Insolvenzverwaltung – Natürliche Personen: Sachbearbeitung und Insolvenzabwicklung bei Verbrauchern, Selbständigen und Freiberuflern 9783814557328

Professionell organisierte und versierte Mitarbeiter gehören zu jedem qualitativ anspruchsvollen Insolvenzverwalterbüro.

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German Pages 320 [321] Year 2014

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Insolvenzverwaltung – Natürliche Personen: Sachbearbeitung und Insolvenzabwicklung bei Verbrauchern, Selbständigen und Freiberuflern
 9783814557328

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Wipperfürth Insolvenzverwaltung – natürliche Personen

Kanzleipraxis 2

Insolvenzverwaltung – natürliche Personen Sachbearbeitung und Insolvenzabwicklung bei Verbrauchern, Selbstständigen und Freiberuflern

2014

von Sylvia Wipperfürth

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH ˜ Köln

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2014 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH Postfach 27 01 25, 50508 Köln E-Mail: [email protected], Internet: http://www.rws-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, das Werk oder Teile daraus in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) zu vervielfältigen. Satz und Datenverarbeitung: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt Druck und Verarbeitung: rewi Druckhaus Winters GmbH, Wissen

Vorwort Die Insolvenzordnung bietet Selbstständigen, Freiberuflern und auch Privatpersonen/Verbrauchern einen geeigneten Rahmen und die Möglichkeit einer Befreiung von den Restschulden nach Durchlaufen eines Insolvenzverfahrens. Mit der Intention, natürlichen Personen nach einer finanziellen Krise einen wirtschaftlichen Neustart zu ermöglichen, sind Insolvenzverfahren in diesem Bereich für das Insolvenzverwalterbüro mit viel Arbeit verbunden. Neben einem hohen Maß an Engagement sind gleichermaßen Kenntnisse über den Verfahrensablauf, eine professionelle Organisation sowie Fachwissen gefordert. Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen stellen einen Großteil der abzuwickelnden Verfahren dar. Das Verhältnis der Unternehmensinsolvenzen zu den Verfahren über das Vermögen der „übrigen Schuldner“ stieg von ca. 1:2 (im Jahr 2003) auf ca. 1:5 (im Jahr 2013) an. Versierte Mitarbeiter gehören daher zu jedem Verwalterbüro, das diesem Aufkommen der Verfahren unter Erfüllung der eigenen Qualitätsansprüche gewachsen sein möchte. Mindestens genauso bedeutsam wie ein großer Schatz an theoretischem Fachwissen ist die praktische Umsetzung des Know-how. Die Autorin hat sich diesem Ziel verschrieben: Der engen Verzahnung von Fachwissen und dem Praxistransfer. Hierbei lädt sie die Leser ein, an den Erfahrungswerten aus ihrer über elfjährigen verfahrensleitenden Berufspraxis teilzuhaben. Auch flossen die zahlreichen Anregungen und Praxisfälle, die an die Autorin in ihren Seminaren von Teilnehmern und Teilnehmerinnen herangetragen wurden, in diese Abhandlung mit ein. Letzteren gilt der ausdrücklich Dank der Verfasserin, denn gerade die rege Beteiligung und Rückmeldung machen einen praktischen Austausch möglich und die Fortbildungen stets spannend. Das Werk orientiert sich weitestgehend am „klassischen“ Ablauf eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen natürlicher Personen, konzentriert sich hierbei jedoch auf die Verfahrensabschnitte, die für die Bearbeitung in einem Insolvenzverwalterbüro von Bedeutung sind. Damit einhergehend werden die Verfahrensphasen der Antragsvorbereitung, des außergerichtlichen und auch des gerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahrens nur am Rande angesprochen. Schwerpunktmäßig behandelt das Werk die Fragen und Problemkreise der Verfahrensabwicklung zwischen Gutachterbestellung und Beendigung des Insolvenzverfahrens bzw. – soweit in Betracht kommend – dem Zeitpunkt der Erteilung/Versagung der Restschuldbefreiung. Thematisch werden vertiefend sowohl Regelinsolvenzverfahren selbstständig oder freiberuflich Tätiger als auch Verbraucherinsolvenzverfahren mit den jeweils verfahrenseigenen Besonderheiten und Problemkreisen besprochen. Selbstverständlich sind die durch die Reform des Verbraucherinsolvenzver-

V

Vorwort

fahrens und der Restschuldbefreiung eingetretenen Änderungen thematisiert. Besprochen werden darüber hinaus die Besonderheiten der Eigenverwaltung und des Insolvenzplanverfahrens. Dieses Buch hat die Ambition, Wissen, Literatur und Rechtsprechung mit der Praxis der Abwicklung von Insolvenzverfahren zu verknüpfen und die interessante Materie des Insolvenzrechts zu veranschaulichen. Gleichermaßen versteht es sich als Einladung an alle Leserinnen und Leser, der Autorin Anregungen, Kritik und eigene Erfahrungswerte mitzuteilen, um das breitgefächerte Spektrum der Rechtsanwenderpraxis möglichst umfassend abzudecken. Vielen Dank für Ihr Interesse!

Alsdorf, im Oktober 2014

VI

Sylvia Wipperfürth

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

Vorwort ............................................................................................................ V Literaturverzeichnis .................................................................................. XVII A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte .................................. 1 ........ 1 I.

Vorüberlegung .............................................................................. 1 ........ 1

II. Ziele des Regelinsolvenzverfahrens über das Vermögen natürlicher Personen .................................................................... 1. Gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung .......................... 2. Restschuldbefreiung .............................................................. 3. Sanierung ............................................................................... 4. Vermeidung berufsrechtlicher Konsequenzen ....................

3 3 5 6 7

........ ........ ........ ........ ........

1 1 2 2 2

III. Ziele des Verbraucherinsolvenzverfahrens ................................ 33 ........ 7 1. Gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung ........................ 33 ........ 7 2. Restschuldbefreiung ............................................................ 34 ........ 8 IV. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren ..................................................................... 35 1. Insolvenzschuldner ............................................................. 35 2. Insolvenzgläubiger .............................................................. 40 3. Gläubiger nachrangiger Forderungen ................................ 46 4. Absonderungsberechtigte Gläubiger ................................. 49 5. Aussonderungsberechtigte ................................................. 54 6. Der Gutachter/Sachverständige ......................................... 64 7. Der vorläufige Insolvenzverwalter ..................................... 70 8. Der Insolvenzverwalter ....................................................... 73 9. Der Treuhänder (Restschuldbefreiungsphase gemäß § 292 InsO) ......................................................................... 82 10. Das Insolvenzgericht .......................................................... 86 11. Der (vorläufige) Gläubigerausschuss ................................. 91 12. Der (vorläufige) Sachwalter .............................................. 100 13. Schuldnerberater/Schuldnerberatungsstelle .................... 105

........ 8 ........ 8 ........ 9 ...... 10 ...... 11 ...... 12 ...... 14 ...... 15 ...... 16 ...... ...... ...... ...... ......

18 18 19 21 22

B. Schuldnerstruktur, Abgrenzung und Verfahrensart .......... 109 ...... 23 I.

Natürliche Personen ................................................................. 109 ...... 23

II. Schuldnerstruktur in Verbraucherinsolvenzverfahren ........... 111 ...... 23 1. Verbraucher ....................................................................... 111 ...... 23 2. Ehemals Selbstständige mit überschaubaren Vermögensverhältnissen ................................................... 114 ...... 23 VII

Inhaltsverzeichnis Rn.

III. Schuldnerstruktur in Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen .............................................. 1. Selbstständige .................................................................... 2. Freiberufler ........................................................................ 3. Ehemals Selbstständige mit nicht überschaubaren Vermögensverhältnissen/Forderungen aus Arbeitsverhältnissen .......................................................... IV. Die richtige Verfahrensart und Verfahrenschronologie ......... 1. Die richtige Verfahrensart und Abgrenzungskriterien ... 2. Verfahrensablauf ............................................................... a) Vorbemerkungen ....................................................... b) Regulärer Ablauf in Verfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 ...................................................... aa) Regulärer Ablauf Verbraucherinsolvenzverfahren (Antragstellung bis 30.6.2014) ........ bb) Regulärer Ablauf Regelinsolvenzverfahren (natürlicher Personen mit Antragstellung bis 30.6.2014) .................................................... c) Ablauf in Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 ...................................................................... aa) Regulärer Ablauf Verbraucherinsolvenzverfahren (Antragstellung ab 1.7.2014) ........... bb) Regulärer Ablauf Regelinsolvenzverfahren (natürlicher Personen mit Antragstellung ab 1.7.2014) .......................................................

Seite

117 ...... 25 117 ...... 25 119 ...... 25

120 ...... 25 121 121 129 129

...... ...... ...... ......

25 25 29 29

132 ...... 29 132 ...... 29

133 ...... 30 134 ...... 30 134 ...... 30

135 ...... 31

V. Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens und die Auswirkungen – Überblick ...................................................... 136 ...... 31 C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren ....................................... 138 ...... 35 I.

Der Insolvenzantrag ................................................................. 1. Eigenantrag ........................................................................ a) Grundlegendes ........................................................... b) Eigenantrag und Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung .................................................. c) Eingangsentscheidung (§ 287a InsO) ...................... d) Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten ............ e) Insolvenzverfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 ...................................................................... f) Besondere Voraussetzungen im Verbraucherinsolvenzverfahren ..................................................... 2. Fremdantrag ...................................................................... a) Gläubigerantrag ......................................................... b) Zulässigkeit ................................................................ aa) Rechtliches Interesse ........................................

VIII

138 ...... 35 141 ...... 35 141 ...... 35 148 ...... 36 149 ...... 36 150 ...... 37 151 ...... 37 153 168 168 169 170

...... ...... ...... ...... ......

37 41 41 41 41

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

bb) Glaubhaftmachung des Bestehens einer Forderung .......................................................... cc) Glaubhaftmachung eines Eröffnungsgrundes .............................................................. Eröffnungsgründe ............................................................. a) Eröffnungsgründe – Überblick ................................. b) Zahlungsunfähigkeit .................................................. c) Drohende Zahlungsunfähigkeit ................................ Antragshäufung .................................................................

175 177 177 179 185 188

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42 43 43 43 45 45

II. Stundung der Verfahrenskosten .............................................. 1. Deckung der Verfahrenskosten ........................................ 2. Stundung der Verfahrenskosten ....................................... a) Objektive Voraussetzungen ...................................... b) Subjektive (persönliche) Voraussetzungen .............. c) Folgen der Stundung .................................................

190 190 193 196 199 201

...... ...... ...... ...... ...... ......

45 45 46 46 47 47

III. Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung ....................... 1. Restschuldbefreiungsantrag und Eigenantrag ................. a) Kein isolierter Restschuldbefreiungsantrag ............. b) Eigenantrag ohne Restschuldbefreiungsantrag ........ c) Restschuldbefreiungsantrag ohne Eigenantrag (Regelinsolvenz) ........................................................ d) Restschuldbefreiungsantrag ohne Eigenantrag (Verbraucherinsolvenz) ............................................. 2. Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags .................

204 204 204 212

...... ...... ...... ......

48 48 48 49

IV. Bestellung eines Gutachters durch das Insolvenzgericht ....... 1. Aufgaben und Befugnisse des Gutachters ....................... 2. Konsequenzen für den Schuldner .................................... 3. Vergütung des Gutachters ................................................ 4. Maßnahmen im Verwalterbüro ........................................

219 219 225 228 232

V. Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts ........................ 1. Sicherungsmaßnahmen ..................................................... 2. Aufgaben und Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters .......................................................... a) Der starke vorläufige Insolvenzverwalter ................ b) Der schwache vorläufige Insolvenzverwalter ........... c) Verwertung und Notverwertung .............................. 3. Konsequenzen für den Schuldner .................................... 4. Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ............. 5. Maßnahmen im Verwalterbüro ........................................

233 ...... 63 233 ...... 63

3.

4.

172 ...... 41

213 ...... 49 216 ...... 50 218 ...... 50

259 260 261 263 269 274 275

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...... ...... ...... ...... ...... ...... ......

51 51 60 61 62

68 68 69 69 70 71 72

VI. Fortführung des Geschäfts-/Praxisbetriebs im Eröffnungsverfahren ................................................................ 276 ...... 73 1. Fortführung oder Einstellung des Geschäftsbetriebs ..... 276 ...... 73 2. Maßnahmen im Verwalterbüro ........................................ 288 ...... 77 IX

Inhaltsverzeichnis Rn.

VII. Arbeitsverhältnisse im Eröffnungsverfahren und Insolvenzgeld ............................................................................ 1. Insolvenzgeld .................................................................... a) Zeitraum ..................................................................... b) Höhe ........................................................................... c) Antrag ......................................................................... d) Zahlung ...................................................................... e) Anspruchsübergang ................................................... 2. Insolvenzgeldvorfinanzierung .......................................... 3. Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Eröffnungsverfahren ......................................................... VIII. Das Gutachten des Sachverständigen .................................... 1. Ermittlung der Vermögenswerte und Schuldenstruktur ............................................................... 2. Bewertung von Vermögenswerten ................................... a) Allgemeines ................................................................ b) Bewertungsgrundlagen .............................................. c) Liquidationswerte ...................................................... d) Fortführungswerte .................................................... e) Inhalte eines Gutachtens ........................................... IX. Vorläufige Eigenverwaltung und der vorläufige Sachwalter ..... 1. Voraussetzungen, Vorteile und Nachteile der vorläufigen Eigenverwaltung ............................................ a) Hintergründe ............................................................. b) ESUG ......................................................................... c) Vorteile der (vorläufigen) Eigenverwaltung ............ d) Voraussetzungen der (vorläufigen) Eigenverwaltung ........................................................ e) Besondere Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens (§ 270b InsO) .......................................... 2. Aufgaben und Befugnisse des (vorläufigen) Sachwalters ........................................................................ 3. Konsequenzen für den Schuldner .................................... 4. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters ........................

290 290 292 299 301 304 307 309

Seite

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79 79 79 80 80 81 81 81

315 ...... 83 322 ...... 84 328 333 333 337 344 347 348

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84 85 85 85 87 88 88

350 ...... 89 350 350 352 355

...... ...... ...... ......

89 89 89 90

357 ...... 91 361 ...... 91 369 ...... 92 374 ...... 93 376 ...... 93

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren ......................................... 377 ...... 95 I.

Die Eröffnungsentscheidung ................................................... 377 ...... 95

II. Ablauf des Verfahrens, Termine und Fristen .......................... 382 ...... 95 1. Arbeitsschritte ................................................................... 383 ...... 96 2. Erstgespräch ...................................................................... 384 ...... 97 III. Die Wirkungen der Eröffnung ................................................. 390 ...... 98 1. Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters ........ 390 ...... 98 a) Inbesitznahme und Verwaltung ................................ 390 ...... 98 X

Inhaltsverzeichnis

2. 3.

b) Verzeichnisse und Übersichten (§§ 151 ff. InsO) ... aa) Masseverzeichnis (§ 151 InsO) ........................ bb) Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO) ................. cc) Vermögensübersicht (§ 153 InsO) .................. dd) Besonderheit bei Eigenverwaltung ................... ee) Frist .................................................................... c) Verwertung der Insolvenzmasse ............................... Konsequenzen für den Schuldner .................................... Verfügungen, Leistungen und Rechtserwerb nach Eröffnung (§§ 81, 82, 91 InsO) ........................................

IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse .... 1. Insolvenzmasse .................................................................. 2. Verwaltung und Verwertung ............................................ 3. Freigabe einzelner Gegenstände aus dem Massebeschlag ................................................................... a) Grundsätze der Freigabe ........................................... b) Zeitpunkt der Freigabe .............................................. c) Treuhänder im vereinfachten Verfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 ............................ d) Form und Folgen der Freigabeerklärung ................. e) Freigabeerklärung bei fehlendem Erklärungsempfänger ................................................................... 4. Aus- und Absonderungsrechte ........................................ a) Überblick Aus- und Absonderung ........................... b) Aussonderungsrechte ................................................ c) Absonderungsrechte .................................................. d) Umsatzsteuer ............................................................. e) Kollisionslagen ........................................................... f) Ausfall ........................................................................

Rn.

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393 394 410 418 423 424 425 438

...... 99 ...... 99 .... 104 .... 108 .... 110 .... 110 .... 110 .... 113

442 .... 114 467 .... 120 467 .... 120 479 .... 122 481 .... 122 481 .... 122 488 .... 124 489 .... 124 490 .... 124 497 500 500 501 519 554 555 566

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126 127 127 127 130 136 136 138

V. Fortführung, Liquidation oder Freigabe der selbstständigen Tätigkeit (§ 35 Abs. 2 InsO)? .................................................. 1. Richtungsweisende Entscheidung .................................... 2. Konsequenzen der Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit für den Insolvenzverwalter und Insolvenzschuldner sowie Auswirkungen auf die Insolvenzmasse ................. 3. Fortführung einer selbstständigen Tätigkeit ................... 4. Übertragende Sanierung/Asset Deal ............................... 5. Verwertung/Liquidation ...................................................

578 596 607 619

.... .... .... ....

141 146 149 151

VI. Ausgewählte Verwertungsfragen ............................................. 1. Allgemeines ....................................................................... 2. Grundsätze der Verwertung ............................................. 3. Ausgewählte Verwertungsfragen ..................................... a) Immaterielle Vermögensgegenstände ....................... b) Grundstücke/grundstücksgleiche Rechte ................

620 620 622 626 627 628

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151 151 151 152 152 153

567 .... 138 567 .... 138

XI

Inhaltsverzeichnis Rn.

c) d) e) f) g) h) i) j) k) l) m) n) o)

Bewegliches Sachanlagenvermögen .......................... Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ........ Kassenbestand ............................................................ Kraftfahrzeuge ........................................................... Steuererstattungsansprüche ...................................... Bausparguthaben, Lebensversicherungen und sonstige Finanzanlagen ............................................. Mietforderungen ........................................................ Mietkautionsguthaben ............................................... Genossenschaftsanteil ............................................... Laufende Einkünfte ................................................... Bankguthaben ............................................................ Erbschaft .................................................................... Anfechtungsansprüche .............................................. aa) Verbraucherinsolvenzverfahren ....................... bb) Grundlegendes .................................................. cc) Systematik ......................................................... dd) Allgemeine Voraussetzungen der Anfechtung ........................................................ ee) Die Anfechtungstatbestände ............................

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635 649 655 658 673

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154 157 158 158 162

678 701 705 709 723 755 791 800 800 803 805

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163 168 168 169 172 180 187 189 189 190 191

808 .... 191 810 .... 192

VII. Verfahrenskosten, sonstige Masseverbindlichkeiten und die Folgen von Massearmut und Masseunzulänglichkeit ....... 1. Verfahrenskosten (§§ 53, 54 InsO) ................................. a) Gerichtskosten ........................................................... b) Vergütung des Sachverständigen .............................. c) Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ................................................................... d) Die Vergütung des Insolvenzverwalters ................... e) Die Vergütung des Treuhänders (§ 292 InsO) ........ f) Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters und des Sachwalters .......................................................... g) Die Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses ................................................................. 2. Sonstige Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) ................ 3. Massearmut ........................................................................ 4. Masseunzulänglichkeit ......................................................

885 886 897 900

.... .... .... ....

208 208 211 211

VIII. Forderungsanmeldung und Insolvenztabelle ........................ 1. Insolvenzforderungen und Forderungsanmeldungen ..... 2. Der Prüfungstermin .......................................................... 3. Nachmeldungen und Nachprüfungstermin ..................... 4. Nachträgliche Änderungen der Prüfergebnisse .............. 5. Nachrangige Forderungen ................................................

903 903 910 921 922 928

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212 212 214 217 217 217

XII

836 836 840 848

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200 200 201 202

851 .... 202 866 .... 205 873 .... 206 879 .... 207

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

IX. Gläubigerversammlung und Berichtstermin ........................... 931 .... 218 1. Berichtstermin (Erste Gläubigerversammlung) .............. 931 .... 218 2. Berichtswesen im eröffneten Verfahren .......................... 935 .... 219 X. Vertragsverhältnisse ................................................................. 1. Überblick ........................................................................... 2. Wahlrecht (§ 103 InsO) .................................................... 3. Vormerkung (§ 106 InsO) ............................................... 4. Eigentumsvorbehalt (§ 107 InsO) ................................... 5. Mieterinsolvenz (§ 109 InsO) .......................................... a) Gewerbliche Mietverhältnisse (§ 109 Abs. 1 Satz 1 InsO) ........................................ b) Wohnraummietverhältnisse (§ 109 Abs. 1 Satz 2 InsO) ........................................ 6. Vermieterinsolvenz (§ 110 InsO) .................................... 7. Bankverträge (vgl. §§ 115, 116 InsO) ..............................

939 939 941 947 950 958

XI. Arbeitsverhältnisse im eröffneten Insolvenzverfahren .......... 1. Arbeitsverhältnisse und deren Beendigung ..................... 2. Entgeltansprüche der Arbeitnehmer ................................ 3. Betriebsveräußerung in der Insolvenz .............................

978 978 985 989

.... .... .... .... .... ....

220 220 220 221 222 223

959 .... 223 966 .... 224 972 .... 225 976 .... 225 .... .... .... ....

226 226 227 228

XII. Steuerliche und buchhalterische Pflichten .............................. 991 .... 228 XIII. Vollstreckungsverbot und Rückschlagsperre ..................... 1. Vollstreckungsverbot (§ 89 InsO) ................................. 2. Vollstreckungsverbot für Massegläubiger (§ 90 InsO) ...................................................................... 3. Rückschlagsperre (§ 88 InsO) ........................................ XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss ............ 1. Grundlagen der Schlussrechnungslegung und der Schlussberichterstattung ................................................. a) Rechnungslegung – eröffnetes Verfahren .............. b) Rechnungslegung – Antragsverfahren .................... 2. Vorbereitung des Verfahrensabschlusses sowie Einzelheiten zur Rechnungslegung und zum Schlussberichtswesen ...................................................... a) Vermögensverwertung ............................................ b) Abgeltung Sicherungsrechte ................................... c) Forderungsprüfung und Schlussverzeichnis (Verteilungsverzeichnis) ......................................... d) Buchführung und Steuern ....................................... e) Vertragsverhältnisse und Arbeitsverhältnisse ........ f) Insolvenzbuchhaltung ............................................. g) Aufbauvorschlag eines Schlussberichts .................. h) Nachtragsverteilung ................................................

1002 .... 231 1002 .... 231 1007 .... 232 1008 .... 232 1013 .... 233 1013 .... 233 1013 .... 233 1018 .... 234

1019 .... 234 1019 .... 234 1023 .... 235 1024 1036 1037 1039 1043 1044

.... .... .... .... .... ....

235 237 237 238 238 239

XIII

Inhaltsverzeichnis Rn.

3.

4. 5. 6.

Arten des Verfahrensabschlusses ................................... a) Vorbemerkung ......................................................... b) Aufhebung (§ 200 InsO) ........................................ c) Einstellung mangels Masse (§ 207 InsO) ............... d) Einstellung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§§ 208, 211 InsO) ........................................... e) Aufhebung nach rechtkräftiger Bestätigung des Insolvenzplans (§ 258 InsO) .................................. f) Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes (§ 212 InsO) .............................................. g) Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger (§ 213 InsO) ............................................................ Schlusstermin .................................................................. Schlussverteilung und Nachtragsverteilung .................. Vergütung ........................................................................

1050 1050 1052 1054

Seite

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241 241 241 242

1059 .... 242 1066 .... 243 1069 .... 244 1073 1077 1078 1083

.... .... .... ....

244 245 245 246

E.

Die Wohlverhaltensperiode/Restschuldbefreiungsphase ........................................................................................ 1085 .... 247

I.

Wohlverhaltensperiode ........................................................... 1085 .... 247

II. Aufgaben und Befugnisse des Treuhänders gemäß § 292 InsO ............................................................................... 1. Rechtsstellung des Treuhänders (§ 292 InsO) .............. 2. Pfändbares Einkommen .................................................. a) Laufende Einkünfte aus einer Festanstellung bzw. Lohnersatzleistungen ..................................... b) Selbstständig tätiger Schuldner (§ 295 Abs. 2 InsO) ................................................. 3. Ausschüttung .................................................................. 4. Überwachungsauftrag ..................................................... 5. Rechnungslegung ............................................................ 6. Vergütung ........................................................................ III. Obliegenheiten des Schuldners .............................................. 1. Grundlegendes ................................................................ 2. Erwerbsobliegenheit (§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO) ........... 3. Herausgabe des Vermögens, das von Todes wegen erworben wird (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO) ..................... 4. Auskunftspflicht (§ 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO) ................. 5. Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (§ 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO) .............................................. 6. Abführungsobliegenheit selbstständig Tätiger (§ 295 Abs. 2 InsO) ........................................................

XIV

1091 .... 248 1091 .... 248 1094 .... 248 1094 .... 248 1100 1104 1110 1112 1113

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250 250 252 252 252

1114 .... 252 1114 .... 252 1118 .... 253 1124 .... 254 1128 .... 255 1131 .... 255 1133 .... 256

Inhaltsverzeichnis Rn.

Seite

F.

Erteilung der Restschuldbefreiung und Versagungsgründe ................................................................. 1135 .... 257

I.

Erteilung der Restschuldbefreiung ........................................ 1135 .... 257

II. Ausgenommene Forderungen ............................................... 1144 .... 259 III. Vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung und Verkürzungsmöglichkeiten .................................................... 1147 .... 260 1. Verfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 ......... 1147 .... 260 2. Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 ............. 1149 .... 260 IV. Versagung der Restschuldbefreiung und die Konsequenzen der Versagung ......................................................................... 1. Hauptverfahren (§ 290 InsO) ........................................ a) Insolvenzstraftaten (§ 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO) ..... b) Unrichtige oder unvollständige Angaben (§ 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO) ....................................... c) Sperrfrist (§ 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F.) .............. d) Begründung unangemessener Verbindlichkeiten und Vermögensverschwendung (§ 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO) .............................................................. e) Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten sowie Falschangaben (§ 290 Abs. 1 Nr. 5, 6 InsO) .......................................................... f) Erwerbsobliegenheit (§ 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO) ... g) Abführungspflicht (§ 295 Abs. 2 InsO) ................ 2. Restschuldbefreiungsphase (§§ 295 ff. InsO) ............... a) Versagung gemäß § 296 InsO ................................. b) Versagung gemäß § 297 InsO ................................. c) Versagung gemäß § 298 InsO ................................. 3. Nachträglicher Widerruf der Erteilung der Restschuldbefreiung ........................................................ 4. Schaubild Versagungsmöglichkeiten ..............................

1159 .... 262 1159 .... 262 1167 .... 264 1169 .... 265 1172 .... 265

1175 .... 266

1176 1180 1181 1182 1182 1189 1192

.... .... .... .... .... .... ....

266 267 267 267 267 268 269

1194 .... 269 1196 .... 270

V. Asymmetrische Verfahren ..................................................... 1197 .... 270 G. Insolvenzplanverfahren ........................................................ 1201 .... 273 I.

Insolvenzplan als Sanierungsmöglichkeit .............................. 1201 .... 273

II. Voraussetzungen des Planverfahrens .................................... 1. Besserstellung der Gläubiger .......................................... 2. Planvorlagerecht .............................................................. 3. Zeitpunkt der Planvorlage .............................................. 4. Ablauf eines Insolvenzplanverfahrens ........................... a) Überblick Ablauf ..................................................... b) Die Besonderheiten des Verfahrensablaufs ............

1209 1209 1213 1215 1218 1218 1219

.... .... .... .... .... .... ....

274 274 275 275 276 276 276

XV

Inhaltsverzeichnis Rn.

5.

Seite

Inhalt des Insolvenzplans ............................................... 1230 .... 278 a) Vorbemerkung ......................................................... 1230 .... 278 b) Gliederungsstruktur ................................................ 1231 .... 279

III. Vergütungsrelevante Auswirkungen ..................................... 1253 .... 283 IV. Schlussrechnungslegung ......................................................... 1256 .... 283 V. Besonderheiten ....................................................................... 1. Anfechtungsansprüche im Insolvenzplanverfahren ...... 2. Deliktsforderungen im Insolvenzplan ........................... 3. Vergessene Gläubiger ...................................................... 4. Besteuerung des Sanierungsgewinns ..............................

1257 1257 1263 1266 1268

.... .... .... .... ....

283 283 285 285 286

H. Eigenverwaltung .................................................................... 1277 .... 289 I.

Vorbemerkung ........................................................................ 1277 .... 289

II. Ablauf des Eigenverwaltungsverfahrens ............................... 1278 .... 289 III. Beendigung der Eigenverwaltung .......................................... 1285 .... 290 I.

Nachhaftung bei Stundung der Verfahrenskosten ........... 1287 .... 291

J.

Tod des Insolvenzschuldners ............................................... 1289 .... 293

I.

Vorbemerkungen .................................................................... 1289 .... 293

II. Tod des Schuldners im Eröffnungsverfahren ....................... 1290 .... 293 III. Tod des Schuldners im eröffneten Verfahren ....................... 1292 .... 293 IV. Tod des Schuldners in der Restschuldbefreiungsphase ........ 1295 .... 293 V. Tod des Schuldners nach Ablauf der Abtretungsfrist und vor Erteilung der Restschuldbefreiung .................................. 1297 .... 294 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 295

XVI

Literaturverzeichnis Kommentare, Handbücher, Monographien Busch/Winkens/Büker Insolvenzrecht und Steuern visuell, 2. Aufl., 2014 Haarmeyer/Mock Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), 5. Aufl., 2014 Heyn/Kreuznacht/Voß Muster für eine Antragstellung siehe Arbeitshilfen für Insolvenzsachbearbeiter, 3. Aufl., 2014 Kübler/Prütting/Bork InsO – Kommentar zur Insolvenzordnung Schmidt Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 4. Aufl., 2012 (zit.: HK-InsO/Bearbeiter) Stöber Forderungspfändung, 16. Aufl., 2013 Theiselmann Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, 2. Aufl., 2013 Uhlenbruck Kommentar zur Insolvenzordnung, 13. Aufl., 2010 Wimmer Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl., 2014 (zit.: FK-InsO/Bearbeiter) Wimmer/Dauernheim/Wagner/Gietl Handbuch des Fachanwalts Insolvenzrecht, 5. Aufl., 2012 Zimmer Insolvenzbuchhaltung, 2013 Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung herausgegeben von Kirchhof/ Eidenmüller/Stürner, 3. Aufl., 2013/2014 (zit.: MünchKomm-InsO/Bearbeiter) Aufsätze Bange Die Veräußerung einer Arztpraxis im Rahmen eines (Liquidations-) Insolvenzplanverfahrens, ZInsO 2006, 362 Beth Der unter rechtlicher Betreuung stehende Schuldner, ZInsO 2012, 316

XVII

Literaturverzeichnis

Bitter Das neue Pfändungsschutzkonto (P-Konto) – eine Zwischenbilanz, ZIP 2011, 149 Büchel Das neue Pfändungsschutzkonto in der Insolvenz des Schuldners, ZInsO 2010, 20 Büttner Erteilung der Restschuldbefreiung für die Erben, ZInsO 2013, 588 Casse Neue Überlegungen zum Giro- und P-Konto im Insolvenzverfahren, ZInsO 2012, 1402 du Carrois Aktuelle Probleme beim P-Konto in der Insolvenz des Schuldners, ZInsO 2010, 2279 Frind Anmerkungen zur Musterbescheinigung des IDW nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO, ZInsO 2012, 540 Frind Verwalterbestellung: Weder einklagen noch einschleichen, ZInsO 2006, 729 Geißler Taktische Aspekte und Fragen des Rechtsschutzes beim Fremdantrag, ZInsO 2014, 14 Grote/Pape Das Ende der Diskussion? Die wichtigsten Neuregelungen zur Restschuldbefreiung, ZInsO 2013, 1433 Haarmeyer Die Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 213 InsO – ein verkannter „Königsweg“ ZInsO 2009, 556 Heyn Zur Freigabe von Vermögenswerten bei fehlendem Erklärungsempfänger, InsbürO 2011, 12 Hofmeister/Schilz Stärkung der außergerichtlichen Einigung – wirklich gut oder gut gemeint? ZVI 2012, 134 Hornung Schuldenregulierungen durch die Marianne von Weizsäcker Stiftung Integrationshilfe für ehemals Suchtkranke, ZVI 2012, 140 Kemperdick Zum Verwendungsverbot des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO, ZInsO 2013, 1116

XVIII

Literaturverzeichnis

Kloos Zur Standardisierung insolvenzrechtlicher Rechnungslegung, NZI 2009, 586 Langer/Bausch Die fortschreibende Rechnungslegung im Rahmen standardisierter Gutachten und Zwischenberichte, ZInsO 2011, 1287 Obermüller Das Pfändungsschutzkonto in der Insolvenz des Kontoinhabers, InsbürO 2013, 180 Pape Erstattungsfähigkeit der Steuerberatungskosten bei Unverständnis der Finanzverwaltung, ZInsO 2004, 1049 Pohlner Die Durchführung einer Massenentlassungsanzeige, InsbürO 2013, 49 Riedel Fortgeltung von §§ 850 ff. ZPO-Beschlüssen in der Wohlverhaltensphase, InsbürO 2012, 168 Ries Ries, „Verfügung“ statt „Rechtshandlung“ in § 81 InsO oder – Der späte Triumph des Reichstagsabgeordneten Levin Goldschmidt, ZInsO 2005, 298 Schick Der Konkurs des Freiberuflers – Berufsrechtliche, konkursrechtliche und steuerrechtliche Aspekte, NJW 90, 2359 Schmerbach Der Tod des Schuldners im Insolvenzverfahren, InsbürO 2009, 251 Schmittmann Vermögensverfall, Insolvenzplan und Notaramt, ZInsO 2006, 419 Smid Zur Sicherungsbefugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters nach Rücknahme des Eigenantrags, DZWIR 2000, 307 Uhlenbruck Vorläufiger Sachwalter bei Insolvenzanträgen mit Antrag auf Eigenverwaltung?, NZI 2001, 632 Wellensiek Übertragende Sanierung, NZI 2002, 233 Wipperfürth Qualitätssicherung durch den ForStaB (Fortgeschriebener Standardisierter Zwischenbericht) – Eine Zwischenbilanz im Interview mit Repräsentanten des AG, InsbürO 2014, 60

XIX

Literaturverzeichnis

Wipperfürth „Mangelnde“ Verwertungsbefugnis vs. Freigabe – Befreit der Verwertungsausschluss des § 313 Abs. 3 InsO den Treuhänder von der Freigabeentscheidung?, InsbürO 2011, 418 Wipperfürth Das Erstgespräch – Vorbereitung und Durchführung, InsbürO 2012, 463 Wipperfürth Rote Karte auch für „Altfälle“? – zur Frage der Sperrfrist nach Einstellung des Erstverfahrens mangels Masse sowie ein Überblick über die „Sperrfrist-Rechtsprechung“, InsbürO 2012, 385

XX

A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte I. Vorüberlegung Wird über das Vermögen einer natürlichen Person ein Insolvenzverfahren er- 1 öffnet, kann dieses in der Form des Regelinsolvenzverfahrens (sog. „IN-Verfahren“) oder des Verbraucherinsolvenzverfahrens (sog. „IK-Verfahren“) geführt werden. Die Wahl der richtigen Verfahrensart steht dabei nicht im Ermessen der Beteiligten, sondern ist gesetzlich vorgegeben. Die maßgebliche Vorschrift ist § 304 InsO. Die gesetzlich vorgegebenen und von der Rechtsprechung weiterentwickelten Kriterien werden später noch im Einzelnen besprochen werden (o Rn. 121 ff.). Die Zielsetzung in beiden Verfahrensarten, die Erteilung der Restschuldbefreiung, ist nahezu ausnahmslos gleichgerichtet und unterscheidet sich in Abhängigkeit von der Frage, ob der Schuldner ein aktiv Selbstständiger ist und/oder ob die Vermögensverhältnisse überschaubar sind. Im Verfahrensablauf bestehen allerdings Unterschiede, auf die an den maßgeblichen Stellen ausführlich eingegangen werden wird. Einen ersten, weichenstellenden Überblick, welche Verfahrensart die richtige 2 ist, gibt nachfolgende Übersicht: Regelinsolvenzverfahren

Verbraucherinsolvenzverfahren

Aktiv Selbstständige/Freiberufler*

Verbraucher („Privatpersonen“)*

Ehemals Selbstständige/Freiberufler mit nicht überschaubaren Vermögensverhältnissen*

Ehemals Selbstständige/Freiberufler mit überschaubaren Vermögensverhältnissen*

* z. Zt. der Antragstellung

II. Ziele des Regelinsolvenzverfahrens über das Vermögen natürlicher Personen 1. Gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung Als primäres Ziel des Insolvenzverfahrens definiert § 1 InsO die gemein- 3 schaftliche und bestmögliche Befriedigung der Gläubiger eines Schuldners. Dies bedeutet, dass das Vermögen, welches zum Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens als Haftungsmasse vorhanden ist, im Insolvenzverfahren an alle Gläubiger gleichmäßig im Verhältnis ihrer Forderungen verteilt wird (par conditio creditorum). Die Befriedigung der Insolvenzgläubiger vollzieht sich regelmäßig in Form einer der sog. Quotenzahlung am Ende des Verfahrens sowie von evtl. weiteren Ausschüttungen in der sog. Wohlverhaltensphase (Restschuldbefreiungsphase). Die zu diesem Zweck vorhandenen Gelder hat der Insolvenzverwalter zuvor aus der Verwertung des Haftvermögens oder auch durch Fortführung einer selbstständigen Tätigkeit erwirtschaftet.

1

A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte

4 Gleichzeitig ist den Gläubigern untersagt, Befriedigung im Wege der Einzelzwangsvollstreckung zu suchen (vgl. § 89 InsO). 2. Restschuldbefreiung 5 Im Insolvenzverfahren werden neben den Gläubigerinteressen auch die des Schuldners berücksichtigt (vgl. § 1 Abs. 2 InsO). Soweit sich der Schuldner redlich verhält, erhält er am Ende des gesamten Verfahrens die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neuanfangs durch Erteilung der Restschuldbefreiung. Dies erfolgt regelmäßig nach Ablauf von sechs Jahren ab Eröffnung des Verfahrens, kann aber unter bestimmten Voraussetzungen auch bereits nach fünf oder drei Jahren (vgl. § 300 InsO) oder noch vorzeitiger erreicht werden. 3. Sanierung 6 Ist der Schuldner selbstständig oder freiberuflich tätig, ist es Aufgabe des Insolvenzverwalters, auch die Fortführungs- und Sanierungsfähigkeit des schuldnerischen Betriebs zu prüfen. Die Sanierung unter Erhalt des Unternehmens ist kein definiertes Ziel des Insolvenzverfahrens.1) Die in der Insolvenzordnung niedergelegten rechtlichen Bedingungen bieten jedoch einen geeigneten Rahmen, die bestmögliche Gläubigerbefriedigung auch durch Fortführung und/oder Sanierung eines Schuldnerbetriebs sicherzustellen. 4. Vermeidung berufsrechtlicher Konsequenzen 7 Bei Selbstständigen oder Freiberuflern ist der Eintritt einer wirtschaftlichen Krise nicht nur mit finanziellen Einschnitten, sondern u. U. auch mit berufsrechtlichen Konsequenzen verbunden. 8 Die Verhinderung von berufsrechtlichen Konsequenzen gehört zwar ebenfalls – der Definition nach – nicht zu den originären Zielen des Insolvenzverfahrens. Allerdings kann, werden solche berufsrechtlichen Konsequenzen verhindert bzw. deren Gefahren frühzeitig erkannt, auch hierdurch die Fortführung/Sanierung des schuldnerischen Unternehmens/Praxisbetriebs zu einer besseren Gläubigerbefriedigungsquote führen als dessen Zerschlagung. Eine frühzeitige Weichenstellung ist dabei von grundlegendem Erfordernis. 9 Soweit ein Gewerbebetrieb geführt wird, liegen bei Eintritt der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit regelmäßig die Voraussetzungen für eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO vor.2)

___________ 1) 2)

2

Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 108 f. BayVGH, Urt. v. 27.1.2014 – 22 BV 13.260, ZInsO 2014, 725; BVerG, Urt. v. 5.8.1965 – I C 69.62, BVerGE 22, 16.

II. Ziele des Regelinsolvenzverfahrens über das Vermögen natürlicher Personen § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO Die Ausübung eines Gewerbes ist von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. […]

Eine solche Gewerbeuntersagung ist gemäß § 12 GewO unzulässig nach der 10 Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 InsO oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. während der Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans (§ 260 InsO). Ist z. Zt. der Anordnung gemäß § 21 InsO (bzw. der Insolvenzeröffnung) der Untersagungsbeschlusses bereits zugegangen, tritt die Sperrwirkung des § 12 GewO nicht ein.3) Der in der Unzuverlässigkeit der Person begründeten Rechtfertigung für eine Gewerbeuntersagung kann nur durch Vorlage eines fundierten Sanierungskonzepts entgegengesteuert werden. Erst dann sind die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Wiedergestattung tendenziell positiv. Ist der Schuldnerbetrieb sanierungsfähig und ist dies bereits anfänglich absehbar, ist eine frühzeitige Weichenstellung auch hier unerlässlich. Ein Freiberufler ist regelmäßig nicht Gewerbetreibender, sodass § 35 GewO 11 nicht verfängt. Handelt es sich um eine freiberufliche Tätigkeit, die einhergeht mit der Verwaltung von Fremdgeldern (z. B. Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater), droht regelmäßig ein von der Berufskammer auszusprechender Widerruf der Zulassung zur Berufsausübung. Welche Berufe unter den Terminus der Freiberufler zu fassen sind, ist abschlie- 12 ßend nicht eindeutig definiert. Es handelt es sich um ein „soziologisches Ordnungsschema“.4) Einen Anhaltspunkt bietet § 18 EStG mit der steuerrechtlichen Zuordnung der 13 sog. freien „Katalogberufe“. Zur Abgrenzung der freien Berufe von Gewerbetreibenden mag der nachfolgende Punktekatalog eine Einordnung erleichtern. Voraussetzungen für die Zuordnung zu einer freiberuflichen Tätigkeit:

14

x

Natürliche Person,

x

selbständige wirtschaftliche Tätigkeit,

x

persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Dienstleistungserbringung (kein Handeltreiben oder keine Massenproduktion),

___________ 3)

4)

BayVGH, Urt. v. 27.1.2014 – 22 BV 13.260, ZInsO 2014, 725; siehe hierzu OVG, NRW, Urt. v. 12.4.2011 – 4 A 1449/08, ZVI 2011, 382, das dagegen annimmt, dass die Vollstreckung der Gewerbeuntersagung nach Anordnung der Sicherungsmaßnahmen bzw. im eröffneten Verfahren nicht mehr zulässig sei. Schick, NJW 90, 2359 ff.

3

A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte

x

kammergebundene oder kammerungebundene Berufe,

x

wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende, erzieherische oder ähnlich gelagerte Tätigkeiten,

x

besondere berufliche Qualifikation oder schöpferische Begabung,

x

Anhaltspunkte § 18 EStG (enumerativer Katalog) und § 1 PartGG,

x

kein Gewerbebetrieb nach der Gewerbeordnung (GewO ),

x

keine Weisungsgebundenheit (vgl. § 106 GewO; Abgrenzung „Scheinselbstständigkeit“).

15 Eine freiberufliche Tätigkeit ist in jedem Fall bei folgenden Berufsgruppen gegeben: x

Rechts-, steuer- oder wirtschaftsberatende Tätigkeit (z. B. Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer),

x

Heilberufe (z. B. Ärzte, Heilpraktiker, Dipl.-Psychologen, Krankengymnasten, Hebammen),

x

Berufe in der Informationsvermittlung/Kultur (z. B. Journalisten, Dolmetscher, Künstler, Schriftsteller, Designer, Dozenten),

x

naturwissenschaftliche/technische Berufe (z. B. Ingenieure, Architekten, hauptberufliche Sachverständige),

x

Apotheker5).

16 Gerät ein Freiberufler infolge der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit in den sog. „Vermögensverfall“ und ist er im Rahmen seiner beruflichen Praxis mit der Verwaltung von Fremdgeldern betraut, droht ein Widerruf der Zulassung durch die zuständige Berufskammer. Grund des Widerrufs ist der Schutz der Fremdgelder, da durch den Vermögensverfall die Gefahr besteht, dass der Berufsträger seine Aufgaben diesbezüglich nicht mehr mit der notwendigen Sorgfalt ausübt. 17 Ein Widerrufsverfahren ist für folgende Berufsgruppen gesetzlich vorgesehen (beispielhaft): Notare 18 Ist ein Notar in Vermögensverfall geraten, ist er gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO seines Amtes zu entheben. Ein Vermögensverfall wird gesetzlich vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Notars eröffnet ist (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO a. E.). Der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit bedarf es nicht, wenn die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO ___________ 5)

4

BVerfG, Urt. v. 13.2.1964 – 1 BvL 17/61 u. 1 BvR 494/60 u. 1 BvR 128/61, BVerfGE 17, 232 = NJW 1964, 1067.

II. Ziele des Regelinsolvenzverfahrens über das Vermögen natürlicher Personen

gegeben sind.6) Gefährden seine wirtschaftlichen Verhältnisse, die Art seiner Wirtschaftsführung oder Durchführung von Verwahrungsgeschäften die Interessen der Rechtsuchenden, ist dies als Amtsenthebungsgrund ausreichend. Die Vermutung des Vermögensverfalls wird nicht dadurch widerlegt, dass 19 durch einen Beschluss der Gläubigerversammlung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über "die vorläufige Fortführung des Notariats" beschlossen und der Insolvenzverwalter mit der Ausarbeitung und Vorlage eines Insolvenzplans beauftragt wird.7) Entkräftet wird diese Vermutung vielmehr erst durch Vorlage eines Insol- 20 venzplans, der eine realistische und greifbare Möglichkeit darstellt, die Verbindlichkeiten umfassend mit der Aussicht auf Erteilung der Restschuldbefreiung zu regeln.8) Rechtsanwalt Der Zulassungswiderruf wegen Vermögensverfalls für einen Rechtsanwalt ist 21 geregelt in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, wenn durch den Vermögensverfall die Interessen der Ratssuchenden gefährdet sind. Ist ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder 22 ist er in das vom Insolvenz- oder Vollstreckungsgericht geführte Vermögensverzeichnis eingetragen, wird ein solcher Vermögensverfall gesetzlich vermutet. Der Übergang der Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter (vgl. § 80 23 Abs. 1 InsO) führt nicht dazu, dass die Vermögensverhältnisse des Rechtsanwalts bereits deshalb wieder als „geordnet" anzusehen wären.9) Die Schwelle der potentiellen Gefährdung der Mandanteninteressen ist rela- 24 tiv niedrig anzusiedeln. So ist alleine die Stellung eines Antrags auf Erteilung der Restschuldbefreiung für sich genommen nicht geeignet, um die Ordnung der Vermögensverhältnisse zu belegen.10) Auch die Anstellung eines in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts in einer Einzelkanzlei vermag eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch arbeitsvertragliche Beschränkungen der Befugnisse des angestellten Rechtsanwalts nicht auszuschließen, weil deren Einhaltung in einer Einzelkanzlei nicht zuverlässig sichergestellt werden kann.11) Wird der Anwalt in einer Sozietät angestellt, droht kein ___________ 6) BGH, Beschl. v. 20.3.2000 – NotZ 19/99, NJW 2000, 2359; hierzu ausf. auch Schmittmann, ZInsO 2006, 419 sowie zu Amtsenthebungsverfahren i. Ü. BGH, Beschl. v. 20.11.2000 – NotZ 99/00, DNotZ 2001, 571; BGH, Beschl. v. 3.11.2003 – NotZ 15/03, NZI 2004, 520 (Ls.); BGH, Beschl. v. 17.11.2008 – NotZ 130/07, ZIP 2009, 675; BGH, Beschl. v. 15.11.2010 – NotZ 6/10, ZIP 2011, 284. 7) BGH, Beschl. v. 22.3.2004 – NotZ 23/03, ZIP 2004, 1006. 8) BGH, Beschl. v. 20.11.2006 – NotZ 26/06, NJW 2007, 1287. 9) BGH, Beschl. v. 18.10.2004 – AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511. 10) BGH, Beschl. v. 13.4.2000 – AnwZ (B) 28/99, ZIP 2000, 1018. 11) BGH, Beschl. v. 5.12.2005 – AnwZ (B)13/05, DB 2006, 725.

5

A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte

Zulassungswiderruf, sofern er nicht verantwortlich Fremdgelder verwaltet und so die Interessen der Mandantschaft potentiell gefährdet. 25 Ein Wiederzulassungsantrag ist möglich, wenn die Vermögensverhältnisse umfassend belegt und offen gelegt werden; zudem ist insbesondere ein Vortrag erforderlich hinsichtlich der bestehenden Forderungen und der konkreten Tilgungspläne.12) Die Vermögensverhältnisse können grundsätzlich erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, mit welcher der Schuldner das Recht zurückerhält, über die vormalige Insolvenzmasse frei zu verfügen (§ 259 Abs. 1 Satz 2 InsO), und mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 Abs. 1 InsO i. d. F. bis zum 30.6.2014) wieder als geordnet angesehen werden.13) In einer weiteren Entscheidung hat der Senat bereits im Jahr 2013 ausgeführt, dass die Beendigung eines Zwangsversteigerungs-/Zwangsverwaltungsverfahrens und die Löschung eines Haftbefehls nicht ausreichend sind; Voraussetzung für die erneute Wiederzulassung sei ein konkreter Vortrag, ob die Forderungen zwischenzeitlich getilgt worden sind oder in welcher Weise sie getilgt werden.14) Ähnliche Kriterien wie für das Amt des Notars oder den Beruf des Rechtsanwalts sind auch für Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Patentanwälte anzulegen: Wirtschaftsprüfer 26 Für Wirtschaftsprüfer regelt § 20 Abs. 5 WPO, dass die Zulassung zu widerrufen ist, wenn der Wirtschaftsprüfer sich nicht in geordneten Vermögensverhältnissen befindet, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber oder anderer Personen nicht gefährdet werden. Steuerberater 27 Die Zulassung eines Steuerberaters ist wegen Vermögensverfalls zu widerrufen. Ein Vermögensverfall wird gesetzlich vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet ist oder er in das vom Insolvenz- oder Vollstreckungsgericht geführte Vermögensverzeichnis eingetragen ist (§ 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG). Patentanwalt 28 Gegen den Patentanwalt ist ebenfalls ein Zulassungswiderruf wegen Vermögensverfalls auszusprechen. Auch hier wird ein solcher gesetzlich vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Patentanwalts eröffnet ist oder er in das vom Insolvenz- oder Vollstreckungsgericht geführte Vermögensverzeichnis eingetragen ist (§ 21 Abs. 2 Nr. 8 PatAnwO). ___________ 12) BGH, Urt. v. 26.11.2012 – AnwZ (Brfg) 53/11, openJur 2013, 2258; BGH, Beschl. v. 3.9.2013 – AnwZ (Brfg) 23/09, JurionRS 2013, 46332. 13) BGH, Beschl. v. 7.12.2004 – AnwZ (B) 40/04, NJW 2005, 1271. 14) BGH, Beschl. v. 4.2.2013 – AnwZ (B) 62/12, ZfIR 2013, 249.

6

III. Ziele des Verbraucherinsolvenzverfahrens

Architekt Beim Berufsstand des Architekten sind die jeweilige Landesgesetzgebung so- 29 wie die korrespondierende Judikatur zu beachten, wenn es um die Frage der Streichung von der Architektenliste wegen Vermögensverfalls geht. Dies ist nach den einschlägigen landesgesetzlichen Regelungen zu beurteilen. Durch die Streichung aus der Liste verliert der Architekt sowohl das Recht zur Führung der Berufsbezeichnung als auch das Bauvorlagerecht (vgl. z. B. § 70 Abs. 3 Nr. 1 BauO NRW). Aus der Rechtsprechung seien beispielhaft erwähnt:

30

x

Die Eröffnung des Konkursverfahrens lässt auf Unzuverlässigkeit des Architekten schließen.15)

x

Die Eröffnung des Konkursverfahrens lässt typischerweise ohne Hinzutreten weiterer Umstände die Eignung für den Architektenberuf entfallen.16)

x

Die zweimalige Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch einen Architekten führt zur Löschung aus der Architektenliste wegen Vermögensverfalls.17)

x

Der Vermögensverfall eines Architekten indiziert dessen mangelnde Zuverlässigkeit für den Architektenberuf.18)

Soweit die freiberufliche Tätigkeit der Gruppe der sog. Heilberufe zuzuordnen 31 ist, gelten die vorbeschriebenen Grundsätze zum Zulassungswiderruf wegen Vermögensverfalls grundsätzlich nicht, da alleine hierdurch die Patienteninteressen nicht gefährdet sind. Dies dürfte auch für einen Apotheker gelten, auch wenn dieser zum Teil Arzneimittel „verkauft“. Für diese Berufsgruppen gestaltet sich die Fortführung der Praxis im Insolvenz- 32 verfahren regelmäßig schwierig, da der Insolvenzverwalter, angesichts des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auch über die notwendige Approbation verfügen müsste, beabsichtigt er die Fortführung des Betriebs. III. Ziele des Verbraucherinsolvenzverfahrens 1. Gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung Das primäre Ziel auch im Verbraucherinsolvenzverfahren ist die gemein- 33 schaftliche, bestmögliche Gläubigerbefriedigung (o Rn. 3 f.). ___________ 15) 16) 17) 18)

OVG Lüneburg, Urt. v. 26.1.1995, NVwZ-RR 96, 261. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 8.3.1989, NVwZ-RR 90, 304. VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 17.5.2006 – 9 S 2538/05, BauR 2006, 1798 (Ls.). St. Rspr., zuletzt OVG Niedersachen, Beschl. v. 13.11.2006 – 8 ME 146/06, openJur 2012, 45047und Beschl. v. 29.7.2011 – 8 ME 36/11, openJur 2012, 52114.

7

A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte

2. Restschuldbefreiung 34 Wie auch im Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen, ist ein Kernbereich des Verbraucherinsolvenzverfahrens der Erlangung der Restschuldbefreiung, um dem Schuldner einen wirtschaftlichen Neustart zu ermöglichen (o Rn. 1135 ff.). IV. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren 1. Insolvenzschuldner 35 Schuldner im insolvenzrechtlichen Sinne ist die – in dem Fall – natürliche Person, gegen die sich der Insolvenzantrag richtet und deren pfändbares Vermögen als Haftungsmasse der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger im Insolvenzverfahren dient. Über diese Haftungsmasse verliert der Insolvenzschuldner mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis. Soweit es sich um unpfändbares Vermögen handelt, berührt die Verfahrenseröffnung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht. 36 Natürliche Personen sind insolvenzfähig i. S. v. § 11 Abs. 1 Satz 1 InsO. Praxistipp: Das Insolvenzverfahren kann auch über das Vermögen juristischer Personen (z. B. GmbH), Personengesellschaften (z. B. OHG, KG), Vereine oder den Nachlass eines Verstorbenen eröffnet werden (vgl. § 11 InsO). Diese Insolvenzverfahren sind jedoch nicht Thema dieses Werkes.

37 Die Insolvenzfähigkeit wird durch die Anordnung einer gesetzlichen Betreuung (§ 1896 ff. BGB) nicht berührt. Steht der Schuldner unter gesetzlicher Betreuung, stellt sich die Frage, wer (der Schuldner oder der Betreuer) im Insolvenzverfahren wirksam Erklärungen abgeben und sonstige Verfahrenshandlungen vornehmen kann und wer richtiger Bekanntgabe-/Zustelladressat ist. Dies ist eine Frage der Verfahrensfähigkeit (nicht der Insolvenzfähigkeit). Über § 4 InsO finden diesbezüglich die Grundätze der §§ 51 ff. ZPO zur Prozessfähigkeit Anwendung. Verfahrensfähig ist demnach jeder, der geschäftsfähig ist. Die gesetzliche Betreuung hat keinen Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit des betreuten Schuldners, es sei denn, es ist ein Einwilligungsvorbehalt gemäß § 1903 BGB angeordnet. Zwar ist der Betreuer gesetzlicher Vertreter in dem ihm übertragenen Aufgabenkreis (§ 1902 BGB); der Betreute (Schuldner) bleibt aber handlungs- und geschäftsfähig. 38 Der betreute Schuldner verliert seine Verfahrensfähigkeit (trotz evtl. vorhandener Geschäftsfähigkeit), wenn der Betreuer, dem der Aufgabenkreis der Vermögenssorge zugeschrieben ist, ins Verfahren eintritt (§ 4 InsO i. V. m.

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IV. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren

§ 53 ZPO).19) In diesem Fall sind die Verfahrenshandlungen im weiteren Verlauf vom Betreuer auszuüben.20) Gleichermaßen sind die Zustellungen an diesen vorzunehmen. Soweit kein Beitritt erfolgt und der Betreute verfahrensfähig ist, ist an diesen zuzustellen. Praxistipp: Der Aufgabenkreis des Betreuers ergibt sich aus der Bestallungsurkunde. Für die Abwicklung des Insolvenzverfahrens ist die Betreuung nur von Bedeutung, wenn der Aufgabenkreis auch die Vermögenssorge umfasst. Tritt der Betreuer in dem Fall dem Verfahren bei (§ 53 ZPO), verliert der Schuldner seine Verfahrensfähigkeit. Ist hinsichtlich der Vermögenssorge ein Einwilligungsvorbehalt gemäß § 1903 BGB angeordnet, ist der betreute Schuldner insoweit nicht verfahrensfähig, d. h., dass sämtliche Prozesshandlungen und Erklärungen vom Betreuer vorzunehmen sind.

Soweit Informationen für das Insolvenzverfahren erheblich sind, ist der Schuld- 39 ner zur Auskunftserteilung und Mitwirkung verpflichtet (§ 97 InsO). Dies gilt bereits im Stadium des Eröffnungsverfahrens (§§ 20, 97 ff. InsO). Soweit der Insolvenzschuldner diesen Pflichten nicht nachkommt, kann die Auskunftserteilung (Eskalationsstufen folgend), zwangsweise gerichtlich herbeigeführt werden. Zudem drohen dem Schuldner die Versagung der Restschuldbefreiung (§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO) oder die Aufhebung der Verfahrenskostenstundung, sofern diese bereits bewilligt wurde (§ 4c Nr. 1 InsO). 2. Insolvenzgläubiger Unter dem Begriff der Insolvenzgläubiger versteht man alle Gläubiger, die 40 zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten persönlichen Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben (§ 38 InsO). Diese Gläubiger können Befriedigung aus der Insolvenzmasse erlangen. Die Forderung der Gläubiger muss z. Zt. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner begründet sein; auf die Fälligkeit kommt es nicht an, denn nicht fällige Forderungen gelten über § 41 InsO als fällig. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens findet auch aus Gläubigersicht eine 41 Zäsur statt: Die Gläubiger könnten ihre Forderungen nicht mehr gegen den Schuldner unmittelbar durchsetzen, sondern sind auf die von nun ab alleinig haftende Insolvenzmasse verwiesen. Die Geltendmachung erfolgt ab Eröffnung ausschließlich nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung (§ 87 InsO). Ausfluss dessen ist auch das ab Eröffnung geltende Verbot, eine Beitreibung im Wege der Einzelzwangsvollstreckung zu verfolgen (§ 89 InsO). Den Gläubi___________ 19) BGH, Beschl. v. 24.6.1987 – IVb ZR 5/86, Rpfleger1987, 415; LG Hamburg, Beschl. v. 7.7.2008 – 326 T 16/08, ZInsO 2008, 1034. 20) Str. hinsichtlich der höchstpersönlichen Erklärungen; vgl. hierzu instruktiv Beth, ZInsO 2012, 316.

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A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte

gern obliegt es, wollen sie aus der Haftungsmasse Befriedigung erlangen, ihre Forderungen zur Insolvenztabelle geltend zu machen. Dies erfolgt nach einem festgelegten Verfahrensablauf, auf den im Kapitel Forderungsanmeldung und Insolvenztabelle detailliert eingegangen wird (o Rn. 903 ff.). Wurde die zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung als begründet anerkannt, erhalten die Gläubiger am Ende des Verfahrens auf der Grundlage eines vom Insolvenzverwalter zu erstellenden Schlussverzeichnisses eine quotale Befriedigung auf ihre Forderung aus der Insolvenzmasse (Insolvenzquote o Rn. 1078 ff.). In dieser quotalen Befriedigung aller Gläubiger aus der insgesamt zur Verfügung stehenden Masse ist erneut der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (o Rn. 3 f.) deutlich erkennbar. 42 Insolvenzgläubiger haben die Möglichkeit, auf diesem Wege am Insolvenzverfahren teilzunehmen mit der Aussicht, am Ende des Verfahrens eine (meist nur teilweise) Befriedigung zu erlangen. Eine Pflicht, die Forderungen geltend zu machen, besteht indes nicht. Die Teilnahme ist eine individuelle Entscheidung eines jeden Gläubigers; „erzwungen“ werden kann diese nicht. 43 In Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen steht im Regelfall die Restschuldbefreiung als das aus Schuldnersicht zu erreichende Verfahrensziel (o Rn. 1135 ff.). Dies bedeutet für die Insolvenzgläubiger, dass sie den Teil der Forderung, mit dem sie nach den im Insolvenzverfahren vorgenommenen Verteilungen ausfallen, nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr gegen den Schuldner durchsetzen können (§ 301 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Forderungen wandeln sich in Naturalobligationen und können zwar noch erfüllt werden, die Erfüllung ist aber nicht mehr zwangsweise durchsetzbar (sog. „unvollkommene Forderungen“). 44 Die Restschuldbefreiung gilt auch für und gegen die Gläubiger, die ihre Forderungen verspätet zur Insolvenztabelle angemeldet und daher nicht mehr an der Schlussverteilung partizipiert haben. 45 Verzichtet der Gläubiger gänzlich auf eine Teilnahme am Insolvenzverfahren, besteht in Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen mit dem Ziel der Erteilung der Restschuldbefreiung, dass diese auch gegen Gläubiger wirkt, die ihre Forderungen nicht zum Verfahren angemeldet haben (§ 301 Abs. 1 Satz 2 InsO).21) Auf eine Teilnahme am Insolvenzverfahren zu verzichten, um später, nach dem Verfahren die Forderung weiter beizutreiben, ist in diesem Fall also keine lukrative Alternative. 3. Gläubiger nachrangiger Forderungen 46 Für einige Forderungen bestimmt die Insolvenzordnung, dass diese nur nach der vollständigen Befriedigung der Insolvenzforderungen (o Rn. 1078 ff.) ___________ 21) Andernfalls würde die Idee der Restschuldbefreiung völlig ins Leere laufen.

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IV. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren

Befriedigung erlangen dürfen. Den Katalog der sog. Nachrangforderungen beschreibt § 39 InsO: x

Die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen und Säumniszuschläge auf Forderungen der Insolvenzgläubiger.

x

Die Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren erwachsen.

x

Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten.

x

Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners.

x

Nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen.

Die Nachranggläubiger dürfen ihre Forderungen ebenfalls nur nach den insol- 47 venzrechtlichen Bestimmungen geltend machen (§ 87 InsO).22) Auch für sie gilt das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO. Die Forderungen nachrangiger Gläubiger sind nur anzumelden, soweit das 48 Insolvenzgericht besonders zur Anmeldung dieser Forderungen auffordert (§ 174 Abs. 3 InsO). 4. Absonderungsberechtigte Gläubiger Absonderungsberechtigte Gläubiger genießen aufgrund ihrer besonderen 49 Rechtsstellung ein Recht auf bevorzugte Befriedigung aus dem Verwertungserlös eines massezugehörigen Vermögenswertes. Der Kreis der Absonderungsberechtigten ist in §§ 49 ff. InsO (nicht abschließend) geregelt.23) Zur abgesonderten Befriedigung können sowohl Rechte an beweglichem Vermögen (Mobiliarsicherheiten) als auch Rechte an unbeweglichem Vermögen (Immobiliarsicherheiten) autorisieren. Insbesondere sind folgende, zur Absonderung berechtigende Sicherheiten in 50 der Praxis relevant: x

Immobiliarsicherheiten (§ 49 InsO), z. B. Grundschulden, Hypotheken, Schiffshypotheken,

x

Pfandrechte (§ 50 InsO), insbesondere rechtgeschäftliche Pfandrechte, Pfändungspfandrechte, gesetzliche Pfandrechte,

x

Sicherungseigentum/-übereignung (§ 51 Nr. 1 InsO),

___________ 22) MünchKomm-InsO/Ehricke, § 39 Rn. 7. 23) MünchKomm-InsO/Ganter, Vor §§ 49 bis 52 Rn. 13.

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A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte

x

Sicherungszession (§ 51 Nr. 1 InsO),

x

Rechte aus erweitertem/verlängertem Eigentumsvorbehalt (§ 51 Nr. 1 InsO),

x

Zurückbehaltungsrechte wegen Verwendungen auf eine massezugehörige Sache (§ 51 Nr. 2 InsO),

x

Zurückbehaltungsrechte nach dem HGB24) (§ 51 Nr. 3 InsO),

x

Fiskalische Sicherungsrechte an zoll-/steuerpflichtigen Vermögensgegenständen (§ 51 Nr. 4 InsO).

51 Beispiel: Der spätere Insolvenzschuldner hat sich zweieinhalb Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen neuen Pkw angeschafft, konnte den Kaufpreis jedoch nicht in voller Höhe zahlen. Sein Freund K. Melle lieh ihm einen Betrag von 5.000 €. Als Sicherheit übereignete der Schuldner ihm das Fahrzeug, bis er den Darlehensbetrag zurückzahlen kann. Die Rückzahlung konnte der Schuldner aber bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht leisten, sodass Melle im Insolvenzverfahren ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus Sicherungsübereignung zusteht. 52 Aufgrund seines Rechts auf abgesonderte Befriedigung erhält der Gläubiger insoweit bevorzugt Befriedigung vor den Insolvenzgläubigern und ist nicht auf die Quotenzahlung verwiesen. Reicht der Erlös aus der Verwertung des Absonderungsgutes nicht aus, um die gesicherte Forderung vollständig zu befriedigen, kann der Gläubiger den Forderungsbetrag, mit dem er ausgefallen ist, zur Insolvenztabelle geltend machen und insoweit eine weitere Befriedigungsmöglichkeit in Form der Quotenzahlung sicherstellen (§ 52 InsO). Gleiches gilt, soweit der Gläubiger auf das Absonderungsrecht verzichtet (§ 52 InsO). 53 Wie sich die Verwertung eines Absonderungsgutes und die entsprechende Erlösverteilung im Einzelnen darstellen, wird im Kapitel Aus- und Absonderungsrechte ausführlich besprochen werden (o Rn. 500 ff.). 5. Aussonderungsberechtigte 54 Von den Rechten, die zur abgesonderten Befriedigung berechtigen (o Rn. 500 ff.), sind solche Rechte, die ein Recht auf Aussonderung begründen, klar zu unterscheiden.

___________ 24) Handelsgesetzbuch.

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IV. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren

Merke: In der Praxis werden die Begriffe Aussonderungsrecht und Absonderungsrecht oftmals „in einem Atemzug“ verwendet. Aber: Aussonderungsrecht und Absonderungsrecht sind nicht vergleichbar und strikt voneinander abzugrenzen. Aussonderungsberechtigte sind keine Insolvenzgläubiger (§ 47 Satz 1 InsO). 55 Vielmehr können Sie zum Verfahren geltend machen, dass ein (regelmäßig im Besitz des Schuldners stehender) Gegenstand oder sonstiger Vermögenswert aufgrund eines persönlichen oder dinglichen Rechts nicht zur Insolvenzmasse gehört. Die Insolvenzmasse (o Rn. 467 ff.) umfasst das dem Schuldner zustehende 56 Vermögen, soweit dieses der Zwangsvollstreckung unterliegt sowie den Neuerwerb (§§ 35, 36 InsO). Wird nachgewiesen, dass ein Vermögensgegenstand weder rechtlich noch wirt- 57 schaftlich im Eigentum des Schuldners steht, kann der Berechtigte den Gegenstand herausverlangen. Ihm steht ein Recht auf Aussonderung zu (§ 47 InsO). In der Verwalterpraxis von Bedeutung sind insbesondere Folgende aussonde- 58 rungsfähige Rechte: x

Eigentum (vgl. § 985 BGB), zugrunde liegende Vertragsverhältnisse, insbesondere Miete, Pacht, Leasing,

x

Mietkautionsanspruch, sofern keine Vermischung stattgefunden hat (vgl. hierzu § 551 BGB),25)

x

Einfacher Eigentumsvorbehalt (§§ 929 Satz 1, 158 Abs. 1 BGB),

x

Erbschaftsansprüche (§ 2018 BGB).

Beispiel:

59

Der Schuldner fährt als Zweitwagen ein getuntes Leasingfahrzeug. Leasingfahrzeuge stehen nicht im Eigentum des Besitzers (Schuldner), sondern im Eigentum der Leasinggesellschaft, die im Insolvenzfall die Aussonderung des Fahrzeugs verlangen kann. Der geleaste Pkw unterliegt nicht dem Insolvenzbeschlag. Führt der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein 60 Unternehmen unter Nutzung eines im Eigentum eines Dritten stehenden Gegenstands fort, muss er die hierfür zu entrichtende Miete, Leasingrate, Nutzungsentschädigung oder Pacht als Masseverbindlichkeit bestreiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 InsO; vgl. für gegenseitige Verträge auch § 103 InsO). ___________ 25) BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 132/06, ZInsO 2008, 206.

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A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte

61 Wird das Unternehmen im Eröffnungsverfahren nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung fortgeführt, kann das Insolvenzgericht anordnen, dass solche grundsätzlich aussonderungsfähigen Gegenstände zur Fortführung eingesetzt werden dürfen, wenn sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind (§ 21 Abs. 2 Nr. 5 1. Halbs. InsO). Eine solche Anordnung erfolgt regelmäßig nur auf Anregung des vorläufigen Insolvenzverwalters, der die erhebliche Bedeutung darzulegen hat. Der Nutzungsausfall ist in diesem Fall ebenfalls als Masseverbindlichkeit zu entrichten (§ 55 Abs. 2 InsO).26) Ein Anspruch auf Wertersatz besteht darüber hinaus nur, wenn die Nutzung über die vertragliche Abrede hinausgeht.27) 5.

Dritte

62 Dritte sind grundsätzliche keine Verfahrensbeteiligten im engeren Sinne der Insolvenzordnung. Sie können je nach Fallgestaltung in das Verfahren einbezogen werden, wenn die Umstände dies gebieten, z. B. im Rahmen der Informationsbeschaffung, bei Leistung eines Verfahrenskostenvorschusses durch Dritte etc. 63 Soweit sich ein Vermögenswert, der im Eigentum eines Dritten steht, im Besitz des Schuldners befindet, kann jener die Aussonderung vom Insolvenzverwalter verlangen (o Rn. 501 ff.). Der Dritte ist dann Aussonderungsberechtigter. 6. Der Gutachter/Sachverständige 64 Das Insolvenzgericht ist vor einer Entscheidung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verpflichtet, festzustellen, ob die Voraussetzungen zur Eröffnung des Verfahrens vorliegen, insbesondere ob der vom Antragsteller vorgetragene Eröffnungsgrund gegeben ist. 65 Nach Eingang eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestellt das Insolvenzgericht, insbesondere in Regelinsolvenzverfahren, soweit angezeigt auch in Verbraucherinsolvenzverfahren, zunächst einen Sachverständigen (Insolvenzgutachter). 66 Die Bestellung eines Sachverständigen ist Ausfluss des in § 5 Abs. 1 InsO normierten Amtsermittlungsgrundsatzes und erfolgt durch Beweisbeschluss, der die vom Sachverständigen zu klärenden Fragestellungen definiert. Als Gutachter kommen in der Praxis meist Rechtsanwälte oder Steuerberater/Wirtschaftsprüfer in Betracht. Gesetzlich vorgeschrieben ist dies nicht; es ist daher auch zulässig, sachkundige Personen als Sachverständige zu bestellen, die nicht einer der genannten Professionen angehören. ___________ 26) BGH, Beschl. v. 8.3.2012 – IX ZR 78/11, ZInsO 2012, 701. 27) BGH, Beschl. v. 8.3.2012 – IX ZR 78/11, ZInsO 2012, 701.

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IV. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren

Im Rahmen seiner Befugnisse (o Rn. 219 ff.) untersucht der Sachverständige 67 die wirtschaftlichen Gegebenheiten des Schuldners. Die Ermittlungsergebnisse werden umfassend in dem einzureichenden Abschlussgutachten dargestellt. Auf der Basis dieses Gutachtens entscheidet das Gericht letztlich über die Insolvenzeröffnung. Sofern es gilt, Gegenstände die der künftigen Insolvenzmasse unterliegen, zu 68 sichern, wird das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren Sicherungsmaßnahmen gemäß §§ 21 ff. InsO anordnen und einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, der diese Sicherung der Haftungsmasse gewährleistet. Die Anordnung kann gleichzeitig mit der Bestellung eines Sachverständigen einhergehen oder auch erst später – meist angeregt durch den Sachverständigen – erfolgen. Der Sachverständige selbst hat keine dahingehenden Sicherungsbefugnisse. In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle wird der (zunächst) als Gutachter be- 69 stellte Sachverständige auch zum vorläufigen Insolvenzverwalter (o Rn. 53 ff.) und später im Eröffnungsfall zum Insolvenzverwalter (o Rn. 390 ff.) bestellt. Die Aufgabenkreise des Sachverständigen, des vorläufigen Insolvenzverwalters und des Insolvenzverwalters sind völlig unterschiedlich und voneinander zu trennen, auch wenn es sich um dieselbe Person handelt. Es besteht „Amtsverschiedenheit“. Auch bestehen für den Sachverständigen, den vorläufigen Insolvenzverwalter und den Insolvenzverwalter jeweils eigene Vergütungsansprüche (o Rn. 228 ff., 274 ff., 1083 ff.). 7. Der vorläufige Insolvenzverwalter Soweit bereits beim Eingang des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfah- 70 rens oder im Eröffnungsverfahren durch den Sachverständigen Vermögen festgestellt wird, dass dem künftigen Insolvenzbeschlag unterliegen wird, gilt es, diese Haftungsmasse zu erhalten und zu sichern. Vor diesem Hintergrund ordnet das Insolvenzgericht Sicherungsmaßnahmen gemäß §§ 21 ff. InsO an. Eine der Anordnung fähige Sicherungsmaßnahme ist die Bestellung eines vor- 71 läufigen Insolvenzverwalters (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO), dessen Aufgabe es ist, das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO). Das Gesetz unterscheidet zwei Arten von vorläufiger Insolvenzverwaltung, die 72 neben weiteren Sicherungsmaßnahmen (o hierzu ausführlich Rn. 233 ff.) angeordnet werden kann: den mit einer Zustimmungsbefugnis ausgestatten sog. „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter (o Rn. 261) und den mit voller Verwaltungs- und Verfügungskompetenz bedachten sog. „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter (o Rn. 260).

15

A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte

8. Der Insolvenzverwalter 73 Liegen die Voraussetzungen für eine Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor, bestellt das Gericht im Eröffnungsbeschluss einen Insolvenzverwalter (§ 27 Abs. 1 InsO). Über seine Bestellung erhält der Insolvenzverwalter eine Bestellungsurkunde (§ 56 Abs. 2 InsO). Diese ist bei Beendigung des Amtes wieder zurückzugeben. 74 Die Gläubiger haben in der ersten Gläubigerversammlung das Recht, den zunächst zum Verwalter Berufenen im Amt zu bestätigen oder an dessen Stelle eine andere Person zu wählen (§ 57 InsO). Ist ein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt, ist dieser vor Bestellung des Verwalters anzuhören (§ 56a InsO). 75 Zum Insolvenzverwalter ist eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen (§ 56 Abs. 1 InsO). Die Auswahl hat das Gericht in Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens zu treffen.28) 76 Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der massebeschlagenen Vermögenswerte auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). In gleichem Umfang verliert der Schuldner das Recht, über die Gegenstände der Insolvenzmasse zu verfügen; eine dennoch getroffene Verfügung ist absolut unwirksam (§ 81 Abs. 1 Satz 1 InsO). Zur Sicherung der massezugehörigen Gegenstände kann der Insolvenzverwalter diese durch den Gerichtsvollzieher siegeln lassen (§ 150 InsO). 77 Das Aufgabenfeld des Insolvenzverwalters beschreibt sich im Wesentlichen durch: x

Inbesitznahme und Verwaltung der Insolvenzmasse (§ 148 InsO);

x

Erstellung eines Verzeichnisses der Massegegenstände (§ 151 InsO);

x

Erstellung eines Gläubigerverzeichnisses (§ 152 InsO);

x

Aufstellung einer Vermögensübersicht auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, in der die Gegenstände der Insolvenzmasse und die Verbindlichkeiten des Schuldners aufgeführt und einander gegenübergestellt werden (§ 153 InsO);

x

Verpflichtung zur handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegung (§ 155 InsO, siehe auch § 34 AO);

x

Berichtserstattung gegenüber den Gläubigern (§ 156 InsO);

___________ 28) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355; hierzu Frind, ZInsO 2006, 729 sowie zu der Frage, ob es mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass juristische Personen gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zum Insolvenzverwalter bestellt werden können; BVerfG – 1 BvR 3102/13 (anh.).

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IV. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren

x

Verwertung der Massegegenstände unverzüglich nach dem Berichtstermin (§ 159 InsO);

x

Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen (§§ 129 ff. InsO);

x

Führung der Insolvenztabelle (§ 175 InsO);

x

Befriedigung der Insolvenzgläubiger auf der Grundlage eines Verteilungsverzeichnisses (§§ 187 Abs. 3 Satz 1, 188 InsO);

x

Pflicht zur Rechnungslegung gegenüber dem aufsichtführenden Insolvenzgericht (§§ 66, 57 InsO).

Für schuldhafte Pflichtverletzungen haftet der Insolvenzverwalter gegenüber 78 den Gläubigern (§ 60 InsO). Das Amt des Insolvenzverwalters endet mit Aufhebung oder Einstellung des 79 Insolvenzverfahrens. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Verkürzung der Restschuldbefreiung 80 und zur Stärkung der Gläubigerrechte29) wurden die Aufgaben des Insolvenzverwalters in Verbraucherinsolvenzverfahren vom Treuhänder wahrgenommen (§ 313 InsO i. d. F. bis zum 30.6.2014). Die Rechtsstellung des Treuhänders in den bis zum 1.7.2014 beantragten vereinfachten Verfahren ist weitestgehend deckungsgleich mit der des Insolvenzverwalters. Wesentliche Unterschiede ergeben sich aus §§ 312, 313 InsO i. d. F. bis zum 30.6.2014 hinsichtlich der Verwertungseinschränkung für Absonderungsgut und des Auftragsvorbehalts bei der Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen. Praxistipp: In den bis zum 30.6.2014 beantragten Verbraucherinsolvenzverfahren steht das Recht zur Verwertung eines mit einem Absonderungsrecht belasteten Gegenstands dem Gläubiger zu. Der Treuhänder (§ 313 InsO i. d. F. bis zum 30.6.2014) darf nur dann einen solchen Gegenstand verwerten, wenn der Gläubiger diese Verwertung innerhalb einer gerichtlich bestimmbaren Frist nicht vorgenommen hat (§ 173 Abs. 2 InsO). Ebenfalls ist der Treuhänder (§ 313 InsO i. d. F. bis zum 30.6.2014) in den bis zum 30.6.2014 beantragten Verbraucherinsolvenzverfahren nicht aus originärem Recht, sondern nur mit Auftrag der Gläubigerversammlung zur Insolvenzanfechtung berechtigt.

In Verbraucherinsolvenzverfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 sind 81 die vorbeschriebenen Einschränkungen mit Streichung der §§ 312 bis 314 InsO entfallen.

___________ 29) Vom 15.7.2013, verkündet am 18.7.2013, BGBl. I S. 2379 ff.

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A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte

9. Der Treuhänder (Restschuldbefreiungsphase gemäß § 292 InsO) 82 Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder der Einstellung nach § 211 InsO bestellt das Insolvenzgericht einen Treuhänder, auf den die pfändbaren Bezüge des Schuldners nach Maßgabe der Abtretungserklärung (§ 287 Abs. 2 InsO) übergehen (§ 288 InsO). 83 Das Amt des Treuhänders der Wohlverhaltensperiode ist vom Amt des Insolvenzverwalters zu unterscheiden. Zwar handelt es sich in einer überwiegenden Zahl der Verfahren um dieselbe Person, die jedoch in dem Zeitraum von Eröffnung bis zur Aufhebung/Einstellung des Verfahrens ein anderes Amt bekleidet als in der sich im Regelfall anschließenden Restschuldbefreiungs-/Wohlverhaltensphase.30) 84 Die Pflichten und Befugnisse des Treuhänders in der Restschuldbefreiungs-/ Wohlverhaltensphase ergeben sich aus § 292 InsO: x

Einzug und Verteilung des nach § 287 Abs. 2 InsO abgetretenen pfändbaren Einkommens bzw. der gemäß § 295 Abs. 2 InsO abgeführten fiktiv ermittelten Einkommensanteile31).

x

Entgegennahme und Verteilung der Hälfte des Vermögens, das der Schuldner von des von Todes wegen erwirbt oder welches er freiwillig zur Masse leistet.

x

Überwachung der Obliegenheiten bei entsprechendem Auftrag.

x

Rechnungslegung gegenüber dem Insolvenzgericht.

x

Ggf. Auskehr des „Motivationsrabattes“ an den Schuldner in den bis zum 30.6.2014 beantragten Verfahren (vgl. § 292 InsO i. d. F. bis zum 30.6.2014).

85 Bei Pflichtverstößen haftet der Treuhänder nach allgemeinem Zivilrecht (§ 280 BGB), mangels einer entsprechenden Verweisung nicht nach § 60 InsO analog.32) 10. Das Insolvenzgericht 86 Das Insolvenzgericht ist zuständig für die Durchführung der Insolvenzverfahren. 87 Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 2 Abs. 1 InsO für das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat. Gemäß § 2 Abs. 2 InsO ___________ 30) Ausnahme: asymmetrische Verfahren. 31) Siehe zur jährlichen Abführungspflicht BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 188/09, ZInsO 2012, 1488. 32) HK-InsO/Streck, § 292 Rn. 14.

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IV. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren

sind die Landesregierungen ermächtigt, die sachliche Zuständigkeit abweichend zu regeln. Örtlich zuständig ist gemäß § 3 InsO ausschließlich das Insolvenzgericht, in 88 dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Liegt der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt. Die funktionelle Zuständigkeit liegt gemäß § 3 Nr. 2 lit. e) RPflG beim 89 Rechtspfleger mit Ausnahme der in §§ 18, 19a RPflG beschriebenen Richtervorbehalte. Gemäß § 18 Abs. 2 RPflG hat der Richter zudem das Recht, sich das Insolvenzverfahren ganz oder teilweise vorzubehalten. Dem Insolvenzgericht obliegen insbesondere folgende Aufgaben:

90

x

Entscheidung über die Eröffnung oder Ablehnung des Insolvenzverfahrens,

x

Entscheidung über einen Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten,

x

Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gemäß §§ 21 ff. InsO,

x

Bestellung des Insolvenzverwalters (§§ 27, 56 InsO),

x

Bestellung des Treuhänders (§ 288 InsO),

x

Terminbestimmungen (§ 29 InsO),

x

Vergütungsfestsetzungen (§§ 26a, 64 InsO),

x

Entscheidungen als besonderes Vollstreckungsgericht (vgl. z. B. § 36 Abs. 4 InsO),

x

Beaufsichtigung des Insolvenzverwalters (§ 58 InsO),

x

Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO,33)

x

Bestellung des Gläubigerausschusses (§ 67 InsO),

x

Durchführung des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens in Verbraucherinsolvenzverfahren (§§ 306 ff. InsO).

11. Der (vorläufige) Gläubigerausschuss Der Gläubigerausschuss ist ein Vertretungsorgan der Gläubiger, welches von 91 der Gläubigerversammlung gewählt wird (§ 68 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 InsO). Er repräsentiert die Gläubiger des Verfahrens und vertritt deren Interessen. ___________ 33) In Verbraucherinsolvenzverfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 Ankündigung der Restschuldbefreiung gemäß § 291 InsO a. F.

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A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte

92 Im eröffneten Verfahren kann das Insolvenzgericht ohne Mitwirkung der erst später stattfindenden Gläubigerversammlung einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, wenn die Umstände des Verfahrens dies gebieten (§ 67 Abs. 1 InsO). Die Gläubigerversammlung entscheidet dann im Termin, ob der einberufene vorläufige Ausschuss beibehalten werden soll (§ 68 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 InsO). 93 Damit der Gläubigerausschuss repräsentativ ist, legt § 67 Abs. 2 InsO fest, dass die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen und die Kleingläubiger sowie ein Vertreter der Arbeitnehmer vertreten sein sollen. 94 Die Aufgaben des Gläubigerausschusses bestehen aus: x

Unterstützung und Überwachung des Insolvenzverwalters (§ 69 Satz 1 InsO);

x

Einsichtnahme in die Bücher und Geschäftspapiere(§ 69 Satz 2 InsO);

x

Prüfung des Geldverkehrs und -bestands (i. d. R. durch einen Kassenprüfer);

x

Zustimmung zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters (§ 160 InsO);

x

Entscheidung über eine Betriebsstilllegung (§ 158 InsO);

x

Entscheidung über die Verteilung der Masse (§ 187 Abs. 3 InsO);

x

Mitwirkung im Insolvenzplanverfahren (§ 218 InsO).

95 Mit Inkrafttreten des ESUG34) zum 1.3.2012 besteht die Möglichkeit, bereits im Eröffnungsverfahren einen Gläubigerausschuss einzusetzen (§ 21 Abs. 2 Nr. 1a) InsO). Intention des Gesetzgebers war es, den Sanierungsgedanken unter Insolvenzschutz zu stärken und auszubauen. Den Gläubigern soll durch die Bestellung eines Gläubigerausschusses bereits im Eröffnungsverfahren die Möglichkeit eingeräumt werden, frühzeitigen Einfluss auf die Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters, auf die Anordnung der Eigenverwaltung und auf die Bestellung des (vorläufigen) Sachwalters zu nehmen. 96 Das Gesetz bezeichnet den im Antragsverfahren eingesetzten Ausschuss als „vorläufigen“ Gläubigerausschuss. Dies ist vom Grundsatz her eine stringente Lösung, insbesondere in Anlehnung an den Terminus des vorläufigen Insolvenzverwalters. Als „vorläufiger“ Gläubigerausschuss wurde bis dahin aber oftmals der gerichtlich nach Eröffnung, aber vor der ersten Gläubigerversammlung bestellte Ausschuss bezeichnet, da der „endgültige“ Ausschuss erst in der Versammlung durch die Gläubiger gewählt wird. Der Begriff des „vorläu___________ 34) Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011 m. W. z. 1.3.2012, BGBl. I S. 2582.

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IV. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren

figen Gläubigerausschusses“ ist also nicht eindeutig belegt. In der Praxis wird der vor Eröffnung bestellte Ausschuss auch der „vor-vorläufige“ oder „präsumtive“ Gläubigerausschuss genannt. In der Praxis ist die Zuordnung angesichts der sprachlichen Vieldeutigkeit nicht immer leicht. Im Eröffnungsverfahren unterscheidet das Gesetz zwischen dem sog. „Kann- 97 Ausschuss“, dem „Soll-Ausschuss“ und dem „Pflicht-Ausschuss“. Der „Pflicht-Ausschuss“ ist einzusetzen, wenn die in § 22a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 InsO festgelegten Schwellenwerte für Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Arbeitnehmerzahl erreicht sind; andernfalls liegt die Einsetzungsentscheidung im Ermessen des Gerichts. Der „Soll-Ausschuss“ (oder „Antrags-Ausschuss“) soll auf Antrag eingesetzt werden, wenn ein laufender Geschäftsbetrieb besteht oder nur einer der Schwellenwerte erreicht wird (§ 22a Abs. 2 InsO). Die Einsetzung eines „Kann-Ausschusses“ ist möglich, wenn die verfahrensbedingten Umstände dies gebieten. Jedes Mitglied des Gläubigerausschusses wird für seine Tätigkeit besonders 98 vergütet und hat Anspruch auf Erstattung angemessener Auslagen (§ 73 InsO). Im Fall einer schuldhaften Pflichtverletzung haften die Mitglieder den Abson- 99 derungsberechtigten und den Insolvenzgläubigern gegenüber auf Schadensersatz (§ 71 InsO). 12. Der (vorläufige) Sachwalter Die Bestellung eines (vorläufigen) Sachwalters wird in sog. (vorläufigen) Ei- 100 genverwaltungsverfahren (o Rn. 350 ff., 1277 ff.) angeordnet. Mit dem Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung besteht für den Schuldner die Möglichkeit, unter „Insolvenzschutz“ sein Unternehmen zu sanieren, ohne dass ein Insolvenzverwalter bestellt wird, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übergeht. Letztere verbleibt beim Schuldner (§§ 270 ff. InsO). In der Eigenverwaltung obliegt es dem gerichtlich bestellten Sachwalter, durch 101 Ausübung seiner Aufsichts- und Überwachungsfunktion die Gläubiger vor Schaden und nachteiligen Änderungen zu schützen. Ein Sachwalter kann erst mit Eröffnung des Verfahrens bestellt werden. Durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmun- 102 gen (ESUG)35) kann bereits im Eröffnungsverfahren für alle Verfahren, die seit dem 1.3.2012 beantragt werden eine „vorläufige Eigenverwaltung“ und damit ein vorläufiger Sachwalter bestellt werden (§§ 270a ff. InsO). ___________ 35) Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011 m. W. z. 1.3.2012, BGBl. I S. 2582.

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A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte

103 Die Befugnisse des (vorläufigen) Sachwalters (o Rn. 369 ff.) sind im Verhältnis zur Anordnung einer (vorläufigen) Insolvenzverwaltung weniger umfassend. 104 Der (vorläufige) Sachwalter hat einen Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit (vgl. § 12 InsVV, o Rn. 376 ff.). 13. Schuldnerberater/Schuldnerberatungsstelle 105 Der Schuldner kann sich im Insolvenzverfahren rechtlich beraten lassen. Die Rechtsberatung kann wegen der Gefahr der Interessenkollision nicht vom Insolvenzverwalter vorgenommen werden. Der Insolvenzverwalter ist ein amtlich bestellter Vermögensverwalter und nicht der „Anwalt des Schuldners“. 106 In Verbraucherinsolvenzverfahren ist – jedenfalls bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens – eine rechtliche Begleitung des Schuldners im außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren der Regelfall. Gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist im Verbraucherinsolvenzverfahren eine Zulässigkeitsvoraussetzung des Eröffnungsantrags, dass der Schuldner eine Bescheinigung vorlegt, die von einer geeigneten Person oder Stelle auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners ausgestellt ist und aus der sich ergibt, dass eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolglos versucht worden ist. Eine solche geeignete Person oder Stelle können neben karitativen Einrichtungen auch solche sein, die kommerziell ausgerichtet sind oder Einzelpersonen, wenn sie jeweils die Anforderungen für die Anerkennung erfüllen. Rechtsanwälte sind ob ihres Berufsstandes „geeignete Personen“ in vorbeschriebenem Sinne. Auch sind solche Stellen zur Beratung in Verbraucherinsolvenzverfahren berechtigt, deren Eignung hierfür behördlich anerkannt ist („geeignete Stelle“). 107 Der Schuldner kann sich während des gesamten Verfahrens vor dem Insolvenzgericht von einer geeigneten Person oder einem Angehörigen einer als geeignet anerkannten Stelle vertreten lassen (§ 305 Abs. 4 InsO).36) Die Vertretung durch geeignete Stellen war in den Verbraucherinsolvenzverfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 begrenzt auf das Zustimmungsersetzungsverfahren.37) 108 Ob für die anwaltliche Vertretung Beratungshilfe zu gewähren ist, ist umstritten. Wegen des Nachrangs der Beratungshilfe verweisen viele Amtsgerichte an die kostenfreien Schuldnerberatungsstellen.38) ___________ 36) Es besteht jedoch keine Verpflichtung zur Vertretung (Begründung RegE, S. 34); hierzu, insbesondere auch zu Fragen der Finanzierung, Organisation und Haftungsfragen Grote/Pape, ZInsO 2013, 1433. 37) BGH, Beschl. v. 29.4.2004 – IX ZB 30/04, ZVI 2004, 337. 38) Grundlegend BVerfG, Beschl. v. 4.9.2006 – 1 BvR 1911/06, ZInsO 2006, 1207.

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B. Schuldnerstruktur, Abgrenzung und Verfahrensart I. Natürliche Personen Der Terminus der natürlichen Person beschreibt den Menschen als Rechts- 109 subjekt. Natürliche Personen sind rechtsfähig, d. h. sie können Träger von Rechten und Pflichten sein. Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt (§ 1 BGB). Für rechtsfähige Personen bestimmt § 11 InsO die Insolvenzfähigkeit. Für natürliche Personen kommen sowohl das Regel- als auch das Verbraucher- 110 insolvenzverfahren in Betracht. Die Verfahrensart ist nicht frei wählbar. Welche Verfahrensart – Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahren – die richtige ist, richtet sich im Wesentlichen nach dem Umfang der Vermögensverhältnisse. Diesen Gedanken aufgreifend, sind in § 304 InsO Abgrenzungskriterien normiert, die die Einordnung des Verfahrens als Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahren festlegen (o Rn. 121 ff.). II. Schuldnerstruktur in Verbraucherinsolvenzverfahren 1. Verbraucher In Anwendung der in § 304 InsO normierten Abgrenzungskriterien ist das 111 Verbraucherinsolvenzverfahren zunächst einmal wirtschaftlich nicht selbstständig tätigen Personen eröffnet. Der in § 13 BGB zivilrechtlich definierte Verbraucherterminus kann hierbei 112 als Anhaltspunkt dienen, da er die Trennlinie zwischen gewerblich bzw. selbstständig Tätigem zu dem Personenkreis zieht, der seinen Lebensunterhalt aus einer unselbstständigen Tätigkeit bezieht. § 13 BGB Verbraucher Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.

Als Verbraucher im Sinne vom § 304 InsO sind demnach insbesondere An- 113 gestellte, Beamte, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Rentner, Schüler, Auszubildende und Studenten zu verstehen.39) 2. Ehemals Selbstständige mit überschaubaren Vermögensverhältnissen Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist darüber hinaus einer weiteren Perso- 114 nengruppe zugänglich – den ehemals Selbstständigen mit überschaubaren

___________ 39) HK-InsO/Streck, § 304 Rn. 5.

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B. Schuldnerstruktur, Abgrenzung und Verfahrensart

Vermögensverhältnissen. Der Begriff „Verbraucherinsolvenzverfahren“ ist vor diesem Hintergrund missverständlich und in vorbeschriebenem Sinne (o Rn. 109 ff.) zu eng gefasst. 115 Bei einer vormals selbstständig tätigen Person ist bei der Abgrenzung zunächst zu prüfen, ob eine „ehemalig“ selbstständige Tätigkeit vorliegt. Der maßgebliche Zeitpunkt ist der der Insolvenzantragstellung.40) Eine selbstständige Tätigkeit ist dann anzunehmen, wenn diese im eigenen Namen, in eigener Verantwortung, frei von Weisungen Dritter für eigene Rechnung und auf eigenes Risiko ausgeübt wird.41) Übt der Insolvenzschuldner z. Zt. der Antragstellung aktiv eine selbstständige Tätigkeit aus, ist das Regelinsolvenzverfahren die richtige Verfahrensart. 116 Andernfalls müssen, unter dem Kriterium der überschaubaren Vermögensverhältnisse zusammengefasst, folgende weitere Voraussetzungen vorliegen, damit eine Zuordnung zum Verbraucherinsolvenzverfahren erfolgen kann: x

Überschaubar sind die Vermögensverhältnisse, wenn die Anzahl der Gläubiger maximal 19 beträgt. Nicht entscheidend ist die Anzahl der einzelnen, gegen den Schuldner bestehenden Forderungen.42) Das Insolvenzgericht kann jedoch auch bei weniger als 19 Gläubigern das Regelinsolvenzverfahren als die richtige Verfahrensart bestimmen, wenn im Einzelfall die Verschuldungsstruktur des Schuldners von ihrem Gesamterscheinungsbild nicht den Verhältnissen eines Schuldners in abhängiger Beschäftigung entspricht.43)

x

Zudem dürfen gegen den Schuldner keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen. Der Begriff der „Forderungen aus Arbeitsverhältnissen“ ist weit zu verstehen.44) Hierunter fallen alle Ansprüche, die im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis begründet wurden, insbesondere Lohn- und Gehaltsansprüche, Lohnsteuerforderung der Finanzverwaltung45), Sozialversicherungsansprüche46), Beitragsforderungen von Berufsgenossenschaften.

___________ 40) 41) 42) 43) 44) 45)

BGH, Beschl. v. 14.11.2002 – IX ZB 152/02, ZVI 2002, 449. BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, ZInsO 2005, 1163. BGH, Urt. v. 22.9.2005 – VII ZR 117/03, ZInsO 2005, 1164. BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZA 12/03, ZVI 2004, 27. BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, ZIP 2005, 2070 = ZVI 2005, 598. U. a. BGH, Beschl. v. 20.1.2011 – IX 258/08, ZVI 2011, 224; BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, ZIP 2005, 2070. 46) U. a. BGH, Beschl. v. 20.1.2011 – IX ZR 238/07, ZVI 2011, 224; BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, ZIP 2005, 2070.

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IV. Die richtige Verfahrensart und Verfahrenschronologie

III. Schuldnerstruktur in Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen 1. Selbstständige Ist der Schuldner z. Zt. der Insolvenzantragstellung aktiv selbstständig, ist er 117 stets – unabhängig von der Frage der Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse – dem Regelinsolvenzverfahren zuzuordnen.47) Eine aktiv ausgeübte selbstständige Tätigkeit liegt vor, wenn sie so reorganisiert werden kann, dass eine vollständige Wiederaufnahme möglich ist. Übt der Schuldner eine selbstständige Nebentätigkeit aus, unterfällt er dem 118 Regelinsolvenzverfahren, wenn die Nebentätigkeit einen nennenswerten Umfang erreicht und sich organisatorisch verfestigt hat; eine nur gelegentlich ausgeübte Tätigkeit ist dagegen keine selbständige Erwerbstätigkeit.48) 2. Freiberufler Bei einem nicht gewerblich tätigen Freiberufler (o zur Begriffsbestimmung 119 Rn. 11 ff.), der z. Zt. der Insolvenzantragstellung aktiv seiner freiberuflichen Tätigkeit nachgeht, gelten hinsichtlich der Einordnung zum Regel- oder Verbraucherinsolvenzverfahren die gleichen Kriterien wie bei gewerblich Selbstständigen (o Rn. 117 f.). 3. Ehemals Selbstständige mit nicht überschaubaren Vermögensverhältnissen/Forderungen aus Arbeitsverhältnissen Ist die selbstständige Tätigkeit z. Zt. der Antragstellung eingestellt, ist der 120 Schuldner als ehemals Selbstständiger einzuordnen. Ob das Regel- oder das Verbraucherinsolvenzverfahren die richtige Verfahrensart ist, bestimmt sich nach den Abgrenzungskriterien des § 304 InsO. Sind die Vermögensverhältnisse nicht überschaubar (o Rn. 116), ist ebenfalls das Regelinsolvenzverfahren anzuwenden. Auch bei überschaubaren Vermögensverhältnissen kann das Regelinsolvenzverfahren die richtige Verfahrensart sein, wenn Forderungen aus Arbeitsverhältnissen bestehen oder die Verschuldungsstruktur insgesamt dem eines Selbstständigen entspricht (o Rn. 117 f.). IV. Die richtige Verfahrensart und Verfahrenschronologie 1. Die richtige Verfahrensart und Abgrenzungskriterien Die Abgrenzungskriterien zur Einordnung in die richtige Verfahrensart sind 121 in § 304 InsO geregelt. Die Entscheidung, welche Verfahrensart die richtige ist, obliegt dem Insolvenzgericht. ___________ 47) BGH, Beschl. v. 14.11.2002 – IX ZB 152/02, ZVI 2002, 449. 48) BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 80/11, ZIP 2011, 966.

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B. Schuldnerstruktur, Abgrenzung und Verfahrensart

122 Das Insolvenzverwalterbüro sieht sich in der Regel dann mit den Abgrenzungskriterien konfrontiert, wenn hierzu im Rahmen eines Sachverständigenauftrags gutachterlich Stellung zu nehmen ist (o Rn. 322 ff.). 123 Legt sich der Insolvenzschuldner (insbesondere durch Wahl der jeweiligen Antragsvordrucke) auf eine Verfahrensart fest – beantragt er also entweder die Eröffnung des Verbraucher- oder des Regelinsolvenzverfahrens – und hegt das Gericht Zweifel, dass die beantragte Verfahrensart die richtige ist, ist dem Schuldner ein entsprechender Hinweis zu erteilen und Gelegenheit zu weiteren Ausführungen beziehungsweise zur Umstellung des Antrags zu geben.49) Können die Zweifel entweder durch die Stellungnahme des Schuldners oder infolge einer Nichtreaktion nicht abschließend ausgeräumt werden, ist der Antrag als unzulässig abzuweisen.50) Ist der Eröffnungsbeschluss in einer bestimmten Verfahrensart rechtskräftig, kann eine nachträgliche Änderung nicht mehr erfolgen; dies gilt auch für den Fall, dass sich im weiteren Verlauf herausstellen sollte, dass die falsche Verfahrensart gewählt wurde.51) 124 Die Wahl der richtigen Verfahrensart hat nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Verkürzung der Restschuldbefreiung und zur Stärkung der Gläubigerrechte52) nicht mehr ganz so erhebliche Auswirkungen auf den Ablauf des Verfahrens (jedenfalls nach Eröffnung), da nunmehr auch im Verbraucherinsolvenzverfahren das Insolvenzplanverfahren (o Rn. 1201 ff.) als Option zur Verfügung steht sowie der Auftragsvorbehalt hinsichtlich der Insolvenzanfechtung (o Rn. 800 ff.) und die Verwertungseinschränkung hinsichtlich der Absonderungsgüter entfallen sind (o Rn. 500 ff.). Die wesentlichen Unterschiede ergeben sich aus nachfolgend dargestellten Übersichten über den Verfahrensablauf (o Rn. 132 ff.). 125 Stellt ein (ehemaliger) Gesellschafter einer Personengesellschaft (KG, OHG, GbR) oder juristischen Person einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, ist bei der Wahl der richtigen Verfahrensart darauf abzustellen, ob der (ehemalige) Gesellschafter als Selbstständiger i. S. d. Abgrenzungskriterien des § 304 InsO anzusehen ist. Eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit liegt vor, wenn sie im eigenen Namen, in eigener Verantwortung, frei von Weisungen Dritter, für eigene Rechnung und auf eigenes Risiko ausgeübt wird.

___________ 49) 50) 51) 52)

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LG Göttingen, Beschl. v. 30.1.2002 – 10 T 7/02, ZVI 2002, 205. BGH, Beschl. v. 12.2.2009 – IX ZB 215/08, NZI 2009, 384. BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 80/11, NZI 2011, 410. Vom 15.7.2013, verkündet am 18.7.2013, BGBl. I S. 2379 ff.

IV. Die richtige Verfahrensart und Verfahrenschronologie

Für einen Gesellschafter einer Personengesellschaft ergibt sich eine beruflich 126 selbstständige Tätigkeit bereits aus der Stellung als Gesellschafter, soweit er auch persönlich haftet (Gesellschafter einer OHG, GbR, Komplementäre einer KG), da die Gesellschafter die eigentlichen Unternehmensträger der Gesellschaft sind.53) Dies gilt auch für den geschäftsführenden Alleingesellschafter einer Ein-Mann-GmbH.54) Eine selbstständige Tätigkeit ist auch für einen Mehrheitsgesellschafter einer juristischen Person anzunehmen (Gesellschaftsanteile von mehr als 50 %).55) Nebenberuflich Selbstständige sind nur bei Überschreitung der Bagatellgrenze des § 3 Nr. 26 EStG und bei einer organisatorischen Verfestigung der selbstständigen Tätigkeit dem Regelinsolvenzverfahren zuzuordnen.56) Liegt insoweit eine aktive selbstständige Tätigkeit vor, ist das Regelinsol- 127 venzverfahren die richtige Verfahrensart. Ist der Status zum Eröffnungszeitpunkt der eines ehemaligen Gesellschafters, gelten die Abgrenzungskriterien des § 304 Abs. 1 Satz 1 InsO. Demnach ist das Verbraucherinsolvenzverfahren die richtige Verfahrensart, wenn die Vermögensverhältnisse überschaubar sind und keine Forderungen aus Arbeitsverhältnissen vorliegen (o auch Rn. 117 f.). Zur Einordnung in die richtige Verfahrensart soll nachfolgendes Schaubild einen 128 abschließenden Überblick zu den vorbeschriebenen Kriterien bieten:

___________ 53) 54) 55) 56)

AG Leipzig, Beschl. v. 29.1.2010 – 401 IK 2141/09, ZInsO 2011, 2241. BGH, Beschl. v. 22.9.2005 – IX ZB 55/04, ZIP 2005, 2060. BGH, Beschl. v. 12.2.2009 – IX ZB 15/08, ZIP 2009, 626. BGH, Urt. v. 24.3.2011 – IX ZB 80/11, ZInsO 2011, 932.

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B. Schuldnerstruktur, Abgrenzung und Verfahrensart

Natürliche Person = Antragsteller

Zu keiner Zeit selbstständig tätig

Verbraucherinsolvenzverfahren

Selbstständig Tätiger

Aktive Selbstständigkeit z. Zt. der Antragstellung

Vormals selbstständige Tätigkeit

Regelinsolvenzverfahren

Überschaubare Vermögensverhältnisse

Verbraucherinsolvenzverfahren

Nicht überschaubare Vermögensverhältnisse

Regelinsolvenzverfahren

Forder. aus Arbeitsverhältnissen/-struktur ist die eines Selbstständigen

Regelinsolvenzverfahren

Abb. 1: Abgrenzungskriterien § 304 InsO

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IV. Die richtige Verfahrensart und Verfahrenschronologie

2. Verfahrensablauf a) Vorbemerkungen Im Ablauf unterscheidet sich das Regelinsolvenzverfahren über das Vermö- 129 gen natürlicher Personen von einem Verbraucherinsolvenzverfahren, auch wenn beide Verfahren aus Schuldnersicht mit der Erteilung der Restschuldbefreiung ein identisches Ziel verfolgen. Auch sind einige Änderungen im Ablauf beider Verfahren mit Inkrafttreten 130 des Gesetzes zur Verkürzung der Restschuldbefreiung und zur Stärkung der Gläubigerrechte57) eingetreten für Verfahren, die ab dem 1.7.2014 beantragt wurden. Nachfolgend werden die Unterschiede im jeweiligen regulären Ablauf gra- 131 fisch dargestellt. Nicht abgebildet sind die sog. „asymmetrischen Verfahren“, d. h. Verfahren, in denen die Abtretungsfrist des § 287 Abs. 2 InsO vor Aufhebung des Verfahrens abläuft. b) Regulärer Ablauf in Verfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 aa) Regulärer Ablauf Verbraucherinsolvenzverfahren (Antragstellung bis 30.6.2014) Der Ablauf eines regulären Verbraucherinsolvenzverfahrens mit Antragstel- 132 lung bis zum 30.6.2014 stellt sich wie folgt dar: gerichtliche Schuldenbereinigung

Insolvenzverfahren (eröffnet)

Wohlverhaltensphase

ggf. Gutachter/ vorl. Treuhänder

Treuhänder § 313 InsO

Treuhänder § 292 InsO

außergerichtliche Schuldenbereinigung

Antrag

Aufhebung

Eröffnung

Restschuldbefreiung Regeldauer 6 Jahre

Abb. 2: Ablauf eines regulären Verbraucherinsolvenzverfahrens mit Antragstellung bis zum 30.6.2014

___________ 57) Vom 15.7.2013, verkündet am 18.7.2013, BGBl. I S. 2379 ff.

29

B. Schuldnerstruktur, Abgrenzung und Verfahrensart

bb) Regulärer Ablauf Regelinsolvenzverfahren (natürlicher Personen mit Antragstellung bis 30.6.2014) 133 Einen Überblick über den Ablauf eines Regelinsolvenzverfahrens über das Vermögen einer natürlichen Person gibt nachfolgende Übersicht: Antragsverfahren ggf. vorl. Insolvenzverwaltung

Insolvenzverfahren (eröffnet)

Wohlverhaltensphase

ggf. Gutachter/ vorl. Insolvenzverwalter Insolvenzverwalter Antrag

Treuhänder § 292 InsO

Aufhebung

Eröffnung

Restschuldbefreiung Regeldauer 6 Jahre

Abb. 3: Ablauf eines regulären Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen einer natürlichen Person

c) Ablauf in Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 aa) Regulärer Ablauf Verbraucherinsolvenzverfahren (Antragstellung ab 1.7.2014) 134 Ein Verbraucherinsolvenzverfahren, welches seit dem 1.7.2014 beantragt wurde, läuft regulär wie folgt ab: außergerichtliche Schuldenbereinigung

gerichtliche Schuldenbereinigung

Insolvenzverfahren (eröffnet)

Wohlverhaltensphase

ggf. Gutachter/ vorl. Treuhänder

Insolvenzverwalter

Treuhänder § 292 InsO

Antrag

Aufhebung

Eröffnung

Restschuldbefreiung Regeldauer 6 Jahre

Verkürzungsmöglichkeit 3 oder 5 Jahre

Abb. 4: Regulärer Ablauf eines Verbraucherinsolvenzverfahrens bei Antragstellung ab 1.7.2014

30

V. Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens und die Auswirkungen – Überblick

bb) Regulärer Ablauf Regelinsolvenzverfahren (natürlicher Personen mit Antragstellung ab 1.7.2014) Wurde ein Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen einer natürlichen Per- 135 son zur Eröffnung ab dem 1.7.2014 beantragt, ist der reguläre Verfahrensablauf wie folgt: Antragsverfahren ggf. vorl. Insolvenzverwaltung

Insolvenzverfahren (eröffnet)

Wohlverhaltensphase

ggf. Gutachter/ vorl. Insolvenzverwalter Insolvenzverwalter Antrag

Treuhänder § 292 InsO

Aufhebung

Eröffnung

Restschuldbefreiung Regeldauer 6 Jahre

Verkürzungsmöglichkeit 3 oder 5 Jahre

Abb. 5: Regulärer Ablauf eines Regelinsolvenzverfahrens über das Vermögen einer natürlichen Person bei Antragstellung ab 1.7.2014

V. Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens und die Auswirkungen – Überblick Das Gesetz zur Verkürzung der Restschuldbefreiung und zur Stärkung der Gläu- 136 bigerrechte58) hat neben der Möglichkeit zur Verkürzung der Restschuldbefreiungsphase in Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen insbesondere im Bereich der Verbraucherinsolvenzverfahren einige nicht unerhebliche Änderungen hervorgebracht. Soweit angezeigt, wird zu den einzelnen Themenkomplexen detaillierter ausgeführt und Stellung genommen werden.

___________ 58) Vom 15.7.2013, verkündet am 18.7.2013, BGBl. I S. 2379 ff.

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B. Schuldnerstruktur, Abgrenzung und Verfahrensart

137 Einen Überblick über die wesentlichen Änderungen soll nachfolgende Übersicht geben: Auswirkungen der Reform auf Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen Thema

Regelinsolvenz

Verbraucherinsolvenz

Antragstellung bis 30.6.2014*

Antragstellung ab 1.7.2014**

Antragstellung bis 30.6.2014*

nein

nein

ja (§ 305 Abs. 5 ja (§ 305 Abs. 5 Satz 3 InsO ) Satz 3 InsO )

außergericht- nein licher Schuldenbereinigungsplan

nein

Antragsvoraussetzung RSB (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO)

Antragsvoraussetzung RSB (§ 305 Abs. 1 Nr. 1) InsO

gerichtlicher nein Schuldenbereinigungsplan

nein

gerichtliches Ermessen

gerichtliches Ermessen

Terminologie Insolvenz(eröffnetes verwalter Verfahren)

Insolvenzverwalter

Treuhänder § 313 InsO

Insolvenzverwalter

Verwertungs- ja (§ 166 InsO) ja (§ 166 InsO) recht bewegliches Absonderungsgut

Gläubiger/ Treuhänder nur gemäß § 173 Abs. 2 InsO (§ 313 Abs. 3 InsO)

ja (§ 166 InsO)

Verwertungs- ja (§ 165 InsO) ja (§ 165 InsO) recht unbewegliches Absonderungsgut

Gläubiger/ Treuhänder nur gemäß § 173 Abs. 2 InsO (§ 313 Abs. 3 InsO)

ja (§ 165 InsO)

Anfechtung (§§ 129 ff. InsO)

Gläubiger/ Treuhänder mit Beauftragung durch GV, gemäß § 313 Abs. 3 InsO

Insolvenzverwalter

Formularzwang

32

Insolvenzverwalter

Insolvenzverwalter

Antragstellung ab 1.7.2014**

V. Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens und die Auswirkungen – Überblick Auswirkungen der Reform auf Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen Thema

Regelinsolvenz Antragstellung bis 30.6.2014*

Verbraucherinsolvenz

Antragstellung ab 1.7.2014**

Antragstellung bis 30.6.2014*

Antragstellung ab 1.7.2014**

Insolvenzplan ja (§§ 217 ff. InsO)

ja

nein (§ 312 Abs. 3 InsO)

ja

Rückschlagsperre

1 Monat (§ 88 InsO)

1 Monat (§ 88 Abs. 1 InsO)

3 Monate (§§ 88, 313 Abs. 1 Satz 3 InsO)

3 Monate (§ 88 Abs. 2 InsO)

Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO)

ja (§§ 270 ff. InsO)

ja (§§ 270 ff. InsO)

nein (§ 312 Abs. 3 InsO)

nein (§ 270 Abs. 1 Satz 3 InsO)

Mindestvergütung

1.000 € (§ 2 Abs. 2 InsVV)

1.000 € (§ 2 Abs. 2 InsVV)

600 € (§ 13 Abs. 1 InsVV)

1.000 € (§ 2 Abs. 2 InsVV), i. d. R. Verkürzung auf 800 € (§ 13 InsVV)

Restschuldbefreiung

Ankündigung (§ 291 InsO)

Eingangsentscheidung (§ 287a InsO)

Ankündigung (§ 291 InsO)

Eingangsentscheidung (§ 287a InsO)

Restschuldbefreiungsphase (Regelfall)

6 Jahre (§§ 287 Abs. 2, 300 InsO)

6 Jahre, Ver6 Jahre (§§ 287 kürzungsAbs. 2, 300 möglichkeit auf InsO) 3 oder 5 Jahre (§§ 287 Abs. 2, 300 InsO)

Treuhänder WVP

ja (§ 292 InsO) ja (§ 292) InsO ja (§ 292 InsO) ja (§ 292) InsO

6 Jahre, Verkürzungsmöglichkeit auf 3 oder 5 Jahre (§§ 287 Abs. 2, 300 InsO)

* Angabe der Norm i. d. F. bis zum 30.6.2014 ** Angabe der Norm i. d. F. ab dem 1.7.2014

33

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Insolvenzantrag Im Insolvenzverfahren gilt der Antragsgrundsatz: Ein Verfahren wird nur auf 138 schriftlichen Antrag eröffnet (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsO). Antragsberechtigt sind gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 InsO die Gläubiger (Fremd- 139 antrag) und der Schuldner (Eigenantrag). Eine Antragsrücknahme kann nur bis zur rechtskräftigen Entscheidung über 140 den Antrag in Form der Eröffnung oder der Abweisung erfolgen (§ 13 Abs. 2 InsO). 1. Eigenantrag a) Grundlegendes Stellt der Schuldner einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über 141 sein Vermögen, spricht man von einem Eigenantrag. Mit dem Eröffnungsantrag ergeht nicht automatisch auch eine Entscheidung über eine einer natürlichen Person evtl. zu erteilende Restschuldbefreiung. Die Erteilung dieser muss gesondert beantragt werden (§ 287 Abs. 1 Satz 1 InsO). Im Verbraucherinsolvenzverfahren herrscht, im Gegensatz zum Regelinsol- 142 venzverfahren, Formularzwang (§§ 287 Abs. 5, 13 InsO). Die Angaben in den Formularen sind erforderlich aber auch erschöpfend als Zulässigkeitsvoraussetzung für den Eröffnungsantrag. Die Zulässigkeit kann von der Beantwortung darüber hinausgehender zusätzlicher Fragenkataloge nicht abhängig gemacht werden.59) Im Regel- und im Verbraucherinsolvenzverfahren ist für den Eigenantrag 143 des Schuldners vorgeschrieben, dem Antrag ein Gläubigerverzeichnis inklusive der Forderungen beizufügen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 InsO). Stellt der selbstständige Schuldner mit einem nicht eingestellten Geschäfts- 144 betrieb einen Eigenantrag (Regelinsolvenzverfahren), sollen in dem Verzeichnis x

die höchsten Forderungen,

x

die höchsten gesicherten Forderungen,

x

die Forderungen der Finanzverwaltung,

___________ 59) Begründung RegE, S. 34 (BT-Drucks. 17/11268): „Der Gesetzentwurf sieht vor, dass bei einem Insolvenzantrag nach § 305 InsO vom Schuldner nur die Angaben gefordert werden können, die in den amtlichen Formularen ausdrücklich genannt sind. Ziel dieser Änderung ist es, überzogene Auflagenverfügungen und damit verbundene Verfahrensverzögerungen zu vermeiden.“

35

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

x

die Forderungen der Sozialversicherungsträger und

x

die Forderungen aus betrieblicher Altersvorsorge

aufgelistet sein. 145 Zudem sind Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. 146 Sofern der Schuldner die Eigenverwaltung oder die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt, sind diese Angaben zwingend zu machen (§ 13 Abs. 1 Satz 6 InsO). Gleiches gilt für den Fall, dass der Schuldner in seinem Unternehmen die Schwellenwerte des § 22a Abs. 3 Alt. 1 InsO erreicht (§ 13 Abs. 1 Satz 6 InsO). In diesem Fall prüft das Insolvenzgericht, ob ein vorläufiger Gläubigerausschuss einzusetzen ist. Praxistipp: Unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 6 InsO sind die Angaben i. S. d. § 13 Abs. 1 Satz 4 InsO zwingend. Sind diese unvollständig, ist der Antrag unzulässig. Liegen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 6 InsO nicht vor, handelt es sich „lediglich“ um Soll-Angaben. Eine Unvollständigkeit berührt die Zulässigkeit des Antrags nicht.

147 Der Schuldner ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 7 InsO verpflichtet, die Vollständigkeit und Richtigkeit dieser Angaben zu versichern.60) b) Eigenantrag und Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung 148 Der Eröffnungsantrag und der Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung sind zusammen einzureichen.61) c) Eingangsentscheidung (§ 287a InsO) 149 Hat der Insolvenzschuldner einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt, kündigt das Insolvenzgericht bereits vor der Eröffnung des Verfahrens die Restschuldbefreiung an, sofern das Verfahren i. Ü. „eröffnungsreif“ ist (sog. Eingangsentscheidung, § 287a InsO). Hierbei wird durch Beschluss festgestellt, unter welchen Bedingungen der Schuldner die Restschuldbefreiung erlangen kann. Ist der Restschuldbefreiungsantrag unzulässig, hat das Gericht dem Schuldner Gelegenheit zu geben, den Eröffnungsantrag zurückzunehmen.

___________ 60) Vgl. im Verbraucherinsolvenzverfahren § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO. 61) BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 24/03, NZI 2004, 511; BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 209/03, NZI 2004, 593; BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, NZI 2005, 271.

36

I. Der Insolvenzantrag

d) Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten Ist der Schuldner vermögenslos und nicht in der Lage, die Verfahrenskosten 150 aus seinem Vermögen zu decken, besteht die Möglichkeit ihm die Verfahrenskosten zu stunden, wenn er die Restschuldbefreiung beantragt hat (§ 4a InsO). Eine Kostenstundung ist nur in Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen zulässig, wenn diese einen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung gestellt haben (§ 4a Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Stundung ist für jeden Verfahrensabschnitt (d. h. Eröffnungsverfahren, Hauptverfahren, Restschuldbefreiungsverfahren) gesondert zu bewilligen (§ 4a Abs. 3 Satz 2 InsO). Merke: Stellt der Insolvenzschuldner einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und verbindet diesen mit dem Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung sowie mit dem Antrag auf Bewilligung der Stundung der Verfahrenskosten, spricht man vom sog. „Antragsdreiklang“. e) Insolvenzverfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 Das Gesetz zur Verkürzung der Restschuldbefreiung und zur Stärkung der Gläu- 151 bigerrechte62) hat keine Änderungen hinsichtlich der Antragsberechtigung, des Antragszeitpunkts und der Antragsform an sich gebracht. Zusätzlich sind jedoch, will der Schuldner die Restschuldbefreiung erlangen, 152 weitere Angaben im Antrag erforderlich (o Rn. 163 ff.). f) Besondere Voraussetzungen im Verbraucherinsolvenzverfahren Ist das Verbraucherinsolvenzverfahren die richtige Verfahrensart (§ 304 InsO, 153 o Rn. 121 ff.), sind beim dem schriftlich einzureichenden Eröffnungsantrag weitere Besonderheiten zu berücksichtigen (§ 305 InsO). Der Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens ist nur zuläs- 154 sig, wenn der Schuldner zuvor einen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch unternommen hat. Der Schuldner muss, bevor ein Verbraucherinsolvenzverfahren durchgeführt werden kann, demnach zunächst versuchen, eine Einigung mit seinen Gläubigern herbeizuführen. Erst, wenn dieser Versuch gescheitert ist, kommt ein Verbraucherinsolvenzverfahren in Betracht. Das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs ist von einer geeigneten Stelle auf der Grundlage persönlicher Beratung und eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners zu bescheinigen (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Geeignete Personen bzw. Stellen sind z. B.: Rechtsanwälte, Steuerberater, Schuldnerberatungsstellen. ___________ 62) Vom 15.7.2013, verkündet am 18.7.2013, BGBl. I S. 2379 ff.

37

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

155 Im außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren sind die Gläubiger gemäß § 305 Abs. 2 InsO verpflichtet, auf eine entsprechende Aufforderung hin kostenfrei eine schriftliche Forderungsaufstellung – geordnet nach Hauptforderung, Kosten und Zinsen – zu übermitteln. Die Aufforderung muss einen Hinweis darauf enthalten, dass eine Insolvenzantragstellung beabsichtigt ist. 156 Der auf dieser Grundlage erstellte außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan, in dem der Schuldner regelmäßig, sofern vorhanden, sein pfändbares Vermögen einsetzt, um die Verbindlichkeiten über einen bestimmten Zeitraum zu regulieren, wird an die Gläubiger mit der Bitte um Zustimmung übermittelt. 157 Für die inhaltliche Ausgestaltung des Plans existieren keine gesetzlichen Vorgaben. Es empfiehlt sich eine Orientierung am gerichtlichen Schuldenbereinigungsplan. Folgende Punkte sollte der Plan enthalten: x

Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse

x

Zahlungs- und Tilgungsplan

x

Anpassungsklauseln

x

Regelung zu bestehenden Sicherheiten

x

Regelung zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen

x

Regelung zu Schufa-Eintragungen

x

ggf. Wiederauflebensklausel

158 Regelungsfreiheit besteht auch hinsichtlich der Ausgestaltung des Plans, sodass sich, je nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Schuldners, folgende Varianten anbieten: x

Einmalzahlungspläne

x

Ratenzahlungspläne

x

Ratenzahlungspläne kombiniert mit einer Einmalzahlung

x

flexible Pläne (z. B. bezugnehmend auf das jeweils pfändbare Einkommen)

x

(flexibler) Nullplan63)

159 Der außergerichtliche Schuldenbereinigungsplan ist ein Vergleich i. S. d. § 779 Abs. 1 BGB und kommt nur zustande, wenn alle Gläubiger dem aus-

___________ 63) Flexibler Nullplan: Der Plan sieht in Ermangelung von pfändbaren Einkünften zunächst keine Zahlungen an die Gläubiger vor, enthält aber eine „Besserungsklausel“, durch die der Schuldner für den Fall, dass künftig pfändbares Einkommen erzielt werden sollte, dies zur Befriedigung der Gläubiger anbietet.

38

I. Der Insolvenzantrag

drücklich zustimmen.64) Sofern die Angaben des Schuldners (insbesondere zu den Vermögenswerten) nicht wahrheitsgemäß sind, ist der Plan unwirksam. Kommt der Schuldner seiner Zahlungsverpflichtung aus dem Schuldenberei- 160 nigungsplan nicht nach, muss der Gläubiger auf dem Rechtsweg einen Titel erwirken. Die ursprüngliche Forderung lebt nur wieder auf, wenn dies im Schuldenbereinigungsplan so geregelt ist. Der Plan ist gescheitert, wenn

161

x

mindestens ein Gläubiger seine Zustimmung verweigert bzw. nicht reagiert (Schweigen gilt nicht als Zustimmung) oder

x

ein Gläubiger die Zwangsvollstreckung in Kenntnis des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs beginnt (vgl. § 305a InsO).

Mit dem Scheitern der Einigung liegt eine der maßgeblichen Voraussetzungen 162 für die Durchführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens vor. Nach dem Scheitern hat der Schuldner eine Frist zur Einreichung des Eröffnungsantrags von sechs Monaten seit der letzten Ablehnung oder Zustimmung der Gläubiger einzuhalten. Im Fall eines Fristversäumnisses muss er erneut einen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch unternehmen. Andernfalls ist der Insolvenzantrag unzulässig. Darüber hinaus sind beim Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenz- 163 verfahrens gemäß § 305 InsO folgende Unterlagen einzureichen: x

Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung bzw. eine Erklärung, dass diese nicht beantragt wird,

x

(wird die Restschuldbefreiung beantragt) Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO,

x

Personalbogen,

x

Vermögensverzeichnis,

x

Vermögensübersicht,

x

Gläubiger- und Forderungsverzeichnis,

x

Richtigkeits- und Vollständigkeitserklärung,

x

gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan.

___________ 64) Einigungsquoten 1999 – 2010 durchschnittlich 16,7 %; z. T. weit höher; hierzu: Hofmeister/ Schilz, ZVI 2012, 134; Hornung, ZVI 2012, 140.

39

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

Praxistipp: Übersicht Voraussetzungen Verbraucherinsolvenzantrag Antrag, § 13 InsO

Eröffnungsgrund, § 16 InsO

Außergerichtliche Schuldenbereinigung

RSB-Antrag

Verfahrenskosten, § 26 Abs. 1 InsO

Schuldner/ Vordruck) und Vorlage der vorgeschriebenen Unterlagen

Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO

Bescheinigung über das Scheiter des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsplans (6-Monatsfrist)

RSB-Antrag inkl. Abtretungserklärung gemäß § 287 InsO oder Erklärung, dass kein RSBAntrag gestellt wird

Kostendeckende Masse

Gläubiger bei rechtlichem Interesse, Glaubhaftmachung der Forderung und des Eröffnungsgrundes

drohende Zahlungsunfähigkeit, § 18 InsO

alternativ: Verfahrenskostenstundung, § 4a InsO

164 Ist der Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens zulässig, kann das Verfahren ohne Durchführung der gerichtlichen Schuldenbereinigung nach Anhörung des Schuldners fortgesetzt werden, wenn der Schuldenbereinigungsplan nach Überzeugung des Gerichts voraussichtlich nicht angenommen wird (§ 306 Abs. 1 Satz 3 InsO). 165 Ein gerichtlicher Schuldenbereinigungsplan wird im Eröffnungsverfahren (nach Antragstellung und vor der Eröffnungsentscheidung) dann an die Gläubiger übersandt, wenn dieser nach der freien Überzeugung des Gerichts voraussichtlich angenommen wird. 166 Die Gläubiger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von einem Monat. Geht die Stellungnahme nicht fristgerecht ein, gilt die Zustimmung zum Schuldenbereinigungsplan als erteilt. Wird der Plan angenommen, gelten der Insolvenzantrag und der Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung als zurückgenommen (§ 308 Abs. 2 InsO). Der Plan hat die Wirkung eines gerichtlichen Vergleichs i. S. d. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (§ 308 Abs. 1 Satz 2 InsO).

40

I. Der Insolvenzantrag

Im gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren besteht unter der Vor- 167 aussetzung des § 309 InsO die Möglichkeit der Zustimmungsersetzung. 2. Fremdantrag a) Gläubigerantrag Wir ein Antrag eines Gläubigers eingereicht, handelt es sich um einen Fremd- 168 antrag. Ist der Schuldner eine natürliche Person, belehrt das Gericht den Schuldner, dass die Restschuldbefreiung grundsätzlich nur erteilt werden kann, wenn ein Eigenantrag gestellt wird (vgl. § 20 Abs. 2 InsO bzw. § 306 Abs. 3 InsO, o Rn. 141 ff.). b) Zulässigkeit Ein gläubigerinitiierter Fremdantrag ist nur zulässig, wenn der Gläubiger ein 169 rechtliches Interesse an der Eröffnung hat und das Bestehen seiner Forderung(en) gegen den Schuldner sowie das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes (o Rn. 177 ff.) glaubhaft macht (§ 14 Abs. 1 Satz 1 InsO). Glaubhaftmachung ist nicht gleichzusetzen mit Beweisen. Ein Umstand ist glaubhaft gemacht, wenn das Gericht der Überzeugung ist, dass die Behauptung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zutrifft (§ 4 InsO, § 294 ZPO).65) aa) Rechtliches Interesse Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO ist vom antragstellenden Gläubiger das recht- 170 liche Interesse glaubhaft zu machen. Zum Schutz des Schuldners vor u. U. mit einem Insolvenzverfahren einhergehenden einschneidenden Eingriffen in dessen Vermögensverhältnisse muss auf Gläubigerseite ein Rechtschutzinteresse hinsichtlich der Weiterverfolgung seines Antrags bestehen. Soweit mit dem Antrag offenkundig und ausschließlich Druck auf den Schuldner ausgeübt werden soll (das Insolvenzverfahren als „verlängerter Arm der Einzelzwangsvollstreckung“), dürfte das rechtliche Interesse fehlen, jedenfalls dann, wenn nicht zumindest auch die Durchführung eines Insolvenzverfahrens angestrebt wird. Dinglich gesicherte Gläubiger sind dann antragsberechtigt, sofern die Siche- 171 rung nicht vollumfänglich ist und der Schuldner in Höhe des Ausfalls persönlich haftet (vgl. § 52 InsO). Für Aussonderungsberechtigte hingegen fehlt es am Antragsrecht (§ 47 Satz 2 InsO). bb) Glaubhaftmachung des Bestehens einer Forderung Der Gläubiger muss z. Zt. der Entscheidung über die Eröffnung des Insol- 172 venzverfahrens Inhaber einer persönlichen Forderung gegen den Schuldner ___________ 65) BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, ZVI 2003, 538.

41

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

sein. Der Anspruch muss einen vermögensrechtlichen Charakter, demnach einen Geldwert haben und ggf. in einen solchen umgerechnet werden können (vgl. § 45 InsO). Nicht zur Antragstellung berechtigen daher z. B. Duldungs- oder Unterlassungsansprüche. Begleicht der Schuldner die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung, aber vor Eröffnung, fehlt es z. Zt. der Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens an der Zulässigkeit des Antrags, da eine Forderung gegen den Schuldner nicht (mehr) besteht; ein „Auswechseln“ der Forderungen ist jedoch möglich.66) 173 Wurde innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem jetzigen Antrag bereits ein zulässiger Insolvenzantrag über das Vermögen des Schuldners gestellt, kann der aktuelle Antrag von dem antragstellenden Gläubiger trotz fehlender, weil zwischenzeitlich beglichener Forderung weiter verfolgt werden, sofern das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Verfahrens, das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes sowie der vorhergehende Antrag glaubhaft gemacht werden können (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2, 3 InsO).67) Sinn und Zweck dieser Regelung ist die Vermeidung von sog. „Stapelanträgen“.68) Unbenommen bleibt dem Gläubiger die Möglichkeit, den Antrag zurückzunehmen bzw. für erledigt zu erklären. Im Rahmen der gemäß § 14 Abs. 2 InsO vorgesehenen Anhörung des Schuldners kann dieser durch Gegenglaubhaftmachung, d. h. substantiierte Darlegung der Einwände, vortragen, dass die Voraussetzungen für eine Eröffnung des Verfahrens nicht vorliegen.69) 174 Der Gläubiger ist gehalten, das Bestehen der Forderung glaubhaft zu machen. Hierzu kann die Vorlage eines Titels ausreichend sein, zwingend erforderlich ist sie nicht, sodass auch nicht titulierte Forderungen dem Antrag zugrunde gelegt werden können, wenn ihr Bestand durch Einreichung möglichst vollständig anspruchsbegründender Unterlagen (z. B. Lieferscheine, Rechnungen, Kontoauszüge etc.) dargetan wird.70) cc) Glaubhaftmachung eines Eröffnungsgrundes 175 Das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes (o Rn. 177 ff.) ist ebenfalls vom antragstellenden Gläubiger glaubhaft zu machen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 InsO). Ausreichend und als geeignetes Mittel zur Glaubhaftmachung anzusehen sind insbesondere: x

die Vorlage einer eigenen Erklärung des Schuldners zu seiner fehlenden Liquidität,

___________ 66) BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 29/03, ZVI 2004, 408. 67) Geltung für Verfahren, die ab dem 1.1.2011 beantragt worden sind (Art. 103e EGInsO); BGH, Beschl. v. 11.4.2013 – IX ZB 256/11, ZVI 2013, 221. 68) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 14 Rn. 9. 69) Wimmer/Dauernheim/Wagner/Gietl, Handbuch des Fachanwalts Insolvenzrecht/ Hefermehl, § 14 Rn. 68. 70) OLG Köln, Beschl. v. 14.12.2001 – 2 W 146/01, ZInsO 2002, 772.

42

I. Der Insolvenzantrag

x

die Vorlage einer Fruchtlosigkeitsbescheinigung eines Gerichtsvollziehers (§ 63 GVGA) bzw. Vollziehungsbeamten,

x

Indizien (z. B. mehr als sechsmonatiger Rückstand mit Sozialversicherungsbeiträgen71)),

x

fortlaufend steigender Forderungsstand trotz Teilzahlungen72)).

Vorzunehmen ist stets eine Gesamtwürdigung aller vorgetragenen Tatsachen.73)

176

3. Eröffnungsgründe a) Eröffnungsgründe – Überblick Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens muss stets begründet sein (§ 16 177 InsO). Die Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergeben sich aus §§ 17 ff. InsO. Als Eröffnungsgründe kennt das Gesetz die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), 178 die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und die Überschuldung (§ 19 InsO). Merke: In Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen sind – bei einem Fremdantrag eines Gläubigers die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und – bei einem Eigenantrag des Schuldners die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) geeignete Eröffnungsgründe. Die Überschuldung (§ 19 InsO) ist in Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen kein geeigneter Eröffnungsgrund. Auch trifft natürliche Personen nach der Insolvenzordnung keine Pflicht zur Antragstellung (vgl. § 15a InsO, der nicht für natürliche Personen gilt).74) b) Zahlungsunfähigkeit Der umfassende, alle Vermögensmassen betreffende Eröffnungsgrund ist die 179 Zahlungsunfähigkeit. ___________ 71) 72) 73) 74)

BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 238/05, ZIP 2006, 1457. BGH, Beschl. v. 9.1.2003 – IX ZR 175/02, ZIP 2003, 410. Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 14 Rn. 88. Vgl. für Nachlassinsolvenzen die Antragspflichten der §§ 1980, 1985 BGB.

43

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

180 Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO, Legaldefinition). 181 In § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ist die gesetzliche Vermutung normiert, dass Zahlungsunfähigkeit regelmäßig dann anzunehmen ist, wenn der Schuldner die Zahlungen eingestellt hat. Zahlungseinstellung ist dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.75) Auch kann bereits die Nichtzahlung gegenüber einem einzigen Gläubiger ausreichen, wenn dessen Forderung von insgesamt nicht unerheblicher Höhe ist.76) 182 Zur Fälligkeit der Forderung i. S. d. § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO hat der BGH ausgeführt: „Eine Forderung ist in der Regel dann im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO fällig, wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt.“77)

183 An das „ernsthafte Einfordern“ sind geringe Voraussetzungen zu stellen. Die Übersendung einer Rechnung ist hierfür bereits ausreichend.78) Der Schuldner muss nach objektiven Gesichtspunkten nicht mehr in Lage sein, die fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Sämtliche dem Schuldner zur Verfügung stehenden Mittel sind hierbei zu berücksichtigen (insbesondere Barmittel, Buchgeld, Ausschöpfen des Kreditrahmens). 184 Die Zahlungsunfähigkeit ist von einer vorübergehenden Zahlungsstockung abzugrenzen. In einer Grundsatzentscheidung hat der BGH hierzu die sog. „3-10-Regel“ aufgestellt:79) „Zahlungsunfähigkeit im Rechtssinne liegt regelmäßig jedenfalls dann vor, wenn der Schuldner 10 % oder mehr seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten länger als drei Wochen nicht erfüllen kann, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist. Beträgt die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke weniger als 10 %, liegt Zahlungsunfähigkeit nur vor, wenn bereits absehbar ist, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird.“

___________ 75) 76) 77) 78) 79)

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BGH, Urt. v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, ZIP 2002, 87. Vgl. BGH, Urt. v. 27.4.1995 – IX ZR 147/95, ZIP 1995, 929. BGH, Beschl. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZIP 2007, 1666. BGH, Beschl. v. 14.7.2011 – IX ZB 57/11, ZIP 2011, 1875. BGH, Urt. v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, ZIP 2005, 1426.

II. Stundung der Verfahrenskosten

c) Drohende Zahlungsunfähigkeit Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist bei einem Eigenantrag ebenfalls ein 185 Eröffnungsgrund (§ 18 Abs. 1 InsO). Hierzu definiert § 18 Abs. 2 InsO, dass „der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.“ Dem Schuldner wird hierdurch die Möglichkeit eingeräumt, bei frühzeitiger 186 Antragstellung die Möglichkeit der Sanierung unter Insolvenzschutz aufrechtzuerhalten.80) Im Unterschied zur bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit sind bei der 187 drohenden Zahlungsunfähigkeit auch die noch nicht fälligen, aber bereits absehbaren Verbindlichkeiten des Schuldners mit einzubeziehen. Hierzu bedarf es einer prognostischen Darstellung der künftigen Liquiditätsentwicklung des Schuldners bis zur Fälligkeit der bereits begründeten Forderungen. Es bedarf demnach i. a. R. der Vorlage eines Liquiditäts-/Finanzplans, den das Gericht vom Schuldner einfordern kann.81) 4. Antragshäufung Wie sich bereits aus den vorstehenden Absätzen ableiten lässt (vgl. §§ 20, 287 188 Abs. 1, 306 Abs. 3 InsO), sind mehrere parallele Anträge zulässig: Ein Schuldnerantrag neben einem oder mehreren Gläubigeranträgen oder auch nur mehrere Gläubigeranträge (mit den beschriebenen Konsequenzen im Hinblick auf die Frage der Restschuldbefreiung). Mit Eingang bei Gericht wird jeder Antrag unter einem eigenen Aktenzeichen geführt. Mit der Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens erfolgt regelmäßig 189 eine Verbindung der Verfahren (§ 4 InsO, § 147 ZPO).82) II. Stundung der Verfahrenskosten 1. Deckung der Verfahrenskosten Aus dem Schuldnervermögen sind die Kosten des Insolvenzverfahrens 190 (o Rn. 836 ff.) zu bestreiten. Ob eine solch kostendeckende Masse vorhanden ist, ist vor der Eröffnungs- 191 entscheidung zu ermitteln. Dies geschieht i. a. R. durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen (o Rn. 216 ff.). Ist eine Verfahrenskostendeckung aus dem Schuldnervermögen nicht gewähr- 192 leistet, weist das Insolvenzgericht den Eröffnungsantrag mangels einer die ___________ 80) Siehe in diesem Zusammenhang auf §§ 270a, 270b InsO. 81) HK-InsO/Schröder, § 18 Rn. 15. 82) Vgl. BGH, Beschl. v. 11.3.2010 – IX ZB 110/09, ZIP 2010, 888.

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C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

Verfahrenskosten deckenden Masse ab (§ 26 Abs. 1 Satz 1 InsO; Ausnahme: Stundung o Rn. 193 ff.). 2. Stundung der Verfahrenskosten 193 Ist der Schuldner eine natürliche Person, besteht für ihn die Möglichkeit, die Stundung der Verfahrenskosten (o Rn. 836 ff.) zu beantragen, wenn sein Vermögen zu deren Deckung nicht ausreicht (§ 4a Abs. 1 Satz 1 InsO). Wird die Stundung bewilligt, unterbleibt eine Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse (§ 26 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Verfahrenskostenstundung ermöglicht somit auch mittellosen Schuldnern den Zugang zur Restschuldbefreiung. 194 Die Stundung ist für jeden Verfahrensabschnitt gesondert zu bewilligen (§ 4a Abs. 2 Satz 2 InsO). Das Vorliegen der objektiven und subjektiven Voraussetzungen muss daher im Eröffnungsverfahren (Eingang des Insolvenzantrags bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Eröffnung), im Hauptverfahren (Eröffnungsstichtag bis zur Aufhebung des Verfahrens) sowie im Restschuldbefreiungsverfahren (Aufhebung bis zur Entscheidung über die Erteilung der Restschuldbefreiung) vorliegen. 195 Die Stundung der Verfahrenskosten umfasst nicht den Zeitraum der Antragsvorbereitung (insbesondere nicht die Tätigkeiten im außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren, welches im Verbraucherinsolvenzverfahren Zulässigkeitsvoraussetzung ist, vgl. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO). In der Vorbereitungsphase ist der Insolvenzschuldner auf die kostenfreie/kostengünstige Unterstützung von (anerkannten) Schuldnerberatungsstellen angewiesen. Ebenfalls besteht die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Vorbereitung des Insolvenzantrags unter gleichzeitiger Gewährung von Beratungshilfe, wenn die Voraussetzungen vorliegen.83) Die Beiordnung eines Anwalts im Insolvenzverfahren für den Zeitraum nach Antragseingang kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, insbesondere bei hochkomplexen Sachverhalten.84) a) Objektive Voraussetzungen 196 Die Stundungsvoraussetzungen liegen objektiv vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, aus seinem Vermögen im Wege der Einmalzahlung die Kosten des jeweiligen Verfahrensabschnitts aufzubringen; auf Ratenzahlung darf er nicht verwiesen werden.85) 197 Der Vermögensbegriff ist mit dem Umfang der künftigen Insolvenzmasse (demnach dem pfändbaren Vermögen, §§ 35, 36 Abs. 1 InsO) identisch. ___________ 83) Siehe hierzu BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZB 94/06, ZVI 2007, 468. 84) Siehe hierzu LG Bonn, Beschl. v. 2.9.2009 – 6 T 239/09, ZVI 2009, 444. 85) BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 459/02, ZVI 2004, 58; BGH, Beschl. v. 18.5.2006 – IX ZB 205/05, ZVI 2006, 285 zur umfassenden Bewilligung je Verfahrensabschnitt.

46

II. Stundung der Verfahrenskosten

Zu prüfen ist in diesem Zusammenhang ggf., ob der Ehegatte des Insolvenz- 198 schuldners im Rahmen der Ehegattenunterhaltsgewährung nicht vorschusspflichtig ist (§ 26 InsO, 1360a Abs. 4 BGB).86) b) Subjektive (persönliche) Voraussetzungen Der Schuldner hat dem – ansonsten formlosen – Stundungsantrag eine Erklä- 199 rung beizufügen, ob ein Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorliegt. Liegt ein solcher Grund vor, ist eine Stundung ausgeschlossen (§ 4a Abs. 1 Satz 3, 4 InsO). Die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH hat den gesamten Katalog des § 290 Abs. 1 InsO (i. d. F. bis zum 30.6.2014) als Ausschlusskriterium für eine Verfahrenskostenstundung angesehen.87) Dies solle verhindern, dass einem Schuldner eine Stundung gewährt wird, bei dem schon frühzeitig feststeht, dass Versagungsgründe etwa nach § 4c Nr. 5 InsO vorliegen, und somit die Stundung zeitnah aufgehoben werden müsste. In Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 ist der Schuldner verpflich- 200 tet, dem Stundungsantrag lediglich noch eine Erklärung beizufügen, ob ein Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorliegt. Der bisherige Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist bereits nach § 287a Abs. 2 InsO als Zulässigkeitsvoraussetzung für den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung zu prüfen. Ist der Restschuldbefreiungsantrag aus diesem Grunde unzulässig, kommt eine Stundung der Verfahrenskosten nicht mehr in Betracht. Ob der BGH an seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 4a InsO festhalten wird, bleibt abzuwarten. c) Folgen der Stundung Wird die Stundung bewilligt, werden die Verfahrenskosten (o Rn. 836 ff.) 201 aus der Staatskasse beglichen, soweit das im Insolvenzverfahren einbehaltene Vermögen zu deren vollständiger Deckung nicht ausreicht (vgl. zur Vorwegentnahme der Kosten § 53 InsO). Nach Erteilung der Restschuldbefreiung wird der von der Staatskasse veraus- 202 lagte Verfahrenskostenanteil vom Schuldner eingefordert, ggf. im Wege der Ratenzahlung und längstens für einen Zeitraum von vier Jahren ab rechtskräftiger Erteilung der Restschuldbefreiung (§ 4b InsO). Auch besteht die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen des § 4c InsO, die 203 Stundung jederzeit aufzuheben, legt der Schuldner ein entsprechendes sanktionswürdiges Verhalten an den Tag.

___________ 86) Vgl. hierzu grundlegend BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 539/02, ZVI 2003, 405. 87) BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 142/11, ZInsO 2011, 1223.

47

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

III. Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung 1. Restschuldbefreiungsantrag und Eigenantrag a) Kein isolierter Restschuldbefreiungsantrag 204 Der Eröffnungsantrag und der Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung sind zusammen einzureichen (§ 287 Abs. 1 Satz 1 InsO).88) Dem Antrag ist die Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 InsO beizufügen. Hiermit tritt der der Schuldner seine pfändbaren Einkünfte für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist) an den gerichtlich bestellten Treuhänder ab. 205 In den Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 sind, begehrt der Schuldner die Restschuldbefreiung, folgende Angaben erforderlich:89) 206 Gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO hat der Schuldner zu erklären, ob x

ihm in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung erteilt oder

x

die Restschuldbefreiung in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag nach § 297 versagt worden ist, oder

x

ob ihm in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5, 6 oder 7 InsO (ggf. i. V. m. § 297a InsO) oder nach § 296 InsO versagt worden ist.

207 Hintergrund dieser Erklärung ist die „Vorverlegung“ des Zeitpunkts zur Ankündigung der Restschuldbefreiung durch die Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO. 208 Bei Fehlen oder Unvollständigkeit der Erklärung ist der Schuldner unter Fristsetzung aufzufordern, die fehlende Erklärung nachzureichen. Kommt der Schuldner dieser Aufforderung nicht nach, ist der Restschuldbefreiungsantrag als unzulässig zurückzuweisen. 209 Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärung hat der Schuldner zu versichern. Bei vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtigen oder unvollständigen Angaben droht die Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO.

___________ 88) BGH, Beschl. v. 25.9.2003 – IX ZB 24/03, NZI 2004, 511; BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 209/03, NZI 2004, 593; BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03, NZI 2005, 271. 89) Gesetz zur Verkürzung der Restschuldbefreiung und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, verkündet am 18.7.2013, BGBl. I S. 2379 ff.

48

III. Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung

Der Restschuldbefreiungsantrag ist gemäß § 287a Abs. 2 InsO unzulässig, 210 wenn x

dem Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung erteilt worden ist;

x

dem Schuldner die Restschuldbefreiung in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag nach § 297 InsO versagt worden ist (Insolvenzstraftat);

x

dem Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag Restschuldbefreiung nach § 290 Absatz 1 Nummer 5, 6 oder 7 InsO (ggf. i. V. m. § 297a InsO) oder nach § 296 InsO versagt worden ist.

Die vom BGH zu den Verfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 ent- 211 wickelte, sehr umfangreiche Sperrfrist-Rechtsprechung ist nur zum Teil kodifiziert worden.90) b) Eigenantrag ohne Restschuldbefreiungsantrag Stellt der Schuldner nur den Antrag auf Eröffnung, kann ein Antrag auf 212 Restschuldbefreiung innerhalb einer Notfrist (vgl. § 4 InsO, § 233 ZPO) von zwei Wochen, nachdem das Insolvenzgericht über die Möglichkeit der Restschuldbefreiung belehrt hat (§ 20 Abs. 2 InsO), nachgereicht werden. Bei Eingang des Antrags nach Fristablauf ist der Restschuldbefreiungsantrag als unzulässig zurückzuweisen oder rechtzeitig vom Schuldner zurückzunehmen. c) Restschuldbefreiungsantrag ohne Eigenantrag (Regelinsolvenz) Wurde seitens eines Gläubigers die Antragsinitiative ergriffen (o Rn. 168 ff.), 213 ist das Gericht im Regelinsolvenzverfahren gehalten, den Schuldner über die Möglichkeit der Restschuldbefreiung bei gleichzeitiger Stellung eines Eigenantrags zu belehren (§ 4 InsO, § 139 ZPO, § 20 Abs. 2 InsO). Die zweiwöchige Notfrist, den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung zu stellen, beginnt erst mit Einreichung des Eröffnungsantrags durch den Schuldner (Eigenantrag) zu laufen, da diese Frist einen Eigentrag voraussetzt.91) Versäumt der Schuldner die Stellung des Eigenantrags, kann er einen Antrag 214 auf Restschuldbefreiung im Falle der Eröffnung des Verfahrens aufgrund eines Gläubigerantrags ausnahmsweise dann noch – bis zur Aufhebung des Verfahrens – stellen, wenn das Gericht ihn nicht hinreichend belehrt hatte, dass er zur Erreichung der Restschuldbefreiung nicht nur einen entsprechenden An___________ 90) Hierzu hat der BGH zuletzt in seinem Beschl. v. 20.3.2014 – IX ZB 17/13, ZInsO 2014, 795 ausgeführt: Die Senatsrechtsprechung wird „nach Inkrafttreten […] zu überprüfen sein […]“; siehe auch Wipperfürth, InsbürO 2012, 385 ff. 91) BGH, Beschl. v. 8.7.2004 – IX ZB 209/03, NZI 2004, 593.

49

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

trag, sondern darüber hinaus auch einen Eigenantrag auf Insolvenzeröffnung stellen muss.92) Lag hingegen eine ordnungsgemäße Belehrung vor, ist der Schuldner mit seinem Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung präkludiert, wurde das Verfahren aufgrund eines Fremdantrags eröffnet.93) 215 Ist ein ordnungsgemäßer richterlicher Hinweis gemäß § 20 Abs. 2 InsO erfolgt und hat der Schuldner nicht reagiert, hat er nach Aufhebung des (ersten) Verfahrens eine Sperrfrist für einen „neuen“ (in dem Fall ersten) Eigenantrag von drei Jahren einzuhalten.94) d) Restschuldbefreiungsantrag ohne Eigenantrag (Verbraucherinsolvenz) 216 Im Verbraucherinsolvenzverfahren muss der Schuldner bei Antragstellung gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO mit dem Eigentrag entweder einen Antrag auf Erteilung von Restschuldbefreiung stellen oder eine Erklärung abgeben, dass Restschuldbefreiung nicht beantragt werden soll. § 305 Abs. 1 Nr. 2 InsO verdrängt als Spezialnorm den § 287 Abs. 1 Satz 1 InsO.95) Fehlt ein Antrag bzw. die Erklärung, ist der Schuldner zur Ergänzung, die binnen eines Monats vorzunehmen ist, aufzufordern (§ 305 Abs. 3 Satz 2, 3 InsO). Liegt ein Gläubigerantrag vor, ist der Schuldner ebenfalls darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit der Stellung eines Eigenantrags besteht (§ 306 Abs. 3 InsO). In diesem Fall beträgt die Frist drei Monate (§ 305 Abs. 3 Satz 3 InsO). 217 Nach fruchtlosem Fristablauf gilt der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens als zurückgenommen (§ 305 Abs. 3 Satz 2 InsO). Ob der BGH auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Verkürzung der Restschuldbefreiung und zur Stärkung der Gläubigerrechte96) an der Sperrfrist-Rechtsprechung festhalten wird, verbleibt abzuwarten. 2. Rücknahme des Restschuldbefreiungsantrags 218 Nimmt der Schuldner zulässigerweise den Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung zurück, kann er während des eröffneten Verfahrens keinen neuerlichen Antrag mehr stellen.97) ___________ 92) BGH, Beschl. v. 17.2.2005 – IX ZB 176/03. 93) Vgl. BGH, Beschl. v. 29.5.2008 – IX ZB 1/08, ZInsO 2008, 1138; BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 182/07, NZI 2008, 609; BGH, Beschl. v. 7.5.2009 – IX ZB 202/07, ZVI 2009, 368. 94) BGH, Beschl. v. 21.1.2010 – IX ZB 174/09, NZI 2010, 195. 95) MünchKomm-InsO/Stephan, § 287 Rn. 13. 96) Vom 15.7.2013, verkündet am 18.7.2013, BGBl. I S. 2379 ff. 97) Hierzu der BGH, Beschl. v. 1.7.2010 – IX ZA 20/10, JurionRS 2010, 19497: „Die Ausschlussfrist des § 287 Abs. 1 S. 2 InsO wird nur durch eine vollständige Belehrung in Gang gesetzt. Hat der Schuldner mit seinem vom Insolvenzgericht als zulässig behandelten Antrag auf Restschuldbefreiung die Frist gewahrt, diesen jedoch später aus Gründen, die mit dem Inhalt der gerichtlichen Belehrung nichts zu tun hatten, zurückgenommen, so ist ein erneuter Antrag nach Fristablauf unzulässig.“

50

IV. Bestellung eines Gutachters durch das Insolvenzgericht

IV. Bestellung eines Gutachters durch das Insolvenzgericht 1. Aufgaben und Befugnisse des Gutachters Nach Eingang des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zieht das 219 Insolvenzgericht zwecks Verifizierung, ob die Eröffnungsvoraussetzungen vorliegen, einen Sachverständigen (o Rn. 219 ff.) bei, der zu den vom Gericht definierten Fallfragen gutachterlich Stellung nimmt. Hierzu gehören im Wesentlichen: x

Die Prüfung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse des Schuldners;

x

die Feststellung, ob Auslandsbezug vorliegt;

x

die Prüfung des Erfordernisses der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen (§§ 21 ff. InsO);

x

die Prüfung, welche Verfahrensart (Regel- oder Verbraucherinsolvenz) einschlägig ist;

x

die Prüfung des Vorliegens eines nach der Rechtsform des Schuldners maßgeblichen Eröffnungsgrundes (§§ 16 ff. InsO);

x

die Prüfung der Fortführungsfähigkeit des schuldnerischen Unternehmens;

x

die Feststellung, ob eine kostendeckende Masse vorhanden ist;

x

die Prüfung, ob eine Freigabe des schuldnerischen Unternehmens gemäß § 35 Abs. 2 InsO angezeigt sein wird;

x

die Ermittlung besonders bedeutsamer Rechtshandlungen, zu denen ggf. die Zustimmung der stimmberechtigten Gläubiger einzuholen ist (§ 160 Abs. 1 Satz 3 InsO);

x

die Ermittlung von Umständen oder Verhaltensweisen des Schuldners, die im weiteren Verlauf des Verfahrens eine Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigen könnten;

x

ggf. die Prüfung, ob ein zulässig Insolvenzantrag vorliegt (§ 13 InsO).

In der Regel erwartet das Insolvenzgericht eine abschließende gutachterliche 220 Stellungnahme des Sachverständigen innerhalb einer gerichtlich (frei) festgesetzten Frist von ca. drei bis sechs Wochen98). Sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen, erstattet der Sachverständige bis zum Abschluss seiner Tätigkeit in regelmäßigen Abständen Zwischenberichte an das Insolvenzgericht, in denen er den Fortgang seiner Ermittlungen und die noch zu klärenden Sachverhalte darlegt. Die „Zwischenberichtsfristen“ werden vom Insol___________ 98) Die Fristen variieren je nach Gericht und/oder Sachverhalt.

51

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

venzgericht nach freiem Ermessen festgelegt und betragen i. d. R. durchschnittlich ca. zwei bis vier Wochen. 221 Der Ermittlungsumfang ist gesetzlich nicht vorgeschrieben und kann im Einzelfall inhaltlich und quantitativ abweichen. Die erforderlichen ersten Informationen erhält der Sachverständige primär vom Schuldner, der zu Auskunftserteilung verpflichtet ist (§§ 20, 97 InsO), in einem oder mehreren unverzüglich anzuberaumenden Besprechungstermin/en. 222 Der Gutachter informiert zudem die wichtigsten Verfahrensbeteiligten über das Vorliegen eines Insolvenzeröffnungsantrags. Dies sind in aller Regel die beteiligten Banken, die Finanzverwaltung und Sozialversicherungsträger. Die Information erfolgt einerseits, um die dort bestehenden Forderungen gegen den Schuldner zu ermitteln, nicht zuletzt aber vor dem Hintergrund, die Beteiligten im Hinblick auf mögliche Insolvenzanfechtungsansprüche (o Rn. 800 ff.) „bösgläubig“ über den (wahrscheinlichen) Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu machen. 223 Sofern es gilt, Gegenstände die der künftigen Insolvenzmasse unterliegen, zu sichern, wird das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren Sicherungsmaßnahmen gemäß §§ 21 ff. InsO anordnen und einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, der diese Sicherung der Haftungsmasse gewährleistet. Die Anordnung kann gleichzeitig mit der Bestellung eines Sachverständigen einhergehen oder auch erst später – meist angeregt durch den Sachverständigen – erfolgen. Stellt der Sachverständige im Zuge seiner Ermittlungen fest, dass eine Sicherung der Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse angezeigt ist, um vermögensschädigende Einflüsse zu verhindern, wird er unverzüglich die Anordnung entsprechender Sicherungsmaßnahmen anregen. 224 Um die Vermögensverhältnisse des Schuldners umfassend zu ermitteln und das nach Abschluss der Ermittlungen einzureichende Sachverständigengutachten vollständig und zeitnah abfassen zu können, empfiehlt sich, in der Praxis das Vorgehen anhand einer Checkliste.99)

___________ 99) Wipperfürth, InsbürO 2012, 463.

52

IV. Bestellung eines Gutachters durch das Insolvenzgericht FRAGENKATALOG ERSTGESPRÄCH Insolvenzverfahren Az. des Gerichts Eigenantrag/Fremdantrag von Antragsdatum (Eingang bei Gericht) Sachverhalt/Frage

nein

ja

Angaben/Antworten

Nachweise liegen werden vor nachgereicht

I.

ALLGEMEINES

1.

Name, Vorname

2.

Geburtsname

3.

Geburtsdatum

4.

Geburtsort

5.

Anschrift

6.

Telefon – Festnetz

7.

Telefon – Mobil

8.

Fax

9.

Email

10.

Familienstand

11.

Unterhaltspflichten

a)

minderjährige Kinder aa) (jeweils) Name, Geburtsdatum bb) ausnahmsweise keine Unterhaltspflicht, weil […]

b)

volljährige Kinder aa) (jeweils) Name, Geburtsdatum bb) eigene Einkünfte (Höhe)

c)

Ehegatte aa) Name, Geburtsdatum bb) eigene Einkünfte (Höhe)

d)

unterhaltsberechtigte Eltern aa) Name, Geburtsdatum bb) eigene Einkünfte (Höhe)

53

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

Sachverhalt/Frage

nein

ja

Angaben/Antworten

Nachweise liegen werden vor nachgereicht

12.

anerkannte Schwerbehinderungen, sonst. Einschränkungen d. Erwerbstätigkeit

13.

erlernter Beruf zusätzlich bei Selbstständigkeit bzw. Gesellschaftsinsolvenz

14.

Angaben zur Schuldnerunternehmung

a)

vollständige Firma

b)

Sitz

c)

HR A Nr.

d)

Handelsregisterauszug

e)

evtl. Zweigniederlassungen (vollständige Bezeichnung incl. Sitz)

f)

Geschäftsbetrieb aa) Branche bb) laufender Geschäftsbetrieb (s. auch VI.) cc) eingestellter Geschäftsbetrieb (1) eingestellt am (2) Grund der Einstellung

g)

Gesellschaftsvertrag/-verträge

h)

Gesellschafterbeschlüsse seit Gründung

i)

Liste der aktuellen und ehemaligen Gesellschafter (Name/n und aktuelle Anschrift/en)

15.

Steuerberater (Name, Anschrift)

16.

Stand der Buchhaltung

a)

letzte BWA

b)

letzte Summen-/Saldenliste

c)

Bilanzen/Jahresabschlüsse der letzten 3 Jahre

17.

Personalbuchhaltung

a)

Arbeitsverträge + Kündigungen der zuletzt beschäftigten Arbeitnehmer

b)

Gehaltsabrechnungen aller AN der letzten 12 Monate + Angabe der Lohnrückstände (seit wann?)

c)

Beitragsnachweise, Lohnsteueranmeldungen der letzten 3 Monate

54

IV. Bestellung eines Gutachters durch das Insolvenzgericht

Sachverhalt/Frage

nein

ja

Angaben/Antworten

Nachweise liegen werden vor nachgereicht

d)

Sozialversicherungsträger, Berufsgenossenschaften (jeweils Anschrift und Betriebs-/ Mitgliedsnummer)

e)

Angaben zum Betriebsrat

II.

AKTIVA

1.

Grundbesitz

a)

Amtsgericht, Liegenschaft, Grundbuchblatt

b)

Eigentumsanteil aa) Alleineigentum bb) Miteigentum zu […] Anteil

c)

Anschrift des Grundstücks

d)

Anordnung Zwangsverwaltung? ja/nein

e)

Anordnung Zwangsversteigerung? ja/nein

f)

Belastungen Abt. II, III

g)

Wer nutzt das Grundstück/die Immobilie aa) Selbstnutzung bb) Fremdnutzung durch […] (Mieteinnahmen s. u.)

h)

Besteht eine Gebäudeversicherung? aa) Versicherungsgesellschaft, Vers.-Nr. bb) Beitragsrückstände seit […]

i)

Nebenkosten aa) Grundsteuern (Zahlungsempfänger, Betrag, Fälligkeit) bb) Energiekosten (Zahlungsempfänger, Betrag, Fälligkeit) cc) Abwasser-/Kanalgebühren (Zahlungsempfänger, Betrag, Fälligkeit) dd) sonstige lfd. Kosten, z. B. Schornsteinfeger, Abfall, Straßenreinigung (Zahlungsempfänger, Betrag, Fälligkeit) ee) bei WEG – mtl. Hausgelder u. Verwaltergebühren (Zahlungsempfänger, Betrag, Fälligkeit)

55

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

Sachverhalt/Frage

nein

ja

Angaben/Antworten

Nachweise liegen werden vor nachgereicht

2.

Kraftfahrzeuge (Pkw, Zweiräder, o. Ä. – jeweils Zulassungsbescheinigung I + II bzw. Betriebserlaubnis)

a)

Marke, Modell

b)

amtl. Kennzeichen

c)

Baujahr/Erstzulassung

d)

Kilometerlaufleistung

e)

Eigentum/Leasing/Finanzierung (Sicherungsübereignung); bei Leasing/Fremd- o. Sicherungseigentum Vorlage Vertragswesen

f)

Kfz-Versicherungen (Haftpflicht/Kasko) bei Versicherung […] unter Nr. […] + Beitragshöhe und Fälligkeit (ggf. Rückstände)

g)

KfZ-Steuer (letzter Bescheid)

h)

Fahrzeug(e) zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit/Selbstständigkeit erforderlich (§ 811 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO)? aa) Arbeitszeiten/Schichtdiensttätigkeit? bb) Erreichbarkeit der Arbeitsstelle mit öffentl. Verkehrsmitteln (Fahrpläne)?

i)

Fahrzeug(e) als Hilfsmittel notwendig wg. körperlicher Gebrechen (§ 811 Abs. I Ziff. 12 ZPO)?

3.

Hausrat (wertvolle Gegenstände)

4.

Pfändbares Einkommen

a)

Name/Firma des Arbeitsgebers/Leistungsträgers nebst Anschrift und Personalnr./Az. (Vorlage Arbeitsvertrag/Leistungsbescheid)

b)

Höhe des Einkommens (Vorlage mind. der letzten 3 Gehaltsabrechnungen)

c)

evtl. Nebeneinkünfte (Daten u. Unterlagen wie 4. a) + b))

d)

Abtretungen der pfändbaren Einkommensanteil zug. Dritter

5.

Steuererstattungsansprüche

a)

privat aa) evtl. Erstattungsguthaben (letzter Einkommensteuerbescheid)

56

IV. Bestellung eines Gutachters durch das Insolvenzgericht

Sachverhalt/Frage

nein

ja

Angaben/Antworten

Nachweise liegen werden vor nachgereicht

bb) Welche Lohnsteuerklasse (Vorlage Lohnsteuerbescheinigung) cc) bei Ehegatten: gemeinsame/getrennte Veranlagung; ggf.: wann erfolgte Wechsel? b)

betrieblich (auch bei Gesellschaftsinsolvenz)

6.

Finanzanlagen (Lebensversicherungen, Bausparverträge o. Ä.)

a)

Lebensversicherungen (Versicherungsgesellschaft, Vers.-Nr.; Vorlage Vertrag)

b)

Bausparverträge (Bausparkasse, Bauspar-Nr.; Vorlage Vertrag)

c)

Wertpapiere, Aktiendepots

d)

Beteiligungen (Genossenschaftsanteile, Gesellschafterstellung o. Ä.)

e)

existieren zu a)-d) Rechte Dritter (Abtretungen, Verpfändungen, Pfändungen)

7.

Mietkautionsguthaben

8.

Mieteinnahmen

a)

Name, Anschrift d. Mieters (Mietvertrag)

b)

letzte Mietzahlung (Datum, Betrag)

c)

Rechte Dritter (Pfändungen, Verpfändungen, Zwangsverwaltung, Abtretungen)

9.

Schmuck, sonstige wertvolle Gegenstände

10.

Forderungen gegen Dritte bzw. L+ L

a)

Vorlage Drittschuldnerverzeichnis mit vollständiger Bezeichnung des Drittschuldners, Forderungsgrund und -betrag)

b)

Rechte Dritter (Pfändungen, Verpfändungen, Zwangsverwaltung, Globalabtretungen, Abtretungen)

11.

Bankguthaben

a)

Giro-/Geschäftskonten (Angabe aller Konten nebst Kreditinstitut und Kontonummer) aa) Kontoauszüge aller Konten (Zeitraum mind. 6 Monate vor Antragsstellung bis Eröffnung) bb) Rechte Dritter (Pfändungen, Verpfändungen, Abtretungen)

57

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

Sachverhalt/Frage

nein

ja

Angaben/Antworten

Nachweise liegen werden vor nachgereicht

b)

Sparbuch/Sparbücher/Sparkonten aa) aktuelles Guthaben und Buchungen mind. der letzten 6 Monate vor Antragstellung bis Eröffnung (Vorlage Sparbuch, Kontoauszüge) bb) Rechte Dritter (Pfändungen, Verpfändungen, Abtretungen)

c)

Schließfächer

12.

Patente/Lizenzen

13.

Sonstige Forderungen/Vermögenswerte (z. B. Internetdomain)

14.

Anfechtungen

a)

Befriedigungen einzelner Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung (haupts. 3 Monate vor Antragstellung) aa) Forderungspfändungen (Arbeitseinkommen, Bankguthaben, Ansprüche aus Versicherungen, Forderungen L+L) bb) Pfändungen Gerichtsvollzieher

b)

Ratenzahlungen an einzelne Gläubiger

c)

Zahlungen/Sicherheitenbestellung auf Druck einzelner Gläubiger Zusätzlich bei Selbstständigkeit bzw. Gesellschaftsinsolvenz

13.

Barkasse

a)

aktueller Barkassenbestand

b)

Kassenbuch (inkl. Originalbelege)+ Kassenberichte mind. 6 Monate vor Antragstellung bis Eröffnung

14.

Betriebs- und Geschäftsausstattung

a)

Inventarliste (möglichste genaue Gerätebezeichnung nebst Anschaffungsdatum + Anschaffungswert)

b)

evtl. Drittrechte (Verpfändungen, Pfändungen, Raumsicherungsverträge, Vermieterpfandrecht, Leasing, Sicherungsübereignung, Fremdeigentum)

15.

Vorratsbestand

a)

Inventurliste (möglichste genaue Bezeichnung nebst Kaufdatum + Kaufpreis, Angaben zu Zahlungen)

58

IV. Bestellung eines Gutachters durch das Insolvenzgericht

Sachverhalt/Frage

nein

ja

Angaben/Antworten

Nachweise liegen werden vor nachgereicht

b)

evtl. Drittrechte (Verpfändungen, Pfändungen, Raumsicherungsverträge, Vermieterpfandrecht, Leasing, Sicherungsübereignung, Fremdeigentum, Eigentumsvorbehalt)

III.

PASSIVA

1.

Dauerschuldverhältnisse

a)

Miete (Vorlage Mietvertrag)

b)

Leasingverträge

c)

Telefon-/Internet-/Handyverträge

d)

Energielieferungsverträge

e)

Versicherungsverträge (Haftpflicht, Betriebshaftpflicht, Unfall, Hausrat etc.)

2.

Insolvenzforderungen (Gläubigerliste nebst vollständiger Anschriften, Forderungsbetrag, ggf. Inkassodienstleister/Rechtsanwalt)

IV.

SONSTIGES

1.

Anhängige/laufende Rechtsstreite (Gegner, Gericht, Aktenzeichen, Verfahrensstand/ Termine, evtl. anwaltl. Vertreter)

2.

Aktuelle Pfändungen/Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (§§ 88, 89 InsO, ggf. § 129 ff InsO)

3.

Insolvenzgründe (Zeitpunkt der Zahlungseinstellung, Umsatzrückgänge, Forderungsverluste, Eintritt der Arbeitslosigkeit etc.)

V.

ZUSÄTZLICH BEI SELBSTSTÄNDIGKEIT/FREIBERUFLER + LAUFENDER GESCHÄFTSBETRIEB

1.

Derzeitiges Auftragsvolumen

a)

begonnene Aufträge mit Bearbeitungsstand

b)

nicht begonnene Aufträge

c)

Auftragsangebote/Auftragserwartungen

2.

Lieferanten/Bestellungen

a)

wichtigste Lieferanten

b)

offene Bestellungen

c)

dringende anstehende Bestellungen

3.

Kundenliste (vollständige Datensätze inkl. Anschriften und Ansprechpartner)

59

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

Sachverhalt/Frage

nein

ja

Angaben/Antworten

Nachweise liegen werden vor nachgereicht

4.

Dringende Wartungen/Reparaturen/ Investitionen

5.

Ist ein Warenwirtschaftssystem vorhanden?

6.

Je nach Branche: Verwendung eines EC-Cash-Geräts?

7.

Je nach Zielsetzung: Angabe potentieller Investoren

2. Konsequenzen für den Schuldner 225 Die erforderlichen Informationen hat der Schuldner in Erfüllung seiner Auskunfts- und Mitwirkungsverpflichtung bereitzustellen (§§ 20, 97 InsO).100) Erfüllt der Schuldner diese Pflichten nicht oder nicht in der gebotenen Art bzw. dem gebotenen Umfang, kann das Insolvenzgericht unter Beachtung des Erforderlichkeitsgrundsatzes die zwangsweise Auskunftserteilung anordnen (vgl. §§ 97, 98 InsO). Zudem gefährdet der Insolvenzschuldner u. U. die Bewilligung der Verfahrenskostenstundung und die Erteilung der Restschuldbefreiung, da die Mitwirkung ebenfalls eine Obliegenheit darstellt (vgl. § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO; § 4a Abs. 1 InsO). 226 In einem evtl. Strafverfahren dürfen die erteilten Informationen nur mit Zustimmung des Schuldners verwendet werden (strafrechtliches Verwertungsverbot des § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO).101) 227 Allein die Anordnung über die Bestellung eines Sachverständigen (Beweisbeschluss) hat keinen Einfluss auf die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Insolvenzschuldners. Sofern der Sachverständige die Gefahr der Schmälerung der Haftungsmasse befürchtet, regt er die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen (§§ 21 ff. InsO) gegenüber dem Insolvenzgericht an, um den Erhalt der künftigen Insolvenzmasse sicherzustellen. Erst dann erfahren die Befugnisse des Schuldners Einschränkungen (o Rn. 233 ff.).

___________ 100) Siehe hierzu OLG Jena, 12.8.2010 – 1 Ss 45/10, ZInsO 2011, 732 sowie OLG Celle, Beschl. v. 19.12.2012 – 32 Ss 164/12, ZInsO 2013, 731. Die OLGe sehen den Insolvenzgutachter nicht als Auskunftsberechtigten i. S. v. § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO an. 101) Siehe auch hierzu OLG Jena v. 12.8.2010, a. a. O. und OLG Celle v. 19.12.2012, a. a. O., die konsequent wegen der fehlenden Stellung als Auskunftsberechtigter das Verwendungsverbot in dem Fall negieren; zu Recht kritisch: Kemperdick, ZInsO 2013, 1116.

60

IV. Bestellung eines Gutachters durch das Insolvenzgericht

3. Vergütung des Gutachters Die Tätigkeit des Sachverständigen ist – ggf. neben der des vorläufigen In- 228 solvenzverwalters – angemessen zu vergüten. Die Vergütung des Sachverständigen richtet sich nach dem JVEG und ist als gerichtliche Auslage aus der Staatskasse zu begleichen (GKG – KV 9005). Dem Sachverständigen, der neben einem vorläufigen Insolvenzverwalter be- 229 stellt wird, steht gemäß § 9 Abs. 2 JVEG102) ein Stundensatz in Höhe von 80 € zu. § 9 Abs. 2 JVEG „[…] (2) Beauftragt das Gericht den vorläufigen Insolvenzverwalter, als Sachverständiger zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen (§ 22 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 der Insolvenzordnung, auch in Verbindung mit § 22 Absatz 2 der Insolvenzordnung), beträgt das Honorar in diesem Fall abweichend von Absatz 1 für jede Stunde 80 €. […]“

Wird ausschließlich ein Sachverständiger bestellt ohne, dass parallel die vor- 230 läufige Insolvenzverwaltung angeordnet wird (sog. „isolierter Sachverständiger“), sieht das Gesetz keine eindeutige Regelung vor. Aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 JVEG lässt sich jedoch ableiten, dass der Gesetzgeber ausschließlich den Fall geregelt hat, in dem der vorläufige Insolvenzverwalter auch als Sachverständiger agiert. Hierfür steht ihm „abweichend von Absatz 1“ ein Stundensatz von 80 € zu. Der Gesetzgeber ordnet demnach die Tätigkeit eines isolierten Sachverständigen den Vergütungsklassen des § 9 Abs. 1 JVEG zu.103) Angemessen dürfte eine Eingruppierung in die Honorargruppe 6 – 9 sein, sodass der Stundensatz des „isolierten Sachverständigen“ zwischen 90 € und 105 € liegen sollte.104) Zum Teil versenden die Insolvenzgerichte Informationen an die Verwalterbüros, welche Stundensätze beim zuständigen Insolvenzgericht abgerechnet werden können. Zusätzlich erhält der Sachverständige seine eigenen Auslagen sowie die Um- 231 satzsteuer aus der Staatskasse (§§ 7, 12 JVEG).

___________ 102) I. d. F. d. Art. 72. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (2. KostRMoG) v. 23.7.2013, BGBl. I S. 2586 m. W. v. 1.8.2013. 103) So auch LG Wuppertal, Beschl. v. 4.3.2014 – 16 T 37/14145, JurionRS 2014, 16084. 104) Ähnlich LG Wuppertal (a. a. O.), dass wenigstens eine Gleichstufung mit Gruppe 6 annimmt.

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C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

4. Maßnahmen im Verwalterbüro 232 Nach Eingang des Gutachterauftrags und des Aktenempfangs empfehlen sich folgende Arbeitsschritte: Praxistipp: Maßnahmen im Verwalterbüro nach Eingang des Gutachterauftrags • Aktenanlage und Erfassung der Beteiligten • Erstkontakt zum Schuldner (schriftlich/fernmündlich/persönlich) Die Kontaktdaten des Schuldners lassen sich in der Regel der Akte entnehmen. Zusätzliche Erkenntnisse bringen ggf. eine Internetrecherche und/oder ein erstes fernmündliches Gespräch mit dem Antragsteller. Bei einem laufenden Geschäftsbetrieb sollte der Gutachter in jedem Fall ein persönliches Aufsuchen am Geschäftssitz des Schuldners anstreben. Bereits mit Aufnahme des Erstkontakts sollte die Informationsbeschaffung anhand der Checkliste (o Rn. 224) erfolgen. • Fristen notieren: Abgabetermin Gutachten, ggf. Zwischenberichtsfristen, spätester Abgabetermin Gutachten bei laufendem Insolvenzgeldzeitraum (sobald der Zeitraum der Lohnrückstände bekannt ist, o Rn. 290 ff.) • Aktenrücksendung • Ggf. Anregung zur Anordnung von Sicherungsmaßnahmen (o Rn. 233 ff.), sobald zu sichernde Vermögenswerte festgestellt werden, regelmäßig bei laufendem Geschäftsbetrieb. • Ggf. Einrichtung eines Anderkontos Manche Verwalterkanzleien richten ein Anderkonto erst ein, wenn Vermögen festgestellt wird, einige praktizieren die Einrichtung unabhängig hiervon in jedem Verfahren unmittelbar nach Gutachterbestellung. Die geübte Kanzleipraxis ist also zu beachten. • Anschreiben an weitere Beteiligte, insbesondere Hausbank/en, Steuerberater, Krankenkassen, Finanzamt, Versicherungen Bei der Bestellung ausschließlich zum Gutachter sind die Informationen i. d. R. nur nach Vorlage einer Schweigepflichtentbindungserklärung/Vollmacht zur Informationsbeschaffung zu erhalten. Diese ist vom Schuldner zu unterschreiben. • Erfassung der Gläubiger • Ggf. Zwischenberichte an das Insolvenzgericht über die bis dahin entfalteten Tätigkeiten, wenn der Gutachterauftrag innerhalb der ersten Frist zur Einreichung des Abschlussgutachtens noch nicht abgeschlossen werden konnte. • Vermögenswerte ermitteln, Klärung evtl. Drittrechte

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V. Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts • Erstellung des Abschlussgutachtens105) • Vergütungsabrechnung Gutachtertätigkeit106) Sobald zu sicherndes Vermögen festgestellt wurde, ist die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gemäß §§ 21 ff. InsO anzuregen. Die weiteren, sodann folgenden Arbeitsschritte betreffen die vorläufige Insolvenzverwaltung (o Rn. 275).

V. Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts 1. Sicherungsmaßnahmen Wurde der Insolvenzantrag vom Insolvenzgericht zugelassen, gilt es u. a., die 233 künftige Insolvenzmasse – demnach das derzeitige Vermögen sowie den künftigen Neuerwerb (vgl. § 35 InsO) – zu ermitteln und zu sichern. Über die Anordnung von Maßnahmen, die den Erhalt der Haftungsmasse für die Gläubiger sicherstellen sollen, entscheidet das Insolvenzgericht durch Beschluss (§ 21 Abs. 1 Satz 1 InsO). Eines Antrags bedarf es insoweit nicht. Die Anordnung ergeht von Amts wegen und ist zu jedem Zeitpunkt des Eröffnungsverfahrens – auch vor abschließender Prüfung der Zulässigkeit des Eröffnungsantrags107) – möglich. Als Entscheidungsgrundlage dienen entweder die Angaben des Antragstel- 234 lers im Antrag oder die Ermittlungsergebnisse des nach Antragseingang gerichtlich bestellten Sachverständigen (o Rn. 219 ff.). Da das Insolvenzverfahren einen massiven Eingriff in die Sphäre des Schuld- 235 ners bedeutet, ist stets eine einzelfallbezogene Würdigung der Gesamtumstände vorzunehmen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit zu beachten.108) Welche Anordnungen im konkreten Einzelfall angezeigt, erforderlich und 236 verhältnismäßig sind, entscheidet das Insolvenzgericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Der Maßnahmenkatalog des § 21 Abs. 2, 3 InsO ist nicht abschließend, sondern beispielhaft zu verstehen.109) Im Fokus steht immer der Sicherungscharakter; Verwertungsbefugnisse zugunsten des vorläufigen Insolvenzverwalters sind nur als Ausnahme zu erteilen und immer dann angezeigt, wenn hierdurch ein Schaden von der Masse abgewendet werden kann, der ohne diese Befugnisse entstehen würde.110)

___________ 105) 106) 107) 108) 109) 110)

Muster siehe Heyn/Kreuznacht/Voß, Arbeitshilfen für Insolvenzsachbearbeiter, Rn. 398 ff. Muster siehe Heyn/Kreuznacht/Voß, Arbeitshilfen für Insolvenzsachbearbeiter, Rn. 400 ff. BGH, Beschl. v. 15.12.2011 – IX ZB 139/11, KSI 2012, 92. Exemplarisch BGH, Beschl. v. 14.12.2000 – IX ZB 105/00, NZI 2001, 191. Vgl. Wortlaut des § 21 Abs. 2 Satz 1 InsO: „[…] kann insbesondere […]“. Hierzu grundsätzlich u. a. BGH, Beschl. v. 14.12.2000 – IX ZB 105/00, NZI 2001, 191.

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C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

237 Die gängigsten Sicherungsmaßnahmen sind in der Praxis: Bestellung eines „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters oder eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters (§§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 22 InsO) 238 o Hierzu sogleich Rn. 260 ff. Untersagung oder einstweilige Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das bewegliche Vermögen111) (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO). 239 Das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO, wonach Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens in die Insolvenzmasse und in das sonstige Vermögen des Schuldners unzulässig sind, gilt erst ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Im Eröffnungsverfahren dagegen besteht für einzelne Gläubiger, selbst wenn die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet wurde, die Möglichkeit der Durchführung der Zwangsvollstreckung. Hierdurch erlangte Sicherheiten werden zwar mit Eröffnung unwirksam gemäß § 88 InsO (Rückschlagsperre o Rn. 1008 ff.). Zudem unterliegen durch die Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigungen unter den Voraussetzungen der § 129 ff. InsO der insolvenzrechtlichen Anfechtung (o Rn. 800 ff.); aber auch die Anfechtung setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraus. 240 Um im Antragsverfahren Vermögensabflüsse frühzeitig zu verhindern und Vermögen/Liquidität zu sichern, können durch gerichtliche Anordnung Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung untersagt und einstweilen eingestellt werden. Von höchster Wichtigkeit ist diese Sicherungsmaßnahme insbesondere, wenn ein laufender Geschäftsbetrieb fortgeführt werden soll. 241 Die Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO betrifft hauptsächlich: x

Die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen (vgl. §§ 803 ff. ZPO),

x

die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte (§§ 828 ff. ZPO),

x

die zwangsweise Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (vgl. §§ 807 ff. ZPO),112)

x

die Herausgabevollstreckung (vgl. §§ 883 ff. ZPO),

x

die Räumungsvollstreckung (§ 885 ZPO),

x

die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen (vgl. §§ 887 ff. ZPO),

x

die Vollziehung von Arresten und einstweiligen Verfügungen i. S. d. §§ 928, 936 ZPO.113)

___________ 111) Für unbewegliches Vermögen siehe §§ 30 ff. ZVG. 112) BGH, Beschl. v. 24.5.2012 – IX ZB 275/12, NZI 2012, 560.

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V. Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts

Hat ein Gläubiger einen Antrag auf Zwangsversteigerung oder Zwangsver- 242 waltung gestellt, ist diese Maßnahme nicht von § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO erfasst. Eine einstweilige Einstellung kann nur gemäß § 30d ZVG durch das Vollstreckungsgericht, nicht aber durch das Insolvenzgericht angeordnet werden. Anordnung einer vorläufigen Postsperre (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 InsO) Die Anordnung einer vorläufigen Postsperre geht regelmäßig einher mit der 243 Bestellung eines mindestens „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters und soll gewährleisten, dass dieser seiner Sicherungspflicht nachkommen kann. Gerade bei obstruierenden Schuldnern, die die Sicherungs- und Ermittlungsarbeit im Antragsverfahren behindern, ist die Anordnung einer vorläufigen Postsperre ein probates Mittel, dem zu begegnen. Das Gericht hat hierbei insbesondere die Verhältnismäßigkeit einer solchen Anordnung unter Berücksichtigung des Brief- sowie des Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG) zu beachten.114) Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO Mit einer Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO ist sichergestellt, dass 244 bewegliches Aus-/Absonderungsgut zunächst für die Betriebsfortführung eingesetzt werden darf, ohne dass der Berechtigte die Verwertung oder den Einzug verlangen kann. Voraussetzung ist, dass die jeweiligen Gegenstände für die Betriebsfortfüh- 245 rung von erheblicher Bedeutung sind. Eine pauschale Anordnung, ohne dass diese individualisierbare Ausführungen zu den betreffenden Gegenständen enthält, ist unwirksam. Daher bedarf auch die Anregung des Gutachters/ vorläufigen Insolvenzverwalters, eine solche Anordnung zu treffen, genauer Ausführungen, aus welchem Grund der jeweilige Gegenstand für die Fortführung von erheblicher Bedeutung ist.115) Ohne weitere Präzisierung nicht ausreichend wäre z. B. die Formulierung „die gesamte Betriebs- und Geschäftsausstattung“. Die Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO ist nicht gleichzusetzen mit 246 der sog. Einzelermächtigung, durch die der vorläufige Insolvenzverwalter ermächtigt wird, einzelfallbezogen Masseverbindlichkeiten zu begründen (o Rn. 886 ff.).116) Nutzt der vorläufige Insolvenzverwalter aufgrund einer Anordnung gemäß 247 § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO Gegenstände weiterhin, ergibt sich für den Berechtigten hieraus ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung von dem Zeitpunkt an, der drei Monate nach dieser Anordnung liegt (§§ 21 Abs. 1 Nr. 5, 169 Satz 2 InsO). Die Entschädigung ist aus der Insolvenzmasse zu bestreiten (§ 55 ___________ 113) 114) 115) 116)

HK-InsO/Schröder, § 21 Rn. 54 f. Vgl. OLG Celle, Beschl. v. 11.9.2000 – 2 W 87/00, NZI 2000, 583. BGH, Urt. v. 3.12.2009 – IX ZR 7/09), ZInsO 2010, 136. BGH, Urt. v. 3.12.2009 – IX ZR 7/09, ZInsO 2010, 136.

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C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

Abs. 2 InsO).117) Geht die Nutzung über die vertragliche Abrede hinaus, besteht zudem ein Anspruch auf Wertersatz.118) Einzelermächtigung 248 In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle wird im Eröffnungsverfahren ein „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. 249 Soll ein Geschäftsbetrieb fortgeführt werden, ergeben sich nicht selten Schwierigkeiten, die Weiterbelieferung/-versorgung sicherzustellen, da aufseiten der Gläubiger Vorsicht das Handeln bestimmt. Die Gläubiger können sich – trotz bargeschäftlicher Zahlungszusagen119), die der vorläufige Insolvenzverwalter regelmäßig erteilt – nicht sicher sein, dass ihre in der vorläufigen Insolvenzverwaltung begründeten Forderungen auch vor Eröffnung des Verfahrens noch bedient werden. Nach Eröffnung ist dem Insolvenzverwalter untersagt, Zahlungen auf vor Insolvenzeröffnung begründete Insolvenzforderungen zu leisten. Eine solche Zahlung wäre als Verstoß gegen die Befriedigungsreihenfolge (§§ 53, 38, 209 InsO) haftungsbewehrt.120) Um die Weiterbelieferung/ -versorgung und somit die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs sicherzustellen, kann das Insolvenzgericht den vorläufigen (schwachen) Insolvenzverwalter im Rahmen von § 22 Abs. 2 InsO ermächtigen, einzelfallbezogen Masseverbindlichkeiten zu begründen.121) Auf diesem Wege ist gewährleistet, dass die Geschäftspartner im vorläufigen Insolvenzverfahren, die Sicherheit im Rücken, dass die betreffenden Rechnungen auch nach Insolvenzeröffnung noch beglichen werden, mit der Weiterbelieferung fortfahren. 250 Die Anordnung gilt nicht für solche Zahlungsrückstände, die bereits vor Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung begründet wurden. Eine Verrechnung der Zahlungen zunächst auf die Altforderungen ist ausgeschlossen. 251 Eine Einzelermächtigung bedarf ebenfalls einer konkreten, individualisierten Ausführung; eine Pauschalanordnung schließt sich als unzulässig aus. Nach den Heidelberger Leitlinien122) soll es allerdings zulässig sein, eine Ermächtigung auch für einzelne Projekte/Projektgruppen (z. B. Bauprojekt „MarktHochhaus“) zu beschließen. Eine konkrete Projektbeschreibung nebst Darlegung des projektbezogenen Kostenaufwands ist allerdings auch hier unerlässlich.

___________ 117) 118) 119) 120) 121) 122)

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BGH, Beschl. v. 8.3.2012 – IX ZR 78/11, ZInsO 2012, 701. BGH v. 8.3.2012 a. a. O. Siehe hierzu BGH, Beschl. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZInsO 2002, 819. BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/04, NZI 2004, 435. BGH, Beschl. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, NZI 2002, 543. Heidelberger Leitlinien, ZInsO 2009, 1848.

V. Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts

Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses (§ 21 Abs. 2 Nr. 1a InsO) Mit der Bestellung des vorläufigen Gläubigerausschusses gemäß § 21 Abs. 2 252 Nr. 1a InsO ist der Gläubigerausschuss gemeint, der vor Eröffnung des Verfahren bereits tätig werden kann (o Rn. 91 ff.). Leistungsgebot an Drittschuldner Regelmäßig ergeht eine Aufforderung an Drittschuldner, nur noch an den 253 vorläufigen Insolvenzverwalter zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO). Dies dient einerseits der direkten Liquiditätsgewinnung, da so verhindert wird, dass auf dem oftmals debitorisch geführten Schuldnerkonto eingehende Gelder „eingefroren“ oder verrechnet werden, die erst nach Eröffnung im Wege der Anfechtung (o Rn. 800 ff.) liquiditätswirksam zur Masse verlangt werden können. Andererseits besteht so die Möglichkeit, evtl. an den Forderungen bestehende (manchmal kollidierende) Drittrechte sorgfältig zu prüfen. Betreten der Räume und Nachforschungen in den Räumen des Schuldners (§ 22 Abs. 3 Satz 1 InsO) Eine Anordnung, die das Betreten der Räume des Schuldners sowie das An- 254 stellen von Nachforschungen erlaubt, ist vor dem Hintergrund der „Verdunklungsgefahr“ gesetzlich vorgesehen. Hinsichtlich der Räume Dritter ist eine solche Anordnung nicht zulässig.123) Allgemeines Verfügungsverbot (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO) Ergeht die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots, bestellt das Ge- 255 richt regelmäßig einen vorläufigen Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners übergeht (§ 22 Abs. 1 Satz 1 InsO), da andernfalls Verfügungen über das Vermögen des Schuldners nicht mehr möglich wären. Bei Anordnung i. S. v. § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO handelt es sich um ein absolutes Verfügungsverbot (vgl. § 24 InsO i. V. m. §§ 81, 82 InsO). Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO) Ordnet das Gericht an, dass Verfügungen des Schuldners nur noch mit Zu- 256 stimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, ist gleichzeitig ein solcher zu bestellen. Zu beachten ist, dass ausschließlich Verfügungen124) dem Zustimmungsvorbehalt unterliegen. Verpflichtungsgeschäfte kann der Schuldner nach wie vor rechtlich wirksam eingehen.

___________ 123) BGH, Beschl. v. 24.9.2009 – IX ZB 38/08, NZI 2009, 766. 124) Im allgemeinen, zivilrechtlichen Sinne.

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C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren Praxistipp: Verfügung i. S. v. § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO definiert sich als ein Rechtsgeschäft, durch das der Verfügende auf ein Recht unmittelbar einwirkt, es also entweder auf einen Dritten überträgt oder mit einem Recht belastet oder das Recht aufhebt oder es sonst wie in seinem Inhalt verändert.125)

257 Verfügungen des Schuldners nach Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbots sind absolut unwirksam, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter diesen nicht zustimmt (§ 24 InsO i. V. m. §§ 81, 82 InsO).126) 258 Eine Ausnahme hierzu bilden dingliche Rechte (z. B. Grundpfandrechte, Eigentumsrechte), die zu ihrer Entstehung der Einigung und Eintragung im Grundbuch bedürfen. Fehlt zum Rechtserwerb lediglich noch die zum Zeitpunkt der Anordnung des Zustimmungsvorbehalts beantragte Eintragung, hat der künftige Berechtigte bereits eine gesicherte Rechtsposition, wobei der Rechtserwerb nur noch von der Bearbeitung durch das Grundbuchamt abhängt. In diesem Fall hindert der Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO den Eintritt des Verfügungserfolges nicht.127) 2. Aufgaben und Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters 259 Die Insolvenzordnung sieht dem Grunde nach zwei Möglichkeiten vor, mit welchen Befugnissen der vorläufige Insolvenzverwalter ausgestattet werden kann. a) Der starke vorläufige Insolvenzverwalter 260 Dem Schuldner kann ein allgemeines Verfügungsverbot (o Rn. 233 ff.) auferlegt werden; damit einher geht der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter hinsichtlich der (künftig) massebeschlagenen Vermögenswerte (sog. „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter, §§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1, 22 Abs. 1 InsO). Im gleichen Umfang verliert der Schuldner das Recht zur Verwaltung und Verfügung über die betreffenden Gegenstände. Zwar bleibt er Rechtsträger128), seine gegen die Anordnung getroffenen Verfügungen sind jedoch absolut unwirksam (vgl. § 24 InsO i. V. m. § 81 InsO). Die Befugnisse des mit Verwaltungs- und Verfügungsmacht ausgestatteten vorläufigen Verwalters sind denen des Insolvenzverwalters angenähert. Ausfluss dessen ist auch, dass Verbindlichkeiten, die der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter im Eröffnungsverfahren begründet, als Masseverbindlichkeiten qualifiziert sind (§ 55 Abs. 2 InsO). Mit der starken vorläufigen Insolvenzverwaltung geht ein erhebliches Haftungsrisiko ___________ 125) 126) 127) 128)

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BGH, Beschl. v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 24. FK-InsO/Schmerbach, § 21 Rn. 277. BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 136/11, NZI 2012, 614. MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 21 Rn. 24.

V. Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts

für den Bestellten einher. In der Praxis wird eher selten von der Anordnung einer starken vorläufigen Insolvenzverwaltung Gebrauch gemacht. b) Der schwache vorläufige Insolvenzverwalter Gilt es künftige, dem Massebeschlag unterliegende Gegenstände zu sichern, 261 ordnet das Gericht einen sog. Zustimmungsvorbehalt (o Rn. 256) an. Die Verfügungen des Schuldners sind in diesem Fall nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam (sog. „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter, §§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2, 22 Abs. 2 InsO). Verfügungen des Schuldners sind bis zur Genehmigung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter schwebend unwirksam (vgl. § 185 Abs. 2 BGB). Verweigert der vorläufige Insolvenzverwalter die Zustimmung, ist eine Verfügung des Schuldners endgültig unwirksam. Masseverbindlichkeiten können ebenfalls durch den „schwachen“ vorläufigen 262 Insolvenzverwalter begründet werden. Dies ist im Wesentlichen abhängig vom Umfang der gerichtlich angeordneten Sicherungsmaßnahme (o hierzu §§ 21 Abs. 1 Nr. 5, 55 Abs. 2 Satz 2 InsO, Rn. 233 ff.). Zudem ist in § 55 Abs. 4 InsO ein sog. „Fiskusprivileg“ verankert, auf das an späterer Stelle – ebenso wie zur bahnbrechenden und gleichermaßen umstrittenen Entscheidung des BFH vom 9.12.2010129) – noch detailliert eingegangen werden wird (o Rn. 886 ff.). Vor diesem Hintergrund werden ebenfalls Steuerverbindlichkeiten aus dem Eröffnungsverfahren zu Masseverbindlichkeiten aufgewertet. c) Verwertung und Notverwertung Im Eröffnungsverfahren gilt die Prämisse der Sicherung und Erhaltung des 263 Schuldnervermögens durch den vorläufigen Insolvenzverwalter. Dies bedeutet auch, dass der vorläufige Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht mit einem Verwertungsrecht ausgestattet ist. Das Verwertungsrecht steht dem Insolvenzverwalter zu (o Rn. 467 ff.). Die 264 Verwertung ist grundsätzlich erst nach dem Berichtstermin vorgesehen (vgl. § 159 InsO). Dem vorläufigen Insolvenzverwalter stehen nur dann Verwertungsbefugnisse 265 zu, wenn er hierdurch wenigstens eine Deckung der Verfahrenskosten und Masseverbindlichkeiten sicherstellen muss (vgl. § 25 Abs. 2 InsO).130) Soweit ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ausgestattet ist, bedarf es zur Verwertung keiner gesonderten Beschlussfassung des Insolvenzgerichts; klarstellend kann aber auch eine solche erfol-

___________ 129) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782. 130) Kübler/Prütting/Bork/Pape, InsO, § 25 Rn. 11.

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C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

gen.131) Ist „lediglich“ ein „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und sind Verwertungshandlungen wegen § 25 Abs. 2 InsO erforderlich, ist in jedem Fall eine dahingehende, gesonderte Beschlussfassung durch das Insolvenzgericht zu treffen, da der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter nicht mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnissen ausgestattet ist. 266 Soweit dies zur Kostendeckung erforderlich ist, stehen dem vorläufigen Insolvenzverwalter allerdings ausschließlich aus diesem Grund Verwertungsbefugnisse zu. 267 In weiteren Ausnahmefällen ist er befugt, eine „Notverwertung“ zu initiieren, wenn hierdurch Schaden von der Masse abgewendet werden kann. Dies ist insbesondere angezeigt, wenn sich verderbliche Waren im Schuldnervermögen befinden und ein Zuwarten bis nach dem Berichtstermin ohne weiteren Schaden zulasten der Gläubigerbefriedigung nicht denkbar ist. 268 Die Notverwertung kann durch einen „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter aus eigener Verfügungsbefugnis heraus vollzogen werden. Ein „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter muss einer vom Schuldner vorgenommenen Verwertungsverfügung zustimmen. Auch denkbar ist, dass das Insolvenzgericht den „schwachen“ vorläufigen Verwalter im Rahmen von § 22 Abs. 2 InsO mit der Verfügungsbefugnis nur für die Verwertung des/der einzelnen Vermögensgegenstands/Vermögensgegenstände ausstattet. 3. Konsequenzen für den Schuldner 269 Einher mit der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen und der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters gehen Einschränkungen auf Schuldnerseite. Der Schuldner verliert die Befugnis, alleine und rechtswirksam über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zu verfügen. Ist eine schwache vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet, ist die Wirksamkeit der Verfügung abhängig von der Zustimmung des vorläufigen Verwalters; ist ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, verliert der Schuldner selbst seine Verfügungsbefugnis auf ganzer Linie, soweit der künftigen Masse zugehörige Gegenstände betroffen sind. 270 Aus Schuldnersicht sind dies einschneidende Maßnahmen und Veränderungen, die neben dem oft existenziellen Druck noch zusätzlich das Gefühl der Unsicherheiten hervorruft. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist an einer professionellen und effizienten Bearbeitung des Verfahrens interessiert und ist im Antragsverfahren auf Informationen des Schuldners angewiesen, um sich zügig ein umfassendes Bild über die schuldnerische Vermögenslage zu machen. Der Schuldner ist zur umfassenden Auskunftserteilung und Mitwir___________ 131) AG Duisburg, Beschl. v. 29.3.2000 – 62 IN 10/00, DZWIR 2000, 306 m. Anm. Smid, DZWiR 2000, 308.

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V. Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts

kung verpflichtet (§§ 20, 97, 98 InsO). Oft sind es jedoch die weniger wichtig erscheinenden „Randinformationen“, die einen reibungslosen Ablauf und insbesondere auch die Fortführung eines Unternehmens oder Praxisbetriebs gewährleisten. Um möglichst umfassend und zeitnah auf diese Informationen zurückgreifen zu können, hat die Praxis gezeigt, dass die Schaffung einer guten Kommunikationsbasis die Voraussetzung für einen reibungslosen, effizienten und auch im Ergebnis erfolgreichen Verfahrensverlauf ist. In der Praxis empfiehlt sich daher, Vorurteilen und Vorbehalten mit einer Rollenklärung zu begegnen, indem die Aufgaben, Befugnisse und Funktionen sowie die rechtliche Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters geklärt werden. Meist ist der Schuldner erstmalig mit einer derartigen Situation konfrontiert. Werden die Wirkungskreise eindeutig definiert, steigt die Bereitschaft zur Mitwirkung beim Schuldner in gleichem Maße, wie Vorbehalte, Misstrauen und Vorsicht abgebaut werden. Auch sollte klargestellt werden, dass der vorläufige Insolvenzverwalter nicht als der rechtlich beratende Vertreter des Schuldners agieren darf. Zielführend ist darüber hinaus eine transparente Arbeitsweise und auch Kommunikation der Arbeitsschritte und Planungsumsetzung. Letzteres empfiehlt sich sowohl gegenüber dem Schuldner als auch gegenüber dem evtl. Mitarbeiterstamm, denn insbesondere die Mitwirkungsbereitschaft der Arbeitnehmer ist bei einer angestrebten Sanierung von höchster Wichtigkeit. Diese Vorgehensweise versteht sich nicht als Allheilmittel; es existieren stets 271 auch solche Schuldner, die beabsichtigen, sich frei von jeglichen Moralvorstellungen mittels einer „geplanten Insolvenz“ mit möglichst wenig finanziellem und auch sonstigem Einsatz Ihrer Verbindlichkeiten zu entledigen. In diesem Fall sind meist nur die gesetzgeberischen Mittel und Wege zur notfalls zwangsweisen Auskunftserteilung zielführend. Soweit der Schuldner in freiberuflicher Praxis tätig ist, ist der vorläufige In- 272 solvenzverwalter bereits aus berufsrechtlichen Gründen auf die Mitwirkung des Schuldners zwingend angewiesen, da er in der Regel nicht über die personenbezogenen Fachkompetenzen, Zulassungen, Approbationen o. Ä. verfügt, um einen Praxisbetrieb aufrechterhalten zu können. Die zuvor beschriebenen Grundsätze gelten gleichermaßen für den nach Er- 273 öffnung bestellten Insolvenzverwalter. 4. Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters Der vorläufige Insolvenzverwalter hat einen Anspruch auf eine angemessene 274 Vergütung seiner Tätigkeit, die, da nicht jede vorläufige Insolvenzverwaltung

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C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

in eine Verfahrenseröffnung mündet132), gesondert abzugelten ist (§ 63 Abs. 3 InsO, § 11 InsVV). Der Vergütung ist ein gesonderter Abschnitt gewidmet (o Rn. 1083 ff.). 5. Maßnahmen im Verwalterbüro 275 Wurden Sicherungsmaßnahmen angeordnet, sind – in Ergänzung zu den Arbeitsschritten nach Eingang des Gutachterauftrags (o Rn. 232 f.) – folgende weitere Maßnahmen zu ergreifen, soweit diese im jeweiligen Verfahren aufgrund der ermittelten Vermögenswerte angezeigt sind: Praxistipp: Maßnahmen im Verwalterbüro nach Anordnung von Sicherungsmaßnahmen • Drittschuldnerdaten erfassen. • Zustellung des Beschlusses über die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen an Drittschuldner (i. d. R. zusammen mit dem Aufforderungsschreiben zum Forderungseinzug). • Zustellnachweis an das Insolvenzgericht (§ 8 Abs. 3 InsO). • Forderungseinzug bei Drittschuldnern. • Ggf. Betriebsfortführung koordinieren (o Rn. 281 ff.). • Ggf. Antrag an das Grundbuchamt, Schiffsregister (Eintragung des vorläufigen Sperrvermerks, §§ 23 Abs. 3, 32, 33 InsO). Eine dahingehende Veranlassung besteht nur, wenn nicht bereits das Insolvenzgericht um entsprechende Eintragung ersucht hat (vgl. § 32 Abs. 2 InsO). • Vermögenswerte ermitteln und bewerten (Inventur, Inventarverzeichnis, Bilddokumentationen); ggf. ist die Hinzuziehung eines externen Bewerters/Industriegutachter/Sachverständigen angezeigt. • Vermögenswerte sichern. Die Sicherung erfolgt abgestimmt auf den Charakter des vorläufigen Verfahrens. Die Maßnahmen können im Einzelfall in dem einen Verfahren angezeigt/zwingend erforderlich sein, in einem anderen Verfahren nicht. Soll z. B. ein Speditionsbetrieb fortgeführt werden, bedarf es keiner näheren Erläuterung, dass die Inbesitznahme sämtlicher Lkw-Schlüsselsätze völlig kontraproduktiv wäre. Der folgende Katalog ist daher anwendbar, sofern der Umfang der angeordneten Sicherungsmaßnahmen dies umfasst und die jeweilige Maßnahme im Verfahren angezeigt ist: • Inbesitznahme der Zulassungsbescheinigungen (Teil 2) • Kfz-Schlüsselsätze sicherstellen. • Barkassenbestand auf das Anderkonto einzahlen, soweit nicht zur Fortführung benötigt.

___________ 132) Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 11 Rn. 1.

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VI. Fortführung des Geschäfts-/Praxisbetriebs im Eröffnungsverfahren • Inbesitznahme Schlüsselsätze Betriebsstätte, sofern nicht zur Fortführung benötigt. • Rechnungslegung nach Beendigung des Amtes und Abschluss der Tätigkeit (§§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 66 InsO.133) • Vergütungsantrag nach Beendigung des Amtes, spätestens jedoch mit Einreichung des Schlussberichts im eröffneten Verfahren.134)

VI. Fortführung des Geschäfts-/Praxisbetriebs im Eröffnungsverfahren 1. Fortführung oder Einstellung des Geschäftsbetriebs Ist der Schuldner selbstständig tätig, werden zum Zeitpunkt der Anordnung 276 der vorläufigen Insolvenzverwaltung bereits die Weichen gestellt, in welche Richtung sich das Insolvenzverfahren entwickelt. In der hochsensiblen Anfangsphase sind insbesondere die Entscheidungsgrundlagen zusammenzustellen, die der Gläubigerversammlung nach Eröffnung eine abschließende Entscheidungsfindung über die Fortführung oder Stilllegung des Betriebs ermöglicht (§ 157 InsO). Soweit tatsächlich, rechtlich und betriebswirtschaftlich darstellbar, wird ein laufender Geschäfts-/Praxisbetrieb daher gerade im Eröffnungsverfahren zunächst bis auf Weiteres fortgeführt. Ist eine zeitnah nach Verfahrenseröffnung erfolgende übertragende Sanierung beabsichtigt, ermöglicht § 158 InsO dem Verwalter die Veräußerung vor dem Berichtstermin mit Zustimmung des Gläubigerausschusses, wenn dies die bestmögliche Masseverwertung darstellt. Sofern es dem Erhaltungsinteresse dient, besteht auch die Möglichkeit, das Unternehmen an einen potentiellen Erwerber bis zum Votum der Gläubigerversammlung zu verpachten.135) Ist eine Fortführung aus rechtlichen, tatsächlichen und/oder betriebswirtschaft- 277 lichen Gründen nicht darstellbar und muss der Betrieb vor Einberufung der Gläubigerversammlung eingestellt werden, ist nach Eröffnung bereits vor dem Berichtstermin die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen (§ 158 Abs. 1 InsO). Zuvor bzw. in dem Fall, in dem ein solches Gremium nicht berufen ist, muss der Schuldner unterrichtet werden (§ 158 Abs. 2 InsO). Der Verwalter entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen. Sofern dies zeitlich möglich und umsetzbar ist, sollte er jedoch zur Vermeidung von Haftungsansprüchen (vgl. § 60 InsO) die Einsetzung eines vorläufigen Ausschusses (§ 67 InsO) anregen.136) Diese Grundsätze dürften auch auf die (im Fall der schwachen vorläufigen Verwaltung vom Schuldner initiierten) Einstellung im Antragsverfahren übertragbar sein.

___________ 133) 134) 135) 136)

Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 801 ff. Muster: Heyn/Kreuznacht/Voß, Arbeitshilfen für Insolvenzsachbearbeiter, Rn. 562 ff. OLG Rostock, Urt. v. 8.4.2011 – 5 U 31/08, NZI 2011, 488. FK-InsO/Wegener, § 158 Rn. 3.

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C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

Konstruktive Basis 278 Eine Fortführung des operativen Geschäftsbetriebs im vorläufigen (wie auch im eröffneten) Verfahren bedarf einer konstruktiven, koordinierten und zielgerichteten Arbeit auf ganzer Ebene. Angesichts der eingetretenen Krise trifft der vorläufige Insolvenzverwalter das folgende oder ein zumindest ähnliches Szenario an: 279 Der Schuldner selbst steht unter Druck, sieht sich – ebenso wie evtl. Angestellte – mit Existenzängsten konfrontiert und setzt alles daran, dass durch den „letzten Rettungsanker“ des Insolvenzverfahrens der Betrieb aufrechterhalten werden kann. Sicher, dies ist nicht in allen Verfahren der Fall – die Bandbreite der anzutreffenden Charaktere ist infinit. Ist der Schuldner bereits nicht willens oder in der Lage (z. B. aus gesundheitlichen Gründen), eine Betriebsfortführung sicherzustellen, sind in Regel alle weiteren Überlegungen zur Fortführung obsolet, da eine solche ohne den Schuldner kaum darstellbar ist. Dies gilt im Besonderen im Dienstleistungsbereich oder bei einer freiberuflichen Tätigkeit, da die Fortführungsfähigkeit maßgeblich von den in der Person des Schuldners verankerten besonderen Fähigkeiten und/oder einer personengebundenen Zulassung/Approbation abhängt. 280 Ist der Schuldner zur Mitwirkung auch mit Blick auf eine Fortführung bereit, sind umgehend nach Anordnung der vorläufigen Verwaltung Erstmaßnahmen zu ergreifen. Eine erfolgreiche Fortführung muss auch wirtschaftlich realisierbar sein. Um letztere Frage beantworten zu können, muss sich der vorläufige Insolvenzverwalter unverzüglich ein Bild über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens machen. Hierbei ist zweckdienlich, die Unterlagen und Informationen anhand einer Checkliste zusammenzutragen (o Rn. 224) und sodann auszuwerten. Zudem sind eine Sichtung und Auswertung der letzten aktuellen Unternehmenszahlen, Umsätze sowie eine Feststellung der Auftragslage unerlässlich. 281 Der (vorläufige) Insolvenzverwalter ist bei einem laufenden Geschäftsbetrieb verpflichtet, die Fortführungsaussichten zu prüfen. Der Senat hat zum Umfang bzw. zur Art und Weise der Prüfungspflicht wie folgt ausgeführt:137) „Der Verwalter ist vor der Entscheidung zur Fortführung des Schuldnerunternehmens u. a. zu einer realistischen Einschätzung der Werthaltigkeit bestehender und künftig zu begründender Masseforderungen verpflichtet. Welche Überprüfungen der Verwalter im Einzelnen anstellen muss, ist eine Frage des Einzelfalls, die verallgemeinernden Rechtssätzen nicht zugänglich ist.“

Der Prüfungsumfang zur Fortführungsfähigkeit und -würdigkeit ist also einzelfallbezogen vorzunehmen und umfasst insbesondere folgende Punkte: x

Analyse der Krisenursachen

282 Eine Analyse der Krisenursachen ist ein erster und wichtiger Parameter, um die Erfolgsaussichten einer Betriebsfortführung einschätzen zu können. ___________ 137) BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IX ZR 105/09, ZInsO 2012, 137.

74

VI. Fortführung des Geschäfts-/Praxisbetriebs im Eröffnungsverfahren

Zunächst ist zu unterscheiden, ob die Ursachen der Insolvenz im privaten (externen) oder im betrieblichen (internen) Bereich des Schuldners zu finden sind. Ist die Krise ausschließlich oder zu einem ganz überwiegenden Teil extern 283 bedingt, sind die Fortführungs- und Sanierungsaussichten in aller Regel erfolgversprechend, da betriebsbedingte Gründe nicht oder in geringem Umfang vorliegen. Als externe Krisen kommen beispielsweise in Betracht: x

Übersteigertes Konsumverhalten

x

Spekulationsgeschäfte und Steuergestaltungsmodelle

x

Scheitern der Ehe

x

Änderungen der Vergütungsvorschriften

x

Immobilienfehlinvestitionen

Interne Krisen können z. B. sein:

284

x

Fehlende Standortanalyse oder fehlende Reaktion auf veränderte Standortbedingungen;

x

fehlende oder mangelhafte Finanzplanung;

x

Fehlinvestitionen/-finanzierungen;

x

tatsachenferne Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung des Praxisbetriebs;

x

rückläufige Auftragslage bzw. Kunden-/Klienten-/Patientenzahlen;

x

hohe Forderungsausfälle/mangelhaftes Zahlverhalten oder Illiquidität der Kunden.

Sind die Krisen intern, also unternehmensbezogen, ist zu differenzieren, ob 285 die Fehler oder Ausfälle der Vergangenheit gerade auf die Liquidität durchschlagen, wobei der Betrieb ansonsten aber „gesund“ ist, oder ob zu erwarten ist, dass die Tendenz der Vergangenheit sich in naher Zukunft fortsetzen wird. Liegen die Krisenursachen im Bereich der rückläufigen Auftrags-/Kunden-/ Patienten-/Klientenzahlen und ist zu erwarten, dass sich diese Tendenz künftig fortsetzen wird, sind die Erfolgsaussichten einer Fortführung geringer als bei einem Unternehmen, das bei i. Ü. guter Auslastung in der Vergangenheit einen erheblichen Forderungsausfall eines Großkunden verzeichnen musste. Liegen Forderungsausfälle oder schleppendes Zahlungsverhalten der Kunden/ Klienten vor, lohnt sich eine Analyse der Gründe der fehlenden oder zögerlichen Begleichung der Verbindlichkeiten. Werden z. B. bei einen Handwerkerbetrieb zahlreiche Mängeleinreden erhoben, ist zu erörtern, ob und inwieweit diese begründet sind. Die subjektive Wahrnehmung des Schuldners weicht verschiedentlich von den objektiven Bewertungskriterien ab, sodass zu prü-

75

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

fen ist, ob das Unternehmen unter dem Gesichtspunkt überhaupt fortführungsfähig ist. x

Finanz- und Liquiditätsplanung

286 Erst durch die Aufstellung einer fundierten Finanzplanung wird der vorläufige Insolvenzverwalter (gleichermaßen wie der Insolvenzverwalter nach Eröffnung) in die Lage versetzt, die Liquiditätssituation und -entwicklung eines fortgeführten Betriebs zu beurteilen, zu analysieren, zu steuern und kontinuierlich zu verfolgen. Auf dieser finanzwirtschaftlichen Entscheidungsgrundlage stellt der (vorläufige) Insolvenzverwalter sicher, dass sich die Entwicklung nicht zum Nachteil der Gläubiger auswirkt. Durch die regelmäßige Gegenüberstellung der Plan- und Istwerte erhält der Verwalter stets einen Überblick, ob die geplanten Zahlen auch tatsächlich den realisierten entsprechen. Zudem ist ein sorgfältig erstellter Liquiditätsplan im weiteren Verlauf des Verfahrens aus haftungsrechtlicher Sicht entlastend, sollten dich die Planzahlen aufgrund unvorhersehbarer Umstände nicht realisieren lassen.138) Praxistipp: Insbesondere in umfangreicheren Verfahren empfiehlt sich die Erstellung eines Gutachtens nach dem IDW S6-Standard.139) Praxistipp: Wird eine Fortführung/Sanierung unter Eigenverwaltung im „Schutzschirmverfahren“ angestrebt, ist gemäß § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO eine Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Erforderlich ist ein aussagekräftiges, belastbares Sanierungskonzept i. S. e. fundierten Untersuchung unter Darlegung der wirtschaftlichen Entwicklung, einer Krisenanalyse, der angestrebten Sanierungsmaßnahmen und evtl. Sanierungshemmnissen sowie eine integrierte Sanierungsplanung (Ertrags-, Vermögens- und Finanzplan). Neben dem subjektiven Sanierungswillen müssen auch objektive Sanierungsfähigkeit und objektive Geeignetheit des Sanierungskonzepts vorliegen.140)

287 Wurde die Fortführungswürdigkeit und -fähigkeit des Betriebs bejaht, sind die unmittelbar nachstehenden Arbeitsschritte im Verwalterbüro ein Vorschlag zur weiteren Vorgehensweise.

___________ 138) BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, ZIP 2005, 311. 139) WPg Supplement 4/2012, S. 130 ff., FN-IDW 12/2012, S. 719 ff. 140) Entwurf IDW ES9 Standard: Bescheinigung nach § 270b InsO, ZInsO 2012, 536 ff. sowie hierzu krit. Frind, ZInsO 2012, 540.

76

VI. Fortführung des Geschäfts-/Praxisbetriebs im Eröffnungsverfahren

2. Maßnahmen im Verwalterbüro Wird ein Unternehmen in der vorläufigen Insolvenzverwaltung fortgeführt, 288 ergeben sich die nachfolgend dargestellten Handlungsoptionen für den vorläufigen Insolvenzverwalter. Diese sollen als „roter Faden“ dienen und erheben angesichts der Diversität der Verfahren keinen Anspruch auf den Status einer Handlungspflicht oder auf Darstellung eines abschließenden Katalogs. Praxistipp: Maßnahmen im Verwalterbüro Betriebsfortführung • Abwicklung des laufenden Zahlungsverkehrs über das Anderkonto oder ein separates Fortführungsanderkonto. Im Hinblick auf die Bestimmung der vergütungsrechtlichen Teilungsmasse, bei der „lediglich“ der Überschuss aus der Fortführung einfließt (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 b) InsVV), sind die ausschließlich die Fortführung betreffenden Vorgänge zu Einnahmen und Ausgaben so zu buchen, dass diese eindeutig der Fortführung zugeordnet werden können.141) Eine insoweit transparente Buchhaltung erleichtert beim Verfahrensabschluss die Vergütungsberechnung, die Schlussrechnungslegung und die Überprüfung durch das Insolvenzgericht. Die Praxis zeigt, dass eine Buchung auf einem zusätzlich zum „normalen“ verfahrensspezifischen Anderkonto zu eröffnenden Fortführungsanderkonto zur Transparenz wesentlich beiträgt. Soweit Zahlungszusagen erteilt und/oder Ausgaben aufgrund einer Einzelermächtigung (o Rn. 246 ff.) anstehen, ist die Anlage einer Übersicht über die getätigten und noch anstehenden Ausgaben praxisbewehrt. • Regelmäßige Barkassenbestandseinzahlungen auf Anderkonto/Fortführungsanderkonto (Kassenbuchführung) • Lieferanteninformation und Forderungseinzug Zahlungseingänge zum Anderkonto/Fortführungsanderkonto sind sicherzustellen. Auf evtl. verwendeten schuldnerbetrieblichen Briefbögen ist die Bankverbindung des Schuldners zu streichen. Zudem empfiehlt sich, da viele Beteiligte die Stammkontendaten in ihrem Zahlsystem hinterlegt haben, ein besonders ins Auge fallender Hinweis auf die geänderte Bankverbindung! Lieferanten fordern gesonderte Zusagen (Zahlungszusagen), die der vorläufige Insolvenzverwalter zur Sicherstellung der Weiterbelieferung aussprechen wird. U. U. ist eine vorherige Einzelermächtigung (o Rn. 248 ff.) beim Insolvenzgericht anzuregen. • Auftragsbestand/Kundenstamm sichern (transparente, vertrauensgewinnende Kommunikation zwischen dem Schuldner und dem vorläufigen Insolvenzverwalter) • Inventarverzeichnis und Bewertung des Sachanlagevermögens Ggf. ist eine Anregung zur Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO (o Rn. 244 ff.) auszusprechen.

___________ 141) Siehe zu den einzelnen Konten Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 291 ff.

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C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren • Anfangsinventur auf den Stichtag der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung sowie zum Stichtag der Beendigung des Amtes eine Endinventur (Umlaufvermögen) Wird der Betrieb nach der Insolvenzeröffnung weiter fortgeführt stellt die stichtagsbezogene Endinventur der vorläufigen Verwaltung gleichzeitig das in das eröffnete Verfahren überführte Vermögen dar (Anfangsinventurbestand Insolvenzverwaltung Hauptverfahren). • Aus- und Absonderungsrechte klären. Bei undurchsichtigen Rechtslagen oder Kollisionslagen empfiehlt sich bis zur abschließenden Klärung u. U. die Einrichtung eines weiteren Anderkontos, um betroffene Geldzuflüsse zu separieren. Soweit eine Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO ergangen ist, sind evtl. Nutzungsentgelte/Wertersatzansprüche im Rang einer Masseverbindlichkeit mit einzuplanen (o Rn. 886 ff). • Versicherungsschutz prüfen (branchenspezifisch). • Vertragsverhältnisse prüfen. Welche Vertragsverhältnisse sind zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs zwingend erforderlich? Hinsichtlich der Energieversorger und Wasserlieferanten und anderer Versorger sind jeweils auf die Anordnung der vorläufigen Verwaltung und den Eröffnungszeitpunkt stichtagsbezogen Zählerstandablesungen anzustrengen. So ist gewährleistet, dass nur die Lieferungen im vorläufigen Verfahren und nicht ältere Verbindlichkeiten bedient werden (diese sind zur Tabelle anzumelden!). Mit Eröffnung erfolgt erneut eine stichtagsbezogene Abgrenzung, da die nach Eröffnung anfallenden Kosten Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind. • Personalbezogene Tätigkeiten. Ausgewählte Mitarbeiter des Schuldners sind zur Betriebsfortführung unerlässlich. Zunächst empfiehlt sich, die Mitarbeiter über die aktuelle Situation und das weitere Vorgehen im Rahmen einer Betriebsversammlung zu informieren. Für den zu ermittelnden Insolvenzgeldzeitraum sind u. U. Insolvenzgeldvorfinanzierungen (o Rn. 309) zu veranlassen. In Anlehnung an den Insolvenzgeldzeitraum ist der angestrebte Eröffnungsstichtag zu bestimmen. Ggf. sind bereits Kündigungen vorzubereiten oder auszusprechen. Bei einer „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwaltung ist die Kündigung vom Schuldner (schriftlich!) auszusprechen und nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam. Hierbei ist insbesondere darauf zu achten, dass arbeitsrechtliche Besonderheiten eingehalten werden (Zustimmungserfordernisse, Massenentlassungsanzeige, Kündigungsschutz etc.). • Oktroyierte Masseverbindlichkeiten berücksichtigen. Insbesondere Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis erfahren mit Eröffnung des Verfahrens eine Aufwertung zu Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 InsO142) bzw. § 55 Abs. 4 InsO.

___________ 142) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782.

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VII. Arbeitsverhältnisse im Eröffnungsverfahren und Insolvenzgeld Wurde eine „starke“ vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet, sind die vom vorläufigen Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten solche der Masse gemäß § 55 Abs. 2 InsO. • Ggf. Aufnahme eines Massekredits.143)

Bei der Betriebsfortführung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind 289 noch weitere Besonderheiten zu beachten, auf die an entsprechender Stelle noch näher eingegangen werden wird (o Rn. 596 ff.). VII. Arbeitsverhältnisse im Eröffnungsverfahren und Insolvenzgeld 1. Insolvenzgeld Beschäftigt ein selbstständig tätiger Schuldner Arbeitnehmer, kann er im un- 290 mittelbaren Vorfeld der Insolvenz oftmals die Löhne und Gehälter wegen fehlender finanzieller Mittel nicht mehr zahlen. Die Arbeitnehmer sind, da die Insolvenz des Arbeitgebers auch für sie und 291 ihre Familien existenzbedrohend ist, über ein staatliches „Auffangnetz“ abgesichert: das Insolvenzgeld. Die Voraussetzungen zur Gewährung von Insolvenzgeld sind in §§ 165 ff. SGB III geregelt. Die Zahlungen des Insolvenzgelds erfolgen über die Bundesagentur für Arbeit. a) Zeitraum Insolvenzgeld wird für einen Zeitraum von maximal drei Monaten gezahlt 292 (§ 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Der Anspruchszeitraum gilt für die einem Insolvenzereignis vorausgegangenen drei Monate. Als Insolvenzereignis definiert § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, die Abweisung des Antrags mangels Masse oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Beispiel: Insolvenzeröffnung: Insolvenzgeldzeitraum:

293 1.11. 1.8. – 31.10.

Wurde das Arbeitsverhältnis bereits vor dem Insolvenzereignis beendet, sind 294 die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses maßgeblich. ___________ 143) Wohl über den Weg der Einzelermächtigung auch für den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter möglich; vgl. BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 sowie zum Thema krit. Bähr/Schwartz in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Rn. 126 ff.

79

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

295 Beispiel: Insolvenzeröffnung:

1.11.

Beendigung des Arbeitsverhältnisses:

31.7.

Insolvenzgeldzeitraum:

1.5. – 31.7.

296 Soweit das Arbeitsverhältnis über den Eröffnungszeitpunkt hinaus fortdauert, sind die Lohn- und Gehaltsansprüche der Arbeitnehmer als Masseverbindlichkeiten zu bedienen (§ 55 InsO). 297 Beispiel: Insolvenzeröffnung: Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Insolvenzgeldzeitraum: Masseverbindlichkeit:

1.11. 31.12. 1.8. – 31.10. 1.11. – 31.12.

298 Sind die Löhne für einen längeren Zeitraum rückständig, ist der Arbeitnehmer hinsichtlich der ihm über den Dreimonatszeitraum hinaus zustehenden Ansprüche auf die Geltendmachung zur Insolvenztabelle verwiesen (§§ 38, 174 InsO). b) Höhe 299 Insolvenzgeld wird in Höhe des Nettoarbeitsentgelts gezahlt (§ 167 Abs. 1 SGB III). 300 Zudem zahlt die Agentur für Arbeit auf Antrag der zuständigen Einzugsstelle (Krankenkasse) auch die für den Insolvenzgeld-Zeitraum rückständigen Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung sowie die Beiträge zur Arbeitsförderung (§ 175 SGB III). c) Antrag 301 Insolvenzgeld wird nur auf Antrag gezahlt (Vordruck „Insg 1“ der Bundesagentur für Arbeit). Liegt der Bundesagentur ein solcher Antrag vor, wendet sich die Behörde nach der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter (bzw. im Fall der Abweisung mangels Masse an den Schuldner), der auf der Grundlage der ihm vorliegenden Lohn-/ Gehaltsabrechnungen Insolvenzgeldbescheinigungen ausstellt. Aus diesem Grunde ist insbesondere darauf zu achten, dass die für diesen Zeitraum maßgeblichen Abrechnungen vorliegen bzw. zeitnah erstellt werden. 302 Der Antrag ist vom Arbeitnehmer innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Vorliegen des Insolvenzereignisses zu stellen (§ 324 Absatz 3 SGB III). Fristbeginn ist unabhängig von dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses immer das Insolvenzereignis. 80

VII. Arbeitsverhältnisse im Eröffnungsverfahren und Insolvenzgeld

Bei einem Fristversäumnis aus Gründen, die der Arbeitnehmer nicht zu ver- 303 treten hat, wird das Insolvenzgeld gewährt, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt und die Gründe für die Verzögerung ausführlich dargelegt worden sind. d) Zahlung Die Zahlung von Insolvenzgeld setzt ein Insolvenzereignis voraus (o Rn. 292). 304 Eine Zahlung erfolgt sodann regelmäßig rückwirkend für den Insolvenzgeldzeitraum. Bis dahin sind die Arbeitnehmer grundsätzlich darauf verwiesen, diesen Zeit- 305 raum bis zum Geldfluss zu „überbrücken“. Für eine Vielzahl ist dies jedoch angesichts der laufenden Kosten des Lebensunterhalts mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. § 168 SGB III sieht für den Fall vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Vorschuss auf das Insolvenzgeld gezahlt werden kann. Eine andere Möglichkeit ist die Ausstellung einer sog. „Bankbescheinigung“. 306 Wird ein Vorschuss nicht gezahlt, besteht die Möglichkeit, dass der vorläufige Insolvenzverwalter bestätigt, dass ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wurde und dass der Arbeitnehmer aller Voraussicht nach einen Anspruch auf Insolvenzgeld haben wird. Unter Vorlage dieser Bescheinigung bei der eigenen Hausbank des Arbeitnehmers zeigt die Praxis, dass viele Banken den Arbeitnehmern – meist unter der Voraussetzung der Abtretung der Ansprüche – die Möglichkeit einräumen, das eigene Girokonto zinsfrei zu überziehen. Auf diese Weise ist jedenfalls sichergestellt, dass der Arbeitnehmer seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. e) Anspruchsübergang In Höhe des gezahlten Insolvenzgeldes findet ein gesetzlicher Anspruchs- 307 übergang statt (§ 169 SGB III). Die Forderung des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Zahlung des Lohns/Gehalts geht auf die Agentur für Arbeit über. Diese Forderung kann nur im Rang eines Insolvenzgläubigers zur Tabelle an- 308 gemeldet werden (§ 55 Abs. 3 Satz 1 InsO). Eine Geltendmachung als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO) ist ausgeschlossen. Gleiches gilt für die in diesem Zeitraum anfallenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge (§ 175 SGB III). 2. Insolvenzgeldvorfinanzierung Arbeitnehmer sind regelmäßig auf laufende Lohnzahlungen angewiesen. Soll 309 ein Betrieb fortgeführt werden, sind die Arbeitnehmer kaum zur Weiterarbeit zu motivieren, wenn sie drei Monate auf Ihr/en Gehalt/Lohn warten müssen. 81

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

310 Ist die Fortführungsprognose positiv, besteht die Möglichkeit, das Insolvenzgeld vorzufinanzieren. 311 Hat der vorläufige Insolvenzverwalter die für den Insolvenzgeldzeitraum ausstehenden voraussichtlichen Lohn- und Gehaltsansprüche ermittelt, finanziert er das Insolvenzgeld über ein bei einer Bank i. H. d. Gesamtsumme zu beantragendes Darlehen vor. 312 Zur Vorfinanzierung bedarf es der Zustimmung der Agentur für Arbeit (§ 170 Abs. 4 SGB III). Wird dargelegt, dass der überwiegenden Teil der Arbeitsplätze bei Fortführung des Unternehmens erhalten bleibt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Zustimmung erteilt wird, hoch. 313 Das finanzierende Kreditinstitut ist abgesichert über die von den Arbeitnehmern im Rahmen der Vorfinanzierung zu erklärende Abtretung der betreffenden Ansprüche. 314 Die Vorfinanzierung ist grundsätzlich auch im Rahmen einer (vorläufigen) Eigenverwaltung (§§ 270a, 270b InsO) möglich, wobei Insolvenzgeld auch dann nur in dem Fall gezahlt wird, wenn es zu einer Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens kommt. Ist eine vorherige Sanierung erfolgreich, ohne dass der Eröffnungsantrag beschieden wurde, besteht kein Anspruch auf Zahlung von Insolvenzgeld.144) Praxistipp: Die Zahlung von Insolvenzgeld setzt immer ein Insolvenzereignis voraus. Ausgehend alleine von dieser Voraussetzung müsste der Insolvenzverwalter daher nur und erst im Eröffnungsfall Tätigkeiten entfalten und Insolvenzgeldbescheinigungen ausstellen. Es gibt jedoch eine Vielzahl anderer Gründe, warum sich bereits im Eröffnungsverfahren eine frühzeitige Klärung der Arbeitsverhältnisse und der daraus erwachsenden Ansprüche empfiehlt: • Insolvenzgeldvorfinanzierung bei Betriebsfortführung • Insolvenzgeldvorschuss oder „Bankbescheinigung“ • Feststellung der Höhe der aus den Arbeitsverhältnissen resultierender Insolvenzforderungen (bis zur Eröffnung begründete Ansprüche) und evtl. Masseverbindlichkeiten nach Eröffnung • Feststellung der mit dem Ziel der Sanierung erforderlicher (ggf. frühzeitiger) Kündigungen Die Anregung für die Praxis kann daher nur lauten: Es ist möglichst frühzeitig eine Liste der aktuell/zuletzt beschäftigten Arbeitnehmer anzufertigen, aus der sich mindestens die relevanten Eckdaten (Name, Adresse, Geburtsdatum, Betriebszugehörigkeit, Zeitpunkt der letzten Lohn-/

___________ 144) DA zu § 170 SGB III, Stand Mai 2013.

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VII. Arbeitsverhältnisse im Eröffnungsverfahren und Insolvenzgeld Gehaltszahlung, evtl. Kündigungsdatum, arbeitsrechtliche Besonderheiten, z. B. Schwerbehinderung, Betriebsrat, Mutterschutz, Elternzeit) entnehmen lassen. Parallel sollten folgende Informationen/Unterlagen angefordert werden: Betriebsnummer, Lohn-/Gehaltsabrechnungen der letzten sechs Monate, Arbeitsverträge, Meldungen zur Sozialversicherung, Lohnsteueranmeldungen, vollständige Liste der beteiligten Sozialversicherungsträger, anhängige Klageverfahren, Tarifverträge, evtl. Kündigungsschreiben nebst Zugangsnachweis.

3. Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Eröffnungsverfahren Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung ist unter Beach- 315 tung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen bereits im Eröffnungsverfahren zulässig. Kündigungen werden unter Ausübung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters (§§ 21 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1, 22 Abs. 1 InsO) durch diesen oder durch den Schuldner mit Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters (§§ 21 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2, 22 Abs. 2 InsO) ausgesprochen. Die Kündigung ist unter Beachtung der vertraglichen oder gesetzlichen Kün- 316 digungsfristen auszusprechen. Im eröffneten Verfahren ist dagegen die verkürzte – und daher im Einzelfall für das Verfahren „günstigere“ – Kündigungsfrist des § 113 InsO einzuhalten. Diese beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Für eine vom „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter ausgesprochene Kündigung eines Arbeitsverhältnisses gilt diese verkürzte Kündigungsfrist des § 113 Satz 2 InsO nicht.145) Erst Recht kann sich eine Kündigung der Geschäftsleitung mit Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters nicht auf diese verkürzte Kündigungsmöglichkeit stützen. Zu berücksichtigen sind stets evtl. arbeitsrechtliche Besonderheiten (z. B. Be- 317 triebsrat, Schwerbehinderung, Mutterschutz, Massenentlassungsanzeige146) etc.). Stets ist darauf zu achten, dass der Zeitpunkt des Zugangs der schriftlichen 318 Kündigung nachweisbar festgehalten wird. Dies kann durch persönliche Quittierung des Erhalts der Kündigung durch den Arbeitnehmer oder durch die bekannten postalischen Nachweise erfolgen. Soweit die Arbeitskraft des Arbeitnehmers nicht mehr gefordert ist, erfolgt 319 der Kündigungsausspruch regelmäßig unter sofortiger oder stichtagsbezogener Freistellung, wobei evtl. Resturlaubsansprüche und Ansprüche auf Freizeitgewährung auf die Zeit der Freistellung angerechnet werden können. Übersteigt die Freistellungszeit die Resturlaubsdauer, besteht die Möglichkeit, dasjenige auf den Vergütungsanspruch anzurechnen, was der Arbeit___________ 145) BAG, Urt. v. 20.1.2005 – 2 AZR 134/04, ZIP 2005, 1289. 146) Siehe hierzu instruktiv Pohlner, InsbürO 2013, 49 ff., 91 ff.

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C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

nehmer durch Einsatz seiner Arbeitskraft bei einem anderen Arbeitgeber erwirbt (§§ 615 Satz 2, 254 Abs. 2 Satz 1 BGB). 320 Bereits anhängige Klageverfahren werden erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen (§ 240 ZPO). 321 Zu den Kündigungsvoraussetzungen nach Insolvenzeröffnung wird im entsprechenden Kapitel näher ausgeführt werden (o Rn. 978 ff.). VIII. Das Gutachten des Sachverständigen 322 Der Sachverständige hat den Auftrag, zum Abschluss seiner Ermittlungen ein umfassendes Gutachten einzureichen, in dem er zu den ihm zur Klärung übertragenen Sachverhalten gutachterlich Stellung nimmt. Dieses Gutachten ist auch einzureichen, wenn der Sachverständige zeitgleich als vorläufiger Insolvenzverwalter tätig war. Das Fazit des Gutachtens ist i. a. R. eine Beschlussempfehlung. Unter Gesamtwürdigung der gutachterlichen Ermittlungsergebnisse regt der Sachverständige an, das Insolvenzverfahren zu eröffnen, den Antrag mangels Masse abzuweisen oder den Antrag als unzulässig oder unbegründet zurückzuweisen. 323 Die Eröffnungsvoraussetzungen zu einem zulässigen und begründeten Antrag liegen vor, wenn die ermittelten Vermögenswerte die voraussichtlichen Kosten des Insolvenzverfahrens decken oder die Stundungsvoraussetzungen vorliegen, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wurde (o Rn. 190 ff.). Sind die Kosten nicht gedeckt oder ergeben sich Anhaltspunkte, dass die beantragte Stundung nicht zu bewilligen ist, ist anzuregen, den Antrag auf Eröffnung mangels Masse abzuweisen. 324 Ein Antrag ist zulässig, wenn die Voraussetzungen der §§ 13, 14 InsO vorliegen (o Rn. 138 ff.). 325 Die Begründetheit des Antrags ist gegeben, wenn ein für die Rechtsform einschlägiger Eröffnungsgrund vorliegt (o Rn. 177 ff.). 326 Der Gutachter führt zu jedem Unterpunkt des Gutachterauftrags ausführlich aus. 327 Bei der Vermögensdarstellung hat er die nachfolgenden Grundsätze und Besonderheiten zu beachten. 1. Ermittlung der Vermögenswerte und Schuldenstruktur 328 Der Sachverständige/Gutachter stellt in seinem Abschlussgutachten eine umfassende Vermögensanalyse des Schuldners vor (Überschuldungsstatus). In Verbraucherinsolvenzverfahren gehören hierzu alle privaten Vermögenswerte und Verbindlichkeiten. Bei Selbstständigen/ehemals Selbstständigen sind zusätzlich zu dem privaten Bereich die betrieblichen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten anzuführen.

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VIII. Das Gutachten des Sachverständigen

Zu jedem Vermögenswert (Aktiva) bedarf es sowohl einer Darstellung der 329 Rechtsverhältnisse, als auch einer Bewertung unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Bei den Rechtsverhältnissen steht eine Darstellung unter der Kernfrage „Ist 330 der Vermögenswert massezugehörig?“ im Vordergrund (§§ 35, 36 InsO). Zu schildern sind demnach die Eigentumsverhältnisse sowie die rechtliche Würdigung evtl. Drittrechte (Aussonderung o Rn. 501 ff.; Absonderung o Rn. 519 ff.). Die Aufgabe des Sachverständigen besteht daneben in der Bewertung des Ver- 331 mögens (o nachfolgend Rn. 333 ff.). Dem gegenüberzustellen sind die Verbindlichkeiten (Passiva). Neben der Ein- 332 ordnung zu den jeweiligen Masseverbindlichkeiten sind hierbei auch die Zuordnung zu Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) und Nachrangforderungen (§ 39 InsO) vorzunehmen. Zudem sind die Sicherheiten zu den jeweiligen Forderungen der Gläubiger anzuführen. Merke: Der Wert der Drittrechte in der Aktiv-Übersicht ist stets identisch mit dem der Sicherheiten in der Passiv-Übersicht! 2. Bewertung von Vermögenswerten a) Allgemeines Bei der Bewertung von Vermögensgegenständen werden im Wesentlichen 333 zwei Wertansätze unterschieden: Der Liquidationswert und der Fortführungswert. Diese Unterscheidung ist bedeutsam bei selbstständig oder freiberuflich tätigen Schuldnern. Im Verbraucherinsolvenzverfahren oder in den Verfahren über das Vermögen 334 von Unternehmern, deren Geschäfts-/Praxisbetrieb bereits eingestellt ist, wird i. a. R. ausschließlich nach Liquidationswerten (o Rn. 344 ff.) bemessen. Handelt es sich um einen laufenden, fortführungswürdigen und -fähigen Ge- 335 schäfts-/Praxisbetrieb, ist von Fortführungswerten (Going Concern) auszugehen (o Rn. 347), die i. a. R. höher liegen als die Liquidationswerte. Die Bewertung erfolgt auf den Stichtag der Insolvenzeröffnung, da in diesem 336 Moment die Frage des Vorliegens der Eröffnungsvoraussetzungen (demnach auch der Kostendeckung und des Insolvenzgrundes) zur Beantwortung ansteht. b) Bewertungsgrundlagen Die Wertfeststellung hat unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erfol- 337 gen. Letzteres ist Ausfluss des Prinzips des Grundsatzes der bestmöglichen Verwertung, d. h. Verwertung mit maximaler Gewinnerzielung, den der In85

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

solvenzverwalter nach Eröffnung stets beachten muss. Zudem haben die Verwertung und Verwaltung masseschonend, d. h. mit einem angemessenen und vertretbaren Kostenaufwand, zu erfolgen. 338 Stellt sich heraus, dass bei der im eröffneten Verfahren anstehenden Verwertung für die Insolvenzmasse kein die Verwaltungs- und Verwertungskosten übersteigender Erlös zu erwarten ist, kann der Insolvenzverwalter einen einzelnen Vermögenswert aus dem Insolvenzbeschlag freigeben (o Rn. 481 ff.). 339 Die Bewertung von Aktivposten ist in manchen Fällen mit wenigen Schwierigkeiten verbunden. So kann ein Rückkaufswert einer Lebensversicherung, die Höhe des Bausparguthabens, ein Sparguthaben o. Ä. durch eine schriftliche Anfrage beim jeweiligen Vertragspartner ohne größere Umstände festgestellt werden. Bei anderen Vermögenswerten ist die Wertermittlung aufwendiger oder verlangt Fachwissen. 340 Befindet sich z. B. ein Pkw im Vermögen des Schuldners und liegen alle notwenigen Parameter (Marke, Fabrikat, Erstzulassung, Baujahr, Kilometerstand, Schäden, besondere Abnutzungserscheinungen etc.) vor, kann eine annähernde Feststellung des Marktwerts über Gebrauchtwagenportale (Internet) oder Gebrauchtwagenlisten realisiert werden. Auch diese Bewertung ist vergleichsweise noch ohne Schwierigkeiten möglich. Die meisten Industrieverwerter oder Kfz-Sachverständigen bieten die Möglichkeit, ein kostengünstiges Kurzgutachten erstellen zu lassen. Ein solches Gutachten bietet belastbare Wertangaben zum jeweiligen Pkw. 341 Sind allerdings Spezialmaschinen im Bestand der Betriebs- und Geschäftsausstattung eines Selbstständigen, kommt der Gutachter meist nicht umhin, auf die Branchenkenntnisse eines Fachmannes zurückzugreifen. Hier besteht die Möglichkeit, sich eines Industriegutachters als Spezialisten zu bedienen. Die Erstellung eines Wertgutachtens durch einen Industriesachverständigen sollte auch immer das Mittel der Wahl sein, wenn Spezialwissen und/oder Branchenkenntnisse gefragt sind und sich der Wert nicht durch anderweitig zur Verfügung stehende (aktuelle!) Unterlagen problemlos und zuverlässig feststellen lässt. In Betracht kommen z. B. bereits vorliegende Wertgutachten neueren Datums, welche vor Einleitung eines Insolvenzverfahrens (durch den Schuldner, ein Kreditinstitut etc.) in Auftrag gegeben wurden, ein Kaufvertrag über den Gegenstand, wenn der Kauf noch nicht allzu lange zurückliegt und der Markt nicht erheblichen Schwankungen unterliegt, oder auch ein Angebot eines Interessenten. Letzteres sollte jedoch auf eine Wertentsprechung hin überprüft und nicht unreflektiert übernommen werden. Liegen solche Unterlagen nicht vor, ist anzuraten, einen Gutachter mit der Bewertung zu beauftragen.

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VIII. Das Gutachten des Sachverständigen

Im Fall einer masseschädigen Verwertung auf der Grundlage einer vom Insol- 342 venzverwalter initiierten (Falsch)Bewertung läuft er Gefahr, von den Gläubigern auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden (vgl. § 60 InsO)147). Beauftragt der Gutachter/vorläufige Insolvenzverwalter einen externen Drit- 343 ten mit der Bewertung, entstehen hierdurch zusätzliche Kosten. Diese können als Auslagen gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 JVEG über die Abrechnung des Insolvenzgutachters abgerechnet werden. Praxistipp: Im Zweifel ist eine gutachterliche Bewertung durch einen Fachsachverständigen stets die Methode der Wahl.

c) Liquidationswerte Im Verbraucherinsolvenzverfahren oder bei eingestelltem Geschäftsbetrieb 344 eines selbstständig Tätigen erfolgt die Bewertung unter Zerschlagungsgesichtspunkten. Die maßgebliche Kennzahl ist also der Zerschlagungswert oder Liquidationswert (auch Verkehrs- oder Marktwert). Im Liquidationsfall ist der Zerschlagungswert der im Fall der Veräußerung 345 am Markt voraussichtlich zu erzielende Erlös. Der Gutachter nimmt stets eine prognostische Wertbestimmung vor, wobei notwendig wertende Einschätzungen einfließen, die – zwar objektiv nachvollziehbar, aber dennoch subjektiv gefärbt – „nicht geeignet sind, die Gewissheit zu vermitteln, das Objekt werde bei einer Veräußerung genau den ermittelten Wert erzielen“148). Der Gutachter sollte den Grundsätzen der „kaufmännischen Vorsicht folgen“ und eine möglichst zutreffende Bewertungsgröße ermitteln. Ein gewisser Toleranzspielraum ist aber vertretbar und in Kauf zu nehmen, der im Einzelfall unter dem Aspekt der Angemessenheit und Toleranzgrenze zu beurteilen ist.149) Ein maßgeblicher Parameter bei der Wertfestsetzung ist der Grundsatz von 346 „Angebot und Nachfrage“. Bei entsprechend hoher Nachfrage kann nach Eröffnung durchaus ein Kaufpreis weit über dem Verkehrswert erzielt werden. Ist die Nachfrage gering, kann auch der umgekehrte Fall eintreten. Praxistipp: Ein Gegenstand ist stets so viel wert, wie jemand Drittes bereit ist, dafür zu zahlen.

___________ 147) BGH, Urt. v. 10.10.2013 – III ZR 345/12, WM 2013, 2225 zur Haftung eines Sachverständigen bei unrichtiger Verkehrswertermittlung im Zwangsversteigerungsverfahren. 148) BGH, Beschl. v. 19.6.2008 – V ZB 129/07, Rpfleger 2008, 588. 149) So auch BGH, Urt. v. 2.7.2004 – V ZR 213/03, ZIP 2004, 1758; BGH, Urt. v. 1.4.1987 – IVa ZR 195/87, JurionRS 1987, 13005.

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C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

d) Fortführungswerte 347 Eine Bewertung nach Fortführungswerten erfolgt immer dann, wenn eine Sanierung/Fortführung angestrebt ist. Bei einem „lebenden“ Unternehmen werden regelmäßige höhere Kaufpreise für die Vermögensgegenstände erzielt. Entscheidend ist unter diesen Gesichtspunkten der Nutzwert des Gegenstands. Die Fortführungswerte („Going Concern“) liegen regelmäßig höher als die Liquidationswerte. Im Übrigen kann hinsichtlich der Marktregularien sowie des Bewertungsspielraums auf die unmittelbar vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. e) Inhalte eines Gutachtens 348 Die inhaltliche Gestaltung eines Gutachtens ist stets abhängig vom Umfang der gutachterlich zu klärenden Fragestellungen. Auch stellen die Insolvenzgerichte zum Teil unterschiedliche Anforderungen an ein Abschlussgutachten. In den meisten Verwalterbüros wird ein Muster als Grundlage für die für das jeweilige Insolvenzgericht zu fertigenden Gutachten vorgehalten.150) 349 Nachfolgend soll dennoch eine Checkliste zur Verfügung stehen, die Anhaltspunkte dafür gibt, welche Themen inhaltlich in einer Vielzahl der Gutachten in der Praxis zu bearbeiten sind. Die Gliederungsreihenfolge kann im Einzelnen und auch „je nach gusto“ abweichen. Praxistipp: Checkliste Themen Abschlussgutachten A.

Auftrag

B.

Gutachten

I.

Allgemeine Angaben (ggf. tabellarische Übersicht)

II.

Rechtliche Verhältnisse

III.

Wirtschaftliche Verhältnisse

IV.

Arbeitsrechtliche Verhältnisse

V.

Unternehmerische Entwicklung

VI.

Rechtstreitigkeiten

VII.

Maßnahmen im Eröffnungsverfahren

VIII.

Sanierungs-/Fortführungsmöglichkeiten/Insolvenzplanverfahren/ Eigenverwaltung

IX.

Insolvenzgründe

X.

Deckung der Verfahrenskosten

___________ 150) Muster auch in: Heyn/Kreuznacht/Voß, Arbeitshilfen für Insolvenzsachbearbeiter, Rn. 399.

88

IX. Vorläufige Eigenverwaltung und der vorläufige Sachwalter XI.

Besondere Beschlussfassungen, § 160 InsO

XII.

Verfahrensabwicklung (Besonderheiten)

XIII.

Auslandsbezug

XIV.

Vermögensstatus – Aktiva (tabellarisch und textliche Erläuterungen inkl. evtl. Drittrechte)

XV.

Vermögensstatus – Passiva (tabellarisch und textliche Erläuterungen inkl. evtl. Drittrechte)

XVI.

Beschlussempfehlung

XVII.

Ermächtigung gemäß § 25 Abs. 2 InsO

XVIII. Zusammenfassung der Ergebnisse

IX. Vorläufige Eigenverwaltung und der vorläufige Sachwalter 1. Voraussetzungen, Vorteile und Nachteile der vorläufigen Eigenverwaltung a) Hintergründe Der Schuldner kann beantragen, das Insolvenzverfahren unter Anordnung 350 der Eigenverwaltung zu eröffnen. Ziel der Eigenverwaltung ist die Sanierung des Unternehmens unter Insolvenzschutz. Die Eigenverwaltung führt nach Eröffnung nicht zum Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf einen Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO). Vielmehr ist der Schuldner berechtigt, unter Aufsicht eines Sachwalters über die Gegenstände der Insolvenzmasse zu verfügen und diese zu verwalten (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO). Ein Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung ist keine grundlegend neue 351 Idee. Auch wurde bereits frühzeitig die Möglichkeit einer vorläufigen Eigenverwaltung diskutiert.151) b) ESUG Durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmun- 352 gen (ESUG)152) wurde die Möglichkeit, bereits im Eröffnungsverfahren unter Eigenverwaltung zu agieren, erst gesetzlich verankert. In Verfahren, die seit dem 1.3.2012 beantragt werden, kann bereits im Antragsverfahren eine „vorläufige Eigenverwaltung“ (§§ 270a, 270b InsO) angeordnet und ein vorläufiger Sachwalter (§ 270c InsO) bestellt werden. Diese richtungsweisende Gesetzesänderung hat zu einer Annahme des gesetzgeberischen Ge___________ 151) Vgl. exemplarisch Uhlenbruck, NZI 2001, 632, der seinerzeit dafür plädierte, dass über die Anordnungsoptionen zur vorläufigen Verwaltung ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit den Befugnissen eines „vorläufigen“ Sachwalters ausgestattet werden könne. 152) Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011 m. W. z. 1.3.2012, BGBl. I S. 2582.

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C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

dankens, durch frühzeitige Antragstellung eine Sanierung unter Insolvenzschutz zu erreichen, auch in der Praxis geführt. Insbesondere wurden die Möglichkeiten der Einflussnahme durch die Gläubiger gestärkt, die durch das Gremium des (vor-)vorläufigen Gläubigerausschusses bereits im Eröffnungsverfahren wesentlich zum weiteren Verfahrensfortgang beisteuern können. Praxistipp: Ziele und Instrumente des ESUG • Bessere Nutzung von Sanierungschancen • Ausbau von Sanierungsinstrumenten • Anreize für eine frühere Stellung von Insolvenzanträgen • Verbesserung von Verfahrensabläufen • Verringerung von Blockademöglichkeiten • Stärkere Einbeziehung der Gläubiger in das Verfahren

353 Die (vorläufige) Eigenverwaltung ist allen Regelinsolvenzverfahren zugänglich. Merke: Das Verbraucherinsolvenzverfahren kann nicht unter Eigenverwaltung durchgeführt werden (§ 270 Abs. 1 Satz 3 InsO). 354 Das in § 270b InsO geregelte Schutzschirmverfahren ist eine besondere Ausgestaltung des auf Sanierung abzielenden vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens und nur unter den genannten Voraussetzungen (o Rn. 361 ff.) durchführbar. Das Schutzschirmverfahren bietet dem Schuldner eine Möglichkeit, innerhalb von drei Monaten ein Sanierungskonzept auszuarbeiten, welches sodann seine Umsetzung als Insolvenzplan erfährt. Die Intention des Gesetzgebers ist, dem Schuldner einen Anreiz zu geben, frühzeitig/rechtzeitig einen Antrag zu stellen, um durch ein professionell begleitetes Sanierungsverfahren seinen Geschäftsbetrieb unter Insolvenzschutz aufrechtzuerhalten. c) Vorteile der (vorläufigen) Eigenverwaltung 355 Die Insolvenz unter Eigenverwaltung hat insbesondere den Vorteil, dass das Know-how der bisherigen Geschäftsleitung voll eingesetzt werden kann. Ein zeit- und kostenintensives Einarbeiten eines (vorläufigen) Insolvenzverwalters entfällt gleichzeitig. Dennoch steht im Verfahren mit dem (vorläufigen) Sachwalter eine fachkompetente Aufsichtsperson zur Verfügung, die insbesondere gläubigerschädigende Handlungen zu unterbinden berechtigt ist. 356 Bedingt durch die Voraussetzung, die an ein Eigenverwaltungsverfahren geknüpft sind, ist durch die hieraus resultierende frühzeitige Antragstellung die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Sanierung höher als bei einem – oftmals zu spät – beantragten Regelinsolvenzverfahren.

90

IX. Vorläufige Eigenverwaltung und der vorläufige Sachwalter

d) Voraussetzungen der (vorläufigen) Eigenverwaltung Die (vorläufige) Eigenverwaltung wird nur auf einen entsprechenden Antrag 357 des Schuldners hin bewilligt. Auch möglich, aber in der Praxis wenig bedeutend ist die Möglichkeit einer 358 nachträglichen Anordnung auf Antrag der Gläubigerversammlung mit Zustimmung des Schuldners (§ 271 InsO). Eine weitere, vom Antragsteller darzulegende Voraussetzung ist, dass keine 359 Umstände vorliegen, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Die Prüfpflicht des Insolvenzgerichts beschränkt sich hierbei auf den Vortrag des Schuldners, wobei die Unkenntnis hinsichtlich solcher Umstände ausreichend ist. Zudem entfällt eine (vor Inkrafttreten des ESUG erforderliche) Prognoseentscheidung des Insolvenzgerichts, wenn solche nachteiligen Umstände nicht bekannt sind. Vor der Anordnung ist eine Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses 360 vorgeschrieben, wenn dies nicht offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners führt. e) Besondere Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens (§ 270b InsO) Mit dem Schutzschirmverfahren, geregelt in § 270b InsO findet sich ein ge- 361 setzlich verankertes Sanierungsverfahren, durch welches der Insolvenzschuldner unter den nachfolgenden Voraussetzungen in die Lage versetzt wird, eine Sanierung durch Insolvenzplan vorzubereiten. Ein Schutzschirmverfahren kann unter folgenden, weiteren Voraussetzungen durchgeführt werden: Der Eröffnungsantrag und Antrag auf Eigenverwaltung kann nur bei drohen- 362 der Zahlungsunfähigkeit (o Rn. 185 ff.) oder Überschuldung gestellt werden. Ist bereits Zahlungsunfähigkeit (o Rn. 179 ff.) eingetreten, schließt dies ein Schutzschirmverfahren aus. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt der Antragstellung. Zudem muss der Schuldner beantragen, dass das Insolvenzgericht eine Frist 363 zur Vorlage eines Insolvenzplans festsetzt, die maximal drei Monate betragen darf (§ 270b Abs. 1 Satz 1, 2 InsO). Drei Monate sind für die vollständige Ausarbeitung eines Insolvenzplans kein allzu großzügiger Zeitraum, sodass sich in der Praxis für den Schuldner empfiehlt, sich bereits vor der Einreichung des Antrags frühzeitige Gedanken zum Insolvenzplan zu machen und vorbereitende Maßnahmen bereits im Vorfeld einzuleiten. Von Vorteil ist hierbei wohl in nahezu jedem Fall, auf die Unterstützung eines in Insolvenzplanverfahren erfahrenen Beraters zurückzugreifen. Dem Antrag beizufügen ist eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines 364 in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers, Rechtsan-

91

C. Das Insolvenzeröffnungsverfahren

walts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation153) aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist (§ 270b Abs. 1 Satz 3 InsO). 365 Von dem vom Schuldner eingebrachten Vorschlag zur Bestellung eines namentlich benannten (geeigneten) vorläufigen Sachwalters darf das Gericht nur bei offensichtlicher Ungeeignetheit abweichen. Der vorläufige Sachwalter muss eine vom Schuldner unabhängige Person und vom Bescheinigenden personenverschieden sein und zudem Erfahrung in Insolvenzsachen und Durchführung von Sanierungskonzepten vorweisen können154). 366 Optional kann der Schuldner die Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 1, 2 InsO beantragen. Hilfreich ist insbesondere die Anordnung der einstweiligen Einstellung bzw. Untersagung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich der beweglichen Güter. 367 Das Gericht kann ebenfalls auf Antrag einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen (§ 22a InsO, o Rn. 91 ff.). 368 Zudem ist eine Anordnung möglich, nach der der Schuldner Masseverbindlichkeiten (wie ein „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter) begründen kann (§ 55 Abs. 2 InsO entspr.). 2. Aufgaben und Befugnisse des (vorläufigen) Sachwalters 369 Liegen die Voraussetzungen zur Anordnung der Eigenverwaltung vor, bestellt das Insolvenzgericht einen Sachwalter (Hauptverfahren) bzw. in den Verfahren der vorläufigen Eigenverwaltung einen vorläufigen Sachwalter (Antragsverfahren). 370 Gemäß § 274 Abs. 2 Satz 1 InsO hat der Sachwalter im Hauptverfahren die Pflicht, die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen. Stellt er Umstände fest, die nachteilige Auswirkungen für die Gläubiger erwarten lassen, hat er dies dem Gericht und dem Gläubigerausschuss unverzüglich anzuzeigen (§ 274 Abs. 3 InsO). 371 Der weitere Pflichtenkreis des Sachwalters umfasst im Hauptverfahren insbesondere: x

die Insolvenzanfechtung (§ 280 InsO),

x

die Tabellenführung und Verteilung (§ 283 InsO),

x

die Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§§ 285, 208 InsO).

___________ 153) Vergleichbar qualifizierte Personen sind z. B. Steuerbevollmächtigte, vereidigte Buchprüfer (Begr. RegE, 62). 154) Zur Unabhängigkeit fordert das AG München, Urt. v. 29.3.2012 – 1507 IN 1125/12, ZInsO 2012, 745, dass der Bescheinigende auch nicht als Schuldnervertreter auftreten darf.

92

IX. Vorläufige Eigenverwaltung und der vorläufige Sachwalter

Die Befugnisse des vorläufigen Sachwalters leiten sich teilweise aus denen des 372 Sachwalters (nach Eröffnung) ab und ergeben sich aus § 270a Abs. 1 i. V. m. §§ 274, 275 InsO. So hat er insbesondere folgenden Aufgabenbereich im Antragsverfahren: x

Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners.

x

Überwachung der Geschäftsführung und der Ausgaben für die Lebensführung.

Interventionsrechte genießt er in dem gesetzlich umrissenen Rahmen durch x

die Zustimmungsbefugnis bei Begründung von Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören (§ 270a Abs. 1 i. V. m. § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO ), sowie

x

die Widerspruchsbefugnis bei Begründung von Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören (§ 270a Abs. 1 i. V. m. § 275 Abs. 1 Satz 2 InsO ).

373

3. Konsequenzen für den Schuldner Der Schuldner behält – als Ausnahme zu § 80 Abs. 1 InsO – ab Eröffnung 374 die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auch über Gegenstände der Insolvenzmasse. Im Eröffnungsverfahren wird kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, sodass kein Zustimmungserfordernis besteht bzw. kein „vorgezogener“ Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf einen „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter stattfindet. Der Schuldner sieht sich „lediglich“ der Aufsichtsführung inkl. der beschrie- 375 benen Veto-Rechte des (vorläufigen) Sachwalters ausgesetzt (o Rn. 373). 4. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters Die Vergütung des Sachwalters und des vorläufigen Sachwalters wird wegen 376 des Sachzusammenhangs in einem gesonderten Abschnitt erläutert; auf die entsprechenden Ausführungen darf zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden (o Rn. 1083 ff.).

93

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren I. Die Eröffnungsentscheidung Liegen die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor, 377 entscheidet das Insolvenzgericht durch Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und ernennt einen Insolvenzverwalter (§ 27 InsO). In Verbraucherinsolvenzverfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 378 wurde ein Treuhänder benannt (§ 313 InsO a. F).155) 379

Der Eröffnungsbeschluss enthält folgende wesentliche Angaben: x

Firma oder Namen und Vornamen, Geburtsdatum, Registergericht und Registernummer, unter der der Schuldner in das Handelsregister eingetragen ist, Geschäftszweig oder Beschäftigung, gewerbliche Niederlassung oder Wohnung des Schuldners (§ 27 Abs. 2 InsO);

x

Namen und Anschrift des Insolvenzverwalters (§ 27 Abs. 2 InsO);

x

Stunde der Eröffnung (§ 27 Abs. 2 InsO);

x

Aufforderung an die Gläubiger zur Forderungsanmeldung binnen einer gerichtlich festgesetzten Anmeldefrist (§ 28 Abs. 1 InsO);

x

Aufforderung an die Gläubiger zur Mitteilung evtl. Sicherungsrechte an den Insolvenzverwalter (§ 28 Abs. 2 InsO);

x

Aufforderung an die Drittschuldner, ausschließlich an den Insolvenzverwalter zu leisten (§ 28 Abs. 3 InsO);

x

Bestimmung des Berichtstermins (§ 29 Abs. 1 InsO);

x

Bestimmung des Prüfungstermins (§ 29 Abs. 1 InsO).

Ist die Gläubigeranzahl gering und sind die Vermögensverhältnisse überschau- 380 bar, wird das Verfahren im Regelfall schriftlich durchgeführt (§ 5 Abs. 2 InsO). Der Eröffnungsbeschluss ist öffentlich bekanntzumachen und an den 381 Schuldner, die Gläubiger und die Drittschuldner zuzustellen (§ 30 InsO). Das Zustellwesen kann das Gericht gemäß § 8 Abs. 3 InsO auf den Insolvenzverwalter übertragen. Die Auslagen hierfür kann dieser gesondert in Rechnung stellen. II. Ablauf des Verfahrens, Termine und Fristen Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens treten die in §§ 80 ff. InsO normier- 382 ten Wirkungen ein. ___________ 155) Vgl. zur Regelung für die ab dem 1.7.2014 beantragten Verbraucherinsolvenzverfahren Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und der Stärkung der Gläubigerrechte v. 19.7.2013 (BGBl. I S. 2379).

95

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

1. Arbeitsschritte 383 Für das Insolvenzbüro bedeutet die Eröffnung regelmäßig zunächst folgende Arbeitsschritte: x

Abholen und Rücksendung der Insolvenzakte (falls diese nicht bereits im Eröffnungsverfahren vorgelegen hat);

x

Notieren der Fristen: 

Anmeldefrist, § 28 Abs. 1 InsO



Berichtstermin, (§§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 156 InsO)



Prüfungstermin (§§ 29 Abs. 1 Nr. 2, 176 InsO)



Niederlegungsfrist, § 175 Abs. 2 InsO (2/3-Frist, innerhalb derer die ungeprüfte Tabelle mit Forderungen und den Anmeldeunterlagen bei Gericht vorliegen muss)

x

Einpflegen der Gläubigerdaten in das insolvenzspezifische Programm;

x

Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an die Gläubiger und Drittschuldner sowie Fertigung des Zustellnachweises ans Insolvenzgericht (falls dieser gemäß § 8 Abs. 3 InsO übertragen wurde);

x

Gerichtsakte sichten und Verfahrenseckdaten, Anhaltspunkte für Vermögenswerte notieren;

x

Schuldner zum Erstgespräch einladen unter gleichzeitiger Aufforderung, die verfahrensspezifisch beizubringenden Unterlagen einzureichen (o Checkliste unter Rn. 224);

x

Erstgespräch mit dem Schuldner (persönliches Gespräch oder Ortstermin vereinbaren) zwecks Klärung der Vermögens- und Vertragsverhältnisse;

x

Sichtung und Auswertung der Schuldnerunterlagen;

x

Sekundärinformationsquellen heranziehen (z. B. Kreditinstitute, Versicherungsgesellschaften, Arbeitgeber etc.). Praxistipp: Eine digitale Fristenverwaltung muss genauso zuverlässig sein und Überprüfungssicherheit bieten wie eine herkömmliche Handakte! Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Fristen zu gewährleisten. Überlässt er die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden.156)

___________ 156) BGH, Beschl. v. 9.7.2014 – XII ZB 709/13, lexetius.com/2014, 2603.

96

II. Ablauf des Verfahrens, Termine und Fristen

2. Erstgespräch Das persönliche Erstgespräch mit dem Schuldner ist gesetzlich nicht vorge- 384 schrieben und ist, soweit es sich um Verbraucherinsolvenzverfahren handelt, nicht in allen Verwalterbüros gängige Praxis. Anstelle eines persönlichen Gesprächs werden die klärungsbedürftigen Fragestellungen zur schriftlichen Beantwortung unter Beifügung der einzureichenden Unterlagen erbeten. Erfahrungsgemäß ist für den gesamten Verfahrensablauf das Führen eines 385 persönlichen Erstgesprächs mit dem Schuldner jedoch eine aus mehreren Gründen zu empfehlende Variante: Persönliches Erstgespräch

Ausschließlich schriftliche Kommunikation

Rückfrage-/Klärungsmöglichkeiten und „Nachhaken“ im unmittelbaren Austausch

Langwierige, schriftliche Kommunikation, ggf. über mehrere Schreiben hinweg sowie Fristenverwaltung zur Rückmeldung

Hintergrundinformationen, umfassende Informationen zum gesamten Sachverhalt

Nur punktueller Informationsfluss, da Bereitschaft, schriftlich auszuführen i. a. R. geringer ist, als mündlich vorzutragen.

Fragen werden direkt beantwortet.

Ggf. mehrmaliges Nachfassen erforderlich, da geringe Bereitschaft auf Schuldnerseite, schriftlich zu kommunizieren.

Grundstein zur weiteren Kommunikation im gesamten weiteren Verfahrensablauf durch Abbau von Vorbehalten, Ängsten, Unsicherheiten und Möglichkeit zur Beantwortung von Fragen (Achtung: Keine Rechtsberatung durch den Insolvenzverwalter!).

Vorbehalte, Unsicherheiten und Ängste bleiben beim Schuldner bestehen und manifestieren sich ggf.; Fragen bleiben unbeantwortet.

Rollenklärung im persönlichen Gespräch möglich

Rollenklärung auf dem schriftlichen Weg nur bedingt möglich

Insbesondere ist in einem persönlichen Gespräch eine Klärung der Rolle des 386 Insolvenzverwalters möglich. Die Erfahrung zeigt, dass dies oftmals Vorbehalte, Unsicherheiten und auch Ängste beim Schuldner abzubauen in der Lage ist. Der Schuldner macht sich keine falschen Hoffnungen, dass der Insolvenzverwalter von nun ab „alles“ für ihn regelt und als Rechts- und manchmal auch Lebensberater fungiert. Dies sollte im Gespräch auch deutlich herausgestellt werden. Andererseits ist ein solches Gespräch auch sehr geeignet, um evtl. Vorurteilen, die sich im Vorfeld der Insolvenz aufgebaut haben, zu begegnen. Aus der Sicht des Schuldners betrachtet, stellt sich die Insolvenzsituation als ein erstmaliges Erleben nach einer Dauerbelastung durch eine längere/lange Zeit des Schuldenaufbaus dar. Der Schuldner hat i. a. R. keine rechtlichen (Vor)Kenntnisse, ist überfordert und unsicher hinsichtlich dessen, was ihn im 97

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

weiteren Verfahren erwartet, insbesondere angesichts der Situation der lückenlosen Offenlegung der privaten Verhältnisse vor einem fremden Menschen. Dem gegenüber stehen die Erfahrungswerte und das Interesse des Verwalters an einer effizienten und professionellen Verfahrensabwicklung. 387 Der Insolvenzverwalter ist nicht der „Feind“ des Schuldners – auch dieses Bild kann in einem Erstgespräch berichtigt werden: Insbesondere kann erörtert werden, dass der Verwalter nicht aus einer persönlichen Motivation, sondern ausschließlich aus der gesetzlich definierten, treuhänderischen Stellung heraus agiert. 388 Sicher ist auch: Dieses Vorgehen ist nicht immer, aber oftmals von Erfolg gekrönt. Ein solches Gespräch führt dazu, dass der Schuldner im weiteren Verfahrensfortgang eher Bereitschaft zur Mitarbeit zeigt (ohne hierzu mehrfach aufgefordert oder gar unter Androhung von Zwangsmaßnahmen „gezwungen“ werden zu müssen). Der Vorteil, den der Insolvenzverwalter hieraus zieht, ist eine ökonomische und effiziente Verfahrensabwicklung (z. B. keine wiederholten Aufforderungsschreiben und Fristenverwaltungsmaßnahmen). Der weitere Verfahrensablauf gestaltet sich – praxiserprobt – wesentlich reibungsloser, nimmt der Verwalter bereits ganz zu Anfang des Verfahrens diese Rollenklärung vor. 389 Zu einer professionellen Verfahrensabwicklung führt die Einhaltung folgender Grundsätze der Kommunikation: x

Den Schuldner mit seiner Situation wahrnehmen, respektieren;

x

Vorurteilsfreiheit, Neutralitätswahrung;

x

Darlegung der Aufgabe und Stellung des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren;

x

Appell an die Eigenverantwortlichkeit des Schuldners (Parteienverfahren) o Auskunfts- und Mitwirkungspflichten, Obliegenheiten, o Rn. 1159 ff.;

x

Vermeidung von Provokationen, aber auch keine „Verbrüderung“;

x

Klärung von Fragen zum Verfahrensablauf und zu den Obliegenheiten; Grenze zur Rechtsberatung beachten;

x

In vertrauenswürdigem Rahmen sämtliche relevanten Fragestellungen mit dem Schuldner besprechen, Angaben im Antrag überprüfen.

III. Die Wirkungen der Eröffnung 1. Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters a) Inbesitznahme und Verwaltung 390 Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens findet ein Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der massebeschlagenen Gegenstände auf den Insolvenzverwalter statt (§ 80 Abs. 1 InsO). 98

III. Die Wirkungen der Eröffnung

Korrespondierend hierzu hat der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse 391 (o Rn. 467 ff.), die sog. „Ist-Masse“ in Besitz zu nehmen und zu verwalten (§ 148 Abs. 1 InsO). Wurde die Eröffnung im Anschluss an ein vorläufiges Insolvenzverfahren beschlossen, erfolgte die Inbesitznahme im Rahmen der Sicherung bereits durch den vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO), der nicht zwingend, aber meist personenidentisch ist mit dem Insolvenzverwalter. Die Inbesitznahme durch den Insolvenzverwalter erfolgt aufgrund einer 392 freiwilligen Besitzverschaffung durch den Schuldner. Verweigert der Schuldner die Herausgabe der in seinem Gewahrsam befindlichen Gegenstände, kann der Verwalter aufgrund einer vollstreckbaren Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses, die einen Titel i. S. v. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO darstellt, den Herausgabeanspruch im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen (§ 148 Abs. 2 Satz 1 InsO, §§ 888, 885 ZPO). Die vollstreckbare Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses stellt allerdings keinen geeigneten Vollstreckungstitel gegen Dritte dar.157) b) Verzeichnisse und Übersichten (§§ 151 ff. InsO) Gemäß §§ 151 ff. InsO besteht zudem die Pflicht des Verwalters zur Einrei- 393 chung diverser Verzeichnisse und Übersichten: aa) Masseverzeichnis (§ 151 InsO) Der Insolvenzverwalter hat gemäß § 151 InsO ein Verzeichnis der Massege- 394 genstände (Masseverzeichnis) aufzustellen. Zu erfassen sind alle Gegenstände, die der Insolvenzmasse gemäß §§ 35, 36 InsO (o Rn. 467 ff.) zuzurechnen sind. Aufzunehmen sind demnach auch Gegenstände, die der Verwalter bislang noch nicht in Besitz nehmen konnte (§ 148 Abs. 1 InsO, o Rn. 392). Das Verzeichnis muss dazu geeignet sein, den Gläubigern einen umfassenden Überblick über die wirtschaftliche Lage des Schuldners – und damit die Befriedigungsgrundlage – zu verschaffen.158) Die Gegenstände der Insolvenzmasse sind durch eine Inventur/Bestands- 395 aufnahme zu erfassen. Stets ist das Vermögen mit den Liquidationswerten/Zeitwerten anzugeben, 396 d. h. – vereinfacht ausgedrückt – den im Rahmen der anstehenden Verwertung zu erwartenden Erlösen. Kommt eine Fortführung des Schuldnerunternehmens in Betracht, sind auch die Fortführungswerte mit anzugeben (§ 151 Abs. 2 Satz 1 InsO). Ob eine Fortführung in Betracht kommt, hat der Insol___________ 157) LG Trier, Beschl. v. 4.4.2005 – 4 T 4/05, ZVI 2005, 434; OLG Nürnberg, Urt. v. 24.6.2005 – 5 U 215/05, NZI 2005, 44; vgl. zur Zwangsräumung von Wohnraum BGH, Beschl. v. 25.6.2004 – IXa ZB 29/04, Rpfleger 2004, 640. 158) BGH, Beschl. v. 16.9.2010 – IX ZR 56/07, ZInsO 2010, 2234.

99

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

venzverwalter im Rahmen einer Fortführungsprognose zu ermitteln, sofern dies nicht bereits Aufgabe des Sachverständigen war. Diese Prognose dient der Gläubigerversammlung als Grundlage zur Entscheidung über die Fortführung oder Stilllegung im Berichtstermin (§ 157 InsO). Praxistipp: Ist der Geschäfts-/Praxisbetrieb des Schuldners zum Zeitpunkt der Einleitung des Insolvenzverfahrens bereits stillegelegt und ist eine Wiederaufnahme aus wirtschaftlichen, rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen nicht darstellbar, kann auf die Angabe der Fortführungswerte verzichtet werden. In diesem Fall ist die Angabe nur der Liquidationswerte ausreichend. Steht neben der Fortführung auch eine Freigabe der selbstständigen Tätigkeit (§ 35 Abs. 2 InsO, o Rn. 567 ff.) zur Option, sind zusätzlich zu den Liquidations- und Fortführungswerten auch die Freigabewerte anzugeben. Der Insolvenzverwalter ist zur bestmöglichen Gläubigerbefriedigung (§ 1 InsO), der Gläubigerversammlung zur umfassenden und transparenten Information und dem Insolvenzgericht sowie dem ggf. bestellten Gläubigerausschuss im Rahmen der Rechnungslegung verpflichtet. Nur dann, wenn alle in Betracht kommenden Befriedigungsszenarien transparent dargestellt werden, ist die Gläubigerversammlung in die Lage versetzt, über den Fortgang des Verfahrens zu entscheiden (§ 157 InsO).

397 Zu beachten ist, dass auch die mit Eröffnung entstehenden insolvenzspezifischen Ansprüche (im Bereich der natürlichen Personen im Schwerpunkt Anfechtungsansprüche) aufzunehmen sind. 398 Die Bewertung hat zunächst ohne Berücksichtigung von Drittrechten zu erfolgen. Drittrechte, die mit Eröffnung ein Absonderungsrecht (o Rn. 519 ff.) begründen, sind in einer separaten Spalte mit ihrem tatsächlichen Wert anzugeben. 399 Umstritten ist, ob auch Aussonderungsgut aufzunehmen ist.159) Nach einer Empfehlung des IDW sind die Gegenstände, die der Aussonderung unterliegen, mit ihrem vollen Wert zu erfassen.160) Rechtlich sind diese Gegenstände unstreitig nicht massezugehörig (§§ 35, 36 InsO, o Rn. 467 ff. [501 ff.]). Ausgehend vom Wortlaut des § 151 InsO, der explizit auf die Insolvenzmasse abstellt, besteht nach dem Dafürhalten der Verfasserin für den wertmäßigen Ausweis von Aussonderungsgütern bereits aus diesem Grund kein Raum. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Aussonderungsrecht zweifelsfrei feststeht. Ist zum Zeitpunkt der Bestandsaufnahme noch unklar, ob ein Aussonderungsrecht tatsächlich besteht, empfiehlt sich, bis zur abschließenden Klärung mit einem Erinnerungswert zu arbeiten und die Problematik im ___________ 159) Dagegen: FK-InsO/Wegener, § 151 Rn. 8.; HK-InsO/Jarchow, § 151 Rn. 12; Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 72; dafür: Uhlenbruck/Maus, InsO, § 151 Rn. 3. 160) IDW RH HFA 1.010, FN-IDW 2008, 309 Rn. 18.

100

III. Die Wirkungen der Eröffnung

Bericht zu erläutern.161) Zu empfehlen ist, aus Gründen der Transparenz und Vollständigkeit, ein von dem Verzeichnis nach § 151 InsO separiertes, eigenes Verzeichnis der Aussonderungsgegenstände aufzustellen, im Rahmen dessen auch ein Ausweis zu vollen Werten unschädlich ist, solange diese Werte nicht in das Verzeichnis nach § 151 InsO einfließen. Hat der vorläufige Insolvenzverwalter bzw. Sachverständige im Antragsver- 400 fahren bereits eine Erfassung der Gegenstände veranlasst, kann selbstverständlich hieran angeknüpft werden. Auch können durch externe Sachverständige erstellte Bewertungsgutachten bei den Wertangaben verwendet werden, wenn diese im Antragsverfahren erstellt wurden und sich seitdem keine Wertveränderungen ergeben haben. Andernfalls bestehen gegen die Beauftragung eines Fachsachverständigen/Industriegutachters auch nach Eröffnung keine Bedenken, wenn die Bewertung der Gegenstände Spezialwissen verlangt oder mit sonstigen Schwierigkeiten verbunden ist (§ 151 Abs. 2 Satz 2 InsO). Das Verzeichnis stellt die Aktivseite der Insolvenzbilanz dar.162) Alle Ver- 401 mögensgegenstände sind nach den vorbeschriebenen Grundsätzen einzeln anzuführen. Es empfiehlt sich, eine Gliederung in Anlehnung an die handelsrechtliche Bilanz gemäß § 266 HGB zu erstellen, abgestimmt auf die jeweilige Verfahrensart und ergänzt um die insolvenzspezifischen Ansprüche. Die Gliederung nach den handelsrechtlichen Kriterien ist gesetzlich für das Insolvenzverfahren nicht vorgeschrieben und (noch) nicht umfassend in den insolvenzspezifischen Buchhaltungsprogrammen umgesetzt. Insbesondere angesichts der Tendenzen zur Standardisierung der Insolvenzverwalterrechnungslegung163) erscheint es zweckmäßig, dies auch auf die Vermögensübersichten anzuwenden, die sich in der Form zudem dem betriebswirtschaftlich kundigen Gläubiger besser erschließen. In Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen ist neben der 402 Anpassung hinsichtlich der zu ergänzenden insolvenzspezifischen Vermögenswerte (z. B. Anfechtungsansprüche) die ausschließlich unternehmerisch ausgerichtete Struktur des § 266 HGB zu ergänzen um die Vermögenswerte des privaten Bereichs. Aus Gründen der Übersichtlichkeit empfiehlt sich eine Unterteilung in Betriebsvermögen und Privatvermögen, auch wenn rechtlich bei einer natürlichen Person keine unterschiedlichen Vermögensmassen existieren. Zu Letzterem sind insbesondere zur Privatnutzung bestimmte Fahrzeuge, Ansprüche aus Lebensversicherungen, Bausparverträgen, privaten Sparanlagen und pfändbare Einkommensanteile etc. zu zählen.

___________ 161) So auch Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 72. 162) Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 55. 163) Vgl. exempl. Kloos, NZI 2009, 586, Langer/Bausch, ZInsO 2011, 1287; Wipperfürth, InsbürO 2014, 60.

101

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

403 Die nachfolgende Übersicht soll als Anregung zur Gliederung dienen:164) Buch- Liquid.wert Wert165)

./. Drittrechte

+ = Kostenfreie Masse beiträge166)

A. Anlagevermögen I.

Immaterielle Vermögenswerte […]

II. Sachanlagen […] Summe Aktiva

404 Ein Stichtag, an dem die Vermögenswerte zu erfassen sind, ist gesetzlich nicht vorgegeben. Da das Masseverzeichnis jedoch in engem Zusammenhang mit der Vermögensübersicht gemäß § 153 InsO (Aktivseite der „Eröffnungsbilanz“) steht, welche wiederum stichtagsbezogen auf den Zeitpunkt der Eröffnung zu erstellen ist, sind im Masseverzeichnis ebenfalls die zum Eröffnungszeitpunkt vorhandenen Massegegenstände zu erfassen. 405 In der Verwaltungspraxis zeigt sich eine Entwicklung, dass Insolvenzgerichte vermehrt erwarten, dass der Verwertungsverlaufs und die Verwertungsergebnisse über die gesamte Verfahrensdauer bis zur Schlussrechnungslegung fortlaufend bzw. fortgeschrieben dargestellt werden. Eine einheitliche Vorgehensweise hat sich insoweit noch nicht etabliert, auch existiert bislang keine gesetzliche Grundlage für die fortgeschriebene Darstellung des Masseverzeichnisses. Es ist jedoch vorsichtig zu erwarten, dass diese Tendenzen weiter verfolgt werden. 406 Eine Generierung über die einschlägigen, insolvenzspezifischen EDV Programme ist bisher noch nicht möglich. 407 Soweit die Gerichte eine solche fortgeschriebene Darstellung fordern, soll das nachfolgende Beispiel, welches auf einer Idee und Konzeption des Amtsgerichts Aachen basiert, als Anregung dienen.167) ___________ 164) Siehe hierzu instruktiv auch Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 108. 165) Anm.: Ggf. muss zusätzlich ein Ansatz von Fortführungs- und ggf. Freigabewerten erfolgen. Die Übersicht ist um entsprechende Spalten zu ergänzen. 166) Anm.: In dieser Spalte sind die Kostenbeiträge gemäß §§ 170, 171 InsO bzw. der für die Verwertung vereinbarte Massekostenbeitrag darzustellen. Eine Saldierung der Kostenbeiträge mit den Drittrechten kollidiert mit dem Verbot des § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB (so auch Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 107). 167) Vgl. hierzu ausführlich Langer/Bausch, ZInsO 2011, 1287 ff. und Langer/Bausch/ Wipperfürth, InsbürO 2014, 60 ff. sowie z. T. kritisch Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 211 ff.

102

Anlagevermögen

Immaterielle Vermögensgegenstände

Selbst geschaff. gewerbl. SchutzR u. ähnl. R. u. Werte

entgeltlich erworbene Konzessionen, gewerbl. Schutzrechte u. ä. Rechte

Geschäfts- oder Firmenwert

geleistete Anzahlungen

A.

I.

1.

2.

3.

4.

fortgeschriebene Vermögensübersicht zum Zwischen-/Bericht vom: [...] Vermögenspositionen in €

Aktiva (Betriebsvermögen)

Wert bei IE incl. Drittrechte

Spalte 1

Spalte 5

Wertberichtigung

Wert korrigiert

Drittrechte bei IE Wertberichtigung Drittrechte

Wert Drittrechte korrigiert

Spalte 6

Spalte 4

Spalte 2

Spalte 3

Fremdrechte

Masse

abgegolten

Spalte 7

noch abzugelten

Spalte 8

bisheriger Verw. erlös freie Masse

Spalte 9

noch zu erwartender Verw. erlös freie Masse

Spalte 10

freie Masse

III. Die Wirkungen der Eröffnung

103

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

408 Die Einteilung in numerierte Spalten wurde aus redaktionellen Gründen von der Verfasserin vorgenommen und ist nicht Bestandteil der fortgeschriebenen Darstellung. Die Bewertung auf den Stichtag der Eröffnung wird in Spalte 1 dargestellt, die in der Darstellung in den Folgeberichten keine Änderung erfährt. Evtl. eintretende Änderungen, insbesondere Werterhöhungen oder -abschreibungen infolge der geänderten Markt-/Abnahmesituation werden in der Spalte 2 abgebildet. In Spalte 3 wird der berichtigte Wert eingestellt. In den Spalten 4 – 6 werden die Drittrechtsbelastungen – dem gleichen Wertberichtigungsprinzip folgend – abgebildet. Spalte 7 und Spalte 8 beschreiben die bereits abgegoltenen bzw. noch abzugeltenden Rechte. Dies hat auch aus Sicht des Verwalters den Vorteil, dass man stets eine aktuelle Übersicht über den Stand der Abgeltung der Fremdrechte hat. Ebenso gilt dies für die Spalten 9 und 10, die einen Überblick über die bereits erzielten bzw. noch zu erwartenden Verwertungserlöse geben. 409 Für das Verwalterbüro bietet dieses fortgeschriebene Modell den Vorteil, dass der letzte aktuelle Stand der Vermögenswertung und damit der noch ausstehende Handlungsbedarf jederzeit übersichtlich abgelesen werden kann. bb) Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO) 410 Neben dem Masseverzeichnis (o Rn. 394 ff.) hat der Insolvenzverwalter ein Verzeichnis der Gläubiger des Schuldners zu erstellen (§ 152 Abs. 1 InsO). Dieses ist die vollständige Erfassung sämtlicher bekannter Gläubiger. Eine Vorprüfung, ob Forderungen begründet, einredebehaftet o. Ä. sind, ist an der Stelle nicht gefordert. Diese Prüfung ist für die angemeldeten Forderungen dem Prüfungstermin vorbehalten (o Rn. 910 ff.). 411 Der Insolvenzverwalter hat in das Verzeichnis alle ihm bekannten Gläubiger aufzunehmen. Als Ermittlungsquellen dienen insbesondere x

die Bücher und Geschäftspapiere des Schuldners (§ 152 Abs. 1 Satz 1 InsO),

x

die sonstigen – schriftlichen oder mündlichen – Angaben des Schuldners (§ 152 Abs. 1 Satz 1 InsO), der auch insoweit zur Auskunftserteilung verpflichtet ist (§§ 97 ff. InsO),

x

die von den Gläubigern angezeigten Forderungen (§ 152 Abs. 1 Satz 1 InsO),

x

Erkenntnisse sonstiger Art (§ 152 Abs. 1 Satz 1 InsO).

412 Jeder Gläubiger ist mit vollständiger Anschrift und dem Grund sowie der Höhe der Forderung aufzunehmen (§ 152 Abs. 2 Satz 2 InsO). In der Praxis ist bei der Erfassung höchste Sorgfalt geboten: Die Gläubiger werden in der Regel in das EDV-Programm eingepflegt, in dem im weiteren Verfahrensverlauf auch Arbeiten zur Prüfung der Insolvenztabellenforderungen stattfinden. Ein vollstreckbarer Tabellenauszug einer festgestellten Forderung entfaltet

104

III. Die Wirkungen der Eröffnung

die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils (§ 178 Abs. 3 InsO). Die Bezeichnung des Gläubigers ist daher den Grundsätzen der Zivilprozessordnung folgend genau zu wählen (vgl. § 4 InsO i. V. m. §§ 50 ff., 313, 724 ff. ZPO). Wird bereits bei der ersten Erfassung der Gläubiger korrekt gearbeitet, erspart dies im weiteren Verfahrensverlauf Zeit, Arbeit und Mühen, die für Korrekturen im Fall der Falschbezeichnung aufgewendet werden müssen. Merke: Der Fokus beim Gläubigerverzeichnis liegt auf der vollständigen und korrekten Erfassung aller Gläubiger. Eine Gliederung des Verzeichnisses ist gesetzlich nicht vorgegeben. Mittelbar 413 lässt sich diese in vertikaler Hinsicht den Rangklassen der beteiligten Gläubiger entnehmen. Es empfiehlt sich die Aufnahme folgender Beteiligten, wobei die Unterteilung je nach den Vorstellungen insbesondere der Insolvenzgerichte variieren können: Praxistipp: Gläubigerverzeichnis A. Masseverbindlichkeiten I.

Verfahrenskosten, § 54 InsO

II. sonstige Masseverbindlichkeiten 1.

§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO

2.

§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO

3.

§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO

4.

§ 55 Abs. 2 Satz 1 InsO (vorl. Verwalter)

5.

§ 55 Abs. 2 Satz 1 InsO (Schuldner Eigenverwaltung)

6.

§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO (vorl. Verwalter)

7.

§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO (Schuldner Eigenverwaltung)

8.

§ 55 Abs. 4 InsO

9.

Unterhalt (§ 100 InsO)

10. Sozialplanansprüche (§ 123 Abs. 1 InsO) 11. Schadensersatz (§ 169 Satz 1 InsO) 12. Wertersatz (§ 172 Abs. 2 Satz 1 InsO)

105

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren B. Insolvenzforderungen, § 38 InsO oGängige Praxis ist eine Gruppenbildung nach den Kriterien des Forderungsgrundes, z. B. I.

Verbindlichkeiten aus L+L

II. Verbindlichkeiten ggü. Kreditinstituten III. Steuerverbindlichkeiten IV. Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen […] C. Nachrangige Insolvenzforderungen, § 39 InsO168) I.

§ 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO

II. § 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO III. § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO IV. § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO V. § 39 Abs. 2 InsO

414 Soweit die Forderungen besichert sind, sind die Absonderungsrechte – korrespondierend zum Masseverzeichnis – in das Gläubigerverzeichnis aufzunehmen (§ 152 Abs. 2 Satz 1, 3 InsO). Die absonderungsberechtigten Gläubiger sind in Höhe des Teils der Forderung, die ungesichert ist bzw. im Zuge der Erlösverteilung aus der Verwertung des Absonderungsguts keine Zuteilung erhält (o Rn. 519 ff., 1078 ff.), Insolvenzgläubiger (Ausfallforderung vgl. § 52 InsO). 415 Aussonderungsberechtigte sind, steht das Aussonderungsrecht fest, nicht in das Verzeichnis aufzunehmen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 152 InsO, der die Aufnahme der Aussonderungsberechtigten nicht vorsieht. Ist zweifelhaft, ob ein Aussonderungsrecht besteht, sollte vorsichtshalber – wie auch im Masseverzeichnis (o Rn. 394 ff.) – mit einem Erinnerungswert gearbeitet werden. Eine Ausnahme gilt bei Gegenständen, deren Aussonderung grundsätzlich verlangt werden kann, hinsichtlich derer aber eine Anordnung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 5 InsO ergangen ist: Soweit hieraus Wertersatzforderungen gemäß § 169 Satz 1 InsO erwachsen, stellen diese Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 InsO dar.

___________ 168) § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO spielt bei Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen keine Rolle und wird daher nicht angeführt.

106

III. Die Wirkungen der Eröffnung

Die nachfolgende Übersicht soll als Anregung zur Gliederung dienen: Buchwert

Gesamtverbindlichkeit

./. Sicherheiten aufgr. Absonderung

+ Kostenbeiträge169)

416

= Forderung ungesichert

A. Masseverbindlichkeiten […] B. Insolvenzforderungen, § 38 InsO […] C. Nachrangige Insolvenzforderungen, § 39 InsO […] Summe Passiva

Auch für das Gläubigerverzeichnis existiert kein gesetzlich vorgesehener Stich- 417 tag. Als Bestandteil der Vermögensübersicht gemäß § 153 InsO (Passivseite der „Eröffnungsbilanz“) ist auch dieses Verzeichnis auf den Zeitpunkt der Eröffnung zu erstellen. Merke: Das Gläubigerverzeichnis gemäß § 152 InsO ist das Pendant zum Masseverzeichnis gemäß § 151 InsO. Die beiden Verzeichnisse sind in der Vermögensübersicht gemäß § 153 InsO (o Rn. 418 ff.) gegenüberzustellen. Wie in einer handelsrechtlichen Bilanz müssen sich Aktivseite und Passivseite in der Summe entsprechen. Das bedeutet bei der Aufstellung jeweils, dass die Werte der Absonderungsrechte auf der Aktivseite mit den Sicherheiten auf der Passivseite übereinstimmen müssen.

___________ 169) Anm.: In dieser Spalte sind die Kostenbeiträge gemäß §§ 170, 171 InsO bzw. der für die Verwertung vereinbarte Massekostenbeitrag darzustellen. Eine Saldierung der Kostenbeiträge mit den Drittrechten kollidiert mit dem Verbot des § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB (so auch Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 107).

107

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

cc) Vermögensübersicht (§ 153 InsO) 418 Die Vermögensübersicht gemäß § 153 InsO ist die sog. Eröffnungsbilanz. In der Übersicht sind die Aktiva und die Passiva unter Beachtung der insolvenzrechtlichen Besonderheiten gegenüberzustellen. Ein Nebeneinander von Aktiva und Passiva ähnlich einer handelsrechtlichen Bilanz (kontoförmige Bilanz) ist eine Möglichkeit der Darstellung; dies ist jedoch nicht zwingend vorgeschrieben. Die Vermögensübersicht muss sich auf die Werte des Masseund des Gläubigerverzeichnisses beziehen (§ 153 Abs. 1 Satz 2 InsO). Vereinfacht ausgedrückt ist die Bilanz ein „Nebeneinander der Verzeichnisses“. 419 Soweit das Verfahren gebietet, neben den Liquidations- auch die Fortführungsund ggf. Freigabewerte auszuweisen, empfiehlt sich aus Gründen der Übersichtlichkeit eine eigene Bilanz für den jeweiligen Gesichtspunkt (eine „Liquidationsbilanz“, ggf. eine „Fortführungsbilanz“, ggf. eine „Freigabebilanz“). 420 Ein Beispiel für den Aufbau einer Bilanz soll nachfolgende Illustration geben; aus Platzgründen wurde auf die Darstellung einer vollständigen Bilanz verzichtet: Beispiel: Aktiva

Passiva

[…]

[…]

Summe Aktiva

Summe Passiva

421 Ein Beispiel für die Kohärenz bei Absonderungsrechten sei nachfolgend gegeben: Beispiel: Aktiva Buchwert

A.

Anlagevermögen

I.

Immaterielle Vermögenswerte

Liquid.Wert170)

./.

+

=

Drittrechte

Kostenbeiträge171)

freie Masse

[…]

___________ 170) Anm.: Ggf. muss zusätzlich ein Ansatz von Fortführungs- und ggf. Freigabewerten erfolgen. Die Übersicht ist um entsprechende Spalten zu ergänzen. 171) Anm.: In dieser Spalte sind die Kostenbeiträge gemäß §§ 170, 171 InsO bzw. der für die Immobilienverwertung vereinbarte Massekostenbeitrag darzustellen. Eine Saldierung der Kostenbeiträge mit den Drittrechten kollidiert mit dem Verbot des § 246 Abs. 2 Satz 1 HGB (so auch Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 107).

108

III. Die Wirkungen der Eröffnung

Buchwert

II.

Liquid.Wert

./.

+

=

Drittrechte

Kostenbeiträge

freie Masse

100.000

9.000

9.000

+

=

Sachanlagen […]

2.

Techn. Anlagen und Maschinen

125.000

100.000

[…] Summe Aktiva

Passiva Buchwert

Gesamtverbindlichkeit

256.000

500.000

./.

Sicherheiten KostenForderung aufgr. Ab- beiträge172) ungesichert sonderung

A. Masseverbindlichkeiten […] B. Insolvenzforderungen, § 38 InsO I.

Verbindlichkeiten aus L+L

100.000

9.000

509.000

[…] Summe Passiva

Von der Möglichkeit der Versicherung der Vollständigkeit der Übersicht an 422 Eides statt durch Erklärung des Schuldners (§ 153 Abs. 2 InsO) kann nur in Fällen Gebrauch gemacht werden, wenn erheblich Zweifel an den Angaben des Schuldners, die mit die Grundlage zur Erstellung der Übersicht bilden, bestehen.173)

___________ 172) Anm.: Die Kostenbeiträge kann der Gläubiger gegen den Insolvenzschuldner, jedoch nur im Rang einer Insolvenzforderung geltend machen (§ 4 InsO i. V. m. § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO). 173) HK-InsO/Jarchow, § 153 Rn.20.

109

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

dd) Besonderheit bei Eigenverwaltung 423 In der Eigenverwaltung gilt folgende Besonderheit hinsichtlich der Pflicht zur Aufstellung der Verzeichnisse gemäß § 151, 152 InsO und der Vermögensübersicht des § 153 InsO: Praxistipp: In der Eigenverwaltung ist die Erstellung der Verzeichnisse gemäß § 151, 152 InsO und der Vermögensübersicht des § 153 InsO Aufgabe des Schuldners (§ 281 Abs. 1 Satz 1 InsO). Den Sachwalter trifft eine Prüfungspflicht, aus der heraus er das Recht herleitet, Einwendungen gegen die Verzeichnisse und die Übersicht zu erheben (§ 281 Abs. 1 Satz 2 InsO).

ee) Frist 424 Die Verzeichnisse gemäß §§ 151, 152 InsO sowie die Vermögensübersicht gemäß § 153 InsO sind spätestens eine Woche vor dem Berichtstermin beim Insolvenzgericht zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen (§ 154 InsO). In der Praxis empfiehlt sich, je nach Umfang des Verfahrens mit einer Vorfrist von 7 – 14 Tagen zu arbeiten. c) Verwertung der Insolvenzmasse 425 Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der Insolvenzmasse (o Rn. 467 ff.) auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Zur Insolvenzmasse gehören die zum Zeitpunkt der Eröffnung im Schuldnervermögen vorhandenen, pfändbaren Vermögenswerte sowie der während des Insolvenzverfahrens erlangte Neuerwerb (§§ 35, 36 InsO). Zu den Einzelheiten und Besonderheiten der Verwaltung und Verwertung wird nachfolgend näher ausgeführt werden (o Rn. 467 ff.). 426 Das Insolvenzverfahren ist bestimmt von der Gläubigerhoheit. So ist in § 157 Satz 1 InsO vorgesehen, dass die Gläubigerversammlung im Berichtstermin beschließt, ob das Unternehmen des Schuldners stillgelegt oder vorläufig fortgeführt werden soll. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der kodifizierte Regelfall die Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter. Dies ist selbstverständlich nicht in jedem Fall praktikabel, da in einer nicht zu geringen Zahl der Unternehmensinsolvenzen kein fortführungsfähiger Betrieb mehr vorgefunden wird und demnach vor dem Berichtstermin eine Stilllegung erfolgen muss. In diesem Fall bedarf es zur Stilllegung der Zustimmung des Gläubigerausschusses (§ 158 InsO). 427 Die Verwertung der Gegenstände der Insolvenzmasse ist erst nach dem Berichtstermin vorgesehen (o Rn. 479 ff.), soweit die Beschlüsse der Gläubigerversammlung nicht entgegenstehen (§ 159 InsO). Die Verwertung muss dann unverzüglich erfolgen und bedarf in bestimmten Fällen der Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung (§ 160 InsO). Den 110

III. Die Wirkungen der Eröffnung

Grundsätzen des Insolvenzrechts folgend, ist die bestmögliche Verwertungsoption zu wählen (§ 1 InsO). Die Verwertung i. S. d. § 159 InsO bedeutet die Liquidation des Schuldnerunternehmens. Vor dem Berichtstermin und der vorerwähnten Beschlussfassung durch die Gläubiger über den Fortgang des Verfahrens ist die Verwertung von Massebestandteilen zulässig, dann allerdings im Rahmen der Verwaltung, nicht im Sinne einer Liquidation. Diese Handlungen erfolgen durch den Verwalter nach pflichtgemäßem Ermessen und bergen, je nach Konstellation auch Haftungspotential, falls eine Verwertung zum Nachteil der Gläubiger vorgenommen wird (z. B. Veräußerung unter Wert). In der Praxis bereitet die Abgrenzung bei Zeiten Schwierigkeiten und sorgt für Verwirrung. Beispiel:

428

Der Schuldner Gottfried betreibt einen Käseladen. Durch eine längere Erkrankung – Gottfried hatte sich beim Stolpern über einen 18,5 kg schweren Käselaib einen komplizierten Beinbruch zugezogen – musst er sein Geschäft längere Zeit geschlossen halten. Nach seiner Genesung konnten die Tageseinnahmen aus dem solide geführten und gut laufenden Betrieb die fehlenden Umsätze nicht mehr auffangen, sodass er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen musste. Der Insolvenzverwalter führt den rentablen Käseladen nach Eröffnung bis auf Weiteres fort. An dem vorstehenden Beispiel wird deutlich, dass eine Fortführung bis zum 429 Berichtstermin nicht darstellbar ist, wenn der Verwalter nach Insolvenzeröffnung nicht Massegegenstände (Käse) veräußern dürfte. Durch die Fortführung und den damit verbundenen Betrieb verwaltet er die Masse. Würde er jedoch die Käseschneidemaschine, die Waage und ähnliche Gegenstände des Betriebsvermögens veräußern, wäre dies eine Verwertungshandlung, eine Fortführung würde unmöglich werden. Die Gläubigerversammlung könnte im Berichtstermin nicht mehr über den Fortgang entscheiden, da bereits Tatsachen geschaffen wurden. Ist den Gläubigern hierdurch ein Schaden erwachsen, weil eine Fortführung die besseren Befriedigungsaussichten geboten hätte, macht sich der Insolvenzverwalter u. U. haftbar (§ 60 InsO). Soweit es die Verwaltung gebietet, sind Veräußerungen auch vor dem Be- 430 richtstermin zulässig. Neben den Erzeugnissen und Waren des fortgeführten Unternehmens ist ebenfalls der Forderungseinzug der Verwaltung zuzuordnen und bereits vor dem Berichtstermin indiziert.174)

___________ 174) Vgl. BGH, Urt. v. 20.2.2003 – IX ZR 81/02, ZIP 2003, 632.

111

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

431 Als Richtlinie kann für die Praxis folgender Merksatz dienen: Merke: Soweit Umlaufvermögen nicht ausnahmsweise zur Fortführung eines Geschäftsbetriebs erforderlich ist, steht § 159 InsO einer Veräußerung vor dem Berichtstermin insoweit nicht entgegen. Die Verwertung von Anlagevermögen ist grundsätzlich erst nach dem Berichtstermin statthaft. 432 Beispiel: In Abwandlung des vorstehenden Beispiels zum Käseladen ist anzunehmen, dass eine Fortführung nach Eröffnung nicht darstellbar ist, weil Gottfried nach wie vor gesundheitlich an der Ausübung seiner selbstständigen Tätigkeit gehindert ist. Der Insolvenzverwalter hat eine Woche nach Eröffnung die Möglichkeit, den Geschäftsbetrieb zu übertragen. 433 In der Abwandlung des Falles besteht die Möglichkeit einer übertragenden Sanierung, einer im Insolvenzverfahren sehr häufig gewählten Verwertungsalternative zum Erhalt der wirtschaftlichen Werte des Schuldnervermögens. Hierbei werden sämtliche Aktiva an einen Erwerber übertragen. Die Zahlungsverbindlichkeiten des Schuldners werden im Insolvenzverfahren abgewickelt. Auch eine übertragende Sanierung ist eine Form der Verwertung175) und demnach grundsätzlich erst nach dem Berichtstermin möglich. Jedoch wäre es im Beispiel kaum zumutbar, mit der Verwertung von Käsesorten mit kurzer Haltbarkeitsdauer bis dahin zuzuwarten. Der Gesetzgeber sieht daher in einem solchen Fall – ähnlich wie auch im Antragsverfahren unter vorläufiger Insolvenzverwaltung – eine Notveräußerung bereits vor dem Berichtstermin als zulässig an. Alternativ wäre möglich, den Käseladen an den potentiellen Erwerber bis zur Entscheidung der Gläubigerversammlung im Berichtstermin zu verpachten. 434 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es zu einer übertragenden Sanierung der Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung (§ 160 Abs. 2 Satz 1 InsO) sowie unter den besonderen Voraussetzungen auch weiterer Zustimmungen gemäß § 162, 163 InsO bedarf. Arbeitsrechtlich ist i. d. R. § 613a BGB einschlägig (o Rn. 989 ff.). 435 Auch gibt es eine Vielzahl von Verfahren, in denen eine Fortführung gar nicht erst in Betracht zu ziehen ist, etwa, weil der Geschäftsbetrieb des Schuldners bereits vor Einleitung des Insolvenzverfahrens eingestellt war. In diesem Fall hat der Verwalter ebenfalls die Gegenstände der Masse bestmöglich zu verwerten. Die Grundsätze der bestmöglichen Verwertung gehen einher mit der Prämisse, bei der Verwertung den höchsten Erlös zu erzielen. Gleichzeitig bedeutet dies auch, dass die Insolvenzmasse mit dem geringsten Massekostenvolumen zu belasten ist. Sind mit dem Erhalt des Vermögensge___________ 175) Wellensiek, NZI 2002, 233.

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III. Die Wirkungen der Eröffnung

genstands Kosten für die Masse verbunden, kann eine Verwertung vor dem Berichtstermin auch im Gläubigerinteresse angezeigt sein, da die Masseverbindlichkeiten vor der Befriedigung der Insolvenzgläubiger zu begleichen sind. Vereinfacht ausgedrückt: Masseverbindlichkeiten vermindern also die Insolvenzquote. In manchen Fällen kann es daher angezeigt sein, vor dem Berichtstermin zu verwerten. In der Praxis wird in einem solchen Fall regelmäßig mit entsprechenden Genehmigungsvorbehalten in den Verwertungsvereinbarungen agiert. Der Insolvenzverwalter verwertet nach pflichtgemäßem Ermessen und berichtet der Gläubigerversammlung im Berichtstermin über die Maßnahmen und Ergebnisse. Hat eine bestmögliche und wertentsprechende Verwertung stattgefunden, besteht keine Gefahr, dass der Insolvenzverwalter sich insoweit gegenüber den Gläubigern haftbar macht. Erfolgt die Verwertung im Rahmen sog. Insolvenzverkäufe hat der Insolvenz- 436 verwalter die Bestimmungen des Wettbewerbsrechts, insbesondere §§ 3, 4, 5 UWG zu beachten. Unter Beachtung des Grundsatzes der bestmöglichen Verwertung ist der Verwalter i. Ü. frei in der Preisgestaltung, jedoch bei Insolvenzverkäufen reglementiert durch § 5 Abs. 4 UWG, wonach eine irreführende geschäftliche Handlung anzunehmen ist, wenn mit der Herabsetzung eines Preises geworben wird, sofern der Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist. Erfolgt der so beworbene Insolvenzverkauf durch einen Verwerter ist darauf zu achten, dass nur Massegegenstände verwertet werden und nicht weitere, eigens für die Verwertung angeschaffte, verkaufsfördernde zusätzliche „Schmankerl“ (vgl. § 4 Nr. 4 UWG). Wird ein externer professioneller Verwerter beauftragt, der oftmals die öf- 437 fentliche Versteigerung als Verwertungsformat wählt, ist mit Blick auf die Vergütung des Insolvenzverwalters darauf zu achten, dass die Verwertung zu den originären Kernaufgaben der Verwaltertätigkeit zählt. Delegationen führen insoweit ggf. zu Abschlägen bei der Vergütungsfestsetzung, sofern die Umstände des Verfahrens die Verwertung durch einen Dritten nicht rechtfertigen (z. B. wegen der bei der Versteigerung bestehenden Möglichkeit des Gewährleistungsausschlusses, einem Spezialmarkt oder bei größeren Massen.176)) 2. Konsequenzen für den Schuldner Im gleichen Umfang, wie die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den 438 Insolvenzverwalter übergeht (§ 80 Abs. 1 InsO), geht der Schuldner ihrer verlustig. Nach Insolvenzeröffnung kann er daher nicht mehr rechtswirksam über massezugehöriges Vermögen (o Rn. 467 ff.) verfügen. Der Schuldner bleibt jedoch Rechtsträger, d. h. Eigentümer auch der insolvenzbefangenen Gegenstände. Vom Verwalter vorgenommene Verfügungen (dingliche Rechtsgeschäfte, aber auch Ausübung von Gestaltungsrechten wie Kündigungen, ___________ 176) FK-InsO/Wegener, § 159 Rn. 11.

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Widerrufen, Anfechtungen gemäß §§ 142 ff. BGB, Rücktritte §§ 349 ff. BGB, Aufrechnung gemäß §§ 389 ff. BGB) entfalten unmittelbare Wirkung für und gegen den Schuldner. 439 Auf den beruflichen Status des Schuldners hat die Eröffnung des Verfahrens nur bei selbstständig Tätigen einen mehr oder weniger einschneidenden Einfluss. Ist der Schuldner Kaufmann, ändert an dieser Eigenschaft auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts.177) Der Schuldner bleibt Kaufmann bis zu einer evtl. Einstellung oder Veräußerung des Geschäftsbetriebes. 440 Bei Gewerbetreibenden kann die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu einer Gewerbeuntersagung gemäß § 35 GewO führen (o Rn. 7 ff.). Auch Freiberufler mit Fremdvermögen verwaltender Funktion droht in der Regel der Widerruf der Zulassung nach den jeweiligen berufsrechtlichen Bestimmungen (o Rn. 7 ff.). Oftmals ist hier, soll der Gewerbe-/Praxisbetrieb aufrechterhalten oder wieder aufgenommen werden, ein zeitnaher Insolvenzplan die einzige Möglichkeit zur Sicherung der Existenz im ausgeübten Berufsfeld (Konsolidierung durch Insolvenzplan). Bestenfalls wird bereits mit Einleitung des Verfahrens ein sog. „Prepackaged-Plan“ eingereicht (o Rn. 1201 ff.). 441 Wird das Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung eröffnet (§ 270 InsO), verbleibt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auch hinsichtlich der Massegegenstände beim Insolvenzschuldner. Der Sachwalter übernimmt eine Controllingfunktion mit Vetorechten in einem gesetzlich bestimmten Rahmen (o Rn. 1277 ff.). 3. Verfügungen, Leistungen und Rechtserwerb nach Eröffnung (§§ 81, 82, 91 InsO) 442 Gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO sind Verfügungen des Schuldners über Massegegenstände nach Eröffnung absolut unwirksam. Die Bestimmung ist die logische Konsequenz aus § 80 Abs. 1 InsO, der die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ab Eröffnung auf den Insolvenzverwalter überträgt. 443 Zunächst ist zu prüfen, ob eine Verfügung des Schuldners vorliegt. Der Begriff der Verfügung ist weit zu verstehen und umfasst neben Rechtübertragungen, Rechtsänderungen, Rechtsbelastungen, Aufhebungen nach ganz überwiegender Meinung auch rechtsgeschäfts- und verfügungsähnliche Handlungen, insbesondere Zahlungen, Lastschriftbuchungsgenehmigungen, Mitteilungen und Anzeigen (§§ 149, 171, 409 Abs. 1, 415 Abs. 1 Satz 2, 416 Abs. 1 Satz 1, 478 Abs. 1 BGB, § 377 HGB), Fristsetzungen, Aufforderun-

___________ 177) HK-InsO/Kuleisa, § 80 Rn. 31.

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III. Die Wirkungen der Eröffnung

gen nach §§ 108 Abs. 2, 177 Abs. 2 BGB oder Androhungen nach §§ 384 Abs. 1, 1220 Abs. 1 Satz 1 BGB.178) Liegt eine Verfügung des Schuldners vor, greift § 81 InsO. Verpflichtungsge- 444 schäfte erfasst § 81 InsO hingegen nicht (Abstraktionsprinzip beachten!). Der Schuldner handelt, zielt er auf eine Verpflichtung der Insolvenzmasse ab, in Anlehnung an die Vertretungsregeln der §§ 164 ff. InsO ohne Vertretungsmacht und kann daher die Masse zu nichts verpflichten.179) Es besteht die Möglichkeit, dass der Insolvenzverwalter eine Genehmigung erteilt (§ 177 BGB), sollte das Geschäft für die Insolvenzmasse günstig sein. Wird eine Genehmigung nicht ausgesprochen, haftet allein das unpfändbare Neuvermögen des Schuldners (§ 179 BGB). Solche Neuverbindlichkeiten sind nicht von der Restschuldbefreiung erfasst (vgl. § 301 InsO). Liegt eine Verfügung des Schuldners vor, ist zu prüfen, ob der Gegenstand 445 überhaupt insolvenzbeschlagen (o Rn. 467 ff.) ist. Über nicht massezugehörige Gegenstände kann der Insolvenzschuldner auch nach Eröffnung nach wie vor rechtswirksam verfügen. Bei Verfügungen des Schuldners über einen Gegenstand der Insolvenzmasse 446 in einem mehraktigen Rechtserwerb kann es problematisch sein, wenn die Ausführung vor Eröffnung begann, der Rechtserwerb aber erst nach Eröffnung mit Eintritt der letzten Wirksamkeitsvoraussetzung vollendet wird. Ist der mehraktige Rechtserwerb z. Zt. der Eröffnung des Insolvenzverfah- 447 rens bereits so weit gediehen, dass der Erwerbende ein sog. Anwartschaftsrecht für sich beanspruchen kann, steht dem endgültigen Rechtserwerb nach Eröffnung auch nichts mehr im Wege. Merke: Als Anwartschaft bezeichnet man die Rechtsposition des Erwerbers, wenn von einem mehraktigen Erwerbsvorgang schon so viele Teile vorgenommen worden sind, dass der endgültige Eintritt des Erwerbs einseitig vom Veräußerer nicht mehr verhindert werden kann. Anschaulich wird dies am Beispiel des Erwerbs von Immobiliarvermögen. 448 Zur Veräußerung von Grundstücken bedarf es eines mehraktigen Verfügungsgeschäfts in Form der dinglichen Einigung zwischen Verkäufer und Erwerber (Auflassung) sowie der Eintragung im Grundbuch (§§ 873, 925 BGB). Erst mit Eintragung des Erwerbers im Grundbuch erlangt dieser die Eigentumsrechte am Grundstück. Ist die dingliche Einigung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt und liegt der Antrag auf Eigentumsumschreibung z. Zt. der Eröffnung beim Grundbuchamt vor, ist i. R. v. § 81 InsO nicht auf den Zeitpunkt der endgültigen Grundbuchumschreibung (nach Insolvenzeröff___________ 178) Zum Streitstand und m. w. N. siehe HK-InsO/Kuleisa, § 81 Rn. 6. 179) Ries, ZInsO 2005, 298, 300.

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nung) abzustellen, sondern vielmehr auf den Eingang des rangwahrenden Antrags im Grundbuchamt (§ 878 BGB).180) Zu beachten ist allerdings, dass § 81 InsO im vorläufigen Insolvenzverfahren entsprechend anwendbar und die Verfügung des Schuldner unwirksam ist (§ 24 Abs. 1 InsO), es sei denn, der vorläufige Insolvenzverwalter spricht eine Genehmigung aus. 449 Soweit Grundpfandrechte betroffen sind, ist bei der Hypothek die Akzessorietät zu beachten. Merke: Akzessorietät bedeutet, dass das Recht (z. B. die Hypothek) in ihrem Bestand von der gesicherten Forderung (z. B. Darlehensforderung) abhängt – das Recht teilt das Schicksal der Forderung. 450 Nimmt der Schuldner die Darlehensmittel erst nach Eröffnung (bzw. im vorläufigen Verfahren nach Anordnung der Verfügungsbeschränkungen) entgegen, kann kein Absonderungsrecht zugunsten des Gläubigers begründet werden, da der wirksame Rechtserwerb über (§ 24 Abs. 1 InsO i. V. m.) § 81 Abs. 1 InsO verhindert wird. Dies gilt auch, wenn das Recht bereits im Grundbuch eingetragen ist, denn das eingetragene Recht ist bis zur Valutierung der gesicherten Forderung ein Eigentümergrundpfandrecht.181) Wird gegenüber einem Dritten valutiert, verfängt § 81 Abs. 1 InsO nicht. Vielmehr ist der Vorgang nach Insolvenzeröffnung bei Vorliegen der Voraussetzungen über die Anfechtungsregeln abzuwickeln (§ 143 InsO, o Rn. 800 ff.). 451 Bei der nicht akzessorischen Grundschuld kann der Eigentümer dem Gläubiger bis zur Bereitstellung der Darlehensmittel die Einrede der Nichtvalutierung aus der Sicherungsabrede entgegenhalten. Abgängig vom Zeitpunkt der Valutierung greifen auch in diesem Fall die Bestimmungen des § 81 Abs. 1 InsO (im vorläufigen Verfahren über § 24 Abs. 1 InsO). 452 Ist der Erwerber bei der jeweiligen Antragstellung auf Eintragung in seiner Rechtsposition ob einer bindenden Einigung gesichert und ist der Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung beim Grundbuchamt gestellt, kann er das Recht gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO i. V. m. §§ 878, 892 BGB gutgläubig erwerben, wenn die dingliche Einigung dem Eintragungsantrag zeitlich vorausgeht und der Erwerber bei Stellung des Antrags beim Grundbuchamt hinsichtlich der fehlenden (bzw. beschränkten) Verfügungsbefugnis auch gutgläubig war (Gutglaubenserwerb der Anwartschaft). Gutgläubigkeit scheidet regelmäßig dann aus, wenn zuvor bereits ein (vorläufiger) Insolvenzsperrvermerk eingetragen wurde (§ 32 InsO, ggf. i V. m. § 23 Abs. 3 InsO). 453 Für Leistungen an den Schuldner bestimmt § 82 InsO, dass diese schuldbefreiend nur noch an den Insolvenzverwalter erbracht werden können, wenn ___________ 180) Siehe dazu BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 136/11, ZIP 2012, 1256. 181) MünchKomm-InsO/Breuer, § 91 Rn. 27.

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III. Die Wirkungen der Eröffnung

die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse zu erfüllen war. Der an den Schuldner Leistende wird nur dann von der Verpflichtung befreit, wenn er z. Zt. der Leistungserbringung hinsichtlich der Eröffnung des Verfahrens in Unkenntnis war. Hatte er hingegen Kenntnis von der Leistung, kann der Insolvenzverwalter ihn erneut zur Leistung an die Insolvenzmasse auffordern. Die bereits an den Schuldner erbrachte („doppelte“) Leistung kann er von diesem nach bereicherungsrechtlichen Bestimmungen (o § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) zurückverlangen. Ist Eigenverwaltung angeordnet, sind § 81 und 82 InsO nicht unmittelbar 454 anzuwenden, da der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis behält, es sei denn das Insolvenzgericht bestimmt, dass die Wirksamkeit bestimmter Rechtsgeschäfte von der Zustimmung des Sachwalters anhängt. Soweit Vollstreckungsmaßnahmen nach Antragstellung bzw. nach Eröff- 455 nung vorgenommen werden, schützen §§ 88, 89, 90 InsO die Insolvenzmasse vor Schmälerungen (o Rn. 1002 ff.). Sonstiger Rechtserwerb nach Eröffnung ist, soweit er masseschmälernden 456 Charakter aufweist, d. h. Gegenstände der Insolvenzmasse betrifft, über § 91 InsO ausgeschlossen. § 91 InsO ist als Auffangtatbestand zu sehen für die Fälle, die nicht bereits über die §§ 81, 82, 88, 89, 90 InsO gegriffen werden. § 91 InsO verfängt in den Fällen, denen keine Verfügung des Schuldners oder eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme zugrunde liegt. Problemfeld: Vorausabtretungen Verfügt der Schuldner über wiederkehrende Bezüge, kann er die Forderun- 457 gen unter bestimmten Voraussetzungen zugunsten eines Dritten abtreten, soweit die Forderungen noch nicht durch Zahlung erloschen sind (§ 362 BGB) oder auch künftig erst entstehen (§ 398 BGB). Die Abtretung einer Forderung durch den Schuldner nach Insolvenzeröffnung ist über § 81 Abs. 1 InsO unwirksam. Bei der Abtretung künftiger Forderungen, der sog. Vorausabtretung, treten 458 die Wirkungen des Abtretungsvertrags erst mit Entstehen der Forderung ein. Bei einer Vorausabtretung ist es wichtig, dass bei Entstehen der Forderung eindeutig ist, welche Forderungen gegen welchen Drittschuldner in welchem Umfang abgetreten werden soll (Bestimmtheitsgrundsatz)182). Bei der Abtretung ist grundsätzlich zu beachten, dass unpfändbare Forde- 459 rungen nicht abgetreten werden können (§ 400 BGB). Der wichtigste Anwendungsfall im Bereich der Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen ist die Beachtung der Pfändungsfreigrenzen bei der Abtretung von Arbeitseinkommen (§§ 850 ff. ZPO). ___________ 182) BGH, Urt. v. 24.11.1975 – III ZR 81/73, WM 1976, 151.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

460 Ist der Schuldner ein Freiberufler, kann er Honorarforderungen ohne die Zustimmung des Patienten bzw. Mandanten grundsätzlich nicht abtreten, da ein unlösbarer Konflikt zwischen der Auskunftserteilung (§ 402 BGB) und der Schweigepflicht der freien Berufe (vgl. § 203 Abs. 1 Ziff. 3 StGB) besteht.183) 461 Unter insolvenzrechtlichen Gesichtspunkten betrachtet, ist bei einer Vorausabtretung § 91 InsO zu beachten. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens können Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nicht wirksam erworben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt. Bei der Vorausabtretung ist die Verfügung des Schuldners bereits mit Abschluss des Abtretungsvertrags beendet. Die Wirkungen der Abtretung, damit der Rechtsübergang der Forderung, erfolgt jedoch erst mit dem Entstehen der Forderung. Entsteht die zuvor abgetretene Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, steht dem Rechtserwerb des Gläubigers § 91 Abs. 1 InsO entgegen. 462 Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Zessionar (neue Gläubiger) bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der abgetretenen Forderung erlangt hat. In diesem Fall ist die Abtretung insolvenzfest.184) Gesichert ist eine Rechtsposition dann, wenn der Zedent (Abtretende) und der Forderungsschuldner diese ohne Mitwirkung des Neugläubigers einseitig nicht mehr zerstören können.185) Bei Arbeitseinkommen ist regelmäßig keine gesicherte Rechtsposition anzunehmen, da die Forderung auf Zahlung des Arbeitsentgelts erst durch Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung durch den Schuldner entsteht.186) Gleiches gilt bei Dienstverträgen, da der Vertrag durch Kündigung beendet werden kann bzw. der Dienstverpflichtete die ihm obliegende Leistung ohne Gründe, die einen Vergütungsanspruch begründen, verweigern kann.187) 463 Zu beachten ist auch, dass es einen gutgläubigen Erwerb von Forderungen grundsätzlich nicht gibt (Ausnahme §§ 2366 f. BGB, § 405 BGB). ___________ 183) Siehe hierzu exemplarisch BGH, Urt. v. 10.10.2013 – III ZR 325/12, NJW 2014, 141. 184) BGH, Urt. v. 26.1.2012 – IX ZR 191/10, WM 2012, 549 und Urt. v. 20.9.2012 – IX ZR 208/11, WM 2012, 2292. 185) BGH, Urt. v. 26.1.2012 – IX ZR 191/10, WM 2012, 549. 186) BGH, Urt. v. 20.3.2003 – ZIP 2003, 808. 187) BGH, Urt. v. 20.9.2012 – IX ZR 208/11, WM 2012, 2292; BGH, Urt. v. 26.6.2008 – IX ZR 87/07, WM 2008, 1460; siehe zum Anspruch eines Kassenarztes BGH, Urt. v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, BGHZ 167, 363 sowie v. 20.10.2011 – IX ZR 10/11, WM 2011, 2294 und Beschl. v. 18.2.2010 – IX ZR 67/09, WM 2010, 567 (Vergütungsansprüche des Kassenarztes entstehen erst mit Erbringung der ärztlichen Leistungen, die Grundlage des endgültigen Honorarbescheids der KV sind. Eine gesicherte Rechtsposition an Honoraransprüchen kann der Zessionar erst erwerben, nachdem der Arzt vergütungsfähige Leistungen erbracht hat. Eine Vorausabtretung geht dann ins Leere, wenn der Insolvenzverwalter die Praxis des Schuldners fortführt.

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III. Die Wirkungen der Eröffnung

In Insolvenzverfahren angestellt tätiger, natürlicher Personen mit Antrag- 464 stellung bis zum 30.6.2014 bildete § 114 Abs. 2 InsO a. F. insoweit eine Ausnahme zu § 91 Abs. 1 InsO, als die Vorausverfügung über Arbeitseinkommen oder ähnliche Bezüge für die Dauer von zwei Jahren ab Eröffnung wirksam war (o zum Problemfeld nach Streichung des § 114 InsO Rn. 751 ff.). Auch fällt der Kauf unter Eigentumsvorbehalt unter § 91 InsO. Zahlt der 465 Vorbehaltskäufer den (Rest)Kaufpreis, steht dem Eigentumserwerb auch nach der Eröffnung nichts entgegen, da dieser nur noch einseitig von der Zahlung des Käufers abhängt. Praxistipp: Wurde bereits vor Eröffnung eine starke Anwartschaftsposition erworben, die der Schuldner nicht mehr beeinflussen kann, hat diese ihre Massezugehörigkeit bereits verloren und der Rechterwerb kann durch § 91 InsO nicht mehr verhindert werden. § 91 InsO präkludiert indes nicht die Insolvenzanfechtung. Daher ist in der Praxis, selbst wenn der Rechtserwerb auch unter Berücksichtigung von § 91 InsO wirksam ist, zu prüfen, ob die zugrunde liegende Rechtshandlung nicht nach den §§ 129 ff. InsO anfechtbar ist. Die Prüfung ist eine zweistufige: 1. Wirksamkeit (§§ 81, 91 InsO; beachte auch § 88 InsO) 2. Falls ja: Anfechtbarkeit (§§ 129 ff., 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO)

Übersicht: Rechtshandlungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Rechtshandlungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Verfügungen des Schuldners, Leistungen an den Schuldner §§ 81, 82 InsO

Zwangsvollstreckungsmaßnahmen §§ 89, 90 InsO

Sonstiger Rechtserwerb § 91 InsO (Auffangtatbestand)

Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach oder innerhalb einer 1- bzw. 3Monatsfrist vor dem Insolvenzantrag § 88 InsO

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse 1. Insolvenzmasse 467 Der Begriff der Insolvenzmasse ist legaldefiniert in § 35 Abs. 1 InsO. § 35 Abs. 1 InsO Das Insolvenzverfahren erfasst das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).

468 Unter Insolvenzbeschlag stehen hiernach die sog. Soll-Masse zum Eröffnungsstichtag sowie der sog. Neuerwerb. 469 Zur Insolvenzmasse zugehörig ist auch im Ausland befindliches Schuldnervermögen (Universalitätsprinzip).188) 470 Insbesondere im Bereich der natürlichen Personen wird die Vorschrift präzisiert durch § 36 InsO, der z. T. unter Bezugnahme auf Normen der Zivilprozessordnung grundsätzlich nur das pfändbare Vermögen dem Insolvenzbeschlag unterstellt. Auch hiervon definiert § 36 Abs. 2, 3 InsO wiederum Ausnahmen. 471 Die Systematik lässt sich wie folgt veranschaulichen: Rechtsträger: Schuldner = Eigentümer

Insolvenzmasse (Sondermasse)

nicht massezugehörig (Sondermasse)

Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters, § 80 Abs. 1 InsO

Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners

Gesamtes Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt, § 35 Abs. 1 InsO. Unpfändbare Vermögenswerte; die ZPO-Vorschriften §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, 850g –850k, 851c, 851d ZPO gelten entsprechend, § 36 Abs. 1 InsO. Geschäftsbücher und landwirtschaftl. Geräte und Vieh sowie die zum Betrieb einer Apotheke unentbehrlichen Geräte, Gefäße und Waren (§ 811 Abs. 1 Nr. 4, 9 ZPO), § 36 Abs. 2 InsO. Hausrat, wenn ohne Weiteres ersichtlich ist, dass der zu erwartende Verwertungserlös zu dem Wert außer allem Verhältnis steht.

___________ 188) BGH, Urt. v. 11.7.1985 – IX ZR 178/84, ZIP 1985, 944.

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IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse

Das Vermögen, welches der Verwalter vorfindet, ist jedoch i. a. R. umfassen- 472 der oder geringer als die Soll-Masse, da sich zum Teil auszusondernde oder verheimlichte Vermögensgegenstände im Schuldnerbesitz befinden.189) Die tatsächlich vorgefundene Masse beschreibt man als sog. Ist-Masse. Soweit von Teilungsmasse die Rede ist, beschreibt dies das nach Verwertung 473 vorhandene Vermögen, bereinigt um die abgesonderten Befriedigungen, Aufrechnungen und Freigaben nach Befriedigung der Massegläubiger.190) Hinsichtlich der Frage, ob ein Vermögenswert pfändbar ist, ist auf die Vor- 474 schriften für die Einzelzwangsvollstreckung der ZPO abzustellen (natürlich unter Beachtung der zuvor dargestellten insolvenzrechtlichen Besonderheiten). Für die beweglichen Gegenstände ist insbesondere § 811 ZPO zu beachten, für Forderungen und sonstige Rechte sind §§ 828 ff., 850 ff. ZPO maßgeblich. Sind massezugehörige Gegenstände beschädigt oder aus Massemitteln erwor- 475 ben worden, unterliegen auch die Schadensersatzansprüche bzw. die aus Massemitteln erworbenen Vermögenswerte dem Massebeschlag. In der Insolvenzordnung ist die Behandlung von Surrogaten zwar nicht verankert, wird in Anlehnung an § 2041 BGB bzw. §§ 285, 1247 BGB aber anerkannt.191) Daher sind auch Früchte und Nutzungen massezugehörig.192) Die Arbeitskraft des Schuldners sowie dessen Arbeitsverhältnis sind kein Be- 476 standteil der Insolvenzmasse.193) Vor diesem Hintergrund kann der Insolvenzverwalter den Schuldner nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit zwingen.194) Dies gilt unabhängig von der insolvenzrechtlich normierten und bei Verstoß ggf. sanktionierten Erwerbsobliegenheit der § 287b InsO bzw. § 295 Abs. 1 Nr. 1. Der Obliegenheit kommt der Schuldner im eigenen Interesse mit dem Ziel der Erlangung der Restschuldbefreiung oder der Verhinderung der Aufhebung der bewilligten Verfahrenskostenstundung (§ 4c Nr. 4 InsO) nach. Eine zwangsweise durchzusetzende Erwerbspflicht besteht indes nicht. Der Insolvenzverwalter kann unter bestimmten Voraussetzungen auch einzel- 477 ne Gegenstände oder die selbstständige Tätigkeit aus dem Insolvenzbeschlag freigeben (o Rn. 481 ff.). Der mit Insolvenzeröffnung begründete Massebeschlag ist mit Zugang der Freigabeerklärung beendet. Diese Vermögenswerte sind (wieder) dem insolvenzfreien Vermögen zuzurechnen. Dies ist streng zu trennen von den bereits aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Vermögenswerten. Greifen die Vorschriften ___________ 189) 190) 191) 192) 193) 194)

FK-InsO/Ahrens, § 35 Rn. 10. FK-InsO/Ahrens, § 35 Rn. 11. FK-InsO/Ahrens, § 35 Rn. 22. BGH, Urt. v. 30.5.1958 – V ZR 295/56, NJW 1958, 1286. BAG; Urt. v. 20.6.2013 – 6 AZR 789/11, NZI 2013, 942. BGH, Urt. v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, ZIP 2006, 1254.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

zur Unpfändbarkeit, wurde nie ein Massebeschlag begründet. Für eine Freigabeerklärung hinsichtlich solcher Gegenstände besteht daher kein Raum, da das durch die Freigabe erklärte Ausscheiden aus der Insolvenzmasse denklogisch voraussetzt, dass zunächst einmal Massebeschlag begründet wurde. 478 Übersicht Vermögensmassen: Insolvenzmasse (§§ 35, 36 InsO) Altmasse → am Eröffnungsstichtag in der Insolvenzmasse vorhanden

Insolvenzfreies Vermögen

Neuerwerb → nach Eröffnung unter Massebeschlag erworben

Freigabe der selbstständigen Tätigkeit, § 35 Abs. 2 InsO

Freigabe einzelner Gegenstände

insolvenzfreies, da unpfändbares Vermögen (§§ 35, 36 InsO)

2. Verwaltung und Verwertung 479 Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der Gegenstände der Insolvenzmasse ist die Grundlage zur Befriedigung der Gläubiger. Durch die weitestgehende Unwirksamkeit von Verfügungen des Schuldners (§ 81 InsO) ist der Erhalt der Insolvenzmasse als Haftungsmasse sichergestellt. Gleiches gilt hinsichtlich der Drittschuldnerzahlungen, die schuldbefreiend nur noch an den Insolvenzverwalter geleistet werden können (§ 82 InsO). 480 Die Verwaltung der Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter ist zu verstehen als „Bestandspflege“ der Masse und Erhalt des Haftvermögens sowie der „Versilberung“ im Rahmen der Verwertung mit dem Ziel der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (par conditio creditorum). 3. Freigabe einzelner Gegenstände aus dem Massebeschlag a) Grundsätze der Freigabe 481 Eine der Kernaufgaben des Verwalters ist – wie bereits dargestellt – die bestmögliche Verwertung des Schuldnervermögens und die masseschonende Verwaltung dessen bis zur Verwertung.

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IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse

In dem „Gesamtpaket“ der Sondermasse Insolvenzvermögen befinden sich 482 bei Zeiten Gegenstände, bei denen der zu erwartende Verwertungserlös die Kosten der Verwertung nicht übersteigen wird.195) Im Insolvenzverfahren ist die bestmögliche und gleichmäßige Gläubigerbefriedigung oberster Grundsatz. Ist ein Erlös zugunsten der Masse nach Abzug der Verwertungskosten nicht zu erwarten, ist die Verwertung des einzelnen Gegenstands für die Gläubiger faktisch wertlos. Im Gegenteil können evtl. mit der bis dahin andauernden Verwaltung anfallende Kosten sogar zu einer Masseminderung führen (z. B. Kosten für Unterhaltung, Instandsetzung, Unterstellung, Lagerung etc.). Bei massebeschlagenen grundpfandrechtlich besicherten Grundstücken über- 483 steigen Valuten der grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen häufig den zu erwartenden Verwertungserlös des Grundstücks. Das Grundstück ist wertausschöpfend oder wertübersteigend belastet. Ist kein Zwangsverwaltungsverfahren angeordnet, sind die laufenden öffentlichen Lasten und Unterhaltungskosten des Grundstücks aus der Masse zu bedienen. Auch dies führt zu einer Masseschmälerung. In all den beschriebenen Fällen wäre eine Verwertung des einzelnen Gegen- 484 standes nicht mit einer Massemehrung, in manchen Fällen sogar mit einer Masseschmälerung verbunden. Die Verwertungsfrage ist demnach nicht ausschließlich eine rechtliche, sondern auch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise des Sachverhalts. Stellt der Insolvenzverwalter Schmälerungspotential zulasten der Insolvenzmasse im Zuge der Prüfung der Verwertungsmöglichkeiten fest, wird sich den Gegenstand aus der Masse freigeben, um ggf. weitere Nachteile von der Masse abzuwenden. Die Möglichkeit, einzelne Gegenstände aus dem Insolvenzbeschlag freizugeben, 485 ist gesetzlich nicht ausdrücklich verankert, jedoch allgemein anerkannt.196) Das Recht zur Freigabe kann insbesondere aus der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 Abs. 1 InsO) gefolgert werden, lässt sich aber auch aus § 32 Abs. 3 InsO herleiten, wonach das Grundbuchamt nach Freigabe eines Grundstücks die Löschung des Sperrvermerks auf Ersuchen des Insolvenzgerichts oder auf Antrag des Insolvenzverwalters vornimmt. Merke: Die Freigabe einzelner Gegenstände ist nicht gleichbedeutend mit der Freigabe der selbstständigen Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO (o Rn. 567 ff.)! Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine (konstitutive) Freigabe erklärt 486 werden kann, ist der mit Eröffnung zunächst begründete Massebeschlag des Gegenstands. ___________ 195) Im Fall der Einzelzwangsvollstreckung hat der Gerichtsvollzieher in einem solchen Fall von der Pfändung Abstand zu nehmen (vgl. § 803 Abs. 2 ZPO). 196) Vgl. exemplarisch BGH, Urt. v. 21.4.2005 – IX ZR 281/04, ZInsO 2005, 594 ff.; Marotzke, ZVI 2003, 309, 313 ff.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

Merke: Eine (konstitutive) Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag kann nur hinsichtlich eines zunächst vom Insolvenzbeschlag erfassten Gegenstands erklärt werden. 487 Daraus folgt, dass insbesondere hinsichtlich auszusondernder Gegenständen eine Freigabe nicht erklärt werden kann und muss. Auch unpfändbare Gegenstände gehören nicht zur Insolvenzmasse (vgl. §§ 35, 36 InsO), sodass eine diesbezüglich erklärte „Freigabe“ keinen rechtserheblichen Charakter haben kann.197) b) Zeitpunkt der Freigabe 488 Rechtlich ist eine Freigabeerklärung nur so lange zulässig, wie auch Insolvenzbeschlag besteht, demnach vom Zeitpunkt der Eröffnung bis zur Aufhebung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens bzw. darüber hinaus im Fall des Vorbehalts der Nachtragsverteilung (§ 203 InsO, o Rn. 1044 ff.). Eine Freigabeentscheidung sollte immer zeitnah nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen werden, um das Entstehen von Masseverbindlichkeiten zu verhindern bzw. um diese auf das geringste Maß einzugrenzen. Vor einer vorschnellen Entscheidung wird indes ausdrücklich gewarnt, da die Freigabe rechtsbegründend und grundsätzlich nicht mehr rückgängig zu machen ist (o Rn. 490 ff.). c) Treuhänder im vereinfachten Verfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 489 In den bis zum 30.6.2014 beantragten Verbraucherinsolvenzverfahren besteht eine Pflicht auch des Treuhänders im eröffneten vereinfachten Verfahren, die Freigabeoption zu prüfen. Die Verwertungseinschränkung des § 313 Abs. 3 Satz 1 InsO198) hinsichtlich eines mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstands steht insoweit nicht entgegen, da die Frage des Massebeschlags rechtlich unabhängig von der Frage der Verwertungsbefugnis zu beurteilen ist.199) d) Form und Folgen der Freigabeerklärung 490 Die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters ist materiell-rechtlich formlos möglich. Als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung entfaltet sie ___________ 197) Die Praxis spricht bei einer solchen Freigabe oftmals von einer „unechten Freigabe“; für eine solche Erklärung besteht angesichts der bereits gesetzlich verankerten Unpfändbarkeit und des daraus folgenden fehlenden Massebeschlags nach Auffassung der Verfasserin kein Raum. 198) In der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung; Für den Insolvenzverwalter in Verbraucherinsolvenzverfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 gilt dies infolge der Streichung des § 313 InsO ohnehin. 199) Vgl. zur Problemstellung Wipperfürth, InsbürO 2011, 418 ff.

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IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse

mit Zugang der Erklärung beim Schuldner (§ 130 Abs. 1 BGB) ihre rechtliche Wirkung mit der Folge, dass der Insolvenzbeschlag erlischt und der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Gegenstands wieder erlangt.200) Weiterer Voraussetzungen bedarf es zur Wirksamkeit der Freigabe nicht. Insbesondere ist bei der Freigabe von Grundstücken die Löschung des Insolvenzsperrvermerks im Grundbuch keine Wirksamkeitsvoraussetzung; diese ist rein deklaratorisch. Praxistipp: Mit Zugang der Freigabeerklärung beim Schuldner wird die Massezugehörigkeit des Gegenstands dauerhaft aufgegeben.201) Der freigegebene Gegenstand ist dem insolvenzfreien Neuvermögen zuzurechnen.202) Die Freigabe ist endgültig und kann grundsätzlich nicht rückgängig gemacht werden. Die Voraussetzungen der Freigabe sind daher im Vorfeld abschließend und sorgfältig zu prüfen.

Merke: Merksatz zur Freigabe von Gegenständen: „Einmal weg ist weg!“ Der Schuldner ist nach Wirksamkeit der Freigabe wieder der Zahlungspflicht 491 hinsichtlich laufender Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit dem freigegebenen Gegenstand anfallen, ausgesetzt. Hierbei handelt es sich um Neuverbindlichkeiten, die aus dem dem Schuldner verbleibenden unpfändbaren Einkommen zu bestreiten sind. Die Masse wird für den Zeitraum nach Wirksamkeit der Freigabe grundsätz- 492 lich nicht mit weiteren Verbindlichkeiten belastet. Eine Ausnahme hierzu bildet der Bereich der Umsatzsteuer. Wird eine aus dem 493 Insolvenzbeschlag freigegebene belastete Immobilie nach Freigabe vom Schuldner veräußert und der Erlös zur Befriedigung der (absonderungsberechtigten) Grundpfandrechtsgläubiger verwendet, nimmt der BFH einen die Umsatzsteuerpflicht zulasten der Insolvenzmasse auslösenden Vorgang an, da in Höhe der Zahlung an die Grundpfandrechtsgläubiger die Masse entlastet wird.203) Für die Praxis ist daher zu empfehlen, mit Freigabeerklärung eine Aufforderung an den Schuldner für den Fall der Grundstücksveräußerung zu verbinden, eine Abschrift des Kaufvertrags beim Insolvenzverwalter einzureichen und anzugeben, ob und in welcher Höhe die Gelder an einen der Grundpfandrechtsgläubiger ausgekehrt wurden.

___________ 200) 201) 202) 203)

Vgl. u. a. BGH, Urt. v. 10.2.2007 – IX ZR 17/05, ZInsO 2007, 545 ff. BGH, Urt. v. 5.10.1994 – XII ZR 53/93, BGHZ 127, 156. VG Darmstadt, Urt. v. 29.9.2000 – 3 G 1777/00, ZIP 2000, 2007. Vgl. noch zu KO: BFH, Urt. v. 16.8.2001 – V R 59/99, ZInsO 2002, 222 ff. sowie zur Problematik Schmittmann, ZInsO 2006, 1299 ff.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

494 Eine weitere Ausnahme ergibt sich bei der Freigabe von Wohnungs- und Teileigentum, die grundsätzlich für zulässig erachtet wird.204) Nach einer Entscheidung des AG Mannheim befreit die Freigabe des Wohnungseigentums jedoch nicht von der Verpflichtung, Hausgeldforderungen, die nach der Freigabe fällig werden, als Masseschulden zu befriedigen.205) Vielmehr sind diese im Rang einer Altmasseverbindlichkeit zu befriedigen, wenn die Forderungen vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstanden sind; nach der Masseunzulänglichkeitsanzeige fällig gewordene Wohngeldschulden sind Neumasseverbindlichkeiten (§ 209 Abs. 1, 2 Nr. 3 InsO). 495 Eine Dereliktion (Eigentumsaufgabe) ist bei Miteigentum bzw. Wohnungseigentum übrigens nicht zulässig. 496 Für Insolvenzgläubiger ist auch nach Freigabe ein Zugriff auf den freigegebenen Gegenstand angesichts des Vollstreckungsverbots (§ 89 Abs. 1 InsO, o Rn. 1002 ff.) nach wie vor ausgeschlossen.206) Wird ein Grundstück aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben, kann eine durch die Rückschlagsperre (§ 88 InsO, o Rn. 1008 ff.) unwirksam gewordene Zwangssicherungshypothek trotz des Vollstreckungsverbots (§ 89 InsO) im Zeitpunkt der Freigabe wieder wirksam werden, wenn diese noch im Grundbuch eingetragen ist.207) e) Freigabeerklärung bei fehlendem Erklärungsempfänger 497 Ist der Schuldner nicht auffindbar bzw. unbekannten Aufenthalts, kann die Freigabeerklärung faktisch nicht zugestellt werden, sodass die Wirksamkeit mit Zugang nicht erlangt werden kann. Gesetzlich ist eine Lösung für diesen Fall nicht verankert; auch liegt, soweit ersichtlich, keine Rechtsprechung vor. 498 Ein Lösungsweg ist die Bestellung eines Prozesspflegers (§ 4 InsO i. V. m. §§ 57, 58 ZPO).208) § 57 ZPO wird im Insolvenzverfahren jedenfalls dann für anwendbar gehalten, wenn es der Bestellung eines Prozesspflegers bei Klageerhebung gegen eine geschäftsführerlose insolvente GmbH bedarf.209) Diese Grundsätze dürften auch bei Fehlen eines Erklärungsempfängers bei einer empfangsbedürftigen Freigabeerklärung in sonstigen Fällen anwendbar sein. In diesem Fall ist die Unzustellbarkeit als Voraussetzung für die Bestellung ___________ 204) Insbesondere OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.4.2008 – I 3 Wx 299/05, ZInsO 2007, 154 ff; Küpper, InsbürO 2007, 306 f. 205) AG Mannheim, Urt. v. 4.6.2010 – 4 C 25/10, ZInsO 2010, 1888 ff. 206) BGH, Beschl. v. 12.2.2009 – IX ZB 112/06, ZIP 2009, 818; so auch MünchKommInsO/Breuer, § 89 Rn. 1; BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/04, ZInsO 2006, 264. 207) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZB 323/04, ZInsO 2006, 261 ff.: Die Konvaleszenz tritt sodann zum Zeitpunkt der Freigabe, nicht erst nach Beendigung des Verfahrens ein, da § 185 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 BGB entsprechend gilt. 208) So Heyn, InsbürO 2011, 12. 209) OLG Zweibrücken, Beschl. v. 12.4.2001 – 3 W 23/01, ZInsO 2001, 472 f; v. 30.6.2011 – 3 W 119/11, JurionRS 2011, 35825; OLG Dresden, Beschl. v. 11.12.2001 – 2 W 1848/ 01, ZInsO 2003, 855.

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IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse

eines Prozesspflegers durch Vorlage von Rückbriefnachrichten, fruchtlosen Einwohnermeldeamtsanfragen o. Ä. glaubhaft zu machen. Alternativ besteht die Option der öffentliche Zustellung der Freigabeerklärung 499 (§ 132 Abs. 2 BGB) unter der Voraussetzung, dass sämtliche Bemühungen, eine zustellfähige Anschrift des Schuldnereigentümers zu ermitteln, nachweislich erfolgslos verlaufen sind (vgl. §§ 185 ff. ZPO). Der Nachweis kann ebenfalls durch Vorlage von Rückbriefnachrichten, fruchtlosen Einwohnermeldeamtsanfragen o. Ä. geführt werden. 4. Aus- und Absonderungsrechte a) Überblick Aus- und Absonderung Aus- und Absonderungsrechte sind Rechte Dritter an Gegenständen, die der 500 Schuldner in seinem Besitz hat. Die Berechtigten genießen im Insolvenzverfahren eine (nachfolgend näher beschriebene) bevorrechtigte Stellung vor den Insolvenzgläubigern. b) Aussonderungsrechte Das Aussonderungsrecht ist in § 47 InsO geregelt.

501

§ 47 InsO Wer aufgrund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist kein Insolvenzgläubiger. Sein Anspruch auf Aussonderung des Gegenstands bestimmt sich nach den Gesetzen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten.

Bereits dem Gesetzeswortlaut lässt sich entnehmen, dass aussonderungsfähige 502 Gegenstände nicht Bestandteil der Insolvenzmasse sind. Die Aussonderung der Gegenstände ist eine Form der Bereinigung der Insolvenzmasse. Zur Aussonderung berechtigen insbesondere: x

503

Eigentum (§§ 903, 985 BGB)

Ist jemand Eigentümer eines Gegenstands, kann er seinen Herausgabeanspruch (§ 985 BGB) gegen den Insolvenzverwalter geltend machen (Dritteigentum, Leasing). x

Einfacher Eigentumsvorbehalt (§ 449 BGB)

Vereinbaren der Käufer und der Verkäufer einen Verkauf unter einfachem 504 Eigentumsvorbehalt, wird die Übereignung des Kaufgegenstands von der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung abhängig gemacht (§§ 929, 158 Abs. 1 BGB).

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

505 Beispiel: Der Käufer behält sich das Eigentum an dem Kaufgegenstand bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises vor. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass das Eigentum mit der Bezahlung der letzten Kaufpreisrate (oder des vollständigen Kaufpreises) automatisch auf den Käufer übergeht. 506 Der Käufer erlangt bereits zuvor den Besitz an dem Gegenstand. Der Verkäufer bleibt bis zur vollständigen Zahlung Eigentümer und kann aufgrund dessen in der Insolvenz des Käufers den Gegenstand zur Aussonderung verlangen, sofern der Eigentumsvorbehalt nicht bereits durch Verzicht, Verbindung, Vermischung und Verarbeitung, eines gutgläubigen Dritterwerbs oder der erlaubten Weiterveräußerung erloschen ist. x

Herausgabeansprüche des Erben (§§ 2018 ff. BGB)

507 Der Erbe kann von jedem, der aufgrund eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Erbrechts etwas aus der Erbschaft erlangt hat (Erbschaftsbesitzer), die Herausgabe des Erlangten verlangen. x

Nießbrauch (§§ 1030 ff. BGB)

508 Ist über das Vermögen des Grundstückseigentümers das Insolvenzverfahren eröffnet, ist das Recht auf Ausübung des Rechts (Nutzungsüberlassung, Furchtziehung) Gegenstand des Aussonderungsanspruchs i. S. d. § 47 InsO, nicht das Grundstückseigentum selbst. Der Nießbraucher hat gegen den Insolvenzverwalter einen Anspruch auf Nutzungsüberlassung und Fruchtziehung, der gemäß § 47 InsO vom Insolvenzverwalter zu beachten ist. x

Heimfallanspruch bei Erbbaurecht (§§ 1 ff. ErbbauRG)

509 Ein Erbbraurecht räumt als dingliches Recht einem anderen als dem Grundstückseigentümer das Recht ein, auf dem Grundstück des Eigentümers ein Gebäude zu errichten. Mit Einräumung des Erbbaurechts wird ein weiteres Grundbuchblatt angelegt, das Erbbaugrundbuchblatt, welches neben dem Grundstücksgrundbuchblatt geführt wird. Der an den Grundstückseigentümer zu entrichtende Erbbauzins läuft in der Regel über 99 Jahre, wobei kürzere Laufzeiten möglich sind. Nach Ablauf der Laufzeit besteht zugunsten des Grundstückeigentümers ein Anspruch auf „Rückgabe“ des Gebäudes (Heimfallanspruch). Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erbbauberechtigten begründet dieser Anspruch ein Aussonderungsrecht.210) x

Grunddienstbarkeit (§§ 1018 ff. BGB)

510 Die Belastung eines Grundstücks mit einer Grunddienstbarkeit räumt einem Dritten das Recht ein, das Grundstück in bestimmter Weise zu nutzen (z. B.

___________ 210) Vgl. zur Anfechtbarkeit BGH, Urt. v. 19.4.2007 – IX ZR 59/06, NZI 2007, 462.

128

IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse

Wegerecht, Ausschluss von Bebauung, Wohnrecht). Die Ausübung des Rechts unterliegt der Aussonderung. x

Beschränkt persönliche Dienstbarkeiten (§§ 1090 ff. BGB)

Beschränkt persönliche Dienstbarkeiten sind ebenfalls Grundstücksbelas- 511 tungen und räumen einer bestimmten Person die Befugnis ein, das belastete Grundstück in einzelnen Beziehungen zu nutzen. Der Unterscheid zum Nießbrauch, einem umfassenden Nutzungsrecht, besteht in der Beschränkung auf die Ausübung einzelner Aspekte der Grundstücksnutzung (z. B. Wohnungsrecht, § 1093 BGB). Der nach § 47 InsO der Aussonderung unterliegende Gegenstand muss in- 512 dividuell bestimmbar sein. Geld als Zahlungsmittel ist daher regelmäßig nicht auszusondern (Ausnahme: wertvolle Münzen als Sammlerstücke, nicht als generelles Zahlungsmittel). Der Anspruch auf Herausgabe der Mietkaution unterliegt nur dann der Aus- 513 sonderung, wenn der Vermieter (Schuldner) sie von seinem Vermögen getrennt angelegt hat; anderenfalls ist der Rückforderungsanspruch lediglich eine Insolvenzforderung.211) Der Aussonderungsanspruch kann vom Berechtigten gegenüber dem Insol- 514 venzverwalter geltend gemacht werden und ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Der Aussonderungsberechtigte ist nicht Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO. 515 Erfolgte eine unberechtigte Veräußerung des Aussonderungsgutes vor Er- 516 öffnung des Insolvenzverfahrens durch den Schuldner bzw. nach Eröffnung durch den Insolvenzverwalter, kann der Aussonderungsberechtigte die Gegenleistung heraus verlangen, sofern diese noch unterscheidbar in der Masse vorhanden ist (Ersatzaussonderung, § 48 InsO). Das Aussonderungsrecht setzt sich an der Gegenleistung fort, soweit diese sich nicht mit der Insolvenzmasse vermischt. Der Kaufpreisanspruch nimmt als „einfache“ Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO am nachfolgenden Insolvenzverfahren teil, da Sicherungsrechte an dem Kaufpreisanspruch des Schuldners gegen den Zweitkäufer mangels Vereinbarung zwischen dem Schuldner und dem Vorbehaltsverkäufer gerade nicht bestehen. In der Praxis ist bei der Verwertung darauf zu achten, dass keine Gegenstän- 517 de, die der Aussonderung unterliegen veräußert werden. Ist noch nicht abschließend geklärt, ob an einem Gegenstand ein Aussonderungsrecht besteht, ist im Fall der Veräußerung zu empfehlen, den Erlös auf einem Sonderkonto zu verwalten, bis eine abschließende Klärung erfolgen kann. Der Berechtigte hat einen Anspruch auf Ersatzaussonderung (§ 48 InsO). Wird eine Separierung nicht vorgenommen und vermischt sich die Gegenleistung ___________ 211) BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZB 132/06, ZIP 2008, 469.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

mit der Insolvenzmasse, erlischt der Anspruch auf Ersatzaussonderung. In diesem Fall steht dem Aussonderungsberechtigten jedoch ein Anspruch gegen die Insolvenzmasse aus ungerechtfertigter Bereicherung zu (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dieser ist als Masseverbindlichkeit zu bedienen (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Zudem besteht die Gefahr einer Regresspflicht des Insolvenzverwalters selbst, wenn er unter Nichtbeachtung des Aussonderungsrechts eine Verwertung initiiert hat. 518 Ist im vorläufigen Insolvenzverfahren eine Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO ergangen, wonach der vorläufige Verwalter die Gegenstände weiterhin nutzen kann, besteht für den Aussonderungsberechtigten ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung und ggf. Wertersatz als Masseforderung (§§ 21 Abs. 1 Nr. 5, 169 Satz 2 InsO).212) c) Absonderungsrechte 519 Die Absonderungsrechte, geregelt in §§ 49 ff. InsO, sichern dem Berechtigten eine Position auf bevorzugte Befriedigung. Zur abgesonderten Befriedigung berechtigt sind insbesondere x

Immobiliarsicherheiten (§ 49 InsO)

520 Gläubiger, denen ein Recht auf Befriedigung aus Gegenständen zusteht, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen (unbewegliche Gegenstände, insbesondere Grundstücke, Schiffe), haben ein Recht auf abgesonderte (bevorzugte) Befriedigung. Die Absonderungsberechtigten können Befriedigung nach den Regeln des ZVG (Zwangsversteigerungsgesetz) erlangen. So ist es z. B. zulässig, dass ein Grundpfandrechtsgläubiger parallel zum eröffneten Insolvenzverfahren die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung eines Grundstücks weiterbetreibt oder einleitet. Nach Eröffnung ist eine Titelumschreibung auf den Insolvenzverwalter erforderlich (vgl. § 727 InsO). Wurde bereits vor Insolvenzeröffnung ein Zwangsversteigerungs- und/ oder ein Zwangsverwaltungsverfahren eingeleitet, wird dieses nicht gemäß § 240 InsO unterbrochen. Auch bedarf es zur Fortführung keiner Umschreibung des Vollstreckungstitels mehr. 521 Die dem Hypothekenhaftungsverband (§§ 1120 ff. BGB) zugehörigen Mietund Pachtforderung (§ 1123 Abs. 1 BGB) können nach Eröffnung nur zur abgesonderten Befriedigung herangezogen werden, wenn diese im Wege des Zwangsverwaltungsverfahrens beschlagnahmt werden (§§ 148 Abs. 1, 21 Abs. 2 ZVG).213) Bis zum Zeitpunkt der Beschlagnahme im Wege der Zwangsverwaltung durch den betreibenden Grundpfandrechtsgläubiger besteht grund-

___________ 212) BGH, Beschl. v. 8.3.2012 – IX ZR 78/11, ZInsO 2012, 701. 213) BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04.

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IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse

sätzlich ein Einzugsrecht des Insolvenzverwalters (vgl. §§ 146 Abs. 1, 20 Abs. 1, 2, 148 Abs. 1 Satz 1 ZVG).214) Wurde im Wege der Zwangsvollstreckung eine Zwangssicherungshypothek 522 ins Grundbuch eingetragen ist zu prüfen, ob diese nicht der Rückschlagsperre des § 88 InsO unterfällt und damit die so erlangte Sicherung mit Eröffnung unwirksam wird.215) x

Pfandrechte (§ 50 InsO)

Besteht zugunsten eines Gläubigers ein rechtsgeschäftliches oder gesetzliches 523 Pfandrecht bzw. ein im Wege der Zwangsvollstreckung erlangtes Pfändungspfandrecht, berechtigt dies ebenfalls zur abgesonderten Befriedigung. Rechtsgeschäftlich kann ein Pfandrecht durch Verpfändung eines Gegenstands 524 oder einer Forderungen oder eines sonstigen Rechts entstehen (§§ 90, 1204 ff., 1273 ff., 1279 ff. BGB). Ist ein Recht nicht übertragbar (§ 1274 Abs. 2 BGB), kann es nicht Gegenstand eines Pfandrechts sein. Gesetzliche Pfandrechte bestehen insbesondere zugunsten des Vermieters 525 und Verpächters (§§ 559, 581, 592 BGB), des Pächters bei Mitverpachtung von Inventar (§ 583 BGB), des Gastwirts bei Beherbergungsverträgen (§ 704 BGB), des Sicherungsberechtigten aus der Hinterlegung (§ 233 BGB), des Spediteurs am Speditionsgut (§§ 410, 411 HGB), des Frachtführers am Frachtgut (§ 440 HGB)216) und des Werkunternehmers für seine Werklohnforderung an den in seinem Betrieb befindlichen hergestellten oder reparierten Gegenständen (§ 647 BGB). Hinsichtlich des Vermieterpfandrechts ist gemäß § 50 Abs. 2 InsO zu beach- 526 ten, wonach das Absonderungsrecht nur wegen der im letzten Jahr vor Insolvenzeröffnung begründeten Mietrückstände geltend gemacht werden kann. Ebenfalls ein Recht auf abgesonderte Befriedigung begründet ein im Wege 527 der Zwangsvollstreckung erwirktes Pfändungspfandrecht (§§ 803 ff., 928 ff. ZPO), sofern dieses auch unter Berücksichtigung der Rückschlagsperre (§ 88 InsO) und unter anfechtungsrechtlichen Gesichtspunkten (o Rn. 800 ff.) insolvenzfest entstanden ist.

___________ 214) Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZInsO 2006, 1321 f.; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZInsO 2006, 872 f.; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, ZInsO 2010, 43 ff. 215) Vgl. auch zur Frage des Wiederauflebens nach Freigabe des Grundstücks aus dem Insolvenzbeschlag BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/04, ZIP 2006, 479; BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – V ZB 219/11, ZIP 2011, 1876. 216) Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 18.4.2002 – IX ZR 291/01, ZIP 2002, 1204.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

x

Sicherungsrechte (§ 51 Nr. 1 InsO)

528 Unter die Sicherungsrechte des § 51 Nr. 1 InsO fallen insbesondere die praxisrelevanten Rechte aus folgenden Rechtsverhältnissen: x 529

Sicherungsabtretung (auch in Form der Globalzession oder des unechten Factoring)

Auch Forderungen können zur Sicherung einer Forderung abgetreten werden (§§ 398 ff. InsO). Neben der grundsätzlich formlosen Abtretung wird eine Sicherungsabrede getroffen, aus der hervorgeht, dass die Zession nur sicherungshalber erfolgen soll.

530 Nicht übertragbare Forderungen können nicht abgetreten werden (§§ 399, 400 BGB; z. B. arbeitsvertraglich vereinbartes Abtretungsverbot der Entgeltforderung). 531 Bei einer Globalabtretung künftiger Forderungen ist ebenfalls der Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten. Die mit der Entstehung auf den Gläubiger übergehenden Forderungen müssen hinreichend bestimmbar sein. 532 Die Abtretung von Ansprüchen aus Lebensversicherungsverträgen bedarf der Offenlegung gegenüber dem Versicherer; eine stille, nicht angezeigte Abtretung ist absolut unwirksam.217) 533 Die Abtretung von Steuererstattungsansprüchen ist der zuständigen Finanzbehörde auf dem amtlich vorgeschriebenem Vordruck anzuzeigen (§ 46 Abs. 3 AO). x

Sicherungsübereignung

534 Zur Sicherung einer Forderung kann der Schuldner die Übereignung bestimmter Gegenstände zur Sicherheit mit dem Gläubiger vereinbaren. Voraussetzung ist eine Einigung über den Eigentumsübergang und die Übergabe (§ 929 BGB), ggf. unter einem Besitzmittlungsverhältnis (§ 930 BGB) oder Abtretung des Herausgabeanspruchs (§ 931 BGB). 535 Die Sicherungsübereignung muss dem Spezialitäten- und Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen, d. h., dass der zu übereignende Gegenstand hinreichend bestimmt ist.218) Die Gegenstände müssen zum Zeitpunkt der Einigung so bestimmt sein, dass jeder, der die Vereinbarungen der Vertragsparteien kennt, die übereigneten Sachen ohne Schwierigkeiten von anderen unterscheiden kann; soll nur ein Teil einer größeren Menge übereignet werden, so bedarf es einer eindeutigen Abgrenzung gegenüber dem nicht übereigneten Teil. Nicht ausreichend ist eine mengen- oder wertmäßige Bezeichnung unter Bezugnahme auf Teile einer Sachgesamtheit (z. B. fünf Regale der Büroeinrichtung). ___________ 217) BGH, Urt. v. 31.10.1990 – IV ZR 24/90, ZIP 1991, 31. 218) Exempl. BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR 314/98, ZIP 2000, 1895.

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IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse

Insbesondere bei der Sicherungsübereignung der Gegenstände eines Waren- 536 lagers mit wechselndem Bestand muss hinsichtlich der später hinzutretenden Waren durch ein einfaches, nach außen erkennbares Geschehen im Zeitpunkt des Eigentumsüberganges für jeden, der die Parteiabreden kennt, ohne Weiteres erkennbar sein, welche konkreten Gegenstände sicherungsübereignet wurden. Ein solches Merkmal ist z. B. die genaue Beschreibung eines Raumes, in den die neuen Waren verbracht werden, die als Sicherungsgut dienen sollen (Raumsicherungsvertrag). x

Verlängerter Eigentumsvorbehalt

Der einfache Eigentumsvorbehalt erlischt mit Weiterverarbeitung des Ge- 537 genstands oder Weiterveräußerung. Die Kaufpreisforderung des Verkäufers und Lieferanten ist nur bis zu diesem Zeitpunkt abgesichert. Zur Sicherung der Kaufpreisforderung über den Zeitpunkt der Weiterverarbeitung oder Weiterveräußerung hinaus kann vereinbart werden, dass an die Stelle der Sicherheit am gelieferten Gegenstand eine Sicherheit am „wirtschaftlichen Surrogat“ entsteht (Vorausabtretungs- und Weiterverarbeitungsklauseln). Der Eigentumsvorbehalt wird in diesem Fall vertikal ausgedehnt. Die Vorausabtretungsklausel ist eine Kombination aus einfachem Eigentums- 538 vorbehalt und einer Zession der (künftigen) Forderung des Käufers gegen den Zweitkäufer (vgl. § 398 BGB).219) Anstelle der Kaufsache tritt die Kaufpreisforderung des Käufers gegen den Zweitkäufer. Die Abtretung einer künftigen Forderung genügt dabei mit dem BGH220) dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, „[…] wenn durch diese Vorausabtretung die einzelne Forderung individuell so genügend bestimmt ist, dass es nur noch ihrer Entstehung bedarf, um die Übertragung mit der Entstehung ohne weiteres und zweifelsfrei wirksam werden zu lassen (vgl. dazu Weber in BGB-RGRK 12. Aufl. § 398 Rdn 68f m. w. N). Das gilt insbesondere auch für die als Sicherungsmittel des Warenkreditgläubigers anerkannte Vorausabtretung im Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts (vgl. etwa Senatsurteil vom 3. April 1974 – VIII ZR 235/72 = WM 1974, 451 = NJW 1974, 1130).“

Die Vorausabtretung hat den Charakter einer Sicherungsabtretung. Bei der Weiterverarbeitungsklausel wird der Käufer zur Verarbeitung (Ver- 539 bindung, Vermischung gemäß §§ 947, 948 BGB), die mit Zustimmung des Verkäufers (§ 183 BGB) geschieht, ermächtigt. Die Vereinbarung stellt eine Kombination aus einfachem Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung dar. Der Eigentumsvorbehalt geht nicht unter, sondern setzt sich an dem neu entstandenen Produkt fort und erlischt in der verlängerten Form erst durch Zahlung des Kaufpreises oder durch Verzichtserklärung des Verkäufers. ___________ 219) Beachte ein evtl. Abtretungsverbot gemäß § 399 BGB, z. B. aus § 354a HGB. 220) BGH, Urt. v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

540 Beispiel: Die Ware bleibt bis zur vollständigen Bezahlung Eigentum des Verkäufers. Der Käufer ist berechtigt, den Kaufgegenstand im ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr zu verarbeiten und zu veräußern. Die aus dem Weiterverkauf bzw. der Weiterverarbeitung resultierenden Forderungen tritt der Käufer bereits jetzt sicherheitshalber an den Verkäufer im vollen Umfang ab. Der Verkäufer ermächtigt den Käufer hiermit widerruflich, diese Forderungen einzuziehen. x

Erweiterter Eigentumsvorbehalt

541 Der erweiterte Eigentumsvorbehalt ist eine Vereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer, die inhaltlich festlegt, dass der Eigentumsvorbehalt nicht durch Zahlung gerade der geschuldeten Kaufpreiszahlung für die mit dem Eigentumsvorbehalt belastete Ware erlischt, sondern das Erlöschen erst dann eintritt, wenn der Käufer alle Forderungen (Kontokorrentvorbehalt) oder jedenfalls einen bestimmten Teil der Forderungen (dispositiver Umfang) aus der bestehenden Geschäftsbeziehung beglichen hat. Der Charakter des erweiterten Eigentumsvorbehalts ist horizontal. Rechtlich erfolgt eine Erweiterung der aufschiebenden Bedingung, unter der der Eigentumserwerb des Käufer steht, dahingehend, dass das Eigentum auf den Käufer erst dann übergeht (Vollrechtserwerb), wenn alle oder ein Teil der Forderungen des Verkäufers vollständig erfüllt sind (§§ 929, 158 Abs. 1 BGB). 542 Beispiel: Der Kaufgegenstand bleibt bis zur Erfüllung aller Forderungen – einschließlich sämtlicher dem Verkäufer aus Kontokorrentkrediten zustehenden Saldoforderungen –, die dem Verkäufer aus jedem Rechtsgrund gegen den Käufer jetzt oder in der Zukunft zustehen, im Sicherungseigentum des Verkäufers. x

Zurückbehaltungsrechte (§ 51 Nr. 2, 3, InsO)

543 Normiert ist ein Zurückbehaltungsrecht wegen nützlicher Verwendungen an beweglichen Sachen, soweit deren Besitz vor Eröffnung des Verfahrens erlangt wurde, nur insoweit, als der Wert der Sache durch die Verwendung erhöht wurde und die Werterhöhung im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch vorhanden war. Zudem werden kaufmännische Zurückbehaltungsrechte unter die bevorzugte Befriedigungsmöglichkeit gefasst (vgl. § 369 HGB). x

Fiskalabsonderungsrechte (§ 51 Nr. 4 InsO)

544 Zugunsten der in § 51 Nr. 4 InsO genannten öffentlich-rechtlichen Gläubiger besteht ein Absonderungsrecht wegen der auf Massegegenständen lastenden Zölle und Steuern, soweit sich die Gegenstände in der Verfügungsgewalt der Behörden befinden oder diese zu deren Gunsten beschlagnahmt sind. 545 Zu prüfen ist zunächst, ob ein nach den allgemeinen Regeln wirksames Absonderungsrecht begründet wurde. Nicht wirksam ist z. B. die nicht gegen-

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IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse

über der Versicherungsgesellschaft angezeigte Abtretung von Ansprüchen aus dem Versicherungsvertragsverhältnis. Liegt grundsätzlich ein wirksames Absonderungsrecht vor, ist in einem näch- 546 sten Schritt festzustellen, ob dieses auch unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung wirksam begründet wurde (o Rn. 800 ff.). Besteht ein insolvenzbeständiges Absonderungsrecht, kann der Insolvenz- 547 verwalter einen beweglichen Absonderungsgegenstand aus originärem Recht verwerten, wenn er hieran Besitz begründet hat (§ 166 Abs. 1 InsO). Bevor der Insolvenzverwalter den Gegenstand verwertet, hat er dem Absonderungsberechtigten Gläubiger mitzuteilen, auf welche Weise der Gegenstand veräußert werden soll (§ 168 Abs. 1 InsO). Zudem ist dem Absonderungsberechtigten die Möglichkeit einzuräumen, binnen einer Woche auf eine andere, für den Gläubiger günstigere Möglichkeit der Verwertung des Gegenstands hinzuweisen. Einem rechtzeitigen Hinweis muss der Verwalter nachgehen und entsprechende Verwertungsinitiativen einleiten. Andernfalls hat er den Gläubiger so zu stellen, wie wenn er sie wahrgenommen hätte (§ 168 Abs. 2 InsO). Die Verwertung ist unverzüglich nach dem Berichtstermin einzuleiten (§ 159 548 InsO). Bis zur Verwertung muss der Insolvenzverwalter dem Absonderungsberechtigten ab dem Berichtstermin laufend die geschuldeten Zinsen aus der Insolvenzmasse zahlen (§ 169 InsO). Zudem besteht im Fall einer Anordnung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 5 InsO im vorläufigen Verfahren die Möglichkeit, Wertersatz oder Nutzungsentschädigung aus der Insolvenzmasse zu verlangen. Das Absonderungsrecht räumt dem Berechtigten insoweit eine privilegierte 549 Stellung ein, als er aus dem Erlös, der aus der Verwertung des Absonderungsguts erzielt wurde, bevorzugt zu befriedigen ist. Die Abgeltung des Absonderungsrechts folgt den §§ 170, 171 InsO. Der Erlös ist nach Abzug der Bewertungs- und ggf. Verwertungskosten an den Berechtigten auszukehren. Hat der Verwalter das Absonderungsgut als solches festgestellt und geprüft bzw. Kollisionslagen mit Aus- und/oder anderen Absonderungsrechten identifiziert, kann er zugunsten der Masse einen Bewertungskostenbeitrag in Höhe von pauschal 4 % vom Bruttoerlös einbehalten (§§ 170, 171 Abs. 1 InsO). Eine einem evtl. Mehr- oder Minderaufwand entsprechende Anpassung ist nicht vorgesehen.221) Verwertet der Verwalter das Absonderungsgut (vgl. § 166 InsO), steht der 550 Masse zudem ein Anspruch auf Erstattung der mit der Verwertung verbunden Kosten zu. Angesetzt werden können die tatsächlichen Kosten, wenn diese erheblich höher oder niedriger sind als die in § 171 Abs. 2 Satz 1 InsO vorgesehene Pauschalabgeltung in Höhe von 5 %. Handelt es sich um einen ___________ 221) BGH, Urt. v. 11.7.2002 – IX ZR 262/11, ZIP 2002, 1630.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

steuerrelevanten Vorgang, ist zudem die Umsatzsteuerpflicht aus der Masse zu erfüllen, sodass der Umsatzsteuerbetrag ebenfalls nicht an den Absonderungsberechtigten auszukehren ist (§ 171 Abs. 2 Satz 2 InsO). 551 Die §§ 170, 171 InsO sind nicht anzuwenden auf unbewegliche Gegenstände, die mit einem zur abgesonderten Befriedigung berechtigenden Recht belastet sind. Unbewegliche, mit einem Absonderungsrecht belastete Gegenstände können nach Maßgabe des § 165 InsO im Wege einer vom Insolvenzverwalter beantragten Zwangsversteigerung oder einer verwalterinitiierten freihändigen Veräußerung verwertet werden. Außerdem besteht für den Absonderungsberechtigten die Möglichkeit, die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung zu betreiben (o Rn. 520 ff.). 552 §§ 170, 171 InsO sind auf unbewegliches Absonderungsgut nicht anwendbar. Sie gelten nur für bewegliche Vermögensgegenstände. Der Insolvenzverwalter hat demnach gesetzlich keinen Anspruch darauf, aus dem Erlös zunächst eine Be- und Verwertungspauschale zu entnehmen und die Absonderungsansprüche gemäß §§ 170, 171 InsO abzurechen. 553 Oftmals ist das Grundstück wertausschöpfend belastet, sodass auch bei einer freihändigen Verwertung nur selten eine vollständige Befriedigung der Absonderungsberechtigten aus dem Verwertungserlös erfolgen kann. Infolge dessen verbleibt erst recht kein Übererlös zugunsten der Masse. Da die §§ 170, 171 InsO keine Anwendung finden, hätte der Verwalter den Aufwand der freihändigen Verwertung, ohne dass sich dies wirtschaftlich für die Masse auszahlt. In der Praxis wird daher zwischen dem Insolvenzverwalter und dem absonderungsberechtigten Grundpfandrechtsgläubiger bei einer verwalterinitiierten Verwertung i. a. R. eine sog. „Lästigkeitsentschädigung“ als Massekostenbeitrag vereinbart. Dieser ist frei verhandelbar und beträgt durchschnittlich zwischen 1 % – 7 % des Verkaufserlöses. Die Vereinbarung wird entweder separat schriftlich fixiert oder findet Eingang in den notariellen Kaufvertrag, mit dem das Grundstück übertragen wird. d) Umsatzsteuer 554 Zu beachten sind auch bei der Verwertung von Absonderungsgut, welches zwar belastet, aber dennoch der Masse zuzurechnen ist, evtl. steuerrechtliche Vorschriften (ausführlich o hierzu Rn. 991 ff., 1078 ff.). e) Kollisionslagen 555 Beim Zusammentreffen mehrerer Absonderungsrechte an dem-/denselben Gegenstand/Gegenständen gilt als Grundsatz: Das zeitlich rechtsgeschäftlich zunächst begründete Absonderungsrecht hat Vorrang (Prioritätsgrundsatz). Abzustellen ist dabei stets auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Sicherungsvereinbarung, auch dann, wenn es für künftige Forderungen bestellt ist (vgl. § 1209 BGB).

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IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse

Bei Kollision mehrerer Pfändungspfandrechte gilt ebenfalls das Prioritäts- 556 prinzip. Dies ergibt sich aus § 804 Abs. 3 ZPO. § 804 Abs. 3 ZPO (3) Das durch eine frühere Pfändung begründete Pfandrecht geht demjenigen vor, das durch eine spätere Pfändung begründet wird.

Gemäß § 1208 BGB ist der gutgläubige Erwerb eines Vertragspfandrechts 557 möglich, allerdings nur hinsichtlich der Vorrangstellung. Bei einer Kollisionslage zwischen dem AGB-Pfandrecht eines Kreditinstituts 558 mit einem Pfändungspfandrecht eines Gläubigers aus einer Kontenpfändung, gilt der Prioritätsgrundsatz: Das AGB-Pfandrecht der Bank/Sparkasse geht dem Pfändungspfandrecht des Vollstreckungsgläubigers vor. Die gilt nicht für die nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eingehenden Zahlungen, die sich mit Gutschrift in Auszahlungsansprüche des Schuldners gegen das Kreditinstitut „umwandeln“. Hinsichtlich dieser Forderungen genießt das Pfändungspfandrecht des Gläubigers Vorrang, da andernfalls die Gefahr bestehen würde, dass das Pfändungspfandrecht durch das AGBPfandrecht ausgehöhlt würde. Bei mehreren Abtretungen gilt ebenfalls das Prioritätsprinzip. Hier kommt 559 es allerdings nicht auf den Zeitpunkt des Eingangs der Abtretung beim Drittschuldner an, sondern auf das Ausstellungs-/Erklärungsdatum der Abtretung selbst. Das bedeutet, dass die zeitlich früher erklärte Abtretung einer später erklärten im Rang vorgeht, auch wenn die frühere später beim Drittschuldner eingeht. Bei einer Kollision von Lohn-/Gehaltsabtretung und Lohn-/Gehaltspfän- 560 dung ergeben sich in den Verfahren, die ab dem 1.7.2014 beantragt wurden, ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Kollisionslagen mehr, da § 91 InsO den Rechtserwerb nach Eröffnung ausschließt. Für Lohn-/Gehaltsansprüche, die nach Eröffnung entstehen, kann daher wegen § 91 InsO kein wirksames Pfandrecht zugunsten einzelner Gläubiger begründet werden. In den Verfahren, die bis zum 30.6.2014 beantragt wurden, gilt indes § 114 561 InsO. Bei einer Kollision zwischen einem aufgrund einer Lohnpfändung begründeten Pfändungspfandrecht und einer Gehaltszession lebt Letztere wieder auf, wenn die Lohnpfändung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 114 Abs. 3 InsO ihre Wirksamkeit verloren hat.222) Bei Kollisionen zwischen Sicherungsübereignung und Vermieterpfandrecht 562 gilt ebenfalls der Prioritätsgrundsatz. Wurde ein Gegenstand bereits sicherungsübereignet, bevor er in die Mietsache verbracht wurde, geht die Siche-

___________ 222) BGH, Beschl. v. 12.10.2006 – IX ZR 109/05, NZI 2007, 39.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

rungsübereignung vor. Das Vermieterpfandrecht bezieht sich nur auf im Schuldnereigentum stehende Gegenstände (§ 562 Abs. 1 BGB). Bei einer nach Verbringung in die Mietsache erklärten Sicherungsübereignung geht das Vermieterpfandrecht vor. Dies gilt auch dann, wenn zum Zeitpunkt der Sicherungsübereignung noch keine Mietrückstände bestehen, da das Vermieterpfandrecht auch erst künftig entstehende Forderungen aus dem Mietverhältnis sichert.223) 563 In der Praxis trifft der Verwalter häufig auf eine Kollisionslage zwischen Sicherungseigentum, Vermieterpfandrecht und Eigentumsvorbehalt. Werden unbezahlte, unter einfachen Eigentumsvorbehalt erworbene Gegenstände in die Räumlichkeiten eingebracht, gilt zunächst der Vorrang des Eigentumsvorbehalts, da bis zur vollständigen Zahlung kein Eigentumsrecht des Schuldners begründet wird. Werden die Gegenstände vollständig bezahlt, wird zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Aushöhlung des Vermieterpfandrechts dessen Vorrang vor dem Sicherungseigentum angenommen.224) 564 Bei einem angemieteten Warenlager mit wechselndem Bestand entsteht bei einer gleichzeitigen Raumsicherungsübereignung an nachträglich eingebrachten Waren das Vermieterpfandrecht erstrangig und erst im Nachrang das Absonderungsrecht des Sicherungseigentümers.225) 565 Bei fiskalischen Absonderungsrechten (§ 51 Nr. 4 InsO) wird der Grundsatz der Priorität zugunsten dieser gegenüber einem Vermieterpfandrecht durchbrochen.226) f) Ausfall 566 Soweit der Absonderungsberechtigte auch Inhaber einer persönlichen Forderung gegen den Schuldner ist (zutreffend in einer ganz überwiegenden Zahl der Fälle), kann er, soweit er keine bevorzugte Befriedigung aus der Verwertung des Absonderungsgutes erfahren hat, seinen Ausfall zur Tabelle anmelden. Nur mit der nach der abgesonderten Befriedigung noch bestehenden, sodann ungesicherten Restforderung nimmt der Gläubiger an einer evtl. Schlussverteilung teil, wenn seine Forderung zur Tabelle festgestellt wurde. V. Fortführung, Liquidation oder Freigabe der selbstständigen Tätigkeit (§ 35 Abs. 2 InsO)? 1. Richtungsweisende Entscheidung 567 Die Entscheidung über die Fortführung des Geschäftsbetriebs des Schuldners obliegt der Gläubigerversammlung (§ 157 InsO). Die Entscheidung ba___________ 223) 224) 225) 226)

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BGH, Urt. v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, ZIP 2007, 191. FK-InsO/Imberger, § 51 Rn. 20 m. w. N. BGH, Urt. v. 12.2.1992 – XII ZR 7/91, NJW 1992, 1156. FK-InsO/Imberger, § 51 Rn. 85.

V. Fortführung, Liquidation oder Freigabe der selbstständigen Tätigkeit?

siert auf dem vom Insolvenzverwalter zu erstattenden Bericht (§ 156 InsO). In der Praxis folgt die Gläubigerversammlung in einer ganz überwiegenden Zahl der Fälle der vom Verwalter im Rahmen der Berichterstattung ausgesprochenen Empfehlung, die auf den bisherigen Ermittlungsergebnissen basiert. Sowohl für den Schuldner als auch für die Gläubiger ist dies eine richtungs- 568 weisende Entscheidung. Sofern ein Betrieb fortführungsfähig ist, wird der Verwalter die Fortführung nur dann empfehlen können, wenn diese auch das beste Befriedigungsergebnis für die Gläubiger darstellt. Andernfalls werden die Gläubiger sich gegen eine Fortführung und für eine Liquidation entscheiden. Im Berichtstermin stellt der Insolvenzverwalter daher in den Fällen, in denen eine Fortführung in Betracht zu ziehen ist, die Vermögensübersicht sowohl unter Fortführungs- als auch unter Liquidationsgesichtspunkten (ggf. zusätzlich noch unter Freigabegesichtspunkten) dar (o Rn. 333 ff.). Diese Entscheidungsgrundlage gibt den Gläubigern die Möglichkeit, sich ein umfassendes Bild zu machen, um sodann über die Fortführung oder Einstellung zu beschließen. Auch möglich ist eine Freigabe der selbstständigen Tätigkeit aus dem In- 569 solvenzbeschlag. Gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO besteht eine gesetzliche Pflicht des Insolvenzverwalters sich hinsichtlich einer Freigabe der selbstständigen Tätigkeit gegenüber dem Schuldner zu erklären. § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO Übt der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit aus oder beabsichtigt er, demnächst eine solche Tätigkeit auszuüben, hat der Insolvenzverwalter ihm gegenüber zu erklären, ob Vermögen aus der selbstständigen Tätigkeit zur Insolvenzmasse gehört und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können.

Dies ist nicht zu verwechseln mit der Freigabe einzelner Vermögensgegen- 570 stände (o Rn. 481 ff.). Merke: Eine Freigabe gemäß § 35 Abs. 2 InsO betrifft das „Gesamtpaket“ der selbstständigen Tätigkeit und ist nicht zu verwechseln mit der Freigabe einzelner Vermögensgegenstände. Eine Freigabeerklärung gemäß § 35 Abs. 2 InsO ist frühestens ab Eröffnung 571 und sodann jederzeit bis zur Aufhebung/Einstellung des Insolvenzverfahrens möglich. Der Insolvenzverwalter sollte die Entscheidung über die Freigabe zeitnah nach Erkennen einer defizitären Fortführung treffen, da er nur so die Insolvenzmasse von „belastenden“ Masseverbindlichkeiten, die aus der selbstständigen Tätigkeit resultieren, freihalten kann; eine Frist für die Erklärung ist aber nicht vorgesehen.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

572 Hinsichtlich der Wirksamkeitsvoraussetzungen (insbesondere Form und Zugang) gilt das zur Freigabe einzelner Gegenstände Ausgeführte (o Rn. 481 ff.). Die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters ist materiell-rechtlich formlos möglich und entfaltet mit Zugang der Erklärung beim Schuldner (§ 130 Abs. 1 BGB) ihre rechtliche Wirkung: Der Insolvenzbeschlag erlischt. Die Freigabeerklärung ist demnach konstitutiv (rechtsbegründend). 573 Die Freigabe wird nach Anzeige des Verwalters gegenüber dem Insolvenzgericht öffentlich bekannt gemacht (§ 35 Abs. 3 InsO). Für die Praxis empfiehlt sich, an das Insolvenzgericht eine Abschrift der Freigabeerklärung nebst Zugangsnachweis (z. B. Quittung des Schuldners über den Erhalt) zu übersenden. 574 Grundsätzlich gilt auch hinsichtlich der Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit, dass diese, da rechtsbegründend, nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Allerdings besteht für den Gläubigerausschuss oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, für die Gläubigerversammlung die Möglichkeit, zu beantragen, die Unwirksamkeit der Erklärung des Insolvenzverwalters zu beschließen. Ein solcher Antrag ist im Berichtstermin (§ 156 InsO) oder in einer besonderen Gläubigerversammlung (§ 75 InsO) zu stellen. Der Insolvenzverwalter stellt i. a. R. im Bericht zur ersten Gläubigerversammlung die Freigabewerte denen der Fortführung und der Liquidation gegenüber, sodass die Gläubiger anhand der Alternativszenarien transparentes und belastbares Zahlenmaterial jedenfalls zu diesem Zeitpunkt erhalten. 575 Welches aber ist das Kriterium, wonach der Insolvenzverwalter die Entscheidung für oder gegen eine Freigabe trifft? Vereinfach ausgedrückt kann man sagen, dass immer dann eine Freigabe angezeigt ist, wenn die Fortführungserträge nicht ausreichen, um “unter dem Strich“ eine Massemehrung zu bewirken. Die Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit des Insolvenzschuldners fallen zunächst einmal als sog. Neuerwerb (§ 35 Abs. 1 InsO) in die Insolvenzmasse.227) Hiervon sind alle laufenden Betriebskosten, Steuern und sonstigen betrieblichen Auslagen im Rang einer Masseverbindlichkeit zu bestreiten. Zudem muss der Lebensunterhalt des selbstständigen Schuldners und dessen Familie sichergestellt sein. Dies geschieht durch eine Unterhaltsgewährung aus der Insolvenzmasse, worüber die Gläubigerversammlung beschließen kann (§ 100 InsO). Auch möglich ist, dass der Schuldner einen Antrag gemäß § 4 InsO i. V. m. § 850i ZPO stellt, woraufhin das Insolvenzgericht unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls einen dem Schuldner zu belassenden Betrag festsetzt.228) Beides soll – im Gleichlauf zu angestellt tätigen Schuldnern – lediglich den notwendigen Selbstbehalt decken. Erst ein evtl. danach verbleibender Überschuss verbleibt zur Befriedigung der Gläubiger in der Insolvenzmasse. ___________ 227) BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170. 228) BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170.

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V. Fortführung, Liquidation oder Freigabe der selbstständigen Tätigkeit?

Um eine belastbare Entscheidungsgrundlage zu erhalten, ist der Insolvenz- 576 verwalter gehalten, sich durch eine betriebswirtschaftliche Analyse der Unternehmensergebnisse der jüngeren Vergangenheit sowie im Wege einer vorausschauenden Finanzplanung ein umfassende Bild über die wirtschaftliche Situation des schuldnerischen Unternehmens/Praxisbetriebs zu machen, um anschließend die wahrscheinliche Entwicklung des Betriebs zu prognostizieren. Erzielt der Schuldner hiernach massemehrende Erträge, ist der Betrieb über die Insolvenzmasse fortzuführen. Ist dies nicht der Fall, ist eine Freigabe der selbstständigen Tätigkeit angezeigt. Zudem sind bei der Entscheidung über die Freigabe einer selbstständigen Tä- 577 tigkeit weitere Faktoren mit einzubeziehen, die auf das Schicksal des Betriebs maßgeblich Einfluss nehmen. Hierzu gehören auch der Gesundheitszustand des Schuldners, Zuverlässigkeit, Veränderungstendenzen im Mitarbeiterstamm, eskalierte Konflikte auf Entscheidungsträgerebene und ähnliche, nicht unmittelbar in Zahlen fassbare Parameter. 2. Konsequenzen der Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit für den Insolvenzverwalter und Insolvenzschuldner sowie Auswirkungen auf die Insolvenzmasse Welche Folgen hat eine Freigabeerklärung gemäß § 35 Abs. 2 InsO? Nach 578 einer solchen Erklärung nimmt das Insolvenzverfahren für den Insolvenzverwalter und auch den Schuldner einen anderen Verlauf als bei der Liquidation. Mit Zugang der Freigabeerklärung enden die Verwaltungs- und Verfügungs- 579 befugnis hinsichtlich des der selbstständigen Tätigkeit zuzuordnenden Vermögens endgültig und unbedingt.229) Der Insolvenzbeschlag wird insoweit (partiell) aufgehoben. Ergeht durch die Gläubigerversammlung kein anders lautender Beschluss, ist die Freigabe endgültig. Der Insolvenzverwalter selbst kann eine einmalerklärte Freigabe nicht mehr revidieren. Er hat fortan keinen Zugriff mehr auf die vom Schuldner erwirtschafteten Erträge. Dies gilt auch dann, wenn sich der Betrieb des Schuldners (entgegen der Prognose des Verwalters) erfolgreich und gewinnbringend entwickelt. Eine Freigabeentscheidung will daher wohl überlegt sein und sollte nicht vorschnell getroffen werden. Konnte der Insolvenzverwalter nicht absehen, dass sich der Betrieb des Schuldners gewinnbringender als seinerzeit prognostiziert entwickelt, wird dem Insolvenzverwalter kein vorwerfbares, pflichtwidriges Verhalten angelastet werden können, sodass auch eine Regresspflicht ausscheiden wird (vgl. § 60 InsO).

___________ 229) BGH, Beschl. v. 20.3.2003 – IX ZB 388/02, ZVI 2003, 170.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

580 Übersicht Vermögensmassen: Insolvenzmasse (§§ 35, 36 InsO) Altmasse → am Eröffnungsstichtag in der Insolvenzmasse vorhanden

Insolvenzfreies Vermögen

Neuerwerb → nach Eröffnung unter Massebeschlag erworben

Freigabe der selbstständigen Tätigkeit, § 35 Abs. 2 InsO

Freigabe einzelner Gegenstände

insolvenzfreies, da unpfändbares Vermögen (§§ 35, 36 InsO)

581 Die Freigabe eines freiberuflich selbstständig Tätigen ist wegen der berufsständischen Konsequenzen im Bereich der vermögensverwaltenden Berufe (o Rn. 7 ff.) problembehaftet, da eine Freigabe in aller Regel nur dann erklärt wird, wenn die fehlende Rentabilität festgestellt wird. Eine Konsolidierung kann er hier ausschließlich durch einen Insolvenzplan erzielt werden, da nur durch ein geeignetes Sanierungskonzept die Vermutung des Vermögensverfalls entkräftet wird. Lediglich ein Insolvenzplan ist eine realistische und greifbare Möglichkeit, die Verbindlichkeiten umfassend mit der Erteilung der Restschuldbefreiung zu regeln; dies ist bei der Freigabe gemäß § 35 Abs. 2 InsO nicht der Fall.230) Eine Freigabe entkräftet nicht die Vermutung des Vorliegens des Vermögensverfalls.231) 582 Nimmt der Insolvenzschuldner in einem Verbraucherinsolvenzverfahren nach Aufhebung des Verfahrens in der Wohlverhaltensperiode eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit (neu) auf, bedarf es keiner Freigabeerklärung mehr. Der Insolvenzbeschlag endet mit Aufhebung des Verfahrens (§ 200 InsO). § 35 Abs. 2 InsO gilt nicht in der Wohlverhaltensphase, sondern nur im eröffneten Insolvenzverfahren. In der Wohlverhaltensperiode ist der § 295 Abs. 2 InsO unmittelbar anwendbar (o Rn. 1133 ff.). 583 Nach konstitutiver Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters ist über § 35 Abs. 2 Satz 2 InsO der für das Restschuldbefreiungsverfahren geltende § 295 Abs. 2 InsO entsprechend anwendbar. Danach trifft den Insolvenzschuldner, um eine Gleichbehandlung mit angestellt Tätigen herzustellen, eine Abführungspflicht hinsichtlich eines fiktiv zu berechnenden pfändbaren Einkommensanteils, der zur Insolvenzmasse abzuführen ist. ___________ 230) BGH, Beschl. v. 20.6.2011 – NotZ 26/06, NJW 2007, 1287. 231) OVG NRW, NJW-Spezial 2012, 77.

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V. Fortführung, Liquidation oder Freigabe der selbstständigen Tätigkeit?

In der Wohlverhaltensphase besteht eine mindestens jährliche Abführungs- 584 pflicht.232) Der Senat begründete dies mit der in der Wohlverhaltensphase einmal jährlich anstehenden Verteilung der vorhandenen Gelder an die Insolvenzgläubiger (§ 292 Abs. 1 InsO). Diese sollen im Vergleich zu einem Insolvenzverfahren über das Vermögen eines angestellt Tätigen, bei dem die Beträge monatlich einbehalten werden, nicht schlechter gestellt sein. Die Gläubiger dürfen keine Nachteile dadurch erfahren, dass eine Abführungspflicht erst am Ende der Wohlverhaltensphase angenommen wird. Der Grundsatz der einmal jährlich bestehenden Abführungspflicht dürfte auf 585 das eröffnete Insolvenzverfahren nach Freigabe nicht anzuwenden sein, da erstmalig im Rahmen der Schlussverteilung eine Auskehr der vorhandenen Gelder an die Insolvenzgläubiger vorzunehmen ist. Demnach ist – dem Gedankengang des BGH folgend – eine Abführungspflicht des Insolvenzschuldners spätestens bis zur Schlussverteilung anzunehmen. Eine obergerichtliche Entscheidung für das eröffnete Verfahren liegt, soweit ersichtlich, nicht vor. Die Höhe der gemäß der § 35 Abs. 2 i. V. m. § 295 Abs. 2 InsO vorzunehmen- 586 den Zahlungen ist gesetzlich nur insoweit vorgeschrieben, als diese einem fiktiven Maßstab folgen. Es besteht eine Abführungspflicht in Höhe der Beträge, die pfändbar wären, wenn der Insolvenzschuldner abhängig beschäftigt wäre (Fiktivberechnung). Die tatsächlichen Gewinne, die der Insolvenzschuldner erwirtschaftet, sind für die Ermittlung des Betrags völlig ohne Belang. Den Insolvenzschuldner trifft eine Abführungspflicht auf der Basis eines fik- 587 tiv berechneten pfändbaren Einkommens nach dem Maßstab des § 295 Abs. 2 InsO, wenn der tatsächliche Gewinn über der Pfändungsfreigrenze liegt, er also durch seine Gewinne überhaupt zu einer Leistung wirtschaftlich in der Lage ist.233) Der tatsächliche Gewinn ist jedoch nicht die Berechnungsgröße. Diese ist ef- 588 fektiv zu ermitteln durch Heranziehung der vom Schuldner zu erteilenden Auskünfte über seine beruflichen Qualifikationen, beruflichen Erfahrungswerte, ggf. besonderen Beeinträchtigungen, seine letzte Anstellung in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis sowie weiterer persönlicher und beruflich maßgeblicher Parameter. Anhand dieser Angaben ist zu ermitteln, welcher Betrag pfändbar wäre, wenn er in einem entsprechenden Beschäftigungsverhältnis angestellt wäre. Die Ermittlungspflicht trifft jedoch nicht den Insolvenzverwalter. Auch stellt das Insolvenzgericht nicht die Höhe des pfändbaren Betrages fest. Es handelt sich hierbei um eine Obliegenheit des Insolvenzschuldners, sodass dieser im eigenen Interesse gehalten ist, den korrekten Betrag zu ermitteln und zur Insolvenzmasse abzuführen. Die Praxis zeigt, dass viele Insolvenzschuldner mit dieser Ermittlung schlichtweg überfordert ___________ 232) BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 188/09, ZInsO 2012, 1488. 233) BGH, Beschl. v. 13.6.2013 – IX ZB 38/10, ZInsO 2013, 1586.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

sind. Insoweit steht es jedem Schuldner frei, sich rechtlich beraten zu lassen. Eine Rechtsberatung und damit Festsetzung des fiktiv pfändbaren Betrags durch den Insolvenzverwalter ist nicht zulässig. 589 Im Rahmen seiner Verwertungspflichten hat der Insolvenzverwalter darauf zu achten, dass das fiktiv berechnete pfändbare Einkommen unter Ansatz einer angemessenen Stundenzahl und eines adäquaten Entgelts unter Berücksichtigung der Fiktivmaßstäbe und evtl. Unterhaltsverpflichtungen korrekt ermittelt und abgeführt wird. Wird lediglich eine fiktive Teilzeitbeschäftigung angenommen, muss glaubhaft sein, dass der Schuldner keine Vollzeitanstellung gegen entsprechend höheres Entgelt finden könnte. 590 Wurde das fiktive Entgelt nicht anhand der vorstehenden Kriterien ermittelt, ist der Insolvenzverwalter gehalten, die Gläubiger hierüber zu unterrichten (Berichte/Zwischenberichte). Zahlt der Schuldner nach Freigabe seiner selbstständigen Tätigkeit im eröffneten Insolvenzverfahren den fiktiv ermittelten pfändbaren Betrag nicht, obwohl er hierzu aufgrund der ausreichenden Höhe seiner tatsächlich erwirtschafteten Gewinne wirtschaftlich in der Lage wäre, besteht ein einklagbarer Anspruch des Insolvenzverwalters gegen den Schuldner, welcher in Höhe des an die Masse abzuführenden Betrages vom Insolvenzverwalter auf dem Prozessweg geltend gemacht werden kann.234) 591 Reichen die Gewinne des Insolvenzschuldners aus, um den fiktiv ermittelten pfändbaren Betrag zur Masse abzuführen, hat der Insolvenzverwalter keinen Anspruch auf Vorlage der Steuerbescheide, Bilanzen, BWA oder ähnlicher, die Betriebsergebnisse darstellenden Dokumentationen. Entgegen der zum Teil geübten Praxis ist der Schuldner in diesem Fall nicht verpflichtet, solche Unterlagen regelmäßig vorzulegen. Ist der Schuldner indes nicht in der Lage, aus den Gewinnen die fiktiv ermittelten, pfändbaren Einkommensanteile zur Masse zu begleichen, ist der Insolvenzschuldner gehalten, sich um eine angemessene Beschäftigung im Angestelltenverhältnis zu bemühen.235) Die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze zur Pflicht des Insolvenzschuldner, sich in einem solchen Fall um eine angemessene Beschäftigung zu bemühen, begründete der Senat mit der (bis zur Reform des Verbraucherinsolvenzverfahrens nur) in der Wohlverhaltensphase geltenden Erwerbsobliegenheit. In den Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 besteht gemäß § 287b InsO ab Eröffnung bereits eine Erwerbsobliegenheit, sodass die Grundsätze übertragbar sein dürften. In den Verfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 war die Abführungspflicht im eröffneten Verfahren nicht der Erwerbsobliegenheit (die bis dahin im eröffneten Verfahren nicht normiert war), sondern der Mitwirkungspflicht geschuldet.236) Daher nahm der Senat eine Auskunftspflicht hinsichtlich der für die Ermittlung des fiktiven Maß___________ 234) BGH, Urt. v. 13.3.2014 – IX ZR 43/12, NZI 2014, 461. 235) BGH, Beschl. v. 13.6.2013 – IX ZB 38/10, ZInsO 2013, 1586. 236) BGH, Beschl. v. 13.6.2013 – IX ZB 38/10, ZInsO 2013, 1586.

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V. Fortführung, Liquidation oder Freigabe der selbstständigen Tätigkeit?

stabs notwendigen Angaben des Schuldners an, sodass der Schuldner nur dann zur Auskunftserteilung auch über seine Gewinne aus seiner selbstständigen Tätigkeit verpflichtet war, wenn er finanziell nicht in der Lage war, die fiktiv ermittelten Beträge abzuführen.237) Mit der Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit aus dem Insolvenzbeschlag 592 sind auch sämtliche Vertragsverhältnisse, die im Zusammenhang mit der Selbstständigkeit bestehen, freigegeben.238) Auch übernimmt der Schuldner nach Freigabe wieder vollumfänglich die Arbeitgeberstellung hinsichtlich der z. Zt. der Freigabe bestehenden Arbeitsverhältnisse.239) Aus der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht und nachvertraglichen Treuepflicht resultiert jedoch die Obliegenheit des Insolvenzverwalters, die Arbeitnehmer von der Freigabe und deren Wirkungen in Kenntnis zu setzen.240) Ansprüche, Klagen und sonstige Forderungen sind demnach an den Schuldner direkt zu richten, sofern sie aus dem Zeitraum nach Wirksamkeit der Freigabe resultieren. Steuerlich ist zu beachten, dass Steuerverbindlichkeiten, die aus dem unmit- 593 telbaren Zusammenhang aus der selbstständigen Tätigkeit nach Freigabe resultieren, keine Masseverbindlichkeiten darstellen.241) Der Schuldner hat diese aus seinen Einnahmen zu bestreiten. Die Finanzverwaltung vergibt für den freigegebenen Vermögensbereich (insolvenzrechtliche Sondermasse) eine weitere (dritte) Steuernummer, unter welcher der Insolvenzschuldner alle Steuererklärungen zur freigegebenen selbstständigen Tätigkeit zu fertigen hat. Eine dahingehende Pflicht des Insolvenzverwalters besteht nicht. Erstattungsansprüche (z. B. aus Einkommenssteuervorauszahlungen), die der freigegebenen Tätigkeit zuzurechnen sind, stehen dem Schuldner zu mit der Folge, dass auch das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht mehr besteht.242) Für den Insolvenzschuldner kann eine Vorausabtretung künftiger Forderun- 594 gen nach Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit existenzielle Auswirkungen haben. Der Senat hat in seinem Urteil vom 18.4.2013 festgestellt, dass eine Vorausabtretung künftiger Forderungen ab dem Zeitpunkt der Freigabe wieder wirksam wird.243) Bei der Vorausabtretung künftiger Forderungen ist die Abtretung an sich bereits mit Abschluss des Zessionsvertrags beendet. Der Rechtsübergang erfolgt jedoch erst mit Entstehung der Forderung. Entsteht die Forderung unter Insolvenzbeschlag, steht dem Rechtserwerb ___________ 237) BGH, Beschl. v. 13.6.2013 – IX ZB 38/10, ZInsO 2013, 1586. 238) Vgl. zum betrieblichen Mietverhältnis BGH, Beschl. v. 9.2.2012 –IX ZR 75/11, ZInsO 2012, 481. 239) BAG, Urt. v. 21.11.2013 – 6 AZR 979/11, ZInsO 2014, 507. 240) BAG, Urt. v. 21.11.2013 – 6 AZR 979/11, ZInsO 2014, 507. 241) Siehe zu Einkommensteuervorauszahlungen BFH, Urt. v. 18.9.2012 – VIII R 47/09, InsbürO 2013, 286. 242) BFH, Urt. v. 6.3.2014 – VII S 4713, InsbürO 2014, 366. 243) BGH, Urt. v. 18.4.2013 – IX ZR 165/12, ZIP 2013, 1181.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

§ 91 InsO entgegen, da eine gesicherte und damit schützenswerte Rechtsposition vor Eröffnung nicht erworben wurde. Die Vorausabtretung geht insoweit ins Leere. Nach einer Freigabeerklärung gemäß § 35 Abs. 2 InsO wird die Vorausabtretung jedoch infolge Konvaleszenz (§ 185 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB) wieder wirksam. Der Schuldner erlangt nach Freigabe insoweit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des insolvenzfreien Vermögens und damit auch hinsichtlich der in diesem Bereich entstehenden Forderungen wieder zurück. Dies hat zur Folge, dass § 91 InsO mangels Insolvenzbeschlag insoweit dem Rechtserwerb nicht entgegensteht. Die Pflicht des Insolvenzschuldners, die Rechte aus der Vorausabtretung zugunsten des Gläubigers zu bedienen, kollidiert in aller Regel mit der Abführungspflicht des selbstständig Tätigen (§ 35 Abs. 2 InsO i. V. m. § 295 Abs. 2 InsO). Noch nicht entschieden ist, ob insoweit eine Festsetzung gemäß § 850i ZPO durch das Prozessgericht auch unter Berücksichtigung des gemäß § 295 Abs. 2 InsO abzuführenden Anteils unabhängig von den tatsächlichen Gewinnen in Betracht kommt. Angesichts solcher Kollisionslagen ist auch in einem Fall der Vorausabtretung eine Freigabe – jedenfalls aus Sicht des Insolvenzschuldners – nicht der zu bevorzugende Weg. 595 Gerät der Insolvenzschuldner mit dem freigegebenen Betrieb erneut in eine wirtschaftliche Krise, wird der Antrag eines sog. Neugläubigers (d. h. eines Gläubigers aus dem Bereich der freigegebenen selbstständigen Tätigkeit) auf Eröffnung eines neuerlichen, zweiten Insolvenzverfahrens als zulässig erachtet.244) In diesem Fall muss eine die Verfahrenskosten deckende Haftungsmasse vorhanden sein. Ist dies nicht der Fall, so muss der Schuldner nicht erneut über die Möglichkeit der Restschuldbefreiung und der Möglichkeit der Stellung eines Stundungsantrags belehrt werden. In aller Regel wird ein Zweitinsolvenzverfahren jedoch an einer nicht vorhandenen kostendeckenden Masse scheitern, da die freigegebene selbständige Tätigkeit wirtschaftlich unzulänglich ist und das übrige Vermögen noch dem Insolvenzbeschlag des Erstverfahrens unterfällt. 3. Fortführung einer selbstständigen Tätigkeit 596 Wie im unmittelbar vorstehenden Kapitel ausgeführt, kommt eine Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit immer dann in Betracht, wenn die vom Schuldner im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit erwirtschaften Erträge nicht zu Massemehrungen führen. Sind die Erträge hingegen hinlänglich, um über den Selbstbehalt des Schuldners und dessen Familie sowie den notwendigen Betriebsausgaben und steuerlichen Verpflichtungen hinaus einen Überschuss darzustellen, führt der Insolvenzverwalter in aller Regel den Geschäfts-/ Praxisbetrieb des Schuldners fort. Die Fortführung ist in der Insolvenzordnung nicht ausdrücklich geregelt. Sie dient in aller Regel der Vorbereitung der Sanierung eines Unternehmens, sei es durch einen Insolvenzplan (o Rn. 1201 ff.) ___________ 244) AG Göttingen, Beschl. v. 16.9.2011 – 71 IN 89/11, ZVI 2011, 450.

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V. Fortführung, Liquidation oder Freigabe der selbstständigen Tätigkeit?

oder eine übertragende Sanierung (o Rn. 607 ff.). Eine ebenfalls gesetzlich vorgesehene, in den letzten Jahren wieder mehr Beachtung findende Alternative ist die Fortführung unter Eigenverwaltung (o Rn. 1277 ff.). Welches Sanierungsmodell mit dem Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung im Ergebnis das richtige ist, ist einzelfallabhängig durch Analyse der Finanzierungsmodelle, der Marktsituation, der Geschäftsstruktur und des Geschäftsmodells des Schuldners zu ermitteln. Eine Fortführung, die angesichts der Zielsetzung des Gesamtwerkes nur im 597 Überblick erläutert werden kann, ist nur dann darstellbar, wenn der Insolvenzverwalter diesen Prozess engmaschig begleitet durch ständige und kontinuierliche Kontrolle der betriebswirtschaftlichen Auswertungen des Schuldners. Auch hat der Insolvenzverwalter über einen branchenspezifisch angepassten Zeitraum die Entwicklung des Geschäftsbetriebs im Auge zu behalten. Dies geschieht in aller Regel durch Aufstellung einer Finanz-/Liquiditätsplanung. Die Fortführung im Insolvenzverfahren erfordert neben den besonderen juristischen Kenntnissen des Insolvenzrechts auch und insbesondere betriebswirtschaftliches Wissen und Können sowie strategische Planungskompetenzen. Im Zuge einer Fortführung sind oftmals Umstrukturierungsmaßnahmen er- 598 forderlich. Erwähnt seien exemplarisch: personelle Umstrukturierungen, Veränderung von Arbeitsabläufen und Prozessschritten oder Outsourcing245) einzelner Bereiche, Verkleinerung der Betriebsstätte, Schließung von Filialen etc. Unerlässlich für eine Fortführung sind die Mitwirkungsbereitschaft des Schuld- 599 ners selbst, dessen Einbindung in die Verantwortungsbereiche sowie dessen Fähigkeiten und Wissen über prozedurale Vorgänge. Auch ist zu empfehlen, die Ursachen der Insolvenz zu analysieren. Liegt die 600 Krise z. B. in Marktveränderungsprozessen246) oder kontinuierlichem Rückgang der Auftragslage begründet, wird eine Fortführung schwierig wenn nicht gar unmöglich darstellbar sein. Ist ein merklicher Forderungsausfall z. B. eines Großkunden die Krisenursache, die Auftragslage aber im Übrigen gut, sind die Aussichten für eine erfolgreiche Fortführung gut, wenn auch die weiteren maßgeblichen Parameter stimmen. Eine erfolgreiche Fortführung gelingt nur bei einer professionellen und adä- 601 quaten Krisenkommunikation. Die Geschäftspartner des Schuldners sind durch die Insolvenz zunächst i. a. R. in ihrem Vertrauen erschüttert und begegnen einer Fortführung und Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung mit einem großen (und sicher auch gesunden) Maß an Skepsis. Dieses Vertrauen gilt es, ___________ 245) Auslagern bestimmter Arbeitsfelder, die meist nicht Kernkompetenz sind (z. B. statt Herstellung von Pralinen in Eigenmanufaktur kauft der Bäckermeister die Pralinen fortan ein). 246) Beispielsweise erfährt der Einzelhandel einen immensen Konkurrenzdruck durch den Versand- und Onlinehandel.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

zurückzugewinnen und zu stärken. Eine ungünstige Krisenkommunikation stellt die Weichen Richtung Liquidation, die spätestens dann besiegelt ist, wenn Kunden, Mitarbeiter und/oder Lieferanten wegbrechen. 602 Ein Vertrauensverlust erleidet auch die Belegschaft. Die Insolvenz des Arbeitgebers geht immer einher mit Existenzängsten seiner Mitarbeiter. Der insoweit eingetretene Vertrauensverlust ist ebenfalls durch eine qualifizierte Kommunikation auszugleichen. 603 Allein rechtliche Informationen sind insoweit nicht ausreichend. Vertrauen spielt sich überwiegend auf der nicht rationalen Ebene ab. Eine Fortführung ist nur dann erfolgreich, wenn dies rational anhand von Fakten nachvollziehbar ist und zudem emotional darauf vertraut wird, dass die weitere Zusammenarbeit auch von Dauer und erfolgreich sein wird. 604 Eine Fortführung eines schuldnerischen Geschäfts-/Praxisbetriebs ist insbesondere im Bereich der freiberuflichen Tätigkeiten nicht immer problemlos möglich. Das Know-how eines Unternehmers ist in jedem Insolvenzverfahren, das eine Fortführung anstrebt, zwingend erforderlich. Bei Freiberuflerinsolvenzen ergeben sich zudem noch rechtliche Schwierigkeiten aus den berufsständischen Bestimmungen. Die Fortführung einer Arztpraxis oder einer Apotheke erfordert beispielsweise die Mitwirkung des in Insolvenz befindlichen Arztes. Die Fortführung ist möglich über die Insolvenzmasse (wirtschaftlich), die Approbation indes ist an die Person des Arztes/Apothekers gebunden. Ein Insolvenzverwalter, der keine Approbation besitzt, kann ohne Mitwirkung des Schuldners keine Fortführung bewerkstelligen, da er keine Patienten behandeln darf. 605 Auch im Bereich der vermögensverwaltenden Freiberufler konterkarieren oftmals berufsständische Regelungen zum Widerruf der Zulassung die Fortführung; die Zulassung wird in aller Regel mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens widerrufen, weil vermutet wird, dass der fremdgeldverwaltende Insolvenzschuldner in Vermögensverfall geraten ist (o Rn. 7 ff.). Eine Entkräftung der Vermutung des Vermögensverfalls kann in aller Regel nur durch die Vorlage eines Insolvenzplans erfolgen.247) 606 Sämtliche Einnahmen gehören bei einer Fortführung als Neuerwerb zur Insolvenzmasse. Die Betriebsausgaben und steuerlichen Zahllasten sind Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Aus der Insolvenzmasse ist ebenfalls der notwendige Selbstbehalt des Insolvenzschuldners aufzubringen, wobei dieser aus den erzielten Einnahmen zu bestreiten ist (§ 100 InsO bzw. § 4 InsO i. V. m. § 850i ZPO).248) Zu beachten ist, dass die Lebenshaltungskosten des Insolvenzschuldners nur durch die Gläubigerversammlung zu be___________ 247) BGH, Beschl. v. 20.11.2006 – NotZ 26/06, NJW 2007, 1287. 248) Eine analoge Anwendung im Insolvenzeröffnungsverfahren befürwortend LG Bonn, Beschl. v. 4.1.2013 – 6 T 339/12, ZInsO 2013 833.

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V. Fortführung, Liquidation oder Freigabe der selbstständigen Tätigkeit?

schließen bzw. durch das Insolvenzgericht festzusetzen sind. Eine eigenmächtige Entnahme des pfandfreien Anteils aus der Barkasse zur Erfüllung der Unterhaltspflichten und Finanzierung der Betriebskosten stellt einen Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO dar.249) 4. Übertragende Sanierung/Asset Deal Eine weitere, im Insolvenzverfahren bestehende Möglichkeit der Sanierung 607 ist die sog. übertragende Sanierung („Asset Deal“). Als Asset Deal bezeichnet man einen Unternehmensverkauf durch Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter ohne seinen Rechtsträger. Im Gegensatz hierzu wird bei einem sog. „Share Deal“ ein Unternehmen 608 durch Übertragung seines Rechtsträgers (so z. B. in der Gesellschaftsinsolvenz durch Abtretung aller Geschäftsanteile) vom Erwerber übernommen. Bei einem Share Deal gehen auf den Erwerber ebenfalls alle Verbindlichkeiten des Unternehmens über, sodass diese Form der Übertragung im Insolvenzverfahren eher die Ausnahme darstellt. Die übertragende Sanierung wird nach allgemeinen zivilrechtlichen Bestim- 609 mungen vollzogen (§§ 433 ff., 929 ff., 873 ff., 398 ff BGB). Ggf. sind besondere Formvorschriften zu beachten (z. B. notarielle Beurkundung beim Grundstücksverkauf §§ 311b, 925 BGB). Sehr häufig wird indes eine übertragende Sanierung, also die Veräußerung 610 und Übertragung aller oder der meisten Wirtschaftsgüter des Unternehmens auf einen neuen Rechtsträger gewählt. Gegenstand des Kaufvertrags ist das Aktivvermögen des Schuldners (Assets), demnach alle Sachen, Rechte, sonstigen Vermögenswerte. Die Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners gehen nicht mit über und werden im Insolvenzverfahren nach den insolvenzrechtlichen Bestimmungen abgewickelt. Die Haftung des Erwerbers gemäß § 25 Abs. 1 HGB ist auf Unternehmensveräußerungen durch den Insolvenzverwalter nicht anwendbar, da andernfalls mögliche Verwertungsoptionen in Anbetracht der potentiellen Haftung des Erwerbers für die Schulden des bisherigen Unternehmensträgers erschwert würden.250) Die übertragende Sanierung erfolgt zu Fortführungswerten (o Rn. 347). In 611 der Praxis die meisten Schwierigkeiten bereitet in aller Regel die Preisfindung, da insbesondere das Element der bisherigen Ertragsstärke nur wenig Anhaltspunkte liefert, weil der Ertragswert durch Eintritt der Krise regelmäßig verschwindend gering ist. Allenfalls als Ansatzpunkt dienen können die Unternehmenszahlen der Vergangenheit; es bleibt dabei, dass der Erwerber in Anbetracht der Unkenntnis der künftigen Entwicklung etwas Ungewisses erwirbt. ___________ 249) BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 94/09, openJur 2011, 94400. 250) St. Rspr., zuletzt BGH, Beschl. v. 9.11.2006 – IX ZA 27/06, openJur 2011, 9705.

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612 Im Hinblick auf den Grundsatz der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung ist darauf zu achten, dass der Kaufpreis die Grenze der Liquidationswerte nicht unterschreitet. 613 Werden die Unternehmensdaten der Vergangenheit dem Erwerber kundgetan, handelt es sich häufig um einen Einblick in einen sensiblen Bereich. Vor der Offenlegung ist daher zu empfehlen, eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen zu lassen. Daneben sind ebenfalls Abschlüsse von Vorverträgen oder die Abgabe von Absichtserklärungen (LOI – Letter of Intent) möglich und gängige Praxis. 614 Insolvenzrechtlich ist zu beachten, dass bei der Veräußerung des Unternehmens oder eines Betriebs im Ganzen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 InsO die Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung, wenn ein Gläubigerausschuss nicht bestellt wurde, einzuholen ist. Bei einer Veräußerung des Unternehmens vor dem Berichtstermin verdrängt die Bestimmung des § 158 InsO als lex specialis die des § 160 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 InsO. Gemäß § 158 InsO ist, will der Insolvenzverwalter vor dem Berichtstermin das Unternehmen des Schuldners veräußern, die Zustimmung eines Gläubigerausschusses einzuholen, wenn ein solcher bestellt ist. Ein Verstoß gegen die Zustimmungspflicht hindert nicht die Wirksamkeit der Übertragung, sollte aber aus Verwaltersicht bereits aus Gründen der Haftung vermieden werden. 615 Arbeitsrechtlich ist zu beachten, dass eine übertragende Sanierung sämtliche Arbeitsverhältnisse schützt (§ 613a BGB). Übernimmt ein Erwerber im Rahmen des Betriebsinhaberwechsels den Geschäftsbetrieb, tritt er gemäß § 613a BGB in alle zu diesem Zeitpunkt bestehenden Arbeitsverhältnisse ein. Ihn treffen demnach alle Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen, die auch für den insolventen Arbeitgeber gegolten haben. Dies birgt die Gefahr für den Erwerber, dass dieser sich, spricht er nach der übertragenden Sanierung betriebsbedingte Kündigung aus, einer Kündigungsschutzklage ausgesetzt sieht. Eine Möglichkeit, die Risiken des Erwerbers einzugrenzen, kann die Gründung einer Transfergesellschaft sein. Geht ein Arbeitsverhältnis auf eine Transfergesellschaft über, wird das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber in aller Regel durch einen Aufhebungsvertrag beendet. Der Arbeitnehmer wird lückenlos in eine zeitlich befristete Anstellung in der eigens für diesen Zweck gegründeten Transfergesellschaft aufgenommen. Der Arbeitnehmer kann so den Eintritt in die Arbeitslosigkeit vermeiden und bezieht für einen gewissen Zeitraum weiterhin Gehalt/Lohn über dem individuellen Arbeitslosengeldsatz. 616 Steuerrechtlich lösen verwalterinitiierte Unternehmensübertragungen im eröffneten Insolvenzverfahren keine Haftung des Erwerbers für Steuern und Abgabepflichten aus dem übertragenen Unternehmen aus (§ 75 Abs. 2 AO). 617 Die Erlöse aus der Veräußerung eines Betriebes oder Teilbetriebes sind Einkünfte i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG und unterliegen damit grundsätzlich 150

VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

der Einkommensteuerpflicht.251) Umsatzsteuerrechtlich gehören diese zu den steuerfreien Einnahmen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 UStG). Auch eine Gewerbesteuerpflicht besteht bei der Veräußerung eines Einzelunternehmens nicht. Bei Freiberuflern ergeben sich auch im Fall der übertragenden Sanierung 618 Probleme. So können z. B. die Zulassung eines Arztes und der Vertragsarztsitz als höchstpersönliche, nichts sonderrechtsfähige Rechte nicht veräußert werden. Diese sind nicht Gegenstand der Insolvenzmasse.252) Auch kann eine Patienten- oder Mandantenkartei nur mit Zustimmung der betroffenen Patienten/Mandanten übertragen werden, da diese der Schweigepflicht unterliegen. Verstöße dagegen sind strafbewehrt (§ 203 StGB), entsprechende Verträge nichtig (§ 134 BGB i V. m. Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. § 203 StGB).253) 5. Verwertung/Liquidation Als Regelfall sieht die Insolvenzordnung die Verwertung der einzelnen Ver- 619 mögensgegenstände vor. Im Fall einer Unternehmensinsolvenz ist dies gleichbedeutend mit der Zerschlagung oder Teilzerschlagung des Betriebs. Auf ausgewählte Verwertungsfragen wird im nachfolgenden Kapitel näher eingegangen. VI. Ausgewählte Verwertungsfragen 1. Allgemeines Der Insolvenzverwalter ist gehalten, die Gegenstände der Insolvenzmasse 620 durch Veräußerung zu verwerten, sofern sich aus anderen Modellen (Insolvenzplan, Sanierungsalternativen) keine bessere Gläubigerbefriedigung erzielen lässt (vgl. § 159 InsO). Die Verwertung vollzieht sich – ggf. unter Beachtung besonderer Formvor- 621 schriften – nach den zivilrechtlichen Bestimmungen zum Verkauf (§ 433 ff. BGB) und der dinglichen Einigung nebst erforderlichenfalls der Besitzverschaffung (§§ 929, ff., 873 ff., 398 ff InsO). 2. Grundsätze der Verwertung Die Verwertung ist unverzüglich nach dem Berichtstermin vorgesehen (§ 159 622 InsO). Ausgangspunkt der Verwertung ist die Insolvenzmasse, die sich überwiegend 623 aus dem Masseverzeichnis bzw. der Vermögensübersicht (o Rn. 394 ff.,

___________ 251) Zu beachten sind ggf. Steuervergünstigungen gemäß § 34 Abs. 3 EStG. 252) BSG, Urt. v. 10.5.2000 – B 6 KA 67/98 R, BeckRS 2000, 41267. 253) Bange, ZInsO 2006, 362 m. w. N.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

418 ff.) ergibt, ggf. ergänzt durch den Neuerwerb. Die Ermittlung der Vermögenswerte ist demnach der einleitende Schritt der sich anschließenden Verwertungshandlungen. 624 Die Verwertung gehört zu den originären Hauptaufgaben des Insolvenzverwalters. Sofern diese mit rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten verbunden ist, kann der Insolvenzverwalter spezialisierte Verwerter/Verwertungsfirmen mit der Veräußerung beauftragen. Gleiches gilt für die Realisierung von Forderungen durch Fachanwälte, wenn besondere Kenntnisse erforderlich sind, die den regulären Umfang der Verwertung, gemessen an einem Normalverfahren, überschreiten (vgl. auch § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV).254) 625 Bei umfangreichen Vermögensmassen empfiehlt sich, eine Verwertungsliste, die den aktuellen Stand der Verwertungsaktivität wiedergibt, anzulegen. Sofern dem Beispiel des fortgeschriebenen Berichtswesens (ForStaB255)) gefolgt wird, kann auch die Vermögensübersicht die Grundlage einer solchen Verwertungsliste bilden. Entsprechende Hilfestellung bieten auch manche Insolvenzverwaltungsprogramme. 3. Ausgewählte Verwertungsfragen 626 Nachfolgend werden einige markante Besonderheiten der Verwertung aufgegriffen. Diese können angesichts der Zielsetzung dieses Werkes nur einen Überblick über regelmäßig aufkommende Verwertungsfragen zu den Einzelbereichen geben. a) Immaterielle Vermögensgegenstände 627 Die zum Anlagevermögen gehörenden immateriellen Vermögensgegenstände können im Einzelfall wertvoll sein und somit zu erheblichen Massemehrungen führen. Von praktischer Relevanz sind hier insbesondere gewerbliche Schutzrechte, Patente, Lizenzen und ähnliche Rechte sowie der Geschäfts-/ Firmenwert (Kundenstamm). Die Verwertung richtet sich nach den jeweiligen Bestimmungen des Rechts. Für Spezialfragen sind ggf. Fachleute (Patentanwälte o. Ä). beizuziehen.256)

___________ 254) Vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 20.7.2004 – IX ZB 161/03, InsbürO 2004, 317; BGH, Beschl. v. 14.11.2013 – IX ZB 161/11, NZI 2014, 21; BGH, Beschl. v. 13.3.2014 – IX ZB 204/11, JurionRS 2014, 13397. 255) Zurückgehend auf die vom Amtsgericht Aachen entwickelten Grundsätze des „Fortgeschriebenen Standardisierten Berichtswesens (ForStab)“ siehe Langer/Bausch, ZInsO 2011, 1287. 256) Vgl. zum Lizenzvertragswesen BGH, Urt. v. 19.7.2012 – I ZR 70/10, ZInsO 2012, 1611 und BGH, Urt. v. 19.7.2012 – I ZR 24/11, ZInsO 2012, 1611.

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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

b) Grundstücke/grundstücksgleiche Rechte Zur Ermittlung von im Eigentum des Schuldners stehenden Grundbesitz oder 628 grundstücksgleichen Rechten ist die Einsichtnahme in einen aktuellen Grundbuchauszug unerlässlich, da sich aus dem Grundbuch die aktuelle Rechtslage ergibt. Ist der Insolvenzschuldner als Eigentümer (Abteilung I) oder Inhaber eines Rechts an einem fremden Grundstück (Abteilung II oder III) im Grundbuch eingetragen, ist der Insolvenzverwalter gehalten, das Grundstück bzw. Recht zu verwerten. Soweit im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldnereige- 629 nes Immobiliarvermögen bekannt ist, veranlasst das Insolvenzgericht in aller Regel von Amts wegen die Eintragung eines Insolvenzsperrvermerks in Abteilung II des Grundbuchs bzw. beim jeweiligen Recht des Schuldners (vgl. § 32 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 InsO). Der Insolvenzsperrvermerk hat lediglich deklaratorische Bedeutung.257) Der Insolvenzmassebeschlag besteht bereits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Insolvenzverwalter kann die sog. Verwalterversteigerung (Verwertung 630 im Wege der Zwangsversteigerung) betreiben (§ 165 InsO). Da eine freihändige Veräußerung jedoch in der Vielzahl der Fälle wesentlich ertragreicher ist, ist die Zwangsversteigerung durch den Insolvenzverwalter eher selten. Bei der freihändigen Verwertung von schuldnereigenem Immobiliareigentum sind die besonderen Formerfordernisse zum schuldrechtlichen Kaufvertrag, der gemäß § 311b Abs. 1 BGB notariell zu beurkunden ist, zu beachten. Die Eigentumsübertragung (der dingliche Vollzug) bedarf der ebenfalls notariellen Beurkundung der dinglichen Einigung (Auflassung gemäß §§ 873, 925 BGB) sowie der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch. Grundbuchrechtlich ist zudem die Bewilligung zur Eigentumsumschreibung gemäß § 19 GBO erforderlich, die in der Form des § 29 GBO vorliegen muss (notarielle Beglaubigung oder Beurkundung). Die Verwertung von belastetem Grundvermögen bedarf der Abstimmung 631 mit dem Grundpfandrechtsgläubiger. Der Erwerber ist regelmäßig an einer lastenfreien Übertragung interessiert. Diese kann der Insolvenzverwalter nur gewährleisten, wenn der absonderungsberechtigte Grundpfandrechtsgläubiger eine Löschungsbewilligung erteilte. Das Absonderungsrecht des Grundpfandrechtsgläubigers ist aus dem erzielten Erlös abzugelten. Die §§ 170, 171 InsO gelten bei der Verwertung von unbeweglichem Absonderungsgut nicht (o Rn. 551 ff.). Der Insolvenzverwalter einigt sich daher regelmäßig mit dem absonderungsberechtigten Grundpfandrechtsgläubiger auf einen Massekostenbeitrag. Dieser Massenkostenbeitrag ist grundsätzlich frei verhandelbar und beläuft sich auf ca. 1 – 7 % des Erlöses.

___________ 257) Vgl. u. a. BGH, Urt. v. 1.2.2007 – IX ZR 17/05, ZInsO 2007, 545.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

632 Ist keine abweichende Verteilungsregelung getroffen, erfolgt die Erlösverteilung an die absonderungsberechtigten Gläubiger in Anlehnung an die Rangfolge nach §§ 10 – 14, 155 ZVG (vgl. § 49 InsO). Deckt der dem Absonderungsberechtigten zugeflossene Erlösanteil lediglich einen Teilbetrag der gesicherten Forderung, fällt er mit dem Restbetrag aus. In Höhe des Ausfalls nimmt er als ungesicherter Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) im Fall der Feststellung der Forderung an einer eventuellen Quotenausschüttung im Rahmen der Schlussverteilung teil (§ 52 InsO). 633 Zu beachten ist, dass der frei ausgehandelte Massenkostenbeitrag als steuerbarer Vorgang der Umsatzsteuer unterliegt.258) 634 Parallel zum Insolvenzverfahren darf auch ein absonderungsberechtigter Gläubiger die Verwertung eines Grundstücks durch Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung suchen (§ 49 InsO). In dem Fall wird die Insolvenzmasse bei wertausschöpfender Belastung in aller Regel nicht am Erlös partizipieren. c) Bewegliches Sachanlagenvermögen 635 Die Verwertung von beweglichem Sachanlagevermögen (insbesondere technische Anlagen und Maschinen, Gegenstände der Betriebs und Geschäftsausstattungen, andere Anlagen) gehört ebenfalls zu den Schwerpunkten der Verwertungstätigkeit des Insolvenzverwalters. Insbesondere bei umfangreichem Anlagengut ist eine Delegation der Verwertungstätigkeit an Dritte gängig und zulässig. 636 Schwierigkeiten ergeben sich bei der Verwertung oftmals durch das Vorhandensein von Drittrechten. Der Insolvenzverwalter hat Aus- und Absonderungsrechte zu beachten. Vor der Verwertung ist eine weitestgehende bis abschließende Klärung der Drittrechtsbelastungen zu empfehlen. Auch Kollisionslagen sollten geprüft und geklärt werden (o Rn. 555 ff.). Sofern eine finale Klärung nicht möglich ist, ist bewährte Praxis, Verwertungserlöse auf einem einzurichtenden Sonderkonto bis dahin zu separieren. 637 Aussonderungsgut (o Rn. 501 ff.) darf der Insolvenzverwalter nicht verwerten. Dieses ist nicht massezugehörig (o zur Ersatzaussonderung Rn. 516). 638 Hinsichtlich der Gegenstände, die mit einem Absonderungsrecht belastet sind, besteht gemäß § 166 InsO ein originäres Verwertungsrecht des Verwalters, sofern er die Gegenstände in seinem Besitz hat. Aus dem Verwertungserlös sind die Absonderungsrechte der Gläubiger entsprechend der §§ 170, 171 InsO abzugelten. Der Insolvenzmasse steht im Fall der Verwertung durch den Verwalter neben der 4 %igen Feststellungspauschale auch eine 5 %ige Verwertungspauschale bzw. ein Anspruch auf Ersatz der tatsächlich ___________ 258) Vgl. BFH, Urt. v. 18.8.2005 – V R 38/04; BMF-Schreiben v. 30.4.2014 – IV D 2 – S 71 00/07/10037 DOK 2014/0332437, NZI I2 1014, 600.

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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

entstandenen Verwertungskosten zu, die vorweg (d. h. vor Auskehr des Verwertungserlöses an die Absonderungsberechtigten) zugunsten der Masse zu entnehmen sind. Die Verwertungserlöse sind unverzüglich an die Absonderungsberechtigten auszukehren. Sofern die Verwertung von Anlagevermögen eines der Umsatzsteuerpflicht 639 unterliegenden Unternehmers erfolgt, ist zudem die Umsatzsteuer zur Masse auszukehren. Die an das Finanzamt abzuführende Umsatzsteuer ist eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Übernimmt der Absonderungsgläubiger das Absonderungsgut (§ 168 Abs. 3 640 InsO), erhält die Masse ebenfalls den Verwertungskostenbeitrag, den Feststellungskostenbeitrag und die Umsatzsteuer aus dem Veräußerungsgeschäft.259) Der Verzicht auf das Absonderungsrecht stellt eine sonstige Leistung dar, die zu beziffern ist. Davon abzugrenzen ist der Fall, in dem der Insolvenzverwalter dem Abson- 641 derungsgläubiger den Gegenstand zur Verwertung überlässt (§ 170 Abs. 2 InsO). Diese Überlassungserklärung spricht der Verwalter in der Regel dann aus, wenn er keine Möglichkeit der Verwertung sieht (z. B. kein geeigneter Erwerber). Die Masse erhält den Feststellungskostenbeitrag und die Umsatzsteuer aus dem Veräußerungsgeschäft, nicht aber den Verwertungsbeitrag. Die Umsatzsteuerpflicht der Masse (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) resultiert aus dem angenommenen Doppelumsatz (Lieferung Sicherungsgeber an Sicherungsnehmer und Lieferung Sicherungsnehmer an Erwerber).260) Bemessungsgröße ist das um die Massebeiträge geminderte Entgelt, also der Betrag, um den die Verbindlichkeiten aus dem Erlös getilgt werden.261) § 13b UStG greift in dem Fall nicht. Gleiches gilt, wenn der Absonderungsgläubiger in den Fällen verwertet, in 642 denen der Insolvenzverwalter (insbesondere mangels Besitzbegründung) kein Verwertungsrecht hatte (§ 173 InsO). Zwar erfährt auch hier die Masse faktisch keinen Vermögenszufluss aus der Verwertung selbst, haftet aber aus den beschriebenen Gründen für die Umsatzsteuer; ein Fall von § 13b UStG liegt auch hier nicht vor.262) Der Masse steht allerdings in beiden Fällen analog § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG, 643 §§ 170 Abs. 2, 171 Abs. 2 Satz 3 InsO ein Anspruch auf Herausgabe der vom Gläubiger vereinnahmten Umsatzsteuer zu.263) ___________ 259) BGH, Urt. v. 3.11.2005 – IX ZR 181/04, ZIP 2005, 2214. 260) Vgl. Abschn. 1.2 Abs. 1 Satz 2 UStAE; hierzu instruktiv Busch/Winkens/Büker, Insolvenzrecht und Steuern visuell, S. 289 f. 261) BGH, Urt. v. 29.3.2007 – IX ZR 27/09, ZIP 2007, 1126. 262) BFH, Urt. v. 19.7.2007 – V B 222/06, ZIP 2007, 1998 = BStBl. II 2008, 163; BFH, Urt. v. 1.3.2010 – XI B 34/09, NZI 2010, 451 = BFH/NV 2010, 1142. 263) BGH, Urt. v. 29.3.2007 – IX ZR 27/06, ZIP 2007, 1126.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

644 Mit seiner Entscheidung vom 28.7.2011 hat sich der BFH in einem ergänzenden obiter dictum zur Frage der Steuerbarkeit der Massebeiträge erklärt.264) Bei dem gesetzlichen Feststellungskostenbeitrag handele es sich um eine nicht steuerbare Schadenersatzleistung. Verwertet der Insolvenzverwalter freihändig (§ 166 InsO), ist ein sog. Dreifachumsatz anzunehmen. Die Verwertung erfolge aufgrund eines fiktiven Geschäftsbesorgungsvertrags zwischen Sicherungsnehmer und Insolvenzverwalter, wobei der Insolvenzverwalter die Lieferung an den Erwerber wie ein Kommissionär für die Rechnung des Sicherungsnehmers erbringe. Aus dem angenommenen Dreifachumsatz auf fiktiver Geschäftsbesorgungsvertragsbasis folge, dass der gesetzliche Verwertungskostenbeitrag als Gegenleistung zu verstehen und damit steuerbar sei. Nicht erklärt hat sich der BFH indes zu der Frage, ob diese Gegenleistung den Grundsätzen des Kommissionsgeschäfts folgend, in der Verwertung aufgeht. 645 Mit Schreiben vom 30.4.2014 hat das Bundesfinanzministerium hierzu näher ausgeführt.265) Die nachfolgenden Grundsätze sind anzuwenden in allen offenen Fällen. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn für die vor dem 1.7.2014 ausgeführten Umsätze noch nicht so vorgegangen wurde.266) 646 Bei der Verwertung eines mit Absonderungsrechten belasteten Grundstücks durch den Verwalter gegen Zahlung eines frei ausgehandelten Kostenbeitrags ist dieser steuerbar.267) Gleiches gilt für die frei ausgehandelten Kostenbeiträge bei einer „kalten“ Zwangsverwaltung.268) 647 Verwertet der Verwalter im Namen des Sicherungsnehmers bewegliches Absonderungsgut, handelt es sich um einen Doppelumsatz (Lieferung Masse an Gläubiger, Lieferung Gläubiger an Erwerber). Die Feststellungskostenpauschale ist nicht steuerbar, auf die tatsächlichen Verwertungskosten bzw. die Verwertungskostenpauschale wird Umsatzsteuer erhoben. In diesem Fall hat der Verwalter eine Rechnung an Sicherungsnehmer über Verwertungskostenbeitrag auszustellen und im Übrigen nur die entsprechenden Auskehrungen vorzunehmen. 648 Erfolgt die Verwertung durch den Insolvenzverwalter im Namen der Masse (§ 166 InsO), liegt ein Dreifachumsatz nach den Grundsätzen des Kommissionsgeschäfts (Lieferung Masse an Sicherungsnehmer, Lieferung Sicherungs-

___________ 264) BFH, Urt. v. 28.7.2011 – V R 28/09, ZInsO 2011, 1904 = BStBl. II 2014, 406. 265) BMF-Schreiben v. 30.4.201 – IV D 2 – S 7100/07/10037 DOK 2014/0332437, NZI 2014, 600. 266) BMF-Schreiben v. 30.4.2014 – IV D 2 – S 7100/07/10037 DOK 2014/0332437, NZI 2014, 600 a. E. 267) UStAE Abschn. 1.2 Abs. 4 Satz 2, 3 n. F. = BFH, Urt. v. 18.8.2005 – V R 31/04, ZIP 2005, 2119. 268) UStAE Abschn. 1.2 Abs. 4 Satz 4 n. F. = BFH, Urt. v. 28.7.2011 – V R 28/09, ZInsO 2011, 1904 = BStBl. II 2014, 406.

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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

nehmer an Masse, Lieferung Masse an Erwerber) vor.269) Umsatzsteuer auf den Verwertungskostenbeitrag ist nicht zu entrichten (o ausführlich Rn. 890 ff.). d) Forderungen aus Lieferungen und Leistungen Oftmals ist es dem Schuldner im Vorfeld der Insolvenz nicht gelungen, sämt- 649 liche Außenstände, d. h. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, die gegen Kunden bestehen, erfolgreich beizutreiben. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterliegen auch solche Forderungen dem Insolvenzbeschlag (§ 80 Abs. 1 InsO). Der Insolvenzverwalter muss diese Forderungen geltend machen. Hinsichtlich der vor Insolvenzeröffnung abgetretenen Forderungen besteht ebenfalls ein Einzugsrecht des Insolvenzverwalters gemäß § 166 Abs. 2 InsO. Sofern der Drittschuldner auf eine begründete und fällige Forderung nicht 650 freiwillig leistet, ist der Insolvenzverwalter berechtigt, aus eigener Prozessstandschaft zu klagen. Handelt es sich um eine bereits zugunsten des Schuldners titulierte Forderung, 651 ist der Insolvenzverwalter nach Umschreibung des Titels ebenfalls befugt, die Zwangsvollstreckung nach Eröffnung (weiter) zu betreiben. Unterliegt der Schuldner als Unternehmer der Umsatzsteuerpflicht, resultie- 652 ren hieraus steuerrechtliche Konsequenzen. Wurde die Leistung im Zeitraum der vorläufigen „starken“ Insolvenzverwaltung erbracht, handelt es sich bei der Umsatzsteuerforderung um eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 2 InsO; die Umsatzsteuer ist demnach aus der Insolvenzmasse ans Finanzamt abzuführen. Ebenfalls im Rang einer Masseverbindlichkeit sind die Umsatzsteuerforde- 653 rungen zu bedienen die vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen schwachen Insolvenzverwalters begründet worden sind (§ 55 Abs. 4 InsO270)). Wurden die Leistungen vor Verfahrenseröffnung und vor Anordnung der vor- 654 läufigen Insolvenzverwaltung erbracht, sind die daraus zugunsten des Schuldners resultierenden Forderungen jedoch bis zur Insolvenzöffnung noch nicht vollständig vereinnahmt, werden diese mit Eröffnung uneinbringlich.271) Zieht der Insolvenzverwalter diese Forderungen nach Insolvenzeröffnung ein, werden sie wieder einbringlich; die darauf entfallende Umsatzsteuer ist eine Masseverbindlichkeit gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 1 InsO.272) ___________ 269) Statt bisher Einfachumsatz (Masse an Erwerber); vgl. Busch/Winkens/Büker, Insolvenzrecht und Steuern visuell, S. 289 f. 270) Gilt für alle Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.1.2011; BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05/2012/0042691, BStBl I S. 83. 271) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – BStBl. II 2011, 996. 272) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – BStBl. II 2011, 996, gilt für alle Verfahren mit Eröffnung ab dem 1.1.2012.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

e) Kassenbestand 655 Ist der Schuldner selbstständig tätig und führt eine Barkasse, unterliegt der volle Barkassenbestand der Insolvenzmasse. Wird das Unternehmen fortgeführt, muss dem Schuldner die Abwicklung des täglichen Zahlungsverkehrs ermöglicht werden. Der Schuldner ist daher aufzufordern, die Tageseinnahmen auf einem Fortführungsanderkonto unter Abzug eines angemessenen Wechselgeldbestandes, der in der Kasse verbleiben soll, einzuzahlen. Zudem ist die Kassenbuchführung engmaschig zu überprüfen und mit den Einnahmen abzugleichen. 656 Achtung Schwarzgeldkassen: Auch im Insolvenzverfahren ist es natürlich nicht zulässig, aber dennoch möglich, eine Schwarzgeldkasse zu führen. Der Insolvenzverwalter kann versuchen, dies bestmöglich zu unterbinden, indem er konsequente Kontrollen durchführt. Dass es dennoch „Schlupflöcher“ gibt, ist kein Geheimnis. Die insolvenzrechtlichen und u. U. auch (steuer)strafrechtlichen Konsequenzen hat der Schuldner selbst zu verantworten. Insolvenzrechtlich droht bei Aufdecken von Schwarzgeldkassen die Versagung der Restschuldbefreiung. 657 Folgender Tipp sei an der Stelle erlaubt: Auch modernste Registrierkassen ermöglichen u. U. die Vereinnahmung von Schwarzgeldern. So erlauben manche Kassensysteme die Anlage eines „Testkellner-Zugangs“, der offiziell aussehende Kassenvorgänge erlaubt, die jedoch nicht buchungswirksam in die Registrierung einfließen. Auf den Belegen ist in diesen Fällen keine Mehrwertsteuer ausgewiesen oder der Beleg ist sogar mit Test-Beleg o. Ä. überschrieben. In welcher Form nicht buchungswirksame Nutzungsoptionen bestehen, kann beim Hersteller der Registrierkasse erfragt werden. f) Kraftfahrzeuge 658 Soweit Kraftfahrzeuge zur Insolvenzmasse gehören, sind diese grundsätzlich ebenfalls vom Insolvenzverwalter zu verwerten. Zu ermitteln ist zunächst, ob sie überhaupt massezugehörig sind, wofür sich die nachfolgende Prüfungsreihenfolge in der Praxis bewährt hat. 659 Zunächst ist zu klären, ob das Fahrzeug im Eigentum des Schuldners steht. Das ist nicht immer so eindeutig, wie es im ersten Augenblick scheinen mag. Das Eigentum an einem Kraftfahrzeug ergibt sich nicht – wie landläufig oftmals gemeint – aus der Eintragung im „Kfz-Brief“. Der Kraftfahrzeugbrief (Zulassungsbescheinigung Teil II) dokumentiert als verwaltungsrechtliche Urkunde ohne öffentlichen Glauben lediglich, auf welche Person ein Kfz bei der Zulassungsstelle zugelassen ist.273) Ausschlaggebend für die eigentumsrechtliche Zuordnung sind die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse. Derjenige, der das Fahrzeug erworben hat, ist regelmäßig auch der Eigentümer. Ein belastbares Dokument, welches das Eigentum nachweisen kann, ist daher der Kaufvertrag/Schenkungsvertrag. Dieser ist beim Schuldner anzufordern. Liegt ein sol___________ 273) Vgl. KG, Beschl. v. 12.4.2007 – 12 U 51/07, openJur 2012, 5790.

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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

cher in verschriftlichter Form nicht vor, ist der Schuldner aufzufordern, die Eigentumsverhältnisse anderweitig zu belegen. Ist er dazu dokumentarisch nicht in der Lage, sind die Angaben des Schuldners als wahr zu unterstellen und bei begründeten Zweifeln vom Schuldner auch ein Eides statt zu versichern. Es empfiehlt sich, den Schuldner darauf hinzuweisen, dass er mit Falschangaben u. U. die begehrte Restschuldbefreiung gefährdet. Ein praktisch bedeutsamer Fall, in dem das Fahrzeug nicht im Eigentum des 660 Schuldners steht, ist das Fahrzeugleasing. Ist der Pkw geleast, besteht ein Aussonderungsrecht der Leasinggeberin gemäß § 47 InsO. Ein Leasingfahrzeug ist nicht massezugehörig und demnach auch nicht zu verwerten. Dennoch lohnt sich ein Blick in die Ausgestaltung des Leasingvertrags. Manche Leasingverträge sehen vor, dass der Schuldner an dem Fahrzeug mit Zahlung der letzten Rate oder durch eine zusätzliche Zahlung Eigentum erwirbt bzw. erwerben kann. In einem solchen Fall wird mit Übergang der Eigentumsrechte auf den Schuldner grundsätzlich Insolvenzbeschlag begründet (Ausnahme: Unpfändbarkeit o Rn. 662) mit der Folge, dass der Insolvenzverwalter den Pkw verwerten kann/ muss. Ob sich die Verwertung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten lohnt, insbesondere, wenn das Fahrzeug gegen Zahlung eines weiteren Betrags auszulösen ist, ist im Einzelfall zu prüfen. Insbesondere müssen hinreichend finanzielle Mittel über die Masse zur Verfügung gestellt werden können. Ist das Fahrzeug fremdfinanziert, sehen die Finanzierungsverträge regelmäßig 661 auch eine Sicherungsübereignung für den Fall der Nichteinhaltung der Ratenzahlung zugunsten der finanzierenden Bank vor. Die Besitzrechte am Pkw erhält der Schuldner. Das zugunsten des Kreditinstituts vereinbarte Sicherungseigentum begründet im Insolvenzverfahren ein Absonderungsrecht (§ 51 Nr. 1 InsO). Das Verwertungsrecht liegt in dem Fall beim Insolvenzverwalter (§ 166 Abs. 1 InsO), sofern der Insolvenzverwalter Besitz begründet hat. Mittelbarer Besitz ist ausreichend, sodass die Besitzrechte zugunsten des Verwalters dann anzunehmen sind, wenn der Schuldner das Fahrzeug in seinem Vollbesitz hat. Die Verwertung des Fahrzeugs als Absonderungsgut folgt insbesondere hinsichtlich der Erlösverteilung den §§ 170, 171 InsO (o Rn. 890 ff.). Steht das Fahrzeug im unbelasteten Eigentum des Schuldners, ist in einem 662 nächsten Schritt zu prüfen, ob das Fahrzeug ggf. unpfändbar ist. Unpfändbare Gegenstände gehören nicht zur Insolvenzmasse. Die Unpfändbarkeit eines Kraftfahrzeugs ergibt sich regelmäßig aus einer existenziellen Notwendigkeit heraus. Ist das Fahrzeug zwingend zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit erforder- 663 lich, unterliegt es dem Pfändungsschutz des § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Kann der Schuldner seinen Arbeitsplatz nicht in zumutbarer Weise durch Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, zu Fuß oder mit dem Rad erreichen, benötigt er das Fahrzeug, um seiner Erwerbstätigkeit weiter nachgehen zu können. Festzustellen ist die Entfernung zwischen der Wohnung des Schuldners und dessen Arbeitsstätte. Ist die Wegstrecke so kurz, dass dem Schuldner zuzu-

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

muten ist, diese zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückzulegen, ist das Fahrzeug nicht unpfändbar und damit massezugehörig. Letzteres ist anhand von Bus oder Bahnfahrplänen zu prüfen. Zu berücksichtigen sind auch wechselnde Einsatzorte, für die kein Dienstwagen zur Verfügung gestellt wird, sowie Wechsel- und Schichtdiensttätigkeit. 664 § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO dient dem Schutz des Familienunterhalts. Daher ist auch ein im Eigentum des Schuldners stehendes Fahrzeug unpfändbar, wenn ein anderes Familienmitglied (z. B. der Ehegatte) der Hauptverdiener der Familie ist und somit maßgeblich den Lebensunterhalt bestreitet. 665 Einen weiteren, im Insolvenzverfahren praxisrelevanten Fall der Unpfändbarkeit definiert § 811 Abs. 1 Nr. 12 ZPO. Danach ist ein Pkw unpfändbar, wenn er ein Hilfsmittel bei körperlichen Gebrechen darstellt. Bis zum Jahr 2011 war das Verständnis der Schutznorm, dass lediglich dann Unpfändbarkeit anzunehmen war, wenn das Fahrzeug unentbehrlich war. Die Rechtsprechungstendenzen haben sich seitdem geändert. Unpfändbarkeit des Pkw ist in erweiterter Auslegung des § 811 Abs. 1 Nr. 12 ZPO bereits dann anzunehmen, wenn der Pkw dem gehbehinderten Schuldner dazu dient, einen Nachteilsausgleich herzustellen. In Anlehnung des Gedankens zur sozialen Integration ist der Pfändungsschutz insoweit auszudehnen, als das Fahrzeug dazu dient, die Gehbehinderung des Schuldners zu kompensieren und die Eingliederung ins öffentliche Leben zu erleichtern.274) 666 Ist das Fahrzeug unpfändbar, gehört es nicht zur Insolvenzmasse. Für eine Freigabe des Fahrzeugs besteht mangels Massebeschlag kein Raum. 667 Erklärt der Insolvenzverwalter dennoch eine „Freigabe“, kann eine solche Erklärung im weiteren Verfahrensverlauf masseschädigende Auswirkungen haben und ggf. Haftungsansprüche gegen den Verwalter auslösen. Die Voraussetzungen der Unpfändbarkeit des Fahrzeugs könnten nach Eröffnung wegfallen, etwa dann, wenn der Schuldner seinen Arbeitsplatz verliert oder an eine Arbeitsstelle wechselt, die das Halten eines Fahrzeugs nicht mehr zwingend erforderlich macht. Mit Wegfall der Unpfändbarkeit fällt das Fahrzeug in die Insolvenzmasse und ist vom Verwalter zu verwerten. Wurde das Fahrzeug zuvor „freigegeben“, entfaltet die Freigabe ihre unwiderrufliche Folge der dauerhaften Aufgabe des Insolvenzbeschlags (o Rn. 481 ff.). Das Fahrzeug steht für die Verwertung nicht mehr zur Verfügung, da zuvor die völlig überflüssige „Freigabe“ eines unpfändbaren Gegenstands erklärt wurde. Vor einer solchen Erklärung kann daher nur gewarnt werden. 668 Steht im Eigentum des Insolvenzschuldners ein hochwertiges, unpfändbares Fahrzeug, kann er darauf verwiesen werden, sich ein geringerwertiges Fahrzeug zuzulegen. In dem Fall hat der Verwalter dem Schuldner im Rahmen der sog. Austauschpfändung ein anders Fahrzeug mit annähernd gleicher ___________ 274) BGH, Beschl. v. 16.6.2011 – VII ZB 12/09, ZInsO 2011, 1420.

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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

Haltbarkeit und Lebensdauer zur Verfügung zu stellen.275) Eine solche Austauschpfändung scheitert aber in den meisten Verfahren an den fehlenden finanziellen (Masse-)Mitteln, die zur Bereitstellung der „Ersatzfahrzeugs“ erforderlich sind. Ist der Pkw im Ergebnis massezugehörig, ist der Verwalter gehalten, zu prü- 669 fen, ob eine Verwertung des Fahrzeugs auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu einer Massemehrung führt. Ist die Verwertung unwirtschaftlich, d. h. nicht massemehrend oder gar masseschmälernd, obliegt dem Insolvenzverwalter, die Masse von (weiteren) Verbindlichkeiten freizuhalten durch Freigabe des Fahrzeugs aus dem Insolvenzbeschlag (o Rn. 481 ff.). Die Wirtschaftlichkeit der Verwertung ist durch Gegenüberstellung der zu 670 erwartenden Verwertungserlöse und der anfallenden Verwaltungs- und Verwertungskosten festzustellen. Beim Kfz kann der Liquidationswert gutachterlich durch ein Verwertungsbüro oder einen Kfz-Sachverständigen ermittelt werden. Auch möglich ist, über einschlägige Onlineportale unter Eingabe der Parameter (Marke, Modell, Erstzulassung, Kilometerlaufleistung, Abnutzungserscheinungen, Unfallschäden) einen ungefähren Marktpreis zu eruieren. Nimmt der Insolvenzverwalter die Bewertung selber vor, haftet er den Gläubigern auch für daraus evtl. resultierende Schäden (z. B. bei einer Veräußerung weit unter Wert). Übersteigt der Verwaltungs- und Verwertungsaufwand den zu erwartenden Verwertungserlös, ist eine Verwertung des Fahrzeugs wirtschaftlich nicht sinnvoll und eine Freigabe dringend zu empfehlen, um die Begründung weiterer Masseverbindlichkeiten zu vermeiden (vgl. zum Rechtsgedanken § 803 ZPO). Aus Gründen des Sachzusammenhangs sei an der Stelle ebenfalls die Kraft- 671 fahrzeugsteuer besprochen. Ist das Fahrzeug massezugehörig, ist die ab Insolvenzeröffnung anfallende Kfz-Steuer als Masseverbindlichkeit zu berücksichtigen (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die Kfz-Steuer ist eine Jahressteuer (§ 11 KfzStG). Auf den Stichtag der Eröffnung erfolgt eine Zäsur des laufenden Veranlagungszeitraums. Die bis zur Insolvenzeröffnung begründeten Steuerforderungen sind grundsätzlich zur Insolvenztabelle anzumelden, sofern keine Aufrechnungsmöglichkeit aus dem Zeitraum vor Insolvenzeröffnung besteht. Die ab dem Eröffnungsstichtag anfallenden Kfz-Steuern sind bei Massezugehörigkeit des Kraftfahrzeugs aus der Insolvenzmasse zu entrichten. Erstattungsansprüche aus dem Zeitraum vor oder während des eröffneten Verfahrens sind zur Masse zu ziehen. Ist das Fahrzeug nicht massezugehörig – z. B. bei Unpfändbarkeit –, ist die 672 Kfz-Steuer nicht als Masseverbindlichkeit zu berichtigen. Die Rechtsposition des Halters eines Kraftfahrzeugs ist kein Vermögen i. S. d. § 35 InsO. Vermögen einer Person sind deren Sachen und geldwerten Rechte und Güter. ___________ 275) BGH, Beschl. v. 16.6.2011 – VII ZB 114/09, InsbürO 2011, 348.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

Die Rechtsposition des Halters eines Kfz ist kein geldwertes Recht oder Gut.276) g) Steuererstattungsansprüche 673 Steuererstattungsansprüche sind pfändbare Ansprüche und demnach – unabhängig von der Steuerart – Bestandteile der Insolvenzmasse (§§ 35, 36 InsO, § 46 AO), wenn der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor oder während des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist.277) Bei Insolvenzverfahren natürlicher Personen liegt der Schwerpunkt der steuerlichen Betrachtung im Bereich der Einkommensteuer. 674 Der Veranlagungszeitraum für Einkommensteuer ist das Kalenderjahr (§ 20 EStG). Bei Eheleuten wird die Einkommensteuer einzeln oder zusammen veranlagt. Insoweit besteht ein Wahlrecht der Ehegatten (§§ 26a, 26b EStG). Nach Insolvenzeröffnung obliegt die Ausübung dieses Wahlrechts dem Insolvenzverwalter.278) Die Zustimmung des anderen Ehegatten zur Zusammenveranlagung kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass durch den in nicht in Insolvenz befindlichen Ehegatten die Nachteile, welche zulasten Insolvenzmasse aus der Zusammenveranlagung entstehen, ausgeglichen werden.279) Bei einer Zusammenveranlagung der Eheleute haften diese als Gesamtschuldner jeweils für die gesamte Steuerschuld (§ 40 AO). Es besteht die Möglichkeit der Aufteilung der Steuerschuld auf Antrag (§§ 268 ff. AO). Der Aufteilungsmaßstab richtet sich nach dem Verhältnis der Beträge, die sich bei Zusammenveranlagung nach Maßgabe des § 26 EStG ergeben. Der gleiche Aufteilungsmaßstab ist auch auf Steuererstattungsansprüche anzuwenden. Die Ausübung des Antragsrechts zur Aufteilung der Steuerschuld obliegt nach Insolvenzeröffnung dem Insolvenzverwalter. 675 Das Recht der Steuerklassenwahl indes verbleibt am Schuldner.280) Allerdings darf der Insolvenzschuldner ohne sachlichen Grund nicht in eine ungünstigere Steuerklasse wechseln, da dies ein Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit darstellt, da die Steuerklassenwahl die Höhe auch des pfändbaren Einkommens beeinflusst.281) Zumutbar ist in jedem Fall ein Wechsel in die Steuerklasse IV, um das liquide Einkommen zu erhöhen. 676 Erstattungsansprüche aus dem Einkommensteuerschuldverhältnis sind immer dann zur Insolvenzmasse einzufordern, wenn sie entweder für einen vor Insolvenzeröffnung oder im eröffneten Verfahren liegenden Zeitraum fest___________ 276) 277) 278) 279) 280)

BFH, Urt. v. 8.7.2011 – II R 49/09, ZInsO 2011 1502. BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – IX ZB 239/04, ZInsO 2006, 139. BGH, Urt. v. 14.5.2007 – IX ZR 8/06, ZInsO 2007, 656. BGH, Urt. v. 18.5.2011 – XII ZR 67/09, ZInsO 2011, 1460. BFH, Urt. v. 27.7.2011 – VI R 9/11, ZIP 2011, 2118; BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 65/07, NZI 2008, 624. 281) BGH, Beschl. v. 5.3.2009 – IX ZB 2/07, NZI 2009, 326.

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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

gesetzt wurden. Die ab Aufhebung des Verfahrens festgesetzten Ansprüche stehen dem Insolvenzschuldner zu; dies gilt auch für eine Veranlagung für den Zeitraum der Wohlverhaltensperiode, da die Abtretung gemäß § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht die Steuererstattungsansprüche erfasst.282) Erfolgt die Aufhebung des Insolvenzverfahrens während eines laufenden Veranlagungszeitraums (Kalenderjahr), sind die Steuererstattungsansprüche anteilig aufzuteilen. Beispiel:

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Am 1.7.2011 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 30.10.2012 wurde das Verfahren aufgehoben und in die Wohlverhaltensphase übergeleitet. Am 15.7.2013 wurde für das vorangegangene Veranlagungsjahr (2012) ein Steuererstattungsanspruch über 1200 € festgesetzt. Der Anspruch steht in Höhe von 10/12 (1000 €) der Insolvenzmasse, in Höhe von 2/12 (200 €) dem Schuldner zu. h) Bausparguthaben, Lebensversicherungen und sonstige Finanzanlagen Bausparguthaben, Auszahlungsansprüche aus Lebensversicherungen oder 678 sonstigen Finanzanlagen sind als Geldforderung nach §§ 829, 835 ZPO pfändbar und damit massebeschlagen (§§ 35, 36 InsO). Um die Auskehr des Bausparguthabens, des Rückkaufswertes bzw. des Spar- 679 guthabens zur Insolvenzmasse zu realisieren, muss der Insolvenzverwalter in Ausübung seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis die Kündigung des Vertrags erklären. Ist der Bausparvertrag als prämienbegünstigter Sparvertrag abgeschlossen 680 worden (Wohnungsbauprämie), kann der Insolvenzverwalter die Auszahlung des Guthabens auch dann verlangen, wenn dies prämienschädlich ist, soweit nicht die vorzeitige Auszahlung ausdrücklich vertraglich ausgeschlossen wurde (§ 8 Abs. 1 WoPG i. V. m. § 46 AO). Die Wohnungsbauprämie wird vom Finanzamt an die Bausparkasse gezahlt. Vorsorglich sollte diese bei Einzug des Bausparguthabens ausdrücklich mit zur Auszahlung erbeten werden. Der Anspruch auf Auszahlung des angesparten Bausparguthabens ist pfänd- 681 bar und damit massebeschlagen; dies gilt nicht für den Anspruch auf Auszahlung des Bauspardarlehens. Dieser ist nicht pfändbar, da das Darlehen als sog. Baugeld der Zweckbindung zur Verwendung von Baumaßnahmen unterliegt und der Anspruch nicht übertragbar ist (§ 851 ZPO i. V. m. § 399 BGB). Oftmals werden Bausparverträge von mehreren Personen (z. B. Eheleuten) 682 abgeschlossen. Das Bausparkonto wird i. d. R. für die Berechtigten als Oder-

___________ 282) BGH, Urt. v. 21.7.2005 – IX ZR 115/04, ZVI 2005, 437 sowie im Anschluss BFH, Urt. v. 21.11.2006 – VII R 1/06, ZIP 2007, 347.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

Konto geführt, die eine Gesamtgläubigerstellung mit Einzelverfügungsbefugnis innehaben.283) Diese Einzelverfügungsbefugnis bedeutet, dass einer der Berechtigten die Auszahlung des gesamten Guthabens verlangen kann und die Bausparkasse berechtigt ist, mit befreiender Wirkung auch gegenüber dem anderen Ehegatten an den einen zu leisten. Der Insolvenzverwalter kann daher grundsätzlich die Verfügungsbefugnis über das gesamte Bausparguthaben ausüben und diese zur Auskehr an die Insolvenzmasse verlangen.284) Zwar hat jeder der Berechtigten einen Auszahlungsanspruch in Höhe des gesamten Guthabens, die Kündigung des Vertrags können jedoch nur alle Berechtigten gemeinsam erklären. Durch die Insolvenz über das Vermögen eines der Berechtigten wird der Vertrag mit der Bausparkasse nicht beendet. Angesichts des nur gemeinsam ausübbaren Kündigungsrechts ist der einzelne nicht unbeschränkt verfügungsbefugt. Dies führt dazu, dass der Insolvenzmasse wirtschaftlich nur der Wert der dem Schuldner zustehenden Beteiligung zukommt.285) Nach einer durch alle Berechtigten ausgesprochenen Kündigung wird das Guthaben entsprechend der anteilsmäßigen Berechtigung aufgeteilt. Sofern der Anspruch des Schuldners mit Absonderungsrechten (z. B. aus Sicherungsabtretung) belastet ist, erfolgt die Erlösauskehr unter Berücksichtigung der §§ 170, 171 InsO nur bezogen auf den dem Schuldner anteilsmäßig zustehenden Wert. 683 Sparguthaben des Schuldners unterliegen dem Insolvenzbeschlag und sind zur Masse einzubehalten. Sofern mehrere Berechtigte ein Sparkonto als OderKonto führen, gilt das unter o Rn. 682 Ausgeführte. Der Masse steht wirtschaftlich die anteilige Sparsumme zu. Ist der Schuldner Alleinberechtigter, ist die Sparsumme in voller Höhe zur Masse zu ziehen. Auch unterliegt Guthaben, welches der Schuldner nach Eröffnung aus unpfändbarem Vermögen anspart, dem Insolvenzbeschlag (sog. Neuerwerb).286) 684 Die Auszahlungsansprüche aus einer Kapitallebensversicherung unterliegen ebenfalls der Pfändung und damit dem Insolvenzbeschlag. Der Rückkaufswert einer kapitalbildenden Lebensversicherung ist an den Insolvenzverwalter, der zur Kündigung berechtigt ist, auszukehren, wenn der Schuldner als Versicherungsnehmer zugleich versicherte Person ist (§ 169 VVG). 685 Zu beachten ist die Pfändungsschutzvorschrift für Altersvorsorgevermögen des § 851c ZPO. 686 Zur Feststellung der Massezugehörigkeit ist bei Lebensversicherungen zunächst zwischen einmaligen Auszahlungen der gesamten Versicherungssumme und der Auszahlung als Rente in monatlichen Raten zu unterscheiden. Monatliche Rentenleistungen können unter Beachtung der §§ 850 ff. ZPO in ___________ 283) 284) 285) 286)

164

BGH, Urt. v. 31.3.2009 – XI ZR 288/08, ZIP 2009, 904. OLG Hamburg, Urt. v. 19.10.2007 – 1 U 136/06, ZIP 2008, 88. BGH, Urt. v. 8.7.1985 –II ZR 16/85, ZIP 1985, 1047. BGH, Beschl. v. 26.9.2013 – IX ZB 247/11, ZIP 2013, 2112.

VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

Höhe des pfändbaren Teils zur Insolvenzmasse einbehalten werden, wenn nicht die Voraussetzungen zur Unpfändbarkeit der Leistungen nach § 851c ZPO vorliegen. Pfändungsschutz wird auf solches Vorsorgekapital beschränkt, das von dem Berechtigten unwiderruflich seiner Altersvorsorge gewidmet ist.287) § 851c ZPO bietet insbesondere Selbstständigen die Möglichkeit, eine Vorsorge für das Alter zu treffen. Der Vorsorgevertrag muss gemäß § 851c Abs. 1 ZPO kumulativ folgende 687 Voraussetzungen erfüllen: x

Leistungsgewährung in regelmäßigen Zeitabständen lebenslang und nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder nur bei Eintritt der Berufsunfähigkeit (§ 851c Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

x

Kein Einsatz des Kapitals und der laufenden Rente als Kreditsicherungsmittel (z. B. durch Verpfändung oder Abtretung) und Ausschluss der Möglichkeit der vorzeitigen Vertragskündigung. Ist die Lebensversicherung also vorzeitig kündbar, greift der Pfändungsschutz des § 851c ZPO nicht (§ 851c Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

x

Bezugsberechtigung nur des Schuldners oder dessen Hinterbliebenen (§ 851c Abs. 1 Nr. 3 ZPO).

x

Die Zahlung einer Kapitalleistung, ausgenommen eine Zahlung für den Todesfall, darf nicht vereinbart sein (§ 851c Abs. 1 Nr. 4 ZPO).

Kapitalbildende, vorzeitig kündbare Lebensversicherungen sind demnach nicht 688 über § 851c ZPO geschützt. Bei Gewährung eines Kapitalwahlrechts zur Altersrente entfällt der Pfändungsschutz auch hinsichtlich einer vor der Altersrente gewährten und mit dieser zusammen der Existenzsicherung dienenden Berufsunfähigkeitsrente.288) Sofern ein unwiderrufliches Bezugsrecht zugunsten eines Dritten eingeräumt 689 wurde, erwirbt der Bezugsberechtigte die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag grundsätzlich sofort mit der Folge, dass kein Massebeschlag begründet wird.289) Im Falle der Insolvenz ist der Bezugsberechtigte aussonderungsberechtigt (§ 47 InsO). Wandelt der Schuldner ein ursprüngliches widerrufliches Bezugsrecht nach 690 Eintritt der Krise in ein unwiderrufliches Bezugsrecht um, kann eine Anfechtung nicht gegenüber der Versicherungsgesellschaft erklärt werden, da diese nicht der richtige Anfechtungsgegner ist. Auch der Schuldner sei in dieser Konstellation nicht geeigneter Anfechtungsgegner, so der BGH.290) Der Rückkaufswert kann nur zur Insolvenzmasse realisiert werden, wenn der Pfän___________ 287) 288) 289) 290)

BGH, Beschl. v. 27.8.2009 – VII ZB 89/08, openJur 2011, 1673. BGH, Urt. v. 15.7.2010 – IX ZR 132/09, ZIP 2010, 1656. Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 18.6.2003 – IV ZR 59/02, NJW 2003, 2679. BGH, Urteil v. 13.10.2011 – IX ZR 80/11, NZI 2011, 937.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

dungsschutz des § 851c ZPO nicht greift, nicht jedoch über die insolvenzrechtliche Anfechtung. 691 Bei kapitalorientierten Verträgen ist die Regelung des § 851c Abs. 2 ZPO zu beachten. Danach wird der Pfändungsschutz der privaten Altersversorgung, die den Anforderungen des § 851c ZPO entspricht, zusätzlich nach Lebensalter gestaffelt, jährlich in Höhe eines bestimmten Betrags auf das angesparte Kapital ausgedehnt. Dem Selbstständigen würde es wenig nützen, wenn zwar seine Rente nur in einem gewissen Umfang pfändbar ist, es aber nie so weit kommt, weil schon vorher die Versicherung eingezogen wird. Der angesparte Betrag ist nur in dem Umfang geschützt, in dem er für eine später zu leistende Rente in der Höhe, die dem pfändungsfreien Betrag entspricht, notwendig ist. Vor der Pfändung geschützt ist ausschließlich der jeweilige Sockelbetrag des § 851c Abs. 2 ZPO. Übersteigt der Rückkaufswert den Sockelbetrag, sind lediglich 30 % des übersteigenden Betrages vor dem Zugriff des Verwalters geschützt, allerdings nur bis zum dreifachen des Sockelbetrages. Der über den dreifachen Sockelbetrag hinausgehende Teil kann in vollem Umfang zur Insolvenzmasse realisiert werden. 692 Sind die Ansprüche aus der Versicherung abgetreten, wird die Abtretung nur wirksam, wenn diese gegenüber dem Versicherer schriftlich angezeigt wurde. Ist die Abtretung wirksam, ist ein Absonderungsrecht zugunsten des Zessionars zu berücksichtigen. Zuvor sollte jedoch geprüft werden, ob die Zession der Insolvenzanfechtung unterliegt (§§ 129 ff. InsO). 693 Handelt es sich um einen massebeschlagenen Vermögenswert, kann der Schuldner ein Interesse daran haben, seine Altersvorsorge dennoch zu sichern. In einem solchen Fall besteht die Möglichkeit der Freigabe des Anspruchs aus dem Insolvenzbeschlag gegen Zahlung des Gegenwertes zur Masse (sog. modifizierte oder erkaufte Freigabe).291) Die Freigabeerklärung ist gegenüber dem Insolvenzschuldner abzugeben und wird als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung mit Zugang beim Schuldner wirksam, § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie sollte jedoch erst nach Eingang der Gegenleistung erklärt werden, denn sie entfaltet – wie auch die echte Freigabe (ohne Gegenleistung) – konstitutive Wirkung. Zu beachten ist, dass die Surrogate freigegebener Vermögenswerte insolvenzfreies Vermögen darstellen. 694 Der freigegebene Vermögenswert unterliegt nunmehr wieder der freien Verwaltungs- und Verfügungsberechtigung des Schuldners. Der Inhaber des Auszahlungsanspruchs gegen den Vertragspartner (Versicherungsgesellschaft, Kreditinstitut, Bausparkasse etc.) ist nach wie vor der Schuldner. Die Eröffnung bewirkt lediglich einen Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO). Die Forderungsinhaberschaft zugunsten des Schuldners indes besteht unverändert fort. Auch ist ein neuer Vertragsschluss mit der Freigabe nicht verbunden. Anders läge ___________ 291) Grundlegend BGH, Urt. v. 21.5.2005 – IX ZR 281/03, ZInsO 2005, 594; vgl. auch BGH, Beschl. v. 12.2.2009 – IX ZB 112/06, ZInsO 2009, 830.

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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

der Fall, würde der Schuldner nach Eröffnung einen neuen Vertrag abschließen und diesen aus unpfändbaren Leistungen bedienen; der hieraus resultierende Auszahlungsanspruch unterläge als Neuerwerb vollumfänglich dem Insolvenzbeschlag, da eine negative Surrogation nicht stattfindet. Ein nach wie vor beliebtes Modell der Vermögensbildung sind die vermögens- 695 wirksamen Leistungen. Als Bestandteil des Lohn/Gehalts des Schuldners sind die vermögenswirksamen Leistungen im Insolvenzverfahren zunächst bei der Ermittlung der pfändbaren Einkommensanteile von Bedeutung. Die vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers sind gemäß § 2 Abs. 7 Satz 2 VermBG nicht übertragbar und demnach auch nicht pfändbar (§ 851 ZPO). Sie sind bei der Ermittlung des der Berechnung des pfändbaren Anteils zugrunde zu legenden Einkommens in Abzug zu bringen (§ 850e Ziff. 1 ZPO). Der aus dem Arbeitnehmereinkommen vom (unveränderten Grund)Gehalt 696 aufgebrachten Sparanteil (vgl. § 11 VermBG) ist ebenfalls ein Teil des Lohns/ Gehalts und unterfällt demnach der Bestimmung des § 2 Abs. 7 Satz 2 VermBG. Folglich besteht auch hier Unpfändbarkeit. Die Vermögensanlage indes, die durch Ansparung der vermögenswirksamen 697 Leistungen gebildet wird (z. B. Bausparvertrag, Altersvorsorge), unterliegt den allgemeinen Bestimmungen zur Pfändbarkeit und ist demnach, soweit nicht Unpfändbarkeitstatbestände verfangen, zur Masse zu ziehen. Ist der Schuldner an der Aufrechterhaltung des vermögensbildenden Vertrags 698 interessiert, kann dieser grundsätzlich gegen Zahlung des angesparten Gegenwertes zur Insolvenzmasse vom Insolvenzverwalter freigegeben werden (modifizierte Freigabe). Doch Vorsicht: Nach einer Freigabe bedeutet die Weiterführung des Sparvertrags eine Schmälerung der Insolvenzmasse. Wie aufgezeigt, sind die vermögenswirksamen Leistungen bei der Berechnung des pfändbaren Lohns/Gehalts zu berücksichtigen mit der Folge, dass ein geringerer pfändbarer Einkommensanteil im Rahmen von § 287 Abs. 2 InsO an die Masse abgeführt wird. Die Fortführung des Sparvertrags führt daher in diesem Fall mittelbar zu einem Gläubigernachteil. Dies widerspricht grundsätzlich den gesetzgeberischen Zielen des Insolvenz- 699 verfahrens, das gemäß § 1 InsO auf die bestmögliche Verwertung des schuldnerischen Vermögens gerichtet ist; hierzu ist der Insolvenzverwalter verpflichtet.292) Unter Geltung von § 314 InsO a. F. sah Absatz 2 dieser Vorschrift im ver- 700 einfachten Verfahren als Ausfluss des Parteiverfahrens die Anhörung der Insolvenzgläubiger vor der vereinfachten Verteilung vor. Nach ersatzloser Streichung der Norm besteht nur noch die Möglichkeit der modifizierten Freigabe. Auch bei der modifizierten Freigabe sollte mit dem Ziel der Interessenwahrung aller Beteiligten eine Anhörung der Gläubiger erfolgen, um ___________ 292) Vgl. LG Duisburg, Beschl. v. 24.6.2010 – 7 T 109/10, InsbürO 2010, 446.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

diesen Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. Bestehen von Gläubigerseite keine Einwände gegen die modifizierte Freigabe mit der Konsequenz, dass der Schuldner dieses auch weiterhin aus den vermögenswirksamen Leistungen bedienen kann, spricht nichts gegen eine solche Vorgehensweise, da die Gläubiger sich konform erklärt haben. Alternativ könnte vom Schuldner gefordert werden, dass er die Nachteile, die durch die Reduzierung des pfändbaren Einkommensanteils entstehen, durch monatliche Zahlungen zur Masse ausgleicht. i) Mietforderungen 701 Ist eine im Eigentum des Schuldners stehende Immobilie vermietet, stehen die zum Zeitpunkt der Eröffnung ggf. noch offenen sowie die nach Insolvenzeröffnung fällig werdenden Mietforderungen als pfändbare Geldforderungen der Insolvenzmasse zu (§§ 35, 36 Abs. 1 InsO, §§ 829, 835 ZPO). 702 Ein nach § 49 InsO absonderungsberechtigter Grundpfandrechtsgläubiger kann nur durch einen Antrag auf Anordnung der Zwangsverwaltung eine bevorzugte Befriedigung aus den Mietansprüchen sicherstellen (§§ 146, 20 ZVG, §§ 1123, 1124 BGB).293) Erst die Anordnung der Zwangsverwaltung durchbricht den Insolvenzbeschlag. Bis zur Beschlagnahme im Zwangsverwaltungsverfahren besteht das Einzugsrechts des Insolvenzverwalters fort.294) 703 Soweit Mietforderungen abgetreten oder gepfändet sind, ist diese Verfügung nur wirksam, soweit sie sich auf die Miete für den zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonat bezieht bzw. auch für den folgenden Kalendermonat, wenn die Eröffnung nach dem fünfzehnten Tag des Monats erfolgt ist (§ 110 Abs. 1, Abs. 2 InsO).295) In der Folgezeit steht der Entstehung des Pfandrechts oder Pfändungspfandrechts § 91 InsO entgegen. 704 Nach Freigabe des Grundstücks fällt die Verpflichtung zur Unterhaltung des Grundstücks und Lastentragung ex nunc wieder dem Schuldner zu. Mit § 851b ZPO hat er die Möglichkeit, hinsichtlich der Forderungen aus dem Mietverhältnis besonderen Pfändungsschutz zu erlangen. § 851b ZPO gilt jedoch nicht im Insolvenzverfahren (vgl. § 36 Abs. 1 InsO). j) Mietkautionsguthaben 705 In der Insolvenz des Mieters kann auch ein Mietkautionsguthaben unter bestimmten Voraussetzungen zur Insolvenzmasse vereinnahmt werden. Der ___________ 293) Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZInsO 2006, 1321; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZInsO 2006, 872; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, ZInsO 2010, 43. 294) Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZInsO 2006, 1321; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZInsO 2006, 872; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, ZInsO 2010, 43. 295) Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZInsO 2006, 1321; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZInsO 2006, 872; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, ZInsO 2010, 43.

168

VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

Vermieter hat eine ihm als Sicherheit überlassene Geldsumme bei einem Kreditinstitut zu dem für Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist üblichen Zinssatz anzulegen (§ 551 Abs. 3 BGB). Die Vorschrift ist abdingbar, d. h. die Parteien des Mietvertrags können abweichende Vereinbarungen treffen. Nicht abdingbar ist jedoch, dass die Anlage der Mietkaution getrennt vom Vermögen des Mieters erfolgen muss. Zudem müssen die Erträge (Zinsen) dem Mieter zukommen. Der Anspruch gegen den Vermieter auf Rückgewähr der Mietkaution ist pfänd- 706 bar.296) Dies gilt allerdings erst ab Beendigung des Mietverhältnisses, da bis dahin Zweckgebundenheit vorliegt. Bevorrechtigt zu beachten ist auch das Recht des Vermieters, die Aufrechnung mit eventuellen aus dem Mietverhältnis resultierenden Forderungen zu erklären, auch wenn diese erst nach Eröffnung zur Zahlung fällig werden. Die Aufrechnungsmöglichkeit bestand bereits z. Zt. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens; die Aufrechnungslage ist daher über § 94 InsO geschützt. Soweit der Schuldner die Gelder aus der Mietkaution zur Anmietung einer neu- 707 en Wohnung benötigt, ist der Rückzahlungsanspruch ebenfalls nicht pfändbar, da dies eine unbillige Härte darstellen würde.297) In dem Fall wird der Schuldner einen Antrag auf Pfändungsschutz in Höhe der neu zu hinterlegenden Mietkaution stellen müssen (§ 765a ZPO). Bei Begründetheit des Antrags sind evtl. darüber hinausgehende Ansprüche aus dem „alten“ Mietverhältnis pfändbar und damit zur Masse zu vereinnahmen. Beispiel:

708

Mietkautionsguthaben Mietverhältnis „alt“

850 €

Zu hinterlegende Mietkaution Mietverhältnis „neu“

790 €

Dem Antrag des Schuldners § 765a ZPO wird stattgegeben

790 €

Massezufluss

60 €

k) Genossenschaftsanteil Ist der Schuldner Mitglied einer Genossenschaft, können zur Insolvenzmasse 709 grundsätzlich folgende Ansprüche realisiert werden: x

Genossenschaftsguthaben (Auseinandersetzungsanspruch)

Nach Insolvenzeröffnung ist der Insolvenzverwalter berechtigt, anstelle des 710 Schuldners die Mitgliedschaft zu kündigen (§ 66 Abs. 1 GenG). Die Kündigung muss gegenüber der Genossenschaft schriftlich erklärt werden (§ 66 Abs. 1, § 65 Abs. 2 Satz 2 GenG). Sie entfaltetet, ist sie spätestens drei ___________ 296) Vgl. FG Nürnberg, Urt. v. 11.10.2007 – 3 V 1280/07, JurionRS 2008, 229016. 297) Vgl. FG Nürnberg, Urt. v. 11.10.2007 – 3 V 1280/07, JurionRS 2008, 229016.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

Monate vor Ende des Geschäftsjahres zugegangen, zum Schluss des darauffolgenden Geschäftsjahrs (§ 65 GenG) ihre Wirkungen. Erst danach gelangt das Genossenschaftsguthaben zur Auszahlung. x

Anspruch auf Gewinnbeteiligung

711 Der Gewinn ergibt sich aus dem Überschuss der Aktiv- und Passivposten (Dividende). x

Anteil auf Beteiligung am Reservefonds

712 Ein Blick in die Satzung verrät, ob dem Schuldner im Fall des Ausscheidens ein Anteil auf Auszahlung einer Ergebnisrücklage zusteht. Diese unterliegt der Pfändung und ist damit zur Masse zu realisieren. 713 Regelmäßig Probleme bereiten in der Praxis die Fälle, in denen der Schuldner Mitglied einer Wohnungsgenossenschaft und diese Mitgliedschaft Voraussetzung für die Nutzung des Wohnraums ist. 714 Rechtslage vor dem 19.7.2013: In der Mieterinsolvenz kann der Insolvenzverwalter die Mitgliedschaft des Mieters in einer Wohnungsgenossenschaft kündigen.298) Aus den Satzungen der Genossenschaften ergibt sich für den Fall des Ausscheidens des Mieters aus der Genossenschaft ein Kündigungsrecht der Genossenschaft hinsichtlich des Nutzungsverhältnisses. Der Schuldner verliert daher durch die Kündigung des Genossenschaftsanteils seinen Wohnraum. Unter Geltung des § 314 InsO a. F. bestand die Möglichkeit, dass der Schuldner den Gegenwert der Genossenschaftsanteile zur Insolvenzmasse leistet und dadurch den Erhalt seines Wohnraums sicherstellt. Rechtslage seit dem 19.7.2013: 715 Gemäß § 67c GenG kann die Mitgliedschaft im Insolvenzfall nicht gekündigt werden, wenn x

die Mitgliedschaft Voraussetzung für die Nutzung der Wohnung des Mitglieds ist und

x

das Geschäftsguthaben höchstens das Vierfache der Nettokaltmiete oder höchstens 2.000 € beträgt.

716 Die Kündigung durch den Insolvenzverwalter ist ferner ausgeschlossen, wenn durch Kündigung einzelner Geschäftsanteile eine Minderung auf das unverwertbare Geschäftsguthaben herbeigeführt werden kann. 717 Beträgt das Geschäftsguthaben mehr als 2.000 € bzw. das Vierfache der Nettokaltmiete und ist die Kündigung einzelner Geschäftsanteile nicht möglich, ___________ 298) BGH, Urt. v. 19.3.2009 – IX ZR 58/08, ZIP 2009, 875.

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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

bleibt es bei dem Problem nach „altem Recht“: Die Kündigung der Mitgliedschaft in Gänze und der Verlust der Wohnung. Rechtslage seit dem 1.7.2014: Für Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 gilt § 314 InsO a. F. (ver- 718 einfachte Verteilung) infolge der Streichung nicht mehr. Diese vermeintliche Problemlage kann jedoch über die sog. „modifizierte Freigabe“ (o Rn. 698) gelöst werden. Zahlt der Schuldner den Gegenwert der Ergebnisrücklage zur Masse, wird dieser Anspruch unter Verzicht der Ausübung des Kündigungsrechts durch den Insolvenzverwalter freigegeben, sodass der Schuldner seinen Wohnraum behalten kann. Problemkreis: „Altfälle“ Bei Insolvenzverfahren, die vor dem 19.7.2013 eröffnet wurden, kann es zu 719 folgenden Problemen kommen: x

Mitgliedschaft wurde nicht gekündigt und Beschluss gemäß § 314 InsO 720 liegt vor.

Der Beschluss bleibt wirksam und der Schuldner muss evtl. Ratenzahlung fortsetzen, sofern der Gegenwert nicht durch eine Einmalzahlung zur Masse geflossen ist. x

Mitgliedschaft wurde nicht gekündigt und Beschluss gemäß § 314 InsO 721 liegt nicht vor.

Der Schuldner leistet Ratenzahlungen aufgrund der Vereinbarung zur modifizierten Freigabe. Muss der Schuldner die Ratenzahlung fortsetzen? Die „modifizierte Freigabeerklärung“ stellt die Freigabewirkung unter die aufschiebende Bedingung, dass der Schuldner den Gegenwert vollständig zur Masse leistet. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht der Insolvenzmassebeschlag fort. Stellt der Schuldner die Zahlungen ein, kann der Insolvenzverwalter die Kündigung erklären, sofern nicht Unkündbarkeit gemäß § 67c GenG vorliegt. Die Verschärfung der Kündigungsvoraussetzungen in § 67c GenG gilt auch für Kündigungen, die nach dem 19.7.2013 in den am 19.7.2013 laufenden Insolvenzverfahren und in seit dem 19.7.2013 beantragten Verfahren ausgesprochen werden. Lediglich ausgeschlossen ist die Anwendung von § 67c GenG auf die vor Gesetzesänderung ausgesprochene Kündigung eines Anteils an einer Wohnungsgenossenschaft.299) Liegen die Voraussetzungen des § 67c GenG vor, kann der Insolvenzverwal- 722 ter zwar keine Kündigung aussprechen. Jedoch berührt dies die modifizierte Freigabe jedenfalls dann in ihrer Wirksamkeit nicht, wenn diese als Verwertungsvereinbarung zwischen Schuldner und Insolvenzverwalter ausgestaltet wurde, da eine Regelung außerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten getroffen werden sollte und die Änderung der Gesetzeslage die Geschäftsgrundlage nicht berührt. Es bleibt demnach bei der Ratenzahlungsverpflichtung. ___________ 299) BGH, Urt. v. 18.9.2014 – IX ZR 276/13, ZIP 2014, 2142.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

l) Laufende Einkünfte 723 Im eröffneten Verfahren umfasst der Insolvenzbeschlag das gesamte Vermögen des Schuldners und damit auch den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens bzw. Entgeltersatzleistungen (§§ 35, 36 Abs. 1 InsO i. V. m. §§ 850 ff. ZPO). Der Insolvenzverwalter zieht das pfändbare Einkommen des Schuldners zur Masse, indem er den Arbeitgeber/Leistungsträger unter Übersendung des Eröffnungsbeschlusses zur Überweisung auffordert. Die Abtretung nach § 287 Abs. 2 InsO entfaltet ihre Wirksamkeit erst in der Wohlverhaltensperiode.300) Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Beginn der Abtretungsfrist bereits auf den Eröffnungsstichtag fällt (vgl. § 287 InsO). 724 Zum Aufgabenkreis des Insolvenzverwalters gehört im Rahmen des § 148 InsO auch die Kontrolle der vom Arbeitgeber/Leistungsträger vorgenommenen Pfändungsberechnung und ggf. die klageweise Durchsetzung der pfändbaren Einkommensansprüche gegen den Drittschuldner.301) Auch in der Wohlverhaltensperiode sind zumindest stichprobenartige Prüfungen vorzunehmen, auch wenn ein Überwachungsauftrag nicht erteilt wurde.302) Nach der h. M. ist der Treuhänder auch in der Wohlverhaltensperiode aktivlegitimiert, die Beträge einzuklagen.303) 725 Der Insolvenzverwalter darf keine unpfändbaren Beträge einziehen.304) 726 Der Insolvenzverwalter wird häufig mit dem Anliegen des Schuldners konfrontiert, die Lohnabtretung nicht gegenüber dem Arbeitgeber offenzulegen, da der Schuldner den Verlust des Arbeitsplatzes befürchtet. Sieht der Insolvenzverwalter von der Offenlegung der Abtretung bzw. des Eröffnungsbeschlusses ab und überlässt dem Schuldner die Abführung der pfändbaren Beträge, ist er für die Kontrolle der korrekten Abführung verantwortlich und haftet der Masse für eventuelle Fehlbeträge.305) 727 Soweit der Insolvenzschuldner die Erweiterung des Pfändungsschutzes (z. B. § 850c Abs. 4, § 850e ZPO) begehrt, gelten die Beschlüsse grundsätzlich für jeden Verfahrensabschnitt besonders, demnach zunächst nur für das eröffnete Verfahren, es sei denn, die Fortdauer auch in der Wohlverhaltensperiode ist ausdrücklich angeordnet.306) ___________ 300) BGH, Beschl. v. 3.11.2011 – IX ZR 45/11, ZInsO 2102, 20; FK-InsO/Ahrens, § 287 Rn. 128. 301) BGH, Beschl. v. 3.11.2011 – IX ZR 45/11, ZInsO 2012, 30. 302) LG Hannover, Urt. v. 27.6.2011 – 20 O 328/10, NZI 2011, 942; FK-InsO/Grote, § 292 Rn. 7a; HK-InsO/Streck, § 292 Rn. 2 m. w. N. 303) FK-InsO/Grote, § 292 Rn. 7, HK-InsO/Landfermann, § 292 Rn. 3; MünchKommInsO/Ehricke, § 292 Rn. 19. 304) BGH, Urt. v. 10.7.2008 – IX ZR 118/07, ZInsO 2008, 971. 305) BGH, Beschl. v. 7.4.2011 – IX ZB 40/10, ZInsO 2011, 929. 306) Riedel, InsbürO 2012, 168.

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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

Wurde das Einkommen des Schuldners vor Eröffnung einzelner Insolvenz- 728 gläubiger gepfändet und zur Einziehung überwiesen, gilt ab Eröffnung das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO. Bestehende Pfändungen werden nach der Eröffnung relativ unwirksam, d. h. die Verstrickung bleibt bestehen und sie behalten ihren Rang, dürfen aber nicht mehr bedient werden.307) Bei einem Scheitern des Verfahrens leben die alten Pfändungen wieder auf. Die Zahlungen, die auf Vollstreckungsmaßnahmen, die innerhalb der letzten drei Monate vor Antragstellung bis zur Eröffnung ausgebracht wurden, geleistet wurden, unterliegen als inkongruente Deckung der Anfechtung (§ 131 InsO).308) Wegen nach Eröffnung entstehender, laufender Unterhalts- oder Delikts- 729 forderungen kann in den Differenzbereich zwischen § 850d ZPO und § 850c ZPO vollstreckt werden (Privileg auch im Insolvenzverfahren, § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO).309) Der Arbeitgeber/Leistungsträger hat demnach insgesamt drei Auszahlungen vorzunehmen: x

Unpfändbarer Einkommensanteil an den Schuldner,

x

pfändbarer Einkommensanteil an die Insolvenzmasse,

x

pfändbarer Differenzbetrag an den privilegierten Gläubiger (wegen laufender Forderungen).

Forderungsrückstände aus dem Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung hin- 730 gegen sind zur Insolvenztabelle anzumelden; eine Vollstreckung in den Vorrechtsbereich des § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO ist insoweit ausgeschlossen.310) Die Berechnungsgrundlage zur Bestimmung des pfändbaren Einkommensan- 731 teils ist nicht zwingend gleichzusetzen mit dem auf der Gehaltsabrechnung ausgewiesenen Nettoauszahlungsbetrag. Die Berechnungsgrundlage wird schematisch wie folgt ermittelt: Gesamtbruttoeinkommen . / . unpfändbare Bezüge (z. B. Spesen) . / . Sozialversicherungsbeiträge . / . Steuern . / . Vermögenswirksame Leistungen Berechnungsgrundlage

___________ 307) BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 217/08, ZInsO 2011, 812. 308) BGH v. 17.7.2008 – IX ZR 203/07, ZVI 2008, 433; BGH, Urt. v. 26.6.2008 – IX ZR 87/07, ZVI 2008, 392. 309) Vgl. zur Wirksamkeit von dahingehenden Pfändungsbeschlüssen BAG, Urt. v. 17.9.2009, NJW 2010, 253. 310) BAG, Urt. v. 17.9.2009, NJW 2010, 253.

173

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

732 Die Ermittlung der Berechnungsgrundlage zur Feststellung des pfändbaren Einkommensanteils erfolgte bislang unter Abzug der unpfändbaren Beträge nach der Bruttomethode.311) Dem Schuldner sollten die in § 850a ZPO aufgeführten Beträge ungekürzt zufließen. Zudem sei es den Beteiligten nicht zuzumuten, zu den bei der Pfändung häufig vorkommenden unpfändbaren Kleinbeträgen die Nettobeträge herauszurechnen. Das BAG hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 17.4.2013 der „Bruttomethode“ eine Absage erteilt und entschieden, dass die unpfändbaren Beträge der „Nettomethode“ folgend (brutto vom Brutto oder netto vom Netto) abzuziehen seien.312) Die Steuer- und Sozialversicherungsanteile aus den unpfändbaren Beträgen müssen danach zunächst herausgerechnet und anschließend vom Nettoeinkommen abgezogen werden. 733 Beispiel: Schuldner & eine unterhaltsberechtigte Person BRUTTOMETHODE Juli 2014 Bruttoeinkommen

August 2014 2.500,– €

Bruttoeinkommen

2.500,– €

Urlaubsgeld

1.500,– €

Brutto gesamt

4.000,– €

LSt., SozAbgaben

700,– €

LSt., SozAbgaben

1.300,– €

Nettoeinkommen

1.800,– €

Nettoeinkommen

2.700,– €

Urlaubsgeld unpfändbar

1.500,– €

Pf.-Netto

1.200,– €

Pfb. Anteil

180,83 €

Pfb. Anteil

0,– €

___________ 311) H. M.: „brutto vom Netto“, so LAG München, Urt. v. 30.5.2007 – 7 Sa 1089/06, ZInsO 2008, 760, bestätigt durch BAG, Urt. v. 30.7.2008 – AZ 10 AZR 459/07, NJW 2009, 167; Zöller/Stöber ZPO, § 850e Rn. 1b. 312) BAG, Urt. v. 17.4.2013 – 10 AZR 59/12, InsbürO 2013, 369.

174

VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

NETTOMETHODE Juli 2014 Bruttoeinkommen

August 2014 2.500,– €

LSt., SozAbgaben

700,– €

Nettoeinkommen

1.800,– €

Bruttoeinkommen

2.500,– €

Urlaubsgeld

1.500,– €

Brutto gesamt

4.000,– €

LSt., SozAbgaben nur auf Bruttoeink. Nettoeinkommen

700,– € 3.300,– €

Urlaubsgeld

Pfb. Anteil

180,83 €

unpfändbar

1.500,– €

Pf.-Netto

1.800,– €

Pfb. Anteil

180,83 €

Der pfändbare Einkommensanteil ist unter Berücksichtigung der unterhalts- 734 berechtigten Personen (anhand der aktuellen Pfändungstabelle) zu ermitteln. Unterhaltsberechtigt können sein minderjährige und volljährige Kinder in der allgemeinen Schulausbildung bzw. der (Erst-) Ausbildung, getrennt lebende/geschiedene Ehegatten, der nicht getrennt lebende Ehegatte sowie die Mutter oder der Vater eines gemeinsamen Kindes (Betreuungsunterhalt) oder (in aufsteigender Linie) auch die Eltern des Schuldners. Berücksichtigung finden die Unterhaltsverpflichtungen nur bei tatsächlicher Leistung des Schuldners (Natural- oder Barunterhalt). Verfügen die Unterhaltsberechtigten über eigene Einkünfte, gilt § 850c Abs. 4 735 ZPO. Berücksichtigt der Arbeitgeber Unterhaltsberechtigte Personen, obwohl diese ihren Selbstbehalt aus ihren eigenen Einkünften bestreiten können, ist er gehalten, beim Insolvenzgericht zu beantragen, dass die Person nicht als unterhaltsberechtigt berücksichtigt wird. Eine feste Richtgröße für die Höhe der eigenen Einkünfte gibt es nicht. In seiner Grundsatzentscheidung vom 4.10.2005, in 2009 bestätigt, hat der BGH hierzu ausgeführt:313) „[„…] Das Gericht hat vielmehr seine Entscheidung unter Abwägung der wirtschaftlichen Lage des Gläubigers und des Schuldners sowie der von ihm unterhaltenen Angehörigen zu treffen. Dabei können Pfändungsfreibeträge und Unterhaltstabellen Gesichtspunkte für die Ausübung des Ermessens geben; eine bloß einseitige Orientierung an bestimmten Berechnungsmodel-

___________ 313) BGH, Beschl. v. 4.10.2005 – VII ZB 24/05, ZVI 2006, 19; BGH, Beschl. v. 5.11.2009 – IX ZB 101/09, ZInsO 2009, 2351.

175

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren len scheidet jedoch314) aus, weil sie dem Sinne des § 850c Abs. 4 ZPO widerspricht. […] […] In derartigen Fällen kommt in Betracht, bei der Berechnung des Freibetrags des Unterhaltsberechtigten die nach den sozialrechtlichen Regelungen die Existenzsicherung gewährleistenden Gesetze heranzuziehen und insoweit in tatrichterlicher Würdigung aller Umstände des Einzelfalls einen Zuschlag vorzunehmen, der berücksichtigt, dass die Regelungen über die Pfändungsfreigrenzen dem Schuldner und seinen Unterhaltsberechtigten nicht nur das Existenzminimum sichern wollen, sondern ihnen eine deutlich darüber liegende Teilhabe am Arbeitseinkommen erhalten bleiben soll […].“

736 Als Richtlinie kann daher der jeweils geltende Maßstab zu den SGB II Leistungsgrenzen evtl. zuzüglich eines bis zu 50 %igen Motivationsrabatts für Erwerbstätige herangezogen werden. Eine Einzelfallbetrachtung ist jedoch stets unerlässlich. 737 Verfügt der Schuldner über mehrere Einkünfte, sind diese gemäß § 850e Nr. 2 bzw. 2a ZPO zusammenzurechnen. Eine entsprechende Anordnung der Zusammenrechnung von mehreren Arbeitseinkünften (§ 850e Nr. 2 ZPO) bzw. von Arbeitseinkünften und Sozialleistungen (§ 850e Nr. 2a ZPO) trifft das Insolvenzgericht auf Antrag des Insolvenzverwalters. 738 Bezieht der Schuldner Geld- und Naturalleistungen (z. B. Dienstwagen) ist der Arbeitgeber gehalten, auch ohne eine entsprechende Anordnung des Insolvenzgerichts eine Zusammenrechnung der Einkünfte vorzunehmen (§ 850e Nr. 3 ZPO). Bewohnt der Schuldner mietfrei eine eigenen Immobilie, stellt dies kein Einkommen i. S. v. § 850e Nr. 2, 2a, 3 ZPO dar, da es sich bei der Nutzung weder um Arbeitsentgelt, Sozialleistung noch sonstige Leistungen des Arbeitgebers handelt.315) Bezieht der Schuldner in Bedarfsgemeinschaft „aufstockende Grundsicherung“, kann der Insolvenzverwalter keine Zusammenrechnung verlangen.316) 739 Auch scheidet eine Zusammenrechnung von pfändbaren Einkünften mit unpfändbaren Einkünften aus. Unpfändbar sind z. B.: Sozialhilfe, Wohngeld317), Kindergeld, Elterngeld, Erziehungsgeld, Betreuungsgeld318), Geldleistungen, die einen durch Gesundheits- oder Körperschaden bedingten Mehrbedarf ausgleichen sollen319) oder Leistungen der Pflegeversicherung. 740 Als ggf. nach Zusammenrechnung pfändbar gelten Ausbildungsbeihilfe, BaFöG, gesetzl. Renten, Arbeitslosengeld I und II320) und Übergangsgeld. ___________ 314) 315) 316) 317) 318) 319) 320)

176

Hervorhebungen durch die Verfasserin. BGH, Beschl. v. 7.2.2013 – IX ZB 85/12, ZInsO 2013, 549 ff. BGH, Urt. v. 25.10.2012 – IX ZB 263/11, ZInsO 2013, 1274. Stöber, Forderungspfändung, Rn. 1358. Stöber, Forderungspfändung, Rn. 1356. Stöber, Forderungspfändung, Rn. 1359. BGH, Beschl. 25.10.2012 – VII ZB 74/11, NZM 2013, 693.

VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

Stellt der Insolvenzverwalter nicht rechtzeitig einen Antrag auf Nichtberück- 741 sichtigung oder Zusammenrechnung, kann er die Beträge, die der Schuldner in der Zwischenzeit zu viel erhalten hat, nicht von diesem zurückverlangen.321) In der Praxis nach wie vor erheblich problembehaftet ist der Einzug der 742 pfändbaren Einkommensanteile eines Selbstständigen, dessen selbstständige Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben wurde. Das Ziel der Restschuldbefreiung kann nur dadurch erreicht werden, dass 743 pfändbares Einkommen gemäß § 287 Abs. 2 InsO abgetreten wird. § 287 Abs. 2 InsO erstreckt sich nicht auf Einkünfte selbstständig tätiger Schuldner.322) Das pfändbare Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit unterliegt ab Verfahrenseröffnung als Neuerwerb in voller Höhe dem Insolvenzbeschlag (§ 35 Abs. 1 InsO). Bei Fortführung der selbstständigen Tätigkeit über die Insolvenzmasse erhält der Schuldner Unterhalt gemäß § 100 InsO bzw. § 850i ZPO (o Rn. 575, 594, 606 ff.). Gibt der Insolvenzverwalter die selbstständige Tätigkeit aus dem Insolvenz- 744 beschlag frei (§ 35 Abs. 2 InsO), endet der Massebeschlag auch insoweit, als dass fortan die im Rahmen der Selbstständigkeit erzielten Einkünfte nicht mehr massezugehörig sind. Doch wie ist die Gläubigerbefriedigung in diesem Fall sicherzustellen, ohne dass die Gläubiger eines Selbstständigen schlechter gestellt wären als die eines abhängig Beschäftigten? Ausgangsüberlegungen Unter Berücksichtigung der Rechtslage in Verfahren mit Antragstellung bis 745 zum 30.6.2014 bestand erst in der Wohlverhaltensperiode eine Erwerbsobliegenheit (§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO), nicht aber im eröffneten Verfahren. In den ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren obliegt es dem Schuldner nunmehr auch im eröffneten Verfahren, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen (§ 287b InsO). Diese differierende Rechtslage ist für die nachfolgende Betrachtung von Bedeutung. In der Wohlverhaltensphase gilt die Abführungspflicht des § 295 Abs. 2 InsO. § 295 Abs. 2 InsO Soweit der Schuldner eine selbständige Tätigkeit ausübt, obliegt es ihm, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre.

___________ 321) BGH, Beschl. v. 3.11.2011 – IX ZR 46/11, NZI 2011, 979. 322) Vgl. § 287 Abs. 2 InsO: „[…] Bezüge aus einem Dienstverhältnis […].“; so auch BTDrucks. 12/2443, 192 zu § 244 InsO-E; BGH, Beschl. v. 15.10.2009 – IX ZR 234/08, ZVI 2010, 28 Rn. 16.

177

746

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

747 Auf der Basis eines fiktiv, unabhängig von der Höhe des tatsächlichen Gewinns ermittelten pfändbaren Betrags muss der Schuldner mindestens einmal jährlich die „fiktiven“ pfändbaren Einkünfte an den Treuhänder abführen.323) Der Schuldner muss die Gläubiger so stellen, wie wenn er abhängig beschäftigt wäre; bei einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis erfolgt in der Wohlverhaltensphase eine jährliche Ausschüttung (§ 292 Abs. 1 Satz 2 InsO).324) 748 Den Abführungsbetrag setzt weder der Treuhänder noch das Insolvenzgericht fest. Der Schuldner ist gehalten, diesen selber zu ermitteln.325) Ein Bemühen um eine angestellte Tätigkeit ist dann erforderlich, wenn der Schuldner zur Leistung nicht in der Lage ist und aus der Berechnung der pfändbaren Einkommensanteile einer fiktiven Festanstellung mehr zur Masse zu erwarten wäre.326) § 295 Abs. 2 InsO beschreibt eine eigenständige Abführungspflicht nur in der Wohlverhaltensperiode. 749 Eine Abführungspflicht des Selbstständigen im eröffneten Verfahren besteht nach Freigabe (§ 35 Abs. 2 InsO) auf der Basis eines fiktiv berechneten pfändbaren Einkommens (Maßstab § 295 Abs. 2 InsO), wenn der tatsächliche Gewinn über der Pfändungsfreigrenze liegt.327) Im eröffneten Verfahren können die Grundsätze des § 295 Abs. 2 InsO jedoch nicht unmittelbar übertragen werden: Eine Pflicht zur Aufnahme einer abhängigen Erwerbstätigkeit während des eröffneten Verfahrens besteht nicht, da die Erwerbsobliegenheit (der Wohlverhaltensperiode) nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht im eröffneten Verfahren gilt (Rechtslage in den Verfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014).328) Die Abführungspflicht im eröffneten Verfahren ist nicht der Erwerbsobliegenheit, sondern der Mitwirkungspflicht geschuldet, deren Verletzung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO einen Versagungsgrund darstellt. Daher besteht eine Auskunftspflicht hinsichtlich der für die Ermittlung des fiktiven Maßstabs notwendigen Angaben; eine Pflicht zur Vorlage von Unterlagen zu tatsächlichen Gewinnen besteht indes nicht.329) Der Treuhänder (gemäß § 313 InsO a. F.) im eröffneten Verfahren hat also keinen Anspruch auf Auskunft über den tatsächlichen Ertrag der selbstständigen Tätigkeit.330) Leistet der Schuldner den fiktiv berechneten Anteil nicht/nicht in voller

___________ 323) BGH, Beschl. v. 17.1.2013 – IX ZB 98/11, ZInsO 2013, 405; BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 188/09, ZInsO 2012, 1488. 324) BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 188/09, ZInsO 2012, 1488. 325) BGH, Beschl. v. 17.1.2013 – IX ZB 98/11, ZInsO 2013, 405. 326) Zum Umfang des Bemühens vgl. BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 224/09, ZInsO 2011, 1301, der ca. 2 – 3 Bewerbungen pro Woche als ausreichend ansieht. 327) BGH, Beschl. v. 13.6.2013 – IX ZB 38/10, ZInsO 2013, 1586. 328) BGH, Beschl. v. 13.6.2013 – IX ZB 38/10, ZInsO 2013, 1586. 329) BGH, Beschl. v. 13.6.2013 – IX ZB 38/10, ZInsO 2013, 1586. 330) BGH, Beschl. v. 26.2.2013 – IX ZB 165/11, ZInsO 2013, 625.

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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

Höhe, muss er allerdings Auskunft über die Gewinne aus der selbstständigen Tätigkeit geben, um zu belegen, dass er nicht leistungsfähig ist.331) In den Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 liegt hinsichtlich der 750 Frage, ob die für die Wohlverhaltensphase i. R. d. § 295 Abs. 2 InsO aufgestellten Grundsätze angesichts der nunmehr auch im eröffneten Verfahren bestehenden Erwerbsobliegenheit (§ 287b InsO) übertragbar sind, z. Zt. des Redaktionsschlusses noch keine Entscheidung vor. Anzunehmen ist, dass, der Intention des Gesetzgebers folgend, über die gesamte Dauer der Abtretungsfrist eine Erwerbsobliegenheit zu normieren, die Grundsätze wohl auf das eröffnete Verfahren übertragbar sind. Führt der Insolvenzverwalter den Betrieb oder die Praxis eines Selbstständi- 751 gen nach Insolvenzeröffnung fort, sind die Entgeltforderungen bzw. Honoraransprüche massebeschlagen. Auch unter Geltung von § 114 InsO a. F. konnten aus einer Vorausabtretung keine Rechte hergeleitet werden, da § 114 Abs. 1 InsO a. F. auf die Abtretung der Entgeltansprüche eines Selbstständigen nicht anwendbar war.332) Dem Rechtserwerb nach Eröffnung (stand und) steht § 91 Abs. 1 InsO entgegen.333) Wird die selbstständige Tätigkeit des Schuldners vom Insolvenzverwalter frei- 752 gegeben (§ 35 Abs. 2 InsO), hat das für den Schuldner u. U. existentielle Auswirkungen, folgt man der rechtlichen Wertung des BGH. Der Senat hat in seinem Urteil vom 18.4.2013 festgestellt, dass eine Vorausabtretung künftiger Forderungen ab dem Zeitpunkt der Freigabe infolge Konvaleszenz (§ 185 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB) wieder wirksam wird.334) Der Schuldner erlangt nach Freigabe die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des insolvenzfreien Vermögens, demnach auch der nach Freigabe begründeten Forderungen wieder zurück. § 91 Abs. 1 InsO steht mangels Insolvenzbeschlag dem Rechtserwerb nicht entgegen. Die Pflicht des Insolvenzschuldners, die Rechte aus der Vorausabtretung zugunsten des Gläubigers zu bedienen, kollidiert in aller Regel mit seiner Abführungspflicht (§ 35 Abs. 2 InsO i. V. m. § 295 Abs. 2 InsO). Noch nicht entschieden ist, ob insoweit eine Festsetzung gemäß § 850i ZPO durch das Prozessgericht auch unter Berücksichtigung des gemäß § 295 Abs. 2 InsO abzuführenden Anteils unabhängig von den tatsächlichen Gewinnen in Betracht kommt.335) Vereinfacht ausgedrückt kann man festhalten: Entfällt der Insolvenzbeschlag 753 (hier infolge der Freigabe gemäß § 35 Abs. 2 InsO), steht § 91 Abs. 1 InsO dem Rechtserwerb nicht mehr entgegen; die Vorausabtretung wird infolge ___________ 331) BGH, Beschl. v. 13.6.2013 – IX ZB 38/10, ZInsO 2013, 1586. 332) BGH, Urt. v. 11.5.2006 – IX ZR 247/03, ZInsO 2006, 708. 333) Vgl. zu Vergütungsansprüchen des Kassenarztes LSG NRW, Urt. v. 24.5.2012 – L 11 KA 67/10, ZInsO 2012, 1903. 334) BGH, Urt. v. 18.4.2013 – IX ZR 165/12, InsbürO 2013, 321. 335) Befürwortend Ahrens, NJW-Spezial 2014, 85.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

Konvaleszenz wieder wirksam hinsichtlich der Forderungen, die nach Beendigung des Insolvenzbeschlags (§ 35 Abs. 2 InsO) entstehen. 754 Aus Beratersicht ist dem Schuldner die Fortsetzung der selbständigen Tätigkeit nur dann zu empfehlen, wenn er sich mit dem Zessionar über einen notwendigen Selbstbehalt einigen kann bzw. wenn eine Feststellung des Selbstbehalts gemäß § 850i ZPO vor dem Prozessgericht erwirkt wurde (da gemäß § 400 BGB nur pfändbare Einkommensanteile abgetreten werden können). m) Bankguthaben 755 Ist die Rede von der „Pfändbarkeit von Bankguthaben“, ist damit regelmäßig die Pfändbarkeit des Auszahlungsanspruchs des Schuldners aus dem Girokontenverhältnis gemeint. Das Girokonto ist rechtlich als Kontokorrentkonto zu qualifizieren, demnach als ein Konto in laufender Rechnung nach § 355 HGB mit gegenseitigen Ansprüchen aus dem täglichen Saldo. Der Anspruch des Schuldners auf Auskehr des Saldos ist also pfändbar gemäß §§ 829 ff. ZPO. 756 Pfändungsschutz besteht seit dem 1.1.2012 nur noch über § 850k ZPO, der über §§ 35, 36 Abs. 1 InsO auch im Insolvenzverfahren Anwendung findet. § 850k ZPO ist der einzige, gesetzlich vorgesehene Pfändungsschutz für „Bankguthaben“. Geschützt ist gemäß § 850k Abs. 1 ZPO grundsätzlich erstmal ein monatlich festgeschriebener Betrag. Der Basisschutz beläuft sich auf derzeit 1.045,04 € (sog. Sockelfreibetrag). Darüber hinaus kann aufgrund eines vorzulegenden Nachweises weiterer Schutz gewährt werden in Höhe eines Freibetrags für die erste unterhaltsberechtigte Person (derzeit 393,30 €), weitere Freibeträge für jede weitere unterhaltsberechtigte Person (derzeit je 219,12 €) sowie ggf. laufende Geldleistungen, die wegen gesundheitlicher Gebrechen gewährt werden (Höhe je nach Einzelfall) und in Höhe des Kindergeld (tatsächlicher Betrag). 757 Die Einrichtung eines P-Kontos fordert Eigeninitiative des Schuldners, denn sie findet nur auf Antrag statt. Basisschutz (Sockelfreibetrag) erhält der Schuldner durch formlosen Antrag an die Bank. Begehrt er den erweiterten Basisschutz (erhöhter Freibetrag), muss er sog. „P-Konto-Bescheinigung“ beim Kreditinstitut vorlegen. Diese Bescheinigung wird durch Arbeitgeber, geeignete Personen oder Stellen i. S. d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO, Familienkassen oder Sozialleistungsträger ausgestellt, nicht aber durch den Insolvenzverwalter oder das Insolvenzgericht. 758 Der Insolvenzverwalter hat, will er die Höhe des geschützten Betrags feststellen, gegen den Schuldner einen Herausgabeanspruch auf Vorlage der Bescheinigung nach § 850k Abs. 5 Satz 2 ZPO (erhöhter Freibetrag), § 836 Abs. 3 ZPO, wobei die Vorlage von Kopien ausreichend ist.336) ___________ 336) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – VII ZB 59/10, JurionRS 2013, 33219; BGH, Beschl. v. 9.2.2012 – VII ZB 49/10, ZInsO 2012, 599.

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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

Als Missbrauchsprävention ist gesetzlich verankert, dass nur natürliche Per- 759 sonen ein P-Konto führen können (und zwar nur als Einzelkonto, nicht Gemeinschaftskonto). Jede Person darf nur ein P-Konto führen (Mitteilung an Auskunfteien möglich, § 850k Abs. 8 Satz 3 ZPO). Gemäß § 850k Abs. 7 Satz 2 ZPO besteht ein gesetzlicher Anspruch auf 760 Umwandlung eines bestehenden Kontos in ein P-Konto. Die Umwandlung ist keine Vereinbarung eines neuen Zahlungsdienstrahmenvertrags (§ 675f BGB).337) Kein gesetzlicher Anspruch besteht auf Neueinrichtung eines PKontos, was in der Praxis regelmäßig zu Problemen führt. Der Schuldner kann sich, hat er bei einer Bank Probleme, ein neues P-Konto einrichten und an Banken und Kreditinstitute wenden, die sich der ZKA-Empfehlung „Konto für jedermann“ aus dem Jahr 1995 im Rahmen eines als Selbstverpflichtungserklärung angeschlossen haben. Auch eine Vielzahl von Sparkassen hat sich in einigen Bundesländern dem selbst auferlegten Kontrahierungszwang unterworfen, wonach jeder Bürger Anspruch auf Einrichtung eines sog. „Bürgerkontos“ hat. Ein bereits bestehendes P-Konto bereitet im Antragsverfahren keine Schwie- 761 rigkeiten, da die Kontokorrentabrede durch die Anordnung von vorläufigen Sicherungsmaßnahmen in ihrer Wirksamkeit nicht berührt wird.338) Verfügungen des Schuldners über geschützte Freibeträge sind ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters möglich, da sich die Verfügungsbeschränkung nur auf künftig massezugehöriges Vermögen erstreckt.339) Auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens berührt ein bestehendes P-Konto 762 nicht, da der Girovertrags nicht gemäß §§ 115, 116 InsO erlischt; §§ 115, 116 InsO gelten nur für massebeschlagene Vermögenswerte.340) Die geschützten Freibeträge unterliegen dem Pfändungsschutz gemäß §§ 35, 36 Abs. 1 InsO i. V. m. 850k ZPO; insoweit erfolgt kein Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO. Daher besteht auch kein Raum für eine „Freigabe des Kontos“ („Kontenfreigabe“) aus dem vermeintlichen Insolvenzbeschlag, denn dieser wurde angesichts des bestehenden gesetzlichen Pfändungsschutzes nie begründet. Soweit über die geschützten Freibeträge hinaus Gutschriften zum Konto erfolgen, sind die daraus resultierenden Ansprüche (pfändbare Anteile) Massebeschlag. Für eine Freigabe dieses Guthabens besteht kein Anlass. Im Gegenteil begründet eine Freigabe von Masse evtl. Haftungsansprüche gegen den Insolvenzverwalter gemäß § 60 InsO. ___________ 337) OLG Naumburg, Urt. v. 27.5.2011 – 10 U 5/11, JurionRS 2011, 42239. 338) LG Stuttgart, Urt. v. 31.7.1995 – 12 O 53/95, WM 1996, 154; BGH, Urt. v. 20.3.1997 – IX ZR 71/96, ZIP 1997, 737. 339) Büchel, ZInsO 2010, 20; du Carrois, ZInsO 2010, 2279. 340) So auch Bitter, ZIP 2011, 149; Büchel, ZInsO 2010, 20; Casse, ZInsO 2012, 1402; Obermüller, InsbürO 2013, 18; LG Verden, Beschl. 19.9.2013 – 4 S 3/13, ZIP 2013, 1954.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

763 Besteht z. Zt. der Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen kein P-Konto, kann der Schuldner jederzeit im Antragsverfahren seinen Umwandlungsanspruch gemäß § 850k Abs. 7 Satz 2 ZPO ausüben. Dieser ist ein höchstpersönliches Recht und kann auch nach Anordnung von Sicherungsmaßnahmen ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters ausgeübt werden. 764 Einer „Freigabeerklärung“ des vorläufigen Insolvenzverwalters bedarf es selbstverständlich auch in diesem Fall nicht, zumal die generelle Erklärungsbefugnis jedenfalls eines „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters nach Auffassung der Verfasserin vom gesetzlichen Handlungsrahmen ohnehin nicht gedeckt wäre. 765 Die Ausübung des Umwandlungsanspruchs gemäß § 850k Abs. 7 Satz 2 ZPO nach Insolvenzeröffnung bereitet Schwierigkeiten. Zwar fällt dieser als höchstpersönliches Recht nicht in die Insolvenzmasse. Problematisch wird ein z. Zt. der Eröffnung noch nicht bestehendes P-Konto jedoch aus einem anderen Grund. Der (reguläre) Girokontenvertrag und die Kontokorrentvereinbarung erlöschen durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 115, 116 InsO). Besteht z. Zt. der Eröffnung kein P-Konto, ist der Auszahlungsanspruch in voller Höhe Insolvenzmasse. 766 In der Einzelzwangsvollstreckung kann der Schuldner gemäß § 850k Abs. 1 Satz 4 ZPO innerhalb von vier Wochen ab Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Umwandlung verlangen. In der Literatur umstritten ist, ob an die Stelle des Zeitpunktes der Zustellung des Pfändungsund Überweisungsbeschlusses die Insolvenzeröffnung tritt infolge der entsprechenden Anwendung im Insolvenzverfahren.341) Der BGH hat sich in seiner Entscheidung vom 13.2.2014 hierzu nur eingeschränkt erklärt, indem er die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts für den auf eine wirksame oder mit Rückwirkung zu fingierende Umwandlung des Kontos in ein Pfändungsschutzkonto gestützten Antrag, den Treuhänder/Insolvenzverwalter zur Rücküberweisung des an ihn ausgekehrten Guthabens zu veranlassen, verneint hat.342) Auch bestehe keine Befugnis des Insolvenzgerichts, die Rechtswirksamkeit einer vereinbarten Umwandlung einschließlich des Zeitpunktes ihres Wirksamwerdens (vgl. § 850k Abs. 1 Satz 4 ZPO) für die Verfahrensbeteiligten bindend festzustellen.343) Ob nach der Eröffnung noch eine Umwandlung in ein Pfändungsschutzkonto beansprucht werden kann, sei vielmehr im Wege der Klage des Schuldners gegen die Bank zu klären.344) Die Rückzahlung des an den Insolvenzverwalter/Treuhänder (bereits) ausgekehrten Guthabens könne der Schuldner nur im Wege einer (Zahlungs)Klage gegen den ___________ 341) Exempl. Büchel, ZInsO 2010, 20; Casse, ZInsO 2012, 1402; Obermüller, InsbürO 2013, 18. 342) BGH, Beschl. v. 13.2.2014 – IX ZB 91/12, ZInsO 2014, 687. 343) BGH, Beschl. v. 13.2.2014 – IX ZB 91/12, ZInsO 2014, 687. 344) BGH, Beschl. v. 13.2.2014 – IX ZB 91/12, ZInsO 2014, 687.

182

VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

Insolvenzverwalter/Treuhänder erreichen.345) Eine abschließende Klärung dieser Rechtsfrage bleibt also der weiteren Rechtsprechung vorbehalten. Der Senat hat jedoch (obiter) auf folgende Möglichkeit hingewiesen: § 765a 767 ZPO ist im Insolvenzverfahren entsprechend anwendbar. Eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende, ganz besondere Härte könnte darin liegen, dass das Kontoguthaben am Tag nach dem Eingang des Arbeitslohns auf dem Konto an den Treuhänder/Insolvenzverwalter ausgezahlt worden sei, sodass dem Schuldner möglicherweise keinerlei Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verblieben sind.346) Dem Insolvenzverwalter ist zu empfehlen, stellt der Schuldner keinen Antrag 768 gemäß § 765a ZPO, die Gelder zu separieren, da dem Schuldner der Prozessweg eröffnet ist (Zahlungsklage?). Wird ein Girokonto als Gemeinschaftskonto (Und-Konto) geführt, bei dem 769 die Verfügungsbefugnis nur durch beide Kontoinhaber gemeinsam ausgeübt werden kann (eher seltener Fall), erlischt der Vertrag mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Berechtigten nicht.347) Nach einer Umwandlung werden sodann zwei getrennte Konten (P-Konto/P-Konto oder P-Konto/Girokonto) „fortgeführt“. Handelt es sich bei dem Gemeinschaftskonto um ein Oder-Konto, kann je- 770 weils einer der beiden Kontoinhaber alleine über das gesamte Guthaben verfügen (Gesamtgläubigerschaft i. S. d. §§ 428 ff. BGB).348) Auch in diesem Fall erlischt der Vertrag mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Berechtigten nicht.349) Die Umwandlung in ein P-Konto kann – vorbehaltlich der aufgezeigten Probleme – jeder der beiden verlangen. Die „Fortführung“ erfolgt sodann als zwei getrennte Konten (P-Konto/P-Konto oder P-Konto/Girokonto). Pfändungsschutz nach § 850k ZPO gilt nur für ein Girokonto, nicht für ein 771 Sparkonto.350) Dies gilt auch, wenn die Gelder zunächst Pfändungsschutz über § 850k ZPO oder §§ 850 ff. ZPO genossen haben. Der Neuerwerb unterliegt dem Insolvenzbeschlag. Eine negative Surrogation existiert in dem Fall nicht.351)

___________ 345) 346) 347) 348) 349) 350) 351)

BGH, Beschl. v. 13.2.2014 – IX ZB 91/12, ZInsO 2014, 687. BGH, Beschl. v. 13.2.2014 – IX ZB 91/12, ZInsO 2014, 687. FK-InsO/Wegener, § 116 Rn. 43. BGH, Urt. v. 8.7.1985 – II ZR 16/85, ZIP 1985, 1047. FK-InsO/Wegener, § 116 Rn. 42. AG Schwarzenbek, Beschl. v. 24.5.2012 – 5 M 962/12, ZVI 2012, 354. Vgl. BGH, Beschl. v. 11.4.2013 – IX ZB 170/11, InsbürO 2013, 283 f.; BGH, Beschl. v. 26.9.2013 – IX ZB 247/11, ZIP 2013, 2112 f.

183

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

772 Schöpft der Schuldner den Freibetrag in einem Monat nicht vollständig aus, besteht die Möglichkeit der einmaligen Übertragung des unverbrauchten Guthabens in den Folgemonat (§ 850k Abs. 1 Satz 3 ZPO).352) In dem Fall gilt das First in-First-out-Prinzip, welches anhand des nachfolgenden Beispiels selbsterklärend transparent wird: 773 Beispiel: First in – First out Freibetrag März

1.045,04 €

Verfügung März

900,00 €

Unpfändbar April

1.045,04 € + 145,04 € = 1.190,08 €

Verfügung April

845,04 €

Vom Restbetrag i. H. v.

345,04 €

Sind pfändbar (Masse)

145,04 € 200,00 €

Sind unpfändbar und übertragbar in Mai 353)

774 Der BGH hat hierzu treffend ausgeführt:

„Arbeitseinkommen anzusparen und dem Gläubigerzugriff zeitlich unbegrenzt vorzuenthalten, ist dagegen rechtlich nicht möglich.“

775 Die sog. Monatsanfangsproblematik, d. h. die Fälle, in denen eine Gutschrift von Arbeitsentgelt/Sozialleistungen zum Monatsanfang für den laufenden Monat und bereits zum Ende des gleichen Monats für den folgenden Monat erfolgt, wurde gelöst durch § 835 Abs. 4 ZPO, der über § 850k Abs. 1 Satz 2 ZPO Anwendung findet. Problematisch war dies angesichts der festgeschriebenen Freigrenzen, die durch die zweifache Gutschrift in einem Monat regelmäßig überschritten wurde, wobei die Zahlungen für zwei aufeinanderfolgende Monate erfolgten. Wird künftiges Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto gepfändet und dem Gläubiger überwiesen, darf der Drittschuldner erst nach Ablauf des nächsten auf die jeweilige Gutschrift von eingehenden Zahlungen folgenden Kalendermonats an den Gläubiger leisten oder den Betrag hinterlegen (§ 835 Abs. 4 ZPO). 776 Bezieht der Schuldner monatlich gleichbleibende unpfändbare Einkünfte, die über der (ggf. erhöhten) Freibetragsgrenze liegen, ist eine betragsmäßig abweichende Festsetzung in Anlehnung an die Pfändungsfreigrenzen zum Arbeitseinkommen (§§ 850 ff. ZPO) durch das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners möglich (§ 850k Abs. 4 ZPO).

___________ 352) LG Essen, Urt. v. 21.6.2012 – 10 S 33/12, ZVI 2012, 381. 353) BGH, Beschl. v. 10.11.2011 – VII ZB 64/10, ZInsO 2012, 145.

184

VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

Beispiel:

777

Schuldner, ledig, keine Unterhaltspflichten mtl. Einkünfte (unpfändbarer Betrag, § 850 ff. ZPO)

1.300,00 €

Unpfändbar § 850k Abs. 1 ZPO

1.045,04 €

„Doppelpfändung“

254,96 €

Das Insolvenzgericht kann den unpfändbaren Betrag abweichend auf 1.300,00 € monatlich festlegen (Beschluss). Eine betragsmäßig abweichende Festsetzung gemäß § 850k Abs. 4 ZPO ist 778 auch auf Antrag des Insolvenzverwalters möglich, wenn der Schuldner wegen Unterhaltspflichten einen erhöhten Freibetrag in Anspruch nimmt, die/der Unterhaltsberechtigte aber über ausreichend eigene Einkünfte verfügt (vgl. §§ 35, 36 Abs. 1 InsO i. V. m. § 850c Abs. 4 und § 850k ZPO). Ein anders gelagertes Problem der „Doppelpfändung“ stellt sich dann, wenn 779 der Schuldner monatlich variierende unpfändbare Einkünfte bezieht (z. B. infolge variierender Spesen). Eine betragsmäßig abweichende Festsetzung hilft hier nicht weiter. Eine Lösungsoption wäre § 850l ZPO in analoger Anwendung, indem eine 780 gerichtliche Anordnung einer bis zu zwölf Monaten befristeten Unpfändbarkeit ergehen würde. Problematisch ist in dem Fall regelmäßig die erforderliche Glaubhaftmachung, dass in den letzten sechs Monaten ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge gutgeschrieben worden sind (unwahrscheinlich bei Doppelpfändung). Noch schwerer wiegt wohl, dass § 850l ZPO im Insolvenzverfahren keine Anwendung findet (vgl. § 36 Abs. 1 InsO). Der BGH hat für dieses Problem den Weg zum „Quellenpfändungsschutz“ eröffnet.354) Bei monatlich unterschiedlich hohem, vom Sockelfreibetrag abweichenden unpfändbaren Einkommensanteil kann der abweichende Freibetrag gerichtlich durch Bezugnahme auf das vom Arbeitgeber pfändungsfreie Einkommen festgesetzt werden. Beispiel:

781

Schuldner, ledig, keine Unterhaltspflichten mtl. Einkünfte (unpfändbarer Betrag, § 850 ff. ZPO) Unpfändbar § 850k Abs. 1 ZPO „Doppelpfändung“

1.300,00 € – 1.550,00 € 1.045,04 € 254,96 € – 504,96 €

___________ 354) BGH, Urt. v. 10.11.2011 – VII ZB 64/10, InsbürO 2012, 281 = ZInsO 2012, 145.

185

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

782 Ein weiterer Problemkreis der praktischen Anwendung besteht regelmäßig bei Selbstständigen. 783 Selbstständige verfügen neben dem Privatgirokonto (P-Konto) meist über ein weiteres Geschäftskonto. Jeder Schuldner darf aber nur ein P-Konto führen, sodass das Geschäftskonto nicht zur Führung als P-Konto zulässig ist (§ 850k Abs. 8 Satz 1 ZPO). Nach Auffassung der Verfasserin ist das P-Konto auch nicht auf den geschäftlichen Zweck ausgerichtet. 784 Dennoch kann, verfügt der Schuldner über nur ein Konto, das sowohl privat, als auch geschäftlich genutzt wird, dieses in ein P-Konto umgewandelt werden. Problematisch wird es dann, wenn nur der (ggf. erhöhte) Freibetrag nicht ausreicht, um die Aufwendung der privaten und geschäftlichen Bereiche zu decken. 785 Eine betragsmäßig abweichende Festsetzung gemäß § 850k Abs. 4 ZPO ist kaum praktikabel, da Umsätze regelmäßig höchst variabel sind. Die Anordnung eines „Quellenpfändungsschutzes“ ist zumeist auch schwierig, wenn nicht ausschließlich „Dauerkundschaft“ (abgeschlossener Kreis der „Quellen“) bedient wird. 786 Aus geschilderten Gründen wird eine Kontenfreigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter in den Insolvenzverfahren Selbstständiger für zulässig erachtet.355) Zu bedenken ist jedoch, dass eine Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter kein Aliud zu einem gerichtlichen Beschluss darstellt und eine Freigabe wohl auch auf Verwalterseite haftungsträchtig sein kann. Eine solche Kontenfreigabe würde nur in den Fällen erklärt, in denen der schuldnerische Betrieb über die Masse fortgeführt würde. Aus den nachfolgenden Gründen ist von einer solchen Freigabe bereits angesichts der Haftungsgefahren nach Auffassung der Verfasserin dringend abzuraten. 787 Erfolgt eine Fortführung des Geschäftsbetriebs über die Insolvenzmasse, kann dem Schuldner Unterhalt aus der Insolvenzmasse (§ 100 InsO) bzw. auf Antrag ein ihm zu belassender Betrag gemäß § 850i ZPO gewährt werden. Für die Auszahlung des Unterhalts/Selbstbehalts aus der Insolvenzmasse kann der Schuldner ein P-Konto einrichten; hier dürften i. a. R. die Freibeträge gemäß § 850k Abs. 1, 2 ZPO ausreichen. 788 Wurde die selbstständige Tätigkeit aus der Insolvenzmasse freigegeben (§ 35 Abs. 2 InsO), sind mit der Freigabe des Geschäftsbetriebs auch sämtliche, damit verbundenen Vertragsverhältnisse freigeben.356) Dies ist auch für das Geschäftskonto anzunehmen, sodass es in dem Fall auch keiner Freigabe des Geschäftskontos mehr bedarf (Ein „bisschen Freigabe“ gibt’s nicht!). ___________ 355) So Grote/Obermüller/Pape/Obermüller, Insolvenz und Sanierung – auf der Dauerbaustelle geht es weiter, Kap. I. 1. a). 356) Vgl. zum Mietverhältnis BGH, Urt. v. 9.2.2012 – IX ZR 75/11, ZInsO 2012, 481.

186

VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

Lastschriftbuchungen sind im Rahmen der Freigrenzen zulässig und vom 789 Schuldner zu genehmigen, nicht vom Insolvenzverwalter. Dies ergibt sich aus der Argumentation des BGH zur Verfügungsberechtigten des Schuldners in Höhe des sog. „Schonvermögens“ (= kein Neuerwerb).357) Entgelte Kontoführung und Nacherstellung von Kontoauszügen Bestimmungen über zusätzliche, über die normalen Kontoführungsgebühren 790 hinausgehenden Entgelte für die Führung eines P-Kontos sind unwirksam, da die Führung eines Kontos als P-Konto eine gesetzliche Verpflichtung darstellt, die als Nebenpflicht zur „normalen Kontenführung“ gilt und deren zusätzlicher Aufwand kostenmäßig nicht auf die Kunden abgewälzt werden kann.358) Fordert die Bank pauschal ein Entgelt für die Nacherstellung von Kontoauszügen, ist die dahingehende Klausel im Preis- und Leistungsverzeichnis (z. B. „Nacherstellung von Kontoauszügen pro Auszug 15 €“) wegen Verstoßes gegen § 675d Abs. 3 Satz 2 BGB im Verhältnis zu Verbrauchern unwirksam. Der Schuldner kann demnach Zweitkontoauszüge anfordern und muss dafür ein Entgelt entrichten, was „an den tatsächlichen Kosten des Zahlungsdienstleisters ausgerichtet sein“ muss, die oft geringer sind als die Pauschalen.359) n) Erbschaft Ist der Schuldner Erbe eines Dritten, sind insolvenzrechtlich zwei wesent- 791 liche Kriterien zu beachten, die maßgeblichen Einfluss auf die Bearbeitung haben: x

Zeitpunkt des Anfalls der Erbschaft,

x

Alleinerbe oder Mitglied einer Erbengemeinschaft. § 1922 Abs. 1 BGB Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.

Fällt dem Schuldner eine Erbschaft an, gehen damit nicht zwingend wirt- 792 schaftliche Vorteile einher. Das Vermögen des Erblassers geht als Ganzes auf den Schuldnererben über – demnach nicht nur die Aktiva, sondern auch die Passiva (Gesamtrechtsnachfolge = Universalsukzession). Ist der Nachlass überschuldet, kann der Schuldner die Erbschaft ausschlagen. 793 Das Recht zur Ausschlagung ist ein höchstpersönliches Recht und kann auch ___________ 357) BGH, Urt. v. 20.7.2010 – XI ZR 37/09, ZInsO 2010, 1534. 358) BGH, Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 145/12 und XI ZR 500/11, ZInsO 2013, 264 und ZInsO 2013, 40. 359) BGH, Urt. v. 17.12.2013 – XI ZR 66/13, ZIP 2014, 259.

187

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

nach Eröffnung nicht vom Insolvenzverwalter ausgeübt werden (vgl. § 83 Abs. 1 InsO). Die Ausschlagung einer Erbschaft ist weder eine Obliegenheitsverletzung noch eine Vermögensverschwendung, die die Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigt.360) Gleiches gilt für die Nicht-Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs.361) Erbfall im eröffneten Verfahren 794 Der Nachlass, der dem Schuldner im eröffneten Verfahren bis zur Aufhebung anfällt, fällt in vollem Umfang in die Insolvenzmasse. Dies gilt auch dann, wenn der Nachlass der Testamentsvollstreckung unterliegt.362) Der unter Testamentsvollstreckung stehende Nachlass, der in die Insolvenzmasse fällt, bildet bis zur Beendigung der Testamentsvollstreckung eine Sondermasse, auf die die Nachlassgläubiger, nicht aber die Erbengläubiger Zugriff nehmen können.363) Auch kann hinsichtlich des Nachlasses die Nachtragsverteilung angeordnet werden (§ 203 InsO), wenn der Erbfall – und damit der Anfall der Erbschaft – vor Aufhebung des Verfahrens lag.364) 795 Ist der Schuldner Mitglied einer ungeteilten Erbengemeinschaft steht dem einzelnen Miterben keine unmittelbare dingliche Berechtigung an einem zum Nachlass gehörenden Gegenstand zu.365) Demnach fällt nicht sein Anteil an den Nachlassgegenständen, sondern sein Erbanteil in die Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter ist in Ausübung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis berechtigt und verpflichtet, anstelle des Schuldnererben die Auseinandersetzung des Nachlasses zu betreiben (§ 2042 Abs. 1 BGB).366) 796 Ein Pflichtteilsanspruch (§ 2303 BGB) entsteht mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1, § 1922 Abs. 1 BGB). Der Pfändung ist er nur unterworfen, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist (§ 852 ZPO). Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH kann der Pflichtteilsanspruch bereits vor der vertraglichen Anerkennung oder Rechtshängigkeit als in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit aufschiebend bedingter Anspruch gepfändet werden.367) Der Anspruch unterliegt demnach einem bedingten Insolvenzbeschlag.368) Dass nicht der Verwalter, sondern nur der pflichtteilsberechtigte Schuldner ___________ 360) LG Mainz, Beschl. v. 23.4.2003 – 8 T 79/03, ZInsO 2003, 525. 361) Die Ausschlagung unterliegt auch dann nicht der Anfechtung (§§ 129 ff. InsO), wenn etwa die Ausschlagung in Gläubigerbenachteiligungsabsicht geschieht. 362) BGH, Urt. v. 11.5.2006 – IX ZR 42/05, ZIP 2006, 1258; BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 229/07, ZIP 2010, 1610. 363) BGH, Urt. v. 11.5.2006 – IX ZR 42/05, ZIP 2006, 1258. 364) BGH, Beschl. v. 15.7.2010 – IX ZB 229/07, ZIP 2010, 1610. 365) BGH, Urt. v. 17.11.2000 – V ZR 487/99, WM 2001, 477; BGH, Beschl. v. 24.1.2001 – IV ZB 24/00, WM 2001, 993. 366) BGH, Beschl. v. 19.11.2005 – V ZB 197/10, ZIP 2011, 1273. 367) BGH, Beschl. v. 8.7.1993 – IX ZR 116/92, ZIP 1993, 1662; BGH, Urt. v. 6.5.1997 – IX ZR 147/96, ZIP 1997, 1302. 368) BGH, Beschl. v. 25.6.2009 – IX ZB 196/08, NZI 2009, 563.

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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

über die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs zu entscheiden hat, ändert nichts an der Zugehörigkeit des Anspruchs zur Masse. Merke: Der Pflichtteilsanspruch ist massezugehörig, kann aber nur vom pflichtteilsberechtigten Schuldner geltend gemacht werden. Kann der angesichts eines bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens einge- 797 tretenen Erbfalls entstandene Pflichtteilsanspruch des Schuldners schon im eröffneten Verfahren geltend gemacht werden, unterliegt dieser dem Massebeschlag. Ist der Anspruch im eröffneten Verfahren entstanden und wird erst nach Aufhebung des Verfahrens geltend gemacht, kann eine Nachtragsverteilung angeordnet werden.369) Erbfall in der Wohlverhaltensphase Fällt die Erbschaft dem Schuldner in der Wohlverhaltensphase an (Erbfall 798 nach Aufhebung des Verfahrens), normiert § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO, dass der Schuldner dieses Vermögen an den Treuhänder zur Hälfte herauszugeben hat. Ein Verstoß gegen die Herausgabepflicht ist eine Obliegenheitsverletzung, die möglicherweise die Versagung der Restschuldbefreiung nach sich zieht. Die Obliegenheit kann nicht durch Übertragung eines Anteils am Nachlass erfüllt werden; der Schuldner hat die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu betreiben und muss sodann die Hälfte des auf ihn entfallenden Vermögens – den Wert in Geld – (nach „Versilberung“) an den Treuhänder herausgeben.370) Macht der Schuldner einen Pflichtteilsanspruch nicht geltend und verjährt 799 dieser, stellt dies keine Obliegenheitsverletzung dar, da dies dem persönlichen Charakter zuwider laufen würde.371) Macht der Schuldner einen vor Ablauf der Abtretungsfrist entstandenen Pflichtteilsanspruch erst nach Ablauf dieser Frist geltend, muss er nicht mehr die Hälfte des Wertes an den Treuhänder abführen. Dies gilt auch für ein (noch) nicht angenommenes Vermächtnis.372) o) Anfechtungsansprüche aa) Verbraucherinsolvenzverfahren Mit Inkrafttreten des überwiegenden Teils der Regelungen des am 18.7.2013 800 verkündeten Gesetzes zur Reform der Verbraucherinsolvenz- und der Rest___________ 369) BGH, Beschl. v. 16.7.2009 – IX ZB 72/09, ZInsO 2009, 1831; LG Münster, Beschl. v. 13.7.2009 – 5 T 296/09, NZI 2009, 657. 370) BGH, Beschl. v. 10.1.2013 – IX ZB 163/11, NZI 2013, 191. 371) BGH, Beschl. v. 25.6.2009 – IX ZB 196/08, NZI 2009, 563. 372) BGH, Beschl. v. 10.3.2011 – IX ZB 168/09, NZI 2011, 329.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

schuldbefreiungsverfahren373) zum 1.7.2014 wurden die Vorschriften §§ 312 bis 314 InsO gestrichen. 801 In den Verbraucherinsolvenzverfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 ist der Treuhänder (§ 313 InsO a. F.) zur Anfechtung nach den §§ 129 ff. InsO nur mit Auftrag der Gläubigerversammlung berechtigt (§ 313 Abs. 2 Satz 1, 3 InsO). Das originäre Anfechtungsrecht steht den Insolvenzgläubigern zu (§ 313 Abs. 2 Satz 1 InsO). 802 Der Insolvenzverwalter in Verbraucherinsolvenzverfahren, die ab dem 1.7.2014 beantragt werden, ist berechtigt (und verpflichtet), ohne Weiteres die insolvenzrechtliche Anfechtung zu erklären und die Anspruchsdurchsetzung zu verfolgen. bb) Grundlegendes 803 Die Insolvenzanfechtung kann ein schlagkräftiges und vielfach erheblich massemehrendes Instrumentarium darstellen. Im Vorfeld der Insolvenz hat der Schuldner meist versucht, nach Eintritt der Krise zumindest noch Forderungen einzelner Gläubiger zu befriedigen. Auch haben einzelne Gläubiger nach Eintritt der Krise noch versucht, Ihre Forderungen im Wege der Zwangsvollstreckung beizutreiben. 804 Das Anfechtungsrecht bezweckt den Erhalt der Aktivmasse und die Verhinderung der Verkürzung der Haftungsmasse für die Gläubigergesamtheit. Als Ausfluss des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes (par conditio creditorum) gibt das Insolvenzanfechtungsrecht ein Instrumentarium an die Hand, mit dem die (bevorzugte) Befriedigung einzelner zugunsten der Befriedigungsmöglichkeiten aller Gläubiger sichergestellt werden kann. Daneben können sonstige Vermögensabflüsse an nicht beteiligte Gläubiger im wirtschaftlichen Sinne rückabgewickelt werden. Praxistipp: Mit § 143 InsO erhält der Insolvenzverwalter eine originäre Anspruchsgrundlage. Der in anfechtbarer Weise aus der Aktivmasse ausgeschiedene Vermögenswert ist zur Insolvenzmasse zurückzuerstatten.

___________ 373) BGBl. I S. 2379 ff.

190

VI. Ausgewählte Verwertungsfragen

cc) Systematik Die Systematik der Anfechtungsvorschriften erschließt sich aus nachste- 805 hender Übersicht: Grundnorm § 129

Kongruente Deckung § 130

Inkongruente Deckung § 131

Vorsätzliche Benachteiligung § 133

Unentgeltl. Leistung § 134

Bargeschäft § 142

Zeitpunkt d. Vornahme d. Rechtsh. § 140

Nahestehende Personen § 138 Rechtsfolgen § 143

Abb. 6: Systematik der Anfechtungsvorschriften (InsO)

In den Insolvenzverfahren natürlicher Personen konzentriert sich die ganz 806 überwiegende Anzahl der Fälle auf den Bereich der §§ 130, 131, 133 und 134 InsO. Die nachfolgenden Ausführungen sollen anhand einiger „typischer“ Beispiele 807 einen ersten Einblick in das Anfechtungsrecht geben. Eine erschöpfende Besprechung des Anfechtungsrechts würde der Zielsetzung dieses Buches nicht entsprechen. Der Fokus liegt daher darauf, möglicherweise anfechtbare Sachverhalte zu erkennen und ein Gespür für diese zu entwickeln. dd) Allgemeine Voraussetzungen der Anfechtung Als allgemeine Tatbestandsvoraussetzung aller Anfechtungsansprüche muss 808 stets eine objektive Gläubigerbenachteiligung vorliegen, § 129 Abs. 1 InsO. Diese ist dann anzunehmen, wenn die anfechtbare Rechtshandlung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse und damit Verkürzung des Haftvermögens geführt hat.374)

___________ 374) St. Rspr., vgl. exemplarisch BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, ZInsO 2003, 764.

191

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren Praxistipp: Gläubigerbenachteiligung (+) Bei Entstehung eines Pfändungspfandrechts, da in der wirtschaftlichen Krise aus §§ 803 ff. ZPO kein Recht auf Befriedigung im Wege der Einzelzwangsvollstreckung mit staatlichen Mitteln hergeleitet werden kann.375) (+) Bei Begleichung einer Verbindlichkeit durch den Schuldner, obwohl dieser eine Einwendung hätte entgegenhalten können.376) (+) Bei Veräußerungen von Gegenständen der Insolvenzmasse unter Wert durch den Insolvenzschuldner; die Gegenleistung soll aufgrund der vertraglichen Vereinbarung nur einzelnen Gläubigern zugutekommen.377) (+) Bei Veräußerung eines Sicherungsgutes unter Wert mit Zustimmung des Schuldners.378) (–) Bei Erbringung einer gleichwertigen Gegenleistung des Anfechtungsgegners. (–) Bei Bestellung einer angemessenen Sicherheit gegen Darlehensgewährung oder die Ablösung einer vollwertigen, selbst insolvenzbeständigen Sicherheit379).

809 Die Anfechtung erfasst alle Handlungen, die eine rechtliche Wirkung auslösen (Rechtshandlungen).380) Der BGH definiert eine Rechtshandlung als „jede bewusste Willensbetätigung, die eine rechtliche Wirkung auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann“.381) Rechtshandlungen sind jedes Tun und Unterlassen (§ 129 Abs. 1, 2 InsO). Zu den Rechtshandlungen zählen neben rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen und rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen auch Realakte, Prozesshandlungen sowie hoheitliche Vollstreckungsakte. Einzelne Anfechtungstatbestände schränken den Begriff der Rechtshandlung ein (vgl. z. B. § 133 Abs. 1 InsO auf eine Rechtshandlung des Schuldners, § 134 InsO auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners oder § 132 InsO auf ein Rechtsgeschäft des Schuldners). ee) Die Anfechtungstatbestände Kongruente Deckung gemäß § 130 InsO 810 Anfechtbar nach § 130 InsO sind unter den genannten Voraussetzungen kongruente Befriedigungen oder Sicherungen eines Gläubigers. ___________ 375) 376) 377) 378) 379) 380) 381)

192

BGH, Urt. v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, ZIP 1997, 1929. BGH, Urt. v. 6.4.1995 – IX ZR 61/94, ZIP 1995, 1021. BGH, Urt. v. 9.2.1955 – IV ZR 173/54, NJW 1955, 394. BGH, Urt. v. 9.1.1997 – IX ZR 1/96, ZIP 1997, 367. BGH, Urt. v. 21.3.2000 – IX ZR 138/99, ZIP 2000, 898. Vgl. BGH, Urt. v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, DB 1976, 673. BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, ZInsO, 2004, 499.

VI. Ausgewählte Verwertungsfragen § 130 InsO – Kongruente Deckung (1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, 1.

wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder

2.

wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit). (2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen. (3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahe stand (§ 138), wird vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

Kongruenz bedeutet sinngemäß die „Übereinstimmung der Leistung mit der 811 Verpflichtung“. Der Gläubiger hat einen Anspruch auf eine Leistung dieser Art zu dieser Zeit. Als Anfechtungsgegner kommen im Rahmen von § 130 InsO nur Insolvenzgläubiger in Betracht, demnach auch absonderungsberechtigte Gläubiger, soweit sie einen persönlichen Anspruch gegen den Schuldner haben.382) § 130 InsO beinhaltet zwei objektive Anfechtungsvoraussetzungen: die Zah- 812 lungsunfähigkeit und die Dreimonatsfrist. Die Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 17 InsO (Legaldefinition) muss zum Zeit- 813 punkt der Rechtshandlung vorgelegen haben. Mit einer Grundsatzentscheidung hat der BGH die Maßstäbe für das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit – in Abgrenzung zur Zahlungsstockung – durch die „3-10-Regel“ festgelegt:383) „Zahlungsunfähigkeit im Rechtssinne liegt regelmäßig jedenfalls dann vor, wenn der Schuldner 10 % oder mehr seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten länger als drei Wochen nicht erfüllen kann, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist. Beträgt die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende

___________ 382) BGH, Urt. v. 29.3.2007 – IX ZR 27/06, ZInsO 2007, 605. 383) BGH, Urt. v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, ZInsO 2005, 807.

193

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren Liquiditätslücke weniger als 10 %, liegt Zahlungsunfähigkeit nur vor, wenn bereits absehbar ist, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird.“

814 Die Dreimonatsfrist i. S. d. § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO berechnet sich nach § 139 InsO. Maßgeblich für die Fristbestimmung ist der Zeitpunkt des Eingangs des Eröffnungsantrags bei Gericht (Eingangsstempel!). Das Datum der Insolvenzeröffnung ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Der Zeitraum für Handlungen nach dem Insolvenzantrag (aber vor Insolvenzeröffnung) ist abgedeckt durch § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO.

3 Monate vor Antrag

Erfasster Zeitraum

Eröffnung

(§ 130 InsO)

815 Als subjektive Tatbestandsvoraussetzung fordert § 130 InsO die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit (bzw. bei § 130 Abs. 1 Satz Nr. 2 die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags) auf Gläubigerseite. In der Praxis erleichtert dem Insolvenzverwalter § 130 Abs. 2 InsO den Nachweis der Kenntnis, da danach dieser Kenntnis die Kenntnis von Umständen gleichsteht, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. In der Praxis geht es meist um das Zusammentragen von Indizien (E-Mail-Verkehr, Schriftwechsel etc.). Die Beweislast für die Kenntnis liegt beim Insolvenzverwalter. 816 Beispiel:384) Der Insolvenzschuldner unterbreitet allen Gläubigern vor dem Insolvenzantrag ein Vergleichsangebot, das jedoch nicht von allen Gläubigern angenommen wird. Der Gläubiger G nimmt das Angebot in modifizierter Form an und erhält neun bzw. fünf Wochen vor dem Insolvenzantrag jeweils 400,– €. 817 Kurzwürdigung: Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 17 InsO liegt vor, da der Schuldner nicht in der Lage ist, 90 % seiner Verbindlichkeiten innerhalb von drei Wochen zu regulieren. Da nicht alle Gläubiger Zahlungen erhalten, ist das objektive Tatbestandsmerkmal der Gläubigerbenachteiligung erfüllt. Die Zahlungen erfolgten innerhalb des Dreimonatszeitraums (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO). Die Gläubigerseite hatte Kenntnis vom Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, da die Informationen, die i. R. d. Sanierungsbemühungen flossen, den Schluss auf die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zulassen.

___________ 384) Sachverhalt in Anlehnung an OLG Rostock, v. 6.6.2003 – 3 U 129/03, ZVI 2003, 423.

194

VI. Ausgewählte Verwertungsfragen Praxistipp: Beispiele § 130 InsO (+) Bei Rückführung eines Darlehens, wenn die Voraussetzungen des § 130 InsO i. Ü. vorliegen.385) (+) Begleichung von begründeten und fälligen in der vereinbarten Art und Weise, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 130 InsO vorliegen. Praxistipp: Ermittlungsansätze • Evtl. Ratenzahlungen erfragen. • Kontoauszüge sichten (bei Ratenzahlungen oft „glatte Zahlen“, hier 400,– €). • Sichtung der den Anmeldeunterlagen beigefügten Forderungsaufstellungen.

Inkongruente Deckung gemäß § 131 InsO Anfechtbar nach § 131 InsO sind unter den genannten Voraussetzungen in- 818 kongruente Befriedigungen oder Sicherungen eines Gläubigers. § 131 InsO – Inkongruente Deckung (1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte, 1.

wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,

2.

wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder

3.

wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, dass sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.

(2) Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, dass sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.

Bei einer inkongruenten Befriedigung oder Sicherung erhält der Gläubiger eine 819 Leistung, die er nach dem Schuldverhältnis nicht oder nicht zu der Zeit und/ oder nicht in der Art beanspruchen konnte. Als Anfechtungsgegner kommen bei § 131 InsO auch nur Insolvenzgläubiger in Betracht.

___________ 385) Zuletzt BGH, Beschl. v. 26.6.2014 – IX ZR 130/13, ZIP 2014, 1497 m. w. N.

195

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

1 – 3 Monate vor Antrag

Erfasster Zeitraum

Eröffnung

(§ 131 InsO)

820 Nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist jede inkongruente Deckung anfechtbar, die innerhalb eines Monats vor dem Antrag oder nach diesem Antrag erfolgt ist. Weitere Voraussetzungen sind nicht gefordert. 821 § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO fordert das (objektive) Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit (o Rn. 813). Erfasst sind alle Handlungen, die innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen wurden. 822 Bei § 131 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist die Kenntnis der Gläubigerbenachteiligung aufseiten des Anfechtungsgegners Voraussetzung für die Anfechtbarkeit (subjektives Tatbestandsmerkmal). § 131 Abs. 2 Satz 1 InsO lässt für die Kenntnis der Benachteiligung der Gläubiger ausreichen, wenn der Gläubiger Tatsachen kennt, aus denen sich zweifelsfrei ergibt, dass der Schuldner seine Zahlungspflichten nicht mehr vollständig erfüllen kann (Beweiserleichterung). Der Insolvenzverwalter wird die ihm obliegende Beweisführung in dem Fall ebenfalls meist durch Indizien vornehmen. 823 Beispiel: Der Schuldner stellte am 15.8.2014 Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. Am 2.8.2014 und 18.7.2014 wurden durch das kontoführende Kreditinstitut Drittschuldnerzahlungen an einen Gläubiger geleistet. 824 Kurzwürdigung: Die Zahlungen sind anfechtbar gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da innerhalb des Monatszeitraums vor Insolvenzantragstellung eine inkongruente Befriedigung des Gläubigers stattfand. Bei Befriedigungen im Wege der Zwangsvollstreckung in „der Krise“ handelt es sich stets um inkongruente Deckungen.386) Praxistipp: Beispiele § 131 InsO (+) Bei Zahlungen an Gerichtsvollzieher/Vollziehungsbeamten, wenn der Schuldner nur noch die Wahl hat, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung zu dulden (keine Rechtshandlung des Schuldners).387) (+) Bei Zahlungen aus eingeräumter, ungekündigter Kreditlinie oder geduldeter Überziehung.388) (+) Zahlung von Lohnsteuer.389)

___________ 386) St. Rspr., exemplarisch BGH, Urt. v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, ZIP 1997, 1929; BGH, Urt. v. 20.11.2001 – IX ZR 14/97, ZInsO 2002, 125. 387) BGH, Urt. v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, ZIP 2005, 494. 388) BGH, Urt. v. 7.5.2009 – IX ZR 140/08, ZIP 2009, 1124. 389) BGH, Urt. v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, ZIP 2004, 513.

196

VI. Ausgewählte Verwertungsfragen Praxistipp: Ermittlungsansätze – Sichtung der Kontoauszüge (Drittschuldnerzahlungen sind als solche bezeichnet). – Anfrage an Kreditinstitute über vorliegende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen.

Vorsatzanfechtung, § 133 Abs. 1 InsO Gemäß § 133 Abs. 1 InsO sind Rechtshandlungen des Schuldners anfechtbar, 825 die innerhalb von zehn Jahren vor dem Insolvenzeröffnungsantrag oder nach diesem Antrag unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen Benachteiligung der Gläubiger vorgenommen wurden. § 133 InsO – Vorsätzliche Benachteiligung (1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. (2) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

10 Jahre vor Antrag

Erfasster Zeitraum

826 Eröffnung

(§ 133 InsO)

Als objektive Voraussetzungen fordert § 133 Abs. I InsO eine Rechtshand- 827 lung des Schuldners binnen einer 10-Jahresfrist. An einer solchen fehlt es beispielsweise bei einer Vollstreckungshandlung des Gläubigers, da der Schuldner dabei selbst nicht aktiv ist (handelt).390) Der Kern der Regelung ist der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz auf Schuld- 828 nerseite (subjektives Tatbestandsmerkmal). Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bedeutet, dass der Schuldner mit dem Vorsatz gehandelt haben muss, die Gläubigergesamtheit zu benachteiligen. Eine Absichtshandlung fordert § 133 Abs. 1 InsO nicht; bedingter Vorsatz genügt391). Bedingter Vorsatz ist anzu___________ 390) BGH, Urt. v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, ZIP 2005, 494. 391) BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, ZIP 2003, 1506.

197

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

nehmen, wenn der Schuldner in dem Bewusstsein handelt, dass seine Handlung gläubigerbenachteiligende Auswirkungen hat und er dies billigend in Kauf genommen hat. Auch ist ein Benachteiligungsvorsatz bereits gegeben, wenn sich der Schuldner die Benachteiligung des Gläubigers nur als möglich vorstellt, sie aber in Kauf genommen hat, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen.392) 829 Die Beweislast, dass der Gläubiger diesen Vorsatz kannte, liegt beim Verwalter. Gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO wird die Kenntnis gesetzlich vermutet, wenn der Anfechtungsgegner die drohende Zahlungsunfähigkeit kannte (s. dazu § 18 Abs. 2 InsO) und er wusste, dass die Rechtshandlung eine gläubigerbenachteiligende Wirkung hat. Diese Kenntnisvermutung greift bereits dann, wenn dem Gläubiger Umstände bekannt waren, die auf das Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit schließen lassen.393) 830 Beispiel: Elf Monate vor dem Insolvenzeröffnungsantrag zahlt der Schuldner an einen Gläubiger auf rückständige Forderungen. Zuvor hatte der Gläubiger bereits fruchtlos vollstreckt und mit der Stellung eines Insolvenzantrags gedroht. Der Schuldner selbst wollte unter allen Umständen ein Insolvenzverfahren vermeiden. 831 Kurzwürdigung: Der Schuldner hat aus der Motivation heraus gehandelt, das angedrohte Insolvenzverfahren abzuwenden. Ihm kam es nicht in erste Linie darauf an, seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Hierbei nahm er in Kauf, andere, weniger gefährliche Gläubiger nicht befriedigen zu können. Eine solche, unter dem Druck eines bevorstehenden Insolvenzantrags geleistete Zahlung ist – als inkongruente Deckung – anfechtbar nach § 133 Abs. 1 InsO (sog. „Druckzahlungen“).394) Praxistipp: Beispiele § 133 InsO (–) Wenn Schuldner nur noch die Wahl hat, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung zu dulden, ist also jede Möglichkeit eines selbstbestimmten Handelns ausgeschaltet, fehlt es an einer Rechtshandlung des Schuldners im Sinne von § 133 Abs. 1 InsO.395) (+) Bei Vornahme der Rechtshandlung oder Mitwirkung des Schuldners (Stichwort: selbstbestimmtes Handeln!): Hat sich der Gerichtsvollzieher oder Vollziehungsbeamte mit vorgeschlagenen Teilzahlungen zufriedengegeben ohne weitere Vollstreckungsmaßnahmen einzuleiten, ist die Möglichkeit zu selbstbestimmtem Handeln des Schuldners noch gegeben.396)

___________ 392) 393) 394) 395) 396)

198

BGH, Urt. v. 24.6.2003 – IX ZR 228/02, ZIP 2003, 1554. BGH, Urt. v. 13.5.2004 – IX ZR 190/03, ZIP 2004, 1512. Vgl. BGH, Urt. v. 17.7.2003 – IX ZR 272/02, ZInsO 2003, 850. BGH, Urt. v. 10.2.2005 – IX ZR 211/02, ZIP 2005, 494. BGH, Urt. v. 17.4.2008 – IX ZR 77/07, JurionRS 2007, 13818.

VI. Ausgewählte Verwertungsfragen Praxistipp: Ermittlungsansätze • Nachfrage beim Schuldner • Schriftliche Dokumentationen über die „Drohung“ der Antragstellung

Unentgeltliche Leistung, § 134 InsO Unentgeltliche Leistungen des Schuldners, die innerhalb eines Vierjahreszeit- 832 raums vor dem Insolvenzantrag vorgenommen wurden, sind gemäß § 134 InsO anfechtbar. § 134 InsO – Unentgeltliche Leistung (1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden. (2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Wertes, so ist sie nicht anfechtbar.

4 Jahre vor Antrag

Erfasster Zeitraum

Eröffnung

(§ 134 InsO)

Der Begriff der unentgeltlichen Leistung i. S. d. § 134 Abs. 1 InsO ist weit 833 zu verstehen.397) Eine unentgeltliche Leistung liegt vor, wenn ein Vermögenswert des Schuldners zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Schuldnervermögen ein entsprechender Gegenwert zufließt. Im Gegensatz hierzu liegt Entgeltlichkeit vor, wenn der Schuldner für seine Leistung etwas objektiv oder subjektiv nach dem Willen der Beteiligten Ausgleichendes erhalten hat.398) Ein „Klassiker“ sind Schenkungen i. S. v. § 518 BGB und Leistungen auf eine Nichtschuld. 834

Beispiel: Drei Jahre vor dem Insolvenzeröffnungsantrag verkauft der Schuldner seinen Oldtimer, BJ 1974 für 7.000,– € an seinen Nachbarn. Das Fahrzeug hatte der Schuldner zwei Jahre zuvor für 10.900,– € erworben und umfangreich aufbereiten lassen. Die Kfz-Werkstattkosten beliefen sich auf insgesamt 2.100,– €.

835

Kurzwürdigung: Augenscheinlich liegt hier keine unentgeltliche Leistung vor. Der Schuldner hatte einen Kaufvertrag mit seinem Nachbarn geschlossen und den Kaufpreis von 7.000,– € als Gegenleistung erhalten. Dennoch ist anzunehmen, dass das Fahr___________ 397) Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 134 Rn. 5. 398) BGH, Urt. v. 10.5.1978 – VIII ZR 32/77 = JurionRS 1978, 16589; BGH, Urt. v. 29.11.1990 – IX ZR 29/90, ZIP 1991, 35.

199

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

zeug zum Zeitpunkt der Veräußerung ca. 6.000,– € Mehrwert hatte im Verhältnis zum vereinbarten Kaufpreis von 7.000,– €. Hier liegt demnach eine teilweise unentgeltliche Leistung vor, da das Fahrzeug nicht wertentsprechend veräußert wurde. Auch diese unterliegen der Anfechtung.399) Zu prüfen ist anlassbezogen aber auch, ob das Rechtsgeschäft als Scheingeschäft ggf. nichtig ist (§ 117 Abs. 2 BGB). Praxistipp: Ermittlungsansätze • Oftmals „Zufallsfund“ (wegen langer Zeitspanne); • Information durch Gläubiger/unbeteiligte Dritte; • Prüfung von Kontoauszügen, aus denen sich Beitragszahlungen zu KfzVersicherungen, Erstattungen oder Abbuchungen von Kfz-Steuern oder der Geldfluss zum „Kaufvertrag“ entnehmen lassen.

VII. Verfahrenskosten, sonstige Masseverbindlichkeiten und die Folgen von Massearmut und Masseunzulänglichkeit 1. Verfahrenskosten (§§ 53, 54 InsO) 836 Die Kosten des Insolvenzverfahrens gehören zu den Masseverbindlichkeiten und sind vorab aus der Masse zu befriedigen (§ 53 InsO). Reicht die Insolvenzmasse nicht aus, um neben den Verfahrenskosten auch die sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO, o Rn. 886 ff.) zu bedienen, liegt Masseunzulänglichkeit vor. In diesem Fall sind – entsprechend der Rangfolge des § 209 InsO – vorrangig die Verfahrenskosten zu befriedigen. 837 Zu den Verfahrenskosten zählen gemäß § 54 Nr. 1 InsO die Gerichtskosten (o Rn. 840 ff.). Die Gerichtskosten werden vom Insolvenzgericht berechnet. Im Insolvenzverwalterbüro ist dennoch wichtig zu wissen, wie diese berechnet werden, da die Frage der Deckung der Verfahrenskosten insbesondere in den Verfahren, in denen keine Verfahrenskostenstundung gewährt wurde, ein die Verfahrensbearbeitung kontinuierlich begleitender Aspekt ist. 838 Gemäß § 54 Nr. 2 InsO sind zudem die Vergütung und Auslagen des vorläufigen Verwalters (o Rn. 851 ff.), des Insolvenzverwalters (o Rn. 866 ff.), des Sachwalters (o Rn. 879 ff.), des Treuhänders (o Rn. 873 ff.) und der Mitglieder des Gläubigerausschusses (o Rn. 885 ff.) Verfahrenskosten. Die Vergütung und Auslagen werden jeweils auf Antrag durch das Insolvenzgericht festgesetzt. Rechtsgrundlage für die Festsetzung sind die entsprechenden Normen der InsVV. 839 Ist der Schuldner mittellos, besteht die Möglichkeit, die Verfahrenskosten zu stunden (§ 4a InsO, o Rn. 190 ff.). ___________ 399) BGH, Urt. v. 2.4.1998 – IX ZR 232/96, ZIP 1998, 830.

200

VII. Verfahrenskosten und die Folgen von Massearmut

a) Gerichtskosten Zu den Verfahrenskosten zählen zunächst die Gerichtskosten (§ 1 Abs. 1 840 GKG): x

Gebühren für das Verfahren über den Eröffnungsantrag (Nr. 2310, 2311 GKG KV)

Der Insolvenzantrag löst eine halbe Gebühr aus (Eigenantrag Nr. 2310 KV, 841 Fremdantrag Nr. 2311 KV). Die Berechnungsgrundlage ist der Wert der Insolvenzmasse im Zeitpunkt der Beendigung des Antragsverfahrens, wobei Absonderungsrechte nicht berücksichtigt werden. Bei einem Gläubigerantrag ist zu beachten, dass die Berechnungsgrundlage höchstens der Nominalwert der vom Gläubiger verfolgten Forderung beträgt, jedoch eine Mindestgebühr von 180 € zu erheben ist (Nr. 2311 KV). Bei Eingang mehrerer Insolvenzanträge werden mehrere selbständige Antrags- 842 verfahren geführt, die jeweils eigenständig die Verfahrensgebühren auslösen. Mit Eröffnung des Verfahrens werden die Antragsverfahren zu allen zulässigen Anträgen miteinander verbunden (§ 4 InsO i. V. m. § 147 ZPO). Zu den Verfahrenskosten zählt nur die Gebühr, die durch den zur Eröffnung führenden Antrag ausgelöst wurde. Kostenschuldner für die übrigen Gebühren sind die jeweiligen Antragsteller, die den Erstattungsanspruch im Rang einer Insolvenzforderung zur Tabelle geltend machen können, sofern der Antrag zulässig war. x

Gebühren für die Durchführung des Verfahrens (Nr. 2320 ff., 2330 ff. GKG KV)

Die Gerichtskosten betragen bei einem Schuldnerantrag 2,5 Gebühren 843 (Nr. 2320 KV) und bei einem Gläubigerantrag 3 Gebühren (Nr. 2330 KV). Eine Anrechnung der Gebühren des Antragsverfahrens wird nicht vorgenommen. Für das Restschuldbefreiungsverfahren entsteht keine zusätzliche Gebühr. Die Gebühr für einen nachträglichen Prüfungstermin (Nr. 2340 GKG KV) 844 ist nicht zu den Verfahrenskosten zu zählen. Die Kosten in Höhe von 20 € werden gegen den Anmeldenden erhoben. Die Berechnungsgrundlage für die Gerichtskosten ist der Wert der Insolvenz- 845 masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens. Der Neuerwerb wird hinzugerechnet. Aus- oder Absonderungsrechte sind nicht in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen (§ 58 Abs. 1 GKG). Bei einer vorzeitigen Beendigung des Verfahrens reduzieren sich die Gebühren 846 in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Beendigung in unterschiedlicher Höhe.

201

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

x

Auslagen des Gerichts (Nr. 9000 ff. GKG KV)

847 Zu Auslagen zählen insbesondere die Zustellungs- und Bekanntmachungskosten (Nr. 9002, 9004 KV), die Kosten einer Vorführung des Schuldners (Nr. 9006 KV) und die Kosten des Sachverständigen (Nr. 9005 KV). b) Vergütung des Sachverständigen 848 Wird im Antragsverfahren ein Sachverständiger mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt, ist dieser besonders zu entschädigen. Dieser Anspruch besteht unabhängig davon, ob eine Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter bzw. nach Eröffnung zum Insolvenzverwalter erfolgt. Die Vergütungsansprüche sind isoliert voneinander zu beachten. 849 Der Sachverständige wird nach dem JVEG entschädigt. Eine Eingliederung erfolgt in der Regel in Honorargruppe 7 oder 8 (§ 9 JVEG). 850 Die Höhe des Stundensatzes ist insoweit gesetzlich nicht geregelt und wird von Insolvenzgericht zu Insolvenzgericht zum Teil unterschiedlich anerkannt. Wird eine Tätigkeit als isolierter Sachverständiger entfaltet, ohne parallel auch zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden zu sein, ist die Vergütung höher als bei einem Sachverständigen, der gleichzeitig als vorläufiger Insolvenzverwalter tätig wird. Die Stundensätze bewegen sich regelmäßig zwischen 60 € und 95 €. c) Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters 851 Der vorläufige Insolvenzverwalter hat gemäß § 63 Abs. 3 InsO, § 11 InsVV einen eigenständigen Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters begründet, ungeachtet einer eventuellen Personenidentität mit dem nach Eröffnung des Verfahrens bestellten Insolvenzverwalter.400) 852 Der Anspruch wird mit Beendigung der Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter fällig (Verfahrenseröffnung, die Ablehnung der Eröffnung, die Verfahrensaufhebung, die Entlassung des vorläufigen Insolvenzverwalters und dessen Tod). 853 Nicht festgesetzte Ansprüche verjähren in drei Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährungsfrist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch auf Vergütung entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Verjährung des Vergütungsanspruchs des vorläufigen Insolvenzverwalters ist bis zum Abschluss des eröffneten Insolvenzverfahrens gehemmt.401) Rechtskräftig festgesetzte Vergütungsansprüche unterliegen der dreißigjährigen Verjährung (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB). ___________ 400) BGH, Beschl. v. 14.12.2000 – IX ZB 105/00, ZIP 2001, 296. 401) BGH, Beschl. v. 22.9.2010 – IX ZB 195/09, NZI 2010, 977.

202

VII. Verfahrenskosten und die Folgen von Massearmut

Er erhält in der Regel 25 % der Vergütung des Insolvenzverwalters bezogen 854 auf das Vermögen, auf das sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt. Maßgebend für die Wertermittlung ist der Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Verwaltung oder der Zeitpunkt, ab dem der Gegenstand nicht mehr der vorläufigen Verwaltung unterliegt. Die Regelvergütung ergibt sich daher aus der Staffelvergütung des § 2 InsVV, die wiederum auf der Basis der Berechnungsgrundlage des § 1 InsVV ermittelt wird. Bei der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters sind Absonderungs- 855 rechte bei Feststellung der Berechnungsgrundlage nur zu berücksichtigen, wenn sich der vorläufige Verwalter in erheblichem Umfang, d. h. über das übliche Maß hinaus mit ihnen befasst hat (§ 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV). Die im Vergleich zu einem „Normalverfahren“ erhebliche Befassung ist in jedem Fall in dem Vergütungsantrag darzulegen. Die dortigen Ausführungen sollten nicht im Widerspruch zum Berichtswesen stehen, sondern anhand der Berichterstattung schlüssig und nachvollziehbar sein. Die Vergütung des vorläufigen Verwalters ist zu- und abschlagsfähig (§ 10 856 InsVV i. V. m. § 3 InsVV). Zuschläge erhöhen den Regelbruchteil (25 %) um den Prozentsatz, der als Zuschlag gewährt wird.402) Der zuzuschlagende Prozentsatz ist dabei ebenfalls ausgehend von der fiktiven Mindestvergütung des endgültigen Verwalters zu bestimmen.403) Beispiel: 25 % von 150.000 €

857 = 37.500 €

Zuschlag 10 % von 150.000 €

= 15.000 €

Vergütung: 25 % + Zuschlag 10 % = 35 % von 150.000 € =

52.500 €

Die in § 3 InsVV angeführten Tatbestände sind nicht abschließend. Durch die 858 Rechtsprechung wurden zahlreiche Zu- und Abschlagskriterien herausgearbeitet, die sich in sog. „Faustregeltabellen“ finden. Bei der Beantragung der Vergütungsfestsetzung können diese als Anhaltspunkte herangezogen werden, um auf dieser Basis sodann verfahrensspezifisch die Kriterien herauszuarbeiten. Eine schematische Betrachtung bietet sich nicht an.404)

___________ 402) BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – IX ZB 127/04, ZIP 2006, 672. 403) BGH, Beschl. v. 27.9.2012 – IX ZB 243/11, ZInsO 2013, 840. 404) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 607/02, NZI 2003, 603.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

Problemaufriss 859 Die Abgrenzungskriterien der entfalteten Tätigkeiten im Verhältnis zu einem „Normalverfahren“ wurden vor Inkrafttreten der Regelung des § 63 Abs. 3 InsO zu § 2 InsVV – demnach gesetzessystematisch zur Regelvergütung des Insolvenzverwalters – entwickelt. Angesichts der in § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV i. d. F. bis zum 18.7.2013405) verankerten ausdrücklichen Bezugnahme auf § 2 Abs. 1 InsVV wurde hinsichtlich der Kriterien eines Normal- bzw. Regelverfahrens auf die zum eröffneten Verfahren entwickelten quantitativen und qualitativen Merkmale verwiesen. Demnach wurden auch die Zu- und Abschlagskriterien, die für die Regelvergütung des Insolvenzverwalters galten, auf die Vergütungsfestsetzung für die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters entsprechend angewendet. Hinsichtlich der Einzelheiten zu den Zu- und Abschlagskriterien darf auf die einschlägige Fachliteratur verwiesen werden. 860 In § 63 InsO und in § 11 InsVV, jeweils i. d. F. ab dem 19.7.2013406), fehlt es an einer entsprechenden Verweisung. Ob die bis dahin im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten Kriterien (dennoch) weiterhin Anwendung finden, ist derzeit unklar. Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung verbleibt insoweit wohl abzuwarten. Eine Grundlage für die – weiterhin – entsprechende Anwendung könnte insoweit § 10 InsVV bieten, der als Generalverweisung auch die §§ 2, 3 InsVV mit erfasst. Jedenfalls ergeben sich aus den §§ 11 ff. InsVV keine Anhaltspunkte für die Nicht-Anwendbarkeit auch der Regelungen zu den Zu- und Abschlagsfaktoren. Rechtsprechung zur Neufassung der Vergütungsvorschriften existiert, soweit ersichtlich, bislang aber noch nicht. 861 Haarmeyer/Mock plädieren dafür, dass quantitative Zuschläge faktisch ausgeschlossen seien, da die als Berechnungsgrundlage heranzuziehende „Gesamtvermögensmasse“ der Unternehmensstruktur bereits Rechnung trage.407) Erhöhungen seien indes nur darstellbar über eine „Variierung des Regelsatzes“.408) 862 Für qualitativ bedingte Zuschlagskriterien bleibe insoweit Raum, als Erschwernisse auf die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters erheblich belastende Auswirkungen hatten und denen insoweit nicht bereits Rechnung getragen werde über eine hohe/höhere Berechnungsgrundlage.409) Ob sich diese Ansicht durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls aber ist die Zuschlagsfähigkeit vom Verwalter einzelfallbezogen und konkret vorzutragen. 863 Auch der vorläufige Insolvenzverwalter hat Anspruch auf eine Mindestvergütung. Diese beträgt in Abhängigkeit von der Gläubigeranzahl mindestens ___________ 405) Siehe Art. 5 Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I S. 2379 m. W. v. 19. Juli 2013. 406) Siehe Art. 5 Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I S. 2379 m. W. v. 19. Juli 2013. 407) Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 11 Rn. 42 ff. 408) Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 11 Rn. 43, 104 ff. 409) Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 11 Rn. 108.

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VII. Verfahrenskosten und die Folgen von Massearmut

1000 € und erhöht sich von 11 bis zu 30 Gläubigern für je angefangene 5 Gläubiger um 150 € bzw. ab 31 Gläubiger für je angefangene 5 Gläubiger um 100 €. Anmeldende Gläubiger (vgl. § 2 Abs. 2 InsVV) existieren im vorläufigen Verfahren noch nicht, da eine Forderungsanmeldung erst ab Eröffnung möglich ist. Einzubeziehen sind daher alle Gläubiger, denen nach den Unterlagen des Schuldners die Forderung zusteht und mit deren Anmeldung zu rechnen ist.410) Der vorläufige Verwalter hat Anspruch auf Ersatz angemessener Auslagen 864 (§ 10 InsVV i. V. m. § 8 Abs. 3 InsVV). Bei Übertragung des Zustellwesens sind diese Auslagen besonders zu erstatten.411) Für den Fall der Abweisung oder Rücknahme eines Antrags ist zu beachten, 865 dass die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht zu den Verfahrenskosten zählt, also nicht vom Antragsteller zu tragen ist.412) d) Die Vergütung des Insolvenzverwalters Der Insolvenzverwalter hat Anspruch auf eine angemessene Vergütung (§ 63 866 Abs. 1 InsO). Die Festsetzung erfolgt durch das Insolvenzgericht (§ 64 InsO). Die Vergütung ist, ausgehend von einem durchschnittlichen Insolvenzver- 867 fahren („Regelverfahren“) charakterisiert durch eine vom Wert der Insolvenzmasse abhängige Vergütung. Diese ist als degressive Staffelvergütung ausgestaltet (§ 2 InsVV). Mit steigender Höhe der Insolvenzmasse verringert sich der prozentual bemessene Vergütungsanteil von 40 % bis auf 0,5 %. Die Berechnungsgrundlage bildet die Insolvenzmasse, die sich regelmäßig 868 aus der Schlussrechnung des Verwalters ergibt (§ 1 InsVV). Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 InsVV werden Aus- und Absonderungsrechte in Höhe des Wertes, mit dem sie abgefunden wurden, vom Sachwert der Gegenstände abgezogen, auf die sich diese Rechte erstreckten. Soweit Massegegenstände mit Absonderungsrechten belastet sind, werden diese gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV berücksichtigt, wenn sie durch den Verwalter verwertet werden. Der Mehrbetrag der Vergütung, der auf diese Gegenstände entfällt, darf jedoch 50 % des Betrages nicht übersteigen, der für die Kosten ihrer Feststellung in die Masse geflossen ist. Im Übrigen werden die mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände nur insoweit berücksichtigt, als aus ihnen der Masse ein Überschuss zusteht. Je nach Umfang der Tätigkeit kann ein Zu- oder Abschlag gewährt werden 869 (§ 3 InsVV). Die Festsetzungskriterien sind anhand des Einzelfalles verfahrensspezifisch zu prüfen; § 3 InsVV enthält keine abschließende Aufführung. Zahlreiche Zu- und Abschlagskriterien wurden im Wege der Rechtsfortbil___________ 410) BGH, Beschl. v. 4.2.2010 – IX ZB 129/08, ZInsO 2010, 493. 411) BGH, Beschl. v. 21.11.2006 – IX ZB 129/05, NZI 2007, 244. 412) BGH, Beschl. v. 26.1.2006 – IX ZB 231/04, NZI 2006, 239.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

dung definiert, die bei der Beantragung der Vergütungsfestsetzung als Anhaltspunkte herangezogen werden können. Eine verfahrensspezifische Argumentation wird dadurch jedoch nicht entbehrlich. Hinsichtlich der Besonderheiten darf auf die einschlägige Fachliteratur zum Thema „Vergütung“ verwiesen werden. 870 Wird eine geringe Masse verwaltet, kann der Insolvenzverwalter eine Mindestvergütung beantragen, die sich nach der Kopfzahl der anmeldenden Gläubiger, nicht nach der Zahl der angemeldeten Forderungen richtet (§ 2 Abs. 2 InsVV). In Abhängigkeit von der Anzahl der Anmeldenden beträgt die Mindestvergütung 1.000 € und erhöht sich von 11 bis zu 30 Gläubigern für je angefangene 5 Gläubiger um 150 € bzw. ab 31 Gläubiger für je angefangene 5 Gläubiger um 100 €. In Verbraucherinsolvenzverfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 ermäßigt sich die Mindestvergütung auf 800 €, wenn in einem Verfahren die Unterlagen nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt werden. 871 In den Verfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014, in denen nach Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens die Aufgaben des Insolvenzverwalters durch den Treuhänder (§ 313 InsO) wahrgenommen werden, hat dieser einen eigenen Vergütungsanspruch. Dieser beträgt gemäß § 13 InsVV a. F. 15 % der verwalteten Masse, mindestens jedoch 600 €. Die Mindestvergütung erhöht sich gemäß § 13 Abs. 2 InsVV a. F. je nach Anzahl der anmeldenden Gläubiger um 150 € bzw. 100 €. 872 Ist dem Insolvenzverwalter das Zustellwesen übertragen (vgl. § 8 Abs. 3 InsO), können die hierfür entstandenen Auslagen zusätzlich zu den Auslagen/der Auslagenpauschale (§ 8 InsVV) in Ansatz gebracht werden. e) Die Vergütung des Treuhänders (§ 292 InsO) 873 Der Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode (§ 292 InsO) hat einen eigenen Vergütungsanspruch. Das Amt ist unabhängig von dem des Insolvenzverwalters im eröffneten Verfahren. Obwohl in der Praxis meist dieselbe Person bestellt wird, ist dies nicht zwingend vorgeschrieben. Zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Treuhänder muss keine Personenidentität bestehen. 874 Die Vergütung des Treuhänders berechnet sich nach § 14 InsVV. Auch für diesen Verfahrensabschnitt wird die Vergütung als Staffelvergütung (5 – 1 % von der verwalteten Masse) gewährt. 875 Wird in der Wohlverhaltensphase kein pfändbares Einkommen einbehalten und/oder die Hälfte des von Todes wegen erhaltenen Vermögens an den Treuhänder geleistet oder ist die verwaltete Vermögensmasse wertmäßig zu gering, hat der Treuhänder einen Mindestvergütungsanspruch, der gemäß § 14 Abs. 2 InsVV 100 € pro Jahr der Tätigkeit beträgt. Verteilt der Treuhänder im Rahmen des jährlichen Ausschüttungen an mehr als 5 Gläubiger, erhöht sich die Vergütung für je angefangene 5 Gläubiger um jeweils 50 €.

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VII. Verfahrenskosten und die Folgen von Massearmut

Auslagen können lediglich in Höhe des tatsächlichen Anfalls in Ansatz ge- 876 bracht werden (§ 16 Abs. 1 Satz 3 InsO). Hält der Treuhänder einen Auftrag zur Überwachung der Obliegenheiten 877 des Schuldners (§ 292 Abs. 2 InsO), kann er hierfür zusätzlich Vergütung verlangen (§ 15 InsVV). Diese beläuft sich auf 35 €/Std., höchsten jedoch besteht ein Anspruch in Höhe der Vergütung gemäß § 14 InsVV. Eine abweichende Regelung durch die Gläubigerversammlung ist jedoch möglich. Auch kann der Treuhänder von der Gläubigerversammlung einen Vorschuss zur Abdeckung seiner Vergütung verlangen § 15 Abs. 2 Satz 2 InsVV). Die Festsetzung der Vergütung ist Aufgabe des Insolvenzgerichts bei Been- 878 digung des Amts (§ 16 Abs. 1 InsVV). Es besteht die Möglichkeit der Vorschussentnahme aus den vereinnahmten Beträgen (§ 16 Abs. 2 InsVV). Die Rechnung ist, erfolgt die Erstattung im Fall der Verfahrenskostenstundung auch für den Abschnitt der Wohlverhaltensperiode aus der Staatskasse, mit dem jährlichen Ausschüttungsbericht beim Insolvenzgericht zwecks Zahlung aus der Staatskasse einzureichen. Sind die Verfahrenskosten für die Restschuldbefreiungsphase nicht gestundet und auch nicht aus den verwalteten Einnahmen gedeckt, besteht ein Anspruch gegen den Insolvenzschuldner. Leistet dieser nicht, kann der Treuhänder einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellten (§ 298 InsO). f) Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters und des Sachwalters Vergütung des Sachwalters im eröffneten Verfahren Die Vergütung des Sachwalters im eröffneten Verfahren ist in § 12 Abs. 1 879 InsVV geregelt und beträgt in der Regel 60 % der Vergütung des Insolvenzverwalters (§ 2 Abs. 1 InsVV). Gemäß § 10 InsVV sind für die Festsetzung die Regelungen der §§ 1 – 9 880 InsVV entsprechend anwendbar. Die Vergütung bestimmt sich demnach nach dem Wert der Insolvenzmasse z. Zt. der Schlussrechnung (Berechnungsgrundlage). §§ 10 Abs. 1, 1 Abs. 2 InsVV ist dagegen nicht anwendbar, da die Verwertung nicht zu den Aufgaben eines Sachwalters gehört.413) Unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 InsVV ist die Vergütung eines 881 Zuschlags fähig. Zuschläge nach §§ 10 Abs. 1, 3 InsVV sind dagegen nur bei einer Tätigkeitsentfaltung möglich, die in massiv erhöhten Ausmaß anfällt.414) Wird ein Zu- oder auch Abschlag gewährt, bezieht sich dieser stets auf den 60 %igen Bruchteil der Vergütung.415)

___________ 413) Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 12 Rn. 5. 414) Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 12 Rn. 8. 415) Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 12 Rn. 12.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

Vergütung des vorläufigen Sachwalters im Eröffnungsverfahren 882 Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters ist gesetzlich weder in der Insolvenzordnung (InsO) noch in der insolvenzrechtlichen Vergütungsordnung (InsVV) geregelt. 883 Die Höhe der Vergütung ist daher im Wege der Rechtsfortbildung zu definieren. Die wohl zwischenzeitlich überwiegende Meinung geht davon aus, dass die Vergütung des vorläufigen Sachwalters 25 % der 60 %igen Regelvergütung beträgt.416) Eine gesetzliche Grundlage wäre wünschenswert, aber auch dringend angezeigt. 884 Berechnungsgrundlage ist das z. Zt. der Beendigung der vorläufigen Sachwaltung vorhandene Schuldnervermögen; Aus- und Absonderungsrechte fließen nicht mit ein.417) Auch eine Zuschlagsfähigkeit wird überwiegend abgelehnt.418) g) Die Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses 885 Die Mitglieder des Gläubigerausschusses erhalten für ihre Tätigkeit eine Vergütung (§ 73 InsO, §§ 17, 18 InsVV). Regelmäßig werden der Zeitaufwand und der Umfang der Tätigkeit durch Gewährung von Stundensätzen honoriert. Die Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses beträgt regelmäßig zwischen 35 € und 95 € je Stunde. Dies gilt über § 21 Abs. 2 Ziff. 1a InsO auch für Mitglieder im vorläufigen Gläubigerausschuss. 2. Sonstige Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) 886 Zu den Masseverbindlichkeiten zählen auch die in § 55 InsO angeführten Positionen. Voraussetzung ist, dass die Masseverbindlichkeiten nach Eröffnung entstanden sind. Daneben ergeben sich weitere im Rang einer Masseverbindlichkeit zu regulierende Forderungen: x

Unterhaltsansprüche (§§ 100, 101 InsO),

x

Notgeschäftsführung (§§ 115, 118 InsO),

x

Verbindlichkeiten aus einem Sozialplan (§ 123 Abs. 2 Satz 1 InsO),

x

Kosten des Antragstellers bei Betriebsveräußerung unter Wert (§ 163 Abs. 2 InsO),

x

Zinsansprüche absonderungsberechtigter Gläubiger (§ 169 InsO),

___________ 416) LG Bonn, Beschl. v. 11.10.2013 – 6 T 184/13, ZIP 2014, 694; AG Essen, Beschl. v. 17.1.2014 – 164 T 135/13, NZI 2014, 271 = ZIP 2014, 839 (Ls.); AG Köln, Beschl. v. 13.11.2012 – 71 IN 109/12, ZIP 2013, 426; Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 12 Rn. 21 m. w. N. 417) Haarmeyer/Mock, § Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), 12 Rn. 21 m. w. N. 418) Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 12 Rn. 21 m. w. N.

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VII. Verfahrenskosten und die Folgen von Massearmut

x

Wertverlustausgleichsanspruch bei der Weiternutzung von Absonderungsgut (§ 172 InsO),

x

Kosten eines Feststellungsrechtsstreits (§ 183 Abs. 3 InsO),

x

Verschiedene Ansprüche bei Nachlassinsolvenzen (§ 324 InsO).

Masseverbindlichkeiten resultieren aus nach Eröffnung vorgenommenen Hand- 887 lungen des Insolvenzverwalters (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO). Zu den in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung begründeten Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO) zählen solche Verbindlichkeiten, die aufgrund gesetzlicher Regelungen zulasten der Masse werden (oktroyierte Verbindlichkeiten). Insbesondere sind hierunter Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und öffentlich-rechtliche Abgabenforderungen zu fassen, soweit diese nach Eröffnung entstanden sind. Zu beachten ist beim Einzug von Forderungen durch den Insolvenzverwalter 888 für vor Insolvenzeröffnung erbrachte Leistungen, dass die Entgeltvereinnahmung nicht nur bei der Ist-, sondern auch bei der Sollbesteuerung eine Masseverbindlichkeit (Umsatzsteuerforderung) begründet.419) Die BFHRechtsprechung vom 9.12.2010 erhebt damit eine grundsätzlich als Insolvenzforderung einzuordnende Insolvenzforderung in den Rang einer Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Bei der Verwertung eines Grundstücks erhält der Verwalter statt der Kos- 889 tenpauschale (§§ 170, 171 InsO sind nicht anwendbar) regelmäßig einen frei ausgehandelten Kostenbeitrag. Die Verwertung erfolgt, folgt man dem BFH und dem BMF aufgrund einer Geschäftsbesorgungsvereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem absonderungsberechtigten Grundpfandrechtsgläubiger. Der Insolvenzverwalter erbringt damit eine steuerbare Leistung mit der Folge, dass auf die Massekostenbeiträge Umsatzsteuer zu erheben und im Rang einer Masseverbindlichkeit abzuführen ist.420) Gleiches gilt für die Durchführung der „kalten“ Zwangsverwaltung; auch hier ist der Kostenbeitrag steuerbar.421) Verwertet der Verwalter bewegliches Absonderungsgut im Namen der Masse, 890 nimmt das BMF einen sog. „Dreifachumsatz“ an.

___________ 419) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, BStBl II 2011 S. 996 sowie hierzu BMF-Schreiben v. 9.12.2011 – IV D 2 – S 7330/09/10001:001. 420) UStAE Abschn. 1.2 Abs. 4 Satz 2, 3 n. F. = BFH, Urt. v. 18.8.2005 – V R 31/04, ZIP 2005, 2119 = BStBl. II 2007, 183; BMF-Schreiben v. 30.4.2014 – IV D 2 – S 7100/07/10037 DOK 2014/0332437, NZI 2014, 600. 421) UStAE Abschn. 1.2 Abs. 4 Satz 4 n. F.) = BFH, Urt. v. 28.7.2011 – V R 28/09, ZInsO 2011, 1904 = BStBl. II 2014, 406; BMF-Schreiben v. 30.4.2014 – IV D 2 – S 7100/07/10037 DOK 2014/0332437, NZI 2014, 600.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

Der Dreifachumsatz422) lässt sich wie folgt darstellen: x

Lieferung Masse an Sicherungsnehmer,

x

Lieferung Sicherungsnehmer an Masse,

x

Lieferung Masse an Erwerber.

Erforderlich sind daher die Ausstellung einer Rechnung der Masse an den Absonderungsberechtigten sowie eine gleichlautende Gutschrift. 891 Beispiel: Abrechnung gegenüber dem Absonderungsberechtigten423) 23.800,00 Brutto-Verwertungserlös ./. 3.800,00 an die Masse zu zahlende Umsatzsteuer gemäß § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO ./. 952,00 4 % Feststellungskostenbeitrag ./. 1.000,00 tatsächliche Verwertungskosten = 18.048,00 Schuldentilgung bei Sicherungsnehmer 3.429,12 19 % USt. 21.477,12 Brutto-Entgelt 892 Der Sicherungsnehmer erhält also denselben Betrag wie vorher, nur, dass eine zusätzliche Rechnung plus eine Gutschrift erforderlich werden (Papierkram). In dem Fall wird also vom BMF keine (isolierte) Erhebung von Umsatzsteuer (nur) auf den gesetzlichen Verwertungskostenbeitrag angenommen.424) 893 Masseverbindlichkeiten ergeben sich auch aus gegenseitigen Verträgen (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung gegenseitiger Verträge (§§ 103 ff. InsO) oder ist gesetzlich vorgeschrieben, dass Verträge nach Eröffnung (ggf. für eine bestimmte Zeit) bestehen bleiben (vgl. z. B. zum Mietverhältnis § 109 Abs. 1 InsO), sind die daraus resultierenden Verpflichtungen aus der Masse zu erfüllen. 894 Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) sind ebenfalls als Masseverbindlichkeiten zu regulieren (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO). 895 Verbindlichkeiten, die der starke vorläufige Verwalter im Antragsverfahren begründet, werden mit Eröffnung gesetzlich zu einer Masseverbindlichkeit aufgewertet (§ 55 Abs. 2 InsO). Wurde ein schwacher vorläufiger Insol___________ 422) Statt bisher Einfachumsatz: Masse an Erwerber. 423) Beispiel entnommen aus BMF-Schreiben v. 30.4.2014 – IV D 2 – S 7100/07/10037 DOK 2014/0332437, NZI 2014, 600. 424) Entgegen BFH, Urt. v. 28.7.2011 – V R 28/09, ZInsO 2011, 1904 = BStBl. II 2014, 406 (ergänzendes obiter dictum).

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VII. Verfahrenskosten und die Folgen von Massearmut

venzverwalter bestellt, können durch ihn nur Masseverbindlichkeiten begründet werden, wenn das Gericht eine dahingehende einzelfallbezogene Einzelermächtigung ausgesprochen hat. In § 55 Abs. 4 InsO findet sich eine landläufig als „Fiskusprivileg“ bezeich- 896 nete Regelung, die bestimmt, dass Verbindlichkeiten des Insolvenzverwalters aus dem Steuerschuldverhältnis für Verfahren, die ab dem 1.1.2011 beantragt werden,425) nach Eröffnung zu Masseverbindlichkeiten aufgewertet werden. 3. Massearmut Voraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist grundsätzlich 897 die Deckung der Verfahrenskosten. Stellt sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens heraus, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um diese Kosten des Verfahrens (o Rn. 836 ff.) zu decken, ist Massearmut eingetreten. Das Insolvenzgericht stellt das Verfahren nach § 207 InsO ein. Die Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen Massearmut erfolgt von Amts wegen durch das Insolvenzgericht, das die Ausführungen des Verwalters zur Massearmut überprüft. Die gilt nicht, wenn die Kosten des Insolvenzverfahrens gemäß § 4a InsO 898 gestundet sind (o Rn. 190 ff.). Wird die Bewilligung der Verfahrenskostenstundung aufgehoben (§ 4c InsO) 899 und sind die Verfahrenskosten nicht gedeckt, erfolgt ebenfalls eine Einstellung gemäß § 207 InsO. Dem Schuldner wird regelmäßig Gelegenheit eingeräumt, den nicht gedeckten Fehlbetrag der Verfahrenskosten einzuzahlen. Kann (oder will) er dies nicht darstellen, ist ihm der Weg zu Erteilung der Restschuldbefreiung versperrt; eine Einstellung gemäß § 207 InsO schließt die Erteilung der Restschuldbefreiung aus.426) 4. Masseunzulänglichkeit Von der Massearmut zu unterscheiden ist die Masseunzulänglichkeit. Hier 900 sind zwar die Kosten des Verfahrens, nicht aber die fälligen Masseverbindlichkeiten gedeckt (§ 208 InsO). Das Vorliegen der Masseunzulänglichkeit muss der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht anzeigen. Die Beurteilung, ob eine Masseunzulänglichkeit bereits eingetreten ist oder einzutreten droht, obliegt demnach dem Insolvenzverwalter. Die Bestimmung der (drohenden) Masseunzulänglichkeit basiert – je nach 901 Verfahrensstadium – auf prognostischen Werten hinsichtlich der noch zu

___________ 425) BMF-Schreiben v. 17.1.2012 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 – 2012/0042691, BStBl I S. 83. 426) AG Flensburg, Beschl. v. 26.7.2011 – 56 IN 201/11, JurionRS 2011, 23981.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

realisierenden freie Masse, die zusammen mit der bereits erlösten Masse höher sein muss als die gesamten Massekosten zzgl. der sonstigen Masseverbindlichkeiten. Ist die Masse kleiner, liegt Masseunzulänglichkeit vor. Praxistipp: Masseunzulänglichkeit Masseunzulänglichkeit = (Erlöste Masse + zu realisierende freie Masse) < (Massekosten + sonstige Masseverbindlichkeiten)

902 Das Insolvenzgericht hat die Anzeige der Masseunzulänglichkeit öffentlich bekanntzumachen (§ 208 Abs. 2 InsO). Die Anzeige ist darüber hinaus sämtlichen Massegläubigern gemäß § 208 Abs. 2 Satz 2 InsO gesondert zuzustellen. Das dahingehende Zustellwesen wird regelmäßig auf den Insolvenzverwalter übertragen. So erhalten die Gläubiger frühzeitig Informationen darüber, dass die Masseverbindlichkeiten nicht vollständig beglichen werden können. In Anbetracht der Befriedigungsreihenfolge bei Masseunzulänglichkeit können die Gläubiger nach dem aktuellen Stand des Verfahrens sodann nicht mit eine Befriedigung der zur Insolvenztabelle angemeldeten Insolvenzforderungen rechnen. Praxistipp: Befriedigungsreihenfolge § 209 InsO 1. Kosten des Insolvenzverfahrens. 2. Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind (Neumasseverbindlichkeiten), ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören. 3. Die übrigen Masseverbindlichkeiten (Altmasseverbindlichkeiten), unter diesen zuletzt der nach den §§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 InsO bewilligte Unterhalt.

VIII. Forderungsanmeldung und Insolvenztabelle 1. Insolvenzforderungen und Forderungsanmeldungen 903 Gläubiger, denen z. Zt. der Eröffnung ein Vermögensanspruch gegen den Insolvenzschuldner zusteht (Insolvenzgläubiger, § 38 InsO), können diese Forderung nur noch nach den insolvenzrechtlichen Bestimmungen weiter verfolgen (§ 87 InsO). Die Beitreibung im Wege der Einzelzwangsvollstreckung ist ab der Eröffnung unzulässig (§ 89 InsO). 904 Die Geltendmachung des Anspruchs erfolgt durch schriftliche Anmeldung der Forderung beim Insolvenzverwalter (§ 174 Abs. 1 Satz 1 InsO). Mit Eröffnung des Verfahrens bestimmt das Insolvenzgericht eine Anmeldefrist (§ 28 Abs. 1 InsO). Es handelt sich hierbei nicht um eine Ausschlussfrist, d. h. Forderungen können auch nach Ablauf dieser Frist noch zur Tabelle angemeldet werden. Eine Prüfung der verspäteten Anmeldungen erfolgt so-

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VIII. Forderungsanmeldung und Insolvenztabelle

dann in einem für die Gläubiger kostenpflichten weiteren Prüfungstermin (Nachprüfungstermin, § 177 InsO). Dem Insolvenzverwalter obliegt die Tabellenführung und die Forderungs- 905 prüfung (§§ 174, 175 InsO). Nach Eröffnung stellt er den Eröffnungsbeschluss an die Gläubiger zu (vgl. § 8 Abs. 3 InsO) und fordert die Gläubiger gleichzeitig auf, ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden. Damit der Insolvenzverwalter die Forderungsprüfung vornehmen kann, sind 906 bei der Anmeldung der Betrag sowie Grund der Forderung (Lieferung und Leistung, Miete, Darlehen, Schadensersatz etc.) anzugeben und Unterlagen, die geeignet sind, den Bestand der Forderung nachzuweisen, beizubringen (Titel. Rechnungen, Lieferscheine, Forderungsberechnung, Kostennachweise etc.). Die Forderungen sind in inländischer Währung geltend zu machen; ausländische Währungen sind nach dem Kurswert z. Zt. der Verfahrenseröffnung in inländische Währung umzurechnen (§ 45 InsO). Zinsansprüche sind unter Angabe von Zinssatz und Zeitraum auszurechnen; die Zinsberechnung ist nicht Aufgabe des Verwalters. Zinsen können grundsätzlich nur für die Zeit bis zum Eröffnungsstichtag zur Insolvenztabelle geltend gemacht werden. Zudem sind Tatsachen vorzutragen, aus denen sich nach Einschätzung des 907 Gläubigers ergibt, dass der Forderung eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung, eine vorsätzliche pflichtwidrige Verletzung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht oder eine Steuerstraftat des Schuldners nach den §§ 370, 373, 374 AO zugrunde liegt (§ 174 Abs. 2 InsO). In diesem Fall ergeht seitens des Gerichts eine Widerspruchsbelehrung an den Schuldner (§ 175 Abs. 2 InsO). Haben Gläubiger vorgetragen, die Forderung stamme aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, so hat der Schuldner im Widerspruch zusätzlich anzugeben, ob dieser Vortrag bestritten wird (eigenes Widerspruchsrecht nur im Hinblick auf den Deliktscharakter). Gläubiger, die abgesonderte Befriedigung an einem Sicherungsgut beanspru- 908 chen (o Rn. 519 ff.) können, sind Insolvenzgläubiger, soweit ihnen der Schuldner auch persönlich haftet (§ 52 InsO). Die persönliche Forderung können sie zur Insolvenztabelle anmelden, soweit diese ungesichert ist. Die Forderungsanmeldung kann auf amtlichen Vordrucken, die vom Landes- 909 ministerium zum Download bereitgestellt werden, vorgenommen werden. Die Anmeldungen sind in zweifacher Ausfertigung vorzunehmen. Eine Ausfertigung verbleibt in den Unterlagen des Insolvenzverwalters, eine Anmeldung ist zur Niederlegungsfrist (§ 175 Abs. 1 Satz 2 InsO) an das Insolvenzgericht zu senden und vom Gericht zur Einsichtnahme der Beteiligten niederzulegen. Die Niederlegungs- oder auch Drittelfrist ist der Zeitraum zwischen dem Ablauf der Anmeldefrist (§ 28 Abs. 1 InsO) und dem Prüfungstermin (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Auch diese Frist ergibt sich aus dem Eröffnungsbeschluss. Das Gericht bestimmt den Termin, indem der Zeitraum zwischen dem Ablauf der Anmeldefrist und dem Prüfungstermin in Tagen oder Wochen ausgerechnet und „durch drei“ geteilt wird; der letzte Tag des ersten Drittels 213

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

ist der Fristablauf für die Vorlage der ungeprüften Insolvenztabelle. Die Prüfung der Forderung wird vom Verwalter vorbereitet, aber erst im Prüfungstermin (o Rn. 910 ff.) vorgenommen. Die geprüfte Tabelle sollte ca. 3 – 7 Tage vor dem Prüfungstermin beim Insolvenzgericht vorliegen; evtl. gerichtsspezifische Besonderheiten gilt es jedoch zu beachten. So kann es sein, dass in der Praxis die beiden Arbeitsschritte „Übersendung der ungeprüften Tabelle“ und „Übersendung der geprüften Tabelle“ in einem Schritt zusammengefasst werden und die geprüfte Tabelle gemeinsam mit den Unterlagen zu den Forderungsanmeldungen bereits zur Niederlegungsfrist an das Gericht übersandt wird. 2. Der Prüfungstermin 910 Die Prüfung der Forderungen erfolgt im Prüfungstermin, der im Verbraucherinsolvenzverfahren regelmäßig im schriftlichen Verfahren durchgeführt wird. Der Prüfungstermin wird im Eröffnungsbeschluss bestimmt und kann mit dem Berichtstermin verbunden werden. 911 Die Prüfung der Forderung erfolgt in der Praxis vorbereitend zum Prüfungstermin. Erst mit Abhaltung des Prüfungstermins ist die Forderung des Gläubigers jedoch bestandskräftig geprüft. Als Prüfungsleitfaden empfiehlt sich folgendes Vorgehen: Praxistipp: Prüfungsleitfaden Tabelle 1. Vollständige Gläubigerbezeichnung • Name/korrekte Firma und Anschrift des Gläubigers • ggf. gesetzlicher Vertreter (Geschäftsführer, Vorstand, Eltern, Betreuer etc.) • Aktenzeichen 2. Verfahrensbevollmächtigter (Rechtsanwalt, Inkasso, sonst. Dritte) Eine gesonderte Vollmacht ist bei einer Anmeldung durch einen Rechtsanwalt entbehrlich (vgl. § 4 InsO i. V. m. § 88 Abs. 2 ZPO), muss aber für Quotenausschüttung als Geldempfangsvollmacht vorliegen. 3. Datum der Anmeldung Eingangsdatum (Eingangsstempel!) 4. Forderungsart (Warenlieferung, Dienstleistung, Arbeitsentgelt, Sozialversicherungsbeiträge, Steuern, Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, …) 5. Belege • Belegen die der Anmeldung beigefügten Unterlagen die geltend gemachte Forderung? • Schlüssigkeit (z. B. stimmen Rechnungsbeträge mit Anmeldeforderung überein?)

214

VIII. Forderungsanmeldung und Insolvenztabelle • Namensidentität (Schuldner und Gläubiger)? • ggf. Forderungsberechnung (insbesondere, wenn Teilzahlungen erfolgt sind) • Vergleich mit Kreditorenliste des Schuldners 6. Mögliche Verjährung Die Einrede der Verjährung gemäß § 214 BGB muss durch den Insolvenzverwalter erhoben werden (Bestreiten der Forderung) 7. Zinsansprüche • Zeitraum der Zinsberechnung • Zinshöhe • Zinsbescheinigung • Verjährung der Zinsansprüche (§§ 195, 197 Abs. 2 BGB) 8. Nebenforderungen Belege für Nebenforderung (z. B. Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung etc.) 9. Absonderungsrechte 10. Rechtsstreitigkeiten Ggf. ist zu prüfen, ob beim erkennenden Gericht die Unterbrechung des Rechtsstreites nach § 240 ZPO bereits beachtet wurde. 11. Vollstreckungstitel 12. Deliktsforderung = Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung Gesonderte Kennzeichnung, § 174 Abs. 2 InsO

Bei der Prüfung der Forderungen gibt es im Wesentlichen folgende Prüfungs- 912 ergebnisse: x

(Uneingeschränkte) Feststellung der Forderung

Ist die Forderung begründet, wird diese zur Insolvenztabelle festgestellt. 913 Nur festgestellte Forderungen nehmen an einer evtl. Schlussverteilung (o Rn. 1078 ff.) teil. Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (§ 178 Abs. 3 InsO). Wird eine Forderung nicht oder nur vom Schuldner bestritten, so gilt sie für 914 das weitere Insolvenzverfahren entsprechend der Anmeldung als festgestellt (§ 178 InsO). Bei angeordneter Eigenverwaltung verhindert auch der Widerspruch des Schuldners die Feststellung der Forderung (§ 283 Abs. 1 Satz 2 InsO).

215

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

x

Feststellung der Forderungen auf den Ausfall

915 Erhebt ein Absonderungsberechtigter auch persönliche Forderungen gegen den Schuldner, ist er zur anteilsmäßigen Befriedigung aus der Insolvenzmasse (Quote) jedoch nur berechtigt, soweit er auf eine abgesonderte Befriedigung verzichtet hat oder bei ihr ausgefallen ist (§ 52 InsO). Hat der absonderungsberechtigte Gläubiger noch keine Befriedigung aus der Verwertung des Absonderungsgutes erhalten, wird seine persönliche, zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung „auf den Ausfall“ festgestellt. Eine uneingeschränkte Feststellung der Forderung erfolgt nach Abgeltung des Absonderungsrechts durch Erlösauskehr noch in Höhe des endgültigen Ausfalls. x

Bestreiten der Forderung

916 Der Insolvenzverwalter bestreitet eine Forderung, wenn die Prüfung ergibt, dass die Forderung in der angemeldeten Höhe oder in dem Rang nicht besteht, die Forderung unbegründet oder verjährt oder auch nicht ausreichend belegt ist (z. B. keine Belege, Verjährung, Pauschalanmeldung, Zinsaufstellung fehlt, etc.). Auch das Bestreiten nur eines Teilbetrags der Forderung ist möglich. 917 Zum Bestreiten einer angemeldeten Forderung ist neben dem Insolvenzverwalter auch der Schuldner sowie jeder Insolvenzgläubiger berechtigt (jeweils selbstständiges Recht). Das Gericht informiert allerdings nach der Forderungsprüfung nur diejenigen Gläubigerinnen und Gläubiger, deren Forderungen ganz oder teilweise bestritten worden sind. Ihnen erteilt das Insolvenzgericht von Amts wegen einen Auszug aus der Insolvenztabelle, aus dem das Ergebnis der Prüfung hervorgeht. 918 Das Insolvenzgericht wird im Termin lediglich die abgegebenen Erklärungen beurkunden nicht aber darüber entscheiden, ob ein Widerspruch begründet ist. Hat der Schuldner im Prüfungstermin oder im schriftlichen Verfahren eine Forderung bestritten, so kann der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so kann der Gläubiger diesen Rechtsstreit gegen den Schuldner aufnehmen (§ 184 Abs. 1 InsO). 919 Liegt für die Forderung bereits ein vollstreckbarer Schuldtitel vor (z. B. Urteil, notarielle Urkunde, unanfechtbarer Steuerbescheid u. Ä.), muss der Bestreitende den Widerspruch mit den allgemein zulässigen rechtlichen Mitteln weiterverfolgen. 920 Ist die Forderung nicht tituliert, obliegt es dem Gläubiger, die Feststellung der Forderung auf dem hierfür allgemein vorgesehenen Rechtsweg zu betreiben. Ein Insolvenzgläubiger hat spätestens innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung gegenüber dem Insolvenzverwalter nachzuweisen, dass und für welchen Betrag die Feststellungsklage erhoben oder das Verfahren in dem früher anhängigen Rechtsstreit aufgenommen ist (§ 189 InsO). Wird der Nachweis rechtzeitig geführt, so wird der auf die Forderung entfallende Anteil bei der Verteilung zurückbehalten, 216

VIII. Forderungsanmeldung und Insolvenztabelle

solange der Rechtsstreit anhängig ist. Wird der Nachweis nicht rechtzeitig geführt, so wird die Forderung bei der Verteilung nicht berücksichtigt. 3. Nachmeldungen und Nachprüfungstermin Forderungen, die erst nach Ablauf der gerichtlichen Anmeldefrist angemel- 921 det werden, können in einem auf Anregung des Insolvenzverwalters hin zu bestimmenden Nachprüfungstermin geprüft werden (§ 177 InsO). Nachmeldungen sind grundsätzlich immer möglich. Eine Teilnahme an einer Schlussverteilung kann aber nur dann sichergestellt werden, wenn die Forderungen bis spätestens zur Niederlegung des Schlussverzeichnisses angemeldet und in einem Nachprüfungstermin festgestellt wurden. Die Kosten der zusätzlichen Prüfung hat der säumige Gläubiger zu tragen (§ 177 Abs. 1 Satz 2 InsO). Diese belaufen sich derzeit auf 20 €. 4. Nachträgliche Änderungen der Prüfergebnisse Eine nachträgliche Änderung der Prüfungsergebnisse ist grundsätzlich mög- 922 lich. Eine einseitige Änderung des Prüfungsergebnisses einer festgestellten Forde- 923 rung durch den Insolvenzverwalter ist nicht mehr möglich. Eine nachträgliche Änderung kann in dem Fall nur durch Rücknahme der Forderung durch den Gläubiger erklärt werden. Wurde eine Forderung zunächst auf den Ausfall festgestellt und weist der 924 Gläubiger nach Verteilung des Erlöses aus der Verwertung des Absonderungsgutes seinen endgültigen Ausfall nach, kann die persönliche Forderung in Höhe des ungesicherten Teils nachträglich vom Insolvenzverwalter festgestellt werden. Hat der Gläubiger einer zunächst bestrittenen Forderung einen Mangel (feh- 925 lende Belege, falsche Berechnung o. Ä.) behoben, kann auch diese Forderung nachträglich (ggf. in Teilhöhen) festgestellt werden. Hat ein Gläubiger anderweitig (z. B. durch Inanspruchnahme eines weiteren 926 Gesamtschuldners oder durch zulässige Auf-/Verrechnungen) außerhalb des Insolvenzverfahrens Befriedigung erlangt, obliegt es ihm, insoweit die Rücknahme der Forderung zur Insolvenztabelle zu erklären. Auch die (teilweise) Rücknahme kann als nachträgliche Änderung des Prüfergebnisses in der Tabelle eingetragen werden. Die nachträglichen Änderungen der Prüfergebnisse sind stets an das Insol- 927 venzgericht zu kommunizieren. 5. Nachrangige Forderungen Nachrangigen Forderungen können nur angemeldet werden, wenn das Ge- 928 richt ausdrücklich zur Anmeldung solcher Forderungen aufgefordert hat 217

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

(§ 174 Abs. 3 InsO). Eine solche Aufforderung ergeht in der Praxis nur äußerst selten, da eine Zuteilung von Geldern auf den Nachrang nur bei vollständiger Deckung der Verfahrenskosten, der sonstigen Masseverbindlichkeiten und einer 100 %-Quotenzahlung auf alle festgestellten Forderungen der Insolvenzgläubiger in Betracht kommt. 929 Nachrangige Forderungen sind in Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen: x

Die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen und Säumniszuschläge (§ 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO),

x

die Kosten der Verfahrensteilnahme (§ 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO),

x

Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten (§ 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO),

x

die Forderungen auf eine unentgeltliche schuldnerische Leistung (§ 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO).

930 Bei der Anmeldung ist auf den Nachrang hinzuweisen und die von der Gläubigerin oder von dem Gläubiger beanspruchte Rangstelle zu bezeichnen. Soweit ein Gläubiger eine eigentlich in den Nachrang einzuordnende Forderung (§ 39 InsO) als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) zur Tabelle anmeldet, ist diese im Rang des § 38 InsO zu bestreiten. Die Forderungsanmeldungen sind daher auch daraufhin zu prüfen, ob im „falschen Rang“ angemeldet wurde. Ausschlaggebend ist hier der Forderungsgrund. IX. Gläubigerversammlung und Berichtstermin 1. Berichtstermin (Erste Gläubigerversammlung) 931 Im Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter über die wirtschaftliche Lage des Schuldners und ihre Ursachen zu berichten (§ 156 Abs. 1 InsO). Dies ist in der Regel auch die erste Gläubigerversammlung, sofern das Verfahren nicht schriftlich durchgeführt wird (vgl. § 5 Abs. 2 InsO). 932 Auf der Basis der Vermögensverzeichnisse und Übersichten (§§ 151 – 153 InsO, o Rn. 393 ff.) informiert der Insolvenzverwalter die Gläubiger im Berichtstermin über die Vermögensverhältnisse sich Schuldners, die Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens, welche Möglichkeiten für einen Insolvenzplan bestehen und welche Auswirkungen jeweils für die Befriedigung der Gläubiger eintreten würden. 933 Der Berichtstermin dient demnach der umfassenden Information der Gläubiger als Basis für eine Entscheidungsfindung über den Fortgang des Verfahrens (§ 157 InsO). Soweit das Verfahren schriftlich durchgeführt wird, wird auch der Bericht zur Einsichtnahme der Beteiligten niedergelegt. Manche Verwalterbüros halten auch die Möglichkeit vor, dass Gläubiger sich auf elek-

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IX. Gläubigerversammlung und Berichtstermin

tronischem Wege über den aktuellen Verfahrensstand informieren können. Durch individuell zugeteilte Codes können sie sich im Informationssystem des Verwalterbüros einloggen und das aktuelle Berichtswesen einsehen (z. B. GIS – Gläubigerinformationssystem). Zum Berichtstermin fertigt der Insolvenzverwalter einen ausführlichen Be- 934 richt, in dem die allgemeinen Verfahrensdaten (Antragstellung, Verfahrenskostenstundung, Eröffnung, Antrag Restschuldbefreiung etc.), die persönlichen Daten/Informationen über den Schuldner (Geburtsdatum, Familienstand, beruflicher Werdegang, Unterhaltspflichten, Mitwirkungsverhalten etc.), die Ursachen der Insolvenz sowie eine Erläuterung der Verzeichnisse und Übersichten (§§ 151 – 153 InsO) inkl. der hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Hintergrundinformationen enthalten sind. 2. Berichtswesen im eröffneten Verfahren Im eröffneten Verfahren hat der Insolvenzverwalter fortlaufend über den Fort- 935 gang Zwischenbericht zu erstatten. Die Zwischenbeichterstattung erfolgt in regelmäßigen Abständen, die vom Gericht vorgegeben werden. Die Berichtsfristen lassen sich der Niederschrift über den Berichts-/Prüfungstermin entnehmen. Diese betragen je nach Gericht i. d. R. sechs oder zwölf Monate. Die Zwischenberichte bauen auf dem Bericht zur ersten Gläubigerversamm- 936 lung/Berichtstermin auf und bilden die weitere Entwicklung und den Fortgang der Verwertung/Fortführung im letzten Berichtszeitraum ab. Für den Aufbau bietet sich an, diesen in der Struktur stets wie im ersten Bericht beizubehalten. Dies gewährleistet Übersichtlichkeit. Soweit ein fortgeschriebenes Berichtswesen vom Gericht gefordert wird, sind die fortgeschriebenen Vermögensübersichten auf den aktuellen Stand der Verwertung anzupassen und textlich zu erläutern. Soweit diese Fortschreibung nicht erforderlich ist, reichen die textlichen Erläuterungen über die Verwertungserfolge in Anlehnung an die Aktivseite der Vermögensübersicht aus. Die Ausführungen sollten dem Maßstab gerecht werden, dass ein unbeteiligter Dritter den Verlauf des Verfahrens anhand des Berichtswesens ohne Schwierigkeiten nachvollziehen kann. Ein Katalog an Leitfragen kann sehr hilfreich sein. Praxistipp: Leitfragen Zwischenberichtswesen • Was wurde verwertet? • Wie hoch war der Verwertungserlös? • (Ggf.) Warum weicht der Erlös von der Prognose im Erstbericht/vorhergehenden Bericht ab (höher/niedriger)? • Welche Probleme/Besonderheiten haben sich bei der Verwertung ergeben? • Welche Vermögenswerte wurden ggf. neu entdeckt?

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

937 Das Zwischenberichtswesen ist bis zur Schlussrechnungslegung und Schlussberichtserstattung (Verfahrensabschluss o Rn. 1050 ff.) kontinuierlich fortzuführen. 938 Um sicherzustellen, dass die Berichte auch fristgerecht beim Gericht vorliegen, sind die Berichtsfristen fortlaufend zu führen. Gerade bei einer Vielzahl verwalteter Verfahren ist eine sorgfältige Fristenverwaltung unerlässlich. X. Vertragsverhältnisse 1. Überblick 939 In §§ 103 ff. InsO finden sich die Regelungen über die Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf bestehende, bis zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht vollständig abgewickelte Vertragsverhältnisse. 940 In § 103 InsO findet sich die Grundnorm für Vertragsverhältnisse; in den §§ 104 ff. InsO sind Besonderheiten zu einzelnen Vertragsverhältnissen – zum Teil abweichend von § 103 InsO – geregelt. 2. Wahlrecht (§ 103 InsO) 941 In der Grundnorm § 103 InsO ist das einseitige Wahlrecht des Insolvenzverwalters normiert. Als Grundsatz gilt daher, dass z. Zt. der Eröffnung noch nicht abgewickelte Vertragsverhältnisse nicht automatisch erlöschen. Dies ist besonders bedeutsam für Dauerschuldverhältnisse (z. B. Leihe, Energielieferungsverträge, Telefonverträge etc.). 942 Bei der Eigenverwaltung tritt der Schuldner an die Stelle des Insolvenzverwalters (§§ 270 ff. InsO). 943 Der Insolvenzverwalter kann demnach wählen, ob er den Vertrag erfüllen und vom anderen Teil Erfüllung verlangen kann. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 103 InsO ist, dass der Vertrag im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung von beiden Seiten nicht vollständig erfüllt ist, also die jeweils geschuldeten Leistungen noch nicht oder noch nicht vollständig erbracht sind.427) 944 Der Vertragspartner kann den Insolvenzverwalter zur Ausübung des Wahlrechts auffordern, der sich sodann unverzüglich zu erklären hat (§ 103 Abs. 2 Satz 2 InsO). 945 Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung, ist die schuldnerseitig zu erbringende Leistungspflicht eine Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO).428) Der Insolvenzverwalter muss den Vertrag in der Form und mit dem Inhalt übernehmen, wie er ihn vorfindet, demnach auch mit allen Nebenpflichten, ___________ 427) BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – IX ZB 448/02, ZInsO 2003, 751. 428) BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZInsO 2002, 577.

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X. Vertragsverhältnisse

Gewährleistungsrechten und Rücktrittsrechten. Eine Aufrechnung mit Insolvenzforderung gegen die Masseforderung ist gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig. Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung ab, wird der Erfüllungsanspruch 946 des Vertragspartners undurchsetzbar mit der Folge, dass dieser als Gläubiger einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anmelden kann (§ 103 Abs. 2 Satz 1 InsO). 3. Vormerkung (§ 106 InsO) Befindet sich ein Grundstück im Schuldnervermögen, welches der Schuldner 947 bereits vor Eröffnung des Verfahrens verkauft hat, ohne, dass der Eigentumswechsel bereits im Grundbuch vermerkt ist, werden die Ansprüche des Käufers auf Eigentumsumschreibung regelmäßig durch eine im Grundbuch eingetragene Vormerkung gesichert (Abteilung II). Durch eine Vormerkung wird ein Berechtigter in die Lage versetzt, einen schuldrechtlichen Anspruch (z. B. einen im Grundstückskaufvertrag vereinbarten Anspruch auf Eigentumsübertragung eines Grundstücks) dinglich zu sichern. Die Vormerkung ist geregelt in §§ 883 ff. BGB und kein dingliches Recht sondern ein „Sicherungsmittel eigener Art“ (sui generis). Gemäß § 883 Abs. 2 BGB ist eine Verfügung, die nach der Eintragung der Vormerkung über das Grundstück oder das Recht getroffen wird, insoweit unwirksam, als sie den Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würde. Zudem kommt ihr eine rangwahrende Funktion zu (§ 883 Abs. 3 InsO). Die Vormerkung ist akzessorisch zu dem gesicherten schuldrechtlichen Anspruch.429) § 106 InsO schützt den Vormerkungsberechtigten für den Fall der Eröff- 948 nung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldnereigentümers. Ist zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung bereits eine Vormerkung zugunsten eines Dritten im Grundbuch eingetragen, kann der Berechtigte für seinen Anspruch Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen (§ 106 Abs. 1 InsO). Der Insolvenzverwalter ist – in Durchbrechung des Grundsatzes des Erfüllungswahlrechts (§ 103 InsO) – gehalten, den durch Vormerkung gesicherten Anspruch zu erfüllen. Das in § 103 InsO normierte Wahlrecht ist entsprechend beschnitten. Der Berechtigte kann vom Insolvenzverwalter Erfüllung verlangen, wie er sie – ohne das Insolvenzverfahren – vom Schuldner hätte verlangen können.430) Der Anspruch ist insolvenzfest431) und aus der Insolvenzmasse auszusondern,432) es sei denn, die Eintragung der Vormerkung unterliegt der insolvenzrechtlichen Anfechtung. ___________ 429) 430) 431) 432)

BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 457/99, ZInsO 2002, 487. BGH, Urt. v. 14.9.2001 – V ZR 231/00, ZInsO 2001, 1056. BGH, Urt. v. 19.3.1998 – IX ZR 242/97, ZInsO 1998, 89. BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – IX ZB 39/05, ZInsO 2008, 558.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

949 Besteht ein über § 106 InsO gesicherter Anspruch, muss der Insolvenzverwalter diesen erfüllen, d. h. die Auflassung erklären (§§ 873, 925 BGB) und/ oder die Eintragung bzw. Löschung bewilligen (§ 19 GBO). 4. Eigentumsvorbehalt (§ 107 InsO) 950 In § 107 InsO ist – abweichend von § 103 InsO – geregelt, welche Wirkungen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Kaufverträge des Schuldners hat, in denen eine bewegliche Sache vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verkauft und unter Eigentumsvorbehalt geliefert worden ist. 951 Die Einräumung von Eigentumsvorbehaltsrechten zugunsten eines Lieferanten ist von erheblicher praktischer Bedeutung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung eines reibungslosen Warenumschlagskreislaufs. Der Eigentumsvorbehalt ist eine Form einer Warenkreditsicherheit. 952 Eigentumsvorbehaltsregelungen können unterschiedlicher Natur sein. Neben dem in § 449 BGB normierten einfachen Eigentumsvorbehalt sind der verlängerte und der erweiterte Eigentumsvorbehalt von praktischer Bedeutung. Einfacher Eigentumsvorbehalt 953 Der einfache Eigentumsvorbehalt ist zum Thema „Aussonderungsrecht“ ausführlich erläutert (o Rn. 504 ff.). Verlängerter Eigentumsvorbehalt 954 Zum verlängerten Eigentumsvorbehalt finden sich in den Erläuterungen zum „Absonderungsrecht“ ausführliche Darstellungen (o Rn. 537 ff.). Erweiterter Eigentumsvorbehalt 955 Ebenfalls zum Themenkreis der „Absonderungsrechte“ wurde der erweiterte Eigentumsvorbehalt erörtert (o Rn. 541 ff.). 956 § 107 Abs. 1 InsO bestimmt für den Fall der Verkäuferinsolvenz, dass der Käufer die Erfüllung des Kaufvertrags verlangen kann. Das Anwartschaftsrecht des Käufers ist geschützt und kann nicht durch Ablehnung der Erfüllung des Kaufvertrags durch den Insolvenzverwalter zerstört werden. Erklärt der Insolvenzverwalter dennoch den Rücktritt vom Kaufvertrag, ist die Rückgewähr einer bereits vom Käufer erbrachten Teilleistung eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. 957 In der Käuferinsolvenz sichert § 107 Abs. 2 Satz 1 InsO den Verbleib einer unter Eigentumsvorbehalt gelieferten beweglichen Sache im Schuldnerbesitz. Erst unverzüglich nach dem Berichtstermin hat der Insolvenzverwalter zu erklären, ob er die Erfüllung des Vertrags wählt (§ 103 Abs. 2 Satz 2 InsO). Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung ab, kann der Verkäufer die Kaufsache nach § 47 InsO aussondern. Trifft der Insolvenzverwalter eine positive Erfüllungswahl, ist der Kaufpreis aus der Masse zu entrichten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO).

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X. Vertragsverhältnisse

5. Mieterinsolvenz (§ 109 InsO) Eine im Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen zentra- 958 le Norm ist § 109 InsO. Die Vorschrift verfängt bei Mietverhältnissen, die der Schuldner als Mieter/Pächter eingegangen ist. a) Gewerbliche Mietverhältnisse (§ 109 Abs. 1 Satz 1 InsO) Mietverhältnisse über Gewerbeobjekte haben oftmals eine lange Laufzeit (zehn 959 Jahre sind keine Seltenheit). § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO gewährt dem Insolvenzverwalter ein einseitiges Sonderkündigungsrecht. Der Insolvenzverwalter kann das gewerbliche Mietverhältnis mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende kündigen, soweit nicht vertraglich kürzere Fristen vereinbart sind. Hierdurch werden die nach Eröffnung aus dem Mietverhältnis anfallenden Masseverbindlichkeiten auf einen überschaubaren Zeitraum begrenzt. § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO dient also dem Erhalt der Insolvenzmasse. Steht unmittelbar nach Eröffnung fest, dass das gewerbliche Mietverhältnis 960 angesichts einer anstehenden Einstellung des Geschäftsbetriebs nicht mehr fortgesetzt werden soll, empfiehlt sich der Ausspruch einer frühzeitigen Kündigung. Wird der Geschäftsbetrieb des Schuldners nach Eröffnung zunächst fortge- 961 führt und entscheidet sich erst im weiteren Verfahrensverlauf, dass das Mietverhältnis beendet werden soll, kann sich der Insolvenzverwalter zu jedem Zeitpunkt im eröffneten Verfahren auf das Sonderkündigungsrecht berufen. Die Kündigung des Mietverhältnisses bedarf der Schriftform (§ 568 Abs. 1 962 BGB). Der Insolvenzverwalter ist mit Wirksamwerden der Kündigung zur Heraus- 963 gabe der gemieteten Räume, nicht aber zur Räumung verpflichtet, wenn die Gegenstände vor Verfahrenseröffnung eingebracht wurden.433) Beruft sich der Vermieter hinsichtlich der Gegenstände auf das Vermieter- 964 pfandrecht und hat der Verwalter Besitz an den Gegenständen begründet, erfolgt eine Abrechnung des Absonderungsrechts nach den §§ 170, 171 InsO unter entsprechender Massebeteiligung (o Rn. 890 ff.). Der Vermieter kann ein Miet- oder Pachtverhältnis, das der Schuldner als Mie- 965 ter oder Pächter eingegangen war, nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wegen eines Verzugs mit der Entrichtung der Miete oder Pacht, der in der Zeit vor dem Eröffnungsantrag eingetreten ist, oder wegen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse kündigen (§ 112 InsO). Die Mietforderungen, die bis zum Ende der Vertragslaufzeit entstehen würden, aber durch die vorzeitige Beendigung des Mietvertrags durch den Insol___________ 433) BGH, Urt. v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, ZInsO 2001, 751.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

venzverwalter nicht mehr entstehen, kann der Vermieter als Schadensersatzforderung zur Insolvenztabelle geltend machen. b) Wohnraummietverhältnisse (§ 109 Abs. 1 Satz 2 InsO) 966 Soweit es sich um angemieteten Wohnraum des Schuldners handelt, kann der Insolvenzverwalter keine Kündigung aussprechen. Der Wohnraum des Schuldners ist auch im Insolvenzverfahren geschützt. Um jedoch auch aus diesem Vertragsverhältnis eine weitreichende Auszehrung der Masse zu verhindern, besteht über § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO die Möglichkeit der „Enthaftung“ der Masse. Anstelle der Kündigung kann der Insolvenzverwalter gegenüber dem Vermieter erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf von drei Monaten zum Monatsende nach Zugang der Enthaftungserklärung fällig werden, nicht mehr gegenüber der Insolvenzmasse geltend gemacht werden können. Entrichtet der Insolvenzschuldner die bis dahin fälligen Mietzinsen nicht, sind dies Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO). 967 Beispiel: Insolvenzeröffnung Zugang der Erklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO) Keine Masseverbindlichkeiten

5.3.2014 10.3.2014 5.3. – 30.6.2014 ab 1.7.2014

968 Die nach Ablauf der Frist entstehenden Mietforderungen muss der Schuldner aus seinem unpfändbaren Einkommen bestreiten. Gerät er mit den Zahlungen in Verzug, kann der Vermieter gegenüber dem Schuldner die Kündigung erklären. 969 Die Enthaftungserklärung gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO wirkt auch bei einem Wechsel des Vermieters gegen den neuen Eigentümer, wenn die Erklärung vom Insolvenzverwalter in Unkenntnis des Wechsels gegenüber dem Voreigentümer abgegeben wurde.434) 970 Ist das Mietverhältnis bereits vor Insolvenzeröffnung aufgelöst, nutzt der Schuldner die Wohnung dennoch weiter, kann der Anspruch des Vermieters auf Entrichtung einer Nutzungsentschädigung nicht als Masseverbindlichkeit, sondern nur Insolvenzforderung geltend gemacht werden.435) Der Anspruch wird auch nicht dadurch zur Masseverbindlichkeit, dass der Insolvenzverwalter auf das Herausgabeverlangen des Vermieters nicht eingeht, da der Rückgabeanspruch des Vermieters (§ 546 BGB) als Insolvenzforderung vor Insolvenzeröffnung entstanden ist und dies den Anspruch auf Nutzungsentschädigung mit einschließt. ___________ 434) BGH, Urt. v. 23.2.2012 – IX ZR 29/11, ZIP 2012, 784. 435) BGH, Urt. v. 21.12.2006 – IX ZR 66/05, ZIP 2007, 340.

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X. Vertragsverhältnisse

Resultiert aus der Nebenkostenabrechnungen ein „Guthaben“, ist der Erstat- 971 tungsanspruch des Schuldners Insolvenzmasse, wenn das Guthaben in den Zeitraum des § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO fällt.436) Umfasst der Rückzahlungsanspruch auch Heiz- und Nebenkosten, die aus staatlichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gezahlt wurden, unterliegen diese dem Pfändungsschutz nach § 54 Abs. 4 SGB I und sind damit nicht massezugehörig.437) 6. Vermieterinsolvenz (§ 110 InsO) Ansprüche aus einem Mietverhältnis gegen einen eine Schuldnerimmobilie 972 nutzenden Mieter sind als Geldforderungen pfändbar und daher Insolvenzmasse. Solange der Mieter zahlt, sind die Forderungen durch den Insolvenzverwalter einzuziehen. Bedarf für ein Sonderkündigungsrecht des Insolvenzverwalters besteht in diesem Fall nicht. Für die Insolvenz des Vermieters regelt § 110 InsO die Wirkungen der Er- 973 öffnung des Verfahrens für den Fall, wenn der Schuldner im Vorfeld der Insolvenz über die Mietansprüche verfügt hat (Vorausverfügungen). Soweit die Mietforderungen abgetreten oder gepfändet sind, ist diese Verfü- 974 gung nur wirksam, soweit sie sich auf die Miete für den z. Zt. der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonat bezieht bzw. auch für den folgenden Kalendermonat, wenn die Eröffnung nach dem fünfzehnten Tag des Monats erfolgt ist, § 110 Abs. 1, Abs. 2 InsO.438) In der Folgezeit kann ein Pfandrecht oder Pfändungspfandrecht wegen § 91 InsO nicht mehr insolvenzfest begründet werden. Im Insolvenzverfahren kann ein nach § 49 InsO absonderungsberechtigter 975 Grundpfandrechtsgläubiger nur durch einen Antrag auf Anordnung der Zwangsverwaltung eine bevorzugte Befriedigung aus den Mietansprüchen sicherstellen (§§ 146, 20 ZVG, §§ 1123, 1124 BGB).439) 7. Bankverträge (vgl. §§ 115, 116 InsO) Ein z. Zt. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehender Girokontover- 976 trag erlischt als Geschäftsbesorgungsvertrag „automatisch“ mit Eröffnung (§§ 115, 116 InsO).

___________ 436) AG Göttingen, Urt. v. 18.6.2009 – 21 C 33/09, NZI 2009, 607. 437) LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.10.2011 – L 5 1546/09, ZInsO 2012, 489. 438) Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZInsO 2006, 1321; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZInsO 2006, 872; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, ZInsO 2010, 43. 439) Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZInsO 2006, 1321; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZInsO 2006, 872.; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, ZInsO 2010, 43.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

977 Besteht z. Zt. der Eröffnung des Verfahrens Pfändungsschutz über ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto), gilt dieser Schutz auch im Insolvenzverfahren mit der Folge, dass die Auszahlungsansprüche des Schuldners in Höhe der Freibeträge nicht in die Insolvenzmasse fallen (§§ 35, 36 Abs. 1 InsO i. V. m. § 850k ZPO). §§ 115, 116 InsO erfassen jedoch nur Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge, die einen Bezug zur Insolvenzmasse haben. Dies ist bei einem P-Konto gerade nicht der Fall, sodass der Girokontenvertrag von der Eröffnung des Verfahrens unberührt bleibt.440) Dies entspricht der gesetzgeberischen Intention, da das P-Konto den automatischen Schutz des Selbstbehalts gewährleisten soll. Ein Erlöschen würde dies konterkarieren. XI. Arbeitsverhältnisse im eröffneten Insolvenzverfahren 1. Arbeitsverhältnisse und deren Beendigung 978 Die Insolvenzeröffnung hat auf den Bestand von Arbeitsverhältnissen keinen Einfluss.441) 979 In der Insolvenz des Arbeitnehmers bleibt das Arbeitsverhältnis unberührt, da die Arbeitsleistungen des angestellten Schuldners nicht Bestandteil der Insolvenzmasse sind. 980 In der Insolvenz des Arbeitgebers tritt der Insolvenzverwalter mit Eröffnung infolge des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 Abs. 1 InsO) an die Stelle des Schuldners als Arbeitgeber. 981 Gibt der Insolvenzverwalter nach Insolvenzeröffnung diese selbstständige Tätigkeit des Schuldners aus der Insolvenzmasse frei (§ 35 Abs. 2 InsO), umfasst die Freigabe auch die in dem Geschäftsbetrieb des Insolvenzschuldners zum Eröffnungszeitpunkt bestehenden Arbeitsverhältnisse. Diese fallen mit Wirksamwerden der Freigabeerklärung ohne Bestandsveränderungen wieder in den Verfügungsbereich des Insolvenzschuldners zurück.442) 982 Der Insolvenzverwalter kann – genauso wie der im Schuldnerbetrieb angestellte Arbeitnehmer – ein Dienstverhältnis jederzeit ordentlich kündigen (§ 113 Satz 1 InsO). Gemäß § 113 Satz 2 InsO beträgt die Kündigungsfrist drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Die Kündigungsfrist gilt beidseitig, d. h. sowohl für den Insolvenzverwalter, als auch für den im Schulterbetrieb angestellten Arbeitnehmer. Der Anwendungsbereich des § 113 Satz 2 InsO ist damit definiert auf alle Arbeitsverhältnisse, deren Kündigungsfristen länger sind als drei Monate. Gehen gesetzliche, tarifvertragliche oder einzelvertragliche Kündigungsfristen über den ___________ 440) So auch Bitter, ZIP 2011, 149; Büchel, ZInsO 2010, 20; Casse, ZInsO 2012, 1402; Obermüller, InsbürO 2013, 180. 441) BAG, Urt. v. 15.12.1987 – 3 AZR 420/87, ZIP 1988, 327. 442) BGH, Urt. v. 9.2.2012 – IX ZR 75/11, ZIP 2012, 533.

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XI. Arbeitsverhältnisse im eröffneten Insolvenzverfahren

Dreimonatszeitraum hinaus, gibt § 113 Satz 2 InsO die Möglichkeit, diese auf die Höchstfrist von drei Monaten zu kappen.443) Die vorgenannten Fristen gelten für jede ordentliche Kündigung. Das Recht 983 zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung wird dadurch nicht berührt. Wird die ordentliche Kündigung unter Ausnutzung der kürzeren Kündi- 984 gungsfrist vom Insolvenzverwalter ausgesprochen, so kann er der Arbeitnehmer wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses Schadensersatzforderungen zur Insolvenztabelle anmelden (§§ 113 Satz 3, 38, 174 ff. InsO). Soweit vertraglich oder nach dem Charakter des Dienstverhältnisses geschuldet, sind arbeitsrechtliche Zustimmungen (z. B. des Betriebsrates, nach dem Schwerbehindertengesetz) selbstverständlich auch in der Insolvenz zu beachten. 2. Entgeltansprüche der Arbeitnehmer Entgeltansprüche der Arbeitnehmer aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung sind 985 grundsätzlich Insolvenzforderungen nach § 38 InsO und gemäß den insolvenzrechtlichen Bestimmungen zur Insolvenztabelle geltend zu machen (§§ 38, 87, 174 ff. InsO). Die Arbeitnehmer sind jedoch hinsichtlich der vor Eröffnung rückständigen 986 Entgeltforderungen für einen Zeitraum von maximal drei Monaten über das Insolvenzgeld abgesichert (o hierzu ausführlich Rn. 290 ff.). Ansprüche der Arbeitnehmer auf Zahlung des Entgelts für die Zeit ab Insol- 987 venzeröffnung des Insolvenzverfahrens sind Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. Die Masseverbindlichkeiten fallen bis zum Wirksamwerden der Kündigung zulasten der Insolvenzmasse an. Dies gilt auch für den Fall, dass die Leistungen seitens des Arbeitnehmers nicht erbracht werden (z. B. keine Arbeitsleistung wegen Freistellung oder Erkrankung). In den Fällen der Masseunzulänglichkeit wird der Rang nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 Abs. 1 InsO) von der Entscheidung bestimmt, ob der Insolvenzverwaltung das Arbeitsverhältnisse fortführt oder unverzüglich kündigt.444) Eine Neu-Masseverbindlichkeit (§ 209 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 InsO) stellt das Entgelt für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen kann. Neu-Masseverbindlichkeiten werden gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 InsO auch dann begründet, wenn der Insolvenzverwalter die Gegenleistung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse in Anspruch nimmt. Wenn die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit infolge einer Freistellung in nicht in ___________ 443) Vgl. LAG Kiel, Urt. v. 28.4.2004 – 3 Sa 551/03, NZI 2004, 638. 444) BAG, Urt. v. 31.3.2004 – 10 AZR 253/03, ZIP 2004, 1323.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

Anspruch genommen wird, stellen diese nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit Alt-Masseverbindlichkeiten dar. 988 Urlaub oder Urlaubsentgeltansprüche sind dem Zeitraum zuzuordnen, in dem der Anspruch Urlaub tatsächlich erfüllt wird.445) Wird das Arbeitsverhältnis nach Eröffnung des Verfahrens beendet, ist der auf den Zeitraum entfallende Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG eine Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. 3. Betriebsveräußerung in der Insolvenz 989 Entscheidet sich der Insolvenzverwalter nach Eröffnung für eine sog. übertragende Sanierung (Betriebsveräußerung), sind die Arbeitsverhältnisse inhaltsgleich vom Erwerber fortzusetzen (§ 613a BGB). § 613a BGB wird in st. Rspr. auch für den Betriebsübergang nach Insolvenzeröffnung angewandt.446) 990 Der Erwerber haftet jedoch nicht für Altverbindlichkeiten aus den Arbeitsverhältnissen.447) Zudem bietet die Insolvenzordnung mit §§ 123, 124 ebenso die Möglichkeit, im Rahmen eines Sozialplans einen sachgerechten Ausgleich zwischen Arbeitnehmerschutz und dem Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens herzustellen. XII. Steuerliche und buchhalterische Pflichten 991 Durch die Insolvenzeröffnung werden die handelsrechtlichen und steuerlichen Pflichten des Schuldners nicht berührt (§ 155 InsO). Der Schuldner bleibt weiterhin verpflichtet, Bücher zu führen, Jahresabschlüsse zu erstellen und seinen Steuererklärungspflichten nachzukommen. Diese Pflicht geht jedoch auf den Insolvenzverwalter über, soweit die Insolvenzverwaltung reicht. 992 Diese Pflicht umfasst bei einem laufenden Geschäftsbetrieb auch die Pflicht, die laufende Buchhaltung des Schuldnerbetriebs zu führen. Diese ist neben der „Insolvenzverwalterbuchhaltung“, die die Grundlage der Rechnungslegung (§ 66 InsO) darstellt, zu fertigen. Auch sind für den Zeitraum des eröffneten Verfahrens bzw. für die Zeit vor Eröffnung, soweit dies noch aussteht, Jahresabschlüsse zu fertigen. Mit Eröffnung des Verfahrens erfolgt eine Zäsur; es beginnt ein neues Wirtschaftsjahr. 993 Soweit bei Insolvenzeröffnung bereits keine handelsrechtliche Pflicht mehr bestand, weil der Betrieb bereits eingestellt war, besteht auch nach Insolvenzeröffnung keine Buchführungspflicht mehr. ___________ 445) BAG, Urt. v. 15.2.2005 – 9 AZR 78/04, ZIP 2005, 1653; BAG, Urt. v. 15.6.2004 – 9 AZR 431/03, ZIP 2004, 1660. 446) Vgl. BAG, Urt. v. 20.6.2002 – 8 AZR 459/01, ZIP 2003, 222; BAG, Urt. v. 26.3.1996 – 3 AZR 965/94 ZIP 1996, 1941; BAG, Urt. v. 17.1.1980 – 3 AZR 160/79, ZIP 1980, 117. 447) Vgl. BAG, Urt. v. 20.6.2002 – 8 AZR 459/01, ZIP 2003, 222; BAG, Urt. v. 26.3.1996 – 3 AZR 965/94, ZIP 1996, 1941.

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XII. Steuerliche und buchhalterische Pflichten

Der Insolvenzverwalter ist gemäß § 34 AO Vermögensverwalter, der die 994 steuerlichen Pflichten der Eigentümer der Vermögen oder deren gesetzlicher Vertreter zu erfüllen hat. Damit einher geht die Pflicht des Insolvenzverwalters, dafür Sorge zu tragen, dass die Steuern aus den verwalteten Mitteln entrichtet werden (Haftungsschuldner). Steuerschuldner bleibt aber nach wie vor der Schuldner selbst. Für den Insolvenzverwalter ergibt sich die Steuererklärungspflicht aus sei- 995 ner Rechtsstellung als Vermögensverwalter (§ 34 Abs. 3 AO). Nur er ist zur Abgabe von Steuererklärungen befugt (§ 58 Abs. 2 AO). Dies gilt sowohl hinsichtlich der Erklärungen, die auf den Veranlagungszeitraum im eröffneten Verfahren fallen als auch hinsichtlich der Erklärungen, die für die Zeit vor Verfahrenseröffnung noch ausstehen. Soweit in der Verwalterpraxis dem Schuldner die Pflicht zu Fertigung von 996 Steuererklärungen zugesprochen wird, kann dieser sich berechtigt und sanktionslos weigern, diese zu erstellen. Die Pflicht des Schuldners beschränkt sich auf Beibringung der zur Erstellung der Erklärungen erforderlichen Unterlagen.448) Die Fertigung von Steuererklärungen ist originäre Pflicht des Insolvenzver- 997 walters. Dies gilt jedenfalls, soweit sich die Erklärungen auf den üblichen Rahmen beschränken und besondere steuerrechtliche Kenntnisse nicht gefordert sind. Soweit die Fertigung der Erklärungen den üblichen Umfang überschreitet und/oder besondere Fachkenntnisse erforderlich sind, ist die Beauftragung eines Steuerberaters auf Kosten der Insolvenzmasse zulässig (§ 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV).449) Bei masselosen Stundungsverfahren reicht die Insolvenzmasse nicht aus, um daraus die Kosten eines Steuerberaters als Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO) zu zahlen. In diesem Fall ist bei der Finanzbehörde darauf hinzuwirken, dass die Steuerschuld sachgerecht geschätzt wird. Die für die sachgerechte Schätzung erforderlichen Unterlagen sind beim Schuldner anzufordern und an das Finanzamt weiterzuleiten. Beharrt die Finanzverwaltung auf der Abgabe der Erklärung, besteht ein Anspruch auf Erstattung des notwendigen Steuerberaterhonorars als Auslagenersatz gegen die Staatskasse.450) Nach der Rechtsprechung des BFH handelt das Finanzamt nicht ermessensfehlerhaft, wenn es gegen den Insolvenzverwalter ein Zwangsgeld zur Durchsetzung der Steuererklärungspflicht festsetzt, obwohl ___________ 448) BGH, Beschl. v. 18.12.2008 – IX ZB 197/07, NZI 2009, 327. 449) Vgl. BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, ZInsO 2004, 1348 ff. in Fortführung von BGHZ 139, 309 ff. zur Beauftragung eines Rechtsanwalts: Ein Insolvenzverwalter darf, auch wenn er selbst Volljurist ist, Aufgaben, die ein Insolvenzverwalter ohne volljuristische Ausbildung im Allgemeinen nicht lösen kann, auf einen Rechtsanwalt übertragen und die dadurch entstehenden Auslagen aus der Masse entnehmen. 450) Siehe hierzu: BGH, Urt. v. 22.7.2004 – IX ZB 161/03, InsbürO 2004, 317 f. = DZWiR 2004, 468 ff. m. Anm. Graeber; BGH, Urt. v. 14.11.2013 – IX ZB 161/11, NZI 2014, 21; BGH, Urt. v. 13.3.2014 – IX ZB 204/11, JurionRS 2014, 13397.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

bekannt ist, dass sich aus den Steuererklärungen keine steuerlichen Auswirkungen ergeben.451) 998 Bei Eheleuten erfolgt die steuerliche Einzel- oder Zusammenveranlagung nach Festlegung durch die Ehegatten (Wahlrecht gemäß §§ 26a, 26b EStG). Nach Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines der Ehegatten obliegt die Ausübung des Wahlrechts dem Insolvenzverwalter.452) Die Zustimmung des anderen Ehegatten zur Zusammenveranlagung kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass durch den nicht in Insolvenz befindlichen Ehegatten die Nachteile, welche zulasten der Insolvenzmasse aus der Zusammenveranlagung entstehen, ausgeglichen werden.453) Bei Zusammenveranlagung besteht die Möglichkeit der Aufteilung der Steuerschuld gemäß §§ 268 AO auf Antrag. Der Aufteilungsmaßstab richtet sich nach dem Verhältnis der Beträge, die sich bei Einzelveranlagung nach Maßgabe des § 26a EStG ergeben. Das Antragsrecht steht nach Eröffnung wegen § 80 Abs. 1 InsO dem Insolvenzverwalter zu. Die gilt auch für Erstattungsansprüche. 999 Das Recht der Steuerklassenwahl verbleibt beim Schuldner.454) Allerdings sollte er eine ungünstigere Steuerklasse ohne sachlichen Grund nicht wählen, da dies als Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit gewertet werden kann; zumutbar ist ein Wechsel in Steuerklasse IV, um das liquide Einkommen (und damit den zur Masse abzuführenden pfändbaren Anteil) zu erhöhen.455) 1000 Mit der Freigabe der selbstständigen Tätigkeit (§ 35 Abs. 2 InsO) enden die handelsrechtlichen und steuerlichen Pflichten für den Bereich des freigegebenen Unternehmens ab dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Freigabe (Zugang der Freigabeerklärung beim Schuldner). Steuerverbindlichkeiten werden als Masseverbindlichkeiten nur insoweit begründet, als diese durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse entstehen.456) Mit der Freigabe des Geschäftsbetriebs endet der Insolvenzbeschlag mit der Folge, dass hieraus keine Steuern zulasten der Masse entstehen können. Entsprechend finden auch handelsrechtliche und steuerliche Pflichten ihr Ende. Nach Freigabe fallen diese an den Schuldner zurück, der sodann mit dem nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Neuvermögen auch für Steuerverbindlichkeiten haftet. 1001 Der Insolvenzbeschlag endet ebenfalls mit Aufhebung oder Einstellung des Verfahrens, sodass ab dem Zeitpunkt keine steuerlichen oder handelsrechtlichen Pflichten des Insolvenzverwalters mehr bestehen. Die gilt auch, wenn ___________ 451) 452) 453) 454)

BFH, Urt. v. 6.11.2012 – VII R 72/11, ZIP 2013, 83. BGH, Urt. v. 24.5.2007 – IX ZR 8/06, ZInsO 2007, 656. BGH, Urt. v. 18.5.2011 – XII ZR 67/09, NZI 2011, 647. BFH, Urt. v. 27.7.2011 – VI R 9/11, ZIP 2011, 2118; BGH, Beschl. v. 3.7.2008 – IX ZB 65/07, NZI 2008, 624. 455) BGH, Beschl. v. 5.3.2009 – IX ZB 2/07, NZI 2009, 326. 456) BFH, Urt. v. 7.4.2005 – V R 5/04, ZInsO 2005, 774.

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XIII. Vollstreckungsverbot und Rückschlagsperre

das Verfahren nach Aufhebung in die Wohlverhaltensperiode übergeleitet wird. Der Treuhänder (§ 292 InsO) ist nicht Vermögensverwalter i. S. d. Abgabenordnung (§ 34 AO).457) XIII. Vollstreckungsverbot und Rückschlagsperre 1. Vollstreckungsverbot (§ 89 InsO) § 89 Abs. 1 InsO beschreibt ein allgemeines Vollstreckungsverbot für alle In- 1002 solvenzgläubiger, die – dem Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung entsprechend – ihre Forderungen nur noch nach den insolvenzrechtlichen Bestimmungen verfolgen können. Das Vollstreckungsverbot gilt für Insolvenzgläubiger über die gesamte Dauer des eröffneten Verfahrens und bezieht sich sowohl auf Vollstreckungsmaßnahmen in Gegenstände der Masse, als auch in sonstiges insolvenzfreies Schuldnervermögen und freigegebene Gegenstände.458) In den Anwendungsbereich von § 89 Abs. 1 InsO fällt auch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung.459) Aus- und Absonderungsrechte bleiben von § 89 InsO unberührt. In der Wohlverhaltensperiode setzt sich das Verbot fort (eigenständige Re- 1003 gelung des § 294 InsO). Unzulässig ist sowohl der Beginn einer neuen, als auch die Fortsetzung einer 1004 bereits begonnenen Vollstreckungsmaßnahme. § 89 Abs. 1 InsO beseitigt nicht die einmal wirksame öffentlich-rechtliche Verstrickung, bewirkt keine materielle Unwirksamkeit und keine völlige Aufhebung des Pfändungspfandrechts an fortlaufenden Bezügen, sondern nur die temporäre Nichtdurchsetzbarkeit für die Dauer des Insolvenzverfahrens.460) Ausgehend vom Sinn und Zweck des § 89 Abs. 1 InsO (Erhalt der Haftungs- 1005 masse zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger) findet er hinsichtlich der massebefangenen Gegenstände ebenfalls Anwendung auf Gläubiger, deren Forderungen nach der Verfahrenseröffnung begründet wurden (Neugläubiger). Da dem Schuldner im Laufe des Insolvenzverfahrens „lediglich“ der notwendige Selbstbehalt zugesprochen wird, mangelt es für einen erfolgreichen Zugriff durch Neugläubiger regelmäßig bereits rein praktisch an entsprechendem Haftungssubstrat. § 89 Abs. 2 InsO beschreibt eine Ausnahme für Unterhalts- und Delikts- 1006 gläubiger (§§ 850d, 850f ZPO), die wegen laufender Forderungen in den massefreien Korridor des laufenden Einkommens (privilegiert Forderungspfändung) unterhalb der Regelpfändungsgrenze (§ 89 Abs. 1 Satz 2 InsO, ___________ 457) So jedenfalls OFD Koblenz, Vfg. v. 30.6.1999 – S 0550 A/S 0130 A-St 52 3/St 53 1, ZInsO 1999, 566. 458) BGH, Beschl. v. 12.2.2009 – IX ZB 112/06, ZInsO 2009, 830. 459) BGH, Beschl. v. 17.42013 – IX ZB 300/11, ZInsO 2013, 984. 460) BGH, Beschl. v. 24.3.2011 – IX ZB 217/08, ZInsO 2011, 1608.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

§ 850c ZPO) vollstrecken dürfen. Der Teil des laufenden Einkommens, der gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 InsO, § 850c ZPO „regulär“ pfändbar ist, unterliegt als Neuerwerb dem Insolvenzbeschlag und steht der Masse zu. Unterhaltsrückstände aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung sind zur Insolvenztabelle geltend zu machen; insoweit kann die Befriedigung nicht nach Eröffnung über § 89 Abs. 2 InsO in dem Vorrechtsbereich gesucht werden.461) 2. Vollstreckungsverbot für Massegläubiger (§ 90 InsO) 1007 Gläubigern von Masseverbindlichkeiten, die nicht durch Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters begründet wurden, ist für die Dauer von sechs Monaten ab Eröffnung die Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung untersagt, soweit nicht § 90 Abs. 2 InsO für einzelne Gläubigergruppen eine Ausnahme definiert. Im Übrigen besteht für Massegläubiger kein Vollstreckungsverbot. 3. Rückschlagsperre (§ 88 InsO) 1008 Sicherheiten, die im letzten Monat für dem Insolvenzantrag im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt wurden, werden mit Insolvenzeröffnung unwirksam (Rückschlagsperre, § 88 Abs. 1 InsO). Im Verbraucherinsolvenzverfahren ist der Zeitraum auf die letzten drei Monate vor dem Antrag ausgeweitet (§ 88 Abs. 2 InsO). 1009 Die Rechtsfolgewirkung wird erst mit Eröffnung des Verfahrens ausgelöst und tritt, ohne dass es einer weiteren Erklärung oder Handlung des Insolvenzverwalters bedarf, kraft Gesetzes (ipso iure) ein. 1010 Die Fristberechnung folgt § 139 InsO; der maßgebliche Zeitpunkt ist der, in dem die Wirkungen des Pfändungspfandrechts bzw. der Beschlagnahme eintreten (z. B. bei beweglichen Gegenständen die Inbesitznahme durch den Gerichtsvollzieher, § 808 Abs. 1, 2 ZPO, bei der Forderungspfändung die Zustellung an den Drittschuldner, §§ 829 Abs. 3, 846 ZPO). Bei der Pfändung künftig erst entstehender Forderungen entsteht das Pfandrecht erst in dem Moment des Entstehens der gepfändeten Forderung selbst.462) 1011 § 88 InsO bewirkt die absolute, gegenüber jedermann wirkende, jedoch zeitlich auf die Dauer des Insolvenzbeschlags beschränkte Unwirksamkeit (nach BGH „schwebende Unwirksamkeit“463)). Dies hat zur Folge, dass eine Zwangshypothek im Moment der Freigabe des Grundstücks unter Beibehaltung der

___________ 461) BAG, Urt. v. 17.9.2009 – 6 AZR 369/08, NZI 2010, 35. 462) BGH, Urt. v. 20.3.2003 – AZ: IX ZR 166/02, ZInsO 2003, 372; BGH, Urt. v. 22.1.2004 –IX ZR 39/03, ZInsO 2004, 270; OLG Frankfurt, Urt. v. 22.1.2003 – 17 U 69/02, ZInsO 2003, 283. 463) BGH, Urt. v. 19.1.20006 – IX ZR 232/04, ZInsO 2006, 261.

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XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss

bis dato nicht gelöschten, ggf. aber um einen Rangvermerk zu ergänzenden Grundbuchposition wieder auflebt.464) § 88 InsO ist als Ergänzung zum Anfechtungsrecht (o Rn. 800 ff.) zu ver- 1012 stehen. Wurde die Vollstreckungsmaßnahme im maßgeblichen Zeitraum des § 88 InsO ausgebracht und hat der Gläubiger daraufhin bis zur Eröffnung des Verfahrens (teilweise) Befriedigung erlangt, ist die Vollstreckungsmaßnahme unwirksam gemäß § 88 InsO. Die Befriedigung (Abfluss von Schuldnervermögen) ist indes über § 143 InsO zur Masse zurückzuverlangen (o Rn. 800 ff.); Befriedigungen, die im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt wurden, sind i. d. R. inkongruente Deckungen i. S. v. § 131 InsO. XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss 1. Grundlagen der Schlussrechnungslegung und der Schlussberichterstattung a) Rechnungslegung – eröffnetes Verfahren Der Insolvenzverwalter hat gemäß § 66 Abs. 1 InsO bei Beendigung seines 1013 Amtes Rechnung zu legen. Die Schlussrechnungslegung erfolgt gegenüber der Gläubigerversammlung (§ 66 Abs. 1 Satz 1 InsO); das Insolvenzgericht nimmt eine Vorprüfung der Schlussrechnung vor (§ 66 Abs. 2 Satz 1 InsO). Zielsetzung des Insolvenzverfahrens ist die gemeinschaftliche Gläubigerbe- 1014 friedigung und, soweit darstellbar, die Sanierung des Schuldnerunternehmens. Das Insolvenzverfahren dient als gesetzliches Ordnungsverfahren der Haftungsverwirklichung und der Sanierung. Die Schlussrechnungslegung erfolgt i. d. R. durch Gegenüberstellung der 1015 Einnahmen und Ausgaben des Verwalters. Die Schlussrechnung baut auf der laufenden Rechnungslegung des Verwalters und den vorgelegten Berichten und Verzeichnissen auf. Die Rechnungslegung muss hinsichtlich der Buchungsvorgänge so beschaffen sein, dass sämtliche Geschäftsvorfälle richtig, vollständig, zeitnah und ordentlich aufgezeichnet worden sind. Das Zahlenwerk, bei dem es sich um eine eigene Buchhaltung (Verwalter- 1016 buchhaltung) handelt, wird regelmäßig textlich erläutert im Schlussbericht. Der Schlussbericht gibt den Verfahrensverlauf in zusammengefasster Form wieder und stellt die Verwertungsergebnisse, Verwertungsschwierigkeiten und die Verwertungserfolge dar. Er versteht sich auch als „Rechenschaftsbericht“ des Insolvenzverwalters, der den Verfahrensbeteiligten ein vollständiges Bild über die Tätigkeit des Insolvenzverwalters vermittelt und damit eine Grundlage bildet für die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Verwaltertätigkeit. ___________ 464) BGH, Urt. v. 19.1.20006 – IX ZR 232/04, ZInsO 2006, 261.

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D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

1017 Der Schlussbericht gibt ebenfalls Auskunft darüber, in welcher Form und Höhe Sicherheiten Einzelner abgegolten wurden (Aussonderung von Gegenständen; Erlösauskehrungen an Absonderungsberechtigte). Die Gläubiger können den Schilderungen zudem entnehmen, mit welcher Befriedigungsquote sie rechnen können. Damit zu den Befriedigungsaussichten belastbare Aussagen getätigt werden können, müssen in Vorbereitung der Schlussrechnungslegung und des Schlussberichtes eine Vielzahl von Prüfungen vorgenommen und Veranlassungen getroffen werden. b) Rechnungslegung – Antragsverfahren 1018 Wurde im Antragsverfahren die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet, hat auch der vorläufige Insolvenzverwalter – unabhängig von der Unterscheidung „schwacher“ oder „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter – bei Beendigung seines Amtes Rechnung zu legen (§ 21 Abs. 2 Satz. 1 Nr. 1 InsO i. V. m. § 66 InsO). Adressaten der Rechnungslegung sind das Insolvenzgericht und wohl auch der Schuldner (§§ 666, 259 BGB).465) Praxistipp: Wird der vorläufige Insolvenzverwalter mit Eröffnung zum Insolvenzverwalter bestellt (Personenidentität), ist ob der Amtsverschiedenheit für beide Verfahrensabschnitte (vorläufiges Verfahren und eröffnetes Verfahren) Rechnung zu legen.

2. Vorbereitung des Verfahrensabschlusses sowie Einzelheiten zur Rechnungslegung und zum Schlussberichtswesen a) Vermögensverwertung 1019 Einer der ersten und wohl der wichtigste Indikator dafür, dass ein Verfahren „abschlussreif“, d. h. der Schlussrechnungslegung fähig ist, ist der Stand der Vermögensverwertung. Wurden das massezugehörige Vermögen vollständig verwertet, können in jedem Fall der Verfahrensabschluss eingeleitet und die noch ausstehenden Arbeitsschritte angegangen werden. 1020 Stehen noch einzelne Vermögenswerte zur Verwertung aus, ist zu prüfen, ob absehbar eine Verwertung abgeschlossen werden kann. Ist dies der Fall, sollte mit der Schlussrechnungslegung noch zugewartet werden. Andernfalls sollte überprüft werden, ob hinsichtlich des Erlöses aus der Verwertung des Gegenstands die Nachtragsverteilung (§ 203 InsO) angeordnet werden kann (o Rn. 1044 ff.). 1021 Im Schlussbericht ist zu den einzelnen Vermögenswerten zu erläutern, aus welchen Gründen das Verwertungsergebnis erzielt wurde. Der Verwalter stellt auf den Stichtag der Eröffnung eine Vermögensübersicht auf (§ 153 InsO, ___________ 465) Hierzu Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 802 f.

234

XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss

o Rn. 418 ff.). Diese weist den voraussichtlich zu erwartenden Verwertungserlös aus (Prognosewert). Bei der Verwertung des Gegenstands weichen die tatsächlich erzielten Erlöse mal mehr, mal weniger vom Prognosewert ab. Im Schlussbericht ist (spätestens!) zu erläutern, aus welchen Gründen ein vom prognostizierten Wert abweichender Erlös erzielt wurde und worauf evtl. Verwertungsschwierigkeiten zurückzuführen sind. Wurde das Berichtswesen im laufenden Verfahren ausführlich und sorgfältig 1022 geführt, ergeben sich die Einzelheiten regelmäßig aus dem Bericht zur ersten Gläubigerversammlung/Stichtagsbericht sowie den nachfolgenden Zwischenberichten. Wurde das Modell der fortgeschriebenen Berichterstattung gewählt (o Rn. 625) bilden die tabellarischen, fortgeschriebenen Übersichten die Historie und das Ergebnis der Verwertung ebenfalls ab. Ggf. sind einzelne Aktenvorgänge zu der Verwertung des Gegenstands beizuziehen. Insbesondere gilt dies für die Handakten evtl. anhängiger Prozesse (z. B. zum Forderungseinzug, Anfechtungsansprüchen etc.). b) Abgeltung Sicherungsrechte In Vorbereitung des Schlussberichts und der Schlussrechnungslegung ist eben- 1023 falls zu prüfen, ob sämtliche Sicherungsrechte berücksichtigt und abgegolten wurden (Wurde die verwaltete Masse um die auszusondernden Gegenstände (o Rn. 501 ff.) bereinigt? Sind sämtliche Absonderungsrechte (o Rn. 519 ff.) durch korrekte Erlösauskehr abgegolten?). c) Forderungsprüfung und Schlussverzeichnis (Verteilungsverzeichnis) Die Verteilung der Insolvenzmasse an die Gläubiger erfolgt auf der Basis eines 1024 Schlussverzeichnisses (§ 188 InsO). Die Verteilung ist vom Insolvenzverwalter vorzunehmen (§ 187 Abs. 3 Satz 1 InsO). Ausschüttungen können bereits im Rahmen einer Abschlagsverteilung er- 1025 folgt sein. Dies kommt jedoch nahezu ausschließlich in umfangreichen, massehaltigen Verfahren vor, die sich über einen längeren Abwicklungszeitraum hinziehen. Die Schlussverteilung erfolgt nach dem Schlussbericht auf der Grundlage des 1026 Schluss-/Verteilungsverzeichnisses an die Gläubiger, deren Forderungen uneingeschränkt festgestellt sind. Ein Insolvenzgläubiger, dessen Forderung nicht festgestellt ist und für des- 1027 sen Forderung ein vollstreckbarer Titel oder ein Endurteil nicht vorliegt, muss den Widerspruch im Feststellungsprozess verfolgen. Er hat spätestens innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung des Schlussverzeichnisses dem Insolvenzverwalter nachzuweisen, dass und für welchen Betrag die Feststellungsklage erhoben oder das Verfahren in dem früher anhängigen Rechtsstreit aufgenommen ist (§ 189 Abs. 1 InsO). Wird der Nachweis rechtzeitig geführt, so wird der auf die Forderung

235

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

entfallende Anteil für die Dauer des Rechtsstreits zurückgestellt (§ 289 Abs. 2 InsO); andernfalls wird die Forderung bei der Verteilung nicht berücksichtigt. Ein Gläubiger, der zur abgesonderten Befriedigung berechtigt ist, hat spätestens innerhalb der Ausschlussfrist (§ 189 Abs. 1 InsO) nachzuweisen, dass und für welchen Betrag er auf abgesonderte Befriedigung verzichtet hat oder bei ihr ausgefallen ist (§ 190 Abs. 1 InsO). Die Praxis spricht hier oft vom „endgültigen Ausfallnachweis“/der „endgültigen Ausfallmitteilung“. Wird der Nachweis nicht rechtzeitig geführt, so wird die Forderung bei der Verteilung nicht berücksichtigt. Praxistipp: Oftmals sind in Verwalterbüros unterschiedliche Sachbearbeiterzuständigkeiten für die Abwicklung des Verfahrens und die Tabellenbearbeitung vergeben. Um eine optimale, zügige, professionelle und aus Verwaltersicht auch wirtschaftliche Verfahrensabwicklung darstellen zu können, ist es von höchster Wichtigkeit, dass an diesen Schnittstellen reibungslos und fortlaufend kommuniziert wird! Eine Verwalterkanzlei funktioniert wie ein „Schweizer Uhrwerk“: Greifen zwei Räder nicht ineinander oder hakelt es an der ein oder anderen Stelle, blockiert das ganze Uhrwerk. Bei einer Uhr sind alle Räder und Rädchen gleichbedeutend wichtig – das gleiche gilt in einer Verwalterkanzlei. Kein/e Sachbearbeiter/Abteilung ist wichtiger als ein/e andere/r!

1028 Im Zuge der Vorbereitung des Verfahrensabschlusses ist darauf zu achten, dass keine ungeprüften Forderungen mehr vorliegen. Sollte dies der Fall sein, empfiehlt sich, vor Einreichung des Schlussberichtes und der Schlussrechnungslegung, gegenüber dem Insolvenzgericht anzuregen, einen Nachprüfungstermin (o Rn. 921 ff.) anzuberaumen (§ 177 InsO). So ist gewährleistet, dass alle angemeldeten Forderungen geprüft sind. Forderungen, die nach Veröffentlichung und Niederlegung des Schlussverzeichnisses angemeldet werden, nehmen nicht mehr an einer Schlussverteilung teil.466) 1029 Sind alle Forderungen abschließend und mit dem endgültigen Prüfergebnis in die Tabelle angetragen, steht dem Verfahrensabschluss aus diesem Bereich nichts mehr entgegen. 1030 Auf der Grundlage der „bereinigten Tabelle“ stellt der Insolvenzverwalter das Schlussverteilungsverzeichnis auf (§ 188 InsO). Hierdurch zeigt der Verwalter die Summe der Forderungen und den für die Verteilung verfügbaren Betrag aus der Insolvenzmasse an; beide Werte sind öffentlich bekannt zu machen. Das Verzeichnis ist auf der Geschäftsstelle zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen. 1031 Eine Verteilung auf nicht in das Verzeichnis aufgenommene Forderungen ist nach Ablauf der Ausschlussfrist, innerhalb derer Gläubiger Einwendungen gegen das Verzeichnis erheben können (§§ 189, 194, 197 InsO), ausgeschlossen. ___________ 466) BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZB 8/05, ZIP 2007, 876.

236

XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss

In das Verzeichnis sind folgende Forderungen aufzunehmen:

1032

x

Festgestellte Forderungen (§§ 178 Abs. 1, 183 InsO);

x

vom Insolvenzverwalter bestrittene Forderungen, bei denen im Prüfungstermin ein vollstreckbarer Schuldtitel, ein Endurteil oder ein Vollstreckungsbefehl vorliegt (§ 179 Abs. 2 InsO);

x

nicht festgestellte Forderungen, wenn gegenüber dem Verwalter die Erhebung der Feststellungsklage oder die Aufnahme eines Rechtsstreits nachgewiesen ist (§ 189 InsO);

x

bedingte Forderungen, wenn bei der auflösend bedingten Forderung die Bedingung nicht eingetreten bzw. bei aufschiebend bedingten Forderungen die Anwartschaft nicht aussichtslos ist (§ 191 InsO);

x

Ausfallforderungen, wenn der absonderungsberechtigte Gläubiger nachweist, dass die Verwertung des Absonderungsguts betrieben wird und den Betrag des mutmaßlichen Ausfalls glaubhaft macht (§ 190 Abs. 2 InsO) bzw. wenn der Absonderungsberechtigte auf sein Absonderungsrecht verzichtet.

Der Insolvenzverwalter haftet für die Richtigkeit und Vollständigkeit des 1033 Verteilungsverzeichnisses.467) Eine Änderung des Verteilungsverzeichnisses nach Ablauf der Ausschluss- 1034 frist des § 189 Abs. 1 InsO ist nur durch einen Beschluss des Insolvenzgerichts aufgrund der Einwendung eines Gläubigers, die nur mündlich im Schlusstermin selbst erhoben werden kann (§ 197 InsO), möglich. Im Fall der Eigenverwaltung ist das Verteilungsverzeichnis vom Schuldner 1035 zu erstellen und niederzulegen (§ 283 Abs. 2 InsO). d) Buchführung und Steuern Bei Einleitung des Verfahrensabschlusses ist zu prüfen, ob die steuerlichen 1036 und buchhalterischen Pflichten i. S. d. § 155 InsO („Schuldnerbuchhaltung“, o Rn. 991 ff.), erfüllt wurden. Im Schlussbericht sind zum Stand der Buchhaltung angesichts der Pflicht des Insolvenzverwalters (§ 155 InsO) Ausführungen zu machen. e) Vertragsverhältnisse und Arbeitsverhältnisse Bei Einleitung des Verfahrensabschlusses empfiehlt sich die Prüfung, ob alle 1037 Vertrags- und Arbeitsverhältnisse ordnungsgemäß beendet und in welchem Umfang evtl. aus der einstweiligen Fortsetzung resultierende Masseverbindlichkeiten bereits bedient wurden bzw. noch zur Zahlung offenstehen. ___________ 467) Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 29.11.1982 – 5 U 232/81, ZIP 1983, 341.

237

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

1038 Im Schlussbericht ist zu den Kündigungen, den Gründen für eine evtl. Fortsetzung des Vertrags-/Arbeitsverhältnisses, zu Sozialplanregelungen, den Umständen eines Betriebsübergangs u. Ä. zu schildern. f) Insolvenzbuchhaltung 1039 Die spezifische Insolvenzbuchhaltung wird in der ganz überwiegenden Zahl der Verwalterbüros in speziellen, auf den insolvenzspezifischen Bedarf ausgerichteten Softwareprogrammen geführt. Wurde im Verfahren sorgfältig und richtig gebucht, kann die Schlussrechnung bei Verfahrensabschluss „auf Knopfdruck“ erstellt werden. 1040 In Vorbereitung des Verfahrensabschlusses ist genau das zu prüfen: Sind alle Buchungen vollständig und richtig (d. h. buchhalterisch korrekt, das richtige Konto, keine „Ungeklärten Einnahmen“, keine unbegründeten „Durchlaufenden Posten“)? 1041 Ein praktisches Problem stellt regelmäßig der nicht einheitlich definierte Kontenrahmen für Insolvenzverfahren dar. Einige Experten haben sich dem Ziel verschrieben, dieses Problem anzugehen und einen Standardisierten Kontenplan auszuarbeiten. Die Verwaltertätigkeit stellt dabei hohe Anforderungen, da eine Harmonisierung von insolvenzspezifischen Besonderheiten, buchhalterischen Vorgaben sowie steuerlichen und handelsrechtlichen Aspekten angestrebt werden muss. Hinzu kommt, dass die Bestrebungen zur Vereinheitlichung eines fortgeschriebenen, standardisierten Berichtswesens ebenfalls eingearbeitet werden könnten und perspektivisch wohl auch sollten. 1042 In der aktuellen Verwalterpraxis ist wichtig, dass der Umgang mit dem in der Kanzlei vorgehaltenen Programm sicher beherrscht wird und eine Zuordnung zu den einzelnen Konten468) von vorneherein sichergestellt ist. Dies spart nicht nur doppelte Arbeit, sondern insbesondere in Vorbereitung des Verfahrensabschlusses eine Menge Zeit, die durch die Nach- und Aufarbeitung möglicherweise lange zurückliegender Sachverhalte investiert werden muss. g) Aufbauvorschlag eines Schlussberichts 1043

Praxistipp: Roter Faden – Aufbau eines Schlussberichts I.

Allgemeines

1.

Verfahrensdaten

2.

Persönliche Daten/Unternehmensdaten

___________ 468) Siehe hierzu sehr anschaulich und ausführlich Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 454 ff.

238

XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss II.

Situation bei Eröffnung des Verfahrens und ergriffene Maßnahmen im Eröffnungsverfahren

III.

Vertragsverhältnisse

IV.

Arbeitsverhältnisse

V.

Handels- und steuerrechtliche Rechnungslegung (§ 155 InsO)

VI.

Verwertungs- und Abwicklungsmaßnahmen

VII. Rechtsstreitigkeiten (Aktivprozesse/Passivprozesse) VIII. Noch nicht liquidiertes Vermögen und Nachtragsverteilung IX.

Insolvenztabelle

X.

Ausgenommene Forderungen (§ 302 InsO)

XI.

Schlussrechnung

1.

Massebestand

2.

Verfahrenskosten

3.

Masseverbindlichkeiten

4.

Insolvenzforderungen

5.

Schlussverteilung und Quotenprognose

XII. Verfahrensabschluss

h) Nachtragsverteilung § 203 Abs. 1, 2 InsO

1044

Auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers oder von Amts wegen ordnet das Insolvenzgericht eine Nachtragsverteilung an, wenn nach dem Schlusstermin 1.

zurückbehaltene Beträge für die Verteilung frei werden,

2.

Beträge, die aus der Insolvenzmasse gezahlt sind, zurückfließen oder

3.

Gegenstände der Masse ermittelt werden.

(2) Die Aufhebung des Verfahrens steht der Anordnung einer Nachtragsverteilung nicht entgegen.

Eine Nachtragsverteilung kommt immer dann in Betracht, wenn mit der Verwertung eines Gegenstands bis zur Durchführung der Schlussverteilung nicht gerechnet werden kann oder ein Vermögenswert nach Aufhebung des Verfahrens erst ermittelt wurde und infolge dessen bei der Schlussverteilung noch nicht berücksichtigt werden konnte. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand Bestandteil der Insolvenzmasse (§§ 35, 36 InsO) ist. Wurde die Nachtragsverteilung angeordnet, kann der Insolvenzverwalter, 1045 dessen Verwaltungs- und Verfügungsberechtigung mit Aufhebung des Verfahrens endet, den Gegenstand auch nach Aufhebung noch verwerten. Die

239

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des der Nachtragsverteilung vorbehaltenen Gegenstands dauert über den Zeitpunkt der Aufhebung des Verfahrens hinaus. 1046 Trotz sorgfältiger und umfassender Feststellung der Insolvenzmasse kann es vorkommen, dass nachträglich noch Vermögenswerte festgestellt werden, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht bei der Schlussverteilung mitberücksichtigt und somit nicht an die Gläubiger verteilt werden konnten. § 203 InsO stellt sicher, dass die im Schlussverzeichnis (§ 188 InsO) aufgeführten Gläubiger auch hieraus noch Befriedigung erlangen können. Praktische Beispiele hierfür sind insbesondere: x

Prozessbefangene Ansprüche, wobei der Ausgang des im eröffneten Verfahren anhängig gemachten Prozesses noch nicht absehbar ist;

x

Steuererstattungsansprüche, soweit diese aus dem in das eröffnete Verfahren fallenden Veranlagungszeitraum resultieren;469)

x

versteckte Vermögensgegenstände, die der Schuldner verborgen gehalten oder über die er verbotswidrig verfügt hat;470)

x

Erlöse, die der Schuldner nach Aufhebung des Verfahrens aus dem Einzug einer massebeschlagenen Forderung erzielt hat.471) Praxistipp: Steuererstattungsansprüche, die nach Aufhebung des Verfahrens entstanden, aber bereits während des eröffneten Verfahrens begründet wurden, unterliegen weiterhin dem Insolvenzbeschlag. Voraussetzung ist, dass die Nachtragsverteilung angeordnet wurde.472) Es ist daher dringend anzuraten, mit Einreichung des Schlussberichts die Anordnung der Nachtragsverteilung anzuregen hinsichtlich der Steuererstattungsansprüche, die auf den Zeitraum des eröffneten Verfahrens fallen, jedoch noch nicht festgesetzt (entstanden) sind.

1047 Die Nachtragsverteilung findet in jedem Fall bei entsprechender gerichtlicher Anordnung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO) statt (vgl. § 203 Abs. 2 InsO). Ebenfalls kann eine Nachtragsverteilung bei Einstellung des Verfahrens wegen Masseunzulänglichkeit angeordnet werden (§ 211 Abs. 3 InsO i. V. m. §§ 203 ff. InsO). Mit der h. M. ist die Anordnung der Nach-

___________ 469) BFH, Urt. v. 28.2.2012 – VII R 36/11, BStBl II 12012, 451 = ZIP 2012, 933. 470) BGH, Beschl. v. 6.12.2007 – IX ZB 229/06, ZIP 2008, 322. 471) BGH, Beschl. v. 26.1.2012 – IX ZB 111/10, ZIP 2012, 437; Zwar ist eine Nachtragsverteilung hinsichtlich des Erstattungsanspruchs nicht mehr möglich, da der Schuldner den Betrag bereits eingezogen hat. Zulässig ist aber eine Nachtragsverteilung hinsichtlich des an den Schuldner erstatteten Betrages (Erlöses). 472) So BFH, Urt. v. 28.2.2012 – VII R 36/11, BStBl II 12012, 451 = ZIP 2012, 933.

240

XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss

tragsverteilung auch bei Einstellung des Verfahrens mangels Masse (§ 207 InsO) eine zulässige Verfahrensweise.473) Ausgeschlossen ist die Anordnung der Nachtragsverteilung indes bei einer 1048 Einstellung des Verfahrens wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds (§ 212 InsO) bzw. mit Zustimmung der Gläubiger (§ 213 InsO) oder aufgrund rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans (§ 258 InsO). Nach Verwertung des Gegenstands hat der Insolvenzverwalter den Verwer- 1049 tungserlös aufgrund des Schlussverzeichnisses zu verteilen und darüber gegenüber dem Insolvenzgericht Rechnung zu legen. 3. Arten des Verfahrensabschlusses a) Vorbemerkung Unabhängig von der Art des Verfahrensabschlusses hat der Insolvenzverwal- 1050 ter in jedem Fall abschließend Rechnung zu legen und einen Schlussbericht einzureichen. Die unterschiedlichen Arten des Verfahrensabschlusses haben hierauf keine Auswirkungen, sondern legen lediglich die „Richtung“ fest, die das Verfahren hinsichtlich der Gläubigerbefriedigung nimmt. In der Literatur teilweise umstritten ist, ob der Insolvenzverwalter vor einer 1051 Verfahrensaufhebung nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans gemäß § 258 InsO (o Rn. 1201 ff.) zur Schlussrechnungslegung gemäß § 66 InsO verpflichtet ist. Als Argument der Gegenauffassung wird angeführt, dass der Insolvenzplan bereits umfänglich die Verwaltungstätigkeiten und die Verwertungshandlungen abbilden muss. Da genau dies jedoch der Fall ist, ist es in der Praxis mit wenig Mehraufwand verbunden, eine „zusätzliche“ Schlussrechnung zu erstellen, da diese „auf Knopfdruck“ zur Verfügung steht. Umfassende textliche Erläuterungen (Schlussbericht) dürften angesichts der Ausführlichkeit der Darlegungen im Insolvenzplan indes obsolet sein. b) Aufhebung (§ 200 InsO) Nach Vollzug der Schlussverteilung (§ 196 InsO) wird das Verfahren durch 1052 Beschluss des Insolvenzgerichts aufgehoben (§ 200 Abs. 1 InsO). Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet das Amt des Insolvenzverwalters ebenso wie der Insolvenzbeschlag und damit auch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 Abs. 1 InsO), die sodann wieder an den Schuldner zurückfällt. Eine Ausnahme hierzu bildet lediglich das Vermögen, welches der Nachtragsverteilung vorbehalten ist (§§ 203 Abs. 2, 205 InsO, o Rn. 1078 ff.). Darüber hinaus wird regelmäßig – abgesehen vom notwenigen Selbstbehalt des Schuldners – kein Vermögen mehr vorhanden sein, da der Insolvenzverwalter dies im eröffneten Verfahren verwertet hat. ___________ 473) FK-InsO/Wagner, § 203 Rn. 15 m. w. N.

241

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

1053 Bei masselosen Verfahren (sog. „Null-Verfahren“), erfolgt ebenfalls eine Aufhebung nach § 200 Abs. 1 InsO ohne Vollzug der Schlussverteilung, wenn die Verfahrenskosten gemäß § 4a InsO gestundet sind. Eine Einstellung gemäß § 207 InsO (o Rn. 1054 ff.) kommt in diesen Fällen nicht in Betracht. c) Einstellung mangels Masse (§ 207 InsO) 1054 Das Verfahren wird mangels Masse eingestellt, wenn sich nach der Eröffnung herausstellt, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens zu decken. 1055 Sind die Verfahrenskosten nicht gestundet (§ 4a InsO), wird das Verfahren nur dann eröffnet, wenn eine kostendeckende Masse vorhanden ist (§ 26 InsO). Die Verfahrenskostendeckung kann vor Eröffnung des Verfahrens nur anhand prognostischer Werte festgestellt werden. Nach Eröffnung des Verfahrens hat der Insolvenzverwalter stets darauf zu achten, dass die Verfahrenskosten (o Rn. 836 ff.) gedeckt sind. Stellt sich im Verlauf des Verfahrens heraus, dass dies nicht mehr das Fall ist, ist das Verfahren (zwingend) gemäß § 207 Abs. 1 InsO einzustellen. Die Einstellung erfolgt (von Amts wegen) durch Beschluss des Insolvenzgerichts, das jedoch regelmäßig erst durch die Berichterstattung des Insolvenzverwalters im laufenden Verfahren von der nicht vorhandenen kostendeckenden Masse erfährt. In der Praxis regt daher der Insolvenzverwalter die Einstellung gemäß § 207 Abs. 1 InsO an, sobald er feststellt, dass die Massekosten nicht gedeckt sind. 1056 Sind die Massekosten (§ 54 InsO) gedeckt, die sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) jedoch nicht, ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, Masseunzulänglichkeit anzuzeigen. Die Masseunzulänglichkeit ist aber kein Kriterium für eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 207 Abs. 1 InsO. 1057 Vor der Einstellung gemäß § 207 Abs. 1 InsO hat das Insolvenzgericht eine Gläubigerversammlung einzuberufen (§ 207 Abs. 2 InsO). 1058 Vor der Einstellung hat der Insolvenzverwalter die Verfahrenskosten zu berichtigen (§ 207 Abs. 3 InsO). Sind diese nicht vollständig gedeckt, sind zunächst die Auslagen des Gerichts und des Insolvenzverwalters zu begleichen. Der sodann noch verbleibende Massebestand ist auf die Gerichtsgebühren und die Vergütung des Insolvenzverwalters im Verhältnis ihrer Beträge zu verteilen. d) Einstellung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§§ 208, 211 InsO) 1059 Sind die Verfahrenskosten gedeckt, reicht die Insolvenzmasse jedoch nicht mehr aus, um daneben die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) zu erfüllen, liegt Masseunzulänglichkeit vor (§ 208 InsO). Dies ist vom Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht anzuzeigen (§ 208 Abs. 1 Satz 1 InsO).

242

XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss

Kann der Insolvenzverwalter im Verlauf des Verfahrens absehen, dass vor- 1060 aussichtlich eine solche Situation eintreten wird (drohende Masseunzulänglichkeit), ist auch dies dem Insolvenzgericht anzuzeigen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 InsO). Das Insolvenzgericht hat die Anzeige der Masseunzulänglichkeit öffentlich 1061 bekanntzumachen (§ 208 Abs. 2 Satz 1 InsO). Den Massegläubigern ist sie besonders zuzustellen (§ 208 Abs. 2 Satz 1 InsO). Ist Eigenverwaltung angeordnet, obliegt die Anzeigepflicht dem Sachwalter 1062 (§ 285 InsO). Da die Verfahrenskosten gedeckt sind, kommt eine Einstellung des Verfahrens 1063 gemäß § 207 Abs. 1 InsO nicht in Betracht. Der Insolvenzverwalter muss daher die Masse weiterhin verwerten und verwalten. Nach Abschluss der Verwertung reicht der Insolvenzverwalter die Schlussrechnung und den Schlussbericht ein. Nach Anberaumung eines Schlusstermins und Verteilung der Insolvenzmasse 1064 gemäß den Bestimmungen des § 209 InsO (o Rn. 902), wird das Verfahren gemäß § 211 Abs. 1 InsO eingestellt. Im Bereich der Rechnungslegung ist § 211 Abs. 2 InsO zu beachten: Der In- 1065 solvenzverwalter muss für seine Tätigkeit nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit gesondert Rechnung legen. Die Rechnungslegung verteilt sich somit auf zwei Zeiträume: x

Rechnungslegung für den Zeitraum vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit und

x

Rechnungslegung für den Zeitraum nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit.

e) Aufhebung nach rechtkräftiger Bestätigung des Insolvenzplans (§ 258 InsO) Wurde ein Insolvenzplanverfahren (o hierzu ausführlich Rn. 1201 ff.) unter 1066 Annahme des Plans durch die Gläubiger und mit Zustimmung des Schuldners durchgeführt, bestätigt das Insolvenzgericht den Plan (§§ 248, 252 InsO). Nach Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses hebt das Gericht das Insolvenz- 1067 verfahren auf (§ 258 InsO). Nach Aufhebung des Verfahrens erlischt das Amt des Verwalters und der 1068 Schuldner erhält das Recht zurück, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen (§ 259 InsO). Einschränkungen ergeben sich allenfalls hinsichtlich der Rechtshandlungen, die nach den Ausführungen des gestaltenden Teils unter den Zustimmungsvorbehalt des Planüberwachers gestellt werden (§ 263 InsO).

243

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

f) Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes (§ 212 InsO) 1069 Fällt der Grund, der zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hat (o Rn. 177 ff.) nach Eröffnung weg, kann das bereits eröffnete Verfahren vorzeitig beendet werden (§ 212 InsO). Eine vorzeitige Einstellung gemäß § 212 InsO kommt nur auf Antrag des Schuldners in Betracht, wenn der Schuldner unter Nutzung aller zulässigen Beweismittel glaubhaft macht, dass weder gegenwärtig noch absehbar ein Eröffnungsgrund gegeben ist (§ 212 Satz 2 InsO). Mit der Einstellung des Verfahrens erhält der Schuldner das Recht zurück, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen. 1070 Das Insolvenzverfahren kann nicht wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes eingestellt werden, wenn nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung bei noch laufendem Insolvenzverfahren Restschuldbefreiung erteilt wird (asymmetrisches Verfahren) und dadurch die Insolvenzforderungen, die zur Eröffnung des Verfahrens geführt haben, zu unvollkommenen Verbindlichkeiten geworden sind.474) 1071 Soweit bereits Forderungsanmeldungen vorliegen, sind diese zu prüfen, da die Insolvenzgläubiger die Möglichkeit haben, einen vollstreckbaren Tabellenauszug zu beantragen. 1072 Der Sinn und Zweck der Norm impliziert bereits, dass eine vorzeitige Einstellung nur dann in Betracht kommt, wenn auch die Verfahrenskosten und alle Masseverbindlichkeiten gedeckt sind. g) Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger (§ 213 InsO) 1073 Das Insolvenzverfahren wird auf Antrag des Schuldners eingestellt, wenn er nach Ablauf der Anmeldefrist die Zustimmung aller Insolvenzgläubiger beibringt, die Forderungen angemeldet haben (§ 213 Abs. 1 Satz 1 InsO). Vor dem Ablauf der Anmeldefrist kann eine Einstellung erfolgen, wenn außer den Gläubigern, deren Zustimmung der Schuldner beibringt, andere Gläubiger nicht bekannt sind (§ 213 Abs. 2 InsO). 1074 Bei Gläubigern, deren Forderungen vom Schuldner oder vom Insolvenzverwalter bestritten werden, und bei absonderungsberechtigten Gläubigern entscheidet das Insolvenzgericht nach freiem Ermessen, inwieweit es einer Zustimmung dieser Gläubiger oder einer Sicherheitsleistung gegenüber ihnen bedarf (§ 213 Abs. 1 Satz 2 InsO). 1075 Insbesondere in Verfahren mit wenigen Gläubigern oder in den Fällen, in denen Drittmittel zur Befriedigung der Gläubiger angeboten werden können, kann der Schuldner über § 213 InsO eine schnelle Beendigung des Verfahrens erzielen.475) ___________ 474) BGH, Beschl. v. 23.1.2014 – IX ZB 33/13, NZI 2014, 229. 475) Vgl. dazu ausführlich Haarmeyer, ZInsO 2009, 556.

244

XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss

Das Insolvenzgericht ist gehalten, bei einer Einstellung gemäß § 213 InsO 1076 darauf zu achten, dass die Verfahrenskosten und alle Masseverbindlichkeiten gedeckt sind. 4. Schlusstermin Nach Prüfung der Schlussrechnung bestimmt das Insolvenzgericht von Amts 1077 wegen den Schlusstermin (§ 197 InsO). Im Schlusstermin wird die Schlussrechnung des Insolvenzverwalters erörtert und über das Schicksal nicht verwerteter Gegenstände entschieden. Auch können Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis nur mündlich im Schlusstermin erhoben werden. 5. Schlussverteilung und Nachtragsverteilung Grundlage für die Schlussverteilung ist das Verteilungsverzeichnis/Schluss- 1078 verzeichnis. Die Schlussverteilung darf nur mit Zustimmung des Insolvenzgerichts vorgenommen werden. Die Verteilung erfolgt nach dem Verhältnis der Forderungen, die im Schluss- 1079 verzeichnis aufgenommen sind. Für noch nicht abschließend geklärte Forderung (o Rn. 1024 ff.), ist eine 1080 Rückstellung zu bilden. Die Verteilungsreihenfolge beschreibt sich wie folgt:

1081

Praxistipp: Verteilungsreihenfolge 1. Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO, vgl. Rn. 836 ff.) 2. Sonstige Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO, vgl. Rn. 836 ff.) 3. Ansprüche aus einem Sozialplan (§ 123 Abs. 2 InsO) Ansprüche aus einem Sozialplan sind unechte Masseverbindlichkeiten. Sind die sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht vollständig gedeckt, erfolgt keine Zuteilung an die Sozialplangläubiger. Andernfalls ist der Überschuss zu 1/3 auf die Sozialplangläubiger und zu 2/3 auf die Insolvenzgläubiger auszukehren. Da die Sozialplanansprüche insgesamt nicht mehr als 1/3 des Verteilungsvolumens, das an die Insolvenzgläubiger ausgezahlt wird, ausmachen dürfen, sind ggf. anteilig Kürzungen vorzunehmen. 4. Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) im Verhältnis der Forderungen (Quote) Quotenberechnung: (verteilungsfähiger Betrag : festgestellte Forderungen) x 100 = X,XX % 5. Ggf. nachrangige Insolvenzgläubiger (§ 39 InsO) nur bei Aufforderung zur Anmeldung (o Rn. 928 ff.) 6. Ggf. Überschuss an den Schuldner (§ 199 InsO)

245

D. Das eröffnete Insolvenzverfahren

1082 Liegt Masseunzulänglichkeit vor, ist die Verteilungsreihenfolge des § 209 InsO einzuhalten. Nach den Verfahrenskosten sind zunächst die Neu-Masseverbindlichkeiten (§§ 209 Abs. 1 Nr. 2, 55 InsO) und erst nach vollständiger Befriedigung dieser die Alt-Masseverbindlichkeiten (§§ 209 Abs. 1 Nr. 3, 55 InsO) zu bedienen. Soweit § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO den Vorrang der Verfahrenskosten anordnet, ist dieser unabhängig vom Entstehungszeitpunkt dieser Kosten und genießt absoluten Vorrang vor dem Ausgleich der Neu-Masseverbindlichkeiten. Bei Masseunzulänglichkeit sind die Masseverbindlichkeiten nicht vollständig gedeckt, sodass eine Quotenzahlung an die Gläubiger nicht erfolgt. 6. Vergütung 1083 Die Vergütung des Insolvenzverwalters wird in der Regel mit Einreichung des Schlussberichts und der Einreichung der Schlussrechnungslegung zur Festsetzung beantragt. Zur Vergütungsberechnung darf hinsichtlich der Einzelheiten auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden (o Rn. 848 ff.). 1084 Soweit die Insolvenzmasse die Kosten des Insolvenzverfahrens deckt, ist die Vergütung nach Festsetzung durch das Insolvenzgericht und Rechtskraft des Beschlusses der Masse zu entnehmen. In Verfahren, die auf Basis der Verfahrenskostenstundung eröffnet wurden (§ 4a InsO) erfolgt eine Erstattung der Vergütung aus der Staatskasse, wenn die im Verfahrensverlauf generierte Masse nicht dazu geführt hat, dass es einer Einstandspflicht der Staatskasse nicht mehr bedarf, die Masse also die Vergütung des Insolvenzverwalters neben weiteren Verfahrenskosten (o Rn. 836 ff.) deckt. Praxistipp: Die Ausführungen im Vergütungsantrag, insbesondere zur Begründung der Zuschlagsfaktoren, müssen sich im Berichtswesen/Tätigkeitsbericht wiederfinden. Soweit in Verwalterbüros verschiedene Sachbearbeiter/Abteilungen mit der Vorbereitung des Schlussberichts (Schlussrechnungslegung) und des Vergütungsantrags betraut sind, ist auch an der Schnittstelle eine gute Kommunikation unerlässlich.

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E. Die Wohlverhaltensperiode/Restschuldbefreiungsphase I. Wohlverhaltensperiode Ziel des Insolvenzverfahrens über das Vermögen natürlicher Personen ist – 1085 aus Schuldnersicht – die Erlangung der Restschuldbefreiung. So soll, nach der Intention des Gesetzgebers, selbstständigen Einzelunternehmern, Freiberuflern und auch Privatpersonen die Möglichkeit eines sog. „Fresh Start“ eröffnet werden. Die Restschuldbefreiung hat der Gesetzgeber an die Voraussetzung geknüpft, 1086 dass sich der Schuldner diese durch redliches Verhalten unter Einsatz seiner pfändbaren Habe zur bestmöglichen Schuldentilgung „verdient“. Über den Zeitpunkt der Aufhebung des „eigentlichen“ Insolvenzverfahrens 1087 (eröffnetes Verfahren, in dem die Gläubigerforderungen geklärt und das pfändbare Vermögen mit dem Ziel der Gläubigerbefriedigung verwertet wird) dauert die sog. Wohlverhaltensperiode oder Restschuldbefreiungsphase an. Die Laufzeit der für die Erteilung der Restschuldbefreiung zwingenden erforderlichen Abtretung gemäß § 287 Abs. 2 InsO (Abtretungsfrist) beginnt nominell bereits mit Eröffnung des Verfahrens. Im eröffneten Verfahren läuft diese Abtretungsfrist zeitlich parallel bis zur Aufhebung, wobei ausschließlich die Regelungen für das eröffnete Verfahren (o Rn. 377 ff.) maßgeblich sind. Nach Aufhebung des Verfahrens, deren Zeitpunkt ausschließlich vom Ver- 1088 fahrensverlauf und der „Abschlussreife“, nicht aber gesetzlich bestimmt ist, gelten ohne Unterbrechung nur noch die Regelungen der Restschuldbefreiungsphase bis zum Ablauf der Abtretungsfrist des § 287 Abs. 2 InsO. Diese umfasst insgesamt regulär einen Zeitraum von sechs Jahren ab Eröffnung und damit die Verfahrensabschnitte des eröffneten Verfahrens und der Restschuldbefreiungsphase; die Abtretungsfrist kann unter bestimmten Voraussetzungen verkürzt werden (o Rn. 1147 ff.). Die Erteilung der Restschuldbefreiung ist nur bei Vorhandensein einer Ver- 1089 fahrenskosten deckenden Masse oder bei Verfahrenskostenstundung möglich. Im Fall der Einstellung des Verfahrens mangels Masse (§ 207 InsO) kann die Restschuldbefreiung nicht erteilt werden. Die Insolvenzgläubiger können auch nach Aufhebung des Verfahrens und 1090 Überleitung in die Restschuldbefreiungsphase Befriedigung nicht im Wegen der Einzelzwangsvollstreckung suchen; diese ist gemäß § 294 Abs. 1 InsO bis zur Entscheidung des Gerichts über den Restschuldbefreiungsantrag (§ 300 Abs. 1 InsO) wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes untersagt.

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E. Die Wohlverhaltensperiode/Restschuldbefreiungsphase

II. Aufgaben und Befugnisse des Treuhänders gemäß § 292 InsO 1. Rechtsstellung des Treuhänders (§ 292 InsO) 1091 Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet das Amt des Insolvenzverwalters und damit einhergehend auch dessen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 Abs. 1 InsO). 1092 Ist die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt, schließt sich (nahtlos) der eigenständige Verfahrensabschnitt der Restschuldbefreiungsphase an.476) 1093 Die aufgrund der Abtretung weiterhin zum Verfahren abzuführenden pfändbaren Beträge (§ 287 Abs. 2 InsO) bzw. die aufgrund der Fiktivberechnung abzuführenden Beträge eines Selbstständigen (§ 295 Abs. 2 InsO, o Rn. 723 ff.) sowie die Hälfte des Vermögens, das der Schuldner von Todes wegen erhält (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO), werden vom Treuhänder (§ 292 InsO) einbehalten und an die Gläubiger ausgeschüttet. Der Treuhänder ist in aller Regel personenidentisch mit dem Insolvenzverwalter; es kann jedoch auch eine andere Person zum Treuhänder der Wohlverhaltensphase bestellt werden. 2. Pfändbares Einkommen a) Laufende Einkünfte aus einer Festanstellung bzw. Lohnersatzleistungen 1094 Dem Treuhänder wird nicht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das gesamte pfändbare Vermögen des Schuldners übertragen. Der Treuhänder hat die gemäß § 287 Abs. 2 InsO abgetretenen pfändbaren Einkommensanteile einzubehalten und die Abtretung gegenüber dem Arbeitgeber oder Drittschuldner offenzulegen. Diese Pflicht zur Unterrichtung des Drittschuldners gilt für jeden Wechsel des Arbeitgebers/Leistungsträgers und ist formlos möglich. 1095 Bei Vorliegen einer Zession eines Beamten, ist die öffentliche Kasse (Behörde) durch Vorlage einer öffentlichen oder amtlich beglaubigten Urkunde darüber in Kenntnis zu setzen (§ 411 BGB). Bis zur entsprechenden Benachrichtigung gilt die Zession als nicht bekannt. § 411 BGB ist kein materiellrechtliches Wirksamkeitserfordernis. Die Abtretung ist wirksam, die öffentliche Kasse hat jedoch gemäß § 411 Satz 2 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht. Im eröffneten Insolvenzverfahren bedarf es zum Einzugsrecht des Insolvenzverwalters keiner Abtretungserklärung i. S. d. § 287 Abs. 2 InsO, da die pfändbaren Anteile der Bezüge über §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 InsO i. V. m. §§ 850 ff. ZPO vom Insolvenzbeschlag erfasst sind. Die Kasse kann mithin insoweit nur an den Verwalter schuldbefreiend leisten. Ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 411 BGB besteht nicht. Gemäß § 292 Abs. 1 Satz 1 InsO ist der Treuhänder gehalten, die Kasse über das Vorliegen der Abtretung in Kennt___________ 476) BGH, Beschl. v. 29.6.2004 – IX ZB 90/03, NZI 2004, 635.

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II. Aufgaben und Befugnisse des Treuhänders gemäß § 292 InsO

nis zu setzen. Da es sich mit dem BGH bei der Abtretungserklärung um eine prozessuale Erklärung handelt, die als besondere Voraussetzung für die Durchführung des Restschuldbefreiungsverfahrens gilt,477) entfaltet diese keine materielle Wirkung. Der Übergang der Bezüge erfolgt ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Beschlusses über die Bestellung zum Treuhänder der Restschuldbefreiungsphase (§ 291 InsO) infolge der Bestimmung des Treuhänders durch das Gericht und dessen Amtsübernahme als gesetzlich angeordnete Folge.478) Der Treuhänder in der Restschuldbefreiungsphase hat bereits aufgrund des Beschlusses ein Einzugsrecht (vgl. auch Rückschluss aus § 292 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Behörde (öffentliche Kasse) hat demnach bereits aufgrund der gerichtlichen Beschlussfassung an den Treuhänder zu leisten. Der Vorlage der Abtretungserklärung in der von § 411 BGB geforderten Form bedarf es nicht mehr. Demnach besteht auch kein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 411 BGB (str.)479). In der Praxis wird der Treuhänder nicht selten mit der Bitte konfrontiert, 1096 von der Information des Arbeitgebers über die bestehende Abtretung abzusehen. Von der Information des Arbeitgebers sollte nur in besonders begründeten Ausnahmefällen Abstand genommen werden, z. B. wenn der Schuldner in einem sensiblen Bereich arbeitet und der Verlust des Arbeitsplatzes bei Kenntnis des Drittschuldners wahrscheinlich ist (unbillige Härte).480) In diesem Fall obliegt die Abführung der pfändbaren Beträge dem Schuldner.481) Haben sich Änderungen in der Einkommenssituation des Schuldners ergeben, 1097 ist dieser grundsätzlich mitteilungspflichtig. In der Praxis fragt der Treuhänder zumeist aktiv (einmal jährlich) die aktuelle Einkommenssituation beim Schuldner an. Hierzu ist er eigentlich nur verpflichtet, wenn er von der Gläubigerversammlung mit der Überwachung der Einhaltung der Obliegenheiten beauftragt wurde (o Rn. 1110 ff.). Der Treuhänder ist ob des Übergangs der Verfügungsbefugnis über die nach 1098 § 287 Abs. 2 InsO abgetretenen Beträge verpflichtet, zu prüfen, ob der Arbeitgeber unter Beachtung von §§ 850 ff. ZPO tatsächlich die pfändbaren Beträge abführt und, sollten diese nicht oder in zu geringer Höhe abgeführt werden, diese gegenüber dem Drittschuldner zunächst anzumahnen und notfalls klageweise geltend zu machen.482) In Verbraucherinsolvenzverfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 ist 1099 u. U. über den Zeitpunkt der Aufhebung hinaus ein bevorzugtes Befriedi___________ 477) 478) 479) 480) 481) 482)

BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 117/04, ZIP 2006, 1651. BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 117/04, ZIP 2006, 1651. A. A. z. B. FK-InsO/Grote, § 292 Rn. 6 m. w. N. So auch FK-InsO/Grote, § 292 Rn. 6. BGH, Beschl. v. 7.4.2011 – IX ZB 40/10, NZI 2011, 451. OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.3.2012 – I 17 U 8/11, NZI 2012, 516; BGH, Urt. v. 3.11.2011 – IX ZR 45/11, ZIP 2012, 95.

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E. Die Wohlverhaltensperiode/Restschuldbefreiungsphase

gungsrecht des Abtretungsgläubiger aus § 114 InsO zu beachten. Die Aufhebung verkürzt die Zwei-Jahre-Geltungsdauer des Vorrechts nicht. b) Selbstständig tätiger Schuldner (§ 295 Abs. 2 InsO) 1100 Ist der Schuldner selbstständig tätig, werden seine hieraus erzielten Einkünfte nicht von der Abtretung des § 287 Abs. 2 InsO erfasst. Gemäß § 295 Abs. 2 InsO obliegt dem Schuldner die Abführung eines fiktiv, unabhängig vom tatsächlichen Einkommen ermittelten Betrags aus einem angemessenen abhängigen Beschäftigungsverhältnis, den weder der Treuhänder noch das Gericht festsetzt. Bei der Abführungspflicht handelt es sich um eine Obliegenheit, auf die wegen des Sachzusammenhangs bereits an anderer Stelle eingegangen wird (o im Übrigen zu den Obliegenheiten Rn. 1114 ff.). Die Abführungspflicht ist regelmäßig, mindestens einmal jährlich zu erfüllen.483) Insoweit wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zum pfändbaren Einkommen (o Rn. 1094 ff.) verwiesen. 1101 Ist der Schuldner nicht in der Lage, die fiktiven Beträge aus den erwirtschafteten Einnahmen zu bestreiten, obliegt ihm, sich um eine abhängige Beschäftigung zu bemühen; andernfalls riskiert er die Versagung der Restschuldbefreiung.484) 1102 Seine Auskunftspflicht (§ 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO) bezieht sich grundsätzlich nur auf Tatsachen, aus denen die fiktive abhängige Tätigkeit bestimmt und das fiktive Nettoeinkommen ermittelt werden kann.485) 1103 Ein parallel zu einem eröffneten Erstinsolvenzverfahren laufendes Zweitinsolvenzverfahren wird nach Freigabe einer selbstständigen Tätigkeit für zulässig erachtet und erfasst nur das nicht an den Treuhänder des Erstverfahrens abgetretene Vermögen.486) Die Erfüllung der Abführungspflicht im Erstverfahren ist sicherzustellen.487) 3. Ausschüttung 1104 Die einbehaltenen Beträge sind einmal jährlich aufgrund des Schlussverzeichnisses an die Insolvenzgläubiger zu verteilen. Das erste Jahr beginnt mit der Aufhebung des Verfahrens. 1105 Diese Verteilung ist nur dann vorzunehmen, wenn die nach § 4a InsO gestundeten Verfahrenskosten abzüglich der Kosten für die Beiordnung eines Rechtsanwalts berichtigt sind. Zur Verteilungsmasse gehören die Beträge, die der Treuhänder aufgrund der Abtretung (§ 287 Abs. 2 InsO) bzw. durch die ___________ 483) 484) 485) 486) 487)

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BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 188/09, NZI 2012, 718. BGH, Beschl. v. 19.7.2012 – IX ZB 188/09, NZI 2012, 718. BGH, Beschl. v. 26.2.2013 – IX ZB 165/11, NZI 2013, 404. AG Göttingen, 16.9.2011 – 71 IN 89/11, NZI 2011, 861. AG Göttingen, Beschl. v. 5.10.2007 – 74 IN 295/07, ZVI 2007, 534.

II. Aufgaben und Befugnisse des Treuhänders gemäß § 292 InsO

Zahlungen des selbstständigen Schuldners (§ 295 Abs. 2 InsO) erlangt. Zudem ist das Vermögen, was der Schuldner anlässlich eines Todesfalles erlangt (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO), an den Treuhänder zur Hälfte abzuführen und von diesem zu verteilen. Liegt in Verfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 eine Vorausabtre- 1106 tung vor, die gemäß § 114 Abs. 1 InsO a. F. für eine Dauer von zwei Jahren ab Eröffnung zur bevorzugten Befriedigung berechtigt, hat der Gläubiger in einer Fallvariante unter Verzicht auf das Absonderungsrecht seinen endgültigen Ausfallbetrag angezeigt, der nach Feststellung zur Insolvenztabelle in der Höhe in das Schlussverzeichnis als Verteilungsgrundlage eingeflossen ist. Dies ist gleichbedeutend mit der Erklärung, inwieweit er zur Befriedigung seiner Forderung auch nach Abschluss des Insolvenzverfahrens bis zum Ablauf der Zwei-Jahres-Frist (§ 114 Abs. 1 a. F. InsO) auf sein Absonderungsrecht verzichtet. Auch möglich ist eine Erklärung, inwieweit er aus der Sicherheit vorgehen will, um darauf basierend den Ausfallbetrag zu schätzen. Im Interesse der Rechtsklarheit für alle Beteiligten und der Verfahrensökonomie ist ihm zuzumuten, eine solche Schätzung zum endgültigen Ausfallbetrag vorzunehmen.488) Ändern sich im Laufe der Wohlverhaltensphase Forderungen durch zulässige 1107 Aufrechnungen, ist der Verteilungsschlüssel anzupassen. Zulässig ist z. B. eine Aufrechnung des Finanzamtes gegen nicht mehr insolvenzbeschlagene Erstattungsansprüche aus der Zeit der Restschuldbefreiungsphase mit Insolvenzforderungen.489) Führt die Aufrechnung eines Insolvenzgläubigers gegen Forderungen des Schuldners, die von seiner Abtretungserklärung nicht erfasst sind, während ihrer Laufzeit zu einer teilweisen Befriedigung, so darf der Insolvenzgläubiger an den weiteren Verteilungen nur nach dem Berücksichtigungswert seiner Restforderung teilnehmen.490) Eine Änderung des Verteilungsverzeichnisses nach Aufhebung des Verfahrens ist nicht mehr zulässig, sodass der Verteilungsschlüssel rein rechnerisch anzupassen ist. Wird im Verlaufe der Restschuldbefreiungsphase Vermögen in nur gering- 1108 fügiger Höhe einbehalten, kann der Treuhänder die Verteilung längstens bis zum Ende der Abtretungsfrist aussetzen, wenn dies angemessen erscheint (§ 292 Abs. 1 Satz 4 InsO). Der Treuhänder hat dies dem Gericht einmal jährlich unter Angabe der Höhe der erlangten Beträge mitzuteilen. In Verfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 steht dem Schuldner ge- 1109 mäß § 292 Abs. 1 Satz 4 InsO a. F. ein sog. Motivationsrabatt zu. Von den Beträgen, die während des fünften Jahres der Treuhandphase beim Treuhänder eingehen, beläuft sich der an den Schuldner auszukehrende Betrag auf 10 %, für das sechste Jahr auf 15 %. Ob bei Zählung der Jahre an die Aufhe___________ 488) Im Erg. auch BGH; Beschl. v. 2.7.2009 – IX ZR 126/08, ZIP 2009, 1580. 489) BGH, Beschl. v. 29.3.2012 – IX ZR 116/11, ZIP 2012, 1087. 490) BGH, Beschl. v. 29.3.2012 – IX ZR 116/11, ZIP 2012, 1087.

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E. Die Wohlverhaltensperiode/Restschuldbefreiungsphase

bung des Verfahrens oder an die Eröffnung anzuknüpfen ist, ist in der Praxis umstritten und wird unterschiedlich gehandhabt. Eine Einschränkung erfährt die Auszahlung, wenn die gestundeten Verfahrenskosten noch nicht durch die eingegangenen Beträge ausgeglichen sind (§ 292 Abs. 1 Satz 5 InsO a. F.). 4. Überwachungsauftrag 1110 Die Gläubigerversammlung kann dem Treuhänder zusätzlich die Aufgabe übertragen, die Erfüllung der Obliegenheiten des Schuldners zu überwachen (§ 292 Abs. 12 InsO). Der Treuhänder hat gegenüber den Gläubigern unverzüglich Nachricht zu erstatten, wenn er einen Verstoß gegen diese Obliegenheiten (o Rn. 1114 ff.) feststellt. Eine Pflicht zur Überwachung besteht nur dann, wenn die dem Treuhänder dafür zustehende zusätzliche Vergütung gedeckt ist oder vorgeschossen wird. 1111 In der Praxis kommt die Erteilung eines Überwachungsauftrags so gut wie nicht vor. Dies liegt darin begründet, dass der Treuhänder zumeist ohnehin die Einkommensverhältnisse und den aktuellen Wohnsitz des Schuldners überprüft, um die Verteilung an die Gläubiger in Höhe der richtigen Beträge sicherzustellen. Da hierdurch der wichtigste Teil der Obliegenheiten bereits in Erfüllung des gesetzlichen Aufgabenkreises durch den Treuhänder „überwacht“ wird, sehen die wenigstens Gläubiger – auch unter dem wirtschaftlichen Gesichtspunkt – keine Notwendigkeit, einen zusätzlichen, kostenträchtigen Überwachungsauftrag zu erteilen. 5. Rechnungslegung 1112 Auch der Treuhänder der Wohlverhaltensphase hat bei der Beendigung seines Amtes dem Insolvenzgericht Rechnung zu legen. Die Rechnungslegung bezieht sich ausschließlich auf den Zeitraum der Restschuldbefreiungsphase und folgt den gleichen Grundsätzen wie die Rechnungslegung im eröffneten Verfahren (o Rn. 1013 ff.). 6. Vergütung 1113 Der Treuhänder der Wohlverhaltensphase hat einen Anspruch auf Vergütung seiner Tätigkeit. Zu den Einzelheiten wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die bisherigen sachbezogenen Ausführungen verwiesen (o Rn. 873 ff.). III. Obliegenheiten des Schuldners 1. Grundlegendes 1114 Die Restschuldbefreiung, die ein Schuldner erreichen möchte, ist nicht nur daran geknüpft, dass er seine pfändbare Habe zur Regulierung der Insolvenzverbindlichkeiten einsetzt. Darüber hinaus muss er einige, gesetzlich geregelte Obliegenheiten erfüllen. 252

III. Obliegenheiten des Schuldners

Die Restschuldbefreiung wird in den Verfahren, die ab dem 1.7.2014 bean- 1115 tragt werden, bereits vor Eröffnung des Verfahrens angekündigt (Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO). In den Verfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 erfolgt die Ankündigung gemäß § 291 InsO a. F. nach dem Schlusstermin vor der Aufhebung des Verfahrens und Überleitung in die Wohlverhaltensperiode. Mit einem Verstoß gegen diese Obliegenheiten riskiert der Schuldner, dass 1116 die Restschuldbefreiung versagt wird. Die Obliegenheiten sind geregelt in § 295 InsO.

1117

§ 295 InsO Obliegenheiten des Schuldners (1) Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist 1.

eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen;

2.

Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herauszugeben;

3.

jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzuzeigen, keine von der Abtretungserklärung erfassten Bezüge und kein von Nummer 2 erfasstes Vermögen zu verheimlichen und dem Gericht und dem Treuhänder auf Verlangen Auskunft über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen zu erteilen;

4.

Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder zu leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil zu verschaffen.

(2) Soweit der Schuldner eine selbständige Tätigkeit ausübt, obliegt es ihm, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an den Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre.

2. Erwerbsobliegenheit (§ 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO) Dem Schuldner obliegt es gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO, eine angemessene 1118 Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen. Gemäß § 287b InsO besteht diese Erwerbsobliegenheit bereit ab Eröffnung 1119 des Verfahrens in den ab dem 1.7.2014 beantragten Verfahren. Auch in den Verfahren, die bis zum 30.6.2014 beantragt wurden, ist mittelbar eine solche Erwerbsobliegenheit für das eröffnete Verfahren abzuleiten, wenn dem Schuldner die Verfahrenskosten gestundet wurden (vgl. § 4c Nr. 4 InsO). Ob eine vom Schuldner ausgeübte Tätigkeit angemessen und zumutbar ist, 1120 ist nach den persönlichen Voraussetzungen des einzelnen zu beurteilen. Abzustellen ist auf die Ausbildung und bisherige Berufstätigkeit sowie die per-

253

E. Die Wohlverhaltensperiode/Restschuldbefreiungsphase

sönlichen Verhältnisse. Zudem sind der Umfang der Tätigkeit und die Höhe des erzielten Einkommens maßgebliche Richtgrößen. 1121 Ist der Schuldner erwerbslos, muss er sich um eine Erwerbstätigkeit bemühen. Der BGH setzt hierfür mit zwei bis drei Bewerbungen pro Woche strenge Maßstäbe an.491) 1122 Ein Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit wird nicht angenommen bei: x

Einer tatsächlich fehlenden Möglichkeit zur Erzielung pfändbarer Einkünfte;492)

x

einer sehr geringen Möglichkeit, eine über eine Halbtagstätigkeit hinausgehende Tätigkeit zu finden;493)

x

Aufnahme eines Erststudiums im zeitlich üblichen Rahmen nach dem Abitur;494)

x

Fortsetzung einer schon seit Jahren auf ärztlichen Rat praktizierten Teilzeittätigkeit.495)

1123 Ein Verstoß liegt dagegen vor bei: x

Wahl der Steuerklasse V durch eine verheiraten Schuldner ohne sachlichen Grund, da durch das sich hierdurch ergebende niedrige Pfändungsnetto kein pfändbarer Betrag erzielt wird;496)

x

fehlendem Nachweis über das Bemühen um eine Beschäftigung;497)

x

fehlendem Bemühen um eine Vollzeitbeschäftigung, wenn lediglich eine Teilzeitbeschäftigung ausgeübt wird.498)

3. Herausgabe des Vermögens, das von Todes wegen erworben wird (§ 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO) 1124 Eine weitere Obliegenheit des Schuldners normiert § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO, dass der Schuldner Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herauszugeben hat.

___________ 491) 492) 493) 494) 495) 496) 497) 498)

254

BGH, Beschl. v. 13.9.2012 – IX ZB 191/11, ZInsO, 2012, 1958. BGH, Beschl. v. 22.10.2009 – IX ZB 160/09, ZInsO 2009, 2210. BGH, Beschl. v. 5.4.2006 – IX ZB 50/05, ZInsO 2006, 547. AG Göttingen, Beschl. v. 19.2.2002 – 4 IK 175/00), ZInsO 2002, 385. AG Regensburg, Beschl. v. 20.4.2004 – 2 IN 217/02, ZInsO 2004, 692. BGH, Beschl. v. 5.3.2009 – IX ZB 2/07, ZInsO 2009, 734. BGH, Beschl. v. 27.4.2010 – IX ZB 267/08, NZI 2010, 693. BGH, Beschl. v. 14.1.2010 – IX ZB 242/06, ZInsO 2010, 393.

III. Obliegenheiten des Schuldners

Zur Erfüllung dieser Obliegenheit muss der Schuldner, ist er Mitglied einer 1125 Erbengemeinschaft, die Auseinandersetzung beitreiben; die Übertragung des Erbanteils ist nicht ausreichend.499) Das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft hingegen bleibt als höchstpersön- 1126 liches Recht beim Schuldner und stellt bei Ausübung keinen Obliegenheitsverstoß dar.500) Kein Verstoß liegt hingegen vor bei dem Verzicht auf die Geltendmachung 1127 eines vor Aufhebung oder in der Wohlverhaltensperiode angefallenen Pflichtteilsanspruches oder Vermächtnisse.501) 4. Auskunftspflicht (§ 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO) Gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO hat der Schuldner unverzüglich, d. h. ohne 1128 schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB), jeden Wohnsitz- und Arbeitsplatzwechsel dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzuzeigen. Ein Verstoß gegen diese Obliegenheit wird bereits bei einer Mitteilung des Wohnsitzwechsels nach mehr als zwei Wochen bejaht.502) Darüber hinaus darf er keine von der Abtretungserklärung erfassten Bezüge 1129 und kein Vermögen, das er von Todes wegen erwirbt, verheimlichen. Auf Verlangen muss er dem Gericht und dem Treuhänder Auskunft über 1130 seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen erteilen. 5. Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung (§ 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO) Der Schuldner hat gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO Zahlungen zur Befriedi- 1131 gung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder zu leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil zu verschaffen. Die Vorschrift ist Ausfluss des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes, der 1132 sich über das eröffnete Verfahren hinaus bis in die Wohlverhaltensperiode hinein erstreckt. Zahlungen aus dem unpfändbaren Vermögen sollen keinen Verstoß gegen die Obliegenheiten begründen.503)

___________ 499) Beschl. v. 10.1.2013 – IX ZB 163/11, ZVI 2013, 114. 500) LG Mainz, Beschl. v. 23.4.2003 – 8 T 79/03, ZInsO 2003, 525. 501) BGH, Beschl. v. 18.12.2008 – IX ZB 249/07, ZInsO 2009, 299; BGH, Beschl. v. 25.6.2009 – IX ZB 196/08, ZInsO 2009, 1461; BGH, Beschl. v. 10.3.2011 – IX ZB 168/09, InsbürO 2011, 187. 502) BGH, Beschl. v. 11.2.2010 – IX ZA 46/09, NZI 2010, 39. 503) AG Göttingen, Beschl. v. 5.8.2005 – 74 IN 162/04, ZInsO 2005, 1002.

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E. Die Wohlverhaltensperiode/Restschuldbefreiungsphase

6. Abführungsobliegenheit selbstständig Tätiger (§ 295 Abs. 2 InsO) 1133 Dem Selbstständigen obliegt die Abführung eines vom ihm selbst zu ermittelnden fiktiven pfändbaren Einkommensanteils. Diese Beträge hat er unabhängig von der Höhe der tatsächlich erzielten Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit abzuführen. Ist er wegen zu geringer Höhe nicht leistungsfähig, muss er sich um eine angemessene Beschäftigung bemühen.504) 1134 Verwendet der Schuldner den gesamten Jahresüberschusses vermeintlich für Investitionen in den Geschäftsbetrieb ohne nähere Angaben, liegt ein Verstoß gegen die Obliegenheit des § 295 Abs. 2 InsO vor.505)

___________ 504) BGH, Beschl. v. 7.5.2009 – IX ZB 133/07, ZInsO 2009, 1217. 505) BGH, Beschl. v. 18.2.2010 – IX ZB 211/09, ZVI 2010, 317.

256

F. Erteilung der Restschuldbefreiung und Versagungsgründe I. Erteilung der Restschuldbefreiung Die Restschuldbefreiung wird gemäß § 300 Abs. 1 InsO durch Beschluss des 1135 Insolvenzgerichts nach Anhörung der Insolvenzgläubiger, des Treuhänders und des Schuldners erteilt, sofern keine Versagung aus den in diesem Kapitel beschriebenen Gründen ausgesprochen werden muss. Die rechtskräftige Erteilung der Restschuldbefreiung wirkt gemäß § 301 Abs. 1 1136 InsO gegen alle Insolvenzgläubiger, auch wenn sie ihre Forderungen nicht zur Insolvenztabelle angemeldet haben und soweit die Forderung nicht gemäß § 302 InsO ausgenommen sind (o Rn. 1144 ff.). In Höhe der nicht befriedigten Forderungen werden diese gemäß § 301 Abs. 3 1137 InsO zu sog. unvollkommenen Verbindlichkeiten (Naturalobligationen). Dies bedeutet, dass sie zwar freiwillig erfüllt, nicht aber mehr zwangsweise durchgesetzt werden können; § 201 Abs. 1 InsO gilt nicht. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen kann der Schuldner mit der Vollstreckungsgegenklage begegnen. Die Gläubiger haben keinen Anspruch auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung aus der Tabelle (§ 201 Abs. 2 Satz 3 InsO). Die Restschuldbefreiung berührt nicht

1138

x

Forderungen von Neugläubigern,

x

Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners,

x

dingliche Sicherheiten der Gläubiger (§ 301 Abs. 2 Satz 1 InsO).

Gemäß § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO berührt die Restschuldbefreiung nicht die 1139 Rechte der Insolvenzgläubiger aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt. Sicherungsabtretungen begründen zwar grundsätzlich ein Absonderungsrecht gemäß § 51 Nr. 1 InsO. Dieses ist auch insoweit zu berücksichtigen, als durch den Insolvenzverwalter nach Eröffnung pfändbare Beträge einbehalten werden, die aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens resultieren. Die Entstehung eines solchen Absonderungsrechts wird jedoch im Fall der 1140 Vorausabtretung hinsichtlich der ab Eröffnung entstehenden pfändbaren Forderungen wegen § 91 Abs. 1 InsO verhindert, sodass § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO dem Wortlaut nach nicht einschlägig ist (ein Absonderungsrecht ist nicht entstanden). § 91 Abs. 1 InsO regelt „lediglich“ die Unwirksamkeit der Vorausabtretung, 1141 sodass angesichts der vom BGH aufgestellten Grundsätze zur Konvales-

257

F. Erteilung der Restschuldbefreiung und Versagungsgründe

zenz506) mit Wegfall des Insolvenzbeschlags anzudenken ist, ob der Gläubiger sich auf ein nach Erteilung der Restschuldbefreiung geschütztes dingliches, grundsätzlich der Absonderung fähiges Recht berufen kann. Die Antwort auf diese Frage gibt § 294 Abs. 2 InsO, der bereits auf den Zeitpunkt der Überleitung in die Wohlverhaltensperiode die Nichtigkeit der Vorausabtretung über künftige Entgeltforderungen bestimmt. Nichtige Rechtsgeschäfte sind – im Gegensatz zu unwirksamen – jedoch nicht der Konvaleszenz fähig (vgl. § 185 Abs. 2 Satz 1 BGB), da die Nichtigkeitsfolge eine von vorneherein bestehende, dauerhafte und gegenüber jedermann geltende ist, aus der niemand mehr eine Rechtsfolge herleiten kann. Der aus einer Vorausabtretung Berechtigte kann sich demnach nicht auf eine schützenswerte Rechtsposition nach Erteilung der Restschuldbefreiung berufen und aus dieser Rechtsposition Befriedigungsrechte herleiten. Bereits unter Geltung von § 114 Abs. 1 InsO a. F. ist die Vorausabtretung in ihrer Wirksamkeit auf eine Dauer von zwei Jahren ab Eröffnung begrenzt. Mit der Streichung des § 114 InsO ist die eindeutige Regelung zur zeitlich begrenzten Wirksamkeit nunmehr entfallen. Sofern daraus der Rückschluss gezogen werden sollte, dass die Vorausabtretung in ihrer Wirksamkeit nicht (mehr) berührt wird (vgl. § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO), würde dies nicht zuletzt das Ziel der Restschuldbefreiung völlig unterlaufen, da die Abtretungsgläubiger nach Erteilung der Restschuldbefreiung uneingeschränkt Befriedigung aus den pfändbaren Einkommensanteilen verlangen könnten. Die Forderungen werden durch Erteilung der Restschuldbefreiung zu sog. unvollkommenen Verbindlichkeiten im engeren Sinne (Naturalobligationen), die zwar freiwillig erfüllt, aber nicht durchgesetzt werden können. Die Erfüllung einer Forderung ohne materiellrechtliche Verbindlichkeit kann nicht im Klagewege geltend gemacht werden. Das Ziel und die Wirkungen der Restschuldbefreiung würden nach Auffassung der Verfasserin konterkariert, würden die Abtretungsgläubiger angesichts der nach Erteilung der Restschuldbefreiung fortdauernden Wirksamkeit – bestenfalls volle – Befriedigung ihrer Forderung durch fortlaufenden Einzug der pfändbaren, abgetretenen Einkommensanteile suchen können. Es bleibt jedoch zu vermuten, dass hinsichtlich dieser Frage nur im Wege der Rechtsprechung Klarheit geschaffen werden kann. 1142 Gemäß § 303 Abs. 1 InsO kann auf Antrag eines Insolvenzgläubigers die Erteilung der Restschuldbefreiung widerrufen werden. 1143 Der Antrag ist nur binnen einer einjährigen Notfrist nach Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung zulässig. Der Gläubiger muss das Vorliegen der Voraussetzungen des § 303 Abs. 1 InsO glaubhaft machen. Zudem muss er zur freien Überzeugung des Gerichts darlegen, dass er vor der Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung keine Kenntnis von dem Obliegenheitsverstoß des Schuldners hatte. ___________ 506) BGH, Urt. v. 18.4.2013 – IX ZR 165/12, ZIP 2013, 1181.

258

II. Ausgenommene Forderungen

II. Ausgenommene Forderungen Die Restschuldbefreiung berührt gemäß § 302 InsO nicht:

1144

x

Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (Deliktsforderungen, § 302 Nr. 1 InsO),

x

Verbindlichkeiten aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat (§ 302 Nr. 1 InsO),

x

Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373, 374 AO rechtskräftig verurteilt worden ist (§ 302 Nr. 1 InsO),

x

Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten (§ 302 Nr. 2 InsO),

x

Verbindlichkeiten aus zinslosen Darlehen, die dem Schuldner zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens gewährt wurden (§ 302 Nr. 3 InsO).

Der Gläubiger hat die entsprechende Forderung unter Angabe dieses Rechts- 1145 grundes nach § 174 Abs. 2 InsO anzumelden. Forderungen aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners (Deliktsforderungen) werden von der Restschuldbefreiung nicht erfasst, sofern der Gläubiger im Rahmen der Forderungsanmeldung gemäß § 174 Abs. 2 InsO zudem die Tatsachen angegeben hat, aus denen nach seiner Einschätzung folgt, dass es sich um eine deliktische Forderung handelt, und der Schuldner diesem Vortrag nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts, dass eine Deliktsforderung angemeldet wurde (§ 175 Abs. 2 InsO), nicht gemäß § 178 Abs. 1 InsO widersprochen hat. Bei einem Widerspruch des Schuldners gegen den Deliktscharakter kann der Gläubiger in einem zivilgerichtlichen Feststellungsstreit außerhalb des Insolvenzverfahrens die Deliktseigenschaft der Forderung durchsetzen (§ 201 Abs. 2 InsO). Je nach Feststellung in diesem Prozess ist die Forderung von der Restschuldbefreiung erfasst oder gemäß § 302 Nr. 1 InsO ausgenommen. Der Prozess hat i. Ü. keine weiteren Auswirkungen auf den Fortgang des Insolvenzverfahrens. Die Deliktseigenschaft ist unabhängig von der Frage der Begründetheit der 1146 Forderung zu beurteilen. Die Forderung kann also in voller Höhe zur Tabelle festgestellt worden und im Rahmen der Verteilung berücksichtigt worden sein, ohne dass die Deliktseigenschaft hierauf Einfluss hätte. Letztere betrifft lediglich die Frage der Erfassung von der Restschuldbefreiung.

259

F. Erteilung der Restschuldbefreiung und Versagungsgründe

III. Vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung und Verkürzungsmöglichkeiten 1. Verfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 1147 Die Laufzeit der Abtretungserklärung beginnt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dauert insgesamt regelmäßig sechs Jahre. Vor Aufhebung des eröffneten Verfahrens kündigt das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung an (§ 291 InsO).507) 1148 Eine vorzeitige Erlangung der Restschuldbefreiung ist auf Antrags des Schuldners möglich mit Zustimmung aller Gläubiger (§ 213 InsO) oder in Verfahren, in denen kein Gläubiger seine Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet hat, wenn die Verfahrenskosten und sonstigen Masseverbindlichkeiten gedeckt sind bzw. wenn später in der Wohlverhaltensphase feststeht, dass sämtliche Gläubiger befriedigt wurden und die Kosten in voller Höhe getilgt sind.508) Auf Antrag des Schuldners ist die Wohlverhaltensphase vorzeitig zu beenden und die Restschuldbefreiung auszusprechen, wenn der Schuldner mit allen Insolvenzgläubigern, die Forderungen zur Tabelle angemeldet haben, in der Wohlverhaltensperiode einen Vergleich schließt und die Ansprüche dieser Gläubiger danach durch Teilzahlung und Teilerlass erloschen sind, sofern er belegt, dass die Verfahrenskosten und die sonstigen Masseverbindlichkeiten getilgt sind.509) Gleiches muss auch gelten, wenn der Schuldner während der Wohlverhaltensphase alle zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen einschließlich der Verfahrenskosten durch Zahlung getilgt hat. 2. Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 1149 In Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 bietet § 300 InsO Möglichkeiten zur Verkürzung in den normierten Fällen. 1150 Gemäß § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO kann der Schuldner die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung beantragen, wenn die Verfahrenskosten berichtigt sind und infolge Befriedigung oder mangels Anmeldung kein Insolvenzgläubiger (mehr) existent ist sowie die sonstigen Masseverbindlichkeiten befriedigt sind. 1151 Die Vorschrift ist wohl so zu lesen, dass der Schuldner glaubhaft machen muss, dass die Verfahrenskosten aus der vorhandenen Masse bzw. infolge einer freiwilligen Zahlung des Schuldners zur Masse gedeckt (nicht „berichtigt“) sind. Ohne eine Auskunft des Insolvenzverwalters über die Höhe der Verfahrenskosten und die Höhe des vorhandenen Massebestandes wird es dem Schuldner kaum möglich sein, zu beurteilen, ob ein Verkürzungsantrag erfolgversprechend ist. Auch zur Glaubhaftmachung dürfte der Schuldner auf ___________ 507) BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 117/04, ZIP 2006, 1651. 508) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, NZI 2005, 399. 509) BGH, Beschl. v. 29.9.2011 – IX ZB 219/10, NZI 2011, 947.

260

III. Vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung und Verkürzungsmöglichkeiten

eine Bestätigung des Insolvenzverwalters angewiesen sein. Billigt man einen entsprechenden Auskunftsanspruch des Schuldners gegen den Insolvenzverwalter, stellt sich auf Verwalterseite das Problem, dass dieser die Kosten vor Einreichung der Schlussrechnung sowohl dem Grund als auch der Höhe nach allenfalls wird prognostizieren können. Einher geht damit die bislang ungeklärte Frage, wer für evtl. erhebliche Abweichungen die Haftung trägt. Gemäß § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO kann der Schuldner die vorzeitige Er- 1152 teilung der Restschuldbefreiung beantragen, wenn drei Jahre Abtretungsfrist verstrichen sind und die Insolvenzgläubiger mit mindestens 35 % Quote befriedigt werden können. Das insolvenzrechtliche Verständnis der Befriedigungsreihenfolge fordert, dass die Verfahrenskosten gedeckt sind und die sonstigen Masseverbindlichkeiten beglichen werden können (vgl. § 53 InsO). Zur Berechnung der Quote ist der Schuldner neben einer Auskunft zu den Verfahrenskosten (o Rn. 836 ff.) darauf angewiesen, wenigstens einen Überblick über die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen (nebst Prüfergebnissen) vom Insolvenzverwalter zu erhalten. Ein solcher Antrag wird in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle nur nach dem Schlusstermin möglich sein, da bis zur Niederlegung des Schlussverzeichnisses Nachmeldungen einzelner Gläubiger zulässig sind. Für die Verwalterbüros bedeutet dieser Antrag organisatorischen Handlungsbedarf, da festzulegen ist, wer für die vorgenannte Auskunftserteilung zuständig ist. Problematisch kann die Prüfung und auch die Erreichung der 35 % Quote 1153 werden, wenn die Deckungsquote durch Drittmittel finanziert werden soll, da diese in die Berechnungsgrundlage des Insolvenzverwalter mit einzubeziehen sind. Auch die Frage, ob die 35 % Quote genau auf den Dreijahres-Stichtag erfüllt 1154 sein muss oder auch eine spätere Erfüllung ausreicht, wird wohl im Wege der Rechtsfortbildung zu klären sein. Gemäß § 300 Abs. 2 InsO ist zudem vom Schuldner ein Herkunftsnachweis 1155 bzgl. der Befriedigungsmittel, die nicht der Abtretungserklärung unterfallen, zu erbringen. Gemäß § 300 Abs. 2 Nr. 3 InsO kann der Schuldner nach Ablauf von fünf 1156 Jahren Abtretungsfrist (ab Eröffnung des Verfahrens) die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung beantragen, wenn die Verfahrenskosten „berichtigt“, d. h. gedeckt sind. Auch diesbezüglich wird abzuwarten sein, wie die Rechtsanwender- und Ge- 1157 richtspraxis mit der Frage umgehen wird, ob die Deckung stichtagsgenau vorliegen muss oder, ob ein früherer oder späterer Zeitpunkt in Betracht kommt. Unabhängig davon ist zu erwarten, dass diese Verkürzungsmöglichkeit wohl die mit der höchsten Praxisrelevanz sein wird. Eine weitere Möglichkeit zur frühzeitigen Erlangung der Restschuldbefrei- 1158 ung ist zudem das Insolvenzplanverfahren, welches auch in Verbraucher261

F. Erteilung der Restschuldbefreiung und Versagungsgründe

insolvenzverfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 zulässig ist. Dem Insolvenzplanverfahren ist ein eigenes Kapitel in diesem Buch gewidmet (o Rn. 1201 ff.). IV. Versagung der Restschuldbefreiung und die Konsequenzen der Versagung 1. Hauptverfahren (§ 290 InsO) § 290 InsO

1159

Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn 1.

der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 – 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist,

2.

der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden,

3.

(weggefallen)

4.

der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, dass er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat,

5.

der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat,

6.

der Schuldner in der nach § 287 Absatz 1 Satz 3 vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat,

7.

der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit nach § 287b verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) 1Der Antrag des Gläubigers kann bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Absatz 1 schriftlich gestellt werden; er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. 2Die Entscheidung über den Versagungsantrag erfolgt nach dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt.

262

IV. Versagung der Restschuldbefreiung und die Konsequenzen der Versagung (3) Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen.

Bei einem Verstoß gegen die Obliegenheiten läuft der Schuldner Gefahr, dass 1160 die Restschuldbefreiung versagt wird. Voraussetzung für die Erlangung der Restschuldbefreiung ist demnach ein redliches Verhalten des Schuldners (§ 1 Satz 2 InsO). § 290 InsO definiert einen abschließenden Katalog von Versagungstatbe- 1161 ständen für das Hauptverfahren (eröffnetes Verfahren). Eine Versagung der Restschuldbefreiung bedarf zu den Tatbeständen des 1162 § 290 InsO stets eines dahingehenden Gläubigerantrags. Das Vorliegen des Versagungsgrundes ist glaubhaft zu machen. In Verfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 kann dieser nur im 1163 Schlusstermin gestellt werden. Danach können Versagungsanträge bis zum Ablauf der Wohlverhaltensperiode nur noch auf die §§ 295 ff. InsO gestützt werden. Wurde der Eröffnungsantrag ab dem 1.7.2014 gestellt, können Versagungs- 1164 gründe gemäß § 290 InsO bis zum Schlusstermin sowie unter den Voraussetzungen des § 297a InsO auch nach Aufhebung/Einstellung (gemäß § 211 InsO) des Verfahrens in der Wohlverhaltensperiode geltend gemacht werden. Voraussetzung einer Versagung gemäß § 297a InsO ist ein Antrag eines Insolvenzgläubigers spätestens sechs Monate nach Kenntnis vom nachträglichen Vorliegen eines Versagungsgrundes nach § 290 Abs. 1 InsO. Der Versagungsgrund und der Zeitpunkt der Kenntniserlangung sind glaubhaft zu machen. Die Versagungsgründe haben durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuld- 1165 befreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte510) eine inhaltliche Änderung erfahren. Einen Überblick über die Änderungen gibt die nachfolgende Aufstellung: Norm

Änderungen mit Geltung für ab dem 1.7.2014 beantragte Verfahren

§ 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO

Erheblichkeitsschwelle: Verurteilung zu mehr als 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe von mehr als 3 Monaten innerhalb der letzten 5 Jahre vor Antragstellung

§ 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO

Unverändert

§ 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO

Weggefallen; vgl. aber Eingangsentscheidung als Zulässigkeitsvoraussetzung (§ 287a InsO)

___________ 510) Siehe BGBl. I 2013 S. 2379.

263

F. Erteilung der Restschuldbefreiung und Versagungsgründe Norm

Änderungen mit Geltung für ab dem 1.7.2014 beantragte Verfahren

§ 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO

Verlängerte Frist: 3 Jahre

§ 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO

Erweiterung: Verstöße im Eröffnungsverfahren

§ 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO

Erweiterung: Falschangaben gemäß § 287 Abs. 1 Satz 3 InsO über die Unzulässigkeitsgründe gemäß § 287a Abs. 2 InsO

§ 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO

Neuer Tatbestand: Verstöße gegen Erwerbsobliegenheit im Hauptverfahren (eröffnetes Verfahren; § 287b InsO)

1166 Das Vorliegen von Versagungsgründen hat ebenfalls Einfluss auf die Frage der Verfahrenskostenstundung bzw. -aufhebung (vgl. § 4a InsO bzw. § 4c InsO). Wird bei Vorliegen eines der genannten Versagungsgründe die Stundung nicht bewilligt oder aufgehoben, ist ein erneuter Stundungsantrag im selben Verfahren unzulässig. a) Insolvenzstraftaten (§ 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO) 1167 In den bis zum 30.6.2014 beantragten Verfahren setzt eine Versagung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Rechtskraft des Strafurteiles voraus, wobei ein konkreter Bezug zum Insolvenzverfahren gefordert ist. Eine Verwarnung mit Strafvorbehalt gemäß § 59 StGB stellt eine Verurteilung nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar. Zu beachten sind die Tilgungsfristen des § 46 Abs. 1 BZRG, da eine Verurteilung nicht berücksichtigt wird, wenn Tilgungsreife bereits im Zeitpunkt des Eröffnungsantrages eingetreten war. 1168 In Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 sind die Tilgungsfristen des BZRG nicht mehr relevant. Stattdessen wurde die Erheblichkeitsschwelle eingefügt, wonach Verurteilungen von mehr als 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten als Versagungsgrund beachtlich sind, wenn sie innerhalb der letzten fünf Jahre vor Antragstellung erfolgten, gerechnet vom Zeitpunkt der Rechtskraft an. Auch eine Verurteilung nach dem Eröffnungsantrag und nach Eröffnung stellt einen Versagungsgrund gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar. Die rechtkräftige Verurteilung muss bei Geltendmachung des Versagungsgrundes vorliegen; in Anbetracht des Wirkungsrahmens des § 290 Abs. 1 InsO ist eine rechtskräftige Verurteilung nach dem Schlusstermin keine Grundlage für einen Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO (vgl. § 290 Abs. 2, 297a Abs. 1 InsO). Erfolgt die rechtskräftige Verurteilung in dem Zeitraum zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist, verfängt § 297 InsO.

264

IV. Versagung der Restschuldbefreiung und die Konsequenzen der Versagung

b) Unrichtige oder unvollständige Angaben (§ 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO) Falschangaben oder unvollständige Angaben des Schuldners begründen dann 1169 eine Versagung nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO, wenn der Schuldner diese (subjektiv) mit dem Ziel, Leistungen zu erhalten oder zu vermeiden, innerhalb von drei Jahren vor Antragstellung gemacht hat. Ein Verstoß liegt z. B. vor bei:

1170

x

Vorsätzlich oder grob fahrlässigen Falschangaben/unvollständigen Angaben zu seinen Vermögensverhältnissen in der Zeit zwischen Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Schlusstermin, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentlichen Kassen zu vermeiden;511)

x

unrichtigen oder unvollständigen Angaben des Schuldners zu den wirtschaftlichen Verhältnissen einer Personengesellschaft, für deren Verbindlichkeiten er unbeschränkt haftet;512)

x

nicht mitgeteilter Nebentätigkeit.513)

Das Vorliegen eines Verstoßes wird dagegen z. B. verneint:

1171

x

Wenn bei einer Einkommenssteuerklärung die Unrichtigkeit nicht feststeht, sondern nur auf Schätzungen des Finanzamtes beruht;514)

x

bei Falschangaben zur Auszahlung des Rückkaufswertes einer Lebensversicherung.515)

c) Sperrfrist (§ 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO a. F.) § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist nur anzuwenden auf Verfahren, die bis zum 1172 30.6.2014 beantragt wurden. Danach ist die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt oder nach §§ 296 oder 297 InsO versagt worden ist. Der BGH nimmt eine analoge Anwendung an für Verfahren, in denen die 1173 Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO versagt wurde und begrenzt die Sperrfrist für einen erneuten Restschuldbefreiungsantrag auf drei Jahre.516)

___________ 511) 512) 513) 514) 515) 516)

BGH, Beschl. v. 1.12.2011 – IX ZB 260/10, ZVI 2012, 78. BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, ZVI 2003, 538. LG Stuttgart, Beschl. v. 9.1.2001 – 19 T 394/00, NZI 2001, 38. BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – ZB 29/04, ZVI 2006, 162. LG Düsseldorf, Beschl. v. 6.1.2009 – 25 T 810/08, ZVI 2009, 125. BGH; Beschl. v. 16.7.2009 – IX ZB 219/08, ZVI 2009, 422.

265

F. Erteilung der Restschuldbefreiung und Versagungsgründe

1174 In den Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 sind die Sperrfristen nunmehr in der Eingangsentscheidung gemäß § 287a InsO niedergelegt unter teilweiser Kodifizierung der „Sperrfrist-Rechtsprechung“ des BGH. d) Begründung unangemessener Verbindlichkeiten und Vermögensverschwendung (§ 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO) 1175 In der Praxis hat die Vorschrift nur in Einzelfällen Bedeutung, da eine Versagung regelmäßig an der Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung scheitert. Für Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 ist die Frist auf drei Jahre verlängert worden. e) Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflichten sowie Falschangaben (§ 290 Abs. 1 Nr. 5, 6 InsO) 1176 Der Schuldner ist zur umfassenden Mitwirkung und vollständigen Auskunftserteilung im eigenen Interesse verpflichtet, da er andernfalls Gefahr läuft, dass die Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 oder Nr. 6 InsO versagt wird. 1177 Der Schuldner ist verpflichtet, ohne besondere Nachfrage Angaben zu allen möglicherweise bedeutsamen Umständen zu machen.517) 1178 Ein Verstoß ist z. B. anzunehmen bei: x

Verschleiern der Einkommensverhältnisse,518)

x

Verschweigen eines Bankkontos519) oder ausländischen Grundvermögens,520)

x

der Nichtangabe von Einkünften auch unterhalb der Pfändungsfreigrenze,521)

x

Nichtangabe eines Gläubigers im Eröffnungsantrag,522)

x

Nichtabführung pfändbarer, an den Schuldner ausgezahlter Einkommensanteile,523)

x

unterlassener Information über Aufnahme einer selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeit.524)

___________ 517) 518) 519) 520) 521) 522) 523) 524)

266

BGH, Beschl. v. 13.1.2011 – IX ZB 163/10, ZInsO 211, 396. BGH, Beschl. v. 3.3.2005 – IX ZB 277/03, ZVI 2005, 276. BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 142/11, ZInsO 2011, 1223. BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 260/03, ZVI 2005, 641. BGH, Urt. v. 7.3.2002 – ZR 12/01, ZIP 2002, 761. BGH, Beschl. v. 9.10.2008 – IX ZB 212/07, ZIP 2008, 2276. BGH, Beschl. v. 31.7.2013 – IX ZA 37/12, ZVI 2013, 491. BGH, Beschl. v. 15.10.2009 – IX ZB 70/09, ZInsO 209, 2162.

IV. Versagung der Restschuldbefreiung und die Konsequenzen der Versagung

Ein Verstoß liegt z. B. nicht vor bei:

1179

Fragestellung,525)

x

Unklarer

x

Angabe einer streitigen Forderung als wertlos,526)

x

Aufgabe einer Arbeitsstelle.527)

f) Erwerbsobliegenheit (§ 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO) In den Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 ist die Verletzung der 1180 Erwerbsobliegenheit im eröffneten Verfahren (§ 287b InsO) ein Grund, die Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO zu versagen. Es dürften die zu § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO geltenden Grundsätze auch auf das eröffnete Verfahren anzuwenden sein (o Rn. 723 ff.). g) Abführungspflicht (§ 295 Abs. 2 InsO) Zur Abführungspflicht eines Selbstständigen wurde bereits zuvor wegen des 1181 Sachzusammenhangs ausgeführt; auf entsprechende Darlegungen wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (o Rn. 723 ff., 1100 ff.). 2. Restschuldbefreiungsphase (§§ 295 ff. InsO) a) Versagung gemäß § 296 InsO § 296 Abs. 1 InsO Verstoß gegen Obliegenheiten

1182

Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist eine seiner Obliegenheiten verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft. 2Der Antrag kann nur binnen eines Jahres nach dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem die Obliegenheitsverletzung dem Gläubiger bekanntgeworden ist. 3Er ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 glaubhaft gemacht werden.

Verstößt der Schuldner in der Wohlverhaltensphase gegen die in § 295 InsO 1183 aufgeführten Obliegenheiten (o Rn. 1114 ff.), versagt das Insolvenzgericht auf Antrag eines Insolvenzgläubigers die Restschuldbefreiung (§ 296 InsO) mit der Folge, dass das Verfahren vorzeitig beendet ist (§ 299 InsO). Die Antragstellung kann nur binnen Jahresfrist ab Kenntnis des Versagungs- 1184 grundes erfolgen. Bei Selbstständigen kann oft erst am Ende der Wohlverhaltensphase sicher festgestellt werden, ob ein Obliegenheitsverstoß vorliegt. Deswegen müssen auch nach dieser Ansicht die Gläubiger regelmäßig be___________ 525) BGH, Beschl. v. 5.6.2008 – IX ZB 37/06, ZVI 2008, 395. 526) BGH, Beschl. v. 12.6.2008 – IX ZB 205/07, ZVI 2008, 515. 527) AG Regensburg, Beschl. v. 6.7.2004 – 2 IN 337/02, ZVI 2004, 423.

267

F. Erteilung der Restschuldbefreiung und Versagungsgründe

rechtigt sein, den Versagungsantrag unabhängig von einer vorherigen Kenntnis von der Nichtabführung einzelner Beträge erst am Ende der Treuhandphase zu stellen, auch wenn die Zahlungsobliegenheit aus § 295 Abs. 2 InsO schon während der laufenden Treuhandphase besteht.528) Die Obliegenheitsverletzung muss der Schuldner zudem schuldhaft begangen haben. Die Verletzung muss darüber hinaus kausal für eine Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung sein. 1185 Der Gläubiger muss in seinem Antrag glaubhaft (§ 294 ZPO) machen: x

Die Obliegenheitsverletzung gemäß § 295 InsO,

x

die Kausalität der Obliegenheitsverletzung für die Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung,

x

den Zeitpunkt der Kenntniserlangung.

1186 Zu Glaubhaftmachung kann eine Bezugnahme auf einen Bericht des Treuhänders ausreichend sein.529) 1187 Eine Beeinträchtigung der Gläubigerbefriedigung ist nur dann anzunehmen, wenn „bei wirtschaftlicher Betrachtung eine konkret messbare Schlechterstellung der Gläubiger wahrscheinlich ist“.530) 1188 Der BGH hält die Rolle des Treuhänders nicht für absolut neutral. Der Treuhänder darf die Insolvenzgläubiger von Umständen unterrichten, welche die Versagung der Restschuldbefreiung begründen können, auch wenn ihm diese Aufgabe nicht eigens übertragen worden ist.531) b) Versagung gemäß § 297 InsO 1189 Wird der Schuldner zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist wegen einer Insolvenzstraftat rechtskräftig verurteilt, kann die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers versagt werden. 1190 Der Antrag kann nur binnen Jahresfrist ab Bekanntwerden und unter Glaubhaftmachung der Voraussetzungen gestellt werden (§ 297 Abs. 2, 296 Abs. 1 Satz 2, 3 InsO).

___________ 528) 529) 530) 531)

268

BGH, Beschl. v. 19.5.2011 – IX ZB 224/09, ZVI 2011, 305. BGH, Beschl. v. 17.7.2008 – IX ZB 183/07, ZVI 2009, 41. BGH, Beschl. v. 24.6.2010 – IX ZB 283/09, ZInsO 2010, 1456 m. w. N. BGH, Beschl. v. 1.7.2010 – IX ZB 84/09, ZVI 2010, 356.

IV. Versagung der Restschuldbefreiung und die Konsequenzen der Versagung

In Verfahren mit Antragstellung bis zum 30.6.2014 sind die Tilgungsfristen 1191 des § 46 Abs. 1 BZRG maßgeblich (o § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO, Rn. 1167 ff.). Wurde der Eröffnungsantrag ab dem 1.7.2014 gestellt, ist statt auf die Tilgungsfristen auf das Erreichen der Erheblichkeitsschwelle (Verurteilung zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten) abzustellen. c) Versagung gemäß § 298 InsO § 298 InsO normiert die einzige Möglichkeit für eine Versagung der Rest- 1192 schuldbefreiung auf Antrag des Treuhänders. Wurde für den Verfahrensabschnitt des Restschuldbefreiungsverfahrens keine Verfahrenskostenstundung (§ 4a InsO) bewilligt, muss die Mindestvergütung für das vorangegangene Jahr der Tätigkeit des Treuhänders (nicht Kalenderjahr!) aus den an diesen abgeführten Beträge gedeckt sein. Ist dies nicht der Fall, hat der Schuldner den fehlenden Betrag einzuzahlen. Leistet der Schuldner nicht, obwohl ihn der Treuhänder schriftlich zur Zah- 1193 lung binnen einer Frist von mindestens zwei Wochen aufgefordert und ihn dabei auf die Möglichkeit der Versagung der Restschuldbefreiung hingewiesen hat, kann der Treuhänder einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen. Vor der Entscheidung ist der Schuldner zu hören. Die Versagung unterbleibt, wenn der Schuldner binnen zwei Wochen nach Aufforderung durch das Gericht den fehlenden Betrag einzahlt oder ihm dieser entsprechend § 4a InsO gestundet wird. 3. Nachträglicher Widerruf der Erteilung der Restschuldbefreiung Das Insolvenzgericht kann auf Antrag eines Gläubiger innerhalb eines Jahres 1194 bzw. im Fall des § 303 Abs. 1 Nr. 3 InsO binnen sechs Monaten nach der Rechtskraft der Restschuldbefreiung die Erteilung widerrufen, wenn sich nach Erteilung der Restschuldbefreiung herausstellt, dass der Schuldner seine Obliegenheitspflichten während der Wohlverhaltensperiode vorsätzlich verletzt hat und hierdurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erheblich beeinträchtigt wurde. Ein Antrag ist nur unter Glaubhaftmachung der Voraussetzungen zulässig. Nach dem Widerruf können alle Gläubiger ihre Forderungen wieder nach- 1195 verfolgen.

269

F. Erteilung der Restschuldbefreiung und Versagungsgründe

4. Schaubild Versagungsmöglichkeiten 1196 Der Übersichtlichkeit halber soll nachfolgendes Schaubild einen Überblick über die Versagungsmöglichkeiten geben: Eröffnung/ Beginn der Abtretungsfrist

Ablauf Abtretungsfrist

Schlusstermin Aufhebung

eröffnetes Verfahren

WVP-/RSB-Phase

i. d. R. 6 Jahre

§ 290 Abs. 1 InsO

§ 287b InsO

§ 297a i. V. m. § 290 Abs. 1 InsO

§§ 296, 295 Abs. 1 InsO §§ 296, 295 Abs. 2 InsO

§ 297 InsO

§ 298 InsO

Abb. 7: Versagungsmöglichkeiten

V. Asymmetrische Verfahren 1197 Der Regelablauf eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen natürlicher Personen skizziert sich wie folgt: Nach Eröffnung des Verfahrens wird die insgesamt im Regelfall sechs Jahre dauernde Abtretungsfrist in zwei unterschiedlich lange dauernde Verfahrensabschnitte „geteilt“ – das Hauptverfahren (eröffnetes Verfahren) und das Restschuldbefreiungsverfahren (Restschuldbefreiungsphase/Wohlverhaltensphase). Die Dauer der einzelnen Abschnitte hängt jeweils davon ab, wie zügig eine Verwertung des pfändbaren Vermögens (der Insolvenzmasse, §§ 35, 36 InsO) und eine Klärung der Gläubigerforderung realisierbar sind. Sind diese beiden wesentlichen Punkte abgeschlossen, wird das Verfahren aufgehoben oder eingestellt; die Wohlverhaltensphase schließt sich nahtlos an. 1198 In manchen Verfahren ist insbesondere den sich bei der Vermögenswertung ergebenden Schwierigkeiten geschuldet, dass das Hauptverfahren (eröffnetes

270

V. Asymmetrische Verfahren

Insolvenzverfahren) zum Zeitpunkt des Ablaufes der sechs Jahre noch nicht aufgehoben ist. Dies führt zu der Situation, dass die Abtretungsfrist von regulär sechs Jahren abgelaufen ist, ohne dass das Hauptverfahren beendet wurde und sich eine Wohlverhaltensphase angeschlossen hat. Der BGH hat für die bis zum 30.6.2014 beantragten Verfahren bestätigt, 1199 dass nach Ablauf der sechs Jahre über die Restschuldbefreiung zu entscheiden ist, auch wenn das Insolvenzverfahren sechs Jahre nach Eröffnung noch nicht abgeschlossen werden kann.532) Nach Erteilung der Restschuldbefreiung steht der nach Ablauf der Abtretungsfrist anfallende pfändbare Neuerwerb dem Schuldner zu.533) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, hat der Treuhänder den eingezogenen Neuerwerb, der danach nicht in die Masse gefallen ist, an den Schuldner auszukehren. Für Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.7.2014 wurden die vom BGH 1200 aufgestellten Grundsätze in § 300a InsO kodifiziert. Vermögen, das der Schuldner nach Ende der Abtretungsfrist erwirbt, gehört nicht mehr zur Insolvenzmasse (§ 300a Abs. 1 Satz 1 InsO). Bis zur rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung hat der Verwalter den Neuerwerb, der dem Schuldner zusteht, treuhänderisch zu vereinnahmen und zu verwalten und ihn bei Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung dem Schuldner herauszugeben sowie über die Verwaltung des Neuerwerbs Rechnung zu legen (§ 300a Abs. 2 InsO).

___________ 532) BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 247/08, ZVI 2010, 68. 533) BGH, Beschl. v. 3.12.2009 – IX ZB 247/08, ZVI 2010, 68.

271

G. Insolvenzplanverfahren I. Insolvenzplan als Sanierungsmöglichkeit Das Insolvenzplanverfahren (§§ 217 ff. InsO) bietet die Möglichkeit, das 1201 schuldnerische Unternehmen bzw. den schuldnerischen Praxisbetrieb zu erhalten und zu sanieren. Der Insolvenzplan ist ein insolvenzrechtliches, strukturiertes Sanierungskonzept mit dem Ziel der Entschuldung durch einen privatautonomen Austauschprozess. Die Beteiligten können in einem Insolvenzplan die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung sowie die Verfahrensabwicklung und die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens abweichend vom Regelinsolvenzverfahren regeln (vgl. § 217 Satz 1 InsO). Ausgangslage für die Einleitung von Sanierungs- und Restrukturierungsmaß- 1202 nahmen ist stets eine positive Fortführungsprognose, die Ertragsfähigkeit sowie die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens. Praxistipp: Vorüberlegungen Insolvenzplanverfahren • Ist der Schuldner selbst zur Fortführung bereit (vgl. § 230 Abs. 1 Satz 1 InsO)? • Ist das Unternehmen/der Praxisbetrieb an sich ertragsfähig? • Ist das Unternehmen/der Praxisbetrieb konkurrenzfähig? • Gibt es andere Sanierungskonzepte, die im Einzelfall eine bessere Option sind (außergerichtliche Sanierung, außergerichtliche übertragende Sanierung, außergerichtliche Liquidierung etc.)?

Je früher die Krise erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet 1203 werden können, umso erfolgversprechender ist eine geplante Sanierung. Für den Schuldner bietet dies den Vorteil einer frühzeitigen Konsolidierung der Vermögensverhältnisse. Auch für Verbraucher ist in den Verfahren mit Antragstellung ab dem 1204 1.7.2014 die Möglichkeit der Durchführung eines Insolvenzplans eröffnet. Eine vorzeitige Erlangung der Restschuldbefreiung ist demnach – zusätzlich zu den normierten Verkürzungsmöglichkeiten unter den engen Voraussetzungen des § 300 InsO (o Rn. 1147 ff.) – mittels eines Insolvenzplans realisierbar. Bei Freiberuflern ist bei fortgeschrittener Krise die Sanierung mittels eines 1205 Insolvenzplans oft die einzige Möglichkeit, den Praxisbetrieb aufrechtzuerhalten, da die Vermutung des Vermögensverfalles nur durch Vorlage eines Insolvenzplans, der eine realistische und greifbare Möglichkeit darstellt, die Verbindlichkeiten umfassend mit Erteilung der Restschuldbefreiung zu regeln, entkräftet werden kann; andernfalls ist der Zulassungswiderruf oftmals nur

273

G. Insolvenzplanverfahren

eine Frage der Zeit (o Rn. 7 ff.).534) Auch die Freigabe der selbstständigen Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO entkräftet nicht das Vorliegen des Vermögensverfalls.535) 1206 Im Insolvenzplanverfahren können grundsätzlich alle rechtlich zulässigen Wege beschritten werden. Ein Insolvenzplan muss nicht zwingend auf die Fortführung eines Unternehmens ausgerichtet sein. Möglich sind auch eine Liquidierung eines Unternehmens, eine übertragende Sanierung oder Mischformen (Teil-Liquidierung/-Übertragung unter Fortführung im Übrigen). Ist der Schuldner nicht selbstständig tätig, kommt ohnehin nur eine geordnete Abwicklung der Altverbindlichkeiten in Frage, wobei der Vorteil des Schuldners darin besteht, frühzeitig einen Neustart zu erreichen; der Vorteil der Gläubiger liegt in einer besseren Befriedigungsaussicht (die Besserstellung der Gläubiger im Vergleich zum Regelverfahrensablauf ist Grundvoraussetzung eines Insolvenzplans). 1207 In der ersten Vorbereitungsphase der Ausarbeitung eines Sanierungskonzepts stellt sich stets die Frage, ob und in welcher Form dies nach außen hin kommuniziert wird. Im Wesentlichen stehen sich folgende beiden Optionen gegenüber: x

Möglichst geringe, defensive Außenkommunikation und Durchführung mit wenig bis keiner Vorankündigung, um keine zu lange Bedenken-Zeit zu forcieren.

x

Eine völlig offene und frühzeitige Information aller Beteiligten mit dem Ziel, ein Signal der absoluten Transparenz zu setzen.

1208 Sicherlich ist die Wahl der richtigen Alternative stets anhand des Einzelfalls zu wählen. Erfahrungsgemäß ist jedoch eine frühzeitige und in Gänze offene Kommunikation das Mittel der Wahl, um ausreichend Zeit und Raum zu schaffen, mögliche Bedenken bereits im Vorfeld zur bzw. in der Planungsund Ausarbeitungsphase der Planlösung auszuräumen. Regelmäßig werden Transparenz und rechtzeitige Information von allen Beteiligten positiv aufgenommen, sodass ein fruchtbarer Boden für eine Vertrauensbildung gelegt werden kann. Ein weiterer Vorteil der frühzeitigen und deutlichen Kommunikation ist die Unterbindung von Gerüchten, deren Ausräumung oftmals mehr Energie und Zeit bedarf als ein offensiver Umgang von Anfang an. II. Voraussetzungen des Planverfahrens 1. Besserstellung der Gläubiger 1209 Die Durchführung eines Insolvenzplanverfahren bedarf der Annahme dieser Planlösung durch die Gläubiger (vgl. § 244 InsO). Ist die Einleitung eines ___________ 534) Vgl. BGH, Beschl. v. 20.11.2006 – NotZ 26/06, NJW 2007, 1287. 535) Exemplarisch: vgl. BFH, Beschl. v. 20.4.2010 – VII B 235/09, ZInsO 2010, 1138.

274

II. Voraussetzungen des Planverfahrens

Insolvenzverfahrens unumgänglich, muss im Plan belastbar und transparent durch Gegenüberstellung der Alternativszenarien (Regelinsolvenzverfahren mit Liquidierung oder übertragender Sanierung) dargestellt werden, dass das Insolvenzplanverfahren für die Gläubiger die beste Befriedigungsoption ist. Eine Besserstellung kann durch eine Drittmittelfinanzierung dargestellt wer- 1210 den. Dies ist bei nicht selbstständig Tätigen oftmals die einzige Möglichkeit, die Besserstellung der Gläubiger zu realisieren. Ein solcher Investorenplan wird durch Einmalzahlung eines Dritten finanziert. Alternativ kann über den Zeitraum der Planerfüllungsphase mit variablen, von 1211 den erzielten Überschüssen abhängigen Quoten gearbeitet werden. Die Planerfüllung ist zu einem gewissen Teil ertragsabhängig (Ertragsplan), was naturgemäß gewisse Planungsunsicherheiten mit sich bringt. Denkbar ist ebenfalls eine Mischform beider Alternativen, wobei hinsichtlich 1212 der variablen Quoten eine Bestimmung mit Besserungsoption vorstellbar ist. 2. Planvorlagerecht Zur Vorlage eines Insolvenzplans sind der Insolvenzverwalter oder der Schuld- 1213 ner selbst berechtigt (§ 218 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der Insolvenzverwalter kann einen Insolvenzplan eigeninitiativ erarbeiten und 1214 diesen zur Abstimmung vorlegen. Auch möglich ist die Ausarbeitung eines Insolvenzplans im Auftrag der Gläubigerversammlung (vgl. § 157 Satz 2 InsO) 3. Zeitpunkt der Planvorlage Ein Insolvenzplan kann ab Eröffnung bis zum Schlusstermin vorgelegt wer- 1215 den (§ 218 Abs. 1 Satz 3 InsO). Optional kann der Schuldner bereits vor Einreichung des Antrags auf Eröff- 1216 nung des Insolvenzverfahrens einen Plan ausarbeiten und diesen mit seinem Insolvenzeröffnungsantrag verbinden (vgl. § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO). Einen solchen vor Insolvenzantragstellung ausgearbeiteten Insolvenzplan nennt man „Prepackaged Plan“. Einen solchen Insolvenzplan wird der Schuldner regelmäßig nicht alleine aus- 1217 arbeiten können und wollen, sodass er auf die Unterstützung durch einen Sanierungsberater angewiesen sein wird. Ein Sanierungsberater erhält sein Honorar in diesem Fall meist nach Eintritt der Krise. Es besteht demnach hohes Anfechtungspotential und die Gefahr, dass der Sanierungsberater die erhaltenen Zahlungen nach Eröffnung zur Masse erstatten muss (§ 143 InsO). Um dieses Anfechtungspotential möglichst gering zu halten, müssen konkrete Sanierungsbemühungen oder ein Sanierungskonzept nachgewiesen werden, damit Honorarzahlungen nicht gemäß § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar

275

G. Insolvenzplanverfahren

sind.536) Liegt ein nachvollziehbares Sanierungskonzept vor, ist die Zahlung kongruent und von Bargeschäftsausnahme gedeckt, wenn der Austausch von Leistung (Sanierungsberatung) und Gegenleistung (Zahlung) binnen 30 Tagen erfolgt.537) Die Anfechtbarkeit der gezahlten Honorare hat der Insolvenzverwalter nach Eröffnung zu prüfen. 4. Ablauf eines Insolvenzplanverfahrens a) Überblick Ablauf 1218 Die nachfolgende Darstellung gibt einen Überblick über das Insolvenzplanverfahren: Vorlage des Plans durch Schuldner/Insolvenzverwalter (§ 218 InsO)

Vorprüfung des Plans durch das Gericht, Stellungnahme und Niederlegung (§§ 231 ff. InsO)

Erörterungs- und Abstimmungstermin (nicht vor dem Prüfungstermin, Verbindung aber möglich) (§§ 235, 236 InsO)

Gerichtliches Bestätigungsverfahren (§§ 248 ff. InsO)

Planüberwachung und Aufhebung des Verfahrens (§§ 254 ff. InsO)

Abb. 8: Ablauf eines Insolvenzplanverfahrens

b) Die Besonderheiten des Verfahrensablaufs 1219 Nach Vorlage des Insolvenzplans durch den Schuldner oder Insolvenzverwalter nimmt das Insolvenzgericht eine Vorprüfung vor (§ 231 InsO). 1220 Die Prüfung umfasst die Einhaltung der formalen Vorschriften und die inhaltliche Ausgestaltung. Ein Schuldnerinsolvenzplan kann von Amts wegen zurückgewiesen werden, wenn nach Auffassung des Gerichts keine Erfolgsaussichten auf Annahme durch die Gläubiger oder Bestätigung durch ___________ 536) BGH, Beschl. v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174. 537) BGH, Beschl. v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, ZIP 2008, 232.

276

II. Voraussetzungen des Planverfahrens

das Gericht bestehen. Auch wenn nach der Überzeugung des Gerichts feststeht, dass die in dem Insolvenzplan gemachten Zusagen offensichtlich nicht erfüllt werden können (z. B. wegen fehlenden Realitätsbezugs des Zahlenwerks), kann eine Zurückweisung erfolgen.538) Wird der Plan im Rahmen der Vorprüfung nicht zurückgewiesen, leitet das 1221 Gericht ihn dem Gläubigerausschuss, wenn ein solcher bestellt ist, dem Betriebsrat und dem Sprecherausschuss der leitenden Angestellten zur Stellungnahme weiter (§ 232 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Einen vom Insolvenzverwalter vorgelegten Planerhält zudem der Schuldner (§ 232 Abs. 1 Nr. 3 InsO), einen vom Schuldner erstellten Insolvenzplan der Insolvenzverwalter (§ 232 Abs. 1 Nr. 2 InsO) zur Stellungnahme vorgelegt. Der Insolvenzplan ist mit seinen Anlagen und den eingegangenen Stellung- 1222 nahmen in der Geschäftsstelle zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen (§ 234 InsO). Sodann bestimmt das Insolvenzgericht einen Termin, in dem der Insolvenz- 1223 plan und das Stimmrecht der Gläubiger erörtert werden und anschließend über den Insolvenzplan abgestimmt wird (Erörterungs- und Abstimmungstermin, § 235 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der Termin soll nicht später als einen Monat nach Vorlage des Insolvenzplans stattfinden und ist öffentlich bekannt zu machen (§ 235 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 InsO). Sofern der Umfang des Verfahrens dies gebietet, kann das Insolvenzgericht beide Termine trennen (vgl. § 241 InsO). Im Abstimmungstermin nehmen nur uneingeschränkte festgestellte Forde- 1224 rungen an der Abstimmung teil. Die Gläubiger sind in bestimmte Gruppen einzuteilen (o Rn. 1237 ff.). Jede Gruppe stimmt gesondert über den Plan ab, wobei jedem Gläubiger eine Stimme zusteht, unabhängig davon, wie viele Forderungen er angemeldet hat oder wie hoch diese sind. Voraussetzung für die Planannahme ist die Zustimmung aller Gruppen. Er- 1225 teilt eine einzelne Gruppe keine Zustimmung, kann deren Zustimmung nach § 245 InsO ersetzt werden (Obstruktionsverbot). Werden die Angehörigen der Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt als im „regulären“ Insolvenzverfahren, an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt, der auf der Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll, und hat die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt, kann so die Obstruktion dieser Gläubiger gegen eine mehrheitlich als sinnvoll angesehene wirtschaftliche Insolvenzplanlösung verhindert werden. Nach Terminierung sind alle Insolvenzgläubiger, die eine Forderung ange- 1226 meldet haben, die absonderungsberechtigten Gläubiger, der Schuldner, der Betriebsrat und der Sprecherausschuss der leitenden Angestellten zu laden ___________ 538) BGH, Beschl. v. 6.4.2006 – IX ZB 289/04, openJur 2011, 11100.

277

G. Insolvenzplanverfahren

(§ 235 Abs. 3 InsO). Mit der Ladung ist ein Abdruck des Insolvenzplans oder eine Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts zu übersenden (§ 235 Abs. 3 InsO). Das Insolvenzgericht kann den Verwalter gemäß § 8 Abs. 3 InsO mit der Vornahme der Zustellungen beauftragen. 1227 Erfolgt die Planannahme, wird der Insolvenzplan durch Beschluss des Gerichts bestätigt (§ 252 Abs. 1 Satz 1 InsO). Anschließend wird den Insolvenzgläubigern, die Forderungen angemeldet haben, und den absonderungsberechtigten Gläubigern unter Hinweis auf die Bestätigung der Insolvenzplan oder eine Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts übersandt (§ 252 Abs. 2 InsO). Diese Zusammenfassung wird regelmäßig vom Planersteller vorbereitet und bietet sich insbesondere in umfangreichen Plänen an. 1228 Nach Ablauf der Beschwerdefrist (§ 253 InsO) wird die Bestätigung des Insolvenzplans rechtskräftig und das Gericht beschließt die Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 Abs. 1 InsO), sobald der Insolvenzverwalter die unstreitigen Masseverbindlichkeiten berichtigt und für die streitigen Sicherheit geleistet hat (§ 258 Abs. 2 InsO). 1229 In der ganz überwiegenden Zahl der Insolvenzplanverfahren sind im Plan Regelungen zur Planüberwachung getroffen. Die Insolvenzplanüberwachungsphase, die insbesondere bei Ertragsplänen meist 3 – 5 Jahre beträgt und bei Investorenplänen (Einmalzahlung) wesentlich kürzer sein kann, beginnt mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 260 InsO). Die Aufhebung geht zudem einher mit der Beendigung des eröffneten Verfahrens und des Amtes des Insolvenzverwalters mit Ausnahme der Aufgabe der Überwachung der Planerfüllung durch den (nunmehr vormaligen) Insolvenzverwalter (§ 261 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der Planüberwacher hat jährlich über den jeweiligen Stand und die weiteren Aussichten der Erfüllung des Insolvenzplans zu berichten (§ 261 Abs. 2 Satz 1 InsO). 5. Inhalt des Insolvenzplans a) Vorbemerkung 1230 In der Praxis trifft man zum Thema „Insolvenzplan“ oftmals noch auf Vorbehalte und eine gewisse Scheu, was nicht zuletzt der Vorstellung einer zeitintensiven und umfangreichen Ausarbeitung geschuldet ist. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Vermögensverhältnisse insbesondere im Bereich der natürlichen Personen nicht so verzweigt und unüberschaubar sind, als dass eine Planerstellung mit überdurchschnittlich hoher Intensität verbunden wäre. Das Ergebnis, welches im Sinne von Gläubigern (bessere Quote) und vom Schuldner (Erhalt des Unternehmens/Praxisbetriebs und früherer Neustart) erzielt werden kann, plädiert deutlich für eine Planlösung, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen.

278

II. Voraussetzungen des Planverfahrens

b) Gliederungsstruktur Nachfolgend soll ein Leitfaden für die wesentlichen, zum Teil zwingenden 1231 Planinhalte beschrieben werden. Die Besonderheiten eines Insolvenzplanverfahrens, die Intention des Insolvenzplans, eine einzelfallbezogene Lösung zu finden, sowie die Intention des vorliegenden Werkes gebieten es, dass mehr als ein Grundverständnis nicht geschaffen werden kann. Ein Insolvenzplan ist ein strukturiertes Sanierungskonzept, welches im Wesent- 1232 lichen die nachfolgenden Inhalte abbilden sollte, wobei sich je nach Einzelfall, Kanzlei- oder Gerichtsvorgaben geringfügige Abweichungen im Aufbau ergeben können: Praxistipp: Aufbauvorschlag Insolvenzplan A. ALLGEMEINES I.

Verfahrensdaten und Schuldnerdaten

II. Auftrag zur Planerstellung III. Gegenstand und Ziele des Insolvenzplans B. DARSTELLENDER TEIL (§§ 219, 220 InsO) I.

Entwicklung und wirtschaftliche Lage des Schuldners

1) Zum Schuldner selbst (persönliche Verhältnisse) 2) Wirtschaftliche Entwicklung 3) Vermögensübersicht a) Aktiva b) Passiva II. Krisen- und Ursachenanalyse III. bisherige Sanierungsbemühungen IV. Sanierungskonzept, Zielsetzung und Zukunftsprognose V. Berechnung der Gläubigerbefriedigung 1) Befriedigungsquote im Regelinsolvenzverfahren (ohne Insolvenzplan) 2) Insolvenzdividende im Planverfahren und Gruppenbildung 3) Gegenüberstellung Befriedigungsquote im Regelinsolvenzverfahren (ohne Insolvenzplan) und Insolvenzdividende im Planverfahren C. GESTALTENDER TEIL (§§ 219, 221 InsO) I.

Änderung der Rechtsstellung der Beteiligten und Planregelungen für die einzelnen Gläubigergruppen

II. Wirksamwerden des Planes

279

G. Insolvenzplanverfahren III. Planüberwachung IV. Anträge zum Abstimmungstermin D. Plananlagen gemäß § 229 InsO I.

Vermögensübersicht

II. Plan-Liquiditätsrechnung III. Gläubigerverzeichnis nach Gruppen

1233 Das „Herzstück“ eines Insolvenzplans bilden der darstellende Teil und der gestaltende Teil. Diese sind als gesetzlich zwingender Inhalt vorgeschrieben (§ 219 Satz 1 InsO). Darstellender Teil (§ 220 InsO) § 220 InsO

1234

(1) Im darstellenden Teil des Insolvenzplanes wird beschrieben, welche Maßnahmen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen worden sind oder noch getroffen werden sollen, um die Grundlagen für die geplante Gestaltung der Rechte der Beteiligten zu schaffen. (2) Der darstellende Teil soll alle sonstigen Angaben und die Grundlagen und den Auswirkungen des Plans enthalten, die für die Entscheidung der Gläubiger über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich sind.

1235 Mit dem Ziel, für die abstimmenden Gläubiger eine belastbare Entscheidungsgrundlage zu schaffen, sollte der Insolvenzplan im darstellenden Teil unter bestmögliche Transparenz die Ausgangssituation, die Krisenanalyse und die (bereits gescheiterten) bisherigen Sanierungsmaßnahmen enthalten. 1236 Anhand der Gegenüberstellung der Gläubigerbefriedigungsaussichten mit und ohne Insolvenzplan wissen die Abstimmenden um ihre alternativen Befriedigungsaussichten. Nur, wenn sie ihre Befriedigung ohne den Insolvenzplan einschätzen können, besteht eine Entscheidungsgrundlage. Zudem können ablehnende Gläubiger oder Gläubigergruppen nur dann überstimmt werden, wenn nachweisbar ist, dass sie durch den Insolvenzplan nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne den Insolvenzplan stünden (§§ 245 Abs. 1 Nr. 1, 2 InsO). Ein Insolvenzplan ist ein Sanierungskonzept des Planvorlegers, von dem er die Abstimmenden überzeugen muss. Je transparenter und belastbarer die Angaben und die Gegenüberstellung sind, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Planannahme. 1237 Die Gruppenbildung erfolgt bereits im darstellenden Teil. Hier werden die einzelnen Gläubigergruppen beschrieben und die Bildung und Zuordnung begründet. Soweit fakultativer Spielraum besteht, sind bei der Gruppenbildung Antizipation und taktisches Gespür gefragt. Ziel des Planvorlegers ist, die Gläubigergruppen so zu bilden, dass voraussichtlich die Mehrheit der gebildeten Gruppen dem Insolvenzplan zustimmen wird.

280

II. Voraussetzungen des Planverfahrens

Im Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen sind gemäß 1238 § 222 InsO folgende Gruppen zu bilden: x

Absonderungsberechtigte, wenn durch den Plan in deren Rechte eingegriffen wird (§ 222 Abs. 1 Nr. 1 InsO);

x

nicht nachrangige Insolvenzgläubiger (§ 222 Abs. 1 Nr. 2 InsO);

x

nachrangige Insolvenzgläubiger, soweit deren Forderungen nicht nach § 225 InsO als erlassen gelten sollen (§ 222 Abs. 1 Nr. 3 InsO).

Weitere Gruppen können gebildet werden, wenn in ihnen Gläubiger mit gleich- 1239 artigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefasst werden und die Abgrenzung „sachgerecht“ ist. Die Abgrenzungskriterien sind im Insolvenzplan zwingend darzulegen (§ 222 Abs. 2 InsO). In die Rechte der Absonderungsberechtigten kann durch den Plan eingriffen 1240 werden (§ 223 InsO). Die Forderungen der Absonderungsberechtigten beinhalten meist einen dinglich gesicherten und einen ungesicherten Teil. Hier ist das sog. „Mischgruppenverbot“ zu beachten: Die Bildung einer Gruppe, die Gläubiger mit werthaltigen und nicht werthaltigen Absonderungsrechten enthält, ist unzulässig.539) In Höhe des Ausfallbetrags nach Abgeltung der Sicherungsrechte gehört der Gläubiger nicht in die Gruppe der Absonderungsberechtigten, sondern in eine der Gruppen der ungesicherten Insolvenzgläubiger. Um das Stimmrecht und die Gruppenzuteilung möglichst frühzeitig im Interesse aller bestimmen zu können, empfiehlt sich, den Wert der Sicherheit und den Ausfallbetrag frühzeitig mit den betroffenen Gläubigern abzustimmen. Der Übersichtlichkeit halber empfiehlt sich bei mehreren Sicherungsrechten 1241 oder einer Vielzahl von Absonderungsberechtigten die Anlage eines Sicherheitenspiegels mit dem Ziel der soliden Gruppenbildung und Quotenberechnung: Absonderungsberechtigter

Art des Sicherungsrechts

enge/weite Zweckerklärung

Wert der Sicherheit

Ausfall- Bemerkung prognose

Soweit Aussonderungsrechte bestehen, ist zu beachten, dass durch den In- 1242 solvenzplan nicht in diese eingriffen werden kann (§ 223 InsO). Die Aussonderungsrechte sind daher rechtzeitig im Vorfeld zu klären. Gestaltender Teil (§ 221 InsO) § 221 Gestaltender Teil

1243

Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans wird festgelegt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll. Der Insolvenzverwalter kann durch den Plan bevollmächtigt werden, die zur Umsetzung notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und offensichtliche Fehler des Plans zu berichtigen.

___________ 539) Siehe hierzu BGH, Urt. v. 7.7.2005 – IX ZB 226/04, ZIP 2005, 1648.

281

G. Insolvenzplanverfahren

1244 Im gestaltenden Teil wird für jede einzelne Gläubigergruppe festgelegt, in welcher Art, in welcher Zeit und in welchem Umfang eine Befriedigung dieser Gläubiger erfolgen und inwieweit durch den Insolvenzplan in die Rechte der Gläubiger eingegriffen werden soll. Hinsichtlich des nicht befriedigten Teils der Forderungen wird regelmäßig ein Verzicht vereinbart. Ist dieser Verzicht im Insolvenzplan nicht ausdrücklich geregelt und auch keine anderweitige Regelung getroffen, wird der Schuldner nach Erfüllung des Insolvenzplans kraft Gesetzes von seinen restlichen Schulden befreit (§ 227 Abs. 1 InsO). Plananlagen (§ 229 InsO) 1245 Handelt es sich um einen Ertragsplan (o Rn. 1201), sind dem Plan zwingend folgende Anlagen beizufügen: x

Vermögensübersicht

1246 Dem Ertragsplan ist eine Vermögensübersicht beizufügen, in der die Vermögensgegenstände und die Verbindlichkeiten mit ihren Werten aufgeführt werden (§ 229 InsO). x

Finanzplan

1247 Beizufügen ist zudem ein Finanzplan (Liquiditätsplan), in welchem die Einnahmen und Ausgaben des Unternehmens über die Planlaufzeit aufgelistet werden (§ 229 InsO). x

Ergebnisplan

1248 Zudem ist dem Sanierungsplan ein Ergebnisplan (Gewinn- und Verlustrechnung) für den Zeitraum der Planlaufzeit beizufügen. x

Fortführungserklärung

1249 Ist der Schuldner eine natürliche Person, so hat er zu erklären, dass er auf der Grundlage des Insolvenzplans zur Fortführung des Unternehmens bereit ist (§ 230 InsO). 1250 Darüber hinaus ist je nach Planregelung empfehlenswert, ggf. notwendige Stellungnahmen zum Insolvenzplan einzuholen. 1251 Praxisbewährt ist ebenfalls, eine Stimmliste (§ 239 InsO) vorzubereiten – bestenfalls nach Gruppen geordnet – und diese dem Gericht zur Verfügung zu stellen. In dieser Stimmliste können die Gläubiger nach den gebildeten Gruppen bereits geordnet werden. Sofern Gläubiger zwar bereit wären, dem Insolvenzplan zuzustimmen, jedoch aus Zeit- oder Kostengründen eine persönliche oder vertretene Teilnahme am Termin nicht gewährleisten können, kann die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht angezeigt sein, die im Vorfeld bei den Gläubigern einzuholen ist. 1252 Auch die gemäß § 252 Abs. 2 InsO ggf. beizufügende Zusammenfassung ist dem Plan beizufügen, da dies den Verfahrensablauf weiter beschleunigen kann. 282

V. Besonderheiten

III. Vergütungsrelevante Auswirkungen Im Insolvenzplanverfahren ist zwecks genauer Bestimmung der Plandividende 1253 von Bedeutung, die Vergütung des Insolvenzverwalters zu beziffern. Eine rechtzeitige Einreichung des Vergütungsantrages (spätestens bis zum Abstimmungstermin) ist daher angezeigt. Arbeitet der Insolvenzverwalter einen Insolvenzplan aus, ist dies gemäß § 3 1254 Abs. 1 lit. e) InsVV ein Zuschlagsgrund zur Regelvergütung. Die Spanne des Zuschlags reicht von 10 % bis hin zum dreistelligen Erhöhungsprozentsatz. Eine Begründung des Zuschlags ist einzelfallbezogen zu formulieren, wobei auf den Umfang des Insolvenzplans und die Anzahl der Beteiligten (z. B. Gläubigergruppen) als wichtige Kriterien zu achten ist. Das LG München vertritt die Auffassung, dass die Vergütung des Insolvenzverwalters der Höhe nach dispositiv ist und entsprechende Vergütungsregelung im Insolvenzplan möglich sind; dies ändere nichts an der Zuständigkeit des Gerichts zur Festsetzung der Vergütung, da die Bindungswirkung nur der Höhe nach zu berücksichtigen sei.540) Für die Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans erhält der Ver- 1255 walter eine besondere Vergütung unter Berücksichtigung des Umfangs der Tätigkeit nach billigem Ermessen (§ 6 Abs. 2 InsVV). Eine Festsetzung dieser Vergütung erfolgt erst nach Abschluss der Planüberwachung. Im Plan sind diese Kosten möglichst genau zu prognostizieren. IV. Schlussrechnungslegung Im Insolvenzplanverfahren gibt es im Unterschied zum regulären Ablauf eines 1256 Insolvenzverfahrens keinen Schlusstermin, in dem die Schlussrechnung des Insolvenzverwalters erörtert wird. Die Pflicht zur Schlussrechnungslegung ist sehr umstritten und folgt in der Praxis einer unterschiedlichen Handhabung. Es ist daher zu empfehlen, diese Frage mit dem zuständigen Gericht zu klären. V. Besonderheiten 1. Anfechtungsansprüche im Insolvenzplanverfahren Bereits seit längerer Zeit, im Zuge der angedachten Reform des Anfechtungs- 1257 rechts wird die Frage diskutiert, ob Anfechtungsansprüche plandispositiv sind. In der Praxis ist diese Diskussion verbunden mit konkreten Fragestellungen, insbesondere, ob der Insolvenzverwalter auf die Ermittlung von Anfechtungsansprüchen generell oder wenigstens auf deren Geltendmachung (teilweise?) verzichten darf und ob eine solche Regelung als Inhalt eines Insolvenzplans formuliert werden kann. ___________ 540) LG München, Urt. v. 2.8.2013 – 14 T 16050/13, ZInsO 2013, 1966.

283

G. Insolvenzplanverfahren

1258 Abzulehnen ist eine Dispositionsfreiheit dahingehend, dass auf die Ermittlung von Anfechtungsansprüchen generell verzichtet werden kann. Auch dürfte die Gläubigerautonomie nicht so weit reichen, dass die Gläubigerversammlung dem Insolvenzverwalter insoweit Weisungen erteilen kann. Den Insolvenzverwalter trifft die Pflicht zur umfassenden Ermittlung von Anfechtungsansprüchen. 1259 Auch ist ein Ermessensspielraum bei der Frage der Durchsetzung hinsichtlich werthaltiger Ansprüche nicht anzunehmen, es sei denn, die Vollstreckbarkeit ist ungewiss. 1260 Dispositionsfreiheit im Rahmen einer Planlösung dürfte jedoch insoweit bestehen, als die Maßstäbe zur Realisierung sich an denen zu Regelverfahren geltenden Grundsätzen der Geltendmachung anlehnen. Insbesondere ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise gefordert: Ein bloßer Verzicht auf die Realisierung von Anfechtungsansprüchen ist, ohne dass eine adäquate Gegenleistung in die Masse fließt, problematisch. Leistet der Anfechtungsgegner indes einen, dem Maßstab der wirtschaftlichen Durchsetzbarkeit entsprechenden Beitrag zu Masse (auch als Abschlag oder Sanierungsbeitrag), wird Insolvenzzweckwidrigkeit nicht anzunehmen sein. Zu fordern ist die unbedingte Aufnahme der Anfechtungsrechte in den darstellenden und gestaltenden Teil des Plans als Abbildung der in Betracht kommenden Ansprüche dem Grund und der Höhe nach sowie Angaben zum ungefähren Erlös und den Anspruchs- und Durchsetzungsrisiken. Den Gläubigern muss auf der Basis der Ausführungen im Insolvenzplan durch Schaffung einer umfassenden Informationsgrundlage eine Willensbildung ermöglicht werden. In Anbetracht der tatbestandlichen Regelungsinhalte dürfte eine Disposition über Anfechtungsansprüche aus dem Bereich der Deckungsanfechtung eher denkbar sein als eine solche aus den Bereichen der § 133 Abs. 1 InsO bzw. § 134 InsO. 1261 Soweit Anfechtungsansprüche bereits prozessbefangen sind, kann ein Anfechtungsprozesses durch Insolvenzverwalter nur fortgesetzt werden, wenn dies im gestaltenden Teil des Plans so vorgesehen ist und der Prozess bei Verfahrensaufhebung bereits rechtshängig ist (der Begriff „anhängig“ i. S. v. § 259 Abs. 3 InsO sei als rechtshängig zu verstehen, so der BGH).541) Die Befugnis kann auf bestimmte Anfechtungsklagen begrenzt werden.542) 1262 Mit einer diskutierten Entscheidung543) hat der BGH festgestellt, dass ein durch den (ehemaligen) Insolvenzverwalter fortgeführter Anfechtungsprozess eine Unterbrechung erfahre, wenn nach der Aufhebung des ersten (durch einen Insolvenzplan beendeten) Insolvenzverfahren ein zweites Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird. Die Aufnahme des Rechts___________ 541) BGH, Beschl. v. 11.4.2013 – IX ZR 122/12, ZInsO 2013, 998. 542) BGH, Beschl. v. 7.3.2013 – IX ZR 222/12, ZIP 2013, 738. 543) BGH, Beschl. v. 9.1.2014 – IX ZR 209/11, ZIP 2014, 330.

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V. Besonderheiten

streites habe der Insolvenzverwalter des zweiten Insolvenzverfahrens („Insolvenzverwalter-Neu“) zu erklären. Zudem bestünde Massezugehörigkeit des Anfechtungsanspruchs im zweiten, nicht im ersten Insolvenzverfahren („Insolvenzverfahren-Neu“). § 259 Abs. 3 InsO „bricht sich“ demnach an einer neuen Verfahrenseröffnung.544) 2. Deliktsforderungen im Insolvenzplan Auch von der Restschuldbefreiung ausgenommene Forderungen aus uner- 1263 laubter Handlung (vgl. § 302 InsO) werden grundsätzlich von den Wirkungen des Insolvenzplans erfasst (Erlass der restlichen Verbindlichkeiten, § 227 Abs. 1 InsO) Der Umgang mit solchen Forderungen im Insolvenzplanverfahren ist nicht 1264 einfach und fordert das taktische Vorgehen des Planerstellers nicht selten heraus. Grundsätzlich ist es möglich, eine Gruppe zu bilden, die alleine die Gläubiger der gemäß § 302 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Forderungen umfasst. Es besteht jedoch die Gefahr, dass einzelne Gläubiger einen Antrag auf Minderheitenschutz stellen (§ 251 Abs. 1 InsO). Die Begründetheit eines solchen Antrags ist glaubhaft zu machen (§ 294 ZPO). Glaubhaft gemacht werden muss insbesondere, dass die privilegierte Forderung nach erteilter Restschuldbefreiung eine höhere Befriedigung erfahren würde als dies im Insolvenzplan vorgesehen ist. Dies ist ausgeschlossen, wenn mit einem dauerhaft unpfändbaren Einkommen des Schuldners zu rechnen ist (Achtung, es gilt die privilegierte Pfändungsgrenze des § 850f Abs. 2 ZPO!). Einem solchen Minderheitenschutzantrag kann präventiv begegnet werden, 1265 indem den Gläubigern dieser Gruppe in der Planregelung das Angebot einer höheren Zahlung unterbreitet wird (z. B. der Differenzbetrag im Korridor zwischen den Grenzen des § 850c ZPO und des § 850f Abs. 2 ZPO). Möglich ist auch, einen sog. „Mecker-Topf“ zu bilden. Gemäß § 251 Abs. 3 InsO ist der Minderheitenschutzantrag abzuweisen, wenn Mittel für den Fall bereitgestellt werden, dass ein Beteiligter eine Schlechterstellung nachweist. Ob der Beteiligte einen Ausgleich aus diesen Mitteln erhält, ist außerhalb des Insolvenzverfahrens zu klären. 3. Vergessene Gläubiger Gemäß §§ 254, 254b InsO treten die Wirkungen des rechtskräftig bestätig- 1266 ten Insolvenzplans für und gegen alle Beteiligten ein. Sie gelten somit auch für nicht anmeldende Gläubiger. Auch der „vergessene“ Gläubiger kann nach der Planbestätigung die Planquote gegenüber dem Schuldner geltend machen. Dem Insolvenzplan kommt insoweit keine Ausschlusswirkung zu.545) ___________ 544) BGH, Beschl. v. 9.1.2014 – IX ZR 209/11, ZIP 2014, 330. 545) Offen gelassen BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 907/11, ZIP 2013, 2268.

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G. Insolvenzplanverfahren

1267 Nach § 259b InsO gilt jedoch eine besondere Verjährungsfrist von einem Jahr für alle Forderungen der Insolvenzgläubiger, die nicht bis zum Abstimmungstermin angemeldet worden sind. Fristbeginn ist die Rechtskraft des Planbestätigungsbeschlusses (§§ 259b Abs. 2 InsO). Für die Praxis empfiehlt sich, vorsichtshalber bis zum Fristablauf entsprechende Rückstellungen zu bilden, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es solche vergessenen Gläubiger geben könnte. Ausschlussklauseln, die solche Gläubiger von der Teilhabe an den Plandividenden ausschließen, dürften nicht wirksam sein. 4. Besteuerung des Sanierungsgewinns 1268 Nach wie vor bereitet auch die Frage nach der Besteuerung eines Sanierungsgewinns in der Planpraxis Schwierigkeiten. 1269 Nach dem Wegfall des § 3 Nr. 66 EStG zum 1.1.1998 ist die Besteuerung von Sanierungsgewinnen grundsätzlich möglich. 1270 Sanierungsgewinn definiert sich als die Erhöhung des Betriebsvermögens, die dadurch entsteht, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden. Voraussetzung ist eine unternehmensbezogene Sanierung, keine unternehmerbezogene Sanierung.546) 1271 Bedeutung hat die Besteuerung des Sanierungsgewinns in den Verfahren aktuell oder vormals Selbstständiger mit Verbindlichkeiten auch aus dem Bereich der selbstständigen Tätigkeit. Für ausnahmslos abhängig beschäftigte Schuldner hat eine Entschuldung insoweit keine steuerlichen Auswirkungen. 1272 Ist die Ausgangslage, dass Sanierungsgewinne grundsätzlich zu versteuern sind, können hierdurch evtl. Planlösungen gänzlich ausgeschlossen oder konterkariert werden. 1273 Das BMF hat mit Schreiben vom 27.3.2003 einen dreistufigen Lösungsweg für die Behandlung eines Sanierungsgewinns im Sanierungsprozess aufgezeigt: In einem ersten Schritt eine abweichende Steuerfestsetzung (§ 163 AO), d. h. eine unmittelbare Verrechnung negativer Einkünfte und Verlustabzüge mit dem Sanierungsgewinn, wobei Verlustabzugsbeschränkungen unbeachtlich sind. In einem zweiten Schritt wird die auf den verbleibenden Sanierungsgewinn entfallende Einkommensteuer bis zur vorrangigen Verrechnung eines Verlustrücktrags (§ 10d EStG) aus dem Folgejahr mit dem noch verbliebenen Sanierungsgewinn gestundet (§ 222 AO). Ein letzter Schritt ist der Erlass (§ 227 AO) der auf den verbleibenden Sanierungsgewinn endgültig entfallenden Einkommensteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen. Das BMF-Schreiben ist in seiner Reichweite und Bedeutung höchst umstritten; insbesondere wird kritisiert, dass dem Schreiben keine Ersatzgesetzgebungsfunktion zukommen könne (anstelle von § 3 Nr. 66 EStG a. F.). ___________ 546) BMF-Schreiben v. 27.3.2003 – IV A 6-S 2140 – 8/03, BStBl I 2003, 240.

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V. Besonderheiten

Es bleibt offen, ob die möglichen Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung 1274 im Schreiben des BMF vom 27.3.2003 gemessen an der Intention des Gesetzgebers zu weit reichen. Bei einem Einzelunternehmer kann die Prüfung der Sanierungsbedürftigkeit nicht auf die Wirtschaftslage des Unternehmens beschränkt werden. Die private Leistungsfähigkeit des Unternehmers einschließlich seines Privatvermögens ist zu beleuchten, da eine Krise im privaten Bereich eine Unternehmenskrise verstärken kann. Der Einzelunternehmer muss vorhandenes Privatvermögen zur Lösung der Unternehmenskrise einsetzen.547) Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses ist ein Revisionsverfahren beim BFH 1275 anhängig, womit die Hoffnung besteht, durch eine obergerichtliche Entscheidung Rechtsklarheit zu schaffen.548) Für die Beratungspraxis ist dieses Problem u. U. verbunden mit Haftungsge- 1276 fahren: Unterlässt der Steuerberater es pflichtwidrig, seinen Mandanten darauf hinzuweisen, dass dieser Anspruch auf eine steuerliche Sonderbehandlung nach dem sog. Sanierungserlass hat, kann er diesem für die daraus erwachsenden Nachteile haften, auch wenn der Sanierungserlass sich später als gesetzeswidrig herausstellen sollte.549) Der Steuerberater – und wohl auch der anwaltliche Berater – sollte Problembewusstsein entwickeln und den Schuldner darauf hinweisen, dass die Plansanierung ertragssteuerliche Auswirkungen haben kann.

___________ 547) BFH v. 12.12.2013 – X R 39/10, ZIP 2014, 638. 548) Revision BFH, X R 23/13; zuvor FG Sachsen, Urt. v. 24.4.2013 – 1 K 759/12 (n. rk.): „Die Verwaltungsanweisung des BMF (Schreiben vom 27. März 2003 – IV A 6 – S 2140 – 8/03, BStBl. 2003, 240 ff. = ZIP 2003, 690 ff.) ist nicht anwendbar, da der Gesetzgeber ausdrücklich die Regelung des § 3 Nr. 66 EStG a. F. aufgehoben hat und es dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung widerspricht, die aufgehobene Regelung „unter dem Mantel der Billigkeit“ wiedereinzuführen.“ 549) BGH, Urt. v. 13.3.2014 – IX ZR 23/10, ZIP 2014, 882.

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H. Eigenverwaltung I. Vorbemerkung Zu den Besonderheiten, die im Verfahren der (vorläufigen) Eigenverwaltung 1277 zu beachten sind, wurde an den jeweils maßgeblichen Stellen bereits ausgeführt. Dennoch sei an der Stelle nochmals ein Überblick über das Eigenverwaltungsverfahren gegeben, der die abweichende Abwicklung in Gänze beschreibt. II. Ablauf des Eigenverwaltungsverfahrens Der Antrag des Insolvenzschuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens 1278 kann verbunden werden mit dem Antrag, das Verfahren unter Eigenverwaltung durchzuführen (§§ 270 ff. InsO). Seit Inkrafttreten des ESUG550) zum 1.3.2012 besteht die Möglichkeit, bereits im Eröffnungsverfahren ein vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren zu durchlaufen. Liegen die Voraussetzung zur Eröffnung des Verfahrens und der Eigenver- 1279 waltung vor, kann der Schuldner auch nach Insolvenzeröffnung unter Aufsicht eines Sachwalters (§§ 270, 274 f. InsO) weiterhin über die Gegenstände der Insolvenzmasse verfügen. Die Eigenverwaltung bedarf auch im eröffneten Verfahren einer ausdrücklichen gerichtlichen Anordnung. Der Beschluss über die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung im Antragsverfahren ist für den Zeitraum nach Eröffnung nicht maßgeblich und entfaltet keine Wirkungen. Die Verfahrensabschnitte sind gesondert voneinander zu betrachten. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung müssen auch 1280 für das eröffnete Verfahren gegeben sein. Eine Eigenverwaltung wird dann angeordnet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles nicht zu erwarten ist, dass die Anordnung zu einer Verzögerung des Verfahrens oder zu sonstigen Nachteilen für die Gläubigerschaft führen wird. Der Aufsicht führende Sachwalter prüft die wirtschaftliche Lage des Schuld- 1281 ners und überwacht die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung. Der Schuldner darf den notwendigen Mindestselbstbehalt für sich und seine unterhaltsberechtigen Personen der Masse entnehmen (§§ 278, 100 InsO). Stellt der Sachwalter Umstände fest, die erwarten lassen, dass die Fortsetzung 1282 der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubigerschaft führen wird, hat er dies unverzüglich dem Insolvenzgericht und den Gläubigern anzuzeigen (Anzeigepflicht). Die Pflichten des Sachwalters im eröffneten Verfahren sind

___________ 550) Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011 m. W. z. 1.3.2012, BGBl. I S. 2582.

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H. Eigenverwaltung

identisch mit denen des vorläufigen Sachwalters im Eröffnungsverfahren (§ 275 InsO). 1283 Unter Eigenverwaltung ist der Schuldner selbst verpflichtet, das Verzeichnis der Massegegenstände, das Gläubigerverzeichnis und die Vermögensübersicht gemäß §§ 151 – 153 InsO zu erstellen, im Berichtstermin einen Bericht zu erstatten, Rechnung zu legen und die Insolvenzmasse einschließlich des Absonderungsguts zu verwerten sowie anschließend die Erlöse unter den Gläubiger zu verteilen. 1284 Dem Sachwalter ist die Tabellenführung übertragen (§ 270 Abs. 3 InsO). III. Beendigung der Eigenverwaltung 1285 Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens beendet auch die Eigenverwaltung. 1286 Auf Antrag des Schuldners, der Gläubigerversammlung, eines absonderungsberechtigten Gläubigers oder eines Insolvenzgläubigers wird die Anordnung über die Eigenverwaltung vorzeitig aufgehoben, auf Antrag der beiden Letztgenannten jedoch nur, wenn diese zusätzlich glaubhaft machen, dass die Beibehaltung der Eigenverwaltung zu einer Verzögerung des Verfahrens oder zu sonstigen Nachteilen für die Gläubigergesamtheit führen würde (§ 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO).

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I. Nachhaftung bei Stundung der Verfahrenskosten Wurde dem Schuldner Verfahrenskostenstundung bewilligt (§ 4a InsO) endet 1287 der Wirkungskreis der Stundung nach Erteilung der Restschuldbefreiung und der Aufhebung des Verfahrens. Sind zu diesem Zeitpunkt die Verfahrenskosten nicht aus dem bis dahin ein- 1288 genommenen Vermögen gedeckt, sind die noch zur Zahlung ausstehenden Beträge fällig und grundsätzlich mit einer Einmalzahlung auszugleichen. Ist der Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht in der Lage, den gestundeten Betrag aus seinem Einkommen und seinem Vermögen zu zahlen, so kann das Gericht die Stundung verlängern und die zu zahlenden Monatsraten festsetzen (§ 4b Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Monatsraten werden in Anlehnung an die Regelungen der Prozesskostenhilfe (PKH) bestimmt (§ 4b Abs. 1 Satz 2 InsO i. V. m. §§ 115, 120 ZPO). Maximal dürfen 48 Monatsraten festgesetzt werden (§ 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Die Nachhaftungsphase beträgt daher für den nicht leistungsfähigen Schuldner nach Erteilung der Restschuldbefreiung noch maximal weitere vier Jahre. Während dieses Zeitraums muss der Schuldner dem Gericht unaufgefordert Änderungen seiner wirtschaftlichen Verhältnisse mitteilen.551) Bei wesentlichen Änderungen kann das Gericht im Rahmen des ihm zustehenden pflichtgemäßen Ermessens die zu zahlenden Raten anpassen (Orientierung an § 120 ZPO).

___________ 551) BGH, Beschl. v. 5.11.2009 – IX ZB 91/09, ZInsO 2009, 2405.

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J. Tod des Insolvenzschuldners I. Vorbemerkungen Wird das Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer natürlichen Person 1289 beantragt, hat der nach Antragstellung eintretende Tod des Schuldners je nach Verfahrensabschnitt unterschiedliche Auswirkungen auf den weiteren Verfahrensverlauf. II. Tod des Schuldners im Eröffnungsverfahren Verstirbt der Schuldner nach dem Eingang des Antrags auf Eröffnung des 1290 Insolvenzverfahrens, wird das Verfahren als Nachlassinsolvenzverfahren fortgesetzt.552) Das Nachlassinsolvenzverfahren ist eine besondere Art des Insolvenzverfah- 1291 rens und geregelt in §§ 315 ff. InsO. Durch die Einleitung eines Nachlassinsolvenzverfahrens können die Erben eine Haftungsbeschränkung nur auf den Nachlass als Sondervermögensmasse erreichen (§§ 1975, 1990 BGB). Das Nachlassinsolvenzverfahren verfolgt in gewissen Bereichen besondere, vom Regelinsolvenzverfahren abweichende Regeln. III. Tod des Schuldners im eröffneten Verfahren Beim Tod des Insolvenzschuldners nach Eröffnung des Verfahrens, wird es 1292 automatisch in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet.553) Soweit die Insolvenzmasse gemäß §§ 35, 36 InsO unter Einbeziehung der 1293 zugunsten des Schuldners zu beachtenden Pfändungsschutzvorschriften definiert wurde, besteht nach dem Tod des Schuldners hierfür kein Raum mehr. Die Insolvenzmasse kann sich infolge des Wegfalls des „Pfändungsschutzes“ in entsprechendem Umfang vergrößern. Bei Stundungsverfahren ist zu beachten, dass die Wirkungen der Stundung 1294 mit Überleitung in das Nachlassinsolvenzverfahren entfallen. Der Insolvenzverwalter ist daher gehalten, umgehend die Frage der Deckung der Verfahrenskosten zur prüfen, da andernfalls eine Einstellung des Verfahrens mangels Masse (§ 207 InsO, o Rn. 1054 ff.) erfolgen muss. IV. Tod des Schuldners in der Restschuldbefreiungsphase Beim Tod des Schuldners in der Wohlverhaltensperiode können die Erben 1295 die höchstpersönlichen Obliegenheiten des Schuldners (§ 295 InsO) nicht erfüllen. Die Laufzeit der Abtretungsfrist ist mit dem Tod beendet. Damit en___________ 552) BGH, Beschl. v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, ZIP 2004, 513 BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZB 62/05, ZIP 2008, 798. 553) BGH, Beschl. v. 21.2.2008 – IX ZB 62/05, ZIP 2008, 798.

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J. Tod des Insolvenzschuldners

det auch das Amt des Treuhänders (nach § 292 InsO). Das Verfahren ist entsprechend § 299 InsO vorzeitig zu beenden (deklaratorischer Beschluss).554) 1296 Das bis dahin vereinnahmte pfändbare Einkommen ist an die Gläubiger auszukehren. V. Tod des Schuldners nach Ablauf der Abtretungsfrist und vor Erteilung der Restschuldbefreiung 1297 Die Frage, welche Auswirkungen der Tod des Schuldners nach Ablauf der Abtretungsfrist aber vor Erteilung der Restschuldbefreiung auf das Verfahren hat, ist umstritten.555) 1298 Das AG Duisburg erteilt beim Tod des Schuldners nach Ablauf der Wohlverhaltensphase die Restschuldbefreiung mit der Maßgabe, dass diese den Erben hinsichtlich der nicht erfüllten, z. Zt. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründeten Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüber seinen Insolvenzgläubigern i. S. d. § 38 InsO erteilt wird.556) Zur Begründung wird angeführt, dass der Anspruch auf Restschuldbefreiung in diesem Verfahrensstadium, anders als während der laufenden Wohlverhaltensphase, nicht mehr an den Schuldner höchstpersönlich gebunden sei, und daher im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) auf die Erben übergehen könne. Der Schuldner habe bis zu diesem Zeitpunkt keinen Versagungsgrund gesetzt und damit alles seinerseits Erforderliche getan habe, um die Restschuldbefreiung zu erlangen. 1299 Völlig konträr hierzu steht das AG Leipzig mit seiner Auffassung, dass unabhängig vom Zeitpunkt des Todes des Schuldners von der Höchstpersönlichkeit und damit der Unvererblichkeit des Anspruchs auf Erteilung der Restschuldbefreiung auszugehen sei.557) 1300 Obergerichtliche Entscheidungen zur Problematik liegen bislang, soweit ersichtlich, nicht vor. Die wohl h. M. in der Literatur vertritt mit dem Argument, dass es angesichts der Höchstpersönlichkeit keine nur natürlichen Personen zugedachte Restschuldbefreiung für den Nachlass geben könne, die Auffassung, dass von der Unvererblichkeit auszugehen sei.558)

___________ 554) BGH, Beschl. v. 17.3.2005 – IX ZB 214/04, NZI 2005, 399; siehe hierzu auch AG Bielefeld, Beschl. v. 9.5.2005 – 43 IK 556/03, ZVI 2005, 505, das für die Versagung der Restschuldbefreiung plädiert. 555) Siehe zum Streitstand ausführlich Büttner, ZInsO 2013, 588 m. w. N. 556) AG Duisburg, Beschl. v. 25.5.2009 – 62 IK 59/00, ZInsO 2009, 2325. 557) AG Leipzig, Beschl. v. 11.1.2013 – 402 IK 204/06, ZInsO 2013, 615, Weiterführung von AG Bielefeld, Beschl. v. 9.5.2005 – 43 IK 556/03, ZVI 2005, 505, 558) Siehe zum Streitstand ausführlich Büttner, ZInsO 2013, 588 m. w. N.

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Stichwortverzeichnis Ablauf – des Insolvenzverfahrens 129 ff. Absonderungsberechtigter 49 ff. – Ausfallbetrag 566 ff. Absonderungsrecht 497 ff. – einzelne Rechte 519 ff. Anfechtung 800 ff. – inkongruente Deckungsanfechtung 818 ff. – kongruente Deckungsanfechtung 810 ff. – Systematik 805 ff. – unentgeltliche Leistung 832 ff. – Verbraucherinsolvenz 800 ff. – vorsätzliche Benachteiligung 825 ff. Anfechtungsansprüche – Insolvenzplan 1257 ff. Anmeldung – Insolvenzforderung siehe Forderungsanmeldung Antrag – Eröffnung siehe Insolvenzantrag – Gläubiger siehe Fremdantrag – Stundung Verfahrenskosten siehe Verfahrenskostenstundung – Antrag Antragshäufung 188 ff. Arbeitseinkommen siehe Einkünfte – laufende Arbeitslosengeld siehe Einkünfte – laufende Arbeitsverhältnisse – Entgeltansprüche 985 ff. – eröffnetes Verfahren 978 ff. – Eröffnungsverfahren 290 ff. – Insolvenzgeld 290 ff. – Kündigung im eröffneten Verfahren 978 ff.

– Kündigung im Eröffnungsverfahren 315 ff. – Masseverbindlichkeiten 985 ff. Asset Deal 607 ff. Asymmetrische Verfahren 1197 ff. Aufhebung des Verfahrens – nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans 1066 ff. – nach/ohne Schlussverteilung 1052 ff. Auskunftspflicht 225 ff., 1128 ff., 1176 ff. Aussonderung – Ersatzaussonderung 526 Aussonderungsberechtigter 54 ff. Aussonderungsrecht 497 ff. – einzelne Rechte 501 ff. Austauschpfändung 668 Auto siehe Kraftfahrzeug

Bankguthaben 755 ff. Bankverträge 976 ff. Bausparguthaben 678 ff. Bericht – eröffnetes Verfahren 935 ff. Berichtstermin 931 ff. Betriebsübergang 615 ff., 989 ff. Bewertung – Fortführungswerte 347 ff. – Grundlagen 337 ff. – Liquidationswerte 344 ff. Buchhalterische Pflichten 991 ff. Dauerschuldverhältnisse siehe Vertragsverhältnisse Debitoren siehe Forderung aus Lieferung und Leistung Deckungsanfechtung – inkongruente siehe Anfechtung – inkongruente Deckungsanfechtung

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Stichwortverzeichnis

– kongruente siehe Anfechtung – kongruente Deckungsanfechtung Deliktsforderungen 1144 ff. – Insolvenzplan 1263 ff. Dienstbarkeit – beschränkt persönliche 511

Eigenantrag 141 ff. Eigentumsvorbehalt – einfacher 504 ff. – eröffnetes Verfahren 950 ff. – erweiterter 541 ff. – verlängerter 537 ff. Eigenverwaltung 1277 ff. – Ablauf 1278 ff. – Beendigung 1285 ff. – vorläufige 350 ff. – vorläufige, Schutzschirmverfahren 361 ff. Eingangsentscheidung 149 f. Einkommen siehe Einkünfte – laufende – Abtretung 1094 ff., 1094 ff. – Beamtenbezüge 1091 ff. – Freiberufler 723 ff., 1094 ff., 1181 ff. – Selbstständiger 723 ff., 1181 ff. – Wohlverhaltensperiode 1094 ff. Einkünfte – laufende 723 ff. Einstellung des Verfahrens – mangels Masse 1054 ff. – mit Zustimmung der Gläubiger 1073 ff. – nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit 1059 ff. – wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes 1069 ff. Einzelermächtigung 248 Erbbaurecht 509 Erbschaft 791 ff., 1124 ff. – Ausschlagung 793 Eröffnungsantrag siehe Insolvenzantrag 296

Eröffnungsbeschluss 379 Eröffnungsgrund 177 ff. Ersatzaussonderung 526 ff. Erwerbsobliegenheit 1118 ff., 1180 ff.

Fahrzeug siehe Kraftfahrzeug Finanzanlagen 678 ff. Forderung aus Lieferung und Leistung 649 ff. Forderungsanmeldung 903 ff. – nachträgliche 921 ff. Forderungsprüfung 1024 ff. Fortführung 276 ff. – eröffnetes Verfahren 567 ff., 596 ff. – Eröffnungsverfahren 276 ff. – Eröffnungsverfahren, Maßnahmen im Verwalterbüro 288 ff. Fortführungswerte 347 ff. Freiberufler 14 ff., 119 f. – Zulassungswiderruf 11 ff. Freigabe – einer selbstständigen Tätigkeit 578 ff. – einzelner Gegenstände 481 ff. – modifizierte/erkaufte 693 ff., 698 ff. Fremdantrag 168 ff.

Genossenschaftsanteil 709 ff. Gerichtskosten 840 ff. Gewerbeuntersagung 9 ff. Gläubigerausschuss 91 ff. – Vergütung 885 ff. – vorläufiger 91 ff. Gläubigerversammlung 931 ff. Gläubigerverzeichnis 410 ff. Grundbesitz siehe Grundstück Grunddienstbarkeit 510 Grundpfandrechte 520 ff. Grundschuld siehe Immobiliarsicherheiten

Stichwortverzeichnis

Grundsicherung siehe Einkünfte – laufende Grundstück 628 ff. Grundstücksgleiche Rechte 628 ff. Gutachten – des Gutachters/Sachverständigen 322 ff. Gutachter siehe Sachverständiger

Hypothek siehe Immobiliarsicherheiten

Immaterieller Vermögenswert siehe Vermögenswert – immateriell Immobiliarsicherheiten 520 ff. Immobilie siehe Grundstück Insolvenzanfechtung siehe Anfechtung Insolvenzantrag 138 ff. – Sperrfrist 1172 ff. Insolvenzeröffnung 377 ff. – Eröffnungsentscheidung 377 ff. – Wirkungen 390 ff. Insolvenzeröffnungsverfahren 138 ff. Insolvenzfähigkeit 36 ff. Insolvenzforderung 903 ff. Insolvenzgeld 290 ff. – Anspruchsübergang 307 ff. – Antrag 301 ff. – Höhe 299 ff. – Vorfinanzierung 309 ff. – Zahlung 304 ff. – Zeitraum 292 ff. Insolvenzgericht 86 ff. Insolvenzgläubiger 40 ff. Insolvenzmasse – Freigabe 481 ff. – Umfang 467 ff. – Verwaltung 479 ff. – Verwertung 425 ff., 479 ff. Insolvenzplan 1201 ff. – Ablauf 1218 ff. – Anfechtungsansprüche 1257 ff.

– Besserstellung 1209 ff. – Besteuerung des Sanierungsgewinns 1268 ff. – Deliktsforderungen 1263 ff. – Inhalt 1230 ff. – Planvorlagerecht 1213 ff. – vergessene Gläubiger 1266 ff. – Vergütung 1253 ff. – Voraussetzungen 1209 ff. Insolvenzschuldner 35 ff. – Konsequenzen Eigenverwaltung 374 ff. – Konsequenzen Eröffnungsverfahren und Sicherungsmaßnahmen 269 ff. – Konsequenzen Insolvenzeröffnung 438 ff. Insolvenzstraftaten 1167 ff. Insolvenztabelle 903 ff. – nachträgliche Änderungen 922 ff. – Prüfungsergebnisse 922 ff., 1024 ff. Insolvenzverfahren – eröffnetes 377 ff. – eröffnetes, Ablauf 382 ff. Insolvenzverwalter 73 ff. – Aufgaben 390 ff. – schwacher vorläufiger 261 ff. – starker vorläufiger 260 f. – Vergütung 866 ff., 1083 ff. – vorläufiger 70 ff. – vorläufiger, Aufgaben 259 ff. – vorläufiger, Maßnahmen im Verwalterbüro 288 – vorläufiger, Vergütung 274 ff., 851 ff. – vorläufiger, Verwertung 263 ff.

Kasse 655 ff. Kollision – Sicherungsrechte 555 ff. Kraftfahrzeug 658 ff. – Leasing 660 – Sicherungsübereignung 661

297

Stichwortverzeichnis

– Steuer 671 ff. – Unpfändbarkeit 662 ff.

Lebensversicherung 684 ff. Liquidation 567 ff., 619 ff. Liquidationswerte 344 ff. Massearmut 897 ff. Masseunzulänglichkeit 900 ff. Masseverbindlichkeiten – sonstige 886 ff. Masseverzeichnis 394 ff. Mietforderungen 701 ff. Mietkaution 513, 705 ff. Motivationsrabatt 1109

Nachmeldung siehe Forderungsanmeldung – nachträgliche Nachprüfungstermin 921 ff. Nachranggläubiger 46 ff. Nachrangige Forderungen 928 ff. Nachtragsverteilung 1044 ff., 1078 ff. Naturalobligationen 43, 1137 ff. Natürliche Person 109 ff. Nießbrauch 508

Obliegenheiten 1114 ff. Pfandrechte 524 ff. Pfändungsschutzkonto 755 ff. P-Konto siehe Pfändungsschutzkonto Pkw siehe Kraftfahrzeug Postsperre 243 Prüfungstermin 910 ff. – Prüfungsergebnisse 922 ff. Quotenberechnung 1081 ff. Rechnungslegung siehe Schlussrechnungslegung Rentenleistungen siehe Einkünfte – laufende

298

Restschuldbefreiung – Antrag 148 f. – Antragsrücknahme 218 ff. – asymmetrische Verfahren 1197 ff. – ausgenommene Forderungen 1144 ff. – Erteilung 1135 ff. – Verkürzung 1147 ff. – Versagung 1159 ff. – Versagungsgründe Hauptverfahren 1159 ff. – Versagungsgründe Wohlverhaltensperiode 1182 ff. – Voraussetzungen 204 ff. – Wirkungen 1137 ff. Restschuldbefreiungsphase 1085 ff. Rückschlagsperre 1008 ff.

Sachanlagen – bewegliche 635 ff. Sachverständiger 64 ff., 64 ff. – Aufgaben 219 ff. – Bestellung 219 ff. – Maßnahmen im Verwalterbüro 232 f. – Vergütung 228 ff., 848 ff. Sachwalter 100 ff. – Aufgaben 369 ff. – Vergütung 376 ff., 879 ff. – vorläufiger 100 ff., 350 ff. – vorläufiger, Aufgaben 369 ff. – vorläufiger, Vergütung 376 ff., 828 ff. Sanierung – übertragende 607 ff. Sanierungsgewinn – Besteuerung des Sanierungsgewinns 1268 ff. Schlussbericht – Aufbauvorschlag 1043 f. Schlussrechnungslegung 1013 ff. – eröffnetes Verfahren 1013 ff.

Stichwortverzeichnis

– Eröffnungsverfahren 1018 ff. – Insolvenzplan 1256 f. – Wohlverhaltensperiode 1112 ff. Schlusstermin 1077 Schlussverteilung 1078 ff. Schlussverzeichnis 1024 ff., 1078 ff. Schuldenbereinigungsverfahren – außergerichtlich 153 ff. – gerichtlich 165 ff. Schuldnerberater 105 ff. Schuldnerberatungsstelle 105 ff. Schutzschirmverfahren 361 ff. Selbstständiger 117 ff. – ehemals 114 ff. Sicherungsabtretung 529 ff. Sicherungsmaßnahmen – vorläufige 233 ff. Sicherungsrecht – Kollision 555 ff. Sicherungsrechte 528 ff. – Abgeltung 1023 f. Sicherungsübereignung 539 ff. Sparbuch siehe Finanzanlagen Steuerliche Pflichten 991 ff. Steuern – Erstattungsansprüche 673 ff. Stundungsantrag siehe Verfahrenskostenstundung – Antrag

Tod des Schuldners – asymmetrische Verfahren 1297 ff. – eröffnetes Verfahren 1292 ff. – Eröffnungsverfahren 1290 ff. – Wohlverhaltensperiode 1295 ff. Treuhänder – Aufgaben 1091 ff. – Restschuldbefreiungsverfahren 82 ff. – Vergütung 873 ff., 1113 ff.

Umsatzsteuer 493 ff., 639 ff., 652 f. – Absonderungsgut 888 ff. – Verwertung von Absonderungsgut 554 f.

Verbraucher 111 ff. Verfahrensabschluss 1050 ff. – Maßnahmen im Verwalterbüro 1019 ff. Verfahrensart – richtige 121 ff. Verfahrenskosten 836 ff. Verfahrenskostenstundung – Antrag 150 ff. – Folgen 201 ff. – Nachhaftung 1287 ff. – Voraussetzungen 193 ff. Vermächtnis 1124 ff. Vermieterinsolvenz 972 ff. Vermögensübersicht 418 ff. Vermögenswert – immateriell 627 ff. Vermögenswirksame Leistungen 695 ff. Verteilung – Nachtragsverteilung 1044 ff. Verteilungsreihenfolge 1081 ff. Vertragsverhältnisse 939 ff. – Bankverträge 976 ff. – Mietverhältnis, gewerblich 959 ff. – Mietverhältnis, privat 966 ff. – Wahlrecht 941 ff. Verwertung – Grundsätze 622 ff. Vollstreckungsverbot 1002 ff. – für Massegläubiger 1007 ff. Vorausabtretung 457 ff., 594 ff., 751 ff., 1140 ff. Vormerkung 947 ff. Vorsatzanfechtung siehe Anfechtung – vorsätzliche Benachteiligung

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Stichwortverzeichnis

Wohlverhaltensperiode 1085 ff. – Ausschüttung 1104 ff. – Überwachungsauftrag 1110 ff.

Zahlungsunfähigkeit 179 ff. – drohende 185 ff.

300

Zielsetzung – Regelinsolvenz natürlicher Personen 3 ff. – Verbraucherinsolvenz 33 ff. Zwangsvollstreckungsverbot siehe Vollstreckungsverbot Zweitinsolvenzverfahren 595 ff.