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German Pages 320 Year 1994
Institution und Recht Grazer Internationales Symposion zu Ehren von Ota Weinberger
RECHTSTHEORIE Zeitschrift für Logik, Methodenlehre, Kybernetik und Soziologie des Rechts
Beiheft 14
Institution und Recht Grazer Internationales Symposion zu Ehren von Ota Weinherger
Herausgegeben von
Peter Koller I Werner Krawietz Peter Strasser Vorwort von
Werner Krawietz
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Institution und Recht I Grazer Internationales Symposion zu Ehren von Ota Weinberger. Hrsg. von Peter Koller ... Vorw. von Werner Krawietz.- Berlin: Duncker und Humblot, 1994 (Rechtstheorie : Beiheft ; 14) ISBN 3-428-07744-X NE: Koller, Peter [Hrsg.]; Internationales Symposion zu Ehren von Ota Weinherger (1989, Graz); Rechtstheorie I Beiheft
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6933 ISBN 3-428-07744-X
Vorwort Wie nur wenige Rechtstheoretiker und Rechtsphilosophen vor ihm hat Ota Weinberger in den drei letzten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts das praktische wie das theoretische Rechtsdenken und die Art und Weise des juristischen Argumentierens beeinflußt und verändert. Selbst denjenigen, die als seine Freunde und/oder Fachkollegen Gelegenheit haben, sich schon vor oder doch unmittelbar nach Erscheinen einerneuen Veröffentlichung mit dem jeweiligen Inhalt vertraut zu machen, fällt es nicht immer leicht, die neueste Wendung seines Rechtsdenkens nachzuvollziehen und in ihren Konsequenzen für den Aufbau der modernen Normentheorie, insbesondere der Rechtstheorie, zu überdenken. Wer hat heute schon- Hand aufs Herz! die 1989 veröffentlichte zweite, völlig umgearbeitete und wesentlich erweiterte Auflage seiner Rechtslogik von vom bis hinten gelesen, immer vorausgesetzt, er wäre dank logischer Vorkenntnisse dazu in der Lage, sie auch wirklich zu verstehen? Und wer hat seine Beiträge zur Normenlogik, Ethik und Gerechtigkeitstheorie, die 1992 unter dem Titel "Moral und Vernunft" erschienen, auch wirklich genau studiert, in denen er einen Überblick über die Entwicklung seiner Gedanken zur Handlungstheorie und Normenlogik sowie zur neoinstitutionalistischen Rechtstheorie bietet? Für den Nichtfachmann - und das ist, sagen wir es klar und offen, auch der praktische Feld-, Wald- und Wiesenjurist mit seinem gesunden Menschenverstand, der gar nicht über den selbstreferenziellen Zusammenhang zwischen dem Recht und seiner Person reflektiert und demzufolge auch gar nicht weiß, warum sein Verstand so gesund ist! - klafft gegenwärtig eine sich immer weiter öffnende Schere zwischen Theorie und Praxis. Aber auch die praktische dogmatische Rechtswissenschaft, die vollauf damit beschäftigt ist, den normativen Wortlaut, die Bedeutung und den Sinn derjenigen Texte und Vorschriften des geltenden Rechts, mit denen sie es zu tun hat, in das System ihrer rechtsinhaltlichen (Er-)Kenntnisse einzuholen, steht dem Formalismus im Rechtsdenken der Gegenwart, wie er sich in Rechtslögik, Rechtslinguistik und Rechtsinformatik abzeichnet, mit wachsendem Nichtverstehen gegenüber. Hier vermögen allein normentheoretische Überlegungen Abhilfe zu schaffen, die das Rechtshandeln nicht bloß als Bestandteil des Inhalts von Normsätzen und/oder Normpropositionen ansehen, sondern es auf den Zusammenhang und die normative Verbindung hin untersuchen, die zwischen den gesellschaftlichen Institutionen, ihrem Recht und dem sozialen Handeln bestehen.
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Vorwort
Der vorliegende Band dokumentiert die Untersuchungen und Ergebnisse eines Internationalen Symposions "Recht und Institution", das in Graz aus Anlaß der Emeritierung von Ota Weinherger durch Freunde und Fachkollegen für ihn veranstaltet wurde. Er enthält ferner unter dem Titel "Grundlagenprobleme des Institutionalistischen Rechtspositivismus und der Gerechtigkeitstheorie" Weinhergers Erwiderung auf und kritische Auseinandersetzung mit einzelnen Beiträgen, die im Gefolge des Symposions insgesamt zu einem Buch im Buche gediehen sind. Obwohl sein eigener Beitrag auch als eigenständige Monographie hätte veröffentlicht werden können, haben Herausgeber und Verleger sich dafür entschieden, den ursprünglichen Zusammenhangtrotz des Umfangs seiner Antwort aufrechtzuerhalten und sie zusammen mit den Symposionsbeiträgen zu veröffentlichen. Die Arbeiten an Weinbergers hier veröffentlichter Erwiderung wurden dadurch ermöglicht und begünstigt, daß ihm wegen seiner Verdienste um die Entwicklung der Normenlogik und der modernen Strukturtheorie des Rechts fast zur gleichen Zeit von der Alexander von Humboldt-Stiftung, Sitz Bonn, der Forschungspreis für ausländische Geisteswissenschaftler verliehen wurde. Dies ermöglichte ihm diverse Forschungsaufenthalte in der deutschen Bundesrepublik, deren Ergebnisse sich auch in diesem Buch niedergeschlagen haben. Der hochangesehene Forschungspreis, der dem naturwissenschaftlichen US Senior Scientist Award nachgebildet ist und für weltweit anerkannte Forschungen im Bereich der Geisteswissenschaften verliehen wird, macht einmal mehr deutlich, daß Ota Weinberger in einer Reihe steht mit renommierten Gelehrten, wie Elizabeth Anscombe, Michael Dummett, Peter Thomas Geach und Georg Henrik von Wright, die sämtlich zu den Preisträgern im Fachgebiet Philosophie zählen. Es fällt nicht leicht, die Verdienste, die Weinherger sich im Bereich der Erforschung der Grundlagen des Rechts erworben hat und die im ersten Abschnitt des Bandes im Umriß skizziert werden, auch nur zu benennen, geschweige denn, sie im einzelnen zu würdigen oder gar zu gewichten. Der Sache nach geht es vor allem um die philosophische und soziologische Begründung der modernen Rechtstheorie, deren Erörterung sich als stets präsentes Thema durch den ganzen Band zieht. Die Grundlegung seiner Normen- und Rechtstheorie erfolgt, auch erkenntnis- und wissenschaftstheoretisch gesehen, aufgrund und nach Maßgabe einer dichotomen Semantik, die zwischen praktischen (vorschreibenden) und theoretischen (beschreibenden) Sätzen unterscheidet. Sie trägt damit der Tatsache Rechnung, daß die Sätze der Umgangssprache, in denen deontische Termini, wie beispielsweise ,verboten', ,geboten', ,erlaubt' usf. vorkommen, zweideutig sind in dem Sinne, daß sie (i) präskriptiv, d. h. als Normen vorschreibend und sie ihrem Wortlaut nach zum Ausdruck bringend, sowie (ii) deskriptiv, d. h. als Aussagen über Normen, verstanden und
Vorwort
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gedeutet werden können. Jedoch ist trotz seiner an diese Unterscheidung anknüpfenden, tiefschürfenden Untersuchungen bis auf den heutigen Tag umstritten geblieben, ob es - seinem Plädoyer für eine Normenlogik folgend - auch im Bereich des Rechts und seiner Anwendung ein logisches Schließen mit normativen Gliedern geben kann, oder ob die logischen Beziehungen von Normen und Normenfolgerungen mit den Mitteln der Aussagenlogik bewältigt werden müssen, die ganz auf Aussagen und deren Bestandteile gerichtet sind. Der "Kampf um die Normenlogik", der von Weinherger bislang so effektvoll geführt wurde, erscheint jedoch keineswegs abgeschlossen. Ein Ende ist noch gar nicht abzusehen. Infolgedessen ist ein weiterer Schwerpunkt dieses Bandes die Analytik und Logik der Normen sowie die Frage, ob bzw. inwieweit sie in den Dienst des Rechts und seiner Anwendung gestellt zu werden vermögen. Die philosophischen Grundlagen des Rechts und der Rechtstheorie basie~ ren nach Weinherger auf einerneuen Normenontologie, deren Lehren von ihm unter dem eingängigen Label eines "Institutionalistischen Rechtspositivismus" zusammengeiaßt und höchst wirksam vertreten werden. Geltendes Recht ist für ihn das Zusammenwirken bestehender Institutionen und Normen mit dem menschlichen Handeln. Die Ontologie des institutionalistischen Rechtspositivismus geht deshalb davon aus, daß die Einzelnen, wie übrigens auch die menschlichen Gemeinschaften, ihr jeweiliges Verhalten aufgrund von praktischen Informationen (Präferenzen, Zielen, Zwecken, heteronomen und autonomen Normen usf.) sowie aufgrundvon Tatsacheninformationen zu bestimmen vermögen. Infolgedessen kommt auch den Rechtsnormen Daseinzu-und sie sind geltendes Recht! -, weil sie in Wirkzusammenhängen mit realen beobachtbaren Vorgängen (menschlichen Verhaltensweisen, Gemeinschaften, Einrichtungen usf.) stehen. Jeder Institution liegt- nach seiner Auffassung- ein System praktischer Informationen zugrunde. All dies hat Konsequenzen nicht nur für den Aufbau seiner Strukturtheorie des Rechts, sondern auch für Weinhergers Konzeption der juristischen Argumentations- und Handlungstheorie, die im dritten und vierten Abschnitt dieses Buches erörtert und kritisch diskutiert werden. Das - in wesentlichen Punkten noch ungelÖste! - Zentralproblem der gesamten Konzeption eines institutionalistischen Rechtspositivismus, das auch in diesem Buche allenthalben hervortritt, ist die soziologische Begründung von Weinhergers Theorie der Normen und des Rechts. Zur Frage des Normbegriffs, insbesondere des Rechtsbegriffs, deren Behandlung er - in diesem Punkt sehr viel strikter als manche anderen zeitgenössischen Rechtsund Moralphilosophen! - begrifflich trennt von demjenigen der Moral, vertritt er, seinem institutionalistischen Rechtspositivismus folgend, eine Konzeption, die er selbst als "normativistische und soziologische Rechtstheorie" bezeichnet. Sie läuft, wie aus der monographischen Erwiderung von Wein-
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Vorwort
berger deutlich wird, darauf hinaus, seine nonnativistische Konzeption der Institutionen, in der ganz offensichtlich der Einfluß der Wiener und der Brünner rechtstheoretischen Schulen des Normativismus noch nachwirkt, zu verbinden mit einer Auffassung vom Wesen der Soziologie, die sich selbst als Institutionentheorie versteht. Zur Unterscheidung von anderen, gleichfalls institutionalistischen Rechtstheorien bezeichnet Weinherger seinen nonnativistischen Institutionalismus, den er als eine analytische Rechtstheorie konzipiert, auch als "Neoinstitutionalismus". Wie sich seine neue Normentheorie zu den diversen Denkansätzen einer Theorie und Soziologie der Normen und des Rechts verhält, die im Rahmen allgemeiner Soziologie und/oder der Rechtssoziologie erarbeitet wurden, werden künftige Untersuchungen noch zeigen müssen. Es war nicht Ziel dieses Symposions, die - zweifellos bestehenden - Beziehungen zwischen Normentheorie und Gesellschaftstheorie zu klären. Der aktuelle Stand der Forschungen von Ota Weinherger ergibt sich im einzelnen aus der diesem Beiheft am Ende beigefügten Bibliographie seiner Werke (Stand: Mai 1993). Die Herausgeber danken dem Autor sehr herzlich für seine Mitwirkung beim Zusammenstellen der erforderlichen Informationen, ohne die ein vollständiger Überblick wohl kaum zustandegekommen wäre. Der besondere Dank der Herausgeber gebührt ferner dem Verlag Duncker & Humblot, in Berlin, vor allem dessen Geschäftsführer (Gesellschafter), Herrn Professor Norbert Simon, der die Veröffentlichung auch dieses Bandes durch seine großzügige Förderung und Unterstützung möglich gemacht hat. Münster, im Oktober 1993
Werner Krawietz
Inhaltsverzeichnis I. Institutionentheorie im Spannungsfeld von Rechtstheorie und Rechtsphilosophie
Bernd-Christian Funk Eröffnungsansprache des Dekans der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Werner Krawietz Recht, Institution und Politik im Lichte der Institutionentheorie. Hommage a Ota Weinherger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Michael W. Fischer Der Rechtsphilosoph. Traktätlein über allerlei Leut, Begebenheiten, Meinungen nebst einer Anmerkung zu 0. W. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 U. Analytik und Logik der Normen im Dienste des Rechts
Eugenio Bulygin Das Problem der Normenlogik
35
Thomas Cornides Was heißt und zu welchem Ende studiert man Rechtslogik?
51
Jean-Louis Gardies Die" tiefengrammatikalische Analyse" der institutionellen Tatsachen
61
m. Juristische Argumentationstheorie im Lichte des lnstitutionalistischen Rechtspositivismus Franz Bydlinski Setzungs- oder Existenzpositivismus und methodische Rechtsgewinnung
73
Peter Koller Praktische Argumentation und Gerechtigkeit bei Ota Weinherger
93
Neil MacCormick Legal Reasoning and the lnstitutional Theory of Law
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
Inhaltsverzeichnis
X
IV. Diskurstheorie oder formal-finalistische Handlungstheorie des Rechts?
Robert Alexy Ota Weinhergers Kritik der diskurstheoretischen Deutung juristischer Rationalität ......................................................... 143
Massimo La Torre Ota Weinherger and the Theory of Action. A Formal-Finalistic Approach . . . 159
V. Erwiderung und kritische Auseinandersetzung mit einzelnen Beiträgen
Ota WeinbergeT Grundlagenprobleme des Institutionalistischen Rechtspositivismus und der Gerechtigkeitstheorie ..... . ........ .. ...... . ......... .. ..... . .... .. 173 1. Danksagung an meine Kollegen und Mitarbeiter ................ .. 173
2. Meine philosophische Lebenseinstellung. Die Hauptbereiche meiner wissenschaftlichen Interessen ......... . .... .. ........... . ... .. . 173 A. Zur Logik des praktischen Denkens ....... .... . ............ . ... . . . 1. Das Primat der Praxis und die logischen Systeme des handlungsbezogenen Denkens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Charakteristik der formalen Teleologie und ihrer Beziehung zur Handlungstheorie ............ . ........... ... .. . . .................. 3. Die Normenlogik
178 178 185 191
B. Wie ich die Handlungs- und Institutionentheorie sehe .. . ..... . ... . . .. 215 1. Die Bedeutung der formalistischen Konzeption der Handlungstheorie 2. Willensfreiheit und die Bestimmung der Handlungen durch Informationsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Graphische Darstellung des Lebensbaumes . . ................. . .. 4. Die nonnativistische Institutionentheorie .... . .............. . . . ..
217 219 220 226
C. Zu Fragen der juristischen Methodenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 1. Das Geltungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Das Gewohnheitsrecht .. . ...... . ..... . ... . . ........... . ... . .. . 241 3. Anmerkung zu Kelsens Auffassung des Gewohnheitsrechts in der ,Allgemeinen Theorie der Normen' ............ .... . . . . ..... . ... .. .. 244 4. Der Beitrag des nonnativistischen Institutionalismus zur juristischen Methodenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 5. Bemerkungen zu Franz Bydlinskis Konzeption des geltenden Rechts und der Rechtsgewinnung ...... . ... . . . .... . ...... ...... ... . ... 250
Inhaltsverzeichnis
XI
D. Theorie der Argumentation: Was heißt rational begründen? .... . ...... 253 1. Kognitive und praktische Thesen als Gegenstände der Begründung (als Gegenstände des Diskurses) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 2. Ist Rationalität eine Eigenschaft der Gedankenführung oder der interpersonalen Kooperation? ................ . .............. .. ... . . 3. Diskurs der Engel- Diskurs der Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Notizen zum juristischen Diskurs ..... .. . . ... . .......... . . . . .. . . 5. Die Sonderfallthese ................... . .. . ............ . ...... 6. Schlußbemerkung . .. . .. .... . . . ... .. ... .. ....... .. .... . . . .. . ..
258 259 262 264 266
E. Zum Problem der Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
1. Vorbemerkung ........................... , .......... .. ... . .. 2. Die Conditio humana und die Suche nach Gerechtigkeit ... . . . .. . .. 3. Was kann man von der Gerechtigkeitstheorie erwarten? ..... .. ..... 4. Positivismus, Gerechtigkeit und politische Argumentation ... . .... . .
267 267 269 270
5. Gerechtigkeits- und Solidaritätsbeziehungen .. . ... . . .. . . . . . . . . . . . 273 6. Gleichheit als Element der Gerechtigkeitspostulate . . ............ . . 273 7. Replik auf Peter Kollers Kritik meiner Thesen über Gerechtigkeit . . .. 277 VI. Bibliographie Ota Weinherger
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Verzeichnis der Mitarbeiter
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I. Institutionentheorie im Spannungsfeld von Rechtstheorie und Rechtsphilosophie
1 RECHTSTHEORIE, Beiheft 14
ERÖFFNUNGSANSPRACHE DES DEKANS DER RECHTSWISSENSCHAFTLICHEN FAKULTÄT Von Bernd-Christian Funk, Graz Sehr verehrter, lieber Herr Kollege Weinberger! Sehr geehrte Damen und Herren! Als akademisches Fach zählt die Rechtsphilosophie zu jenen "gefährdeten Arten", deren Stellenwert in der juristischen Ausbildung seit der Reform des Rechtsstudiums in Frage gestellt ist. Das Juristengesetz von 1978 hat die Rechtsphilosophie noch mehr als bisher in einen reservatähnlichen Randbereich gedrängt. Als universitäre Fachrichtung befindet sie sich heute in einer ausgesprochen heiklen und schwierigen Lage. Ein solches Fach zu vertreten, ist gewiß keine einfache Sache. Viel Kraft und Gelassenheit sind vonnöten, um die Widrigkeit einer Unterbewertung zu ertragen, die von außen kommt und überdies ungerechtfertigt ist. Wer sich um Tiefgang in konkreten Rechtsfragen bemüht, weiß, daß die entscheidenden Aspekte der juristischen Probleme letzten Endes auf theoretischer und methodischer Ebene zu suchen sind. Sehr treffend hat Reinhold Zippelius festgestellt, daß jedes juristische Problem letztlich in eine rechtsphilosophische Dimension mündet. Es ist ein Irrtum, zu glauben, daß die Rechtsphilosophie zu den exotischen Fächern gehört. Die Stellung solcher Fächer ist übrigens ein wichtiger Gradmesser für das Maß an gesellschaftlich-kultureller Reife. Die Rechtsphilosophie ist ein Wissensgebiet und Verständnisgegenstand von eminenter praktischer Bedeutung. Ihre Pflege oder Vernachlässigung entscheiden darüber, ob sich die Jurisprudenz als Wissenschaft ausweisen kann oder aber zur bloßen Fachkunde degeneriert. In dieser Hinsicht wird man der Reform des juristischen Studiums den Vorwurf nicht ersparen können, bei der Behandlung der Rechtsphilosophie eine falsche Weichenstellung getroffen zu haben. Es gibt jedoch Anlaß zu Freude und Optimismus, zu sehen, daß die philosophische und theoretische Auseinandersetzung mit dem Rechttrotz dieser Rückschläge im Ausbildungsbereich als Zweig der Wissenschaft nicht gelitten hat. Dafür gibt es viele Beweise. Einer davon liegt im Wirken von Ota Weinberger, dem diese Tagung gewidmet ist. Seine Tätigkeit gilt der Philosophie des Rechts in ihrer großen Spannweite und ihren vielen Facetten. 1•
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Bernd-Christian Funk
Alle, die hier zusammengekommen sind, um Ota Weinberger zu ehren, sind mit dem Werk und den Leistungen dieser großen Persönlichkeit bestens vertraut. Weit wichtiger als der Versuch, sein erfolgreiches Wirken auch nur exemplarisch mit einzelnen Daten und Angaben zu belegen, erscheint es mir deshalb, von der Grundrichtung seines Denkens und seines wissenschaftlichen Strebens zu sprechen. Hervorstechend ist jene konstante Verbindung von kompromißloser Intellektualität und leidenschaftlicher Humanität, die sein Wirken leitet. Die Thematik seiner Arbeiten ist vielfältig. Die Botschaft, die aus ihnen hervorgeht, ist immer diese: Es ist möglich, durch kritisches Denken in Verbindung mit profunder Erfahrung zu einem Fortschritt in der Erkenntnis der Welt zu kommen. Mit dieser Haltung steht Ota Weinbergerinder großen Tradition der europäischen Aufklärung und des Rationalismus, die nicht - wie manche glauben - in eine Sackgasse führen, sondern bis heute unvollendet geblieben sind. Vernunft und Toleranz sind die Werte, denen das Wirken von Ota Weinberger verpflichtet ist. Er hat damit nicht nur der Rechtsphilosophie einen Dienst erwiesen und ihr Ansehen vermehrt, sondern darüber hinaus der Wissenschaft in ihrem inneren Prinzip entsprochen. Mit diesem Beispiel ist vielen von uns der richtige Weg gewiesen worden. Dafür schulden wir ihm ganz besonders Dank. Es könnte keinen besseren und eindrucksvolleren Beweis für diesen Erfolg geben als diese Veranstaltung, zu der sich so viele hervorragende Vertreter des Faches eingefunden haben. Es verdient besonders hervorgehoben zu werden, daß dabei der Pluralismus der wissenschaftlichen Positionen nicht zu kurz kommt. Im Namen der Rechtswissenschaftlichen Fakultät unserer Universität möchte ich die Vortragenden, Mitwirkenden und Teilnehmer dieses Symposions sehr herzlich begrüßen und Ihnen für Ihr Kommen danken. Danken möchte ich auch den Mitarbeitern und Freunden von Ota Weinberger, die diese Tagung veranstalten. Mein Dank gilt den Persönlichkeiten und Institutionen des öffentlichen Lebens, die ihre Unterstützung gewährt haben. Vor allem aber möchte ich Herrn Kollegen Weinberger mit großem Respekt und großer Sympathie danken und gratulieren.
RECHT, INSTITUTION UND POLITIK IM LICHTE DER INSTITUTIONENTHEORIE Hommage a Ota Weinherger Von Werner Krawietz, Münster Wir sind hier und heute zusammengekommen, um Professor Ota Weinberger zu ehren. Der äußere Anlaß besteht darin, daß er am 20. April 1989 70 Jahre alt geworden ist und zum Ende dieses Studiensemesters- nahezu zeitgleich mit dem Abschluß dieser Veranstaltung, die am 30. September 1989 zu Ende geht - aus seinem Amte ausscheidet. Viele der hier Versammelten haben sehr weite Wege nicht gescheut, um bei diesem Symposion über "Recht und Institution" dabei zu sein, das vom 28. bis 30. September 1989 in Graz stattfindet. Betrachten Sie dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte nicht als ein Anzeichen unbändiger Reiselust von Rechtstheoretikern, Rechtssoziologen und Rechtsphilosophen, die ihren ohnehin verdünnten Realkontakt zur sozialen Wirklichkeit des Rechts zu therapieren suchen, indem sie ihren Erfahrungsbereich durch Reisen ausweiten. Ich erblicke darin auch nicht einen Indikator dafür, daß sich die peripatetischen Gepflogenheiten der Rechtsphilosophen unter den Bedingungen der modernen Gesellschaft, insbesondere im Düsen-Zeitalter, nun einmal tiefgreifend gewandelt haben. Letzteres mag zwar durchaus zutreffen, doch ist der tiefere und wahre Grund allein der, daß viele von uns, wenn nicht die meisten, mit Ota Weinherger durch wissenschaftliche und freundschaftliche Kontakte seit langen Jahren, in einigen Fällen sogar über Jahrzehnte hinweg, verbunden sind. Es ist uns deswegen ein echtes Bedürfnis, heute hier zu sein, um mit ihm Probleme zu diskutieren, die durch sein Werk aufgeworfen werden. Ich brauche in diesem Kreise nicht darauf hinzuweisen, daß in dem Wort Philosophie- ganz abgesehen von den üblichen, hieran anknüpfenden Konnotationen - gleichsam als deren soziale Tiefenstruktur auch Philia, die Freundschaft, steckt, die im altgriechischen Sinne verstanden auch soziale Bande knüpft und die hieran Beteiligten verbindet. I.
Magnifizenz Kenner hat soeben mit bewegenden Worten auf eine Reihe von Gründen hingewiesen, die für die Karl-Franzens-Universität Graz
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Werner Krawietz
Anlaß bieten, in Würdigung der wissenschaftlichen Verdienste Weinhergers für ihn dieses Symposion auszurichten, zusammen mit dem Institut für Rechtsphilosophie und der Grazer Sektion der Österreichischen Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (IVR). Spektabilität Funk hatnamensder Rechtswissenschaftlichen Fakultät auf die- theoretisch und methodisch gesehen - außerordentlich vielschichtigen Aspekte seiner Forschungen und seines bislang vorliegenden Werks aufmerksam gemacht. Es handelt sich in der Tat um ein erstaunlich weit gespanntes C. I. Lewis/C. H. Langford, Symbolic Logic, 2. Aufl., New York 1959. Vgl. Th. Cornides (FN 4), S. 176 - 201. s A. N. Prior, Formal Logic, 2. Aufl., Oxford 1962; 0. Weinberger, Rechtslogik, Wien/New York 1970. 7 Vgl. z.B. G. H. von Wright, The Logik of Preference, Edinburgh 1963, aber auch 0. Weinberger (FN 2), S. 320- 327. Allerdings kam ich aufgrundextrem schwacher Annahmen zu besonders schwachen Theoremen über Präferenzen. Das heißt: Was ich positiv behaupte bzw. herleite, akzeptiert m . W. so ziemlich jedermann, während meine Skrupel und Zweifel vielleicht nicht von jedermann geteilt werden: Andere würden wohl stärkere Annahmen gewagt haben. s Th. Cornides (FN 4), S. 30ff. 9 Vgl. dazu A. N. Prior, The Paradoxes of Derived Obligation, in: Mind 63 (1954), S. 64f.; G. H. von Wright, An Essay on Deontic Logic and the General Theory of Action, in: Acta Philosophica Fennica, Amsterdam 1968; Th. Cornides (FN 4), S. 66f., Blf.; 0. Weinberger (FN 2), S. 224. 1o J. L. Austin, How to do things with words, Oxford 1962. 11 J. Searle, Speech Acts, Cambridge 1968. 12 N. Rescher, The Logic of Commands, London/New York 1966.
Was heißt und zu welchem Ende studiert man Rechtslogik?
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Eine "Logik der Befehle" kann man sich als einen Kalkül standardisierter Protokollsätze über Befehlsakte vorstellen, zum Beispiel: (Satz 1) A verbietet zur Zeit t 1 dem B, das Universitätsgelände zu betreten.
Daraus mögen sich u. a. Sollens-Folgerungen ergeben wie (Satz 2) B soll (jedenfalls vom Standpunkt des A aus (= "A-soll")) zur Zeit h (t 2 später als t 1) außerhalb des Universitätsgeländes bleiben.
Der dem Verbieten konträre Sprechakt ist das Erlauben, der konträre Sprechakt zum Befehlsakt ist der Widerruf des Befehls (Derogation).14 Interessant ist für den Juristen die Logik der Befehle vor allem durch die sogenannte "Ermächtigung", die man sich, an das vorherige Beispiel anknüpfend, wie folgt vorstellen kann: (Satz 3) C befiehlt zur Zeit t 0 dem B, dem A zu gehorchen.
Aus Satz 1 und Satz 3 folgt (zumindest wenn t 0 früher als tl) (Satz 4) B soll (vom Standpunkt des C aus(= "C-soll")) zur Zeit t 2 außerhalb des Universitätsgeländes bleiben.
Das heißt, wegen Satz 3 folgt aus Satz 1 nicht nur ein A-Sollen, sondern auch ein C-Sollen, oder: Das A-Sollen erhält durch das Zutreffen von Satz 3 gewissermaßen die höhere Weihe des C-Sollens. Die Idee der Ermächtigung hat schon Jeremy Bentham15 entwickelt. Bentham spricht von der "Adoption" von Normen, im vorliegenden Beispiel hat C (vgl. Satz 3) die Norm des A (Satz 1) adoptiert. So entstehen arbeitsteilige Normsysteme. Das hier gezeigte Beispiel (s. vorstehende Tabelle) zeigt einige Gebiete der Logik, angewandt schließlich auf die Strukturtheorie des Rechts. Das Ensemble könnte man als Rechtslogik bezeichnen. Wie schon erwähnt, handelt es sich größtenteils um Standard-Komponenten der Logik, verknüpft durch einige Begriffsdefinitionen und Hilfsüberlegungen. Selbstverständlich ist dies nicht der einzig richtige oder einzig zweckmäßige Aufbau einer A. Ross, Directives and Norms, London 1968, S . 34- 105. Vgl. H. Kelsen, Derogation, in: Ralph A. Newman (Hrsg.), Essays in Jurisprudence in Honor of Roscoe Pound, Indianapolis/New York 1965, S. 339- 361, wiederabgedruckt in: Hans Klecatsky/Rem! Marcic/Herbert Schamheck (Hrsg.), Die Wiener rechtstheoretische Schule, Schriften von Hans Kelsen, Adolf Merkl, Alfred Verdroß, Wien/Salzburg 1968, S . 1429- 1469; Th. Cornides, Der Widerruf von Befehlen, in: Studiumgenerale 22 (1969), S. 1215- 1263. 15 J. Bentham, Of Laws in General, London 1970, S. 21. Vgl. auch E. R. Bierling, Juristische Prinzipienlehre (Nachdruck) Aalen 1961, S . 107- 109; W. N. Hohfeld, Fundamental Legal Conceptions as Applied in Judicial Reasoning, in: Yale Law Journal 26 (1916/17), S. 710ff.; A. Ross (FN 13), S.130ff.; Th. Cornides, Arbeitsteilige Normensysteme und ihre Bedeutung für die Rechtstheorie, in: J. Mokre/0. Weinherger (Gesamtredaktion), Rechtsphilosophie und Gesetzgebung, Wien/New York 1976, S. 14- 43 ; 0. Weinberger, Norm und Institution, Wien 1988, S. 91f., 98, 104. 13
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Thomas Cornides
Rechtslogik. Wer ein Gesamtsystem solcher Art entwirft, bildet nicht einfach etwas in der Natur Vorgegebenes ab. Vielmehr betont, ja konstruiert er Zusammenhänge, die er einerseits für noch vereinbar mit den alltäglichen sprachlichen Konventionen, andererseits für erkenntnisfördernd hält. Gerade die Konkurrenz alternativer Entwürfe kann eine Grundlagendiskussion fruchtbar machen. Einige für die Jurisprudenz wichtige Kalküle kommen in Tabelle 1 nicht vor. Die Handlungstheorie z. B. untersucht die Zusammenhänge zwischen den Handlungsbegriffen "tun", "unterlassen", "bewirken" und "verhindern", dem Zustand der Welt vor bzw. nach der Handlung bzw. der NichtHandlung, Begriffe wie "Mittel", "Zweck" und "Wert", und gewissen Modalitäten wie "möglich", "notwendig", "kontingent". Eine Pionierarbeit der logischen Formalisierung des Zusammenhangs zwischen Handlungsund Sollens-Modalitäten ist Georg Henrik von Wright's "Norm and Action" .1 6 Noch reicher an Begriffen, Unterscheidungen und Zusammenhängen ist Weinhergers "Teleologie und Handlungstheorie" .17 Zu anderen formalen Kalkülen, die für die Jurisprudenz relevant sind, zählen die "Logik der Zeit".l8 Und der Kalkül unscharfer Mengenl9 formalisiert ebenso wie die Überlegungen von Ulrich Klug20 Probleme der Subsumtion, der Rechtsauslegung und der Teleologie. Man kann nun fragen: Warum kommen z.B. die formale Handlungstheorie, der Kalkül unscharfer Mengen, eine Logik der Zeit in Tabelle 1 nicht vor?- Die Antwort ist, daß Tabelle 1 bestimmte Forschungsinteressen (die eben, die der Verfasser seinerzeit hatte) widerspiegelt. Wo sich für gerade diese Forschungsinteressen der Aufwand formalisierter Darstellung zu lohnen schien, dort wurde formalisiert, und das kommt in Tabelle 1 vor; während andere, der Formalisierung anerkanntermaßen ebenso zugängliche Gebiete rechtstheoretischen Argumentierens unformalisiert blieben. Andere Forschungsprogramme würden nicht darauf verzichtet haben, einige dieser Gebiete zu formalisieren. So würde z.B. eine Untersuchung über den allgemeinen Teil des Strafrechtes kaum auf eine formalisierte Handlungstheorie verzichten, jedoch wahrscheinlich sehr gut ohne die formale Darstellung von Ermächtigungsstrukturen auskommen. Oben habe ich erwähnt, daß meine Begriffe der Präferenz und des Sollens vielleicht nicht die einzig denkbaren sind, daß nicht jedermann ein solcher G. H. Wright, Norm and Action. A Logical Enquiry, London 1963. Kapitell! in 0. Weinberger (FN 2), S. 278- 331. 1a Vgl. z.B. N . Rescher und A. Urquhart, Temporal Logic, Wien/New York 1971. 19 Vgl. L. Reisinger, Juristische Begriffstheorie und Theorie unscharfer Mengen (Fuzzy Sets Theorie), in: J. Mokre/0. Weinherger (Gesamtredaktion), Rechtsphilosophie und Gesetzgebung, Wien/New York 1976, S. 129- 165. zo U. Klug, Juristische Logik, 4. Aufl., Berlin/Heidelberg/New York 1982, S. 48ff., 153ff. 16 17
Was heißt und zu welchem Ende studiert man Rechtslogik?
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Zusammenhang zwischen Präferenz und Sollen einleuchten muß. Gerade hier zeigt sich nun ein Vorteil, der darin liegt, daß weitgehend "Standardbauteile" verwendet werden: In der Tabelle 1 könnte jemand die von mir favorisierte Komponente "Sollen = Präferenz des Gesollten gegenüber seinem Gegenteil" herausnehmen und an ihrer Stelle einen anderen Sollensbegriff einbauen, der wahrscheinlich zu einer etwas unterschiedlichen Logik des Sollens führen würde. Den Rest der Tabelle könnte er jedoch beibehalten. -Andererseits vermute ich, daß auf der Ebene der Strukturtheorie des Rechts nur geringfügig unterschiedliche Konsequenzen sich daraus ergeben, ob man den von mir gewählten oder einen anderen plausiblen Begriff des Sollens einsetzt. Wie das folgende Beispiel illustriert, muß eine sorgfältige logische Analyse nicht immer darin bestehen, daß man aus bestimmten Prämissen unerwartete Folgerungen herleitet. Nicht immer zwingt der Logiker (dank seines angeblich überlegenden Denkwerkzeugs) sein Gegenüber, etwas zuzugeben, was dieser ursprünglich nicht zugeben wollte oder nicht vermutet hätte. Vielmehr kann logische Analyse auch zeigen, daß eine oberflächlich plausible Folgerung eben gerade nicht zwingend ist. Was läßt sich nach diesem Rundgang durch einzelne Bezirke der Rechtslogik verallgemeinern und sagen? Von einem Kernbereich (Aussagenlogik, Quantoren, Prädikate) ausgehend, gibt es verschiedene Verästelungen, welche je verschiedene Probleme der Jurisprudenz formal abbilden und rechenbar machen. Wenn die Abbildung der Probleme sinnvoll ist und wenigstens das Wesentliche am Problem erfaßt, dann kann die Betrachtung und Durchführung sehr lehrreich seinaber eben nur dann: Wenn hingegen die Wirklichkeit des Rechts nur sehr unvollständig durch die Begriffe und durch die angenommenen Beziehungen zwischen den Begriffen erlaßt ist, dann bleibt die Rechtslogik eine jedenfalls für die Jurisprudenz irrelevante Spielerei. Dieses Relevanzproblem hat die Rechtslogik mit allen formalen Modellen gemeinsam. 2. Wozu Rechtslogik? Schillers Jenaer Antrittsrede "Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?" wählte ich als wohlklingendes Vorbild für den Titel dieses Vortrags. Doch Wohlklang allein könnte eine solche Keckheit nicht rechtfertigen. Vielmehr enthält jene Antrittsrede einen auch zu unserem Thema bedeutsamen Gedanken, nämlich die Unterscheidung zwischen dem "Brotgelehrten" und dem "philosophischen Kopf". Diesem gehört Schillers Interesse und Sympathie, während er jenem ein Denkmal der Antipathie setzt: "Jener, dem es bei seinem Fleiß einzig und allein darum zu tun ist, die Bedingungen zu erfüllen, unter denen er zu
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einem Amte fähig und der Vorteile derselben teilhaftig werden kann, der nur darum die Kräfte seines Geistes in Bewegung setzt, um dadurch seinen sinnlichen Zustand zu verbessem und eine kleinliche Ruhmsucht zu befriedigen, ein solcher wird beim Eintritt in seine akademische Laufbahn keine wichtigere Angelegenheit haben, als die Wissenschaften, die er Brotstudien nennt, von allen übrigen, die den Geist nur als Geist vergnügen, auf das sorgfältigste abzusondem ... " . Als Strafe für diesen berechnenden, allzu zweckhaften Partikularismus stellt Schiller dem Brotgelehrten in Aussicht: " ... bald wird seine Berufswissenschaft als ein Stückwerk ihn anekeln ... Das Mühselige, das Geringfügige in seinen Berufsgeschäften drückt ihn zu Boden . .. Er fühlt sich abgeschnitten, herausgerissen aus dem Zusammenhang der Dinge, weil er es unterlassen hat, seine Tätigkeit an das große Ganze der Welt anzuschließen. Dem Rechtsgelehrten entleidet seine Rechtswissenschaft, sobald der Schimmer besserer Kultur ihre Blößen ihm beleuchtet, anstatt daß er jetzt streben sollte ein neuer Schöpfer derselben zu sein und den entdeckten Mangel aus innerer Fülle zu verbessern". "Wie ganz anders" meint Schiller "verhält sich der philosophische Kopf! - Ebenso sorgfältig, als der Brotgelehrte seine Wissenschaft von allen übrigen absondert, bestrebt sich jener, ihre Gebiete zu erweitem und ihren Bund mit den übrigen wieder herzustellen(... ). So der Brotgelehrte trennt, vereinigt der philosophische Geist. Neue Entdeckungen im Kreise seiner Tätigkeit, die den Brotgelehrten niederschlagen, entzücken den philosophischen Geist. Vielleicht füllen sie eine Lücke, die das werdende Ganze seiner Begriffe noch verunstaltet hatte, oder setzen den letzten noch fehlenden Stein an sein Ideegebäude". Gewiß sind Schillers Vorliebe und Antipathie allzu pointiert. (Eine Welt, wo es nur philosophische Köpfe, nicht jedoch Brotgelehrte gäbe, könnte kaum sehr lange bestehen. So muß man den Brotgelehrten dankbar sein, daß sie diszipliniert und im Grunde nicht weniger intelligent als die philosophischen Köpfe das Joch der alltäglichen Geschäfte auf sich nehmen!) Doch brauchbar scheint mir Schillers Unterscheidung zwischen anwendungs- und grundlagenorientierter Vorgehensweise. Wo ist nun der Ort der Rechtslogik? Es trifft im allgemeinen nichtzu-und wäre eine Fehlentwicklung, wo es zuträfe-, daß der juristische Brotgelehrte als Anwender des Rechts sehr viel mehr als einen klaren Hausverstand, geschult am Erlemen der Grundzüge des je geltenden Rechts braucht. Er braucht im täglichen Leben keinen formalen Logikkalkül, keine Entscheidungsdiagramme, keine deontische Logik, etc. Wenn er sie bräuchte, wäre das sogar eine Fehlentwicklung, weil ja jedermann das Recht, soweit es ihn betrifft, kennen und durchschauen sollte, weil der Sinn einer Rechtsnorm auch dem nicht sehr geschulten Geist des "bloßen Adressaten" zugänglich
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sein sollte, weil die Gesetze auch ohne Interpretationskünste verstehbar sein sollten. Es trifft also nicht zu, daß jemand, der sich nicht mit Rechtslogik beschäftigt hat, unfähig zu einer Tätigkeit als Jurist wäre, etwa in der Art, wie niemand als Bauingenieur tätig sein kann, wenn er sich nicht mit darstellender Geometrie beschäftigt hat. Im Gegensatz zum Ingenieur kommt der Jurist im Formalen mit dem gesunden Hausverstand zurecht. Trotzdem: Eine Schulung des Verstandes im Formalen, sei sie nun über Mathematik, Informatik, Bridge, Schach, praktischen Umgang mit dem Personal Computer oder eben auch Rechtslogik, ist tendenziell und bis zu einem gewissen Grad sicher nützlich für den praktisch tätigen Juristen. Das gilt für die juristische Interpretation, wo z.B. Ulrich Klugzl sehr einleuchtend zeigt, welche Voraussetzungen hinzugedacht werden müssen, um ein argurnenturne contrario, ein argurnenturn a minore ad maius etc. logisch stringent zu machen. Gleiches gilt für Leo Reisingers Versuch, L. A. Zadeh's Fuzzy Sets Theory (Theorie unscharfer Mengen) auf Rechtsbegriffe anzuwenden.22 Formale Modelle und Techniken sind brauchbare, jedoch zur Not auch entbehrliche Unterstützungen und Erleichterungen für den gesunden Menschenverstand. Sie ergänzen das Mindestmaß an logischem Denkvermögen, ohne welches kein Jurist in der Praxis erfolgreich sein kann. So kann man der Rechtslogik einen, wenn auch nicht überaus gewichtigen, Nutzen für den brotgelehrten Juristen als Rechtsanwender beimessen. Wo freilich die praktische Tätigkeit im Setzen von Recht (sei das im Entwerfen generell-abstrakter Rechtsnormen, sei das als Kautelarjurist bei der Formulierung von Verträgen etc.) besteht, gewinnt die rechtslogische Schulung schon erhöhte Bedeutung. Logisch geschult, kann der Gesetzgeber besser deutlich machen, welchen Fall bzw. welche Fälle er nun wirklich normieren will. Daß logische Analyse des Beabsichtigten, klare Definitionen und Konstanz des Gebrauchs der Begriffe jeder Norm, jedem Normsystem, jeder Rechtsordnung wohltun, ist wohl einsichtig. Der Jurist als "philosophischer Kopf" erscheint in der Form des Rechtsdogmatikers23, des Rechtsphilosophen und des Rechtstheoretikers.24 Daß die Ebd., S. 109 - 155. L. Reisinger (FN 19). 23 Schöne Beispiele für die Anwendbarkeit der Rechtslogik in der Dogmatik der Grundrechte bietet R. Alexy, Theorie der Grundrechte, Frankfurt am Main 1986, insbesondere 8 . 186-222: Ausgehend von deontischen Grundbegriffen wie "Gebot", "Verbot", "Erlaubnis", "Adressat" definiert Alexy in der Rechtssprache noch geläufigere Begriffe wie "Recht", "Pflicht", "Kompetenz". Diese wendet Alexy in seiner Theorie der Grundrechte streng und konsequent an und erreicht dadurch eine Verfeinerung und Transparenz der Argumentation, die, völlig unabhängig davon, ob jemand im Ergebnis stets mit Alexy übereinstimmt, der Lehre und der Diskussion wohltut. 24 Man wird manchmal gefragt, worin der Unterschied zwischen Rechtsphilosophie und Rechtstheorie besteht. Vielleicht besteht überhaupt kein Unterschied, außer daß die, die sich heute Rechtstheoretiker nennen, eher jenes Entzücken über neue, irgend21 22
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Rechtslogik ein integrierender und nicht verzichtbarer Bestandteil einer Strukturtheorie des Rechts ist, hat Ota Weinherger mehrfach überzeugend dargetan. In "Norm und Institution" 25 geht er davon aus, daß Kommunikation im Rechtsleben eine grundlegende Rolle spielt. Das Recht als Normensystem sei ein gedankliches System, das nur in sprachlicher Formulierung der Betrachtung und Analyse unterzogen werden könne, ein heteronomes Normensystem, das offenbar nur dann funktionieren könne, wenn zwischen Normsetzer und Adressaten, ja überhaupt im Rechtsverkehr sprachliche Kommunikation bestehe.- Richtig weist Weinherger darauf hin, daß viele Rechtsakte im wesentlichen Sprechakte sind. Auch daß der Stufenbau der Rechtsordnung durch Ermächtigung geschaffen wird und daß Ermächtigungen und Kompetenzbestimmungen Normen sind, deren logische Analyse besonders kompliziert sein kann, zeigt Weinberger. 26 Der Hintergrund und das geeignete Werkzeug für eine im Sinn von Weinberger verstandene Strukturtheorie des Rechts- die sich ihrerseits wieder mit Rechtssoziologie, Institutionenlehre und ökonomischer Analyse des Rechts verbinden läßt- ist eine Logik der Normen und der Sprechakte. Dazu eignet sich möglicherweise die Rechtslogik, wie sie weiter oben beschrieben wurde. Die Rechtslogik ist nicht die Jurisprudenz selbst, sondern eine Hilfswissenschaft, eine "Magd der Rechtsphilosophie". Sie hilft, komplizierte, ineinander notwendigerweise verschachtelte Erwägungen der Jurisprudenz übersichtlich zu machen, auf Widerspruchsfreiheit zu prüfen und letzten Endes zu vereinfachen. So kann die Jurisprudenz und in ihrem Gefolge die Rechtslogik, nach einem Rundgang durchs Hochtheoretische, schließlich auch wieder als pädagogischer Einstieg ("Einführung in die Grundbegriffe des Staates und des Rechts") und als Anregung für praktische, möglichst verständliche, gute Gesetzgebung, also als Gesetzgebungslehre dienen. Auf folgende Kurzformelläßt sich das bringen: Die Rechtslogik ist nicht so sehr ein lnterpretationswerkzeug, mit dem man vorher unerkannten Sinn aus den Gesetzen herausmelken könnte, sie ist keine Wunderwaffe im Rechtsstreit, sondern eine Grundlage und Hilfswissenschaft für die Jurisprudenz, insbesondere für die Strukturtheorie des Rechts und die Gesetzgebungslehre. wie mit der Jurisprudenz integrierbare wissenschaftliche Theorien und Entdeckungen an den Tag legen, von dem Schiller spricht, während Rechtsphilosophen eher darauf achten, daß die Verbindung zwischen dem Rechtsdenken und dem großen, traditionellen philosophischen Lehrgebäude nicht abreißt. Bezeichnenderweise trägt die Zeitschrift "Rechtstheorie" ja den Untertitel "Zeitschrift für Logik, Methodenlehre, Kybernetik und Soziologie des Rechts". - Das Ideal bestünde selbstverständlich in der Fähigkeit zur Verbindung praktischer Erfahrung, traditioneller und modischneuer Gesichtspunkte zu einem zusammenhängenden Ganzen. 25 0 . Weinberger, Norm und Institution, Wien 1988, S. 49ff. 26 0. Weinberger, ebd., S. 64; 91 f . - ders. (FN 2), S . 261- 264.
DIE "TIEFENGRAMMATIKALISCHE ANALYSE" DER INSTITUTIONELLEN TATSACHEN Von Jean-Louis Gardies, Nantes I.
Das erste, was ich erklären muß, sind die Anführungszeichen in dem von mir gewählten Titel.l Sie bedeuten, daß der Ausdruck" tiefengrammatikalische Analyse" nicht meine Prägung ist. Ich entlehne ihn Ota Weinberger. Jeder von uns kann beobachten, daß es im Alltag möglich scheint, aus einer institutionellen Tatsache, bspw. einem Vertrag oder einem Versprechen, die Existenz einer Verpflichtung direkt abzuleiten. Um dies erklären zu können, beruft sich Weinherger auf eine "tiefengrammatikalische Analyse". Ich zitiere aus seinem Beitrag zum 9. Weltkongreß für Rechtsphilosophie: Wenn "versprechen" ein institutionelles Faktum ist, dann muß eine tiefengrammatikalische Analyse .. . zeigen, daß der rationale Kern dieser institutionellen Tatsache in der Geltung der generellen Norm "Jedes Subjekt x, das einem Subjekt y verspricht, z zu tun, soll z tun" besteht. 2
Denn sofern Peter dem Paul versprochen hat, das-und-das zu tun, und sofern dieses Versprechen als gültig anerkannt wird, fühlen wir uns gewöhnlich zu der Folgerung berechtigt: Peter ist dem Paul gegenüber verpflichtet, das-und-das zu tun. Aus der institutionellen Tatsache des Versprechens leiten wir eine Norm ab. Gleichwohl sind die logischen Mittel, über die wir verfügen, völlig ungenügend, um eine derartige Schlußfolgerung zu rechtfertigen. Das betrifft nicht nur den Prädikatenkalkül, sondern auch jene deontischen Logiken, die heute bereits als klassisch gelten. Soweit mir bekannt, gestattet keine deontische Logik, aus der Feststellung eines Versprechens allein die Existenz einer Verpflichtung zur Einhaltung des Versprechens abzuleiten. Deswegen ist es notwendig, die Analyse weiter zu treiben, als es die bisher zur Verfügung stehenden formalen Mittel erlauben. Es ist notwendig, eine "tiefengrammatikalische Analyse" vorzunehmen und so die stillschweigen1 Für die stilistische Korrektur meines Vortragsmanuskriptes danke ich sehr herzlich Peter Strasser vom Grazer Institut für Rechtsphilosophie. 2 Jenseits von Positivismus und Naturrecht, in: Contemporary Conceptions of Law - gth World Congress (Basel1979), ARSP, Supplementa, Vol. I, Part.l, 1982, S . 55.
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den Voraussetzungenall der Sätze zu explizieren, die wie einfache Beschreibungen institutioneller Tatsachen aussehen. Meine Absicht ist es, eine derartige Analyse, wenigstens in Umrissen, zu skizzieren. Zu diesem Zweck werde ich die folgenden Punkte der Reihe nach behandeln: 1. Ich werde zeigen, daß in der Menge der institutionellen Tatsachen sowohl
institutionelle Zustände als auch institutionelle Akte existieren und daß beide wohl zu unterscheiden sind.
2. Ich werde kurz erklären, was ich unter dem Ausdruck institutionelle Zustände verstehe. 3. Ich werde argumentieren, daß die institutionellen Akte selbst semantisch charakterisiert, d.h. als Wahrheitsfunktionen auf der Basis gewisser institutioneller Zustände dargestellt werden können. 4. Ich werde schließlich kurz die sogenannten Sprechakte beleuchten, in deren Gestalt institutionelle Akte so häufig auftreten.
n. Gewisse institutionelle Tatsachen sind Zustände; so z.B. wenn gilt: x ist y gegenüber verpflichtet, das-und-das zu leisten, oder x ist mit y verheiratet oder x ist Eigentümer des-und-des Gutes. Die institutionellen Akte sind von ganz anderer Natur. Wenn x dem y verspricht, das-und-das zu tun, ist diese institutionelle Tatsache eigentlich kein Zustand; das Versprechen, werden wir sagen, ist vielmehr ein Akt bzw.- mit einem englischen Wort, das Gilbert Ryle ungefähr gleichbedeutend in The Concept of Mind benutzt - ein achievement. Wenn x sich mit y verheiratet, so ist die Tatsache, daß er sich verheiratet, ebenfalls kein Zustand. Analoges gilt, wenn x dem y den Gegenstand z verkauft: zwar verändert der Verkauf den Eigentumszustand, in welchem der Gegenstand z sich befand, dennoch ist der Verkauf selbst kein Zustand, sondern ein achievement.
m. Zuerst wollen wir aus der Menge der institutionellen Tatsachen diejenigen betrachten, die sich als einfache Zustände charakterisieren lassen. Stellen wir uns dabei die Frage, was einen Satz über einen physischen Zustand der Art
a ist größer als b von einem Satz über einen institutionellen Zustand der Art
a ist verheiratet mit b unterscheidet.
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Nehmen wir an, a und b seien in beiden Fällen Menschen. Beiden Sätzen ist gemeinsam, daß sie Beziehungen ausdrücken, diesesfalls also Prädikate mit zwei Individuenargumenten verwenden. So bezeichnen a und b in beiden Sätzen, was man im aristotelischen Wortschatz erste Substanzen nennen würde. In der Sprache der Typentheorie können wir sagen, daß "größer als" und "verheiratet mit" - da es sich beide Male um Individuenprädikate mit zwei Leerstellen handelt - demselben logischen Typ angehören. So liefert die logisch-grammatikalische Analyse der Prädikate keinen Unterschied der Aussagen "a ist größer als b" und "a ist verheiratet mit b". Im Gegenteil, da sie Individuenprädikate verwenden, müßte es möglich sein, beide gleichermaßen in einer gemeinsamen Schlußfolgerung zu verwenden, die der engere Prädikatenkalkül legitimiert. Der einzige Unterschied zwischen beiden Sätzen - aber gerade er ist erheblich - besteht in folgendem: Der erste Satz beschreibt einen physischen Zustand, d. h. im weitesten Sinne eine zur natürlichen Ordnung gehörende Tatsache, die sich mit dem Wortschatz der Physik (in anderen Fällen mit demjenigen der Psychologie) beschreiben läßt. Dagegen läßt sich die Tatsache, daß a mit b verheiratet ist, nicht mit einem solchen Wortschatz beschreiben. Daß a mit b verheiratet ist, bedeutet unter anderem, daß a und b - angenommen, beide seien französische Staatsbürger - allen Normen unterworfen sind, die das französische bürgerliche Gesetzbuch und die französische Jurisprudenz auf jedes Paar anwenden, das sie als Ehepaar anerkennen. Während also die Tatsache, daß a größer als b ist, überall auf dieselbe Weise definiert wird, wird die Tatsache, daß a mit b verheiratet ist, keineswegs in allen Gesellschaften auf dieselbe Weise charakterisiert. Es kann äußerst schwierig sein, die psycho-physischen und die normativen Elemente einer institutionellen Tatsache voneinander zu trennen. Das ist besonders evident bei gewissen Beispielen, etwa der Tatsache, daß a der Vater von c ist oder daß b die Mutter von c ist. Solche Verhältnisse nämlich lassen sich wenigstens ebenso sehr durch die Existenz juristischer N armen wie durch biologische Tatbestände charakterisieren. Daher können wir zumindest sagen, daß man als institutionell jeden Zustand qualifizieren darf, der sich vermittels eines rein psycho-physischen Wortschatzes nicht definieren läßt. IV.
Versuchen wir jetzt, die institutionellen Akte im Verhältnis zu den institutionellen Zuständen darzustellen. Wir hatten zuerst diese Akte kurz als achievements charakterisiert. Betrachten wir wieder unsere drei Beispiele:
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- das Versprechen; - die Heirat (diesmal als Akt, im Gegensatz zur Ehe als Zustand); - der Verkauf oder, allgemeiner, die Übertragung eines Besitzes. Solche institutionellen Akte haben die Eigentümlichkeit, daß sie selbst Wahrheitsfunktionen gewisser institutioneller Zustände sind. Nehmen wir zuerst das Beispiel des Versprechens oder der einseitigen Bindung. Die Wahrheit des Satzes
a verpflichtet sich b gegenüber, H zu tun - ein Satz, der einen bindenden Akt ausdrückt - ist selbst Funktion der Wahrheitswerte, die der Satz
a ist b gegenüber verpflichtet, H zu tun - ein Satz, der einen Verpflichtungszustand ausdrückt- in drei verschiedenen Weltzuständen annimmt. Denn damit der erste Satz (derjenige, der den Akt ausdrückt) wahr ist, muß der zweite Satz (derjenige, der den Verpflichtungszustand ausdrückt) 1. bezogen auf den Weltzustand, der dem Akt vorangeht, falsch sein, und
2. bezogen auf den Weltzustand, der dem Akt folgt, wahr sein; aber 3. reichen diese beiden Bedingungen nicht aus, wenn der Verpflichtungszustand aus einem verpflichtenden Akt entspringen soll; dann nämlich ist es darüber hinaus notwendig, daß der zweite Satz falsch wäre, würde es den durch den ersten Satz ausgedrückten Verpflichtungsakt nicht geben bzw. gegeben haben. So ist der Akt des Versprechens oder der einseitigen Bindung selbst Funktion eines Verpflichtungszustandes, der - vor dem Akt nicht existiert - nach dem Akt existiert - ohne den Akt nicht existieren würde. Daher können wir die Wahrheit des den Akt des Versprechens behauptenden Satzes als die geordnete Menge der drei Werte charakterisieren, d.h. als die Menge der Wahrheitswerte des Satzes "a ist b gegenüber verpflichtet, H zu tun" in den drei genannten Weltzuständen. Würde es sich nicht um eine einseitige, sondern um eine zweiseitige Bindung handeln, so wäre der einzige Unterschied zu dem, was wir eben sagten, daß sich die geordnete Menge nicht mehr auf den einfachen Satz
a ist b gegenüber verpflichtet, H zu tun
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bezöge, sondern auf die eine doppelte Verpflichtung ausdrückende Konjunktion
a ist b gegenüber verpflichtet, H zu tun, und b ist a gegenüber verpflichtet, I zu tun. Es ist gleichviel, ob man den Akt der Heirat den beiden Eheleuten zuschreibt, wie es in den meisten modernen Rechtssystemen des Abendlandes der Fall ist, oder dem Willen eines Dritten (z.B. irgendeines Elternteils der Eheleute). Stets nämlich wird die Wahrheit des den Akt ausdrückenden Satzes selbst Funktion des Wahrheitswertes sein, den der Satz, welcher das Vorliegen des Ehezustandes behauptet, - vor dem Akt hatte - nach dem Akt hat - ohne den Akt haben würde. Daher finden wir hier die geordnete Menge wieder. Nehmen wir schließlich unser drittes Beispiel, dasjenige des Verkaufs oder, allgemeiner, der Übertragung eines Besitzes. Hier ist die Aussage
a überträgt auf b den Gegenstand c wahr dann und nur dann, wenn 1. vor der Übertragung der Satz "a ist Besitzer des Gegenstandes c" wahr und der Satz "bist Besitzer des Gegenstandes c" falsch ist,
2. nach der Übertragung der Satz "a ist Besitzer des Gegenstandes c" falsch und der Satz "bist Besitzer des Gegenstandes c" wahr ist, und 3. ohne Übertragung der Satz "a ist Besitzer des Gegenstandes c" nach wie vor wahr und der Satz "bist Besitzer des Gegenstandes c" nach wie vor falsch sein würde. So ist der einen institutionellen Akt aussagende Satz stets eine semantische Funktion der Wahrheitswerte, die ein Satz, welcher einen diesem Akt entsprechenden institutionellen Zustand behauptet, in verschiedenen Weltzuständen annehmen kann - ebenso wie im Aussagenkalkül ein vermittels eines Funktors zusammengesetzter Satz Funktion des Wahrheitswertes aller Teilsätze ist. Derart erlaubt die Wahrheitstafel der Konjunktion - d.h. das geordnete Paar , welches die semantische Definition der Konjunktion bildet- aus der Wahrheit der Konjunktion
aundß die Wahrheit des Satzes "a" zu folgern. Und auf dieselbe Weise erlaubt die Wahrheitstafel der einseitigen Bindung, nämlich die geordnete Menge der drei Werte , aus der Wahrheit des den Akt aussagenden Satzes 5 RECHTSTHEORIE, Beiheft 14
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a hat sich b gegenüber verpflichtet, H zu tun die Wahrheit des den entsprechenden Zustand ausdrückenden Satzes
a ist b gegenüber verpflichtet, H zu tun zu folgern. Worin bestand die tiefengrammatikalische Analyse des Versprechens oder der Übertragung, die wir eben zu geben versucht haben? Sie bestand darin, daß wir unter der syntaktischen Oberfläche nach einer inneren semantischen "Logik" suchten. Auf syntaktischem Wege ist es offenbar unmöglich, aus dem die institutionelle Tatsache des Versprechens aussagenden Satz den Satz abzuleiten, der die aus dem Versprechen resultierende Verpflichtung behauptet. Es sei denn, wir nehmen, wie Ota Weinherger vorschlägt, die syntaktische Existenz einer stillschweigenden Norm an, die lautet:
Jedes Subjekt x, das einem Subjekt y verspricht, z zu tun, soll z tun. Auf semantischem Wege dagegen nötigt schon die Wahrheitstafel, die definiert, was wir "Versprechen" nennen, aus der Wahrheit des den Akt des Versprechens aussagenden Satzes auf die Wahrheit jenes Satzes zu schließen, der das Bestehen des aktabhängigen Verpflichtungszustandes behauptet. Führen wir den Vergleich mit dem Aussagenkalkül fort! Wenn wir aus dem Satz
aundß den Satz "a" abzuleiten hätten, und zwar auf syntaktische Weise, könnten wir z.B. ein System wählen, dessen Metasystem die Abtrennungsregel und die Einsetzungsregel enthält; außerdem würden wir zeigen, daß dieses System die Bildung des Satzes "(p & q) ~ p " zuläßt. Beides zusammen gestattet es dann, aus "a und ß" den Satz "a" abzuleiten. Ich verwendete soeben eine der möglichen Beweisführungen. Wir könnten uns aber wenigstens soviele Beweisführungen ausdenken, als es syntaktische Systeme gibt (etwa dasjenige der Begriffsschrift oder der Principia Mathematica, dasjenige von Hilbert, von Lukasiewicz, usw.). Aber alle diese möglichen und verschiedenen Beweisführungen können wir durch das eine semantische Verfahren ersetzen, welches unmittelbar zeigt, daß die Wahrheit einer Konjunktion (aufgrund ihrer Festlegung durch die Wahrheitstafel) die Wahrheit jedes ihrer Teilsätze impliziert. Tatsächlich ist die echte Berechtigung einer solchen Folgerung eben diese semantische Berechtigung. Auf die gleiche semantische Weise impliziert der Akt des Versprechens den sich aus ihm ergebenden Verpflichtungszustand. Und er impliziert ihn direkt. Wir brauchen also nicht irgendeine zusätzliche, stillschweigende Norm anzunehmen. Demgegenüber ist es unmöglich, auf rein syntaktischem
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Wege aus der Feststellung des Versprechens ohne Voraussetzung axiomatischer Elemente (wie derjenigen, die Ota Weinherger angibt) auf die Behauptung des entsprechenden Verpflichtungszustandes zu schließen. Dies erinnert uns an die Frage, ob der Logiker den Vorrang der Syntax oder der Semantik einräumen soll. Ich stelle die Frage jetzt so: Ist das typische Merkmal der modernen Logik der Axiomatisierungsprozeß, den sie von den Griechen geerbt und etwa zweitausendzweihundert Jahre später in den Aussagen- und in den Prädikatenkalkül umgesetzt hat? Oder ist es die Fähigkeit, die Gültigkeit eines Ausdrucks als Wahrheitsfunktion zu bestimmen? Die Entwicklung der Logik seit ungefähr einem Jahrhundert scheint zu zeigen, daß das Wichtigste in der modernen Logik nicht die Verwendung der alten axiomatischen Methode ist, sondern die Entdeckung der Wahrheitsfunktionalität und deren Anwendung auf Bereiche, wo sie bisher noch keinen Platz fand. Es ist erforderlich, hinter die syntaktischen Beweisführungen zurückzugehen und die sie rechtfertigenden semantischen Strukturen zu entdecken: Dies könnte als Hauptprogramm einer tiefengrammatikalischen Analyse gelten. V.
Es bleibt uns noch zu erklären, warum die institutionellen Akte, die im juristischen Leben angetroffen werden und deren semantische Analyse wir soeben skizziert haben, so häufig die Gestalt von Sprechakten oder - wie man auf englisch sagt- speech acts annehmen; und hier besonders jene, die sich durch das Aussprechen eines sogenannten performativen Satzes im Indikativ realisieren, wie z.B.:
Ich verspreche Ihnen, ... Ich verzichte auf ... Ich reiche meine Entlassung ein ..., usw. Die meisten Autoren, Austin nicht ausgenommen, sprechen oft so, als ob sich die performativen Sätze hinter ihrem Indikativ verbergen würden, als ob dieser Indikativ nur ihr inneres- performatives - Wesen verhüllte. Denn, so lautet die Überlegung, wenn wir sagen
Ich verspreche Ihnen, . .. dann beschreiben wir nicht ein Versprechen, das wir soeben geben, sondern was wir tun ist einfach, ein Versprechen zu geben. Indes, die Wahrheit scheint mir noch viel einfacher zu sein. Sie kann aber nur klar zutage treten, wenn man zuerst das performativ Ausgesagte- das ein Satz ist und als solcher nur wahr oder falsch sein kann- vom Akt seines 5'
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Ausgesagtwerdens - dem Akt, der darin besteht, daß man den Satz aussagt, und der als solcher nur wirklich oder unwirklich sein kann - unterscheidet. Es ist das Wesen des performativen Satzes, daß sich hier das Ausgesagte auf den Akt seines Ausgesagtwerdens selber bezieht. So ist der Satz "Ich verspreche Ihnen, H zu tun" ein richtiger Satz im Indikativ. Nur besteht seine Eigentümlichkeit darin, daß er den Akt, kraftdessen ich ihn aussage, selber anzeigt- den Akt, der ausmacht, was wir "ein Versprechen geben" nennen. Diese Beziehung des Ausgesagten zum Akt seines Ausgesagtwerdens wird auf deutsch durch das Adverb "hiermit", auf englisch durch "hereby" ausgedrückt. Denn "hiermit" bzw. "hereby", zur ersten Person des Präsens im Indikativ hinzugefügt, bedeutet eben häufig, daß der Satz sich auf den Akt seines Ausgesagtwerdens bezieht. Allerdings erschöpft sich der speech act nicht notwendigerweise im Aussageakt. Wir dürfen die Besonderheiten des Versprechens-Beispieles nicht zu schnell verallgemeinern. In der gewöhnlichen Form, in der wir das Versprechen im Alltagsleben antreffen, ist es zwar sehr oft der Fall, daß das Aussprechen eines Satzes der Form "Ich verspreche Ihnen, ... " genügt, um ein Versprechen zu konstituieren. Dennoch gilt dies nicht für jeden Sprechakt überhaupt. Betrachten wir, im Kirchenrecht, das Beispiel der Taufe. Die Äußerung des performativen Satzes
Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes genügt nicht, um den Akt der Taufe zu vollziehen. Damit es wahr sei, daß ich dich taufe, reicht es nicht "Ich taufe dich ... " zu sagen; ich muß außerdem, indem ich diesen Satz äußere, Wasser auf dich gießen oder dich ins Wasser tauchen. Zwar bezieht sich der Satz "Ich taufe dich ... " auf den Akt seines Ausgesagtwerdens, damit aber nur auf einen Teil der Gesamtheit jener Akte, die zusammen erst die Taufe bilden. Abschließend möchte ich meine tiefengrammatikalische Analyse der institutionellen Akte durch eine Bemerkung darüber vervollständigen, weshalb das Recht nicht an allen Sprechakten interessiert ist, sondern nur gewisse unter ihnen registriert. In der Menge der Sprechakte, d. h . der Akte, deren Gelingen die Äußerung eines performativen Satzes erfordert, müssen wir zwei verschiedene Gruppen unterscheiden, je nachdem, ob das Gelingen des Aktes wesentlich von der Erzeugung gewisser Wirkungen -ich nenne sie wesentliche Wirkungen- abhängt oder nicht. Ich kann Ihnen eine Frage stellen, an Sie eine Bitte richten, Sie ermahnen, Ihnen einen Rat erteilen, indem ich mich sprachlich performativ äußere:
Ich wünsche, daß Sie ... Ich frage Sie, ob .. . Ich bitte Sie um .. .
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Ich ermahne Sie ... Ich rate Ihnen ... Aber mein Wunsch, meine Bitte, meine Ermahnung, mein Rat schaffen auf Ihrer Seite keine Verpflichtung; auch die Frage, die ich Ihnen stelle, sind Sie nicht verpflichtet zu beantworten. So sind Wunsch, Bitte, Ermahnung, Rat, Frage mit keinen wesentlichen Wirkungen verbunden. Selbstverständlich will ich nicht leugnen, daß sie Wirkungen haben können. Ein Wunsch, eine Bitte kann erhört werden; eine Frage kann eine Antwort erhalten, sogar jene, die man normalerweise erwartet; eine Ermahnung oder ein Rat können befolgt werden. Sie sind aber schon, was sie sind, bevor sie noch eine Wirkung haben, und sie bleiben, was sie sind, auch dann, wenn sie überhaupt keine Wirkung zeitigen. Aus diesem Grund bezeichne ich solche Akte als Sprechakte im schwachen Sinne. Dagegen ist das Versprechen nicht, was es ist, ohne die Verpflichtungen, die es schafft. Es sei hier darauf hingewiesen, daß die wesentliche Wirkung des Versprechens-Aktes keinesfalls seine Einlösung ist. Ich kann nämlich mit der festen Absicht ein Versprechen geben, es niemals zu erfüllen. Nichtsdestoweniger wird es seine volle Wirkung erzeugen, d.h. die mir auferlegte Pflicht, es einzulösen. Daß ich fest entschlossen bin, mich meiner Verpflichtung zu entschlagen, hindert nicht, daß sie bestehen wird, sobald ich mein Versprechen gegeben habe. In ähnlicher Weise erzeugt der Verzicht eine wesentliche Wirkung: er beseitigt die subjektiven Rechte, auf die verzichtet wird, und damit auch die entsprechenden Verpflichtungen der anderen Seite. Ebenso entledigt der Akt der Amtsniederlegung denjenigen, der sein Amt aufgibt, der Pflichten und Rechte dieses Amtes. Ich würde vorschlagen, das Versprechen, den Verzicht, die Amtsniederlegung als Sprechakte im starken Sinne zu bezeichnen. Damit ein positives Recht sich mit den wesentlichen Wirkungen eines Aktes befassen kann, ist es trivialerweise notwendig, daß er solche Wirkungen hat. Deswegen sind die einzigen Sprechakte, die es verdienen, institutionelle Akte genannt zu werden, diejenigen, die wesentliche Wirkungen erzeugen und deshalb das rechtliche Leben betreffen. Das Versprechen, die Niederlegung eines Amtes oder der Krone, der Verzicht (ja sogar die Taufe, die ein kirchenrechtliches Institut ist, durch welches man vom Zustand eines nichtgetauften Menschen in den, übrigens untilgbaren, Zustand eines getauften Menschen übergeht) sind institutionelle Akte und als solche dem Recht keineswegs gleichgültig. Demgegenüber versteht man ohne weiteres, warum der Wunsch, die Frage, die Bitte, der Rat nicht zum eigentümlichen Bereich des Rechts gehören.
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VI.
Zuallerletzt fasse ich nun den Gang meiner Argumentation kurz zusammen: Erstens habe ich vorgeschlagen, innerhalb der Menge der institutionellen Tatsachen diejenigen, die wir als Zustände charakterisieren können, von denen, die sich als Akte darstellen, sorgfältig zu unterscheiden. Zweitens haben wir gesehen, daß es bei den institutionellen Tatsachen schwierig ist, die psycho-physischen Elemente von den im eigentlichen Sinne normativen Elementen zu trennen; daß man aber dadurch keineswegs gehindert wird, auf die Aussagen, die institutionelle Tatsachen zum Ausdruck bringen, die Sätze und Regeln des gewöhnlichen logischen Kalküls, insbesondere des Prädikatenkalküls, anzuwenden. Drittens habe ich mich zu zeigen bemüht, daß die Sätze, die sich auf institutionelle Akte beziehen, als Wahrheitsfunktionen von Sätzen darstellbar sind, die sich auf institutionelle Zustände beziehen. Schließlich, viertens, habe ich versucht, die grammatikalische Struktur der performativen Sätze zu analysieren, die institutionelle Sprechakte repräsentieren. Dabei habe ich auch erklärt, warum sich das Recht unter allen möglichen Sprechakten vornehmlich auf diejenigen bezieht, die ich als "Sprechakte im starken Sinne" bezeichne. Auf diese Weise habe ich mich bemüht, etwas zur "tiefengrammatikalischen Analyse" beizutragen- einer Analyse, zu welcher ich im Werk Ota Weinhergers Anregungen fand.
ßl. Juristische Argumentationstheorie im Lichte des Institutionalistischen Rechtspositivismus
SETZUNGS- ODER EXISTENZPOSITIVISMUS UND METHODISCHE RECHTSGEWINNUNG Von Franz Bydlinski, Wien I. Die in sich vielfältig differenzierte Grundauffassung vom Recht, die "Rechtspositivismus" genannt wird, erfordert an sich nähere Diskussion der für die Abgrenzung gegenüber anderen Grundauffassungen maßgebenden Kriterien und gestattet unterschiedliche systematische Unterteilungen. I Die gegenwärtigen Überlegungen wollen sich von vornherein auf zwei aktuelle theoretische Ansätze im Rechtspositivismus beschränken. Daß sie beide dieser Grundauffassung zuzurechnen sind, wird hier schon aufgrund ihres Selbstverständnisses und wegen des Gewichtes, das sie - in unterschiedlicher Weise- auf die reale Existenz, also auf die "Positivität" ihres Gegenstandes legen, ohne weitere Nachprüfung vorausgesetzt. Gemeint ist erstens die heute noch in Österreich durch ihren Einfluß auf die rechtswissenschaftliehen Vertreter des öffentlichen Rechtes geradezu offizielle positivistische Theorie, die teils unmittelbar, teils, zumindest in dem jetzt interessierenden Punkt, in verschiedenen Modifikationen und Abschwächungen, an die von Kelsen begründete "Reine Rechtslehre" anschließt. Dieser Punkt ist das maßgebende Verständnis der "Positivität" von Normen, dessentwegen man von "Setzungspositivismus" sprechen kann: Der reale, faktische Vorgang, der "Positivität" begründet, ist danach die "Setzung" der Norm durch menschliche Willensakte. Die Norm selbst, also das eigentlich präskriptive Phänomen, wird dagegen bloß als "Sinn" dieses faktischen Vorganges betrachtet. 2 1 Umfassende und differenzierte Übersicht bei W. Ott, Der Rechtspositivismus, 1976; einheitlich beschrieben (Recht als Befehls- und Zwangsordnung mit beliebigem Inhalt) wird der Rechtspositivismus dagegen etwa bei Lampe, Grenzen des Rechtspositivismus, 1988, S. 9. Das meistverbreitete und wohl brauchbarste Abgrenzungskriterium ist nach wie vor die strikte "rechtspositivistische Trennungsthese" von Recht und Moral. Exemplarische Belege für Anhänger und aktuelle, von ganz verschiedenen Ansätzen ausgehende Gegner dieser These bei Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze, 1988, S. 10, und ergänzend in: AcP 188 (1988), S. 482. Vgl. aber auchFN 38. 2 Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, S. 23; vgl. etwa auch Walter-Mayer, Grundriß des österr. Bundesverfassungsrechts, 6. Aufi. 1988, 8 . 1; Rill, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, in: ZfV 1985, S. 461 und 577.
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In einer berühmten anderen rechtspositivistischen Theorie, jener von
Hart, wird hingegen die systemtragende Norm, die "oberste Erkenntnisre-
gel", zugleich als eine komplexe "Tatsache" dargestellt3, während- soweit ich sehe- zu den anderen Normen des Systems eine ähnlich deutliche Charakterisierung nicht gegeben wird.
Der heutige Jubilar hat weit darüber hinaus betreffs des Normphänomens einen konsequenten- um eine anschauliche Bezeichnung zu wählen- "Existenzpositivismus" entwickelt: Die positive Norm ist auch, aber nicht bloß eine Gedankenentität; außerdem ist sie aber selbst, nicht etwa nur der Vorgang ihrer Entstehung, ein erkennbares soziales, genauer "institutionelles" Faktum. Sie kann nämlich nicht unmittelbar wahrgenommen, aber aus ihren Wirkungen auf menschliches Verhalten in den sozialen Institutionen erkannt werden. 4 In der Folge möchte ich versuchen, die beiden angesprochenen Grundpositionen der "Reinen Rechtslehre" (und ihrer Nachfolgetheorien) einerseits und des "institutionalistischen Rechtspositivismus" andererseits einschließlich der möglichen Konsequenzen zu vergleichen; und zwar unter dem Gesichtspunkt, der mich als professionellen Rechtsdogmatiker an der abstrakteren Rechtstheorie stets in erster Linie interessiert; nämlich unter dem Gesichtspunkt der Fruchtbarkeit für die Lösung der praktischen Aufgaben der Jurisprudenz. Nichts liegt mir allerdings ferner als die Behauptung, dies sei der einzige legitime Blickwinkel, aus dem man sich der Rechtstheorie nähern dürfe. Wofür ich aber, bei dieser Gelegenheit wie stets, entschieden eintreten möchte, ist das Postulat, daß ein legitimer und sogar besonders wichtiger Ansatz der Rechtstheorie in dem bewußten Streben danach bestehen muß, eine geeignete Grundlagentheorie für die praktische Jurisprudenz, also für die Rechtsdogmatik und für die rationalen und systematischen Elemente in der Rechtspolitik, zu schaffen.s Auch zu dem bezeichneten Streitpunkt zwischen Setzungs- und Existenzpositivismus möchte ich eine theoretisch eindringliche ontologische AuseinDer Begriff des Rechts, 1973, 8.151, 154, 157. Vgl. insbes. (MacCormick) I Weinberger, Grundlagen des institutionalistischen Rechtspositivismus, 1985, S.12ff., 28, 68ff., 17; dann ders., Recht, Institution und Rechtspolitik, 1987; sowie ders., Norm und Institution, 1988; eine frühe Fassung der Lehre bereits bei dems., Das Recht als institutionelle Tatsache, in: Rechtstheorie 11 (1980), S. 441. Diese Arbeiten werden in der Folge nur mit Verfassernamen und Jahreszahl zitiert. Eindringlich zum "Tatsachencharakter" des Rechts auch MacCormick, a .a.O., S. 59, 134. 5 Unter der praktischen Jurisprudenz ist die dem Recht zugewendete Disziplin zu verstehen, die die Aufgabe bestmöglicher normativer Orientierung der Rechtsgenossen bezüglich der praktisch gestellten oder möglichen Rechtsfragen erfüllt. Dazu muß sie auch die konkretesten und speziellsten, hic et nunc vorfindliehen Einzelregeln (freilich ebenso die universaleren, tieferen Normschichten!) zugrundelegen. Die Rechtstheorie oder Rechtsphilosophie verfolgt dagegen allgemeinere Erkenntnisinteressen sehr unterschiedlicher Art (zu einer Frage von Krawietz auf dem Weinberger-Symposion 1989). 3
4
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andersetzung über die Beschaffenheit von Nonnen im wesentlichen Berufeneren überlassen. Ich beschränke mich insoweit auf die Bemerkung, daß weder die Unterscheidung von Sein und Sollen noch etwa ein Postulat ontologischer Sparsamkeit durchschlagend dagegen sprechen, die positive Norm selbst statt bloß ihre Entstehung auch als soziales Faktum einzuordnen. Sie bleibt ja daneben auch ein präskriptives Gedankengebilde (was auch eine bloß gedachte oder sonst nicht wirksame Norm ist). Setzungspositivistische Versuche, die faktische Seite der Norm etwa zwecks Reduktion der relevanten Gegenstände oder zwecks leichter Feststellbarkeit von "Positivität" auf genauer umschreibbare Willensakte bestimmter Menschen, also auf die "Setzung", zu reduzieren, scheitern im Grunde vor allem an der Komplexität der Beziehungen, die regelmäßig zwischen einer Norm und dem Willen vieler verschiedener Menschen in verschiedenen Rollen bestehen. Diese Komplexität scheint allerdings kaum zureichend beachtet zu werden. Jedoch: Sogar ein Gesetz (als in der Tat "gesetztes" Recht) wird z.B. von Politikern oder sonstigen Vertretern der öffentlichen Meinung angeregt, von Beamten im Entwurf ausgearbeitet und aufgrund der Stellungnahmen zahlreicher Instanzen wieder abgeändert, sodann von der Regierung als Antrag eingebracht, im Parlament beraten und von der Mehrheit in jeder Kammer beschlossen, von obersten Staatsorganen kundgemacht, von den späteren Parlamentsmehrheiten nicht aufgehoben, von den Rechtsorganen weithin angewendet bzw. von den Rechtsadressaten weithin befolgt. (Andernfalls würde sogar nach dem Setzungspositivismus die Norm ihre Geltung und damit ihre spezifische, offenbar nicht reale Existenz verlierens; insoweit kommt es also auch nach dieser Auffassung nicht ausschließlich auf den Setzungsakt als Faktum an.) Alle diese Vorgänge etwa im Sinne einer übersimplifizierenden "Imperativentheorie" auf den "Befehl", also den geäußerten Willen bestimmter angebbarer, als "Souverän" oder "Imperator" bezeichneter Menschen betreffs des Verhaltens anderer Menschen zu reduzieren, geht ohne gewaltigen Realitätsverlust nicht an. Die Norm ist durchaus als Produkt realen menschlichen Willens zu verstehen; aber des realen Willens zahlreicher verschiedener Willenssubjekte, die viele und unterschiedliche Beiträge leisten. Schon wegen dieser gewaltigen und unauflösbaren Komplexität der Beziehungen zwischen Norm und menschlichem Willen hat die Jurisprudenz gar keine andere Wahl, als die Norm selbst als selbständige Entität zu behandeln, wenn es um die praktischen Aufgaben der Rechtswissenschaft geht. Akzeptabel wäre hingegen eine "Imperativentheorie", wenn sie die wesentliche Substanz der Norm in einem- sozial wirksamen- Willensinhalt 6
Kelsen, a.a. O., S. 218; Walter, Wirksamkeit und Geltung, in: ÖZöR 11 (1961),
s. 531ff.
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erblickte; d.h. wenn sie sich damit begnügte, daß der Norminhalt als Inhalt menschlichen Willens gedacht werden kann, ohne daß es aber nötig (und häufig ohne daß es möglich) wäre, bestimmte Menschen exklusiv als die normschaffenden Willenssubjekte zu ermitteln. Das Gesagte soll einstweilen nur die schwache Behauptung stützen, daß dem Existenzpositivismus keine zwingenden Gründe entgegenstehen. Keineswegs ausgeschlossen ist damit aber noch die These, auf die sich der Setzungspositivismus zurückziehen könnte, daß es für die Zwecke einer normativen Wissenschaft wie der Jurisprudenz geboten sei, von der Faktizität der positiven Norm selbst abzusehen, sich insoweit bloß mit der tatsächlichen Setzung (und der auflösenden Bedingung des Unwirksamwerdens?) zu begnügen und die Norm selbst bloß als "Sinn" in Betracht zu ziehen. Gerade insoweit muß es aber auf die angekündigte Fruchtbarkeitsprüfung vom Standpunkt der praktischen Jurisprudenz aus ankommen. Die dafür maßgebenden Aufgaben der Jurisprudenz sind hier nur ganz grob zu skizzieren: Die Hauptaufgabe besteht darin, das normative Orientierungsbedürfnis der Sozietät und vor allem ihrer Mitglieder, letztlich bezüglich des untereinander gesollten Verhaltens, zu befriedigen. Das fordert die rational bestmöglich begründete Gewinnung von Regeln, die die praktisch gestellten Rechtsfragen lösen. Andere Aufgaben, wie Analyse des unmittelbar vorfindliehen Inhaltes der Normenordnung und ihre zweckmäßig komprimierte Darstellung sowie die systematische Ordnung des gesamten, auch des erst methodisch gewonnenen Normenbestandes beziehen ihre unleugbare Wichtigkeit vor allem aus ihrer Vorbereitungsfunktion für die Rechtsgewinnung. Gefordert ist damit vor allem ein zureichend abgrenzbares und im Regelfall für die Problemlösungen zureichend ergiebiges normatives Prämissenmaterial; d.h. jedenfalls in meinem Verständnis ein adäquater Rechtsbegriff.7
n. 1. Von den grob umrissenen Aufgaben der praktischen Jurisprudenz aus sind nun die einschlägigen Unterschiede zwischen Setzungs- und Existenzpositivismus zu überprüfen. Bezüglich des Gesetzes im materiellen Sinn, also der von dazu legitimierten Organen bewußt-willentlich erlassenen generell-abstrakten Normen, kann diese Prüfung kurz sein. Sie liefert, wie sogleich vorweggenommen sei, auch ein neutrales Ergebnis; also keinen besonderen Vorzug der einen oder anderen Sichtweise.
Das gilt zunächst unter dem Gesichtspunkt, daß bewußt erlassene Normen von vornherein einen autoritativen Text aufweisen. Methodische Rechtsgewinnung kann und muß mit ihren Interpretationsmethoden weit7
Zu alldem näher Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982.
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hin an diesen anknüpfen. Auf den ersten Blick könnte die Charakterisierung der Norm als "Sinn" eines tatsächlichen Vorganges dabei als vorzugswerter Hinweis auf die der Jurisprudenz gestellten hermeneutischen Probleme erscheinen; besonders wenn man diese Charakterisierung als "sprachlichen Sinn" präzisierte. Jedoch: Es kann auch dem Existenzpositivismus keine Schwierigkeiten bereiten, im Falle der bewußt erlassenen Normen der unleugbaren Tatsache Rechnung zu tragen, daß sie stets bereits textlich gefaßt in Erscheinung treten. Die These, daß die positive Norm selbst (auch) eine institutionelle Tatsache ist, kann ja der vollen methodologischen Auswertung der Sprachgestalt, in der sie sich im Falle des Gesetzes präsentiert, offensichtlich nicht im Wege stehen. 2. Ein Punkt, an dem hingegen der Setzungspositivismus zunächst im Vorteil zu sein scheint, wird durch dessen zutreffende Beobachtung bezeichnet, daß autoritativ erlassene Normen häufig zunächst und manchmal auch langfristig - so glücklicherweise z. B. die Haftungsvorschriften des Österreichischen Atomhaftungsgesetzes - keine realen einschlägigen Sachverhalte finden. Sie können daher menschliches Verhalten auch nicht wirksam beeinflussen und entbehren somit der mit Hilfe dieser Beeinflussung definierten Tatsächlichkeit.a Der Setzungspositivismus schreibt den aufgrund einer höherrangigen Ermächtigung erlassenen positiven Normen insoweit die besondere (offenbar bloß gedankliche und nicht reale) Existenzweise der "Geltung" zu.9 Auch der Existenzpositivismus kann aber in solchen Fällen ohne besondere Schwierigkeit an die- tatsächlich wirksame- höhere Norm anknüpfen, die die Rechtsetzungskompetenz der gesetzgebenden Rechtsautorität begründet, welche die bisher anwendungslos gebliebene Norm erlassen hat. Ihretwegen hat nämlich auch die Gesetzesnorm, für die sich noch keine geeigneten Sachverhalte ereignet haben, die jedoch als Information bereitsteht, eine hohe reale Befolgungs- bzw. Anwendungschance für den Fall, daß solche Sachverhalte entstehen. In diesem Sinn hat auch eine solche Norm daher reale Existenz. Weinberger spricht allgemein von der "latenten Existenz" von Normen10 , ohne allerdings selbst ausdrückliche Folgerungen für die Geltungsproblematik zu ziehen. Doch könnte das existenzpositivistische Konzept, wie angedeutet, auch das Problem "bloßer Geltung" erfassen; s Allerdings stellt Weinberger, z.B. 1987, S.103, auf die "Wirkungsweise" des Rechts "in der ganzen Breite" ab; vgl. auch 132. Sollten also die genannten Haftungsregeln z. B. zu besonderen Sicherungsmaßnahmen geführt haben, läge auch darin eine relevante Wirkung auf menschliches Handeln. 9 Vgl. FN 6. 1o 1985, S . 18; allgemein zu "Potentialitäten" als Gegenstand der Erkenntnis 1987, S. 183.
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wenn auch mit einer gewissen Modifikation: Neben die Faktizität in Gestalt realer Wirksamkeit für menschliche Handlungen tritt jene in Gestalt der aufgrundder höheren Norm zu erwartenden Wirksamkeit.
m. Die existenzpositivistische Sicht legt aber weiter eine wichtige Verallgemeinerung der Möglichkeit nahe, daß die reale Wirksamkeit bestimmter Normen die- dann als hohe Befolgungs- und Anwendungschance zu verstehende- Tatsächlichkeit anderer Normen mitbestimmt: "Latente Existenz" kann nämlich ein adäquates Modell auch für die von der Jurisprudenz erst methodisch abgeleiteten Regeln sein. Diese werden freilich von der Rechtstheorie im allgemeinen vernachlässigt, obwohl die juristischen Entscheidungssammlungen, Kommentare, Lehrbücher, Grundrisse, Monographien und Abhandlungen von ihnen voll bzw. ihrer Begründung gewidmet sind. Logische Ableitung aus vorfindliehen Normen und solche mit Hilfe wahrer Tatsachenaussagen, deren Ergebnisse Weinberger sehr zutreffend zum "Recht" zählt11 , decken bereits einen wichtigen Teil der erst aufgrundder juristischen Methodenregeln erarbeiteten konkreteren Rechtsnormen. Die häufig notwendige interpretative Präzisierung in Vagheitsbereichen oder die Beseitigung vorläufig auftretender Widersprüche gehen aber z. B. darüber hinaus. Nach der hier vertretenen Meinung sollten aber alle methodisch gewonnenen Regeln (auch) als reale Gegebenheiten betrachtet werden, wenn und soweit sie infolge ihrer methodisch korrekten Ableitung aus der bereits vorher als wirksam vorfindliehen Rechtsordnung über eine hohe Anwendungsund Befolgungschance, weil über eine nachweisliche Grundlage im Willensgehalt ausdrücklich vorfindlieber Normen verfügen. Von der Jurisprudenz korrekt (wozu im ungünstigen Fall bloße Vertretbarkeit gehört) abgeleitete Regeln sind in dieser Sicht nicht bloß Produkte geistiger Begründungsarbeit, deren "Positivierung", ungeachtet der Begründung, ausschließlich auf einem neuen Willensakt des juristischen Beurteilers, insbesondere des Rechtsanwenders, beruht. Korrekte Gewinnung aus wirksamen Normen, aus den benötigten sonstigen Tatsachenfeststellungen sowie aus den methodischen Regeln (und dem durch diese bereitgestellten Rechtsgewinnungsmaterial) weist vielmehr die von der Jurisprudenz entwickelte Regel auch selbst als Phänomen mit "latenter Existenz" aus (wobei die Wirkungschance je nach der Qualität der Begründung freilich durchaus unterschiedlich sein mag). Die Jurisprudenz deckt also nicht nur impliziten "Sinn" auf, dessen 11
Z.B. 1988, S. 67 ("Mitgeltungsgrundsätze").
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"Positivierung" dann noch eine völlig selbständige Angelegenheit wäre, sondern auch eine bisher verborgene Realität. Erweitert man so das vom Existenzpositivismus für die bloß gültigen, für sich allein aber (noch) nicht wirksamen Normen angebotene Modell der "latenten Existenz", so ergibt sich eine wertvolle Möglichkeit für die praktische Jurisprudenz, eines der wichtigsten Phänomene angemessen zu erfassen, mit denen sie zu tun hat, nämlich die erst von ihr aus dem ihr vorfindliehen Recht gewonnenen Regeln. Auch die erst abgeleitete Regel bezieht positive Existenz bereits aus der vorweg vorfindliehen wirksamen Normenordnung. Der "Willensakt" des Rechtsanwenders, auf den der Setzungspositivismus wegen der Positivierung der abgeleiteten Regel so ausschließlichen Wert legt, ist gar kein besonderer "Willensakt". Die Beteiligung des Willens des Rechtsanwenders erschöpft sich vielmehr in der - normalerweise selbstverständlichen, gar nicht in einem besonderen "Akt" verdichteten- generellen Willenstendenz, die vorliegende Frage rechtlich zu beurteilen. Real kann die Hypostasierung eines entscheidenden "Willensaktes" nur als Ermutigung auf zum "Richterkönigtum" tendierende Rechtsanwender wirken, sich von den Ergebnissen noch so schlüssiger Rechtsgewinnung nach Ermessen zu dispensieren: Denn die "Positivierung" der gewonnenen Regel hängt ja angeblich durchaus von ihrem einschlägigen Willensakt ab, den sie daher auch ebensogut unterlassen können. Die vom Existenzpositivismus zwar nicht ausdrücklich gezogene, aber eben beschriebene Konsequenz kann dagegen die Gefahren vermeiden, die der methodischen Rechtsgewinnung aus solcher Überzeichnung der Rolle des Richters drohen. IV.
Nunmehr sind aber noch die Arten von Rechtsnormen zu betrachten, die nicht durch eine Rechtsautorität bewußt und willentlich erlassen wurden, sondern - in der Terminologie von Hayeks - "spontan" durch vielfältige, zunächst unkoordinierte Aktivitäten zahlreicher Menschen (die häufig gar nicht mehr rekonstruiert werden können) entstanden sind.l2 In der traditionellen Rechtsquellenlehre wird dieser Typ von Rechtsnormen ausschließlich durch das Gewohnheitsrecht repräsentiert, dessen Merkmale allgemein geübtes Verhalten im Rechtsverkehr selbst und allgemeine (daher heute 12 Vgl. von Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit I, 1980, S.14, 51, 57, 69, 74, 106, 123, 133, 155, 179; li, 1980, S. 65, 75, 144; III, 1981, S. 225. Entsprechende Vorstellungen haben unter der Bezeichnung "Volksrecht" die "historische Rechtsschule" beherrscht; vgl. Puchta, Cursus der Institutionen, 9. Aufl. 1881, S. 15 und insbes. Savigny, System des heutigen römischen Rechts I, 1840, S. 13, 34; im Anschluß an diese beiden später Eugen Ehrlich, Gesetz und lebendes Recht, jetzt im gleichnamigen Sammelband 1986, S. 228ff. (Hrsg. M. Rehbinder).
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wohl stets auch von den staatlichen Rechtsanwendungsorganen betätigte) Rechtsüberzeugung sind. Unstreitig bestanden und bestehen große Teile wichtiger Rechtsordnungen, wie z.B. common law, Völkerrecht und gemeines Recht aus Gewohnheitsrecht. Der Setzungspositivismus, der eine ganz allgemeine Rechtstheorie geben wollte, mußte daher das Gewohnheitsrecht grundsätzlich als Bestandteil des positiven Rechtes akzeptieren. Doch ist schon die Auffassung Kelsens 13 in diesem Punkt merkwürdig ambivalent: Fehle es an einer verfassungsrechtlichen Regelung, dann müsse, wenn die Anwendung eines Gewohnheitsrechts und insbesondere eines dem Gesetz derogierenden Gewohnheitsrechts als rechtmäßig angesehen werden solle, vorausgesetzt werden, daß die Einsetzung der Gewohnheit als rechtserzeugender Tatbestand schon in der Grundnorm erfolge. Dieser Ausweg über die Grundnorm ist wegen ihrer insoweit offenbar beliebigen Definierbarkeit gewiß bequem. Ob aber nun diese Voraussetzung theoretisch tatsächlich zu machen ist oder nicht, bleibt in der referierten Formulierung offen. Jedoch ist die Einbeziehung von Gewohnheitsrecht, das schon definitorisch "wirksam" sein muß, doch vorentschieden durch den auch dem Setzungspositivismus letztlich zugrundeliegenden Entschluß, die im großen und ganzen wirksame Zwangsordnung zu erfassen. R. Walter14 hat daher auch konsequent die theoretische Notwendigkeit einer entsprechend weiten Fassung der Grundnorm für den Fall akzeptiert, daß Gewohnheitsrechtsregeln überhaupt vorhanden sind (übrigens eine Voraussetzung, die man ohne Anleihen beim Existenzpositivismus kaum oder nur in sehr komplizierter Weise umschreiben könnte). Genau diese faktische Voraussetzung leugnet Walter aber für Österreich, worin ihm auch andere Autoren folgen.l 5 Zur Begründung müssen alle die rechtlichen Regeln, die allgemein und (oder) nach dem Selbstverständnis der Gerichte, die sie anwenden, als Gewohnheitsrecht qualifiziert wurden, wegargumentiert werden. Ich kann in die Erörterung auch nur der weithin anerkannten und durchaus unvollständigen Beispiele für Gewohnheitsrecht in Österreich, die ich an anderer Stelle genannt habel 6 , hier nicht eintreten. Daß sie insgesamt nur durch eine reine Argumentation vom Ergebnis her weginterpretiert werden können, ist aber meine feste Überzeugung. Als Beispiel möchte ich nur die vollkommen gesicherte, aber in keinem Gesetz enthaltene Norm erwähnen, daß sportregelgerechte und generell unvermeidliche, sporttypische Gefährdungen und Verletzungen bei der Ausübung anerkannter Sportarten rechtmäßig sind. Die Norm ist zivil- und strafrechtlich höchst bedeutsam. 13 A. a. 0. S. 231 ff.; vgl. auch die umfassende Untersuchung von Mokre, Theorie des Gewohnheitsrechts, 1932. 14 Die Gewohnheit als rechtserzeugender Tatbestand, in: OJZ 1963, S. 225. 1s Insbes. Schäffer, Rechtsquellen und Rechtsanwendung (Verh. des 5. Osterr. Juristentages 1973, 1/1 B), S. 55. 16 A.a. O., S. 219f.
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Die Bemühung, durch überaus gesuchte, gelegentlich eindeutig unrichtige Argumentationen aus dem Gesetz, die zu denselben Ergebnissen führen sollen, die Anerkennung von Gewohnheitsrecht zu vermeiden, beruht offenbar auf der Befürchtung, durch die theoretisch konsequente weite (das Gewohnheitsrecht mit abdeckende) Fassung der Grundnorm in Konflikt mit der Verfassung zu geraten, die die Rechtsnormtypen angeblich erschöpfend aufzählt, ohne des Gewohnheitsrechts zu gedenken. Doch beziehen sich die (innerstaatlichen) Rechtsnormtypen, die die Verfassung nennt, ausschließlich auf bewußt-willentliche Erlassung von Normen. Sie läßt- ohne taugliche Überbrückungserwägungen, die bisher nicht vorliegen - also überhaupt keine, daher auch keine negativen Schlüsse auf "spontan" entstehende Normentypen zu. Die These, daß die Verfassung das Gewohnheitsrecht im Hinblick auf ihren erschöpfenden Rechtsquellenkatalog durch Nichterwähnung ausschließe, bleibt also petitio principii.17 Auch bei grundsätzlicher Bereitschaft zur theoretischen Konsequenz auf der Ebene der Grundnorm ist die Position des Setzungspositivismus zum Gewohnheitsrecht somit undurchsichtig bis - in der Behandlung des real vorhandenen Gewohnheitsrechts - voreingenommen negativ geblieben. Die Vermutung, daß dies einen strukturellen Mangel anzeigen könnte, wird nahegelegt durch einen ganz grundsätzlichen Einwand, der dem Setzungspositivismus in diesem Zusammenhang bereits unwiderlegt gemacht wurde: Von HayeklB hat darauf hingewiesen, daß der für diese Theorie zentrale Begriff der "Setzung" keinen Sinn macht, wenn man ihn auf die - unbekannte und ungeplante - Entstehung von Gewohnheitsrecht anwendet. Gewiß kann auch Gewohnheitsrecht als Produkt menschlichen Willens verstanden werden, wie schon die nachhaltig und langwierig tatsächlich betätigte Rechtsüberzeugung als seine Grundlage zeigt. Rechtsüberzeugung und Setzung sind aber zweierlei. Ob überhaupt jemals jemand die Absicht hatte, die Gewohnheitsre~htsnorm einzuführen, oder ob ihr nicht vielleicht von vornherein die verbreitete Meinung zugrunde lag, die Regel gelte einfach bereits seit jeher, ist nicht feststellbar und gleichgültig. Wo soll also die positive "Setzung" der Norm liegen, wenn man über deren Entstehung gerade nichts weiß und nur die tatsächliche Wirksamkeit der Norm selbst überprüfbar gegeben ist? Genau über das Positivitätsmerkmal, auf das der Setzungspositivismus das entscheidende Gewicht legt, läßt sich in Wahrheit nichts sagen. Vom Boden des Setzungspositivismus aus, aber zugleich eindringlich kritisch hat sich jüngst Jabloner mit den Schwierigkeiten auseinandergesetzt, n Dem längst gegen diese These gerichteten aliud-Argument (Bydlinski in Klang IV/2 2, S.167) wurde freilich nicht argumentativ, sondern durchsachfremde Bemerkungen über ein angeblitrh mangelhaftes Demokratieverständnis des Kritikers begegnet, vgl. Schäffer (FN 15)', S. 54. 1s A.a.O. II, S. 74. 6 RECHTSTHEORIE, Beiheft 14
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die der Setzungspositivismus mit dem Gewohnheitsrecht hat.19 Er kommt zu dem Ergebnis, daß man (von der völlig unbeweisbaren Möglichkeit, "individuelle" Willensakte als Grundlage auch für die Entstehung von Gewohnheitsrecht anzunehmen, abgesehen) entweder die "Imperatortheorie", also letztlich den Begriff der Setzung, auf gesatzte Normen beschränken müsse, oder daß man doch "kollektive Willensakte" als zwar problematische, aber auch kaum widerlegbare Grundlage zu akzeptieren habe. Die erste Alternative bedeutet das Zugeständnis der Unzulänglichkeit des Setzungspositivismus. Die zweite zielt allerdings vielleicht stärker auf ein anderes als das hier diskutierte Problem, nämlich auf primär psychologisch ansetzende Kritik. Diese weist sinngemäß häufig darauf hin, daß die Vorstellung von kollektiven Willensakten deshalb verfehlt sei, weil kollektive Wesenheiten in einem naturalistischen Sinn nicht existieren und daher auch keinen realen Willen bilden oder haben können. Für eine Sicht wie die existenzpositivistische oder die der praktischen Jurisprudenz kann das jedoch gleichgültig sein. Der Hypostasierung kollektiver Überwesen bedarfes-außer vielleicht gelegentlich für Zwecke terminologischer Vereinfachung- gewiß nicht. Versteht man nämlich wirksame Normen als selbständige reale Entitäten, so genügt für ihre Zurückführung auf menschlichen Willen die Vorstellung, daß menschlicher Wille, durchaus verstanden als Wille von Individuen, übereinstimmenden oder ergänzenden Inhalt haben kann. Hier kann es etwa um den Willen gehen, eine Norm bestimmten Inhaltes zu erlassen, dort um den Willen, eine Norm anzuerkennen, zu befolgen oder anzuwenden. Eine solche Vorstellung von "kollektiven Willensakten" ist für die Zwecke der Jurisprudenz völlig zureichend und erscheint geradezu banal. Ohne sie würden übrigens nicht etwa nur die Normen des Gewohnheitsrechts, sondern auch jene des positiven Gesetzes in ihrer Entstehung unerklärlich: Denn selbst wenn man sich auf die "formellen" Gesetzgeber beschränkte, ist der maßgebende Wille jener der Parlamentsmehrheit, also ein "kollektiver Wille", der durch den Gesetzesbeschluß, also einen "kollektiven Willensakt", zum Ausdruck kommt. Der Rückgriff auf "kollektive Willensakte" muß also für die Jurisprudenz eine Selbstverständlichkeit, nicht aber eine als mögliche Lösung zu erwägende Alternative gerade beim Gewohnheitsrechtsproblem sein. Der springende Punkt ist vielmehr Beschaffenheit und Inhalt des "kollektiven Willensaktes", der als faktische Grundlage der Entstehung von Gewohnheitsrecht in Frage kommt. Er wird vom Setzungspositivismus, ganz ebenso wie bei der Gesetzgebung, als "Setzung" der Rechtsnormen bezeichnet. Sprachlich bedeutet aber "Setzung" von Recht (ähnlich wie z.B. 19 Kein Imperativ ohne Imperator, in: Walter (Hrsg.), Untersuchungen zur Reinen Rechtslehre II, 1988, S. 87.
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die "Setzung" einer Hypothese) eine beabsichtigte Kreation von Rechtsnormen durch einen gezielten, umschreibbaren Vorgang. Der Begriff paßt also, wenigstens in seinem aussagekräftigen Kernbereich, nur für die Gesetzgebung. Das ist auch sachlich von erheblicher Bedeutung: Die "Setzung" ist nach dem Setzungspositivismus das faktische Phänomen, das der Rechtsnorm allein ihre "Positivität" verleiht. Ist nun ein überprüfbarer und feststellbarer Vorgang der "Setzung" zwar bei der Gesetzgebung unproblematisch, bei der Entstehung von Gewohnheitsrecht aber jedenfalls nicht feststellbar,- ist hier nämlich die allerdings nötige Grundlage im menschlichen Willen von ganz anderer, diffuser und weithin der Überprüfung entzogener Beschaffenheit,- so wird für das Gewohnheitsrecht die im Setzungspositivismus vorausgesetzte tatsächliche Grundlage in Wahrheit bloß behauptet. Das erklärt wohl letztlich die schon referierte theoretische Inkonsequenz und die Schwierigkeiten, die das Gewohnheitsrecht dem Setzungspositivismus bereitet. In der Sache müßte der Setzungspositivismus beim Gewohnheitsrecht eben auf das Positivitätskriterium des Existenzpositivismus zurückgreifen, nämlich einfach auf die reale Wirksamkeit (Existenz) der Norm, wie immer diese entstanden sein mag. Die Verwendung des Begriffes der "Setzung" auch hier kann diesen bedeutsamen Unterschied nur verschleiern. Er sollte also tatsächlich der Gesetzgebung im materiellen Sinn vorbehalten bleiben. Das Zugeständnis, daß die Jurisprudenz auch mit Normen unbekannter Provenienz zu tun hat, fällt dem Setzungspositivismus wohl aus zwei Gründen schwer: Zu den verschiedenen philosophischen Tendenzen (gewiß nicht wissenschaftstheoretischen Notwendigkeiten!), die in seiner Grundlegung zusammengeflossen sind2o, gehört- im Sinne des inzwischen sogar für die Naturwissenschaften längst gemilderten, radikalen "positivistischen Sinnkriteriums" -das Streben nach eindeutiger und einfacher Verifizierbarkeit der Ausgangssätze. Der einfache Test der "Setzung" der Norm durch ganz bestimmte Menschen, die durch eine unstreitig übergeordnete Norm eindeutig als Rechtssetzungsorgane definiert sind, genügt dieser Tendenz in hervorragender Weise. Beim Gewohnheitsrecht bleibt dagegen von dieser Sicherheit und Einfachheit kaum etwas übrig. Das gilt selbstverständlich auch dann, wenn man seine Entstehung ebenfalls als "Setzung" bezeichnet. Die ambivalente Haltung des Setzungspositivismus zum Gewohnheitsrecht wird dadurch besser verständlich: Es hat zwar gewiß nichts mit Metaphysik zu tun, läßt sich aber nicht in der gewünschten einfachen Weise feststellen. Seiner anderen Verwurzelung in der idealistischen Philosophie verdankt der Setzungspositivismus wohl die Tendenz zur eindeutigen Systemumschreibung; insbesondere zur scharfen Abgrenzung positiven Rechtes von sonstigen Normenordnungen. Dieser Tendenz läßt sich am radikalsten wie2o 6*
Vgl. etwa Schi ld, Die Reinen Rechtslehren, 1975.
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der dadurch entsprechen, daß man die systemzugehörigen Normen auf eine Entstehungsquelle, nämlich auf den Gesetz- und in der maßgebenden höheren Stufe auf den Verfassungsgeber jeweils als eine von anderen Menschen gut unterscheidbare Instanz zurückführt. Beim Gewohnheitsrecht ist nichts dergleichen möglich. (In Parenthese sei bemerkt, daß insbesondere ein einfacher positivistischer Test für die Qualifizierung von VerfassungsGewohnheitsrecht bisher offenbar nicht angegeben werden konnte.) Die verbleibende Möglichkeit, die immanente Systemeinheit des Rechtes unter Einschluß des Gewohnheitsrechtes erst auf der Ebene der Grundnorm zu konstituieren, führt mitten in die schon referierte Ambivalenz. Auch die Tendenz zur einfachen Systemabgrenzung wird somit durch das lästige Phänomen des Gewohnheitsrechtes beeinträchtigt. Letztlich verschwimmt, wie Jabloner richtig sieht, wegen der Undurchsichtigkeit des Entstehungsvorganges ja sogar die Grenze zum "Naturrecht", wenn dieses in Gestalt von wirksamen Gewohnheitsnormen auftritt. 21 Dazu kommt noch, daß auch die zweite Hälfte der grundlegenden setzungspositivistischen Sicht auf das Gewohnheitsrecht schwer anwendbar ist; nämlich das Verständnis der Norm selbst als bloßer "Sinn" eines tatsächlichen Vorganges. Präzisiert man dies, in Ermangelung einer deutlichen Explikation dieses Sinnbegriffes durch den Setzungspositivismus selbst, als "sprachlichen Sinn", so fällt ja sogleich auf, daß das Gewohnheitsrecht einer genuinen, autoritativen Sprachgestalt entbehrt. Insoweit ist es hier erste Aufgabe der Jurisprudenz, der Gewohnheitsrechtsnorm einen, gemessen an Übung und Rechtsüberzeugung, korrekten sprachlichen Ausdruck zu geben. Die allgemeine Überzeugung und Übung betreffs der Sportverletzungen z. B. war gewiß längst vorhanden, bevor die Gewohnheitsrechtsnorm rechtswissenschaftlich zu einer knappen Regelformulierung verdichtet wurde. Beim Gewohnheitsrecht fehlt also nicht nur die feststellbare "Setzung", sondern zunächst auch die eigentliche Norm, wenn man sie als (sprachlichen) "Sinn" eines wie immer zu beschreibenden tatsächlichen Vorganges versteht. In bezugauf das Gewohnheitsrecht und den Setzungspositivismus kann man also letztlich mit geringer Übertreibung sagen: Nichts paßt so recht. Der Existenzpositivismus hat mit dem Gewohnheitsrecht offenbar keine vergleichbaren Schwierigkeiten. Das ist aufgrund seines Ansatzes banal: Wirksame Regeln, die (u. a.) mit staatlichem Zwang durchgesetzt werden, sind in seiner Sicht ohne weiteres positive Rechtsnormen. Ähnlich verhält es sich mit dem allerdings vom Gewohnheitsrecht zu unterscheidenden, weil nur subsidiär bindenden "Richterrecht"; einem der wichtigsten Phänomene, mit denen die praktische Jurisprudenz zu tun hat. Wie die Rechtstheorie im 21
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allgemeinen, so weiß auch der Setzungspositivismus die generellen Regeln des Präjudizienrechtes22 in das normative System nicht einzuordnen.
v. Ungemein folgenreich sind für die praktische Jurisprudenz vor allem die methodischen Konsequenzen der unterschiedlichen Grundansätze: Der Setzungspositivismus kennt nur die positiv gesetzten "Rechtsvorschriften" und allenfalls die- praktisch unbrauchbare, weil nicht einmal formulierbarevollständige, eigentliche "Rechtsnorm".23 Durchaus wirksame und daher "positive" normative Größen im Vorfeld der "Setzung", wie die konkret bei der Gesetzgebung verfolgten Zwecke und die allgemeinen sowie die ganz fundamentalen Wertprinzipien, auf denen die Rechtssetzung, in der Regel kompromißhaft, aufbaut, gehören mangels positiver "Setzung" auch nicht zum Recht. Die ursprüngliche scharfe Konsequenz war, daß die positiven Rechtsvorschriften begrifflich keine Lücken haben können und daß die Auslegungsfragen, die sie aufwerfen, grundsätzlich nur durch das Ermessen des zuständigen Rechtsorganes, also durch dessen Willensentscheidung, gelöst werden können. 24 Dieser "methodologische Nihilismus"2 5 ist, vom Standpunkt der praktischen Jurisprudenz im Ergebnis sehr erfreulicherweise, allmählich überwunden worden; u.a. mit Hilfe der Vorstellung, daß die traditionell überkommenen Rechtsanwendungsmethoden, wie sie etwa in den §§ 6 und 7 ABGB ausgesprochen sind, vom Verfassungsgeber vorausgesetzt und daher implicite mit "gesetzt" worden seien. Die schlimmsten Folgen für die praktische Jurisprudenz, die ansonsten gedroht haben, ließen sich so reduzieren.2s Praktisch ist aber einerseits nicht akzeptabel, daß auf diese Weise Verbesserungen der juristischen Methoden über den überkommenen Stand hinaus offenbar ausgeschlossen sein sollen; ferner auch, daß sich der ungeheuer restriktive rechtstheoretische Grundansatz da oder dort immer noch unkontrolliert gegenüber der ihm unverbunden aufgepfropften methodologischen Ergänzung durchsetzt: Das ist z.B. der Fall, wenn von den überkommenen Methoden der Rechtsgewinnung der Analogieschluß im Falle "teleologi22 Dazu Bydlinski, a.a.O., S. 501ff.; seither weitere Auseinandersetzungen mit neueren Äußerungen zum Problem bei dems., in: Rechtstheorie 16 (1985), S. 40ff., JZ 1985, 8.149; Recht, Methode und Jurisprudenz, 1988, S. 34ff.; vgl. ferner Picker, Richterrecht oder Rechtsdogmatik, in: JZ 1988, S. 1 und 62. 23 Vgl. Kelsen, a .a.O., S. 57f. ; kritisch dazu Walter, Der Aufbau der Rechtsordnung, 2. Aufl. 1974, S.ll, 18. 24 Kelsen, a . a.O., S. 25lff.; 346ff. 25 Adomeit, Rechtstheorie für Studenten, 2. Aufl. 1981, S. 77. 26 Vgl. etwa Walter, Österr. Bundesverfassungsrecht, 1972, S. 83ff., 95ff.
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scher" Lücken und der in letzter Linie mögliche und nötige unmittelbare Rückgriff auf allgemeine bzw. "natürliche" Rechtsgrundsätze entgegen der Ausgangsthese (sie gehören ja zu den überkommenen Methoden!) wieder gestrichen werden. Theoretisch nicht akzeptabel ist aber eben diese methodologische, dem engen Rechtsverständnis äußerlich hinzugefügte Grundthese selbst: Verfassungsgeber pflegen nach der juristischen Erfahrung an alles andere eher zu denken als an die methodischen Probleme der Jurisprudenz. Das spricht schon allgemein gegen die Annahme eines kollektiven Willens der Verfassungsgeber auf Globalrezeption (oder gar auf selektive Rezeption!) der üblichen juristischen Methoden. Daß es sich bei Erlassung der Österreichischen Verfassung anders verhalten hätte, dafür wurden keine konkreten Anhaltspunkte vorgewiesen. Unzureichend sind aber auch Weiterentwicklungen des Setzungspositivismus, die die benötigten methodischen Regeln der Jurisprudenz durch allgemeine erkenntnis- oder sprachtheoretische überlegungen, also ganz rechtsunabhängig, gewinnen wollen. In zureichend umfassender und aufgabenspezifischer Weise kann dies nicht gelingen. 27 Der Ansatz des Existenzpositivismus bei den wirksamen Normen selbst führt dagegen zu methodisch für die praktische Rechtsgewinnung wichtigen Konsequenzen, ohne des Umweges über frei behauptete Willensfiktionen in bezugauf formale Setzungsorgane oder ähnlicher Auswege zu bedürfen: Die real bei der Gesetzgebung wirksamen Zwecke und allgemeinen Prinzipien sind eben schon wegen dieser ihrer realen Wirksamkeit normative Größen des Rechtssystems. Die praktische Jurisprudenz behält damit ohne weiteres die wichtigsten benötigten Instrumente. Die methodischen Regeln der Jurisprudenz, die auch selbst auf die genannten normativen Größen verweisen und deren Status gewiß kompliziert ist28 , besitzen damit weiterhin ebenfalls ihre Grundlage in sehr fundamentalen Rechtsgrundsätzen und zugleich legitimerweise ihre von Willensfiktionen unabhängige reale Wirksamkeit bei der Rechtsgewinnung als Merkmale ihrer Positivität. Einfach formuliert, sind es vor allem die Prinzipienschichten verschiedener Abstraktionsgrade, die damit der Jurisprudenz neben der zur unmittelbaren Anwendung bestimmten Schicht der Rechtsregeln weiterhin als Präzisierungs- und Kontrollinstrumente zur Verfügung stehen.29 Hurtiger Rückgriff auf Eigenwertung, wie er heute in manchen Strömungen der Jurisprudenz so beliebt ist, erweist sich so als bloß bequem, nicht Das zeigt sich etwa bei Rill, a.a.O. Vgl. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982, S. 78. 29 Zur Gegenüberstellung von Regeln und Prinzipien etwa Weinberger, 1988, S. 95; Bydlinski, Fundamentale Rechtsgrundsätze, 1988, S.121ff. und die dortigen Angaben. 27
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aber legitim. Der Jubilar sieht seinen institutionalistischen Positivismus selbst deutlich auch unter dem Aspekt der Forderung nach tunliehst rational begründbarer Rechtsgewinnung. Er zählt ausdrücklich nicht bloß die positiv gesetzten oder gewohnheitsrechtlich entstandenen konkreten Regeln, sondern auch die Rechtsgrundsätze, die gesellschaftlichen Wertstandards und den teleologischen Hintergrund zum Gegenstand der juristischen Betrachtung und zum Rechtssystem sowie ausdrücklich zum "positiven Recht" .30 Und er sagt ausdrücklich, daß dieses weite Rechtsverständnis nötig ist, um die nach rationaler Begründung strebende Jurisprudenz und Rechtspraxis nicht zu verstümmeln und durch Willkür zu ersetzen.31 Dieses Anliegen, wie den weiten und differenzierten Rechtsbegriff, teile ich uneingeschränkt mit dem Jubilar. VI.
Was die konkrete Ermittlung und die methodische Verwertung dieses ganzen normativen Materials in der rechtlichen Argumentation betrifft, stellen sich selbstverständlich viele weitere Fragen, nämlich jene der ganzen juristischen Methodenlehre, von denen hier nicht mehr weiter die Rede sein kann. Nur eine von ihnen möchte ich, auch zur Markierung der Grenzen meiner Übereinstimmung, abschließend andeuten. Der Jubilar hebt ausdrücklich und mit Recht hervor, daß das gesellschaftliche Realsein der Normen im Sinne seiner Version des Rechtspositivismus (zwar besonders bei Rechtsnormen, aber) auch bei anderen Normen ausgeprägt ist. 32 Auf der Ebene der konkreten Verhaltensregeln läßt sich dennoch relativ einfach zwischen positiven Rechts- und ebenso positiven Moralnormen durch das Merkmal des (staatlich) organisierten Zwanges unterscheiden; ebenso bei konkreten Ermächtigungsnormen, die direkt auf die Entstehung solcher rechtlicher Verhaltensnormen ausgerichtet sind. Auch die unmittelbaren Zwecke (rationes legis) lassen sich wohl noch zureichend durch ihre einfache (Motivations-)Beziehung zur positivierten Rechtsregel selbst erfassen. Auf die Verbindung zur Realinstitution "Staat" stellt denn auch der Jubilar seine Deutung von Recht ausschließlich ab.33 Viel schwieriger wird es aber offenbar mit der angestrebten Trennung von Recht und sonstigen Normenordnungen, hier insbesondere der Sozialmoral, auf der Ebene der allgemeinen normativen Leitziele, also der Prinzipien. Gewiß kann auch 3o Die letztere Terminologie halte ich allerdings für wenig zweckmäßig, da der Begriff des "positiven Rechts" im Sprachgebrauch stark auf die formalisierte staatliche Zwangsordnung fixiert ist. 3l Weinberger, 1985, S. 32f., 45, 149; ähnlich 1988, 8 . 122; 1987, S. 91. 32 Z.B. Weinberger, 1985, S. 69; ähnlich 1987, 8.189 (im Original ohne Hervorhebung). 33 Z.B. Weinberger, 1985, S. 71 ; ausführlicher 1988, S. 38ff.
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bei ihnen die Wirkung auf den Inhalt der positiven Rechtsinstitute und Rechtsregeln ein wichtiges Kriterium bei der Unterscheidung zwischen (zugleich) rechtlichen und bloß moralischen Prinzipien sein. Für sich allein reicht es jedoch nicht aus, vor allem wenn man die Frage bedenkt, wieweit teilweise positivierte Prinzipien über diese Teilpositivierung hinaus etwa zur Feststellung und Füllung einer Gesetzeslücke heranzuziehen sind. Nur ein Beispiel: Das allgemeine Prinzip der (austeilenden) Gerechtigkeit als Gleichmaß ist den Rechtsautoritäten rechtlich verbindlich auferlegt; mindestens (und auch für eine positivistische Sicht) durch den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz der Verfassung (auf Nuancenunterschiede soll es hier nicht ankommen). Zwischen sonstigen Subjekten hat es höchstens moralische Bedeutung: Verwandte, Nachbarn, Freunde, Geschäftspartner etc. braucht man rechtlich keineswegs gerecht bzw. gleichheitsgemäß zu behandeln. (Das gilt jedenfalls sicher im Grundsatz; auf etwaige Ausnahmen soll es hier wieder nicht ankommen.) Eine Begründung dafür wird ohne Bezugnahme auf sehr allgemeine Maximen, wie das Freiheits- und das Utilitätsprinzip, schwerlich möglich sein. Solche allgemeine, wie schon die Rechtsvergleichung lehren kann, durchaus positiv wirksame Prinzipien müssen als notwendige und geeignete Fundamente für weitere rechtliche Argumentation erst durch rational angeleitete Selektion bereitgestellt werden. Rückschlüsse aus den positivrechtlichen Einzelregeln oder Instituten reichen dafür allein schwerlich aus. Auch Weinbergers 34 im Ansatz durchaus überzeugende Überlegungen dazu, daß Grundsätze vor ihrer argumentativen Verwendung im Recht als Rechtsgrundsätze ausgewiesen werden müssen, reichen m.E. bei mehreren Varianten dieser Beweisführung nicht weit genug; nämlich bei der Abstraktion eines Grundsatzes aus einer Summe von Vorschriften oder auch Präjudizien und insbesondere bei der Schaffung neuer Prinzipien aufgrund der Rechtserzeugungskompetenz des Richters. Wieweit diese Abstraktion legitim ist und wieweit jene Kompetenz reicht, darüber läßt sich, unscharf genug, nur argumentieren, wenn man einerseits von den Einzelregeln des positiven Rechtes und anderseits von einer einstweilen als fundamental zugrundegelegten Prinzipienschicht ausgeht. Das Hauptproblem für die praktische Jurisprudenz bildet nicht etwa die Versuchung, von den positiv wirksamen zu leicht zu bloß spekulativen Prinzipien überzugehen: Will sie nicht im luftleeren Raum arbeiten und in der Realität unbeachtet bleiben, ist die Jurisprudenz ja auf eine handfeste, nachprüfbare Grundlage in positiv vorfindlichen, also wirksamen Normen stets angewiesen. Tatsächlich braucht sie zur bestmöglichen Erfüllung ihrer Aufgaben sogar eine Mehrzahl von- kritisch aufeinander abzustimmenden 34 1988, S. 97; nur teilweise hinsichtlich der Kriterien übereinstimmend 1987, 8.120.
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- Positivismen; nämlich (für die konkretesten Rechtsfragen) den Rechtsprechungspositivismus; sodann den Gesetzespositivismus; schließlich den historischen Positivismus (etwa im Sinn der rechtshistorischen Schule), der die jeweils in den unbeliebigen normativen Tiefenschichten herausgebildeten Prinzipien gegebener (auch staatsüberschreitender!) Sozietäten beachtet; letztlich einen universal-anthropologischen Positivismus als das zugleich empirische Element der rationalistischen Naturrechtslehren für die Erschließung der in jeder Richtung allgemeinsten Prinzipien. Diese notwendige Vielfalt ist es schon, vor der der Setzungspositivismus versagt und die der Existenzpositivismus im Ansatz adäquat bewältigen könnte. Denn einige der genannten Normenarten sind offenkundig nicht oder nicht erkennbar "gesetzt" worden, aber unleugbar institutionell wirksam. Was aber bleibt, ist vor allem die Aufgabe, in das ganze, gewaltige und differenzierte Normenmaterial durch systematische Bestimmung des Verhältnisses der genannten Normenarten zueinander und durch Herausarbeitung der inhaltlichen Begründungszusammenhänge zwischen den Normen des Systems bestmögliche Konsistenz und damit Ordnung und Anwendbarkeit hineinzubringen. Das kann nur auf der Basis von fundamentalen Prinzipien geschehen, die als solche, ungeachtet ihrer Positivität, auch durch rationale Überlegungen ausgezeichnet werden müssen. Bei diesen Bemühungen, aber auch bei der rechtsdogmatischen Einzelarbeit, mußte die Jurisprudenz immer schon, deswegen viel gescholten, als "Rohstoff" Aussagen über Normen und über tatsächliche Zusammenhänge und Realitätsausschnitte verwenden; also eine Verbindung von "Normativismus" und "Realismus" 35 pflegen, wie sie rechtstheoretisch ein Ergebnis des "institutionalistischen Rechtspositivismus" darstellt (der sich insoweit übrigens mit entwickeltem Naturrechtsdenken eng berührt).36 Diese bewußte Verbindung ist es, die dem Existenzpositivismus eine starke Affinität zur praktischen Jurisprudenz gibt, ohne aber eine noch weitere Annäherung zu erübrigen. Die Richtung wurde schon angedeutet: Es geht um bestmögliche inhaltliche Konsistenz des Normensystems, die ihren Ausgang von einer Basisschicht sehr allgemeiner, aber doch rahmenhaft orientierender Prinzipien nehmen muß. Zahlreiche notwendige Entscheidungen auf allen normativen Stufen werden dadurch gewiß nicht erspart, aber wenigstens in gewissem Umfang angeleitet. Versteht man dagegen die Einzeldezisionen als ganz autonom, so ist das normative Chaos unausbleiblich und wird der Wertungswiderspruch zum Regelfall. Weinberger, 1988, S. 74. So wird die Seinszugehörigkeit (Existenz) vorfindlicher Normen z.B. unterstrichen von Waldstein, Entscheidungsgrundlagen der klassischen römischen Jurisprudenz, in: Aufstieg und Niedergang der römischen Welt II, 1976, S. 13 ff. 35
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Der Jubilar bietet selbst für die Suche nach prinzipiellen Fundamenten, die nicht Produkte des Staates, sondern der - weiter oder enger verstandenen -menschlichen Sozietäten selbst sind, bedeutsame Ansätze; so wenn er Harts Naturrechtsminimum im positiven Recht unter dem Namen der grundlegenden Regelungsaufgaben übernimmt; wenn er die Postulate der Rechtsidee als allgemeine Ziele des Rechts akzeptiert; wenn er anthropologische Schranken für akzeptables Sollen anerkennt; wenn er meint, daß man wenigstens manchmal relativ zu sehr plausiblen Ansätzen erkennen kann, was ungerecht ist, und wenn er die Gerechtigkeitsprinzipien für teils biologisch, teils kulturell fundierte Bestandteile der Handlungsdetermination hält. 37 Auch mit Hilfe dieser Ansätze ließe sich m.E. weithin die für die praktische Jurisprudenz nötige systematisch-prinzipielle Reflexion leisten und durch deren orientierende Wirkung in der Folge die rationale Qualität der praktischen juristischen Alltagsarbeit verbessern, wenn man nur diese Ansätze zureichend mit eben dieser praktischen Arbeit in Verbindung bringt; vor allem mit der Lehre von den Rechtsgrundsätzen im allgemeinen, deren Zusammenhang mit den gerade referierten Ansätzen zu fundamentalen Rechtsprinzipien von Weinberger nicht ausdrücklich hergestellt wird. Von diesem weiteren Schritt zur praktischen Jurisprudenz und zu ihren Bedürfnissen sollte sich der Jubilar nicht durch zu globale Naturrechtsabneigung abhalten lassen. Gewiß kann man die hier wiederholt angesprochenen Basisgrundsätze als eine Art von Naturrecht betrachten (obwohl anderseits nichts zu dieser Terminologie zwingt). Ein gemäßigter Rechtspositivismus und ein gemäßigtes Naturrechtsdenken sind aber nicht nur miteinander vereinbar, wie P. Koller, ein begabter Schüler des Jubilars, gezeigt hat.aa Sie Z.B. Weinberger, 1988, S. 37, 38, 72, 218f. Zur Verträglichkeit von Naturrecht und Rechtspositivismus, in: Gedächtnisschrift Marcic II, 1983, S. 337ff.; vgl. auch Höffe, Politische Gerechtigkeit, 1987, S.llOff. Schon scharfe Abgrenzung zwischen Naturrechtsdenken und Rechtspositivismus ist für manche Versionen zweifelhaft. Wenn sie Weinberger, 1988, S . 73ff. mit Hilfe des "Non-Kognitivismus" versucht, wird dies schon dadurch problematisch, daß ein Mitbegründer des "institutionalistischen Rechtspositivismus" den "NonKognitivismus" wegen der Voraussetzungsabhängigkeit jedes Diskurses und wegen der Unvermeidlichkeit von "Wahrheitsansprüchen" mit "hypothetischer Qualität" für irrelevant hält (MacCormick, a . a. 0 ., S.58, 166). - Bedenklich ist allerdings die Art der "Überwindung" des Dualismus bei Krawietz, Recht als Regelsystem, 1984, S.150, der ihn für "hinfällig" erklärt, aber nur, um die strikte Trennungsthese zu vertreten (S.173), weil künftig allein von der "Positivität des Rechts auszugehen" sei. Zugleich äußert er sich allerdings kritisch zum "Gesetzes- und Rechtspositivismus" (S.176). Ob die Deutung eines bloßen Positivismus des Rechts als "Rechtsrealismus" ausreicht, um den Widerspruch aufzulösen, mag dahinstehen. Jedenfalls krankt die Überwindungsthese aber an der Unklarheit der dabei verwendeten Begriffe: Vom Setzungsbegriff abgesehen, werden offenbar durchaus positive Moralvorschriften ohne weitere Erklärung als "präpositives Recht" bezeichnet, nur um daraus sogleich eine "unzulässige Äquivokation" herzuleiten (S.173). Zugrundegelegt wird offenbar a priori ein gegenüber der Moral abtrennender Rechtsbegriff, über dessen Rechtfertigung man nichts Zureichendes erfährt. Daher fehlt vor allem die nötige Auseinandersetzung mit 37
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sind für die Zwecke der praktischen Jurisprudenz nach meiner Überzeugung (in der Sache und unabhängig von der Terminologie) sogar aufeinander angewiesen, wenn es um die notwendige inhaltliche Grundlagendimension des Rechts geht. Es ist an der Zeit, der Jurisprudenz den Weg auch zu dieser Dimension wieder zu eröffnen, den orthodoxe und einseitige Spielarten des Rechtspositivismus so nachhaltig versperrt haben.
den "Bedarfsargumenten", die für die Überwindung der Trennungsthese vorgetragen werden können. "Systemtheorie" scheint sich offenbar für alles andere eher zu interessieren als für die unentrinnbare Daueraufgabe aller praktischen Jurisprudenz und für deren bestmögliche Wahrnehmung. Wie wenig selbstverständlich die Trennungsthese auch im Rahmen der "Münsterer Schule" sein sollte, dafür vergleiche man etwa Schelsky, Die Soziologen und das Recht, 1980, S. 73, der sich nachdrücklich gegen das "juristische Axiom"(!) der Trennung von Recht und Moral wendet.
PRAKTISCHE ARGUMENTATION UND GERECHTIGKEIT BEI OTA WEINBERGER Von Peter Koller, Graz 1. Vorbemerkungen
Von David Hume stammt der provokante Satz, es laufe "der Vemunft nicht zuwider, wenn ich lieber die Zerstörung der ganzen Welt will, als einen Ritz an meinem Finger".1 Dieser Satz faßt in äußerst prägnanter und zugespitzter Form eine These zusammen, die einen der Eckpfeiler des modemen Wertskeptizismus bildet, der Auffassung also, daß eine objektive Fundierung allgemein verbindlicher Maßstäbe und Normen menschlichen Handeins nicht möglich sei. Die These lautet, allgemeiner ausgedrückt, daß die Vemunft uns zwar helfen kann, geeignete Wege und Mittel zu finden, um unsere Wünsche und Ziele so gut wie möglich zu realisieren, daß sie aber weder darüber Auskunft zu geben vermag, welche Ziele der Einzelne in seinem eigenen Interesse verfolgen sollte, noch darüber, von welchen Grundsätzen sich die Menschen in ihrem zwischenmenschlichen Handeln leiten lassen sollten. Diese These war Gegenstand heftiger Kontroversen und sie ist es immer noch. Zu ihren Verfechtem gehören Max Weber, Hans Kelsen, Amold Brecht, Alf Ross und nicht zuletzt Ota Weinberger. Sie ist für das Selbstverständnis der Modeme von erheblicher Bedeutung, weil von ihr die Chancen einer rationalen Verständigung über moralisch-politische Forderungen, z. B. über solche der Gerechtigkeit, abhängen. Denn seitdem die Berufung auf den gesetzgebenden Willen Gottes eine tragfähige Begründung von Grundsätzen menschlichen Handeins nicht mehr leisten kann und seit sich außerdem die Einsicht durchgesetzt hat, daß solche Grundsätze auch nicht in der Natur aufzufinden sind, erscheint die menschliche Vemunft als die einzige Instanz, die noch Aussicht bietet, eine Richtschnur für das menschliche Handeln zu liefem. Wenn auch die Vemunft dazu nicht imstande ist, dann scheint die Konsequenz, daß es unverfügbare Maßstäbe richtigen Handeins nicht gibt und daß alle Werte, Zwecke und Normen bloß auf der subjektiven Einstellung der Menschen beruhen, in der Tat unvermeidlich. 1 David Hume, A Treatise of Human Nature (1739- 40) ; dt.: Ein Traktat über die menschliche Natur, hrsg. von R. Brandt, Harnburg 1973, 2. Buch, Teil Ill, S.154.
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Ich möchte im folgenden die These, daß die Vernunft unser Handeln nicht zu leiten vermag, auf ihre Bedeutung und ihre Konsequenzen hin näher untersuchen. Ich werde mich dabei insbesondere auf jene Interpretation der These beziehen, die von Weinherger vertreten wird. Diese Interpretation, die verglichen mit allen anderen Alternativen die weitaus plausibelste ist, hat allerdings eine Konzeption des praktischen Argumentierens zur Folge, die mir persönlich als wenig befriedigend erscheint. Aus diesem Grunde will ich daran anknüpfend den Versuch unternehmen, die These der rationalen Unbegründbarkeit praktischer Standards in Zweifel zu ziehen und einen substanziellerenBegriff von Vernunft zu verteidigen, aus dem sich zumindest einige schwache Anforderungen an die menschliche Praxis ergeben. Abschließend möchte ich an einigen Beispielen, die Fragen der Gerechtigkeit betreffen, die Unterschiede verdeutlichen, die zwischen der von Weinberger vertretenen relativistischen Auffassung des praktischen Denkens und einer gemäßigt rationalistischen Position bestehen. 2. Einwände gegen die Idee rationaler Praxis Die radikalste Gegenposition zur Vorstellung, daß praktische Standards rationaler Erörterung zugänglich sind, bildet zweifellos die werttheoretische Doktrin des logischen Empirismus, die man als Emotivismus bezeichnet. Werturteile und andere normative Äußerungen sind dieser Doktrin zufolge nichts weiter als der Ausdruck positiver oder negativer Empfindungen gegenüber bestimmten Dingen oder Sachverhalten, etwa der Empfindungen des Behagens und des Abscheus, der Billigung und der Ablehnung. Praktische Sätze sagen demnach nichts über die Welt aus, sind weder wahr noch falsch und haben darum auch keinen propositionalen Gehalt. Ihre Funktion bestehe einzig und allein darin, Emotionen auszudrücken und Emotionen hervorzurufen, ähnlich einem wohligen Grunzen oder einem Schmerzensschrei. Anstatt zu urteilen, daß Stehlen verwerflich sei, könnte man dann ebensogut sagen "Stehlen- Pfui!". 2 Diese Auffassung, zu deren Exponenten neben Alfred Ayer und Charles Stevenson auch Alf Ross und Theodor Geiger gehörena, führt mit Zwangsläufigkeit zu einer totalen Austreibung jeder Rationalität aus dem Bereich menschlicher Praxis. Wäre die 2 Vgl. Alfred J. Ayer, Language, Truth and Logic, London 1936; dt. : Sprache, Wahrheit und Logik, Stuttgart 1970, S. 135ff.; C. L. Stevenson, The Emotive Meaning of Ethical Tenns, in: Mind 46 (1937); dt.: Die emotive Bedeutung ethischer Ausdrücke, in: Sprache und Ethik, hrsg. von G. Grewendorf und G. Meggle, Frankfurt 1974, S.l16ff. 3 Siehe Alf Ross, Kritik der sogenannten praktischen Erkenntnis, Kopenhagen Leipzig 1933, S. 429ff.; Theodor Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts (Erstveröffentlichung 1947), Neuwied- Berlin 1964, 2. Aufl. 1970, S . 297ff. ; ders., Ideologie und Wahrheit, Stuttgart- Wien 1953, S . 53ff. (auszugsweise abgedruckt in: Werturteilsstreit, hrsg. von H. Albert/E. Topitsch, Dannstadt 1971, S. 33ff.).
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emotivistische Deutung richtig, so wäre es nicht nur ausgeschlossen, praktische Sätze hinsichtlich ihrer normativen Geltung zu rechtfertigen, sondern es gäbe auch keine logischen Beziehungen zwischen solchen Sätzen und wir verfügten über keinerlei Kriterien des rationalen Entscheidens. Denn wenn normative Sätze gar keine echten Propositionen ausdrücken, dann kann es auch keinen logischen Widerspruch und keine logischen Folgebeziehungen zwischen ihnen geben. Zwei Werturteile, die ein und dieselbe Handlungsweise in abweichender Weise bewerten, stehen dann nicht zueinander in Widerspruch, sondern drücken einfach verschiedene Empfindungen über diese Handlungsweise aus. Diese Konsequenz des Emotivismus steht jedoch nicht nur im Gegensatz zu unseren Intuitionen, sondern sie geht auch gänzlich an der Tatsache vorbei, daß wir in der Praxis ständig logische Beziehungen zwischen normativen Sätzen herstellen: wir ziehen aus ihnen Schlußfolgerungen, wir vergleichen sie, decken Widersprüche zwischen ihnen auf, fassen sie zu Systemen zusammen und bilden Präferenzordnungen. Was die Analyse aller dieser logischen Beziehungen betrifft, so haben die formalen Disziplinen, die sich mit praktischen Sätzen befassen, vor allem Normenlogik und Entscheidungstheorie, gerade in den vergangenen Jahrzehnten erhebliche Fortschritte erzielt. Angesichts dieser Entwicklung kann der Emotivismus heute als überwunden gelten. Eine weniger weitgehende, heute ebenfalls kaum noch überzeugende Kritik des praktischen Denkens räumt demgegenüber ein, daß normative Sätze propositionale Bedeutung haben und daß die Prinzipien der Logik daher auf sie Anwendung finden, aber sie bestreitet, daß die normative Sprache eigenen Regeln gehorcht, die von der Logik der Aussagesätze abweichen. Sie stellt ferner entschieden in Abrede, daß es neben der Methode empirischer Erkenntnis, der theoretischen Vernunft, eine Methode der praktischen Begründung gibt, also so etwas wie praktische Vernunft. Einen derartigen Standpunkt haben beispielsweise Walter Dubislav und Hans Kelsen vertreten.4 Obwohl beide annahmen, daß die Logik nur für Sätze Geltung habe, die als wahr oder falsch bezeichnet werden können, glaubten sie, daß die logischen Regeln auf indirektem Wege auch auf Normsätze angewendet werden können, indem man die Normsätze in entsprechende Aussagesätze übersetzt. So vertrat Kelsen in der 2. Auflage der Reinen Rechtslehre die Meinung, "daß logische Prinzipien, wenn nicht direkt, so doch indirekt, auf Rechtsnormen angewendet werden können, sofern sie auf die diese Rechtsnormen beschreibenden Rechtssätze, die wahr oder unwahr sein können, 4 Siehe hierzu Walter Dubislav, Zur Unbegründbarkeit der Forderungssätze, in: Theoria 3 (1937), S. 330ff.; wiederabgedruckt in: Werturteilsstreit, hrsg. von H. Albert/ E. Topitsch, Darmstadt 1971, S. 439ff.; Hans Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., Wien 1960, s. 73ff., 198f. u . 415f.
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anwendbar sind. Zwei Rechtsnormen widersprechen sich und können daher nicht zugleich als gültig behauptet werden, wenn die beiden sie beschreibenden Rechtssätze sich widersprechen; und eine Rechtsnorm kann aus einer anderen abgeleitet werden, wenn die sie beschreibenden Rechtssätze in einen logischen Syllogismus eingehen können" .5 Dubislav hat demgegenüber gemeint, daß die Anwendung der logischen Schlußregeln auf Forderungssätze durch die folgende Vereinbarung ermöglicht werde, sofern man jedem der in Betracht stehenden Forderungssätze einen Aussagesatz zuordnet, der das Vorliegen des im Forderungssatz postulierten Sachverhalts behauptet: "Ein Forderungssatz F heißt ableitbar aus einem Forderungssatz E, wenn der zu F gehörende Behauptungssatz im üblichen Sinne aus dem zu E gehörenden ableitbar ist, dieselbe Forderungsinstanz vorausgesetzt." 6 Dessen ungeachtet liegt aber nach Dubislav ein entscheidender Unterschied zwischen Schlußfolgerungen aus Behauptungssätzen und solchen aus Forderungssätzen darin, daß letztere niemals eine zwingende Begründung der abgeleiteten Forderungssätze zu liefern imstande seien, weil jeder Forderungssatz selber wiederum nur aus einem anderen Forderungssatz abgeleitet werden könne und für Forderungssätze kein letztinstanzliebes Prüfungsverfahren existiere. "Es gibt keine ethische Intuition, mit deren Hilfe Forderungssätze so begründbar wären wie Beobachtungssätze durch Beobachtung. Das Verifikations- bzw. Falsifikationsverfahren, mit dessen Hilfe die Hypothesen begründet bzw. widerlegt werden, ist auf Forderungssätze nicht anwendbar. Eine Ethik im Sinne einer wissenschaftlichen Disziplin, der die Aufgabe zufiele, Forderungssätze letztinstanzlich zu begründen, ist also unmöglich. " 7 Ganz in Übereinstimmung damit Kelsen: "Der Begriff einer unmittelbar einleuchtenden Norm setzt den Begriff einer praktischen Vernunft, das ist einer normsetzenden Vernunft voraus; und dieser Begriff ist( . ..) unhaltbar, da die Funktion der Vernunft Erkennen, nicht Wollen ist, die Setzung von Normen aber ein Akt des Willens ist." s 5 Kelsen (FN 4), S. 77. s Dubislav (FN 4), S. 452. 7 Ebd., S. 454. s Kelsen (FN 4), 8.198. Vgl. auch S. 415, wo es heißt: "Vom Standpunkt empirischer Psychologie aus gesehen, ist die spezifische Funktion der Vernunft das Erkennen ihr gegebener oder aufgegebener Gegenstände. Als Vernunft bezeichnen wir die Erkenntnisfunktion des Menschen. Normsetzung, Gesetzgebung ist aber nicht Erkenntnisfunktion. Mit der Setzung einer Norm wird nicht ein schon gegebener Gegenstand erkannt, so wie er ist, sondern etwas gefordert, das sein soll. In diesem Sinne ist Normsetzung eine Funktion des Wollens, nicht des Erkennens. Eine normsetzende Vernunft ist eine erkennende und zugleich wollende Vernunft, ist zugleich erkennen und wollen. Es ist der in sich widerspruchsvolle Begriff der praktischen Vernunft, der nicht nur in der als Vernunftrechtslehre sich darstellenden Naturrechtslehre, sondern darüber hinaus in der Ethik eine entscheidende Rolle spielt. Dieser Begriff der praktischen Vernunft ist theologisch-religiösen Ursprungs."
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Die eben skizzierte Auffassung ist, wie gerade Weinherger immer wieder argumentiert hat, in mehreren Hinsichten anfechtbar. Was zunächst die Annahme betrifft, daß ein logisches Operieren mit Normsätzen nur insoweit möglich sei, als die Regeln der Logik auf die entsprechenden Aussagesätze Anwendung finden, so hat Weinherger ihre Unhaltbarkeit überzeugend dargetan. Während der von Kelsen eingeschlagene Weg, die Logik auf Normsätze anzuwenden, überhaupt in die Irre führt, weil die zwischen verschiedenen Normen bestehenden logischen Beziehungen auf der Ebene der die Normen beschreibenden Rechtssätze gar nicht in Erscheinung treten9, ist auch die Methode Dubislavs zweifelhaft, jedenfalls aber unzureichend. Auch wenn sie in manchen Fällen, nämlich bei Gebotssätzen, zu richtigen Ergebnissen führen mag, ist sie in vielen anderen Fällen unbrauchbar; sie ist insbesondere nicht geeignet, die logischen Relationen zwischen Sätzen mit verschiedenen normativen Operatoren- also zwischen gebietenden, verbietenden und erlaubenden Sätzen - abzubilden, da sie das logische Operieren mit Forderungssätzen ja gerade davon abhängig macht, daß deren normative Bedeutungskomponenten eliminiert werden.l 0 Sie schließt daher eine logische Analyse normativer Sätze, die deren spezifischen semantischen Eigenschaften Rechnung trägt, geradezu aus. Dies ist ein Mangel, an dem notwendigerweise jeder Versuch leidet, das Operieren mit Normsätzen auf die Logik der Aussagesätze zu reduzieren. Dieser Mangel beruht nicht zuletzt auf dem verfehlten Konzept von Rationalität, dem sich Kelsen und Dubislav, aber auch viele andere Exponenten der Auffassung, daß menschliches Wollen und Handeln vernünftiger Erörterung entzogen seien, verschrieben haben. Das ist die Vorstellung, daß die Vernunft nur den Bereich der Erkenntnis betreffe, die auf sinnliche Erfahrung und analytische Wahrheiten gegründet ist, weil das Denken nur dort ein objektives Fundament habe. Geht man von dieser Vorstellung aus, dann gelangt man zwangsläufig zur Konsequenz, daß das menschliche Wollen und Handeln rationaler Analyse nur zugänglich ist, sofern es selbst zum Gegenstand der Erfahrungserkenntnis gemacht wird. Die Idee einer praktischen Vernunft muß dann von vornherein als ein Unding erscheinen, und ein Verstehen praktischer Sätze, das deren interne Bedeutung und Struktur zu erfassen sucht, ist ebenfalls ausgeschlossen. Unter dieser Voraussetzung ist weder eine eigenständige Logik der Normen, noch eine Logik der Präferenzen und des Entscheidens denkbar. 9 Siehe Ota Weinberger, Die Bedeutung der Logik für die moderne Rechtstheorie, in: Les fondements logiques de la pensee normative, hrsg. von G. Kalinowski/F. Selvaggi, Rom 1985; wiederabgedruckt in: Weinberger, Recht, Institution und Rechtspolitik, Stuttgart 1987, S. 85- 105, S. 94f.; ders., Der normenlogische Skeptizismus, in: Rechtstheorie 17 (1986), S. 27f. JO Vgl. Weinberger, Die Sollsatzproblematik in der modernen Logik, Prag 1958; wiederabgedruckt in: ders., Studien zur Normenlogik und Rechtsinformatik, Berlin 1974, s. 59- 186, s. 97ff.
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Es ist eines der bleibenden Verdienste Weinbergers, daß er dieser irreführenden Vorstellung von Rationalität stets entschieden entgegengetreten ist und ihr eine andere Konzeption des rationalen Denkens gegenübergestellt hat, die nicht nur philosophisch angemessener, sondern auch in methodischer Hinsicht erheblich fruchtbarer ist. Ich möchte nun diese Konzeption und die darauf aufbauende Theorie des praktischen Argumentierens in aller Kürze erörtern. 3. Weinhergers Konzeption des rationalen Denkens und der praktischen Argumentation
In Übereinstimmung mit der Tradition des logisch-analytischen Denkens unterscheidet Weinherger strikt zwischen zwei Kategorien von Sätzen: deskriptiven oder theoretischen Sätzen einerseits und praktischen oder normativen Sätzen andererseits. Beziehen sich die ersten auf einen objektiv bestehenden Gegenstand und sind sie, je nachdem, ob sie diesen Gegenstand zutreffend beschreiben oder nicht, entweder wahr oder falsch, so beruhen die letzteren auf menschlicher Stellungnahme und sind relativ zu einem Normensystem oder zu bestimmten Wertstandards gültig oder ungültig.n Ungeachtet der Unterschiede, die zwischen den beiden Satzkategorien bestehen, haben sie doch eines gemeinsam: beide dienen der zwischenmenschlichen Kommunikation, sie bringen sinnhafte Gedanken zum Ausdruck und gehorchen bestimmten Form- und Umformungsregeln. Mit diesen Regeln beschäftigt sich die Logik. Für die logische Analyse kommt es dabei nicht darauf an, daß die untersuchten Sätze tatsächlich wahr oder gültig sind, sondern es geht ihr um die rein formalen, d. h. durch die Formregeln des betrachteten Sprachsystems determinierten Strukturen der Sätze und deren wechselseitige Beziehungen. So ist es für die Gültigkeit einer logischen Folgerung völlig gleichgültig, ob die Prämissen wahr und unwahr sind; relevant ist einzig und allein, ob die Konklusion mit Notwendigkeit aus den Prämissen folgt, d. h. ob sie notwendigerweise wahr ist, wenn die Prämissen wahr sind. Man nennt das die Relativität der logischen Folgerung. Daraus geht hervor, daß es gar keinen zwingenden Grund gibt, die Logik auf Aussagesätze einzuschränken. Zwar sind die logischen Beziehungen zwischen Aussagesätzen durch deren Wahrheitsfähigkeit definiert, aber das hat damit zu tun, daß die Funktion von Aussagesätzen eben darin besteht, über die Beschaffenheit der Realität Auskunft zu geben; es bedeutet nicht, daß die Wahrheitsfähigkeit eine notwendige Vorbedingung logischer Beziehungen schlechthin wäre. Da wir in der alltäglichen Sprachpraxis u Siehe dazu vor allem Weinberger, Rechtslogik, 1. Aufl. Wien 1970, 2. (umgearb. u. wesentl. erw.) Aufl. Berlin 1989, S. 51ff.; ders., Norm und Institution, Wien 1988, s. 49ff.
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ständig mit normativen Sätzen operieren, spricht vielmehr alles dafür, daß auch diese Sätze spezifischen Form- und Transformationsregeln unterliegen, die zu untersuchen legitime Aufgabe der Logik ist, und zwar einer eigenständigen Logik der praktischen Sätze.l2 Von dieser Auffassung der Logik ausgehend hat es Weinherger bekanntlich unternommen, eine Normenlogik zu entwickeln, die- anders als vorangehende und alternative Versuche- nicht nach dem Muster der herkömmlichen Logik oder der Logik der Modalsätze konstruiert ist, sondern sich an den spezifischen Formen der normativen Sprachpraxis orientiert. Es ist hier nicht der Ort, auf Weinhergers Konzeption der Normenlogik näher einzugehen, es ist aber notwendig, auf eines ihrer tragenden Konstruktionselemente hinzuweisen. Es betrifft den Begriff der logischen Folgerung. Da wir Normsätze ebenso wie Aussagesätze als Glieder logischer Schlußfolgerungen zu verwenden pflegen, hat Weinherger vorgeschlagen, den Folgerungsbegriff dahingehend zu erweitern, daß er auch ein Schließen mit Normsätzen zuläßt. Liegt nach herkömmlicher Auffassung eine logische Folgerung genau dann vor, wenn die Konklusion unmöglich falsch sein kann, sofern die Prämissen wahr sind, so lautet Weinhergers Vorschlag folgendermaßen: Ein Satz S, der entweder ein Aussagesatz oder ein Normsatz sein kann, folgt logisch aus einer Menge aussagender und/oder normativer Prämissen genau dann, wenn es ausgeschlossen ist, daß S entweder unwahr oder ungültig ist, wenn alle aussagenden Prämissen wahr und alle normativen Prämissen gültig sind. 13 Diese Definition schließt den alten Folgerungsbegriff als Sonderfall ein und sie läßt überdies normenlogische Folgerungen zu, d. s. Folgerungen, deren Konklusion ein Normsatz ist. Die Prämissen solcher Folgerungen müssen nicht lauter Normsätze sein, sondern sie können auch Aussagesätze enthalten, wie das z.B. beim juristischen Syllogismus der Fall ist. Ein grundlegendes Postulat der Weinbergersehen Normenlogik ist aber dies, daß aus einer Prämissenmenge, die nur Aussagesätze enthält, kein Normsatz abgeleitet werden kann, oder anders gesagt: daß die Prämissen eines Schlusses, dessen Konklusion ein Normsatz ist, zumindest einen normativen Satz enthalten müssen. Dieses Postulat ist die logisch präzise Formulierung der These, daß aus einem Sein kein Sollen folgt. 12 Vgl. hierzu insbesondere die foigenden Arbeiten von Weinberger: Die Solisatzproblematik in der modernen Logik (FN 10), S. 59ff.; Rechtslogik (FN 11), S. 218ff.; Grundlagenprobleme der Theorie des juristischen Denkens, in: Weinberger, Logische Analyse in der Jurisprudenz, Berlin 1979, S. 61- 94; Die Bedeutung der Logik für die moderne Rechtstheorie (FN 9); Logik und Objektivität der juristischen Argumentation, in: Objektivierung des Rechtsdenkens. Gedächtnisschrift für Ilmar Tammelo, hrsg. von W. Krawietz/T. Mayer-Maly/0. Weinberger, Berlin 1984, S. 557-568. 13 Vgl. Weinberger, Rechtslogik (FN 11), S. 99; ders., Grundlagenprobleme des juristischen Denkens (FN 12), S. 8lf.
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In engem Zusammenhang mit der Nichtableitbarkeit von Werten und Normen aus rein beschreibenden Sätzen steht für Weinberger, und in diesem Punkte stimmt er mit den früher erörterten Auffassungen überein, die These des Non-Kognitivismus. Diese These verknüpft das metalogische Postulat der Nichtableitbarkeit mit der erkenntnistheoretischen bzw. methodologischen Annahme, daß eine auf bloßer Erfahrungserkenntnis gestützte Begründung normativer Sätze nicht möglich ist. Ich zitiere Weinberger: "Sie behauptet nicht nur, daß deduktiv keine informativen praktischen Sätze aus rein beschreibenden (Erkenntnisse ausdrückenden) Prämissen gewonnen werden können, sondern hält es überhaupt für unmöglich, informative praktische Sätze rein kognitiv zu begründen, d. h. ohne solche Argumente, die auch Stellungnahmen enthalten. Der Non-Kognitivismus schließt also nicht nur deduktive Begründungen praktischer Sätze rein kognitiver Art aus, sondern auch alle anderen rein kognitiven Wege des Begründens solcher Sätze." 14 Den erkenntnistheoretisch-methodologischen Teil dieser These begründet Weinherger damit, daß Normen, Zwecke und Werte- anders als die Tatsachen der Erfahrungswelt, die objektiv gegeben sind - nicht an und für sich bestehen, sondern der willenhaften Stellungnahme von Menschen entspringen. Während es für die Verifikation oder Falsifikation empirischer Sätze eine objektive Grundlage gebe, bleibe die Annahme oder Ablehnung praktischer Sätze stets an die subjektive Werteinstellung der Individuen gebunden.15 Da Werte und Normen also weder objektiv erkannt, noch auf rein logischem Wege aus Voraussetzungen gewonnen werden können, die nicht ihrerseits wieder normative Stellungnahmen enthalten, sei eine objektive Begründung von Maßstäben richtigen Handeins nicht möglich. Und da Weinherger den Begriff der Rationalität im wesentlichen mit dem des logischen Denkens gleichsetzt, muß er a fortiori auch eine rein rationale Begründung solcher Maßstäbe für unmöglich halten: "Die Vernunft im logischen Sinne kann als Instrument der Gedankentransformation und der relativen Begründung keine inhaltlichen Richtigkeitsmaßstäbe liefern." 16 Diese Position steht einer rationalen Argumentation im Bereich der Praxis nicht entgegen. Im Gegenteil: Weinherger hält eine rationale Diskussion 14 Weinberger, Analytisch-dialektische Gerechtigkeitstheorie, in: Rechtstheorie, Beiheft 3 (1981), S. 307- 330; wiederabgedruckt in: Donald Neil MacCormick!Ota Weinberger, Grundlagen des Institutionalistischen Rechtspositivismus, Berlin 1985, s. 176- 201, s. 187. 1s Siehe Weinberger, Grundlagenprobleme der Theorie des juristischen Denkens (FN 12), S. 65f. u. 76f. 16 Weinberger, Jenseits von Positivismus und Naturrecht, in: Archiv für Rechtsund Sozialphilosophie, Supplementa Bd. I/1 (1982); wiederabgedruckt in: MacCormickl Weinberger, Grundlagen des Institutionalistischen Rechtspositivismus (FN 14), 8 . 140- 155, S. 1p0; vgl. auch Weinberger, ,Wissen' und ,Nicht-Wissen' in der praktischen Argumentation, in: Rechtstheorie 10 (1979), S. 391 - 408, S. 394ff.
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über die Normen und Ziele menschlichen Handeins nicht nur für möglich, sondern sogar für unentbehrlich, weil sie ein elementares Erfordernis zwischenmenschlicher Koexistenz ist. Als normative Prämissen einer solchen Diskussion können dabei sowohl die Zielsetzungen und Wertüberzeugungen einzelner Personen, als auch weithin anerkannte Wertvorstellungen und Grundsätze dienen. Da in jeder Gesellschaft bestimmte normative Standards als verbindlich anerkannt werden, bestehe in vielen Fällen auch Aussicht, daß die Menschen ihre intuitiven Stellungnahmen im Prozeß des rationalen Diskurses korrigieren und zu einer Einigung gelangen. Der Annahme objektiv gegebener Werte oder Normen bedürfe es hierzu nicht.l7 Daß die Menschen gewisse Wertungen und moralische Prinzipien als evident erleben und intuitiv für richtig halten, ist nach Weinherger eine anthropologische Tatsache; eine Tatsache, aus der das Bestreben resultiert, Werturteile und moralische Überzeugungen zu begründen. Dies lege die Bemühung nahe, Strategien oder Methoden der praktischen Argumentation zu entwickeln. Weinherger hat auf mehrere solcher Methoden hingewiesen, aus denen ich nur zwei herausgreifen möchte: 1. Die Methode der schwachen oder selbstverständlichen Voraussetzungen: Ein Weg, Prinzipien der Moral und des Rechts überzeugend zu begründen, bestehe darin, nach möglichst schwachen und weithin anerkannten, sozusagen selbstverständlichen, Prämissen zu suchen, aus denen die Prinzipien abgeleitet werden können. Weinherger nennt als Beispiel den Umstand, "daß aus der wohl selbstverständlichen Voraussetzung, daß die menschliche Gesellschaft sprachliche Kommunikation braucht, und aus grundlegenden informationstheoretischen Erkenntnissen gewisse Folgerungen über das Postulat der Wahrheit abgeleitet werden können" .18 2. Die Methode der konsensorientierten Argumentation: Meinungsverschiedenheiten in praktischen Fragen können sowohl durch Unterschiede der Tatsachenvoraussetzungen, als auch durch Wertungsdifferenzen bedingt sein. Eine Untersuchung der Quellen der Uneinigkeit kann dazu beitragen, eine Annäherung der Standpunkte zu erreichen. Liegen unterschiedliche Tatsachenannahmen vor, so können empirische Nachforschungen durchgeführt werden, um den Streit beizulegen. Doch auch über Wertvorstellungen ist eine rationale Diskussion möglich. So kann man durch eine kritische Analyse der Folgen einer Wertauffassung veranlaßt sein, diese zu korrigieren oder überhaupt aufzugeben.l 9 17 Vgl. Weinberger, Jenseits von Positivismus und Naturrecht (FN 16), 5 . 153; ders., Analytisch-dialektische Gerechtigkeitstheorie (FN 14), S. 193f. 1a Weinberger, Jenseits von Positivismus und Naturrecht (FN 16), 8.154; siehe dazu auch ders., Wahrheit, Recht und Moral, in: Rechtstheorie 1 (1970), 8 . 129 - 146; wiederabgedruckt in: Logische Analyse in der Jurisprudenz (FN 12), 8.127 - 145. 19 Vgl. Weinberger, J enseits von Positivismus und Naturrecht (FN 16), 8.152ff.; ders., Analytisch-dialektische Gerechtigkeitstheorie (FN 14), S. 195ff.; ders., ,Wissen' und ,Nicht-Wissen' in der praktischen Argumentation (FN 16), S. 398ff.
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Dies ist- in groben Umrissen- Weinhergers Konzeption des praktischen Denkens und Argumentierens. Sie entspricht im Ergebnis, wenn auch nicht in der Begründung, weitgehend den Auffassungen Max Webers und Arnold Brechts.2o Sie schließt einen rationalen Umgang mit Normen, Zwecken und Werten zwar keineswegs aus, aber sie bleibt insofern relativistisch, als sie eine rein vernunftmäßige Fundierung praktischer Standards für unmöglich erklärt. Ich muß gestehen, daß sie mich gerade aus diesem Grunde nicht vollständig befriedigt. Es will mir nicht in den Kopf, daß die Vernunft es uns anheimstellt, lieber die Zerstörung der ganzen Welt zu wollen als einen Ritz am Finger, und es leuchtet mir auch nicht ein, daß Krieg, Völkermord und millionenfacher Hungertod der Vernunft nicht widersprechen. Ich möchte daher im folgenden für ein Konzept praktischer Rationalität eintreten, das über formale Logik hinausgeht und nach meinem Dafürhalten eine Grundlage für die Rechtfertigung gewisser Standards menschlichen Handeins bereitstellt. 4. Eine Konzeption praktischer Rationalität Wenn wir menschliches Handeln vernünftig oder rational nennen, so meinen wir, daß es gute Gründe für dieses Handeln gibt. Dies können wir allerdings in zweierlei Weise verstehen: einmal in dem Sinne, daß eine Person guten Grund hat, etwas zu tun, weil es für sie von Nutzen ist, oder aber in dem Sinne, daß es für eine bestimmte Art zu handeln Gründe gibt, die gegenüber jedermann vertretbar sind und die betreffende Handlungsweise als allgemein gerechtfertigt erscheinen lassen. Besteht die Rationalität des Handeins im ersten Fall in seiner Zweckdienlichkeit oder Nützlichkeit im Hinblick auf die subjektiven Zwecke und Präferenzen der handelnden Person, so meint sie im zweiten Fall die intersubjektive Rechtfertigungsfähigkeit des Handeins durch allgemein annehmbare Gründe. Ein Beispiel: Für jemanden, der sich um eine begehrte Stelle an der Universität bewirbt, mag es in seinem eigenen Interesse durchaus vernünftig sein, von den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten politischer Intervention Gebrauch zu machen, um die Stelle zu bekommen; aber dieses Verhalten dürfte sich allgemein schwerlich rechtfertigen lassen, und wer so handelt, wird es darum auch nicht an die große Glocke hängen. Von einem allgemeinen Standpunkt aus betrachtet ist es vielmehr rational, daß die Entscheidung darüber, wer die Stelle bekommt, allein von sachlichen Gründen abhängen soll, von Gründen also, die gegenüber jedermann vertretbar sind. All dies legt es nahe, zwei Konzepte praktischer Rationalität zu unterscheiden, von denen 20 Siehe dazu Max Weber, Der Sinn der ,Wertfreiheit' der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften, in: ders., Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, 1. Aufl. 1922, 6. Aufl. Tübingen 1985, S. 489- 540; Arnold Brecht, Political Theory, Princeton, N.J. 1959; dt. : Politische Theorie, Tübingen 1961, S.139ff.
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ich das eine ,individuelle praktische Rationalität' und das andere ,universelle praktische Rationalität' nennen möchte.2 1 Ich will nun jedes von ihnen etwas näher erläutern. Was zunächst das Konzept individueller praktischer Rationalität betrifft, so fällt es im wesentlichen mit dem geläufigen Begriff der Zweckrationalität zusammen, wie er in Ökonomie und Entscheidungstheorie verwendet wird. Eine Person handelt zweckrational, wenn sie die von ihr verfolgten Zwecke mit einem möglichst geringen Aufwand an Kosten erreicht oder mit dem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel einen möglichst großen Nutzen erzielt. Dasselbe in der etwas abstrakteren, aber flexibleren Sprache der Entscheidungstheorie ausgedrückt: Die Zweckrationalität verlangt, von mehreren Handlungsmöglichkeiten diejenige zu wählen, von der - unter Voraussetzung einer konsistenten Präferenzordnung - das bestmögliche oder zumindest ein befriedigendes Ergebnis zu erwarten ist. Es ist hier nicht von Belang, ob rationales Handeln auf den größtmöglichen Nutzen (vollkommene Rationalität) oder bloß auf ein hinreichend befriedigendes Ergebnis (beschränkte Rationalität) abzielen soll, und es geht hier auch nicht darum, welche Entscheidungsregeln unter welchen Bedingungen anzuwenden sind, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.22 Worauf es mir im vorliegenden Zusammenhang ankommt, ist vielmehr, daß sich die Zweckrationalität des Handeins stets an den subjektiven Präferenzen des oder der Handelnden bemißt und daß sie daher zumindest in zwei Hinsichten subjektabhängig und insofern relativ ist: Erstens kann darüber, ob das Verhalten einer Person zweckrational ist oder nicht, immer nur vom Standpunkt ihres eigenen Präferenz- oder Zwecksystems geurteilt werden. Was für den einen zweckrational ist, muß es nicht für einen anderen sein, sofern sich ihre Zielsetzungen und Wertvorstellungen unterscheiden. Zweitens besagt der Umstand, daß es für jemanden zweckrational ist, auf eine bestimmte Weise zu handeln, für sich allein noch gar nichts darüber, ob dieses Handeln auch anderen gegenüber gerechtfertigt werden kann. Jemand, der einen anderen ermordet, kannunter Voraussetzung einer reichlich kaltblütigen Präferenzordnung- vollkommen zweckrational handeln, aber natürlich ist er nicht gerechtfertigt, das zu tun. Dies gilt im übrigen nicht nur für zweckrationale Überlegungen erster Stufe, auf der der Handelnde die Gründe in Betracht zieht, die für und gegen eine bestimmte Handlungsweise sprechen, sondern es gilt auch für zweck21 Vgl. Peter Koller, Rationalität und Moral, in: Grazer Philosophische Studien, Vol. 20 (1983), S. 265- 305. 22 Siehe dazu z. B. Werner Kirsch, Einführung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, 2. Aufl., Wiesbaden 1977, Bd.1; Helmut Laux, Entscheidungstheorie, Berlin- Heidelberg- New York 1982.
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rationale Erwägungen zweiter Stufe, auf der er die Für- und Gegengründe gegeneinander abwägt. Mir scheint daher, daß Professor MacCormick unrecht hat, wenn er in einem sonst sehr empfehlenswerten Aufsatz das Folgende ausführt: "Erwägungen der zweiten Stufe, mögen sie sich auf die Bewertung von Handlungsgründen erster Stufe oder von Meinungsgründen der ersten Stufe beziehen, fordern somit zeitliche Konsistenz; es scheint daher, daß hier gewisse- vielleicht sehr einfache- Prinzipien zur Geltung kommen. Die Überlegungen müssen nicht nur in der Zeit konsistent sein, sondern überdies indifferent in bezug auf die Handelnden und die einzelnen Fälle. Meine Prinzipien der Bewertung von Handlungs- und Meinungsgründen mögen in Wirklichkeit auf meine persönlichen Eigenarten zugeschnitten sein, doch wäre es gleichwohl unsinnig, zu meinen, daß meine Prinzipien ausschließlich für mich selbst als Prinzipien gut und tauglich wären. Wenn es für mich gute Gründe gibt, eine bestimmte Wahl zu treffen, dann gelten diese Gründe für jedermann." 23 Hier wird, so glaube ich, die Geltung oder Annehmbarkeit von Handlungsgründen mit ihrer Nachvollziehbarkeit konfundiert. Solange Handlungsgründe solche des zweckrationalen Handelns sind, bleiben sie notwendig subjektive Gründe, d. s. Gründe, die nur für die handelnde Person gelten. Das bedeutet jedoch nicht, daß individuell rationales Handeln der objektiven Betrachtung entzogen wäre, und es bedeutet auch nicht, daß auf der Grundlage individueller praktischer Rationalität keine Übereinstimmung über Regeln des zwischenmenschlichen Verhaltens möglich ist. Individuell rationales Handeln ist jedenfalls an vier Bedingungen gebunden, deren Vorliegen objektiv überprüfbar ist, sofern die relevanten empirischen Überzeugungen und die Präferenzen der handelnden Personen bekannt sind. Eine Person handelt individuell rational nur dann, wenn 1. ihre Überzeugungen bezüglich der relevanten empirischen Tatsachen angemessen oder zumindest vertretbar sind, wenn sie 2. über eine konsistente Präferenzordnung verfügt, wenn sie 3. fähig ist, ihre künftigen Bedürfnisse zu berücksichtigen und in ihre Präferenzordnung einzubeziehen, und wenn sie schließlich 4. dem Gewicht ihrer Präferenzen entsprechend handelt. Sind alle Bedingungen erfüllt, so handelt sie von ihrem subjektiven Standpunkt aus rational. Ob dies der Fall ist oder nicht, ist etwas, was sich zumindest im Prinzip objektiv feststellen läßt. Schon das Konzept subjektiver praktischer Rationalität läßt es daher bis zu einem gewissen Grade zu, zu sagen, was zu tun für eine Person im Sinne der Zweckrationalität richtig ist, sofern man ihre Präferenzen kennt. Da wir aber die Präferenzen und Zwecke anderer Menschen in Wirklichkeit meist nur unzureichend kennen, müssen wir uns gewöhnlich mit groben 23 Donald Neil MacConnick, Die Grenzen der Rationalität im Rechtsdenken, in: MacCormick/Weinberger, Grundlagen des Institutionalistischen Rechtspositivismus {FN 14), S. 222- 242, S. 227.
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Generalisierungen behelfen, um ihr Verhalten zu verstehen. Das gilt vor allem für die Feinstruktur menschlicher Leidenschaften, Wünsche und Abneigungen. Was allerdings die grundlegenden Bedürfnisse und Interessen der Menschen angeht, so denke ich, daß wir sie im großen und ganzen aus der Erfahrung kennen. Auch wenn wir nicht wissen, welche besonderen Ziele einzelne Personen erreichen wollen, so wissen wir doch ganz gut, welche Dinge für die Menschen im allgemeinen von allergrößter Bedeutung sind. Es sind dies jene Dinge, die für ihr Überleben und ihr Wohlergehen erforderlich sind. Dazu gehören vor allem ausreichende Mittel, um sich mit Nahrung zu versorgen und sich vor den Unbilden der Natur zu schützen, Sicherheit vor willkürlicher fremder Gewalt, vor Unterdrückung und Ausbeutung, die Befriedigung ihrer elementaren sozialen Bedürfnisse, so ihres Bedürfnisses nach Liebe, Geborgenheit und Achtung sowie ihres Strebens nach Freiheit und Macht, schließlich die Verfügung über ökonomische Güter und die Teilhabe an den Vorteilen sozialer Kooperation. Wenn es wahr ist, daß die meisten Menschen insbesondere nach diesen und vielleicht noch einigen anderen Dingen streben, und wenn es weiters zutrifft, daß die allgemeine Einhaltung gewisser Grundsätze des zwischenmenschlichen Verhaltens die Aussichten eines jeden verbessern kann, die von ihm verfolgten Ziele zu erreichen, dann gebietet schon die individuelle praktische Rationalität, solche Grundsätze zu akzeptieren. Daß die Geltung bestimmter Regeln des menschlichen Handeins allen Beteiligten zum Nutzen gereichen kann, das hat bereits Thomas Hobbes nachgewiesen und das lehrt uns jener Zweig der Entscheidungstheorie, der sich mit den Problemen des wechselseitigen Handeins von Menschen beschäftigt, die Spieltheorie. Die Spieltheorie zeigt uns beispielsweise, daß es in allen Situationen zwischenmenschlichen Handelns, die die Struktur des sog. Gefangenen-Dilemmas aufweisen, nur dann möglich ist, ein für alle Beteiligten unerwünschtes Ergebnis zu vermeiden, wenn sie sich gewissen Verhaltensbeschränkungen unterwerfen; es liegt daher in ihrem eigenen Interesse, Regeln anzunehmen, durch die alle in ihrem eigennützigen Verhalten eingeschränkt werden. 24 Dieser Fall beweist, daß es selbst auf der Grundlage individueller praktischer Rationalität, die nur subjektiv bindende Gründe des Handeins bereitstellt, gleichwohl möglich ist, zu einer weitgehenden Übereinstimmung über Regeln des wechselseitigen Handeins zu gelangen. Denn sofern solche Regeln allen Beteiligten zum Vorteil gereichen, hat jeder selbst dann, wenn er nur sein eigenes Interesse verfolgt, guten Grund, diese Regeln als für sich verbindlich zu akzeptieren. Obwohl 24 Siehe hierzu etwa Morton D. Davis, Game Theory, New York- London 1970; dt. : Spieltheorie für Nichtmathematiker, München- Wien 1972, S.104ff.; Edna "{fllmannMargalit, The Emergence of Norms, Oxford 1977, S. 18ff.; J. L. Mackie, Ethics, Harmondsworth 1977; dt.: Ethik, Stuttgart 1981, S.144ff.
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die Handlungsgründe, aufgrund der jede Person die Regeln akzeptiert, nur subjektiv gelten, münden sie in ein und dasselbe Ergebnis. Die individuelle praktische Rationalität stellt für sich allein freilich nur eine sehr fragile und schwankende Grundlage für die Rechtfertigung sozialer Normen bereit. Denn diese Rechtfertigung steht und fällt mit der Voraussetzung, daß es wirklich für alle individuell rational ist, solche Normen zu akzeptieren. Und das hängt einzig und allein von ihren eigenen Präferenzen ab. Wenn jemand nach reiflicher Erwägung tatsächlich zur Entscheidung käme, lieber die Zerstörung der ganzen Welt zu wollen als einen Ritz am Finger, dann wäre dies in der Tat nicht gegen die Vernunft, sofern diese bloß als individuelle praktische Rationalität verstanden wird. Wenn viele Menschen nichtsdestoweniger an der Behauptung festhalten, eine derartige Entscheidung widerspreche der Vernunft, dann offenbar deshalb, weil sie meinen, daß die Vernunft mehr verlangt als bloß individuell rationales Handeln. Sie meinen, und ich schließe mich dieser Ansicht an, daß ein Handeln erst dann vernünftig ist, wenn es auch gegenüber anderen Menschen mit guten Gründen gerechtfertigt werden kann, oder anders: wenn es Grundsätzen entspricht, die allgemein akzeptabel sind. Eben dies besagt die Idee der universellen praktischen Rationalität, der ich mich nun zuwenden möchte. Wenn die Vernunft in der Lage sein soll, den naturwüchsigen Kräften der Gewalt entgegenzuwirken, so muß sie uns ein Verfahren bereitstellen, das eine friedliche Verständigung über unsere konfligierenden Ansprüche auf die begrenzten Mittel menschlichen Überlebens und Wohlergehens ermöglicht. Diese Verständigung muß darauf abzielen, Grundsätze des zwischenmenschlichen Verhaltens zu finden, die jeder Mensch aus freien Stücken annehmen kann, da nur unter dieser Voraussetzung niemandem Gewalt geschieht. Eine gewaltfreie Verständigung setzt weiters voraus, daß die Menschen einander als gleichberechtigte und selbstbestimmungsfähige Personen anerkennen, die sich solchen Grundsätzen nicht infolge äußeren Zwangs oder innerer Schwäche, sondern aus der Einsicht heraus unterwerfen, daß sie unter den gegebenen Bedingungen menschlicher Existenz sowohl zu ihrem eigenen Vorteil als auch zum Nutzen jeder anderen Person dienen. Aus all dem folgt die Forderung, daß menschliches Handeln sich an Grundsätzen orientieren soll, denen jedermann als freie und gleichberechtigte Person zustimmen kann. Ein Handeln, das solchen Grundsätzen entspricht, ist zugleich eines, das gegenüber jedermann mit guten Gründen gerechtfertigt werden kann, weil es auf Gründen beruht, die nicht nur für die handelnde Person, sondern für alle Menschen Geltung haben. Das ist, so glaube ich, die Vorstellung, die dem Postulat der intersubjektiven Rechtfertigungsbedürftigkeit menschlichen Handeins zugrundeliegt. Ich nenne sie die Idee universeller praktischer Rationalität. Nun ist diese
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Vorstellung sicherlich mit beträchtlichen Problemen verbunden. Eines betrifft die Frage, ob so etwas wie eine universell rationale Entscheidung über Grundsätze des sozialen Zusammenlebens überhaupt möglich ist; ein zweites, welche Richtlinien für das menschliche Handeln sich daraus ergeben würden, sofern sie möglich ist. Was die erste Frage angeht, so scheint soviel offensichtlich, daß es eine vollkommen rationale Einigung aller Menschen über die Grundsätze ihres Verhaltens in der realen Welt weder gibt, noch überhaupt geben kann. Die tatsächlich bestehenden oder möglichen Verfahren kollektiver Entscheidung mögen dem Ideal einer gewaltfreien Verständigung mehr oder minder angenähert sein, aber sie können ihm niemals vollständig entsprechen, weil die Menschen realiter weder alle gleichermaßen selbstbestimmungsfähig, noch willens sind, ihre selbstbezogenen Interessen hinter die abstrakte Aussicht auf eine allgemein zustimmungsfähige Regelung zurückzustellen. Aber auch wenn eine intersubjektiv rationale Einigung aller Menschen nicht real möglich ist, so kann man sie doch als eine Idealvorstellung betrachten, an der sich die reale Praxis menschlicher Interaktion orientieren soll. Die Forderung der intersubjektiven Rechtfertigung zwischenmenschlichen Handeins durch allgemein zustimmungsfähige Gründe erweist sich damit zwar bloß als eine hypothetische oder kontrafaktische Idee, eine Idee, die aber nichtsdestoweniger praktische Wirksamkeit entfalten kann. Sie ist eine regulative Idee im Sinne Kants, eine "bloße Idee der Vernunft, die aber ihre unbezweifelte (praktische) Realität hat" .25 Dieser Befund macht die Antwort auf die zweite Frage, was denn aus der Vorstellung einer intersubjektiv rationalen Einigung über die Grundsätze zwischenmenschlichen Handeins eigentlich folgt, nicht einfacher. Da diese Vorstellung in der Realität keine Instanzen hat, ist sie einer empirischen Nachprüfung entzogen und es bleibt der spekulativen Einbildungskraft, sie in Gedanken auszumalen, ein breiter Spielraum eröffnet. So finden wir in der Moralphilosophie denn auch eine ganze Reihe verschiedenartiger hypothetischer Konstruktionen, die dazu dienen, die Idee einer allseitigen Übereinstimmung freier und gleicher Personen soweit zu konkretisieren, um daraus gehaltvolle Richtlinien ableiten zu können. Dazu gehören beispielsweise die diversen Konzeptionen des Sozialkontrakts, die Theorie der Gerechtigkeit von John Rawls, die Versuche der Begründung einer utilitaristischen Ethik von John Harsanyi und Richard Hare, der diskurstheoretische Ansatz von Jürgen Habermas und nicht zuletzt die Theorie des praktischen Argumentierens von Robert Alexy.26 Ich kann mich hier auf eine Erörterung 2s Immanuel Kant, Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (1793), in: Kant, Werke in zwölf Bänden, hrsg. von W. Weischedel, Bd. XI, Frankfurt 1968, 8.125- 172, 8 . 153. 26 Siehe John Rawls, A Theory of Justice, Cambridge, Mass. 1971; dt.: Eine Theorie der Gerechtigkeit, Frankfurt 1975, S. 140ff.; John C. Harsanyi, Essays on Ethics,
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dieser Konzeptionen nicht einlassen. Die meisten von ihnen scheinen mir durchaus vertretbare Interpretationen der Idee universeller praktischer Rationalität darzustellen, aber alle gehen über die vage Intuition, die wir von dieser Idee haben, weit hinaus. Eine Entscheidung darüber, welche der genannten Konzeptionen den Vorzug verdient, ist daher kaum möglich. Sie ist für meine Zwecke auch gar nicht notwendig, weil alle Ansätze in ihren wesentlichen Ergebnissen mehr oder weniger übereinstimmen. Und insoweit sie übereinstimmen, handelt es sich um Richtlinien, die allein schon durch die intuitive Vorstellung einer rationalen Einigung freier und gleicher Personen, so vage diese Vorstellung ist, nahegelegt werden. Eine dieser Richtlinien ist, daß alle Menschen einen grundsätzlich gleichen Anspruch auf Berücksichtigung ihrer grundlegenden Interessen und Bedürfnisse haben. Daraus ergibt sich das Erfordernis der Universalisierbarkeit der obersten Standards zwischenmenschlichen Handeins und das Postulat der Gleichbehandlung von Menschen, soweit eine Ungleichbehandlung nicht durch Gründe gerechtfertigt erscheint, die ihrerseits von freien und gleichen Personen akzeptiert werden können. Auf dieser Grundlage lassen sich unter Voraussetzung bestimmter Annahmen über die grundlegenden Interessen der Menschen und über die Bedingungen ihrer Existenz konkretere Verhaltensrichtlinien rechtfertigen, indem man zeigt, daß die allgemeine Befolgung dieser Richtlinien allen Menschen gleichermaßen zum Vorteil gereichen würden. Zu den Richtlinien, die auf diese Weise begründet werden können, gehören insbesondere auch jene Verhaltensregeln, die von den meisten Menschen als moralisch verbindlich anerkannt werden: so etwa das Verbot, andere zu töten oder zu verletzen, das Verbot, andere zu belügen oder zu betrügen, das Gebot, den Besitz anderer zu respektieren, das Gebot, Versprechen und Vereinbarungen zu halten, und das Gebot, anderen in Notlagen beizustehen. Selbst wenn die Idee universeller praktischer Rationalität keine anderen als diese Verhaltensregeln zu rechtfertigen imstande wäre, so wäre sie doch von Nutzen und sie böte immerhin eine begründungstheoretische Erklärung dafür, warum die meisten Menschen diese Regeln für kategorisch verbindlich halten. Die Erklärung ist, daß ein Handeln, das gegen diese Regeln verstößt, unter den üblichen Bedingungen menschlichen Zusammenlebens den Betroffenen gegenüber nicht gerechtfertigt werden kann. Und da anzunehmen ist, daß jemand, der die Zerstörung der ganzen Welt einem Ritz an einem seiner Finger vorzuziehen bereit ist, ebenfalls kaum in der Lage sein wird, seine Einstellung zu rechtfertigen, kann man mit gutem Grund behaupten, daß diese Einstellung der Vernunft widerspricht. Social Behavior, and Scientific Explanation, Dorcfrecht- Boston- London 1976, S. 6ff.; R. M. Hare, Moral Thinking, Oxford 1981, S . 44ff.; Jürgen Habermas, Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, Frankfurt 1983, S. 53ff.; Robert Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, Frankfurt 1978, S. 221ff.
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Die der Idee universeller praktischer Rationalität zugrundeliegende Vorstellung einer zwangsfreien Einigung freier und gleicher Personen stellt demnach meines Erachtens einen Ausgangspunkt dar, von dem aus zumindest einige Richtlinien menschlichen Handeins rational begründbar sind. Es sind dies jene Richtlinien, die üblicherweise als moralische Gebote gelten, d.h. als Gebote, die kategorische Verbindlichkeit haben und den Standards der individuellen Nutzenmaximierung übergeordnet sind. Da diese Vorstellung jedoch ihrem Wesen nach nicht mehr als eine vage Idealvorstellung sein kann, bleiben auch die Richtlinien, die sich aus ihr mit einiger Sicherheit begründen lassen, auf einige grundlegende und noch dazu relativ allgemeine Grundsätze und Regeln beschränkt. Soweit über solche Grundsätze und Regeln hinaus Meinungsdifferenzen über Fragen des richtigen Handeins bestehen, wird auch die Idee universeller praktischer Rationalität zu keiner eindeutigen Entscheidung führen.27 5. Kritische Anmerkungen zu Weinhergers Konzeption der Gerechtigkeit
Weinhergers Auffassung des praktischen Argumentierens, in der sich eine tiefgreifende Skepsis gegenüber der rationalen Begründbarkeit praktischer Standards mit der Überzeugung verbindet, daß eine rationale Erörterung von Werten und Normen möglich ist, findet auch in seiner Konzeption der Gerechtigkeit deutlichen Ausdruck. Er bezeichnet sie als "analytisch-dialektische Gerechtigkeitstheorie", weil "Gerechtigkeitsanalysen zwar rational strukturiert, aber dialektisch und mit wertenden Stellungnahmen durchsetzt" seien, wobei ,dialektisch' ein mehrwegiges, nicht-deduktives Argumentieren bezeichnet.2s Weinherger geht davon aus, daß in jeder Gesellschaft ein Gerechtigkeitsbewußtsein besteht, aufgrund dessen gewisse Prinzipien und Ideale der Gerechtigkeit allgemein anerkannt werden. Diese Gerechtigkeitsprinzipien und -ideale seien teils biologisch, teils kulturell fundiert, und ihnen komme die Funktion handlungsdeterminierender Regulative zu, die auf eine ausgewogene Rollenverteilung gerichtet sind. Die Postulate der Gerechtigkeit treten dabei zu Nützlichkeitserwägungen und anderen normativen Regulativen hinzu, mit denen sie teilweise zusammenwirken, teilweise aber in Konflikt stehen. Im Falle des Konflikts fungieren die Erfordernisse der Gerechtigkeit als Maßstäbe und Grenzen der Nützlichkeitserwägungen.29 27 Vgl. Koller, Über Sinnfälligkeit und Grenzen des moralischen Relativismus, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Beiheft 29 (1987), S. 55- 71. 28 Vgl. Weinberger, Analytisch-dialektische Gerechtigkeitstheorie (FN 14), S. 200f. 29 Weinberger, Die Conditio humana und das Ideal der Gerechtigkeit, in: MacCormick/Weinberger, Grundlagen des Institutionalistischen Rechtspositivismus (FN 14), s. 246ff.
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Ich stimme dieser Auffassung, die gleichsam die Einleitung zu Weinbergers Gerechtigkeitskonzeption bildet, im Ergebnis weitgehend zu. Allerdings möchte ich kritisch anmerken, daß sie gänzlich unerklärt läßt, warum in allen Gesellschaften Gerechtigkeitsvorstellungen bestehen und warum sich diese Vorstellungen im Laufe der Geschichte wandeln. Weinherger setzt die Existenz eines Gerechtigkeitsbewußtseins einfach als ein Faktum voraus, das keiner weiteren Erklärung bedarf. Demgegenüber kann die Idee universeller praktischer Rationalität zumindest eine partielle Erklärung dafür bieten, warum Menschen Forderungen der Gerechtigkeit als Richtlinien ihres Handeins anerkennen. Gerechtigkeitsforderungen bilden jenen Teil der Moral, der die wechselseitigen Rechte und Pflichten der Menschen betrifft. Sofern es für die Annahme, daß Menschen moralische Rechte und Pflichten gegeneinander haben, überhaupt eine rationale Begründung gibt, geht sie auf ganz natürliche Weise aus dem Postulat der intersubjektiven Rechtfertigungsbedürftigkeit zwischenmenschlichen Handeins hervor. Eine Handlung ist recht (d.h . moralisch erlaubt), wenn sie den Betroffenen gegenüber mit guten Gründen gerechtfertigt werden kann; jede Handlung, die sich nicht rechtfertigen läßt, ist unrecht und daher verboten; und diejenigen Handlungen schließlich, deren Unterlassung verboten ist, sind geboten, also Pflicht. Wenn es zutrifft, daß viele Menschen glauben, ihr Verhalten bedürfe einer Rechtfertigung gegenüber jenen, die davon betroffen sind, dann erklärt dies auch, warum sie annehmen, daß es moralische Rechte und Pflichten gibt, die der Beliebigkeit willkürlicher Setzung entzogen sind. Weinherger hat in einer ganzen Reihe von Arbeiten den Unterschied zwischen formalen und materialen Postulaten der Gerechtigkeit herausgearbeitet und damit wesentlich dazu beigetragen, die logische Struktur und den semantischen Gehalt von Gerechtigkeitseinstellungen zu erhellen. 3o Als formal werden dabei solche Postulate bezeichnet, die innerhalb des betrachteten Sprachsystems analytisch, d.h. schon aus formal-logischen Gründen, gelten; material sind demgegenüber alle jene Postulate, die darüber hinausgehende inhaltliche Wertungen enthalten. Das wichtigste Beispiel eines formalen Gerechtigkeitspostulats ist das sog. Prinzip der formalen Gerechtigkeit, welches verlangt, daß Menschen unter gleichen relevanten Umständen gleich zu behandeln sind. Weinherger hat gezeigt, daß dieses Prinzip gleichbedeutend ist mit der Forderung, daß die Behandlung von Menschen 30 Diese Arbeiten sind insbesondere die folgenden: Gleichheitspostulate, in: Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht 25 (1974), S. 23- 38, wiederabgedruckt in: Logische Analyse in der Jurisprudenz (FN 12), S.146- 163; Einzelfallgerechtigkeit, in: Dimensionen des Rechts. Gedächtnisschrift für Rene Marcic, Berlin 1974, S. 409 - 439, wiederabgedruckt in: Logische Analyse in der Jurisprudenz, S. 164 194; Analytisch-dialektische Gerechtigkeitstheorie (FN 14); Die Conditio humana und das Ideal der Gerechtigkeit (FN 29); Norm und Institution (FN 11}, S. 217ff.
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aufgrund genereller Regeln erfolgen soll. Diese Forderung ist formal, weil sie die Beschaffenheit der Regeln, nach denen Menschen behandelt werden sollen, völlig offen läßt; sie sagt also weder etwas darüber aus, welche Umstände für die Behandlung relevant sein sollen, noch darüber, wie Menschen unter verschiedenartigen Umständen zu behandeln sind. Das Prinzip der formalen Gerechtigkeit sei daher, so argumentiert Weinberger, absolut inhaltsleer und wertneutral: "Das bedeutet auf der einen Seite, daß aus diesem Prinzip allein in keiner Weise irgendein Argument für eine rechtspolitische Einstellung oder eine inhaltliche Rechtskonzeption gewonnen werden kann; auf der anderen Seite folgt daraus, daß jedes Wertsystem und jede logisch konsistente Solleusordnung mit ihm in Einklang gebracht werden können." 31 Aus eben diesem Grunde ist Weinherger der Meinung, das Postulat formaler Gerechtigkeit sei rational begründet, während jedes materiale Prinzip auf subjektiver Stellungnahme beruhe. Obwohl ich Weinhergers Differenzierung zwischen formaler und materialer Gerechtigkeit völlig überzeugend finde, möchte ich seiner Charakterisierung formaler Prinzipien widersprechen und damit auch der Auffassung, diese Prinzipien seien inhaltsleer. Der formale Charakter von Prinzipien ergibt sich, wie gesagt, daraus, daß sie innerhalb einer Sprachpraxis analytisch, also notwendig, gelten. Insoweit trifft es zu, daß die Forderung, Gleiches gleich zu behandeln, eine formale Forderung ist, weil die Regelhaftigkeit oder Universalität moralischer Standards ein konstitutiver Bestandteil unserer Auffassung von Moralität ist. Die Regelhaftigkeit wird aber nur als ein notwendiges Merkmal moralischer Standards betrachtet, nicht aller praktischen Standards schlechthin. Es gibt kein allgemein gültiges logisches Prinzip, welches fordert, Menschen unter gleichartigen Umständen gleich zu behandeln. Infolgedessen ist das Prinzip der formalen Gerechtigkeit ein formales Prinzip nur im Rahmen moralischer Rede; es gilt aber nicht notwendig für jede praktische Überlegung. Außerhalb des moralischen Diskurses, etwa im Kontext r einer Zweckmäßigkeitserwägungen, ist die Forderung der Regelhaftigkeit keine formale, sondern eine materiale Forderung; und sie ist dort auch nicht wertneutral und inhaltsleer. Das Prinzip der formalen Gerechtigkeit erscheint daher als formal und notwendig gültig nur dann, wenn man die Grunderfordernisse der Moralität bereits als selbstverständlich voraussetzt. Macht man diese Voraussetzung nicht, so stellt sich die Frage, wodurch das Prinzip formaler Gerechtigkeit eigentlich begründet ist, oder anders formuliert: warum man sich auf einen moralischen Diskurs überhaupt einlassen sollte. Weinherger beantwortet diese Frage nicht, und ich glaube auch nicht, daß er sie von seinem Standpunkt aus beantworten kann. Demgegenüber liefert die Idee universeller 31
Weinberger, Gleichheitspostulate (FN 30), S. 152.
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praktischer Rationalität eine plausible Begründung der Forderung, daß menschliches Handeln sich an Regeln orientieren soll: Wenn das Verhalten anderen gegenüber durch Gründe gerechtfertigt werden muß, die für alle Menschen gleichermaßen gelten, dann können unter gleichartigen Umständen nicht verschiedene Handlungsweisen angemessen sein. Infolgedessen muß sich zwischenmenschliches Handeln an Regeln orientieren, die allgemeine Gültigkeit besitzen. Wenn man das Erfordernis universeller praktischer Rationalität. annimmt, so erweist sich nicht nur das Postulat der formalen Gerechtigkeit als wohlbegründet, sondern dann besteht darüber hinaus auch die Möglichkeit, verschiedene Prinzipien der materialen Gerechtigkeit auf rationale Weise zu rechtfertigen. Dazu gehören nicht zuletzt mehrere Gerechtigkeitsforderungen, zu denen sich Weinherger selbst bekennt, ohne allerdings eine Begründung für sie zu haben: so insbesondere die sogenannten Diskriminierungsverbote, die bestimmte Gründe für eine Ungleichbehandlung von Menschen ausschließen, und die Forderung, daß bei der Behandlung von Personen gewisse Gerechtigkeitsmaßstäbe, vor allem die Verdienste und die Bedürfnisse der Menschen, zu berücksichtigen sind. 32 All dies spricht dafür, daß ein angemessenes Verständnis sowohl unserer grundlegenden moralischen Intuitionen als auch der weithin als verbindlich anerkannten Richtlinien menschlichen Handeins ohne die Annahme praktischer Vernunft nicht möglich ist. Das ist freilich kein zwingender Beweis dafür, daß es so etwas wie praktische Vernunft wirklich gibt. Aber einen Beweis dafür kann es auch gar nicht geben. Denn die menschliche Vernunft ist kein objektiv bestehendes Faktum, sondern ein Konstrukt menschlichen Denkens, eine kollektive Idee, die schon deshalb nicht durch Vernunftgründe bewiesen werden kann, weil sie erst die Kriterien dafür bereitstellt, was vernünftige Gründe sind. Die Vernunft ist darum auch nur in dem Grade imstande, das menschliche Denken und Handeln zu leiten, in dem sie von den Menschen anerkannt wird. Und sofern es auf die Frage, warum man die Idee praktischer Vernunft anerkennen sollte, überhaupt eine Antwort gibt, dann vielleicht die, daß vernunftbegabten Wesen die Verantwortung auferlegt ist, ihr Dasein auf vernünftige Weise zu gestalten. 6. Anhang: Zum Prinzip der Gleichbehandlung Vom Standpunkt universeller praktischer Rationalität erscheint ferner ein materiales Gerechtigkeitsprinzip als begründet, dem Weinherger außerordentlich kritisch gegenübersteht: das Prinzip der Gleichbehandlung oder a2 Vgl. Weinberger, Gleichheitspostulate (FN 30), S . 155ff.; ders., Norm und Institution (FN 11), S. 230ff.
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der Gleichverteilung. Dieses Prinzip, das von vielen Autoren als das Grundprinzip der Verteilungsgerechtigkeit betrachtet wird, lautet: Alle an einem gemeinschaftlichen Unternehmen beteiligten Personen sind gleich zu behandeln und die gemeinschaftlichen Vorteile und Lasten sind auf sie gleich zu verteilen, sofern nicht allgemein akzeptable Gründe eine unterschiedliche Behandlung bzw. eine ungleiche Verteilung rechtfertigen.aa Da das Postulat der Gleichbehandlung nicht nur ein weithin anerkanntes Erfordernis der distributiven Gerechtigkeit ist, sondern überhaupt das normative Fundament der modernen Vorstellung sozialer Gleichheit darstellt34, möchte ich es hier etwas näher betrachten und gegen die Kritik Weinhergers verteidigen. Das Prinzip der Gleichbehandlung ist ein substanzielles Postulat der Gerechtigkeit und darum nicht mit der Forderung formaler Gerechtigkeit identisch. Es schließt diese ein, verlangt aber mehr. Es verlangt nämlich nicht bloß, Personen unter gleichen Umständen gleich zu behandeln, sondern es fordert darüber hinaus, daß die Mitglieder eines gemeinschaftlichen Unternehmens in Ermangelung allgemein annehmbarer Gründe, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, gleich zu behandeln sind; mit anderen Worten: daß von einer Gleichverteilung gemeinschaftlicher Vorteile und Lasten nur dann abgewichen werden darf, wenn dies durch allgemein zustimmungsfähige Gründe gerechtfertigt erscheint. Dieses Prinzip schränkt den Spielraum zulässigen Handeins weitaus stärker ein als die formale Gerechtigkeit. Denn anders als diese schließt es jede Regel aus, die eine Ungleichbehandlung der beteiligten Personen an Bedingungen knüpft, die nicht durch allgemein akzeptable Gründe gerechtfertigt sind. Dies impliziert eine Präsumtion zugunsten der Gleichheit, eine Präsumtion freilich, 33 Vgl. John Stuart Mill, Utilitarianism (1871); dt.: Der Utilitarismus, Stuttgart 1976, S.107f.; D. D. Raphael, Equality and Equity, in: Philosophy 21 (1946); wiederabgedruckt in: ders., Justice and Liberty, London 1980, S.lff.; S. I. Bennl R. S. Peters, Social Principles and the Democratic State, London 1959, 9. Auf!. 1973, S. 108; William K. Frankena, The Concept of Social Justice, in: Social Justice, hrsg. von Richard B. Brandt, Englewood Cliffs, N.J. 1962, S. 9ff.; Nicholas Rescher, Distributive Justice, Indianapolis- New York- Kansas City 1966, S. 31ff.; Hugo A. Bedau, Egalitarianism and the Idea of Equality, in: Equality, hrsg. von J . R. Pennock und J. W. Chapman, New York 1967, S. 3ff.; S. I. Benn, Egalitarianism and the Equal Consideration of Interests, im selben Band, S. 61ff.; William T. Blackstone, On the Meaning and Justification of the Equality Principle, in: Ethics 77 (1967), S. 239ff.; Alan Gewirth, The Justification of Egalitarian Justice, in: American Philosophical Quarterly 8 (1971), S. 331ff.; John Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit (FN 26), S . 105ff.; John Rees, Equality, London 1971; dt.: Soziale Gleichheit, Frankfurt 1974, S. 107ff.; Joel Feinberg, Social Philosophy, Englewood Cliffs, N.J. 1973, S. 99ff.; R. M. Hare, Justice and Equality, in: Justice and Economic Distribution, hrsg. von J. Arthur und W. H. Shaw, Englewood Cliffs, N.J. 1978, S.116ff.; John Finnis, Natural Law and Natural Rights, Oxford 1980, S.173f. 34 Siehe dazu die näheren Ausführungen bei Koller, Die Rechtfertigung und Kritik sozialer Ungleichheit, in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 12. Jg. (1987), Heft 2, S. 4ff.
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die durch allgemein annehmbare Gründe für eine Ungleichbehandlung übertrumpft werden kann. 35 Nun hat Weinherger gegen die Präsumtion der Gleichverteilung ins Treffen geführt, daß sie aus zwei Gründen abzulehnen sei: 1. weil sie im Konflikt stehe mit dem Charakter der relativen Wertung, und 2. weil sie unter gewissen Umständen zu offenbar falschen Ergebnissen führe.36 Was den ersten Grund betrifft, so lautet sein Argument folgendermaßen: Jede Wertung sei anfänglich eine global-intuitive Stellungnahme eines Subjekts über einen mehr oder minder komplexen Gegenstand oder Sachverhalt; danach erst könne das wertende Subjekt versuchen, seine globale Wertung durch eine genauere Bestimmung der zugrundeliegenden Bewertungskriterien zu objektivieren und in eine analytisch-rationale Wertung umzuwandeln, die dann durch Argumente gestützt erscheint; in jedem Falle bleibe die Wertung jedoch subjektabhängig, und in vielen Fällen gelinge es auch nicht, die globale Wertung durch die Angabe der ihr zugrundeliegenden Kriterien hinreichend zu begründen; in solchen Fällen sei es aber keineswegs zulässig, auf die Unangemessenheit der ursprünglichen Wertung zu schließen, weil die Tatsache, daß für sie keine rationalen Gründe angeführt werden können, ja nicht bedeuten müsse, daß es solche Gründe nicht gebe. Infolgedessen sei es "prinzipiell unberechtigt, aus der Nicht-Kenntnis relevanter Unterscheidungsgründe oder aus der rational-analytischen Unbestimmtheit der relativen Wertung eine hinreichende Begründung für die Gleichverteilung abzuleiten" .37 Aus eben diesem Grunde könne die Präsumtion der Gleichverteilung in Fällen, in denen es nicht gelinge, zureichende Gründe für eine Ungleichbehandlung namhaft zu machen, zu verfehlten Ergebnissen führen. Weinberger illustriert dieses Argument an dem folgenden Beispiel: "Die Personen P 1 und P 2 haben in Kooperation ein gewisses Produkt erzeugt. P 1 hat den Plan erstellt, P 2 das Produkt hergestellt. Die Input-Anteile der beteiligten Personen sind zweifellos artmäßig verschieden, wir kennen kein geeignetes Maß des Vergleichens. Es handelt sich also um die typische Situation, in der wir keine Begründung für unterschiedliche Anteile und deren Relation kennen. Können wir in dieser Situation Gleichverteilung fordern und diese als gerecht ansehen? Dies muß abgelehnt werden. Eine wertende Stellungnahme ist jedenfalls erforderlich, und sie kann nicht durch Hinweis auf unser Nicht-Wissen ersetzt werden. "38 35 So insbesondere auch Bennl Peters, Social Principles and the Democratic State (FN 33), S. 111. 36 Vgl. Weinberger, Die Präsumtion der Gleichverteilung, in: Formalismus und Phänomenologie im Rechtsdenken der Gegenwart. Festgabe für Alois Troller, hrsg. von W. Krawietz/W. Ott, Berlin 1987, S. 487-497, S. 488. 37 Weinberger, Die Präsumtion der Gleichverteilung (FN 36), S. 496. 38 Ebd., S. 497.
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Diese Kritik verfehlt ihr Ziel, weil sie nicht zwischen dem Prinzip der Gleichbehandlung und der darauf aufbauenden Präsumtion zugunsten der Gleichheit unterscheidet. Bringt jenes Prinzip die aus der Idee der grundsätzlichen Gleichberechtigung der Menschen resultierende Forderung zum Ausdruck, daß die Vorteile und Lasten gemeinschaftlicher Unternehmungen auf deren Mitglieder gleich zu verteilen sind, sofern nicht gute Gründe für eine Ungleichverteilung bestehen, so stellt die Präsumtion der Gleichverteilung eine Verfahrensregel zur Anwendung dieser Forderung unter realen Bedingungen dar. Das Prinzip der Gleichbehandlung beruht auf der Annahme, daß Menschen, sofern sie einander als gleichwertige und selbstbestimmungsfähige Wesen anerkennen, prima facie einen gleichen Anspruch auf diejenigen Güter und Annehmlichkeiten haben, die ihnen entweder gemeinsam gegeben sind (wie die natürlichen Ressourcen dieser Welt) oder die durch soziale Kooperation entstehen (wie etwa die Ergebnisse wirtschaftlicher Zusammenarbeit). Der gleichberechtigte Anspruch auf gemeinschaftliche Güter impliziert jedoch nicht notwendig einen Anspruch auf einen gleichen Anteil an diesen Gütern. Denn da sich die Menschen tatsächlich ja in vielen Hinsichten unterscheiden, die bei der Verteilung gemeinschaftlicher Vorteile und Lasten Berücksichtigung verdienen- sie haben verschiedene Bedürfnisse, sie treten mit unterschiedlichen Rechten in gemeinschaftliche Beziehungen ein und sie tragen in ungleichem Maße zur sozialen Kooperation bei-, mag es gute Gründe geben, die eine Ungleichbehandlung der beteiligten Personen als gerechtfertigt erscheinen lassen. Ob und inwieweit eine Ungleichbehandlung von Menschen zulässig ist oder nicht, hängt also davon ab, ob es dafür rechtfertigende Gründe gibt oder nicht. Und die Existenz oder Nichtexistenz solcher Gründe ist zumindest im Rahmen einer idealen Betrachtung unabhängig davon, ob wir sie kennen oder nicht. Eine andere Frage ist, wie wir in realen Auseinandersetzungen um die gerechte Verteilung gemeinschaftlicher Vorteile und Lasten entscheiden sollen, ob es gute Gründe für eine Ungleichverteilung gibt oder nicht. Natürlich ist die Tatsache, daß wir derartige Gründe nicht namhaft machen können, kein ausreichender Beweis dafür, daß es keine gibt und daß daher eine Gleichbehandlung geboten ist. Insoweit hat Weinherger vollkommen recht. Aber daraus folgt nicht, daß die Präsumtion der Gleichverteilung keinen Sinn ergibt. Denn sofern eine rationale Diskussion über die angemessene Verteilung gemeinschaftlicher Vorteile und Lasten überhaupt möglich sein soll, so brauchen wir jedenfalls gewisse Indikatoren dafür, unter welchen Bedingungen vernünftigerweise anzunehmen ist, daß gute Gründe für eine Ungleichbehandlung vorliegen oder nicht. Und der beste Indikator dafür, daß es für eine Handlungsweise gute Gründe gibt, scheint immer noch der zu sein, daß man diese Gründe nennt, während umgekehrt der Umstand, a•
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daß sich gute Gründe nicht finden lassen, einen Indikator dafür darstellt, daß es keine gibt. In diesem Sinne ist die Präsumtion der Gleichverteilung zu verstehen: Die Vorteile und Lasten eines gemeinschaftlichen Unternehmens sollen auf dessen Mitglieder gleich verteilt werden, solange eine Ungleichbehandlung nicht durch allgemein annehmbare Gründe gerechtfertigt werden kann. Die Präsumtion zugunsten der Gleichheit erweist sich damit als eine Argumentationslastregel, die dazu dient, die Anwendung des Prinzips der Gleichbehandlung in realen Situationen zu ermöglichen.39 Da jede rationale Erörterung der Gründe und Gegengründe menschlichen Handeins sich nur auf die faktischen Kenntnisse und Überzeugungen der beteiligten Individuen stützen kann, haben auch die Ergebnisse einer solchen Erörterung stets nur vorläufige Geltung. Was uns heute als richtig erscheint, wird vielleicht morgen im Lichte neuer Argumente für ganz unsinnig gehalten. Das ist der Lauf der Welt. Doch es wäre verhängnisvoll zu meinen, daß wir deshalb gleich darauf verzichten sollten, unser Handeln so weit wie möglich von Vernunftgründen leiten zu lassen.
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Vgl. die entsprechende Diskursregel bei Alexy (FN 26), S. 242 f .
LEGAL REASONING AND THE INSTITUTIONAL THEORY OF LAW By Neil MacCormick, Edinburgh Introduction It is an honour and a pleasure to take part in this symposium in honour of a very distinguished scholar. Professor Weinherger has hirnself done me the even more remarkable honour of making me his collaborator in work on the institutional theory of law, and I am glad to be able to count myself as one of his friends. In tribute to him, I wish today to tackle some questions about one of his lifelong interests, that concerning the place of logic in legal reasoning, and to show how his work and mine on an institutional theory may be relevant to this.
In this paper, I shall argue that (i) legal deduction is possible notwithstanding a certain Kelsenian objection; (ii) because one can quite properly ascribe truth-value to normative statements in the legal setting, these being statements of institutional fact; (iii) legal deductive reasoning should be constructed in terms of predicate logic; (iv) there is no sound objection to this on the ground that predications involve decisions; or (v) require interpretations of rules or rule-formulations; (vi) since law involves truth-determining procedures; (vii) which even apply in the case of the value judgments involved in applying certain legal predicates; (viii) the same line of thought should Iead us to allow of the existence of normative predicates rather than insisting on the necessity for deontic logic in this realm; (ix) thus there are four kinds of predicate deployed in legal reasoning; finally, (x), nothing in this argument postulates that existing legal systems are complete, gapless and self-consistent logical systems. The paper is subdivided into ten sections as indicated. The conclusion stresses the importance of keeping a balanced view of the deductive elements in legal reasoning, in contrast with open ended, defeasible, interpretative and practical elements. I. Legal Deduction and the Kelsenian Objection It is a common thesis of Weinberger's and mine that legal reasoning in justification of legal decisions can sometimes be a form of deductive reasoning, and always is so in part. My version of this thesis is that legal rules can always be constructed or reconstructed as hypotheticals, prescribing that if
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certain circumstances (certain 'operative facts') obtain, then certain normative consequences are to follow. Rules being so constructed, it is sometimes possible to establish in a given case that an instance of the relevant operative facts does obtain. If one can establish this, one can justifiably claim that the relevant normative consequence must follow in the given case. In the capacity of a judge, one can justifiably decide that it does follow, and can justifiably give a legal decision which implements that consequence. Such reasoning involves a form of deductive inference or subsumption. You postulate a general hypothetical rule, you establish facts in a particular case subsumable within the rule's hypothesis, and you draw the logical conclusion for the particular case from rule plus facts. I stressthat such reasoning shows the decision (or claim) tobe justifiable as a legal decision within the presupposed system of positive law. This neither says nor implies that anyone actually makes the claim or makes the decision. Claiming and deciding are acts of will, and acts of will are of course not logical conclusions. Decisions are made, not deduced. What is entailed by premises is not decided by anybody, though one can indeed decide whether or not to draw or face up to conclusions entailed by the premises one accepts. The thesis that decisions are acts of will, not inferences or acts of cognition is both obviously true, and important in itself. In Graz, one need hardly add that it is a thesis of central importance in Hans Kelsen's later elaborations of the Pure Theory of Law.1 What Weinherger and I both emphatically reject, however, is that which the later Kelsen mistakenly took to be the corollary of the thesis that decisions are not deductions. This quite correct thesis neither entails nor even suggests that deductions from rules must be irrelevant to the justification of decisions. On the contrary, there is every reason to suppose that such deductions form a significant element in legal justification in any conception or system of law in which either the Rule of Law or the Rechtsstaat is is accepted as a governing ideal. Where the duty of a tribunal is to uphold pre-established and pre-declared rules of law, any form of reasoning will amount to at least a partial justification of a decision if it shows that the decision is one giving effect to a certain legal consequence in the given case, that this is a legal consequence provided for in a pre-established rule of law, and that the facts of the given case can be counted as instances of the operative facts stipulated in the relevant rule. To hold that such reasoning is genuinely justificatory within the system, and that it is acceptable as justifying the relevant decision, is not in any way to confuse decision with deduction, enactment with entailment. 1 See Hans Kelsen, Essays in Legaland Moral Philosophy, nordrecht 1973; chapters 10- 12, esp. chapter 10; and Allgemeine Theorie der Normen, Vienna 1979, chapt er 58, esp. pp. 188-9. Cf. Ota Weinberger, Logic and the Pure Theory of Law, in: R. Tur and W. Twining (eds.), Essays on Kelsen, Oxford 1986, pp.187 - 201.
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II. Truth-Value, Rule-Formulations, and Institutional Facts Still, there may remain a related and fundamental ohjection to the deductivist thesis. For it can also he claimed that legal rules are norms, that norms are themselves acts of will, or the contents of acts of will, and hence that they lack truth value. On this ground, it is averred that rules cannot form premises for logical reasoning in any strict or strong sense. This argument is also prominent in Kelsen's anti-deductivist thesis, and has recently heen restated hoth hy Bernard Jackson and hy Vincent Wellman. 2 Weilman suggests that it is at hest contestahle and at worst false to ascrihe truthvalue to statements or formulations of rules, and that good methodology requires us to avoid contestahle premises where weaker and less contestahle ones can he found. So it is methodologically unsound to hase a theory of legal reasoning on the assumption that truth-value can he ascrihed to rulestatements. Bernard Jackson, on the other hand, argues that I fall into confusion hetween legal dogmatics as a semiotic system within which veridical statements may he made and the discourse of the judiciary in decision-making, this heing a wholly different semiotic system, not admitting of truth values. Yet this is where the notion of justification applies. Ota Weinherger hirnself is an authority for the view that norm logic is a special and non-truth-functional logic. 3 And the distinguished team of Alchourr6n and Bulygin has recently shown in some hrilliant papers that it is a serious mistake to confuse the logic of norms on the one hand with the logic of (descriptive) normative statements on the other. 4 Only a logic of norms can estahlish crucial notions like that of contradiction {or conflict) hetween norms or can show the necessary relations which ohtain hetween the ohligatory and the permissihle where these are conceived as strongly normative (not descriptively normative) notions. Thesenotions are crucial for, hutnot exactly or directly replicated in, the logic of (descriptive) normative statements. Alchourr6n and Bulygin themselves hold that the logic of justification of judicial decisions must he the logic of norms, not of normative statements, hence it is presumahly different from the logic of a descriptive activity like that of legal dogmatics. In this light, their critique is comparahle with that of Jackson. z See Bernard S. Jackson, MacCormick on Logical Justification in Easy Cases: a Semiotic Critique (Paper presented to special Semiotics Group session of IVR World Congress, Edinburgh, 1989), and Vincent A. Wellman, Practical Reasoning and Judicial Justification: toward an Adequate Theory, in: University of Colorado Law Rev. 57 (1985), pp. 45- 115; cf. Wilson, op. cit. supra, no. 12, p . 277. 3 See, e.g., Ota Weinberger, Rechtslogik, 2nd edn. Berlin 1989, esp. ch. 10. 4 I have in mind particularly the paper by C. Alchourr6n and E. Bulygin presented in the present volume, but also their paper presented to the international Legal Informatics seminar held in Florence, 2- 4 November 1989, and their papers presented to an international Symposium at Coral Gables, Florida, 25 - 27 March 1988.
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The Institutional Theory of Law as advanced by Weinherger and myself, even allowing for our partially divergent formulations of it, gives a solid ground for rejecting the Kelsenian objection, and for responding to Wellman's methodological point. But this is subject to an important proviso relevant to the argument just summarised. The proviso is that the logic of justification is seen as one which primarily has recourse to descriptive normative statements. For such statements, it is simply false to treat it as any Iongeropen to doubt that one can properly ascribe truth or falsity to sentences stating what is required, permitted or enabled (etcetera) by legal norms. Suchstatements can be understood (in any legal discourse) as statements of institutional facts, and as such they certainly can have truth-value. The strongest ground for doubting or denying this pointisthat speech acts like commanding or legislating both lack truth value in themselves and lack any propositional content. Once performed, they establish norms which are to be understood not as describing the world but as guiding conduct in it. When I drive past a thirty miles per hour speed Iimit sign, I am not supposed tothinkor to murmur, 'How true', but to adjust the speed of my car accordingly. I am to derive from it (and to act on) an individual imperative, not some kind of a statement. All that is true, but not to the issue. Observe that acts of legislating were (correctly) said to 'establish' norms. But a rule which is thus 'established' constitutes valid law in the relevant system over a period of time. This indicates that the conceptual structure of a legal system is one in which statutes and other kinds of rule can be said to endure through time. As Ota Weinberger and I both argue, he the more weightily, this quality of temporal durability isthat which makes appropriate an ascription of existence. Statements about that which has temporal existence are statements of some kind of fact. Hence it is perfectly possible for them to be true statements of the existent normative content of such a system at any given time. Putting a litre of petrol in a car is an act which Iacks truth value. Using it as intended, to fuel the car, is an act that lacks truth value. But the petrol gauge in the car can still give true (or, alarmingly, false) information about the states of affairs resulting from such acts. So too with the legal states of affairs which result from law-creating and conduct-guiding acts. These can be truly (or falsely) stated notwithstanding that the acts which brought them about cannot be themselves true or false, and are not acts which state true or false statements. Hence the following is indeed either true or false as an attempted statement of the Scots or English law conceming murder as at 1st September 1989: 'For all x and for all y, if x isalegal person and y isahuman being, then if y dies and if x so acted or deliberately refrained from acting as to cause y's death, and if x acted or refrained from acting with the intention to
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cause y's death, then x is guilty of the murder of y and x is liable to be sentenced to imprisonment for life'. What that formulation rather elaborately says is that wilful killing is a crime in Scots and English law, namely the crime of murder, and that those who commit it are liable to be punished with life imprisonment. I do not know anyone who (for purposes other than pursuing a philosophical system in the teeth of common sense) either doubts that, or doubts that one can quite properly call such opinions true or false. These doubts can be made credible only on the basis of a very naive correspondence theory of truth. By a 'naive correspondence theory' I mean one which holds that we can ascribe truth-value only to statements for which there could be some exactly corresponding state of affairs in the perceptible physical world. True statements are then those with which this world does indeed correspond. Such a theory is untenable for a whole variety of reasons, not least because its own statements cannot be true (or false) by its own criterion of truth. On this ground (and others) there is a temptation to abandon the very concept of correspondence as supplying either a meaning of or a criterion for truth. Yet surely this in turn goes too far. There are indeed classes of statements within given forms of discourse for which 'correspondence' with perceptible events and states of affairs is a quite appropriate criterion of truth. Conversely, there is a perfectly acceptable (if different) sense of the term "correspond" in which we can say that for every true statement in any veridical discourse there are corresponding facts. Correspondence in this latter sense, however, cannot be a criterion of truth, for the facts in question cannot be supposed to exist in some way independently of the grounds of truth of the sentences which state them. This is, indeed, a characteristic of all sorts of institutional fact. By 'institutional facts' I mean those facts which depend not only on some physical events and occurrences which are supposed to have taken place, but also on an interpretation of these (and/or other) events or occurrences which are interpreted in terms of some stable set of rules or conventions of conduct or of discourse. The fact that the sentence I have just uttered is a well-formed and grammatically correct sentence in English is an example of such a fact. Relevant occurrences in the world are the utterance by me of sounds or the production by me of marks on paper or on my computer screen. These amount to a sentence in the English language only given the complex but stable set of conventions and rules of discourse which constitute English syntax and semantics. That the presentation of this and other sentences in an ordered declamation by me amounts to the delivery of an academic paper to a learned seminar in Graz depends likewise on an interpretive understanding of the relevant occurrences in the light of a presupposed complex and stableset of rules of social conduct current in our academic
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community. If the truth of a true statement depends both upon the occurrence or non-occurrence of relevant events and upon the interpretation of these events by reference to the rules which make them count as relevant, then the statements in question state 'institutional facts'.s Dr Eerik Lagerspetz's recent and admirable book A Conventionalist Theory of Institutions 6 suggests that institutional facts can be conceptualised as a sub class of what he calls "conventional facts", that is, that they are facts in virtue of the conventional (and mutual) beliefs of relevant populations or groups of people. Since the existence of at least some rules, for example, the ultimate rules of legal systems, depends on convention rather than on yet higher order rules (leading either to an infinite regress or to a Kelsenian arbitrary presupposition), it is obvious why my account of institutional facts has to be embedded in some account of custom or convention, and thus perhaps something like Lagerspetz's conventional facts. Weinberger's broader category of 'humanly conditioned' facts (menschabhängige Tatsache) probably plays the same role. 7 However that may be, it seems plain enough that our rules and conventions are for us constitutive of facts, facts which hold good only because of our- or somebody's - observance of relevant rules and conventions. Further, if one can truly state that a certain rule 'q whenever p' is valid in a given legal system, than it seems equally unobjectionable to say that for this system, during the validity ofthat rule, q isthelegal consequence which follows in any given case where p obtains. The truth that the rule is valid seems to entail the truth of the statement of its contents as a truth about the legal system as it now exists. lt is murder in Scots law if one person deliberately kills another in the absence of any justifying or excusing conditions; and the legally mandatory penalty for murder is imprisonment for life. There seems to be something very odd indeed about denying that these statements can have truth value, since no ordinary person would seriously doubt their truth. Moreover, if you wish to justify the fact that a certain person is serving a sentence of life imprisonment in a Scottish prison, it is surely at least a partial justification of this if one can show that he has been convicted of murder, and sentenced to life imprisonment on that account. Thus there can be no serious objection to moderate deductivism on the basis that statements of legal rules lack truth value. The theory of institutional facts indicates that it is perfectly appropriate to ascribe truth value 5 The concept of 'institutional fact' deployed here derives from N. MacCormickl 0 . Weinberger, An Institutional Theory of Law, Dordrecht 1986. The account of brute fact goes a little beyond the account given there, but continues along lines prefigured in chapter 4 (MacCormick, 'On Analytical Jurisprudence'). s E. Lagerspetz, A Conventionalist Theory of Institutions, Helsinki 1989, esp. chs.
1 &2. 7
See 0. Weinberger, in: MacCormick/Weinberger, op. cit. no. 5.
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both to statements of the validity of valid legal rules, and to statements of the content of valid rules as statements about the existing law of a given jurisdiction or state. In so far as a statement of the law and a statement of facts taken as proven or admitted in a given case justify a conclusion about the legal consequences of those facts, this can justify a legal decision implementing these consequences, or a doctrinal assertion that such are the consequences which ought to be implemented. This, however, is the very claim which comes up against the criticisms both of Jackson and of Alchourr6n and Bulygin. For Jackson, it ignores the difference between doctrinal and judicial discourses about law. For Alchourr6n and Bulygin, it fails to observe that the judge's position is one of acting in conformity to the legal norm itself, as distinct from descriptive statements about it. The judicial decision itself is an act of individual normsetting, one which constitutes a determinatio of the general norm governing the case and its decision. If there is a logical operation involved here, it belongs to the logic of norms, not to the logic of normative statements. With great respect to both sets of critics, and fully acknowledging that the points they take were ones which I had either wholly overlooked or quite misunderstood in earlier versions of the present argument, I confess myself unpersuaded by the criticism. The duty of a judge, I should submit, is to apply the law as it is, subject to all such interpretative resolutions and evaluations as may be called for in its concrete application in given cases. It is the law as it is (after it has been relevantly interpreted, where necessary) that governs any given case. It follows in my view that the discourse of law application, through which the judge justifies his/her deciding a case in a certain way, is descriptive of, or descriptive and interpretative of, legal norms in essentially the same way as is academic doctrinal discourse about law. Therefore, although the logic of norms as such does differ from the logic of normative statements, it is the latter which is essentially involved in the justificatory reasonings stated by judges in judicial opinions, certainly within the discursive style of the Americano-British traditions, and, I suspect, generally.
m. Legal Deduction as Predicate Logic At this point, however, I do wish to acknowledge a deficiency in the way in which in my earlier writings I sought to formalise the logic of deductive reasoning in legal justification. In my Legal Reasoning and Legal Theory 8 , in s SeeN. MacCormick, Legal Reasoning and Legal Theory, Oxford 1978, pp.19- 33, for my rational reconstruction of the Daniels case. Briefly to summarise the facts and point of the case so far as relevant for present purposes: Mr. Daniels bought from Mrs. Tarbard in her public house a bottle of R. White's lemonade. When he and his wife
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showing how part of the reasoning in one English case, that of Daniels & Daniels v R. White & Sons Ltd and Tarbard ([1938] 4 All E.R. 258), amounted to a deduction of the conclusion reached from a complex set of premises comprising various rules of British statute law (the Sale of Goods Act 1893) and English common law and various findings of fact, I adapted the conventions of propositionallogic to the task of representing the formal structure of the reasoning in the case. What this was aimed to do was to show how the reasoning amounted to a series of hypothetical arguments in the form modus ponens. In essence, I think my case stands up. The very conclusion the judge's justificatory argument reached in the case is the conclusion which follows from the premises of law and of fact which he expressly stated in the case, with the addition of certain further premises which it is reasonable to treat as implicit in the argument so stated. Although the judge's expressed reasoning is informal and to a degree enthymematic, it is quite capable of being re-cast without loss or gain in a more rigorously and formalistically deductive form. Thus a rational reconstruction of the reasoning in a strictly deductive form is weil adapted to showing why it is compelling, even though the informal presentation is more elegant and persuasive rhetorically. Still, as Patricia White9 forcefully observed in a pungent critique, it is inaccurate to use propositional logic for the formalisation of such arguments. To do so is to omit some of the key elements of the reasoning. Some form of predicate logic is required here. The reason for this is that legal rules have the character of 'open hypotheticals' 10 , that is, they deploy hypotheses which are realisable on any number of occasions. This appears clearly in one example I used in my analysis of the Daniels case, where I gave a representation of section 14 (2) of the Sale of Goods Act 1893 (since amended) in the following terms: 'If goods are bought and sold by description, and if the seller of the goods is a person who deals in goods ofthat description, then there is an implied condition (which must be fulfilled by the seller) that the goods shall be of merchantable quality.' Such a rule plainly purports to regulate any case in which the relevant conditions- the operative facts in question- are realised, and to ordain that in each such case the relevant normative consequence of an implied condition binding on the seller shall follow. Hence the application of the rule in drank the lemonade, they suffered burning sensations and were hospitalised. The lemonade had a large admixture of carbolic acid in it. Since it was bought by description, the sale was subject to an implied term that the lemonade was of merchantable quality. Since lemonade with carbolic acid in it is not of merchantable quality, Mrs. Tarbard was liable to Mr. Daniels for damages for breach of contract. 9 See Patricia White, book review, in: Michigan Law Review 78 (1979 - 80), pp. 737-42. to See D. Mitchell, An Introduction to Logic, 2nd edn, Oxford 1964, p. 82.
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any case requires that it be established in respect ofthat case that there exist particular instances of the universal predicates deployed as operative fact descriptions in the rule formulation. It must be established, of this and that person on a given occasion that this did sell and that did buy something, that the something was goods, that those goods were sold by description, and that this person does deal in goods ofthat description. Then it will be legally justifiable to read this contract as being subject to this implied condition that the goods in this case are of merchantable quality, and unjustifiable to hold otherwise without some very special reason being offered. It is the subsumption of observed particulars under universalised predicates which is decisive for the reasoning. It would thus be better to reformulate the premise of the reasoning in terms such as: 'For all x and all y, if x and y are legal persons and if x sells to y and if y buys from x some thing q, and if q is a type of goods, and if x is a person who deals in goods of the type t, and if t is a type of goods to which q belongs, then the contract between x and y is subject to an implied term that q is of merchantable quality, and x is liable to compensate y if q is not of merchantable quality'. The application of such a rule in the case of any actual humans a and b, or indeed Tarbard and Daniels requires findings that they themselves and their relations do count as instances of the predicates stated in the rule-formulation. Each has to be found to be a legal person, they have to be found to have contracted between them a sale of something- a bottle of lemonade, it was - and the thing sold, the bottle in question, has to be found to belang to a type of goods, and a, or Tarbard, has to be found to be a dealer in goods of the type to which lemonade belongs. Then their sale of that bottle will rightly be held subject to that condition. And so on with the rest of the relevant argument. Decisive to the argument at every step, as Patricia White said, is that the universal predicate is held to be particularly instantiated in the particular case. To be fair to myself, White does acknowledge that my argument in Legal Reasoning and Legal Theory is not invalidated by its lack of refinement in presentation; and indeed I did in the text11 draw attention in a rather cryptic footnote to the fact that I was oversimplifying in the cause of simplicity, in a field in which lawyers' and law students' threshold of tolerance for logical sophistication is notoriously low. Perhaps it was reasonable in context to oversimplify the case and to formalise the reasoning simply through an adaptation of propositional logic, perhaps not. I now think it should have been done better, along the lines indicated here. It may be material to repeat here another example already stated earlier in the text. The direct and simple biblical commandment: 'Thou shalt not 11
See Legal Reasoning and Legal Theory, p. 28, footnote 8.
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kill' necessarily loses its directness and simplicity when stated in a form relevant for legal reasoning in a contemporary legal system. Wehave to reconstruct it in some such forms as: 'For all x and for all y, if x isalegal person and y is a human being, then if y dies and if x so acted or deliberately refrained from acting as to cause y's death, and if x acted or refrained from acting with the intention to cause y's death, then x is guilty of the murder of y and x is liable to be sentenced to imprisonment for life'. IV. An Objection: Predicating as Deciding
At this stage, however, several further objections arise, some of which have likewise been forcefully stated by critics of my work. First, it may be objected (and has been by Alida Wilson1 2 ) that events which occur in the world are not self-labelling, so that any ascription of events which occur to any predicate-term as stated in a rule-formulation would necessarily involve a kind of decision, notapure act of cognition. For example, in a case in which an actual individual, a, is accused of murdering a certain b, the issue may arise whether b is really a human being for the purposes of the rule - b is perhaps a foetus or unborn child, and there can be controversy whether that counts as a human being. Or an issue could arise as to whether any act of a's did cause b's death- or even whether b has in fact died. If b has suffered brain darnage from a blow struck by a, but has been kept breathing by artificial ventilation, while encephalography reveals a complete absence of brain-stem activity, is b now dead? Or does death occur when doctors switch off the ventilator? What act is then the cause of death? With what intention did a act in striking the blow? How can we reliably ascribe intentions to agents in respect of their acts? Notoriously, such questions as these pose problems. Suchproblems can be replicated for any rule-formulation that you care to mention. And it is obvious that their resolution in any given instance requires a determination, a decision whether or not to ascribe that which has occurred to some operative fact predicate in a given rule-formulation. The presence of such ascriptive determinations leads the critics to the conclusion that there can be no question of logic or of deduction in the case. Ascriptive determinations are acts of will, and as such have no place in a chain of deduction. Certainly, this cannot be a realm of truth-functionallogic, since what is in issue is not a simple question of true-or-false, but rather a matter for yes-or-no decision whether or not to ascribe this to that. This objection, it can be seen, replicates the Kelsenian one considered earlier. My reply also replicates its predecessor, but here I shall add the point 12 See Alida Wilson, The Nature of Legal Reasoning: a Commentary with respect to Professor MacCormick's Theory, in: Legal Studies 2 (1982), pp. 269- 85.
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that the objection proves too much. For, if sound, it applies to all domains of applied logic, not just to legal or normative reasoning. What would become of the farnaus syllogism about Socrates if the objection were sound? 'For all x, if x isaman then x is mortal'. To apply this in the case of any individual being requires an ascription - 'Socrates is a man' - before one can proceed to a conclusion - 'therefore Socrates is mortal'. Only by deciding that Socrates is a man can we justify proceeding, under the warrant ofthat major premise, to this conclusion. A fortiori, in any case of applied science where a 'scientific law' falls to be applied. In building a bridge or an aeroplane, I may have information about the tensile strength of any piece of steel having a certain composition and dimensions. I may have calculated that a certain component has to have a certain tensile strength. But I am warranted in treating the piece of steel in my hand as fulfilling the required tensile strength only if I ascribe to it the relevant composition and dimensions. It is not only legal inferences which call for ascriptive decisions. One possible answer to this point given in fact by Bernard Jackson13, is to say that after alllogic is only concerned with relations of propositions as such, and that indeed 'applied logic', whether in law or in engineering, is chimerical. This I find unconvincing. Surely a concern with reasoning and inference is also a practical concern, a concern with what can be applied. Even if I grant that things and events arenot self-labelling, and that I must apply my own (inevitably in some degree idiosyncratic) understandings of meaning and purpose to the labelling, this concession does not imply that I can justifiably deny the conclusions which follow once I make the assertians which match the labels I have attached. Once I do say that a and b are persons, and that b is a human being, and that a intentionally caused b's death, and that no relevant justification or excuse covers a's conduct in the case, I can arrive at no other justifiable conclusion than that, legally speaking, a murdered b. As a member of a jury, I cannot justifiably vote other than for a's conviction of murder, unless the case isonein which it is justifiable to ignore the law andreturn a 'perverse verdict' of acquittal. And if the jury does convict, the judge cannot with legal justification do anything other than pass sentence of life imprisonment. The conclusion to be drawn for all cases, the legal one included, is not that ascriptive decisions or determinations preclude or exclude deductive logic, but rather that they are a necessary precursor to any deductive reasoning whatsoever which is carried out with reference to the actual world. Every form of applied logic requires decisions as to the applicability of universals (predicate terms) to particular instances. The existence of decisions, and of the necessity for decisions, in the legal field is neither special to that field nor fatal to the possibility of deductive logic within it. 13
See B. S. Jackson, op. cit. supra, no. 2.
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V. Further Objection: Predication as Interpretation It is sometimes suggested that the necessarily interpretative character of legal reasoning precludes its being in any nontrivial sense deductive reasoning.l4 Yet one always interprets in deciding that this orthat in the world fits or matches with or is properly ascribable to the predicates in one's language. If interpretation were fatal to logic, this would not preclude the possibility of legallogic alone. It would preclude the possibility of any application of logic at all to any empirical or practical realm. The point to be gathered is not that applied logic is impossible, but that empirical truth is truth only of statements (etcetera) which are interpreted as stating propositions to which a certain interpretation is ascribed. They are true given that interpretation of their meaning and of the world. Consider 'The cat is on the mat'. What cat? What mat? Where? When? What counts as a cat? Or a mat? And so on. On any occasion when somebody utters it, we have to interpret the sentence as referring to some particular cat, some particular mat, and the like. Only in the light of such an interpretation can we decide whether what the speaker said is true or false.
This is, of course, particularly important in law, since any application of law requires either or both of a qualification of the facts in a case as instances of the legal operative facts, and an interpretation of the operative fact terms, and other terms, used in the legal text considered. Three features ofthelegal situation may make this problematic: first, legallanguage as a register of naturallanguage is inevitably a fuzzy language; secondly, there may be competing legal norms and values potentially applicable in a given case, depending upon the interpretation of these; thirdly, there is always a purposive element present in all cases both of law-making and of lawapplying. Interpretation in law has always to have regard to the linguistic context, the systemic context and the functional context.l5 It does not follow that interpretation is always problematic. It is always possible, and perhaps often happens, that no party interested in a given situation sees any difficulty about how the law applies in the case, and that all have the same view about this. In such a situation, there is a shared interpretation perceived as unproblematic. This we may call interpretation in a 14 See J. Bickenbach, Legal Hermeneutics and the Possibility of Legal Critique, in: E. Simpson (ed), Antifoundationalism and Practical Reasoning, Edmonton, Alberta 1987, pp. 217 - 32, where a similar view is ascribed to R. Dworkin, Law's Empire, London 1986, probably correctly. A radically different version of the same objection is stated in the last chapter of Peter Goodrich, Reading the Law, Oxford 1986. 15 See J. Wr6blewski, Legal Language and Legal Interpretation, in: Law and Philosophy 4 (1985); also generally, J. Wr6blewski, Meaning and Truth in Judicial Decision. I acknowledge my great indebtedness to Professor Wr6blewski for all that I have to say in the theory of interpretation.
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broader sense (sensu largo), for what is involved is a simple assumption about and application of meaning as apparently obvious in context. But this does not always happen. Sometimes interpretation in a more restricted and specialised sense is called for, when one or more parties is aware of a problern of ambiguity or vagueness or imprecision of meaning, so as to be uncertain about the right qualification of facts or the right meaning to ascribe to some rule or other text; as often as not, there will be disagreement between different interested parties, each reading the rule or the situation in different terms, and consequently arguing for a different practical result. Then there have tobe deployed rival interpretative arguments, focussed on one or more of (a) the (contested) semantics or syntax of the language in use, or (b) the legal setting of the dispute and the concatenations of relevant institutions, concepts, principles and analogies which have a bearing on the issue of how to understand and apply the contested rule, or (c) the actual or ideal functions or purposes ascribed to the rule, as evaluated in the light of some value-system. The ultimate conclusion can only be justified by evaluation of these rival interpretative arguments, viewed in their bearing upon the context of application of the law. This is very important, since it implies that evaluations and choices are of the very essence of interpretative reasoning in the law. Since this is so, it follows that the deductive element in legal reasoning can proceed only subject to settlement of interpretative issues. If the interpretation of a text is rendered problematic by the arguments of the parties to a case, the relevant problern of interpretation has to be resolved before any deductive justification of a decision could be advanced; and that would be a justification dependent on the favoured interpretation, and thus on the (non-deductive) grounds offered for that interpretation. It is quite conceivable (though far from certain) that every legal text in every setting can be problematised in some way, though not all problems will be equally serious. So it can never be said with certainty that any of the situations in which interpretation is treated as unproblematic (interpretation sensu largo) was one in which no problern of interpretation in the stricter sense could possibly have arisen. To treat a text as unproblematic does then involve a kind of decision, albeit perhaps a tacit and barely conscious decision.
VI. Objections Answered: Truth and Truth-Determining Procedures
In various ways, as we have seen, the legal realm is a practical one calling for the use of applied logic. This means of course that legal reasoning is never purely deductive. It requires decisions of interpretation and decisions about the determination and qualification of facts before one can proceed to 9 RECHTSTHEORIE, Beiheft 14
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any deductive element in the reasoning towards justification of a decision. In so far as logic requires that the premises of argumentation can be certified as true, legal reasoning admits of the truth of premises only subject to an authoritative decision-making procedure. The legal realm is in fact one which caters with particular thoroughness for the problern of truth-determination. Where determinations of fact are called for in any authoritative law-applying process, legal systems ordinarily make provision to endow determinate individuals with special factdetermining authority. Whether the fact-determining task be given to a jury, a judge, a minister, or some special tribunal, there are usually some legal dispositions giving some individual or group the power to make conclusive determinations of fact (or provisionally conclusive ones, subject to appeal). My colleague Zenon Bankowski has, in another context, suggested that such processes of fact-determination carried out by authorised persons can be considered as 'truth-certifying procedures' 16; there is a valuable insight here. For certain purposes, that which an authorised fact-determiner determines to be true, or certifies as true, has to be deemed true or accepted as the conclusive truth of the matter. For legal purposes, the value 'true' is ascribed tothat which is authoritatively so certified. Except in sofaras processes of appeal or review can be utilised to reverse or correct certified truths, the legal system admits of no other truth of the relevant matter, whatever the relative strengths of the reasons for believing and for disbelieving p in the first place. Finality of decision requires this. But the law is not on its own in this. Albeit less formally, scientific communities have their own truth-certifying processes and their own procedures for rectifying previously certified truths which turn outtobe unsound. In effect, legal fact-finding processes transform brute facts into institutional facts. Whatever may have happened in the world, a jury's determination that a hit b on the head and caused b's death makes that count as a legal truth, a proposition which counts as true in a certain legal process. It is true given certain legal conventions of truth-ascription. That does not, of course, make it true for all purposes, and indeed one way of justifying or criticising legal procedures is to try to form an estimate of the degree to which what is legally proven actually matches with the world as it really is (so far as one can judge of that). We return to the point that any process which is dependent on decisions is justifiable only in so far as the decisions on which it depends are justified ones. In the context of a discussion of expert systems, these reflections on truth and the certification or determination of what is to count as true imply that 16 See Z. Bankowski, The Value of Truth: Fact-Skepticism Revisited in: Legal Studies 1 (1981), pp. 257 - 66.
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there are fundamental and crucial elements in legal processes which it would be wrang to delegate to machines, however 'intelligent'. Determinations of fact require a capacity for evaluation of evidence, and determinations that certain brute facts count as instances of a rule's operative facts require a capacity for interpretation of rule-formulations in the light of human values. Such determinations can only be made by beings with intelligence and will as well as a capacity for evaluation of evidence and understanding of values implicit in rules. It is therefore arguable that only aperson, not a machine, can possibly answer them. In any event, it is better that they be determinations made by humans who can be directly held to account for the determinations they issue. Vll. A New Problem: Evaluations in Legal Reasoning Always, as I said, determinations of fact require evaluation of evidence. But this is not the only aspect of evaluation which may enter into the factfinding processes of the law. It is quite often the case that the law makes some provision which is conditional upon the satisfaction of a certain criterion or standard of value. For example, laws are often cast in terms of what is reasonable, or cognate terms. Thus the common law concerning liability for accidental injury can be represented in some such terms as: 'For all x and all y, if x and y are legal persons, and if x commits an act or omission which causes harm to y and if it was reasonably foreseeable by x at the time of actingor omitting that harm of a type h could occur to persans in position p as a result of such acting or omitting unless reasonable care were taken, and if the harm suffered by y is of type h and if y was in position p and if x failed to take reasonable care in respect of y, then x is liable to make reasonable compensation to y for the harm suffered by y .' Again, as was mentioned above, the Sale of Goods Act used to require certain goods to be of 'merchantable quality' (now replaced by a different value-criterion), and many legal requirements allude to what is 'fair', as in the case of a landlord's entitlement to charge only a fair rent in the case of certain tenancies of houses. All such criteria are obviously evaluative. To apply them, one must not only weigh up the evidence to reach a conclusion about what events occurred in the world; one must also judge of the events in terms of standards of judgement, weighing a plurality of factors bearing on the question what ought to occur in such a case. So here, the task of determining whether the law's conditions are satisfied requires a double evaluation. It is nevertheless the case that in common law, with its easy insouciance about the supposed gap between fact and value, such questions as that of what is reasonable orthat of what is fair are classed as 'questions of fact'. Accordingly, their answers are determined by the determiners of legal facts, and g•
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their determinations here as elsewhere amount to certifications of what is true for legal purposes in this realm of value. It is sometimes suggested17 that there are special objections to ascribing deductive character to any reasoning process in which such values and evaluations play a part. Evaluations do not have truth-value, and it is always a question of opinion and judgment- of decision- whether or not a certain value is realised in given events. The objection is unsound. Of course, it is not a process of deduction but one of evaluation which enables one to reach the conclusion that the care a person took in driving a car was reasonable in the prevailing circumstances. And of course this is different from ascertaining the physical state of affairs existing at a given place and a given time. Justifying one's evaluations is not the same as deducing them, or giving a deductive proof of them. Such evaluations, however, are not here represented as conclusions of argument, but as premises. And the point, as already stated, is that legal truth-certification processes apply as much to them as to non-evaluative findings of fact. The question whether such evaluations can be true or false in themselves as a kind of moral facts is one which need not be resolved either way here. Within the law, and for the law's purposes, the truth about reasonableness is what it is found tobe by authorised determiners of facts. This is not an arbitrary process, but one which can be justified by an appeal to reasons. Where it is carried on arbitrarily, and without adequate justifying reasons, it is susceptible to correction by appeal orreview. The advantage for a legal system of the use of value-criteria in the way noted is that it enables all aspects of a case to be considered and evaluated in respect of factors and standards derivable from commonsense morality and legal usages. Whereas rules formulated in terms of simpler operative facts may be easier to apply 'objectively', they necessarily exclude from consideration many factors which a commonsense judgement would hold to have a bearing on the right or fair outcome of a controversy. Even if all the relevant factors are always and universally relevant, their particular mix of presence and absence in a given case may well be quite unique. So the judgment of reasonableness or faimess or whatever is one which individualises justice without abandoning regard for the universal in the particular. Thus the legal system can achieve individualised justice to some acceptable degree. It does so at a certain price, however. Necessarily, there has tobe a judgment of what is reasonable in the given case before any rule for which this is an operative fact can be applied in the case, and that judgment has to be treated as a final certification of the truth of the matter. And therein lies also the drawback. For the rights of persons are made dependent on 'judgmental facts', to give them a name, and hence on the sound discretion 17
See Alida Wilson, op. cit. supra, no. 12, pp. 278- 81.
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and sensitive evaluations of authorised triers of facts. This does not itself amount to arbitrariness, but it can Iead to it. A further aspect of such value-criteria is that they are open-ended. Even if we had in our consciousness a knowledge of every prior case and every hitherto relevant factor with the weighting given to it every time it was considered, we might find new factors in new cases. There would be reasons why the new factors were relevant to the reasonableness of the matter in hand, reasons explicable by analogical arguments. But applying these reasons is a matter of apprehending new information, not just of applying old information. This open-endedness may supply a further reason for doubting whether machines can ever establish such 'judgmental facts' in a way which truly captures the point in human terms of their use. On the other hand, machine-memories could most valuably store, and prompt human users about, the range of factors hitherto established as relevant to some given value in a certain context. In any event, no one does suppose that deductive legal reasoning can supply all the information required for justifying legal claims or decisions. Certainly, my thesis is only that, once certain information is supplied, the process of reasoning with that information is a deductive one. That it is supplied by a process involving judgment does not entail that it lacks truthvalue as supplied, or therefore that it cannot form a premise or premises of deductive reasoning. Moreover, even information about 'brute facts' requires a process of determination or judgment to supply it. It does follow that the information-providing function requires its own justification, and that this justification cannot itself be wholly (or, in some cases, at all) deductive. Butthat is perfectly compatible with my thesis that legal reasoning can be and always is in part deductive.
VID. Predicate Logic or Deontic Logic: Normative Predicates?
There could, however, be a somewhat different though not unrelated objection to my theory. It could be argued that the logic proper to norms is deontic logic. Yet what I have argued for is treating legal reasoning, reasoning involving norms, as though it could be a form of predicate logic. The notion of a predicate, it can be argued, belongs to the realms ofthat which is descriptively true or false, not to the consequences of norms. Take for example the notion of someone's being 'liable tobe sentenced to imprisonment for life'. This notion, we may agree, is one which must be understood in deontic terms, i. e., in terms of what ought to be the case, or of what it is right or obligatory to do or bring about. Very roughly, when one says in English that someone is liable to a certain penalty for a certain offence, one means that whoever does or is believed to have done that thing may be charged with it,
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that suchacharge ought tobe tried in a certain way, and that if at the trial it is held proven that the the person committed the offence, then the person ought to be found guilty of the offence, and the judge ought then to pass a certain sentence (viz., a sentence of life imprisonment) upon that person. The notion of being liable, like many other cognate notions much used in legal discourse (e.g., having obligations or duties, having rights, being entitled, having authority or power) has normative import - it always implies some kind of a conditional or unconditional 'ought'. So its proper logic is deontic, not predicational. Here again let me call in aid the MacCormick/Weinberger 'Institutional Theory'. It is part of our argument that institutional facts have 'normative impact'. 18 Hence it can be true both that there are correctly ascribed predicates which state institutional facts and that these predicates, when categorically (i. e. unconditionally) applied, can be translated without loss or residue into deontic statements. The fact that they are so translatable does not, however, preclude using them in the untranslated form in which they so commonly appear in legislative and adjudicative speech and in legal discourse in all its modes. That statements about liability and obligation (and the like) are perfectly well-formed statements of institutional fact in many contexts elides the objection that they cannot be proper predicates. To predicate something of something is to state a fact about it. Institutional facts are among those which one can predicate of appropriate subjects. If this means that not all predicates are purely descriptive predicates, some being normative ones, this is hardly an objection in itself. (On the other hand, it may be the case that the rules of standard predicate logic do not all apply in the case of normative predicates19 , and thus the innovation of allowing that there can be normative predicates requires reconsidering this extension of predicate logic in the light of deontic logic; which amounts to a partial acceptance of the objection at present in question, and an adjustment of position to meet it. At the same time, I repeat the earlier taken point that the See MacCormick/Weinberger, lnstitutional Theory of Law, pp. 99- 104. I owe this point to Ota Weinberger. For example, can one apply modus tollens? Could the premises, 'Whoever knowingly takes another's property without that other's consent is liable to punishment as a thief' and 'a is not liable to punishment as a thief' be said to entail the conclusion, 'a did not knowingly take another's property without that other's consent? Is this an unsound inference, or merely an uninformative one (since its minor premise can only be true on the presupposition that its conclusion already is so)? Is it intrinsically question-begging? It is not yet clear to me that the revision of the rules of predicate logic envisaged in the text is absolutely required, and, if so, why. But the possibility of this clearly has tobe allowed for. As well as this debt, I owe much in my attempt to grasp legallogic as predicate logic to Michael Sinclair. See his 'The Semantics of Common Law Predicates', in: lndiana Law Journal 61 (1985 - 86), pp. 373 - 99. If my general idea is sound, there should be a link between the logic of normative predicates and deontic logic. Evaluative predicates should also be further studied in terms of Ota Weinberger's 'formal axiology'. See Weinberger, Rechtslogik, Vienna and New York 1970; also Ch. Weinberger/0. Weinberger, Logik, Semantik, Hermeneutik, Munich 1979, chapters 8 and 9. IB
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process of legal justification seems to me to be better conceptualised in terms of a descriptive discussion of the law's requirements than in terms of deontic statements.) IX. Four Types of Predicate
In fact, if the proposals and theses stated in this paper are sound, they amount to a proposal for constructing the deductive part of legal reasoning as a special form of predicate logic in which four types of predicate are admitted. First, there are purely descriptive predicates whose application requires no evaluation save of evidence. This will include such predicates as 'dead', 'causing the death of', 'acting', 'intending', 'causing harm' (some being relational, some not). Second, there are descriptive-interpretive predicates: given that certain facts statable purely descriptively have occurred, are these to be interpreted as amounting to a case of being guilty of an offence, or a case of a buying or selling of goods? (descriptive-interpretive predicates deal with matters of 'secondary fact' in lawyers' terms20; such secondary facts are always also institutional facts). Third, there are evaluative (or judgmental) predicates such as 'reasonable', 'foreseeable', 'merchantable', 'fair' and the like which were discussed at considerable length above. Fourth, there are normative predicates such as those most recently discussed ('liable', 'obligatory' and the like). All of these types can be seen in the formulation affered above of the law on liability for accidental harm: 'For all x and all y, if x and y are legal persons, and if x commits an act or omission which causes harm to y and if it was reasonably foreseeable by x at the time of acting or omitting that harm of a type h could occur to persans in position p as a result of such acting or omitting unless reasonable care were taken, and if the harm suffered by y is of type h and if y was in position p and if x failed to take reasonable care in respect of y, then x is liable to make reasonable compensation to y for the harm suffered by y .' To predicate of something that it is a legal person is to apply a descriptive-interpretive predicate. 'Acting' and 'causing harm' are purely descriptive predicates. 'Reasonably foreseeable' and 'reasonable care' are evaluative predicates. 'Liable to make ... compensation' is a normative predicate. The conclusion of a given piece of reasoning using such a rule-formulation as its major premise will be that some person a is liable to make compensa2o 'Secondary facts' are the facts directly relevant to legal conclusions, by contrast with 'primary facts' of the sort that can be directly proved by way of evidence - e. g. 'Mr. Daniels came into the public house, the licensed premises, and said, "I want a bottle of R. White's lemonade", and R. White's lemonade was what she [Mrs. Tarbard] gave him.' Such are the primary facts. It is a matter of secondary fact to infer that, in law, Mr. Daniels thereby bought and Mrs. Tarbard sold the bottle in question.
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tion to some other, which entails that a ought to do so and hence that an order to a to do so would be legally justified. This reasoning requires as its premises the following pieces of information: the rule-formulation which constitutes its major premise; and certified ascriptions of purely descriptive and evaluative predicates, together with ascriptions of descriptive-interpretive predicates, which constitute its minor premises. The descriptive-interpretive predications can be justified by moreprimitive deductive arguments comprising interpretive rules, purely descriptive predications and evaluative predications. A machine having the appropriate information could as well deduce the conclusion as a human, and, in the case of complex concatenations of rules or rule-formulations and facts repetitively applied andreapplied could presumably do so more reliably over time. By contrast, the generation of information in the way of purely descriptive or evaluative predications, or in the way of rule-formulations, is an inherently non-mechanical task. X. The Last Objection: Gapless and Perfectly Self-Consistent Law?
A final objection from Vincent Wellman21 ought to be considered. He argues that deductivists have to presuppose a belief in the legal system as a complete, gapless and self-consistent (i. e. non-contradictocy) set of norms or normative propositions. His view isthat if it were not so, my thesis would be untenable. This is, however, to misread the thesis. As I put it, the thesis applies only case-by-case. In any given case, a party may produce as the basis of his/her argument a formulation of what is alleged to be a rule or congeries of rules ofthelegal system in question, together with averments of fact which he/she claims can be proven'on the admissible evidence available. The opposing party is able and entitled to challenge such a case on any of its particulars. The rule is nonexistent as stated, or it is misinterpreted as applying to facts such as these, or the facts did not happen so or at all, or, even if they did happen as averred, they cannot properly be interpreted as instances of the operative facts covered by any properly formulated rule. In any or evecy such way can a party to Iitigation resist or reject the pursuer's or plaintiff's case. It is in the nature of legal systems whose sources comprise sentences in naturallanguages (that is, of allhuman legal systems to date) that they can give rise to sets of mutually Contradietory norm-formulations each of which can arguably be said to be acceptable and preferable interpretations of 21 See Wellman, op. cit. supra, no. 2, pp. 71 - 4. I must absolutely acquit Well.man of any misrepresentation of my position, to which he is eminently fair; but I take it that he thinks that only a rigorous theory of gapless and noncontradictory law could rigorously support a deductivist thesis. I do deny that this is of the essence of a sensible deductivist position.
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authoritative materials within the sources. Rival interpretations of statutory norms and of precedents will abound. Each of the parties to a dispute has to show some legal ground for the legal case argued, that is, has to produce a suitable formulation or interpretation of authoritative materials. Each party commonly does this (except where the dispute is purely on a matter of proof, where one party says a certain event occurred, and the other simply denies it). The cases so argued are deductive- but mutually contradictory. The task of the judge is to uphold one or other (or neither, if a third view can be shown to override both). In so doing, the judge necessarily rejects one or another of the rival and contradictory interpretations of the law as an unsound one which is not authorised by the sources, while at the same time being called upon to give an interpretation of relevant norms of the system such that the favoured solution of the case, and the legal interpretation which govems it, is constructed in a manner which is fully consistent with pre-established law.22 I do not say that judges always succeed in this, only that thorough justification of a decision would require success. In any event, taking the totality of judicial and legislative attempts to secure intemal consistency, and even given priority rules which try to override one or another limb of any pair of Contradietory formulations, such as the rule that a later law overrides an earlier one regulating the same subject matter in a contradictory sense, the existing authoritative sources of the law will always contain some explicitly contradictory elements and many further elements which can by rival interpretations yield contradictory pairs. Judicial decision making includes the task of seeking to resolve such contradictions. It cannot therefore presuppose that there already are none. If anyone could frame a complete and wholly satisfactory theory or interpretation of an entire legal system - the task which Ronald Dworkin envisages as being carried out by 'Hercules' 23 - it would doubtless be fully selfconsistent and free from contradictions. Then it could be the data base, or indeed the knowledge base, for a complete deductive system such as that which Weilman envisages. But, while there may be something to be said for this as a goveming ideal for legal reasoning and legal interpretation, there is nothing to be said for representing actual legal systems as though they 22 See MacCormick, Legal Reasoning and Legal Theory, chapter 8 on this interpretation of the requirement of consistency as it applies in legal reasoning. According to my way of looking at it, the requirement of consistency (like the related requirement of coherence in the legal system, op. cit., chapter 7) is a governing ideal of legal reasoning and interpretation, not a preaccomplished fact of the legal system. For some reflections on the possibility of a formal representation ofthelegal system as a system of predicate logic, see Michael Sinclair, op. cit. supra, no. 19. 23 See Ronald Dworkin, Taking Rights Seriously, London 1977, chapter 4, and cf. his Law's Empire.
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already had this character. Nothing which I have said should be taken as meaning that they do. The implication which the foregoing has concerning legal deductive arguments is the unremarkable one that none can be more convincing in its conclusion than in its premises. Hence whoever makes such an argument has to stand ready to defend and justify the premises, using for this purpose interpretive, analogical, evaluative and consequentialist arguments which- even if they include deductive elements or steps - are fundamentally non-deductive in character. Such arguments will be forms of practical reasoning par excellence. 24 Conclusion
These arguments have aimed to show how the 'institutional theory of law' contributes to an understanding of legal reasoning. I have chosen here to stress ways in which this theory helps to uphold the thesis that legal reasoning as justificatory reasoning can properly be acknowledged as being rather, as including- a form of deductive reasoning. Yet it is as important to stress in the end all the points that anti-deductivists like Bernard Jackson and Vincent WeHman or Alida Wilson make. For it is indeed true that all the crucial choices of interpretation and ascription, as well as of fact-determination, that we make in legal reasoning processes take place outside of the deductive processes, and are presupposed before any deductive argument can get going. (At the same time, though, all these choices are in turn conditioned by the context of reasoning, where in the end their point may be to constitute premises or grounds for choice of premises in a form of legal argumentation which is formally deductive.) For the same reason, legal dogmatics can never dare tobe too dogmatical in style. All statements of institutional fact, and all statements of legal norms, have a certain defeasible quality. Normsand normative statements have to be open ended. What I call the 'institutive' rules of legal institutions have tobe viewed (as I argue in my essay on 'Law as Institutional Fact' in An Institutional Theory of Law) as setting conditions which are 'ordinarily nec24 My own attempts to elucidate such reasoning are tobe found in Legal Reasoning and Legal Theory, chapters 5 - 7 andin some papers subsequently published, such as 'On Legal Decisions and their Consequences: From Dewey to Dworkin', in: New York University Law Review 58 (1983), pp. 239- 58, 'Coherence in Legal Justification', in: Krawietz et al. (eds), Theorie der Normen, Berlin 1984, pp. 37- 53; 'Universalisation and Induction in Legal Reasoning', in: C. Faralli, A. Pattaro (eds), Reason in Law (Milan, Dolt. Giuffre, 1987) and 'On Reasonableness', in: Ch. Perelmanf R. Vander Elst (eds), Les Notions a Contenu Variable en le Droit, Brussels 1984, pp. 131 - 56. But seealso Wellman, op. cit. supra, no. 2, pp. 87 - 115 for a markedly different account of practical reasoning in the legal context; also S. Burton, An Introduction to Law and Legal Reasoning, Boston 1985.
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essary and presumptively sufficient', not necessary and sufficient sans phrase. Every statement of law, both in judicial justifications andin doctrinal commentaries, rests at least on an implicit and often on an explicit and articulated, interpretational argument. Such arguments presuppose, and often articulate, value-systems and value judgments. The values deployed in good legal reasoning are not merely idiosyncratic to judge or advocate or dogmatician; they derive from the system itself and from reflection on its inherent principles. The practice of interpretive reasoning with reference to values deemed implicit in the system interpreted is itself a heavily conventional one, and it contains (as we noted earlier) truth-determining processes. Yet even with all these caveats the argumentation at this level cannot be properly conceived of in simply bivalent true-or-false terms. We enter here the realms of the better-or-worse, the argable, the preferable, the more or less persuasive. The deeply controversial quality of interpretive argumentation confronts us here. That one can always cite grounds for preference of one good interpretation over another does not mean that such grounds are usually (even if they may sometimes be) conclusive. Such argumentation exercises and calls for virtues like wisdom, humanity and common sense. It is practical reasoning, not deductive reasoning. It belongs, as Weinherger teaches, to the deeper strata of the conditio humana. Here, we can reason as rational arguers, or we can abandon rationality for mere arbitrariness. Weinherger and I both advocate adherence to rationality and reasonableness, and reject the merely arbitrary. But we deny that this allows of, or establishes, unequivocal right answers such as can be established within the spheres of the deductive logic of the law. While it is a mistake to deny or ignore the possibility of that logic, it is a greater mistake to confuse with it the open-ended and always defeasible character of the practical and interpretative reasoning which precedes and is presupposed by transition to the deductive stage. We should acknowledge the reality of, and yet at the same time the limits on, deductivism in legal reasoning. I see it as an ambition of the institutional theory to give due weight to both.
IV. Diskurstheorie oder formal-finalistische Handlungstheorie des Rechts?
OTA WEINBERGERS KRITIK DER DISKURSTHEORETISCHEN DEUTUNG JURISTISCHER RATIONALITÄT Von Robert Alexy, Kiel Eine der am tiefsten gehenden und scharfsinnigsten Kritiken der diskurstheoretischen Deutung juristischer Rationalität stammt von Ota Weinberger. Zu einigen seiner Argumente möchte ich hier Stellung nehmen. Dabei wird sich zeigen, daß die Berücksichtigung der Kritik zwar nicht zur Aufgabe des diskurstheoretischen Grundkonzepts, wohl aber zu Klarstellungen und Modifikationen führt. Die Einwände lassen sich in zwei Gruppen ordnen. Die der ersten Gruppe wenden sich gegen die Diskurstheorie als solche, die der zweiten gegen die These, daß die juristische Argumentation ein besonderer Fall des allgemeinen praktischen Diskurses ist, also gegen die Sonderfallthese. In einem ersten Teil werde ich die allgemeine Kritik der Diskurstheorie behandeln. Dabei ist es nicht möglich, alle Einwände Ota Weinhergers zu erörtern. Ich werde mich deshalb in diesem Teil auf drei Problemkreise konzentrieren. In einem ersten Abschnitt wird es um das Verhältnis zwischen dem Diskurs und der Güte von Gründen gehen. Ein zweiter Abschnitt gilt der Frage, ob das Begründen wesensmäßig kommunikativ oder wesensmäßig monologisch ist. In einem dritten Abschnitt werde ich das Verhältnis von Prozedur und Richtigkeit diskutieren. Aussparen muß ich insbesondere das Problem der Begründung der Diskursregeln. Im zweiten Teil meiner Überlegungen geht es um die Sonderfallthese. Auch hier kann ich nicht alle Probleme behandeln. Ich werde mich auf die Erörterung der Einwände beschränken, die Ota Weinherger gegen die Einbettung des juristischen Diskurses in ein an der Idee diskursiver Rationalität orientiertes Vier-Stufen-Modell des Rechtssystems erhoben hat. I. Diskurstheorie 1. Diskurs und gute Gründe
Die Diskurstheorie ist eine prozedurale Theorie. Nach ihr ist eine Norm genau dann richtig, wenn sie das Ergebnis der durch die Diskursregeln definierten Prozedur sein kann.1 Gegen diese prozedurale Konzeption prakti1 Eingehender hierzu R. Alexy, Die Idee einer prozeduralen Theorie der juristischen Argumentation, in: Rechtstheorie, Beiheft 2 (1981), S.177ff.
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scher Richtigkeit hat Weinherger eingewandt, daß sie den Sinn des Begriffes der Richtigkeit verfehle. Nach Weinherger können Diskurse zwar ein Mittel sein, "das Denken zu befruchten und weiterzuführen"2, die Richtigkeit der Ergebnisse vermögen sie jedoch auch bei Einhaltung der Diskursregeln nicht zu garantieren. Es führe "kein Weg vom Meinen der Diskursteilnehmer zur objektiven Wahrheit oder Richtigkeit".3 Diskurse können danach nur eine heuristische Rolle im Entdeckungszusammenhang (context of discovery), nicht aber eine die Richtigkeit verbürgende Rolle im Begründungszusammenhang (context of justification) spielen. 4 Ob eine These richtig oder wahr sei, hänge nicht davon ab, ob sie das Ergebnis eines Diskurses sein könne, sondern davon, ob sich gute Gründe für sie anführen lassen. Unter guten Gründen versteht Weinherger "Argumente der Logik, der Erfahrung und Stellungnahmen". s Damit ist der Kern der Weinbergersehen Kritik deutlich. Er besteht in einer Entgegensetzung der Begriffe der argumentativen Begründung und des auf subjektiven Meinungen und bloßen Willensäußerungens beruhenden Konsenses. Deutlich ist auch, worauf es ankommt: Existiert zwischen der Prozedur des praktischen Diskurses und der Güte der Gründe eine notwendige Beziehung, oder ist die Diskursprozedur lediglich eine Veranstaltung der gegenseitigen psychischen Beeinflussung, die im schlechtesten Falle in einer Manipulation, im besten in einer Stimulation besteht? Sollte letzteres zutreffen, bestünde zwischen der prozeduralen Dimension und der durch gute Gründe definierten substantiellen Dimension nur eine kontingente oder zufällige Beziehung. Ein diskursiv erzeugter Korisens P.ätte dann, wie Weinherger meint, in der Tat mit Richtigkeit oder Wahrheit nichts zu tun. Auch bestünde zwischen dem Begriff des Diskurses und dem der Rationalität keine interne Relation. Den Ausgangspunkt der gegen Weinherger zu richtenden Argumente bildet die These, daß die Diskurstheorie nicht jedes beliebige Ergebnis einer sprachlichen Kommunikation als richtig auszeichnet, sondern nur das Ergebnis eines rationalen Diskurses. Die Rationalität des Diskurses wird durch die Einhaltung der Diskursregeln definiert. Die Frage lautet deshalb, ob die Einhaltung der Diskursregeln die Güte der Argumente zu garantieren vermag. Die Diskursregeln sind ganz unterschiedlicher Art. Einige beziehen sich unmittelbar auf die Güte der Argumente. Zu ihnen zählen die Forderungen 2 0. Weinberger, Logische Analyse als Basis der juristischen Argumentation, in: W. Krawietz/R. Alexy (Hrsg.), Metatheorie juristischer Argumentation, Berlin 1983, S.189. 3 Ebd., S. 188. 4 Ebd., S. 189. s Ebd., S. 203. 6 Ebd., S. 193.
Kritik der diskurstheoretischen Deutung juristischer Rationalität
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nach Widerspruchsfreiheit (1.1.)7, nach Universalisierbarkeit im Sinne eines konsistenten Gebrauchs der verwendeten Prädikate (1.3), (1.3'), nach sprachlich-begrifflicher Klarheit (6.2), nach empirischer Wahrheit (6.1), nach deduktiver Vollständigkeit der Argumente (4), nach Berücksichtigung der Folgen (4.2), (4.3), nach der Festsetzung von Präferenzrelationen (4.5), (4.6) und nach der Analyse der Entstehung moralischer Überzeugungen (5.2.1), (5.2.2). Auch die durch die Vernunftregeln implizit zum Ausdruck gebrachte Forderung nach der Berücksichtigung aller Einwände und Gesichtspunkte (2.1)- (2.3) gehört hierher. Das macht deutlich, daß Weinherger ein nicht ganz zutreffendes Bild der Diskurstheorie zeichnet, wenn er meint, daß sie Erfahrung und Analyse durch bloßen Konsens ersetze. s Die Diskurstheorie schließt die Rationalitätskriterien Weinhergers vollständig ein. Ein Diskurs ist nur dann vollkommen rational, wenn jeder Diskursteilnehmer sie erfüllt. Weinherger hat sicher recht, wenn er sagt, daß in Situationen der Massenpsychose schnell ein Konsens zustande kommen kann.9 Der entscheidende Punkt ist jedoch, daß die Situation der Massenpsychose das genaue Gegenteil der Situation des rationalen Diskurses ist. Der Unterschied zwischen Weinhergers Konzeption der praktischen Rationalität und der der Diskurstheorie besteht nicht darin, daß Weinherger die praktische Vernunft als eine "rational-operative Kapazität" ansieht, die durch logische Analyse und Erfahrung definierbar ist, während die Diskurstheorie unter "praktischer Vernunft" etwas ganz anderes versteht. Der diskurstheoretische Vernunftbegriff ist nicht gänzlich anders als der durch Logik und Empirie definierte Begriff, sondern er umfaßt lediglich mehr. Weinherger hält am Nonkognitivismus fest. 10 Das ist angesichts seines Rationalitätsbegriffs konsequent. Wo weder die logische Analyse noch die Erfahrung zu einer Entscheidung führen, bleibt nur die Dezision. Die Diskurstheorie versucht, auch den spezifisch evaluativen Bereich so weit wie möglich der rationalen Argumentation zugänglich zu machen. Weinherger wirft der Diskurstheorie nicht nur vor, daß sie die auf Logik und Empirie beruhende Argumentation durch bloße Konsense ersetze. Er ist darüber hinaus der Meinung, daß es auf das "Erfinden von effektiven Argumentationsmethoden"ll ankomme und daß selbst ein idealer Diskurs weder garantiere, daß man gute Einfälle hat, noch, daß sich diese durchsetzen.J2 Damit wird ein zweiter Aspekt des Verhältnisses von Prozedur und Richtigkeit in den Blick genommen. Der erste Aspekt betraf die Einhaltung der Dis7 Die Ziffern beziehen sich auf die Darstellung der Diskursregeln in: R. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, Frankfurt/M. 1978 (1983), S. 234ff. a 0. Weinberger (FN 2), S. 191. 9 Ebd., 8.192. 1o Ebd., S. 194. u Ebd., S.195f. 12 Ebd., S . 192.
10 RECHTSTHEORIE, Beiheft 14
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kursregeln. Nunmehr geht es darum, daß die Einhaltung der Diskursregeln wenig Wert hätte, wenn die Diskursteilnehmer keine Einfälle hätten oder wenn es ihnen an dem Vermögen, Einfälle zu beurteilen, fehlen würde. Das führt zu einer für die Diskurstheorie wesentlichen Prämisse 13, die bislang nicht hinreichend deutlich formuliert wurde. Die Diskurstheorie setzt voraus, daß die Teilnehmer des Diskurses, also Menschen, so wie sie tatsächlich existieren, grundsätzlich in der Lage sind, Einfälle zu haben oder Erfindungen zu machen und gute von schlechten Gründen für substantielle Aussagen zu unterscheiden. Sie geht also von einem grundsätzlich bestehenden hinreichenden Erfindungs- und Urteilsvermögen der Teilnehmer aus.14 Das bedeutet entgegen Wellmer15 nicht, daß ein hinreichendes Erfindungs- und Urteilsvermögen eine Anforderung der Prozedur ist. Das Verhältnis zwischen der Prozedur des Diskurses und dem hinreichenden Erfindungs- und Urteilsvermögen seiner Teilnehmer entspricht eher dem zwischen der Verfassung eines demokratischen Verfassungsstaates und der Fähigkeit seiner Bürger zu politischen, wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten. Letztere wird nicht durch Verfassungsnormen gefordert, sondern von der Verfassung vorausgesetzt. Weinhergers These, daß der Diskurs gute Einfälle und gute Urteile nicht garantiere, trifft die Diskurstheorie nur dann, wenn man sie so streng interpretiert, daß eine nicht akzeptable Voraussetzung sichtbar wird. Es ist wahr, daß daraus, daß die Diskursregeln eingehalten werden, auch zusammen mit der weiteren Prämisse, daß die Diskursteilnehmer über ein hinreichendes Erfindungs- und Urteilsvermögen verfügen, nicht logisch folgt, daß die Ergebnisse in einem absoluten Sinne richtig sind. Dies schon deshalb nicht, weil auch von einem hinreichenden Vermögen ein mangelnder oder ein fehlerhafter Gebrauch gemacht werden kann. Es wäre jedoch verfehlt, insbesondere was praktische Fragen betrifft, die Gewißheit absoluter Richtigkeit zu fordern. Diese vermag, jedenfalls wenn es um praktische Fragen geht, kein Verfahren zu garantieren. Verabschiedet man diese zu weit gehende Forderung, so wird deutlich, daß kein Verfahren besser als das des Diskurses geeignet ist, das Erfindungs- und Urteilsvermögen zugleich zu entfalten und rational zu kontrollieren und auf diese Weise der Richtigkeit näher zu kommen. 13 Vgl. R. Alexy, Probleme der Diskurstheorie, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 43 (1989), S. 89. 14 Es handelt sich hierbei um so etwas wie ein "missing link" zwischen den Diskursregeln und der Richtigkeit des Ergebnisses, dessen Fehlen mehrfach beanstandet wurde. Vgl. etwa 0. Höffe, Kritische Überlegungen zur Konsensustheorie der Wahrheit (Habermas), in: Philosophisches Jahrbuch 83 (1976), S . 330; K.-H. Ilting, Geltung als Konsens, in: neue hefte für philosophie 10 (1976), S. 34; A. Kaufmann, Recht und Rationalität, in: Rechtsstaat und Menschenwürde, Festschr. f. W. Maihofer, hrsg. v. A. Kaufmann/E.-J. Mestmäcker/H. F. Zacher, Frankfurt/M. 1988, S. 36. 15 A. Wellmer, Ethik und Dialog, Frankfurt/M. 1986, S . 72.
Kritik der diskurstheoretischen Deutung juristischer Rationalität
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2. Die Notwendigkeit der Kommunikation
Man kann all dies einräumen und dennoch darauf beharren, daß der Diskurs als Prozedur nur ein aus heuristischen Gründen zweckmäßiges und nicht ein mit dem Begriff der praktischen Richtigkeit notwendig verbundenes Verfahren sei. Dafür läßt sich anführen, daß gerade dasjenige, was den Diskurs mit dem Begriff der praktischen Richtigkeit verbinden soll, nämlich die auf die Güte der Gründe bezogenen formalen Anforderungen und das hinreichende Erfindungs- und Urteilsvermögen, sich auch auf die monologische Begründung eines einzelnen beziehen läßt. Daß für Weinherger das Begründen wesensmäßig monologisch und nicht wesensmäßig kommunikativ ist, ist u. a. daran zu erkennen, daß er auch im Falle eines Interessenausgleichs das Auffinden einer durch gute Gründe. gestützten Lösung und nicht die Durchführung eines praktischen Diskurses für entscheidend hält.1 6 Ich will offen lassen, ob das Begründen schlechthin wesensmäßig monologisch oder kommunikativ ist. Meine These lautet, daß jedenfalls das praktische Begründen, also der praktische Diskurs, einen wesensmäßig kommunikativen Charakter hat. Im praktischen Begründen geht es um die richtige Lösung moralischer Fragen. Die richtige Lösung einer moralischen Frage, die die Interessen von mehr als einer Person betrifft, besteht, außer in den eher seltenen Fällen der Feststellung gemeinsamer Interessen, in der richtigen Lösung eines Interessenkonflikts. Eine richtige Lösung eines Interessenkonflikts ist im Kern eine Sache der richtigen Gewichtung von Interessen. Da es kein allgemeines und strikt anwendbares Kriterium für das Gewicht verschiedenartiger Interessen gibt, können die für den Ausgleich notwendigen Gewichtungen nur relativ auf die jeweils vorhandenen Interessen der anderen bestimmt werden. Über das relative Gewicht oder die relative Berechtigung von Interessen aber läßt sich argumentieren. Die Argumente können zu einer Änderung der zunächst vorhandenen Einschätzung des relativen Gewichts oder der relativen Berechtigung führen. Auch können sich Interesseninterpretationen aufgrund von Argumenten inhaltlich ändern. Damit steht fest, daß Argumente bei Interesseninterpretationen und Interessenänderungen eine wesentliche Rolle spielen können. Der entscheidende Punkt ist nun, daß diese Argumente in eine kommunikative Struktur eingebettet sein müssen, wenn das Maß an Rationalität realisiert werden soll, das möglich ist. Es reicht nicht aus, dem anderen nur die Rolle einer Informationsquelle für einen monologisch Urteilenden zuzubilligen. Wenn das erreichbare Maß an Rationalität erreicht werden soll, 16 0. WeinbergeT (FN 2), 8.197. Vgl. fernerE. Tugendhat, Zur Entwicklung von moralischen Begründungsstrukturen im modernen Recht, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, Beiheft N.F. 14 (1980}, S. 6ff.
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dann ist es notwendig, daß die jeweils Betroffenen Argumente über die relativen Gewichte der im Spiel befindlichen Interessen austauschen. Wie die jeweiligen Interessen zu interpretieren, zu gewichten und gegebenenfalls zu modifizieren sind, ist letztlich Sache des oder der jeweils Betroffenen. Wer dies bestreitet, respektiert nicht die Autonomie des anderen. Er nimmt ihn als einzelnen nicht ernst. Damit ist deutlich, daß es zwei Dinge sind, die zu einer notwendig kommunikativen Struktur praktischen Begründens führen: erstens die Möglichkeit von auf Argumenten beruhenden Interesseninterpretationen, -gewichtungen und -modifikationen, die zur Notwendigkeit wird, wenn man einen gerechten und deshalb richtigen Interessenausgleich will, und zweitens die Forderung, den anderen als einzelnen ernst zu nehmen. 3. Prozedur und Richtigkeit
Man kann einräumen, daß ein Zusammenhang zwischen rationalen Diskursen und guten Gründen besteht, und auch zugestehen, daß rationale praktische Diskurse eine notwendig kommunikative Struktur haben, aber dennoch mit Weinberger17 bestreiten, daß Diskurse etwas mit Richtigkeit oder Wahrheit zu tun haben. Diese These kann sich u.a. darauf stützen, daß die Diskursregeln kein Verfahren definieren, das erlaubt, in einer endlichen Zahl von Operationen stets zu genau einem Ergebnis zu gelangen. Die Diskurstheorie ist eine nicht entscheidungsdefinite Theorie. Das jedoch wird von der Diskurstheorie nicht bestritten, sondern hervorgehoben. Die Frage kann deshalb nur lauten, ob dieser Befund, wie die Gegner der Diskurstheorie annehmen, zu fatalen Konsequenzen führt oder ob er dies nicht tut und vielleicht sogar Ausdruck der Stärke der Diskurstheorie ist. Um diese Frage zu beantworten, ist zwischen idealen und realen Diskursen zu unterscheiden. a) Der ideale Diskurs
Der in allen Hinsichten ideale Diskurs ist dadurch definiert, daß unter den Bedingungen unbegrenzter Zeit, unbegrenzter Teilnehmerschaft und vollkommener Zwanglosigkeit im Wege der Herstellung vollkommener sprachlich-begrifflicher Klarheit, vollkommener empirischer Informiertheit, vollkommener Fähigkeit und Bereitschaft zum Rollentausch und vollkommener Vorurteilsfreiheit die Antwort auf eine praktische Frage gesucht wird. Der Begriff des in allen Hinsichten idealen Diskurses bereitet bereits als solcher einige Probleme, deren Lösung an dieser Stelle jedoch nicht behandelt werden kann.l 8 Hier soll es nur um Probleme gehen, die unmittelbar mit dem Begriff der Richtigkeit zu tun haben. 17
1s
0 . Weinberger (FN 2), S.190f. Vgl. hierzu R. Alexy (FN 13), S. 84f.
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Ein erstes Problem ist das Problem des Konsenses. Bei ihm geht es um die Frage, ob ein idealer Diskurs in jeder praktischen Frage zu einem Konsens führen würde. Ein solcher Konsens folgt nicht logisch aus der Feststellung, daß die Bedingungen des idealen Diskurses erfüllt sind. Ein Konsens in einer bestimmten normativen Frage ist eine substantielle Sache. Die Bedingungen des idealen Diskurses haben in bezughierauf nur formalen Charakter. Eine Konsensgarantie in jeder Frage könnte deshalb nur dann angenommen werden, wenn die empirische Prämisse wahr wäre, daß es keine diskursresistenten anthropologischen Verschiedenheiten der Menschen gibt, die auch unter den Bedingungen des idealen Diskurses einen Konsens in praktischen, also in Wertungsfragen ausschließen können. Diese Frage ist nicht entscheidbar. Es gibt kein Verfahren, das eine sichere Prognose darüber erlaubt, wie sich die Diskursteilnehmer als reale Personen unter den angeführten nicht realen Bedingungen des idealen Diskurses verhalten würden. Eine Konsensgarantie kann deshalb weder ausgeschlossen noch angenommen werden. Das Konsensproblem führt zu einem zweiten Problem, dem Widerspruchsproblem. Wenn es keine Konsensgarantie gibt, dann muß es für möglich gehalten werden, daß auch nach einer potentiell unendlichen Dauer des Diskurses von den Teilnehmern noch miteinander unvereinbare Normen vertreten werden. Das Ergebnis der Prozedur wäre dann sowohl die Norm N als auch die Norm ..., N . Nach der eingangs erwähnten diskurstheoretischen Konzeption der Richtigkeit bedeutet dies, daß sowohl N als auch ..., N als "richtig" zu bezeichnen wären. Man könnte meinen, daß dies der Bedeutung des Ausdrucks "richtig" widerspreche. Um diesem Einwand zu begegnen, ist zunächst zu bemerken, daß die diskurstheoretische Konzeption der Richtigkeit nicht impliziert, daß eine Person in ihr Normensystem einen Widerspruch aufnehmen darf. Für das Normensystem jeder einzelnen Person bleibt das PostuJat der Widerspruchsfreiheit bestehen. Es werden nur unvereinbare Normensysteme verschiedener Personen zugelassen. Die entscheidende Frage lautet daher, ob unvereinbare Teile der Normensysteme verschiedener Personen, wenn und weil sie die Prozedur überstanden haben, gleichermaßen als "richtig" bezeichnet werden können. Das wäre sofort zu verneinen, wenn auf jede praktische Frage eine einzig richtige Antwort existieren würde19 , unabhängig davon, ob es ein Verfahren gibt, sie zu finden und ihre Richtigkeit zu beweisen. Wer diese These vertritt, trennt den Begriff der Richtigkeit von den Begriffen der Begründbarkeit und der Beweisbarkeit. Auf diese Weise entsteht ein absoluter Begriff der Richtigkeit, der einen nicht-prozeduralen Charakter hat. Der absolute 19
So R. Dworkin, A Matter of Principle, Cambridge, Mass./London 1985, S . 119ff.
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nicht-prozeduraleBegriff der Richtigkeit würde es in der Tat ausschließen, sowohl N als auch --, N als "richtig" zu bezeichnen. Sein Mangel ist, daß er von zu starken Voraussetzungen ausgeht. Die Annahme der verfahrensunabhängigen Existenz einer einzig richtigen Antwort auf jede praktische Frage ist eine ontologische These, für die wenig spricht und gegen die sich vieles anführen läßt. Antworten auf praktische Fragen beruhen zwar nicht nur, aber wesentlich auch auf Interesseninterpretationen und Interessengewichtungen. Es kann nicht angenommen werden, daß auf dieser Basis auf jede praktische Frage nur genau eine Antwort möglich ist. Daß die These von der Existenz einer einzig richtigen Antwort auf jede praktische Frage nicht zu rechtfertigen ist, bedeutet nicht, daß der Begriff der Richtigkeit in keiner Hinsicht einen absoluten Charakter hat. Einen absoluten Charakter hat er als regulative Idee. Als regulative Idee setzt der Begriff der Richtigkeit nicht voraus, daß es auf jede praktische Frage eine richtige Antwort bereits gibt, die es nur aufzufinden gilt. 20 Vielmehr erhält die einzig richtige Antwort den Charakter eines anzustrebenden Ziels.21 Der Diskurstheorie liegt damit eine absolute prozedurale Konzeption der Richtigkeit zugrunde. Man könnte meinen, daß damit mehr verloren als gewonnen sei. So ist gegen den praktischen Diskurs eingewandt worden, daß von ihm, bezogen auf die Wirklichkeit, allenfalls eine regulative Idee bleibe. 22 Dieser Einwand zielt auf einen wichtigen Punkt. Wenn die Diskurstheorie nicht mehr als die Explikation einer regulativen Idee wäre, behielte sie zwar ihren theoretischen Wert, sie wäre aber praktisch kaum von Nutzen. Ob dieser Einwand zutrifft, hängt wesentlich von dem Verhältnis zwischen Richtigkeit und realen Diskursen ab.
b) Reale Diskurse Das Widerspruchsproblem führt zu einer Aufspaltung des Begriffs der Richtigkeit in einen absoluten und einen relativen prozeduralen Begriff der Richtigkeit. Wenn sowohl N als auch--, N das Ergebnis eines Diskurses sind, dann fordert der absolute prozeduraleBegriff als regulative Idee, daß weiter nach nur einer Antwort gesucht wird. Der relative Begriff erlaubt demge20 Vgl. I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A 509, B 537: "ein Prinzipium der Vernunft, welches, als Regel, postuliert, was von uns im Regressus geschehen soll, und nicht antizipiert, was im Objekte vor allem Regressus an sich gegeben ist. Daher nenne ich es ein regulatives Prinzip der Vernunft". 21 Vgl. I. Kant (FN 20), A 644, B 672: "Dagegen aber haben sie einen vortrefflichen und unentbehrlich notwendigen regulativen Gebrauch, nämlich den Verstand zu einem gewissen Ziele zu richten, in Aussicht auf welches die Richtungslinien aller seiner Regeln in einen Punkt zusammenlaufen". 22 C. Braun, Diskurstheoretische Normenbegründung in der Rechtswissenschaft, in: Rechtstheorie 19 (1988), S. 256.
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genüber zu sagen, daß sowohl N als auch --, N relativ auf die durchgeführte Prozedur richtig sind. Der Begriff der relativen prozeduralen Richtigkeit entspricht dem der diskursiven Möglichkeit.23 Genau das, was das Ergebnis eines Diskurses sein kann, ist diskursiv möglich2 4, und genau das, was diskursiv möglich ist, ist richtig im relativen prozeduralen Sinne. Die Relativität bezieht sich dabei auf vier Dinge: auf (1) die Diskursregeln, (2) das Maß ihrer Erfüllung, (3) die Teilnehmer und (4) auf die Dauer des Diskurses. Weinherger hat gegen den relativen Begriff der Richtigkeit eingewandt, daß dieser so schwach sei, daß "beinahe jede Norm als ,richtig' ausgewiesen werden" könne. 25 Das zielt auf den oben dargelegten Befund, der sagt, daß die Diskurstheorie eine nicht entscheidungsdefinite Theorie sei. Daß die Theorie nicht entscheidungsdefinit ist, sagt jedoch nicht, daß sie unbrauchbar ist oder in der Wirklichkeit keine Wirkung entfalten kann. Wer in die Wirklichkeit blickt, wird - um nur einige Beispiele zu nennen- feststellen, daß zahlreiche normative Annahmen vertreten werden, die auf begrifflichen Unklarheiten, zweifelhaften metaphysischen Thesen, falschen oder schiefen empirischen Annahmen, mangelnder Wahrnehmung der Interessen anderer oder dem Verzicht auf Abwägung beruhen. Die Anwendung der Diskursregeln würde zwar nicht zur Gewißheit in jeder praktischen Frage, wohl aber zu einer erheblichen Reduktion der Bestände an Irrationalität führen. Wenn man die Begriffe der Relativität und der Objektivität moralischer Normen verwenden will, so kann man sagen, daß das Ergebnis des Diskurses weder nur relativ noch nur objektiv ist. Es ist in dem Maße relativ, in dem es durch Eigenarten der Teilnehmer bestimmt wird, und in dem Maße objektiv, in dem es von der Durchführung der durch die Diskursregeln definierten Prozedur abhängt. Das bedeutet, daß die diskursive Überprüfung zwar nicht in den Bereich der Sicherheit führt, aber doch aus dem Bereich bloßen Meinens und Entscheidens. Das rechtfertigt die Verwendung des Begriffs der relativen Richtigkeit. Zwei weitere Gesichtspunkte kommen hinzu. Der erste ist der einer komparativischen Einstellung. 26 Ein besseres Verfahren der Normenbegründung Vgl. R. Alexy (FN 7), S. 256; ders. (FN 1), S. 182. Das Ergebnis eines Diskurses kann in einem Konsens (N) oder in einem Dissens (NI-, N) bestehen. In b eiden Fällen ist das Ergebnis diskursiv möglich. Im Falle des Konsenses ist es darüber hinaus auch diskursiv notwendig. Die diskursive Notwendigkeit impliziert die diskursive Möglichkeit. Im Falle des Dissenses ist das Ergebnis demgegenüber bloß diskursiv möglich. Weinherger macht zu Recht geltend, daß ich in einigen Fällen, in denen ich schlicht von diskursiver Möglichkeit gesprochen habe, diese besser als bloße diskursive Möglichkeit charakterisiert hätte (0. Weinberger (FN 2), S. 201 (FN 45)). 25 0. WeinbergeT (FN 2), S. 193. 26 Vgl. dazu E. Tugendhat, Drei Vorlesungen über Probleme der Ethik, in: ders., Pr obleme der Ethik, Stuttgart 1984, S. 87. 23
24
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als das des Diskurses ist nicht in Sicht. Man kann zwar eine Alles-oderNichts-Haltung einnehmen und die notwendigen Schwächen des praktischen Begründens zum Anlaß nehmen, für eine letzthin irrationalistische, subjektivistische oder dezisionistische Moraltheorie einzutreten. Das aber wäre ein Rationalitätsverzicht, der erstens nicht notwendig ist und für den zweitens keine guten Gründe sprechen. Der zweite Gesichtspunkt ist, daß der bislang erarbeitete Befund noch nicht das letzte Wort ist. Der praktische Wert der Diskurstheorie zeigt sich in vollem Umfang erst, wenn sie zu einer Basistheorie der auf Diskussion angelegten27 Institutionen des demokratischen Verfassungsstaates gemacht wird28, also im Rahmen einer Theorie des Staates und des Rechts. D. Sonderfallthese
Die Einbettung der Diskurstheorie in eine Theorie des Staates und des Rechts ist mehr als eine bloße Anwendung der Diskurstheorie auf diese Gegenstände. Es geht um eine aus theorieinternen Gründen notwendige Entfaltung der Diskurstheorie. Die Diskurstheorie kommt nicht ohne eine Theorie des Rechtssystems aus, und diese nicht ohne jene. Ersteres entspricht der Einsicht, daß das Recht ein notwendiges Medium der Realisierung praktischer Vernunft in der Wirklichkeit ist. Letzterem korrespondiert die These, daß ein notwendiger Zusammenhang zwischen Recht und praktischer Vernunft existiert.29 Der Zusammenhang zwischen der Diskurstheorie und der Theorie des Rechtssystems findet seinen deutlichsten Ausdruck in der Sonderfallthese, also in der These, daß der juristische Diskurs ein durch die Bindung an Gesetz, Präjudiz und Dogmatik gekennzeichneter besonderer Fall des allgemeinen praktischen Diskurses ist.ao Die vollständige Entfaltung dieser These setzt ein Vier-Stufen-Modell des Rechtssystems31 voraus, das Ota Weinhergers Kritik auf sich gezogen hat. Bevor auf diese Kritik eingegangen wird, sei das Modell in seinen Grundzügen skizziert. 27 Vgl. hierzu das Verfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland in: BVerfGE 5, 85 (197ff.). 2s Vgl. M. Kriele, Recht und praktische Vernunft, Göttingen 1979, S. 30ff.; R. Alexy (FN 1), S. 53ff. 29 Vgl. hierzu R. Alexy, On Necessary Relations Between Law and Morality, in: Ratio Juris 2 (1989), S. 167ff. 3D Vgl. hierzu R. Alexy (FN 7), S. 263 ff. ; J. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 1, Frankfurt/M. 1981, S. 62f.; N. MacCormick, Legal Reasoning and Legal Theory, Oxford 1978, S. 272ff. ; M. Kriele (FN 28), S . 34; zur Kritik der Senderfallthese vgl. etwa U. Neumann, Juristische Argwnentationslehre, Dannstadt 1986, S. 84ff.; A. Kaufmann, Über die Wissenschaftlichkeit der Rechtswissenschaft, in: ARSP 72 (1986), S. 436f.; K. Tuori, Legitimität des modernen Rechts, in: Rechtstheorie 20 (1989), S. 238ff. 31 R. Alexy (FN 1), S.185ff.
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Das Ziel des Modells ist es, das Zusammenspiel idealer und nicht-institutionalisierter Aspekte praktischer Rationalität mit solchen realer und institutionalisierter Art darzustellen. Zu diesem Zweck werden vier Prozeduren in einer schrittweisen Begründung miteinander verknüpft. Auf der ersten Stufe findet sich die Prozedur des allgemeinen praktischen Diskurses, auf der zweiten die der staatlichen Rechtsetzung, auf der dritten die des juristischen Diskurses als eines Sonderfalles des allgemeinen praktischen Diskurses und auf der vierten Stufe die des gerichtlichen Prozesses. Die zweite und die vierte Prozedur, also die der staatlichen Rechtsetzung und die des gerichtlichen Prozesses, sind institutionalisiert, die erste und die dritte, also die des allgemeinen praktischen und des juristischen Diskurses, haben demgegenüber einen nicht-institutionalisierten Charakter. Eine Prozedur soll als "institutionalisiert" bezeichnet werden, wenn sie durch Rechtsnormen, insbesondere durch Kompetenznormen, so geregelt ist, daß die Erzeugung eines definitiven Ergebnisses gesichert und dieses rechtlich verbindlich ist. Der Schritt vom allgemeinen praktischen Diskurs zur Prozedur der staatlichen Rechtsetzung begründet sich aus dem weiten Raum des nach der Diskursprozedur diskursiv bloß Möglichen und damit aus der Relativität der Ergebnisse realer Diskurse sowie aus der Tatsache, daß eine im Diskurs erzielte Einsicht nicht notwendig entsprechendes Handeln nach sich zieht. Ersteres.kann als "Erkenntnisproblem", letzteres als "Befolgungsproblem" bezeichnet werden. 32 Angesichts dieser Probleme lassen sich rationale Gründe für die Einführung einer institutionalisierten Prozedur zur Erzeugung von Rechtsnormen anführen. Ein Beispiel für eine solche Prozedur ist das Gesetzgebungsverfahren des demokratischen Verfassungsstaates. Auch durch ein Gesetzgebungsverfahren kann aber, wie sowohl historische Erfahrungen als auch begriffliche Überlegungen zeigen, niemals für jeden Fall von vornherein genau eine Lösung festgelegt werden. Wenn dennoch in jedem Fall eine rational begründete Antwort auf die Frage, was rechtlich geboten, verboten oder erlaubt ist, gegeben werden soll, muß diese Rationalitätslücke geschlossen werden. Hierauf zielt die dritte Prozedur, die des juristischen Diskurses. Der juristische Diskurs unterscheidet sich vom allgemeinen praktischen Diskurs durch seine Bindungen. In ihm wird nicht gefragt, was die schlechthin vernünftigste Lösung ist, sondern was die im Rechtssystem vernünftigste Lösung ist. 33 Die im Rechtssystem vernünftigste Lösung ist die, die sich unter Beachtung der Bindung an die geltenden Rechtsnormen und Berück32 Diese beiden Probleme sind für Kant die Hauptgründe für den Übergang in den staatlichen Zustand; vgl. I. Kant, Metaphysik der Sitten, in: Kant's gesammelte Schriften, hrsg. v. d. Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Bd. VI, Berlin 1907/14, S . 312f. 33 Vgl. R. Alexy (FN 7), S. 272.
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sichtigung der Präjudizien sowie der von der Rechtswissenschaft erarbeiteten Dogmatik am besten begründen läßt. Diese drei Bindungsfaktoren: Gesetz, Präjudiz und Dogmatik, legen zwar vieles fest, sie lassen aber auch vieles offen, was eine von mehreren Erklärungen für die Unzahl streitiger juristischer Fragen ist. Bei dem, was offengelassen wird, geht es letzthin stets darum, was geboten, verboten und erlaubt ist, also um praktische Fragen. Wenn auf diese Fragen allein mit Hilfe des spezifisch juristischen Instrumentariums keine Antwort gefunden werden kann, bleibt nur der Rückgriff auf den allgemeinen praktischen Diskurs. Das aber heißt, daß die Prozedur des juristischen Diskurses, wenn es in ihm um vernünftige Lösungen gehen soll, durch zwei Regelsysteme zu definieren ist, zum einen durch spezifische Regeln des juristischen Diskurses, die die Bindung an Gesetz, Präjudiz und Dogmatik zum Ausdruck bringen, und zum anderen durch die Regeln des allgemeinen praktischen Diskurses, die dem Anspruch juristischer Urteile, im Rahmen der geltenden Rechtsordnung vernünftig begründbar zu sein34 , Rechnung tragen. Das ist der Grund für die These, daß der juristische Diskurs ein durch bestimmte Bindungen gekennzeichneter Sonderfall des allgemeinen praktischen Diskurses ist. Zugleich ist deutlich, daß der juristische Diskurs eine nicht-institutionalisierte Prozedur im oben definierten Sinne ist. So führen Rechtswissenschaftler juristische Diskurse, ohne daß sie ermächtigt sind, ein definitives Ergebnis als rechtlich bindend festzulegen. Aufgrund der Bindung an Gesetz, Präjudiz und Dogmatik ist die Ergebnisunsicherheit des juristischen Diskurses gegenüber der des allgemeinen praktischen Diskurses zwar erheblich eingeschränkt. Schon der in der Sonderfallthese enthaltene Bezug auf die Regeln des allgemeinen praktischen Diskurses impliziert jedoch, daß trotz dieser Bindungen der Punkt genereller Ergebnissicherheit nicht erreichbar ist. Letzteres ist ein wesentlicher Grund für die Notwendigkeit der vierten Prozedur, der des gerichtlichen Prozesses. Der gerichtliche Prozeß ist wie das Gesetzgebungsverfahren eine institutionalisierte Prozedur. Sie ist durch Rechtsnormen, vor allem durch Kompetenznormen, so geregelt, daß es nach Abschluß der Prozedur stets nur eine rechtlich bindende Lösung gibt. In ihr wird nicht nur argumentiert, sondern auch entschieden. Letzteres bedeutet jedoch keine Verabschiedung der Vernunft. Die Institution des gerichtlichen Prozesses ist als solche wie die des Gesetzgebungsverfahrens einer rationalen Rechtfertigung fähig. Bestimmte Ausgestaltungen der Prozedur können rational begründet oder kritisiert werden. Wenn das Ergebnis der Prozedur dem Anspruch auf Richtigkeit genügen soll, hat die Durchführung der Prozedur auf rationaler Argumentation zu beruhen. Ota Weinherger hält diese Systematik nicht für zweckmäßig. Er ist der Meinung, daß "vom Standpunkt einer dynamischen Konzeption des Rechts 34
Vgl. hierzu R. Alexy (FN 29), S . 179 ff.
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... die staatliche Rechtserzeugung im Prinzip von analoger Art (sei) wie die richterliche" .35 Des weiteren hält er die Abgrenzung des juristischen Diskurses von den Prozeduren der staatlichen Rechtsetzung und des gerichtlichen Prozesses für unklar. Er fragt, ob mit dem juristischen Diskurs "ein rein doktrinaler Diskurs (ohne Entscheidungskompetenz)" gemeint sei, um anschließend zu bemerken, daß "vom rational-argumentativen Gesichtspunkt" kein Unterschied zwischen dem juristischen Diskurs und der Prozedur des gerichtlichen Prozesses bestehe.36 Man kann Weinherger darin zustimmen, daß die staatliche Rechtsetzung und das gerichtliche Entscheiden37 vom Standpunkt einer Rechtsdynamik Kelsenschen Typs 38 grundsätzlich analoger Art sind, und man kann darüber hinaus einräumen, daß diese Einsicht von grundlegender systematischer Bedeutung ist. In dem Vier-Stufen-Modell wird dem dadurch Rechnung getragen, daß die beiden Prozeduren als "institutionalisiert" bezeichnet werden. Daß zwei Dinge eine wesentliche Eigenschaft teilen, schließt jedoch nicht aus, daß sie sich in einer anderen Hinsicht wesentlich unterscheiden. Ein wesentlicher Unterschied besteht in der inhaltlichen Determination der Entscheidung. Läßt man Besonderheiten, die an dieser Stelle nicht interessieren, außer acht, so ist der Gesetzgeber nur an die Verfassung, ein Gericht aber an die Verfassung und das Gesetz gebunden. Dieser Unterschied mag trivial sein. Er ist aber für eine Theorie der Rationalität des Rechtssystems von zentraler Bedeutung. Eine wichtige Konsequenz ist, daß die Argumentation im Gesetzgebungsverfahren, sieht man von substantiellen verfassungsrechtlichen Bindungen ab, frei ist, die im gerichtlichen Entscheidungsverfahren demgegenüber nicht. Im ersten Fall handelt es sich um einen allgemeinen praktischen, im zweiten um einen juristischen Diskurs. Dieser Unterschied ist für eine Theorie, die fragt, wie praktische Vernunft realisiert werden kann, von entscheidender Bedeutung. Auf Weinhergers Frage, ob ich unter einem juristischen Diskurs einen "rein doktrinalen Diskurs (ohne Entscheidungskompetenz)" verstehe, möchte ich antworten, daß der rechtsdogmatische Diskurs als nicht-institutionalisierte Prozedur im oben dargelegten Sinne in der Tat der reine Fall des juristischen Diskurses ist. Er ist außer durch die zwecks Realisierung der Bindung an Gesetz, Präjudiz und Dogmatik erforderliche Fachkompe0 . Weinberger (FN 2), S . 202. Ebd. 37 Weinherger bemängelt zu Recht, daß ich das Verwaltungsverfahren nicht erwähne (0. Weinberger (FN 2), S . 202). Ich habe hierauf aus Gründen der Vereinfachung verzichtet. Der Mangel kann, wie Weinherger treffend andeutet, leicht dadurch behoben werden, daß auf der vierten Stufe sämtliche staatlichen Verfahren zur sekundären Erzeugung individueller Normen zusammengefaßt werden. 38 Vgl. H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., Wien 1960, S. 239ff. 35 36
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tenz keiner Begrenzung unterworfen. Vor allem gibt es keine zeitliche Limitation. Schon aus diesen Gründen ist das gerichtliche Entscheidungsverfahren notwendig, das durch Entscheidungskompetenz und Entscheidungspflicht gekennzeichnet ist. Weinber.ger sagt, daß man "klar zwischen Rechtsverfahren (definiert durch Kompetenzen), Argumentationen (als rationalen Begründungsprozessen) und argumentativen Diskussionen (als interpersonalen Prozeduren der Meinungsbildung ... )" unterscheiden müsse, um eine "klare Erklärung des Rechtsgeschehens und der mit ihm verbundenen Gedankenarbeit" ausarbeiten zu können. 39 Ich lasse hier Weinhergers Unterscheidung zwischen Argumentationen und argumentativen Diskussionen außer Betracht. Sie ist der Sache nach bereits im ersten Teil behandelt worden. Es bleibt darui die Unterscheidung zwischen Rechtsverfahren, die durch Kompetenzen definiert sind (also institutionalisierten Prozeduren), und argumentativen Prozeduren, die nicht mit der Kompetenz zur Festlegung eines rechtlich verbindlichen Ergebnisses ausgestattet sind (also nicht-institutionalisierten Prozeduren). Ich stimme Weinherger darin zu, daß klar zwischen beiden Arten von Prozeduren zu unterscheiden ist. Für das Vier-Stufen-Modell ist diese Unterscheidung konstitutiv. Der entscheidende Punkt ist jedoch, daß die Unterscheidung nur eine notwendige und noch keine hinreichende Voraussetzung für das ist, was Weinherger eine "klare Erklärung des Rechtsgeschehens und der mit ihm verbundenen Gedankenarbeit" nennt. Um dieses Ziel zu erreichen, ist nicht nur der Unterschied zwischen den verschiedenen Arten der Prozeduren herauszuarbeiten, sondern auch der Zusammenhang, der zwischen ihnen besteht. Weinhergers These, daß zwischen dem juristischen Diskurs und dem gerichtlichen Prozeß "vom rational-argumentativen Gesichtspunkt" kein Unterschied existiere, zeigt dies mit aller Deutlichkeit. Es trifft zu, daß im gerichtlichen Prozeß alle Argumente, die überhaupt in einem juristischen Diskurs möglich sind, vorkommen können, und die vorgebrachten Behauptungen stehen unter dem gleichen Anspruch auf Richtigkeit. Dennoch besteht zwischen dem juristischen Diskurs als solchen, der seine reine reale Form in der nicht endenden rechtsdogmatischen Erörterung findet, und dem gerichtlichen Prozeß ein fundamentaler Unterschied: In letzterem wird nicht nur argumentiert, sondern aufgrundvon rechtlichen Kompetenzen rechtlich bindend entschieden. Erst die Verbindung dieses Unterschiedes mit jenen Gemeinsamkeiten führt zu einem adäquaten Verständnis des gerichtlichen Prozesses. Es wird deutlich, daß die Durchführung eines gerichtlichen Prozesses nicht lediglich in der Ausübung einer Kompetenz besteht. Auch für gerichtliche Prozesse ist der Anspruch auf Richtigkeit konstitutiv, der einen argumentativ einzulösenden Anspruch auf Rationalität einschließt. Daß nicht nur argumentiert, sondern auch ent39
0. Weinberger (FN 2), S. 202.
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schieden wird, ist notwendig, um das überhaupt mögliche Maß an praktischer Vernunft zu realisieren. Damit ist der Sinn der Sonderfallthese deutlich. Er besteht in der Verknüpfung von Diskurs und Institution, von Argument und Kompetenz und damit von Ideal und Realität. Sie ist ein Kernstück des Vier-Stufen-Modells, das als Ganzes beansprucht zu zeigen, wie das überhaupt mögliche Maß an praktischer Vernunft realisiert werden kann.
OTA WEINHERGER AND THE THEORY OF ACTION A formal-finalistic approach By Massimo La Torre, Florenz
In the last few years, Ota Weinherger has ventured into a field hitherto foreign to him: the theory of action. This is largely due to his growing interest in the sociological conceptions of law1 , and to the attempt to reach a comprehensive legal theory, thus moving away from the logic of norms, his preferred terrain. Weinherger calls his idea in this field "the formal-finalistic theory of action". In the following pages, I shall attempt to summarize it, pointing out what, in my opinion, are its weak points and its strengths. I. Definition of action Weinherger begins by denying that a theory of action can be reached by taking the analysis of ordinary language as a starting point. The fact that we use termssuch as 'action', 'will' and 'motive' only indicates that these things form part of our everyday lives. However, "this doesn't mean that customary expressions in these areas clearly and adequately convey the corresponding relationships and intellectual operations [...] orthat we are provided with foundations which we can use to tackle the philosophical problems in a practical sphere". 2 On the other hand, the Czech scholar adds, one must distance oneself from the thesis (developed, as is well-known, by Wittgenstein, and harshly contested by Popper3) according to which philosophical questions would only be linguistic questions.4 1 See, for example, 0 . Weinberger, Soziologie und normative Institutionentheorie. Überlegungen zu Helmut Schelskys Institutionentheorie vom Standpunkt der narrnativistischen Institutionenontologie, in: Weinberger, Recht, Institution und Rechtspolitik. Grundprobleme der Rechtstheorie und Sozialphilosophie, Stuttgart 1987, p.182ff. 2 0. Weinberger, Zur Idee einer formal-finalistischen Handlungstheorie, in: Weinberger, Recht, Institution und Rechtspolitik, cit., pp. 44 - 45. 3 "Ich halte die Philosophie nicht für einen Versuch zur Analyse oder ,Explikation' von Begriffen, Worten oder Sprachen" (K. R. Popper, Wie ich die Philosophie sehe, in: Popper, Auf der Suche einer besseren Welt, München 1987, p. 200). See also, for example, K. Popper, Unended Quest. An Intellectual Autobiography, Glasgow 1986, pp. 122 - 125.
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Weinherger starts with the following definition: action is "intentional behaviour dependant on information (informationsabhängiges intentionales Verhalten)".s However, the conception, according to which action and will, intention and motive would be interpreted as psychological phenomena or phenomena of conscience, as Bewußtseinsphänomene, is refuted here. 6 "I begin with- writes Weinherger- the observation in psychology that the degree of consciousness can waver considerably while the operations, and the behaviour which depends on it, do not change substantially in their structural character. Therefore, in my theory, conscience is seen as something which presents itself in certain circumstances and which eventually in certain situations carries out specific functions. Conscience, nevertheless, is not a constituent element of action, nor does it characterize the particular nature of the operations which deterrnine action". 7 In the view of the Czech scholar, reducing the relevance of the element of conscience is a necessary presupposition in order to be able to formulate a formalist and not an empirical-descriptive theory. Weinherger has in fact two principal objectives: (a) The first is tobe able to formalize in some shape or form some decisional procedures underlying the decision (which nonetheless remains consigned to the subjectivity and independance of the agent). (b) The second objective is that of delineating a theory of action which can be applied not only to individual human beings but also to social groups and systems. "The fundamental concepts of formal teleology must be understood in a non-psychological sense. When it is a question of the will, the means and the ends, or of the relationship between means and ends, these terms do not designate elements of psychic experience, but rather general conceptual elements which present themselves as in relation to goal oriented systems of any type".a Next to the definition of action mentioned above, Weinherger gives us yet another. "Action is behaviour which is ascribed (zugeschrieben) to a certain subject, the agent (executor of the action, the actor)".S Such an ascription 4 See 0. Weinberger, Tiefengrammatik und Problemsituation. Eine Untersuchung über den Charakter der philosophischen Analyse, in: Wittgenstein und sein Einfluß auf die gegenwärtige Philosophie. Akten des 2. Internationalen Wittgenstein-Symposiums, Wien1977, p. 290ff. s See for example, 0. Weinberger, Zur Idee einer formal-finalistischen Handlungstheorie, cit., p. 45. s Ibid., p. 46. 7 Ibidem. See also 0. Weinberger, Freedom, Range for Action, and the Ontology of Norms, in: Synthese 65, 1985, p. 313. s Ch. Weinberger/0. Weinberger, Logik, Semantik, Hermeneutik, München 1979, p. 138. Italics mine. 9 0 . Weinberger, Zur Idee einer formal-finalistischen Handlungstheorie, cit., p. 49. "Der Begriff der Handlung - die Handlung ist ein informationsbestimmtes intentionales Verhalten, das einem Subjekt, dem Handlungsträger, zugerechnet wird- wurde absichtlich so definiert, daß sowohl von Handlungen psychophysischer Personen als
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can he carried out in two principal ways: (i) as a description of the agent, that is, of his different states in time; (ii) as a description of an ohject of action, of an ohject, that is, on which the action of the suhject is exercised. Therefore, such an action can he ascrihed as (i): Giovanni aims at the hare and pulls the trigger, or as (ii): Giovanni kills the hare. In hoth cases, Weinherger adds, it is a question of the description of the hehaviour of a certain 'system' (of the agent or the ohject of the action) as the development of states of things in time. Weinherger places great emphasis on the temporal element of action. "Behaviour is not only a static characteristic of a system, rather it can also he conceived of as a succession of states (Zustände) in the course of time". 10 The passage from the state Z 1 in a given moment T 1 , to the state Z 2 in a given moment T2 is a transformation of the state of the system in question, given that T2 expresses a moment that is chronologically successive to T1 . A chain of transformations of states is termed hy the Czech scholar "trajectory of states of hehaviour". zl and z2 can he identical or different states. A transformation Z 1 / Z 2 in which Z 1 and Z 2 designate the same state in different moments corresponds to the fact that the system does not change in the relevant time interval ("identische Transformation" in Weinherger's terminology). Thanks to the introduction of spatial and temporal coordinates, in addition to its description as i) a transformation of the suhject, and ii) a transformation of the ohject of the action, an action can also he descrihed in the following two ways: a) The transformation can he descrihed as the passing from state Z 1 to state Z 2 (for example, 'Giovanni is getting up from the chair'). h) The transformation can he descrihed with reference to its final state ('Giovanni is now standing'). Ohviously, "the trajectories of hehaviour can he simple transformations or more or less complicated chains of states" .11 At this point, Weinherger introduces two further concepts: that of 'meaning' and that of 'institution'. The action, for example, of raising one's hat sometimes has the meaning of a 'greeting', and this meaning is determined in the context of a certain 'institution'. "Behaviour of a certain type hecomes a conduct endowed with meaning on the hasis of certain institutions" .12 The 'meaning' of hehaviour, Weinherger stresses, is not something which can he attrihuted to external hehaviour (as a secondary consequence, so to speak), hut rather actions endowed with meaning are carried out "on the hasis of and in the context of existing institutions (aufgrund und im Rahmen bestehender Institutionen)" .1a auch von solchen anderer Subjekte gesprochen werden kann" (0. Weinberger, Norm und Institution. Eine Einführung in die Theorie des Rechts, Wien 1988, p . 140). 10 0 . Weinberger, Zur Idee einer formal-finalistischen Handlungstheorie, cit., p . 49. 11 lbid., p. 50. 12 lbid., pp. 50 - 51. 11 RECHTSTHEORIE. Beiheft 14
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This means that behaviour endowed with meaning does not exist, unless it is within those certain rules which constitute it as such. Here, therefore, even the concept of 'ascription' of meaning to a state of things, which in any case obtains also without that 'meaning', becomes problematic. 'The raising of the hat' is not succeeded by our interpretation of this (or its 'ascription') as a 'greeting'. Instead, the hat is raised because a greeting is intended, and with that behaviour the action of the greeting is immediately realized. This is so in as far as there are rules which constitute the action of the greeting in that particular way. "Sinnvolle Handlungsinhalte werden artmäßig durch Institutionen konstituiert. Sinn gibt es nur aufgrund und im Rahmen von Institutionen" .1 4 A further consequence of this can be that the norms are no Ionger conceived so much as 'modes of interpretation' of a reality which in any case ignores these norms, but rather as constituent conditions (necessary if not sufficient) ofthat reality. ß. Determinism and 'free will'
Weinherger refutes the thesis of 'free will', which sees in the will of the individual the prime cause of his actions. Nevertheless, he recognizes a considerable indeterminacy and freedom in human action. A high degree of liberty, or of indeterminacy, is in the first place a social, or better an anthropological fact. "Compared tothat of other living beings, the Changeability of human behaviour is extraordinarily high. In man, actions which are purely hereditary and which are determined by instincts, are fairly limited. Institutions as well as learned patterns of behaviour and conduct play apredominant role. Man possesses in a large measure the possibility of giving hirnself his own form of life" ,15 It is indicative that for this purpose Weinberger also makes reference to the work of Arnold Gehlen. 16 This freedom - the Czech scholar adds - is not always easy to administer; it is, in fact, a heavy burden on man's existence, and it exposes him to the risk of falling victim to insane ideas, of ideological illusions, of prejudices, and of letting hirnself be dragged along by destructive and self-destructives tendencies. There is, moreover, according to Weinberger, a second type of action in the sensethat the trajectory of behaviour can, in a certain moment T 1 , find itself before a branching off towards one or other directions: the trajectory of behaviour can be described as a 'tree-like' structure with several branches. Ibid., p. 51. Ibidem. 1s Ibid., p. 55. 16 See, for example, 0. Weinberger, Die Bedeutung der Logik für die moderne Rechtstheorie, in: Weinberger, Recht, Institution und Rechtstheorie, cit., p. 89; cf. 0 . Weinberger, Institutionentheorie und institutionalistischer Positivismus, in: Weinberger, Recht, Institution und Rechtspolitik, cit., pp. 169- 170. 13
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"In a theological conception- writes Weinherger- the branching off could be conceived as the inherent possibilities of the system, one of which is chosen by God tobe realised; or a conception of nature which is strictly indeterministic could conceive those alternatives as objective characteristics of the real system, of which only one is realised for completely causal reasons. I reject such explanations of the tree-like structure of future behaviour".17 It is Weinberger's opinion that the reasons why we find ourselves at a branching off in the trajectory of behaviour are principally of two types: (i) external actions which have as their object the system in question (for example, the varying conditions of the surrounding environment); (ii) an insufficient knowledge of the system. As far as (ii) is concerned, such insufficient knowledge can result as much from insufficient information and observation as from an 'impossibility of knowing' on principle. There are for example modifications of the 'system' (of the subject) which in a certain moment arenot observable and that nevertheless exert an influence on the dispositions and on the conduct of the 'system'.
What in a certain situation is possible as future evolution of the 'system' can be considered both from an objective (external) and from a subjective (internal) point of view. So there is a 'life tree' (Lebensbaum), which is, so to speak, 'objective', and a 'subjective' Lebensbaum, as a result of the representations, the expectations, the needs and the desires of the subjects. The two 'trees' do not always coincide, since the subject can have an inexact representation of reality. Giovanni, for example, can be convinced that he has won Maria's heart by means of a spell; Antonio believes that by marrying Marta he will be happy, and then a few months later he discovers that he cannot endure her. The question of alternatives of action also depends on the temporal moment in which it is posed. Today, for example, I cannot allow myself the choice between reading a German newspaper or reading a Russian one because I don't know Russian. It is possible, however, that after an intensive period of studying the Russian language that alternative will actually be available to me within a few years. One must distinguish between two different deterministic concepts: (i) the concept according to which every human action (including the decision which lies behind this) is determined by certain conditions in the world; (ii) the concept according to which actions are determined by conditions which are all theoretically accessible to human knowledge. According to Weinberger, only the determinism of type (i) is justified and acceptable. "I reject the thesis of the possibility of knowing, on principle, of the determination of the will in the sense of conception (ii), since theinformative processes which 17
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0 . Weinberger, Zur Idee einer formal-finalistischen Handlungstheorie, cit., p. 53.
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determine the action are not completely reconstructable. These are, in their conditioned existence, largely inaccessible to knowledge. Therefore, predictions about the way someone will act are possible only to a limited extent".18 With regard to this, one can add that the thesis of the possibility of knowing (on principle) of the determination of the will and of decision is perhaps irreconcilable with a non-cognitive metaethics. This is in fact based on the impossibility of knowing (on principle) of the preferences and values of the subject. A strict and rigorous determinism must instead attack and deny such an impossibility of knowing about preferences and values.
m.
'Theoretical information' and 'practical information'
As seen above, Weinherger defines action as ·a conduct 'dependent on information'. This is perhaps the mostoriginal idea of the proposaLconcerning the theory of action put forward by the Czech scholar. Weinherger distinguishes between 'cognitive-descriptive' information (or 'theoretical') and 'normative' (or 'practical') information. The first express descriptions of the states of things, or causal relationships, or possible trajectories of behaviour. The second express aims, values, criteria of evaluation, preferable norms. "The practical information does not describe reality, the world of fact, within which the action is carried out, rather it represents the attitudes of the agent subject. They are therefore relative to a certain system" .19 There is such a semantic difference between 'practical' information and 'theoretical' information that between these two types of information no logical inference is possible. From premises that contain only practical information, no conclusion containing theoretical information is possible, and viceversa, from premises that contain only theoretical information it is impossible to draw any conclusion that contains practical information. With regard to this, Weinherger insists on the rejection of a 'realistic' or 'referential' theory of meaning. Norms, values, goals which are expressed in 'practical' statements, and which represent the essence of practical information, arenot-in Weinberger's opinion- separate entities, existing independently from the attitude of the subjeet who delivers the statement in question. A referential theory of meaning- while it prefers not to relinquish the whole field of practical information to the realm of emotions and 'nonsense' - risks falling into a sort of Wertobjektivismus. In fact, if it wants to attribute 'meaning' to norms, values and goals (or better still to the statements that express them), it is forced to presuppose entities to which norms, values and goals (or better still the statements in question) correspond in reality. "Communication- writes Weinherger- is the transmission and comprehen18 19
lbid., p . 57. Ibid., p. 58.
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sion of the content of thoughts (Gedankeninhalten) to which an object as a described entity does not always have to correspond. The practical statement (der praktische Satz), in sofaras it provides information, is not a proposition about a norm, a value etc., rather it is the comprehension of a specific ideal content". 20 IV. A formalistic teleology
The 'formalistic' aspect of Weinberger's theory explains itself not only in the attempt to expunge every psychological element from the definition of the theory of action, but also in a proposal of formalising the deliberation of action, in a rationalistic teleology. 21 Weinberger's rationalism is, however, fairly measured and aware of its own limits.22 A system of aims is, according to the Czech scholar, "a system of tendencies, not the description of a possible world" .23 This definition (which excludes the reference to an ontology of possible worlds as far as human goals are concerned) admits that on principle it is possible to desire, simultaneously, situations which are Contradietory or in conflict with themselves, that is, Situations whose contemporaneity is empirically excluded. (I can at the same time hope that it will rain in order to irrigate the field, and that it will not rain so as tobe able to play football).24 A system of aims- according to Weinherger- therefore admits conflicts between aims and in fact its principal task is that of arranging these conflicts. "If a structure devoid of conflict were required by a system of aims, an essential part of teleological deliberation would be excluded from teleology".25 In consideration of teleological character, an assessment of the conflict in aims plays an important role. If I ascertain that p and non-p are simultaneously desired, this forces me to establish a further evaluation of p and non-p or a criterion of preference between the two. Weinherger lingers over the problern of the relationships between means and ends. In the case in which one moves from the consideration of a single aim, F, either (a) a single means, (b) several means, or (c) no means may lead towards it. The cases (a) and (c) aresimple enough. Here, our possibilities of lbid., p. 59. Cf. 0. Weinberger, Rechtslogik. Versuch einer Anwendung moderner Logik auf das juristische Denken, Wien- New York 1970, p. 292ff. 22 See, for example, 0. Weinberger, Rationales und irrationales Handeln, in: Weinberger, Studien zur formal-finalistischen Handlungstheorie, Frankfurt am MainBern- New York 1983. 23 0. Weinberger, Zur Idee einer formal-finalistischen Handlungstheorie, cit., p. 69. 24 Fora divergent opinion, see G. H. von Wright, On so-called Practical Inference, in: Practical Reasoning, edited by J. Raz, Oxford 1978. 25 0 . Weinberger, op. ult. cit., p. 69. 20
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action are predetermined: in (a) there is one, in (c) there is none. Problems arise with respect to (b). Here, the plurality of means forces us to a further evaluation, that of means. The means M 1 can be evaluated with regard to means M 2 according to three main points of view: (i) according to the quantitative point of view (M 1 offers with regard to M 2 a 'major' or 'minor' realisation of the aim in question, Fl); (ii) according to the qualitative point of view (M 1 offers with regard to M 2 a 'better' or 'worse' realisation of Fl); (iii) according to a point of view which reconciles (i) and (ii) (M1 offers with regard to M2 a 'major' and 'better', or a 'minor' and 'worse' realisation of F 1 ) . At this point arises the problern of whether to give preference to a means M 1 that offers a 'major' realisation of F 1 , or to a means M 2 which offers a 'better' realisation of the same aim. 'Major' and 'minor' are measures, in the sphere of the realisation of an aim, largely consigned to the decision of the interested party, and therefore avoid calculations of a mathematical type. "The questions - writes the Czech scholar - of the way in which these measures are determined remains unresolved. The way in which these elements act on the general preferences depends on the attitude (on the decision)". 26 Weinberger's conclusion isthat "a rationalisation of teleological thought using logic-based operations so as torender the decision superfluous is impossible" .27 An element of arationality in the determination of action does not only regard the choice of aims, but the choice of means also cannot be considered completely rational. The model of teleological deliberation is seen then rather as a "regulative idea", which indicates the logical structure of a deliberation and is used to control the different stages by means of which one reaches the deliberation.2B The impossibility of a complete rationalisation of the deliberation is, according to Weinberger, also due to the fact that "the importance of temporal Coordinates for the evaluation is not logically determinable, rather it is a question consigned to the decision". 29 It can only be determined by means of a decision (and not by means of a calculation), for example, which is preferable: the satisfaction of aim F 1 today, or an equal (or major) satisfaction of F 1 tomorrow.ao Weinherger also presents a rough outline of the logic of preferences. There are, he asserts, two possibilities: (a) to work with only two predicates, the strong preference P or the equivalence E, or (b) also to work with the prediIbid., p. 72. lbid., p. 73. 2s Ibid., p. 79. 29 lbid., p. 80. ao See Ch. Weinberger/0. Weinberger, Logik, Semantik, Hermeneutik, cit., pp.146147. 26
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cate of weak preference Ps, which obtains between p and q, if 'pPq V pEq' is valid.31 According to the Czech scholar, the terminology of (a) is closer to ordinary language and offers above all a simpler and perhaps more effective model for teleological considerations. Weinherger therefore pauses on this model. For every p, q, the triad 'pPq', 'pEq', 'qPp' is valid.a2 Since the equivalence is a symmetrical relationship this triad can also be expressed in the form: 'pPq', 'qEp', 'qPp'. This triad asserts that, while one is committed to an evaluation which is relative to two objects or states of things, one of the judgments of which the triad is comprised is valid. This, therefore, does not mean that from the point of view of a 'system' (or according to a certain criterion of value) one of those evaluations is indeed valid, since p and q could designate objects and states of affairs which according tothat certain system (or that certain criterion of value) cannot be evaluated in a relative way, or de facto they arenot evaluated. Only when it is ascertained that a relative evaluation of p and q is possible according to that certain system, and it is actually carried out by this, can the validity of the third be drawn, from the invalidity of the other two members of the triad. In the case of the equivalence of two or more alternatives, there is no univocal determination of choice. So between equivalent alternatives a choice is made at random in a somewhat arbitrary manner. "When one gives a complete order of preference, then the choice can largely be calculated. Nevertheless, this is possible only in the presence of certain conditions which are seldom satisfied".33 In order to render this calculation possible, all the conceivable possibilities should be considered, and for each pair of alternatives a determined preference should already be given. This however is difficult to realise in each person's everyday life. Often the preferences of the agent are not clear to himself. And - one could add - also when such preferences are clear, concrete action is not always guided by them. Moreover, the states of things that constitute the aims of a subject once realised may not correspond to the representations and to the expectations of the subject in question. "Die erlebte Einstellung zum Ziel entspricht nämlich nicht dem Wert des vorgestellten Gegenstandes". 34
This has as a further consequence the fact that the preferences of an individual cannot be deduced from his conduct. "By observation of behaviour31 See 0. Weinberger, Zur Idee einer formal-finalistischen Handlungstheorie, cit., p. 75. 32 See Ch. Weinberger/0. Weinberger, Logik, Semantik, Hermeneutik, cit., p.144. Cf. 0. Weinberger, Rechtslogik, cit., p. 298. 33 0 . Weinberger, Zur Idee einer formal-finalistischen Handlungstheorie, cit., p. 76. 34 Ch. Weinberger/0. Weinberger, Logik, Semantik, Hermeneutik, cit., p.147.
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writes Weinherger- only a weak preference can be documented. In fact, it may also be the case that the subject considers p and q as equivalent (pEq) and that therefore he has chosen that alternative of action in a casual way".35 V. Critical remarks
Weinberger's reflections on the subject of the theory of action seem to me to be important as far as the metaethical study of judgments of value is concerned. In particular, the reflections of the Czech scholar seem tobe importantwith regard to the conception of moral judgments as judgments of utility, in which one sometimes believes to have thus found an objective or almost objective criterion to ascertain the 'morality' of a conduct. Well, Weinberger, who, as can be seen, is a very long way from challenging the suitability of attempts to formalize and rationalize teleological calculation, shows us clearly how in the deliberation of a conduct, an essential element is the decision of the subject. "The reassumption of different levels of preference according to individual criteria in a single general scale is not rationally determinable, that is to say, it depends usually on the taking of a further decision (Stellungnahme)". 36 This is valid as far as regards the aims tobe pursued, and so much more in a system in which aims are in conflict with themselves, as with regards to means. The choice of means, except in fairly simple, rare cases in everyday life, also necessitates a decision, and it is in fact sometimes entrusted to fortune when we are faced with several equivalent means. The concept of action as behaviour 'ascribed' to a certain subject is problematic. In this definition of action proposed by Weinberger, it is not clear what the connection (or the eventual difference) is between the 'description' or the 'ascription' of an action. In ordinary usage description and ascription are acts governed by different pragmatic rules. A description can be true or false; an ascription can be valid or invalid, correct or incorrect, regular or irregular. The lack of a 35 0. Weinberger, Zur Idee einer formal-finalistischen Handlungstheorie, cit., p. 76. See also: Ch. Weinberger/0. Weinberger, Logik, Semantik, Hermeneutik, cit., pp. 147- 148. According to Weinberger, therefore, one cannot deduce the intention of the actor from the observation of his behaviour. On this point, cf. J. Habennas, Handlungen, Sprechakte, sprachlich vermittelte Interaktionen und Lebenswelt, in: J. Habermas, Nachmetaphysisches Denken. Philosophische Aufsätze, Frankfurt am Main 1988, p. 64: "diese Intention können wir der Beobachtung nicht entnehmen; wir unterstellen vielmehr einen allgemeinen Kontext, der es rechtfertigt, eine solche Intention zu vermuten". Ascertaining an intention has thus a hypothetical character as much for Habermas as for Weinherger (cf. 0 . Weinberger, Rechtslogik, cit., p. 304). 36 Ch. Weinberger/0. Weinberger, Logik, Semantik, Hermeneutik, cit., p . 145. "In der Regel werden auch Dezisionen beim Zusammenschluß zu einer Gesamtwertung erforderlich" (cit., p . 146). See also 0 . Weinberger, Rechtslogik, cit., p. 300.
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clear-cut distinction hetween the one and the other activity can make us fall into a kind of 'naturalistic fallacy', or can make us uphold a thesis - which, however, should he strongly justified: that each description is an ascription, orthat-in the field of the theory of truth- the value of truth can he reduced tothat of validity (according to certain rules and within the system made up of these). Also prohlematic is the definition of action as 'hehaviour dependant on information'. In what sense can information 'determine' hehaviour? The question is posed hy Weinherger himself: "Must theseinformative elements [...] he considered as causes (Ursachen) of the event of the action?".37 The thesis that information can determine action conflicts with the commonly held opinion according to which an action can he caused or provoked only hy real states in the world and not hy mere information. The definition of action as 'hehaviour determined hy information' exposes itself to the risk, notwithstanding the distinction hetween 'practical' and 'theoretical' information, of some kind of 'cognitivism' which makes the volitive element of a conduct dependant on its cognitive moment. This risk is avoided hy Weinherger, who sees hirnself as forced into a clarification which, however, hrings into discussion the 'appropriateness' of the definition of action as hehaviour dependant on information. "The execution of the action originates not from the informative process which determines action, hut rather from the active attitude [... ) Theinformative process which determines the action gives only a functionally adequate direction to the active current".38 What really determines the action then is the 'active attitude' (aktive Einstellung) of the suhject, that is to say, the will of the suhject. The information is suhsidiary with respect to will. In particular, "practical information which enters into theinformative process is an expression of active tendencies, or a rationalization of such efforts".39 Weinherger goes on to say that the elahoration of information is only an
indirect cause of action. The elahoration of information only serves to disci-
pline apre-existent will. "The deliherative process, or the decisions takenon the hasis of operations of preferences are only elements of mediation which do not cause in themselves real processes, rather, they direct real active attitudes along relatively effective lines" .40 However, if it is so, he will no
0. Weinberger, Zur Idee einer formal-finalistischen Handlungstheorie, cit., p. 76. Ibid., p . 60. "Der handlungsbestimmende Informationsprozeß ist keine Ursache der Handlung, sondern die vorhandene Fähigkeit zur Aktivität wird durch den Informationsprozeß in gewisse Bahnen gelenkt" (0. Weinberger, Praxis, Logik und praktische Vernunft, in: Rechtstheorie 18, 1987, p.140). See also 0. Weinberger, Der Weg zur formal-finalistischen Handlungstheorie, in: 0. Weinberger, Studien zur formalfinalistischen Handlungstheorie, cit., p. 10, and 0. Weinberger, Norm und Institution, cit., pp.142 - 143. 39 0. Weinberger, Zur Idee einer formal-finalistischen Handlungstheorie, cit., p. 60. 40 Ibidem. 37
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Ionger be able to maintain, unless in a completely metaphoric way, that action is behaviour determined by information. Weinberger, in conclusion, does not succeed in his attempt to expunge the moment of consciousness from the concept of action. This clearly results from his treatment of the 'identity' of two distinct actions. It is not sufficient - he says - for one to be in the presence of two identical 'transformations in the states of things'. "The identity of transformations represented by means of distinct descriptions still does not mean the identity of the action, since the action specifies itself also by means of the content of intention" .41 Therefore, 'identity', or the difference, between actions depends not only on observable facts but also on the intention of the subject, which - the Czech scholar notes - is accessible exclusively to hermeneutical (verstehend) interpretation. 42 Thus, let us arrive at a further definition of action that conflicts with the proposition to do without psychological concepts: "to act - writes Weinberger - means essentially to put into action in an intentional (voluntary) way a desired situation". 43 'Desire', 'intention', 'will', are all- it seems to me- terms which refer back to states of consciousness and to the psychology of the subject.
41 Ibid., p. 62. On this point, compare Austin's opinion: "I can perhaps 'break a cup' voluntarily, if that is done, say, as an act of self-impoverishment: and I can perhaps break another involuntarily, if say, I make an involuntarily movement which breaks it. Here, plainly, the two acts described each as 'breaking a cup' are really very different" (J. L. Austin, A Plea for Excuses, in: The Philosophy of Action, edited by A. R. White, Oxford 1979, p. 32). 42 See 0. Weinberger, op. ult. cit., p . 62. 43 Ibid., p. 60.
V. Erwiderung und kritische Auseinandersetzung mit einzelnen Beiträgen
GRUNDLAGENPROBLEME DES INSTITUTIONALlSTISCHEN RECHTSPOSITIVISMUS UND DER GERECHTIGKEITSTHEORIE Von Ota Weinberger, Graz 1. Danksagung an meine Kollegen und Mitarbeiter
Meine aktive Laufbahn als Universitätsprofessor für Rechtsphilosophie an der Karl-Franzens-Universität in Graz endete am 30. September 1989. Meine Freunde und Kollegen, die Herausgeber dieses Bandes: Peter Koller, Peter Strasser und Werner Krawietz, veranstalteten ein Internationales Symposium in Graz, das der kritischen Auseinandersetzung mit den wichtigsten Teilen meiner wissenschaftlichen Arbeit gewidmet war. Wahrlich für einen Mann, der von der geistigen und kulturellen Bedeutung des wissenschaftlichen Meinungsstreits überzeugt ist und der seit seiner frühen Jugend nichts mehr liebt als sachliche Diskussionen, der denkbar schönste Abschied von der aktiven Lehrtätigkeit. Ich möchte mich bei allen Kollegen bedanken, die mich - und meine Arbeit - durch ihre Beiträge zum Symposium bzw. zu diesem Band geehrt haben. Ich darf ihnen nicht nur als Gesprächspartnern, sondern auch als Freunden die Hand drücken, denn wer sich die Mühe nimmt, mit mir zu diskutieren, ist mein Freund. 2. Meine philosophische LebenseinstellungDie Hauptbereiche meiner wissenschaftlichen Interessen
Bei Gelegenheiten wie dieser läßt es sich nicht vermeiden, daß man den Blick zurückwendet und sich fragt: "Warum haben sich meine Gedanken und meine Forschung gerade in dieser Weise entwickelt? War es nur Zufall, eine Reihe von Einflüssen und äußeren Situationen, die meinen Lebensweg und mein Denken bestimmt haben?" Die Tatsache, daß ich- wie viele Menschen meiner Generation - in der Geschichte herumgewürfelt wurde, spricht für die Zufallshypothese meiner geistigen Entwicklung. Dennoch habe ich das Gefühl, daß auch in dieser politisch außerordentlich bewegten Zeit wenigstens partiell die These gilt: "Unser Wesen ist unser Schicksal". Erfolg oder Mißerfolg mag in hohem Maße von Glück oder Pech abhängen. Daß es mir trotz vieler widriger Umstände in meinem Leben vergönnt war, einen wesentlichen Teil meines Berufslebens mit akademischer Tätigkeit zu
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verbringen - ungefähr je zur Hälfte in Prag und in Graz -, werte ich als glücklichen Zufall und kaum als Funktion meiner Fähigkeiten oder Leistungen. Dabei wurde auch das historisch Unwahrscheinliche Tatsache: ein Parteiloser, der sich niemals zum Marxismus bekannte, wurde Dozent an der Philosophischen und an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Karls-Universität zu Prag; ein Rechtspositivist, Strukturtheoretiker des Rechts und Kritiker des menschlichen Wahns in Politik, Kirche und Wissenschaft wurde Professor für Rechtsphilosophie an der Karl-Franzens-Universität in Graz. Das, was ich an meinem Denken und an meiner wissenschaftlichen Arbeit als durch mein Wesen bestimmt erachte, ist die Richtung meiner Interessen, die Art meiner Betrachtungsweise und der analytisch-kritische Zutritt zu wissenschaftlichen und philosophischen Problemen. Ich bin von Natur aus ein Zweifler, respektlos gegenüber Autoritäten und herrschenden Meinungen; immer bemüht, die Quellen und Gründe unserer Thesen und Einstellungen aufzufinden. Ich verabscheue rhetorisch vorgetäuschte Gewißheiten und Scheinbeweise. Mußte ich da nicht sozusagen aus innerer Notwendigkeit den Weg zur logischen Analyse gehen? Für den äußeren Beobachter scheinen meine Interessen - und die aus ihnen resultierenden wissenschaftlichen Arbeiten- thematisch relativ breit gestreut und ohne inneren Zusammenhang. Ganz anders sehe ich selbst meine Überlegungen und Arbeiten. Es gibt für mich eine grundlegende Aufgabe, eine primäre Forschungsintention: die rationale Analyse und das vernunftmäßige Begründen in der praktischen Philosophie (im wert- und handlungsbezogenen Denken) so weit wie möglich voranzutreiben, aber ohne dabei vorzutäuschen, daß aus der Vernunftanalyse selbst die Erkenntnis des Richtigen und Guten gewonnen werden könnte. Aus dieser Interessenstendenz entspringen meine Überlegungen über die Normenlogik; aus Problemen, welche die Möglichkeit der Konstitution der Normenlogik betreffen, entspringen allgemeine Gedanken über das Wesen der Logik und der logischen Intuition; Untersuchungen über die Struktur des Rechts, die logischen Begründungszusammenhänge in der Rechtsordnung und die Form der juristischen Argumentationen (inklusive der Delege-ferenda-Argumentationen) sind mehr oder weniger direkte Konsequenzen der grundlegenden Aufgabe. Meine Überlegungen wurden angeregt durch Auseinandersetzungen mit verschiedenen Lehrmeinungen, die in diesem Bereich vorgetragen wurden. Es war selbstverständlich, daß auch andere Systeme des handlungsbezogenen Denkens: Teleologie, Axiologie und Präferenzlogiken, ins Feld meiner Betrachtungen einbezogen wurden. Ein entscheidender und neuer Schritt war die explizite Entwicklung einer Handlungstheorie und der narrnativistischen Konzeption der Institutionen. Dieser theoretische Weg wurde durch Probleme nahegelegt, die bei den
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Analysen auftauchten, z.B. durch folgende Fragen: "Warum gilt die Unableitbarkeit von Sollen aus Sein, von Sein aus Sollen?", "Wie kann Rechtsgeltung expliziert werden (da doch sowohl die Grundnormtheorie als auch die rechtsrealistische Konzeption inakzeptabel sind)?" Meine Antworten stützten sich auf anthropologische und ethologische Betrachtungen. Die politisch-funktionalistische Analyse der Institutionen und die angeschlossenen demokratietheoretischen Gedanken sind Implikationen der handlungs- und institutionentheoretischen Sicht und passen genau in den Rahmen meiner Grundproblematik. Handlungstheoretisch fundiert ist auch meine Zutrittsweise zur Theorie der Gerechtigkeit. Meine Einstellung ist skeptisch gegenüber den herrschenden Argumentationsweisen, denn ich suche eine realistische Konzeption, der Scheinargumentationen in diesem sensiblen Bereich besonders unerwünscht erscheinen. Mein Versuch, Massenverfolgungen als soziologisches und politisches Problem zu untersuchen, gründet sich auf dem handlungstheoretischen Konzept der Freiheit- die leider auch Offenheit für Wahn und Vernichtung impliziert-, ist aber zweifellos auch durch meine bitteren Lebenserfahrungen mit Nazismus und Stalinismus sowie durch die Erkenntnis der Gefahren des religiösen Fundamentalismus und des "heiligen" Krieges in Gegenwart und Vergangenheit motiviert. Die Erklärung der Massenverfolgungen ist nicht in einem immanenten Aggressionstrieb zu suchen, sondern in Wahntheorien, die durch eine entsprechende Organisation zu Ausrottungsmechanismen werden (vgl. die Jagd auf Hexen und Zauberer, religiöse oder/und rassistische Pogrome, die Ausrottung der Juden und anderer Völkerschaften). Ich habe meist all diese verschiedenen Probleme als isolierte Einzelfragen behandelt. Und ich glaube, das war richtig, denn sie haben auch ihre selbständige Bedeutung und müssen daher als selbständige Einzelfragen beurteilt werden. Nur so können die theoretischen Vorfragen in überzeugender Weise geklärt werden. Im Ganzen meines Denkens haben diese Probleme aber ihren Platz und ihren Sinn im Rahmen meiner philosophischen Grundabsicht. Ich empfinde daher mein Fragen und Suchen durchaus nicht als chaotisch, sondern als System relativ selbständiger Schritte auf dem Weg in eine subjektiv klar bestimmte Richtung. Ein Rückliek auf den wissenschaftlichen Werdegang sollte die Lehrer und die entscheidenden Einflüsse auflisten. Ich sehe mich aber außerstande, die Quellen meiner Gedanken und Auffassungen einigermaßen vollständig und gerecht anzugeben. Ich weiß nicht, von wem ich was gelernt habe, und welche Thesen mich gerade dadurch weitergebracht haben, daß sie mein kriti-
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sches Nachdenken herausgefordert haben. Ich meine sogar, daß es niemand fertig bringt, die geistigen Wurzeln seiner Konzeptionen treffend darzustellen, denn es sind oft kleine Anstöße, die unsere Gedankensysteme verändern, und manche dieser Transformationen gehen vor sich, ohne daß wir uns ihrer voll bewußt werden. Ich beschränke mich daher auf einige punktuelle Hinweise. Einen wesentlichen Einfluß hatte auf mich mein Lehrer Frantisek Weyr, das Haupt der Brünner Schule der Reinen Rechtslehre und ein Freund von Hans Kelsen. 1 Weyrs Frage, die er seinen Schülern in einem Seminar als offenes Problem vorlegte, ob Normen Urteile im Sinne der Logik (und daher Glieder logischer Schlüsse) seien, gab den entscheidenden Anstoß zu meiner langjährigen Beschäftigung mit Grundlagenfragen der Normenlogik. Ich war persönlich ein sehr ergebener Schüler Weyrs, aber nie ein treuer Jünger: Rechtsgeltung war für mich immer eine Frage der gesellschaftlichen Realität, nicht das Ergebnis einer axiomatischen Voraussetzung (wie es die Grundnormtheorie Kelsens, die Weyr akzeptierte, annimmt); ich bin schon als Student im Jahre 1946 gegen Karel Englis's normenlogischen Skeptizismus aufgetreten2, den Weyr zwar zögernd, aber im wesentlichen teilte. Die Teleologie Karel Englis's und Jan Loevensteins hat mich schon damals sehr interessiert (ich wollte eine Habilitationsschrift über die Beziehung zwischen Normologie und Teleologie schreiben).3 Reminiszenzen dieser Einflüsse finden sich noch in meiner formal-finalistischen Handlungstheorie. Der Kritizismus Kants, seine Abhebung des Sollsatzes vom deskriptiven Satz, nicht aber seine Rechtsphilosophie, hat tiefe Spuren in meinem Denken hinterlassen. Zu Hegel habe ich nie einen echten Zutritt gewonnen; aber die vielen Auseinandersetzungen mit dem Marxismus haben einerseits meinen Kampfgeist geweckt, andererseits haben sie meine Aufmerksamkeit auf soziale Fragen und deren humane sowie politische Dimension gelenkt. Meine Arbeiten wären ohne den Einfluß der modernen Logik, der analytischen Philosophie und des logischen Rekonstruktivismus (R. Carnap) nicht 1 Siehe F. Weyr, Zaklady filosofie pravni. Nauka o poznavani pravnickem [Die Grundlagen der Rechtsphilosophie. Die Lehre von der juristischen Erkenntnis), Brno 1920; ders., Theorie prava [Die Theorie des Rechts], Brno/Praha 1936. Über die Brünner Schule siehe: V. Kube§ I 0. Weinberger (Hrsg.), Die Brünner rechtstheoretische Schule (Normative Theorie), Wien 1980. 2 Das Kapitel über Englis's Argumentation in meinem Buch "Die Sollsatzproblematik in der modernen Logik", Prag 1957, ist eine deutsche Version einer Seminararbeit, die ich im Jahre 1946 in Prag vorgetragen habe und die von Weyr zur Publikation angenommen wurde, aber infolge des kommunistischen Umsturzes 1948 nicht mehr erschienen ist. 3 Vgl. K. Englis, Finanzwissenschaft, Brünn, Prag, Leipzig 1931; ders., Mala logika. Veda o myslenkovem fadu [Kleine Logik. Die Lehre von der Gedankenordnung], Praha 1947; ders., Die Lehre von der Denkordnung, Wien 1960; ders., Die Norm ist kein Urteil, ARSP L, 1964, S. 305 - 316; J. Loevenstein, Velka teleologie [Große Teleologie), 1934.
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denkbar. Kaum beeindruckt hat mich die ordinary language philosophy, da ich nie glauben konnte, daß philosophische Probleme nur Sprachprobleme seien. Kybernetik und Systemtheorie (N. Wiener, W. R. Ashby) haben Spuren hinterlassen und Anregungen gegeben, die sich z. B. in meiner informationstheoretischen Fundierung des Handlungsbegriffes zeigen. G. H. von Wright, den oft ähnliche Fragen interessiert haben wie mich, hatte kaum die Rolle eines Lehrers, denn ich fühlte mich eher als sein ständiger Opponent. Wesentliche Züge meiner rechtsphilosophischen Auffassungen und einige normenlogische Ansichten sind in Konfrontationen mit der Reinen Rechtslehre und insbesondere mit Hans Kelsen entstanden. Seine Fähigkeit, klar zu sagen, was er meint, erleichterte den Weg der Kritik. Erwähnt sei D. N. MacCormick, mit dem mich eine große Ähnlichkeit der Meinungen verbindet. Diese Übereinstimmung ist für mich eine moralische Bestätigung und Stütze. Wir sind aber im wesentlichen beide selbständig unseren Weg gegangen und haben uns nur marginal beeinflußt. Dankbar seien die vielen Diskussionspartner, Kollegen, Freunde, Mitarbeiter und Studenten erwähnt, die mich zum Weiterentwickeln und Präzisieren meiner Gedanken herausgefordert und das Philosophieren zur Lebensfreude gemacht haben. Es lassen sich folgende Hauptbereiche meiner Arbeit anführen: 1. Arbeiten über die Grundlagen der Normenlogik und andere Systeme des
praktischen Denkens;
2. Handlungstheorie und narrnativistische Konzeption der Institutionen; 3. Sturkturtheorie des Rechts, Juristische Methodenlehre und Theorie der Argumentation; 4. Rechtspolitik, Gerechtigkeitstheorie, Probleme der Demokratie in Theorie und Praxis. Über jene Problembereiche, die Gegenstand des Symposiums waren, möchte ich im folgenden meinen Standpunkt zusammenfassend darlegen und mich dabei auch mit einigen kritischen Bemerkungen meiner Freunde auseinandersetzen. Diese Abhandlung ist ein Bestandteil der Arbeiten, die ich auf Grund des Alexander von Humboldt-Forschungspreises in Münster durchgeführt habe. Ich möchte daher der Alexander von Humboldt-Stiftung und meinem Freund und Gastgeber, Prof. Dr. Dr. Dr. h. c. Werner Krawietz, herzlich für die Unterstützung meiner Forschung danken.
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A. Zur Logik des praktischen Denkens 1. Das Primat der Praxis und die logischen Systeme des handlungsbezogenen Denkens
Die Frage nach der Möglichkeit, dem Charakter und der Konstitution logischer Systeme der Praxis (im philosophischen Sinne) ist nicht nur eine zentrale Frage der Philosophie der Logik, sondern auch ein entscheidendes und sehr aktuelles Problem der praktischen Philosophie. Die Überlegungen und Argumentationen, die in diesem Kontext relevant sind, liegen in verschiedenen Bereichen: in der Humanethologie und Anthropologie, in der Sprachtheorie und Semantik, im Bereich der Wesensbestimmung und Methodologie der formalen Logik, in der Theorie der Handlung und - last, but not least- in der Erkenntnistheorie und Ontologie. Nur auf Grund einer relativ breiten Argumentation läßt sich ein überzeugendes Plädoyer für die gleichwertige Lebensberechtigung der Logiken des praktischen Denkens neben den Logiken der deskriptiven Sprache erstellen. Als erkenntnistheoretisches Primat der Praxis bezeichne ich die Auffassung, (i) daß das Denken dem Handeln dient, (ii) daß sich die Sprache und die gedanklichen Strukturen sowie die Kommunikation als Instrumente der Praxis entwickelt haben, (iii) daß sich die Erkenntnisformen, vor allem die Kausalerkenntnis, in Relation zum Handeln entwickelt haben und von der Art sind, daß sie geeignet sind, dem Handeln zu dienen. Die Erkenntnissysteme sind verselbständigte Gedankenkomplexe - Satzund Regelsysteme -, die der objektiven Orientierung wegen von der Anwendungsrelation im Handeln isoliert sind, aber in zwei Richtungen doch eine primäre Verbindung mit der Praxis aufweisen: die Fragestellungen entspringen oft direkt oder indirekt aus praktischen Interessen, und die Struktur der Erkenntnisse ist von der Art, daß sie prinzipiell praktisch (d.h. in Handlungen) anwendbar sind. Es müssen bestehende Fakten konstatiert werden, denn das Handeln benötigt die Situationskenntnis. Es besteht für die Erkenntnissysteme die Aufgabe, solche nomischen (kausalen und funktionalen) Beziehungen festzustellen, die Prognosen ermöglichen und das Auffinden von Mitteln und Programmen zur Erfüllung gegebener Zwecke gestatten. Wissenschaftliche Erkenntnissysteme sind in ihrer Begründung frei von Zweckbeziehungen und subjektiver Werteinstellung, sie sind aber ihrer Struktur und Bedeutung nach für die praktische Verwertung bestimmt.
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Das Primat der Praxis ist durch verschiedene Überlegungen wohl fundiert. Die evolutionäre Biologie und vergleichende Verhaltensforschung können die Genesis von Sprache und Denken nur so erklären, daß sie sie als Komponenten des praktischen Verhaltens konzipieren. Wenn sich solche Fähigkeiten der Lebewesen und schließlich des Menschen entwickelt haben, dann in einem Selektionsprozeß, in dem rational besser gelenktes Verhalten und interpersonale Kommunikation einen Lebens- und Überlebensvorteil bedeuten. Aus anthropologischen Betrachtungen resultieren ähnliche Gründe für die These vom Primat der Praxis. Das Wesen des Menschen scheint mirüber alle kulturellen Differenzen hinweg- in folgenden drei Eigenschaften verankert zu sein, die untereinander in wesentlichen Beziehungen stehen: Handlungsfähigkeit, Gemeinschaftlichkeit (der Mensch als Zoon politikonum mit Aristoteles zu reden) und die Fähigkeit, Institutionen zu schaffen. Wenn ich hier von Handlung und Handlungsfähigkeit spreche, meine ich sowohl individuelles, als auch kollektives und interaktionelles Handeln, d.h. der Mensch handelt als Einzelner nach seinen Zwecken und Präferenzen, als Kollektiv (auf Grund von Organisationen und mittels hierfür bestimmter Organe) mit einer praktischen Einstellung, die mit jener der Mitglieder nicht identisch ist, oder im Zusammenspiel verschiedener Individuen mit ihren individuellen- übereinstimmenden oder divergierenden- Einstellungen. In jedem Fall ist das Handeln kein bloß beobachtbarer Verhaltensablauf, sondern informationsgelenktes Verhalten, das durch eine praktische Einstellung (Zwecke, Werte, Präferenzen und Normen) bestimmt ist. Handlungsfähigkeit, Interaktion, Gemeinschaftlichkeit und die Schaffung von Institutionen hängen wesenhaft mit praktischem Denken zusammen. Anthropologisch gesehen besteht daher kein Zweifel, daß Denken funktional primär handlungsrelatives Denken ist, Informationsverarbeitung im Gesamtrahmen der Praxis. Es ist nicht nur ein Operieren der reinen Erkenntnis wegen, sondern jedenfalls auch handlungsbezogene Informationsverarbeitung, wie es der Idee des Primats der Praxis entspricht. Sprache und Kommunikation - sicherlich essentielle Elemente des menschlichen Daseins- sind genetisch und funktional Elemente und Instrumente der Praxis, des Handeins und der Interaktion. Das Entstehen einer rein deskriptiv-kognitiven Sprache ohne Einbettung in Prozesse der Praxis und Interaktion wäre kaum denkbar. Auch in dieser Perspektive erscheinen das Primat der Praxis und das handlungsbezogene Denken als wesentliche Charakterzüge des menschlichen Lebens. Wenn ich vom Primat der Praxis ausgehe und wenn es mir- wie ich hoffe - gelungen ist, für diese Grundeinstellung plausible Argumente vorzulegen, ist damit für die Möglichkeit und Notwendigkeit, logische Systeme des 12*
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praktischen Denkens zu entwickeln, kaum etwas bewiesen. Um zu einer Begründung zu gelangen, daß logische Systeme des praktischen Denkens möglich und nützlich sind, muß ich (i) die allgemeinen Bedingungen prüfen, unter denen formale Logik als philosophische Theorie des Denkens überhaupt erst möglich ist, (ii) den grundlegenden Charakter der Logiken der deskriptiven Sprache erörtern, um dann (iii) der Frage nachgehen zu können, ob analoge Vorbedingungen für den Aufbau logischer Systeme des handlungsbezogenen Denkens gegeben sind. Wenn formale Systeme als Theorien des Denkensaufgebaut werden sollen, müssen gewisse Vorbedingungen erfüllt sein: Das Denken muß von den psychischen Prozessen abgelöst werden, denn das, was in der menschlichen Psyche mehr oder weniger bewußt vor sich geht, ist kein geeigneter Boden, auf dem Logik als formale Theorie aufgebaut werden könnte. Dies erscheint wenigstens aus drei Gründen unmöglich: (a) Wie Edmund Husserl überzeugend gezeigt hat, sind die logischen Beziehungen und Operationen nicht als Beziehungen zwischen psychischen Akten darstellbar, da in diesem Feld weder formale Angemessenheit noch strukturelle Transparenz noch Richtigkeit garantiert werden kann. (b) Das psychische Geschehen schwankt in logisch kaum erklärbarer Weise zwischen bewußten, partiell bewußten und unbewußten Vorgängen, während eine formal-logische Theorie die Strukturen und Operationen transparent und überprüfbar gestalten muß. (c) Das Denken als psychisches Geschehen liefert für die Gedankenoperationen keine Begründung, und gerade das strebt die Logik als philosophisch fundierte Theorie an. Das Denken im logischen Sinne hebt sich von den Denkvorgängen im psychischen Sinne markant ab. Es tritt eine rationale Objektivierung ein. In logischer Sicht geht es um sprachlich formulierte Gedanken, die zwar Inhalte psychischer Akte sein können, die aber als Gegenstände der logischen Analyse Idealentitäten mit bestimmter Struktur und Bedeutung sind, nicht aber tatsächliche psychische Akte. Auch im alltäglichen Leben sind Sprache, Sprachstruktur und Kommunikation integrierende Bestandteile der Denkpraxis; das Denken transzendiert die psychischen Denkprozesse durch die Bindung an die Sprache und durch das übersubjektive Dasein der sprachlich fundierten Bedeutungen. In der logischen Betrachtung wird schließlich die völlige Trennung der Gedanken von psychischen Vorgängen durchgeführt und bei der logischen Analyse vorausgesetzt. Die Versprachlichung des Denkens bringt nicht nur eine Objektivierung durch Abtrennung vom subjektiven Erleben mit sich, sie bedeutet auch die
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Klärung und Trennung von Form und Inhalt, was im wesentlichen gleichbedeutend ist mit dem Aufbau der Sprache als einem System geregelter sprachlicher Strukturen. An die Strukturen des Sprachsystems knüpft die Erkenntnis logischer Beziehungen ebenso an wie die Theorie der logischen Operationen. Sprachsysteme entstehen in historischen Prozessen oder durch stipulative Setzung von Konstitutionsregeln der Sprache. Spontan entstandene Sprachen können sekundär auch durch feststellende Regelsysteme charakterisiert und/oder durch präzisierende Regeln rationalen Anforderungen entsprechend reguliert werden. Neben den Struktur- und Bedeutungscharakteristiken der Sprache stellt sich auch die Frage der Anwendungsweise sprachlicher Ausdrücke in verschiedenen Lebenssituationen und der Funktion der Sprechakte, in denen die Ausdrücke angewendet werden. Die Regelsysteme, welche eine Sprache bestimmen, werden daher gewöhnlich eingeteilt in syntaktische, semantische und pragmatische Regeln.4 Wichtiger erscheint mir die Unterscheidung von Sprachtypen: rein syntaktische (abstrakte) Sprachen, semantische Sprachen, bei denen Bedeutungen festgelegt sind (meist durch explizite Regeln), und pragmatische Sprachen, bei denen Bedeutung und Funktion der Ausdrücke durch die Institutionalisierung des Gebrauchs bestimmt sind.s Die sprachliche Grundlage der Logik bilden explizit konstruierte oder spontan entstandene, aber regulierte Systeme. Es muß ein Zeichenverzeichnis vorliegen, das nach semantischen Kategorien geordnet ist. Es werden Kriterien festgelegt, wie Zeichenreihen als wohlgeformt ausgewiesen werden (Formungsregeln). Es treten Bedeutungsregeln hinzu, wenn die Sprache semantisch bestimmt ist, was nicht unbedingt der Fall sein muß, denn ein logisches System kann ggf. als abstraktes System dargelegt werden, das verschiedene Interpretationen zuläßt (vgl. Boolsche Algebra). Ein besonderes Problem der Bedeutungsbestimmung von Ausdrücken ist die gnoseologischfunktionale Charakteristik von Sätzen, worüber später noch einiges zu sagen sein wird. Es werden Operations- (Transformations-)Regeln eingeführt, die an formale Merkmale anknüpfen (auch dann, wenn die Sprache als bedeutungsbestimmtes System gegeben ist). Dies ist jener Umstand, warum man von formaler Logik spricht. Das Entscheidende der logischen Untersuchungen sind vor allem zwei Aufgaben: die Prüfung der Konsistenz oder Inkonsistenz von Satzsystemen (der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit 4 Dies halte ich nicht für ganz unproblematisch, weil zwischen einzelnen Charakteristiken, die durch die Regeln gegeben werden, innere Beziehungen bestehen; die Bedeutungsbestimmung durch Hinweis auf die Anwendungsweisen in spezifischen Situationen ist z. B. eine pragmatische Charakteristik mit bedeutungsbestimmender Funktion. 5 Vgl. Ota Weinberger, Rechtslogik, 2. Aufl., Berlin 1989, S. 42f.
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der gleichzeitigen Setzung von Sätzen)6 und die Deduktion, d. h. die Gewinnung von Sätzen aus vorausgesetzten (angenommenen) Prämissen auf Grund von Regeln des Systems, welche die "Vererbung" einer gewissen Charakteristik der Prämissen auf den abgeleiteten Satz garantieren.7 Dies kann z. B. die Charakteristik des Wahrseins sein. (Die Bedeutung dieser Charakteristik ist eigentlich irrelevant; in der Boolschen Algebra z. B. gibt es verschiedene Deutungen ein und desselben Systems; wenn wir uns mit einem abstrakten System befassen, können wir die Erbeigenschaft als "ist These des Systems" verstehen.) Diese Bedingung der Geltung der Deduktion ist so zu verstehen, daß nichts über das Bestehen der Erbeigenschaft bei den Prämissen ausgesagt oder vorausgesetzt werden muß; es ist nur sichergestellt, daß, wenn alle Prämissen diese Eigenschaft haben (z.B. wahr sind), der abgeleitete Satz (die Folgerung) diese Eigenschaft ebenfalls haben muß. Die Folgerungsbeziehung ist eine relative Relation. Gerade aus der Tatsache, daß die Deduktion formal bestimmt ist, ergibt sich, daß als Erbeigenschaften begrifflich verschiedene Charakteristiken festgelegt werden können. Man kann logische Untersuchungen auch auf der Grundlage einer Umgangssprache oder anderer Sprachen, die im pragmatischen Kontext stehen und durch den variierenden Gebrauch aber gleichzeitig auch unbestimmt und unstet sind, durchführen, wenn man ihre Mängel durch explizite Regulierung, wenigstens dort, wo es für die Analyse wesentlich ist, beseitigt. Der Blick der logischen Forschung im Verlauf der etwa zweitausendjährigen Entwicklung dieser Wissenschaft ist- mit geringen Ausnahmen- auf Analysen des deskriptiv-kognitiven Bereichs gerichtet gewesen, obwohl schon Aristoteles sich dessen klar bewußt war, daß es andere Satzarten gibt, die wohl auch zum Gegenstand logischer Analyse gemacht werden können. Die Begriffsapparatur der Logik ist im wesentlichen in solcher Weise definiert, daß sie nur auf wahrheitsfähige Sätze anwendbar ist, soweit man nicht eine rein formalistische Charakteristik der Operationen gibt. Konsistenz, Widerspruch, Inferenz (Folgerung), Konklusion sind Beispiele solcher, durch Wahrheitsbeziehungen definierter, Begriffe. s Im Zusammenhang damit steht die Tatsache, daß es im logischen System immer eine Art Negation gibt. 7 Es wird zwar gelegentlich die Meinung vertreten, daß das primäre Anliegen der Logik die Erkenntnis logischer Gesetze (Wahrheiten, Tautologien) sei, nicht aber das logische Schließen (Operieren)- G. Kalinowski -, doch teile ich diese Meinung nicht. Es gibt Logiken, die nur mit Regeln arbeiten, nicht mit Gesetzen, aber es gibt keine Logiken, die keine Regeln benützen. Vgl. die Diskussion zwischen G. Kalinowski und mir in: G. Kalinowski I F. Selvaggi (Hrsg.), Les fondements logiques de la pensee normative, Rom 1985. Die logischen Gesetze sind informationsleer, sie berichten nur über formale Beziehungen, und ihre Bedeutung für das Denken beruht vor allem auf ihrer Rolle im Rahmen des Schließens. Tautologische Sätze können beliebig zu den Prämissen hinzugefügt werden. Im Zusammenhang mit wenigstens einer Folgerungsregel können weitere Regeln als gültige Schlußregel bewiesen werden.
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Die aussagenbildenden Funktoren (logischen Partikeln) werden wahrheitsfunktional definiert. Den Kern der logischen Untersuchungen bilden extensionale Systeme (Aussagen- und Quantorenlogiken), die wahrheitsfunktional oder mengentheoretisch erforscht werden. Und auch eigentlich nicht-extensionale Bereiche - wie die Modallogik oder die Analyse faktentranszendenter und kontrafaktualer Bedingungssätze - werden der wahrheitsfunktionalen Analyse zugänglich gemacht.s Hier scheint mir eine philosophische Nebenbemerkung beachtenswert: Gerade vom Standpunkt des Primats der Praxis aus ist es notwendig, sich mit Möglichkeiten, Notwendigkeiten (logischen und empirischen) sowie mit faktentranszendenten und kontrafaktualen Behauptungen zu befassen. Das Weltbild eines handelnden Wesens muß mehr umfassen als positive Verhaltensbeschreibungen; es umfaßt auch nomische Erkenntnisse und die Erkenntnis von Möglichkeiten, denn das Handeln bewegt sich in einem Möglichkeitsuniversum und stützt sich auf empirisch erkannte nomische Relationen. Es ist daher berechtigt zu fragen: Gehört es zum immanenten Wesen der Logik, daß sie Wahrheitsbeziehungen und nichts anderes studiert, d.h. verites de raison aufzudecken hat, oder ist die Ausrichtung auf den Aussagenhereich nur ein historisch geschaffener Zustand, der überwunden werden muß und einer allgemeineren Konzeption weichen sollte? Dies erfordert eine generalisierende Erweiterung der methodologischen Begriffsapparatur der Logik. Die Logik der Praxis ist hierfür der entscheidende Grund. Daß diese Verallgemeinerung der Logik möglich ist, istangesichtsder unbestrittenen Möglichkeit, die Logik als rein formales Spiel zu gestalten, unbezweifelbar. Schon die Möglichkeit einer rein formalen und abstrakt dargelegten Logik belegt, daß es Logiken unabhängig vom Begriff der Wahrheit gibt, daß Wahrheitsbeziehungen nicht die unabdingbare Basis der Logik sind.9 Jetzt muß geprüft werden, ob der Bereich des praktischen Denkens die Vorbedingungen für die Gegenstände der Logik erfüllt. Ich bejahe diese Frage mit Nachdruck. Handlungsbezogenes Denken tritt in sprachlicher Formulierung auf. Es erfordert, wie eine Analyse der handlungsbestimmenden Informationsbearbeitung zeigt, eine komplexe Semantik, die beschreibende und praktische Sätze kategorial unterscheidet. Die praktischen Sätze- sie drücken Nors Vgl. 0. Weinberger, Kontrafaktualität und Faktentranszendenz. Versuch, die Logik der faktentranszendenten und kontrafaktualen Bedingungssätze mit den Mitteln der extensionalen Logik zu behandeln, in: Ratio 16/1974, S.13- 28. Vgl. J.-L. Gardies, Essai sur la logique des modalites, Paris 1979, S. 31 f. 9 Mit anderer Argumentation haben Alchourr6n und Martino gezeigt, daß Logik ohne den Begriff der Wahrheit möglich ist, und sie haben eine rein formale Charakteristik des Folgeros gegeben. Vgl.: E. Alchourr6n I A. A. Martino, Logica sin verdad, in: Theoria, 1987/88, S. 7- 43; dies., Logic Without Truth, Ratio Juris, 1990, S. 46- 67.
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men, Zwecke, Wertungen oder Präferenzen aus- ermöglichen in ganz analoger Weise die Abstraktion von psychischen Akten, wie dies bei deskriptiven Sätzen der Fall ist. Sie sind interpersonal mitteilbar und verstehbar. Die Unterscheidung von Form und Inhalt kann hier in ganz gleicher Weise realisiert werden wie bei Aussagesätzen. Es ist natürlich nötig, die rationale Rekonstruktion und den Aufbau des Begriffsnetzes der Logik so zu gestalten, daß sie auch im Feld des handlungsrelativen Denkens anwendbar werden. [Man kann dies allerdings durch begriffliche Festsetzungen verhindern. So kann man z. B. durch die Definition der Norm als Sinn eines tatsächlichen Willensaktes die Möglichkeit von Inferenzen ausschließen, wie dies Kelsen in seiner Spätlehre tatlO, denn bekanntlich gibt es im Feld psychischer Akte keine Logik.] Die theoretische Möglichkeit logischer Systeme des praktischen Denkens besteht; daß es auch einen Bedarf des praktischen Lebens und der handlungsrelativen Wissenschaften hierfür gibt, geht wenigstens aus zwei Tatsachen klar hervor: (i) man spricht in der Lebenspraxis ständig von "praktischen" Folgerungen und Gedankenoperationen, und (ii) selbst die normenlogischen Skeptiker, welche die Möglichkeit des normenlogischen Folgens negieren, bemühen sich immer geflissentlich, "Ersatzkonstruktionen" vorzuschlagen, welche die praktisch unverzichtbare Rolle der normenlogischen Folgerungen übernehmen sollen. Wie man die Aufgabe, praktische Logiken aufzubauen, realisieren soll, welche Systeme erforderlich sind und welche Beziehungen zwischen den einzelnen Systemen bestehen, sind noch teilweise offene Fragen. Geistesgeschichtlich betrachtet kann man sagen, daß die Problematik vor allem in bezug auf die Normenlogik diskutiert wurde; in analoger Weise jedoch stellen sich die Probleme auch bezüglich anderer praktisch-logischer Systeme. Die Frage, welche Systeme erforderlich sind, ist nicht ausdiskutiert. Ich glaube, es sind im wesentlichen folgende Systeme in Betracht zu ziehen: (i) die formale Theorie der Teleologie, die mit Zweck-Mittel-Beziehungen und Prozessen des Entscheidens und Wählens zu tun hat; (ii) die formale Axiologie, die den Charakter von Wertkriterien und Wert-
attributionen analysiert;
(iii) die Präferenzlogiken, welche sich mit relativem Werten- mit der Präferenz und der Wertgleichheit- befassen; 10 H. Kelsen, Allgemeine Theorie der Normen, hrsg. von K. Ringhafer IR. Walter, Wien 1979; ferner meine kritische Analyse dieser Konzeption: 0 . Weinberger, Normentheorie als Grundlage der Jurisprudenz und Ethik. Eine Auseinandersetzung mit Hans Kelsens Theorie der Normen, Berlin 1981.
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(iv) Entscheidungslogiken und Utilitätskalküle; (v) die Normenlogik bzw. deontische Logiken (wobei an dieser Stelle nicht auf die Probleme der Beziehungen dieser beiden Arten von Systemen und der ihnen entsprechenden Unterschiede der Zutrittsweise eingegangen werden soll). Offensichtlich bestehen zwischen den angeführten Arten von Systemen wichtige Beziehungen, z.B.: In der Teleologie ist die Wahlentscheidung nicht nur vom System der Zwecke abhängig, sondern auch von Präferenzen zwischen möglichen Handlungsalternativen. Zwischen einstelliger und relativer Wertung lassen sich wichtige Beziehungen aufweisen; es bestehen also Beziehungen zwischen formaler Axiologie und Präferenzlogik. Besonders interessant, doch wie mir scheint bisher zu wenig diskutiert, ist die Beziehung zwischen Utilitätskalkül und Teleologie. Die Menge solcher Fragen kann ich in diesem Rahmen ebensowenig eingehend erörtern wie die Gesamtheit der aufgelisteten Bereiche. Ich kann auch nichts über die Vollständigkeit der Liste sagen. Nur über formale Teleologie und über Normenlogik werde ich hier näher sprechen. 2. Charakteristik der formalen Teleologie und ihrer Beziehung zur Handlungstheorie
Was ist Teleologie? Es bestehen, so scheint es, drei Auffassungen: (a) Teleologie wird als Methode oder Schema der Explikation des empirischen Geschehens angesehen; (b) Teleologie wird als psychische Struktur des Denkens konzipiert; (c) Teleologie wird als formale Theorie angesehen, die anknüpfend an das Prinzip der Kausalität entwickelt wird und den Informationsprozeß darstellt, der das Wählen und Entscheiden charakterisiert. In der Auffassung (a) konkurriert die Teleologie oder, genauer gesagt, die teleologische Explikation mit der kausalen Erklärungsweise. Im einzelnen kann das Modell der teleologischen Explikation verschiedene Formen annehmen, doch gilt überall, wo echte teleologische Erklärung auftritt, der Begriff der "Determination entgegen dem Zeitverlauf"- also Bestimmung des Früheren durch Späteres. Das durch den Empirismus und die Naturwissenschaften geprägte Weltbild hat sich ganz der kausalen Erklärung verschrieben. Das, was wir aus unserer bisherigen Erfahrung und Beobachtung wissen, dient der Bestimmung des Verhaltens der betrachteten Systeme in der Zukunft. Ontologisch formuliert, ist gemäß dem Kausalprinzip der Zustand jedes Systems (inklusive der ganzen Welt) hervorgebracht und bestimmt durch zeitlich vorangegangene Zustände des Systems und seiner Umgebung, die auf das System einwirkt; und wenn wir vom Universum sprechen, ist sein jetziger Zustand bewirkt durch vorangegangene Zustände. In diesem Weltbild gibt es keine außerweltlichen Determinanten: was auf
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die Systeme dieser Welt einwirkt, ist eo ipso Bestandteil der Welt. Das kausalistische Weltbild ist primär eine ontologische Konzeption: es besagt direkt nichts über die Erkennbarkeit der kausalen Bindungen; indirekt bestimmt das Kausalprinzip auch die Urteile über unsere Erfahrung. Das möchte ich anhand einer Modellüberlegung zeigen. Setzen wir voraus, wir haben zwei Systeme St. S 2 , die sich unserer Beobachtung nach in keiner relevanten Weise von einander unterscheiden. Darüber, welches die relevanten Eigenschaften sind, sei gar nichts gesagt. Es sei durchaus nicht ausgeschlossen, daß z.B. eine räumliche Verschiebung des Systems seine Eigenschaften verändert; das beeinflußt unser Gedankenmodell nicht, außer daß dann die räumliche Bestimmung als relevante Eigenschaft in Rechnung gezogen werden muß. S 1 und S 2 seien im Zeitpunkt t 0 als gleich erkannt. Stellt es sich nun zu einem späteren Zeitpunkt t 1 heraus, daß sich die Systeme S 1 und S 2 verschieden verhalten, bedeutet dies im kausalistischen Weltbild keineswegs, daß ihr Verhaltenundeterminiert ist, sondern daß sie im Zeitpunkt t 0 doch nicht gleich waren, auch wenn wir es nicht erkannt haben. [Vorausgesetzt wird hierbei natürlich, daß auf S 1 und S 2 keine verschiedenen Kräfte einwirkten.] Unter der in Klammer angeführten Voraussetzung gilt: Die Unterschiedlichkeit der Verhaltensweisen beweist die Unterschiedlichkeit der Systeme (bzw. der betrachteten Gegenstände). Nicht alles, was das zukünftige Verhalten des Systems (Gegenstands) bestimmt, ist unserer Beobachtung und Erkenntnis zugänglich. Daher bleibt die Prognose über zukünftiges Verhalten oft unbestimmt; sie ist eine Wahrscheinlichkeitsaussage. Dies widerspricht nicht dem Kausalitätsprinzip, sondern betrifft bloß die Erkennbarkeit des Gegenstandes, den wir beobachten, und die Erkennbarkeit der kausalen Bindungen, nicht aber das Bestehen der kausalen Bindungen selbst. Im kausalen Weltbild gibt es deterministische und stochastische Gesetze der Verhaltensabläufe. Ob deterministische oder stochastische Zusammenhänge erkannt werden, hängt von der Gegenstandskonstellation (vergleiche Poppers Gegenüberstellung von Wolken und Uhren11 ) oder/und der Erkenntnismöglichkeit der kausal-nomischen Bindungen ab. Ich meine, daß alle echten teleologischen Erklärungen wissenschaftlich inakzeptabel sind, und daß empirische Wissenschaft ganz auf dem Kausalprinzip aufgebaut ist. Wie ich schon früher gesagt habe, korreliert die Struktur der Kausalität mit der prinzipiellen Möglichkeit, Kausalerkenntnisse, vor allem Kausalgesetze, als Basis der Praxis, d. h. als Grundlage der Handlungsbestimmung 11 K. R. Popper, Of Clouds and Clocks. An Approach of the Problem of Rationality and Freedom, in: ders., Objective Knowledge. An Evolutionary Approach, Oxford 1972, s. 206 - 255.
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und -lenkung, zu verwenden. Wenn wir nun die Teleologie auf die Kausalität als zugrunde liegenden Begriff stützen, sollte die Abhängigkeit der Struktur der Kausalität von ihrer Rolle im teleologischen Denken nicht außer Acht gelassen werden. Es handelt sich eigentlich um eine gegenseitige Abhängigkeit von Kausalität und Teleologie. Nun zu den Typen der teleologischen Explikation.
a) Teleologie als Methode der Explikation Die aristotelische Entelechielehre gelangt dadurch zur teleologischen Erklärung, daß sie eine Zweckbestimmung in den Gegenständen selbst voraussetzt, welche die Entwicklung des Gegenstandes als Entfaltung der dem Gegenstand innewohnenden Zweckbestimmung deutet. Eine Vorstellung, die in der genetischen Vorbestimmtheit der Lebewesen eine gewisse Realisation besitzt, die in der modernen Biologie mittels der Erbinformation und ihren DNS-Trägersystemen eine naturwissenschaftlich kausalistische Deutung gefunden hat.
Nebenbemerkung: Die darwinistische Erklärung der genetisch verankerten Zweckmäßigkeit durch den Mechanismus der Variation und der Selektion, durch die höheren Überlebenschancen der Funktionstüchtigen ist eine kausalistische Erklärung von Zweckmäßigkeitsphänomenen und zweckhafter Funktionsanpassung. Um sich von der teleologischen Form der Erklärung, die Früheres durch Späteres erklären will, zu distanzieren, spricht man in der Biologie von "Teleonomie" (vor allem in Gegenüberstellung zu den entelechieartigen Erklärungen des Vitalismus). Man darf aber nicht übersehen, daß das darwinistische Explikationsmodell selbst vom Begriff der Zweckmäßigkeit, wie er durch die formale Teleologie skizziert wird, abhängt. 12 Teleologisch- zum Unterschied von der Entelechielehre, aber nur auf den Bereich der Lebewesen anwendbar - sind auch die vitalistischen Theorien. Man kann aber die vom Vitalismus beobachteten Funktionen kausalistisch erklären, ohne mit einer Bestimmung des Früheren durch Späteres zu arbeiten. Die Theologie tendiert zur teleologischen Explikation. Für den Theologen ist das Geschehen durch einen göttlichen Weltplan oder eine simplere religiöse Konzeption bestimmt, auch die Einzelereignisse sind als Zwecke gött12 Vgl. C. Pittendrigh, Adaptation, Natural Selection, and Behavior, in: A. Roe I G. G. Simpson (Hrsg.), Behavior and Evolution, New Haven 1985, S. 390 - 416; ferner: Ch. Weinberger, Evolution und Ethologie. Wissenschaftstheoretische Analysen, Wien/ New York 1983, S. 90ff.
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licher Absichten gesetzt. Die Einzelmaßnahme Gottes für einen konkreten Zweck, z. B. zur Belohnung oder Bestrafung, die Annahme, daß Gott Wunder realisiere, steht in unlösbarem Konflikt mit einem wissenschaftlich-kausalistischen Weltbild. Die abstrakte Vorstellung, daß das Geschehen nach göttlichem Projekt vor sich geht, ist aber mit einem kausal-wissenschaftlichen Weltbild durchaus verträglich. Ob kausale Vorgänge bezweckt sind oder nicht, ist empirisch nicht entscheidbar. Problematisch ist nur, ob und inwieweit die Zwecke der Schöpfung philosophisch erfaßt werden können. Das ist aber schon eine rein theologische Frage, der ich nicht nachgehen muß. Aber die Annahme der Existenz echter Wunder, d. h. individueller Eingriffe ins Geschehen, die im Konflikt mit dem naturgesetzliehen Ablauf der Ereignisse stehen, ist mit Wissenschaft nicht verträglich. b) Ist Teleologie eine psychische Gegebenheit?
Es ist zwar kaum zu bezweifeln, daß unser Erleben teleologische Denkstrukturen umfaßt. Wir machen teleologische Abwägungen, betrachten Dinge, Vorgangsweisen (Programme) und Situationen aus teleologischer Perspektive, tätigen zweckbestimmte Entscheidungen und bestimmen unser Verhalten oft und weitgehend nach angestrebten Zwecken, doch ist die Teleologie als Struktursystem des teleologischen Denkens eher ein rationales Konstrukt denn eine Abstraktion aus erlebten, zweckorientierten psychischen Denk- und Wahlvorgängen. Dies läßt sich durch verschiedene Konstatierungen begründen. Die faktischen psychischen Prozesse verlaufen nicht genau nach dem teleologischen Schematismus, sondern sie sind aus pragmatischen Gründen vereinfachte Vorgangsweisen. Die Begründung der teleologischen Denkformen beruht nicht auf der Konformität mit psychischen Prozessen, sondern auf einer an die Kausalität und an wert- bzw. präferenzlogische Relationen anknüpfenden Strukturüberlegung. Konkreter gesagt: Daß A ein Mittel zur Erreichung des Zieles Bist, wennAgeeignet ist, B zu bewirken (d. h. kausal hervorzurufen), ist nicht dadurch begründet, daß unser Denken so strukturiert ist (oder evolutionstheoretisch gesprochen: dadurch, daß sich diese Form des Denkens im Evolutionsprozeß bewährt hat), sondern der Sinn der Kausalrelation ist ein solcher, daß er die Bestimmung der Mittel zu gegebenen Zielen ermöglicht. Die ein geeignetes Mittel zu einem Zweck bestimmende Operation auf Grund der Kausalbeziehung ist eine reine Sachbeziehung und unabhängig vom psychischen Geschehen; sie ist nicht die Konsequenz einer psychischen Struktur.
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c) Die formale Konzeption der Teleologie Man kann die Teleologie als System von Beziehungen und Vorgangsweisen konstruieren, das, aufbauend auf dem Begriff der Kausalität, die Theorie der Mittelbestimmung und der Wahl zwischen möglichen Mitteln darstellt. Die Teleologie fungiert dann nicht nur als Rationalitätsmaßstab des individuellen zielgerichteten Wählensund Verhaltens, sondern jedes zweckgerichteten Systems. Hierzu ist natürlich erforderlich, daß die Einstellung des Subjektes (d.h. des Trägers des teleologischen Systems) in rationalisierter Rekonstruktion als Zwecksystem dargestellt wird; ferner muß ein System von Präferenzen gegeben sein, oder es muß ein Subjekt vorausgesetzt werden, das fähig ist, relative Wertungen durchzuführen. Was sind Zwecke? Telos (Ziel, Zweck) ist das, was als durch Handeln zu erreichender Zustand vorgestellt wird. Ungefähr in dieser Weise charakterisiert Nicolai Hartmann in seinem Buch "Teleologisches Denken" den Zweckbegriff.l3 Er versteht den Zweck als Bewußtseinsinhalt. Eine solche Konzeption des Zweckes paßt natürlich nicht in eine formalistische Theorie der Teleologie. Hier kann der Zweck nicht als Bewußtseinsinhalt definiert werden. Zweck ist hier auch nicht notwendigerweise ein Endzustand, der erreicht werden soll. Es kann z.B. der Zweck gesetzt werden, in einer gewissen Zeitspanne oder auf unbegrenzte Dauer eine gewisse Temperatur im Kühlschrank zu halten. Es geht also nicht immer um ein punktuelles Ziel, sondern um irgendeinen geforderten Inhalt, der als Auswahlkriterium zwischen Möglichkeiten des Einsatzes von Mitteln fungieren kann. In der formalen Teleologie muß vorausgesetzt werden, daß die Zwecke sprachlich ausgedrückt werden können. Die teleologische Überlegung kann von einem Zweck oder einem zusammengesetzten Zwecksystem ausgehen. Das Zwecksystem ist der Ausgangspunkt der teleologischen Analyse: Es bestimmt, was als Mittel oder als Handlungsprogramm in Frage kommt; verkürzt kann man sagen: die möglichen Mittel. Ich möchte hier nicht auf Einzelheiten eingehen, sondern nur einige Punkte erwähnen, die nicht immer genügend klar gesehen werden. Das Zwecksystem kann in verschiedener Weise komplex sein. Es können auch gleichsam unvergleichbare Zwecke, d . h. Zwecke ganz verschiedener Kategorien, in ein und demselben Zwecksystem auftreten, z.B. Moral und Nutzen, das Stillen des Hungers und gesellschaftliches Prestige. Wenn Entscheidungen auf Grund des Zwecksystems getroffen werden, müssen auch die an und für sich kategorial differenzierten Zwecke gemeinsam eine Resultante für das relative Werten- d.h. für die Bestimmung des Vorzugs oder der Gleichbewertung- abgeben. 13
N. Hartmann, Teleologisches Denken, Berlin 1951.
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Das Zwecksystem stellt keine konsistente Welt dar. In ein und demselben System können konfligierende Zwecke koexistieren; das heißt: (a) es kann gleichzeitig p undnon-pangestrebt werden (es kann gleichzeitig erwünscht sein, daß es jetzt regne- etwa wegen der Ernte- und daß es jetzt nicht regne -wegen des Gartenfestes); (b) es können Zwecke gesetzt werden, die wegen gewisser kausaler Relationen inkompatibel sind (z.B. die Verwendung dieses Eies als Speise und zur Hühnerzucht). Die "Konflikte" im Zwecksystem sind kein logischer Mangel, sondern sie weisen auf die Notwendigkeit des Wählens hin. Das Zwecksystem kann in zweierlei Perspektiven betrachtet werden:
1. als statisch gegebenes System, das einen Rahmen für die Mittel-Bestim-
mung und die Wahlentscheidung abgibt, oder 2. als dynamisches System, das sich im Verlauf der Zeit entwickelt (verändert).
Die gängigen teleologischen Analysen gehen von statisch konzipierten Zwecksystemen aus. Dynamische Betrachtungen scheinen aber ebenfalls erforderlich, da die im Leben auftretenden Systeme in der Zeit nicht invariant sind. Außerdem ist auch die Frage wichtig, wie diese Dynamik des Zwecksystems zustande kommt. Sie ist offenbar durch verschiedene Momente bedingt: durch die Veränderung des Trägers des Systems- die von einer Person angestrebten Zwecke ändern sich in der Zeit (und sogar mit gewissen Regelmäßigkeiten); durch Erfahrungen (Erkenntnis von Möglichkeiten, Werterfahrungen, die das Wünschen modifizieren), und anderes. Das grundlegende Schema zur Auffindung von Mitteln zu vorausgesetzten Zwecken ist - wie schon früher angeführt - die Kausalrelation. Doch darf nicht angenommen werden, daß der Prozeß der Auffindung von Mitteln immer von so ganz einfacher Struktur ist. Es kann eine Reihe von Schritten geben, wie zum Ziel gekommen wird, oder es kann um ein Programm gehen, wie der Zweck erfüllt wird. Und dabei geht es oft nicht um einfaches "Auffinden", sondern eventuell um ein "Erfinden" von Vorgangsweisen. Die formale Teleologie bildet die Grundlage der Handlungstheorie, denn sie kann als rationales Grundschema der handlungsbestimmenden Informationsverarbeitung gelten (vgl. Kap. B). Die Handlungsentscheidung resultiert im wesentlichen aus der relativen Wertung der möglichen Handlungsalternativen. Das Ergebnis der Analyse kann verschieden sein: (a) Es gibt keine die festgelegten Zwecke befriedigende Handlungsalternative; (b) es gibt genau eine Möglichkeit, dann ist ihr gemäß zu entscheiden; (c) es gibt mehr als eine Möglichkeit, dann muß zwischen den Alternativen eine Wahl getroffen werden: es wird jene Alternative gewählt, für die eine (sog. starke) Präferenz spricht. Bei Wertegleichheit wird eine der Alternativen beliebig (zufällig) gewählt. Die Bestimmung der Wahl auf Grund von Präferenzen ist also nicht immer eindeutig.
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Anmerkung über die Beziehung zwischen Teleologie und Nutzenanalyse Ich habe die Teleologie als Schematismus charakterisiert, mittels dessen Entscheidungen unter dem Gesichtspunkt von Zwecken realisiert werden. Die Entscheidungstheorien werden jedoch gewöhnlich als Nutzenkalküle konzipiert. Es scheint mir daher zweckmäßig, einige Anmerkungen über die Beziehung von Teleologie und Utilität zu machen. Die Utilität oder Nutzenbewertung ist eine Reihung von betrachteten Dingen oder Alternativen (ordinale Nutzenbestimmung) oder eine Zuordnung von in Zahlen ausgedrückten Nutzengrößen (kardinale Nutzenbestimmung). Auch aus der teleologischen Analyse geht eine Bewertungsordnung (genauer: Halbordnung, denn Gleichwertung ist eine der Möglichkeiten der Präferenzanalyse) hervor. Die teleologische Analyse ist zwar komplizierter als die Utilitätsanalyse, sie ist aber eine subtilere Argumentationsweise, die tiefer in die Begründungszusammenhänge vordringt. 3. Die Normenlogik
Die Geburtsstunde der Normenlogik ist nicht klar bestimmt; die geistigen Quellen und die Momente, welche diesen Bereich der Logikforschung aktualisiert haben, sind aber deutlich erkennbar. Das Bewußtsein der Differenziertheit der Satzkategorien bestand schon im Altertum, sowohl bei den Grammatikern als auch bei Aristoteles. Doch im Gefolge der analytischmethodologischen Überlegungen von Hume und Kant wurde der kategoriale Unterschied von beschreibenden und vorschreibenden Sätzen nicht nur klargestellt, sondern auch mit dem impliziten Bewußtsein verbunden, daß dieser semantische Unterschied für das Begründen relevant ist. Dies halte ich für die wichtigste Vorbedingung der Aktualisierung dieser Problematik. In sprachlich-logischer Beziehung trat die Erkenntnis struktureller Analogien zwischen Klassen von normativen Sätzen ins Bewußtsein, die den (alethischen) Modalsätzen formal ähnlich gebildet sind. Wenn wir von Bemerkungen über diese Dinge bei Leibniz absehen (sie hatten kaum einen Einfluß auf die weitere Entwicklung}, sind es vor allem Höfler und später von Wright, die auf diese Strukturanalogien aufmerksam gemacht haben.l 4 Diese Analogien weckten die Erwartung, daß, ebenso wie es Logiken des Möglichen, Notwendigen und Kontingenten gibt, auch z.B. Logiken des Gebotenen, Verbotenen, Erlaubten konstruierbar sind, obwohl sehr bald klar 14 A. Höfler, Abhängigkeitsbeziehungen zwischen Abhängigkeitsbeziehungen, in: Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien. Philosophisch-historische Klasse, Sitzungsberichte 181, Bd. 4, 1917, S. 1 - 56. G. H. von Wright, An Essay in Modal Logic, Amsterdam 1951.
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gesehen wurde, daß wesentliche Folgerungsbeziehungen von der alethischen Modallogik nicht auf die deontischen Sätze übertragen werden können. Es gilt in der Modallogik: (1) Aus ,p ist notwendig' folgt ,p' (2) Aus ,p' folgt ,p ist möglich', doch die zugeordneten analogen Folgerungen über ,geboten' und ,erlaubt' gelten nicht: (3) Aus ,p ist geboten' folgt nicht ,p', (4) Aus ,p' folgt nicht ,p ist erlaubt'. Die philosophische Entwicklung unseres Jahrhunderts ist stark auf analytische Probleme gerichtet (man spricht hier manchmal von der "linguistischen Wende" in der philosophischen Forschung), und sehr intensiv zeigte sich dies in der Ethik und Jurisprudenz bei der Ausrichtung auf metaethische Fragestellungen und in dem Interesse der Rechtswissenschaftler für die Strukturtheorie des Rechts. Diese Art des wissenschaftlichen Zutritts motivierte auch die Entwicklung einer Normenlogik. In der Logik selbst wurde die rein formale Arbeitsweise des Deduzierens gepflegt, bei der die Deduktion als regelgelenktes Spiel mit Zeichen- unabhängig von deren Bedeutungen- aufgefaßt wird. Und in dieser Perspektive ist es durchaus sinnvoll, auch nicht-deskriptive Sätze als Glieder von Deduktionen in Betracht zu ziehen und das Deduzieren als formales Operieren anzusehen, ohne eine Wahrheitsbeziehung als Kriterium der Geltung von Folgerungsrelationen vorauszusetzen. Entsprechend einer etwa zweitausendjährigen Tradition wurde allerdings die Inferenz als Wahrheitsbeziehung definiert, der gemäß die Konklusion aus rein logischen Gründen nicht falsch sein kann, wenn alle Prämissen wahr sind. Und durch die Ausrichtung der modernen Logik auf wahrheitsfunktionale Beziehungen kam jene Tradition sogar in verstärktem Maße zur Geltung (vgl. z.B. die wahrheitsfunktionale Definition der extensionalen Funktoren, die Behandlung der Modallogik in quasi-extensionaler Weise mittels des Begriffes der möglichen Welten, die Analyse faktentranszendenter und kontrafaktualer Sätze mit extensionalen Mitteln und die sog. semantische Darstellungweise der Logik). Diese Problemsituation bietet eine Erklärung der Tatsache, daß die mit den Zwanziger- und Dreißigerjahren einsetzenden Arbeiten im Bereich der Logik der Normen (oder Imperative) von Anfang an auch mit der Skepsis bezüglich der Möglichkeit einer solchen Disziplin konfrontiert waren.
Henri Poincare hat 1913 darauf hingewiesen- und blieb eigentlich unwidersprochen-, daß die damals anerkannten logischen Folgerungsregeln keinen Schluß erlaubten, der zu einer normativen Konklusion führen würde.l5
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Poincares Feststellung führte zur Diskussion der Frage, ob solche Schlußweisen-sc. auf Grund neuer Logiksysteme- möglich oder ob sie prinzipiell ein Ding der Unmöglichkeit sind. Die skeptische Auffassung wurde von J. Jörgensen den Logikern und Vertretern der praktischen Philosophie vorgelegt. Sein Hauptargument: Die traditionelle Definition der Inferenz als Wahrheitsbeziehung schließt normenlogische Inferenzen aus. Das Jörgensensche Dilemma war wohl allen Forschern, die an der normenlogischen Problematik interessiert waren, bekannt. Leider wurde es eher mit Schweigen übergangen, statt einer philosophisch-methodologischen Analyse unterzogen. Eine eingehende Analyse war vielleicht nur in meinem Buch aus dem Jahr 1958 enthalten.l 6 Nachdem von Wright ausdrücklich zur Ansicht gekommen war, daß der Bereich der Logik jenen der Wahrheitsbeziehungen überschreitet!?, und nachdem die deontische Logik große Verbreitung erlangt hatte, später aber ihre weitgehende Inadäquatheit erkannt worden war, schien es, daß der Skeptizismus gegenüber der Möglichkeit einer Normenlogik an Einfluß verloren hatte. Die Arbeiten von Karel Englis und Kelsens Kampf um die skeptizistische Konzeption, die zweifellos von EngliS beeinflußt ist, bedeuteten eine wesentliche Aktualisierung der Problematik. Von Wright selbst ist in das Lager der Skeptiker übergegangen.l 8 Wenn (i) die Folgerung als Wahrheitsbeziehung definiert ist und wenn (ii) Normsätzen kein Wahrheitswert zugeschrieben werden kann, dann gibt es keine normenlogischen Folgerungen. Die Jörgensensche Feststellung ist für diesen Autor keine Feststellung über den Stand der Logik, sondern eine Konstatierung, die als prinzipielle Unmöglichkeit einer Normenlogik anzusehen ist. Wenn man aus der alltäglichen und wissenschaftlichen Denkpraxis entnimmt, daß man in der Tat aus gewissen normativen Prämissen Folgerungen zieht, und davon überzeugt ist, daß sie auf Grund rein sprachlich-logischer Bindungen gelten, dann ist das keine bloße Täuschung, die überwunden werden muß. Wenn z.B. gilt: ,Jeder Handwerker soll sorgfältig arbeiten', meint man schließen zu dürfen, daß auch die Konsequenz gilt: ,Der HandwerkerN. N. soll sorgfältig arbeiten'. Kann man daran zweifeln, daß diese 15 H. Poincare, La Morale et la Science, in: ders., Dernieres Pensees, Paris 1913, S .223-247. 16 0 . Weinberger, Die Sollsatzproblematik in der modernen Logik, Prag 1958 (und vorher schon in der nicht angenommenen und nicht veröffentlichten Dissertation "Volni projevy a moderni logika", 1950). 17 G. H. von Wright, Logical Studies, London 1957, S. VII: "Deontic logic gets part of its philosophical significance from the fact that norms and valuations, though removed from the realm of truth, yet are subjected to logicallaw." 18 G. H. von Wright, Is and Ought, Eröffnungsvortrag des 11. Weltkongresses für Rechts- und Sozialphilosophie (15. August 1983).
13 RECHTSTHEOR!E, Beiheft 14
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Konsequenz aus logischen Gründen - wegen der Bedeutung des All-Quantors ,jeder'- gilt? Könnte der Ausgangssatz überhaupt als sinnvoller Normsatz verstanden werden, wenn eine solche Folgerung nicht gälte? Was würde dann ,jeder' bedeuten? Warum erläßt man allgemeine Normen, wenn daraus für den subsumierbaren Einzelfall nichts folgen würde; und in der Realität gibt es nur Einzelfälle. Ein anderes Beispiel: Kann man daran zweifeln, daß aus einer Bedingungsnorm ,Wenn p, dann soll q sein' und der Feststellung ,p' die Norm ,q soll sein' folgt?- Wäre die erste Prämisse überhaupt ein Bedingungssatz, wenn die erfüllte Bedingung nicht aus logischen Gründen fallen gelassen werden kann? Der normenlogische Skeptizismus kann das Image des Absurden nur dann vermeiden, wenn er eine brauchbare Ersatzkonstruktion für das als Unding abgelehnte normenlogische Schlußfolgern anbieten kann. Und tatsächlich bemühen sich alle Skeptiker- wenigstens so weit ich das Feld überblicke-, eine Ersatzkonstruktion vorzuschlagen. Es wird zu prüfen sein, ob die Ersatzkonstruktionen, die vorgeschlagen wurden, befriedigend sind. Da man kaum mit Gewißheit alle möglichen Ersatzkonstruktionen im Blickfeld hat, sollte man- wenn man den normenlogischen Skeptizismus widerlegen will - versuchen zu zeigen, daß eine brauchbare Ersatzkonstruktion gar nicht möglich ist. Gibt es einen anderen Weg als den skeptizistischen aus dem folgenden Drei-Thesen-Dilemma von Jörgensen?: (a) die Folgerung ist als Wahrheitsrelation definiert; (b) Normsätze sind nicht wahrheitsfähig; (c) es gelten in der Denkpraxis allgemein anerkannte normenlogische Folgerungen. Ich bin sicher, daß es andere Lösungen gibt. Es bietet sich vor allem die Lösung an, Satz (a), d.h. den Folgerungsbegriff, zu verändern. Zwei Wege sind hier möglich: (i) eine rein formale Charakteristik der Folgerung anzugeben (Folgerung aus den Prämissen P 1 , ... Pn ist jeder Satz K;, der nach gegebenen Transformationsregeln aus P 1 , . •• Pn gewonnen werden kann) ; oder (ii) man verallgemeinert den Folgerungsbegriff in der Weise, daß er glei-
chermaßen auf Aussage- wie auf Normsätze anwendbar wird.l 9
19 An anderer Stelle habe ich die Möglichkeit aufgezeigt und erörtert, das Jörgensensche Dilemma durch Aufgabe des Satzes (b) zu überwinden. Dabei kommt es aber zu einer wesentlichen Veränderung des üblichen Wahrheitsbegriffes. 0. Weinberger, Bemerkungen zur Grundlegung der Theorie des juristischen Denkens, in: H. Albert et al. (Hrsg.), Rechtstheorie als Grundlagenwissenschaft der Rechtswissenschaft, Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 2, Düsseldorf 1972, S . 134 - 161.
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Das Grundmotiv für die skeptische Einstellung zur Möglichkeit einer Normenlogik ist offenbar die traditionelle Auffassung des Folgerns und anderer methodologischer Grundbegriffe der Logik, obwohl dies ein überwindbares, nur durch die faktische Entwicklung entstandenes Hindernis ist. Sachliche Gründe für die Unmöglichkeit einer Normenlogik gibt es nicht2o, im Gegenteil, die Praxis des Denkens spricht ebenso eindeutig für die Normenlogik wie die Tatsache, daß die Skeptiker dies selbst insoweit anerkennen, als sie, um mit der Denkpraxis in übereinstimmung zu kommen, in der Regel Ersatztheorien anbieten. Neben der Begründung, daß sich die Logik ex definitione mit Wahrheitsbeziehungen zu befassen habe, werden zur Unterstützung des normenlogischen Skeptizismus noch andere Argumente angeführt, zum Beispiel: die Norm sei eine Tatsache, oder sie sei der Inhalt eines normsetzenden Willensaktes. Geltende Normen, etwa eine institutionalisierte Rechtsordnung oder eine etablierte gesellschaftliche Moral, sind zweifellos gesellschaftliche Tatsachen, ich würde sagen: institutionelle Fakten. Man muß hier zwei Dinge scharf unterscheiden: die Norm als gedankliche Entität und die Norm als institutionelle Realität. Die logischen Beziehungen und Operationen betreffen die Normen als Idealentitäten, nicht deren institutionelles Dasein oder die normerzeugenden Setzungsakte. [Analoges gilt natürlich auch für den kognitiven Bereich: eine Aussagefolgerung gilt (oder gilt nicht) unabhängig davon, ob die entsprechende Überzeugung gesellschaftlich etabliert- also Tatsache des Geisteslebens - ist, und unabhängig von kognitiven Denkakten.] Die definitorische Bindung der Norm an den befehlenden Willensaktwie sie Kelsen in seiner Spätlehre einführt- macht es natürlich unmöglich, von normenlogischen Beziehungen zu sprechen, weil Logik -wie heute allgemein bekannt- nicht im Bereich der psychischen Akte angesiedelt werden kann.2 1 Wenn die Norm institutionalisierter Bestandteil der gesellschaftlichen Realität ist, ist sie eine Tatsache, aber eine Tatsache besonderer Art, nämlich eine solche, die durch den Sinn der Norm charakterisiert wird und 2o Vgl. z.B. "Il faut en conclure que la logique ayant bien le droit d'etudier tous les raisonnements et toutes les propositions qui y figurent ne se limite pas a l'examen des propositions ayant la valeur de verite ou de faussete. Et si toute proposition pouvant etre analyse par la logique a une valeur logique, celle-ci ne s'identifie pas a la valeur de verite, prohabilite ou faussete. On est donc bien oblige d'admettre une pluralite de valeurs logiques." (S. 16) "Il est inadmissible de defendre une conception vieillie et etriquee de la logique en disant: ,Tant pis pour les faits!'. Si cela s'averait inevitable, il faudrait modifier les notions de valeur logique, comme nous l'avons deja dit et redit." (S. 174) G. Kalinowski, Introduction a la logique juridique, Paris 1965; ferner die in FN 9 angeführten Arbeiten. 21 Vgl. E. Husserl, Logische Untersuchungen, 1. und 2. Bd., Tübingen 1900/1901. 13'
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daher verstanden werden muß. Nicht die Feststellung des gesellschaftlichen Daseins der Norm, also die Aussage über die Geltung der Norm, sondern die Norm selbst als spezifisches Sinngebilde ist Element der normenlogischen Folgerungen und der logischen Beziehungen. Bezüglich der Struktur der elementaren Normsätze gibt es -mit Ausnahme der Terminologie - eine weitgehende Übereinstimmung der Forscher. Der elementare Normsatz besteht aus zwei Teilen, einem normativen Operator und einer inhaltlichen Bestimmung eines Sachverhalts, der angibt, was geboten, verboten oder erlaubt ist. Daher können Negationen an zwei Stellen auftreten: Es kann der Operator negiert werden- dies entspricht der Negation (oder Streichung- je nach Konzeption) des Normsatzes-oderes wird die Sachverhaltsbeschreibung negiert. Die Sachverhaltsbeschreibung ist der Struktur nach mit der Aussagenstruktur koordiniert. Dies scheint aus zwei Gründen erforderlich: (a) es muß angegeben werden, was (welche Zustände oder Vorgänge) geboten, verboten oder erlaubt sind, und (b) es muß die Erfüllung oder Verletzung der Norm feststellbar sein. (,A soll sein' ist genau dann erfüllt, wenn ,A' wahr (der Fall) ist). Die inhaltliche Struktur des elementaren Normsatzes wird durch Erfüllungsfunktionen definiert und knüpft in der Regel an wahrheitsfunktionale Aussagenstrukturen an. Die Bildung zusammengesetzter Normsätze führt aber zu Problemen. Am wichtigsten ist die Darstellung des Bedingungsnormsatzes bzw. der normativen Regel (sie ist ein generell adressierter Bedingungsnormsatz). Der Aufbau komplexer Normsätze mittels extensionaler Junktoren ist problematisch, trotzdem dies gemäß der gängigen sprachlichen Formulierungen möglich zu sein scheint. Die extensionalen Junktoren (,und', ,oder', ,wenn, dann') sind wahrheitsfunktional definiert und daher ex definitione auf Normsätze, da diese nicht wahrheitsfähig sind, nicht anwendbar. Bei dem Versuch, Bedingungsnormsätze darzustellen, zeigt sich die Inadäquatheit der extensionalen Wenn-dann-Verbindung besonders klar. Hier kommt es zu der Schwierigkeit, daß der extensionale Konditionalfunktor nur für wahrheitsfähige Argumente definiert ist und daß in Bedingungsnormsätzen semantisch verschiedene Argumente auftreten - die Bedingung ist aussagend, der bedingte Teil ist normativ. Die Kontraposition ändert daher wesentlich den Sinn des Bedingungsnormsatzes. Die kritische Analyse der deontischen Logik weist nach, daß weder ,0 (p ~ q)' noch ,p ~ Oq' akzeptable Anwärter für die Darstellung des normativen Konditionalsatzes sind (siehe unten S. 206). Lösungen können in zweierlei Weise gefunden werden: durch Einführung eines dyadischen (Bedingungs-)Operators als Grundbegriff, wobei die unbedingte Norm als
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dyadischer Satz mit tautologischer Bedingung definiert wird, oder durch Definition eines Konditionalfunktors in einer echten Normenlogik. Nun möchte ich kurz verschiedene "Ersatztheorien" der normenlogischen Skeptiker erörtern, bzw. die Versuche, eine Normenlogik mittels der Logik der deskriptiven Sprache zu erstellen, untersuchen. Ich werde nicht auf die einzelnen Ausformungen eingehen, welche die konkreten Theorien repräsentieren, sondern mich auf die Diskussion der Theorie-Typen beschränken.
a) Die Logik der Normen als Logik der propositionellen Inhalte von Normsätzen Von Dubislav und Jörgensen bis zu Alchourron I Bulygin wurde versucht, die These zu vertreten, daß nur der propositioneHe Inhalt der Norm Träger logischer Beziehungen sei, und daß anstelle einer Normenlogik ein Operieren mit den propositioneilen Inhalten der Normsätze zu treten habe. Bei Jörgensen wird der Imperativ in einen deskriptiven und einen imperativen Bestandteil zerlegt und logische Operationen werden nur mit jenem durchgeführt. Die Unbrauchbarkeit einer solchen Theorie resultiert unter anderem daraus, daß weder bei den Prämissen noch bei den Konklusionen bestimmbar ist, ob sie als Imperativ (Norm) oder als Aussage des betreffenden Inhalts zu verstehen sind.22
Alchourr6n I Bulygin haben den Versuch unternommen, die Theorie des Folgerns bei allen Sätzen, die einen propositioneilen Inhalt umfassen (Sollsätze, Erlaubnissätze, Behauptungssätze, Fragesätze usw.), als eine Gesamttheorie zu behandeln. Es läßt sich strikt beweisen, daß diese Theorie inadäquat ist: (a) Die logischen Beziehungen solcher Sätze sind nicht Beziehungen ihrer propositioneilen Inhalte: (i) einander widersprechende Inhalte bedeuten nicht immer Inkompatibilität: ,p ist erlaubt' (,Pp') ist verträglich mit ,non-p ist erlaubt' (,P I p'); ,p ist indifferent' (,Ip') bedeutet sogar dasselbe wie , 'l p ist indifferent' (,I 'l p'); (ii) die Fragen ,Ist p?' (,? p') und ,Ist non-p?' (,? 'l p') sind sicher nicht unverträglich, sie werden vielmehr in derselben Situation gestellt und suchen eigentlich nach derselben Information. (b) Die logischen Eigenschaften und Folgerungen hängen in wesentlicher Weise von den jeweils auftretenden Operatorenab-wie auch die unter (a) angeführten Beispiele zeigen; die ableitbaren Folgen sind ebenfalls 22 Vgl. 0 . Weinberger, Die Sollsatzproblematik in der modernen Logik, Prag 1958; wieder veröffentlicht mit einem Nachwort in: ders., Studien zur Normenlogik und Rechtsinformatik, Berlin 1974, S. 59- 186.
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verschieden: man wird wohl anerkennen >>Aus ,f- (p ,f- q'Aus ,0 (p A q)' folgt ,Op', ,Oq' ß B I
ß
scheint zu problematischen Schlüssen zu führen: ,Ich heiße 0. W. -4 Präsident Kennedy wurde ermordet' (dies ist offenbar ein wahrer Konditionalsatz), daher: ,Wenn ich 0. W. heißen soll, sollte Präsident Kennedy ermordet werden.' ,Wenn ich intensive Forschungsarbeit mache (p), bin ich zerstreut (q)', daher: p kann wohl als geboten gelten, aber daraus kann nicht das Gebotensein von q gefolgert werden. Nebenwirkungen von Pflichten sind zwar deren Folgen, aber deswegen noch nicht selbst Pflichten. 26 L. Aquist, Deontic Logic Based on a Logic of ,Better', Acta Philosophica Fennica 16, Helsinki 1963, S. 285- 290.
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Trotz einer gewissen Verwandtschaft mit Aquists Theorie ist Cornides' präferenzlogische Zutrittsweise zur Logik der Normen anders gestaltet.27 Dieser Autor geht von dem Präferenzbegriff im üblichen werttheoretischen Sinne aus. Das von einer Autorität festgesetzte Sollen drückt deren deontische Präferenz (d-Präferenz) aus. Die deontische Logik ist daher auf den logischen Beziehungen des Vorziehens aufgebaut. Die d-Präferenz bezieht sich auf mögliche Zustände der Welt; sie ist irreflexiv und transitiv, daher auch asymmetrisch. Die Proposition ,p' kann als Klasse jener Zustände aller möglichen Welten angesehen werden, in denen p der Fall ist. Der Begriff der möglichen Zustände wird in den meisten Erwägungen als Möglichkeit gemäß der dem Subjekt zugänglichen Informationen verstanden. Je nach dem, ob man von der absoluten (logischen) Möglichkeit oder von Möglichkeit gemäß der zugänglichen Informationen ausgeht, unterscheidet der Autor das Gebotene vom Gesollten (a.a.O., S. 90ff.). Dieordinale Deontik von Cornides kann als Präferenz zwischen Weltzuständen oder als Präferenz zwischen Propositionen ausgedrückt werden. Technisch stützt der Autor sich auf Analysen mittels deontischer Matrizen; eine Folgerung ist durch eine Matrix bewiesen, wenn die Eintragung der Prämissen auch gleichzeitig die Eintragung der Folgerung darstellt. Auf Einzelheiten muß ich hier nicht eingehen.
Cornides' Analysen können als kritische Argumentationen über die Gültigkeit deontologischer Beziehungen dienen, sie ersetzen aber nicht die Normenlogik als solche. Er beweist z.B., daß aus ,0 (p A q)' nicht ,Op' gefolgert werden darf, wie dies die traditionelle deontische Logik tut. Normen sind handlungslenkende Entscheidungen einer Autorität oder des autonomen Subjekts. Wenn ,p soll sein' gilt, dann gilt auch ,p ist non-p vorzuziehen'. Aber nicht jede solche Präferenz bedeutet ein Sollen, z.B.: ,Sonnenschein ist besser als Nicht-Sonnenschein', doch folgt daraus nicht, daß Sonnenschein geboten ist. Ähnlich von Wrights dyadischem System führt Cornides bedingtes Gebotensein ein: pOq = df
(p A q) R (pA I q)
In Worten: ,Wennp der Fall ist, dann soll q sein', bedeutet ,(pund q) wird (p
und non-q) vorgezogen'. Dann kann kategorisches Gesolltsein als bedingtes Gesolltsein unter einer tautologischen Bedingung definiert werden. Der Autor gibt die ordinale Deontik nicht als vollständige Normenlogik aus, und ich glaube, der präferenzlogische Zutritt kann dies auch nicht lei27 Th. Cornides, Ordinale Deontik. Zusammenhänge zwischen Präferenztheorie, Normenlogik und Rechstheorie, Springer Verlag, Wien I New York 1974.
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sten. Er bietet weder eine vollständig adäquate Theorie der Bedingungsnormen noch eine solche der Ermächtigungsnormen. Die ordinale Deontik ist nützlich zur Widerlegung von Folgerungen, die in der deontischen Logik sonst meist als gültig vorausgesetzt werden, und zeigt, daß nicht jede Folge dessen, was geboten ist, ihrerseits geboten ist, und daß nicht jede hinreichende Bedingung des Verbotenen selbst verboten ist.
h) Die deontischen Logiken Die deontischen Logiken waren zweifellos dazu bestimmt, logische Systeme für das Operieren mit Normen zu sein. Ob- oder inwieweit- sie diese Erwartung erfüllen können, muß nun geprüft werden. Wie ich schon früher erwähnt habe, bestehen formale Analogien des Satzaufbaus elementarer modaler (sc. alethischer) und deontischer Sätze: beide Arten von Sätzen bestehen aus einem einstelligen Operator und einer Sachverhaltsbeschreibung; in beiden können Negationen an zwei Stellen auftreten; und Komplexität kann auf zweierlei Weise zustande kommen: durch Verbindung elementarer Sätze mittels Junktoren oder durch wahrheitsfunktionale Komplexität des Inhalts (wir können dies äußere und innere Komplexität nennen). Es ist also naheliegend, die Normenlogik nach dem Muster oder in Analogie zur (alethischen) Modallogik darzustellen. Etwas verwunderlich ist nur die Tatsache, daß das Jörgensensche Dilemma - obwohl allgemein bekannt - weder philosophisch behandelt, noch als Hindernis dafür empfunden wurde, die Normenlogik wahrheitsfunktional aufzubauen. Als Sätze des traditionellen monistischen Systems der deontischen Logik treten gewöhnliche (operatorfreie) Sätze und deontische Sätze auf; beide müssen als Aussagesätze aufgefaßt werden, da sie als Argumente von Wahrheitsfunktoren gesetzt werden. Man ist sich daher nun auch im klaren, daß die deontischen Sätze eigentlich nicht als Normsätze, sondern eher als Sätze über Normen gedeutet werden müssen. Bezüglich der Analogien zwischen Modalsätzen und deontischen Sätzen sind zwei Behauptungen wichtig: 1. Formale Analogien sind zweifellos interessante Erkenntnisse der logi-
schen Analyse; sie sind ein Ergebnis der vergleichenden Untersuchung, nicht jedoch ein Beweismittel für die Erkenntnisse logischer Beziehungen in einem Bereich mittels der Erkenntnisse aus einem anderen Bereich. Erst wenn die formale Analogie bewiesen ist, kann eine solche Übertragung durchgeführt werden.2a
2a Augenscheinliche Ähnlichkeiten können zu Vermutungen über das Bestehen von formalen Analogien führen, die aber erst dann Erkenntnisfunktion haben, wenn sie nachgewiesen sind.
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2. Es ist offensichtlich, daß die für die alethischen Modalitäten geltenden Folgerungsregeln: »Aus ,Np' folgt ,p'« und >>Aus ,p' folgt ,Mp'«, keine deontische Analogie haben, denn aus ,Op' folgt nicht ,p' und aus ,p' nicht, daß p erlaubt ist (,Pp'). Es bestehen neben der semantischen Grundproblematik, daß die deontischen Sätze als Sätze über Normen verstanden werden müssen, folgende Schwierigkeiten, welche die Adäquatheit der klassischen deontischen Systeme in Frage stellen: (a) In diesen Systemen wird die gegenseitige Definierbarkeit der deontischen Operatoren vorausgesetzt. Sie ist aber aus zwei Gründen problematisch: (i) Wenn das Normensystem offen, d. h. eine Menge von Normsätzen ist, die nicht als abgeschlossen deklariert ist, so daß die Möglichkeit eines in ihr nicht explizit angeführten Sollens bzw. Dürfens besteht, dann gilt nicht immer: ,Was nicht verboten ist, ist erlaubt'. Dann darf man in einem solchen System nicht schließen, daß p erlaubt ist, wenn kein ausdrückliches Verbot von p besteht. 29 (ii) Wenn die Rolle der normativen Operatoren im System gleichwertig
wäre, dann müßte ein System, das nichts als Erlaubnisse enthielte, ein Normensystem sein. Dies halte ich für inakzeptabel, denn ein solches System schließt keinen der möglichen Zustände aus; es könnte also nicht die Funktion eines regulierenden Systems haben.Jo
(b) Die klassischendeontischen Logiken sind unfähig, hypothetische Normsätze angemessen darzustellen. Die beiden Formen, die sich anbieten: ,0 (p ~ q)' und ,p ~ Oq', sind ungeeignet. ,0 (p ~ q)' läßt keine Regel der Abtrennung der erfüllten Bedingungen zu; und die zulässigen Transformationen im Inhalt des Satzes zeigen, daß der Satz nur scheinbar hypothetisches Sollen ausdrückt. Wer würde ,0 (q v I p)' als Bedingungssatz verstehen? An der Niederschrift ,p ~ Oq' läßt sich nicht erkennen, daß der ganze Satz ein normativer Satz sein sollte. Umstritten sind vor allem zwei Schlüsse, die mit der inneren Komplexität deontischer Sätze zusammenhängen: O(pAq) Op,Oq
Op
und---O(p v q)
Bei den entsprechenden aussagenlogischen Schlüssen: pAq p, q
und
p pvq
Vgl. 0 . Weinberger, Rechtslogik, 2. Aufl., S. 232- 235. Dieser Umstand führt zu meiner Auffassung, daß die Normenlogik primär eine Logik der Sollsätze ist, in der Dürfen eine sekundäre Rolle spielt. 29
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ist, wenn die Prämissen wahr sind, auch die Konklusion wahr. Wenn auch nur eine der Konklusionen nicht wahr wäre, wäre die Prämisse nicht wahr. Wenn aber das Gebot, daß (p A q) sein soll, gesetzt wird, kann das Gebot ,p soll sein' nicht gewonnen werden, weil der andere Teil (,q') verletzt sein kann, und dann muß das Teilgebot nicht gesollt sein; es kann sogar verboten sein. Die Nicht-Erfüllung von ,Op' würde, wenn aus ihr ,0 (p v q)' ableitbar wäre, den Adressaten zwingen, alles Beliebige (das für ,q' eingesetzt werden kann) zu tun. Wenn z.B. jemand in ein Haus einbricht und dann das Haus anzündet, dürfte er nur wegen Einbruchs bestraft werden, nicht aber auch wegen Brandstiftung. Denn nach dem angeführten Prinzip wäre er zu dieser Tat - ebenso wie zu jeder anderen -verpflichtet. Eine solche "Logik" können wir wahrlich nicht brauchen. Zur Lösung des Problems des Bedingungssatzes im Rahmen der deontischen Logik wurden die dyadischen Systeme vorgeschlagen. Grundlegend ist ein zweistelliger deontischer Funktor; ein Argument bezieht sich auf den gesollten Inhalt, das andere drückt die Bedingung aus. Dem unbedingten deontischen Satz wird jener deontische Satz des Systemes zugeordnet, dessen Bedingung tautologisch ist. Jedem kategorischen deontischen Satz ist also eine unendliche Klasse von Sätzen zugeordnet, die alle den gleichen Inhalt als gesollt (oder erlaubt) setzen und deren Bedingung tautologisch ist. Logisch äquivalent mit einem solchen Satz ist auch jeder Satz mit diesem Konsequent und einer analytisch wahren Bedingung, und äquivalent ebenso jeder solche Satz mit einer tatsächlich wahren Bedingung. Der Beweis der Geltung des unbedingten Sollens (Dürfens) ist aber verschieden je nachdem, wie die wahre Bedingung ausgedrückt ist: Beweis, daß die Bedingung ein logisches Gesetz ist, Beweis der Bedingung unter Heranziehung von Definitionen oder Tatsachenbeweis. Prinzipiell kann eine der Abtrennungsregel funktional analoge Regel aufgestellt werden: der Beweis der Wahrheit der Bedingung kann als Beweis der unbedingten Geltung des Bedingten dienen. Auch die Sätze der dyadischen deontischen Logik sind Aussagen über Normen, denn sie werden als Argumente extensionaler Funktoren verwendet. Die Lösung der konditionalen deontischen Sätze wird dyadischen Systemen durch eine komplizierte Darstellung der kategorischen Sätze erkauft; sonst bleiben die Probleme der deontischen Logiken die gleichen wie bei den monadischen Systemen.
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i) Semantische Modelle und Normenlogik
Der Begriff der möglichen Welten hat sich vor allem im Bereich der modallogischen Analysen so sehr bewährt, daß es naheliegt, zu versuchen, ihn auch für die Deontik nutzbar zu machen. Die Begriffe der ,deontisch perfekten Welten' und der ,zulässigen Welten' bauen auf dem Begriff der ,möglichen Welten' auf. Die logische Konsistenz von Normensystemen kann mittels des Begriffes der deontisch perfekten Welten expliziert und geprüft werden. Gardies31 hat gezeigt, daß derartige Modelle auch in quasi-extensionalen Bereichen angewendet werden können und daß Wahrheitsfunktionalität hierfür keine notwendige Vorbedingung ist. Auch die Tatsache, daß deontische Sätze keine objektiven Feststellungen sind und daß Geltung von der Akzeptanz des Systems abhängt, ist kein Hindernis für diese Methode.
Zulässige Welten sind eine Untermenge zugänglicher Welten, nämlich jener, die von den Normen des Systems gebilligt werden. Die Pflicht ,Op' kann in der Welt W 0 durch die Bedingung definiert werden, daß p in allen unmittelbar nachfolgenden zulässigen Welten wahr ist; die Erlaubnis ,Pp' in der Welt W 0 gilt genau dann, wenn es wenigstens eine unmittelbar nachfolgende Welt gibt, in der p wahr ist. Ich zweifle an der Angemessenheit dieser Erlaubnisdefinition, denn daß p erlaubt ist, scheint mir keineswegs dasselbe zu sein wie die Existenz wenigstens einer p enthaltenden zulässigen Welt. Gardies argumentiert auf Grund seiner Festsetzungen für die Geltung der Folgerung von ,0 (p 1\ q)' auf ,Op'. Er hat insoweit recht, als in jeder zulässigen Welt, in der ,(p 1\ q)' wahr ist, auch ,p' wahr ist. Die Möglichkeit der Nicht-Erfüllung eines Teils der Konjunktion ,p 1\ q', obwohl ,0 (p 1\ q)' gilt, zeigt, daß die Definition des Sollens durch die zulässigen Welten, die ,p 1\ q' enthalten, den Schluß auf ,Op' nicht begründet. Die ,p 1\ q' enthaltenden Welten enthalten natürlich auch ,p' (resp. ,q'), aber nicht jede p-Welt muß eine zulässige Welt sein (jene, in denen q nicht wahr ist, müssen es nicht sein).
Die Methode der semantischen Modelle ist nur in begrenzter Weise zum Beweis normenlogischer Inferenzen brauchbar.
31 J.-L. Gardies, L'interet des modeles semantiques pour la logique du droit, ARSP, 1982, p. 187 - 196.
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j) Allgemeine Gründe für die Unmöglichkeit einer Normenlogik im Rahmen deskriptiver Sprachen
Wenn man voraussetzt, daß die Normenlogik zwei gegenseitig unübersetzbare Satzkategorien umfaßt, dann erscheint es unmöglich, sie durch ein Logiksystem mit einer einzigen Satzkategorie darzustellen. Bezüglich der Konsistenz und Inkonsistenz in der Normenlogik gelten folgende Thesen: (i) Zwischen einem Normsatz und einem Aussagesatz kann keine Unverträglichkeit bestehen. Dies folgt unmittelbar aus der kategorialen Verschiedenheit dieser Sätze. (ii) Die Bestimmung der Paare inkonsistenter Normsätze wird durch spezifisch normenlogische Regeln gegeben; sie ist abhängig von zwei Momenten: (a) der Struktur der Sachverhaltsbeschreibungen (diese wird in der Regel extensional konzipiert) und Relationen zwischen den normativen Operatoren. (Daher ist z. B. ,p soll sein' inkonsistent mit ,non-p soll sein', aber ,p ist erlaubt' ist verträglich mit ,non-p ist erlaubt'.) (iii) Zwischen Erlaubnissätzen gibt es keine Unverträglichkeit. Folgerungen, die sich auf die Beziehungen zwischen normativen Operatoren beziehen (und von der Offenheit oder Geschlossenheit der Normensysteme abhängen), sind Operationen, die im Rahmen deskriptiver Sprachen nicht definierbar sind, denn die normativen Operatoren sind keine Bestandteile der deskriptiven Sprachen. Das Normensystem ist in funktionaler Relation zum Handeln und zum Aufbau von Institutionen zu verstehen. Es ist daher primär ein SollensSystem, in dem Dürfen nur sekundäre Funktionen hat, da das Erlauben allein (ohne Existenz von Sollen im betrachteten System) keine regulierende Funktion haben kann. Regulierung ist nämlich immer Einschränkung, und Erlaubnissätze schließen keine mögliche Verhaltensweise aus. Die übertragung der extensionalen Folgerungen aus den Inhalten von Normsätzen auf Grund der logischen Regeln der deskriptiven Sprache ist nicht möglich. Wenn z.B. in der Aussagenlogik ,p A q' als Prämisse gesetzt wird, ist ,p' deduzierbar, weil die Wahrheit der Konklusion durch die Prämisse gewährleistet ist. Da aber die Prämisse ,0 (p A q)' gesetzt werden kann, ohne daß hinsichtlich der Erfüllung dieses Gebotes etwas bestimmt ist, ist ,Op' keine Konsequenz von ,0 (p A q)'. Die Erfüllung der einzelnen Bestandteile der Konjunktion ist durch die vorausgesetzte Prämisse nicht sichergestellt, und das Gesolltsein des einen Bestandteils der Konjunktion ohne den anderen logisch nicht begründet. 14 RECHTSTHEORIE, Beiheft 14
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An MacCormicks Beitrag "Legal Reasoning and the Institutional Theory of Law" scheinen mir vor allem zwei Momente wesentlich: die Verteidigung der logizistischen Konzeption des juristischen Argumentierensund der Versuch, Normenlogik auf der Basis der Prädikatenlogik zu konstituieren.
MacCormick opponiert dem Kelsenschen normenlogischen Skeptizismus in anderer Weise als ich: nicht mit dem Nachweis, daß das Deduzieren keineswegs immer eine wahrheitskonservierende Operation sein muß, sondern mit der Begründung, daß normative Behauptungen Thesen über institutionelle Tatsachen sind und daher im Sinne einer institutionalistischen Ontologie wahrheitsfähig sind. Ich halte meine Argumentation für treffender, weil das Konstatieren solcher institutioneller Tatsachen vom Verstehen der betreffenden Normen abhängt und von normenlogischen Folgerungen, die nicht als Operationen mit Behauptungen über institutionelle Tatsachen durchgeführt werden können. Den logizistischen Standpunkt verteidigt der Autor mit Recht durch den Hinweis, daß im Bereich der Prämissenbegründung und der Wertung bei der Subsumtion zwar außerlogische Momente in die Argumentation einfließen, daß dies jedoch die deduktive Grundbeziehung nicht ersetzen kann. Durchaus interessant ist MacCormicks Gedanke, Normenlogik als Erweiterung der Prädikatenlogik zu konstruieren, und zwar mit Hilfe der Unterscheidung von vier Arten von Prädikaten: (i) rein beschreibenden Prädikaten, (ii) interpretativ-deskriptiven Prädikaten, die neben der rein deskriptiven Feststellung die festgestellten Tatsachen interpretativ einordnen gemäß ihrer institutionellen Bedeutung, (iii) wertenden (beurteilenden) Prädikaten, die Wertabhängigkeit der Eigenschaft in einem pragmatischen Kontext ausdrücken, und schließlich (iv) normativen Prädikaten. Es scheint mir für die Entfaltung der Methodologie des juristischen Argumentierens wichtig, die Eigenart der Prädikate vom Typus (ii) und (iii) eingehend zu diskutieren, aber im Grunde spielen alle Prädikate vom Typus (i) - (iii) die Rolle von Erkenntnissen, von denen die Argumentation ausgeht (mag auch die Prädikation von wertenden Stellungnahmen abhängen), während die eigentlich normativen Ausdrücke durch die vierte Art von Prädikaten zustande kommen. Im Prinzip mag der MacCormicksche Weg gangbar sein. Doch kommt auch hier eine Spaltung der Satzarten zustande und die Differenzierung der prädikatenlogischen Sätze in diesem erweiterten System der Prädikatenlogik wird je nach dem gnoseologischen Charakter der Sätze (Aussagesätze/ /Normsätze) zu differenzieren sein (was der Autor selbst als Möglichkeit einräumt und was ich jedoch für notwendig halte). Der in diesem Band enthaltene Aufsatz von Eugenio Bulygin "Das Problem der Normenlogik" ist ein wichtiger Beitrag zur Klärung der Grundlagenfragen der Normenlogik, vor allem der Beziehungen zwischen der Nor-
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menlogik und der Logik deskriptiver Sätze über Normen resp. über Normensysteme. (Es freut mich ganz besonders, daß dieser Fortschritt ein Ergebnis unserer freundschaftlich-suchenden Diskussion ist. Es zeigt sich, wie fruchtbar ein rational geführter Meinungsaustausch und gegenseitige Kritik für den wissenschaftlichen Fortschritt sein können. Diskussionen sind genau dann produktiv, wenn sie im Suchen nach Argumenten bestehen und jede Spur des Rechthaberischen vermeiden.) Essentiell scheinen mir folgende Erkenntnisse meines argentinischen Kollegen zu sein: 1. Es gibt eine echte Normenlogik; logische Beziehungen und Folgerungen sind nicht auf den Bereich des Wahren (der kognitiven Denkinhalte) beschränkt. Das Jörgensensche Dilemma mit seinen skeptizistischen Konsequenzen für die Normenlogik besteht eigentlich nicht, denn Inferenzen können sich auch auf andere "Erbeigenschaften" als den Begriff der Wahrheit stützen.
2. Man kann Aussagesätze über Normen oder Normensysteme aufstellen. Für eine deskriptiv verstandene deontische Logik ist es zweckmäßig, die deontischen Aussagesätze als Sätze über ein Normensystem zu konzipieren. Das Operieren mit solchen Sätzen kann eine echte Normenlogik nicht ersetzen; im Gegenteil: es setzt sie voraus und muß ihre Eigenschaften widerspiegeln. 3. Bulygin hat (zusammen mit Alchourr6n) gezeigt, daß die Derogation einer gewissen Norm eines gegebenen Normensystems zu Unbestimmtheiten führen kann, die rein logisch nicht lösbar sind, sondern Entscheidungen erfordern. Das Normensystem ist eine Konsequenzenmenge der gegebenen Normen, die- eventuell auch unter Heranziehung von Tatsachenprämissengewonnen werden kann. Die Streichung einer Norm aus der Konsequenzenmenge genügt zur Derogation oft nicht, weil die gestrichene Norm aus verbleibenden Normsätzen des Systems ableitbar sein kann. Es muß also oft auch eine Aufhebung oder Teilaufhebung gewisser normativer Prämissen der Normensysteme durchgeführt werden. Ich will an dieser Erkenntnis von Alchourr6n und Bulygin nicht zweifeln. Es geht mir nur um die Frage der Technik, Normderogationen durchzuführen. Wenn eine ausdrücklich gesetzte Norm, durch die die Konsequenzenmenge definiert wurde, aufgehoben wird - dies kann durch den contrarius actus im traditionellen Sinne geschehen-, dann kann das System als Konsequenzenmenge mit geänderten Ausgangssätzen konstituiert werden. Ich glaube ferner, daß man explizite Aufhebung auch akzeptieren sollte und sie als lex posterior jedenfalls als gültig ansehen müßte, obwohl es unbestimmt und rein logisch unbestimmbar sein kann, was durch diese Derogation aufgehoben ist. Es besteht in diesem Falle die logische Aufgabe, aufzuweisen, 14•
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welche Alternativen bestehen, um die derogierte Norm aus dem Normensystem tatsächlich auszuschließen. Welche dieser Alternativen zu wählen ist, kann nicht mehr Sache der Logik sein. 4. Sauber führt Bulygin die Trennung zwischen Normenlogik und der Logik deontischer Aussagen mittels Einführung unterschiedlicher Operatoren durch. Da mein Hauptanliegen die theoretische Grundlegung der echten Normenlogik ist, nicht aber die Logik der deontischen Aussagesätze über Normensysteme, beschränke ich meine Uberlegungen auf die noch verbleibenden Meinungsverschiedenheiten über die Normenlogik zwischen Bulygin und mir. Es scheint, daß mein argentinischer Kollege meine Ansicht von der primären Rolle der Sollsätze (Gebots- und Verbotssätze) im Normensystem nicht akzeptiert hat. Der entscheidende Grund für meine Auffassung ist die kaum bestreitbare Tatsache, daß ein rein permissives System- ein System, das nur Erlaubnisse ausdrücken würde - keinerlei Regulierungsfunktion haben könnte, also- wie ich meine- gar kein Normensystem wäre. Erlaubnissätze schließen keine Verhaltensweise aus, und Regulierung bedeutet immer den Ausschluß von möglichen Verhaltensalternativen. (Man spricht zwar gelegentlich davon, daß Erlaubnisse ausgenutzt oder nicht ausgenutzt werden können, doch ist dies dem Erfüllen oder Verletzen von Sollsätzen keineswegs analog. Es ist normativ und wertmäßig irrelevant, ob man von einer Erlaubnis Gebrauch macht oder nicht.) Eine Konsequenz dieser Auffassung ist meine Abneigung, die unbeschränkte Interdefinierbarkeit der deontischen Operatoren in der Normenlogik zu akzeptieren; unbeschränkte gegenseitige Definierbarkeit impliziert, daß es gleichgültig ist, welchen der deontischen Operatoren man als Grundterm nimmt. Wenn man Interdefinierbarkeit voraussetzt, kann es gar nicht sinnvoll sein, rein permissiven Systemen den Charakter von Normensystemen abzusprechen. Ein weiterer - eher pragmatischer - Grund für meine Spaltung der normenlogischen Analysen in Sollsatzfolgerungen und Erlaubnisfolgerungen, ist die Tatsache, daß das reine Sollsatzfolgern leichter einsichtig gemacht werden kann als jene Deduktionen, in denen auch Erlaubnissätze auftreten. Ich meine sogar, daß der Begriff der Erlaubnissätze durch ihre einschränkende bzw. aufhebende Funktion gegenüber den Sollsätzen eingeführt werden kann. 32 Die Anerkennung der gegenseitigen Definierbarkeit der normativen Operatoren ist verlockend und prima facie nicht unplausibel (solange man nicht 32
Vgl. 0. Weinberger, Rechtslogik, 2. Aufl., S. 238f., 246f.
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über die Fragen des Erlaubnisbegriffes näher nachdenkt). Das System der Interdefinitionen arbeitet mit einem einzigen Grundterminus, der im Sinne dieser Theorie beliebig gewählt werden kann (,geboten', ,verboten', ,erlaubt', ,erlaubt, daß nicht'), und zwei Negationen: der Negation des Operators und der Negation der Sachverhaltsbeschreibung (des Arguments des normativen Operators). Diese Negation ist problemlos, weil ableitbar von der zweiwertigen aussagenlogischen Negation, während der erste Negations-Typ besonders expliziert werden muß, weil in der echten Normenlogik die aussagenlogischen Funktoren nicht einfach übernommen werden können. Kann man in der echten Normenlogik- auch bei einem offenen Systemsagen, daß jeder denkbare Sachverhalt, der nicht explizit verboten ist, erlaubt ist? Wenn der Begriff des offenen Systems einen guten Sinn hat, dann kann man dies offenbar nicht. Ich kenne keinen guten Grund, warum der Begriff des offenen Systems nicht akzeptiert werden sollte, um so mehr als die meisten Normensysteme der Praxis offene Systeme sind. Es bestehen zwischen uns nicht unwichtige Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Geltung der Folgerungen in der echten Normenlogik. Kann man schließen: >>Aus ,Op' folgt ,0 (p v q)'