1976, 329 – Felten & Guilleaume. 157 Siehe dazu bereits § 22 D.II.

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Überdies gewährt die aktienrechtliche Kompetenzordnung den einzelnen Organmitgliedern Kompetenzschutzrechte. Wie weit diese reichen, ist allerdings strittig. Ohne Bedenken ist an die Organmitgliedschaft das Recht geknüpft, an Aufsichtsratssitzungen teilzunehmen, Meinungen zu äußern, Anträge zu stellen und abzustimmen. Wird ein Mitglied von diesen Rechten – ohne sachlichen Grund158 – ausgeschlossen, steht ihm ein Abwehrrecht aus der Verletzung des innerorganisatorischen Störungsverbots zu. Fraglich ist allerdings, ob das einzelne Aufsichtsratsmitglied auch Kompetenzverletzungen des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat aus eigenem Recht ahnden kann159. Die Mehrheit lehnt eine solche Befugnis aus eigenem Recht ab, da es sich um die alleinige Kompetenz des jeweiligen Organs (§ 111 Abs. 1 AktG für den Aufsichtsrat, § 76 Abs. 1 AktG für den Vorstand) handele, etwaige Abwehrrechte geltend zu machen160. Allerdings wollen einige Stimmen unter Rückgriff auf die dem Verbandsmitglied zustehende „actio pro socio“ eine Befugnis aus fremdem Recht gegen den Vorstand auch dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied zugestehen161. Diese „Notbefugnis“162 dürfe allerdings nur unter sehr strengen Voraussetzungen gelten: So dürften sich zum einen die Aufsichtsratsmitglieder nicht als weitere Kontrollinstanz neben den Aufsichtsrat manifestieren163. Zum anderen sollen innerorganschaftliche Meinungsverschiedenheiten nicht durch die gerichtliche Inanspruchnahme des Vorstands umgangen und ausgetragen werden164. Daher sei das einzelne Mitglied zunächst daran gehalten, einen Beschluss durch den Aufsichtsrat herbeizuführen, indem es diesen nach § 110 AktG einberuft. Würde ein dadurch gefasster Beschluss für die vom Vorstand beabsichtigte Maßnahme zu spät erfolgen, sei im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die aus der „actio pro socio“ resultierende Prozessführungsbefugnis gegeben165. Wurde die Maßnahme des Vorstands hingegen durch 158 Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 109 Rn. 4; Habersack, in: MünchKomm. AktG, § 109 Rn. 10; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 109 Rn. 7 ff.; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 109 Rn. 2. 159 Ausführlich zur Problematik Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 392. 160 Steinbeck, Überwachungspflicht und Einwirkungsmöglichkeiten des Aufsichtsrats in der Aktiengesellschaft, 1991, S. 221; Raiser, ZGR 1989, 44, 70; Krieger, EWiR 1988, 211, 212; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 392. 161 Hommelhoff/Timm, AG 1976, 330 ff.; Raiser, ZGR 1989, 44, 68; Wiedemann, Gesellschaftsrecht, Band 2, 2004, § 3 III 6a, S. 284; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 394. 162 So Bork, ZGR 1989, 1, 40; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 394. 163 Darauf weist Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 394 hin. 164 BGHZ 106, 54, 62 – Opel; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 394; Kort, AG 1987, 193, 199 f.; Spindler, in: MünchKomm. AktG, Vor § 76 Rn. 58 f.; Raiser ZGR 1989, 44, 56 ff. 165 OLG Celle ZIP 1989, 1552, 1553; Krieger, EWiR 1988, 211, 212; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 394.

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7. Kap.: Bewährung von Organstreitigkeiten in aktienrechtlicher Praxis

den Aufsichtsrat gebilligt, sei das einzelne Mitglied verpflichtet, den Beschluss im Wege der Feststellungsklage nach § 256 ZPO anzufechten. Obsiegt das Aufsichtsratsmitglied und weigert sich der Aufsichtsrat dennoch gegen den Vorstand einzuschreiten, sei es berechtigt, allein gegen den Vorstand vorzugehen166. Zudem könne das einzelne Mitglied auf die Fassung eines Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG hinwirken, wenn eine nach seiner Ansicht rechtswidrige Maßnahme durch den Vorstand drohe und sich das dem Aufsichtsrat eingeräumte Ermessen für den konkreten Fall zu einer Rechtspflicht verdichte167. Die danach vorgenommene stufenartige Herangehensweise, um gegen den Vorstand einzuschreiten, überzeugt in formeller Hinsicht. Damit wird dem Erhalt und der Bedeutung der aktienrechtlichen Kompetenzverfassung in hinreichender Art und Weise Beachtung zuteil. Die von Schwab vorgebrachte Kritik, dass ein solches Vorgehen dem Interesse der Prozessökonomie zuwiderlaufe und man deshalb die Nichtigkeit eines Aufsichtsratsbeschlusses inzident im Rahmen der Klage gegen den Vorstand geltend machen müsse168, schlägt hingegen nicht durch, da es sich bei der Beschlussanfechtung um eine organinterne Angelegenheit des Aufsichtsrats handelt, die nicht in einem Verfahren gegenüber dem Vorstand geklärt werden kann169. Folglich ist auch nur der Aufsichtsrat Klagegegner und nicht die Gesellschaft170. Allerdings überzeugt die materiellrechtliche Einordnung der überwiegenden Auffassung nicht in der Hinsicht, dass das einzelne Aufsichtsratsmitglied als Prozessstandschafter und unter Rückgriff der „actio pro socio“ gegen den Vorstand klagen müsse. Sowohl die Einberufung des Aufsichtsrats als auch eine spätere Beschlussanfechtung sind Befugnisse im Sinne einer Ersatzaufsicht, die dem Organmitglied als subjektive Rechte zugestanden werden. In beiden Fällen wird ihm eine Verhaltensberechtigung zuteil, die ihm als Mitglied ausschließlich zugestanden wird und die es im organmitgliedschaftlichen Interesse aufgrund seiner Stellung innerhalb des Aufsichtsrats ausübt. Im Falle eines Obsiegens des Aufsichtsratsmitglieds ist der Aufsichtsrat daran gehalten, Gegenmaßnahmen – bspw. durch Herbeiführung eines ad-hoc-Beschlusses – gegen den Vorstand einzuleiten. Sollte sich der Aufsichtsrat dennoch weigern, Maßnahmen gegen den rechtswidrig handelnden Vorstand zu ergreifen, ist das Aufsichtsratsmitglied wiederum aus eigenem Recht befugt, auf Herbeiführung eines solchen Zustimmungsvorbehalts durch die Aufsichtsratsmitglieder zu klagen oder wenn dies nicht mehr rechtzeitig geschehen sollte, gegen den

166 So auch BGHZ 106, 54, 76 – Opel; Raiser, ZGR 1989, 44, 70; Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S.394 f.; ohne die Beschluss des Aufsichtsrats anzugreifen hingegen Bork, ZGR 1989, 1, 42. 167 BGHZ 124, 111, 127; Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 111 Rn. 37. 168 Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 608. 169 So ebenfalls Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 395. 170 Ebenso Poseck, DB 1996, 2165, 2169; Bork, ZIP 1991, 137, 139 ff., 144 f.; Hommelhoff, ZHR 143 (1979), 288, 303 ff.; Raiser, ZGR 1989, 44 ff.; Noack, DZWir 1994, 341, 342.

§ 28 Auswirkungen für die jeweiligen Organstreitkonstellationen

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Vorstand direkt vorzugehen171. In dieser Situation greift der vom Gesetz vorgegebene Schutzmechanismus von § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG nicht ein. Der Aufsichtsrat weigert sich, die ihm zugeordnete Überwachungskompetenz auszuüben und verletzt damit das organmitgliedschaftliche Recht des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds. In einem solchen Fall der Nichtwahrnehmung der Organkompetenz durch den Aufsichtsrat wird dem einzelnen Mitglied eine eigene wehrfähige Verhaltensberechtigung zuteil, die es im organmitgliedschaftlichen Interesse geltend machen kann172. Ein eigenes Klagerecht wegen rechts- bzw. satzungswidrigem Verhalten steht dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied hingegen nicht zu. Hier gilt das bereits zum Einschreiten des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand Gesagte: Der Aufsichtsrat kann nur gegenüber dem Vorstand vorgehen, wenn ihm ein entsprechenden subjektives Recht zugeordnet ist173. Folglich kann das einzelne Mitglied nur tätig werden, wenn es der Aufsichtsrat rechtswidrigerweise unterlässt, entsprechende Maßnahmen im Wege der Statuierung eines ad-hoc-Beschlusses herbeizuführen und somit seine Überwachungskompetenz nicht wahrnimmt. Erst in einem solchen Fall steht wiederum dem einzelnen Mitglied die Befugnis zu, auf Herbeiführung eines adhoc-Beschlusses zu klagen bzw. gegen den Vorstand direkt vorzugehen.

171 Ähnlich bereits Schwab, Das Prozessrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, 2005, S. 603, der von einer Ersatzaufsicht spricht. 172 A.A. Bork, ZGR 1989, 1, 40 f. 173 Siehe Bork, ZGR 1989, 1, 40, der allerdings dem einzelnen Mitglied keine weitergehende Befugnis zur Klage gegen den Vorstand zugesteht; für eine Klagebefugnis innerhalb eines engen Anwendungsbereichs hingegen Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, 2007, S. 395 f.

8. Kapitel

Zusammenfassung 1. Der Ausgangspunkt für die Frage nach der Existenz und Nutzbarmachung von Organklagen im Recht der Aktiengesellschaft sind die vom Gesetz den Organen der Aktiengesellschaft zugeordneten Funktionen und Aufgaben. Mit dieser Zuordnung ist zugleich ein Ausschluss der Wahrnehmung dieser Funktionen durch ein anderes Organ gegeben. Neben dem Organ können dem einzelnen Organmitglied – sowohl innerhalb des Organs und innerhalb der Organisation – und Organteilen Rechte und Pflichten zustehen. a) So ist der Vorstand als Leitungsorgan der Gesellschaft allein berechtigt, Leitungsfunktionen für die Aktiengesellschaft wahrzunehmen, sofern das Gesetz davon keine Ausnahmen vorsieht. Diese eigenverantwortliche Unternehmensleitung ist nicht nur ein Pflichtrecht des Vorstands, sondern zugleich eine Rechtspflicht, die er wahrzunehmen hat. Die dem Vorstand damit zustehende Eigenverantwortlichkeit beinhaltet zudem eine Weisungsfreiheit gegenüber den anderen Organen. Eine Beschränkung erfährt die Leitungsmacht des Vorstands durch die den anderen Organen durch Gesetz, Satzung oder Geschäftsordnung zugeordneten Kompetenzen. Zwar trifft das Gesetz über die Stellung des einzelnen Vorstandsmitglieds nur vereinzelt Aussagen. Es ist jedoch kraft seiner Bestellung Teil des Vorstands als Gesamtorgans und partizipiert damit an den Aufgaben, die dem Organ zugewiesen sind. Die einzelnen Mitglieder haben bei der Geschäftsführung nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden und damit ihre Entscheidungen am Interesse des Unternehmens auszurichten. Unternehmerische Entscheidungen bergen Chancen und Risiken, sodass das Gesetz den Vorstandsmitgliedern einen gewissen Ermessensspielraum einräumt, der von einer gerichtlichen Kontrolle nicht erfasst ist. Eine hervorgehobene Position nimmt der Vorstandsvorsitzende ein. Er kann aus dem Kreis der Vorstandsmitglieder nach § 84 Abs. 2 AktG bestimmt werden. Dies erfolgt nach § 107 Abs. 3 Satz 4 AktG durch Beschluss des Gesamtaufsichtsrats. Obwohl man damit eine besondere Stellung des Vorstandsvorsitzenden annehmen könnte, findet diese im Gesetz keinen Ausdruck. Allein aufgrund Satzung und Geschäftsordnung können ihm bestimmte Befugnisse – repräsentativer und organschaftlicher Natur – übertragen werden. Üblicherweise wird dem Vorstandsvorsitzenden ein Stichentscheidungsrecht zur Vermeidung von Pattsituationen zuerkannt; gleiches gilt hinsichtlich eines Veto-Rechts, sofern es sich um eine Gesellschaft handelt, die nicht mitbestimmt ist und eines Arbeitsdirektors bedarf.

8. Kap.: Zusammenfassung

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b) Der Aufsichtsrat ist das Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft und als dieses verpflichtet, die Geschäftsführung (des Vorstands) zu überwachen, § 111 Abs. 1 AktG. Aufgrund dieser Aufgabenzuweisung ist er nicht berechtigt, Maßnahmen der Geschäftsführung wahrzunehmen, § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG. Ausnahmsweise wird der Aufsichtsrat als Vertretungsorgan für die Aktiengesellschaft tätig, wie dies § 112 AktG bestimmt. Eine strikte Trennung zwischen Leitung und Überwachung ist nicht mehr gegeben, da sich im Laufe der Corporate-GovernanceDebatte der Begriff der Überwachung verändert hat und nunmehr auch Zukunft gerichtete Beratung des Vorstands erfasst ist. Für das Aufsichtsratsmitglied gilt in formeller Hinsicht das gleiche wie für das Mitglied des Vorstands. Mit dem Bestellungsakt ist es Teil des Aufsichtsrats als Gesamtorgan und damit verpflichtet, die ihm direkt oder indirekt zugeordneten Rechte und Pflichten wahrzunehmen und dabei im Interesse des Unternehmens zu handeln. Neben der organschaftlichen Verbindung zur Gesellschaft besteht ebenfalls ein anstellungsähnliches Verhältnis zwischen Gesellschaft und Mitglied. Aufgrund des Mitbestimmungsrechts gehören dem Aufsichtsrat auch Arbeitnehmervertreter an, die nach den Maßgaben der gesetzlichen Mitbestimmung entsandt werden. Die Mitglieder sind trotz unterschiedlichem Bestellungsakt mit den gleichen Rechten und Pflichten ausgestattet. Im Gegensatz zum Vorstandsvorsitzenden ist der Vorsitzende des Aufsichtsrats ausdrücklich vom Gesetz in § 107 Abs. 1 AktG vorgesehen. Ihm kommt auch in materieller Hinsicht eine besondere Stellung zu, wobei er nicht als eigenständiges Organ angesehen werden kann. Der Aufsichtsratsvorsitzende stellt das Bindeglied zum Vorstand dar. Dadurch ergibt sich bereits aus seiner Funktion eine erhebliche Konfliktgeneigtheit, sowohl gegenüber dem Vorstand als auch gegenüber dem dem Aufsichtsrat. Daneben sieht das Aktiengesetz Ausschüsse als weitere Institutionen innerhalb eines Organes vor, § 107 Abs. 3 AktG. Sie setzen sich aus Mitgliedern des Aufsichtsrats zusammen und nehmen Funktionen des Organs wahr. Seit Geltung der Unternehmensmitbestimmung kennt das Aktienrecht die Bezeichnung der „zwei Bänke“ im Aufsichtsrat. Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter sind in mitbestimmten Gesellschaften gehalten, gemeinsam zum Wohle der Gesellschaft die Überwachung der Geschäftsführung wahrzunehmen. Obwohl den Gruppierungen grundsätzlich keine institutionelle Stellung zukommt, beruhten die überwiegenden Konflikte innerhalb des Aufsichtsrats auf den unterschiedlichen Auffassungen der beiden Gruppierungen. Zudem hat der Gesetzgeber mit Schaffung einer Mindestgeschlechterquote dazu beigetragen, dass eine Institutionalisierung der Gruppierungen erfolgte. Es ist daher eine erneute Grundlage für Konflikte innerhalb des Aufsichtsrats geschaffen worden. c) Die Hauptversammlung nimmt als Organ der Aktiengesellschaft eine Sonderstellung ein, da ihre organschaftlichen Befugnisse durch die mitgliedschaftlichen Rechte überlagert werden. Insofern kann die Hauptversammlung nicht als Kon-

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fliktpartei von Organstreitigkeiten in Erscheinung treten. Jedoch stehen ihr und den einzelnen Aktionären andere, auf der mitgliedschaftlichen Stellung beruhende, Befugnisse zur Verfügung. Trotz dieser Befugnisse ist die Stellung der Hauptversammlung im Gefüge der Aktiengesellschaft als schwach anzusehen. Die auf die Holzmüller-Entscheidung zurückgehenden Merkmale ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen wurden durch die Rechtsprechung des BGH zu Gelatine I und Gelatine II konkretisiert und beschränkt den bisweilen extensiven Anwendungsbereich der Gerichte. Die Bedeutung der Hauptversammlung ist in den letzten Jahren aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH zum Delisting in den Mittelpunkt gerückt. Da das BVerfG die bloße Verkehrsfähigkeit der Aktie nicht vom Schutzbereich des Artikels 14 GG umfasst sah, folgerte der BGH – unter Aufgabe seiner bisherigen Macrotron-Rechtsprechung – dass es bei einem Delisting nicht erforderlich sei, die Hauptversammlung zu beteiligen oder einen durch ein Spruchverfahren überprüfbaren Abfindungsanspruch zu gewähren. Der Gesetzgeber reagierte mit einer Ergänzung des § 39 BörsG, sodass nun ein Erwerbsangebot nach dem WpÜG erforderlich ist. Eine Zustimmung der Hauptversammlung ist weiterhin nicht vorgesehen, sodass das Delisting eine Maßnahme darstellt, die allein von der Leitungsmacht des Vorstands umfasst ist. Entgegen dieser Entwicklung in Deutschland ist auf europäischer Ebene die Absicht, die Hauptversammlung zu stärken, in den Mittelpunkt gerückt. Da durch sog. Related Party Transactions die Gefahr besteht, dass das Gesellschaftsvermögen auf nahestehende Parteien verlagert wird und dadurch externe Gläubiger und Minderheitsaktionäre der Tochtergesellschaft geschädigt werden, nahm sich die EUKommission dieser Problematik an und erarbeitete einen Vorschlag zur Änderung der Aktionärsrechte-RL. Obwohl nach mehrfacher Kritik aus Literatur und Wirtschaft ein Kompromissvorschlag erarbeitet wurde, der dem nationalen Gesetzgeber zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten einräumt und damit im Hinblick auf eine deutsche Regelung, dem deutschen Konzernrecht ausreichend Berücksichtigung schenkt, indem dem Aufsichtsrat Zuständigkeiten übertragen werden, kann noch nicht abschließend bewertet werden, in welchem Maße ein Eingriff in die aktienrechtliche Organisationsverfassung erfolgt. 2. Das Aktiengesetz beabsichtigt mit der grundsätzlich klaren Trennung von Leitung und Überwachung Konflikte zwischen den Organen zu beseitigen bzw. erst gar nicht entstehen zu lassen. Allerdings wird das Spannungsverhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat durch andere Einflüsse aufrechterhalten. So stoßen innerhalb der Aktiengesellschaft verschiedene Interessen aufeinander. Den Interessen der Anteilseigner stehen die Interessen der Arbeitnehmer, die Interessen der Organe und Organmitglieder, die Interessen Dritter, aber auch die Interessen des Gemeinwohls gegenüber. Rechtsprechung und Literatur haben sich der Lösung dieses Problems dahingehend angenommen, in dem die Lehre vom Unternehmensinteresse begründet wurde. Vorstand und Aufsichtsrat sind verpflichtet, ihre Entscheidungen

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am Interesse des Unternehmens auszurichten. Die Orientierung ist eine notwendige Konsequenz, um die in der Aktiengesellschaft auftretenden Interessen und damit auch entsprechende Gegensätze einzudämmen und das damit verbundene Konfliktpotential zu mindern. Das Unternehmensinteresse ist richtigerweise nicht allein am Shareholder Value auszurichten, sondern umfasst neben den Interessen der Aktionäre, die Interessen der anderen, mit der Gesellschaft verbundenen Gruppen. Im modernen Aktienrecht hat sich der Begriff des Unternehmensinteresses verselbständigt und von der alleinigen Orientierung an den Interessen der Aktionäre abgekoppelt. Bestätigt wird diese Sichtweise durch das deutsche Konzernrecht, wonach ein von den Aktionären abweichendes Interesse der Aktiengesellschaft existiert, dem Vorstand und Aufsichtsrat verpflichtet sind. Gleichfalls spricht der DCGK in seiner Präambel von der Verpflichtung von Vorstand und Aufsichtsrat, im Einklang mit den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft für den Bestand des Unternehmens und seine nachhaltige Wertschöpfung zu sorgen. Daraus folgt, dass zwar die Aktionärsinteressen angemessen und auch grundsätzlich höher zu gewichten sind, jedoch es den Organen im Hinblick auf das Unternehmensinteresse nicht verwehrt ist, Entscheidungen zu treffen, die nach hinreichender Abwägung den Interessen der Aktionäre widersprechen, aber im Einklang mit den übrigen Interessen stehen und damit im Unternehmensinteresse liegen. Zu einer Verstärkung der Konfliktsituation kommt es aufgrund der organschaftlichen Konzeption der Aktiengesellschaft, da bei einer reinen wirtschaftlichen Betrachtung Vorstand und Aufsichtsrat als Treuhänder der Aktionäre agieren. Widersprechen die von Vorstand und/oder Aufsichtsrat getroffenen Entscheidungen den Aktionärsinteressen kommt es zum Konflikt. Handeln die Treuhand-Organe („agents“) aufgrund ihres Informations- und Wissensvorsprungs zum eigenen Vorteil und zum Nachteil der Treugeber („principals“) spricht man vom sog. principalagent-Konflikt. Daneben haben die seit dem 1970er Jahren geltende Unternehmensmitbestimmung und die jüngere Corporate-Governance-Debatte die Konfliktlage in der Aktiengesellschaft beeinflusst. Der deutsche Gesetzgeber hat letztere auch aufgrund internationaler Entwicklungen vorangeschoben, um die Überwachungssituation innerhalb der Aktiengesellschaft zu verbessern. Auf das Spannungsverhältnis zwischen den Organen nimmt auch die aktienrechtliche Organhaftung Einfluss. Adressat von § 93 Abs. 1 AktG sind sowohl die Mitglieder des Vorstands als auch gem. § 116 AktG die Mitglieder des Aufsichtsrats. Nach dem gegenwärtigen Konzept erscheint es beinahe aussichtslos, Schadensersatzklagen gegen pflichtwidrig handelnde Organmitglieder durchzusetzen, wenn das Verhältnis zwischen Leit- und Überwachungsorgan zu eng ist. Insbesondere ist es schlecht vorstellbar, wie der Vorstand Versäumnisse des Aufsichtsrats ahnden soll, wenn es um die eigene Überwachung geht.

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Trotz der Orientierung von Vorstand und Aufsichtsrat am Unternehmensinteresse ist ein eigenes (funktionsspezifisches) Organinteresse nicht ausgeschlossen. Die von der herrschenden Auffassung vorgezogene Differenzierung nach Unternehmensund Partikularinteressen, die die Existenz von Organinteressen verneint, da Organe fremdbestimmt im Interesse der Gesellschaft handeln würden, berücksichtigt nicht hinreichend die funktionsspezifische Komponente der den Organen zugeordneten Aufgaben und ist daher abzulehnen. 3. a) Das Konzept der aktienrechtlichen Aufgabenverteilung legt zwar die Grundlage dafür, dass Konflikte innerhalb des Verbandes die Ausnahme bleiben. Jedoch ist es kein Garant dafür, dass Konflikte völlig ausgeschlossen sind. Gegenseitige Verletzungen von Kompetenzen aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über das Wohl der Gesellschaft sind das Paradebeispiel von Konflikten innerhalb der Aktiengesellschaft. Insbesondere die Aufwertung des Aufsichtsrats zum mitunternehmerischen Organ hat dazu beigetragen, dass Aspekte der Leitung in den Fokus der Aufsichtsratstätigkeit fallen. Die wesentlichen Konfliktsituationen treten daher zwischen Vorstand und Aufsichtsrat zutage. Ebenfalls ist es möglich, dass Organteile wie Ausschüsse, einzelne Organmitglieder oder auch Gruppierungen, die dem Aufsichtsrat angehören als Konfliktpartei in Betracht kommen. Die Hauptversammlung als Konfliktgegner von Vorstand und Aufsichtsrat ist hingegen praxisfern. Zudem stehen den Aktionären Rechte zur Verfügung, die aus ihrer Mitgliedschaft resultieren und organschaftliche Rechte der Hauptversammlung überlagern. b) Im Hinblick auf die Konfliktsituationen zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ist grundsätzlich zwischen drei Konfliktgegenständen zu differenzieren. So kann es im Hinblick auf die Existenz und Reichweite von Informations- und Berichtsrechten bzw. -pflichten nach §§ 90, 111 Abs. 2 AktG zu Streitigkeiten zwischen den Organen kommen. Davon als Konfliktgegenstand abzugrenzen, sind Kompetenzverletzungen der Organe. So kann es zwischen den Organen streitig sein, ob ein vom Aufsichtsrat festgelegter Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG die Leitungskompetenz des Vorstands in rechtswidriger Weise einschränkt. Gleichzeitig kann die Nichtbeachtung eines Zustimmungsvorbehalts durch den Vorstand eine Verletzung gegenüber der Kompetenz des Aufsichtsrats darstellen. Ein weiterer Konfliktgegenstand betrifft die Frage der Zweck- und Rechtmäßigkeitskontrolle gegenüber dem anderen Organ. c) Obschon die Hauptversammlung nicht als Partei einen Organstreits in Betracht kommt, kann es zu Konflikten zwischen ihr und dem Aufsichtsrat als auch dem Vorstand kommen. Dies betrifft einerseits den Fall, in dem die Hauptversammlung Beschlüsse fasst, die den Kompetenzbereich der anderen Organe verletzen. Andererseits – und auch wahrscheinlicher – sind die Konstellationen, in denen die Organe eine Kompetenzverletzung gegenüber der Hauptversammlung begehen. d) Da das Gesetz Organmmitgliedern und anderen Organteilen wie Ausschüssen und Gruppen Rechte zuordnet, sind auch diese in der Lage, Beteiligte von Organkonflikten zu sein.

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4. a) Zwar kennt das Gesetz Einwirkungsbefugnisse, die zur Klärung von Konflikten beitragen können. Zudem haben sich daneben außergesetzliche Praktiken entwickelt, die eventuell zur Klärung von Organkonflikten beisteuern können. Jedoch sind all diese „Hilfsmittel“ zur Beilegung von Organkonflikten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht in diesem Maße brauchbar, wie es für einen organschaftlichen Streit innerhalb einer Aktiengesellschaft erforderlich wäre. b) Als gesetzliches Mittel des Vorstands gegen Verfehlungen durch den Aufsichtsrat ist weder die Einberufung der Hauptversammlung erfolgsversprechend noch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach §§ 116 S. 1, 93 Abs. 2 AktG oder die Einleitung eines Strafverfahrens nach §§ 399 ff. AktG. Die Einberufung der Hauptversammlung ist ineffizient und unzweckmäßig, da aufgrund des ständig wechselnden Aktionärskreises kein hinreichend sachliches Votum erwartet werden kann und zudem Fragen der Zweckmäßigkeit einer Maßnahme im Mittelpunkt stehen. Der Anwendungsbereich des Strafverfahrens nach §§ 399 ff. AktG ist sehr eng gehalten und daher in den meisten Konflikt-Fällen nicht einschlägig. Das Einleiten eines Schadensersatzprozesses ist hingegen im Hinblick auf die Zielsetzung zur Lösung eines Konflikts nicht hilfreich, da er nachrangig läuft und der Aufsichtsrat abstreiten wird, rechtswidrig gehandelt zu haben, sodass kein effizientes Mittel zur Konfliktlösung gegeben ist. Vereinzelt wird darauf hingewiesen, dass aufgrund der Aufwertung des Aufsichtsrats zum mitunternehmerischen Organ Entscheidungen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand durch gemeinsame Verhandlungen getroffen werden. Treten dabei unterschiedliche Auffassungen zutage, soll dieser Konflikt aufgrund eines „Einigungsdrucks“ der Parteien gelöst werden. Im Grunde bedeutet dies, dass diejenige Partei den Erfolg haben wird, die die bessere Ausdauer und das bessere Geschick mit sich bringt, unabhängig von der Frage, ob die damit beschlossene Vorgehensweise auch recht- und sachgemäß ist. Am Ende kommt es auf die jeweilige Tagesform der Organmitglieder an. Dies kann jedoch kein Maßstab für die Klärung organschaftlicher Konflikte sein. Im Verhältnis zur Hauptversammlung ist dem Vorstand ein umfassender Rechtsschutz gegeben, da Hauptversammlungsbeschlüsse, die in die Leitungskompetenz des Vorstands eingreifen gem. §§ 241 ff. AktG nichtig sind. Es handelt sich dabei um ein spezielles Intraorganklagesystem, das der Gesetzgeber für Konflikte konzipiert hat, die im Rahmen von Hauptversammlungsbeschlüssen auftreten. c) Der Aufsichtsrat ist Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft und daher grundsätzlich dasjenige Organ, das gesetz- und satzungswidriges Verhalten ahnden und verhindern soll. Jedoch gilt ebenso für den Aufsichtsrat, dass weder geschriebene noch ungeschriebene Mittel existieren, die in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zur Beilegung etwaiger Konflikte beitragen. Auch aus Sicht des Aufsichtsrats ist das Lösen von organschaftlichen Konflikten mithilfe eines bestehenden „Einigungsdrucks“ in rechtlicher Hinsicht nicht zufriedenstellend. Überdies steht dem Aufsichtsrat aufgrund der geltenden Kompetenzordnung kein Weisungsrecht zu, § 23 Abs. 5 AktG. Aus demselben Grund ist es dem Aufsichtsrat nicht gestattet, im Wege

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der Ersatzvornahme einzuschreiten. Zwar ist es möglich, Maßnahmen des Vorstands in Stellungnahmen zu beanstanden, jedoch können diese dazu führen, dass sich der Konflikt verfestigt. Aufgrund der bestehenden Personalkompetenz des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand, ist der Aufsichtsrat berechtigt, eine Geschäftsordnung für den Vorstand zu erlassen. Jedoch kann auch diese nur in formelle Aspekte regelnd eingreifen und aufgrund § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG keine materiellen Vorgaben machen. Etwas anderes gilt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG für Zustimmungsvorbehalte für bestimmte Geschäfte. So hat entweder die Satzung oder der Aufsichtsrat bestimmte Arten von Geschäften einem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats zu unterstellen. Diese Regelung ist ein Bestandteil der Aufwertung des Aufsichtsrats zum mitunternehmerischen Organ. So steht ihm damit grundsätzlich das Recht zu, die Zustimmung zu einer Maßnahme, die durch den Vorbehalt erfasst ist, zu verweigern. Jedoch bedeutet dies nicht, dass damit auch ein etwaiger Konflikt geklärt ist. Da der Vorstand die Gesellschaft alleinig nach außen vertritt, sind Maßnahmen, die entgegen der fehlenden Zustimmung erfolgt sind, gegenüber Dritten wirksam. Überdies kann der (ad hoc-gefasste) Vorbehalt die Leitungskompetenz des Vorstands verletzen. Es kommt damit eher zu Konstellationen, die den Konflikt weiter schüren als ihn zu beenden. Zwar sieht § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG die Möglichkeit vor, dass bei Verweigerung der Zustimmung die Hauptversammlung durch den Vorstand einberufen werden kann. Allerdings ist diese aufgrund ihrer Konzeption ungeeignet, als Konfliktlösungs- bzw. Konfliktvermittlungsorgan tätig zu werden. Aus diesem Grund ist auch die Einberufungsmöglichkeit nach § 111 Abs. 3 AktG kein hilfreiches Mittel zur Konfliktbeilegung. Zwar ist der Aufsichtsrat aufgrund seiner Personalhoheit überdies berechtigt, nach § 84 Abs. 3 AktG den Vorstand aus wichtigem Grund abzuberufen. Darin ist auch ein starkes und schlagfertiges Mittel zu sehen. Jedoch geht es an dem Problem – der Konfliktlösung – vorbei und ist daher in seinem Ausmaß völlig unverhältnismäßig. Ebenso ungeeignet ist das (ungeschriebene) Mittel der Suspendierung, da dieses mindestens den schwerwiegenden Verdacht eines Verhaltens erfordere, das den Widerruf der Bestellung nach § 84 Abs. 3 AktG rechtfertige. Da es sich bei den betreffenden Konflikten jedoch um Streitigkeiten zwischen Organen über Maßnahmen handelt, die in der Zukunft liegen, ist ein solcher schwerwiegender Verdacht noch gar nicht gegeben. Obwohl das Gesetz in § 407 AktG ein Zwangsgeld für Vorstandsmitglieder vorsieht, wenn diese ihren Verpflichtungen nach § 90 AktG und § 111 Abs. 2 AktG nicht nachkommen, handelt es sich jedoch um ein ungeeignetes Mittel zur Konfliktlösung, da bei Leistung des Zwangsgeldes kein gerichtlicher Auskunftsanspruch des Aufsichtsrats besteht. Aus den bereits oben genannten Gründen sind sowohl ein etwaiger Schadensersatzanspruch nach § 93 Abs. 2 AktG als auch die Straf- und Bußgeldvorschriften nach §§ 399 ff. AktG ungeeignet. Im Verhältnis zur Hauptversammlung sieht das Gesetz in § 245 Nr. 5 AktG das Recht des Aufsichtsrats vor, Beschlüsse der Hauptversammlung anzufechten. Wie der Vorstand ist der Aufsichtsrat dadurch bereits durch Gesetz berechtigt, den Beschluss anzufechten, wobei die Gesellschaft Klagegegner ist und vom Vorstand

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vertreten wird. Darüber hinaus sind keine Konflikte ersichtlich, die zwischen Vorstand und Hauptversammlung auftreten können. d) Obwohl die Hauptversammlung als schwaches Organ bezeichnet werden kann, sind sie und die Aktionäre in ihrer Gesamtheit nicht völlig ohne Einflussmöglichkeiten. So fehlt es ihr an einem Weisungsrecht, wie es das GmbH-Gesetz in § 37 Abs. 1 für die Gesellschafterversammlung vorsieht. Jedoch hat die Hauptversammlung gegenüber dem Aufsichtsrat die Personalhoheit, sodass sie diesen – im Hinblick auf die Anteilseignervertreter – bestellen und abberufen kann. Daher ist es möglich, dass bei einem kleinen Aktionärskreis oder der Existenz eines Großaktionärs durch die Aktionärsgruppen unmittelbar Einfluss auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats genommen wird. In einem solchen Fall kann der Hauptaktionär Maßnahmen zum Durchregieren ergreifen, sodass unmittelbar Einfluss auf den Vorstand ausgeübt wird. Daneben sind auch die Aktionäre im Rahmen von §§ 241 ff. AktG klagebefugt, wobei sich ihre Klagebefugnis aus den mitgliedschaftlichen (und nicht organschaftlichen) Verwaltungsrechten ergibt. Darüber hinaus anerkennt die Literatur weitere Klagerechte, die den Aktionären zustehen sollen. Jedoch resultieren auch diese Einflussnahmemöglichkeiten allein aufgrund der mitgliedschaftlichen Stellung der Aktionäre und nicht aufgrund organschaftlicher Rechte, sodass sie aus der folgenden Betrachtung ausscheiden. Gegenüber dem Vorstand sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, nach § 120 Abs. 1 AktG die Entlastung des Vorstands zu verweigern. Eine verweigerte Entlastung drückt nicht nur Misstrauen der Aktionäre gegenüber dem Vorstand aus, sondern kann auch dazu führen, dass der Aufsichtsrat sich genötigt sieht, den Vorstand nach § 84 Abs. 3 Satz 2 Var. 3 AktG wegen mangelnden Vertrauens abzuberufen, sofern der Vertrauensentzug nicht auf unsachlichen Gründen beruht. Jedoch hat auch dies nur eine geringe rechtliche Bedeutung. Die Möglichkeit einer direkten Abberufung besteht hingegen nicht, da dies nur dem Aufsichtsrat zukommt. In der Praxis ist es davon abhängig, inwiefern die Aktionäre Einfluss auf diesen ausüben. Eine verweigerte Entlastung hat jedoch keinen unmittelbaren Einfluss auf die Klärung von Streitigkeiten mit dem Vorstand. Ebenso wenig hilfreich sind Schadensersatzansprüche gegen die Vorstandsmitglieder, obschon es sich bei diesen um mitgliedschaftliche Recht handelt, die vorliegend nicht behandelt werden. Auch gegenüber dem Aufsichtsrat kann die Entlastung nach § 120 Abs. 1 AktG verweigert werden. Jedoch stellt auch dies kein hilfreiches Mittel zur Konfliktlösung dar, sodass auf das bereits eben Ausgeführte verwiesen werden kann. Die Hauptversammlung kann den Aufsichtsrat oder einzelne Mitglieder mit qualifizierter Mehrheit nach § 103 Abs. 1 AktG abberufen. In der Satzung kann die Schwelle auf eine einfache Mehrheit herabgesetzt werden. Jedoch handelt es sich bei der Abberufung um ein Mittel, das aufgrund seiner Härte nicht bei allen Konflikten als Lösungsmittel herangezogen werden kann, da es unverhältnismäßig ist. Ebenso ist die Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche nicht als geeignet anzusehen, einen Konflikt zu lösen.

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e) Bei Konflikten zwischen Aktionären stellt die Treupflicht gegenüber der Gesellschaft und Mitaktionären eine wesentliche Rolle. Jedoch handelt es sich dabei um mitgliedschaftliche Rechte, die eine organmitgliedschaftliche Stellung der Aktionäre (als Mitglieder des Organs Hauptversammlung) überlagern. f) Organmitglieder und andere Organteile können ebenso Einwirkungsmöglichkeiten innerhalb ihres eigenen Organs und außerhalb gegenüber einem anderen Organ, aber noch innerhalb der Organisation selbst, haben. Innerhalb eines Organs ist der Beschluss das Konfliktlösungsmittel. Vor Beschlussfassung steht den Mitgliedern das Recht zu, Meinungen und Kritik zu äußern. Nach Beschlussfassung ist das einzelne Mitglied berechtigt, die Nichtigkeit des Beschlusses mit Erhebung der Feststellungsklage nach § 256 ZPO feststellen zu lassen, wenn es meint, dass der Beschluss (in formeller oder materieller Weise) fehlerhaft zustande gekommen ist. Als weiteres Konfliktlösungsmittel kann der Gesamtaufsichtsrat nach § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG durch Antrag bei Gericht die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds herbeiführen, wenn ein wichtiger Grund in der Person des Mitglieds gegeben ist. Dies erscheint jedoch nur in schwerwiegenden Fällen ein sinnvolles Mittel darzustellen. Gegenüber einem anderen Organ sieht das Gesetz keine ausdrücklichen Regelungen vor, die das einzelne Organmitglied berechtigen, gegen das Handeln dieses Organs einzuschreiten. Ausschüsse als Unterorgane leiten ihre Befugnisse vom Organ ab, dem sie angehören. Sie stehen zu diesem in einem Abhängigkeitsverhältnis und können eigene „Ausschussrechte“ nicht wahrnehmen. Etwaige Befugnisse gegenüber fremden Organen reichen so weit, wie die Befugnis des eigenen Organs geht. Eine dem Organ angehörende Gruppe (Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmervertreter) kann nach § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG der Gesamterfüllung widersprechen und daher einen „gruppenspezifischen Sonderbeschluss“ fassen. Es ist daher möglich, dass es zu Konflikten mit dem Organ Aufsichtsrat kommen kann. Ob dies auch zu Konflikten mit dem Vorstand führen kann, ist nicht ausgeschlossen. 5. a) Der Verband ist eine verselbständigte Organisation und damit eine juristische Person, deren Handeln durch die Organe erfolgt. Der Organisation werden Wissen und Handeln der Organe zugerechnet. Während von außen das Organ als unselbständiger Teil der juristischen Person wahrgenommen wird, ist er im Organinneren mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestattet. Die Zuordnung der wahrgenommenen Funktionen erfolgt durch das Organisationsstatut des Verbandes. b) Der Wille der Organisation wird durch Willensbildung in den Organen erzeugt. Jedwede Zurechnung von Wille, Verhalten und Wissen eines Organs ist wiederum auf die „hinter dem Organ“ stehenden natürlichen Personen zurückzuführen. Zwischen dem Organ als organisatorisches Konstrukt und dem Organwalter als natürlicher Person ist zu differenzieren. Entgegen einer veralteten Auffassung, die das Handeln des Organwalters direkt dem Verband zuordnen will, stellt das Organ richtigerweise nur einen Zuständigkeitskomplex dar, der von einem oder mehreren

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Organwaltern ausgefüllt ist. Die Gleichsetzung von Organ und Organwalter würde dazu führen, dass die Existenz des Organs von der Existenz des Organwalters abhängen würde. Zudem wäre das Organ kompetenz- und funktionslos, wenn man die Organbefugnisse nicht bei Organ ansiedelt. Ein wesentliches Merkmal des Organs ist neben der Funktionswahrnehmung der institutionelle Charakter. Hingegen ist eine solche Aufspaltung zwischen Amt und Person im Hinblick auf die Position des Organwalters aus praktischer Sicht unangebracht, da die Organmitglieder auch persönlich zum Tätigwerden verpflichtet sind und Aspekte der Amtskontinuität gegen eine weitere abstrakte Verbandsinstitution sprechen. c) Neben dem Organwalter existieren noch Unter- und Teilorgane als weitere Organteile des Verbandes. Diese Differenzierung ist auch im privatrechtlichen Verbandsrecht heranzuziehen. Teilorgane sind Zusammenschlüsse von Mitgliedern, die institutionell-rechtlich in den Meinungs- und Willensbildungsprozess des Organs einbezogen sind, jedoch wegen der Zusammensetzung und Konstituierung keine Organfunktionen als solche wahrnehmen und demzufolge keine Entscheidungen für das Organ treffen oder es vertreten. Im öffentlichen Recht werden Fraktionen als Teilorgane eingeordnet. Unterorgane sind hingegen zuständige Einheiten des Organs, die das Organ im Verhältnis zu anderen Organen und der Organisation repräsentieren und eine eigene Leitungsstruktur aufweisen. Im öffentlichen Recht werden Ausschüsse des Gemeinderats als Unterorgane angesehen und wenn es sich um beschließende Ausschüsse handelt, sogar als Organe angesehen. Für das private Verbandsrecht gilt hingegen, dass auch beschließende Ausschüsse nur die Stellung eines Unterorgans innehaben. d) Die Zurechnung innerhalb der Organisation erfolgt nach den Grundsätzen der Organtheorie. Die Organisation ist selbst Handlungs- und Willensträger, da die Organe als Handlungsmittler agieren. Die Zurechnung erfolgt nicht „unmittelbar“, sondern im Wege einer „doppelten“ Zurechnung. Das Handeln eines bzw. mehrerer Organwalter(s) wird es dem Organ als abstrakter Verbandsorganisation und erst durch einen weiteren Zurechnungsakt dem Verband zugeordnet. Erfasst werden neben Willenserklärungen auch Rechtsund Realakte, sofern sie zum Aufgabenkreis des Organs gehören. Die Kompetenzen sind allein den Organen und nicht den Organwaltern zugewiesen. Das Handeln der Organe für den Verband erfolgt aufgrund einer transitorischen Zurechnung, in der das Organ ein Durchgangssubjekt darstellt und die juristische Person von außer als Endsubjekt der Zurechnung wahrgenommen wird. Daraus ist allerdings nicht zu folgern, dass die Organe – aus einer innenrechtlichen Perspektive – nicht auch selbst Zurechnungsendsubjekte sind. 6. a) Die Bestimmung des (verbandsrechtlichen) Organbegriffes ist notwendig, um den Kreis der Organstreitberechtigten zu definieren. Der Gesetzgeber regelt den Organbegriff zwar punktuell, aber insgesamt unzureichend. Die Rechtsprechung des

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BGH hat in verschiedenen Urteilen eine Begriffsbestimmung versucht, jedoch nicht klar dargelegt, ob die Orientierung am Verbandsinteresse ein maßgebliches Merkmal darstellt, da hinsichtlich des Abschlussprüfers eine solche Maßgabe nicht angenommen wird. Die Vorarbeiten des öffentlichen Rechts und dabei insbesondere diejenigen von H.J. Wolff und jüngst W. Roth zum verbandsrechtlichen Organbegriff können zur Orientierung für das Privatrecht herangezogen werden. So liegt auch im Privatrecht ein zweigliedriger Organbegriff zugrunde, der sich aus einer institutionellen und einer funktionalen Komponente zusammensetzt. b) In institutioneller Hinsicht ist das Organ eine organisatorische, aber keine rechtlich selbständige Einheit, die nicht auf einer schuldrechtlichen Abrede begründet, sondern nur durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung ins Leben gerufen werden kann. Die Ausübung zugewiesener Kompetenzen muss nicht weisungsfrei erfolgen. Obwohl die Existenz der Organe mit derjenigen des Rechtsträgers verbunden ist und daher (mit Ausnahme ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen) keine Organkontinuität existiert, gilt dies nicht für das Verhältnis des Vorverbandes zum Verband selbst. Hier gehen die Organe des Vorverbandes identitätswahrend auf den errichteten Verband über. c) Funktionell handeln Organe für den Verband. Ihr Handeln wird dem Verband zugerechnet. Obwohl dabei das unmittelbare Handeln nach außen eine der Hauptfunktionen der Leitungsorgane darstellt, ist es kein notwendiges Funktionsmerkmal eines Organs, da etwa die Hauptversammlung als Willensbildungsorgan der Aktiengesellschaft ihre Organfunktion nur innerhalb des Verbandes wahrnimmt, aber sie trotzdem ein Organ der Aktiengesellschaft darstellt. Innerhalb des Verbandes erfolgt das Organhandeln sowohl durch unmittelbare als auch nur mittelbare Einflussnahme. Mehrstufige Entscheidungsprozesse spielen innerhalb eines privatrechtlichen Verbandes eine erhebliche Rolle. Daraus folgt jedoch nicht, dass der einzelne Gesellschafter als Mitglied des Willensbildungsorgans ebenfalls ein Organ darstellt, wenn er an dem Zustandekommen von Beschlüssen beteiligt ist. Sein organschaftliches Mitsprache- und Teilhaberecht tritt dann zurück, wenn ihm bereits aus seiner Mitgliedschaft, ein Mitwirkungsrecht zusteht. Ebenfalls als Organhandeln anzusehen ist die Änderung der Satzung durch das Willensbildungsorgan. Hier wirken die Aktionäre als dessen Mitglieder an der Änderung der Satzung mit und sind nicht als außenstehende Dritte anzusehen. d) Handeln Organe für den Verband, haben sie dabei allein auch nur dessen Interessen zu beachten. Partikularinteressen von Gruppen oder Dritten sind bei der Entscheidungsfindung mit zu berücksichtigen, treten aber zurück, wenn sie dem Verbandsinteresse zuwiderlaufen. Dies gilt im Grundsatz auch für die Mitgliederversammlung als Willensbildungsorgan. Jedoch ist besonders zu berücksichtigen, dass sie anders – als Leitungsund Überwachungsorgan – kein treuhänderisch agierendes Organ ist. Die Mitglieder

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des Willensbildungsorgans sind vor allem Mitglieder des Verbandes und daher befugt, den Gesellschaftszweck durch entsprechenden Beschluss zu ändern und damit vorgeben, was dem Verbandsinteresse entspricht. Dritte können hingegen nur durch die Ausübung von Funktionen als Mitglieder (fakultativer) Organe Einfluss auf den Verband nehmen. Dabei haben sie jedoch – da ein materieller Organbegriff vorherrscht – als Angehörige des Organs ihr Handeln am Interesse des Verbandes auszurichten. e) Das Handeln im Interesse des Verbandes schließt allerdings nicht aus, dass Organe bei ihrer Entscheidung in einem organfunktionsspezifischen Eigeninteresse – dem sog. Organinteresse – handeln. Liegt ein Handeln im Interesse des Verbandes vor, ist zugleich ein Handeln im Interesse des Organs gegeben. Organ- und Verbandsinteresse unterscheiden sich jedoch in der Gewichtung ihres Betroffenseins: Das Verbandsinteresse ist berührt, wenn ein Organ die Kompetenz eines anderen Organs verletzt, sodass das allgemeine innerorganisatorische Störungsverbot verletzt wird und dies in einem solchen Maße erfolgt, dass besondere Belange des Verbandes berührt werden wie die Existenz des Verbandes und vermögensrechtliche Aspekte. Das Organinteresse ist jedoch nur betroffen, wenn die Kompetenzverletzung zur Verletzung des innerorganschaftlichen Störungsverbots führt. In diesem Fall hat das Organ einen Ermessenspielraum, ob es gegen die Verletzung vorgeht. 7. a) Der aktienrechtliche Organbegriff ist enger gefasst, als der verbandsrechtliche Organbegriff. Ein Organ im aktienrechtlichen Sinne liegt demnach vor, wenn es durch Gesetz als Träger organisatorischer Kompetenzen innerhalb der Aktiengesellschaft eingegliedert ist und selbständig und weisungsunabhängig tätig wird. Das Handeln des Organs wird der Aktiengesellschaft zugerechnet. Aufsichtsrat und Vorstand haben ihr Handeln am Interesse der Aktiengesellschaft auszurichten. Im Innenbereich der Aktiengesellschaft orientiert sich ihr Handeln an einem funktionsspezifischen Organ(eigen)interesse. Für die Hauptversammlung als Willensbildungsorgan gilt dies entsprechend. Jedoch handelt es sich bei dieser nicht – wie bei Vorstand und Aufsichtsrat – um ein treuhänderisch agierendes Organ. Die Aktionäre sind Mitglieder des Organs Hauptversammlung, aber vor allem auch Mitglieder der Aktiengesellschaft und daher befugt, den Gesellschaftszweck zu ändern und damit vorzugeben, was dem Interesse der Aktiengesellschaft entspricht. b) Dass der aktienrechtliche Organbegriff enger gefasst ist, liegt an der geltenden Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft. So ist es in dieser nach § 23 Abs. 5 AktG nicht möglich, weitere Organe zu schaffen oder abweichend von der geltenden Kompetenzordnung, Zuständigkeiten auf andere Organe zu verlagern. Folglich sind nur diejenigen Institutionen als Organe anzusehen, die das Gesetz als solche vorsieht. In der Satzung können daher keine weiteren Organe geschaffen werden. Zudem ist es nicht möglich, durch Übertragung von Kompetenzen ein Organ zum „Machtorgan“ zu erheben, das anderen Weisungen erteilt. Das Recht der Aktiengesellschaft kennt keine Weisungsbefugnisse zwischen den Organen. Folglich stellt die Weisungsun-

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abhängigkeit ein wesentliches, weil vom verbandsrechtlichen Organbegriff abweichendes Merkmal des aktienrechtlichen Organbegriffs dar. c) Der in der Aktiengesellschaft vorherrschende Organbegriff hat zugleich Auswirkungen auf die Frage, wer Beteiligter bei Organstreitigkeiten sein kann. Im Gegensatz zu den Ausführungen von Schürnbrand ist der Anwendungsbereich auf Vorstand, Aufsichtsrat, Organmitglieder und andere Organteile – sofern ihnen vom Gesetz Rechte zugestanden werden – beschränkt. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist selbst kein Organ, sondern wie ein Ausschuss nach § 107 Abs. 3 AktG und in besonderen Fällen nach § 96 Abs. 2 AktG die Arbeitnehmer- und Anteilseigenerseten des Aufsichtsrats ein Organteil des Organs Aufsichtsrat. Weder der Insolvenzverwalter oder der besondere Vertreter nach § 147 AktG, noch das herrschende Unternehmen nach §§ 291, 308 AktG sind als Organe anzusehen. Überdies wird auch der Abschlussprüfer in einem öffentlichen Interesse tätig und handelt daher nicht im Interesse der Gesellschaft. Folglich kommen sie nicht als Beteiligte eines Organstreits in Betracht. 8. a) Im historischen Staatsrecht gab es eine Reihe streitschlichtender Institutionen, die sich je nach Art der Streitigkeit weiter fortentwickelten. Die Entwicklung reichte so weit, dass das Grundgesetz in Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 den verfassungsrechtlichen Organstreit explizit regelt und auch die Landesverfassungen entsprechende Regelungen enthalten. Das Bundesverfassungsgericht hat dabei den Kreis der Beteiligten erheblich erweitert. Obschon das öffentliche Recht erhebliche Vorarbeiten hinsichtlich des Organstreits leistete, bildete das privatrechtliche Verbandsrecht des 19. und 20. Jahrhunderts die dogmatische Grundlage für die Begriffs- und Funktionsbestimmung des Staates. Das öffentliche Recht machte sich dabei den Begriff der juristischen Person nutzbar, obwohl sie nach Auffassung von Savigny, als einer ihrer Begründer, nur für das Privatrecht anwendbar war. Erst der Staatsrechtlicher Wilhelm Eduard Albrecht differenzierte zwischen den privaten Rechten des Monarchen und den anderen, die der Monarch als Organ des Staates auszuüben hatte. Aufgrund dieses Verständnisses hatte der Monarch die Organrechte im Interesse des Staates auszuüben. b) Dass heute im öffentlichen Recht der verwaltungsgerichtliche Organstreit allgemein anerkannt ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch dessen dogmatische Grundzüge lange Zeit umstritten waren. Der „Prototyp“, der diese strittige und unbefriedigende Situation beendete, ist der Kommunalverfassungsstreit. Mit den Arbeiten von Hoppe und Roth hat der verwaltungsgerichtliche Organstreit ein grundlegendes dogmatisches Konzept erhalten. Die gegenwärtige Entwicklung zeigt allerdings auch, dass die Diskussion über den öffentlich-rechtlichen Organstreit noch nicht abgeschlossen ist. c) Öffentlich-rechtlicher und aktienrechtlicher Organstreit weisen Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf. Da die juristische Person die Grundlage der Organisation darstellt und in beiden Gebiete Organe für diese handeln, kann terminologisch auf das öffentliche Recht zurückgegriffen werden. Jedoch existieren gravierende

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Unterschiede. Dem Aktienrecht fehlt die Entwicklung, die das öffentliche Recht in unzähligen Organstreitverfahren gesammelt hat. So sind Quellen über gerichtliche Verfahren zwischen Organen einer Aktiengesellschaft kaum vorhanden. Zwar reichen auch Erscheinungsformen der Aktiengesellschaft bis in das Mittelalter zurück. Jedoch ist der aktienrechtliche Organstreit eine Thematik, die erst Mitte der 1970er Jahre mit Einführung der Mitbestimmung in einem vergleichbaren umfassenden Maße diskutiert wurde, wie das öffentliche Recht dies schon Jahrhunderte zuvor tat. Die Gründe dafür sind offensichtlich: Streitigkeiten zwischen Staatsorganen, die innerhalb eines Staates geführt wurden, betrafen – und betreffen immer noch – Fragen der politischen Macht. Streitgegenstände sind dabei von der Verfassung gewährte Rechte, die ein Organ innehat und die von einem anderen Organ negiert und/oder sogar verletzt werden. Die Klärung eines solchen Konflikts war und ist notwendig, um eine Gefährdung des Staates und seiner Bürger abzuwenden und gegebenenfalls seine Existenz zu sichern. Von besonderer Relevanz ist darüber hinaus, dass ein hohes Interesse an einer öffentlichen Debatte besteht, da die Zuweisung von Kompetenzen (und damit von Macht) an ein Organ der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden soll. Das liegt besonders an der Konstellation Staat – Bürger. Denn grundsätzlich ist jeder Bürger daran interessiert, welche Kompetenzen dem Staat und einzelnen Staatsorganen zustehen. Es handelt sich bei Organstreitigkeiten im öffentlichen Recht kurzum um ein ganz anderes Ausmaß an Rechtsverletzungen, deren Klärung notwendig ist. Hingegen fehlt den Streitigkeiten innerhalb einer Aktiengesellschaft diese Außenwirkung. Sie ist vielmehr ein von Menschen geschaffenes wirtschaftliches Konstrukt, das zuvörderst den Zweck verfolgt, ein von ihr getragenes Unternehmen so zu leiten, dass es Gewinne erwirtschaftet. Der Aktionsbereich ist auf diese wirtschaftliche Tätigkeit begrenzt. Konflikte zwischen den Organen entstehen immer im Zusammenhang mit Entscheidungen, die unmittelbar die wirtschaftliche Tätigkeit der Aktiengesellschaft betreffen. Im Gegensatz zu Streitigkeiten im öffentlichen Recht ist es bei Streitigkeiten innerhalb der Aktiengesellschaft zudem fraglich, ob ein ebenso gleiches Interesse der Öffentlichkeit an einer Konfliktklärung gegeben ist. Neben den beteiligten Organen sind allein die Aktionäre und – wenn überhaupt – mit der Gesellschaft in Geschäftsbeziehungen stehende Dritte daran interessiert, wie ein interner Konflikt ausgeht. Eine negative Außenwirkung kann dabei der Aktiengesellschaft auch Schaden zufügen. 9. Die ersten Aktiengesellschaften des 19. Jahrhunderts verfügten noch über eine freie, ihnen selbst überlassene Organisationsform. Es existierten Organe, deren Funktion von den Gründern selbst festgelegt werden konnte. Da ihr Gesellschafterbestand sich zumeist aus den territorial ansässigen Monarchen zusammensetzte, waren die Gesellschaften eng mit dem Staat verbandelt. Die Machtstruktur war absolutistisch geprägt. Die Gesellschafter übten ihren Einfluss auf die Aktiengesellschaft aus, indem sie zugleich Mitglieder des Verwaltungsrates und damit wiederum weisungsbefugt gegenüber den geschäftsführenden Directoren waren. Der

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Verwaltungsrat war daher nicht nur das Überwachungs-, sondern zugleich das eigentliche Leitungsorgan der Gesellschaft, das allerdings selbst nicht überwacht wurde. Betrachtet man den Zeitraum zwischen dem ADHGB von 1862 und dem HGB von 1897, so wird deutlich, dass es den Gründern und Großaktionären vor allem daran gelegen war, ihre Macht zu erhalten und mögliche gesetzliche Einschränkungen zu umgehen. Erst das ADHGB von 1884 schaffte es, den Missbrauch im vorher betriebenen Maße einzudämmen. Allerdings war es jederzeit möglich, ein Organ (später nur den Aufsichtsrat) mit umfassenden Befugnissen auszustatten und damit eine Hierarchie der Organe innerhalb der Aktiengesellschaft zu schaffen. Erst die Rechtsprechung grenzte diese umfassende Kompetenz ein und begründete damit den Vorläufer der uns heute bekannten Satzungsstrenge. Dies änderte nichts an der grundsätzlich gegebenen Möglichkeit, die Macht innerhalb der Aktiengesellschaft in einem Organ (dem Aufsichtsrat) zu zentrieren. Mit dem ADHGB von 1862 wollte man unter Wahrung der Gestaltungsfreiheit, den verschiedenartigen Erscheinungsformen Einhalt gebieten. In Anlehnung an die dreigliedrige Struktur der KGaA schuf man die Möglichkeit, neben den bereits existierenden Organen Vorstand und Generalversammlung, fakultativ einen Aufsichtsrat einzurichten, der zum einen den Wegfall des Konzessionssystems kompensieren und die Rechte der Aktionäre besser repräsentieren sollte. Der Aufsichtsrat stand in der Tradition der Verwaltungsräte. Allerdings blieb es den Gründern offen, per Gesellschaftsvertrag weitere Organe zu errichten. Nach Art. 225 ADHGB 1862 hatte der Aufsichtsrat die Gesellschaft „in allen Zweigen der Verwaltung“ zu überwachen. Die Generalversammlung wurde als „oberstes Organ“ der Gesellschaft angesehen, das Weisungsrechte gegenüber dem Vorstand hatte und dem bei wichtigen Geschäften die Vertretungsmacht zustand. Obwohl der Vorstand dagegen in einer verhältnismäßig schwachen Position war, wurde seine Stellung im Vergleich zu den Directoren der alten Aktiengesellschaften gestärkt, indem seine Vertretungsmacht zwar intern beschränkbar war, diese Beschränkung aber gegenüber Dritten keine Wirkung entfaltete. Die Aufgabe des fakultativen Aufsichtsrats wurde allerdings dahingehend missinterpretiert, dass dieser zu einer „verkleinerten Generalversammlung“, bestehend aus den Gründungsgesellschaftern und Großaktionären, ausgestaltet wurde. Eine grundlegende Abkehr zum alten System und eine damit einhergehende Änderung war nur in der Bezeichnung der Organe auszumachen. Wichtigste Neuerung durch die Novelle des ADHGB von 1870 war – neben der Einführung des Normativsystems – die nunmehr obligatorische Stellung des Aufsichtsrats. Damit wurde zugleich die dreigliedrige Unternehmensverfassung für die Aktiengesellschaft festgeschrieben. Allerdings bestand weiterhin die Möglichkeit, durch gesellschaftsvertragliche Regelungen ein zusätzliches Organ zu errichten und dieses oder ein anderes zum Herrschaftsorgan mit umfassenden Befugnissen zu küren. Damit blieb zugleich die bisher schon betriebene Praxis unangetastet, dass Gründer und Großaktionäre versuchten, ihre Stellung weitestgehend zu sichern. Der

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damit betriebene Machtmissbrauch wurde weder vom Gesetzgeber noch von der Literatur wahrgenommen. Die Kompetenzen des Vorstands wurden nicht angetastet. Die Generalversammlung galt immer noch als das „oberste Organ“ der Aktiengesellschaft, das den Aufsichtsrat wählte, Art. 210a Abs. 1 Nr. 3 ADHGB 1870. Erst mit der 2. Aktienrechtsnovelle des ADHGB von 1884 versuchte man, dem Missbrauch der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten der Organisationsverfassung Herr zu werden. Der Gesetzgeber sah sich zum Handeln genötigt, da im Laufe der Gründerkrise der 1870er Jahre große Aktiengesellschaften zusammenbrachen und als Grund die ungenügende Kontrolle durch den Aufsichtsrat angemahnt wurde. Neben der Reformierung der Gründungsvorschriften wurde die dreigliedrige Organisationsstruktur manifestiert, indem es nicht mehr möglich war, fakultative Organe zu errichten. Die Generalversammlung wurde dahingehend aufgewertet, dass ihr bereits per Gesetz Befugnisse zugeordnet wurden, die keinem anderen Organ übertragen werden konnten. Während die Stellung des Vorstands wiederum unangetastet blieb, rückte der Aufsichtsrat in den Mittelpunkt der Novelle. Zwar war er weiterhin verpflichtet, „den Vorstand bei seiner Geschäftsführung in allen Zweigen der Verwaltung zu überwachen“, allerdings wurden ihm zusätzlich Informationsund Berichtsrechte zur Verfügung gestellt. Zudem verschärfte der Gesetzgeber die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder während der Gründungsphase der Gesellschaft. Der Aufsichtsrat wandelte sich zu einem Organ, das einen eigenen Kompetenzbereich inne hatte und für dessen Mitgliedschaft nicht mehr vorausgesetzt wurde, das man Aktionär der Gesellschaft sein muss. Mit der Novelle wurde der Grundstein für ein modernes Aktienrecht gelegt, dessen Kompetenzzuweisung an die Organe eine ausgeglichene innerverbandliche Demokratie schuf. Insgesamt muss man aber eingestehen, dass die strukturellen Defizite der Organisationsverfassung nicht überwunden werden konnten. Denn obwohl es nun nicht mehr möglich war, dass weitere fakultative Organe errichtet werden konnten, blieb es den Gründern weiterhin eröffnet, umfassende Befugnisse durch gesellschaftsvertragliche Regelung dem Aufsichtsrat zu übertragen. Dieser blieb eigentliches Leitungsorgan der Gesellschaft. Überwachung konnte nach der überwiegenden Ansicht nur gewährleistet werden, wenn diese mit Macht und somit durch Eingriffsmöglichkeiten flankiert wurde. Dass darin ein Trugschluss lag, wurde erst viele Jahrzehnte später wahrgenommen. Das HGB von 1897 und die damit vorgenommene Revision der aktienrechtlichen Vorschriften führten zu keiner umfassenden Neukonzeption der Organisationsverfassung. Hervorzuheben ist allein die im HGB neu geschaffene Systematik, die der hervorgehobenen Stellung der Aktiengesellschaft Rechnung trug. 10. Das Recht der Aktiengesellschaft durchlebte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts schwere Belastungsproben. Nachdem das HGB von 1897 verabschiedet und die Nomenklatur der Aktiengesellschaft neu strukturiert wurde, begann durch das Schrifttum eine Analyse des status quo. Die vorgebrachten Reformvorschläge wurden allesamt nicht aufgegriffen, da die restriktive Mehrheit im Schrifttum, eine

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Reformierung des Aktienrechts nicht für notwendig erachtete. So sah sich auch der Gesetzgeber nicht verpflichtet, einzuschreiten. Ferner ist auch davon auszugehen, dass trotz der unüberblickbaren Fülle an Stellungnahmen der Gesetzgeber zunächst abwarten wollte, wie die Praxis – die sich zuvörderst im Wege von Satzungsbestimmungen half – mit der bisherigen Gesetzeslage zurechtkam. Bezeichnend ist, dass eine Vielzahl von Reformvorschlägen in den Entwürfen von 1930 sowie 1931 wiederzufinden waren und letztendlich in der Notverordnung von 1931 aufgegriffen wurden. Eine besondere Entwicklung nahm die Machtstruktur innerhalb der Aktiengesellschaft während dieses Zeitraums. Obwohl die Kompetenzverfassung selbst keine Änderung erfuhr, wandelte sich die Rolle des Machtorgans und der einflussnehmenden Personenkreise innerhalb weniger Jahre. Als bedeutender Einschnitt ist hierbei der Einfluss des Wirtschaftsgebarens auf die Aktiengesellschaften während des Ersten Weltkriegs zu sehen. Vor Beginn des Krieges stellte der Aufsichtsrat das Machtorgan dar, das sich zumeist aus Großaktionären bzw. deren Vertrauten zusammensetzte und per Satzungsbestimmung mit umfangreichen Weisungs- und Verwaltungsbefugnissen ausgestattet wurde. Daneben fungierten erfahrende Banker und ebenfalls Vertreter anderer Industrieunternehmen als Aufsichtsratsmitglieder. Der Aufsichtsrat wurde daher überwiegend als Ort zur Pflege von Geschäftsbeziehungen genutzt und weniger zur Kontrolle des Vorstands. Zwar oblag wiederum Letzterem das Tagesgeschäft; insgesamt handelte er allerdings nur als ausführendes Organ und hatte dementsprechend geringen Einfluss bei wesentlichen Entscheidungen. Mit Beginn des Krieges begann der Einfluss des Staates in Kriegsgesellschaften und kriegswichtigen Gesellschaften in erheblichem Maße zuzunehmen, sodass – wieder im Wege von Satzungsbestimmungen – den im Aufsichtsrat vertretenen Staatsdienern umfassende Befugnisse eingeräumt wurden. Rathenau begründete diese Einflussnahme mit den Bedürfnissen der Gemeinwirtschaft, die aufgrund des Krieges zu berücksichtigen seien. Nicht allein gewinnorientierte Bestrebungen wurden als Maßstab für Entscheidungen innerhalb der (grundsätzlich) privatwirtschaftlich agierenden Aktiengesellschaft herangezogen, sondern zum ersten Mal Aspekte des Gemeinwohls und damit eine Form des Staatsinteresses. Damit wurde zugleich die Interessenpluralität im Aufsichtsrat um die gemeinwohlorientierten Belange erweitert. Obwohl nach dem Ende des Krieges alle Staatsbediensteten aus den Aufsichtsräten ausschieden, blieb der Grundgedanke eines gemeinwohlorientierten Ansatzes erhalten und wurde durch Stimmen in der Literatur dahingehend fortentwickelt, dass sich die Lehre vom „Unternehmen an sich“ herausbildete. Mit Ende des Krieges, dem Untergang des Kaiserreiches und der Gründung der Weimarer Republik kamen vor allem sozialdemokratische Bestrebungen auf. Mit dem Betriebsrätegesetz von 1920 wurde die Basis für die Arbeitnehmermitbestimmung gelegt. Dem Betriebsrat stand damit das Recht zu, zwei von ihm gewählte

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Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. Damit begann das Machtmonopol, das den Anteilseignervertretern im Aufsichtsrat zukam, zu schwinden. Die Bestrebungen, die Arbeitnehmervertreter in ihrer Kompetenz zu beschränken, blieben erfolglos. § 70 BetriebsräteG und vor allem § 3 BetriebsräteentsendeG ordneten an, dass den Arbeitnehmervertretern die gleiche Rechtsstellung zukam, wie sie die Vertreter der Anteilseignerseite genossen. Die jungen Jahre der Weimarer Republik waren noch mit der Bewältigung des Krieges befasst. Die wirtschaftlich schlechte Gesamtsituation, die hohe Arbeitslosigkeit, die immensen Reparationszahlungen und die damit einhergehende steigende Inflation führten dazu, dass der im Krieg entwickelte gemeinwirtschaftliche Gedanke fortbestand bzw. von Teilen der Wissenschaft wieder aufgegriffen wurde. Große Aktiengesellschaften versuchten der misslichen Lage durch eine erhebliche Anzahl von Zusammenschlüssen zu begegnen; damit wurde zugleich die Grundlage des Konzernrechts gelegt. Den Gesellschaften wuchs damit eine Stellung zu, die dem Staat zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben unterstützend zur Seite stehen sollte. Dies zeigte sich insbesondere dadurch, dass diese – konzernierten – Gesellschaften ihre Entscheidungsfindung nicht allein am Gewinn der Anteilseigner, sondern ebenfalls am Wohle der Bevölkerung orientieren sollten. Zur gleichen Zeit veränderte sich die Aktionärsstruktur. Während Großaktionäre schwanden, wuchs die Zahl der Kleinaktionäre. Diese Entwicklung übte ebenfalls Einfluss auf die Machtstruktur innerhalb der Aktiengesellschaft aus. Die Generalversammlung wählte von dem Vorstand vorgeschlagene – und ihm genehme – Personen in den Aufsichtsrat. Damit wandelte sich der Vorstand zum neuen Machtorgan in der Aktiengesellschaft. Er musste dabei nicht befürchten, dass der Aufsichtsrat ihm infolge einer ambitionierten Wahrnehmung der Überwachung in die Quere kommen würde. Diese Entwicklungen führten dazu, dass innerhalb der Aktiengesellschaft eine Trennung von Macht und Kapital erfolgte. Die bisher überwiegende und nicht angezweifelte Auffassung, dass das Interesse der Gesellschaft mit dem Interesse der Gesellschafter deckungsgleich sei, konnte so nicht mehr Bestand haben. Insbesondere die von Haußmann gebildete Erkenntnis, dass in dem Mehrheitsprinzip der Generalversammlung ein Schutz der Gesellschaft selbst vor der Mehrheit der Generalversammlung zu sehen sei, führte dazu, dass man zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterinteressen zum ersten Mal differenzierte. Damit wurde die Lehre vom „Unternehmen an sich“ begründet. Und obwohl nicht nachgewiesen werden kann, dass der Gesetzgeber sich dieser Lehre annahm, enthielten die Entwürfe von 1930 sowie 1931 wesentliche Ideen, die auf die Lehre zurückzuführen sind. So enthielten beide Entwürfe eine Generalklausel, die eine wirksame Ausübung des Stimmrechts der Aktionäre daran knüpfte, ob Gesellschaftsinteressen verletzt würden, indem gesellschaftsfremde Interessen für sich oder einen Dritten verfolgt wurden. Zur Umsetzung der Entwürfe kam es allerdings nicht mehr, da verschiedene Unternehmen und Banken in Schieflage gerieten und die Politik schnellstmöglich

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handeln musste. So sollte die NotVO von 1931 die in den Unternehmenskrisen sichtbar gewordenen Defizite beheben. Neben der Eindämmung der Möglichkeit eines Aktienrückkaufs wurde die Prüfung durch einen Bilanzprüfer verpflichtend. Vor allem sollte die Überwachung durch den Aufsichtsrat verbessert und professionalisiert werden, indem nicht nur die Rechte des Gesamtaufsichtsrats, sondern ebenfalls die Stellung des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds aufgewertet wurde. Dazu gehörte nicht nur die Möglichkeit zur Einberufung einer Aufsichtsratssitzung durch zwei Aufsichtsratsmitglieder, sondern es stand dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied das Recht zu, Berichte vom Vorstand an den Gesamtaufsichtsrat zu verlangen. Obwohl durch die NotVO eine Berichtspflicht des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat statuiert wurde und überdies dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied weitere Befugnisse zukamen, die in materiellrechtlicher Hinsicht Gegenstände von Organstreitigkeiten waren, verneinte man die Möglichkeit, diese Rechte im Klagewege durchzusetzen, da man zum einen dogmatische Bedenken hatte und in der Praxis keine Bedarf ausmachte. Insgesamt handelte es sich um eine, nur für besondere Fälle entwickelte Notlösung. Die große und notwendige Reform war damit nicht hinfällig geworden. 11. Die neu geschaffene Organisationsverfassung bildet noch heute die Grundlage der uns bekannten Aktiengesellschaft. Die scharfe Trennung von Leitung und Überwachung wurde im Aktiengesetz von 1937 eingeführt. Obwohl die nationalsozialistische Literatur erheblichen Einfluss nahm und versuchte, grundlegende fundamentale Änderungen herbeizuführen, sind nur wenige ideologische Merkmale wirklich Gesetz geworden. Wesentliche Grundideen wurden aus ökonomischen Überlegungen bereits während des Entwurfs in den 1920er Jahren erarbeitet und ins Aktiengesetz von 1937 übernommen. Die Auswirkungen dieser Neukonzeption können als immens bezeichnet werden. Insbesondere erscheint es aus heutiger Perspektive unwahrscheinlich, dass Aufsichtsräte, die zuvor dem Vorstand Weisungen erteilten, in ihrer neuen Funktion als reines Überwachungsorgan mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu Recht kamen. Das Verhältnis der Organe zueinander stand daher umso mehr im Mittelpunkt. Profiteur dieser Situation war der Vorstand, der ohne Bedenken die Gesellschaft leiten und die Geschicke (in seinem Interesse) lenken konnte. Der Aufsichtsrat hatte zwar die Personalhoheit und konnte durch Zustimmungsvorbehalte, Einfluss auf die Geschicke des Vorstands nehmen, war jedoch von der Zuarbeit der Berichte vom Vorstand abhängig. Die Hauptversammlung, deren Machtfülle sich zwar verminderte, hatte die Personalhoheit gegenüber dem Aufsichtsrat inne und musste bei wesentlichen Fragen herangezogen werden. Eine Beantwortung der Frage, wer nach dieser Neukonzeption als Machtorgan der Gesellschaft bezeichnet werden kann, erscheint schwierig. Zwar wurde die Stellung des Vorstands als selbständig und weisungsunabhängig hervorgehoben. Allerdings konnte der Aufsichtsrat erheblichen Druck auf den Vorstand ausüben, wenn er mit der vorzeitigen Abberufung bzw. der nicht nochmaligen Bestellung drohte. Obwohl

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die Anzahl der Großaktionäre sank, konnten diese immer noch erheblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben, wenn sie ihren Kapital- und Stimmenanteil dazu nutzten, Vertraute in den Aufsichtsrat zu wählen, die ihnen genehme Personen in den Vorstand beriefen. Zum ersten Mal konnte man jedoch im Hinblick auf die Unternehmensverfassung von einer ausgeglichenen Machtbalance sprechen. 12. Mit dem Aktiengesetz von 1965 bekannte sich der Gesetzgeber zur dualistischen Organisationsverfassung und der strikten – nicht durch Satzung modifizierbaren – Kompetenztrennung der einzelnen Organe. Man erachtete die damit gefundene Aufteilung als bestmöglichste Lösung, um eine interessengerechte Machtbalance innerhalb der Aktiengesellschaft zu schaffen. Vor allem bestand das Hauptaugenmerk darin, die Terminologie von der nationalsozialistischen Ideologie zu befreien. Es hatte sich gezeigt, dass tiefgreifende Änderungen nicht notwendig waren, da die Unternehmensverfassung des AktG von 1937 eine interessengerechte, nicht allein auf ideologische Belange gestützte Konstruktion war. Nur in geringem Umfang nahm der Gesetzgeber Korrekturen vor. So wurde die Stellung der Hauptversammlung aufgewertet, indem ihr wesentliche Befugnisse übertragen wurden. Zudem sprach ihr das Gesetz eine Art Endentscheidungsrecht zu: Verweigerte der Aufsichtsrat die Zustimmung für eine Geschäftsführungsmaßnahme, konnte der Vorstand die Klärung durch die Hauptversammlung verlangen, § 111 Abs. 4 Satz 3 AktG 1965. Obwohl die Vorschrift in der Praxis wenig Bedeutung erfuhr, wird deutlich, dass zumindest in einer symbolischen Art und Weise die besondere Stellung der Hauptversammlung hervorgehoben werden sollte. Ebenso sei nach einigen Stimmen die Aufwertung der Informationsrechte ein Zeichen für die Aufwertung der Stellung der Hauptversammlung. Indem der Aufsichtsrat die Geschäftsführung besser überwacht, handelt er zugleich im Interesse der Aktionäre. Während die Überwachungsfunktion den Schwerpunkt der Aufsichtsratstätigkeit bildete, gerieten die Beratungs- und Repräsentationsfunktion – die auch noch während der Geltung des Aktiengesetzes von 1937 zumindest gleichberechtigt nebeneinander standen – in den Hintergrund. Damit wurde zugleich der Grundstock für die Professionalisierung des Aufsichtsrats gelegt. Denn die dem Aufsichtsrat zur Seite gestellten Kompetenzen, wie die Erweiterung der Berichts- und Auskunftspflichten des Vorstands, als auch die Festlegung von Zustimmungsvorbehalten führten dazu, dass der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan an Fragen der Geschäftsführung partizipiert, ohne selbst Geschäftsführungsorgan zu sein. Die Entwicklung der letzten 30 Jahre zeigt zudem, dass die Rolle des Aufsichtsrats als beratendes Organ erstarkt ist. Die Grundlage für diese Entwicklung ist der Aktienrechtsnovelle von 1965 zuzuschreiben. Erheblicher Einfluss während des Reformprozesses ging von den Interessenverbänden der Gewerkschaften aus. Seit 1952 gehörten Vertreter der Arbeitnehmer wieder den Überwachungsorganen der Aktiengesellschaften an. Folglich wurden auch während des Gesetzgebungsverfahrens zahlreiche Vorschläge zur Reform des Aktienrechts unterbreitet. So sind die verschärften Inkompatibilitätsregeln für

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Aufsichtsratsmitglieder und die Erweiterung von Publizitätspflichten auf die Vorschläge von DGB und DAG zurückzuführen. Gleiches gilt für die Begrenzung der Anzahl der Aufsichtsratsmandate, um möglichen Interessenskonflikten vorzubeugen. Der Gesetzgeber konnte sich den Vorschlägen nicht immer verschließen und verwies auf wirtschafts- und gesellschaftspolitische Interessen, die für bzw. gegen eine Regelung sprachen. Damit zeigt sich, dass die Beteiligung der Arbeitnehmer zu einer Erweiterung der zu berücksichtigenden Interessen führte. Die Unternehmensmitbestimmung ist ein wesentlicher Aspekt für die Frage, wie die Machtbalance innerhalb der Unternehmensverfassung erzielt und ob für die Erreichung und Beibehaltung der Balance, Organklagen in Betracht kommen. 13. Die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft wurde durch die Einführung der Mitbestimmung im Jahr 1976 wesentlich beeinflusst. Durch das MitbestG von 1976 (sowie den Regelungen der Montanmitbestimmung) erlangten die Arbeitnehmer einen bis zu diesem Zeitpunkt nie da gewesenen Einfluss auf die Entscheidungsfindung einer (mitbestimmten) Aktiengesellschaft. Der Aufsichtsrat, der bis dahin als ein interessenmonistisches Organ bezeichnet werden konnte, wandelte sich durch die Einbeziehung der Arbeitnehmerbank zu einem interessendualistischen Organ. Dadurch wurden nicht nur Arbeitnehmerbelange in größerem Maße berücksichtigt, sondern auch die Tätigkeit als Überwachungsorgan des Vorstands veränderte sich. Dies führte zu Verschlechterungen des Verhältnisses zwischen Aufsichtsrat und Vorstand. Zudem versuchten Teile der Anteilseignerseite, den Einfluss der Arbeitnehmervertreter so gering wie möglich zu halten, indem Kompetenzen im Wege der Satzungsgestaltung der Entscheidungsautonomie des Gesamtorgans entzogen wurden. Der BGH stellte jedoch mehrfach klar (Siemens, Dynamit-Nobel, Bilfinger&Berger), dass die Arbeitnehmervertreter eine gleichberechtigte Stellung innehaben. So überrascht es auch nicht, dass der bisher einzige vom BGH entschiedene Organklagesachverhalt („Opel“) auf Bestrebungen der Arbeitnehmerbank zurückzuführen ist. Die Beteiligung der Arbeitnehmer am Entscheidungsprozess im Aufsichtsrat hat erheblich zur Herbeiführung von Konfliktsituationen beigetragen. 14. a) Zwischen 1965 bis in die frühen 1990er Jahre herrschte mit Ausnahme der Einführung des Mitbestimmungsgesetzes von 1976 eine „Reform-Ruhepause“. Neue Entwicklungen fanden sich nicht im Aktienrecht. b) Dies änderte sich erst zu Beginn der 1990er Jahre, als Zöllner von der „Aktienrechtsreform in Permanenz“ sprach. Man beabsichtigte die Rechtsform der Aktiengesellschaft auch für mittelständische Unternehmen interessant zu machen. Die aktienrechtliche Organisationsverfassung wurde durch die Aktivitäten mittelbar beeinflusst, indem „kleine AGs“ mit weniger als 500 Mitarbeitern nicht der Unternehmensmitbestimmung unterworfen waren. Zudem ist es auf die Einflüsse des Kapitalmarktrechts zurückzuführen, dass auch auf nationaler Ebene der Begriff der Corporate Governance an Bedeutung gewann.

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c) Mit dem KonTraG reagierte der Gesetzgeber auf die Bedürfnisse des internationalen Kapitalmarkts. Aspekte wie Publizität, Transparenz, Kommunikation und Effizienz der Kontrolltätigkeit standen im Mittelpunkt der Debatte. Zwar wurde die grundsätzliche Organisationsverfassung des Aktiengesetzes von 1965, bestehend aus Leitung durch den Vorstand und Kontrolle durch den Aufsichtsrat, nicht angetastet. Jedoch gaben eine Reihe von Unternehmenszusammenbrüchen Anlass, bestehende Kontrolldefizite zu beheben. Neben dem Abschlussprüfer, der nun durch den Aufsichtsrat zu bestellen war, wurde die Stellung des Aufsichtsrats selbst aufgewertet und damit professionalisiert. Der Aufsichtsrat wandelte sich von einem reinen Überwachungsorgan zu einem mitunternehmerischen Organ, das näher an den Entscheidungen des Vorstands beteiligt wird, indem es diesen berät. Man beabsichtigte mit den einzelnen Maßnahmen, das Verantwortungsbewusstsein und Engagement der Aufsichtsratsmitglieder zu steigern. Dass Fragen der Überwachung einen zentralen Punkt des KonTraG bildeten, belegt zudem die Reformierung des § 147 AktG, der es der Aktionärsminderheit ermöglichen sollte, gegen Vorstand bzw. Aufsichtsrat Organhaftungsansprüche der Gesellschaft geltend zu machen. Hierbei zeigte sich jedoch, dass die Regelung insgesamt unzureichend war und deshalb nur wenige Jahre danach durch das UMAG verworfen wurde. Dies ist als Beleg dafür anzuführen, welche immensen Schwierigkeiten bestehen, wenn Konflikte mit und zwischen Organen bzw. ihren Mitgliedern existieren. Nichts anderes gilt daher für die Frage der präventiven Klärung von inter- und intraorganschaftlichen Konflikten. Der Gesetzgeber vermied es allerdings, dem Aufsichtsrat weitergehende Einwirkungsbefugnisse zur Seite zu stellen, da man davon ausging, dass der Aufsichtsrat in seiner gegenwärtigen Verfassung als Überwachungsorgan in sachgerechter Art und Weise, seine Kontrollfunktion gegenüber dem Vorstand wahrnehmen könne. Das KonTraG bildete trotzdem eine gelungene Grundlage im sich anschließenden und überschlagenden Reformprozess, der dem Aktienrecht zu Teil wurde. d) Das TransPuG wertete die Stellung des Aufsichtsrats und der einzelnen Mitglieder auf. Ebenso führte die Schaffung des DCGK zu einer Ergänzung des geltenden Aktienrechts mit einer bis dahin unbekannten Regelungsmethode, die infolge ihrer regelmäßigen Aktualisierung neue Impulse für die Corporate Governance schuf. Die grundlegende Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft wurde nicht angetastet – vielmehr kam es zu einer bloßen Verschiebung von Kompetenzen zugunsten des Aufsichtsrats. Die Änderungen führten dazu, dass der Aufsichtsrat einen (noch) besseren Einblick in die unternehmerische Entwicklung der Gesellschaft bekam. Die Berichtspflicht des Vorstands aus § 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG wurde dahingehend erweitert, dass nun auch auf abweichende Ziele zuvor erstatteter Bericht hingewiesen werden musste. Ebenso musste über die Entwicklung in Tochtergesellschaften nach § 90 Abs. 1 Satz 2 AktG berichtet werden. Besonders hervorzuheben ist die

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Schaffung eines echten Individualauskunftsrechts nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG. Die Pflicht zur Erstellung eines Mindestkatalogs für Zustimmungsvorbehalte (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) rundete die Aufwertung der Aufsichtsratsstellung ab. Damit wurde die bisher nur zaghafte bzw. kaum wahrgenommene präventive Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat gestärkt und in das Bewusstsein der Organmitglieder gerufen. Das deutsche Aktienrecht nahm zugleich eine wichtige Hürde, um den internationalen Standards eines modernen Aktienrechts entsprechen zu können. Das TransPuG kann im Nachhinein als ein wesentlicher und wichtiger Pfeiler zur Verbesserung der Überwachung innerhalb der Aktiengesellschaft bezeichnet werden. Es enthielt kleine, aber wesentliche Änderungen, die der in die Jahre gekommenen deutschen Aktiengesellschaft einen internationalen Anstrich verlieh. Insbesondere führte die Erweiterung der Kompetenzen des Aufsichtsrats dazu, dass das dualistische Organisationsmodell näher an das monistische Modell heranrückte. Allerdings sind wesentliche Fragen ungeklärt geblieben. Dies betrifft den Aspekt, wie die Berichtspflicht nach § 90 AktG vom Aufsichtsrat als auch dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied durchgesetzt werden kann, wenn der Vorstand sich weigert, zu berichten. Der Corporate Governance-Debatte haftet ein wesentliches Defizit an, das als solchen nur in wenigen Bereichen diskutiert wird: So enthält zwar der DCGK in Grundsatz 13 (ehemals Ziff. 3.1) die Maßgabe, dass Aufsichtsrat und Vorstand gemeinsam und vertrauensvoll zum Wohle des Unternehmens zusammenarbeiten sollen. Er enthält jedoch keine einzige Regelung darüber, wie sich die Organe verhalten sollen, wenn in einer Sache keine Einigung erzielt werden konnte bzw. ein Organ sich über die Bedenken und Einwände des anderen Organs hinweggesetzt hat. Ein professionelles Verhältnis zwischen Vorstand und Aufsichtsrat ist ohne Reibungspunkte und ohne Konflikt nicht denkbar ist. Die Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand und die Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat sind bereits aus funktionaler Betrachtung nicht als konfliktfreier Bereich anzusehen. e) Die Änderungen im Hinblick auf die Organisationsverfassung hielten sich nach dem TransPuG in einem überschaubaren Rahmen. Mit dem ARUG schränkte man die Rechte der Hauptversammlung aufgrund der Eindämmung missbräuchlicher Anfechtungsklagen ein. Durch das VorstAG wurde die Stellung des Aufsichtsrats weiter aufgewertet, indem ihm nun in vereinfachter Weise ermöglicht wurde, die Vergütung der Vorstandsmitglieder abzusenken, wenn er die Vergütung der Vorstandsmitglieder aufgrund der veränderten Geschäftslage der Gesellschaft als nicht mehr angemessen beurteilte. Um diese Beurteilung treffen zu können, ist es notwendige Voraussetzung, die unternehmerische Entwicklung nachzuvollziehen und richtig einschätzen zu können. Die erfolgte Kompetenzeinräumung konnte nur ermöglicht werden, da dem Aufsichtsrat als auch dem einzelnen Organmitglied eine – in Unternehmensfragen gewichtigere – Position eingeräumt wurde. Die Stellung des

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Aufsichtsrats innerhalb der Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft war daher auch nach dem TransPuG eines der zentralen Reformgegenstände. f) Der Reformprozess hat an Geschwindigkeit eingebüßt. Fragen der Organisationsverfassung gehörten nicht zu den zentralen Diskussionspunkten, die nach 2009 im Hinblick auf die Aktiengesellschaft diskutiert wurden. Eine Ausnahme dazu bildet das Bank- und Versicherungsaufsichtsrecht. Hier hat der Gesetzgeber in den letzten Jahren Regelungen geschaffen, die in verschiedenerlei Hinsicht in die Befugnisse der Leitungs- und Aufsichtsorgane eingreifen. Insbesondere das Aufsichtsorgan ist verpflichtet, verschiedene Ausschüsse zu gründen, die wiederum weitreichende Befugnisse (Kontaktaufnahme mit leitenden Angestellten zur Informationsbeschaffung) innehaben und damit in die Leitungskompetenz des Leistungsorgans eingreifen. Bisweilen wird eine solche eigenständige Kompetenz des Aufsichtsorgans im aktienrechtlichen Schrifttum überwiegend verneint. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die aufsichtsrechtlichen Regelungen in Zukunft Ausstrahlungswirkung haben werden und damit zur Verbesserung der Corporate Governance führen. 15. a) Die Rechtsprechung des BGH als auch die anderer Höchstgerichte zeigt, dass Streitigkeiten innerhalb der Gesellschaft bestehen, aber eine gerichtliche Klärung nur in wenigen Fällen gesucht wird. Während das LG Köln in seiner Entscheidung von 1976 noch unbeholfen die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft als Argument anführte, dass ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied keine Befugnis habe, gegen eine Maßnahme des Vorstands vorzugehen, obwohl genau diese Kompetenzordnung durch die Schaffung eines weiteres Organs wesentlich beeinträchtigt wurde und die Mehrheit des Aufsichtsrats kein Bedarf sah, einzuschreiten, legte die Opel-Entscheidung grundlegende Weichen für die Diskussion über Klagen als Konfliktlösungsmittel beim Organstreit. Die zentrale Frage ist weiterhin, wann dem einzelnen Organmitglied eigene oder fremde Klagebefugnisse zustehen. Letzteres hat der BGH offen gelassen. Gleiches gilt für die Rechts- und Parteifähigkeit von Organen. Hingegen können Konflikte innerhalb von Organen durch einzelne Mitglieder auch gerichtlich geklärt werden. Der BGH hat in seiner Hamburg-Mannheimer-Entscheidung festgestellt, dass im Wege der Feststellungsklage nach § 256 ZPO eine Beschlusskontrolle erfolgt. Damit hat er einer analogen Anwendung von §§ 241 ff. AktG eine klare Absage erteilt. Dass in einem solchen Fall nach Ansicht des BGH die Gesellschaft richtiger Klagegegner ist, überzeugt nicht. Eine tiefere Auseinandersetzung mit der Rechts- und Parteifähigkeit von Organen vermeidet der BGH mit dem Hinweis, dass auch ohne Auseinandersetzung eine sachgerechte Lösung möglich sei. Der BGH sieht noch ungeklärte Bereiche bei Streitigkeiten zwischen Organen und mit Organmitgliedern und lehnt aus Gründen der Rechtssicherheit die Parteifähigkeit von Organen ab. Eine wesentliche Bedeutung hat die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH zur Haftung von Vorstandsmitgliedern nach § 93 Abs. 2 AktG. Zwar werden vorbeugende Klagen von Organen unter Hinweis auf die Existenz von Schadenser-

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satzansprüchen gegen Organmitglieder als notwendiges Gegenstück betrachtet. Jedoch fehlt bisweilen eine vergleichende Auseinandersetzung zwischen der vorbeugenden Organklage und der nachträglichen Haftungsklage nach § 93 Abs. 2 AktG. Da beide Instrumente dem Aufsichtsrat zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage, ob insbesondere Aspekte der Schadensersatzhaftung nach § 93 Abs. 2 AktG übertragen werden können. Da die bisherigen präventiven Organklagen auf Initiative des Arbeitnehmerlagers beruhten, überraschte der Fall „Züblin/Strabag“ des OLG Stuttgart aus dem Jahr 2007, da hier in ein Gesellschafter, der zugleich Mitglied des Aufsichtsrats war und gegen eine Umstrukturierungsmaßnahme des Vorstands vorgehen wollte. Allerdings konnte der Kläger nicht näher darlegen, in welchen organschaftlichen Rechten er verletzt wurde. Bisweilen wurde die Organklage als Überwachungsinstrument des Aufsichtsrats bzw. dessen Mitglieder gegen den Vorstand diskutiert. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2013 vom OLG München versuchte ein Vorstandsmitglied seine Abberufung zu verhindern, indem er gegen ein Mitglied des dreiköpfigen Aufsichtsrats per einstweiligen Rechtsschutz die Teilnahme an der Sitzung verhindern wollte. Da zudem die Rechtswidrigkeit des (noch zu beschließenden) Aufsichtsratsbeschlusses in Frage gestellt wurde, spielte die Frage eine Rolle, ob der Vorstand oder eines seiner Mitglieder berechtigt ist, über das rechtmäßige Handeln den Aufsichtsrats zu wachen. Der Antragsteller ging leider nicht auf diese Möglichkeit der Kontrolle ein. 16. a) Entgegen der der althergebrachten „Impermeabilitätstheorie“ bestehen innerhalb des Verbandes Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen Organen, sodass man auch von einem „Innenrecht“ sprechen kann. Regelungen, die innerhalb der Organisation gelten und ihre Bindungskraft nicht aufgrund moralischer, sittlicher oder religiöser Gründe entfalten, sind als Rechtsnormen anzusehen. Die Beziehungen zwischen Organen, Organteilen und Organwaltern sind als Rechtsbeziehungen zu deklarieren. b) Rechtsfähigkeit ist ambivalent. Die Rechtsordnung gewährt natürlichen sowie juristischen Personen als auch der Gesamthand als Außenpersonengesellschaft Rechtsfähigkeit. All diesen „Konstrukten“ kommt keine absolute Rechtsfähigkeit zu. Es kommt im Hinblick auf Organe nicht darauf an, dass das Rechtssubjekt im Außenverhältnis auftritt, sondern ob die in dem Rechtsbereich geltenden Rechtsnormen auf das Rechtssubjekt bezogen sind. Organe sind daher nicht nur bloße Durchgangssubjekte der Zurechnung, sondern aus Sicht des Innenrechts Zurechnungsendsubjekte von Innenrechtssätzen. Organe sind zudem Rechtssubjekte, da ihnen wehrfähige Rechtspositionen zugewiesen sind. Die Unterscheidung nach Wahrnehmungs- und Eigenzuständigkeiten ist für das Innenrecht nicht maßgeblich, da diese Differenzierung auf einer außenrechtlichen Sichtweise beruht. Wahrnehmungszuständigkeiten als sog. Durchgangszuständigkeiten sind aus einer innenrechtlichen Perspektive Kompetenzen, die dem Organ aufgrund seiner innerorga-

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nisatorischen Stellung zugeordnet sind und daher selbständiges und eigenverantwortliches Handeln im innerverbandlichen Bereich erfordern. c) Die den Organen zugeordneten Befugnisse („Organrechte“) sind subjektive Rechte. Entgegen der herrschenden Auffassung, die von einem materiellen Verständnis des subjektiven Rechts ausgeht und Organen ein notwendiges Eigeninteresse abspricht, ist der Begriff des subjektiven Rechts nach formellen Kriterien zu bestimmen. Das rechtsphilosophisch geprägte Verständnis des subjektiven Rechts ist inkonsequent und allein nur auf die natürliche Person bezogen, jedoch nicht auf die juristische Person oder die rechtsfähige Personengesellschaft. Eine weitere Inkonsequenz ergibt sich aus der Unterscheidung zwischen subjektiven Rechten und klagbaren Organrechten. Einer solchen Differenzierung bedarf es nicht, da sie keinen wissenschaftlichen Mehrwert hat. Nach einem formellen Begriffsverständnis sind Organe Inhaber subjektiver Rechte. Einem Organ sind als Rechtssubjekt Verhaltensberechtigungen zugewiesen, die nur das Rechtssubjekt allein berechtigt und disponieren kann und dabei im eigenen Interesse handelt. Organen steht es frei, ob sie ihre Organrechte ausüben. Sie handeln auch in einem eigenen Organinteresse, das sich sowohl von dem individuellen als auch einem gruppenspezifischen Partikularinteresse unterscheidet. Das Handeln im Interesse des Verbandes steht nicht im Widerspruch zur Existenz eines eigenen Organinteresses, wenn man dieses in seinem funktionsspezifischen Zusammenhang betrachtet. Das Organinteresse ergibt sich aus dem Gebot zur Verwirklichung der, dem jeweiligen Organ zugewiesenen Kompetenzen sowie dem Schutz dieser Kompetenzen durch das Organ. d) Für Unterorgane kann auf die Ausführungen zu den Organen als Inhaber subjektiver Rechte verwiesen werden. Sie gehören dem Organ an, das sie geschaffen hat und nehmen damit eine organgleiche Stellung ein. Sie sind rechtsfähig und Inhaber subjektiver Rechte, sofern sie Maßnahmen gegenüber anderen Organen des Verbandes gerichtlich durchsetzen wollen. Allerdings gilt dies gegenüber dem eigenen Organ nicht, da die Organisationsverfassung des Verbandes die Kreationshoheit dem Organ zugeteilt hat und dieses die übertragenen Kompetenzen wieder an sich ziehen oder das geschaffene Unterorgan wieder auflösen kann, sofern nicht das Gesetz etwas abweichendes regelt. Da Teilorgane aufgrund ihrer Zusammensetzung und Konstituierung keine Organfunktionen wahrnehmen und damit auch keine Entscheidungen für das Organ treffen oder es vertreten, sind die zuvor dargelegten Ausführungen nicht auf Teilorgane übertragbar. Teilorgane sind jedoch Inhaber subjektiver Rechte, wenn ihnen durch Gesetz, Satzung oder Geschäftsordnung Rechte zugeordnet werden. Da sie keine Organfunktionen wahrnehmen, besteht gegenüber dem eigenen Organ kein Abhängigkeitsverhältnis, das einer möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung entgegenstehen würde.

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Der Organwalter ist in Ausübung seiner organmitgliedschaftlichen Stellung ebenfalls Träger subjektiver Rechte. Diese können sowohl gegenüber dem eigenen als auch gegenüber einem fremden Organ bestehen. Ersteres ist darauf zurückzuführen, dass der einzelne Organwalter zwar dem Organ angehört, aber nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis steht, wie dies beim Unterorgan der Fall ist. 17. a) Für die Aktiengesellschaft sind die Ausführungen zu den privatrechtlichen Verbänden im Grundsatz zu übertragen. Die in § 23 Abs. 5 AktG festgeschriebene Satzungsstrenge beschränkt die Gestaltbarkeit der aktienrechtlichen Organisationsverfassung. Die dem Aktiengesetz zugrundeliegende Zuständigkeitsordnung ist nicht veränderbar und weist kein Über-Unterordnungsverhältnis zwischen den Organen auf. Daher existiert kein „Machtorgan“, das Konflikte durch Weisungen beendet, sodass nur das Instrument des Organstreits zur Konfliklösung beiträgt. Beteiligte eines aktienrechtlichen Organstreits können nur Aufsichtsrat und Vorstand sowie die ihnen angehörenden Organteile sein. Die Hauptverhandlung als Willensbildungsorgan ist aufgrund ihrer Konstitution nicht dazu geeignet innerorganschaftliche Streitigkeiten mit Vorstand und Aufsichtsrat auszutragen und etwaige Prozesse zu führen. Der Aktionär als Mitglied des Organs Hauptversammlung ist auch nicht aufgrund eines organmitgliedschaftlichen Rechts befähigt, Befugnisse im Wege eines Organstreits wahrzunehmen, da dieses dem Grunde nach bestehende organmitgliedschaftliche Recht von der verbandsrechtlichen Mitgliedschaft überlagert wird. Sogenannte Kreationsorgane als weitere Organe sind aufgrund der Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG nicht vorgesehen. Ebenso sind andere Institutionen, die das Aktienrecht kennt, wie der Insolvenzverwalter, der besondere Vertreter nach § 147 AktG, der Abschlussprüfer oder das herrschende Unternehmen nach §§ 291, 308 AktG nicht als Organe der Aktiengesellschaft anzusehen und damit nicht Beteiligte eines möglichen Organstreits. Für die Aktiengesellschaft gilt ebenfalls, dass verbandsinnere Regelungen, die den Organen Zuständigkeiten zuordnen als Rechtssätze anzusehen sind und es innerhalb der Aktiengesellschaft keinen rechtsfreien Raum gibt. Die früher als vorherrschend zu bezeichnende Auffassung, die eine Rechtsfähigkeit von Organen verneint und eine Anknüpfung an die Gesellschaft als juristische Person und die Organmitglieder als natürliche Personen befürwortet, ist aufgrund erheblicher Widersprüche abzulehnen. b) Der Aktiengesellschaft liegt ein „Prinzip der Funktionentrennung“ zugrunde. Die aktienrechtlichen Organe weisen eine gewisse korporationsrechtliche Struktur auf, sind dabei aber selbst nicht als juristische Person anzusehen. Obschon Aufsichtsrat und Vorstand unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen, existieren Regelungen, die das Verhältnis zwischen den Organen rechtlich gestalten und damit als Rechtsbeziehungen im Innenrecht der Aktiengesellschaft bezeichnet werden können. Der Aufsichtsrat kann seine Überwachungsfunktion nur ausüben,

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wenn er durch den Vorstand nach § 90 AktG hinreichend informiert wird. Zudem steht dem Aufsichtsrat ein Einsichtnahmerecht nach § 111 Abs. 2 AktG zu. Darüber hinaus sieht § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG die Pflicht vor, einen Katalog von Zustimmungsvorbehalten aufzustellen. Überdies beabsichtigte man mit der Einführung des DCGK, dass das Zusammenwirken von Vorstand und Aufsichtsrat verbessert wird. Obschon es sich inhaltlich um softlaw handelt, hat der Kodex wegen der Erklärung nach § 161 AktG mittelbar Einfluss auf das Verhältnis der Organe zueinander. Die fehlende Außenwirkung ändert nichts an der Einordnung als Rechtsbeziehung. Vorstand und Aufsichtsrat sind im Innenrecht der Aktiengesellschaft als Rechtssubjekte anzusehen, da ihnen das Gesetz eigene wehrfähige Rechtspositionen zuweist. Sie sind nicht nur Funktionsträger, sondern selbst Rechtsträger und damit Zurechnungsendsubjektive aktienrechtlicher Normen. Das Gesetz weist sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat Befugnisse zu, die weder die Aktiengesellschaft selbst oder die den Organen angehörenden Mitglieder berechtigen. Die den Organen der Aktiengesellschaft zugeordneten Rechte sind entgegen der überwiegenden Auffassung als „subjektive Rechte“ anzusehen. Das mehrheitlich vertretene Begriffsverständnis des subjektiven Rechts ist widersprüchlich und geht von der Existenz einer „allumfassenden“, dem Individuum verliehenen Rechtsmacht aus, die es als solche nicht gibt. Demnach können nicht nur natürliche und juristische Personen Inhaber subjektiver Rechte sein, sondern auch Organe der Aktiengesellschaft. Der Begriff des subjektiven Rechts ist daher weiter zu fassen und in einem formellen Sinne zu definieren. Handelt der Aufsichtsrat im eigenen Organinteresse, dann liegt aufgrund des funktionsspezifischen Einschlags kein Widerspruch zum Verbandsinteresse vor. Sind dem Aufsichtsrat Verhaltensberechtigungen eingeräumt, wie sie Rahmen der Informations- und Auskunftsrechte und den Kompetenzschutzrechten dargestellt wurden, handelt es sich bei diesen um subjektive Rechte. Eine allgemeine Verhaltenskontrolle durch den Aufsichtsrat ist aufgrund fehlender Verhaltensberechtigungen nicht gegeben. Entsprechendes gilt hinsichtlich des Vorstands. c) Für die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat gilt Entsprechendes, wenn es um die Möglichkeit geht, an einem Organstreit beteiligt zu sein. Der Innenbereich der Aktiengesellschaft stellt keinen rechtsfreien Raum dar, sondern besteht aus Rechtsbeziehungen zwischen Organen, Organteilen und der Aktiengesellschaft selbst. Das Gesetz ordnet verschiedene Befugnisse nicht nur den Organen, sondern auch den Organmitgliedern zu. Obschon die Mitglieder des Organs Inhaber subjektiver organmitgliedschaftlicher Rechte sind, wäre es gekünstelt, ihre Beteiligtenfähigkeit nicht aus ihrer Stellung als natürliche Person herzuleiten. Im Hinblick auf die Klagebefugnis für einen Organstreit ist jedoch darauf abzustellen, dass nur die ihnen vom Gesetz zur Verwirklichung ihrer Aufgaben zugeordneten Rechte Gegenstand eines Organstreits sein können. Diese Rechte sind subjektive Rechte im weiteren Sinne, da sie dem Organmitglied disponible Verhaltensspielräume einräumen, die diesem ausschließlich zustehen und das Organmitglied im eigenen or-

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ganmitgliedschaftlichen Interesse handelt. Neben Informations- und Teilhabebefugnissen (§§ 90 Abs. 5 Satz 1, 110 Abs. 1 und Abs. 2, 170 Abs. 3 AktG), stehen den Organmitgliedern Kompetenzschutzrechte zu, die Eingriffe in den eigenen Kompetenzbereich abwehren. Grundsätzlich ist es einem Organmitglied verwehrt, aus eigenem Recht gegen eine Kompetenzverletzung vorzugehen, die dem eigenen Organ durch ein anderes Organ zugefügt wird. Nur wenn das Organ es unterlässt, trotz der Gefahr einer Kompetenzverletzung entspre-chende Schutzmaßnahmen einzuleiten und das Organmitglied alle innerorganschaftlichen Befugnisse ausgereizt hat, wird dem Organmitglied eine entsprechende Verhaltensberechti-gung zuteil. Eine Befugnis zur allgemeinen Verhaltenskontrolle gegenüber einem fremden Organ steht dem einzelnen Mitglied nicht zu. d) Ausschüsse nehmen Befugnisse wahr, die ihnen vom Aufsichtsrat übertragen wurden („Organe des Organs“). Folglich kann ein Aufsichtsratsausschuss ebenfalls Berichtsansprüche gegenüber dem Vorstand sowie Kompetenzschutzrechte geltend machen, wenn durch den Vorstand Maßnahmen drohen, die die Kompetenzen des Ausschusses verletzen können. Allerdings steht dem Ausschuss nicht die Befugnis zu, gegen das eigene Organ – den Aufsichtsrat – vorzugehen, wenn dieser Befugnisse wieder an sich zieht oder die Auflösung des Ausschusses beschließt. Obwohl der Aufsichtsratsausschuss nach § 107 Abs. 3 AktG ein durch den Aufsichtsrat ins Leben gerufenes Konstrukt darstellt, ist es – sofern ihm Funktionen des Aufsichtsrats übertragen wurden – Zuordnungsendsubjekt dieser Befugnisse und damit Rechtssubjekt. Die dem Ausschuss übertragenen Rechte sind subjektive Rechte im weiteren Sinne. e) Die Rechtsstellung von Gruppen ist im Hinblick auf die Beteiligung eines Organstreits sehr schwach ausgebildet. Ihnen können nicht wie beim Ausschuss Aufgaben des Aufsichtsrats übertragen werden. Der Gesetzgeber hatte es zudem bisweilen vermieden, besondere Kompetenzen an die Zugehörigkeit der Gruppe zu knüpfen. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der gesetzlichen Mindestquote für den Aufsichtsrat den jeweiligen Gruppen die Befugnis eingeräumt, durch Widerspruch gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden einer der Quote entsprechenden Gesamterfüllung entgegenzutreten. Weist der Vorsitzende den Widerspruch zurück, steht es der jeweiligen Gruppe zu, gegen diesen Akt vorzugehen. Da es sich um ein Recht handelt, das der Gruppe als solches zugewiesen ist und nicht den jeweiligen Gruppenmitgliedern, können auch nur die Gruppe als Klägerin, der Aufsichtsratsvorsitzende als Beklagter in Betracht kommen. Die Gruppe ist Zurechnungsendsubjekt und damit Rechtssubjekt. Die Durchsetzung des Widerspruchs gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden stellt damit ein subjektives Recht im weiteren Sinne dar. 18. a) Bejaht man die Rechtsfähigkeit von Organen, so folgt aus dem Grundgedanken des § 50 Abs. 1 ZPO, dass sie zugleich parteifähig sind. Die von dem BGH im Zusammenhang mit der Rechtsfähigkeit der GbR vorgenommene Unterscheidung

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zwischen Teil- und Vollrechtsfähigkeit ist abzulehnen. Wie die Untersuchung bestätigt hat, ist Rechtsfähigkeit für jedes Rechtssubjekt, dem Rechte und Pflichten zugeordnet werden, relativ. Gegen die Parteifähigkeit von Organen kann nicht eingewandt werden, dass ein unzulässiger Insichprozess vorliege, da im Hinblick auf die Prozessführungsbefugnis die den Organen zugeordneten Kompetenzschutzinteressen maßgeblich sind und der Parteibegriff dem materiellen Recht zu folgen habe. b) Auch aus kostenrechtlicher Perspektive gibt es keine überzeugenden Einwände, die gegen die Möglichkeit eines Organstreits sprechen. Da die unterliegende Partei nach § 91 ZPO Kostenschuldner ist, die Organe jedoch über keine eigene Vermögensmasse verfügen und es aufgrund organschaftlicher Konflikte zum Prozess kam, ist nicht das private Vermögen der (unterlegenen) Organmitglieder haftbar, sondern die Gesellschaft als alleiniger Kostenschuldner. c) Obschon das unterlegene Organ ein rechtskräftiges Urteil freiwillig befolgen wird, bestehen keine Bedenken im Hinblick auf eine mögliche Vollstreckung. Diese ist bei Handlungen oder Unterlassungen nach §§ 888, 890 ZPO ohne weiteres möglich, da das Handeln der Organmitglieder dem Organ zugerechnet wird und das Organ nicht als handlungsunfähig anzusehen ist. Betroffen sind die Organmitglieder, die im Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung dem Organ angehören. Als mögliche Zwangsmittel kommen die Festsetzung von Zwangsgeld und die Verhängung von Zwangshaft in Betracht. Im Gegensatz zur Kostentragung kann bei der Festsetzung von Zwangsgeld nicht die Gesellschaft in Anspruch genommen werden, da es sich bei dem Zwangsgeld um eine Maßnahme zur Willensbeugung handelt, die sich gegen die Organmitglieder persönlich richtet und dadurch die Realisierung des Organverhaltens herbeiführt. Die Zwangsvollstreckung ist auch nicht wegen § 888 Abs. 3 ZPO ausgeschlossen, da die wahrzunehmenden Pflichten zuvörderst organschaftlicher Natur sind und das Organmitglied mit Annahme der Bestellung in die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft eingegliedert ist. d) Die Parteifähigkeit der Organmitglieder knüpft an die Rechtsfähigkeit an, die sie als natürliche Personen genießen, § 50 Abs. 1 ZPO. Die Kosten bestimmen sich wiederum nach § 91 ZPO. Die Organmitglieder werden aufgrund organschaftlicher Rechte und Pflichten tätig, sodass im Hinblick auf die Kosten auf das Vermögen der Aktiengesellschaft als Haftungsmasse zurückzugegriffen werden kann. Stellt sich später heraus, dass es sich um eine mutwillige Klage handelte, so haftet das Mitglied der Gesellschaft gegenüber nach §§ 93, 116 AktG bzw. § 93 AktG. Hinsichtlich der Zwangsvollstreckung gegenüber einem einzelnen Organmitglied gelten die Ausführungen im Hinblick auf das Organ. Dies gilt insbesondere, wenn der Vorstand gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden vorgehen will, da dieser den Kompetenzbereich des Vorstands verletzt. Die Maßnahmen richten sich nach §§ 888 – 890 ZPO, sodass Zwangshaft und die Festsetzung eines Zwangsgeldes erfolgen kann.

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e) Ausschüsse als Unterorgane sind dann rechtsfähig, wenn ihnen Rechte durch das Organ übertragen wurden. Für die Wahrnehmung dieser Rechte und einer etwaigen gerichtlichen Geltendmachung sind die Ausschüsse parteifähig, § 50 ZPO. Der Ausschuss ist zudem Kostenschuldner nach § 91 ZPO, sofern er in einem Prozess unterliegt. Da weder er noch das Organ über Vermögen verfügen, haftet die Gesellschaft als Kostenschuldner. Stellt sich später heraus, dass das gerichtliche Vorgehen mutwillig veranlasst war, steht der Gesellschaft bei pflichtwidrigem Verhalten ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 93 AktG bzw. §§ 116, 93 AktG zu. Hinsichtlich einer etwaigen Zwangsvollstreckung finden §§ 888 – 890 ZPO (Zwangsgeld bzw. Zwangshaft) Anwendung. f) Die Anteilseigner- und Arbeitnehmervertreter als jeweilige Gruppe sind nur im Hinblick auf das Widerspruchsrecht nach § 96 Abs. 2 Satz 3 AktG rechtsfähig, weil das Aktiengesetz den Widerspruch nur den Gruppen zuweist und ihnen damit ein subjektives Recht zusteht. Ein Konflikt kann dann gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden entstehen, wenn dieser den Widerspruch zurückweist. Die Parteifähigkeit der Gruppe existiert allein in dieser Konstellation, in der ihr das materielle Recht Rechtsfähigkeit zuerkennt. Für die Kostenfolge ist wiederum § 91 ZPO einschlägig. Grundsätzlich ist die Gruppe am Rechtsstreit beteiligt und damit Kostenschuldner. Da sie jedoch kein Vermögen hat, ist auf das Gesellschaftsvermögen als Haftungsmasse zurückzugreifen. Für die zwangsweise Durchsetzung gelten wieder §§ 888 – 890 ZPO. 19. a) Obwohl die Kompetenzverfassung der Aktiengesellschaft eine Zuständigkeitsaufteilung vorsieht, existieren Überschneidungen, die zu internen Konflikten zwischen den Organen und Organteilen führen können. Ist eine eindeutige Kompetenzzuordnung nicht auszumachen, können in einem Organstreit die jeweiligen Organkompetenzen dargelegt und ihre Grenzen präziser definiert werden. Die Entwicklungen der letzten beiden Jahrzehnte, die von der Diskussion zur Verbesserung der Corporate Governance geprägt wurden, zeigten auch aufgrund der in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Verfehlungen von Vorstand und Aufsichtsrat verschiedener Gesellschaften, dass das gegenwärtig vorherrschende und gelebte Verständnis von guter Corporate Governance erhebliche Defizite aufweist und deshalb zu hinterfragen ist. Organstreitverfahren stellen daher ein hilfreiches Mittel dar, die aufgezeigten Defizite zu beseitigen. Allerdings darf ein Organstreitverfahren nicht dazu führen, die Grundfesten der aktienrechtlichen Kompetenzverfassung auszuhebeln. b) Der Organstreit greift in die Kompetenzordnung der Aktiengesellschaft ein. Er ist daher nur dort geboten, wo weder geschriebene noch ungeschriebene, aber mildere Maßnahmen hinreichend Erfolg versprechen. Der Organstreit darf nicht dazu benutzt werden, die geltende Organisationsverfassung auszuhebeln und die Machtbalance aus dem Gleichgewicht zu bringen. Die Zulässigkeit eines Organstreits ist dann verwehrt, wenn ein solcher willkürlich angestrebt wird.

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c) Ebenso wie bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Organmitglieder wegen pflichtwidrigem Handeln kann unter Umständen das Unternehmenswohl gegen die Geltendmachung von Organklagen sprechen. Grundsätzlich wird es nicht im Interesse des Unternehmens liegen, wenn auf die Geltendmachung einer Organklage verzichtet wird. Man wird dies nur dann bejahen können, wenn außerorganisatorische Einflüsse wie Ruf und Image in solchen Maße betroffen sind, dass ein Einschreiten im Wege der Organklage zur Existenzgefährdung für das Unternehmen führen würde. Die dabei zugrundeliegende Entscheidungsfindung ist dabei vollständig gerichtlich überprüfbar. 20. a) Dem Aufsichtsrat als Gesamtorgan steht das Recht zu, gegen den Vorstand auf Auskunft nach § 90 Abs. 1, Abs. 3 AktG zu klagen. Es handelt sich dabei um ein subjektives Recht des Aufsichtsrats und nicht um ein Recht der Gesellschaft. Diese Konstellation ist auch kein prozessrechtlicher Fremdkörper, da das Prozessrecht es ermöglichen muss, materielle Rechtspositionen prozessual geltend zu machen. Der Vorstand als Berichtsschuldner ist passivlegitimiert. Das einzelne Aufsichtsratsmitglied ist nach § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG berechtigt, gegenüber dem Vorstand Bericht an den Aufsichtsrat zu verlangen. Es wird dabei nicht als Prozessstandschafter tätig, sondern ist Inhaber aufgrund seiner organmitgliedschaftlichen Stellung. Passivlegitimiert ist der Vorstand als Berichtsschuldner. Der Vorstand ist grundsätzlich zur Berichterstattung an den Aufsichtsrat verpflichtet. Nur unter sehr strengen Voraussetzungen steht dem Vorstand das Recht zu, die Auskunft zu verweigern. Eine Verweigerung ist dann anzunehmen, wenn das Berichtsverlangen des Aufsichtsrats oder des einzelnen Mitglieds als missbräuchlich anzusehen ist. Verweigert der Vorstand mit Hinweis auf ein missbräuchlichem Verhaltens die Auskunft, sind die angegebenen Gründe durch das Gericht voll nachprüfbar. Im Übrigen kann sich der Vorstand nicht darauf berufen, dass er sich zur Verschwiegenheit gegenüber einem Dritten verpflichtet hat. Die Pflicht aus § 90 AktG weist einen zwingenden Charakter auf und kann vertraglich nicht beschränkt werden. Die Gesellschaft macht sich in einem solchen Fall gegenüber dem Dritten schadensersatzpflichtig nach § 311a BGB. b) Nach § 90 Abs. 5 Satz 1 AktG steht dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied das Recht zu, über die Vorstandsberichte informiert zu werden. Anspruchsgegner ist weder die Gesellschaft noch ein externer Prozesspfleger oder der Aufsichtsrat als Vertreter der Gesellschaft, sondern der Aufsichtsratsvorsitzende, der nach § 90 Abs. 5 Satz 3 AktG zur Informationsversorgung der Aufsichtsratsmitglieder verpflichtet ist. c) Übernimmt ein nach § 107 Abs. 3 AktG gebildeter Ausschuss Funktionen des Aufsichtsrats, so ist dieser Ausschuss berechtigt, etwaig erforderliche Berichte nach § 90 Abs. 1 AktG von dem Vorstand zu verlangen und im Klagewege durchzusetzen. Es ist nicht erforderlich, dass zunächst der Aufsichtsrat als Gesamtorgan den Anspruch nach § 90 Abs. 1 AktG gegen den Vorstand geltend macht.

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d) Unterlässt es der Aufsichtsratsausschuss das Gesamtgremium nach § 107 Abs. 3 Satz 5 AktG zu informieren, ist es für den Aufsichtsrat nicht erforderlich, die entsprechende Information im Klagewege durchzusetzen. Da der Aufsichtsrat berechtigt ist, Gegenstände wieder an sich heranzuziehen oder den Ausschuss aufzulösen, fehlt das Bedürfnis einer Organklage. e) Den einzelnen, dem Aufsichtsrat angehörenden Gruppen steht kein besonderes Auskunfts- oder Berichtsrecht, da sich aus der besonderen Gruppenzugehörigkeit keine weitergehenden Kompetenzen (mit Ausnahme von § 96 Abs. 2 AktG) ergeben. 21. a) Ignoriert der Vorstand einen Zustimmungsvorbehalt oder die vom Aufsichtsrat verweigerte Zustimmung und verfolgt er die beabsichtigte Maßnahme weiter, so verletzt der Vorstand damit die aktienrechtliche Kompetenzordnung, sodass sich das innerorganisatorische Störungsverbot zu einem subjektiven Abwehrrecht verdichtet. In diesem Fall ist der Aufsichtsrat berechtigt, im Wege der Organklage gegen die bevorstehende oder bereits begonnene Kompetenzverletzung vorzugehen. Dabei handelt er im eigenen organspezifischen Interesse als Überwachungsorgan. b) Sind die Zustimmungsvorbehalte so weit gefasst, dass sie in erheblicher Weise die Leitungskompetenz des Vorstands beschneiden und diesen zu einem bloßen Ausführungsorgan des Aufsichtsrats machen, liegt ein Verstoß gegen die dem § 23 Abs. 5 AktG zugrundeliegende Organisationsverfassung vor. Dem Vorstand steht dann ein Kompetenzabwehrrecht zu, da der zu weit gefasste Zustimmungsvorbehalt gegen das innerorganisatorische Störungsverbot verstößt und die Kompetenzverletzung sich zu einem subjektiven Abwehrrecht des Vorstands verdichtet, das im Wege der Organklage gegen den Aufsichtsrat geltend gemacht werden kann. Ist der Zustimmungsvorbehalt in der Satzung verankert, so ist der Beschluss nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig. Dem Vorstand steht ein ebensolches Abwehrrecht für den Fall zu, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende seine Befugnisse überschreitet und die Leitungskompetenzen des Vorstands verletzt. Das innerorganisatorische Störungsverbot verdichtet sich aufgrund der Kompetenzverletzung zu einem subjektiven Abwehrrecht, das im Wege der Organklage gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden und nicht gegen den Aufsichtsrat geltend zu machen ist. c) Weigert sich der Vorstand, entgegen § 83 Abs. 2 AktG einen Hauptversammlungbeschluss auszuführen, kann die Hauptversammlung durch Beschluss den Aufsichtsrat im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft beauftragen, das aus der Verletzung des allgemeinen innerorganisatorischen Störungsverbots resultierende Abwehrrecht gegen den Vorstand geltend zu machen und so die Ausführung des Hauptversammlungsbeschlusses herbeizuführen. Der Aufsichtsrat ist allerdings nicht berechtigt, aus eigenem Recht gegen den Vorstand vorzugehen, da es an der erforderlichen Verknüpfung zwischen innerorganisatorischem Störungsverbot und Verhaltensberechtigung gegenüber dem Vor-

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stand fehlt. In diesem Fall ist allein eine Kompetenz der Hauptversammlung verletzt, die den Aufsichtsrat gerade nicht berechtigt, im Klagewege gegen den Vorstand vorzugehen. d) Gleiches gilt für das Tätigwerden des Vorstands außerhalb des Unternehmensgegenstandes. Auch in diesem Fall ist der Aufsichtsrat nicht berechtigt, aus eigenem Recht gegen den Vorstand vorzugehen, da keine Verletzung von Aufsichtsratskompetenzen vorliegt. 22. a) Ein Organstreit stellt grundsätzlich kein wirksames Mittel zur Verhaltenskontrolle zwischen den Organen dar. Ein solcher erfordert die Existenz subjektiver Rechte und setzt damit eine gewisse Selbstbetroffenheit voraus, die im Hinblick auf die Verhaltenskontrolle fehlt. Eine allgemeine Verhaltenskontrolle ist nicht mit der aktienrechtlichen Organisationsverfassung zu vereinbaren, da sie der grundsätzlichen Zuständigkeitsordnung der Aktiengesellschaft widerspricht. b) Im Verhältnis Aufsichtsrat – Vorstand wurde in dem letzten Jahrzehnt deutlich, dass die Praxis trotz der Aufwertung der Aufsichtsratsstellung sehr restriktiv mit möglichen präventiven Überwachungsinstrumenten agiert. Eine allgemeine Verhaltenskontrolle kann aufgrund dieses Umstands jedoch nicht begründet werden. Ein Einschreiten ist jedoch möglich, wenn der Aufsichtsrat im Wege eines ad-hocVorbehalts eine Eingriffskompetenz begründet. c) Da die Praxis sich dieser Mittel nur sehr restriktiv bedient, ist der Gesetzgeber gehalten, für wesentliche rechts- und satzungswidrige Verstöße die Pflicht zur Statuierung eines Zustimmungsvorbehalts festzuschreiben. § 111 Abs. 4 Satz 2 sollte daher mit einem 2. Halbsatz ergänzt werden und wie folgt lauten: „zu diesen Arten von Geschäften zählen insbesondere solche, die nicht mehr vom Unternehmensgegenstand im Sinne des § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG gedeckt sind und ohne vorherige erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung erfolgen sowie solche, die einen von der Hauptversammlung gefassten Beschluss verletzen.“

Es ist im Hinblick auf die empfohlene Änderung nicht von Bedeutung, dass der Aufsichtsrat einen entsprechenden Vorbehalt ad-hoc fassen kann. Es sprechen vor allem praktische Aspekte für eine gesetzliche Statuierung, da es nicht unwahrscheinlich ist, dass der Aufsichtsrat einen fehleranfälligen Vorbehalt statuiert. Zudem erfolgt kein tiefgreifender Einschnitt in die aktienrechtliche Organisationsverfassung, sodass auch in dogmatischer Hinsicht keine Bedenken bestehen. 23. a) Die Überwachung des Vorstands obliegt dem Aufsichtsrat als Gesamtorgan. Die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder sind jedoch berechtigt und verpflichtet, bestmöglich zu dieser Aufgabenwahrnehmung beizutragen. Das einzelne Aufsichtsratsmitglied ist Inhaber eigener subjektiver Rechte. Das Gesetz hat diese in §§ 90 Abs. 3 Satz 2, 125 Abs. 3 AktG im Hinblick auf die Berichterstattung des Vorstands und in § 90 Abs. 5 Satz 3 AktG hinsichtlich der Informationsversorgung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden geregelt. Im Wege der Feststellungsklage ist es auch berechtigt, Aufsichtsratsbeschlüsse anzugreifen.

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b) Daneben stehen dem Aufsichtsratsmitglied auch Kompetenzabwehrrechte zur Verfügung, wenn in ein aus der Organmitgliedschaft resultierendes Recht eingegriffen wird. Aus der Organmitgliedschaft ist das einzelne Mitglied berechtigt, an den Sitzungen teilzunehmen, Meinungen zu äußern und Anträge zu stellen. Ein Ausschluss ohne sachlichen Grund führt dazu, dass dem Mitglied ein Abwehrrecht aus der Verletzung des innerorganschaftlichen Störungsverbots zusteht. c) Unter sehr engen Voraussetzungen ist das einzelne Aufsichtsratsmitglied berechtigt, gegen Kompetenzverletzungen gegenüber dem Aufsichtsrat als Gesamtorgan einzuschreiten. Wird die Kompetenz des Aufsichtsrats durch Handlungen des Vorstands verletzt und schreitet der Aufsichtsrat dagegen nicht ein, ist das einzelne Mitglied aus eigenem Recht berechtigt, den Aufsichtsrat einzuberufen und einen entsprechenden ad-hoc-Beschluss herbeizuführen. Weigert sich der Vorstand, dem Beschluss Folge zu leisten, ist das Aufsichtsratsmitglied aus eigenem Recht und nicht als bloßer Prozessstandschafter zum Einschreiten berechtigt. Gleiches gilt, wenn der Aufsichtsrat die Maßnahme billigt. Das Aufsichtsratsmitglied ist dann gehalten, gegen den Beschluss vorzugehen und auf Herbeiführung eines entsprechenden Beschlusses zu klagen. Sollte dies aus Zeitgründen nicht möglich sein, steht dem Aufsichtsratsmitglied aus eigenem Recht die Befugnis zu, gegen den Vorstand auf Unterlassung der Maßnahme zu klagen. d) In materiellrechtlicher Hinsicht liegt ein eigenes subjektives Recht des Aufsichtsratsmitglieds vor, wenn sich der Aufsichtsrat als Gesamtorgan weigert, Maßnahmen zu ergreifen und das einzelne Mitglied stufenweise auf ein Einschreiten gedrängt hat. Der von § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG grundsätzlich vorgegebene Schutzmechanismus, per ad-hoc-Beschluss einzugreifen, greift vorliegend nicht ein, da der Aufsichtsrat die ihm zugeordnete Überwachungskompetenz nicht wahrnimmt. e) Eine Befugnis, im Wege einer allgemeinen Verhaltenskontrolle gegenüber dem Vorstand einzugreifen, steht dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied hingegen nicht zu. Ihm ist in diesem Zusammenhang kein eigenes subjektives Abwehrrecht zugeordnet.

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Stichwortverzeichnis Abschlussprüfer 103 f., 124 f., 147 ff. Actio pro socio 92, 155, 309 f., 331 f., 339, 345 ff., 375, 433, 485 Aktiengesellschaft 27 ff. Aktienrechtliche Kompetenzordnung 455 Aktienrechtsnovelle von 1870 187 ff. Aktienrechtsnovelle von 1884 191 ff. Aktienrechtsnovelle von 1937 240 ff. Aktienrechtsnovelle von 1965 258 ff. Allgemeine Verhaltenskontrolle 319 ff. – durch den Aufsichtsrat 425 ff. – durch Organmitglieder 433 ff. „ARAG/Garmenbeck“ 365 ff. Aufsichtsrat 32 f., 65, 143, 180, 208, 218, 246, 277, 319, 322, 409, 414 ff., 442, 459 ff. – Beratung des Vorstands 32, 114, 125, 135, 209, 321 – Überwachung des Vorstands 56, 61, 75, 138, 221, 247, 264, 289, 318, 336, 344, 348, 369 ff., 484 f., Aufsichtsratsmitglied 26, 29, 35 ff., 41 f., 49, 59, 61, 65, 72, 81, 85 f., 89 ff., 146, 189, 201 f., 212, 225, 236 ff., 255, 266, 273 f., 280 ff., 288, 308 ff., 323 ff., 328 ff., 337 ff., 343, 348 ff., 361 f., 369 ff., 411 f., 429 ff., 462 ff., 484 ff. Aufsichtsratsvorsitzender 37 f., 468, 470 Ausschuss 31, 40 f., 69, 90 ff., 116, 144, 229, 243 f., 267, 282, 291, 333 ff., 339 f., 343 f., 434 f., 441, 449 f., 463 f. Berichtspflichten 33, 65, 197, 240, 261 f., 273, 278 ff., 282, 289, 299, 309 ff., 334, 347, 410, 415, 435, 439, 464, 481 f. Besonderer Vertreter gem. § 147 AktG 151 ff. Corporate Governance 26, 38, 60, 71, 93, 271 f., 274 f., 283, 288, 298 ff., 330, 339, 416, 433, 453, 465, 478 f.

Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) 26, 38, 40, 58 ff., 63, 93, 126, 271, 276 f., 285, 288, 299 ff., 416, 439, 468 f., 480 f., 491 Durchsetzung von Auskunfts- und Berichtsrechten 459 ff. – Auskunftsverlangen einer Gruppe 464 f. – Nichterstattung von Berichten des Vorstands nach § 90 Abs. 1 AktG gegenüber dem Aufsichtsrat 459 ff. – Nichterstattung von Berichten des Vorstands nach § 90 Abs. 1 AktG gegenüber einem Aufsichtsratsausschuss 463 f. – Nichterstattung von Berichten eines Aufsichtsratsausschusses nach § 107 Abs. 3 Satz 5 AktG gegenüber dem Aufsichtsratsgremium 464 f. – Recht zur Kenntnisnahme nach § 90 Abs. 5 Satz 1 AktG 462 f. Eigenverantwortlichkeit 28, 49, 75, 104, 159, 167, 344 ff., 366, 392, 397, 469 Einigungsdruck 70 ff., 288, 290 Einstweiliger Rechtsschutz 322, 341, 354 f., 358 ff., 485, „Felten & Guilleaume“ 343 ff. Feststellungsklage 83, 89, 326 f., 338, 355, 362 ff., 430, 437, 484 Generalversammlung 180 ff., 207 ff., 234 ff., 240 ff. Geschäftsführung 25, 27, 30, 32 f., 43, 69, 71, 77, 79, 82, 105, 111, 114, 121, 126, 182, 188, 196 ff., 208, 216, 249, 252, 256, 264, 290, 293, 296, 314 f., 343 ff., 422 f., 453, 465, 468 ff., 483 Geschlechterquote 42 f., 64, 69, 145, 333, 340. Gewaltenteilung 114, 299, 414

Stichwortverzeichnis Gruppe 26, 35, 42 f., 52 ff., 67 ff., 91 ff., 133 ff., 141, 144 ff., 191, 222 f., 227 f., 247, 288, 333 ff., 346, 350 f., 361, 398, 428, 435 ff., 448 f., 464 f. „Hamburg-Mannheimer“ 361 ff. Hauptversammlung 27 ff., 35, 38 f., 43 ff., 63, 67 f., 71 ff., 76 f., 81 ff., 96, 110, 113 f., 118, 120 f., 123 ff., 136, 141, 143, 147 f., 151 ff., 170, 186, 189, 204, 241, 245 f., 248 f., 253 ff., 258, 262, 273, 288, 295 ff., 305, 315, 319, 321 f., 329, 337 f., 344, 349 f., 358, 366, 408 f., 413 ff., 427, 439, 454 f., 466, 471 ff., HGB von 1897 205 ff. Hilfsrechte 65, 323, 419 Impermeabilitätstheorie 385 ff., 407 Informationsrechte 128, 184, 323, 348, 420, 421 ff., 427, 429 ff., 444, 460 Innenbereich 49, 164, 313, 383 ff., 417 Innenrecht 88, 100, 102, 104, 115, 139, 177 f., 282, 310, 316, 384, 388 ff., 399, 405 f., 410, 414, 420, 438, 459 Insichprozess 177, 313, 442 ff. Insolvenzverwalter 96, 106, 142, 146, 157 ff. Interesse 51 ff. – Anteilseignerinteresse 26, 51 – Arbeitnehmerinteresse 26, 54 – Gruppeninteresse 438, 458 – Organinteresse 62, 137 ff., 212, 398, 422, 424 – Partikularinteresse 127 f., 398 – Unternehmensinteresse 29, 55, 57 f. – Verbandsinteresse 26, 125 ff., 137 ff., 398 Interessengegensätze 51 ff. Interorganrecht 394, 429 ff. Intraorganrecht 429 ff. Juristische Person 25, 95 f., 101 ff., 107 f., 135, 142, 167 f., 175, 237, 336, 362, 278, 383 ff., 397, 408, 420, 439, 442 Klagebefugnisse 94, 178, 185, 255 f., 329, 331 f., 339 f., 343, 348, 351, 355 f., 375, 381, 440, 479, 484 ff.

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Klagerechte 185 f., 205, 210 ff., 255, 309 ff., 322 ff., 333 ff., 349, 356, 368, 375, 456, 474, 487 Kompetenzabwehrklagen 465 ff. – Anmaßung der Geschäftsführung 468 ff. – Außerachtlassen von Zustimmungsvorbehalten durch den Vorstand 465 ff. – Nichtausführung von Hauptversammlungsbeschlüssen 471 ff. – Tätigwerden außerhalb des Unternehmensgegenstandes 476 ff. Kompetenzabwehrrechte 205, 214, 424 Kompetenzschutzrechte 269, 334, 354, 406, 420, 422 ff., 432 ff., 440, 485 Kompetenzstruktur 205, 251 Konflikt 63 ff., 93 f., 292 ff. Konfliktlösung 70 ff., 292 ff., 454 – Abberufung des Aufsichtsrats nach § 103 AktG 85 – Abberufung des Vorstands nach § 84 Abs. 3 AktG 77 – Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen 72 – Einberufung der Hauptversammlung 71, 76, – Einigungsdruck 70 ff., 288, 290 – Erlass von Geschäftsordnung 74 – Ersatzvornahme 74 – Schadensersatz 72, 80, 85, 86, 254 – Stellungnahme 73 f. – Strafverfahren nach § 399 ff. AktG 72, 80 – Suspendierung 79 f. – Verweigerung der Entlastung, § 120 I AktG 84, 85 – Weisungen 73 f. – Zustimmungsvorbehalt 44, 60, 66, 70, 75 f., 184, 188, 220, 241, 252, 283 ff., 297, 299, 314, 318, 416, 434, 439, 465 ff., 476, 480 ff. – Zwangsgeld nach § 407 AktG 80 KonTraG von 1998 29, 149, 272 ff., 298, 330, 339 Konzern 50 f., 158 ff., 279 – Abhängige Gesellschaft 158 ff. – Faktischer Konzern 163 f., 261, 347, 356 – Herrschende Gesellschaft 106, 158 ff., 163 – Vertragskonzern 158 ff.

568

Stichwortverzeichnis

Kosten 445 ff. Kriegsgesellschaften 230, 242, 294 Kriegswirtschaft 230 Legalitätspflicht 29, 359, 460 Leitung 27 ff., 56, 59, 66, 75, 82, 113, 159, 161, 163, 181, 185, 188, 207, 230 f., 234, 242, 247, 249, 252, 272, 276 f., 283 f., 295 f., 300, 316, 344, 352, 366, 415, 421 f., 468 ff., Leitungsorgan 30, 32, 57 f., 62, 64, 70, 114, 120, 141, 181, 195, 20 ff., 215 ff., 221, 249, 278, 293, 325, 413 f., 418 f. Loyalitätspflicht 29, 161 Minderheitenschutz 46, 431 Mitbestimmung 31, 59 f., 179, 203, 260, 265 ff., 270, 291, 297 f., 300, 334, 343, 361, 363, 375, 413, 438, 450, 465 Mitgliedschaft 83, 85, 87, 94, 123, 133, 139, 141, 161, 169 f., 216, 293, 329 f., 337, 409, 432, 473 Mitgliedschaftsrecht 46, 83, 87, 99, 133, 154, 323, 329, 353, 357, 413 Mitunternehmerisches Organ 25, 32, 34, 38, 62, 64, 66, 70, 74, 273, 277 f., 298, 314, 380, 416, 439, 465, 468 Nichtigkeitsklage 29, 73, 316, 325, 430 Notverordnung von 1931 233 ff. „Opel“ 346 ff. Organ 95 ff., 117, 146 ff., 181 ff., 277, 323 ff., 388 ff., 410 ff. – Fakultative Organe 105, 107, 111 ff., 130 ff., 142, 170, 182 f., 192, 198, 202, 215 f., 292, 305 – Gesamtorgan 27 ff., 32. ff., 68, 90 f., 145, 185, 193 f., 197, 214, 267, 287 f., 312, 322, 331, 340, 372, 375, 380, 410, 418, 424, 429, 431, 434, 438, 484 – Selbständigkeit 114 ff. – Teilorgan 64, 68 f., 91, 99 f., 146, 334 f., 404 f. – Unterorgan 90, 99 f., 144, 333 f., 403 f., 434 – Zurechnung 96, 101, 390, 419

Organbegriff 102 ff. – aktienrechtlicher Organbegriff 142 ff. – haftungsrechtlicher Organbegriff 165 ff. – materieller Organbegriff 141, 170 – steuerrechtlicher Organbegriff 168 f. – verbandsrechtlicher Organbegriff 106 ff. Organhaftung 61, 160 ff., 273, 304, 339, 342, 365, 367 ff., 378, 456 ff. Organhandeln 57, 102, 104, 106, 120 ff., 137, 139 ff., 154, 169, 308, 311, 342, 411 Organinteresse 62, 137 ff., 212, 398, 422, 424 Organisation 34, 39, 41, 95 ff., 101, 106 ff., 115, 142. 153, 192, 224, 229, 242, 288, 302, 347, 383 ff., 403, 410, 444, 454 Organisationsverfassung 27, 51, 61, 63, 107, 111 ff., 122, 128 f., 142, 153, 158, 162 ff., 170, 186, 216 f., 230, 234, 246, 250, 266 ff., 284, 288 f., 292 ff., 343, 353, 389, 399, 408, 413, 423 f., 435 f., 448, 452 ff., 469, 474, 476 ff., 481 ff. Organklage 25 ff., 93 ff., 210 ff., 237, 253 ff., 262, 268, 292 ff., 307 ff., 452 ff. – Allgemeine Verhaltenskontrolle durch den Aufsichtsrat 319 ff., 327, 337 f., 425 ff., 433 ff., 478 – Geltendmachung von Berichtspflichten durch Aufsichtsratsmitglieder 323 ff., 429 ff., 484 ff. – Geltendmachung von Berichtspflichten durch den Aufsichtsrat 309 ff., 421 f., 459 ff. – Geltendmachung von Kompetenzschutzklagen 314 ff., 422 ff., 465 ff. Organkompetenzen 70, 102, 183, 193, 210, 241, 250, 253, 263, 345, 394, 399, 402, 453, 455, 475, 487 Organmitgliedschaftsrecht 87 f., 94, 324, 330 Organrecht 88, 104, 123, 186, 212, 237, 255, 311 ff., 323, 334, 345, 360, 378, 394 ff., 400 ff., 419 ff., 429 ff., 458, 462, 477 Organstreit 93 f., 180 ff., 292 ff., 308 ff., 340 ff., 408 ff., 452 ff., – Aktienrechtlicher Organstreit 180 ff., 292 ff., 308 ff., 340 ff., 408 ff., 452 ff. – Historie 172 ff.

Stichwortverzeichnis

569

– Verfassungsrechtlicher Organstreit 172 ff. – Verwaltungsrechtlicher Organstreit 176 ff. Organteil 26, 64, 68 f., 88 ff., 99 f., 115, 144 f., 165, 170, 281 f., 307, 322, 329, 333 f., 348 f., 383 ff., 398, 403 ff., 409, 428, 437, 440, 455 Organwalter 96 ff., 115, 119, 123, 129, 131, 133, 136, 146, 169, 177, 386 ff., 398, 403, 405 ff., 433

Überwachungspflicht 110, 203, 218 ff., 255, 264, 347, 355, 434, 460 „Unternehmen an sich“ 230 Unternehmensinteresse 29, 55 ff., 62 f., 76, 118, 125 f., 131, 143 f., 210, 231, 237, 304, 319, 328, 336, 349 f., 360, 379, 422 ff., 432, 458 Unternehmensmitbestimmung 59, 230, 265 ff., 271, 283 Unterorgan 90, 99 f., 144, 333 f., 403 f., 434

Parteifähigkeit 442 ff. „Pelikan“ 354 ff. Principal-Agent-Konflikt

verbandsrechtlicher Organbegriff 106 ff., 146 ff., 165 f. – Funktionelle Merkmale 120 ff. – Institutionelle Merkmale 106 ff. – Organinteresse 137 ff. – Partikularinteresse 127 – Verbandsinteresse 125 ff. Verhaltenskontrolle 64, 319 ff., 327, 337 f., 425 ff., 433 f., 440 f., 477 ff. Verwaltungsrat 181 f., 189, 215 Vorstand 25, 27, 65, 70, 73, 84, 143, 194, 207, 245, 256, 322, 328 f., 409 f., 417, 419 ff., 442, 459 ff. Vorstandsmitglied 27 ff., 40, 61, 77 ff., 120 f., 153, 161, 207, 309, 341, 358 ff., 366 ff., 411, 429 f., 444, 456 f., 472 f. Vor-Verband 108 ff., 120, 140

56 f.

Rechtsfähigkeit 388 ff. – von Organen 389 ff., 410 ff. – von Organteilen 403 ff., 428 ff. Rechtsmissbrauch 208, 281, 370 f. Rechtssubjekt 96, 101 f., 115, 131, 310, 384, 389 ff., 401, 443, 458 Rechtssubjektivität 417 ff. Related Party Transactions 49 f. Satzungsstrenge 44, 107, 112 f., 127, 142, 187 ff., 194, 203, 215, 260, 263, 408 f., 475, 481 Subjektive Rechte 62, 94, 129, 311, 388 ff., 458 ff. – des Aufsichtsrats 410 f., 419 ff., 459 f., 467 f. – des Vorstands 410 f., 419 ff., 468 ff. – von Gruppen 428 ff., 435 ff. – von Organen 62, 94, 115, 311, 388 ff., 458 ff., 477 f. – von Organmitgliedern 115, 323 f., 428 ff., 484 ff. – von Organteilen 115, 403 ff. Teilhaberecht 141, 169, 429 f., 498 Teilorgan 64, 68 f., 91, 99 f., 146, 334 f., 404 f. TransPuG von 2002 274 ff.

Willensbildungsorgan 44, 86, 143, 409, 413, 471 Wissenszurechnung 166 „Züblin/Strabag“ 356 ff. Zurechnung 96, 101, 390, 419 Zurechnungsendsubjekt 390 ff. Zustimmungsvorbehalt 66, 75, 184, 220 f., 283 ff., 314, 465 ff., 480 Zwangsvollstreckung 447 f.