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German Pages 300 [266] Year 2015
Wipperfürth Insolvenzverwaltung – juristische Personen, Personengesellschaften und Vereine
Kanzleipraxis 6
Insolvenzverwaltung – juristische Personen, Personengesellschaften und Vereine 2015
von Sylvia Wipperfürth
RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH Köln
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Vorwort Die Abwicklung von Unternehmensinsolvenzen ist neben dem Bereich der Privatinsolvenzverfahren der zweite große Bereich im Tätigkeitsspektrum eines Verwalterbüros. Die Unternehmensinsolvenzen lassen sich in weitere große Gruppen unterteilen. Einerseits zählen hierzu die Einzelunternehmen, die freien Berufe und Kleingewerbetreibenden, die mit über 50 % (http:// www.creditreform.de [Stand: September 2014]) knapp die Mehrzahl bilden. Andererseits konzentriert sich das Arbeitsgebiet eines Insolvenzverwalters auf die Insolvenzverfahren über das Vermögen von Kapital- und Personengesellschaften. Beide Gruppen fordern in der Sachbearbeitung neben dem Insolvenzrecht Spezialkenntnisse auf anderen Rechtsgebieten und im Bereich der Betriebswirtschaft. Den speziellen Anforderungen, die die Abwicklung von Gesellschaftsinsolvenzen abverlangt, soll in dem vorliegenden Werk Rechnung getragen werden, indem neben den insolvenzrechtlichen Besonderheiten auch gesellschafts-, steuer-, straf- und arbeitsrechtlich relevante Aspekte berücksichtigt werden. Daneben werden ebenso betriebswirtschaftliche wie strategische Fragestellungen beleuchtet und in Abhängigkeit von der Zielsetzung des Insolvenzverfahrens entsprechende praxisrelevante Überlegungen angestellt. Das Werk orientiert sich weitestgehend am „klassischen“ Ablauf eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen von Gesellschaften, wobei neben allgemeinen Abwicklungsthemen im Wesentlichen die Rechtsform der GmbH besprochen wird, da dieser mit einem Anteil von ca. 80 % der Gesellschaftsinsolvenzen die in der Praxis bei Weitem größte Bedeutung zuzumessen ist (http://www.creditreform.de [Stand: September 2014]). Ferner werden die Besonderheiten bei der Verfahrensabwicklung von Insolvenzen über das Vermögen von Personengesellschaften und anderen, dem Bereich der juristischen Personen zuzuordnenden Rechtsformen besprochen. Berücksichtigung finden hierbei sowohl Liquidations-, als auch Sanierungsszenarien in den teils unterschiedlichen Nuancen und Facetten. Die Autorin hat sich dem Ziel verschrieben, theoretisches Fachwissen mit den Anforderungen der Praxis zu verknüpfen, indem sie Ersteres den Anforderungen der Abwicklungspraxis entsprechend aufbereitet. Mit einem nutzerfreundlichen Aufbau und zielgruppenorientierter Abhandlung der einzelnen Themengebiete lässt sie die Leserinnern und Leser an den Erfahrungswerten aus ihrer über 11-jährigen verfahrensleitenden Berufspraxis und Referententätigkeit teilhaben. Mit dem Werk soll den Leserinnern und Lesern ein Grundverständnis sowie der nötige Gesamtüberblick für die Abwicklung von Gesellschaftsinsolvenzen vermittelt werden.
V
Vorwort
Nicht zuletzt versteht sich das Werk auch als Einladung an die Leserinnern und Leser, der Autorin Anregungen, Kritik und eigene Erfahrungswerte rückzumelden, um dem Anwenderbedarf stets umfassend gerecht zu werden. Vielen Dank für Ihr Interesse!
Alsdorf, im Mai 2015
VI
Sylvia Wipperfürth
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
Vorwort ............................................................................................................ V Literaturverzeichnis .................................................................................. XVII A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte .................................. 1 ........ 1 I.
Vorüberlegung .............................................................................. 1 ........ 1
II. Ziele des Regelinsolvenzverfahrens ............................................. 1. Gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung .......................... 2. Ordnungsfunktion ................................................................ 3. Sanierungsfunktion ...............................................................
2 2 4 6
........ ........ ........ ........
1 1 1 2
III. Gesetzliche Grundlagen und Gesetzessystematik ...................... 8 ........ 3 IV. Ablauf des Insolvenzverfahrens ................................................. 11 ........ 3 V. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren ..................................................................... 1. Insolvenzschuldner und Insolvenzfähigkeit ...................... a) Grundlegendes ............................................................. b) Insolvenzfähigkeit einzelner Rechtsträger ................. aa) Juristische Personen ........................................... (1) Insolvenzfähigkeit juristischer Personen – Grundlegendes ............................................. (2) Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ....................................................... (3) Aktiengesellschaft (AG) ............................. (4) Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) ........................................................ (5) Genossenschaft (e. G.) ................................ (6) Eingetragene Vereine (e. V.) ....................... (7) Nicht rechtsfähige Vereine ......................... (8) Stiftungen ..................................................... (9) Juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 12 InsO) ...................................... bb) Personengesellschaften ....................................... (1) Insolvenzfähigkeit von Personengesellschaften – Grundlegendes .................. (2) Offene Handelsgesellschaft (OHG) .......... (3) Kommanditgesellschaft (KG) .................... (4) Gesellschaft bürgerlichen Rechts/ BGB-Gesellschaft (GbR) ............................
13 13 13 15 15
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4 4 4 4 4
15 ........ 4 19 ........ 5 23 ........ 6 26 28 31 34 36
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6 6 6 7 7
38 ........ 7 40 ........ 7 40 ........ 7 44 ........ 8 47 ........ 8 51 ........ 8 VII
Inhaltsverzeichnis Rn.
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(5) Partnergesellschaft ...................................... 55 c) Auskunfts- und Mitwirkungspflichten ...................... 56 2. Insolvenzgläubiger .............................................................. 62 3. Gläubiger nachrangiger Forderungen ................................ 68 4. Absonderungsberechtigte Gläubiger ................................. 71 5. Aussonderungsberechtigte ................................................. 75 6. Dritte ................................................................................... 81 7. Der Gutachter/Sachverständige ......................................... 84 8. Der vorläufige Insolvenzverwalter ..................................... 92 9. Der Insolvenzverwalter ....................................................... 96 10. Das Insolvenzgericht ........................................................ 103 11. Der (vorläufige) Gläubigerausschuss ............................... 108 12. Der (vorläufige) Sachwalter .............................................. 120
........ 9 ...... 10 ...... 11 ...... 12 ...... 13 ...... 14 ...... 16 ...... 16 ...... 17 ...... 18 ...... 19 ...... 20 ...... 22
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren ....................................... 126 ...... 25 I.
Der Insolvenzantrag ................................................................. 1. Eigenantrag ........................................................................ a) Grundlegendes ........................................................... b) Form und Inhalt des Antrags .................................... c) Antragsrecht .............................................................. d) Antragspflicht ............................................................ 2. Fremdantrag ...................................................................... a) Grundlegendes ........................................................... b) Form und Inhalt des Antrags .................................... c) Zulässigkeit ................................................................ aa) Rechtliches Interesse ........................................ bb) Glaubhaftmachung des Bestehens einer Forderung ................................................ cc) Glaubhaftmachung eines Eröffnungsgrundes ... d) Antragsrecht .............................................................. 3. Eröffnungsgründe ............................................................. a) Überblick über die Eröffnungsgründe ..................... b) Zahlungsunfähigkeit .................................................. c) Drohende Zahlungsunfähigkeit ................................ d) Überschuldung .......................................................... e) Kennzahlenanalyse .................................................... 4. Antragshäufung .................................................................
126 129 129 130 135 138 145 145 146 147 148
...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ...... ......
25 25 25 25 26 27 29 29 29 29 29
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29 30 31 31 31 32 35 35 36 37
II. Deckung der Verfahrenskosten ............................................... 192 ...... 38 1. Verfahrenskostendeckung ................................................ 192 ...... 38 2. Stundung der Verfahrenskosten ....................................... 197 ...... 38 III. Bestellung eines Sachverständigen/Insolvenzgutachters durch das Insolvenzgericht ...................................................... 198 ...... 39 1. Aufgaben und Befugnisse des Sachverständigen ............. 198 ...... 39 2. Konsequenzen für das Unternehmen .............................. 206 ...... 50 VIII
Inhaltsverzeichnis Rn.
3. 4.
Seite
Vergütung des Sachverständigen ...................................... 208 ...... 50 Maßnahmen im Verwalterbüro ........................................ 216 ...... 51
IV. Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts ........................ 1. Sicherungsmaßnahmen ..................................................... a) Grundlegendes ........................................................... b) Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (§§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 22 InsO) ................................... c) Untersagung/einstweilige Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das bewegliche Vermögen (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO) ..... d) Anordnung einer vorläufigen Postsperre (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 InsO) ........................................... e) Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO ............. f) Einzelermächtigung ................................................... g) Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses (§ 21 Abs. 2 Nr. 1a InsO) ......................................... h) Leistungsgebot ........................................................... i) Betreten und Nachforschungen in den Räumen des Schuldners (§ 22 Abs. 3 Satz 1 InsO) ................ j) Allgemeines Verfügungsverbot (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO) ................................ k) Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO) ................................ 2. Aufgaben und Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters .......................................................... a) Der starke vorläufige Insolvenzverwalter ................ b) Der schwache vorläufige Insolvenzverwalter ........... c) Verwertung und Notverwertung .............................. 3. Konsequenzen für das Schuldnerunternehmen ............... 4. Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ............. 5. Maßnahmen im Verwalterbüro ........................................ V. Fortführung des Geschäftsbetriebs im Eröffnungsverfahren ................................................................ 1. Fortführung oder Einstellung des Geschäftsbetriebs ..... 2. Fortführungsaussichten und Liquiditätsplanung ............ a) Grundlegendes ........................................................... b) Analyse der Krisenursachen ...................................... c) Finanz- und Liquiditätsplanung ............................... d) Muster Liquiditäts-/Finanzplanung ......................... 3. Basis der Fortführungsarbeit ............................................ 4. Maßnahmen im Verwalterbüro ........................................
217 ...... 53 217 ...... 53 217 ...... 53 220 ...... 53
221 ...... 54 226 ...... 55 228 ...... 55 233 ...... 56 237 ...... 58 238 ...... 58 239 ...... 58 240 ...... 58 241 ...... 59 244 245 248 250 257 259 260
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59 60 60 61 62 62 62
261 261 265 265 268 271 272 273 274
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63 63 64 64 64 65 66 67 67
VI. Arbeitsverhältnisse im Eröffnungsverfahren und Insolvenzgeld ............................................................................ 276 ...... 69 1. Insolvenzgeld .................................................................... 276 ...... 69 IX
Inhaltsverzeichnis Rn.
2. 3.
a) Insolvenzgeldzeitraum .............................................. b) Höhe des Insolvenzgeldanspruchs ........................... c) Antrag auf Insolvenzgeld .......................................... d) Insolvenzgeldzahlung ................................................ e) Anspruchsübergang ................................................... Insolvenzgeldvorfinanzierung .......................................... Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Eröffnungsverfahren .........................................................
VII. Das Gutachten des Sachverständigen ..................................... 1. Ermittlung der Vermögenswerte und Schuldenstruktur ............................................................... 2. Bewertung von Vermögenswerten ................................... a) Allgemeines ................................................................ b) Bewertungsgrundlagen .............................................. c) Liquidationswerte ...................................................... d) Fortführungswerte .................................................... e) Inhalte eines Gutachtens ........................................... VIII. Vorläufige Eigenverwaltung und der vorläufige Sachwalter ................................................................................. 1. Voraussetzungen, Vorteile und Nachteile der vorläufigen Eigenverwaltung ............................................ a) Hintergründe und Zielsetzung ................................. b) ESUG ......................................................................... c) Vor- und Nachteile der (vorläufigen) Eigenverwaltung ........................................................ d) Voraussetzungen der (vorläufigen) Eigenverwaltung ........................................................ e) Besondere Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens (§ 270b InsO) .............................. 2. Aufgaben und Befugnisse des (vorläufigen) Sachwalters ........................................................................ 3. Konsequenzen für den Schuldner .................................... 4. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters ........................
277 281 283 284 287 289
Seite
...... ...... ...... ...... ...... ......
69 70 71 71 71 72
292 ...... 73 297 ...... 73 302 305 305 307 313 316 317
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74 75 75 75 76 76 77
319 ...... 78 319 ...... 78 319 ...... 78 322 ...... 78 324 ...... 79 326 ...... 79 329 ...... 80 337 ...... 81 341 ...... 82 343 ...... 82
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren ......................................... 344 ...... 83 I.
Die Eröffnungsentscheidung ................................................... 344 ...... 83
II. Ablauf des Verfahrens, Termine und Fristen .......................... 347 ...... 83 1. Arbeitsschritte ................................................................... 348 ...... 83 2. Erstgespräch ...................................................................... 349 ...... 85 III. Die Wirkungen der Eröffnung ................................................. 1. Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters ........ a) Inbesitznahme und Verwaltung ................................ b) Verzeichnisse und Übersichten (§§ 151 ff. InsO) ... X
353 353 353 354
...... ...... ...... ......
86 86 86 87
Inhaltsverzeichnis
2. 3.
aa) Masseverzeichnis (§ 151 InsO) ........................ bb) Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO) ................. cc) Vermögensübersicht (§ 153 InsO) .................. dd) Besonderheit bei Eigenverwaltung ................... ee) Frist .................................................................... c) Verwertung der Insolvenzmasse ............................... Konsequenzen für das Schuldnerunternehmen ............... Verfügungen, Leistungen und Rechtserwerb nach Eröffnung (§§ 81, 82, 91 InsO) ...............................
IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse ......................................................................... 1. Insolvenzmasse .................................................................. 2. Verwaltung und Verwertung ............................................ 3. Freigabe einzelner Gegenstände aus dem Massebeschlag ................................................................... a) Grundsätze der Freigabe ........................................... b) Zeitpunkt der Freigabe .............................................. c) Form und Folgen der Freigabeerklärung ................. d) Freigabeerklärung bei fehlendem Erklärungsempfänger ................................................................... 4. Aus- und Absonderungsrechte ........................................ a) Überblick Aus- und Absonderung ........................... b) Aussonderungsrechte ................................................ aa) Grundlagen ........................................................ bb) Eigentum (§§ 903, 985 BGB) ........................... cc) Einfacher Eigentumsvorbehalt (§ 449 BGB) .... dd) Nießbrauch (§§ 1030 ff. BGB) ......................... ee) Grunddienstbarkeit (§§ 1018 ff. BGB) ............ ff) Beschränkt persönliche Dienstbarkeiten (§§ 1090 ff. BGB) ............................................. gg) Mietkaution ....................................................... hh) Factoring ........................................................... ii) Leasing ............................................................... c) Absonderungsrechte .................................................. aa) Grundlegendes .................................................. bb) Immobiliarsicherheiten (§ 49 InsO) ................ cc) Pfandrechte (§ 50 InsO) .................................. dd) Sicherungsrechte (§ 51 Nr. 1 InsO) ................ (1) Sicherungsabtretung (auch Globalzession, unechtes Factoring) .................................. (2) Sicherungsübereignung ............................. (3) Verlängerter Eigentumsvorbehalt ............ (4) Erweiterter Eigentumsvorbehalt .............. ee) Zurückbehaltungsrechte (§ 51 Nr. 2, 3, InsO) .........................................
Rn.
Seite
355 369 377 385 387 388 395
...... 87 ...... 93 ...... 97 ...... 99 ...... 99 ...... 99 .... 100
397 .... 101 410 .... 105 410 .... 105 415 .... 105 416 416 421 422
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106 106 106 107
425 428 428 429 429 436 437 440 441
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107 108 108 109 109 110 110 111 111
442 443 444 445 446 446 454 457 462
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111 111 112 112 112 112 113 114 115
463 466 469 472
.... .... .... ....
115 116 116 117
473 .... 118 XI
Inhaltsverzeichnis Rn.
Seite
ff)
Fiskalabsonderungsrechte (§ 51 Nr. 4 InsO) .............................................. 474 .... 118 d) Kollisionslagen ........................................................... 475 .... 118 e) Ausfall ........................................................................ 486 .... 120 V. Fortführung oder Liquidation? ................................................ 1. Richtungsweisende Entscheidung .................................... 2. Fortführung ....................................................................... 3. Übertragende Sanierung/Asset Deal ............................... 4. Liquidation ........................................................................
487 487 489 499 512
.... .... .... .... ....
120 120 121 123 126
VI. Ausgewählte Verwertungsfragen ............................................. 1. Allgemeines ....................................................................... 2. Grundsätze der Verwertung ............................................. 3. Ausgewählte Verwertungsfragen ..................................... a) Immaterielle Vermögensgegenstände ....................... b) Grundstücke/grundstücksgleiche Rechte ................ c) Bewegliches Sachanlagenvermögen .......................... d) Vorräte ....................................................................... e) Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ........ f) Miet-/Pachtforderungen ........................................... g) Einlagehaftung GmbH .............................................. aa) Grundlegendes .................................................. bb) Prüfungsumfang des Insolvenzverwalters ....... cc) Kaduzierung ...................................................... dd) Verjährung ......................................................... h) Einlagehaftung AG .................................................... i) Einlagehaftung Genossenschaft ................................ j) Einlagenhaftung Kommanditgesellschaft ................. k) Ansprüche gegen Gesellschafter ............................... aa) Verstoß gegen den Kapitalerhaltungsgrundsatz (§§ 30, 31 Abs. 1 GmbHG) .............................. bb) Haftung der Aktionäre (§§ 57, 62 AktG) ....... cc) Existenzvernichtungshaftung (§ 826 BGB Schadensersatz wegen eines existenzvernichtenden Eingriffs) ................................... dd) Gesellschafterhaftung bei Personengesellschaften (akzessorische Außenhaftung) ......... l) Ansprüche gegen organschaftliche Vertreter ........... aa) Ansprüche gegen Geschäftsführer gemäß § 64 GmbHG .................................................... bb) Ansprüche gegen Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG ......................................... cc) Ansprüche gegen Geschäftsführer gemäß §§ 43 Abs. 3, Abs. 2, 30 Abs. 1 GmbHG ........
513 513 514 517 518 520 526 538 540 550 553 553 566 570 573 576 582 584 589
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126 126 126 127 128 128 131 133 134 135 136 136 141 143 143 144 145 145 146
XII
589 .... 146 595 .... 147
599 .... 147 604 .... 149 610 .... 150 610 .... 150 623 .... 154 627 .... 155
Inhaltsverzeichnis Rn.
m) n) o) p)
dd) Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder gemäß § 92 Abs. 2 AktG .................................. ee) Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder gemäß § 93 Abs. 2 AktG .................................. ff) Ansprüche gegen gesetzliche Vertreter (OHG, KG; §§ 130a Abs. 3 Satz 1, 177a HGB) ........................................................ gg) Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder gemäß §§ 98, 99 GenG ..................................... hh) Insolvenzverschleppungshaftung ..................... Beraterhaftung ........................................................... Bankguthaben ............................................................ Kassenbestand ............................................................ Anfechtungsansprüche .............................................. aa) Grundlegendes .................................................. bb) Systematik und Konzentration ........................ cc) Allgemeine Voraussetzungen der Anfechtung ........................................................ dd) Die Anfechtungstatbestände des § 135 Abs. 1, 2 InsO ......................................... (1) Grundlegendes ........................................... (2) Anfechtungstatbestand nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO .......... (3) Anfechtungstatbestand nach § 135 Abs. 2 InsO ......................................
VII. Verfahrenskosten, sonstige Masseverbindlichkeiten und die Folgen von Massearmut und Masseunzulänglichkeit ....... 1. Verfahrenskosten (§§ 53, 54 InsO) ................................. a) Gerichtskosten ........................................................... b) Vergütung des Sachverständigen .............................. c) Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ................................................................... d) Die Vergütung des Insolvenzverwalters ................... e) Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters und des Sachwalters .......................................................... aa) Vergütung des Sachwalters ............................... bb) Vergütung des vorläufigen Sachwalters ........... f) Die Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses ................................................................. 2. Sonstige Masseverbindlichkeiten ..................................... 3. Massearmut ........................................................................ 4. Masseunzulänglichkeit ......................................................
Seite
630 .... 156 631 .... 156
632 .... 157 633 634 646 652 653 654 654 655
.... .... .... .... .... .... .... ....
157 157 159 160 161 161 161 161
656 .... 161 659 .... 163 659 .... 163 663 .... 164 670 .... 166 675 675 679 687
.... .... .... ....
167 167 167 168
690 .... 169 704 .... 172 710 .... 173 710 .... 173 713 .... 173 716 717 730 731
.... .... .... ....
174 174 177 178
VIII. Forderungsanmeldung und Insolvenztabelle ........................ 734 .... 179 1. Insolvenzforderungen und Forderungsanmeldungen ..... 734 .... 179
XIII
Inhaltsverzeichnis Rn.
2. 3. 4. 5.
Der Prüfungstermin .......................................................... Nachmeldungen und Nachprüfungstermin ..................... Nachträgliche Änderungen der Prüfergebnisse .............. Nachrangige Forderungen ................................................
740 751 752 757
Seite
.... .... .... ....
180 183 183 183
IX. Gläubigerversammlung und Berichtstermin ........................... 775 .... 189 1. Berichtstermin (Erste Gläubigerversammlung) .............. 775 .... 189 2. Berichtswesen im eröffneten Verfahren .......................... 778 .... 189 X. Vertragsverhältnisse ................................................................. 1. Überblick ........................................................................... 2. Wahlrecht (§ 103 InsO) .................................................... 3. Vormerkung (§ 106 InsO) ............................................... 4. Eigentumsvorbehalt (§ 107 InsO) ................................... 5. Mieterinsolvenz (§§ 109 Abs. 1 Satz 1, 112 InsO) ......... 6. Vermieterinsolvenz (§ 110 InsO) .................................... 7. Bankverträge, Mandatsverhältnisse, Beraterverträge (vgl. §§ 115, 116 InsO) .....................................................
807 .... 195
XI. Arbeitsverhältnisse im eröffneten Insolvenzverfahren .......... 1. Arbeitsverhältnisse und deren Beendigung ..................... 2. Entgeltansprüche der Arbeitnehmer ................................ 3. Betriebsveräußerung in der Insolvenz .............................
810 810 814 818
.... .... .... ....
195 195 196 197
XII. Insolvenzsteuerrecht, steuerliche und buchhalterische Pflichten .................................................................................... 1. Grundlegendes .................................................................. 2. Beauftragung eines Steuerberaters ................................... 3. Besonderheiten bei einzelnen Steuerarten ....................... a) Körperschaftsteuer .................................................... b) Lohnsteuerforderungen ............................................ c) Gewerbesteuer ........................................................... d) Umsatzsteuer .............................................................
820 820 826 827 827 831 833 838
.... .... .... .... .... .... .... ....
197 197 198 199 199 200 200 201
XIII. Vollstreckungsverbot und Rückschlagsperre ....................... 1. Vollstreckungsverbot (§ 89 InsO) ................................... 2. Vollstreckungsverbot für Massegläubiger (§ 90 InsO) ..... 3. Rückschlagsperre (§ 88 InsO) ..........................................
849 849 853 854
.... .... .... ....
206 206 207 207
XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss .............. 1. Grundlagen der Schlussrechnungslegung und der Schlussberichterstattung ............................................ a) Rechnungslegung – eröffnetes Verfahren ................ b) Rechnungslegung – Antragsverfahren ...................... 2. Vorbereitung des Verfahrensabschlusses und Einzelheiten zur Rechnungslegung und zum Schlussberichtswesen ........................................................ a) Vermögensverwertung ..............................................
857 .... 208
XIV
782 782 784 788 791 798 804
.... .... .... .... .... .... ....
190 190 190 191 192 193 194
857 .... 208 857 .... 208 862 .... 209
863 .... 210 863 .... 210
Inhaltsverzeichnis Rn.
3.
4. 5. 6.
b) Abgeltung von Sicherungsrechten ............................ c) Forderungsprüfung und Schlussverzeichnis (Verteilungsverzeichnis) ........................................... d) Buchführung und Steuern ......................................... e) Vertragsverhältnisse und Arbeitsverhältnisse .......... f) Insolvenzbuchhaltung ............................................... g) Aufbauvorschlag eines Schlussberichts .................... h) Nachtragsverteilung .................................................. Arten des Verfahrensabschlusses ..................................... a) Vorbemerkung ........................................................... b) Aufhebung (§ 200 InsO) .......................................... c) Einstellung mangels Masse (§ 207 InsO) ................. d) Einstellung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§§ 208, 211 InsO) ........................ e) Aufhebung nach rechtkräftiger Bestätigung des Insolvenzplans (§ 258 InsO) .............................. f) Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes (§ 212 InsO) .............................................................. g) Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger (§ 213 InsO) .............................................................. Schlusstermin .................................................................... Schlussverteilung und Nachtragsverteilung .................... Vergütung ..........................................................................
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866 .... 210 867 875 876 878 882 882 889 889 891 892
.... .... .... .... .... .... .... .... .... ....
210 212 213 213 213 214 215 215 216 217
895 .... 217 902 .... 218 904 .... 218 905 907 908 911
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219 219 219 220
D. Insolvenzplanverfahren .......................................................... 913 .... 221 I.
Insolvenzplan als Sanierungsmöglichkeit ................................ 913 .... 221
II. Voraussetzungen des Planverfahrens ...................................... 1. Besserstellung der Gläubiger ............................................ 2. Planvorlagerecht ................................................................ 3. Zeitpunkt der Planvorlage ................................................ 4. Ablauf eines Insolvenzplanverfahrens ............................. a) Überblick Ablauf ....................................................... b) Die Besonderheiten des Verfahrensablaufs .............. 5. Inhalt des Insolvenzplans ................................................. a) Vorbemerkung ........................................................... b) Gliederungsstruktur ..................................................
917 917 921 922 925 925 926 937 937 938
.... .... .... .... .... .... .... .... .... ....
221 221 222 222 223 223 223 225 225 225
III. Vergütungsrelevante Auswirkungen ....................................... 959 .... 229 IV. Schlussrechnungslegung ........................................................... 962 .... 230 V. Besonderheiten ......................................................................... 963 .... 230 1. Anfechtungsansprüche im Insolvenzplanverfahren ........ 963 .... 230 2. Besonderheiten im Planinsolvenzverfahren über das Vermögen einer Genossenschaft ...................................... 969 .... 231
XV
Inhaltsverzeichnis Rn.
3. 4.
Seite
Vergessene Gläubiger ........................................................ 975 .... 233 Besteuerung des Sanierungsgewinns ................................ 977 .... 233
E.
Eigenverwaltung ...................................................................... 983 .... 237
I.
Vorbemerkung .......................................................................... 983 .... 237
II. Ablauf des Eigenverwaltungsverfahrens ................................. 984 .... 237 III. Beendigung der Eigenverwaltung ............................................ 990 .... 238 F.
Überblick: Insolvenzstrafrecht .............................................. 992 .... 239
I.
Grundlegendes .......................................................................... 992 .... 239
II. Täterkreise ................................................................................. 995 .... 239 III. Straftatbestände ........................................................................ 996 1. Insolvenzstrafrecht im engeren Sinne .............................. 996 a) Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4, 5 InsO) ...... 996 b) Insolvenzstraftaten (§§ 283 ff. StGB) .................... 1000 2. Insolvenzstrafrecht im weiteren Sinne ........................... 1003 a) Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) .......................................................... 1003 b) Vermögensdelikte .................................................... 1004
.... .... .... .... ....
239 239 239 240 240
.... 240 .... 241
IV. Beraterhaftung ........................................................................ 1005 .... 241 Stichwortverzeichnis ................................................................................... 243
XVI
Literaturverzeichnis Kommentare, Handbücher, Monographien Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Fachanwalts-Kommentar Insolvenzrecht, 2. Aufl., 2014 (zit.: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Bearbeiter, InsO) Beck Verlag Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2013/2014 Bork/Hölzle Handbuch Insolvenzrecht, 2014 Busch/Winkens/Büker Insolvenzrecht und Steuern visuell, 2. Aufl., 2014 Haarmeyer/Huber/Schmittmann Praxis der Insolvenzanfechtung, 2. Aufl., 2013 (zit.: Haarmeyer/Huber/Schmittmann-Bearbeiter) Haarmeyer/Mock Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), 5. Aufl., 2014 Hess Sanierungshandbuch, 6. Aufl., 2013 Heyn/Kreuznacht/Voß Arbeitshilfen für Insolvenzsachbearbeiter, 3. Aufl., 2014 (zit.: Muster in: Heyn/Kreuznacht/Voß, Arbeitshilfen für Insolvenzsachbearbeiter) Kübler/Prütting/Bork InsO – Kommentar zur Insolvenzordnung (zit.: KPB/Bearbeiter, InsO) Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung herausgegeben von Kirchhof/Eidenmüller/Stürner, 3. Aufl., 2013/2014 (zit.: MünchKomm-InsO/Bearbeiter) Pape/Uhländer NWB Kommentar zum Insolvenzrecht, 2013 (zit.: Pape/Uhländer/Bearbeiter, InsO) Schmidt Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl., 2015 (zit.: HK-InsO/Bearbeiter) Schwerdtfeger Gesellschaftsrecht Kommentar, 3. Aufl., 2015 (zit.: Schwerdtfeger/Bearbeiter)
XVII
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Stöber Forderungspfändung, 16. Aufl., 2013 Theiselmann Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, 2. Aufl., 2013 Wimmer Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Aufl., 2014 (zit.: FK-InsO/Bearbeiter) Wimmer/Dauernheim/Wagner/Gietl Handbuch des Fachanwalts Insolvenzrecht, 6. Aufl., 2014 Wipperfürth Insolvenzverwaltung – Natürliche Personen, Sachbearbeitung und Insolvenzabwicklung bei Verbrauchern, Selbständigen und Freiberuflern, 2014 Zimmer Insolvenzbuchhaltung, 2013 Aufsätze Bach/Knof Insolvenzfähigkeit der Stiftung, ZInsO 2005, 729 Bauer Gesellschafterhaftung in Krise und Insolvenz der GmbH, ZInsO 2011, 1273 ff.; 1335 ff.; 1379 ff. Bitter Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführern in der Insolvenz ihrer GmbH, ZInsO 2010, 1505 Bork Zahlungsunfähigkeit, Zahlungsstockung und Passiva II, ZIP 2008, 1749 Bork Anfechtung bei Rücktritt in den Rang des § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO, ZIP 2012, 2277 Fischer/Knees Zum Umgang des Grundpfandrechtsgläubigers mit § 135 Abs. 3 InsO, ZInsO 2009, 745 ff. Frind Anmerkungen zur Musterbescheinigung des IDW nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO, ZInsO 2012, 540 Frind Verwalterbestellung: Weder einklagen noch einschleichen, ZInsO 2006, 729 Holzer Insolvenzfähigkeit der Bruchteilsgemeinschaft, EWiR 2001, 589
XVIII
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Keller Zur Insolvenz der zweigliedrigen Personengesellschaft, NZI 2009, 29 Kloos Zur Standardisierung insolvenzrechtlicher Rechnungslegung, NZI 2009, 586 Langer/Bausch Die fortschreibende Rechnungslegung im Rahmen standardisierter Gutachten und Zwischenberichte, ZInsO 2011, 1287 Marotzke Sonderinsolvenz und Nachlassverwaltung über das Vermögen einer erloschenen Personengesellschaft, ZInsO 2009, 590 Marotzke Gesellschaftsinterne Nutzungsverhältnisse nach Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts, ZInsO 2008, 1281 Neve Die Geltendmachung offener Stammeinlageverpflichtungen in der Insolvenz der GmbH, InsbürO 2010, 373 Pohlner Die Durchführung einer Massenentlassungsanzeige, InsbürO 2013, 49 ff., 91 ff. Priebe Die Stammeinlageforderung der GmbH im Kaduzierungsverfahren Insbüro 2013, 261 Smid Zur Sicherungsbefugnis des vorläufigen Insolvenzverwalters nach Rücknahme des Eigenantrags, DZWIR 2000, 307 Staufenbiel/Brill Der Betriebsübergang nach § 613a BGB im Insolvenzverfahren, ZInsO 2015, 173 Uhlenbruck Vorläufiger Sachwalter bei Insolvenzanträgen mit Antrag auf Eigenverwaltung?, NZI 2001, 632 Wellensiek Übertragende Sanierung, NZI 2002, 233 Wipperfürth Qualitätssicherung durch den ForStaB (Fortgeschriebener Standardisierter Zwischenbericht) – Eine Zwischenbilanz im Interview mit Repräsentanten des AG, InsbürO 2014, 60 Wipperfürth Das Erstgespräch – Vorbereitung und Durchführung, InsbürO 2012, 463
XIX
A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte I. Vorüberlegung Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft 1 erfolgt stets in der Form des Regelinsolvenzverfahrens (sog. „IN-Verfahren“). Als Schuldner eines Insolvenzverfahrens kommen juristische Personen, nicht rechtfähige Vereine und Personengesellschaften in Betracht (vgl. § 11 Abs. 1, 2 Nr. 1 InsO). Gemein ist allen, dass sie selbst nur handlungsfähig sind durch die sie vertretenden Organe (z. B. Geschäftsführer, Vorstand). Die Gesellschaften stellen Vereinigungen mehrerer Personen dar, wobei das Gesellschaftsvermögen grundsätzlich, d. h. auch im Insolvenzverfahren, getrennt zu betrachten ist von dem Privatvermögen der an den Gesellschaften beteiligten Einzelpersonen und auch der gesetzlichen Vertreter. Soweit das Gesellschaftsrecht die persönliche Haftung vorsieht, haften die Gesellschafter zwar auch mit ihrem Privatvermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft; diese Haftung kann nach Insolvenzeröffnung jedoch nur durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden (§ 93 InsO). Nicht zuletzt die immer wieder zu beobachtende Vermögensvermischung ist ein nicht zu verachtender Grund für viele Gesellschaftsinsolvenzen mit sich anschließenden straf- und haftungsrechtlichen Konsequenzen, insbesondere für die organschaftlichen Vertreter. Bevor auf die Einzelheiten näher eingegangen wird, seien nachfolgend zunächst die mit einer Insolvenz verfolgten Ziele dargelegt. II. Ziele des Regelinsolvenzverfahrens 1. Gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung Das Ziel eines jeden Insolvenzverfahrens ist in § 1 InsO definiert als die ge- 2 meinschaftliche und bestmögliche Befriedigung der Gläubiger. Das zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorhandene Gesellschaftsvermögen dient als Haftungsmasse für die gleichmäßige, meist quotale Befriedigung aller Gläubiger (par conditio creditorum). Dies ist sichergestellt durch die dem Insolvenzverwalter obliegende bestmögliche Masseverwertung und sich anschließende Verteilung des Erlöses, flankiert durch das Verbot für Gläubiger, Befriedigung im Wege der Einzelzwangsvollstreckung zu suchen (vgl. § 89 InsO). Niederschlag findet der Rechtsgedanke auch im insolvenzrechtlichen An- 3 fechtungsrecht (§§ 129 ff. InsO), durch das Vermögensabflüsse zugunsten Einzelner mit dem Ziel des Zusammenhalts der Haftungsmasse für alle Gläubiger „rückgängig gemacht“ werden können und müssen. 2. Ordnungsfunktion Das Insolvenzrecht gewährleistet darüber hinaus eine ordnungsgemäße Ab- 4 wicklung des Schuldnervermögens. Dies gilt auch dann, wenn die noch vor-
1
A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte
handene Haftungsmasse nicht ausreicht, um die Gläubiger des Unternehmens zu befriedigen. Ein Insolvenzverfahren ist, sind die Verfahrenskosten (§ 54 InsO) gedeckt, zu eröffnen. Nur dann, wenn die Masse zu dieser Kostendeckung nicht hinlänglich ist, ist der Eröffnungsantrag mangels Masse abzuweisen (§ 26 InsO). Hierdurch ist nach Eröffnung des Verfahrens durch den Insolvenzverwalter sichergestellt, dass die Buchhaltung aufgearbeitet, Steuererklärungen angefertigt, Akten ordnungsgemäß verwahrt und aufbewahrt, Mieträumlichkeiten zurückgegeben und Eigentumsvorbehaltsware zurückgeholt werden können. Aufgrund der Sanierungs- und Ordnungsfunktion des Insolvenzverfahrens kann es daher im Einzelfall auch gerechtfertigt sein, die Entscheidung über die Eröffnung hinauszuzögern.1) Gesetzgeberisches Ziel ist es, eine möglichst hohe Anzahl an Verfahren zur Eröffnung zu bringen.2) 5 Ausdruck der Ordnungsfunktion ist zudem, dass insolvenzwidrige Vermögensverschiebungen im Vorfeld der Krise rückabgewickelt werden können.3) Dies geschieht regelmäßig im Wesentlichen durch das Instrumentarium der Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) sowie die Inanspruchnahme der Vertretungsorgane aus ihrer zivilrechtlichen, insolvenzspezifischen Haftung heraus (z. B. § 64 GmbHG, § 93 AktG). 3. Sanierungsfunktion 6 Die Sanierung des Unternehmens ist gesetzlich nicht als Verfahrensziel definiert4), ergibt sich jedoch als solches aus der Überlegung heraus, dass hierdurch im Vergleich zur Liquidierung eine bessere und damit die bestmögliche Gläubigerbefriedigung sichergestellt werden kann. Die Fortführungs-und Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens ist daher stets vom Insolvenzverwalter zu prüfen. Die Entscheidung, ob ein Unternehmen im Insolvenzverfahren einstweilen fortgeführt oder stillgelegt wird, entscheidet die Gläubigerversammlung im Berichtstermin (§ 157 InsO). 7 Die Sanierung des Unternehmens im Bereich der Gesellschaftsinsolvenzen verfolgt nicht das Ziel der Restschuldbefreiung. Diese ist nur natürlichen Personen vorbehalten (§ 286 InsO).
___________ 1) 2) 3)
4)
2
AG Hamburg, Beschl. v. 1.10.2001 – 67g IN 195/01, ZIP 2001, 1885, dazu EWiR 2001, 1099 (Spliedt). Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 80, 84 f. BGH, Beschl. v. 17.7.2008 – IX ZB 225/07, ZIP 2008, 1793 = NZI 2008, 557, dazu EWiR 2008, 723 (Voß): „Bei strikter Befolgung der schon ab Überschuldung eingreifenden Insolvenzantragspflicht dürfte es regelmäßig nicht zu einer masselosen Insolvenz kommen.“ Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 80, 84 f.
III. Gesetzliche Grundlagen und Gesetzessystematik
III. Gesetzliche Grundlagen und Gesetzessystematik Insolvenzrecht ist Gesamtvollstreckungsrecht. Soweit sich aus der Insolvenz- 8 ordnung (InsO) keine besonderen, primär anzuwendenden Bestimmungen ergeben, gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Merke: Die Regelungen der Zivilprozessordnung (ZPO) sind im Insolvenzverfahren immer dann heranzuziehen, wenn sich aus der Insolvenzordnung (InsO) nichts anderes ergibt. In jedem Insolvenzverfahren sind ebenfalls steuerrechtliche Bestimmungen, 9 insbesondere die Gesetze zum materiellen Steuerrecht sowie arbeitsrechtliche Regelungen zu beachten. In Insolvenzverfahren über das Vermögen von Gesellschaften spielen daneben die für die jeweilige Rechtsform gültigen Gesetze eine wesentliche Rolle (z. B. BGB, HGB, GmbHG, AktG, PartG). Im Bereich des Strafrechts sind vor allem insolvenzspezifische Tatbestände 10 (§§ 283 StGB) sowie Vermögensdelikte (z B. §§ 263, 266 StGB) praktisch bedeutsam. IV. Ablauf des Insolvenzverfahrens Einen Überblick über den Ablauf eines Regelinsolvenzverfahrens gibt nach- 11 folgendes Schaubild: Eröffnungsverfahren
Insolvenzverfahren (eröffnet)
Ggf. vorl. Insolvenzverwaltung ggf. Sachverständiger/ vorl. Insolvenzverwalter Antrag
Eröffnung
1. Gläubigerversammlung, i. d. R. verbunden mit dem Prüfungstermin
Insolvenzverwalter
ggf. Nachprüfungstermin
Aufhebung/ Einstellung
Schlussverteilung
3
A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte
12 Der Ablauf eines Insolvenzverfahrens unter Eigenverwaltung stellt sich im Überblick wie folgt dar: Eröffnungsverfahren
Insolvenzverfahren (eröffnet)
unter vorläufiger Eigenverwaltung
vorl. Sachwalter
Antrag
Eröffnung
Sachwalter
Aufhebung/ Einstellung
ggf. Nachprüfungstermin
1. Gläubigerversammlung, i. d. R. verbunden mit dem Prüfungstermin
Schlussverteilung
V. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren 1. Insolvenzschuldner und Insolvenzfähigkeit a) Grundlegendes 13 Die Frage, welchen Rechtsträgern das Insolvenzverfahren eröffnet ist, regelt § 11 InsO. Insolvenzfähigkeit ist eng verbunden mit der Rechtsfähigkeit und, im prozessualen Sinne, der Parteifähigkeit (§ 50 ZPO). 14 Die Insolvenzfähigkeit wird – neben den in diesem Buch nicht behandelten natürlichen Personen – auch den nachfolgend einzeln angeführten Rechtsträgern zugesprochen. b) Insolvenzfähigkeit einzelner Rechtsträger aa) Juristische Personen (1) Insolvenzfähigkeit juristischer Personen – Grundlegendes 15 Juristische Personen sind gemäß § 1 Abs. 1 InsO grundsätzlich insolvenzfähig ab ihrer konstitutiven Eintragung in das Register (vgl. §§ 41 Abs. 1, 278 Abs. 3 AktG; § 11 Abs. 1 GmbHG; § 13 GenG; § 21 BGB; zu den Ausnahmen siehe Ausführungen zur jeweiligen Rechtsform). 16 Wurde bereits vor Eintragung Gesellschaftsvermögen als Sondervermögensmasse eingerichtet und hat die Gesellschaft ihre Tätigkeit bereits aufgenommen
4
V. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren
handelt es sich um eine Vorgesellschaft, die ebenfalls Insolvenzfähigkeit besitzt.5) Die Insolvenzfähigkeit dauert fort, solange die Verteilung des Vermögens nicht 17 vollzogen ist (gemäß § 11 Abs. 3 InsO).6) Liquidationsgesellschaften im Stadium der Abwicklung sind insolvenzfähig bis zur Vollbeendigung mit Vermögenslosigkeit. Die Löschung der Gesellschaft im Register ist unerheblich.7) Die Insolvenzfähigkeit ergibt sich insbesondere für folgende, in der Praxis 18 relevante juristische Personen: (2) Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) Die Insolvenzfähigkeit der GmbH ergibt sich aus der Stellung als eigenstän- 19 diger Rechtsträger heraus; sie kann selbstständig Träger von Rechten und Pflichten sein, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden (§ 13 Abs. 1 GmbHG). Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gesellschaftsgläubigern nur das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG). Gleiches gilt für die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)/UG 20 (haftungsbeschränkt) (vgl. § 5a GmbHG). Eine solche Rechtsform liegt dem Grund nach vor, wenn das Mindeststammkapital von 25.000 € (§ 5 Abs. 1 GmbHG) unterschritten wird (§ 5a Abs. 1 GmbHG). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt regelmäßig einen Auflösungs- 21 grund dar (§vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). Die Auflösung leitetet die Abwicklungs-/Liquidationsphase der Gesellschaft ein und ist nicht gleichbedeutend mit deren Ende der Existenz. Insbesondere kann das Fortbestehen unter bestimmten Voraussetzungen mit dem Ziel der Sanierung beschlossen werden (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG). Die GmbH und die UG (haftungsbeschränkt) werden durch den Geschäfts- 22 führer, den gesetzlichen Vertreter, vertreten (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG; vgl. § 6 GmbHG). Der Geschäftsführer wird von den Gesellschaftern der GmbH durch Beschluss der Gesellschafterversammlung bestimmt (§§ 45, 46 Abs. 1 Nr. 5, 47, 48 GmbHG). Die Gesellschafter können im Außenverhältnis nicht rechtswirksam für die GmbH auftreten. Handlungsfähig wird die Gesellschaft nur durch den Geschäftsführer; die Willensbildung indes obliegt den Gesellschaftern (vgl. §§ 45, 46 GmbHG).
___________ 5)
6) 7)
BGH, Beschl. v. 9.10.2003 – IX ZB 34/03, ZIP 2003, 2123 = ZVI 2003, 591; MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, § 11 Rn. 14; FK-InsO/Schmerbach, § 11 Rn. 40; KPB/ Prütting, InsO, § 11 Rn. 18. BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 6/04, NZI 2005, 225. BGH, Beschl. v. 16.12.2004 – IX ZB 6/04, NZI 2005, 225.
5
A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte
(3) Aktiengesellschaft (AG) 23 Eine AG besitzt Insolvenzfähigkeit ob Ihrer Klassifizierung als Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, für deren Verbindlichkeiten den Gesellschaftsgläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet (§ 1 Abs. 1 AktG). 24 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist ein gesetzlicher Auflösungsgrund, der die als Regelfalls vorgesehene Liquidationsphase einläutet (vgl. auch § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG), sofern eine Sanierung nicht möglich ist. 25 Gesetzlicher Vertreter der AG ist der Vorstand (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AktG). (4) Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) 26 Eine KGaA ist als Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, bei der mindestens ein Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern unbeschränkt haftet (persönlich haftender Gesellschafter) und die übrigen an dem in Aktien zerlegten Grundkapital beteiligt sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften (Kommanditaktionäre), ebenfalls insolvenzfähig (§ 278 Abs. 1 AktG). Obwohl sie Merkmale einer Personengesellschaft aufweist, ist die KGaA eine juristische Person. 27 Die gesetzliche Vertretung obliegt dem persönlich haftendenden Gesellschafter/ Komplementär (§ 278 Abs. 2 AktG i. V. m. §§ 161 Abs. 2, 114 HGB). (5) Genossenschaft (e. G.) 28 Eine Genossenschaft ist als Gesellschaft ebenfalls rechtsfähig und damit insolvenzfähig (vgl. § 17 GenG). Das Statut der Genossenschaft kann eine Nachschusspflicht der einzelnen Mitglieder vorsehen für den Fall, dass die Gläubiger der Gesellschaft nicht voll befriedigt werden (§ 6 Nr. 3 GenG; vgl. zur Bestimmung der Haftungssumme §§ 105, 119, 121 GenG). 29 Die Genossenschaft wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst und anschließend liquidiert, es sei denn, die Fortsetzung realisiert die Sanierung (§ 101 BGB). 30 Die Genossenschaft wird durch den Vorstand vertreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 GenG). (6) Eingetragene Vereine (e. V.) 31 Eingetragene Vereine, die nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sind, sind rechtsfähig nach Eintragung im Vereinsregister (§§ 21, 22 BGB). Als Träger von Rechten und Pflichten sind sie insolvenzfähig. 32 Der Verein wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst und anschließend liquidiert, es sei denn, über die Fortsetzung wurde beschlossen (§ 42 Abs. 1 BGB). 33 Das Vertretungsorgan des Vereins ist der Vorstand (§ 26 BGB).
6
V. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren
(7) Nicht rechtsfähige Vereine Für nicht rechtsfähige Vereine (§ 54 BGB) bestimmt § 11 Abs. 1 Satz 2 InsO 34 die Insolvenzfähigkeit. Der Verein ist insoweit einer juristischen Person gleichgestellt. Die Haftung der einzelnen Mitglieder ist zumeist kraft Satzung oder stillschweigend auf den Anteil am Vereinsvermögen beschränkt.8) Der nicht rechtsfähige Verein wird durch die Gesellschafter vertreten (§§ 54, 35 709 BGB). (8) Stiftungen Stiftungen sind ab der Begründung durch Anerkennung durch die zuständige 36 Landesbehörde (§ 80 BGB) insolvenzfähig i. S. v. § 11 Abs. 1 InsO.9) Die Vorstiftung ist nicht insolvenzfähig.10) Der Stiftungsvorstand bildet das Vertretungsorgan (§§ 86, 26 BGB).
37
(9) Juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 12 InsO) § 12 InsO definiert Ausnahmen der Insolvenzfähigkeit für juristische Personen 38 des öffentlichen Rechts, des Bundes und der Länder. Die Insolvenzfähigkeit politischer Parteien und Gewerkschaften ist hingegen 39 anerkannt.11) bb) Personengesellschaften (1) Insolvenzfähigkeit von Personengesellschaften – Grundlegendes Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit sind ab Aufnahme ihrer Tätigkeit 40 insolvenzfähig, soweit sie in § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO aufgeführte gesamthänderisch gebundene Sondervermögensmassen darstellen. Soweit Registereintragungen gesetzlich vorgesehen, aber noch nicht erfolgt 41 sind (siehe z. B. für die OHG § 123 Abs. 1 HGB und für die KG §§ 123 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB), ist dies für die Frage der Insolvenzfähigkeit nicht von Bedeutung, da die BGB-Gesellschaft (GbR) insolvenzfähig ist (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Ist die Gesellschaft aufgelöst, besteht die Insolvenzfähigkeit bis zur Beendi- 42 gung der Verteilung des Vermögens fort (§ 11 Abs. 3 InsO). ___________ 8) FK-InsO/Schmerbach, § 11 Rn. 14 m. w. N. 9) Siehe ausführlich zum Thema Bach/Knof, ZInsO 2005, 729. 10) FK-InsO/Schmerbach, § 12 Rn. 41; HK-InsO/Wehr, § 11 Rn. 17; Bach/Knof ZInsO 2005, 729, 730. 11) FK-InsO/Schmerbach, § 12 Rn. 5; KPB/Prütting, InsO, § 12 Rn. 12; krit. für politische Parteien MünchKomm-InsO/Ott/Vuia, § 12 Rn. 11.
7
A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte
43 Im Einzelnen ergibt sich die Insolvenzfähigkeit für folgende Rechtsformen: (2) Offene Handelsgesellschaft (OHG) 44 Die OHG (§ 105 HGB) ist gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO insolvenzfähig. 45 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist ein gesetzlicher Auflösungsgrund, der die Liquidationsphase einleitet, es sei denn, die Sanierung soll im Wege der Fortsetzung realisiert werden (vgl. § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB). 46 Die OHG wird durch den zur Vertretung ermächtigten Gesellschafter vertreten (§ 125 Abs. 1 HGB). (3) Kommanditgesellschaft (KG) 47 Die Insolvenzfähigkeit der KG (§ 161 HGB) ist ausdrücklich in § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO festgeschrieben. 48 Die KG wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst und anschließend im Rahmen des Insolvenzverfahrens liquidiert, es sei denn, über die Fortsetzung wurde mit dem Ziel der Sanierung beschlossen (vgl. §§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB). 49 Die KG wird durch die persönlich haftenden Gesellschafter vertreten (vgl. § 170 HGB). 50 Bei Ausscheiden des einzigen Komplementärs aus einer KG ist ein Partikularinsolvenzverfahren analog §§ 315 ff. InsO über das Vermögen des Kommanditisten statthaft, beschränkt sich allerdings auf das im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangene Vermögen der KG.12) Praxistipp: Bei der GmbH & Co. KG sind die Vermögensmassen streng zu trennen. Entsprechend handelt es sich um zwei, ebenfalls streng getrennt zu betrachtende, eigenständige Insolvenzverfahren: Die Insolvenz der KG und die Insolvenz der Komplementär-GmbH.
(4) Gesellschaft bürgerlichen Rechts/BGB-Gesellschaft (GbR) 51 Eine GbR (§ 705 BGB) ist insolvenzfähig (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Die Gesellschaft ist rechts- und parteifähig, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet.13) Über das Gesellschaftsvermögen (als Sondervermögensmasse) kann das Insolvenzverfahren eröffnet ___________ 12) LG Dresden, Beschl. v. 7.3.2005 – 5 T 889/04, ZIP 2005, 955; AG Hamburg, Beschl. v. 30.5.2005 – 67a IN 222/05, ZInsO 2005, 838; AG Hamburg, Beschl. v. 10.1.2006 – 67a IN 599/05, ZIP 2006, 390. 13) BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, ZIP 2001, 330 (m. Bespr. Ulmer, S. 585), dazu EWiR 2001, 341 (Prütting).
8
V. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren
werden. Dies gilt nicht, sofern die Gesellschaft als reine Innengesellschaft zu klassifizieren ist, die nicht im Rechtsverkehr auftritt und Rechtswirkungen lediglich im Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern begründet.14) Der Insolvenzbeschlag in dem Insolvenzverfahren über das Gesellschafts- 52 vermögen erfasst nicht das Privatvermögen der Gesellschafter. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft oder eines Gesellschafters führt jeweils zur Auflösung der GbR (§ 728 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB), sofern der Gesellschaftsvertrag nicht den Fortbestand bestimmt. Im Falle einer Auflösung (§ 727 BGB) ist ein Insolvenzantrag nur noch in- 53 soweit zulässig, als die Verteilung des Gesellschaftsvermögens noch nicht vollzogen ist (§ 11 Abs. 3 InsO). Enthält der Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Fortsetzungsklausel, führt 54 das Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters – soweit nichts Abweichendes geregelt ist – zur liquidationslosen Vollbeendigung der Gesellschaft und zur Anwachsung des Gesellschaftsvermögens bei dem letzten verbliebenen Gesellschafter.15) Der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines nicht existenten Schuldners (hier: einer voll beendeten BGB-Gesellschaft) ist nichtig.16) Praxistipp: Eine Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741 ff. BGB) ist nicht insolvenzfähig.17) Auch eine Wohnungseigentümergemeinschaft ist nicht insolvenzfähig (§ 11 Abs. 3 WEG).
(5) Partnergesellschaft Die Partnerschaftsgesellschaft ist ein Zusammenschluss Angehöriger freier 55 Berufe mit dem Zweck der gemeinschaftlichen Berufsausübung, ohne ein Handelsgewerbe zu betreiben (§ 1 Abs. 1 PartGG). Die Insolvenzfähigkeit (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO) wird nicht von der gemäß § 8 Abs. 2 PartGG möglichen Haftungsbeschränkung beeinflusst.18) ___________ 14) FK-InsO/Schmerbach, § 11 Rn. 21 m. w. N. 15) BGH, Urt. v. 7.7.2008 – II ZR 37/07, ZIP 2008, 1677 (m. Bespr. K. Schmidt, S. 2337) dazu EWiR 2008, 679 (Vortmann); abl. Marotzke, ZInsO 2009, 590, abl. Keller NZI 2009, 29; abl. FK-InsO/Schmerbach, § 11 Rn. 45; im Ergebnis wohl zust. KPB/Prütting, InsO, § 11 Rn. 44. 16) BGH, Urt. v. 7.7.2008 – II ZR 37/07, ZIP 2008, 1677 (m. Bespr. K. Schmidt, S. 2337). 17) KPB/Prütting, InsO, § 11 Rn. 53; Holzer EWiR 2001, 589; MünchKomm-InsO/Ott/ Vuia § 11 Rn. 63a; a. A., sofern Grundvermögen gehalten wird: AG Göttingen, Beschl. v. 18.10.2000 – 74 IN 131/00, ZIP 2001, 580, dazu EWiR 2001, 589 (Holzer); FKInsO/Schmerbach, § 11 Rn. 22. 18) FK-InsO/Schmerbach, § 11 Rn. 24.
9
A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist ein gesetzlicher Auflösungsgrund für den Fall, dass eine Sanierung über die Fortsetzung nicht realisierbar ist (vgl. § 9 PartG i. V. m. § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB). c) Auskunfts- und Mitwirkungspflichten 56 Für die gesetzlichen/organschaftlichen Vertreter der Schuldnerunternehmung ergeben sich die in § 97 InsO normierten Pflichten zur Auskunftserteilung und Mitwirkung verpflichtet durch ausdrückliche Verweisung in § 101 Abs. 1 Satz 1 InsO. Dies gilt bereits im Stadium des Eröffnungsverfahrens (§§ 20, 101 Abs. 1 Satz 1, 97 ff. InsO). Der Pflichtenkreis umfasst im Wesentlichen, dem Insolvenzgericht, dem Insolvenzverwalter, dem Gläubigerausschuss sowie auf Anordnung des Gerichts der Gläubigerversammlung über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben (§ 97 Abs. 1 Satz 1 InsO). Auch sind Tatsachen zu offenbaren, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen (§ 97 Abs. 1 Satz 2 InsO). Der Geschäftsführer hat über die rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich gegen Gesellschafter und ihn selbst gerichteter Ansprüche Auskunft zu erteilen. Er ist hingegen nicht verpflichtet, über seine eigenen Vermögensverhältnisse und die Realisierbarkeit etwaiger gegen ihn gerichteten Ansprüche Angaben zu machen.19) 57 Die Auskunftspflicht gemäß § 97 Abs. 1 InsO gilt entsprechend für die gesetzlichen/organschaftlichen Vertreter, die innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus dieser Vertretungsposition ausgeschieden sind (§ 101 Abs. 1 Satz 2 InsO). Hierdurch wird u. a. die Möglichkeit sog. „Firmenbestattung“ eingeschränkt, bei der beispielsweise ein Geschäftsführer eigens für den Insolvenzantrag bestellt wird und sich der vormalige Geschäftsführer eventuellen Pflichten entziehen könnte. 58 Ist die Gesellschaft führungslos, treffen diese Pflichten auch Gesellschafter, Aktionäre und andere Personen, die an dem Unternehmen beteiligt sind (§ 101 Abs. 1 Satz 2 InsO). 59 Angestellte und frühere Angestellte sind zur Auskunftserteilung im Rahmen der §§ 101 Abs. 2, 97 Abs. 1 Satz 1 InsO verpflichtet. 60 Die Auskunftserteilung und Mitwirkung kann je nach Eskalationsgrad zwangsweise gerichtlich herbeigeführt werden, erforderlichenfalls bis zur Inhaftierung. 61 Hinsichtlich der nach § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO erteilten Auskünfte gilt eine eingeschränkte Verwertbarkeit der Informationen in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren dahingehend, dass eine Zustimmung des Auskunftspflichtigen zur Verwendung vorliegen muss (§ 97 Abs. 1 Satz 3 InsO). Dies ist gerade im Bereich der Insolvenzstraftaten für organschaftliche Vertreter von Bewandt___________ 19) BGH, Beschl. v. 5. 3. 2015 – IX ZB 62/14, ZInsO 2015, 740.
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V. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren
nis (s. exemplarisch § 15a InsO). Der Zustimmungsvorbehalt ist nicht gleichbedeutend mit einem insolvenzrechtlichen Auskunftsverweigerungsverbot. 2. Insolvenzgläubiger Alle Gläubiger, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens 62 einen begründeten persönlichen Vermögensanspruch gegen den Schuldner haben, sind als Insolvenzgläubiger klassifiziert (§ 38 InsO). Diese Gläubiger können Befriedigung aus der Insolvenzmasse erlangen. Abzustellen ist auf die Begründetheit zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nicht fällige Forderungen gelten als fällig (§ 41 InsO). In Insolvenzverfahren über das Vermögen von Aktiengesellschaften können 63 auch die Aktionäre (Gesellschafter der AG) mit selbstständigen, aus dem Anteilsrecht folgenden Ansprüchen (z. B. Dividenden, Rückzahlung aus Kapitalherabsetzung, Rückzahlung aus entgeltlichen Nebenleistungen, vgl. § 55 Abs. 1 AktG) als Insolvenzgläubiger am Verfahren teilnehmen.20) Gleiches gilt für Inhaber von Schuldverschreibungen (§§ 793 ff. BGB) und von Wandelund Gewinnschuldverschreibungen (§ 221 AktG), auch wenn sie gleichzeitig Aktionär der Gesellschaft sind. Ab der Eröffnung des Verfahrens dient ausschließlich die Insolvenzmasse als 64 Haftungspotential. Die Forderungen können fortan ausschließlich nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung geltend gemacht werden (§ 87 InsO). Eine Beitreibung im Wege der Einzelzwangsvollstreckung ist unzulässig (§ 89 InsO). Persönliche Forderungen können in der Aussicht auf eine quotale Befriedigung beim Verfahrensabschluss zur Insolvenztabelle angemeldet werden (§§ 174 ff. InsO). Eine Pflicht, die Forderungen geltend zu machen, besteht nicht. Die Geltendmachung der Forderung zur Insolvenztabelle folgt einem festgeschriebenen Ablauf (ĺ Rn. 734 ff.). Die Befriedigung durch Zahlung einer auf der Basis des vom Insolvenzverwalter aufzustellenden Schlussverzeichnisses ermittelten Insolvenzquote (ĺ Rn. 908 ff.) ist ebenfalls Ausfluss des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes (ĺ Rn. 2). Mit der ausgezahlten Quote erlöschen die Forderungen der Gläubiger in Höhe 65 des ausgezahlten Betrages. Aus einem vollstreckbaren Auszug aus der Tabelle (vgl. § 178 Abs. 3 InsO) könnte die Restforderung im Wege der Zwangsvollstreckung geltend gemacht werden (vgl. § 201 InsO). Da nach einem durchgeführten Insolvenzverfahren in der Regel jedoch kein Vermögen mehr vorhanden ist und die Gesellschaften, soweit Registereintragungen vorlagen, gelöscht werden (vgl. hierzu auch § 141a FGG), ist dieses Recht rein theoretischer Natur. In Insolvenzverfahren über das Vermögen von Personengesellschaften be- 66 rechtigt ein vollstreckbarer Tabellenauszug auch nicht zur Vollstreckung in ___________ 20) BGH, Urt. v. 15.4.2010 – IX ZR 188/09, ZIP 2010, 1039 (m. Bespr. Madaus, S. 1214), dazu EWiR 2010, 465 (Mock).
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A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte
das Vermögen der Gesellschafter.21) Eine Titelumschreibung gemäß § 727 ZPO ist nicht möglich.22) Für die Frage der Möglichkeit der Titelumschreibung hat die analoge Anwendbarkeit der §§ 128, 129 HGB auf die Gesellschafterhaftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten einer GbR keine Bedeutung.23) 67 Für nicht angemeldete Forderungen gilt die (theoretische) Nachhaftung gemäß § 201 InsO mit der Möglichkeit der Vollstreckung aus einem vollstreckbaren Tabellenauszug nicht. Der Gläubiger müsste seine Forderung gegen den Schuldner im Klageweg oder aus einem bereits vorhandenen sonstigen Titel im Wege der Zwangsvollstreckung geltend machen, wobei dies mindestens wirtschaftlich mangels nach dem Abschluss des Insolvenzverfahrens vorhandener Haftungsmasse und nach Löschung der Gesellschaft tatsächlich nicht zielführend ist. 3. Gläubiger nachrangiger Forderungen 68 Den Katalog der sog. Nachrangforderungen, die erst nach vollständiger Befriedigung der Masseverbindlichkeiten und der Insolvenzgläubiger Befriedigung erlangen können, beschreibt § 39 InsO. Zu den Nachforderungen zählen x
die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen und Säumniszuschläge auf Forderungen der Insolvenzgläubiger;
x
die Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren erwachsen;
x
Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten;
x
Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners;
x
nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen.
69 Für die Gläubiger dieser Forderungen gilt gleichermaßen der Grundsatz der Geltendmachung nur nach den insolvenzrechtlichen Bestimmungen (§ 87 InsO)24) sowie das Vollstreckungsverbot (§ 89 InsO). 70 Eine Anmeldung der Nachrangforderung ist nur dann vorzunehmen, wenn das Insolvenzgericht besonders zur Anmeldung dieser Forderungen auffordert (§ 174 Abs. 3 InsO). ___________ 21) 22) 23) 24)
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HK-InsO/Herchen, § 201 Rn. 20. OLG Hamm, Beschl. v. 10.2.1978 – 20 W 39/77, NJW 1979, 51. BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, ZIP 2001, 330 (m. Bespr. Ulmer, S. 585). MünchKomm-InsO/Ehricke, § 39 Rn. 7.
V. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren
4. Absonderungsberechtigte Gläubiger Soweit die persönlichen Forderungen gegen das Schuldnerunternehmen ding- 71 lich gesichert sind, sind diese Sicherheiten auch im Insolvenzverfahren zu berücksichtigen. Die Gläubiger genießen ein Recht auf bevorzugte Befriedigung aus dem Verwertungserlös des als Sicherheit dienenden, massezugehörigen Vermögenswertes. Die gesetzlichen Grundlagen finden sich in §§ 49 ff. InsO, wobei der Kreis der Absonderungsberechtigten nicht abschließend geregelt ist.25) Zur abgesonderten Befriedigung können sowohl Rechte an beweglichem Vermögen (Mobiliarsicherheiten), als auch Rechte an unbeweglichem Vermögen (Immobiliarsicherheiten) autorisieren. In der Praxis der Insolvenzabwicklung sind insbesondere folgende Sicherheiten, 72 die zur abgesonderten Befriedigung berechtigen, von Bedeutung: x
Immobiliarsicherheiten (§ 49 InsO), z. B. Grundschulden, Hypotheken, Schiffshypotheken
Beispiel: Eine Grundschuld am Firmengrundstück, das im Eigentum der Gesellschaft steht. Merke: Eine Grundschuld, die das Grundstück des Gesellschafters eines Unternehmens belastet, welches dieser z. B. an die GmbH (Schuldnerunternehmung) als Firmengrundstück vermietet hat, berechtigt nicht zur abgesonderten Befriedigung im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH. Das Grundstück ist in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH nicht massezugehörig, weil es im Eigentum des Gesellschafters steht (vgl. aber § 135 Abs. 3 InsO). Die Vermögensverhältnisse sind konsequent zu trennen. x
Pfandrechte (§ 50 InsO), insbesondere rechtgeschäftliche Pfandrechte, Pfändungspfandrecht, gesetzliche Pfandrechte
Beispiel: Die Schuldner-GmbH hat eine Maschine an einen Lieferanten verpfändet (vgl. §§ 1204 ff. BGB). x
Sicherungseigentum/-übereignung (§ 51 Nr. 1 InsO)
Beispiel: Das Warenlager der Schuldner-GmbH ist an die Hausbank sicherungsübereignet.
___________ 25) MünchKomm-InsO/Ganter, Vor §§ 49 bis 52 Rn. 13.
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A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte
x
Sicherungszession (§ 51 Nr. 1 InsO)
Beispiel: Die Kundenforderungen A-F sind an die Hausbank abgetreten zwecks Sicherung der Forderungen der Hausbank gegen die Schuldner-GmbH. x
Rechte aus erweitertem/verlängertem Eigentumsvorbehalt (§ 51 Nr. 1 InsO)
Beispiel: Die Lieferantenforderungen sind über den Zeitpunkt der Weiterverarbeitung oder Weiterveräußerung der Waren hinaus gesichert durch Abtretung der Kaufpreisforderung des Schuldnerunternehmens gegen den Kunden. 73 Darüber hinaus berechtigen noch zur abgesonderten Befriedigung: x
Zurückbehaltungsrechte wegen Verwendungen auf eine massezugehörige Sache (§ 51 Nr. 2 InsO).
x
Zurückbehaltungsrechte nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) (§ 51 Nr. 3 InsO).
x
Fiskalische Sicherungsrechte an zoll-/steuerpflichtigen Vermögensgegenständen (§ 51 Nr. 4 InsO).
74 Nach der Verwertung des Sicherungsgutes (ĺ Rn. 446 ff.) ist der Gläubiger insoweit bevorzugt aus dem Verwertungserlös zu befriedigen. Nur in Höhe der danach noch ungesicherten Forderungen (Ausfallbetrag, § 52 InsO) wird er auf die Anmeldung zur Insolvenztabelle als Insolvenzgläubiger und eine eventuelle Quotenzahlung verwiesen. Gleiches gilt, soweit der Gläubiger auf das Absonderungsrecht verzichtet (§ 52 InsO). 5. Aussonderungsberechtigte 75 Die Insolvenzmasse (ĺ Rn. 410 ff.) umfasst das dem Schuldnerunternehmen zustehende Vermögen sowie den nach Insolvenzeröffnung erzielten Neuerwerb (§§ 35, 36 InsO). Beruft sich ein Beteiligter darauf, dass ein (regelmäßig im Besitz des Schuldners stehender) Gegenstand oder sonstiger Vermögenswert aufgrund eines persönlichen oder dinglichen Rechts nicht zur Insolvenzmasse gehört, kann der Berechtigte den Gegenstand auch nach Insolvenzeröffnung herausverlangen. Ihm steht ein Recht auf Aussonderung zu (§ 47 InsO). 76 Das Aussonderungsrecht ist von dem Absonderungsrecht (ĺ Rn. 429 ff., 446 ff.) strikt zu trennen. Aussonderungsberechtigte sind keine Insolvenzgläubiger (§ 47 Satz 1 InsO).
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V. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren
In der Verwalterpraxis von Bedeutung sind insbesondere folgende aussonde- 77 rungsfähige Rechte: x
Eigentum (vgl. § 985 BGB), zugrunde liegende Vertragsverhältnisse, insbesondere Miete, Pacht, Leasing.
x
Mietkautionsanspruch, sofern keine Vermischung stattgefunden hat (vgl. hierzu § 551 BGB).26)
x
Einfacher Eigentumsvorbehalt (§§ 929 Satz 1, 158 Abs. 1 BGB).
x
Echtes Factoring („Forderungsverkauf“).
Beispiel: Der Fuhrpark der Schuldner-GmbH besteht ausschließlich aus Leasingfahrzeugen. Leasingfahrzeuge stehen im Eigentum der Leasinggesellschaft, die im Insolvenzfall die Aussonderung der Fahrzeuge verlangen kann. Die geleasten PKW unterliegen nicht dem Insolvenzbeschlag. Nutzt der Insolvenzverwalter einen auszusondernden Gegenstand nach Er- 78 öffnung des Insolvenzverfahrens im Rahmen einer Betriebsfortführung, ist die hierfür zu entrichtende Miete, Leasingrate, Nutzungsentschädigung oder Pacht als Masseverbindlichkeit zu bestreiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 InsO; vgl. für gegenseitige Verträge auch § 103 InsO). Bei Fortführung des Unternehmens im Eröffnungsverfahren nach Anord- 79 nung der vorläufigen Insolvenzverwaltung kann das Insolvenzgericht anordnen, dass solche grundsätzlich aussonderungsfähigen Gegenstände zur Fortführung eingesetzt werden dürfen, wenn sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind (§ 21 Abs. 2 Nr. 5 1. Hs. 1 InsO). Die erhebliche Bedeutung legt regelmäßig der Insolvenzverwalter dar unter gleichzeitiger Anregung, eine entsprechende Anordnung zu beschließen. Der dem Berechtigten zustehende Nutzungsausfall ist in diesem Fall ebenfalls als Masseverbindlichkeit zu entrichten (§ 55 Abs. 2 InsO).27) Ein Anspruch auf Wertersatz besteht darüber hinaus nur, wenn die Nutzung über die vertragliche Abrede hinausgeht.28) Ist ein Gegenstand, dessen Aussonderung hätte verlangt werden können, vor 80 der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner oder nach der Eröffnung vom Insolvenzverwalter unberechtigt veräußert worden, kann der Aussonderungsberechtigte die Abtretung des Rechts auf die Gegenleistung verlangen, soweit diese noch aussteht. Er kann die Gegenleistung aus der Insolvenzmasse verlangen, wenn diese (noch) unterscheidbar in der Masse vorhanden ist (Ersatzaussonderung, § 48 InsO). ___________ 26) BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 132/06, ZIP 2008, 469 = ZVI 2008, 63 = ZInsO 2008, 206, dazu EWiR 2008, 209 (Eckert). 27) BGH, Beschl. v. 8.3.2012 – IX ZR 78/11, ZIP 2012, 779 = ZInsO 2012, 701, dazu EWiR 2012, 389 (Tillmann). 28) BGH v. 8.3.2012 a. a. O.
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A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte
6. Dritte 81 Soweit ein Beteiligter nicht den genannten Kategorien zugeordnet werden kann, ist er Dritter und grundsätzlich kein Verfahrensbeteiligter im engeren Sinne der Insolvenzordnung. Dritte können im Verlauf des Verfahrens in das Verfahren einbezogen werden, wenn die Umstände dies rechtfertigen, z. B. im Rahmen der Informationsbeschaffung, bei Leistung eines Verfahrenskostenvorschusses durch Dritte etc. 82 Wird ein Massegegenstand oder ein Betrieb auf einen Dritten übertragen, übernimmt er die Rolle des Interessenten bzw. nachfolgend des Erwerbers. Sollen dem Dritten im Verhandlungsverlauf sensible Unternehmensdaten bekannt gemacht werden, ist zu empfehlen, in einer Vertraulichkeits-/Verschwiegenheitsvereinbarung das Stillschweigen über die Verhandlungen, die Verhandlungsergebnisse und vertrauliche Informationen festzuschreiben. 83 Soweit sich ein Vermögenswert, der im Eigentum eines Dritten steht, im Besitz des Schuldners befindet, kann jener die Aussonderung vom Insolvenzverwalter verlangen (ĺ Rn. 429 ff.). Der Dritte ist dann Aussonderungsberechtigter. 7. Der Gutachter/Sachverständige 84 Ein Insolvenzverfahren wird nur auf einen schriftlichen Antrag des Schuldnervertreters oder eines Gläubigers hin eröffnet (§ 13 Abs. 1 InsO). 85 Das Antragsrecht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit konkretisiert § 15 InsO (siehe ausführlich ĺ Rn. 126 ff.). 86 Ein Eigenantrag muss bzw. soll die in § 13 InsO näher bezeichneten Angaben enthalten; er kann auf einem dafür vorgesehen Formularvordruck gestellt werden (vgl. § 13 Abs. 4). Bei einem Gläubigerantrag sind das Vorliegen des Eröffnungsgrundes sowie die Forderung glaubhaft zu machen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 InsO). 87 Nicht in jedem Fall ergeben sich aus den Angaben im schriftlichen Antrag ausreichend Informationen hinsichtlich des vom Insolvenzgericht vor einer Entscheidung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens festzustellenden Vorliegens der Voraussetzungen zur Eröffnung des Verfahrens. Im Rahmen der Ermittlung dieser Voraussetzungen kann das Insolvenzgericht sich der Unterstützung durch einen Sachverständigen/Insolvenzgutachter bedienen. 88 Die Bestellung eines Sachverständigen ist Ausfluss des in § 5 Abs. 1 InsO normierten Amtsermittlungsgrundsatzes und erfolgt durch Beweisbeschluss. Der Beschluss konkretisiert den Katalog der vom Sachverständigen zu klärenden Fragestellungen. 89 Als Sachverständiger ist eine sachkundige Person zu bestellen. Welcher Profession der Gutachter angehören muss, ist gesetzlich nicht bestimmt. In der
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V. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren
Praxis werden ganz überwiegend Rechtsanwälte oder Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer zum Sachverständigen bestellt. Der Sachverständige recherchiert innerhalb des vorgeschriebenen Auftrags 90 die wirtschaftliche Lage des Schuldnerunternehmens und klärt die gerichtlich aufgegebenen Fragestellungen. Die Ermittlungsergebnisse fließen in ein vom Sachverständigen zu erstellendes Abschlussgutachten ein, das dem Gericht als Grundlage für die Entscheidung über die Insolvenzeröffnung dient. Soweit der Sachverständige Vermögenswerte ermittelt, die nach der eventuellen 91 Insolvenzeröffnung Bestandteil der künftigen Insolvenzmasse sein werden, besteht auch vor Eröffnung (Begründung des Insolvenzbeschlags) die Möglichkeit, diese Haftungsmasse zu erhalten und zu sichern. Hierzu bedarf es einer zusätzlichen Anordnung von Sicherungsmaßnahmen durch das Insolvenzgericht (vgl. §§ 21 ff. InsO). Diese Anordnung geht regelmäßig einher mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (ĺ Rn. 220 ff.). Der Sachverständige ist nicht befugt, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Ist die Sicherung von Vermögenswerten angezeigt, kann diese nach Eingang des Insolvenzantrags jederzeit bis zur Eröffnungsentscheidung angeordnet werden. Der gerichtliche bestellte Sachverständige ist meist personenidentisch mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter. Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen und die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters kann auch gleichzeitig mit der Bestellung eines Sachverständigen einhergehen, wenn dem Gericht zu diesem Zeitpunkt bereits Erkenntnisse vorliegen, dass künftige Massegegenstände zu sichern sind. Merke: Der Sachverständige hat keine Sicherungsbefugnisse. Die Sicherung künftiger Massegegenstände kann nur durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter (ĺ Rn. 220 ff.) erfolgen. Der Sachverständige und der vorläufige Insolvenzverwalter sind in einer ganz überwiegenden Zahl der Fälle personenidentisch. Die Befugnisse und der Handlungsrahmen sind jedoch unterschiedlich (Amtsverschiedenheit). Der Sachverständige und der vorläufige Insolvenzverwalter haben jeweils einen eigenen Vergütungsanspruch (ĺ Rn. 208 ff., 259 ff.). 8. Der vorläufige Insolvenzverwalter Ergeben sich aus den Angaben zum schriftlichen Insolvenzeröffnungsantrag 92 bzw. im Zuge der Ermittlungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Anhaltpunkt für Vermögenswerte, die dem künftigen Insolvenzbeschlag unterliegen werden, ordnet das Insolvenzgericht Sicherungsmaßnahmen an (§§ 21 ff. InsO, ĺ Rn. 217 ff.) und bestellt einen vorläufigen Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO), der die Aufgabe hat, das Vermögen zu sichern (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO), um so den Zusammenhalt der Haftungsmasse zu gewährleisten. 17
A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte
93 Unterschieden wird zwischen dem mit einer Zustimmungsbefugnis ausgestatten sog. „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter (ĺ Rn. 245 ff.) und dem mit voller Verwaltungs- und Verfügungskompetenz bedachten sog. „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter (ĺ Rn. 248 ff.). 94 Die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgt durch gerichtlichen Beschluss. Gleichzeitig wird dem vorläufigen Insolvenzverwalter eine Bestellungsurkunde ausgestellt (Legitimationsnachweis). Die Urkunde muss bei Beendigung des Amtes an das Gericht (im Original!) zurückgegeben werden. 95 Das Amt des vorläufigen Insolvenzverwalters endet mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder mit Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse. 9. Der Insolvenzverwalter 96 Gleichzeitig mit der Beschlussfassung über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bestellt das Gericht einen Insolvenzverwalter (§ 27 Abs. 1 InsO). Über seine Bestellung erhält der Insolvenzverwalter eine Bestellungsurkunde (§ 56 Abs. 2 InsO), die bei Beendigung des Amtes (im Original!) zurückzugeben ist. Praxistipp: Die Bestellungsurkunde wird dem Insolvenzverwalter im Original übersandt. Sie dient als Legitimationspapier im gesamten Verfahrensverlauf und ist bei Beendigung des Amtes an das Insolvenzgericht zurückzureichen. Im organisatorischen Ablauf empfiehlt sich eine sorgfältige Aufbewahrung der Urkunde, um diese stets griffbereit zu haben.
97 Ist ein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt, ist dieser vor Bestellung des Verwalters anzuhören (§ 56a InsO). In der ersten Gläubigerversammlung können die Gläubiger den zunächst bestellten Insolvenzverwalter im Amt bestätigen oder an dessen Stelle eine andere Person wählen (§ 57 InsO). 98 Zum Insolvenzverwalter ist eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen (§ 56 Abs. 1 InsO). Die Auswahl trifft das Insolvenzgericht in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens.29) 99 Mit Eröffnung des Insolvenzverfahren geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der massebeschlagenen Vermögenswerte auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). In gleichem Umfang verliert der Schuldner das Recht, über die Gegenstände der Insolvenzmasse zu verfügen. ___________ 29) BVerfG, Beschl. v. 23.5.2006 – 1 BvR 2530/04, ZIP 2006, 1355 (m. Bespr. Römermann, S. 1332) = ZVI 2006, 340; hierzu Frind ZInsO 2006, 729 sowie zu der Frage, ob es mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist, dass juristische Personen gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zum Insolvenzverwalter bestellt werden können BVerfG 1 BvR 3102/13 (anh.).
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V. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren
Eine nach Insolvenzeröffnung vom Schuldner getroffene Verfügung ist absolut unwirksam (§ 81 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der Pflichtenkreis und der Rahmen der Befugnisse des Insolvenzverwalters 100 umfasst insbesondere x
die Inbesitznahme und Verwaltung der Insolvenzmasse (§ 148 InsO),
x
die Veranlassung der Siegelung massezugehöriger Gegenstände durch den Gerichtsvollzieher (§ 150 InsO),
x
die Erstellung eines Masseverzeichnisses (§ 151 InsO),
x
die Erstellung eines Gläubigerverzeichnisses (§ 152 InsO),
x
die Erstellung einer Vermögensübersicht auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 153 InsO),
x
die Pflicht zur handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegung (§ 155 InsO, siehe auch § 34 AO),
x
die Berichtserstattung gegenüber den Gläubigern (§ 156 InsO),
x
die Verwertung der Massegegenstände unverzüglich nach dem Berichtstermin (§ 159 InsO),
x
die Durchsetzung von Anfechtungsansprüchen (§§ 129 ff. InsO),
x
die Führung der Insolvenztabelle (§ 175 InsO),
x
die Befriedigung der Insolvenzgläubiger auf der Grundlage eines Verteilungsverzeichnisses (§§ 187 Abs. 3 Satz 1, 188 InsO),
x
die Pflicht zur Rechnungslegung gegenüber dem aufsichtführenden Insolvenzgericht (§§ 66, 57 InsO).
Für schuldhafte Pflichtverletzungen haftet der Insolvenzverwalter gegenüber 101 den Gläubigern (§ 60 InsO). Das Amt des Insolvenzverwalters endet mit Aufhebung oder Einstellung des 102 Insolvenzverfahrens. Eine Wohlverhaltensphase schließt sich bei Gesellschaftsinsolvenzen nicht an, da nur natürliche Personen die Restschuldbefreiung erreichen können. 10. Das Insolvenzgericht Die in Insolvenzverfahren ausschließliche Zuständigkeit der Amtsgerichte 103 als Insolvenzgerichte ergibt sich aus § 2 Abs. 1 InsO. Das Insolvenzgericht prüft seine Zuständigkeit von Amts wegen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 InsO).30) ___________ 30) OLG Hamm, Beschl. v. 24.6.1999 – 1 Sbd 16/99, ZInsO 1999, 533; OLG Celle, Beschl. v. 9.10.2003 – 2 W 108/03, ZIP 2004, 1022, dazu EWiR 2005, 225 (Breitling).
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A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte
104 Sachlich zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Landgericht seinen Sitz hat (§ 2 Abs. 1 InsO). Gemäß § 2 Abs. 2 InsO sind die Landesregierungen ermächtigt, die sachliche Zuständigkeit abweichend zu regeln. 105 Örtlich zuständig ist gemäß § 3 InsO ausschließlich das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Liegt der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort, so ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt. Regelmäßig ist dies der (je nach Rechtsform im Register eingetragene) Sitz der Gesellschaft (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 InsO i. V. m. § 17 ZPO). Der Sitz wird bei juristischen Personen des Privatrechts durch die Satzung bzw. den Gesellschaftsvertrag bestimmt (§ 3 Abs. 1 GmbHG, § 5 AktG, § 278 Abs. 3 AktG, § 6 Abs. 1 GenG, § 57 Abs. 1 BGB).31) Personengesellschaften legen in der Regel ebenfalls im Gesellschaftsvertrag ihren Sitz fest. Bei mehreren Niederlassungen kommt es auf die Hauptniederlassung an.32) 106 Die funktionelle Zuständigkeit liegt gemäß § 3 Abs. 2e RPflG beim Rechtspfleger mit Ausnahme der in §§ 18, 19a RPflG beschriebenen Richtervorbehalte. Gemäß § 18 Abs. 2 RPflG hat der Richter zudem das Recht, sich das Insolvenzverfahren ganz oder teilweise vorzubehalten. 107 Der Aufgabenkreis des Insolvenzgerichts umfasst im Wesentlichen x
die Entscheidung über die Eröffnung oder Ablehnung des Insolvenzverfahrens,
x
die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gemäß §§ 21 ff. InsO,
x
die Bestellung des Insolvenzverwalters (§§ 27, 56 InsO),
x
die Bestimmung von Terminen (§ 29 InsO),
x
die Festsetzung von Vergütungen (§§ 26a, 64 InsO),
x
die Entscheidungen als besonderes Vollstreckungsgericht (vgl. z. B. § 36 Abs. 4 InsO),
x
die Beaufsichtigung des Insolvenzverwalters (§ 58 InsO),
x
die Bestellung des Gläubigerausschusses (§ 67 InsO).
11. Der (vorläufige) Gläubigerausschuss 108 Der Gläubigerausschuss ist ein fakultatives Vertretungsorgan der Gläubiger. Der Ausschuss wird von der Gläubigerversammlung gewählt (§ 68 Abs. 1 ___________ 31) KPB/Prütting, InsO, § 3 Rn. 9; FK-InsO/Schmerbach, § 3 Rn. 16. 32) BT-Drucks. 12/2443 S. 110.
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V. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren
Satz 1, Abs. 2 InsO), repräsentiert die Gläubiger des Verfahrens und vertritt deren Interessen. Bereits vor der Möglichkeit zur Wahl in der ersten Gläubigerversammlung 109 kann das Insolvenzgericht im eröffneten Verfahren einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen (§ 67 Abs. 1 InsO). Die endgültige Entscheidung über die Beibehaltung des vorläufigen Ausschusses obliegt der Gläubigerversammlung im Termin (§ 68 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 InsO). Zwecks gleichberechtigter Interessenwahrung soll die Zusammensetzung des 110 Ausschusses die Gläubigerstruktur repräsentieren. Daher sollen die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Insolvenzgläubiger mit den höchsten Forderungen und die Kleingläubiger sowie ein Vertreter der Arbeitnehmer vertreten sein (§ 67 Abs. 2 InsO). Dem Gläubigerausschuss sind folgende Aufgaben zugedacht:
111
x
Die Unterstützung und Überwachung des Insolvenzverwalters (§ 69 Satz 1 InsO),
x
die Einsichtnahme in die Bücher und Geschäftspapiere(§ 69 Satz 2 InsO),
x
die Prüfung des Geldverkehrs und -bestands (i. d. R. durch einen Kassenprüfer),
x
die Zustimmung zu besonders bedeutsamen Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters (§ 160 InsO),
x
die Entscheidung über ein Betriebsstilllegung (§ 158 InsO),
x
die Entscheidung über die Verteilung der Masse (§ 187 Abs. 3 InsO),
x
die Mitwirkung im Insolvenzplanverfahren (§ 218 InsO).
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von 112 Unternehmungen (ESUG)33) zum 1.3.2012 haben die Rechte der Gläubiger eine merkliche Stärkung erfahren. So besteht insbesondere die Möglichkeit, bereits im Eröffnungsverfahren einen Gläubigerausschuss einzusetzen (§ 21 Abs. 2 Nr. 1a) InsO). Hierdurch wird den Gläubigern bereits im Eröffnungsverfahren, demnach in einem sehr frühen Verfahrensstadium, ermöglicht, richtungsweisend Einfluss auf den weiteren Verfahrensgang, insbesondere die Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters, auf die Anordnung der Eigenverwaltung und auf die Bestellung des (vorläufigen) Sachwalters zu nehmen. Die gesetzliche Bezeichnung als „vorläufiger“ Gläubigerausschuss ist dem 113 Grunde nach, da der Einsatz im Eröffnungsverfahren erfolgt und der Terminus dem des vorläufigen Insolvenzverwalters entspricht, denklogisch. Da ___________ 33) Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011 m. W. z. 1.3.2012, BGBl. I, S. 2582.
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A. Verfahrensziel und Verfahrensbeteiligte
sich jedoch in der Praxis bereits der nach Eröffnung und vor der ersten Gläubigerversammlung bestellte Ausschuss als „vorläufiger Gläubigerausschuss“ etabliert hat, stiftet die Terminologie bei Zeiten Verwirrung. Der Begriff des „vorläufigen Gläubigerausschusses“ ist also nicht eindeutig belegt. Die Praxis hilft sich insoweit mit anderslautenden Bezeichnungen für den im Eröffnungsverfahren bestellten Ausschuss (z. B. „vor-vorläufiger Gläubigerausschuss“ oder „präsumtiver Gläubigerausschuss“). Die nicht eindeutige Belegung der Begrifflichkeit führt dennoch vielfach zu Missverständnissen und Schwierigkeiten. 114 Dazu trägt nicht zuletzt bei, dass im Eröffnungsverfahren eine weitere Klassifizierung vorgenommen wird. Dies ist insoweit alternativlos, da das Gesetz in einigen Fällen die Bestellung eines Gläubigerausschusses bereits im Eröffnungsverfahren zwingend vorgibt, in anderen Fällen als entsprechende Option anbietet. Unterschieden wird zwischen dem sog. „Kann-Ausschuss“, dem „Soll-Ausschuss“ und dem „Pflicht-Ausschuss“. 115 Der „Pflicht-Ausschuss“ ist einzusetzen, wenn mindestens zwei der drei in § 22a Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 InsO festgelegten Schwellenwerte für Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Arbeitnehmerzahl erreicht sind; andernfalls liegt die Einsetzungsentscheidung im Ermessen des Gerichts. Praxistipp: Schwellenwerte gemäß § 22a Abs. 1 Nrn. 1 – 3 InsO x Mind. 4.840.000 € Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags i. S. d. § 268 Abs. 3 HGB. x Mind. 9.680.000 € Umsatzerlöse in den 12 Monaten vor dem Abschlussstichtag. x Im Jahresdurchschnitt mind. 50 Arbeitnehmer.
116 Der „Soll-Ausschuss“ (oder „Antrags-Ausschuss“) soll auf Antrag eingesetzt werden, wenn ein laufender Geschäftsbetrieb besteht oder nur einer der Schwellenwerte erreicht wird (§ 22a Abs. 2 InsO). 117 Die Einsetzung eines „Kann-Ausschusses“ ist möglich, wenn die verfahrensbedingten Umstände dies bedingen. 118 Die Tätigkeit im Gläubigerausschuss begründet einen eigenen Vergütungsanspruch. Jedes Mitglied des Gläubigerausschusses wird besonders vergütet und hat Anspruch auf Erstattung angemessener Auslagen (§ 73 InsO). 119 Bei einer schuldhaften Pflichtverletzung haften die Mitglieder den Absonderungsberechtigten und den Insolvenzgläubigern gegenüber auf Schadensersatz (§ 71 InsO). 12. Der (vorläufige) Sachwalter 120 Die Insolvenzordnung kennt neben der „klassischen“ Insolvenzverwaltung und dem damit verbundenen Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbe-
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V. Verfahrensbeteiligte, Dritte und deren Rechtsstellung im Insolvenzverfahren
fugnis auf einen Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO) eine Alternative, die dem Schuldnerunternehmen die Möglichkeit der Sanierung „unter Insolvenzschutz“ bietet. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Insolvenzverfahren eröffnet werden, ohne dass ein Insolvenzverwalter bestellt wird, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übergeht. Diese verbleibt beim Schuldner, d. h. die gesetzlichen Vertreter bleiben nach wie vor umfänglich handlungsbefugt. Das Insolvenzverfahren wird unter Eigenverwaltung durchgeführt (§§ 270 ff. InsO). Voraussetzung für die Anordnung der Eigenverwaltung durch das Insolvenz- 121 gericht ist zunächst ein entsprechender Antrag des Schuldnerunternehmens (§ 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Zudem dürfen keine Umstände bekannt sein, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird (§ 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO). Die Anordnung der Eigenverwaltung erfolgt gleichzeitig mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. In der Eigenverwaltung führt das Unternehmen die Geschäfte unter der Auf- 122 sicht eines gerichtlich bestellten Sachwalters. Diesem obliegt, durch Ausübung seiner Aufsichts- und Überwachungsfunktion die Gläubiger vor Schaden und nachteiligen Änderungen zu schützen. Der Sachwalter wird mit Eröffnung des Verfahrens bestellt. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von 123 Unternehmungen (ESUG)34) kann bereits im Eröffnungsverfahren „vorläufige Eigenverwaltung“ angeordnet und ein vorläufiger Sachwalter bestellt werden (§§ 270a ff. InsO). Die Befugnisse des (vorläufigen) Sachwalters (ĺ Rn. 319 ff.) sind im Ver- 124 hältnis zur Anordnung einer (vorläufigen) Insolvenzverwaltung weniger umfassend. Der (vorläufige) Sachwalter hat einen Anspruch auf Vergütung seiner Tätig- 125 keit (vgl. § 12 InsVV, ĺ Rn. 343 ff.).
___________ 34) Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011 m. W. z. 1.3.2012, BGBl. I, S. 2582.
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B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren I. Der Insolvenzantrag Ein Insolvenzverfahren wird nur auf schriftlichen Antrag eröffnet (Antrags- 126 grundsatz, § 13 Abs. 1 Satz 1 InsO). Antragsberechtigt sind gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 InsO die Gläubiger 127 (Fremdantrag) und der Schuldner (Eigenantrag). Eine Antragsrücknahme kann nur bis zur rechtskräftigen Entscheidung über 128 den Antrag in Form der Eröffnung oder der Abweisung erklärt werden (§ 13 Abs. 2 InsO). 1. Eigenantrag a) Grundlegendes Stellt der Schuldner einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über 129 sein Vermögen, spricht man von einem Eigenantrag. In Gesellschaftsinsolvenzen wird der Antrag i. a. R. durch den gesetzlichen Vertreter eingereicht. b) Form und Inhalt des Antrags Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist schriftlich zu stellen 130 (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsO). Im Regelinsolvenzverfahren besteht die Möglichkeit, Formulare zu nutzen (vgl. § 13 Abs. 3 InsO); ob sich hieraus ein Formularzwang herleiten lässt, wird kritisch gesehen.35) Für den Eigenantrag ist vorgeschrieben, dem Antrag ein Gläubigerverzeichnis 131 inklusive der Forderungen beizufügen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 InsO). Ist der Geschäftsbetrieb nicht eingestellt, sollen in dem Verzeichnis kennt- 132 lich gemacht werden: x
die höchsten Forderungen,
x
die höchsten gesicherten Forderungen,
x
die Forderungen der Finanzverwaltung,
x
die Forderungen der Sozialversicherungsträger,
x
die Forderungen aus betrieblicher Altersvorsorge.
Zudem sind Angaben zur Bilanzsumme, zu den Umsatzerlösen und zur durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer des vorangegangenen Geschäftsjahres zu machen. ___________ 35) Siehe hierzu FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rn. 20 ff, 45 ff.
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B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
Wurde die Anordnung der Eigenverwaltung oder die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses beantragt, sind diese Angaben zwingend zu machen (§ 13 Abs. 1 Satz 6 InsO). Gleiches gilt für den Fall, wenn die Schwellenwerte des § 22a Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 InsO erreicht werden (§ 13 Abs. 1 Satz 6 InsO). Das Insolvenzgericht prüft, ob ein vorläufiger Gläubigerausschuss zwingend einzusetzen ist. 133 Unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 6 InsO sind die Angaben i. S. d. § 13 Abs. 1 Satz 4 InsO zwingend. Sind diese unvollständig, ist der Antrag unzulässig. Liegen die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 6 InsO nicht vor, handelt es sich „lediglich“ um Soll-Angaben. Eine Unvollständigkeit berührt in diesem Fall die Zulässigkeit des Antrags nicht. 134 Der Schuldner ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 7 InsO verpflichtet, die Vollständigkeit und Richtigkeit dieser Angaben zu versichern. c) Antragsrecht 135 Das Antragsrecht bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit regelt § 15 InsO. Die Norm ist als Konkretisierung zu dem in § 13 Abs. 1 InsO normierten Antragsrecht zu verstehen, indem in § 15 InsO der insoweit berechtigte Personenkreis beschrieben wird. 136 Das Antragsrecht ergibt sich in Abhängigkeit von der Rechtsform für folgende Personenkreise: Rechtsform
Antragsrecht
GmbH
Geschäftsführer (§§ 15 Abs. 1 Satz 1 InsO, 35 GmbHG)
AG
Vorstand (§§ 15 Abs. 1 Satz 1 InsO, 76, 78 AktG)
KGaA
Persönlich haftender Gesellschafter (§ 278 Abs. 3 AktG)
Genossenschaft
Vorstand (§§ 15 Abs. 1 Satz 1 InsO, 24 GenG)
Eingetragener Verein
Vorstand (§§ 15 Abs. 1 Satz 1 InsO, 26 BGB)
nicht rechtfähiger Verein
Vorstand (§§ 15 Abs. 1 Satz 1 InsO, 26 BGB), beim wirtschaftlichen Verein alle Mitglieder (vgl. § 22 BGB)
Stiftung
Vorstand (§§ 15 Abs. 1 Satz 1 InsO, 86, 26 BGB)
OHG
Gesellschafter (§§ 15 Abs. 1 Satz 1 InsO, 125 Abs. 1 HGB)
KG
Persönlich haftender Gesellschafter (§§ 15 Abs. 1 Satz 1 InsO, 170 HGB)
GbR
Gesellschafter (§§ 15 Abs. 1 Satz 1 InsO, 709 BGB)
Partnergesellschaft
Jeder persönlich haftende Gesellschafter, jeder Partner (§ 15 Abs. 1 Satz 1 InsO, 7 Abs. 3 PartGG i. V. m. § 125 Abs. 1 HGB)
137 Bei Führungslosigkeit ist bei einer juristischen Person auch jeder Gesellschafter, bei einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft zudem auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Antragstellung berechtigt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 InsO). 26
I. Der Insolvenzantrag
d) Antragspflicht Mit § 15a InsO definiert der Gesetzgeber eine Antragspflicht bei Insolvenz- 138 verfahren über das Vermögen von juristischen Personen und Personengesellschaften, bei denen keine unbeschränkte Haftung einer natürlichen Person gegeben ist. Eine Insolvenzantragspflicht wird zudem nur angenommen für die Eröffnungs- 139 gründe der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO, ĺ Rn. 160 ff.) und der Überschuldung (§ 17 InsO, ĺ Rn. 175 ff.); bei (lediglich) drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO, ĺ Rn. 170 ff.) besteht ein Antragsrecht, aber keine Antragspflicht. Eine Antragspflicht besteht bei
140
x
der GmbH (§ 15a Abs. 1 InsO),
x
der UG (haftungsbeschränkt) (§ 15a Abs. 1 InsO),
x
der AG (§ 15a Abs. 1 InsO),
x
der Genossenschaft (§ 15a Abs. 1 InsO),
x
der KGaA (§ 15a Abs. 1 InsO),
x
der OHG und der KG, bei der jeweils keiner der persönlich haftenden Gesellschafter eine natürliche Person ist (§ 15a Abs. 1 InsO; typischerweise die GmbH & Co. KG),
x
dem eingetragenen Verein (§ 15a Abs. 6 InsO, § 42 Abs. 2 BGB),
x
der Stiftung (§ 15a Abs. 6 InsO, §§ 89 Abs. 2, 42 Abs. 2 BGB).
Die Antragspflicht besteht für die organschaftlichen Vertreter, die ohne 141 schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Eröffnungsantrag stellen müssen. Die Antragspflicht entfällt nicht, wenn ein Gläubiger bereits Antrag gestellt hat.36) An die Pflichtverletzung sind sowohl strafrechtliche Konsequenzen (vgl. 142 § 15a Abs. 4, 5 InsO, ĺ Rn. 138 ff.), als auch eine zivilrechtliche Haftung (ĺ Rn. 634 ff.) geknüpft. Zur Antragstellung verpflichtet sind auch der faktische Geschäftsführer oder 143 der faktische Vorstand. Faktische Geschäftsführung liegt vor, wenn eine Person zwar nicht förmlich zum Geschäftsführer bestellt wurde, dennoch mit Einverständnis der Gesellschafter die Aufgaben der Geschäftsführung wahrgenommen hat. Abgestellt wird auf das Gesamterscheinungsbild des Han___________ 36) BGH, Urt. v. 28.10.2008 – 5 StR 166/08, ZIP 2008, 2308, dazu EWiR 2009, 235 (Schork/Ganninger).
27
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
delnden nach außen.37) Dem steht nicht entgegen, dass neben ihm auch ein bestellter Geschäftsführer die Geschäftsführung ausübt. Jedoch muss der faktische Geschäftsführer neben dem bestellten eine überragende Stellung einnehmen.38) Als faktischer Geschäftsführer ist derjenige zu klassifizieren, der fehlerhaft zum Geschäftsführer bestellt wurde, bzw. derjenige, ohne bestellt worden zu sein, wie ein Geschäftsführer auftritt und die Geschicke der Gesellschaft durch eigenes Handeln im Außenverhältnis maßgeblich in die Hand genommen hat.39) Nach der von den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs in ständiger Rechtsprechung vertretenen Definition ist faktischer Geschäftsführer derjenige, „der die Geschäftsführung mit Einverständnis der Gesellschafter ohne förmliche Bestellung faktisch übernommen hat, tatsächlich ausübt und gegenüber dem formellen Geschäftsführer eine überragende Stellung einnimmt oder zumindest das deutliche Übergewicht hat.“40) Praxistipp: Indizien: Faktische Geschäftsführung x Einnahme einer überragenden Stellung und nachhaltiger Einfluss auf die Geschäftsführung,41) x Wahrnehmung von Führungsaufgaben, betriebsintern und betriebsextern bestimmende Einflussnahme auf sämtliche Geschäftsvorgänge (z. B. Bestimmung der Unternehmenspolitik, Unternehmensorganisation),42) x Unternehmensführung muss mit dem Einverständnis der Gesellschafter, das als eine konkludente Bestellung zu werten ist, erfolgt sein,43) x Regelmäßige Kundenbetreuung, Einstellung von Personal in eigener Verantwortung, eigenverantwortliches, ohne Hinzuziehung der ordentlichen Geschäftsführer Führen von Kreditverhandlungen.44)
144 Bei Führungslosigkeit (vgl. § 10 Abs. 2 InsO) einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer AG oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn diese Person von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis hatte (§ 15a Abs. 3 InsO). ___________ 37) OLG München, Urt. v. 8.9.2010 – 7 U 2568/10, ZIP 2010, 2295. 38) Vgl. BGH, Urt. v. 10.5.2000 – 3 StR 101/00, ZIP 2000, 1390. 39) BGH, Urt. v. 27.6.2005 – II ZR 113/03, ZIP 2005, 1414; BGH, Urt. v. 11.7.2005 – II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550, dazu EWiR 2005, 731 (Bork); BGH, Urt. v. 11.2.2008 – II ZR 291/06, ZIP 2008, 1026, dazu EWiR 2009, 237 (Kleinschmidt, Andreas/Lau). 40) BGH, Urt. v. 11.6.2013 – II ZR 389/12, ZIP 2013, 1519. 41) BGH, Urt. v. 10.5.2000 – 3 StR 101/00, ZIP 2000, 1390. 42) BGH, Urt. v. 22.9.1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118 = ZIP 1983, 173. 43) BGH, Urt. v. 22.9.1982 – 3 StR 287/82, BGHSt 31, 118 = ZIP 1983, 173. 44) BGH, Urt. v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, ZIP 1988, 771, dazu EWiR 1988, 905 (Schmidt).
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I. Der Insolvenzantrag
2. Fremdantrag a) Grundlegendes Ein Antragsrecht genießen auch die Gläubiger der Schuldnerunternehmung 145 (Fremdantrag). b) Form und Inhalt des Antrags Ein Fremdantrag eines Gläubigers ist schriftlich einzureichen (§ 13 Abs. 1 146 Satz 1 InsO). Die beim Eigenantrag fakultativ oder zwingend vorzunehmenden Angaben i. S. d. § 13 Abs. 1 Satz 1 – 7 InsO (ĺ Rn. 129 ff.) gelten bei einem Gläubigerantrag nicht.45) Der Antrag eines Gläubigers ist hinsichtlich der Zulässigkeit und der Begründetheit an die nachfolgenden Voraussetzungen geknüpft. c) Zulässigkeit Ein gläubigerinitiierter Fremdantrag ist nur zulässig, wenn der Gläubiger ein 147 rechtliches Interesse an der Eröffnung hat und das Bestehen seiner Forderung/en gegen den Schuldner sowie das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes (ĺ Rn. 158 ff.) glaubhaft macht (§ 14 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung sind erfüllt, wenn das Gericht der Überzeugung ist, dass die Behauptung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zutrifft (§ 4 InsO, § 294 ZPO).46) Eine förmliche Beweisführung ist nicht erforderlich. aa) Rechtliches Interesse Der antragstellende Gläubiger muss ein rechtliches Interesse an der Eröff- 148 nung eines Insolvenzverfahrens haben (§ 14 Abs. 1 Satz 1 InsO). Das Vorliegen des Rechtschutzinteresses prüft das Insolvenzgericht. § 14 Abs. 1 Satz 1 InsO dient dem Schutz des Schuldners vor u. U. mit einem Insolvenzverfahren einhergehenden einschneidenden Eingriffen in dessen Vermögensverhältnisse. Dient die Antragstellung offenkundig und ausschließlich als Druckmittel und im Rahmen der Forderungsbeitreibung als „verlängerter Arm der Einzelzwangsvollstreckung“, dürfte das Rechtschutzinteresse fehlen. Ein Druckantrag ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn nicht zumindest auch die Durchführung eines Insolvenzverfahrens tatsächlich angestrebt wird. bb) Glaubhaftmachung des Bestehens einer Forderung Der Gläubiger muss glaubhaft machen, dass er z. Zt. der Entscheidung über 149 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens Inhaber einer persönlichen Forderung gegen den Schuldner ist. Voraussetzung ist ein vermögensrechtlicher ___________ 45) FK-InsO/Schmerbach, § 13 Rn. 30. 46) Vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 11.9.2003 – IX ZB 37/03, ZVI 2003, 538 = NZI 2003, 662.
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B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
Charakter des Anspruchs; er muss einen Geldwert haben oder ggf. in einen solchen umgerechnet werden können (vgl. § 45 InsO). Nicht zur Antragstellung berechtigen daher z. B. Duldungs- oder Unterlassungsansprüche. 150 Der Antrag ist unzulässig, wenn die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung, aber vor Eröffnung, beglichen wird. Bestehen mehrere Forderungen des Gläubigers, ist ein „Auswechseln“ der Forderungen jedoch möglich.47) 151 Auch kann der Antrag unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 2, 3 InsO trotz zwischenzeitlich beglichener Forderungen weiter verfolgt werden, wenn innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Antrag bereits ein zulässiger Insolvenzantrag über das Vermögen des Schuldners gestellt wurde. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn das rechtliche Interesse an der Eröffnung des Verfahrens, das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes sowie der vorhergehende Antrag glaubhaft gemacht werden können (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2, 3 InsO).48) Sinn und Zweck dieser Regelung ist die Vermeidung von sog. „Stapelanträgen“.49) Unbenommen bleibt dem Gläubiger die Möglichkeit, den Antrag zurückzunehmen bzw. für erledigt zu erklären. Im Rahmen der gemäß § 14 Abs. 2 InsO vorgesehenen Anhörung des Schuldners kann durch Gegenglaubhaftmachung, d. h. durch den Vortrag, dass die Voraussetzungen für eine Eröffnung des Verfahrens nicht bestehen, das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes ausgeräumt werden. 152 Der Gläubiger ist gehalten, das Bestehen der Forderung glaubhaft zu machen. Hierzu kann die Vorlage eines Titels ausreichend sein, zwingend erforderlich ist sie nicht, sodass auch nicht titulierte Forderungen dem Antrag zugrunde gelegt werden können, wenn ihr Bestand durch Einreichung möglichst vollständig anspruchsbegründender Unterlagen (z. B. Lieferscheine, Rechnungen, Kontoauszüge etc.) dargetan wird.50) cc) Glaubhaftmachung eines Eröffnungsgrundes 153 Ein zulässiger Antrag fordert ebenfalls die Glaubhaftmachung des Vorliegens eines Eröffnungsgrundes (§ 14 Abs. 1 Satz 1 InsO, ĺ Rn. 158 ff.). Ausreichend und als geeignetes Mittel zur Glaubhaftmachung anzusehen sind insbesondere: x
die Vorlage einer Erklärung des Schuldners zu seiner fehlenden Liquidität,
x
die Vorlage einer Fruchtlosigkeitsbescheinigung eines Gerichtsvollziehers (§ 63 GVGA) bzw. eines Vollziehungsbeamten,
___________ 47) BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZB 29/03, ZIP 2004, 1466 = ZVI 2004, 408. 48) Geltung für Verfahren, die ab dem 1.1.2011 beantragt worden sind (Art. 103e EGInsO); BGH, Beschl. v. 11.4.2013 – IX ZB 256/11, ZIP 2013, 1086 = ZVI 2013, 221, dazu EWiR 2013, 515 (Kexel). 49) KPB/Pape, InsO, § 14 Rn. 9. 50) OLG Köln, Beschl. v. 14.12.2001 – 2 W 146/01, ZInsO 2002, 772.
30
I. Der Insolvenzantrag
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Indizien (z. B. mehr als sechsmonatiger Rückstand hinsichtlich der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen)51),
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fortlaufend steigender Forderungsstand trotz Teilzahlungen.52)
Das Gericht nimmt stets eine Gesamtwürdigung aller vorgetragenen Tatsachen 154 vor.53) d) Antragsrecht Antragsberechtigt ist grundsätzlich jeder Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO). 155 Zum Kreis der Gläubiger können auch an der Gesellschaft Beteiligte, aus ihrer Beteiligtenstellung heraus jedoch nicht nach § 15 InsO primär Antragsberechtigte (z. B. Kommanditisten) gehören und damit als Insolvenzgläubiger antragsberechtigt sein, wenn Sie Forderungen gegen die Gesellschaft geltend machen.54) Dies gilt nur insoweit, als sie nicht gemäß § 176 Abs. 1, 2 HGB unbeschränkt haften.55). Ein Antragsrecht kann sich auch für Gesellschafter ergeben, wenn sie Ansprüche gegen die Gesellschaft erheben (z. B. aus Kauf, Miete).56) Nachrangige Gläubiger i. S. d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO haben ein rechtliches 156 Interesse auch dann, wenn sie eine konkrete Befriedigungsmöglichkeit ihrer Forderung im eröffneten Verfahren nicht erwarten können.57) Dinglich gesicherte Gläubiger sind insoweit antragsberechtigt, als die Si- 157 cherung nicht vollumfänglich ist und der Schuldner in Höhe des Ausfalls persönlich haftet (vgl. § 52 InsO). Für Aussonderungsberechtigt hingegen fehlt es am Antragsrecht (§ 47 Satz 2 InsO). 3. Eröffnungsgründe a) Überblick über die Eröffnungsgründe Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens setzt das Vorliegen eines Eröff- 158 nungsgrundes voraus (§ 16 InsO). Die Gründe für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergeben sich aus §§ 17 ff. InsO.
___________ 51) BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 238/05, ZIP 2006, 1457. 52) BGH, Beschl. v. 9.1.2003 – IX ZR 175/02, ZIP 2003, 410 = ZVI 2003, 125, dazu EWiR 2003, 379 (Hölzle). 53) KPB/Pape, InsO, § 14 Rn. 88. 54) FK-InsO/Schmerbach, § 15 Rn. 4. 55) FK-InsO/Schmerbach, § 15 Rn. 4; MünchKomm-InsO/Schmahl/Klöhn, § 15 Rn. 49; a. A. HK-InsO/Wehr, § 15 Rn. 5. 56) FK-InsO/Schmerbach, § 15 Rn. 4. 57) BGH, Beschl. v. 23.9.2010 – IX ZB 282/09, ZVI 2010, 422 = ZIP 2010, 2055, dazu EWiR 2010, 819 (Gundlach/Müller Udo).
31
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
159 Als Eröffnungsgründe kennt die Insolvenzordnung die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und die Überschuldung (§ 19 InsO). b) Zahlungsunfähigkeit 160 Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO, Legaldefinition). 161 Der Gesetzgeber stellt eine gesetzliche Vermutung für das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit auf für den Fall, dass der Schuldner die Zahlungen eingestellt hat (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO). Als Zahlungseinstellung versteht sich dasjenige nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.58) Ausreichen kann insoweit bereits die Nichtzahlung gegenüber einem einzigen Gläubiger, wenn dessen Forderung von insgesamt nicht unerheblicher Höhe ist.59) 162 Nur die Nichterfüllung von fälligen Zahlungspflichten begründen die Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 17 InsO. Forderungen, deren Gläubiger sich für die Zeit vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit einer späteren oder nachrangigen Befriedigung einverstanden erklärt haben, sind bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht zu berücksichtigen.60) Die Fälligkeit einer Forderung im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO ist i. d. R. dann anzunehmen, „wenn eine Gläubigerhandlung feststeht, aus der sich der Wille, vom Schuldner Erfüllung zu verlangen, im Allgemeinen ergibt.“61) Dies ist grundsätzlich schon bei Übersendung einer Rechnung zu bejahen.62) Mit der Übersendung gilt die Forderung auch bereits als „ernsthaft eingefordert“.63) 163 Die fehlende Zahlungsfähigkeit ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Sämtliche dem Schuldner zur Verfügung stehenden liquiden oder kurzfristig liquidierbaren Mittel64) sind hierbei zu berücksichtigen (insbesondere Barmittel, Buchgeld, Ausschöpfen des Kreditrahmens).
___________ 58) BGH, Urt. v. 20.11.2001 – IX ZR 48/01, ZIP 2002, 87, dazu EWiR 2002, 219 (Wagner). 59) Vgl. BGH, Urt. v. 27.4.1995 – IX ZR 147/94, ZIP 1995, 929. 60) BGH, Beschl. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZVI 2007, 462 = ZIP 2007, 1666, dazu EWiR 2007, 665 (Schröder). 61) BGH, Beschl. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZIP 2007, 1666 = ZVI 2007, 462. 62) BGH, Beschl. v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZIP 2007, 1666 = ZVI 2007, 462. 63) BGH, Beschl. v. 14.7.2011 – IX ZB 57/11, ZIP 2011, 1875. 64) BGH, Urt. v. 3.12.1998 – IX ZR 313/97, ZIP 1999, 76, dazu EWiR 1999, 169 (Haas).
32
I. Der Insolvenzantrag
Abzugrenzen ist die Zahlungsunfähigkeit von einer vorübergehenden Zah- 164 lungsstockung. In einer Grundsatzentscheidung hat der BGH hierzu die sog. „3-10-Regel“ aufgestellt:65) „Zahlungsunfähigkeit im Rechtssinne liegt regelmäßig jedenfalls dann vor, wenn der Schuldner 10 % oder mehr seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten länger als drei Wochen nicht erfüllen kann, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist. Beträgt die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke weniger als 10 %, liegt Zahlungsunfähigkeit nur vor, wenn bereits absehbar ist, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird.“
Zur Beurteilung, ob Zahlungsunfähigkeit bereits eingetreten ist oder „lediglich 165 eine vorübergehende Zahlungsstockung vorliegt, ist eine Zeitraumbetrachtung erforderlich. Einzubeziehen sind zu erwartende Zahlungseingänge (sog. Aktiva II)66) sowie fällig werdende Verbindlichkeiten (sog. Passiva II)67). Die künftig fällig werdenden Zahlungsverpflichtungen werden auch als „Bugwelle« bezeichnet.68) Eine Liquiditätsbilanz ist zum Nachweis des Vorliegens der Zahlungsunfähig- 166 keit grundsätzlich nicht mehr erforderlich, wenn die fälligen Verbindlichkeiten bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen werden können, falls nicht ausnahmsweise aufgrund konkreter Umstände damals angenommen werden konnte, der Schuldner werde rechtzeitig in der Lage sein, die Verbindlichkeiten zu erfüllen.69) Die Zahlungsunfähigkeit spielt auch im Anfechtungsrecht (ĺ Rn. 654 ff.) eine 167 bedeutende Rolle. Im Insolvenzanfechtungsprozess ist die Aufstellung einer Liquiditätsbilanz oftmals nicht erforderlich, weil im eröffneten Verfahren auch auf andere Weise, insbesondere durch Indizien, festgestellt werden kann, ob der Schuldner einen wesentlichen Teil seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht bezahlen konnte.70) Die Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen stellt angesichts der Strafbewehrtheit (§ 266a StGB) ein starkes Indiz für die Zahlungsunfähigkeit dar.71) Die schleppende Zahlung von Löhnen ___________ 65) BGH, Urt. v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, ZIP 2005, 1426 (m. Bespr. Hölzle, ZIP 2006, 101) = ZVI 2005, 408, dazu EWiR 2005, 767 (Bruns). 66) Bork, ZIP 2008, 1749. 67) Bork, ZIP 2008, 1749. 68) BGH, Urt. v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015, dazu EWiR 2014, 53 (Wagner). 69) BGH, Urt. v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 (m. Bespr. Hölzle, ZIP 2007, 613) = ZVI 2006, 577, dazu EWiR 2007, 113 (Wagner). 70) BGH, Urt. v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 (m. Bespr. Hölzle, ZIP 2007, 613) = ZVI 2006, 577; BGH, Urt. v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015. 71) BGH, Beschl. v. 13.6.2006 – IX ZB 238/05, ZIP 2006, 1457; BGH, BGH, Beschl. v. 28.4.2008 – II ZR 51/07, NZI (Beilage) 2009, 6; BGH, Urt. v. 18.7.2013 – IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015.
33
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
und Gehältern ist ein Anzeichen für eine Zahlungseinstellung und damit für die Zahlungsunfähigkeit.72) 168 Das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit löst die Antragspflicht i. S. d. § 15a InsO aus (ĺ Rn. 138 ff.). 169 Das folgende Muster soll einen Überblick über die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit erleichtern: Checkliste Zahlungsunfähigkeit Stichtag
Woche 1 Woche 2 Woche 3 Betrag in T€
I.
Bestand zum Stichtag
1.
Liquide Mittel
2.
Kreditlinie
II.
Zuflüsse
1.
Bareinnahmen
2.
Forderungseinzug
3.
Zinsen und sonstige Erträge
Summe III.
Fällig Verbindlichkeiten zum Stichtag
IV.
Abflüsse (fällige Zahlungsverpflichtungen)
1.
lfd. Betrieb
2.
Steuern und Gebühren
3.
Investitionen
4.
Finanzbereich (Darlehenstilgung, Zinsen)
Summe V.
Ausgleichsmaßnahmen (EK-Erhöhung, Darlehensrückführung, Verkäufe etc.)
Liquiditätsüberschuss/-unterdeckung
___________ 72) BGH, Beschl. v. 14.2.2008 – IX ZR 38/04, ZIP 2008, 706, dazu EWiR 2008, 533 (Dörrscheidt).
34
I. Der Insolvenzantrag
c) Drohende Zahlungsunfähigkeit Die drohende Zahlungsunfähigkeit stellt bei einem Eigenantrag einen Eröff- 170 nungsgrund dar (§ 18 Abs. 1 InsO). Dem Schuldnerunternehmen wird hierdurch die Möglichkeit eingeräumt, bei frühzeitiger Antragstellung die Möglichkeit der Sanierung unter Insolvenzschutz aufrechtzuerhalten.73) So kann insbesondere ein Eigenverwaltungsverfahren als sog. „Schutzschirmverfahren“ nur durchgeführt werden, wenn drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, nicht aber bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit vorliegt (vgl. § 270b InsO). Ein hierauf gestützter Antrag kann bei einer juristischen Person oder einer 171 Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit von einem von mehreren organschaftlichen/gesetzlichen Vertretern jedoch nur gestellt werden, wenn der Antragsteller zur Vertretung der juristischen Person oder der Gesellschaft berechtigt ist (§ 18 Abs. 3 InsO). Durch diese Regelung sollen in einer Situation, in der noch keine Antragspflichten (vgl. § 15a InsO) bestehen, voreilige, nicht ausreichend abgestimmte Anträge vermieden werden. Die Eingrenzung dient der Vermeidung eines missbräuchlichen Umgangs.74) Angesichts der unklaren Formulierung bereitet die Regelung in der Praxis regelmäßig Schwierigkeiten. Die wohl ganz überwiegende Auffassung geht davon aus, dass nur der Alleinvertretungsberechtigte oder alle Vertretungsberechtigten gemeinsam einen Antrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit stellen können.75) Zur drohenden Zahlungsunfähigkeit definiert § 18 Abs. 2 InsO, dass „der 172 Schuldner droht, zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.“ Zu berücksichtigen sind bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit die noch 173 nicht fälligen, aber bereits absehbaren Verbindlichkeiten. Dargestellt wird dies regelmäßig im Rahmen einer Prognose zur künftigen Liquiditätsentwicklung (Liquiditäts-/Finanzplan) unter Einbeziehung der bereits begründeten Forderungen. Das Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit begründet nicht die An- 174 tragspflicht i. S. d. § 15a InsO (ĺ Rn. 138 ff.). d) Überschuldung Die in § 19 InsO geregelte Überschuldung ist ein Eröffnungsgrund bei Insol- 175 venzverfahren über das Vermögen juristischer Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (§ 19 Abs. 1, 3 InsO). ___________ 73) Siehe in diesem Zusammenhang auf §§ 270a, 270b InsO. 74) Vgl. BT-Drucks. 12/7302 S. 157. 75) FK-InsO/Schmerbach, § 18 Rn. 27 m. w. N.
35
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
176 Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO, Legaldefinition). Es handelt sich um einen sog. zweistufigen modifizierten Überschuldungsbegriff.76) Allein eine positive Fortführungsprognose entkräftet die Überschuldung als Eröffnungsgrund. 177 Die Prüfung der Überschuldung erfordert ein zweistufiges Vorgehen, wobei eine Prüfungsreihenfolge gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. An die Praxis angelehnt empfiehlt sich eine dem Einzelfall gerecht werdende zweckmäßige Vorgehensweise bei der Prüfung der folgenden Punkte: x
Ist die Fortführungsprognose positiv?
178 Die Fortführungsprognose beinhaltet ein schlüssiges, realisierbares Unternehmenskonzept unter Darstellung der Maßnahmen und Zielsetzungen sowie eine Finanzplanung als eine dynamische, zeitraumbezogene Liquiditätsbetrachtung.77) x
Nur im Fall einer negativen Fortführungsprognose: Liegt Überschuldung vor?
179 Gegenüberzustellen sind die Aktiva und Passiva nach Liquidationswerten. Ist das Unternehmen rechnerisch überschuldet (negatives Reinvermögen), liegt der Eröffnungsgrund der Überschuldung i. S. v. § 19 InsO vor. e) Kennzahlenanalyse 180 Eine betriebswirtschaftliche Liquiditätsanalyse kann zur Beurteilung des Schuldnerunternehmens eingesetzt werden und liefert verdichtete Informationen, u. a. bei der Problemanalyse. Als Liquiditätskennzahlen bieten die Liquiditätsgrade einen relativ einfach und zügig zu ermittelnden Überblick über die Entwicklung der letzten Jahre und helfen bei der Feststellung und Eingrenzung des finanziellen Liquiditätseinbruchs. 181 Man unterscheidet zwischen Liquidität 1. Grades, Liquidität 2. Grades und Liquidität 3. Grades. 182 Die Liquidität 1. Grades (Cash Ratio) gibt das Verhältnis der liquiden Mittel zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten eines Unternehmens an und erlaubt damit eine Analyse darüber, inwieweit ein Unternehmen seine derzeitigen kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen allein durch seine liquiden Mittel erfüllen kann.
___________ 76) Unbefristet; die bis zum 31.12.2013 geltende Befristung ist entfallen. 77) Vgl. BGH, Urt. v. 13.7.1992 – II ZR 269/91, ZIP 1992, 1382, dazu EWiR 1992, 1093 (Hunecke).
36
I. Der Insolvenzantrag
Die Liquidität 1. Grades berechnet sich wie folgt:
183
Praxistipp: Liquidität 1. Grades = liquide Mittel ./. kurzfristige Verbindlichkeiten
Der ideale Zielwert beträgt 10 – 30 %; der Sollwert liegt bei 10 %.
184
Die Liquidität 2. Grades (Acid Test Ratio [ATR] oder auch Quick Ratio), 185 auch Einzugsliquidität (kurz EL), gibt das Verhältnis des Geldvermögens zuzüglich Wertpapierbestand und den kurzfristigen Forderungen zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten eines Unternehmens an. Es ist ein Maß dafür, ob ein Unternehmen in der Lage ist, seine kurzfristigen Verbindlichkeiten zu bezahlen. Die Liquidität 2. Grades berechnet sich wie folgt:
186
Praxistipp: Liquidität 2. Grades = (Geldvermögen + Wertpapiere + kurzfristige Forderungen) ./. kurzfristige Verbindlichkeiten
Der ideale Zielwert beträgt 100 – 120 %; der Sollwert liegt bei 50 %.
187
Die Liquidität 3. Grades (Current Ratio) gibt das Verhältnis des Umlauf- 188 vermögens (englisch current assets) zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten eines Unternehmens an. Ist das Current Ratio kleiner als 1, dann wird ein Teil der kurzfristigen Verbindlichkeiten nicht durch das Umlaufvermögen gedeckt, das heißt, es muss unter Umständen Anlagevermögen zur Deckung der Verbindlichkeiten verkauft werden. Die Liquidität 3. Grades berechnet sich wie folgt: Praxistipp: Liquidität 3. Grades = Umlaufvermögen ./. kurzfristige Verbindlichkeiten
Der ideale Zielwert beträgt > 120 %; der Sollwert liegt bei 100 %.
189
4. Antragshäufung In der Praxis nicht unüblich ist das Vorliegen mehrerer paralleler Eröffnungs- 190 anträge: Ein Schuldnerantrag neben einem oder mehreren Gläubigeranträgen oder auch mehrere Gläubigeranträge. Jeder Antrag wird mit Eingang bei Gericht unter einem eigenen Aktenzeichen geführt. Mit der Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens erfolgt regelmäßig 191 eine Verbindung der Verfahren (§ 4 InsO, § 147 ZPO).78) ___________ 78) Vgl. BGH, Beschl. v. 11.3.2010 – IX ZB 110/09, ZIP 2010, 888 = ZVI 2010, 300, dazu EWiR 2010, 493 (Stahlschmidt).
37
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
II. Deckung der Verfahrenskosten 1. Verfahrenskostendeckung 192 Zwingende Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist die Deckung der Verfahrenskosten (ĺ Rn. 192 ff.) aus dem vorhandenen Schuldnervermögen. Sind die Kosten des Insolvenzverfahrens nicht gedeckt, weist das Insolvenzgericht den Eröffnungsantrag mangels einer die Verfahrenskosten deckenden Masse ab (§ 26 Abs. 1 Satz 1 InsO), es sei denn, es wird ein ausreichender Verfahrenskostenvorschuss eingezahlt (§ 26 Abs. 3 bzw. Abs. 4 InsO). 193 Die Verfahrenskosten sind voraussichtlich nicht gedeckt, wenn wahrscheinlich ist, dass kein für die Verfahrenskostendeckung ausreichendes Vermögen vorhanden ist.79) Zur Beantwortung der Frage der Verfahrenskostendeckung bedarf es einer Prognose hinsichtlich der künftigen voraussichtlich freien Insolvenzmasse (ĺ Rn. 410 ff.) und der voraussichtlichen Verfahrenskosten (ĺ Rn. 192 ff.) zu einem unter Ansatz eines angemessenen Zeitraums, der zur Realisierung der Vermögenswerte veranschlagt werden muss, zu bestimmenden Zeitpunkt.80) 194 Der maßgebliche Zeitpunkt für die Entscheidung über die Frage der voraussichtlichen Verfahrenskostendeckung ist der Zeitpunkt der Entscheidung über den Insolvenzantrag.81) 195 Gemäß § 26 Abs. 4 InsO besteht eine Vorschusspflicht gegen denjenigen, der entgegen den Vorschriften des Insolvenz- oder Gesellschaftsrechts pflichtwidrig und schuldhaft keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat (vgl. insbesondere § 15a InsO, ĺ Rn. 138 ff.). Anspruchsberechtigt sind der vorläufige Insolvenzverwalter und jede Person, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) wäre.82) 196 Wird das Insolvenzverfahren aufgrund einer positiven Prognose zur Verfahrenskostendeckung eröffnet, die prognostizierten Erlöse jedoch im Zuge der Verwertung nicht erzielt, muss eine Einstellung des Verfahrens mangels Masse gemäß § 207 InsO (ĺ Rn. 892 ff.) erfolgen. 2. Stundung der Verfahrenskosten 197 Eine Stundung der Verfahrenskosten kommt nur infrage, wenn der Schuldner eine natürliche Person ist (vgl. § 4a InsO). Bei Insolvenzverfahren über ___________ 79) BGH, Beschl. v. 13.4.2006 – IX ZB 118/04, ZIP 2006, 1056 = ZVI 2006, 237. 80) Siehe hierzu BGH, Beschl. v. 17.6.2003 – IX ZB 476/02, ZIP 2003, 2171 = ZVI 2004, 28, der auf einen Zeitraum von einem Jahr ab der Verfahrenseröffnung abstellt. 81) BGH, Beschl. v. 2.12.2010 – IX ZB 121/10, ZIP 2011, 90, dazu EWiR 2011, 155 (Gundlach/Müller Udo). 82) BT-Drucks. 17/5712.
38
III. Bestellung eines Sachverständigen/Insolvenzgutachters durch das Insolvenzgericht
das Vermögen von juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit muss daher eine Verfahrenskostendeckung gegeben sein, soll das Verfahren eröffnet werden. Eine Stundung kommt nicht in Betracht. Andernfalls entscheidet das Insolvenzgericht über den Eröffnungsantrag durch Abweisung mangels Masse (§ 26 InsO). III. Bestellung eines Sachverständigen/Insolvenzgutachters durch das Insolvenzgericht 1. Aufgaben und Befugnisse des Sachverständigen Kann das Insolvenzgericht nach Eingang des Eröffnungsantrags nicht zwei- 198 felsfrei feststellen, ob die Voraussetzungen der Eröffnung des Verfahrens vorliegen, bestellt es regelmäßig einen Sachverständigen. Die Bestellung erfolgt durch Beweisbeschluss (Amtsermittlungsgrundsatz, § 5 Abs. 1 InsO). Der Sachverständige stellt umfassende Ermittlungen zu den Vermögensver- 199 hältnissen der Schuldnerunternehmen an und nimmt nach Abschluss der Ermittlungen zu den vom Gericht definierten Fallfragen gutachterlich Stellung. Der Ermittlungsumfang ist gesetzlich nicht vorgeschrieben und kann im Einzelfall inhaltlich und quantitativ abweichen. Der Aufgabenkreis des Sachverständigen beschreibt sich im Wesentlichen 200 wie folgt: x
Die Prüfung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse des Schuldners;
x
die Feststellung, ob Auslandsbezug vorliegt;
x
die Prüfung des Erfordernisses der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen (§§ 21 ff. InsO);
x
die Prüfung des Vorliegens eines nach der Rechtsform des Schuldners maßgeblichen Eröffnungsgrundes (§§ 16 ff. InsO);
x
die Prüfung der Fortführungsfähigkeit des schuldnerischen Unternehmens;
x
die Feststellung, ob eine kostendeckende Masse vorhanden ist;
x
die Ermittlung besonders bedeutsamer Rechtshandlungen, zu denen ggf. die Zustimmung der stimmberechtigten Gläubiger einzuholen ist (§ 160 Abs. 1 Satz 3 InsO);
x
ggf. die Prüfung, ob ein zulässig Insolvenzantrag vorliegt (§ 13 InsO).
Das Abschlussgutachten des Sachverständigen (ĺ Rn. 297 ff.) ist innerhalb 201 einer vom Gericht frei bestimmbaren Frist einzureichen. Diese beträgt – je nach Gericht und Sachverhalt – ca. drei bis sechs Wochen. Konnten die Ermittlungen innerhalb der Frist nicht abgeschlossen werden, erstattet der Sachverständige bis zum Abschluss seiner Tätigkeit in regelmäßigen Abstän-
39
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
den Zwischenberichte an das Insolvenzgericht. Die Zwischenberichte beinhalten Ausführungen über den Fortgang der Ermittlungen, die Vermögenswerte, eventuelle Ermittlungsschwierigkeiten sowie die noch zu klärenden Sachverhalte und Fragestellungen. Für die Zwischenberichte kann und wird das Insolvenzgericht ebenfalls bestimmte Zeitvorgaben festlegen; diese betragen i. d. R. durchschnittlich ca. zwei bis vier Wochen. 202 Als Informationsquelle kann der Sachverständige hauptsächlich auf die gemäß §§ 101, 97 InsO zur Auskunftserteilung verpflichteten Personen (organschaftliche/gesetzliche Vertreter und Angestellte) zurückgreifen. Regelmäßig lädt er zur Auskunftserteilung zu einem oder mehreren unverzüglich anzuberaumenden Besprechungstermin/en, die meist am Firmensitz stattfinden. Hierdurch besteht die Möglichkeit, sich ein „Bild vor Ort“ zu machen und sogleich einige wichtige Unterlagen in Besitz zu nehmen, um diese im Nachgang auswerten zu können. 203 Zudem informiert der Sachverständige die wichtigsten Verfahrensbeteiligten über das Vorliegen eines Insolvenzeröffnungsantrags. Dies sind in aller Regel die beteiligten Banken, die Finanzverwaltung und Sozialversicherungsträger. Die Information erfolgt einerseits, um die dort bestehenden Forderungen gegen den Schuldner zu ermitteln, nicht zuletzt aber vor dem Hintergrund, die Beteiligten im Hinblick auf mögliche Insolvenzanfechtungsansprüche (ĺ Rn. 654 ff.) „bösgläubig“ über den vorliegenden Eröffnungsantrag zu machen. 204 Stellt der Sachverständige im Zuge der Ermittlungen werthaltiges Vermögen fest oder ist der Geschäftsbetrieb noch nicht eingestellt, wird er umgehend die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gemäß §§ 21 ff. InsO, insbesondere die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, der diese Sicherung der Haftungsmasse gewährleistet, anregen. 205 Die nachfolgende abgebildete Checkliste soll die umfassende Ermittlung der Vermögensverhältnisse und die Erstellung der nach Abschluss der Ermittlungen einzureichenden Sachverständigengutachten erleichtern.83)
___________ 83) In ähnlicher Form bereits Wipperfürth, InsbürO 2012, 463.
40
Ehegatte
Unterhaltsberechtigte Eltern
c)
d)
Minderjährige Kinder
11.
Volljährige Kinder
Familienstand
Unterhaltspflichten
10.
b)
Email
9.
a)
Telefon – Mobil
Fax
8.
6.
7.
Anschrift
Telefon – Festnetz
5.
Geburtsdatum
Geburtsort
3.
4.
Name, Vorname (org./gesetzl. Vertreter)
Geburtsname
1.
2.
ALLGEMEINES
I.
Sachverhalt/Frage
Antragsdatum (Eingang bei Gericht)
Eigenantrag/Fremdantrag von
Az. des Gerichts
Insolvenzverfahren
nein
Checkliste Gesellschaftsinsolvenzen
ja
Angaben/Antworten liegen vor
werden nachgereicht
Nachweise
III. Bestellung eines Sachverständigen/Insolvenzgutachters durch das Insolvenzgericht
41
42
Erlernter Beruf
13.
15.
14.
eingestellter Geschäftsbetrieb
cc)
Gesellschafterbeschlüsse seit Gründung
Liste der aktuellen und ehemaligen Gesellschafter/Mitglieder (Name/n und aktuelle Anschrift/en)
Geschäftsführeranstellungsvertrag/-verträge (entspr. bei Vorstand etc.)
h)
i)
j)
Steuerberater (Name, Anschrift)
Gesellschaftsvertrag/-verträge/Satzung
g)
(2) Grund der Einstellung
(1) eingestellt am
Br a n c h e
laufender Geschäftsbetrieb (s. auch V.)
bb)
Evtl. Zweigniederlassungen (vollständige Bezeichnung inkl. Sitz)
Geschäftsbetrieb
e)
f)
aa)
HR A/HR B Nr.
Handelsregisterauszug
d)
Sitz
b)
c)
Vollständige Firma
a)
Angaben zur Schuldnerunternehmung
Unternehmen
Anerkannte Schwerbehinderungen, sonst. Einschränkungen d. Erwerbstätigkeit
12.
Sachverhalt/Frage
nein
ja
Angaben/Antworten liegen vor
werden nachgereicht
Nachweise
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
Bilanzen/Jahresabschlüsse der letzten 3 Jahre
c)
Eigentum des Gesellschafters (Mietvertrag?)
cc)
Anschrift des Grundstücks
A l l e i n e ig e n t u m
Miteigentum zu [...] Anteil
a a)
b)
bb)
Amtsgericht, Liegenschaft, Grundbuchblatt
Ei g e n t u m s a n t e i l
a)
Grundbesitz
g)
1.
G e w e r k sc h a f t
f)
AKTIVA
Angaben zum Betriebsrat
Tarifvertrag
e)
Beitragsnachweise, Lohnsteueranmeldungen der letzten 3 Monate
Sozialversicherungsträger, Berufsgenossenschaften (jeweils Anschrift und Betriebs-/Mitgliedsnummer)
d)
Gehaltsabrechnungen aller AN der letzten 12 Monate + Angabe der Lohnrückstände (seit wann?)
b)
c)
Arbeitsverträge + Kündigungen der zuletzt beschäftigten Arbeitnehmer
a)
Personalbuchhaltung
c)
II.
18.
L e t z t e BW A
Letzte Summen-/Saldenliste
b)
Stand der Buchhaltung
17.
a)
Finanzamt u. Steuernummer
16.
Sachverhalt/Frage
nein
ja
Angaben/Antworten liegen vor
werden nachgereicht
Nachweise
III. Bestellung eines Sachverständigen/Insolvenzgutachters durch das Insolvenzgericht
43
44
2.
Versicherungsgesellschaft, Vers.-Nr.
Grundsteuern (Zahlungsempfänger, Betrag, Fälligkeit)
Abwasser-/Kanalgebühren (Zahlungsempfänger, Betrag, Fälligkeit)
dd) sonstige lfd. Kosten, z. B. Schornsteinfeger, Abfall, Straßenreinigung (Zahlungsempfänger, Betrag, Fälligkeit)
cc)
bb) Energiekosten (Zahlungsempfänger, Betrag, Fälligkeit)
aa)
Nebenkosten
bb) Beitragsrückstände seit [...]
aa )
Besteht eine Gebäudeversicherung?
Marke, Modell
Amtl. Kennzeichen
a)
b)
Kraftfahrzeuge (PKW, LKW, Zweiräder, o. ä. – jeweils Zulassungsbescheinigung I + II bzw. Betriebserlaubnis)
i)
h)
Nutzung eines Gesellschafters zur Miete (Höhe)?
dd) Nutzung eines Gesellschafters mietzinsfrei (seit wann)?
cc)
bb) Fremdnutzung durch [...] (Mieteinnahmen s. u.)
Selbstnutzung Schuldnerunternehmen
Wer nutzt das Grundstück/die Immobilie
g)
a a)
Anordnung Zwangsversteigerung? Ja/Nein
Belastungen Abt. II, III
e)
f)
Anordnung Zwangsverwaltung? Ja/Nein
d)
Sachverhalt/Frage
nein
ja
Angaben/Antworten liegen vor
werden nachgereicht
Nachweise
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
6.
Rechte Dritter (Pfändungen, Verpfändungen, Zwangsverwaltung, Abtretungen)
c)
Vorlage Drittschuldnerverzeichnis mit vollständiger Bezeichnung des Drittschuldners, Forderungsgrund und -betrag)
Rechte Dritter (Pfändungen, Verpfändungen, Globalzession, Abtretungen, Factoring)
Einwendungen
a)
b)
c)
Forderungen gegen Dritte bzw. L+L
Name, Anschrift d. Mieters (Mietvertrag)
Letzte Mietzahlung (Datum, Betrag)
b)
Mieteinnahmen
a)
Mietkautionsguthaben
5.
Fahrzeug(e) zur Betriebsfortführung erforderlich (§§ 21 Abs. 1 Nr. 5, 169 InsO)?
h)
4.
Kfz-Steuer (letzter Bescheid)
g)
Steuererstattungsansprüche
Kfz-Versicherungen (Haftpflicht/Kasko) bei Versicherung… unter Nr. …. + Beitragshöhe und Fälligkeit (ggf. Rückstände)
f)
3.
Kilometerlaufleistung
Eigentum/Leasing/Finanzierung (Sicherungsübereignung); bei Leasing/ Fremd- o. Sicherungseigentum Vorlage Vertragswesen
d)
e)
Baujahr/Erstzulassung
c)
Sachverhalt/Frage
nein
ja
Angaben/Antworten liegen vor
werden nachgereicht
Nachweise
III. Bestellung eines Sachverständigen/Insolvenzgutachters durch das Insolvenzgericht
45
46
9.
8.
7.
Kontoauszüge aller Konten (Zeitraum mind. 6 Monate vor Antragsstellung bis Eröffnung)
aktuelles Guthaben und Buchungen mind. der letzten 6 Monate vor Antragstellung bis Eröffnung
S c h l i e ßf ä c he r
bb) Rechte Dritter (Pfändungen, Verpfändungen, Abtretungen)
aa)
Festgeldkonten
bb) Rechte Dritter (Pfändungen, Verpfändungen, Abtretungen)
aa)
Giro-/Geschäftskonten (Angabe aller Konten nebst Kreditinstitut und Kontonummer)
Inventarliste (möglichste genaue Gerätebezeichnung nebst Anschaffungsdatum + Anschaffungswert)
Evtl. Drittrechte (Verpfändungen, Pfändungen, Raumsicherungsverträge, Vermieterpfandrecht, Leasing, Sicherungsübereignung, Fremdeigentum)
a)
b)
Betriebs- und Geschäftsausstattung
Aktueller Barkassenbestand
Kassenbuch (inkl. Originalbelege)+ Kassenberichte mind. 6 Monate vor Antragstellung bis Eröffnung
a)
b)
Barkasse
c)
b)
a)
Bankguthaben
Sachverhalt/Frage
nein
ja
Angaben/Antworten liegen vor
werden nachgereicht
Nachweise
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
Forderungspfändungen
Pfändungen Gerichtsvollzieher
aa)
bb)
Befriedigungen einzelner Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung (haupts. 3 Monate vor Antragstellung)
Anfechtungen
15.
a)
Patente/Lizenzen/Wortmarken/Bildmarken
d)
Sonstige Forderungen/Vermögenswerte
Beteiligungen
Existieren zu a)–c) Rechte Dritter (Abtretungen, Verpfändungen, Pfändungen)
c)
14.
Wertpapiere, Aktiendepots
b)
13.
Anteile an verbundenen Unternehmen
a)
Finanzanlagen
12.
Evtl. Drittrechte (Verpfändungen, Pfändungen, Raumsicherungsverträge, Vermieterpfandrecht, Leasing, Sicherungsübereignung, Fremdeigentum, Eigentumsvorbehalt)
b)
Stammeinlagen-/Kommanditeinlagen (Summe, Nachweise, Hin-/Herzahlungen, Darlehen)
Inventurliste (möglichste genaue Bezeichnung nebst Kaufdatum + Kaufpreis, Angaben zu Zahlungen)
a)
Vorratsbestand/Warenlager
11.
10.
Sachverhalt/Frage
nein
ja
Angaben/Antworten liegen vor
werden nachgereicht
Nachweise
III. Bestellung eines Sachverständigen/Insolvenzgutachters durch das Insolvenzgericht
47
48
Ansprüche gegen Gesellschafter
Anhängige/laufende Rechtsstreite (Gegner, Gericht, Aktenzeichen, Verfahrensstand/Termine, evtl. anwaltl. Vertreter)
Aktuelle Pfändungen/Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (§§ 88, 89 InsO, ggf. § 129 ff. InsO)
Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (Liquiditätsstatus, Indizien, Fehlbetrag im Jahresabschluss)
1.
2.
3.
IV. SONSTIGES
Darlehen Gesellschafter (Verträge, Rückzahlungen, Rangrücktritt)
Energielieferungsverträge
Versicherungsverträge (Haftpflicht, Betriebshaftpflicht, Unfall, Hausrat etc.)
d)
e)
3.
Telefon-/Internet-/Handyverträge
c)
Insolvenzforderungen (Gläubigerliste nebst vollständiger Anschriften, Forderungsbetrag, ggf. Inkassodienstleister/Rechtsanwalt)
Miete (Vorlage Mietvertrag)
Leasingverträge
b)
Dauerschuldverhältnisse
a)
2.
1.
III. PASSIVA
Ansprüche gegen Geschäftsführer/Vorstand
17.
Zahlungen/Sicherheitenbestellung auf Druck einzelner Gläubiger (ggf. Nachbesicherung)
c)
16.
Ratenzahlungen an einzelne Gläubiger
b)
Sachverhalt/Frage
nein
ja
Angaben/Antworten liegen vor
werden nachgereicht
Nachweise
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
Dringende anstehende Bestellungen
b)
c)
Dringende Wartungen/Reparaturen/Investitionen
Ist ein Warenwirtschaftssystem vorhanden?
Je nach Branche: Verwendung eines EC-Cash-Geräts?
Je nach Zielsetzung: Angabe potentieller Investoren
4.
5.
6.
7.
Kundenliste (vollständige Datensätze incl. Anschriften und Ansprechpartner)
Wichtigste Lieferanten
Offene Bestellungen
a)
Lieferanten/Bestellungen
Auftragsangebote/Auftragserwartungen
c)
3.
2.
Begonnene Aufträge mit Bearbeitungsstand
Nicht begonnene Aufträge
b)
Derzeitiges Auftragsvolumen
1.
a)
Betriebsfortführung
V.
Sachverhalt/Frage
nein
ja
Angaben/Antworten liegen vor
werden nachgereicht
Nachweise
III. Bestellung eines Sachverständigen/Insolvenzgutachters durch das Insolvenzgericht
49
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
2. Konsequenzen für das Unternehmen 206 Die organschaftlichen/gesetzlichen Vertreter und die Angestellten sind zur umfassenden Auskunftserteilung und Mitwirkung verpflichtet (ausführlich ĺ Rn. 56 ff., vgl. §§ 20, 97, 101 InsO).84) 207 Allein die Anordnung über die Bestellung eines Sachverständigen (Beweisbeschluss) hat keinen Einfluss auf die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse der organschaftlichen/gesetzlichen Vertreter der Schuldnerunternehmung. Einschränkungen erfahren die Kompetenzen erst durch die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen (§§ 21 ff. InsO, ĺ Rn. 217 ff.) und in weniger einschneidendem Maße durch die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung und gleichzeitigen Bestellung eines vorläufigen Sachwalters (vgl. §§ 270a, 270b InsO, ĺ Rn. 319 ff.). 3. Vergütung des Sachverständigen 208 Der Sachverständige hat einen Anspruch auf angemessene Vergütung und Auslagenersatz. Die Vergütung richtet sich nach § 9 JVEG und ist als gerichtliche Auslage aus der Staatskasse zu begleichen (GKG – KV 9005). Die Festsetzung erfolgt zusätzlich zu der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, sofern ein solcher bestellt ist. 209 Bei der Bestimmung der Höhe des Stundensatzes ist zu unterscheiden, ob der Sachverständige gleichzeitig zum vorläufigen Insolvenzverwalter oder als „isolierter“ Sachverständiger bestellt wurde.85) 210 Für alle Sachverständigenaufträge bis zum 31.7.2013 wurde nach gefestigter Rechtsprechung ein Stundensatz für den „isolierten“ Sachverständigen in Höhe von 80 € (in Orientierung an Honorargruppe 7 gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG a. F.), bei gleichzeitiger Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter ein Stundensatz in Höhe von 65 € als Honorar gewährt.86) 211 Soweit der Sachverständigenauftrag ab dem 1.8.2013 erteilt wurde, ist § 9 JVEG in der seitdem geltenden Fassung anzuwenden.87) 212 Danach steht dem Sachverständigen, der gleichzeitig zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wird, gemäß § 9 Abs. 2 JVEG88) ein Stundensatz in Höhe von 80 € zu. ___________ 84) Siehe hierzu OLG Jena, 12.8.2010 – 1 Ss 45/10, ZInsO 2011, 732 sowie OLG Celle, Beschl. v. 19.12.2012 – 32 Ss 164/12, ZIP 2013, 1040 = ZInsO 2013, 731. Die OLG sehen den Insolvenzgutachter nicht als Auskunftsberechtigten i. S. v. § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO an. 85) Anm.: Bestellung ausschließlich als Sachverständiger ohne gleichzeitige Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter. 86) AG Hamburg, Beschl. v. 29.3.2010 – 67c IN 446/09, ZVI 2010, 285; OLG Hamburg, Beschl. v. 11.2.2010 – 4 W 138/09, ZInsO 2010, 634 m. w. N. 87) Vgl. Art. 72 Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (2. KostRMoG) v. 23.7.2013, BGBl. I S. 2586 m. W. v. 1.8.2013. 88) I. d. F. d. Art. 72 Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (2. KostRMoG) v. 23.7.2013, BGBl. I S. 2586 m. W. v. 1.8.2013.
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III. Bestellung eines Sachverständigen/Insolvenzgutachters durch das Insolvenzgericht § 9 Abs. 2 JVEG „[…] (2) Beauftragt das Gericht den vorläufigen Insolvenzverwalter, als Sachverständiger zu prüfen, ob ein Eröffnungsgrund vorliegt und welche Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen (§ 22 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 der Insolvenzordnung, auch in Verbindung mit § 22 Absatz 2 der Insolvenzordnung), beträgt das Honorar in diesem Fall abweichend von Absatz 1 für jede Stunde 80 €. […]“
Gesetzlich nicht geregelt ist der Stundensetz für den „isolierten“ Sachver- 213 ständigen. Ausgehend von der Regelung zum Stundensatz eines gleichzeitig zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellten Sachverständigen (§ 9 Abs. 2 JVEG), die „abweichend von Absatz 1“ einen Stundensatz von 80 € vorsieht, lässt sich herleiten, dass der Gesetzgeber die Tätigkeit eines isolierten Sachverständigen den Vergütungsklassen des § 9 Abs. 1 JVEG zuordnet.89) Unter Zugrundelegung der bisher ergangenen Rechtsprechung dürfte eine Eingruppierung in die Honorargruppe sechs bis neun mit einen Stundensatz zwischen 90 € und 105 € angemessen sein. Eine einheitliche Rechtsprechung hat sich noch nicht herausgebildet. Für die Praxis ist daher zu empfehlen, eine Abstimmung mit dem zuständigen Insolvenzgericht anzustrengen. Zum Teil versenden die Insolvenzgerichte auch Informationen an die Verwalterbüros, welche Stundensätze abgerechnet werden können. Zusätzlich zur Vergütung erhält der Sachverständige seine eigenen Auslagen 214 sowie die Umsatzsteuer aus der Staatskasse ersetzt (§§ 7, 12 JVEG). Soweit ein weiterer Industrie- oder Grundstückssachverständiger zur Bewer- 215 tung des Anlage- und/oder Umlaufvermögens, der Grundstücke (o. Ä.) beigezogen wird, ist das Insolvenzgericht hiervon zumindest in Kenntnis zu setzen (vgl. § 4 InsO, § 407a Abs. 1 ZPO).90) 4. Maßnahmen im Verwalterbüro Sobald ein Sachverständigenauftrag erteilt wurde, sind im Verwalterbüro be- 216 stimmte Arbeitsabläufe standardmäßig zu befolgen. Nachfolgende To-Do___________ 89) So auch LG Wuppertal, Beschl. v. 4.3.2014 – 16 T 37/14, ZIP 2014, 1990 = ZVI 2014, 358, das zumindest 90 € Stundensatz für angemessen hält (Honorargruppe 6); AG Darmstadt, Beschl. v. 17.10.2013 – 9 IN 612/13, ZIP 2013, 2372 = ZVI 2014, 79, das den Ansatz von regelmäßig 95 € befürwortet; AG Stuttgart, Beschl. v. 10.1.2014 – 3 IN 806/13, ZIP 2014, 1348 (LS) = NZI 2014, 227, das regelmäßig 105 € für angemessen erachtet. 90) A. A. AG Hamburg, Beschl. v. 29.4.2013 – 67g IN 327/11, ZIP 2014, 338:“ Die Beauftragung eines sog. Verwerters zum Zwecke der Bewertung des schuldnerischen Anlagevermögens im Eröffnungsverfahren erfolgt ausschließlich durch das Insolvenzgericht im Rahmen des § 5 Abs. 1 InsO. Dem Sachverständigen/vorläufigen Insolvenzverwalter ist es gestattet, konkrete Vorschläge hinsichtlich der Person zu unterbreiten, denen das Gericht im Regelfall folgen wird.“
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B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
Liste soll zur Unterstützung der Implementierung eines Prozesses dienen: Praxistipp: Prozessablauf Arbeitsschritte Sachverständigenauftrag x Aktenanlage und Erfassung der Beteiligten x Erstkontakt zum organschaftlichen/gesetzlichen Vertreter des Schuldnerunternehmens (schriftlich/fernmündlich/persönlich) – Informationsbeschaffung anhand Checkliste (ĺ Rn. 205) – Ermittlung der Kontaktdaten des Ansprechpartners (Gerichtsakte, Internetrecherche, [bei Fremdantrag] fernmündliches Gespräch mit dem Antragsteller) – Bei laufendem Geschäftsbetrieb: Ortstermin am Geschäftssitz x Fristen notieren – Abgabetermin Gutachten – Ggf. Zwischenberichtsfristen – Spätester Abgabetermin Gutachten bei laufendem Insolvenzgeldzeitraum (sobald der Zeitraum der Lohnrückstände bekannt ist, ĺ Rn. 276 ff.) x Aktenrücksendung x Ggf. Anregung zur Anordnung von Sicherungsmaßnahmen (ĺ Rn. 217 ff.), sobald zu sichernde Vermögenswerte festgestellt werden, regelmäßig bei laufendem Geschäftsbetrieb. Die daraufhin zusätzliche zu befolgenden Arbeitsschritte betreffen die vorläufige Insolvenzverwaltung (ĺ Rn. 217 ff.). x (Ggf.)91) Einrichtung eines Anderkontos x Anschreiben an weitere Beteiligte, insbesondere Hausbank/en, Steuerberater, Krankenkassen, Finanzamt, Versicherungen – Bei der Bestellung eines „isolierten Sachverständigen“ sind von den Beteiligten Informationen i. d. R. nur nach Vorlage einer Schweigepflichtentbindungserklärung/Vollmacht zur Informationsbeschaffung zu erhalten. Diese ist vom Schuldnervertreter zu unterzeichnen. x Erfassung der Gläubiger x Ggf. Zwischenberichte an das Insolvenzgericht über die bis dahin entfalteten Tätigkeiten, wenn der Gutachterauftrag innerhalb der ersten Frist zur Einreichung des Abschlussgutachtens noch nicht abgeschlossen werden konnte x Vermögenswerte ermitteln und erfassen, inkl. Klärung evtl. Drittrechte x Erstellung des Abschlussgutachtens92) x Vergütungsabrechnung Sachverständigentätigkeit93)
___________ 91) Die Einrichtung eines Anderkontos erfolgt in manchen Verwalterbüros standardmäßig für jedes Verfahren, in manchen Büros hingegen nur dann, wenn auch Vermögenswerte festgestellt werden. 92) Muster in: Heyn/Kreuznacht/Voß, Arbeitshilfen für Insolvenzsachbearbeiter, Rn. 398 ff. 93) Muster in: Heyn/Kreuznacht/Voß, Arbeitshilfen für Insolvenzsachbearbeiter, Rn. 400 ff.
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IV. Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts
IV. Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts 1. Sicherungsmaßnahmen a) Grundlegendes Soweit sich bereits aus den Angaben zum Insolvenzeröffnungsantrag in der 217 Insolvenzakte oder im Zuge der Ermittlungen des Sachverständigen Anhaltspunkte für Vermögenswerte ergeben, die nach der künftigen Insolvenzmasse zuzurechnen sind, gilt es, diese Haftungsmasse für die Befriedigung der Gläubiger zu erhalten. Das Insolvenzgericht hat die Möglichkeit, von Amts wegen dem Einzelfall entsprechende Sicherungsmaßnahmen gemäß §§ 21 ff. InsO anzuordnen. Die Anordnung erfolgt durch gerichtlichen Beschluss (§ 21 Abs. 1 Satz 1 InsO). Eines Antrags bedarf es insoweit nicht. Die Anordnung kann auch vor abschließender Prüfung der Zulässigkeit des Eröffnungsantrags ergehen.94) Das Insolvenzverfahren bedeutet einen drastischen Eingriff in den schuldne- 218 rischen Handlungs- und Wirkungskreis. Die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen hat daher stets nach einzelfallbezogener Würdigung der Gesamtumstände und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und der Erforderlichkeit zu erfolgen.95) Die Entscheidung, welche Anordnungen aus dem nicht abschließenden, sondern beispielhaft zu verstehenden96) Maßnahmenkatalog des § 21 Abs. 2, 3 InsO im konkreten Einzelfall angezeigt, erforderlich und verhältnismäßig sind, trifft das Insolvenzgericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Eröffnungsverfahren ist geprägt vom vorherrschenden Ziel der Sicherung der künftigen Masse. Verwertungsbefugnisse zugunsten des vorläufigen Insolvenzverwalters sind daher nur dann angezeigt, wenn hierdurch ein Schaden von der Masse abgewendet werden kann, der ohne diese Befugnisse entstehen würde.97) Nachfolgend werden die in der Praxis gängigsten Sicherungsmaßnahmen 219 im Einzelnen näher erläutert. b) Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (§§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 22 InsO) Siehe hierzu sogleich Rn. 244 ff.
220
___________ 94) BGH, Beschl. v. 15.12.2011 – IX ZB 139/11, KSI 2012, 92. 95) Exemplarisch: BGH, Beschl. v. 14.12.2000 – IX ZB 105/00, ZIP 2001, 296 (m. Bespr. Keller, S. 1749) = NZI 2001, 191, dazu EWiR 2001, 281 (Keller). 96) Vgl. Wortlaut des § 21 Abs. 2 Satz 1 InsO: „[…] kann insbesondere […]“. 97) Hierzu grundsätzlich u. a. BGH, Beschl. v. 14.12.2000 – IX ZB 105/00, ZIP 2001, 296 (m. Bespr. Keller, S. 1749) = NZI 2001, 191.
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B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
c) Untersagung/einstweilige Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das bewegliche Vermögen (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO) 221 Ausfluss der im Eröffnungsverfahren geltenden Zielsetzung der Sicherung und des Erhalts der Haftungsmasse ist die Möglichkeit, Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen, durch die sich einzelne Gläubiger aus dem noch vorhandenen Vermögen entsprechend der im Vollstreckungsrecht geltenden Rangfolge bevorzugt befriedigen können, zu verhindern. 222 Im eröffneten Insolvenzverfahren unterbindet das Vollstreckungsverbot (§ 89 InsO, ĺ Rn. 849 ff.) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens in die Insolvenzmasse und in das sonstige Vermögen des Schuldners. Im Eröffnungsverfahren existiert ein gesetzliches Verbot nicht. Zwar werden im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherheiten mit Eröffnung unwirksam gemäß § 88 InsO (Rückschlagsperre ĺ Rn. 854 ff.) und durch die Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigungen unter den Voraussetzungen der § 129 ff. InsO anfechtbar (ĺ Rn. 654 ff.). Ein zunächst eintretender Vermögensabfluss und die damit einhergehende Schmälerung der Haftungsmasse zulasten der Gläubigergesamtheit werden jedoch nicht verhindert. Die Anfechtung muss nach Eröffnung vom Verwalter aktiv erklärt und der daraus resultierende Rückgewähranspruch (§ 143 Abs. 1 InsO) durchgesetzt werden. 223 Um im Antragsverfahren Vermögensabflüsse frühzeitig zu verhindern und insbesondere auch bei einer Betriebsfortführung Liquidität zu sichern, können durch gerichtliche Anordnung Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung untersagt und einstweilen eingestellt werden. 224 Die Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO kann ausschließlich für bewegliches Vermögen ergehen und umfasst hauptsächlich x
die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen (vgl. §§ 803 ff. ZPO),
x
die Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte (§§ 828 ff. ZPO),
x
die zwangsweise Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (vgl. §§ 807 ff. ZPO),98)
x
die Herausgabevollstreckung (vgl. §§ 883 ff. ZPO),
x
die Räumungsvollstreckung (§ 885 ZPO),
x
die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen (vgl. §§ 887 ff. ZPO) und
___________ 98) BGH, Beschl. v. 24.5.2012 – IX ZB 275/10, NZI 2012, 560.
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IV. Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts
x
die Vollziehung von Arresten und einstweiligen Verfügungen i. S. d. §§ 928, 936 ZPO.99)
Soweit unbewegliches Vermögen betroffen ist, kann eine Intervention durch 225 das Insolvenzgericht nicht ausgesprochen werden. Hat ein Gläubiger einen Antrag auf Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung gestellt, ist diese Maßnahme nicht von § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO erfasst. Eine einstweilige Einstellung kann nur auf Antrag des vorläufigen Insolvenzverwalter durch das Vollstreckungsgericht, nicht aber durch das Insolvenzgericht angeordnet werden (§ 30d Abs. 4 ZVG). d) Anordnung einer vorläufigen Postsperre (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 InsO) Die Verhängung einer vorläufigen Postsperre (§§ 21 Abs. 1 Nr. 4, 99 InsO) 226 soll gewährleisten, dass die Korrespondenz des Schuldnerunternehmens nicht diesen, sondern dem vorläufigen Insolvenzverwalter zugestellt wird. Infolgedessen wird der vorläufige Insolvenzverwalter in die Lage versetzt, durch Sichtung sämtlicher Schriftstücke eventuell noch verborgenes Vermögen zu entdecken bzw. zu verhindern, dass noch vorhandenes Vermögen entzogen wird. Die Anordnung einer vorläufigen Postsperre geht regelmäßig einher mit der Bestellung eines mindestens „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters und soll gewährleisten, dass dieser seiner Sicherungspflicht nachkommen kann. Die Anordnung ist auch nach Eröffnung des Verfahrens noch möglich (vgl. § 99 InsO). Insbesondere, wenn die organschaftlichen/gesetzlichen Vertreter des insol- 227 venten Unternehmens obstruierendes Verhalten zeigen und hierdurch die Sicherungs- und Ermittlungsarbeit behindern oder vereiteln, ist die Anordnung einer vorläufigen Postsperre ein probates Mittel, dem entgegenzutreten. Das Insolvenzgericht ist gehalten, die Verhältnismäßigkeit einer solchen Anordnung unter Berücksichtigung des Brief- sowie des Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG) zu beachten.100) e) Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO Das Insolvenzgericht kann bei Vorliegen von Aus-/Absonderungsgut, welches 228 zu einer Betriebsfortführung benötigt wird, eine Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO treffen. § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO Das Gericht kann insbesondere […]
___________ 99) HK-InsO/Schröder, § 21 Rn. 54 f. 100) Vgl. OLG Celle, Beschl. v. 11.9.2000 – 2 W 87/00, ZIP 2000, 1898 = NZI 2000, 583, dazu EWiR 2001, 123 (Voß).
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B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren 5. anordnen, dass Gegenstände, die im Falle der Eröffnung des Verfahrens von § 166 erfasst würden oder deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht verwertet oder eingezogen werden dürfen und dass solche Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von erheblicher Bedeutung sind; § 169 Satz 2 und 3 gilt entsprechend; ein durch die Nutzung eingetretener Wertverlust ist durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen. Die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen besteht nur, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt. Zieht der vorläufige Insolvenzverwalter eine zur Sicherung eines Anspruchs abgetretene Forderung anstelle des Gläubigers ein, so gelten die §§ 170, 171 entsprechend.
229 Durch die Anordnung ist gewährleistet, dass bewegliches Aus-/Absonderungsgut zunächst für die Betriebsfortführung eingesetzt werden darf, ohne dass der Berechtigte die Verwertung oder den Einzug verlangen kann. 230 Voraussetzung ist jedoch, dass die jeweiligen Gegenstände für die Betriebsfortführung von erheblicher Bedeutung sind (z. B. die geleasten LKW für ein Speditionsunternehmen). Diese muss individualisierbare Ausführungen zu den betreffenden Gegenständen enthalten. Ist sie zu pauschal, ist sie unwirksam. Getroffen wird die Anordnung regelmäßig nach einer dahingehenden Anregung des vorläufigen Insolvenzverwalters, die bereits Konkretisierungen beinhalten sollte, aus welchem Grund der jeweilige Gegenstand für die Fortführung von erheblicher Bedeutung ist.101) Pauschalangaben ohne weitere Präzisierung verbieten sich auch hier (z. B. „das gesamte Inventar“). 231 Die Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO ist zu unterscheiden von der sog. Einzelermächtigung (ĺ Rn. 233 ff.).102) 232 Der Berechtigte hat bei Weiternutzung der Gegenstände durch den vorläufigen Insolvenzverwalter einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung von dem Zeitpunkt an, der drei Monate nach dieser Anordnung liegt (§§ 21 Abs. 1 Nr. 5, 169 Satz 2 InsO). Die Entschädigung ist eine Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 2 InsO).103) Geht die Nutzung über die vertragliche Abrede hinaus, besteht zudem ein Anspruch auf Wertersatz.104) f) Einzelermächtigung 233 Insbesondere bei der Fortführung eines Geschäftsbetriebs ist auch im Eröffnungsverfahren die Weiterbelieferung/-versorgung mit Material, Energie, Telefon, Internet, Wasser, etc. sicherzustellen. Auf Seiten der Lieferanten und Dienstleister ist Handeln von höchster Vorsicht bestimmt; ein insolventer Kunde bedeutet ein erhöhtes Risiko an Forderungsausfall, sodass die ___________ 101) BGH, Urt. v. 3.12.2009 – IX ZR 7/09), ZIP 2010, 141 = ZInsO 2010, 136, dazu EWiR 2010, 155 (Voß). 102) BGH, Urt. v. 3.12.2009 – IX ZR 7/09, ZInsO 2010, 136. 103) BGH, Beschl. v. 8.3.2012 – IX ZR 78/11, ZIP 2012, 779 = ZInsO 2012, 701. 104) BGH v. 8.3.2012 a. a. O.
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IV. Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts
Gläubiger die Weiterbelieferung und/-versorgung davon abhängig machen, dass die Zahlungen garantiert werden. Dies geschieht regelmäßig durch die Erklärung bargeschäftlicher Zahlungszusagen des vorläufigen Insolvenzverwalters.105) Letztere sind aber nicht unbedingt gleichzusetzen mit einer Garantie, dass ihre in der vorläufigen Insolvenzverwaltung begründeten Forderungen auch vor Eröffnung des Verfahrens noch ausgeglichen werden. Nach Eröffnung ist dem Insolvenzverwalter untersagt, Zahlungen auf vor Insolvenzeröffnung begründete Insolvenzforderungen zu leisten. Eine solche Zahlung wäre als Verstoß gegen die Befriedigungsreihenfolge (§§ 53, 38, 209 InsO) haftungsbewehrt106). Kann trotz Zahlungszusage eine Forderung vor Insolvenzeröffnung nicht mehr bedient werden, ist der Gläubiger darauf verwiesen, seinen Anspruch durch Anmeldung zur Insolvenztabelle weiterzuverfolgen. Dieses Risiko ist vielen Gläubigern zu hoch. In diesen Fällen kann das Insolvenzgericht den „schwachen“ vorläufigen Insol- 234 venzverwalter (ĺ Rn. 248 ff.) im Rahmen von § 22 Abs. 2 InsO ermächtigen, einzelfallbezogen Masseverbindlichkeiten zu begründen, damit eine Weiterbelieferung/-versorgung und somit auch die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs sichergestellt ist (Einzelermächtigung).107) Hierdurch haben die Geschäftspartner im vorläufigen Insolvenzverfahren die Sicherheit, dass die betreffenden Rechnungen auch nach Insolvenzeröffnung (dann als Masseverbindlichkeiten) noch beglichen werden, sodass sie regelmäßig mit der Weiterbelieferung fortfahren. Wurde ein „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter (ĺ Rn. 245 ff.) bestellt, ist eine solche Anordnung nicht erforderlich, da die durch ihn begründeten Verbindlichkeiten kraft Gesetztes mit Eröffnung zu Masseverbindlichkeiten aufgewertet werden (vgl. § 55 Abs. 2 InsO). Die Einzelermächtigung erfasst in Ihrem Wirkungsrahmen nicht Zahlungs- 235 rückstände, die bereits vor Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung begründet wurden. Eine Verrechnung der Zahlungen zunächst auf die Altforderungen ist ausgeschlossen. Auch eine Einzelermächtigung bedarf konkreten, individualisierten Ausfüh- 236 rungen im Beschluss. Eine Pauschalanordnung ist unzulässig. Nach den Heidelberger Leitlinien108) soll es allerdings zulässig sein, eine Ermächtigung auch für einzelne Projekte/Projektgruppen (z. B. Bauprojekt „Markt-Hochhaus“) zu beschließen. Eine konkrete Projektbeschreibung nebst Darlegung des projektbezogenen Kostenaufwands ist allerdings auch dann unerlässlich. ___________ 105) Siehe hierzu BGH, Beschl. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 (m. Bespr. Prütting/Stickelbrock, S. 1608) = ZVI 2002, 250 = ZInsO 2002, 819, dazu EWiR 2002, 919 (Spliedt). 106) BGH, Beschl. v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, NZI 2004, 435. 107) BGH, Beschl. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 (m. Bespr. Prütting/ Stickelbrock, S. 1608) = ZVI 2002, 250 = NZI 2002, 543. 108) Heidelberger Leitlinien, ZInsO 2009, 1848.
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B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
g) Bestellung eines vorläufigen Gläubigerausschusses (§ 21 Abs. 2 Nr. 1a InsO) 237 Gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1a InsO kann bzw. muss das Insolvenzgericht unter den Voraussetzungen des § 22a InsO bereits im Eröffnungsverfahren einen vorläufigen Gläubigerausschuss bestellen (vgl. zum Aufgabenkreis und zur Abgrenzung der Begrifflichkeit ĺ Rn. 108 ff.). h) Leistungsgebot 238 Unabhängig davon, ob der vorläufige Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnissen ausgestattet ist („starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter ĺ Rn. 245 ff.), beschließt das Insolvenzgericht ein Leistungsgebot. Drittschuldner werden aufgefordert, nur noch an den vorläufigen Insolvenzverwalter zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO). Dies dient der direkten Liquiditätsgewinnung, da hierdurch das „Einfrieren“ bzw. die Verrechnung von auf dem – oftmals debitorisch geführten – Schuldnerkonto eingehenden Geldern verhindert wird. Diese Gelder stünden im Eröffnungsverfahren nicht als Liquidität zur Verfügung, sondern könnten erst nach Eröffnung im Wege der Anfechtung (ĺ Rn. 654 ff.) liquiditätswirksam zur Masse erstattet verlangt werden. Daneben wird durch die Vereinnahmung der Gelder auf dem Anderkonto eine sorgfältige Prüfung hinsichtlich, eventuell an den Forderungen bestehende Drittrechte und ggf. Drittrechtskollisionslagen ermöglicht. i) Betreten und Nachforschungen in den Räumen des Schuldners (§ 22 Abs. 3 Satz 1 InsO) 239 Eine Anordnung, die das Betreten der Räume des Schuldners sowie das Anstellen von Nachforschungen durch den vorläufigen Insolvenzverwalter erlaubt, ist vor dem Hintergrund der „Verdunklungsgefahr“ gesetzlich vorgesehen. Diese Anordnung entfaltet keine Wirkung auf Räume Dritter und kann insoweit auch nicht ausgedehnt werden.109) j) Allgemeines Verfügungsverbot (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO) 240 Die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots bedeutet für den organschaftlichen/gesetzlichen Vertreter des Schuldnerunternehmens den Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, soweit Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse betroffen sind. Gleichzeitig bestellt das Gericht einen („starken“) vorläufigen Insolvenzverwalter (ĺ Rn. 245), auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners übergeht (§ 22 Abs. 1 Satz 1 InsO), da andernfalls Verfügungen über das Vermögen des Schuldners nicht mehr möglich wären. Bei Anordnung i. S. v. § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO handelt es sich um ein absolutes Verfügungsverbot (vgl. § 24 InsO i. V. m. ___________ 109) BGH, Beschl. v. 24.9.2009 – IX ZB 38/08, ZIP 2009, 2068 = ZVI 2009, 442 = NZI 2009, 766, dazu EWiR 2010, 21 (Frind).
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IV. Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts
§§ 81, 82 InsO); der organschaftliche/gesetzliche Vertreter kann keine rechtswirksamen Verfügungen über künftige Massegegenstände vornehmen. k) Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO) Alternativ zum Verfügungsverbot (ĺ Rn. 240) kann das Gericht anordnen, 241 dass Verfügungen des Schuldners nur noch mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Zeitgleich ist ein solcher („schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter ĺ Rn. 248 ff.) zu bestellen. Zu beachten ist, dass ausschließlich Verfügungen110) dem Zustimmungsvorbehalt unterliegen. Verpflichtungsgeschäfte kann der Schuldner nach wie vor rechtlich wirksam eingehen ohne jedoch die Insolvenzmasse hierdurch zu verpflichten. Eventuelle Ansprüche der Vertragspartner können allenfalls Insolvenzforderungen sein. Praxistipp: Verfügung i. S. v. § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO definiert sich als ein Rechtsgeschäft, durch das der Verfügende auf ein Recht unmittelbar einwirkt, es also entweder auf einen Dritten überträgt oder mit einem Recht belastet oder das Recht aufhebt oder es sonst wie in seinem Inhalt verändert.111)
Verfügungen, die der Schuldner nach Anordnung des Zustimmungsvorbe- 242 halts vornimmt, kann der vorläufige Insolvenzverwalter zustimmen. Dadurch erlangen sie Rechtswirksamkeit. Erteilt der vorläufige Insolvenzverwalter keine Zustimmung, sind die Verfügungen absolut unwirksam (§ 24 InsO i. V. m. §§ 81, 82 InsO). Eine Besonderheit ergibt sich für dingliche Rechte (z. B. Grundpfandrechte, 243 Eigentumsrechte), die zu ihrer Entstehung der Einigung und Eintragung im Grundbuch bedürfen. Fehlt zum Rechtserwerb lediglich noch die zum Zeitpunkt der Anordnung des Zustimmungsvorbehalts bereits beantragte Eintragung, hat der künftige Berechtigte eine gesicherte Rechtsposition. Der Rechtserwerb hängt in diesem Fall nur noch von der Bearbeitung des Eintragungsantrags durch das Grundbuchamt ab. In diesem Fall hindert der Zustimmungsvorbehalt nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO den Eintritt des Verfügungserfolges nicht.112) 2. Aufgaben und Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters Ein vorläufiger Insolvenzverwalter kann mit weitereichenden oder weniger 244 weitreichenden Befugnissen ausgestattet werden. Die Insolvenzordnung kennt zwei Möglichkeiten: ___________ 110) Im allgemeinen, zivilrechtlichen Sinne. 111) BGH, Beschl. v. 4.5.1987 – II ZR 211/86, BGHZ 101, 24. 112) BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 136/11, ZIP 2012, 1256 = ZfIR 2012, 547 (m. Anm. Kesseler, S. 549) = NZI 2012, 614, dazu EWiR 2012, 629 (Mitlehner).
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B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
a) Der starke vorläufige Insolvenzverwalter 245 Wurde ein allgemeines Verfügungsverbot (ĺ Rn. 240) beschlossen, geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der künftigen Gegenstände der Insolvenzmasse auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über (sog. „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter, §§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1, 22 Abs. 1 InsO). In gleichem Umfang verliert der Schuldner das Recht zur Verwaltung und Verfügung. Zwar bleibt das Schuldnerunternehmen Rechtsträger,113) die gegen die Anordnung getroffenen Verfügungen sind jedoch absolut unwirksam (vgl. § 24 InsO i. V. m. § 81 InsO). 246 Die Befugnisse des „starken“ vorläufigen Verwalters sind denen des Insolvenzverwalters angenähert. Verbindlichkeiten, die der „starke“ vorläufige Insolvenzverwalter im Eröffnungsverfahren begründet, sind mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes als Masseverbindlichkeiten qualifiziert (§ 55 Abs. 2 InsO). Mir der starken vorläufigen Insolvenzverwaltung geht auch ein erhebliches Haftungsrisiko für den Bestellten einher. 247 In der Praxis wird die „starke“ vorläufige Insolvenzverwaltung eher selten angeordnet, da neben der umfänglichen Verpflichtung der Insolvenzmasse hinsichtlich der im vorläufigen Insolvenzverfahren begründeten Verbindlichkeiten damit auch ein erhebliches Haftungsrisiko für den Bestellten einhergeht. b) Der schwache vorläufige Insolvenzverwalter 248 Dem Sicherungszweck des vorläufigen Insolvenzverfahrens entsprechend und praktisch gängig ist die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt. Verfügungen des Schuldners sind in diesem Fall nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam (sog. „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter, §§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2, 22 Abs. 2 InsO). Bis zur Genehmigung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter sind Verfügungen, die der organschaftliche/gesetzliche Vertreter des insolventen Unternehmens vornimmt, schwebend unwirksam (vgl. § 185 Abs. 2 BGB). Verweigert der vorläufige Insolvenzverwalter die Zustimmung, ist eine Verfügung des Schuldners endgültig unwirksam. 249 Auch der „schwache“ vorläufige Insolvenzverwalter kann die Insolvenzmasse verpflichten und Masseverbindlichkeiten begründen. Dies ist einerseits abhängig vom Umfang der gerichtlich angeordneten Sicherungsmaßnahmen (siehe hierzu §§ 21 Abs. 1 Nr. 5, 55 Abs. 2 Satz 2 InsO). Andererseits ist mit § 55 Abs. 4 InsO ein sog. „Fiskusprivileg“ verankert, welches bestimmte Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis mit Eröffnung zu Masseverbindlichkeiten aufwertet (ĺ Rn. 171 ff.). Zudem hat die ebenso um___________ 113) MünchKomm-InsO/Haarmeyer, § 21 Rn. 24.
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IV. Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts
strittene Entscheidung des BFH vom 9.12.2010114) weitergehende Privilegien geschaffen (ĺ Rn. 719). c) Verwertung und Notverwertung Der im Eröffnungsverfahren geltende Sicherungs- und Erhaltungsgrund- 250 satz ist gleichbedeutend mit dem nur auf Ausnahmefälle erheblich eingeschränkten Verwertungsrecht des vorläufigen Insolvenzverwalters. Das Verwertungsrecht steht dem Insolvenzverwalter zu (§§ 159 ff. InsO, ĺ 251 Rn. 513 ff.). Der Insolvenzverwalter hat grundsätzlich (erst) nach dem Berichtstermin, dann aber unverzüglich die Verwertung der Massegegenstände vorzunehmen (vgl. § 159 InsO). Ausnahmsweise stehen auch dem vorläufigen Insolvenzverwalter Verwer- 252 tungsbefugnisse zu, jedoch nur dann, wenn er hierdurch eine Deckung wenigstens der Verfahrenskosten und Masseverbindlichkeiten sicherstellen muss (vgl. § 25 Abs. 2 InsO).115) Ein mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ausgestatteter vorläufiger In- 253 solvenzverwalter kann bereits aus dieser Befugnis heraus Verwertungshandlungen vornehmen, ohne dass es hierzu einer zusätzlichen gesonderten Beschlussfassung des Insolvenzgerichts bedarf; klarstellend kann aber auch eine solche erfolgen.116) Ein „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter ist, sind Verwertungshandlungen wegen § 25 Abs. 2 InsO erforderlich, nur nach einer dahingehenden, gesonderten Beschlussfassung durch das Insolvenzgericht zur Verwertung aus eigener Verfügungsbefugnis heraus berechtigt. Soweit dies zur Kostendeckung erforderlich ist, stehen dem vorläufigen In- 254 solvenzverwalter allerdings ausschließlich aus diesem Grund Verwertungsbefugnisse zu. Als eine weitere Ausnahmekonstellation ist die „Notverwertung“ durch den 255 vorläufigen Insolvenzverwalter bereits im Eröffnungsverfahren anerkannt. Eine Notverwertung ist dann angezeigt, wenn hierdurch Schaden von der Masse abgewendet werden kann (z. B. bei Vorhandensein verderblicher Waren, wobei ein Zuwarten bis nach dem Berichtstermin ohne weiteren Schaden zulasten der Gläubigerbefriedigung nicht denkbar ist). Die Notverwertung kann durch einen „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter 256 aus eigener Verfügungsbefugnis heraus vollzogen werden. Ein „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter bedarf entweder einer Anordnung des Gerichts, wodurch der „schwache“ vorläufige Verwalter im Rahmen von § 22 Abs. 2 InsO mit der Verfügungsbefugnis nur für die Verwertung des/der ___________ 114) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 (m. Bespr. Schmittmann, S. 1125 u. Welte/Friedrich-Vache, S. 1595), dazu EWiR 2011, 323 (Mitlehner). 115) KPB/Pape, InsO, § 25 Rn. 11. 116) AG Duisburg, Beschl. v. 29.3.2000 – 62 IN 10/00, DZWIR 2000, 306 m. Anm. Smid DZWiR 2000, 307.
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B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
einzelnen Vermögensgegenstandes/Vermögensgegenstände ausstattet wird. Alternativ kann er einer vom organschaftlichen/gesetzlichen Vertreter des Schuldnerunternehmens vorgenommenen Verwertungsverfügung zustimmen. 3. Konsequenzen für das Schuldnerunternehmen 257 Mit der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen und der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters geht der Verlust auf Schuldnerseite einher, allein und rechtswirksam über Gegenstände der künftigen Insolvenzmasse zu verfügen. Ist eine schwache vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet, ist die Wirksamkeit der Verfügung abhängig von der Zustimmung des vorläufigen Verwalters; ist ein starker vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, bedeutet dies einen umfassenden Verlust der Verfügungsbefugnis, soweit der künftigen Masse zugehörige Gegenstände betroffen sind. 258 Die organschaftlichen/gesetzlichen Vertreter und Angestellten des Schuldnerbetriebs sind im Rahmen von §§ 20, 97, 101 InsO zur umfassenden Auskunftserteilung und Mitwirkung verpflichtet. Diese können zwar zwangsweise durchgesetzt werden (vgl. § 101, 98 InsO); mit dem Ziel eines reibungslosen Verfahrensablaufs empfiehlt sich jedoch die Schaffung einer vorurteilsfreien Gesprächskultur und guten Kommunikationsbasis. Dies gilt umso mehr, soll ein Unternehmen saniert/fortgeführt werden. Eine Rollenklärung und Definition der Wirkungskreise sollten, ebenso wie eine transparente Arbeitsweise beidseitig ein Selbstverständnis sein. 4. Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters 259 Der vorläufige Insolvenzverwalter hat einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung seiner Tätigkeit. Diese ist gesondert abzugelten (§ 63 Abs. 3 InsO, § 11 InsVV), demnach auch, wenn das Verfahren nicht eröffnet wird.117) Der Vergütung ist ein gesonderter Abschnitt gewidmet (ĺ Rn. 690 ff.). 5. Maßnahmen im Verwalterbüro 260 Wurde der Sachverständige im Eröffnungsverfahren gleichzeitig zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt, sind ergänzend zu den Maßnahmen im Rahmen des Sachverständigenauftrags (ĺ Rn. 216) die nachfolgend aufgelisteten weiteren Arbeitsschritte erforderlich, soweit die Sicherungsmaßnahmen diesen Aufgabenkreis umfassen. Praxistipp: Prozessablauf Arbeitsschritte vorläufige Insolvenzverwaltung x Drittschuldnerdaten erfassen x Zustellung des Beschlusses über die Anordnung der Sicherungsmaßnahmen an Drittschuldner (i. d. R. zusammen mit dem Aufforderungsschreiben zum Forderungseinzug)
___________ 117) Vgl. hierzu Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 11 Rn. 1.
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V. Fortführung des Geschäftsbetriebs im Eröffnungsverfahren x Zustellnachweis an das Insolvenzgericht (§ 8 Abs. 3 InsO) x Forderungseinzug bei Drittschuldnern x Ggf. Betriebsfortführung koordinieren (ĺ Rn. 261 ff.) x Ggf. Veranlassung der Eintragung des vorläufigen Sperrvermerks (§§ 23 Abs. 3, 32, 33 InsO beim zuständigen Grundbuchamt, Schiffsregister – Veranlassung nur, wenn nicht bereits ein Ersuchen des Insolvenzgerichts ergangen ist (vgl. § 32 Abs. 2 InsO). x Ermittlung und Bewertung der Vermögenswerte (Inventur, Inventarverzeichnis, Bilddokumentationen), ggf. unter Hinzuziehung eines externen Bewerters/Industriegutachter/Sachverständigen x Sicherung der Vermögenswerte durch auf den Einzelfall und den konkreten Verfahrensverlauf abgestimmte Maßnahmen (insbesondere abhängig von der Fortführungsfähigkeit des Unternehmens): – Inbesitznahme der Zulassungsbescheinigungen – Kfz-Schlüsselsätze sicherstellen – Barkassenbestand auf das Anderkonto einzahlen, soweit nicht zur Fortführung benötigt. – Inbesitznahme der Schlüsselsätze Betriebsstätte, sofern nicht zur Fortführung benötigt. x Rechnungslegung nach Beendigung des Amtes und Abschluss der Tätigkeit (§§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 66 InsO118) x Vergütungsantrag nach Beendigung des Amtes, spätestens jedoch mit Einreichung des Schlussberichts im eröffneten Verfahren.119)
V. Fortführung des Geschäftsbetriebs im Eröffnungsverfahren 1. Fortführung oder Einstellung des Geschäftsbetriebs In der hochsensiblen Anfangsphase des Eröffnungsverfahrens sind – findet 261 der Sachverständige/vorläufige Insolvenzverwalter einen laufenden Geschäftsbetrieb vor – die Entscheidungsgrundlagen zusammenzustellen, die der Gläubigerversammlung nach Eröffnung eine abschließende Entscheidungsfindung über die Fortführung oder Stilllegung des Betriebs ermöglicht (§ 157 InsO). Soweit tatsächlich, rechtlich und betriebswirtschaftlich darstellbar, wird ein laufender Geschäftsbetrieb daher gerade im Eröffnungsverfahren zunächst bis auf Weiteres fortgeführt. Die gilt auch, wenn nach Verfahrenseröffnung eine übertragende Sanierung 262 beabsichtigt ist. Mit § 158 InsO besteht die Möglichkeit einer Veräußerung noch vor dem Berichtstermin. Voraussetzung ist die Zustimmung des Gläubigerausschusses, die regelmäßig dann erteilt werden wird, wenn dies die ___________ 118) Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 801 ff. 119) Muster in: Heyn/Kreuznacht/Voß, Arbeitshilfen für Insolvenzsachbearbeiter, Rn. 562 ff.
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B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
bestmögliche Masseverwertung darstellt. Alternativ kann das Unternehmen bis zum Votum der Gläubigerversammlung an einen potentiellen Erwerber verpachtet werden, sofern dies dem Erhaltungsinteresse dient.120) 263 Muss der Betrieb vor Einberufung der ersten Gläubigerversammlung eingestellt werden, ist nach Eröffnung bereits vor dem Berichtstermin die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen (§ 158 Abs. 1 InsO) bzw. der Schuldner zu unterrichten, wenn ein Gläubigerausschuss nicht bestellt ist (§ 158 Abs. 2 InsO). Der Verwalter entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen. Sofern dies zeitlich möglich und umsetzbar ist, sollte er jedoch zur Vermeidung von Haftungsansprüchen (vgl. § 60 InsO) die Einsetzung eines vorläufigen Ausschusses (§ 67 InsO) anregen.121) 264 Zeichnet sich in einem noch früheren Stadium, dem Eröffnungsverfahren, ab, dass der Geschäftsbetrieb nicht fortgeführt werden kann, ist eine Einstellung ebenfalls möglich. Diese ist im Fall der schwachen vorläufigen Verwaltung vom Schuldner zu initiieren bzw. durch den starken vorläufigen Verwalter nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Einstellung bereits im Eröffnungsverfahren darf die Befriedigungsaussichten der Gläubiger nicht gefährden und beeinträchtigen. 2. Fortführungsaussichten und Liquiditätsplanung a) Grundlegendes 265 Soll ein Unternehmen im Insolvenzverfahren fortgeführt werden, ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, die Fortführungsaussichten zu prüfen. Der Senat hat zum Umfang bzw. zur Art und Weise der Prüfungspflicht wie folgt ausgeführt122): „Der Verwalter ist vor der Entscheidung zur Fortführung des Schuldnerunternehmens u. a. zu einer realistischen Einschätzung der Werthaltigkeit bestehender und künftig zu begründender Masseforderungen verpflichtet. Welche Überprüfungen der Verwalter im Einzelnen anstellen muss, ist eine Frage des Einzelfalls, die verallgemeinernden Rechtssätzen nicht zugänglich ist.“
266 Dies gilt ebenfalls für den vorläufigen Insolvenzverwalter bei einer Fortführung im Eröffnungsverfahren. 267 Die Prüfung der Fortführungsfähigkeit und -würdigkeit ist einzelfallbezogen. Sie umfasst insbesondere folgende Punkte: b) Analyse der Krisenursachen 268 Die Analyse der Krisenursachen hilft bei der Einschätzung der Fortführungsfähigkeit eines Unternehmens bereits erheblich. Zunächst ist zwischen ___________ 120) OLG Rostock, Urt. v. 8.4.2011 – 5 U 31/08, NZI 2011, 488. 121) FK-InsO/Wegener, § 158 Rn. 3. 122) BGH, Beschl. v. 6.10.2011 – IX ZR 105/09, ZInsO 2012, 137.
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V. Fortführung des Geschäftsbetriebs im Eröffnungsverfahren
externen und internen Krisenfaktoren zu unterscheiden. Häufig sind die Ursachen intern, d. h. innerbetrieblich. Die Erkenntnis ist für das Unternehmen nicht angenehm, hat aber einen entscheidenden Vorteil: interne Krisen lassen sich oftmals aus eigener Kraft heraus beheben. Dies gilt nur in den seltensten Fällen für externe Krisen. Ein Markt, der nicht mehr vorhanden ist, ist gleichbedeutend mit ausbleibendem oder zu geringem Absatzpotential: Hersteller von Wählscheibentelefonapparaten würden in einer digitalisierten Welt 2.0 kaum noch „überleben“ können. Potentiell korrigierbar sind dagegen interne Faktoren, z. B. eine fehlende oder mangelhafte Finanzplanung, Fehlinvestitionen/-finanzierungen oder eine tatsachenferne Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung. Sind die Krisen intern, ist zu analysieren, ob die Faktoren durchschlagend auf 269 die Liquidität eingewirkt haben, der Betrieb ansonsten aber „gesund“ ist. Zeichneten sich im Vorfeld der Insolvenz bereits rückgängige Tendenzen im 270 Bereich der Auftragslage ab oder sind die Kundenzahlen merklich zurückgegangen, ist zu analysieren, ob sich diese Tendenz künftig wahrscheinlich fortsetzen wird. In diesem Fall ist eine Fortführung eher nicht anzuraten. Ist die Auslastung indes konstant und die Insolvenz eher einem erheblichen Forderungsausfall zuzuschreiben, ist in einem weiteren Schritt eine Analyse der Gründe der Nichtzahlung zu empfehlen. Erhebt der Drittschuldner Einwendungen wegen Mängeln oder Schlechtleistung, sind diese auf ihre objektive Begründetheit hin zu prüfen. Die subjektive Wahrnehmung des Schuldnervertreters ist dabei nur bedingt aussagekräftig, da diese nicht immer deckungsgleich mit objektiven Bewertungskriterien ist. c) Finanz- und Liquiditätsplanung Die Prüfung der Fortführungsfähigkeit fordert zwingend die Aufstellung einer 271 fundierten Finanzplanung. Diese bildet die Basis für die Beurteilung der Fortführungsfähigkeit und dient im weiteren Verlauf als Controlling-Instrumentarium, das es ermöglicht, die Entwicklung im Soll-/Ist-Vergleich zu überwachen. Daneben ist ein sorgfältig erstellter Liquiditätsplan im weiteren Verlauf des Verfahrens aus haftungsrechtlicher Sicht entlastend, sollten sich die Planzahlen aufgrund unvorhersehbarer Umstände nicht realisieren lassen123). Praxistipp: Insbesondere in umfangreicheren Verfahren empfiehlt sich die Erstellung eines Gutachtens nach dem IDW S6-Standard.124)
___________ 123) BGH, Urt. v. 17.12.2004 – IX ZR 185/03, ZIP 2005, 311, dazu EWiR 2005, 679 (Pape). 124) WPg Supplement 4/2012, S. 130 ff., FN-IDW 12/2012, S. 719 ff.
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B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
d) Muster Liquiditäts-/Finanzplanung 272 Das nachfolgende Muster soll als Arbeitshilfe zur Aufstellung einer Finanzplanung dienen. Der Zeitraum ist dem jeweiligen Verfahren anzupassen. Bei einer geplanten langfristigen Fortführung empfiehlt sich ein Zeitraum von mindestens zwölf Monaten. Finanzplan (kumulierte Salden)
AKTIVA A.
Unmittelbar verfügbare Zahlungsmittel
I.
Bankguthaben
II.
Kasse
Summe
Voraussichtliche Einnahmen
Voraussichtliche Zahlungsmittelbestände
PASSIVA A.
Unmittelbar fällige Verbindlichkeiten
I.
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
II.
Verbindlichkeiten Darlehen
III.
Sonstige Verbindlichkeiten
Summe
B.
Betriebsausgaben
I.
Wareneinkauf
II.
Personal
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Status
KW 17 KW 18 KW 19 KW 20 KW 21 KW 22
V. Fortführung des Geschäftsbetriebs im Eröffnungsverfahren Finanzplan (kumulierte Salden) III.
Raumkosten
IV.
sonstige Fixkosten
V.
Energiekosten
VI.
Geräteleasing
Status
KW 17 KW 18 KW 19 KW 20 KW 21 KW 22
VII. Sonstige Ausgaben
Summe Betriebsausgaben
Über- bzw. Unterdeckung absolut
3. Basis der Fortführungsarbeit Neben den „harten Fakten und Zahlen“ ist eine weitere Komponente gerade 273 bei einer Fortführung unter Insolvenzgesichtspunkten gleichermaßen von Bedeutung: Die Basis für eine konstruktive, koordinierte und zielgerichtete Interaktion zwischen dem Unternehmen, dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter, dem Steuerberater und ggf. Rechtsberater. In diesem engen Rahmen und Personenkreis sind eine transparente Kommunikation, eine enge Abstimmung und stringente Prozessabläufe entscheidend für das Gelingen einer Fortführung. In einem weiteren Schritt ist angezeigt, durch ein von identischen Grundsätzen geprägtes Handeln eine belastbare und gute Basis zu den Mitarbeitern, den Kunden, den Lieferanten und anderen wichtigen Geschäftspartnern (Banken, Leasinggebern, Vermieter etc.) herzustellen. Gerade bei den Letztgenannten hat die finanzielle Krise einen das Vertrauen erschütternden Einfluss auf die (Geschäfts-)Beziehung genommen, sodass es gilt, die Vertrauensgrundlage im Sanierungsprozess zu stärken und auszubauen und eventuelle Konfliktfelder konstruktiv und nachhaltig zu bearbeiten. 4. Maßnahmen im Verwalterbüro Wurde die Fortführungswürdigkeit und -fähigkeit des Betriebs bejaht, ver- 274 stehen sich die nachstehenden Prozess-/Arbeitsschritte als ein Leitfaden zur Koordinierung der Fortführung im Verwalterbüro. Diese sind jeweils einzelfallbezogen und unter Beachtung auch der Branchenspezifika zu ergänzen oder zu reduzieren. Praxistipp: Prozessablauf Arbeitsschritte Betriebsfortführung x Abwicklung des laufenden Zahlungsverkehrs über das Anderkonto oder ein separates Fortführungsanderkonto – Bei Bestimmung der vergütungsrechtlichen Teilungsmasse ist „lediglich“ der Überschuss aus der Fortführung zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2b InsVV).
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B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren – Empfehlung: Buchung ausschließlich der die Fortführung betreffenden Vorgänge zu Einnahmen und Ausgaben mit eindeutiger Zuordnung zur Fortführung auf einem Fortführungsanderkonto.125) x Regelmäßige Barkassenbestandseinzahlungen auf Anderkonto/Fortführungsanderkonto (Kassenbuchführung) x Übersicht über die getätigten und noch anstehenden Ausgaben aufgrund von Zahlungszusagen/Einzelermächtigung x Ggf. Anregung einer Einzelermächtigung (ĺ Rn. 233 ff.) x Lieferanteninformation und Forderungseinzug – Zahlungseingänge zum Anderkonto/Fortführungsanderkonto! – Änderung der Bankverbindung auf schuldnerbetrieblichen Briefbögen, sofern diese verwendet werden (ggf. ein besonders ins Auge fallender Hinweis wegen Stammkontendatenänderung beim Kunden) x Sicherung des Auftragsbestands/Kundenstamms durch transparente, vertrauensgewinnende Kommunikation x Inventarverzeichnis und Bewertung des Sachanlagevermögens – Ggf. Anregung zur Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO (ĺ Rn. 228 ff.) x Anfangsinventur (Stichtag: Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung) + Endinventur (Stichtag: Beendigung des Amtes) – Endinventurbestand ist gleichzeitig der in das eröffnete Verfahren zu übernehmende Anfangsinventurbestand bei einer Betriebsfortführung nach Insolvenzeröffnung x Klärung evtl. Aus- und Absonderungsrechte – Ggf. Separierung eingehender Gelder auf einen Sonderkonto bei undurchsichtigen Rechts-/Kollisionslagen – Bei Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO: Evtl. Nutzungsentgelte/ Wertersatzansprüche sind Masseverbindlichkeiten. x Prüfung des (branchenspezifischen) Versicherungsschutzes x Prüfung der Vertragsverhältnisse (Notwendigkeit zur Fortführung) – Zählerstandablesungen (z. B. Energieversorger und Wasserlieferanten) auf Stichtage „Anordnung der vorläufigen Verwaltung“ und „Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ (keine Zahlung auf Rückstände aus dem Zeitraum vor Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung; mit Eröffnung erneute stichtagsbezogene Abgrenzung, da die nach Eröffnung anfallenden Kosten Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind) x Personalbezogene Tätigkeiten – Mitarbeiterinformation, Personalbindungsmaßnahmen, Betriebsversammlungen etc.
___________ 125) Siehe zu den einzelnen Konten Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 291 ff.
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VI. Arbeitsverhältnisse im Eröffnungsverfahren und Insolvenzgeld – Insolvenzgeldzeitraum anhand des angestrebten Eröffnungsstichtags bestimmen – Ggf. Insolvenzgeldvorfinanzierungen (ĺ Rn. 289 ff.) – Ggf. Kündigungen vorbereiten/aussprechen x Kündigungen bei einer „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwaltung nur durch Erklärung des Schuldnerunternehmens (schriftlich!) mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters x Arbeitsrechtliche Besonderheiten einhalten (Zustimmungserfordernisse, Massenentlassungsanzeige, Kündigungsschutz etc.) x Oktroyierte Masseverbindlichkeiten berücksichtigen – Beachte Aufwertung von Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis zu Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 InsO126) bzw. § 55 Abs. 4 InsO – Bei „starker“ vorläufiger Insolvenzverwaltung: Masseverbindlichkeiten, die vom vorläufigen Insolvenzverwalter begründet wurden (§ 55 Abs. 2 InsO) x Ggf. Aufnahme eines Massekredits127)
Den nach Eröffnung des Insolvenzverfahren bei einer Fortführung zu beach- 275 tenden Besonderheiten ist an entsprechender Stelle ein weiterer Abschnitt gewidmet (ĺ Rn. 487 ff.). VI. Arbeitsverhältnisse im Eröffnungsverfahren und Insolvenzgeld 1. Insolvenzgeld In einer ganz überwiegenden Zahl der Insolvenzverfahren können die Löhne 276 und Gehälter wegen fehlender finanzieller Mittel unmittelbar vor Antragstellung nicht mehr gezahlt werden. Dies hat für die Belegschaft existenzbedrohende Bedeutung. Mit dem Ziel der Sicherstellung des existentiellen Unterhalts für Mitarbeiter und deren Familien wurde eine Sicherstellung der Lohn-/ Gehaltszahlungen über das staatlich vorfinanzierte, von der Bundesagentur für Arbeit gezahlte Insolvenzgeld institutionalisiert. Die Voraussetzungen, unter denen Insolvenzgeld gewährt wird, sind in §§ 165 ff. SGB III geregelt. a) Insolvenzgeldzeitraum Insolvenzgeld wird für einen Zeitraum von maximal dem Insolvenzereignis 277 vorausgehenden drei Monaten gezahlt (§ 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Als In___________ 126) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 (m. Bespr. Schmittmann, S. 1125 u. Welte/Friedrich-Vache, S. 1595). 127) Wohl über den Weg der Einzelermächtigung auch für den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter möglich; vgl. BGH, Urt. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 (m. Bespr. Prütting/Stickelbrock, S. 1608) = ZVI 2002, 250ZIP 2002, 1625 sowie zum Thema krit. Bähr/Schwartz in: Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts, Rn. 126 ff.
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B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
solvenzereignis definiert § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, die Abweisung des Antrags mangels Masse oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt. Beispiel: Insolvenzeröffnung:
1. Mai
Insolvenzgeldzeitraum:
1. Februar – 30. April
278 Bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis bestimmt sich der Zeitraum für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses. Beispiel: Insolvenzeröffnung:
1. Mai
Beendigung des Arbeitsverhältnisses:
31. März
Insolvenzgeldzeitraum:
1. Januar – 31. März
279 Bei einem über den Eröffnungszeitpunkt hinaus fortdauernden Arbeitsverhältnis sind die Lohn- und Gehaltsansprüche der Arbeitnehmer ab Insolvenzeröffnung Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 InsO. Beispiel: Insolvenzeröffnung:
1. Mai
Beendigung des Arbeitsverhältnisses:
31. Oktober
Insolvenzgeldzeitraum:
1. Februar – 30. April
Masseverbindlichkeit:
1. Mai – 31. Oktober
280 Sind die Löhne für einen längeren Zeitraum rückständig, ist der Arbeitnehmer hinsichtlich der ihm über den Dreimonatszeitraum hinaus zustehenden Ansprüche auf die Geltendmachung zur Insolvenztabelle verwiesen (§§ 38, 174 InsO). b) Höhe des Insolvenzgeldanspruchs 281 Insolvenzgeld wird in Höhe des Nettoarbeitsentgelts gezahlt (§ 167 Abs. 1 SGB III). 282 Die für den Insolvenzgeld-Zeitraum rückständigen Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung sowie die Bei-
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VI. Arbeitsverhältnisse im Eröffnungsverfahren und Insolvenzgeld
träge zur Arbeitsförderung werden von der Agentur für Arbeit auf Antrag an die zuständigen Einzugsstelle (Krankenkasse) abgeführt (§ 175 SGB III). c) Antrag auf Insolvenzgeld Eine Zahlung von Insolvenzgeld ist nur auf Antrag zulässig (Vordruck „Insg 1“ 283 der Bundesagentur für Arbeit), der innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Vorliegen des Insolvenzereignisses zu stellen ist (§ 324 Absatz 3 SGB III). Nach der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wendet sich die Behörde an den Insolvenzverwalter (bzw. im Fall der Abweisung mangels Masse an den Schuldner) zwecks Ausstellung der Insolvenzgeldbescheinigungen. Grundlage für die Bescheinigungen sind die ihm vorliegenden Lohn-/Gehaltsabrechnungen für den maßgeblichen Zeitraum. d) Insolvenzgeldzahlung Eine Zahlung erfolgt rückwirkend für den Insolvenzgeldzeitraum nach Ein- 284 tritt des Insolvenzereignisses. Eine Vielzahl der Arbeitnehmer ist finanziell nicht in der Lage, den gesamten 285 Zeitraum aus eigenen Rücklagen vorzufinanzieren. Unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. § 168 SGB III) kann daher ein Vorschuss auf das Insolvenzgeld gezahlt werden. Eine Insolvenzgeldvorfinanzierung (ĺ Rn. 289 ff.) kommt nur bei einer positiven Fortführungsprognose infrage, nicht aber bei einer Einstellung des Geschäftsbetriebs. Die Praxis kennt mit der sog. „Bankbescheinigung“ noch eine weitere Mög- 286 lichkeit, der Belegschaft zu ermöglichen, bis zum Eintritt des Insolvenzereignisses auseichend Liquidität zur Verfügung zu haben. Hierbei bestätigt der vorläufige Insolvenzverwalter, dass ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wurde und dass der Arbeitnehmer aller Voraussicht nach einen Anspruch auf Insolvenzgeld haben wird. Unter Vorlage dieser Bescheinigung bei der eigenen Hausbank des Arbeitnehmers wird diesem unter der Voraussetzung der Abtretung der Insolvenzgeldansprüche eine zinsfreie Überziehungsmöglichkeit zum eigenen Girokonto bis zur Höhe des Insolvenzgeldes eingeräumt. Dies dient der Sicherstellung der Zahlung der eigenen Lebenshaltungskosten. e) Anspruchsübergang In Höhe des gezahlten Insolvenzgeldes findet ein gesetzlicher Anspruchs- 287 übergang statt (§ 169 SGB III). Die Forderung des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Zahlung des Lohns/Gehalts geht auf die Agentur für Arbeit über. Im Insolvenzverfahren kann diese Forderung (inkl. der Gesamtsozialversi- 288 cherungsbeiträge) nur im Rang eines Insolvenzgläubigers zur Tabelle, nicht aber 71
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
als Masseverbindlichkeit geltend gemacht werden (§ 55 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 175 SGB III). 2. Insolvenzgeldvorfinanzierung 289 Bei Vorliegen einer positiven Fortführungsprognose besteht die Möglichkeit der Insolvenzgeldvorfinanzierung. Die Bereitstellung der Gelder erfolgt darlehensweise durch ein Kreditinstitut, welches über die von den Arbeitnehmern im Rahmen der Vorfinanzierung zu erklärende Abtretung der betreffenden Ansprüche gesichert ist. 290 Die Vorfinanzierung bedarf der Zustimmung der Agentur für Arbeit (§ 170 Abs. 4 SGB III). Kann dargelegt werden, dass der überwiegende Teil der Arbeitsplätze bei der Betriebsfortführung erhalten bleibt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Zustimmung erteilt wird, hoch. 291 Die Vorfinanzierung ist auch bei einer (vorläufigen) Eigenverwaltung (§§ 270a, 270b InsO) möglich, sofern es zu einer Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens kommt. Bei einer vorherigen erfolgreichen Sanierung, ohne dass der Eröffnungsantrag beschieden wurde, besteht kein Anspruch auf Zahlung von Insolvenzgeld.128) Praxistipp: Informationsbeschaffung Personalbuchhaltung x Liste aktuell/zuletzt beschäftigter Arbeitnehmer mit mindestens den relevanten Eckdaten (Name, Adresse, Geburtsdatum, Betriebszugehörigkeit, Zeitpunkt der letzten Lohn-/Gehaltszahlung, evtl. Kündigungsdatum, arbeitsrechtliche Besonderheiten, z. B. Schwerbehinderung, Betriebsrat, Mutterschutz, Elternzeit) x Anforderung der Betriebsnummer x Anforderung der Lohn-/Gehaltsabrechnungen der letzten sechs Monate x Anforderung der Arbeitsverträge x Anforderung der Meldungen zur Sozialversicherung x Anforderung der Lohnsteueranmeldungen x Anforderung einer vollständigen Liste der beteiligten Sozialversicherungsträger x Informationen über anhängige Klageverfahren x Anforderung der Tarifverträge x Anforderung evtl. Kündigungsschreiben nebst Zugangsnachweis
___________ 128) DA zu § 170 SBG III (Stand Mai 2013).
72
VII. Das Gutachten des Sachverständigen
3. Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Eröffnungsverfahren Die Kündigung ist unter Beachtung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen 292 und unter Beachtung der vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen im Eröffnungsverfahren zulässig. Der Ausspruch der Kündigungen erfolgt in Ausübung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalters (§§ 21 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1, 22 Abs. 1 InsO) durch diesen oder durch den Schuldner mit Zustimmung des „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters (§§ 21 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 2, 22 Abs. 2 InsO). Die im eröffneten Verfahren geltende verkürzte – und daher im Einzelfall für 293 das Verfahren „günstigere“ – Kündigungsfrist des § 113 InsO von drei Monaten zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist, gilt im Eröffnungsverfahren noch nicht; § 113 InsO ist erst nach Insolvenzeröffnung anwendbar.129) Eine Kündigung kann nur unter Berücksichtigung. eventueller arbeitsrechtlicher 294 Besonderheiten (z. B. Betriebsrat, Schwerbehinderung, Mutterschutz, Massenentlassungsanzeige130) etc.) ausgesprochen werden. Dringend anzuraten ist, den Zeitpunkt des Zugangs der schriftlichen Kündigung nachweisbar (z. B. persönliche Quittierung, postalische Nachweise) festzuhalten. Ist Arbeitskraft des betroffenen Arbeitnehmers nicht mehr einsetzbar, kann 295 eine sofortige oder stichtagbezogene Freistellung ausgesprochen werden. Eventuelle Resturlaubsansprüche und Ansprüche auf Freizeitgewährung können auf die Zeit der Freistellung angerechnet werden. Übersteigt die Freistellungszeit die Resturlaubsdauer, besteht die Möglichkeit, dasjenige auf den Vergütungsanspruch anzurechnen, was der Arbeitnehmer durch Einsatz seiner Arbeitskraft bei einem anderen Arbeitgeber erwirbt (§§ 615 Satz 2, 254 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die kraft Gesetzes eintretende Unterbrechung bereits anhängiger Klagever- 296 fahren tritt erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein (§ 240 ZPO). VII. Das Gutachten des Sachverständigen Bei Beendigung des Sachverständigenauftrags fasst dieser die ihm zur Klärung 297 übertragenen Sachverhalten in einer abschließenden gutachterlichen Stellungnahme zusammen (Abschlussgutachten). In aller Regel spricht er als Ermittlungsfazit eine Beschlussempfehlung aus, im Rahmen derer er anregt, das Insolvenzverfahren zu eröffnen, den Antrag mangels Masse abzuweisen oder den Antrag als unzulässig oder unbegründet zurückzuweisen. Die Zulässigkeit des Antrags ergibt sich aus den Voraussetzungen der §§ 13, 298 14 InsO (ĺ Rn. 126 ff.). ___________ 129) BAG, Urt. v. 20.1.2005 – 2 AZR 134/04, ZIP 2005, 1289, dazu EWiR 2005, 867 (Thüsing/ Grosse-Brockhoff). 130) Siehe hierzu instruktiv Pohlner, InsbürO 2013, 49 ff., 91 ff.
73
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
299 Ein Antrag ist begründet, wenn ein für die Rechtsform einschlägiger Eröffnungsgrund vorliegt (ĺ Rn. 158 ff.). 300 Ist der Antrag zulässig und begründet und ist eine Verfahrenskostendeckung gewährleistet, wird das Insolvenzverfahren durch gerichtlichen Beschluss i. a. R. eröffnet. Sind die Kosten nicht gedeckt wird der Antrag auf Eröffnung mangels Masse abgewiesen (§ 26 InsO). 301 Die Beurteilung, ob das Schuldnervermögen zur Verfahrenskostendeckung ausreicht, ergibt sich aus einer Gesamtschau aller ermittelten Vermögenswerte, die allesamt zu erfassen und zu bewerten sind. Die Ermittlung der Vermögenswerte ist ebenfalls wichtig zur Feststellung des Vorliegens des Eröffnungsgrundes (sog. „Überschuldungsstatus“). 1. Ermittlung der Vermögenswerte und Schuldenstruktur 302 Zu erfassen sind alle dem Schuldnerunternehmen „gehörenden“ Vermögenswerte (§ 35 InsO, Insolvenzmasse). Die Feststellung der Zugehörigkeit bedarf einer Feststellung der Rechtsverhältnisse. Drittsicherheiten, die im Fall der Eröffnung zur abgesonderten Befriedigung berechtigen (ĺ Rn. 446 ff.), sind auszuweisen, um die „freie Masse“ festzustellen. Nicht dem Schuldnervermögen zuzurechnen sind die Gegenstände, die nach Insolvenzeröffnung der Aussonderung unterliegen(ĺ Rn. 429 ff.). 303 Neben den rechtlichen Feststellungen bedarf es einer Bewertung unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten (ĺ nachfolgend Rn. 305 ff.). 304 Den Aktiva gegenüberzustellen sind die Verbindlichkeiten (Passiva). Neben der Einordnung zu den jeweiligen Masseverbindlichkeiten sind hierbei auch die Zuordnung zu Insolvenzforderungen (§ 38 InsO) und Nachrangforderungen (§ 39 InsO) vorzunehmen. Zudem sind die Sicherheiten zu den jeweiligen Forderungen der Gläubiger anzuführen. Merke: Der Wert der Drittrechte in der Aktiv-Übersicht ist stets identisch mit dem der Sicherheiten in der Passiv-Übersicht! Es empfiehlt sich, sich hinsichtlich der Gliederung an den §§ 151 ff. InsO, die erst nach Insolvenzeröffnung gelten, zu orientieren. Die gutachterlichen Feststellungen können bei der Aufstellung der Verzeichnisse gemäß §§ 151 ff. InsO als Grundlage herangezogen und aktualisiert werden. Diese Vorgehensweise spart Arbeitszeit!
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VII. Das Gutachten des Sachverständigen
2. Bewertung von Vermögenswerten a) Allgemeines Bei der Bewertung von Vermögensgegenständen werden im Wesentlichen 305 zwei Wertansätze unterschieden: Der Liquidationswert und der Fortführungswert. Die Bewertung erfolgt auf den Stichtag der Insolvenzeröffnung, da in diesem 306 Moment die Prüfung der Begründetheit (Eröffnungsgrund) und der Verfahrenskostendeckung ansteht. b) Bewertungsgrundlagen Nach Insolvenzeröffnung hat der Insolvenzverwalter die Masse dem Grund- 307 satz der bestmöglichen Verwertung, d. h. Verwertung mit maximaler Gewinnerzielung, zu entsprechen. Die Wertfeststellung hat daher unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erfolgen. Eine wirtschaftliche Gesamtwürdigung der aktuellen Vermögenssituation der Unternehmung ist daher unerlässlich. Buchwerte sind insoweit nur bedingt bis gar nicht aussagekräftig. Im Rahmen der Gesamtwürdigung sind auch stets die nach Insolvenzeröff- 308 nung anfallenden Masseverbindlichkeiten zu berücksichtigen. Sofern sich im eröffneten Verfahren herausstellt, dass für die Insolvenzmasse kein die Verwaltungs- und Verwertungskosten übersteigender Verwertungserlös zu erwarten ist, kann der Insolvenzverwalter nach Eröffnung einen einzelnen Vermögenswert aus dem Insolvenzbeschlag freigeben (ĺ Rn. 416 ff.). Soweit die Vermögensbewertung durch Heranziehung von belastbaren In- 309 formationen dargestellt werden kann, bedeutet dies wenige Schwierigkeiten. Für die Feststellung des Wertes von Finanzanlagen, Kontenständen, Festgeldguthaben etc. sind eine schriftliche Anfrage beim jeweiligen Vertragspartner und die daraufhin erteilte, nachprüfbare Auskunft völlig ausreichend. Die Bewertung anderer Vermögenswerte setzt wiederum Fach- oder Branchen- 310 kenntnisse voraus. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens (z. B. Spezialmaschinen, Zulieferprodukte). In diesen Fällen empfiehlt sich die Hinzuziehung eines Industriesachverständigen, der unter Einsatz seines Spezialwissens und/oder der Branchenkenntnisse ein Bewertungsgutachten erstellen kann. Wird auf die Hinzuziehung eines Industriesachverständigen verzichtet, sollte 311 sich der mit Insolvenzeröffnung bestellte Insolvenzverwalter bewusst sein, dass er im Fall einer masseschädigen Verwertung auf der Grundlage einer von ihm initiierten (Falsch)Bewertung riskiert, von den Gläubigern auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden (vgl. § 60 InsO).131) ___________ 131) BGH, Urt. v. 10.10.2013 – III ZR 345/12, WM 2013, 2225 zur Haftung eines Sachverständigen bei unrichtiger Verkehrswertermittlung im Zwangsversteigerungsverfahren.
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B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
312 Die durch die Beauftragung eines Industriesachverständigen verursachten zusätzlichen Kosten können als Auslagen über die Abrechnung des Insolvenzgutachters abgerechnet werden (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 JVEG). c) Liquidationswerte 313 Der Zerschlagungswert oder Liquidationswert (auch Verkehrs- oder Marktwert) ist bei einem eingestellten Geschäftsbetrieb die für die Bewertung maßgebliche Kennzahl. Soweit das Unternehmen fortgeführt werden kann und soll, empfiehlt es sich, neben den Fortführungswerten stets auch die Liquidationswerte anzuführen, um den Gläubigern eine umfassende Grundlage zur Verfügung stellen zu können, wenn sie über den Fortgang des Verfahrens entscheiden (§ 157 InsO). 314 Als Liquidationswert definiert sich der im Fall der Veräußerung am Markt voraussichtlich zu erzielende Erlös. Bei der Wertbestimmung handelt es sich um eine Erlösprognose, bei der notwendig wertende Einschätzungen einfließen, die – zwar objektiv nachvollziehbar, aber dennoch subjektiv gefärbt – „nicht geeignet sind, die Gewissheit zu vermitteln, das Objekt werde bei einer Veräußerung genau den ermittelten Wert erzielen“.132) Die Bewertung erfolgt unter Beachtung der Grundsätze der „kaufmännischen Vorsicht folgen“ und durch Ermittlung einer möglichst zutreffenden Bewertungsgröße, wobei ein gewisser Toleranzspielraum vertretbar und in Kauf zu nehmen ist, der im Einzelfall unter dem Aspekt der Angemessenheit und Toleranzgrenze zu beurteilen ist.133) 315 Bei der Wertfestsetzung gilt auch im Insolvenzverfahren stets der Grundsatz von „Angebot und Nachfrage“. Bei entsprechend hoher Nachfrage ist es durchaus möglich, dass der Insolvenzverwalter nach Eröffnung einen Erlös erzielt, der weit über dem prognostizierten Verkehrswert liegt. Bei geringer Nachfrage ist selbstverständlich auch der umgekehrte Fall denkbar. Praxistipp: Ein Gegenstand ist stets so viel wert, wie jemand Drittes bereit ist, dafür zu zahlen.
d) Fortführungswerte 316 Wird eine Sanierung/Fortführung angestrebt, sind (zusätzlich zu den Liquidationswerten) die Fortführungswerte („going concern“) in Ansatz zu bringen. Der Fortführungswert eines Gegenstandes liegt regelmäßig über dem Liquidationswert, da bei einem „lebenden“ Unternehmen regelmäßige höhere Kauf___________ 132) BGH, Beschl. v. 19.6.2008 – V ZB 129/07, ZfIR 2008, 685 (m. Anm. Böttcher, S. 687) = Rpfleger 2008, 588. 133) So auch BGH, Urt. v. 2.7.2004 – V ZR 213/03, ZIP 2004, 1758 = ZfIR 2004, 805, dazu EWiR 2004, 1069 (Medicus).
76
VII. Das Gutachten des Sachverständigen
preise für die Vermögensgegenstände erzielt werden. Entscheidend ist der Nutzwert des Gegenstandes. Hinsichtlich der Herangehensweise, der Marktregularien sowie des Bewertungsspielraums wird auf die unmittelbar vorstehenden Ausführungen verwiesen, die auch bei Ermittlung des Fortführungswertes gelten (ĺ Rn. 316 ff.). e) Inhalte eines Gutachtens Der Inhalt eines Gutachtens wird maßgeblich durch den Umfang des ge- 317 richtlichen Sachverständigenauftrags bestimmt. Die Aufträge sind – auch gerichtsbezogen – zum Teil abweichend, sodass sich in jedem Fall die Lektüre des Auftragsumfangs und dessen Beachtung empfiehlt. Dies gilt auch für die geübte Praxis, dass die meisten Verwalterbüros Mustergutachten für die jeweiligen Insolvenzgerichte vorhalten.134) Nachfolgende Checkliste soll als Leitfaden dienen und bildet die Vielfalt der 318 Arbeitsaufträge weitestgehend ab. Die Gliederungsreihenfolge kann je nach Auftrag und Vorgaben des Verwalterbüros abweichen. Praxistipp: Checkliste Themen Abschlussgutachten A.
Auftrag
B.
Gutachten
I.
Allgemeine Angaben (ggf. tabellarische Übersicht)
II.
Gesellschaftsrechtliche Verhältnisse 1.
Firma und (ggf.) Handelsregister
2.
Gründung
3.
Gesellschaftsrechtliche Entwicklung
4.
Organschaftliche/Gesetzliche Vertretung
III.
Wirtschaftliche Verhältnisse
IV.
Arbeitsrechtliche Verhältnisse
V.
Unternehmerische Entwicklung
VI.
Rechtstreitigkeiten
VII.
Maßnahmen im Eröffnungsverfahren
VIII.
Sanierungs-/Fortführungsmöglichkeiten/Insolvenzplanverfahren/ Eigenverwaltung
IX.
Insolvenzgründe
X.
Deckung der Verfahrenskosten
XI.
Besondere Beschlussfassungen, § 160 InsO
___________ 134) Muster in: Heyn/Kreuznacht/Voß, Arbeitshilfen für Insolvenzsachbearbeiter, Rn. 399.
77
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren XII.
Verfahrensabwicklung (Besonderheiten)
XIII.
Auslandsbezug
XIV.
Vermögensstatus – Aktiva (tabellarisch und textliche Erläuterungen inkl. evtl. Drittrechte)
XV.
Vermögensstatus – Passiva(tabellarisch und textliche Erläuterungen inkl. evtl. Drittrechte)
XVI.
Beschlussempfehlung
XVII. Ermächtigung gemäß § 25 Abs. 2 InsO XVIII. Zusammenfassung der Ergebnisse
VIII. Vorläufige Eigenverwaltung und der vorläufige Sachwalter 1. Voraussetzungen, Vorteile und Nachteile der vorläufigen Eigenverwaltung a) Hintergründe und Zielsetzung 319 Auf Antrag des Schuldnervertreters kann das Insolvenzverfahren unter Anordnung der Eigenverwaltung eröffnet werden. Die Eigenverwaltung verfolgt das Ziel, das Unternehmen unter Insolvenzschutz zu sanieren. Kern der Regelung ist, dass der im Regelinsolvenzverfahren stattfindende Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf einen Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO) gerade nicht stattfindet zugunsten der beim Schuldnervertreter selbst verbleibenden Befugnis, unter Aufsicht eines Sachwalters über die Gegenstände der Insolvenzmasse zu verfügen und diese zu verwalten (§ 270 Abs. 1 Satz 1 InsO). 320 Die Eigenverwaltung ist geregelt in § 270 InsO und war bis zum Inkrafttreten des ESUG erst ab Eröffnung des Verfahrens zulässig. 321 Die Insolvenz unter Eigenverwaltung ist keine grundlegend neue Idee, wurde aber von der Praxis bislang kaum angenommen. Frühzeitig wurde indes die Möglichkeit einer vorläufigen Eigenverwaltung diskutiert.135) b) ESUG 322 Durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmungen (ESUG)136) wurde die Möglichkeit eröffnet, in Regelinsolvenzverfahren bereits vor Eröffnung unter vorläufiger Eigenverwaltung zu agieren. In Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.3.2012 kann bereits im Eröffnungsverfahren eine ___________ 135) Vgl. exemplarisch Uhlenbruck, NZI 2001, 632, der seinerzeit dafür plädierte, dass über die Anordnungsoptionen zur vorläufigen Verwaltung ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit den Befugnissen eines „vorläufigen“ Sachwalters ausgestattet werden könne. 136) Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011 m. W. z. 1.3.2012, BGBl. I, S. 2582.
78
VIII. Vorläufige Eigenverwaltung und der vorläufige Sachwalter
„vorläufige Eigenverwaltung“ (§§ 270a, 270b InsO) angeordnet und ein vorläufiger Sachwalter (§ 270c InsO) bestellt werden. Die bisherige Praxis zeigt, dass diese richtungsweisende Gesetzesänderung den Sanierungsgedanken auch unter Insolvenzschutz aufgewertet hat. Merklich gestärkt wurden Einflussnahmemöglichkeiten der Gläubiger insbesondere durch das Gremium des (vor-)vorläufigen Gläubigerausschusses Praxistipp: Ziele und Instrumente des ESUG x Bessere Nutzung von Sanierungschancen x Ausbau von Sanierungsinstrumenten x Anreize für eine frühere Stellung von Insolvenzanträgen x Verbesserung von Verfahrensabläufen x Verringerung von Blockademöglichkeiten x Stärkere Einbeziehung der Gläubiger in das Verfahren
Mit dem Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) wurde eine besondere und 323 nur unter bestimmten Voraussetzungen durchführbare Ausgestaltung des vorläufigen Insolvenzverfahrens geschaffen. Die Intention des Gesetzgebers ist, dem Schuldner einen Anreiz zu geben, frühzeitig/rechtzeitig einen Antrag zu stellen, um durch ein professionell begleitetes Sanierungsverfahren seinen Geschäftsbetrieb unter Insolvenzschutz aufrechtzuerhalten und sich binnen kürzester Zeit durch das in einen Insolvenzplan gefasste Sanierungskonzept zu rehabilitieren. c) Vor- und Nachteile der (vorläufigen) Eigenverwaltung Die Insolvenz unter Eigenverwaltung lässt ein zeit- und kostenintensives Ein- 324 arbeiten eines (vorläufigen) Insolvenzverwalters entfallen, da das Know-how der bisherigen Geschäftsleitung voll eingesetzt werden kann. Der Gläubigerschutz ist gewahrt durch die Aufsichtsführung des (vorläufigen) Sachwalters, der insbesondere gläubigerschädigende Handlungen zu unterbinden berechtigt ist. Die Tatsache, dass der Schuldnervertreter weiterhin der „Steuermann“ ist, 325 weckt auf Gläubigerseiten nicht selten Misstrauen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Insolvenzverfahren nicht selten Managementfehler vorausgegangen sind. Im Sanierungsprozess gilt es daher, diesem Misstrauen entgegenzuwirken. Die Praxis bedient sich beizeiten eines Interim-Managers, der für einen gewissen Zeitraum die geschäftsleitenden Aufgaben (mit)übernimmt. d) Voraussetzungen der (vorläufigen) Eigenverwaltung Die (vorläufige) Eigenverwaltung wird nur auf einen entsprechenden Antrag 326 des Schuldnervertreters hin angeordnet. Eine nachträgliche Anordnung auf
79
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
Antrag der Gläubigerversammlung mit Zustimmung des Schuldners ist zulässig (§ 271 InsO), jedoch kaum praxisrelevant. 327 Der Antragsteller hat darzulegen, dass keine Umstände vorliegen, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Die Prüfpflicht des Insolvenzgerichts beschränkt sich hierbei auf den Vortrag des Schuldners, wobei die Unkenntnis hinsichtlich solcher Umstände ausreichend ist. Eine (vor Inkrafttreten des ESUG erforderliche) Prognoseentscheidung des Insolvenzgerichts, wenn solche nachteiligen Umstände nicht bekannt sind, ist nicht gefordert. 328 Vor der Anordnung ist eine Anhörung des vorläufigen Gläubigerausschusses vorgeschrieben, sofern dies nicht offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners führt. e) Besondere Voraussetzungen des Schutzschirmverfahrens (§ 270b InsO) 329 Beantragt der Schuldnervertreter die vorläufige Eigenverwaltung unter Schutzschirm (§ 270b InsO), ist eine Sanierung durch Insolvenzplan zwingend vorzubereiten. 330 Der Eröffnungsantrag und Antrag auf Eigenverwaltung kann dabei nur bei drohender Zahlungsunfähigkeit (ĺ Rn. 175 ff.) oder Überschuldung (ĺ Rn. 170 ff.) gestellt werden. Ist zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits Zahlungsunfähigkeit (ĺ Rn. 160 ff.) eingetreten, ist das Verfahren nicht für ein Schutzschirmverfahren qualifiziert. 331 Daneben ist zu beantragen, dass das Insolvenzgericht eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans festsetzt, die maximal drei Monate betragen darf (§ 270b Abs. 1 Satz 1, 2 InsO). Dieser Zeitraum ist für die vollständige Ausarbeitung eines Insolvenzplans nicht großzügig bemessen. In der Praxis wird das Schutzschirmverfahren daher eher selten genutzt, da dies voraussetzt, sich bereits vor der Einreichung des Antrags frühzeitige Gedanken zum Insolvenzplan zu machen und vorbereitende Maßnahmen bereits im Vorfeld einzuleiten. Ohne die Unterstützung eines in Insolvenzplanverfahren erfahrenen Beraters ist dies kaum darstellbar. Erforderlich sind ein aussagekräftiges, belastbares Sanierungskonzept i. S. e. fundierten Untersuchung unter Darlegung der wirtschaftlichen Entwicklung, einer Krisenanalyse, der angestrebten Sanierungsmaßnahmen und eventuellen Sanierungshemmnissen sowie eine integrierte Sanierungsplanung (Ertrags-, Vermögens- und Finanzplan). Neben dem subjektiven Sanierungswillen müssen auch objektive Sanierungsfähigkeit und objektive Geeignetheit des Sanierungskonzepts vorliegen.137)
___________ 137) IDW S9 Standard: Bescheinigung nach § 270b InsO, ZInsO 2012, 536 ff. sowie hierzu krit. Frind ZInsO 2012, 540.
80
VIII. Vorläufige Eigenverwaltung und der vorläufige Sachwalter
Dem Antrag ist eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insol- 332 venzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers, Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation138) beizufügen aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist (§ 270b Abs. 1 Satz 3 InsO). Der Schuldner ist berechtigt, einen namentlich zu benennenden (geeigneten) 333 vorläufigen Sachwalter vorzuschlagen. Von dem vom Schuldner eingebrachten Vorschlag darf das Gericht nur bei offensichtlicher Ungeeignetheit abweichen. Der vorläufige Sachwalter muss eine vom Schuldner unabhängige Person und vom Bescheinigenden personenverschieden sein und zudem Erfahrung in Insolvenzsachen und Durchführung von Sanierungskonzepten vorweisen können.139) Die Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 1, 2 InsO 334 kann optional beantragt werden. Zweckdienlich ist i. d. R. die Anordnung der einstweiligen Einstellung bzw. Untersagung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich der beweglichen Güter. Das Gericht kann bzw. muss ebenfalls einen (vor)-vorläufigen Gläubigeraus- 335 schuss einsetzen (§ 22a InsO) (ĺ Rn. 108 ff.). Zudem ist eine gerichtliche Anordnung zulässig, nach der der Schuldner Masse- 336 verbindlichkeiten (wie ein „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter) begründen kann (§ 55 Abs. 2 InsO entspr.). 2. Aufgaben und Befugnisse des (vorläufigen) Sachwalters Gemäß § 274 Abs. 2 Satz 1 InsO hat der Sachwalter im eröffneten Verfahren 337 die Pflicht, die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen. Stellt er Umstände fest, die nachteilige Auswirkungen für die Gläubiger erwarten lassen, hat er dies dem Gericht und dem Gläubigerausschuss unverzüglich anzuzeigen (§ 274 Abs. 3 InsO). Der weitere Pflichtenkreis des Sachwalters umfasst insbesondere: x
die Insolvenzanfechtung (§ 280 InsO),
x
die Tabellenführung und Verteilung (§ 283 InsO),
x
die Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§§ 285, 208 InsO).
338
___________ 138) Vergleichbar qualifizierte Personen sind z. B. Steuerbevollmächtigte, vereidigte Buchprüfer (Begr. RegE, 62). 139) Zur Unabhängigkeit fordert das AG München, Urt. v. 29.3.2012 – 1507 IN 1125/12, ZIP 2012, 789 = ZInsO 2012, 745, dazu EWiR 2012, 465 (Hölzle), dass der Bescheinigende auch nicht als Schuldnervertreter auftreten darf.
81
B. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
339 Die Befugnisse des vorläufigen Sachwalters ergeben sich aus § 270a Abs. 1 InsO i. V. m. §§ 274, 275 InsO, insbesondere hinsichtlich folgender Aufgabenbereiche: x
Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners.
x
Überwachung der Geschäftsführung und der Ausgaben für die Lebensführung.
340 Interventionsrechte genießt er in dem gesetzlich umrissenen Rahmen durch x
die Zustimmungsbefugnis bei Begründung von Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören (§ 270a Abs. 1 InsO i. V. m. § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO ) sowie
x
die Widerspruchsbefugnis bei Begründung von Verbindlichkeiten, die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören (§ 270a Abs. 1 InsO i. V. m. § 275 Abs. 1 Satz 2 InsO ).
3. Konsequenzen für den Schuldner 341 Der Schuldner behält nach Insolvenzeröffnung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auch über Gegenstände der Insolvenzmasse (Ausnahme zu § 80 Abs. 1 InsO). Im Eröffnungsverfahren wird kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Demnach besteht kein Zustimmungserfordernis bzw. es findet kein „vorgezogener“ Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf einen „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter statt. 342 Der Schuldner sieht sich der Aufsichtsführung inkl. der beschriebenen VetoRechte des (vorläufigen) Sachwalters ausgesetzt (ĺ Rn. 337). 4. Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters 343 Die Vergütung des Sachwalters und des vorläufigen Sachwalters wird wegen des Sachzusammenhangs in einem gesonderten Abschnitt erläutert (ĺ Rn. 710 ff.).
82
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren I. Die Eröffnungsentscheidung Über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entscheidet das Insolvenzgericht 344 durch Beschluss. Gleichzeitig wird ein Insolvenzverwalter ernannt (§ 27 InsO). Der Eröffnungsbeschluss enthält folgende wesentliche Angaben:
345
x
Firma, Registergericht und Registernummer, unter der das Schuldnerunternehmen in das Handelsregister eingetragen ist, Geschäftszweig, gewerbliche Niederlassung (§ 27 Abs. 2 InsO).
x
Namen und Anschrift des Insolvenzverwalters (§ 27 Abs. 2 InsO).
x
Stunde der Eröffnung (§ 27 Abs. 2 InsO).
x
Aufforderung an die Gläubiger zur Forderungsanmeldung binnen einer gerichtlich festgesetzten Anmeldefrist (§ 28 Abs. 1 InsO).
x
Aufforderung an die Gläubiger zur Mitteilung evtl. Sicherungsrechte an den Insolvenzverwalter (§ 28 Abs. 2 InsO).
x
Aufforderung an die Drittschuldner, ausschließlich an den Insolvenzverwalter zu leisten (§ 28 Abs. 3 InsO).
x
Bestimmung des Berichtstermins (§ 29 Abs. 1 InsO).
x
Bestimmung des Prüfungstermins (§ 29 Abs. 1 InsO).
Der Eröffnungsbeschluss ist öffentlich bekanntzumachen (§ 30 Abs. 1 InsO). 346 Die gemäß § 30 Abs. 2 InsO vorzunehmende Zustellung des Beschlusses an den Schuldner, die Gläubiger und die Drittschuldner wird regelmäßig dem Insolvenzverwalter übertragen (vgl. § 8 Abs. 3 InsO), der die hierfür entstehenden Auslagen gesondert in Rechnung stellen kann. II. Ablauf des Verfahrens, Termine und Fristen Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt im Insolvenzverwalterbüro einen 347 regelmäßig nahezu identisch ablaufenden Prozess in Gang. Nachfolgend sollen die Arbeitsschritte, die unmittelbar nach Eröffnung abzuhandeln sind, unabhängig von den dem Einzelfall geschuldeten Besonderheiten, dargestellt werden. 1. Arbeitsschritte Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind in aller Regel folgende Ar- 348 beitsschritte zu beachten: x
Abholung und Rücksendung der Insolvenzakte (Anm.: Soweit diese bereits im Eröffnungsverfahren vorgelegen hat, erübrigt sich dieser Arbeitsschritt in den meisten Fällen.)
83
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
x
Fristen notieren
x
Anmeldefrist (§ 28 Abs. 1 InsO)
x
Berichtstermin (§§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 156 InsO)
x
Prüfungstermin (§§ 29 Abs. 1 Nr. 2, 176 InsO)
x
Niederlegungsfrist (§ 175 Abs. 2 InsO) Praxistipp: Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Fristen zu gewährleisten. Überlässt er die Berechnung und Notierung von Fristen einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft, hat er durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden.140)
x
Übernahme der Gläubigerdaten in das insolvenzspezifische Programm Praxistipp: Wurden die Gläubiger bereits anhand der Angaben in der Gerichtsakte im Eröffnungsverfahren gelistet, sind die Daten ggf. zu korrigieren und zu ergänzen. Nicht selten ergeben sich im Verlauf des Eröffnungsverfahrens weitere Gläubiger, die aufzunehmen sind.
x
Bei Übertragung des Zustellwesens durch das Insolvenzgericht (vgl. § 8 Abs. 3, 30 Abs. 2 InsO): Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an die Gläubiger und Drittschuldner und Fertigung des Zustellnachweis ans Insolvenzgericht Praxistipp: Wurde das Zustellwesen auf den Insolvenzverwalter übertragen, ist zu empfehlen, eine Kopie des Zustellnachweises in der Handakte aufzubewahren. Die Auslagen, die für die Zustellungen entstanden sind, können bei der Vergütung des Insolvenzverwalters zusätzlich berücksichtigt werden. Je nach Insolvenzgericht werden hierfür pro Zustellung 1,00 bis 3,00 € zugestanden. Der BGH erkennt wohl 2,70 € bis 2,80 € als gerechtfertigt an.141) Die Anzahl der getätigten Zustellungen ist demnach wichtig, um die Auslagen zu bestimmen.
x
Gerichtsakte sichten: Verfahrenseckdaten, Anhaltspunkte für Vermögenswerte notieren
x
Schuldnervertreter zum Erstgespräch einladen unter gleichzeitiger Aufforderung, die die verfahrensspezifisch beizubringenden Unterlagen einzureichen (ĺ Checkliste: Rn. 205)
___________ 140) BGH, Beschl. v. 9.7.2014 – XII ZB 709/13, NJW 2014, 3102. 141) BGH, Beschl. v. 19.1.2012 – IX ZB 25/11, NZI 2012, 247 und Beschl. v. 8.3.2012 – IX ZB 162/11, ZIP 2012, 682.
84
II. Ablauf des Verfahrens, Termine und Fristen
x
Erstgespräch mit dem Schuldnervertreter (persönliches Gespräch oder Ortstermin vereinbaren) zwecks Klärung der Vermögens- und Vertragsverhältnisse
x
Sichtung und Auswertung der Schuldnerunterlagen
x
Sekundärinformationsquellen heranziehen (z. B. Kreditinstitute, Versicherungsgesellschaften, Arbeitgeber etc.)
2. Erstgespräch Die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans treffen im Insolvenz- 349 verfahren umfassende Auskunfts- und Mitwirkungspflichten. Dies gilt auch für die innerhalb der letzten beiden Jahre vor dem Eröffnungsantrag ausgeschiedenen Schuldnervertreter und die aktuell und ehemals Angestellten, sofern diese nicht früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag ausgeschieden sind (§§ 101, 97 InsO). Praxistipp: Da in einer ganz überwiegenden Zahl der Gesellschaftsinsolvenzen der Eröffnungsentscheidung ein Eröffnungsverfahren vorausgeht, werden die Informationen in einem ersten Gespräch und weiteren Folgeterminen bereits unmittelbar nach Antragstellung durch den Sachverständigen/vorläufigen Insolvenzverwalter eingeholt. Die in §§ 101, 97 f. InsO normierten Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gelten qua Verweisung (§ 20 Abs. 1 InsO) auch bereits im Eröffnungsverfahren. Dier hier geschilderten Grundsätze sind daher gleichermaßen im Eröffnungs- wie im Hauptverfahren anwendbar.
Der Insolvenzverwalter kann sich zwecks Informationsbeschaffung im We- 350 sentlichen an folgende Personen wenden: x
Geschäftsführer einer GmbH (§ 35 GmbHG) bzw. faktische Geschäftsführer einer GmbH142),
x
Vorstände einer AG, einer e. G. oder eines e. V. (§ 78 AktG, § 26 GenG, § 26 BGB),
x
Komplementäre einer KGaA (§ 278 Abs. 2 AktG),
x
Vertretungsberechtigte Gesellschafter von Personengesellschaften (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO, § 714 BGB, § 125 HGB, § 170 HGB),
x
Partner bei Partnerschaften (§ 7 Abs. 3 PartGG). Wichtig: Die Organstellung bleibt von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der möglichen Kündigung eines Dienstvertrags (§ 113 InsO) unberührt.
___________ 142) Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier-Piekenbrock, InsO, § 101 Rn. 4 m. w. N.
85
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
351 Daneben kann der Insolvenzverwalter Auskünfte bei Angestellten oder ehemals Angestellten einholen. Dies ist insbesondere im Bereich der Buchhaltung, des Controllings, der Disposition und in anderen Schnittstellenbereichen eines Unternehmens von Bedeutung. 352 Die Mitwirkungspflichten gegen die Schuldnervertreter sind gemäß §§ 101 Abs. 1, 98 InsO auch zwangsweise durchsetzbar, wohingegen dies mangels Verweisung auf § 98 InsO nicht gilt in Bezug auf die Angestellten (vgl. § 101 Abs. 2 InsO). Bevor jedoch auf den Maßnahmenkatalog der zwangsweisen Auskunftserteilung zurückgegriffen wird, sollte zuvor in jedem Fall in angemessenem Rahmen und einer professionellen Verfahrensabwicklung unter Einhaltung folgender Grundsätze der Kommunikation die Auskunftserteilung erwirkt werden: x
Wer fragt, der führt! Mit gezielten Fragen lenkt der Insolvenzverwalter die Gedanken der Auskunftsperson zu den verfahrenswesentlichen Themen.
x
Respektvolle Wahrnehmung des Gesprächspartners
x
Vorurteilsfreiheit, Neutralitätswahrung
x
Rollenklärung und Transparenz in den insolvenzspezifischen Aufgabenbereichen
x
Deeskalierende Gesprächsführung
x
Beachtung der Grenzen zur Rechtsberatung
III. Die Wirkungen der Eröffnung 1. Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters a) Inbesitznahme und Verwaltung 353 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt einen Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Gegenstände (ĺ Rn. 410 ff.) auf den Insolvenzverwalter (§ 80 Abs. 1 InsO). Dieser hat die sog. „Ist-Masse“ in Besitz zu nehmen und zu verwalten (§ 148 Abs. 1 InsO), sofern diese Inbesitznahme nicht bereits im vorgeschalteten Eröffnungsverfahren bei der Sicherung der künftigen Massegegenstände erfolgt ist. Die Inbesitznahme erfolgt durch freiwillige Besitzverschaffung. Der Insolvenzverwalter kann bei Weigerung oder obstruierendem Verhalten des Schuldners den Herausgabeanspruch aufgrund einer vollstreckbaren Ausfertigung des Eröffnungsbeschlusses, die einen Titel i. S. v. § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO darstellt, im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen (§ 148 Abs. 2 Satz 1 InsO, §§ 888, 885 ZPO). Der Eröffnungsbeschluss stellt jedoch keinen geeigneten Vollstreckungstitel gegen Dritte dar.143) ___________ 143) LG Trier, Beschl. v. 4.4.2005 – 4 T 4/05, ZVI 2005, 434; OLG Nürnberg, Urt. v. 24.6.2005 – 5 U 215/05, NZI 2005, 44; vgl. zur Zwangsräumung von Wohnraum BGH, Beschl. v. 25.6.2004 – IXa ZB 29/04, Rpfleger 2004, 640.
86
III. Die Wirkungen der Eröffnung
b) Verzeichnisse und Übersichten (§§ 151 ff. InsO) Zu den originären Pflichten des Insolvenzverwalter gehört die Aufstellung 354 der Verzeichnisse gemäß §§ 151 ff. InsO. aa) Masseverzeichnis (§ 151 InsO) Gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 InsO hat der Insolvenzverwalter ein Verzeichnis 355 der Massegegenstände aufzustellen. Eine Frist für die Erstellung des Verzeichnisses ist gesetzlich nicht bestimmt. 356 Da das Verzeichnis gemäß § 154 InsO spätestens eine Woche vor dem Berichtstermin niederzulegen ist, muss es auch spätestens zu diesem Zeitpunkt vorliegen. Das Masseverzeichnis bildet gemeinsam mit dem Gläubigerverzeichnis 357 (§ 152 InsO) die Grundlage für die gemäß § 153 InsO zu erstellende Vermögensübersicht. Diese ist auf den Stichtag der Insolvenzeröffnung zu erstellen. Hieraus sowie aus der Pflicht zur sofortigen Inbesitznahme der Massegegenstände ist eine unverzügliche Erstellung des Masseverzeichnisses der Sorgfaltspflicht des Insolvenzverwalters geschuldet.144) Hat der im Eröffnungsverfahren bestellte Sachverständige/vorläufige Insolvenzverwalter bereits eine erste Erfassung der (künftigen) Massegegenstände vorgenommen, kann selbstverständlich auf dieses bereits erstellte Verzeichnis zurückgegriffen werden. Es ist jedoch darauf zu achten, das Verzeichnis ggf. zu aktualisieren und zu vervollständigen; die Listung der Gegenstände bereits im Eröffnungsverfahren entbindet den Insolvenzverwalter nicht von der Pflicht, als solcher das Masseverzeichnis gemäß § 151 InsO aufzustellen.145) Das Verzeichnis muss dazu geeignet sein, den Gläubigern einen umfassenden 358 Überblick über die wirtschaftliche Lage des Schuldners – und damit die Befriedigungsgrundlage – zu verschaffen.146) Die Gegenstände der Insolvenzmasse sind durch eine Inventur/Bestands- 359 aufnahme zur erfassen. Mit einem Absonderungsrecht belastete Gegenstände sind massezugehörig und demnach im Verzeichnis anzuführen unter gleichzeitiger Angabe der Fremdrechtsbelastung.147) Vermögensgegenstände, die
___________ 144) KPB/Wipperfürth, InsO, § 151 Rn. 2; MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl/Jaffé, § 151 Rn. 4; a. A. HK-InsO/Jarchow, § 151 Rn. 6. 145) KPB/Wipperfürth, InsO, § 151 Rn. 2. 146) BGH, Beschl. v. 16.9.2010 – IX ZR 56/07, ZInsO 2010, 2234. 147) Kohärenz mit dem gemäß § 152 aufzustellenden Gläubigerverzeichnis; KPB/Wipperfürth, InsO, § 151 Rn. 15; Wimmer/Wegener, InsO, § 151 Rn. 8; Pape/Uhländer/Hansing, InsO, § 151 Rn. 5; MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl/Jaffé, § 151 Rn. 6; HK-InsO/Jarchow, § 151 Rn. 11; Möhlmann, DStR 1999, 163.
87
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
der Aussonderung unterliegen, sind nicht Bestandteil der Insolvenzmasse und demnach nicht zu erfassen.148) Praxistipp: Steht zum Zeitpunkt der Erstellung des Verzeichnisses die Massezugehörigkeit eines Gegenstandes noch nicht abschließend fest, ist zu empfehlen, den Vermögenswert mit einem entsprechenden Hinweis aufzunehmen. Gleiches gilt für Gegenstände, die einem einfachen Eigentumsvorbehalt unterliegen, sofern der Insolvenzverwalter die Erfüllung noch nicht abgelehnt hat (§ 107 Abs. 2).149)
360 Aufzunehmen sind auch die mit Eröffnung entstehenden insolvenzspezifischen Ansprüche (Anfechtungsansprüche, §§ 129 ff InsO; Sondermassen, §§ 92, 93 InsO). 361 Die im Verzeichnis erfassten Vermögenswerte sind einzeln, zunächst dem Grundsatz der Einzelbewertung für den Fall der Zerschlagung des Unternehmens folgend, zu bewerten (§ 151 Abs. 2 Satz 1 InsO).150) Hängt der Wert von der Fortführung oder Stilllegung des Unternehmens ab, sind nach § 151 Abs. 2 Satz 2 InsO beide Werte anzugeben. Fortführungswerte übersteigen in der Regel die Liquidationswerte (auch Zerschlagungswerte, Stilllegungswerte). Durch die Angabe sowohl der Liquidations-, als auch des Fortführungswertes erhalten die Gläubiger die für ihre Mitwirkungsmöglichkeiten erforderlichen Informationen.151) Praxistipp: Auszuweisen sind stets die Bruttowerte (inkl. Umsatzsteuer, vgl. zur Unternehmereigenschaft § 2 UStG). Die Umsatzsteuer ist im Fall der Verwertung (auch von Absonderungsgut, vgl. § 170 InsO), Masseverbindlichkeit i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO.152)
362 Beim Liquidationswert ist von den wahrscheinlichen Verwertungserlösen auszugehen, die am Absatzmarkt aktuell wahrscheinlich erzielbar sind.153) Die Aufstellung des Masseverzeichnisses ist demnach unter rechtlichen Gesichtspunkten und unter Einbeziehung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise vorzunehmen. Sind z. B. Forderungen aus Lieferung und Leistung ___________ 148) KPB/Wipperfürth, InsO, § 151 Rn. 16; FK-InsO/Wegener, § 151 Rn. 8; Pape/Uhländer/ Hansing, InsO, § 151 Rn. 5; MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl/Jaffé, § 151 Rn. 6; HK-InsO/Jarchow, § 151 Rn. 12; a. A. IDW RH HFA 1.010, FN-IDW 2008, 309 Rn. 18. 149) KPB/Wipperfürth, InsO, § 151 Rn. 16; FK-InsO/Wegener, § 151 Rn. 8; Pape/Uhländer/ Hansing, InsO, § 151 Rn. 5; MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl/Jaffé, § 151 Rn. 6; a. A. HK-InsO/Jarchow, § 151 Rn. 12. 150) HK-InsO/Jarchow, § 151 Rn. 16; MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl/Jaffé, § 151 Rn. 9; Pape/Uhländer/Hansing, InsO, § 151 Rn. 7. 151) KPB/Wipperfürth, InsO, § 151 Rn. 17; Delhaes, NZI 1999, 47. 152) Siehe exemplarisch BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 (m. Bespr. Schmittmann, S. 1125 u. Welte/Friedrich-Vache, S. 1595) = BStBl II 2011, 996; BFH, Beschl. v. 11.7.2013 – XI B 41/13, ZIP 2013, 1680. 153) KPB/Wipperfürth, InsO, § 151 Rn. 21.
88
III. Die Wirkungen der Eröffnung
rechtlich zweifelhaft oder wirtschaftlich schwierig bis nicht durchsetzbar, sind entsprechende Wertanpassungen vorzunehmen.154) Fortführungswerte sind nur in Ansatz zu bringen, „soweit eine Möglichkeit 363 der Fortführung des Unternehmens besteht“.155) Fortführung bedeutet die dauerhafte Fortführung des Unternehmens (Restrukturierungen, Insolvenzplan, übertragende Sanierung), nicht aber die zeitlich begrenzte Fortführung mit dem Ziel der Stilllegung (sog. Ausproduktion).156) Kann eine Fortführung nicht ausgeschlossen werden, sind beide Werte neben- 364 einander auszuweisen (§ 151 Abs. 2 Satz 2 InsO). Nur dann haben die Gläubiger die Möglichkeit, über den Fortgang des Verfahrens zu entscheiden (§ 157 InsO). Auf den Ausweis von Fortführungswerten kann der Insolvenzverwalter dann verzichten, wenn keine Fortführung des Unternehmens darstellbar ist (z. B. bei einem bereits vor Insolvenzantragstellung unwiderruflich eingestellten Geschäftsbetrieb ohne Möglichkeit der Wiederaufnahme). Hat der vorläufige Insolvenzverwalter/Sachverständige im Antragsverfahren 365 bereits eine Bewertung veranlasst, kann hieran angeknüpft werden. Mit der Bewertung können externe Sachverständige/Industriegutachter beauftragt werden, wenn die Bewertung der Gegenstände Spezialwissen verlangt oder mit sonstigen Schwierigkeiten verbunden ist (§ 151 Abs. 2 Satz 2 InsO). Das Verzeichnis stellt die Aktivseite der Insolvenzbilanz dar.157) Alle Ver- 366 mögensgegenstände sind nach den vorbeschriebenen Grundsätzen einzeln anzuführen. Gesetzliche Vorgaben zur Gliederung des Verzeichnisses existieren nicht. Es empfiehlt sich, eine Gliederung in Anlehnung an die handelsrechtliche Bilanz gemäß § 266 HGB, abgestimmt auf die jeweilige Verfahrensart und ergänzt um die insolvenzspezifischen Ansprüche. Dies verspricht Übersichtlichkeit und den bestmöglichen Informationsgehalt für betriebswirtschaftlich orientierte Gläubiger, da an die im Geschäftsverkehr gängige Darstellung angelehnt.158) Insbesondere angesichts der Tendenzen zur Standardisierung der Insolvenzverwalterrechnungslegung159) erscheint es zweckmäßig, die handelsrechtliche Struktur auch auf die Vermögensübersicht (§ 153 InsO) und das Masseverzeichnis anzuwenden.160) Die nachfolgende Übersicht soll als Anregung zur Gliederung dienen:161)
367
___________ 154) Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 171; KPB/Wipperfürth, InsO, § 151 Rn. 21; FK-InsO/Wegener, § 151 Rn. 16. 155) Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 171. 156) KPB/Wipperfürth, InsO, § 151 Rn. 22; FK-InsO/Wegener, § 151 Rn. 17. 157) Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 55. 158) KPB/Wipperfürth, InsO, § 151 Rn. 47; Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 105. 159) Vgl. exemplarisch Kloos, NZI 2009, 586, Langer/Bausch, ZInsO 2011, 1287; Wipperfürth, InsbürO 2014, 60. 160) KPB/Wipperfürth, InsO, § 151 Rn. 47. 161) Gliederung entspricht KPB/Wipperfürth, InsO, § 151 Rn. 50; siehe hierzu instruktiv auch Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 108.
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90
G e l e is t et e A nza h lu n ge n
Technische Anlagen und Maschinen
Andere Anlagen, Betriebs- und Geschäftsausstattung
Geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau
2.
3.
4.
Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich Bauten auf fremden Grundstücken
1.
Sachanlagen
G e s c h ä f t s - o d e r Fi r m en w e r t
3.
Entgeltlich erworbene Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an solchen Rechten und Werten
2.
4.
Selbst geschaffene gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte
1.
Immaterielle Vermögensgegenstände
4. Ausleihungen an Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht
3. Beteiligungen
2. Ausleihungen an verbundene Unternehmen
1. Anteile an verbundenen Unternehmen
III. Finanzanlagen
II.
I.
A. Anlagevermögen
Buchwert per XX.YY.ZZZZ
Masseverzeichnis (§ 151 InsO) Liquidationswert/ Fortführungswert
Drittrechte
Kostenbeiträge
freie Masse
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
II.
I.
g) Miet e in n ah me n
f) Finanzanlagen (Lebensversicherungen, Bausparverträge o. Ä.)
e ) S t e u e r e r s t a t t un g s a n s p r ü c h e
d ) M i e t k a u ti o n s gu t ha b e n
c ) A n sp r ü c h e g e g en G es ch ä f t sf üh re r
b ) An sp r ü ch e g e g en G e se l l sc h a f t e r
a ) A us s te he nd e St a mm e i n l a g e
4 . S o n s ti g e V e r mö g e n s g e g e n st ä n d e
3. Forderung gegen Unternehmen, mit denen ein Beteiligungsverhältnis besteht
2. Forderungen gegen verbundene Unternehmen
1. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen
Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände
3 . F e r t i g e E r z e u g n is s e u n d W a r e n
2. Unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen
1 . Ro h - , Hi l f s - un d B e t r i e b s s to ff e
Vorräte
B. Umlaufvermögen
6 . S o n s t i g e A u s l e ih u n g e n
5 . W e r t p a p i e r e d e s A n l a g ev e rm ö g e n s
Buchwert per XX.YY.ZZZZ
Masseverzeichnis (§ 151 InsO) Liquidationswert/ Fortführungswert
Drittrechte
Kostenbeiträge
freie Masse
III. Die Wirkungen der Eröffnung
91
92
Massekostenvorschuss, Zuschüsse Dritter
III.
IV.
Summe Aktiva
Sondermasse gemäß § 92 InsO
Sondermasse gemäß § 93 InsO, § 171 Abs. 2 HGB
II.
Anfechtung, §§ 129 ff InsO
Insolvenzspezifische Ansprüche
F.
I.
Aktiver Unterschiedsbetrag aus der Vermögensverrechnung
E.
D. Aktive latente Steuern
C. Rechnungsabgrenzungsposten
3. Kassenbestand vorläufiger Verwalter/Übertrag Insolvenzeröffnung
2 . B ar k as s e
1 . Ge s c h äf tsk o n te n
IV. Kassenbestand, Bankbestand etc.
2. S o n s tig e W ert p ap ie re
1. Anteile an verbundenen Unternehmen
III. Wertpapiere
i) Sonstige Forderungen/Vermögenswerte
h ) B er e i c h e r u n g s a n s p r ü c h e
Buchwert per XX.YY.ZZZZ
Masseverzeichnis (§ 151 InsO) Liquidationswert/ Fortführungswert
Drittrechte
Kostenbeiträge
freie Masse
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
III. Die Wirkungen der Eröffnung
In der Verwaltungspraxis zeigt sich eine Entwicklung, dass Insolvenzgerichte 368 die Abbildung des Verwertungsverlaufs und der Verwertungsergebnisse über die gesamte Verfahrensdauer fortlaufend/fortgeschrieben verlangen. Eine einheitliche Vorgehensweise hat sich insoweit noch nicht etabliert, auch existiert bislang keine gesetzliche Grundlage für die fortgeschriebene Darstellung des Masseverzeichnisses. Es ist jedoch vorsichtig zu erwarten, dass diese Tendenzen weiter verfolgt werden.162) bb) Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO) In einem Verzeichnis der Gläubiger hat der Insolvenzverwalter vollständig 369 sämtliche bekannten Gläubiger zu erfassen (§ 152 Abs. 1 InsO). Die Aufstellung des Verzeichnisses dient rein der Listung der bekannten Gläubiger, ohne dass es einer Vorprüfung hinsichtlich der Begründetheit und Durchsetzbarkeit der Forderung bedarf. Diese Prüfung ist für die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen im Prüfungstermin vorzunehmen. Praxistipp: Als Ermittlungsquellen für die Aufstellung des Gläubigerverzeichnisses dienen insbesondere: x die Bücher und Geschäftspapiere des Schuldners (§ 152 Abs. 1 Satz 1 InsO), x die sonstigen Angaben des Schuldners (§ 152 Abs. 1 Satz 1 InsO), x die von den Gläubigern angezeigten Forderungen (§ 152 Abs. 1 Satz 1 InsO), x Erkenntnisse sonstiger Art (§ 152 Abs. 1 Satz 1 InsO).
Das Verzeichnis stellt mit dem Masseverzeichnis (§ 151 InsO) die Grundlage 370 für die Vermögensübersicht (§ 153 InsO) dar, die auf den Stichtag der Insolvenzeröffnung vorzunehmen ist.163) Entsprechend muss auch das Gläubigerverzeichnis die zu diesem Stichtag bestehenden Verbindlichkeiten beinhalten.164) Absonderungsberechtigte Gläubiger sind in das Verzeichnis unter Angabe 371 des Gegenstands, an dem das Absonderungsrecht besteht, sowie der Höhe des mutmaßlichen Ausfalls aufzunehmen (§ 152 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 InsO).165) Aussonderungsberechtigte sind grundsätzlich nicht aufzunehmen, soweit 372 ihre Forderungen durch das Aussonderungsrecht erfüllt werden.166) Eine Auf___________ 162) 163) 164) 165) 166)
KPB/Wipperfürth, InsO, § 151 Rn. 51. KPB/Wipperfürth, InsO, § 152 Rn. 5; Pape/Uhländer/Hansing, InsO, § 152 Rn. 11. KPB/Wipperfürth, InsO, § 152 Rn. 5. KPB/Wipperfürth, InsO, § 152 Rn. 15. Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 171; KPB/Wipperfürth, § 152 Rn. 13; FKInsO/Wegener, § 152 Rn. 10; Pape/Uhländer/Hansing, InsO, § 152 Rn. 4; MünchKommInsO/Füchsl/Weishäupl/Jaffé, § 152 Rn. 7, HK-InsO/Jarchow, § 152 Rn. 6; FischerBöhnlein/Körner, BB 2001, 191, 193; a. A. Möhlmann, DStR 1999, 163, 166.
93
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
nahme erfolgt lediglich dann, wenn zum Zeitpunkt der Erstellung noch nicht mit abschließender Sicherheit feststeht, ob ein Aussonderungsrecht besteht.167) 373 Nachranggläubiger (§ 39 InsO) sind in das Gläubigerverzeichnis unabhängig davon aufzunehmen, ob das Insolvenzgericht eine besondere Aufforderung zur Anmeldung der nachrangigen Forderungen gemäß § 174 Abs. 3 Satz 1 InsO ausspricht (§ 152 Abs. 2 Satz 1 InsO).168) 374 Auch Masseverbindlichkeiten sind in das Verzeichnis aufzunehmen (vgl. § 152 Abs. 3 Satz 2 InsO).169) 375 Jeder Gläubiger ist mit vollständiger Anschrift und dem Grund sowie der Höhe der Forderung aufzunehmen (§ 152 Abs. 2 Satz 2 InsO). Merke: Beim Gläubigerverzeichnis liegt der Schwerpunkt auf der vollständigen und korrekten Erfassung aller Gläubiger. Die Erfassung erfolgt i. a. R. in dem EDV-Programm, das im weiteren Verfahrensverlauf auch zur Prüfung der Insolvenztabellenforderungen dient. Ein vollstreckbarer Tabellenauszug einer festgestellten Forderung entfaltet die Wirkungen eines rechtskräftigen Urteils (§ 178 Abs. 3 InsO). Die Bezeichnung des Gläubigers ist daher den Grundsätzen der Zivilprozessordnung folgend genau zu wählen (vgl. § 4 InsO i. V. m. §§ 50 ff., 313, 724 ff. ZPO). Eine korrekte Erfassung von Beginn an erspart im weiteren Verfahrensverlauf Zeit, Arbeit und Mühen, die für Korrekturen im Fall der Falschbezeichnung aufgewendet werden müssen. 376 Eine gesetzliche Vorgabe zur Gliederung des Verzeichnisses existiert nicht. Die nachfolgende Übersicht soll als Anregung zur Gliederung dienen:170)
___________ 167) 168) 169) 170)
94
KPB/Wipperfürth, InsO, § 152 Rn. 13. KPB/Wipperfürth, InsO, § 152 Rn. 24. Siehe zum Meinungsstreit KPB/Wipperfürth, InsO, § 152 Rn. 26. Gliederung entspricht KPB/Wipperfürth, InsO, § 152 Rn. 29.
II.
I.
Vergütung des Insolvenzverwalters
Vergütung des Gläubigerausschusses
3.
4.
Unterhalt (§ 100 InsO)
Schadensersatz (§ 169 Satz 1 InsO)
Wertersatz (§ 172 Abs. 2 Satz 1 InsO)
9.
10.
§ 55 Abs. 4 InsO
6.
Sozialplanansprüche (§ 123 Abs. 1 InsO)
§ 55 Abs. 2 Satz 2 InsO
5.
8.
§ 55 Abs. 2 Satz 1 InsO
4.
7.
§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO
§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO
3.
§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO
2.
1.
Sonstige Masseverbindlichkeiten
Gerichtskosten
Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters
1.
2.
Verfahrenskosten, § 54 InsO
A. Masseverbindlichkeiten
Forderungsgrund Gesamtverbindlichkeit
Absonderungsrecht (Gegenstand)
Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO) Buchwert per XX.YY.ZZZZ Wert Absonderungsrecht (Sicherheit)
NachAufrech- Insolvenzfor- Massenungsmög- derung unge- verbind- rangige sichert (Auslichkeit lichForde(Betrag) fallbetrag) keiten rungen
III. Die Wirkungen der Eröffnung
95
96
Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen
Insolvenzforderungen, § 38 InsO
I.
Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen
IV.
§ 39 Abs. 1 Nr. 2 InsO
§ 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO
§ 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO
§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO
§ 39 Abs. 2 InsO
III.
IV.
V.
VI.
§ 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO
II.
I.
Nachrangige Insolvenzforderungen, § 39 InsO
[… ]
Steuerverbindlichkeiten
III.
Summe
C.
Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten
II.
Gläubiger A-GmbH, Musterstr. 12, 34567 Musterdorf
B.
Forderungsgrund Gesamtverbindlichkeit Absonderungsrecht (Gegenstand)
Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO) Buchwert per XX.YY.ZZZZ Wert Absonderungsrecht (Sicherheit)
NachAufrech- Insolvenzfor- Massenungsmög- derung unge- verbind- rangige sichert (AuslichFordelichkeit keiten rungen (Betrag) fallbetrag)
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
III. Die Wirkungen der Eröffnung
Merke: Das Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO) und das Masseverzeichnis (§ 151 InsO) bilden die Grundlage für die Vermögensübersicht (§ 153 InsO). Wie in einer handelsrechtlichen Bilanz müssen sich Aktivseite und Passivseite in der Summe entsprechen. Das bedeutet bei der Aufstellung jeweils, dass die Werte der Absonderungsrechte auf der Aktivseite mit den Sicherheiten auf der Passivseite übereinstimmen müssen. cc) Vermögensübersicht (§ 153 InsO) Die Vermögensübersicht gemäß § 153 InsO ist die sog. Eröffnungsbilanz, 377 demnach eine konzentrierte Gegenüberstellung der insolvenzbefangenen Vermögensgegenstände und der Verbindlichkeiten.171) Grundlage für das auf den Stichtag der Eröffnung des Verfahrens aufzustellende Vermögensverzeichnis bilden das Masseverzeichnis (§ 151 InsO) und das Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO), nicht jedoch die Handelsbilanz des Schuldners mit den dort angeführten Buchwerten.172) Das Vermögensverzeichnis ist ein Bestandteil der internen Rechnungsle- 378 gung173) und der Ausgangspunkt für die spätere Prüfung der Schlussrechnung durch die Gläubiger und das Insolvenzgericht.174) In der Insolvenz der Genossenschaft stellt die Vermögensübersicht die Grund- 379 lage der vollstreckbaren Nachschussberechnung nach § 106 Abs. 3 GenG dar.175) Die Gegenüberstellung soll nach dem Willen des Gesetzgebers „ähnlich einer 380 Bilanz“ gestaltet sein.176) Eine strukturelle Orientierung an dem Aufbau der Handelsbilanz unter Einbindung der insolvenzrechtlichen Besonderheiten (§ 266 HGB) ist daher naheliegend, angesichts des Informationsgehalts für betriebswirtschaftlich orientierte Gläubiger zu empfehlen und auch den Forderungen nach Standardisierung genügend.177) Abhängig vom Verfahrensverlauf und dessen Zielsetzung empfiehlt sich aus 381 Gründen der Übersichtlichkeit eine eigene „Liquidationsbilanz“ sowie ggf. eine „Fortführungsbilanz“. ___________ 171) KPB/Wipperfürth, InsO, § 153 Rn. 1, HK-InsO/Jarchow, § 153 Rn. 1. 172) Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 172; FK-InsO/Wegener, § 153 Rn. 1; BGH, Beschl. v. 21.10.2010 – IX ZB 24/10, ZIP 2010, 2306 = ZVI 2010, 467. 173) KPB/Wipperfürth, InsO, § 153 Rn. 2, HK-InsO/Jarchow, § 153 Rn. 1. 174) KPB/Wipperfürth, InsO, § 153 Rn. 2, HK-InsO/Jarchow, § 153 Rn. 2; Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 178. 175) AG Wuppertal, Beschl. v. 14.2.2014 – 145 IN 450/10, ZInsO 2014, 1397; KPB/ Wipperfürth, InsO, § 153 Rn. 2; FK-InsO/Wegener, § 153 Rn. 2. 176) Begründung RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 172. 177) KPB/Wipperfürth, InsO, § 153 Rn. 16; Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 105.
97
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
382 Ein Beispiel für den Aufbau einer Bilanz soll nachfolgende Abbildung geben:178) Aktiva Masseverzeichnis (§ 151 InsO)
Passiva Gläubigerverzeichnis (§ 152 InsO)
Unterdeckung Bilanzsumme
Bilanzsumme
383 Die Gliederung des Masseverzeichnisses (§ 151 InsO) wird zur Übernahme empfohlen. Verzichtet werden kann auf Angaben der einzelnen Vermögenswerte sowie auf die Mengenangaben.179) Die Gliederung des Gläubigerverzeichnisses kann auf der Passivseite übernommen werden, wobei die Angaben zur Anschrift, zu einem eventuellen Bevollmächtigten sowie zum Forderungsgrund und Absonderungsgut entfallen sollten.180) 384 Die gesetzlichen Vertreter des Schuldnerunternehmens sind auf Antrag des Insolvenzverwalters gehalten, sämtliche Informationen zu erteilen, die Vollständigkeit der Vermögensübersicht an Eides statt zu versichern.181) Die eidesstattliche Versicherung bezieht sich nur auf das insolvenzbefangene Vermögen.182) Von der Möglichkeit der Versicherung der Vollständigkeit der Übersicht an Eides statt durch Erklärung des Schuldners (§ 153 Abs. 2 InsO) kann nur in Fällen Gebrauch gemacht werden, wenn erheblich Zweifel an den Angaben des Schuldners, die mit die Grundlage zur Erstellung der Übersicht bilden, bestehen.183) Bei juristischen Personen trifft die Pflicht den organschaftlichen Vertreter, bei Personengesellschaften die vertretungsberechtigten, persönlich haftenden Gesellschafter, bei der GmbH & Co. KG die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH (§§ 153 Abs. 2 Satz 2, 101 Abs. 1 InsO).184) Angestellte des Schuldners sind nicht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet.185)
___________ 178) Gliederung entspricht KPB/Wipperfürth, InsO, § 1523 Rn. 21, so auch Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 174. 179) Vgl. zur Gliederung KPB/Wipperfürth, InsO, § 151 Rn. 47 ff. 180) KPB/Wipperfürth, InsO, § 153 Rn. 22 ff. 181) KPB/Wipperfürth, InsO, § 153 Rn. 23; zur eidesstattlichen Versicherung nach den Vorschriften des Zivilprozessrechts nach Verfahrenseröffnung vgl. Viertelhausen, DGVZ 2001, 36, 37; für das Eröffnungsverfahren AG Rostock, Beschl. v. 10.1.2000 – 64 M 6512/99, NZI 2000, 142. 182) KPB/Wipperfürth, InsO, § 153 Rn. 23; FK-InsO/Wegener, § 153 Rn. 8. 183) HK-InsO/Jarchow, § 153 Rn. 20. 184) KPB/Wipperfürth, InsO, § 153 Rn. 35 ff.; MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl/Jaffé, § 153 Rn. 28; FK-InsO/Wegener, § 153 Rn. 15. 185) KPB/Wipperfürth, InsO, § 153 Rn. 35 ff.; MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl/Jaffé, § 153 Rn. 28; FK-InsO/Wegener, § 153 Rn. 15.
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III. Die Wirkungen der Eröffnung
dd) Besonderheit bei Eigenverwaltung Ist Eigenverwaltung angeordnet, ist die Erstellung der Verzeichnisse gemäß 385 § 151, 152 InsO und der Vermögensübersicht des § 153 InsO Aufgabe des Schuldners (§ 281 Abs. 1 Satz 1 InsO). Den Sachwalter trifft eine Prüfungspflicht. Er ist berechtigt, Einwendung gegen 386 die Verzeichnisse und die Übersicht zu erheben (§ 281 Abs. 1 Satz 2 InsO). ee) Frist Die Vermögensübersicht gemäß § 153 InsO ist spätestens eine Woche vor 387 dem Berichtstermin beim Insolvenzgericht zur Einsicht der Beteiligten niederzulegen (§ 154 InsO). Da die Verzeichnisse gemäß §§ 151, 152 InsO die Grundlage für die Übersicht bilden, lässt sich hieraus ableiten, dass auch diese Verzeichnisse entsprechend erstellt werden müssen. Je nach Umfang des Verfahrens ist zu empfehlen, mit einer Vorfrist von 7 – 14 Tagen zu arbeiten. c) Verwertung der Insolvenzmasse Zu den originären Pflichten des Insolvenzverwalters gehört die Verwertung 388 der Insolvenzmasse. Zur Insolvenzmasse gehören die zum Zeitpunkt der Eröffnung im Schuldnervermögen vorhandenen Vermögenswerte sowie der während des Insolvenzverfahrens erlangte Neuerwerb (§ 35 InsO). Die Einzelheiten und Besonderheiten der Verwaltung und Verwertung sind in gesonderten Abschnitten dargestellt (ĺ Rn. 410 ff.). Der Insolvenzverwalter hat die Gegenstände der Insolvenzmasse grundsätz- 389 lich unverzüglich nach dem Berichtstermin und bestmöglich zu verwerten, soweit die Beschlüsse der Gläubigerversammlung nicht entgegenstehen (§ 159 InsO). Besonders bedeutsame Rechtshandlungen bedürfen der Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung (§ 160 InsO). Vor dem Berichtstermin und der Beschlussfassung durch die Gläubiger über den Fortgang des Verfahrens (§ 157 InsO) ist die Verwertung von Massegegenständen zulässig im Rahmen der Verwaltung (nicht im engeren Sinne der Liquidation). Die Entscheidung, ob der Insolvenzverwalter bereits vor der ersten Gläubigerversammlung Verwertungshandlungen einleitet bzw. durchführt, trifft er nach pflichtgemäßem Ermessen. Angezeigt sein wird dies immer dann, wenn leicht verderbliche Waren zu verwerten sind oder Gefahr bzw. ein Schaden für die Masse drohen (kontaminiertes Grundstück o. Ä.). Die Verwertung vor der Beschlussfassung birgt allerdings auch Haftungspotential, falls zum Nachteil der Gläubiger verwertet wird (z. B. Veräußerung unter Wert). Soweit der Insolvenzverwalter den Forderungseinzug und die Verwertung 390 von Erzeugnissen und Waren (Umlaufvermögen) im Rahmen einer Betriebs-
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
fortführung vornimmt, sind diese Handlungen der Verwaltung zuzuordnen und bereits vor dem Berichtstermin angezeigt und zulässig.186) Die Verwertung von Anlagevermögen ist – abgesehen von den vorerwähnten Ausnahmen – regelmäßig erst nach dem Berichtstermin angezeigt. 391 Auch eine übertragende Sanierung ist eine Form der Verwertung187) und demnach grundsätzlich erst nach dem Berichtstermin möglich. Bei der übertragenden Sanierung (sog. Asset Deal) werden sämtliche Vermögenswerte an einen Erwerber (Investor, ehem. Konkurrenten, neu gegründetes Unternehmen o. Ä.) übertragen. Es bedarf der Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung (§ 160 Abs. 2 Satz 1 InsO) sowie unter den besonderen Voraussetzungen auch weiterer Zustimmungen gemäß § 162, 163 InsO. Arbeitsrechtlich ist i. d. R. § 613a BGB zwingend zu beachten, wonach der „neue Arbeitgeber“ in die Rechtsstellung des „alten Arbeitgebers“ eintritt. Die Zahlungsverbindlichkeiten des Schuldnerunternehmens werden im Insolvenzverfahren abgewickelt. Auch hierbei wird, ist es im Einzelfall angezeigt, eine Notveräußerung bereits vor dem Berichtstermin als zulässig erachtet. 392 Der Grundsatz der bestmöglichen Verwertung neben dem Ziel der lukrativsten Veräußerung geht einher mit einer masseschonenden Verwaltung und Verwertung. Im Rahmen dessen muss der Insolvenzverwalter darauf achten, die Masse mit möglichst geringem Kostenaufwand zu verwalten und zu verwerten. 393 Bei Insolvenzverkäufen sind die Bestimmungen des Wettbewerbsrechts (§§ 3, 4, 5 UWG) zu beachten. Erfolgt der als solcher beworbene Insolvenzverkauf durch einen Verwerter ist darauf zu achten, dass nur Massegegenstände verwertet werden und nicht weitere, eigens für die Verwertung angeschaffte, verkaufsfördernde zusätzliche „Schmankerl“ (vgl. § 4 Nr. 4 UWG). 394 Delegiert der Insolvenzverwalter Verwertungstätigkeiten, die zu seinen originären Aufgaben gehören, kann dies ggf. zu Abschlägen bei der Vergütungsfestsetzung führen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Umstände des Verfahrens die Verwertung durch einen Dritten nicht rechtfertigen (z. B. wegen der bei der Versteigerung bestehenden Möglichkeit des Gewährleistungsausschlusses, einem Spezialmarkt oder bei größeren Massen).188) 2. Konsequenzen für das Schuldnerunternehmen 395 Die vertretungsbefugten Personen des Schuldnerunternehmen verlieren ihre Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich der Massegegenstände im ___________ 186) Vgl. BGH, Urt. v. 20.2.2003 – IX ZR 81/02, ZIP 2003, 632, dazu EWiR 2003, 425 (Schumacher). 187) Wellensiek, NZI 2002, 233. 188) FK-InsO/Wegener, § 159 Rn. 11.
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III. Die Wirkungen der Eröffnung
gleichen Umfang, wie diese auf den Insolvenzverwalter übergeht (§ 80 Abs. 1 InsO). Die Verfügungen des Insolvenzverwalters sowie die Ausübung von Gestaltungsrechten (Kündigungen, Widerrufen, Anfechtungen gemäß §§ 142 ff. BGB, Rücktritte §§ 349 ff. BGB, Aufrechnung gemäß §§ 389 ff. BGB) wirken unmittelbar für und gegen das Schuldnerunternehmen. Der gesetzliche Vertreter (Geschäftsführer, Vorstand etc.) kann die Unternehmung indes nach Insolvenzeröffnung nicht mehr rechtswirksam ver- oder entpflichten. Auch die Entscheidungen, die den operativen Geschäftsbetrieb oder Abwicklungsfragen betreffen, sind vom Insolvenzverwalter zu treffen. Der gesetzliche Vertreter geht insoweit seiner Kompetenzen verlustig. Praxistipp: Zu empfehlen ist eine transparente Kommunikation hinsichtlich der Kompetenzfelder der Geschäftsleitung bzw. des Insolvenzverwalters. Die „Übernahme des Ruders“ durch den Insolvenzverwalter wird nicht von jedem gesetzlichen Vertreter sogleich protestfrei akzeptiert. Die Transparenz in der Kommunikation und die klare Verteilung der Kompetenzen sind daher umso wichtiger. Gleichzeitig entbindet der Übergang der Entscheidungsbefugnisse den gesetzlichen Vertreter nicht von seiner Mitwirkungs- und Auskunftsverpflichtung. Dies gilt selbst dann, wenn der Anstellungsvertrag (arbeitsrechtlich) bereits gekündigt wurde. Die Kündigung betrifft nicht die Stellung als Organ einer Gesellschaft. Die Praxiserfahrung zeigt, dass auch dies im Rahmen eines klärenden Gesprächs gut vermittelt werden kann und sollte.
Eine Ausnahme zum Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis 396 bildet die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Eigenverwaltung (§ 270 InsO); die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis verbleibt bei dieser besonderen Art des Insolvenzverfahrens auch hinsichtlich der Massegegenstände beim Schuldner. Der gerichtlich bestellte Sachwalter übt eine Art Controlling aus, ist aber nicht mit dem Aufgabenfeld eines Insolvenzverwalters betraut. (ĺ Rn. 353 ff.). 3. Verfügungen, Leistungen und Rechtserwerb nach Eröffnung (§§ 81, 82, 91 InsO) Verfügt der gesetzliche Vertreter trotz der insoweit alleinigen Kompetenz 397 des Insolvenzverwalters nach Insolvenzeröffnung dennoch über Gegenstände der Masse, wird diese über §§ 81, 82, 91 InsO geschützt. Als logische Konsequenz aus dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 Abs. 1 InsO) bestimmt § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO die absolute Unwirksamkeit von Verfügungen des Schuldners über Massegegenstände nach Eröffnung. Der Begriff der Verfügung ist weit zu verstehen und umfasst neben Rechts- 398 übertragungen, Rechtsänderungen, Rechtsbelastungen, Aufhebungen, nach ganz überwiegender Meinung auch rechtsgeschäfts- und verfügungsähnliche Handlungen, insbesondere Zahlungen, Lastschriftbuchungsgenehmigungen, Mitteilungen und Anzeigen (§§ 149, 171, 409 Abs. 1, 415 Abs. 1 Satz 2, 416
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
Abs. 1 Satz 1, 478 Abs. 1 BGB, § 377 HGB), Fristsetzungen, Aufforderungen nach §§ 108 Abs. 2, 177 Abs. 2 BGB oder Androhungen nach §§ 384 Abs. 1, 1220 Abs. 1 Satz 1 BGB.189) Merke: § 81 InsO umfasst nur Verfügungen, nicht aber Verpflichtungsgeschäfte (Abstraktionsprinzip beachten)! 399 Ein vom gesetzlichen Vertreter abgeschlossenes Verpflichtungsgeschäft ist hinsichtlich der Insolvenzmasse nach den Regelungen der Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) zu beurteilen. Der Handelnde agiert ohne Vertretungsmacht und kann daher die Masse nicht rechtswirksam verpflichten, sofern der Insolvenzverwalter keine Genehmigung (§ 177 BGB) erteilt.190) 400 Hat der Erwerbende im Rahmen eines mehraktigen Rechtserwerbs z. Zt. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein sog. Anwartschaftsrecht erworben, ist diese Rechtsposition geschützt. Ein insolvenzbeständiges Anwartschaftsrecht liegt vor, wenn von einem mehraktigen Erwerbsvorgang schon so viele Teile vorgenommen worden sind, dass der endgültige Eintritt des Erwerbs einseitig vom Veräußerer nicht mehr verhindert werden kann. Beispiel: Der Geschäftsführer hat vor Insolvenzantragstellung ein Garagengrundstück rechtswirksam an einen Erwerber übertragen. Der Antrag auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt ist ebenfalls vor Insolvenzeröffnung eingegangen. Die Veräußerung von Grundstücken ist ein mehraktiges Verfügungsgeschäft (dingliche Einigung zwischen Verkäufer und Erwerber [Auflassung] und Eintragung im Grundbuch), §§ 873, 925 BGB. Der Rechtserwerb (Eigentumsübergang) findet erst mit Eintragung im Grundbuch statt. Da die dingliche Einigung im Beispiel vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte und der Antrag auf Eigentumsumschreibung z. Zt. der Eröffnung beim Grundbuchamt vorliegt, ist bei diesem mehraktigen Rechtserwerb nicht auf den Zeitpunkt der Grundbucheintragung (nach Insolvenzeröffnung) abzustellen, sondern vielmehr auf den Eingang des rangwahrenden Antrages im Grundbuchamt (§ 878 BGB).191) Achtung: § 81 InsO findet im vorläufigen Insolvenzverfahren entsprechend Anwendung (§ 24 Abs. 1 InsO)!
___________ 189) Zum Streitstand und m. w. N. siehe HK-InsO/Kuleisa, § 81 Rn. 6. 190) Ries, ZInsO 2005, 298 (300). 191) Siehe dazu BGH, Urt. v. 26.4.2012 – IX ZR 136/11, ZIP 2012, 1256 = ZfIR 2012, 547 (m. Anm. Kesseler, S. 549).
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III. Die Wirkungen der Eröffnung
Ist der Erwerber bei der jeweiligen Antragstellung auf Eintragung in seiner 401 Rechtsposition ob einer bindenden Einigung gesichert und ist der Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung beim Grundbuchamt gestellt, kann er das Recht gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 InsO i. V. m. §§ 878, 892 BGB gutgläubig erwerben, wenn die dingliche Einigung dem Eintragungsantrag zeitlich vorausgeht und der Erwerber bei Stellung des Antrages beim Grundbuchamt hinsichtlich der fehlenden (bzw. beschränkten) Verfügungsbefugnis auch gutgläubig war (Gutglaubenserwerb der Anwartschaft). Ein gutgläubiger Erwerb kann regelmäßig durch einen zuvor bereits eingetragenen (vorläufigen) Insolvenzsperrvermerk verhindert werden (§ 32 InsO, ggf. i V. m. § 23 Abs. 3 InsO). Ist eine Leistung an den Schuldner zu bewirken, kann diese nach Insolvenz- 402 eröffnung schuldbefreiend nur noch an den Insolvenzverwalter erbracht werden (§ 82 InsO), sofern die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse zu erfüllen war und der Leistende die Eröffnung kannte. Wird die Leistung an die Schuldnerunternehmung bewirkt, ist dies nur dann schuldbefreiend, wenn der Leistende z. Zt. der Leistungserbringung hinsichtlich der Eröffnung des Verfahrens in Unkenntnis war. In der Insolvenz unter Eigenverwaltung sind §§ 81, 82 InsO nicht unmittel- 403 bar anwendbar. Bestimmt das Insolvenzgericht, dass die Wirksamkeit bestimmter Rechtsgeschäfte von der Zustimmung des Sachwalters abhängt, gelten sie entsprechend. Liegt keine Verfügung des Schuldners (und keine Zwangsvollstreckungs- 404 maßnahme vor, vgl. auch §§ 88, 89 InsO ĺ Rn. 849 ff.), schützt § 91 InsO die Insolvenzmasse vor masseschmälernden Abflüssen aufgrund sonstigen Rechtserwerbs. § 91 InsO ist als Auffangtatbestand zu sehen für die Fälle, die nicht bereits über die §§ 81, 82, 88, 89, 90 InsO gegriffen werden. Verfügt der Schuldner über wiederkehrende Bezüge, kann er die Forderun- 405 gen unter bestimmten Voraussetzungen zugunsten eines Dritten abtreten, soweit die Forderungen noch nicht durch Zahlung erloschen sind (§ 362 BGB) oder auch künftig erst entstehen (§ 398 BGB). Die Abtretung einer Forderung durch den Schuldner nach Insolvenzeröffnung ist über § 81 Abs. 1 InsO unwirksam. Bei der Abtretung künftiger Forderungen, der sog. Vorausabtretung,192) 406 liegt eine Verfügung des Schuldners zugrunde; die Wirkungen des Abtretungsvertrags treten jedoch erst mit Entstehen der Forderung – damit ggf. nach Insolvenzeröffnung – ein. Da die Verfügung (Abtretung) vor Insolvenzeröffnung lag, verfängt § 81 InsO nicht. Stattdessen ist bei einer Vorausabtretung § 91 InsO zu beachten. Nach der Eröffnung des Insolvenzver___________ 192) Siehe zum Bestimmtheitsgrundsatz BGH, Urt. v. 24.11.1975 – III ZR 81/73, WM 1976, 151.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
fahrens können Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nicht wirksam erworben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt. Bei der Vorausabtretung ist die Verfügung des Schuldners bereits mit Abschluss des Abtretungsvertrags vor Eröffnung des Verfahrens beendet. Die Wirkungen der Abtretung (Forderungsübergang) treten erst mit dem jeweiligen Entstehen der abgetretenen Forderung ein. Dem Erwerb einer nach Eröffnung entstandenen Forderung steht § 91 Abs. 1 InsO entgegen. 407 Eine Ausnahme besteht lediglich in den Fällen, in denen der Zessionar (neue Gläubiger) bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der abgetretenen Forderung erlangt hat. Können der Zedent (Abtretende) und der Forderungsschuldner die Rechtsposition ohne Mitwirkung des Neugläubigers einseitig nicht mehr zerstören, ist diese Rechtsposition gesichert.193) In diesem Fall ist die Abtretung insolvenzfest.194) Ist das Entstehen der Forderung jedoch von einer Leistungserbringung des Abtretenden abhängig, kann dieser das Entstehen beeinflussen, indem er entscheidet, ob er die Leistung erbringt oder dies unterlässt. In dem Fall ist die Abtretung nicht insolvenzfest, da die Rechtsposition des Neugläubigers nicht sicher ist. 408 Erfolgte ein Kauf unter Eigentumsvorbehalt, ist § 91 InsO anwendbar. Zahlt der Vorbehaltskäufer den (Rest)Kaufpreises, steht dem Eigentumserwerb jedoch auch nach der Eröffnung nichts entgegen, da dieser nur noch einseitig von der Zahlung des Käufers abhängt, nicht jedoch von einer Leistung des Abtretenden (Schuldnerunternehmens). Merke: Eine Forderung kann grundsätzlich nicht gutgläubig erworben werden (Ausn. §§ 2366 f., 405 BGB). 409 Ist der Rechtserwerb auch unter Beachtung von §§ 81, 91 InsO wirksam und insolvenzbeständig, ist in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob eine/mehrere Rechtshandlung(en) nicht anfechtbar sind. §§ 81, 91 InsO präkludieren nicht die Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO). Sind eine oder mehrere Rechtshandlung(en) anfechtbar, tritt nicht „automatisch“ Unwirksamkeit ein; vielmehr muss der Insolvenzverwalter die Anfechtung über die insolvenzspezifische Anspruchsgrundlage des § 143 Abs. 1 InsO geltend machen (schuldrechtlicher Rückgewähranspruch, ĺ Rn. 654 ff.).
___________ 193) BGH, Urt. v. 26.1.2012, a. a. O. 194) BGH, Urt. v. 26.1.2012 – IX ZR 191/10, ZIP 2012, 638 = ZVI 2012, 268 = WM 2012, 549, dazu EWiR 2012, 491 (Weiß, R./Müller, P.); BGH, Urt. v. 20.9.2012 – IX ZR 208/11, WM 2012, 2292.
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IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse
IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse 1. Insolvenzmasse Zum Begriff der Insolvenzmasse findet sich in § 35 Abs. 1 InsO eine Legal- 410 definition. § 35 Abs. 1 InsO Das Insolvenzverfahren erfasst das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse).
Unter Insolvenzbeschlag stehen hiernach die sog. Soll-Masse zum Eröff- 411 nungsstichtag sowie der sog. Neuerwerb. Das Universalitätsprinzip rechnet auch im Ausland befindliches Schuldnervermögen der Insolvenzmasse zu.195) Das vom Insolvenzverwalter vorgefundene Vermögen (Ist-Vermögen) ist je- 412 doch regelmäßig nicht identisch mit der Soll-Masse. Vielmehr befinden sich u. a. auszusondernde Gegenstände (Fremdvermögen) im Besitz des Schuldnerunternehmens oder es existieren verheimlichte Vermögensgegenstände, sodass die tatsächlich vorgefundene Masse i. a. R. umfassender oder geringer ist als die Soll-Masse. Praxistipp: In der Begrifflichkeit abzugrenzen ist die sog. Teilungsmasse. Diese beschreibt das nach Verwertung vorhandene Vermögen, bereinigt um die abgesonderten Befriedigungen, Aufrechnungen und Freigaben nach Befriedigung der Massegläubiger.
Auch Schadensersatzansprüche für beschädigte Massegegenstände und aus 413 Massemitteln erworbene Vermögenswerte unterliegen dem Insolvenzbeschlag (Surrogate).196) Gleiches gilt für Früchte und Nutzungen.197) Soweit der Insolvenzverwalter einzelne Gegenstände aus dem Insolvenzbe- 414 schlag freigibt (ĺ Rn. 416 ff.), endet der Insolvenzbeschlag hinsichtlich des freigegebenen Gegenstandes grundsätzlich unwiderruflich mit Zugang der Freigabeerklärung beim Schuldnervertreter. 2. Verwaltung und Verwertung Unabhängig von der Frage der Fortführungsfähigkeit und -würdigkeit eines 415 Unternehmens hat der Insolvenzverwalter die vorhandene Insolvenzmasse zu verwalten und bestmöglich zu verwerten. Beides zielt ab auf die bestmögliche und gleichmäßige Befriedigung (par conditio creditorum). ___________ 195) BGH, Urt. v. 11.7.1985 – IX ZR 178/84, ZIP 1985, 944, dazu EWiR 1985, 605 (Merz). 196) Anerkannt in Anlehnung an § 2041 BGB bzw. §§ 285, 1247 BGB. 197) BGH, Urt. v. 30.5.1958 – V ZR 295/56, NJW 1958, 1286.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
3. Freigabe einzelner Gegenstände aus dem Massebeschlag a) Grundsätze der Freigabe 416 Die Insolvenzmasse ist einen der Haftung für die Gläubigergesamtheit verschriebene Sondermasse. Befinden sich in diesem Bestand „Insolvenzvermögen“ Gegenstände, deren bei der Verwertung zu erwartende Erlös die Kosten der Verwertung nicht übersteigen wird, wirkt sich die weitere Verwaltung und Verwertung dieser Gegenstände u. U. und insbesondere angesichts der im Rahmen dessen anfallenden Kosten (für Unterhaltung, Instandsetzung, Unterstellung, Lagerung etc.) masseschädigend und damit die Befriedigungsaussichten der Gläubiger beeinträchtigend aus.198) Beispiele: Die Valuta grundpfandrechtlich gesicherter Forderungen übersteigt oftmals den aus der Verwertung eines Grundstücks zu erwartenden Erlös (wertausschöpfende/wertübersteigende Belastung). Die laufenden öffentlichen Lasten und Unterhaltungskosten des Grundstücks sind grundsätzlich Masseverbindlichkeiten. Ein PKW verfügt nur noch über Schrottwert, ein Verwertungserlös ist nicht zu erwarten. Die laufenden Unterhaltungskosten (Versicherung, Steuern etc.) sind aus der Masse zu bestreiten. Auch dies führt zu einer Masseschmälerung. 417 Zeichnet sich ab, dass die Verwertung eines einzelnen Gegenstandes nicht zu einer Massemehrung, sondern vielmehr zu einer Masseschmälerung führt, kann der Gegenstand aus der Insolvenzmasse freigeben werden. Die Feststellung, ob eine Freigabe im Gläubigerinteresse angezeigt ist, ist anhand rechtlicher, tatsächlicher und wirtschaftlicher Gesichtspunkte zu beurteilen. 418 Die Möglichkeit der Freigabe einzelner Gegenstände aus der Insolvenzmasse ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, lässt sich jedoch aus § 32 Abs. 3 InsO herleiten und ist allgemein anerkannt.199) 419 Die Befugnis zur Abgabe einer Freigabeerklärung liegt ausschließlich beim Insolvenzverwalter. 420 Voraussetzung für eine Freigabe ist der mit Eröffnung zunächst begründete Insolvenzbeschlag des Gegenstandes. Eine Freigabe kann daher hinsichtlich auszusondernder Gegenstände mangels Insolvenzbeschlag erklärt werden. b) Zeitpunkt der Freigabe 421 Rechtlich ist eine Freigabeerklärung ab dem Zeitpunkt des Beginns des Insolvenzbeschlags (Insolvenzeröffnung) bis zu dessen Beendigung (Einstellung/ Aufhebung des Verfahrens) zulässig. Regelmäßig wird eine Freigabe relativ ___________ 198) Vgl. bei der Mobiliarvollstreckung § 803 Abs. 2 ZPO. 199) Vgl. exemplarisch BGH, Urt. v. 21.4.2005 – IX ZR 281/03, ZInsO 2005, 594 ff.; Marotzke, ZVI 2003, 309, 313 ff.
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IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse
zeitnah nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärt, um das Entstehen weiterer, im Zusammenhang mit der Verwaltung des Gegenstandes entstehender Masseverbindlichkeiten zu vermeiden bzw. einzugrenzen. Eine vorschnelle Freigabeerklärung ist jedoch in keinem Fall indiziert, da die Freigabe rechtsbegründend und grundsätzlich unwiderruflich ist. c) Form und Folgen der Freigabeerklärung Die Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters ist materiellrechtlich formlos 422 möglich. Zu Beweiszwecken ist allerdings in jedem Fall die Schriftform zu empfehlen. Die Freigabe entfaltet als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung mit Zugang der Erklärung beim Schuldnervertreter (§ 130 Abs. 1 BGB) ihre rechtliche Wirkung. Die Folge der Freigabeerklärung ist das unwiderrufliche und dauerhafte Erlöschen des Insolvenzbeschlags im Zeitpunkt des Zugangs (konstitutive Wirkung). Soweit insbesondere im Zusammenhang mit Immobiliarvermögen weitestgehend erst der grundbuchrechtliche Vollzug (Eintragung) rechtsbegründend wirkt, ist die Löschung des Insolvenzsperrvermerks nach der Freigabe von Immobiliarvermögen nur deklaratorisch. Nach Wirksamkeit der Freigabe entstehen für die Folgezeit grundsätzlich keine 423 weiteren Masseverbindlichkeiten.200) Für Insolvenzgläubiger dient der freigegebene Gegenstand nach Freigabe 424 nicht als Zugriffsobjekt im Wege der Zwangsvollstreckung.201) Wird ein Grundstück aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben, kann eine durch die Rückschlagsperre (§ 88 InsO, ĺ Rn. 854 ff.) unwirksam gewordene Zwangssicherungshypothek trotz des Vollstreckungsverbots (§ 89 InsO) im Zeitpunkt der Freigabe wieder wirksam werden, wenn diese noch im Grundbuch eingetragen ist.202) d) Freigabeerklärung bei fehlendem Erklärungsempfänger Ist der Schuldnervertreter nicht auffindbar bzw. unbekannten Aufenthalts, 425 ist die Zustellung der Freigabeerklärung faktisch nicht möglich. In Ermange___________ 200) Siehe zur Ausn. im Fall der Verwertung eines belasteten Grundstücks nach Freigabe BFH, Urt. v. 16.8.2001 – V R 59/99, ZIP 2002, 230 = ZfIR 2002, 156, dazu EWiR 2002, 301 (Büteröwe), ZInsO 2002, 222 ff. sowie zur Problematik Schmittmann, ZInsO 2006, 1299 ff. 201) BGH, Beschl. v. 12.2.2009 – IX ZB 112/06, ZIP 2009, 818 = ZVI 2009, 205 = ZfIR 2009, 482 (m. Kurzanm. Hawelka, S. 483), dazu EWiR 2009, 545 (Kexel); so auch MünchKomm-InsO/Breuer, § 89 Rn. 1; BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/04, ZIP 2006, 479 (m. Bespr. Keller, S. 1174) = ZVI 2006, 210 = ZfIR 2006, 437 (m. Anm. Volmer, S. 441) = ZInsO 2006, 264, dazu EWiR 2006, 317 (Gundlach/Frenzel). 202) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZB 232/04, ZInsO 2006, 261 ff. Die Konvaleszenz tritt sodann zum Zeitpunkt der Freigabe, nicht erst nach Beendigung des Verfahrens ein, da § 185 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 BGB entsprechend gilt.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
lung gesetzlicher Regelungen und Rechtsprechung für diesen nicht seltenen Fall hat die Praxis Lösungsstrategien entwickelt. 426 Für zulässig erachtet wird die Bestellung eines Prozesspflegers (§ 4 InsO i. V. m. §§ 57, 58 ZPO).203) § 57 ZPO wird im Insolvenzverfahren für anwendbar gehalten, wenn es der Bestellung eines Prozesspflegers bei Klageerhebung gegen eine geschäftsführerlose insolvente GmbH bedarf.204) Diese Grundsätze dürften auch in dem ähnlich problembehafteten Fall des Fehlens eines Erklärungsempfängers bei einer empfangsbedürftigen Freigabeerklärung anwendbar sein. Voraussetzung für die Bestellung eines Prozesspflegers ist in diesem Fall die Unzustellbarkeit der Erklärung. Diese ist durch Vorlage von Rückbriefnachrichten, fruchtlosen Einwohnermeldeamtsanfragen o. Ä. glaubhaft zu machen. 427 Daneben bietet die öffentliche Zustellung der Freigabeerklärung (§ 132 Abs. 2 BGB) eine weitere Möglichkeit der Zustellung, wenn sämtliche Bemühungen, eine zustellfähige Anschrift zu ermitteln, nachweislich erfolgslos verlaufen sind (vgl. §§ 185 ff. ZPO). Der Nachweis kann ebenfalls durch Vorlage von Rückbriefnachrichten, fruchtlosen Einwohnermeldeamtsanfragen o. Ä. geführt werden. 4. Aus- und Absonderungsrechte a) Überblick Aus- und Absonderung 428 Nicht alle im Besitz der Schuldnerunternehmung stehenden Vermögenswerte stehen auch in deren Eigentum. Der Insolvenzverwalter ist gehalten, unverzüglich nach Insolvenzeröffnung Rechte Dritter an den Gegenständen festzustellen – sofern dies nicht bereits im Eröffnungsverfahren abschließend erfolgen konnte. Rechte zugunsten Dritter versetzen den Berechtigten in die Lage, den Gegenstand entweder vom Insolvenzverwalter herauszuverlangen (Aussonderung) bzw. aus dem Gegenstand bevorzugte Befriedigung zu verlangen (Absonderung). Diese jeweils bevorrechtigte Stellung ist vom Insolvenzverwalter zwingend zu beachten. Welche Rechte in Gesellschaftsinsolvenzen zur Aussonderung bzw. abgesonderten Befriedigung berechtigen, wird im Folgenden näher dargestellt.
___________ 203) So Heyn, InsbürO 2011, 12. 204) OLG Zweibrücken, Beschl. v. 12.4.2001 – 3 W 23/01, ZIP 2001, 973 = ZInsO 2001, 472, dazu EWiR 2002, 223 (Pape); OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.9.2011 – 3 W 119/11, JurionRS 2011, 35825; OLG Dresden, Beschl. v. 11.12.2001 – 2 W 1848/01, ZInsO 2003, 855.
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IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse
b) Aussonderungsrechte aa) Grundlagen Auf ein Aussonderungsrecht können sich die Beteiligten berufen, die bean- 429 spruchen, dass ein Gegenstand nachweislich nicht zur Insolvenzmasse gehört (§ 47 InsO). § 47 InsO Wer auf Grund eines dinglichen oder persönlichen Rechts geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Insolvenzmasse gehört, ist kein Insolvenzgläubiger. Sein Anspruch auf Aussonderung des Gegenstands bestimmt sich nach den Gesetzen, die außerhalb des Insolvenzverfahrens gelten.
Der Aussonderungsanspruch kann vom Berechtigten gegenüber dem Insol- 430 venzverwalter formlos geltend gemacht werden. Die Erfüllung des Aussonderungsanspruchs erfolgt regelmäßig durch Bereitstellung des Gegenstandes zur Abholung. Das Aussonderungsgut muss individuell bestimmbar sein. Geld als Zahlungsmittel ist daher regelmäßig nicht auszusondern. Der Aussonderungsberechtigte ist nicht Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO, 431 soweit sein Herausgabeverlangen erfüllt wird. Ist das Aussonderungsgut infolge einer unberechtigten Veräußerung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Schuldner bzw. nach Eröffnung durch den Insolvenzverwalter nicht mehr vorhanden, hat der Berechtigte unter den Voraussetzungen des § 48 InsO einen Anspruch auf Ersatzaussonderung. Anstelle des Aussonderungsgutes kann er die Abtretung des Rechts auf die Gegenleistung, soweit diese noch aussteht, bzw. die Gegenleistung herausverlangen, sofern diese noch unterscheidbar in der Masse vorhanden ist. Soweit der Aussonderungsberechtigte keine Befriedigung seines Herausgabe- 432 anspruchs erfährt, kann er eventuelle Schadensersatzansprüche zur Insolvenztabelle anmelden (Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO). Aussonderungsgut unterliegt mangels Massebeschlags nicht der Verwaltungs- 433 und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Auch ein Verwertungsrecht genießt der Insolvenzverwalter insoweit nicht. Verwertet er dennoch Gegenstände, die der Aussonderung unterliegen, greift zwar § 48 InsO (Ersatzaussonderung). Dieser Anspruch auf Ersatzaussonderung erlischt jedoch, wenn der Verwertungserlös infolge der Gutschrift auf dem Anderkonto eine Vermischung erfährt. Der Berechtigte kann einen Anspruch gegen die Insolvenzmasse aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend machen (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dieser ist als Masseverbindlichkeit zu bedienen (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO; zur Rangfolge beachte § 53, § 209 InsO ĺ Rn. 733). Der Insolvenzverwalter selbst sieht sich bei Verwertung unter Nichtbeachtung des Aussonderungsrechts eventuellen Regressansprüchen ausgesetzt. Daher sollte er, ist noch nicht abschließend geklärt, ob an einem Gegenstand ein Aussonderungsrecht besteht, den Verwertungserlös auf einem Sonderkonto
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
verwalten und erst nach einer abschließenden Klärung auskehren bzw. zum Anderkonto vereinnahmen. 434 Durfte der vorläufige Insolvenzverwalter aufgrund einer gerichtlichen Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 5 InsO das Aussonderungsgut im Eröffnungsverfahren im Rahmen einer Betriebsfortführung weiterhin nutzen, besteht für den Aussonderungsberechtigten ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung und ggf. Wertersatz als Masseforderung (§§ 21 Abs. 1 Nr. 5, 169 Satz 2 InsO).205) 435 Zur Aussonderung berechtigten im Wesentlichen folgende Rechte: bb) Eigentum (§§ 903, 985 BGB) 436 Eigentum berechtigt zur Aussonderung. Der Eigentümer eines Gegenstandes, kann seinen Herausgabeanspruch (§ 985 BGB) gegen den Insolvenzverwalter geltend machen (Dritteigentum, Leasing). cc) Einfacher Eigentumsvorbehalt (§ 449 BGB) 437 Die Lieferung von Waren erfolgt oftmals unter Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts. Herausgebildet haben sich verschiedene Arten, das Eigentum vorzubehalten. Die in der Praxis am häufigsten anzutreffenden Varianten sind der einfache, der verlängerte oder der erweiterte Eigentumsvorbehalt (bzw. Mischformen). Die Vereinbarung einer Variante schließt die anderen Optionen nicht aus; vielfach existieren für eine Geschäftsbeziehung zwei oder auch drei Arten des Eigentumsvorbehalts nebeneinander. 438 Im Insolvenzverfahren räumt der Eigentumsvorbehalt dem Berechtigten je nach Ausgestaltung unterschiedliche Sonderrechte ein. Für den Insolvenzverwalter ist es daher bedeutsam, die Varianten bestimmen und unterscheiden zu können. Zur Aussonderung von gelieferten Waren berechtigt grundsätzlich nur der einfache Eigentumsvorbehalt. Hierbei wird die Übereignung des Kaufgegenstandes von der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung abhängig gemacht (§§ 929, 158 Abs. 1 BGB). Beispiel: Der Käufer behält sich das Eigentum an dem Kaufgegenstand bis zur vollständigen Bezahlung des Kaufpreises vor. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass das Eigentum mit der Bezahlung der letzten Kaufpreisrate (oder des vollständigen Kaufpreises) automatisch auf den Käufer übergeht. 439 Der Käufer erlangt bereits zuvor den Besitz an dem Gegenstand. Durch die Vereinbarung des einfachen Eigentumsvorbehalts bleibt der Verkäufer bis zur vollständigen Zahlung Eigentümer. Aufgrund dessen kann er in der In___________ 205) BGH, Beschl. v. 8.3.2012 – IX ZR 78/11, ZIP 2012, 779 = ZInsO 2012, 701.
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IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse
solvenz des Käufers den Gegenstand zur Aussonderung verlangen, sofern der Eigentumsvorbehalt nicht bereits durch Verzicht, Verbindung, Vermischung und Verarbeitung, eines gutgläubigen Dritterwerbs oder der erlaubten Weiterveräußerung erloschen ist. Praxistipp: Ersatzaussonderung (§ 48 InsO) Der Verkäufer ist in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers auch in den Fällen geschützt, in denen der Schuldner vor Insolvenzeröffnung bzw. der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberechtigt über den Gegenstand verfügt. Steht die Gegenleistung (z. B. die Kaufpreiszahlung aus dem Weiterkauf) noch aus, kann der Vorbehaltsverkäufer die Abtretung dieses Rechts (z. B. Zahlungsanspruch) verlangen. Ist der Gegenwert bereits der Masse zugeflossen, kann der Berechtigte dessen Aussonderung verlangen, sofern sich der Gegenwert noch unterscheidbar in der Masse befindet. Die Unterscheidbarkeit ist bei einer Überweisung auf das Anderkonto regelmäßig nicht mehr gegeben, da bei Buchgeld die Unterscheidbarkeit ab dem Zeitpunkt der Gutschrift verloren geht.
dd) Nießbrauch (§§ 1030 ff. BGB) Steht im Eigentum des insolventen Unternehmens ein Grundstück, an dem 440 zugunsten eines Dritten ein Nießbrauchrecht eingeräumt ist, ist das Recht auf Ausübung des Rechts (Nutzungsüberlassung, Furchtziehung) gemäß § 47 InsO aussonderungsfähig. Der Nießbrauchberechtigte hat gegen den Insolvenzverwalter einen Anspruch auf Nutzungsüberlassung und Fruchtziehung. ee) Grunddienstbarkeit (§§ 1018 ff. BGB) Durch Grunddienstbarkeit grundbuchrechtlich gesicherte Nutzungsrechte 441 räumen hinsichtlich der Ausübung des Rechts im Insolvenzfall Aussonderungsrechte ein. ff) Beschränkt persönliche Dienstbarkeiten (§§ 1090 ff. BGB) Beschränkt persönliche Dienstbarkeiten räumen dem Berechtigten, dinglich 442 gesichert, die Befugnis ein, das belastete Grundstück in einzelnen Beziehungen zu nutzen. Auch insoweit besteht ein Anspruch auf Aussonderung gg) Mietkaution Der Anspruch auf Herausgabe der Mietkaution unterliegt nur dann der Aus- 443 sonderung, wenn der Vermieter (Schuldner) sie von seinem Vermögen getrennt angelegt hat; anderenfalls ist der Rückforderungsanspruch lediglich eine Insolvenzforderung.206) ___________ 206) BGH, Urt. v. 20.12.2007 – IX ZR 132/06, ZIP 2008, 469.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
hh) Factoring 444 Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kunden ist der Faktor berechtigt, die abgetretenen Forderungen beim echten Factoring auszusondern. Der Factoringvertrag ist mit Eröffnung regelmäßig gemäß § 116 Abs. 1 InsO erloschen. ii) Leasing 445 Der Leasinggeber ist im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Leasingnehmers grundsätzlich zur Aussonderung des in seinem Eigentum stehenden Vermögensgegenstandes berechtigt. c) Absonderungsrechte aa) Grundlegendes 446 Ein Recht auf abgesonderte Befriedigung genießt ein Berechtigter, wenn er sich auf eine dingliche Sicherheit i. S. d. §§ 49 ff. InsO berufen kann. 447 Meldet der Berechtigte Ansprüche auf bevorzugte Befriedigung aus dem Verwertungserlös des Absonderungsgutes an, hat der Insolvenzverwalter zunächst zu prüfen, ob ein nach den allgemeinen Regeln wirksames und nach den insolvenzrechtlichen Bestimmung nicht anfechtbares (§§ 129 ff. InsO) Absonderungsrecht begründet wurde. 448 Der Insolvenzverwalter ist zur Verwertung eines beweglichen Absonderungsgegenstandes aus originärem Recht berechtigt, wenn er hieran Besitz begründet hat (§ 166 Abs. 1 InsO). Vor der Verwertung hat er dem absonderungsberechtigten Gläubiger mitzuteilen, auf welche Weise und zu welchen Konditionen der Gegenstand veräußert werden soll (§ 168 Abs. 1 InsO). Dem Absonderungsberechtigten ist so die Möglichkeit einzuräumen, binnen einer Woche auf eine andere, für ihn günstigere Möglichkeit der Verwertung des Gegenstands hinzuweisen. Einem rechtzeitigen Hinweis muss der Verwalter nachgehen und entsprechende Verwertungsinitiativen einleiten. 449 Auch die Verwertung eines Absonderungsgutes ist grundsätzlich unverzüglich nach dem Berichtstermin einzuleiten (§ 159 InsO). Bis zur Verwertung hat der Absonderungsberechtigte einen Anspruch auf Zahlung der laufenden Zinsen aus der Insolvenzmasse ab dem Berichtstermin (§ 169 InsO). Daneben besteht, wurde der Gegenstand aufgrund einer gerichtlichen Anordnung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 5 InsO weiter genutzt, ggf. ein Anspruch Wertersatz oder Nutzungsentschädigung. 450 Nach der Verwertung des Sicherungsgutes ist das Absonderungsrecht gemäß den §§ 170, 171 InsO abzugelten. Der Erlös ist unverzüglich unter Abzug der Bewertungs- und ggf. Verwertungskosten zugunsten der Masse an den Berechtigten auszukehren. Hat der Verwalter das Absonderungsgut als solches festgestellt und geprüft bzw. Kollisionslagen mit Aus- und/oder anderen Ab112
IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse
sonderungsrechten identifiziert, kann er zugunsten der Masse einen Bewertungskostenbeitrag in Höhe von pauschal 4 % vom Bruttoerlös einbehalten (§§ 170, 171 Abs. 1 InsO). Eine einem eventuellen Mehr- oder Minderaufwand entsprechende Anpassung ist nicht vorgesehen.207) Bei einer Verwertung des Absonderungsgutes durch den Insolvenzverwalter 451 (vgl. § 166 InsO), steht der Masse zudem ein Anspruch auf Erstattung der Verwertungskosten in Höhe der tatsächlichen Kosten bzw. einer Pauschalabgeltung in Höhe von 5 % zu (§ 171 Abs. 2 Satz 1 InsO). Zudem ist die Umsatzsteuerpflicht aus der Masse zu erfüllen, sofern nicht ausnahmsweise Umsatzsteuerfreiheit besteht (§ 171 Abs. 2 Satz 2 InsO, ĺ hierzu ausführlich Rn. 717 ff.). Bei der Verwertung von unbeweglichem Absonderungsgut gelten die §§ 170, 452 171 InsO bei der Erlösverteilung nicht. Unbewegliches Sicherungsgut können nach Maßgabe des § 165 InsO im Wege einer vom Insolvenzverwalter beantragten Zwangsversteigerung oder einer verwalterinitiierten freihändigen Veräußerung verwertet werden. Außerdem besteht für den Absonderungsberechtigten die Möglichkeit, die Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung zu betreiben (vgl. § 49 InsO, ĺ Rn. 454 ff.). Verwertet der Insolvenzverwalter unbewegliches Absonderungsgut, kann eine Massebeteiligung lediglich in Höhe einer zwischen dem Insolvenzverwalter und dem absonderungsberechtigten Grundpfandrechtsgläubiger vereinbarten sog. „Lästigkeitsentschädigung“ (Massekostenbeitrag) sowie ggf. in Höhe eines eventuellen Übererlöses sichergestellt werden. Der Massekostenbeitrag ist frei verhandelbar und beträgt durchschnittlich zwischen 1 – 7 % des Verkaufserlöses. Zudem sind noch eventuelle steuerrechtliche Vorschriften zu beachten (ĺ ausführlich hierzu Rn. 820 ff., 717 ff.). Zur abgesonderten Befriedigung berechtigt sind insbesondere:
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bb) Immobiliarsicherheiten (§ 49 InsO) Gläubiger, denen ein Absonderungsrecht an unbeweglichem Vermögen (ins- 454 besondere Grundstücke, Schiffe) zusteht, können Befriedigung aus dem Vermögenswert nach den Regeln des ZVG (Zwangsversteigerungsgesetz) erlangen. Die Durchführung eines von einem Grundpfandrechtsgläubiger parallel zum eröffneten Insolvenzverfahren eingeleiteten Zwangsversteigerungoder Zwangsverwaltungsverfahrens ist demnach zulässig. Soll ein solches Verfahren nach Eröffnung beantragt/eingeleitet werden, ist eine Titelumschreibung auf den Insolvenzverwalter erforderlich (vgl. § 727 InsO). Wurde bereits vor Insolvenzeröffnung ein Verfahren eingeleitet, wird dieses nicht gemäß § 240 InsO unterbrochen, sondern ohne Umschreibung des Vollstreckungstitels fortgeführt. ___________ 207) BGH, Urt. v. 11.7.2002 – IX ZR 262/01, ZIP 2002, 1630.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
455 Aus Miet- und Pachtforderungen (§ 1123 Abs. 1 BGB, vgl. zum dem Hypothekenhaftungsverband §§ 1120 ff. BGB) kann nach Eröffnung nur abgesonderte Befriedigung erlangt werden, wenn diese im Wege des Zwangsverwaltungsverfahrens beschlagnahmt werden (§§ 148 Abs. 1, 21 Abs. 2 ZVG).208) Bis zum Zeitpunkt der Beschlagnahme im Wege der Zwangsverwaltung durch den betreibenden Grundpfandrechtsgläubiger besteht ein Einzugsrecht des Insolvenzverwalters (vgl. §§ 146 Abs. 1, 20 Abs. 1, 2, 148 Abs. 1 Satz 1 ZVG).209) 456 Eine Zwangssicherungshypothek kann, wurde sie innerhalb eines Monats vor dem Insolvenzantrag bzw. nach diesem Antrag ins Grundbuch eingetragen, der Rückschlagsperre des § 88 InsO unterliegen. Die dadurch erlangte Sicherung wird mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes unwirksam.210) cc) Pfandrechte (§ 50 InsO) 457 Ein rechtsgeschäftliches bzw. gesetzliches Pfandrecht und ein im Wege der Zwangsvollstreckung erlangtes Pfändungspfandrecht berechtigen ebenfalls zur abgesonderten Befriedigung. 458 Rechtsgeschäftliche Pfandrechte entstehen regelmäßig durch Verpfändung eines Gegenstandes oder einer Forderung oder eines sonstigen Rechts (§§ 90, 1204 ff., 1273 ff., 1279 ff. BGB). Ein nicht übertragbares Recht kann nicht Gegenstand eines Pfandrechts sein (§ 1274 Abs. 2 BGB). 459 Gesetzliche Pfandrechte bestehen insbesondere in Form des Vermieterpfandrechts (§§ 559, 581, 592 BGB), des Speditionspfandrechts (§§ 410, 411 HGB) oder zugunsten des Pächters bei Mitverpachtung von Inventar (§ 583 BGB), des Gastwirts bei Beherbergungsverträgen (§ 704 BGB), des Sicherungsberechtigten aus der Hinterlegung (§ 233 BGB), des Frachtführers am Frachtgut (§ 440 HGB)211) und des Werkunternehmers für seine Werklohnforderung an den in seinem Betrieb befindlichen hergestellten oder reparierten Gegenständen (§ 647 BGB). ___________ 208) BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZIP 2006, 1554 = ZVI 2006, 448 = ZfIR 2007, 206 (m. Anm. Eckert, S. 208) = ZInsO 2006, 872, dazu EWiR 2007, 281 (Freudenberg). 209) Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35 (m. Bespr. Mitlehner, S. 804) = ZfIR 2007, 465 (m. Anm. Zipperer, S. 466) = ZInsO 2006, 1321 f., dazu EWiR 2007, 83 (Neußner); BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZIP 2006, 1554 = ZVI 2006, 448 = ZfIR 2007, 206 (m. Anm. Eckert, S. 208) = ZInsO 2006, 872.; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, ZIP 2010, 38 = ZVI 2010, 58 = ZfIR 2010, 114 (LS) = ZInsO 2010, 43, dazu EWiR 2010, 191 (Eckardt). 210) Vgl. auch zur Frage des Wiederauflebens nach Freigabe des Grundstücks aus dem Insolvenzbeschlag BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/04, ZIP 2006, 479 (m. Bespr. Keller, S. 1174) = ZVI 2006, 210 = ZfIR 2006, 437 (m. Anm. Volmer, S. 441); BGH, Beschl. v. 12.7.2012 – V ZB 219/11, ZIP 2012, 1767 = ZVI 2012, 419 = ZfIR 2012, 759 (LS) = ZIP 2011, 1876, dazu EWiR 2012, 631 (Eckardt). 211) Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 18.4.2002 – IX ZR 219/01, ZIP 2002, 1204.
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IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse
Das Vermieterpfandrecht berechtigt nur wegen der im letzten Jahr vor In- 460 solvenzeröffnung begründeten Mietrückstände zur abgesonderten Befriedigung (§ 50 Abs. 2 InsO). Bei Veräußerung des Grundstücks ist hinsichtlich der Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt ein Vermieterpfandrecht zugunsten des Erwerbers entstanden ist, auf den Zeitpunkt der Einbringung der Sache in die Mieträume abzustellen.212) Eine Sicherungsübereignung der Sache im Zeitraum nach der Einbringung in die Mieträume und vor einem Vermieterwechsel verhindert nicht, dass das Vermieterpfandrecht des Erwerbers die Sache erfasst.213) Neben dem Vermieterpfandrecht des Veräußerers entsteht ein eigenständiges, gleichrangiges und dieselben Sachen erfassendes Vermieterpfandrecht des Erwerbers.214) Ein im Wege der Zwangsvollstreckung erlangtes Pfändungspfandrecht 461 (§§ 803 ff., 928 ff. ZPO) gibt ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus dem gepfändeten Vermögenswert, sofern die Sicherung nicht angesichts der Rückschlagsperre (§ 88 InsO) unwirksam wird bzw. in anfechtbarer Weise erlangt wurde (ĺ Rn. 854 ff., 654 ff.). dd) Sicherungsrechte (§ 51 Nr. 1 InsO) Zur abgesonderten Befriedigung berechtigen weiterhin die Sicherungsrechte 462 des § 51 Nr. 1 InsO, daher insbesondere: (1) Sicherungsabtretung (auch Globalzession, unechtes Factoring) Soweit einzelne Forderungen oder Forderungsgruppen (Globalzession) zur 463 Sicherung einer Forderung abgetreten wurden (§§ 398 ff. InsO), ergibt sich diese Zweckbestimmung (Sicherung) aus der Sicherungsabrede. Nicht übertragbare Forderungen können nicht abgetreten werden (§§ 399, 400 BGB). Werden künftig entstehende Forderungen abgetreten, ist der Bestimmtheits- 464 grundsatz zu beachten, d. h. dass die mit der Entstehung auf den Gläubiger übergehenden Forderungen müssen hinreichend bestimmbar sein. Die Praxis zeigt, dass insbesondere Globalzessionen nicht immer diesem Bestimmtheitserfordernis genügen. Dem Insolvenzverwalter ist daher zu empfehlen, die Sicherungsabrede sowie die Abtretung im Hinblick auf die Wirksamkeit der Sicherungsabtretung insoweit einer genauen Prüfung zu unterziehen. Die Abtretung einer künftigen Forderung genügt dem Bestimmtheitsgrundsatz, „wenn durch diese Vorausabtretung die einzelne Forderung individuell so genügend bestimmt ist, dass es nur noch ihrer Entstehung bedarf, um die Übertragung mit ___________ 212) BGH, Urt. v. 15.10.2014 – XII ZR 163/12, ZIP 2015, 378. 213) BGH, Urt. v. 15.10.2014 – XII ZR 163/12, ZIP 2015, 378 zugleich Fortführung von BGH, Urt. v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, ZIP 2007, 191 (m. Bespr. Mitlehner, S. 804) = ZVI 2007, 72 = ZfIR 2008, 210 (m. Anm. Hawelka, S. 213), dazu EWiR 2007, 185 (Gundlach/Frenzel) und BGH, Urt. v. 20.3.1986 IX ZR 42/85, NJW 1986, 2426. 214) BGH, Urt. v. 15.10.2014 – XII ZR 163/12, ZIP 2015, 378.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
der Entstehung ohne weiteres und zweifelsfrei wirksam werden zu lassen […]. Das gilt insbesondere auch für die als Sicherungsmittel des Warenkreditgläubigers anerkannte Vorausabtretung im Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts […].“215) 465 Soweit Steuererstattungsansprüche abgetreten werden, ist dies der zuständigen Finanzbehörde auf dem amtlich vorgeschriebenem Vordruck anzuzeigen (§ 46 Abs. 3 AO). (2) Sicherungsübereignung 466 Bei der Übereignung bestimmter Gegenstände zwecks Sicherung von Gläubigerforderungen bedarf es materiellrechtlich der Einigung über den Eigentumsübergang und der Übergabe (§ 929 BGB, ggf. unter einem Besitzmittlungsverhältnis, § 930 BGB oder durch Abtretung des Herausgabeanspruchs, § 931 BGB). 467 Die Sicherungsübereignung muss dem Spezialitäten- und Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen.216) Die Gegenstände müssen zum Zeitpunkt der Einigung so hinreichend bestimmt sein, dass jeder, der die Vereinbarungen der Vertragsparteien kennt, die übereigneten Sachen ohne Schwierigkeiten von anderen unterscheiden kann; soll nur ein Teil einer größeren Menge übereignet werden, so bedarf es einer eindeutigen Abgrenzung gegenüber dem nicht übereigneten Teil. Nicht ausreichend ist eine mengen- oder wertmäßige Bezeichnung unter Bezugnahme auf Teile einer Sachgesamtheit (z. B. die Hälfte der EDV-Ausstattung).217) 468 Werden Gegenstände eines Warenlagers mit wechselndem Bestand sicherungsübereignet, muss hinsichtlich der später hinzutretenden Waren durch ein einfaches, nach außen erkennbares Geschehen im Zeitpunkt des Eigentumsüberganges für jeden, der die Parteiabreden kennt, ohne Weiteres erkennbar sein, welche konkreten Gegenstände sicherungsübereignet wurden. Ein solches Merkmal ist z. B. die genaue Beschreibung eines Raumes, in den die neuen Waren verbracht werden, die als Sicherungsgut dienen sollen (Raumsicherungsvertrag). (3) Verlängerter Eigentumsvorbehalt 469 Die unterschiedlichen Varianten der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts wurden bereits unter dem Themenkreis der Aussonderungsrechte besprochen (ĺ Rn. 437 ff.). Der einfache Eigentumsvorbehalt berechtigt zu Aussonderung, erlischt jedoch mit der Weiterverarbeitung oder Weiterveräußerung des ___________ 215) BGH, Urt. v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86. 216) Exempl. BGH, Urt. v. 3.7.2000 – II ZR 314/98, ZIP 2000, 1895, dazu EWiR 2000, 1047 (Medicus). 217) BGH, Urt. v. 24.11.1975 – III ZR 81/73, WM 1976, 151.
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IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse
Gegenstandes. Die Kaufpreisforderung des Verkäufers und Lieferanten ist nur bis zu diesem Zeitpunkt abgesichert. Zur Sicherung der Kaufpreisforderung des Vorbehaltsverkäufers über den Zeitpunkt der Weiterverarbeitung oder Weiterveräußerung hinaus kann vereinbart werden, dass an die Stelle der Sicherheit am gelieferten Gegenstand eine Sicherheit am „wirtschaftlichen Surrogat“ entsteht (Vorausabtretungs- und Weiterverarbeitungsklauseln). Der Eigentumsvorbehalt wird in diesem Fall vertikal ausgedehnt. Die Vorausabtretungsklausel ist eine Kombination aus einfachem Eigen- 470 tumsvorbehalt und einer Zession der (künftigen) Forderung des Käufers gegen den Zweitkäufer (vgl. § 398 BGB).218) Anstelle der Kaufsache tritt die Kaufpreisforderung des Käufers gegen den Zweitkäufer. Die Vorausabtretung hat den Charakter einer Sicherungsabtretung und genügt mit dem BGH219) dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz, „[…] wenn durch diese Vorausabtretung die einzelne Forderung individuell so genügend bestimmt ist, dass es nur noch ihrer Entstehung bedarf, um die Übertragung mit der Entstehung ohne weiteres und zweifelsfrei wirksam werden zu lassen (vgl. dazu Weber in BGB-RGRK 12. Aufl. § 398 Rn. 68f m. w. N). Das gilt insbesondere auch für die als Sicherungsmittel des Warenkreditgläubigers anerkannte Vorausabtretung im Rahmen eines verlängerten Eigentumsvorbehalts (vgl. etwa Senatsurteil vom 3. April 1974 – VIII ZR 235/72 = WM 1974, 451 = NJW 1974, 1130).“
Bei der Weiterverarbeitungsklausel wird der Käufer zur Verarbeitung (Ver- 471 bindung, Vermischung gemäß §§ 947, 948 BGB), die mit Zustimmung des Verkäufers (§ 183 BGB) geschieht, ermächtigt. Die Vereinbarung stellt eine Kombination aus einfachem Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung dar. Der Eigentumsvorbehalt geht nicht unter, sondern setzt sich an dem neu entstandenen Produkt fort. In der verlängerten Form erlischt er erst durch Zahlung des Kaufpreises oder durch Verzichtserklärung des Verkäufers. Beispiel: Die Ware bleibt bis zur vollständigen Bezahlung Eigentum des Verkäufers. Der Käufer ist berechtigt, den Kaufgegenstand im ordnungsgemäßen Geschäftsverkehr zu verarbeiten und zu veräußern. Die aus dem Weiterverkauf bzw. der Weiterverarbeitung resultierenden Forderungen tritt der Käufer bereits jetzt sicherheitshalber an den Verkäufer im vollen Umfang ab. Der Verkäufer ermächtigt den Käufer hiermit widerruflich, diese Forderungen einzuziehen. (4) Erweiterter Eigentumsvorbehalt Beim erweiterte Eigentumsvorbehalt vereinbaren der Verkäufer und der Käu- 472 fer, dass der Eigentumsvorbehalt nicht durch Zahlung gerade der geschuldeten Kaufpreiszahlung für die mit dem Eigentumsvorbehalt belastete Ware er___________ 218) Beachte ein evtl. Abtretungsverbot gemäß § 399 BGB, z. B. aus § 354a HGB. 219) BGH, Urt. v. 7.12.1977 – VIII ZR 164/76, BGHZ 70, 86.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
lischt, sondern das Erlöschen vielmehr erst dann eintritt, wenn der Käufer alle Forderungen (Kontokorrentvorbehalt) oder jedenfalls einen bestimmten Teil der Forderungen (dispositiver Umfang) aus der bestehenden Geschäftsbeziehung beglichen hat (horizontale Ausdehnung). Der Eigentumserwerb des Käufers ist aufschiebend bedingt, dadurch dass das Eigentum erst dann übergeht (Vollrechtserwerb), wenn alle oder ein Teil der Forderungen des Verkäufers vollständig erfüllt sind (§§ 929, 158 Abs. 1 BGB). Beispiel: Der Kaufgegenstand bleibt bis zur Erfüllung aller Forderungen – einschließlich sämtlicher dem Verkäufer aus Kontokorrentkrediten zustehender Saldoforderungen –, die dem Verkäufer aus jedem Rechtsgrund gegen den Käufer jetzt oder in der Zukunft zustehen, im Sicherungseigentum des Verkäufers. ee) Zurückbehaltungsrechte (§ 51 Nr. 2, 3, InsO) 473 Zurückbehaltungsrechte wegen nützlicher Verwendungen an beweglichen Sachen gewähren, soweit deren Besitz vor Eröffnung des Verfahrens erlangt wurde, nur insoweit ein Absonderungsrecht, als der Wert der Sache durch die Verwendung erhöht wurde und die Werterhöhung im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch vorhanden war. Daneben gewährleisten kaufmännische Zurückbehaltungsrechte eine bevorzugte Befriedigungsmöglichkeit (vgl. § 369 HGB). ff) Fiskalabsonderungsrechte (§ 51 Nr. 4 InsO) 474 Zugunsten der in § 51 Nr. 4 InsO genannten öffentlich-rechtlichen Gläubiger besteht ein Absonderungsrecht wegen der auf Massegegenständen lastenden Zölle und Steuern, soweit sich die Gegenstände in der Verfügungsgewalt der Behörden befinden oder diese zu deren Gunsten beschlagnahmt sind. d) Kollisionslagen 475 Das Zusammentreffen mehrerer Absonderungsrechte an demselben/denselben Gegenstand/Gegenständen bereitet in der Praxis regelmäßig Schwierigkeiten. 476 Bei Kollisionslagen dieser Art gilt zunächst der Prioritätsgrundsatz: Das zeitlich rechtsgeschäftlich zuerst begründete Absonderungsrecht hat Vorrang. 477 Abzustellen ist auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Sicherungsvereinbarung. Dies gilt auch dann, wenn das Sicherungsrecht für künftige Forderungen bestellt ist (vgl. § 1209 BGB). 478 Bei Kollision mehrerer Pfändungspfandrechte gilt ebenfalls das Prioritätsprinzip. Dies ergibt sich aus § 804 Abs. 3 ZPO. § 804 Abs. 3 ZPO (3) Das durch eine frühere Pfändung begründete Pfandrecht geht demjenigen vor, das durch eine spätere Pfändung begründet wird.
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IV. Umfang, Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse
Der Prioritätsgrundsatz ist ebenfalls anzuwenden auf Kollisionslagen zwischen 479 dem AGB-Pfandrecht eines Kreditinstituts und einem Pfändungspfandrecht eines Gläubigers aus einer Kontenpfändung: Das AGB-Pfandrecht der Bank/Sparkasse geht dem Pfändungspfandrecht des Vollstreckungsgläubigers vor. Die gilt nicht für die nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eingehenden Zahlungen. Hinsichtlich der mit Gutschrift auf dem Geschäftskonto entstehenden Auszahlungsansprüche des Schuldnerunternehmens gegen das Kreditinstitut genießt das Pfändungspfandrecht des Gläubigers Vorrang. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass das Pfändungspfandrecht durch das AGB-Pfandrecht ausgehöhlt würde. Liegen mehreren Abtretungen vor, entfaltet das Prioritätsprinzip gleicher- 480 maßen Gültigkeit. Abzustellen ist auf das Ausstellungs-/Erklärungsdatum der Abtretung selbst. Eine zeitlich früher erklärte Abtretung geht einer später erklärten im Rang vor, auch wenn die frühere später beim Drittschuldner eingeht. Kollidieren Sicherungsübereignung und Vermieterpfandrecht, gilt eben- 481 falls der Prioritätsgrundsatz. Dabei bezieht sich das Vermieterpfandrecht nur auf im Schuldnereigentum stehende Gegenstände (§ 562 Abs. 1 BGB). Wurde ein Gegenstand bereits vor Einbringung in die Mietsache sicherungsübereignet, geht die Sicherungsübereignung vor. Bei einer nach Verbringung in die Mietsache erklärten Sicherungsübereignung geht das Vermieterpfandrecht vor. Dies gilt auch dann, wenn zum Zeitpunkt der Sicherungsübereignung noch keine Mietrückstände bestehen, da das Vermieterpfandrecht auch erst künftig entstehende Forderungen aus dem Mietverhältnis sichert.220) Besteht eine Kollisionslage zwischen Sicherungseigentum, Vermieterpfand- 482 recht und Eigentumsvorbehalt, ergibt sich folgende Wertung: Werden unbezahlte, unter einfachem Eigentumsvorbehalt erworbene Gegenstände in die Räumlichkeiten eingebracht, gilt zunächst der Vorrang des Eigentumsvorbehalts, da bis zur vollständigen Zahlung kein Eigentumsrecht des Schuldners begründet wird. Werden die Gegenstände vollständig bezahlt, wird zur Vermeidung einer wirtschaftlichen Aushöhlung des Vermieterpfandrechts dessen Vorrang vor dem Sicherungseigentum angenommen.221) Ist ein Warenlager mit wechselndem Bestand angemietet, entsteht bei einer 483 gleichzeitigen Raumsicherungsübereignung an nachträglich eingebrachten Waren das Vermieterpfandrecht erstrangig und erst im Nachrang das Absonderungsrecht des Sicherungseigentümers.222) ___________ 220) BGH, Urt. v. 14.12.2006 – IX ZR 102/03, ZIP 2007, 191 (m. Bespr. Mitlehner, S. 804) = ZVI 2007, 72 = ZfIR 2008, 210 (m. Anm. Hawelka, S. 213). 221) FK-InsO/Imberger, § 51 Rn. 20 m. w. N. 222) BGH, Urt. v. 12.2.1992 – XII ZR 7/91, ZIP 1992, 390 = NJW 1992, 1156, dazu EWiR 1992, 443 (Köndgen).
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
484 Durchbrochen wird der Prioritätsgrundsatz zugunsten der fiskalischen Absonderungsrechte (§ 51 Nr. 4 InsO) gegenüber einem Vermieterpfandrecht.223) 485 Können Sicherungsrechte aufgrund einer Vermengung o. Ä. nicht mehr voneinander abgegrenzt oder identifiziert werden, besteht die Möglichkeit, die Sicherungsgläubiger in einem sog. Pool zusammenzuschließen. Solche Pools werden nicht selten auch bereits vorinsolvenzlich durch die Gläubiger eigeninitiiert gegründet (der Rechtsform nach ist dies meist ein Zusammenschluss in Form einer GbR). Die aus der Verwertung der besicherten Vermögenswerte erzielten Erlöse werden nach dem Abschluss des Verwertungsverfahrens gemäß den Vereinbarungen des Pool-Vertrages unter den Berechtigten aufgeteilt. e) Ausfall 486 Soweit der Berechtigte keine bevorzugte Befriedigung aus der Verwertung des Absonderungsgutes erfahren hat, kann er die persönliche, nunmehr ungesicherte Forderung in Höhe des Ausfalls zur Insolvenztabelle anmelden (§ 52 InsO). Mit der nach der abgesonderten Befriedigung noch bestehenden, ungesicherten Restforderung nimmt er nach Feststellung der Forderung an einer eventuellen Schlussverteilung teil. V. Fortführung oder Liquidation? 1. Richtungsweisende Entscheidung 487 Ist der Geschäftsbetrieb des Unternehmens bereits vor Insolvenzeröffnung eingestellt oder faktisch auch während des Eröffnungsverfahrens (z. B. wegen fehlender Auftragsauslastung) nicht mehr fortführungsfähig/-würdig, ist eine Entscheidung über die Fortführung tatsachenbasiert obsolet wegen faktischer Unmöglichkeit. Die Einstellung des Geschäftsbetriebs ist unumgänglich, wenn diese nicht mit dem Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung vereinbar ist und eine Liquidation nebst der sich anschließenden Verwertung die bessere Befriedigungsmöglichkeit darstellt. Besteht die Möglichkeit der Fortführung des Unternehmens bzw. kann der operative Geschäftsbetrieb zeitnah (z. B. nach einem kurzen Produktionsstopp) wieder aufgenommen werden, ist der Insolvenzverwalter grundsätzlich gehalten, den Geschäftsbetrieb bis zur ersten Gläubigerversammlung fortzuführen. Die Entscheidung über die Fortführung des Geschäftsbetriebs obliegt der Gläubigerversammlung (§ 157 InsO). Grundlage für diese Entscheidung ist regelmäßig der vom Insolvenzverwalter zu erstattende Bericht (§ 156 InsO). Der Insolvenzverwalter hat alle Ermittlungsergebnisse, die für diese Entscheidung essentiell sind, im Bericht darzustellen, darf jedoch die Entscheidung selbst nicht vorwegnehmen. Er kann den Gläubigern jedoch eine Empfehlung aussprechen. ___________ 223) FK-InsO/Imberger, § 51 Rn. 85.
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V. Fortführung oder Liquidation?
Die Entscheidung über die Fortführung oder Einstellung des Geschäftsbe- 488 triebs ist für das insolvente Unternehmen und dessen Gläubiger richtungsweisend. Die Entscheidung erfolgt unter der Prämisse, das beste Befriedigungsergebnis für die Gläubiger zu erzielen. Andernfalls werden die Gläubiger sich gegen eine Fortführung und für eine Liquidation entscheiden. Im Berichtstermin stellt der Insolvenzverwalter die Befriedigungsaussichten sowohl unter Fortführungs- als auch unter Liquidationsgesichtspunkten dar. Diese Entscheidungsgrundlage gibt den Gläubigern die Möglichkeit, sich ein umfassendes Bild zu machen, um sodann über die Fortführung oder Einstellung zu beschließen. 2. Fortführung In Anbetracht der Zielsetzung des Gesamtwerkes können die Rahmenbedin- 489 gungen einer Fortführung nur im Überblick dargestellt werden. Kann über die Erträge, die das Unternehmen erzielt, über die notwendigen 490 Betriebsausgaben und steuerlichen Verpflichtungen hinaus ein Überschuss dargestellt werden, führt der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb fort. Die Fortführung ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Sie dient der Vorbereitung der Sanierung des Unternehmens, das unter insolvenzrechtlichen Bestimmungen im Wege des Insolvenzplans (ĺ Rn. 913 ff.) oder einer übertragenden Sanierung (ĺ Rn. 499 ff.) erreicht werden kann. Die Fortführung kann unterschiedlicher Ausrichtung sein. Bei der übertragenden Sanierung bleibt der Rechtsträger erhalten und wird abgewickelt, während das Unternehmen auf einen neuen Rechtsträger übertragen wird. Auch möglich ist die dauerhafte Fortführung des Unternehmens unter Erhalt und Reorganisation des vorhandenen (insolventen) Unternehmensträgers.224) Die Fortführung kann bis dahin im regulären Verfahren durch den Insolvenzverwalter selbst oder unter bestimmten Voraussetzungen unter Eigenverwaltung (ĺ Rn. 983 ff.) realisiert werden. Die Wahl des im Einzelfall geeigneten Sanierungsmodells wird aufgrund einer Analyse der Finanzierungsmodelle, der Marktsituation, der Geschäftsstruktur und des Geschäftsmodells des Schuldners getroffen. In einem ersten Schritt ist eine Analyse der Krisenursachen zu empfehlen. In 491 einer Vielzahl der Verfahren zeichnen sich nach einer kritischen Betrachtung der jüngsten Vergangenheit bereits Tendenzen ab, ob ein Unternehmen fortgeführt werden kann. Hat sich beispielsweise die Marktsituation gravierend verändert, ohne dass das Unternehmen entsprechende Anpassungsmaßnahmen getroffen hat, ist zu prüfen, ob diese Veränderungen im Insolvenzverfahren umgesetzt werden können. Ist dies nicht der Fall, scheidet in der Regel eine Fortführung bereits aus diesen Gründen aus. Ähnlich ist die Ausgangslage zu beurteilen, wenn die Krise in einem Rückgang der Auftragslage begründet ist. Verfügt das Unternehmen aber auch für die nähere Zukunft über eine re___________ 224) Hess, Sanierungshandbuch, Kap. 14, Rn. 28.
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alistisch gute Auftragslage und ist die Insolvenz auf einen merklichen Forderungsausfall in der Vergangenheit zurückzuführen, der nicht mehr kompensierbar war, ist die Ausgangslage für eine Fortführung zunächst einmal positiv. 492 Eines der größten Probleme bei der Fortführung ist die Finanzierung. Im Eröffnungsverfahren kann über einen Zeitraum von maximal drei Monaten durch die Möglichkeit des Insolvenzgeldes mittelbar Liquidität durch Einsparung gewonnen werden. Das staatliche (vor)finanzierte Insolvenzgeld (ĺ Rn. 276 ff.) verhilft dem Unternehmen zu Einsparungen, da die gesamten Personalkosten von der Agentur für Arbeit übernommen werden, die Agentur aber hinsichtlich der „Rückzahlung“ angesichts der Einstufung als Insolvenzgläubiger (vgl. § 55 Abs. 3 InsO) auf die Quotenzahlung verwiesen wird. Weitere Finanzierungsmöglichkeiten resultieren neben den tatsächlichen Einnahmen aus der Fortführung im Wesentlichen aus der Verwertung nicht betriebsnotwendigen Vermögens (Teilliquidierung), öffentlichen Finanzierungshilfen oder einem Sanierungskredit. 493 Unerlässlich für diese Entscheidungsfindung ist eine möglichst genaue Finanz- und Liquiditätsplanung, die der Insolvenzverwalter in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen aufstellt. Diese bildet über einen branchenspezifisch angepassten Zeitraum prognostisch die Entwicklung des Geschäftsbetriebs ab. Eine Fortführung ist nur dann darstellbar, wenn der Insolvenzverwalter diesen Prozess engmaschig begleitet durch ständige und kontinuierliche Kontrolle der betriebswirtschaftlichen Auswertungen. Die Fortführung eines Unternehmens im Insolvenzverfahren erfordert neben den besonderen juristischen Kenntnissen des Insolvenzrechts insbesondere auch solche der Betriebswirtschaft sowie strategische Planungskompetenzen. 494 Zu den strategischen Maßnahmen zählen u. a. im Einzelfall angezeigte personelle Umstrukturierungen, Veränderung von Arbeits- und Prozessabläufen oder Outsourcing225) einzelner Bereiche, Verkleinerung der Betriebsstätte, Schließung von Filialen etc. 495 Voraussetzung einer Fortführung ist die Mitwirkungsbereitschaft im Unternehmen selbst. Dies gilt nicht nur für die Ebene der Geschäftsleitung, sondern auch für die Belegschaft selbst. Eine erfolgreiche Fortführung gelingt nur bei einer professionellen und adäquaten Krisenkommunikation. Die innerbetriebliche Krisenkommunikation sollte darauf ausgerichtet sein, die regelmäßig mit der Insolvenz einhergehenden Vertrauensverluste und Existenzängste innerhalb des Mitarbeiterstammes auszugleichen und die Motivation durch Fakten, rechtliche Informationen und vertrauensbildende Maßnahmen professionell aufzubauen und zu stärken.
___________ 225) Auslagern bestimmter Arbeitsfelder, die meist nicht Kernkompetenz sind (z. B. statt Herstellung von Pralinen in Eigenmanufaktur werden die Pralinen fortan eingekauft).
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V. Fortführung oder Liquidation?
Auch die externe Kommunikation mit den Geschäftspartnern des Schuld- 496 nerunternehmens ist von höchster Wichtigkeit. Diese begegnen einer Fortführung des Betriebs zumeist ebenfalls mit Skepsis und Vorbehalten. An der Stelle gilt es, dass der Insolvenzverwalter das verlorene Vertrauen wieder aufbaut, die Geschäftsbeziehung nachhaltig stärkt und nicht zuletzt durch ein in der Sache sowohl strategisch als auch betriebswirtschaftlich überzeugendes Sanierungskonzept kommuniziert. Sämtliche aus der Fortführung erzielten Einnahmen sind Neuerwerb und 497 damit Insolvenzmasse. Korrespondierend stellen sich alle Betriebsausgaben inkl. der Steuerverbindlichkeiten nach Eröffnung als Masseverbindlichkeiten dar (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Der Verwalter ist vor der Entscheidung zur Fortführung des Schuldnerunternehmens u. a. zu einer realistischen Einschätzung der Werthaltigkeit bestehender und künftig zu begründender Masseforderungen verpflichtet. Welche Überprüfungen der Verwalter im Einzelnen anstellen muss, ist eine Frage des Einzelfalls, die verallgemeinernden Rechtssätzen nicht zugänglich ist.226) Der gesamte Zahlungsverkehr wird durch den Insolvenzverwalter abgewickelt. Bei der Fortführung des Unternehmens ist gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 b) InsVV nur der Überschuss (Einnahmen ./. Ausgaben) bei der Bestimmung der vergütungsrechtlichen Teilungsmasse berücksichtigungsfähig. Praxistipp: Wird ein Unternehmen fortgeführt, setzt sich die vergütungsrechtliche Teilungsmasse aus dem aus der Fortführung erzielten Überschuss sowie den aus der Abwicklung erzielten Einnahmen zusammen.
Daneben ist auch für die Gläubiger und das Schuldnerunternehmen von Inte- 498 resse, das vom Insolvenzverwalter erzielte Ergebnis aus der Betriebsfortführung leicht und ohne größeren Aufwand nachvollziehen zu können. Daher ist zu empfehlen, zusätzlich zu dem Abwicklungsanderkonto ein weiteres als Anderkonto geführtes Sonderkonto einzurichten, auf welchem ausschließlich die Einnahmen und Ausgaben der Fortführung gebucht werden. Alternativ kann es ausreichen, wenn die Buchungen über ein einziges Konto abgewickelt werden, wobei allerdings Voraussetzung sein muss, dass der Kontenplan eine Trennung zwischen den Einnahmen und Ausgaben der Abwicklung und den Einnahmen und Ausgaben der Fortführung vorsieht und alle Zahlungsvorgänge auch korrekt zugeschlüsselt und verbucht werden.227) 3. Übertragende Sanierung/Asset Deal Eine Möglichkeit der Sanierung ist die sog. übertragende Sanierung („Asset 499 Deal“). Beim Asset Deal handelt es sich um einen Unternehmensverkauf ___________ 226) BGH, Urt. v. 6.10.2011 – IX ZR 105/09, ZInsO 2012, 137. 227) Hierzu ausführlich Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 284 ff.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
durch Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter ohne seinen Rechtsträger. Der Unternehmensträger (die insolvente Gesellschaft) wird anschließend regulär im Rahmen des Insolvenzverfahrens abgewickelt. 500 Hiervon abzugrenzen ist der „Share Deal“, bei dem ein Unternehmen durch Übertragung seines Rechtsträgers (zum Beispiel durch Abtretung aller Geschäftsanteile) vom Erwerber übernommen wird. Bei einem Share Deal gehen auf den Erwerber ebenfalls alle Verbindlichkeiten des Unternehmens über, sodass diese Form der Übertragung im Insolvenzverfahren eher die Ausnahme darstellt. 501 Gegenstand des Kaufvertrages ist das Aktivvermögen des Schuldnerunternehmens (Assets). Die Verbindlichkeiten gehen nicht mit über; vielmehr werden diese im Insolvenzverfahren abgewickelt. Eine übertragende Sanierung sollte im Insolvenzverfahren zwingend erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollzogen werden. Wird vor der Eröffnung des Verfahrens ein zahlungsunfähiges Unternehmen erworben, trifft den Erwerber die Haftung gemäß § 25 Abs. 1 HGB. Hiernach haftet der Erwerber für die Verbindlichkeiten des Unternehmens, wenn er diese in seinem wesentlichen Bestand unverändert unter der alten Firmenbezeichnung fortführt. Der Erwerb und die Fortführung des Handelsgeschäftes in seinem wesentlichen Bestand oder Kern sind für die Haftungsbegründung bereits ausreichend.228) § 25 Abs. 1 HGB unterscheidet zwar dem Wortlaut nach nicht zwischen einer Übertragung außerhalb oder während eines Insolvenzverfahrens. Allgemein anerkannt ist, dass die Haftung des Erwerbers gemäß § 25 Abs. 1 HGB auf Unternehmensveräußerungen durch den Insolvenzverwalter nicht anwendbar ist, da andernfalls mögliche Verwertungsoptionen in Anbetracht der potentiellen Haftung des Erwerbers für die Schulden des bisherigen Unternehmensträgers erschwert würden.229) 502 Eine steuerliche Haftung des Erwerbers für Steuern und Abgabepflichten aus dem übertragenen Unternehmen wird bei einer Übertragung durch den Insolvenzverwalter ebenfalls ausgeschlossen (§ 75 Abs. 2 AO). 503 Die übertragende Sanierung wird nach allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen vollzogen (§§ 433 ff., 929 ff., 873 ff., 398 ff BGB), ggf. unter Berücksichtigung besonderer Formvorschriften (z. B. notarielle Beurkundung beim Grundstücksverkauf §§ 311b, 925 BGB). Bei der Veräußerung des Unternehmens oder eines Betriebs im Ganzen ist gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 InsO die Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung einzuholen. Bei einer Veräußerung des Unternehmens vor dem Berichtstermin ist die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn ein solcher bestellt ist (§ 158 InsO). § 158 InsO geht in diesem Fall als lex specialis vor; einer Heranziehung von § 160 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 InsO be___________ 228) St. Rspr., zuletzt BGH, Urt. v. 7.12.2009 – II ZR 229/08, ZIP 2010, 83. 229) St. Rspr., zuletzt BGH, Beschl. v. 9.11.2006 – IX ZA 27/06, openJur 2011, 9705.
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V. Fortführung oder Liquidation?
darf es dann nicht mehr. Liegt die Zustimmung nicht vor, berührt dies materiellrechtlich die Wirksamkeit der Verträge nicht. Das Haftungsrisiko für den Insolvenzverwalter ist ohne Zustimmung unlängst größer, wenn er ein Unternehmen unter Wert veräußert. Die übertragende Sanierung erfolgt zu Fortführungswerten (ĺ Rn. 316), die 504 sich an den Unternehmenszahlen der Vergangenheit sowie der prognostischen Erwartungen unter Einbeziehung der Sanierungsstrategie und ggf. Neuausrichtung orientieren können, dabei aber die Grenze der Liquidationswerte nicht unterschreiten dürfen. In Anbetracht der Unkenntnis der künftigen Entwicklung des Unternehmens ist der Erwerb für den Käufer stets mit einem Risiko verbunden. Auf jeden Fall ist zu empfehlen, eine Verschwiegenheitserklärung unter- 505 zeichnen zu lassen, werden dem Erwerber sensible Unternehmensdaten eröffnet. Denkbar sind darüber hinaus Vorverträge oder Absichtserklärungen (LOI – Letter of Intent). Bei einer übertragenden Sanierung genießen die Arbeitsverhältnisse der Be- 506 legschaft über § 613a BGB einen besonderen Schutz. Der Erwerber tritt als neuer Rechtsträger hinsichtlich der Arbeitgeberposition umfänglich in die Position des „alten“ Arbeitgebers und tritt in alle zum Zeitpunkt der Übernahme bestehenden Arbeitsverhältnisse und damit alle Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen ein. Der Erwerber haftet nicht für die Abwicklung von Insolvenzforderungen, 507 wenn der Betriebsübergang in der Insolvenz stattgefunden hat.230) Eine Haftung des Erwerbers besteht jedoch, wenn der Betrieb vor Eröffnung 508 des Insolvenzverfahrens übernommen wird, eine Haftungsbeschränkung tritt in diesem Fall nicht ein.231) Hinsichtlich der Haftung für Betriebsrentenansprüche trifft diese nur den 509 Erwerber, soweit die Ansprüche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.232) Die Haftungsbeschränkung ist nicht auf Urlaubsansprüche der Belegschaft 510 anzuwenden, da gemäß § 108 Abs. 1 InsO Arbeitsverhältnisse bestehen bleiben, sodass Urlaubsansprüche nicht zu den Insolvenzforderungen zählen. Die Ansprüche können nicht von einer Arbeitsleistung im Kalenderjahr abhängig sein und nicht monatlich verdient werden, sodass eine Zuordnung zu einem bestimmten Zeitraum vor oder nach Verfahrenseröffnung mithin nicht möglich ist.233) ___________ 230) LAG Köln, Urt. v. 31.1.2011 – 5 Sa 1224/10, ZIP 2011, 970, dazu EWiR 2011, 527 (Mückl). 231) Staufenbiel/Brill ZInsO 2015, 173. 232) BAG, Urt. v. 19.5.2005 – 3 AZR 649/03, ZIP 2005, 1706, dazu EWiR 2005, 855 (Richter). 233) BAG, Urt. v. 18.11.2003 – 9 AZR 347/03, ZIP 2004, 1011, dazu EWiR 2004, 793 (Schnitker/Grau).
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
511 Soweit die Sanierung einen Stellenabbau vorsieht, ist die Gründung einer Transfergesellschaft gängige Praxis, über die alle gekündigten Arbeitnehmer weiter beschäftigt und damit nicht vom Erwerber übernommen werden. Geht ein Arbeitsverhältnis auf eine Transfergesellschaft über, wird das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber in aller Regel durch einen Aufhebungsvertrag beendet. Der Arbeitnehmer wird lückenlos in eine zeitlich befristete Anstellung in der eigens für diesen Zweck gegründeten Transfergesellschaft aufgenommen. Dem Erwerber gereicht dies insoweit zum Vorteil, als dass er keine Kündigungen aussprechen muss und somit das Risiko von Kündigungsschutzprozessen vermeidet. Die in die Transfergesellschaft übernommenen Arbeitnehmer können den Eintritt in die Arbeitslosigkeit vermeiden und beziehen für einen zuvor bestimmten Zeitraum weiterhin das Arbeitslosengeldsatz übersteigende Entgelt. 4. Liquidation 512 Die Abwicklung des schuldnerischen Unternehmens ist der vom Gesetzgeber angenommene Regelfall. Die Liquidation geht einher mit der Verwertung der einzelnen Vermögensgegenstände durch den Insolvenzverwalter. Neben der vollständigen Zerschlagung eines Unternehmens. Denkbar ist auch eine Mischform, bei der neben der Sanierung Teile des Unternehmens zerschlagen und einzelne Vermögensverwerte verwertet werden. Ausgewählte Verwertungsfragen im Rahmen von Gesellschaftsinsolvenzen werden im nachfolgenden Kapitel näher beleuchtet. VI. Ausgewählte Verwertungsfragen 1. Allgemeines 513 Die Verwertung durch den Insolvenzverwalter richtet sich nach den zivilrechtlichen Bestimmungen zum Verkauf (§ 433 ff. BGB) und der dinglichen Einigung nebst erforderlichenfalls der Besitzverschaffung (§§ 929 ff., 873 ff., 398 ff InsO). Anstelle des gesetzlichen Vertreters des Unternehmens ist nur noch der Insolvenzverwalter verfügungsbefugt. Besondere Formvorschriften hat er im Einzelfall zu beachten. 2. Grundsätze der Verwertung 514 Der Insolvenzverwalter hat mit der Verwertung der Insolvenzmasse unverzüglich nach dem Berichtstermin zu beginnen (§ 159 InsO). 515 Die Verwertung gehört zu den originären Hauptaufgaben des Insolvenzverwalters. Er kann sich eines spezialisierten Verwerters/Industriesachverständigen bedienen, sofern die Verwertung mit rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten verbunden ist oder die Verwertung durch den Sachverständigen einen besseren Erlös verspricht. Oftmals sind die Verwertungschancen eines branchenspezialisierten Sachverständigen weitaus besser als die des Insolvenz-
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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
verwalters selbst, da der Speziallist in der Branche besser und tiefer vernetzt ist und über die für eine optimale Verwertung notwendigen Kontakte verfügt. Gleiches gilt für die Realisierung von Forderungen durch Fachanwälte, wenn besondere Kenntnisse erforderlich sind, die den regulären Umfang der Verwertung, gemessen an einem Normalverfahren, überschreiten (vgl. auch § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV).234) Soweit die Verwertungsaufgaben delegiert werden, empfiehlt sich, die daraus für die Befriedigung der Gläubiger resultierenden Vorteile tatsächlicher und wirtschaftlicher Natur zu argumentieren, da der Insolvenzverwalter sonst Gefahr läuft, dass die Kosten, die mit der Verwertung durch einen Dritten entstanden sind, auf die Verwaltervergütung angerechnet werden und die Vergütung eine Kürzung erfährt. Begründet wird dies mit der Abweichung vom Regelfall, da der Verwalter insoweit originäre Aufgaben, die mit der Regelvergütung abgegolten werden, delegiert und die Leistung nicht selbst erbracht hat. Das Führen einer Verwertungsliste empfiehlt sich insbesondere bei umfang- 516 reichen Vermögensmassen, da hierdurch der aktuelle Stand der Verwertungsaktivität wiedergegeben werden kann. Zudem hat eine solche Liste den Vorteil, dass der Insolvenzverwalter selbst stets auf dem aktuellen Stand der Verwertungstätigkeit ist und die nächsten Schritte entsprechend einleiten kann. Sofern dem Beispiel des fortgeschriebenen Berichtswesens (ForStaB)235) gefolgt wird, kann auch die Vermögensübersicht die Grundlage einer solchen Verwertungsliste bilden. Ähnliche Unterstützungsprozesse hält auch die eine oder andere Insolvenzverwaltungssoftware vor. 3. Ausgewählte Verwertungsfragen Nachfolgende Ausführungen geben einen Überblick über Besonderheiten 517 der Verwertung der Insolvenzmasse in Gesellschaftsinsolvenzen. Zielsetzung ist, Sicherheit in der Bearbeitung von Insolvenzverfahren zu vermitteln, einen Gesamtüberblick über mögliche Vermögenswerte zu vermitteln und Problembewusstsein zu entwickeln. Soweit darüber hinaus tiefergehendes Spezialwissen erforderlich ist, sei hinsichtlich des Ausbaus der Kenntnisse auf die themenkonzentrierte Fachliteratur verwiesen. In der praktischen Fallbearbeitung dürfte regelmäßig die Schnittstelle sein, an der die Expertise der jeweiligen Fachanwaltschaft/Spezialisten gefordert sein wird.
___________ 234) Vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 20.7.2004 IX ZB 161/03, InsbürO 2004, 317; BGH, Beschl. v. 14.11.2013 – IX ZB 161/11, ZIP 2013, 2413 = ZVI 2014, 38 = NZI 2014, 21, dazu EWiR 2014, 87 (Ries); BGH, Beschl. v. 13.3.2014 – IX ZB 204/11, JurionRS 2014, 13397. 235) Zurückgehend auf die vom Amtsgericht Aachen entwickelten Grundsätze des „Fortgeschriebenen Standardisierten Berichtswesens (ForStab)“ siehe Langer/Bausch, ZInsO 2011, 1287.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
a) Immaterielle Vermögensgegenstände 518 Gewerbliche Schutzrechte, Patente, Lizenzen und ähnliche Rechte sowie der Geschäfts-/Firmenwert gehören zum immateriellen Anlagevermögen. Die Realisierbarkeit dieser Werte ist im Fortführungsfall weitaus wahrscheinlicher und ertragsreicher als bei einer Liquidation. Im Liquidationsfall ist der Vermögenswert in der Regel nur dann verwertbar, wenn er auch losgelöst vom schuldnerischen Betrieb von einem Dritten genutzt werden kann (z. B. Gebrauchs- oder Geschmacksmuster, gewerbliche Schutzrechte, Urheberrechte, Lizenzen etc.).236) Spätestens nach Stilllegung des Geschäftsbetriebs orientieren sich Kunden und Klienten ohnehin neu am Markt oder folgen dem Know-how, das maßgebliche Mitarbeiter im Zuge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses „mitnehmen“, sodass der Geschäfts- oder Firmenwert im Liquidationsfall weitestgehend wertlos ist. 519 Die Verwertung richtet sich nach den jeweiligen Bestimmungen des Rechts und bedarf wie schon die zuvor vorzunehmende Bewertung regelmäßig der Hinzuziehung eines Sachverständigen.237) Für Spezialfragen empfiehlt sich die Konsultation von Fachleute (Patenanwälte o. Ä.).238) b) Grundstücke/grundstücksgleiche Rechte 520 Eigentümer eines Grundstücks oder Inhaber grundstücksgleicher Rechte können auch Gesellschaften sein. Für juristische Personen ergibt sich dies aus der eigenen Rechtsfähigkeit, für die OHG aus § 124 Abs. 1 HGB, entsprechend für die KG aus § 161 Abs. 2, 124 Abs. 1 HGB. Auch die GbR kann Alleineigentum an einem Grundstück erwerben und ist damit grundbuchfähig.239) 521 Die Eigentumsverhältnisse ergeben sich aus Abteilung I des Grundbuchs. Die Einsichtnahme in einen aktuellen Grundbuchauszug ist daher für den Insolvenzverwalter unerlässlich. ___________ 236) KPB/Wipperfürth, InsO, § 151 Rn. 32; MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl/Jaffé, § 151 Rn. 16. 237) KPB/Wipperfürth, InsO, § 151 Rn. 33; FK-InsO/Wegener, § 151 Rn. 24. 238) Vgl. zum Lizenzvertragswesen BGH, Urt. v. 19.7.2012 – I ZR 70/10, ZIP 2012, 1561 (m. Bespr. Raeschke-Kessler/Christopeit, ZIP 2013, 345), dazu EWiR 2012, 637 (Vosberg/ Klawa) ZInsO 2012, 1611 und BGH, Urt. v. 19.7.2012 – I ZR 24/11, ZIP 2012, 1671 (m. Bespr. Raeschke-Kessler/Christopeit, ZIP 2013, 345) = ZInsO 2012, 1611, dazu EWiR 2012, 639 (Lutz). 239) BGH, Beschl. v. 4.12.2008 – V ZB 74/08, ZIP 2009, 66 = ZfIR 2009, 93 (m. Anm. Volmer, S. 97); Beschl. v. 2.12.2010 – V ZB 84/10, ZIP 2011, 119 = ZfIR 2011, 147 (m. Bespr. Bestelmeyer, S. 117), dazu EWiR 2011, 99 (Demharter); Beschl. v. 28.4.2011 – V ZB 194/10, ZIP 2011, 1003 (m. Bespr. Bestelmeyer, S. 1389, Ulmer, S. 1689 u. Altmeppen, S. 1937) = ZfIR 2011, 487 (m. Bespr. Böttcher, S. 461) = DB 2011, 1323, dazu EWiR 2011, 347 (Heckschen); Beschl. v. 16.5.2013 – V ZB 198/12, ZIP 2013, 1763 = ZfIR 2013, 734 (m. Anm. M. Becker, S. 738), dazu EWiR 2014, 39 (Kesseler).
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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
Zwecks Sicherung der Insolvenzmasse und Vermeidung eines zwischenzeit- 522 lichen gutgläubigen Erwerbs wird im Grundbuch auf Ersuchen des Insolvenzgerichts oder auf Antrag des (vorläufigen) Insolvenzverwalters in Abteilung II des Grundbuchs der (vorläufige) Insolvenzsperrvermerk eingetragen (vgl. § 32 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 InsO ggf. i. V. m. § 23 Abs. 3 InsO). Der Insolvenzsperrvermerk hat lediglich deklaratorische Bedeutung.240) Der Insolvenzbeschlag besteht bereits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Verwertung des Grundstückseigentums durch den Insolvenzverwalter 523 kann durch die sog. Verwalterversteigerung (Verwertung im Wege der Zwangsversteigerung, § 165 InsO) erfolgen. Wesentlich ertragreicher ist meist die freihändige Veräußerung, sodass die Verwalterversteigerung in der Praxis eher ein Schattendasein fristet. Die freihändige Verwertung vollzieht sich unter Beachtung der Formerfordernisse zum schuldrechtlichen Kaufvertrag (notarielle Beurkundung, § 311b Abs. 1 BGB) und der dinglichen Einigung, der sog. Auflassung (notarielle Beurkundung, §§ 873, 925 BGB). Der Eigentümerwechsel (Rechtserwerb des Erwerbers) bedarf der Eintragung des Erwerbers im Grundbuch. Grundbuchrechtlich ist zudem die Bewilligung zur Eigentumsumschreibung gemäß § 19 GBO erforderlich, die in der Form des § 29 GBO vorliegen muss (notarielle Beglaubigung oder Beurkundung). Zu Legitimationszwecken muss der Insolvenzverwalter regelmäßig die Bestallungsurkunde im Original beim Notar vorlegen, wenn er die Auflassung erklärt und die Eintragung bewilligt. Der Notar fertigt eine notariell beglaubigte Abschrift der Urkunde und legt diese mit dem Antrag auf Eigentumsumschreibung beim Grundbuchamt vor. Hierdurch ist die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters hinreichend nachgewiesen. Praxistipp: Betreibt ein absonderungsberechtigter Gläubiger bereits die Verwertung eines Grundstücks durch Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung (§ 49 InsO), wird die Insolvenzmasse bei wertausschöpfender Belastung in aller Regel nicht am Erlös partizipieren. Soweit ein Zwangsversteigerungsverfahren anhängig ist, kann der Insolvenzverwalter unter Darlegung der Voraussetzungen des § 30d ZVG die einstweilige Einstellung des Verfahrens beim Zwangsversteigerungsgericht beantragen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen das Grundstück für eine Betriebsfortführung zwingend erforderlich ist (vgl. § 30d Abs. 1 Nr. 2 ZVG) oder die Befriedigung der Gläubiger durch das Zwangsversteigerungsverfahren wesentlich erschwert oder beeinträchtigt würde (vgl. §§ 30d Abs. 1 Nr. 3, 4 ZVG).
Ist das Grundstück grundpfandrechtlich belastet, bedarf die Verwertung der 524 Abstimmung mit dem Grundpfandrechtsgläubiger. Da der Erwerber regelmäßig an einer lastenfreien Übertragung interessiert ist, ist darauf hinzuwirken, dass der absonderungsberechtigte Grundpfandrechtsgläubiger eine Löschungsbewilligung erteilt. Das Absonderungsrecht des Grundpfandrechtsgläubigers ___________ 240) Vgl. u. a. BGH, Urt. v. 1.2.2007 – IX ZR 178/05, ZInsO 2007, 545.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
wird aus dem erzielten Erlös abgegolten. Zugunsten der Insolvenzmasse wird regelmäßig ein Massekostenbeitrag verhandelt, der sich auf ca. 1 – 7 % des Erlöses beläuft. Die §§ 170, 171 InsO gelten bei der Verwertung von unbeweglichem Absonderungsgut nicht. Der ausgehandelte Massenkostenbeitrag unterliegt der Umsatzsteuer.241) 525 Die Erlösverteilung an die absonderungsberechtigten Gläubiger folgt i. a. R. der Rangfolge der §§ 10 – 14, 155 ZVG (vgl. § 49 InsO), es sei denn, eine abweichende Reihenfolge wurde verhandelt. Der Absonderungsberechtigte kann, soweit er aus der Verwertung des Grundstücks keine Befriedigung erlangt hat, in Höhe des Ausfalls als Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) am Verfahren teilnehmen und seine Forderung insoweit zur Tabelle geltend machen (§ 52 InsO). Wird die Forderung festgestellt, partizipiert der Gläubiger an einer eventuellen Quotenausschüttung im Rahmen der Schlussverteilung. Exkurs: Gesellschaftergrundstücke Steht das Grundstück nicht im Eigentum der insolventen Gesellschaft, unterliegt es nicht dem Insolvenzbeschlag. Ist als Eigentümer (einer) der Gesellschafter der Schuldnerin eingetragen, hat er das Grundstück i. a. R. an die Schuldnerin vermietet oder dieser zur Nutzung überlassen. Vor Inkrafttreten des MoMiG242) wurde dies als sog. „eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung“ angesehen (vgl. § 32a GmbHG a. F.243)). Die der Gesellschaft vom Gesellschafter zur Verfügung gestellten Mittel wurden bei Eintritt der Krise wie Eigenkapital behandelt und durften demnach nicht der Haftungsmasse entzogen werden (z. B. durch Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens). Die Nutzungsüberlassung einer Immobilie wurde wie ein eigenkapitalersetzendes Darlehen behandelt.244) Dies hatte zur Folge, dass der Insolvenzverwalter die Immobilie während der üblichen/vertraglichen Nutzungsdauer unentgeltlich nutzen konnte.245) Darüber hinaus konnte er die im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag gezahlten Mieten/Nutzungsentgelte vom Gesellschafter zurückzufordern (§ 32b GmbHG a. F.246)). Seit Inkrafttreten des MoMiG zum 1.11.2008 existiert der Eigenkapitalersatz in der bis dahin geltenden Form nicht mehr (§ 32a GmbHG a. F., § 172a HGB a. F.).
___________ 241) Vgl. BFH, Urt. v. 18.8.2005 – V R 31/04; BMF-Schreiben v. 30.4.2014, IV D 2 – S 71 00/07/10037 DOK 2014/0332437, NZI I2 1014, 600. 242) Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008, BGBl. I, 2026. 243) § 32a GmbHG in der bis zum 1.11.2008 geltenden Fassung. 244) Fischer/Knees, ZInsO 2009, 745 ff. 245) BGH, Urt. v. 16.10.1989 – II ZR 307/88, ZIP 1989, 1542 (m. Bespr. K. Schmidt, ZIP 1990, 69 u. Büscher/Klusmann, ZIP 1991, 10), dazu EWiR 1990, 371 (Fabritius); BGH, Urt. v. 11.7.1994 – II ZR 146/92, ZIP 1994, 1261, dazu EWiR 1994, 1201 (Timm); BGH, Urt. v. 28.2.2005 – II ZR 103/02, ZIP 2005, 660 = ZfIR 2005, 435 (LS). 246) § 32b GmbHG in der bis zum 1.11.2008 geltenden Fassung.
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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen Unverändert ist jedoch, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft das Mietvertragsverhältnis mit dem Gesellschafter nicht berührt (§ 108 Abs. 1 InsO). Der Vertrag besteht mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort mit der Folge, dass die nach Insolvenzeröffnung entstehenden Mietforderungen bei Weiternutzung Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO darstellen. Der Mietvertrag kann unabhängig von der vertraglichen Laufzeit mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende vom Insolvenzverwalter gekündigt werden (§ 109 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der seit dem 1.11.2008 neu eingeführte § 135 Abs. 3 InsO versetzt den Insolvenzverwalter in die Lage, nach Beendigung des Mietverhältnisses die gemietete Immobilie weiter nutzen zu können, wenn diese für die Betriebsfortführung von erheblicher Bedeutung ist. § 135 Abs. 3 InsO begründet einen Anspruch der Insolvenzmasse auf Nutzungsüberlassung gegen den Gesellschafter auch über den Zeitpunkt des Eintritts der Kündigungswirkung hinaus. Die Ausübung des aufgrund des Eigentumsrechts des Gesellschafters bestehenden Aussonderungsrechts ist für die Dauer von höchstens einem Jahr ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zudem untersagt. Für die Weiternutzung ist dem Gesellschafter allerdings ein Nutzungsentgelt zu zahlen, welches sich der Höhe nach an den Durchschnitt der im letzten Jahr vor Verfahrenseröffnung geleisteten Vergütung anlehnt. Bei kürzerer Dauer der Überlassung ist der Durchschnitt während dieses Zeitraums maßgebend (§ 135 Abs. 3 Satz 2 InsO). Es besteht kein Anspruch des Insolvenzverwalters auf unentgeltliche Nutzung von Betriebsanlagen, die der Gesellschafter seiner Gesellschaft vermietet hat.247) § 135 Abs. 3 InsO kann nicht durch im Vorfeld der Insolvenz vereinbarte vertragliche Lösungsklauseln, die die Beendigung des Vertragsverhältnisses im Insolvenzfall zum Gegenstand haben, umgangen werden kann.248)
c) Bewegliches Sachanlagenvermögen Das bewegliche Sachanlagevermögen einer Gesellschaft besteht je nach Un- 526 ternehmenszweck insbesondere aus technischen Anlagen und Maschinen, Gegenständen der Betriebs und Geschäftsausstattungen und anderen Anlagen. Soweit es sich um Spezialanlagen handelt, wird eine Delegation der Verwertungstätigkeit an Dritte für gängig und zulässig erachtet. Besondere Aufmerksamkeit ist vor der Verwertung der sorgfältigen Feststel- 527 lung der Drittrechtsbelastungen zu widmen. Der Insolvenzverwalter sollte Ausund Absonderungsrechte inklusive eventueller Kollisionslagen (ĺ Rn. 475 ff.) vor der Verwertung bestenfalls abschließend klären. Aussonderungsgut (ĺ Rn. 429 ff.) darf der Insolvenzverwalter mangels Mas- 528 sezugehörigkeit nicht verwerten. Vielfach sind Maschinen oder der Fuhrpark eines Unternehmens geleast. Das Eigentumsrecht des Leasinggebers begründet ein Aussonderungsrecht gemäß § 47 InsO.
___________ 247) BGH, Urt. v. 29.1.2015 – IX ZR 279/13, ZIP 2015, 589. 248) Siehe zur Unabdingbarkeit Marotzke, ZInsO 2008, 1281 ff.; Ahrens/Gehrlein/ Ringstmeier-Gehrlein, InsO, § 135 Rn. 21.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren Praxistipp: Eine Fremdfinanzierung von Maschinen oder den Fahrzeugen des Fuhrparks beinhaltet regelmäßig eine zugunsten des Kreditinstituts vereinbarte Sicherungsübereignung, die nicht zur Aussonderung, sondern zur abgesonderten Befriedigung berechtigt (§ 51 Nr. 1 InsO).
529 Gegenstände, die mit einem Absonderungsrecht belastet sind, dürfen vom Insolvenzverwalter aus originärem Recht verwertet werden, sofern er die Gegenstände in seinem Besitz hat (§ 166 InsO). Aus dem Verwertungserlös sind die Absonderungsrechte der Gläubiger entsprechend der §§ 170, 171 InsO abzugelten. Der Insolvenzmasse steht im Fall der Verwertung durch den Verwalter neben der 4 %igen Feststellungspauschale auch eine 5 %ige Verwertungspauschale bzw. ein Anspruch auf Ersatz der tatsächlich entstandenen Verwertungskosten zu. Diese sind – wie auch die an das Finanzamt abzuführende Umsatzsteuer – vor der unverzüglichen (!) Auskehr des Verwertungserlöses an die Absonderungsberechtigten zur Masse zu vereinnahmen. 530 Bei Übernahme des Absonderungsgutes durch den Absonderungsberechtigten (§ 168 Abs. 3 InsO), steht der Masse ebenfalls der Verwertungs- und der Feststellungskostenbeitrag sowie die Umsatzsteuer aus dem Veräußerungsgeschäft zu.249) 531 Bei Überlassung des Gegenstands zur Verwertung (§ 170 Abs. 2 InsO) sind der Feststellungskostenbeitrag und die Umsatzsteuer zur Masse zu ziehen, nicht aber der Verwertungsbeitrag. Die Umsatzsteuerpflicht der Masse (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG, § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) resultiert aus dem angenommenen Doppelumsatz (Lieferung Sicherungsgeber an Sicherungsnehmer und Lieferung Sicherungsnehmer an Erwerber).250) Bemessungsgröße ist das um die Massebeiträge geminderte Entgelt, also der Betrag, um den die Verbindlichkeiten aus dem Erlös getilgt werden.251) § 13b UStG greift in dem Fall nicht. 532 Hat der Insolvenzverwalter keinen Besitz begründet, steht das originäre Verwertungsrecht dem Absonderungsberechtigten zu (§ 173 InsO). Der Masse stehen der Feststellungskostenbeitrag und die Umsatzsteuer zu. Die Masse haftet aus den beschriebenen Gründen für die Umsatzsteuer; ein Fall von § 13b UStG liegt auch hier nicht vor.252) 533 In beiden Fällen besteht ein Anspruch der Masse analog § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG, §§ 170 Abs. 2, 171 Abs. 2 Satz 3 InsO auf Herausgabe der vom Gläubiger vereinnahmten Umsatzsteuer.253) ___________ 249) BGH, Urt. v. 3.11.2005, IX ZR 181/04, ZIP 2005, 2214. 250) Vgl. Abschn. 1.2 Abs. 1 Satz 2 UStAE; hierzu instruktiv Busch/Winkens/Büker, Insolvenzrecht und Steuern visuell, S. 289 f. 251) BGH, Urt. v. 29.3.2007 – IX ZR 27/06, ZIP 2007, 1126. 252) BFH, Urt. v. 19.7.2007 – V B 222/06, ZIP 2007, 1998 = BStBl. II 2008, 163; BFH, Urt. v. 1.3.2010 – XI B 34/09, NZI 2010, 451 = BFH/NV 2010, 1142. 253) BGH, Urt. v. 29.3.2007 – IX ZR 27/06, ZIP 2007, 1126, dazu EWiR 2007, 537 (Flitsch).
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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 28.7.2011 in einem obiter dictum 534 zur Frage der Steuerbarkeit der Massebeiträge ausgeführt.254) Der Senat nimmt an, dass es sich bei dem gesetzlichen Feststellungskostenbeitrag um eine nicht steuerbare Schadensersatzleistung handele. Die Verwertung durch den Insolvenzverwalter (§ 166 InsO) stelle einen sog. Dreifachumsatz dar; sie erfolge aufgrund eines fiktiven Geschäftsbesorgungsvertrags zwischen Sicherungsnehmer und Insolvenzverwalter, wobei der Insolvenzverwalter die Lieferung an den Erwerber wie ein Kommissionär für die Rechnung des Sicherungsnehmers erbringe. Aus dem angenommenen Dreifachumsatz auf fiktiver Geschäftsbesorgungsvertragsbasis folge, dass der gesetzliche Verwertungskostenbeitrag als Gegenleistung zu verstehen und damit steuerbar sei. Nicht erklärt hat sich der BFH indes zu der Frage, ob diese Gegenleistung den Grundsätzen des Kommissionsgeschäfts folgend, in der Verwertung aufgeht. Teilweise im Widerspruch hierzu hat das Bundesfinanzministerium in seinem 535 Schreiben vom 30.4.2014255) ausgeführt, dass es sich bei der Verwertung des Insolvenzverwalters im Namen des Sicherungsnehmers von beweglichem Absonderungsgut um einen Doppelumsatz (Lieferung Masse an Gläubiger, Lieferung Gläubiger an Erwerber) handele. Die Feststellungskostenpauschale sei nicht steuerbar. Auf die tatsächlichen Verwertungskosten bzw. die Verwertungskostenpauschale wird Umsatzsteuer erhoben. Der Insolvenzverwalter muss eine Rechnung an Sicherungsnehmer über den Verwertungskostenbeitrag ausstellen und im Übrigen die entsprechenden Auskehrungen vornehmen. Erfolgt die Verwertung durch den Insolvenzverwalter im Namen der Masse 536 (§ 166 InsO), handelt es sich um einen Dreifachumsatz nach den Grundsätzen des Kommissionsgeschäfts (Lieferung Masse an Sicherungsnehmer, Lieferung Sicherungsnehmer an Masse, Lieferung Masse an Erwerber).256) Umsatzsteuer auf den Verwertungskostenbeitrag ist in dem Fall nicht zu entrichten (vgl. ausführlich hier ĺ Rn. 720 ff.). Die vorstehenden Grundsätze sind anzuwenden auf alle offenen Fälle. Es 537 werde jedoch nicht beanstandet, wenn für die vor dem 1.7.2014 ausgeführten Umsätze noch nicht so vorgegangen wurde.257) d) Vorräte Dem Vorratsbestand kommt bei einer Betriebsfortführung eine wesentliche 538 Wertgröße zu, da hieraus oftmals ein großer Teil der laufenden Einnahmen ge___________ 254) BFH, Urt. v. 28.7.2011 – V R 28/09, ZIP 2011, 1923 (m. Bespr. d` Avoine, ZIP 2012, S. 58) = ZfIR 2012, 28 (m. Bespr. Depré/Lambert, S. 1) = ZInsO 2011, 1904 = BStBl. II 2014, 406, dazu EWiR 2011, 673 (Mitlehner). 255) BMF-Schreiben v. 30.4.2014, IV D 2 – S 7100/07/10037 DOK 2014/0332437, NZI 2014, 600. 256) Statt bisher Einfachumsatz (Masse an Erwerber); vgl. Busch/Winkens/Büker, Insolvenzrecht und Steuern visuell, S. 289 f. 257) BMF-Schreiben v. 30.4.2014, IV D 2 – S 7100/07/10037 DOK 2014/0332437, NZI 2014, 600 a. E.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
neriert werden kann. Bei der Liquidation hingegen können gerade halbfertige Erzeugnisse und Waren nur dann verwertet werden, wenn als Interessent ein anderer Unternehmer vorhanden ist, der eine Fertigstellung oder Weiterverarbeitung gewährleisten kann.258) Der Massezufluss ist in aller Regel wesentlich geringer, bisweilen lässt sich allenfalls der Schrottwert (Materialwert) realisieren. 539 Auch hinsichtlich des Vorratsbestandes bestehen oft Drittrechte, nicht selten auch Kollisionslagen verschiedener Sicherungsrechte (Eigentumsvorbehalt, Vermieterpfandrecht, Raumsicherungsübereignung). Diese gilt es alsbaldig zu klären anhand der bereits beschriebenen Grundätze (ĺ Rn. 428 ff.). e) Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 540 Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, sämtliche Forderungen aus Lieferungen und Leistungen einzuziehen und diese ggf. aus eigener Prozessstandschaft klageweise durchzusetzen. Dies gilt für alle Forderungen, die vor Insolvenzeröffnung und die nach Insolvenzeröffnung (im Rahmen einer Betriebsfortführung) begründet wurden/werden, sowie für die bereits vor Insolvenzeröffnung abgetretenen Forderungen (vgl. § 166 Abs. 2 InsO). 541 Sind die Ansprüche zugunsten des Schuldnerunternehmens tituliert, ist der Insolvenzverwalter nach Umschreibung des Titels befugt, die Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung beizutreiben. 542 Beim Forderungseinzug ist sowohl eine rechtliche, als auch eine betriebswirtschaftliche Betrachtung erforderlich, will der Insolvenzverwalter die wahrscheinlichen Massezuflüsse, die aus dem Forderungszug zu erwarten sind, bestimmen. Die Forderungen sind nur insoweit massemehrend, als sie rechtlich bestehen und tatsächlich einbringlich sind. Uneinbringliche Forderungen sind auszubuchen. Eine Forderung ist uneinbringlich, wenn feststeht, dass ein Einzug nicht realisiert werden kann und insoweit ein Forderungsausfall eintritt (vgl. § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB). Im Unterscheid dazu sind Forderungen zweifelhaft, wenn ein teilweiser Forderungsausfall zu erwarten ist, der Verlust bei Bilanzierung aber noch nicht endgültig feststeht. Es muss eine Abschreibung auf den zu erwartenden Massezufluss (Nennwert) erfolgen. 543 Steuerlich sind beim Forderungseinzug durch den Insolvenzverwalter Besonderheiten zu beachten. 544 Wurde die Leistung nach Anordnung der „starken“ vorläufigen Insolvenzverwaltung bis zur Eröffnung erbracht, ist die Umsatzsteuerforderung eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 2 InsO. 545 Wurden die Forderungen mit Zustimmung des schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters begründet, stellen die Umsatzsteuerforderungen Massever___________ 258) MünchKomm-InsO/Füchsl/Weishäupl/Jaffé, § 151 Rn. 26.
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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
bindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 4 InsO dar.259) Für die Frage, ob Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 4 InsO begründet werden, ist auf die Vereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter abzustellen, nicht auf die Leistungserbringung.260) Hinsichtlich der noch ausstehenden Entgelte für die Zeit vor Anordnung der 546 vorläufigen Insolvenzverwaltung tritt mit Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters, dem die Einzugsermächtigung (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO) erteilt wurde, Uneinbringlichkeit ein. Dies hat eine 1. Berichtigung der Umsatzsteuermeldung zur Folge (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG). Bei Vereinnahmung der noch ausstehenden Entgelte für die Zeit vor Anord- 547 nung der vorläufigen Insolvenzverwaltung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter wird mit Eröffnung des Verfahrens eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 4 InsO begründet. Hieraus folgt die Notwendigkeit einer 2. Berichtigung der Meldung (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG). Vereinnahmt indes der Insolvenzverwalter die Entgelte nach Eröffnung, be- 548 gründet dies Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, woraus sich ebenfalls die Notwendigkeit der 2. Berichtigung (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG) ableitet. Bei einer Leistungserbringung vor Verfahrenseröffnung und vor Anordnung 549 der vorläufigen Insolvenzverwaltung tritt hinsichtlich der daraus resultierenden Forderungen mit Eröffnung Uneinbringlichkeit ein, wenn diese zuvor nicht vereinnahmt werden konnten.261) Zieht der Insolvenzverwalter diese Forderungen nach Insolvenzeröffnung ein, werden sie wieder einbringlich; die darauf entfallenden Umsatzsteuer ist eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.262) f) Miet-/Pachtforderungen Ist die Schuldnerunternehmung Vermieterin oder Verpächterin, werden Miet- 550 oder Pachtverhältnisse in ihrer Wirksamkeit und dem Fortbestand durch die Insolvenzeröffnung nicht berührt (§ 108 Abs. 1 InsO). Die zum Zeitpunkt der Eröffnung ggf. noch offenen sowie die nach Insolvenzeröffnung fällig werdenden Forderungen sind vom Insolvenzverwalter einzuziehen. ___________ 259) Mit Geltung für alle Verfahren mit Antragstellung ab dem 1.1.2011 siehe BMFSchreiben v. 20.5.2015 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 DOK 2015/0416027. 260) BFH, Urt. v. 24.9.2014 – V R 48/13, ZIP 2014, 2451 (m. Bespr. Kahlert, ZIP 2015, 11) = DB 2014, 2870, dazu EWiR 2015, 19 (Schmittmann). 261) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 (m. Bespr. Schmittmann, S. 1125 u. Welte/Friedrich-Vache, S. 1595) = BStBl. II 2011, 996. 262) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 (m. Bespr. Schmittmann, S. 1125 u. Welte/Friedrich-Vache, S. 1595) = BStBl. II 2011, 996, gilt für alle Verfahren mit Eröffnung ab dem 1.1.2012.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
551 Zugunsten eines nach § 49 InsO absonderungsberechtigten Grundpfandrechtsgläubiger kann nur die Anordnung der Zwangsverwaltung den Insolvenzbeschlag durchbrechen und eine bevorzugte Befriedigung aus den Mietansprüchen sicherstellen (§§ 146, 20 ZVG, 1123, 1124 BGB).263) Bis zur Beschlagnahme im Zwangsverwaltungsverfahren besteht das Einzugsrecht des Insolvenzverwalters fort.264) 552 Soweit Mietforderungen abgetreten oder gepfändet sind, ist diese Verfügung nur wirksam, soweit sie sich auf die Miete für den zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonat bezieht bzw. auch für den folgenden Kalendermonat, wenn die Eröffnung nach dem fünfzehnten Tag des Monats erfolgt ist, (§ 110 Abs. 1, Abs. 2 InsO).265) In der Folgezeit steht der Entstehung des Pfandrechts oder Pfändungspfandrechts § 91 InsO entgegen. g) Einlagehaftung GmbH aa) Grundlegendes 553 Die Stammeinlage ist die Beteiligung eines Gesellschafters an dem Stammkapital einer GmbH. Gemäß § 14 GmbHG besteht eine Einlagepflicht der Gesellschafter. Die Höhe der zu leistenden Einlage richtet sich nach dem bei der Errichtung der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag festgesetzten Nennbetrag des Geschäftsanteils. Das Stammkapital ist die den Gesellschaftsgläubigern zur Verfügung stehende Grundhaftungsmasse, da bei juristischen Personen keine natürliche Person uneingeschränkt unmittelbar für Gesellschaftsverbindlichkeiten haftet.
___________ 263) Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35 (m. Bespr. Mitlehner, S. 804) = ZfIR 2007, 465 (m. Anm. Zipperer, S. 466) = ZInsO 2006, 1321; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZIP 2006, 1554 = ZVI 2006, 448 = ZfIR 2007, 206 (m. Anm. Eckert, S. 208) = ZInsO 2006, 872; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, ZIP 2010, 38 = ZVI 2010, 58 = ZfIR 2010, 114 (LS) = ZInsO 2010, 43. 264) Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35 (m. Bespr. Mitlehner, S. 804) = ZfIR 2007, 465 (m. Anm. Zipperer, S. 466) = ZInsO 2006, 1321; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZIP 2006, 1554 = ZVI 2006, 448 = ZfIR 2007, 206 (m. Anm. Eckert, S. 208) = ZInsO 2006, 872; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, ZIP 2010, 38 = ZVI 2010, 58 = ZfIR 2010, 114 (LS) = ZInsO 2010, 43. 265) Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35 (m. Bespr. Mitlehner, S. 804) = ZfIR 2007, 465 (m. Anm. Zipperer, S. 466) = ZInsO 2006, 1321; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZIP 2006, 1554 = ZVI 2006, 448 = ZfIR 2007, 206 (m. Anm. Eckert, S. 208) = ZInsO 2006, 872; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, ZIP 2010, 38 = ZVI 2010, 58 = ZfIR 2010, 114 (LS) = ZInsO 2010, 43.
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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
Merke: Das Stammkapital einer GmbH muss mindestens 25.000 € betragen (§ 5 Abs. 1 GmbHG). Wird die Gesellschaft mit einem geringeren Stammkapital gegründet, handelt es sich um eine haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft (UG). Die Gesellschaft muss in dem Fall die Bezeichnung „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ führen (§ 5a Abs. 1 GmbHG). Übersteigt das Stammkapital bei späteren Erhöhungen den Betrag von 25.000 €, kann die Firma beibehalten werden. Bei der Gründung einer GmbH kann jeder Gesellschafter mehrere Geschäfts- 554 anteile übernehmen. Die Stammeinlage eines Gesellschafters ist die Summe der Nennbeträge seiner Geschäftsanteile. Die Summe aller Stammeinlagen ergibt das Stammkapital. Praxistipp: Die Höhe des Stammkapitals sowie die Nennbeträge der Geschäftsanteile der Gesellschafter ergeben sich aus dem Gesellschaftsvertrag (§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 4 GmbHG). Das Stammkapital kann erhöht oder herabgesetzt werden. Hierzu bedarf es eines Gesellschafterbeschlusses, der Übernahme der zu leistenden Stammeinlage der Gesellschafter und der Eintragung ins Handelsregister.
Die Stammeinlage kann als Bareinlage, als (sofort zu leistende) Sacheinlage 555 oder eine Mischform (Bar- und Sacheinlage) geleistet werden. Bevor nicht mindestens 25 % auf jeden Geschäftsanteil und insgesamt mindestens 50 % des Gesamtkapitals geleistet wurden, kann die Gesellschaft nicht zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet werden (§ 7 Abs. 2 GmbHG). In der Anmeldung ist die Versicherung abzugeben, dass die in § 7 Abs. 2, 3 GmbHG bezeichneten Leistungen auf die Geschäftsanteile bewirkt sind und dass der Gegenstand der Leistungen sich endgültig in der freien Verfügung der Geschäftsführer befindet. Das Gericht kann bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit der Versicherung Nachweise (unter anderem Einzahlungsbelege) verlangen (§ 80 Abs. 2 GmbHG). Praxistipp: Bei einer UG (haftungsbeschränkt) muss die Einlage sofort voll eingezahlt werden. Die Zahlung ist zwingende Voraussetzung für die Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister (§ 5a Abs. 2 GmbHG). Sacheinlagen sind ausgeschlossen (§ 5a Abs. 2 Satz 2 GmbHG). Erreicht die UG bei einer späteren Kapitalerhöhung allerdings den Kapitalwert von 25.000 €, entfällt das Verbot der Sacheinlagenerbringung.266)
Die Einzahlungen auf die Geschäftsanteile sind nach dem Verhältnis der 556 Geldeinlagen zu leisten (§ 19 Abs. 1 GmbHG). Von der Verpflichtung zur ___________ 266) BGH, Urt. v. 19.4.2011 – II ZB 25/10, ZIP 2011, 955, dazu EWiR 2011, 349 (Berninger).
137
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
Leistung der Einlagen können die Gesellschafter nicht befreit werden (§ 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). 557 Soweit die Einlage noch nicht geleistet wurde, bestimmt entweder der Gesellschaftsvertrag die Fälligkeit der noch zu zahlenden Resteinlage. Möglich ist auch, die Fälligkeit der Forderung erst durch einen späteren Gesellschafterbeschluss herbeizuführen (§ 46 Ziff. 2 GmbHG). 558 Werden Gesellschaftsanteile übertragen, haftet der frühere Gesellschafter als Rechtsvorgänger gemäß § 22 Abs. 1 GmbHG nach der Einziehung des Geschäftsanteils.267) Die Haftung des Rechtsvorgängers ist gemäß § 22 Abs. 3 GmbHG auf die Einlageforderung beschränkt, die innerhalb einer Frist von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt, ab dem der Rechtsnachfolger im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt, eingefordert worden ist. Maßgeblich ist dabei die Einforderung gegenüber dem Rechtsnachfolger. Die Frist beginnt mit dem Tag, ab welchem der Rechtsnachfolger im Verhältnis zur Gesellschaft als Inhaber des Geschäftsanteils gilt (§ 22 Abs. 3 Satz 2 GmbHG). 559 In aller Regel wird die Einlage auf das Geschäftskonto der GmbH eingezahlt/ überwiesen. Damit stehen die Gelder der Gesellschaft zur Verwendung zur Verfügung. Die Mittel dürfen innerhalb der Grenzen der ordnungsgemäßen Kapitalerhaltung (vgl. §§ 30 ff GmbHG, ĺ Rn. 589 ff.) auch verwendet werden (z. B. für Mietzahlungen, Lohn- und Gehaltszahlungen etc.268)). 560 Wurde vor der Gründung der GmbH eine Zahlung auf ein Konto geleistet, ist diese nicht schuldbefreiend, da es noch kein Konto der Vor-GmbH geben kann.269) Soweit der Habensaldos später in die gegründete Gesellschaft eingebracht wird, ist dies eine Sacheinlage.270) Sollen Sacheinlagen geleistet werden, so müssen der Gegenstand der Sacheinlage und der Nennbetrag des Geschäftsanteils, auf den sich die Sacheinlage bezieht, jedoch ausdrücklich im Gesellschaftsvertrag festgesetzt werden (§ 5 Abs. 4 Satz 1 GmbHG). Wird der Habensaldo eingebracht und ist im Gesellschaftsvertrag eine Geldeinlage vereinbart, kann dies zugunsten des Gesellschafters als verdeckte Sacheinlage gewertet werden (§ 19 Abs. 4 GmbHG). § 19 Abs. 4 GmbHG Ist eine Geldeinlage eines Gesellschafters bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten (verdeckte Sacheinlage), so befreit dies den Gesellschafter nicht von seiner Einlageverpflichtung. Jedoch sind die Verträge über die Sacheinlage und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung nicht unwirksam. Auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht des Gesellschafters wird der Wert des Vermögensgegenstandes im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das
___________ 267) 268) 269) 270)
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LG Osnabrück, Urt. v. 30.4.2010 – 15 O 420/12, ZInsO2010, 1846. Hierzu Priebe, InsbürO 2013, 261. Bauer, ZInsO 2011, 1273 (1274). Bauer, ZInsO 2011, 1273 (1274).
VI. Ausgewählte Verwertungsfragen Handelsregister oder im Zeitpunkt seiner Überlassung an die Gesellschaft, falls diese später erfolgt, angerechnet. Die Anrechnung erfolgt nicht vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Die Beweislast für die Werthaltigkeit des Vermögensgegenstandes trägt der Gesellschafter.
Die Einbringung der Sacheinlage befreit den Gesellschafter demnach grund- 561 sätzlich nicht von der Erbringung der (Geld)Einlageschuld, kann jedoch nach Eintragung ins Handelsregister auf die Schuld angerechnet werden. Exkurs: Praktische Beispiele für eine verdeckte Sacheinlage i. S. v. § 19 Abs. 4 GmbHG (Rechtsprechung): x Bezahlung von Warenlieferungen;271) x Erfüllung einer Geldeinlageverpflichtung i. R. e. Kapitalerhöhung durch Forderungsverzicht;272) x Tilgung einer Forderung im Zeitraum von weniger als einer Woche nach Einzahlung der Bareinlage zur Vermeidung einer förmlichen Auf- oder Verrechnung.273)
Nur unter engen Voraussetzungen wird eine Voreinzahlung im Rahmen 562 einer Kapitalerhöhung in Sanierungsfällen ausnahmsweise als wirksame Einlagenerbringung anerkannt.274) Dies setzt voraus, dass sich der Betrag im Zeitpunkt der Entstehung der Einlageverpflichtung noch im Vermögen der Gesellschaft befindet (also keine Zahlung auf debitorisches Konto), die Zahlung in einem akuten Sanierungsfall mit Sanierungswillen zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit geleistet wurde, die Gesellschaft nach pflichtgemäßer Einschätzung eines objektiven Dritten aus der ex-ante-Sicht sanierungsfähig und die Voreinzahlung objektiv auch zur Sanierung geeignet ist, andere Maßnahmen nicht zielführend sind und die Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung und die Übernahme der Einlage zum Zahlungszeitpunkt bereits in die Wege geleitet war und zeitnah nachgeholt wird.275) Praxistipp: Unterbilanzhaftung bei der Vor-GmbH In der Gründungsphase einer GmbH ist eine erweiterte (Innen-)Haftung der Gesellschafter anzunehmen. Bei der rechtlichen Gründung einer GmbH haften die Gesellschafter der vor der Eintragung ins Handelsregister bestehenden VorGmbH für Gesellschaftsverbindlichkeiten der Höhe nach unbeschränkt.276) Nach dem vom II. Senat entwickelten Haftungsmodell besteht eine Verlust-
___________ 271) OLG Köln, Urt. v. 2.2.1999 – 22 U 116/98, ZIP 1999, 399. 272) BGH, Urt. v. 18.2.1991 – II ZR 104/90, ZIP 1991, 511 (m. Bespr. Crezelius, S. 499 u. Sernetz, ZIP 1993, 1685) = ZBB 1991, 168 (m. Bespr. Rümker, S. 176), dazu EWiR 1991, 1213 (Frey). 273) OLG Celle, Urt. v. 28.5.2003 – 9 U 5/03, ZInsO 2004, 93. 274) BGH, Urt. v. 15.3.2004 – II ZR 210/01, ZIP 2004, 849, dazu EWiR 2004, 851 (Priester). 275) Hierzu ausführlich Bauer, ZInsO 2011, 1273. 276) BGH, Urt. v. 6.3.2012 – II ZR 56/10, ZIP 2012, 817 (m. Bespr. Ulmer, S. 1265), dazu EWiR 2012, 347 (Bayer).
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren deckungshaftung und einer an die Eintragung geknüpften Unterbilanzhaftung.277) Kommt es zur Eintragung, haften die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten aus der mit ihrer Zustimmung vor der Eintragung aufgenommenen Geschäftstätigkeit für die Differenz zwischen dem Stammkapital abzüglich des satzungsmäßig festgelegten Gründungsaufwands und dem Wert des Gesellschaftsvermögens im Zeitpunkt der Eintragung.278) Im Fall der Nichteintragung der GmbH haften die Gesellschafter unbeschränkt für die durch das Gesellschaftsvermögen nicht gedeckten Verluste, wobei es im Gegensatz zur Unterbilanzhaftung keiner Auffüllung des Stammkapitals bedarf.279)
563 Bei Einzahlungen auf ein debitorisch geführtes Konto ist Vorsicht geboten. Die Zahlung wirkt in diesen Fällen nicht schuldbefreiend, wenn z. Zt. der Zahlung eine Kontensperre eingerichtet ist,280) die Bank das Guthaben nach einer Kreditkündigung/Kontoüberziehung unverzüglich verrechnen kann281) oder nach der Einzahlung keine neuen Verfügungen zulässt und damit die Überweisung nur der Schuldentilgung dient, ohne der Gesellschaft ein neues Kreditvolumen zu erschließen282) bzw. das Kreditinstitut der Gesellschaft mit Rücksicht auf eine Kapitalerhöhung auf einem anderen Konto keinen Kredit zur Verfügung stellt, der den Einlagenbetrag erreichen oder übersteigen könnte.283) 564 In der Praxis kommt es nicht selten vor, dass die Stammeinlage eingezahlt wird, um sodann unmittelbar anschließend wieder an den Gesellschafter – meist in Form eines Darlehens – zurückzufließen („Hin- und Herzahlen“). Ob die Stammeinlage in diesen Fällen wirksam erbracht ist, richtet sich seit Inkrafttreten des MoMiG284) nach § 19 Abs. 5 GmbHG. In den Verfahren, die ab dem 1.1.2008 eröffnet wurden (vgl. Art. 103d InsO) ist die Einlagenleistung auch beim sog. Hin- und Herzahlen dann wirksam erbracht, wenn dieser ein vollwertiger, jederzeit fälliger oder durch fristlose Kündigung der sofortigen Fälligkeit zugänglicher Rückgewähranspruch gegenübersteht. Praxistipp: Wissen Den zur Einlageleistung Verpflichteten bezeichnet man als Inferent.
565 Die bis zum 1.11.2008 eröffneten Insolvenzverfahren sind nach „altem Recht“ zu beurteilen (vgl. Art. 103d EGInsO): Eine Tilgung der Einlageschuld tritt dann nicht ein, wenn der Gesellschafter zwar den festgelegten Geschäftsanteil einzahle, dieser Betrag aber absprachegemäß umgehend als ___________ 277) BGH, Urt. v. 27.1.1997 – II ZR 123/94, ZIP 1997, 679, dazu EWiR 1997, 463 (Fleischer). 278) BGH, Urt. v. 6.3.2012 – II ZR 56/10, ZIP 2012, 817 Rn. 15 m. w. N. (m. Bespr. Ulmer, S. 1265). 279) BGH, Urt. v. 27.1.1997 – II ZR 123/94, ZIP 1997, 679. 280) BGH, Urt. v. 2.4.1962 – II ZR 169/61, DB 1962, 800. 281) BGH, Urt. v. 3.12.1990 – II ZR 215/89, ZIP 1991, 445. 282) OLG Hamm, Urt. v. 14.1.2004 – 8 U 32/03), ZInsO 2005, 442 = ZIP 2004, 1427, dazu EWiR 2005, 23 (Höpfner). 283) BGH, Urt. v. 18.3.2002 – II ZR 363/00, ZIP 2002, 799. 284) Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen v. 23.10.2008, BGBl. I, 2026.
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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
Darlehen an ihn oder an ein mit ihm verbundenes Unternehmen zurückerstattet werde.285) Auch die dem Inferenten im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung als „Darlehen“ oder in sonstiger Weise überlassenen Gesellschaftsmittel stehen wirtschaftlich einer verbotenen Befreiung von der Einlageschuld i. S. v § 19 Abs. 2 GmbHG gleich.286) In einem solchen Fall der sog. verdeckten Finanzierung leistet der Inferent bei dem „Her- und Hinzahlen“ (nicht anders als in der spiegelbildlichen Konstellation des sog. Hin- und Herzahlens) unter dem Gesichtspunkt der Kapitalaufbringung nichts; die im Zusammenhang mit der „Herzahlung“ getroffene „Darlehensabrede“ ist unwirksam.287) Erst mit einer späteren Zahlung auf die vermeintliche „Darlehensschuld“ erfüllt der Inferent die offene Einlageverbindlichkeit.288) Keine Zusammenhangsvermutung bestand mehr bei einem Zeitabstand von mehr als acht Monaten zwischen Ein- und Auszahlung.289) bb) Prüfungsumfang des Insolvenzverwalters Gemäß § 46 Ziff. 2 GmbHG unterliegt die Einforderung der Stammeinlagen 566 der Bestimmung der Gesellschafter. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht diese Kompetenz auf den Insolvenzverwalter über; eines Gesellschafterbeschlusses bedarf es dann nicht mehr.290) Der Insolvenzverwalter hat demnach zunächst zu ermitteln, welche ausstehenden Einlagen bei dem/den Gesellschafter/n noch einzufordern sind. Praxistipp: Prüfungsansatz x Sichtung und Auswertung des Gesellschaftervertrages sowie sämtlicher Gesellschafterbeschlüsse (lückenlose Vorlage erforderlich!). x Auflistung aller Gesellschafter seit Gründung der Gesellschaft (Liste vom Geschäftsführer erstellen lassen und diese prüfen oder anhand eigener Auswertungen des Vertragswerkes sowie der Gesellschafterbeschlüsse erstellen!).
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH tragen die Gesell- 567 schafter die Beweislast für die wirksame Erbringung der Stammeinlage.291) Kann der betreffende Gesellschafter den Nachweis nicht (mehr) erbringen bzw. ist die Stammeinlage nicht erbracht, kann der Insolvenzverwalter den Anspruch auf Einlagenleistung (§ 19 GmbHG) erforderlichenfalls gerichtlich geltend machen. ___________ 285) 286) 287) 288) 289) 290) 291)
BGH, Urt. v. 2.12.2002 – II ZR 101/02, ZIP 2003, 211, dazu EWiR 2003, 223 (Blöse). BGH, Urt. v. 12.6.2006 – II ZR 334/04, ZIP 2006, 1633. BGH, Urt. v. 12.6.2006 – II ZR 334/04, ZIP 2006, 1633. BGH, Urt. v. 12.6.2006 – II ZR 334/04, ZIP 2006, 1633. Bauer, ZInsO 2011, 1273 m. w. N. BGH, Urt. v. 15.10.2007 – II ZR 216/06, ZIP 2007, 2416. OLG Jena, Urt. v. 14.8.2009 – 6 U 833/08, ZIP 2009, 1759, dazu EWiR 2009, 771 (Möller); OLG Brandenburg, Urt. v. 5.4.2006 – 4 U 156/05, ZIP 2006, 1343.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
568 Doch wie wird die wirksame Erbringung der Stammeinlage nachgewiesen und vom Insolvenzverwalter geprüft? Der II. Senat hat die grundsätzliche Darlegungs- und Beweislast des Gesellschafters bejaht, den Nachweis aufgrund einer tatrichterlichen Würdigung der Gesamtbeurteilung unstreitiger oder erwiesener Indiztatsachen als geführt anzusehen, wenn nicht gegenteilige Indizien durch den Insolvenzverwalter dargelegt oder ersichtlich seien oder der Verwalter nicht seinerseits Gegenbeweis anbiete.292) Ausreichend sei daher, wenn der Gesellschafter mehrere Umstände ("Indizienkette") darlegt, die den Schluss auf die Erfüllung der Stammeinlagenverpflichtung zuließen. Es empfiehlt sich, entsprechend dieser Grundsätze auch in der Praxis vorzugehen: Kann der Gesellschafter anhand von mehreren Indizien belegen, dass die Stammeinlage erbracht ist und ergeben sich i. Ü. keine gegenteiligen Anhaltspunkte, ist von der wirksamen Erbringung der Einlagenleistung auszugehen. Ein Indiz für sich allein dürfte dagegen nicht ausreichen. 569 Für die Praxis können die nachfolgenden Indizien die Stammeinlageleistung belegen: x
Die Vorlage von Jahresabschlüssen und Bilanzen, die die Stammeinlagen als vollständig erbracht ausweisen, genügt für eine substantiierte Darlegung allein nicht, wenn sie nicht erkennen lassen, ob und in welcher Art und Weise sich die mit der Erstellung befassten Wirtschaftsprüfer bzw. Steuerberater von der tatsächlichen Erbringung der Stammeinlagen überzeugt haben.293) Ergibt sich die Einzahlung des Stammkapitals aus dem Jahresabschluss, der mit einem Prüfvermerk des Steuerberaters „aufgestellt anhand der vorgelegten Buch- und Inventurunterlagen“ versehen ist, muss der Steuerberater als Zeuge gehört werden, wurde er als solcher benannt.294)
x
Bei Insolvenzeröffnung ab dem 1.11.2008 (infolge MoMiG) ist die strafbewehrte Versicherung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 GmbHG ausreichend (§ 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG); Beibringung von Nachweisen nur noch bei erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit der Versicherung; bei Verfahrenseröffnung vor dem 1.11.2008 können zusätzlich auch Einzahlungsbelege gefordert werden.
x
Zeugenaussagen295)
x
Kassenquittungen, die den Empfang bestätigen reichen für sich genommen regelmäßig nicht aus; rein deklaratorisch und ohne Beweiskraft dafür, dass tatsächlich eingezahlt wurde.
___________ 292) BGH, Beschl. v. 9.7.2007 – II ZR 222/06, ZIP 2007, 1755, dazu EWiR 2007, 687 (Wagner). 293) OLG Jena, Urt. v. 9.4.2013 – 2 U 905/12, ZIP 2013, 1378, dazu EWiR 2013, 651 (Möller), zugleich Bestätigung von OLG Jena, Urt. v. 14.8.2009 – 6 U 833/08, ZIP 2009, 1759. 294) BGH, Urt. v. 13.9.2004 – II ZR 137/02, ZIP 2005, 28. 295) OLG Zweibrücken, Urt. v. 6.10.2005 – 4 U 273/04, DB 2006, 206.
142
VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
x
Einzahlungsbelege ohne Zweckbestimmung sind ausreichend, wenn aus der objektiven Sicht des Geschäftsführers die Zahlung unzweideutig als Zahlung auf die Einlagenschuld zugeordnet werden kann.296)
cc) Kaduzierung Überträgt ein Gesellschafter seinen Anteil an einen Dritten mit dem Ziel, 570 seiner Einlagepflicht zu entgehen, kann der Anteilserwerber zwangsweise aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Kaduzierung bedeutet demnach den Ausschluss eines Gesellschafters einer GmbH (oder einer AG; vgl. hierzu §§ 63 ff. AktG), der mit seinen Einlagenleistungen im Verzug ist. Der Gesellschafter wird zwangsweise ausgeschlossen und hat keinen Anspruch auf Ersatz bereits gezahlter Einlagenleistungen. Hinsichtlich der noch nicht erbrachten Einlage besteht die Haftung fort. Nach dem Ausschluss des „neuen“ Gesellschafters kann der „alte“ Gesellschafter auf die fehlende Einlageleistung in Anspruch genommen werden. Kann dieser ebenfalls nicht leisten, besteht die Möglichkeit, den Anteil durch 571 öffentliche Versteigerung zu verwerten (§§ 22, 23 GmbHG). Zudem besteht eine hilfsweise Haftung (Ausfallhaftung) des ausgeschlossenen Gesellschafters (§ 21 Abs. 3 GmbHG) sowie der Mitgesellschafter (§ 24 GmbHG). Das Kaduzierungsverfahren bedarf zunächst der Fälligstellung der Einlagen- 572 leistungen gegenüber dem „neuen“ Gesellschafter durch ein einfaches Aufforderungsschreiben des Insolvenzverwalters. Bei Nichtleistung folgt eine erneute Zahlungsaufforderung zur Zahlung unter Androhung des Ausschlusses unter einer Nachfristsetzung von einem Monat (Einschreiben, § 21 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Nach fruchtlosem Fristablauf kann der Gesellschafter ausgeschlossen werden (Kaduzierung mittels Einschreiben, § 21 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). Nach erfolgreicher Kaduzierung kann der „alte“ Gesellschafter ebenfalls in Anspruch genommen werden. dd) Verjährung Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen verjährt in zehn 573 Jahren von seiner Entstehung an (§ 19 Abs. 6 Satz 1 GmbHG). Bis zum 31.12.2001 trat Verjährung nach Ablauf der seinerzeit regelmäßigen 574 Verjährungsfrist von 30 Jahren ein (§ 195 BGB a. F.). Mit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.1.2002 verkürzte sich die regelmäßige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB auf drei Jahre. Die 3-jährige Verjährungsfrist findet jedoch nach feststehender Rechtsprechung keine Anwen-
___________ 296) BGH, Urt. v. 22.6.1992 – II ZR 30/91, ZIP 1992, 1303 = NJW 1992, 2698, dazu EWiR 1992, 997 (Fleck), OLG Köln, Urt. v. 17.5.2001 – 18 U 17/01, ZIP 2001, 1243, dazu EWiR 2001, 1093 (von Gerkan).
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
dung.297) Die 10-jährige Verjährungsfrist ist in allen Fällen ab dem 1.1.2002 gültig.298) Führt diese zu einer Verlängerung der Verjährung um mehr als 30 Jahre, gilt die alte 30-jährige Verjährungsfrist; führt sie hingegen zu einer kürzeren Verjährungsfrist, gilt die neue 10-jährige Verjährungsfrist nach § 19 Abs. 6 GmbHG.299) 575 Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, so tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab Insolvenzeröffnung ein (§ 16 Abs. 6 Satz 2 GmbHG). h) Einlagehaftung AG 576 Der Mindestnennbetrag des Grundkapitals einer AG beträgt 50.000 € (§ 7 AktG). Mit der Übernahme aller Aktien durch die Gründer (§ 28 AktG) ist die Gesellschaft errichtet (§ 29 AktG). 577 Bis zur Eintragung müssen Bareinlagen mindestens 25 % des geringsten Ausgabebetrags und bei Ausgabe der Aktien für einen höheren als diesen auch den Mehrbetrag umfassen (§ 36a Abs. 1 AktG). Sacheinlagen sind vollständig zu leisten (§ 36a Abs. 2 AktG). Die Fälligkeit der Einlagen i. Ü. wird in der Satzung festgelegt. 578 Die Pflicht der Einlagenleistung der Aktionäre ergibt sich aus § 54 AktG. Die Leistungspflicht wird durch den Ausgabebetrag der Aktien begrenzt (§ 54 Abs. 1 AktG). Haben Aktionäre ihre Einlage nicht ordnungsgemäß geleistet, ist der Insolvenzverwalter berechtigt, diese Ansprüche geltend zu machen.300) 579 Auch im Aktiengesellschaftsrecht besteht die Möglichkeit der Kaduzierung (vgl. § 64 AktG, zum Verfahren ĺ Rn. 570). Unter den Voraussetzungen des § 65 AktG besteht eine Leistungspflicht des vormaligen Gesellschafters (Vormann). 580 Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an (§ 54 Abs. 4 Satz 1 AktG). 581 Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, so tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung ein (§ 54 Abs. 4 Satz 2 AktG). ___________ 297) BGH, Urt. v. 11.2.2008 – II ZR 171/06, ZIP 2008, 643, dazu EWiR 2008, 247 (Hauptmann); BGH, Beschl. v. 2.6.2008 – II ZA 1/07, ZIP 2008, 1379. 298) BGH, Urt. v. 11.2.2008 – II ZR 171/06, ZIP 2008, 643; BGH, Beschl. v. 2.6.2008 – II ZA 1/07, ZIP 2008, 1379. 299) BGH, Urt. v. 11.2.2008 – II ZR 171/06, ZIP 2008, 643; BGH, Beschl. v. 2.6.2008 – II ZA 1/07, ZIP 2008, 1379. 300) OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.11.1990 – 6 U 175/89, ZIP 1991, 161, dazu EWiR 1991, 105 (Joost).
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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
i) Einlagehaftung Genossenschaft Bei der Genossenschaft existiert kein gesetzlich festgeschriebener Mindest- 582 kapitalbetrag. Die Genossen sind verpflichtet, 10 % des übernommenen Geschäftsanteils einzuzahlen (§ 7 Nr. 1 GenG). Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Genossenschaft besteht ge- 583 mäß §§ 105 ff. GenG eine Nachschusspflicht der Genossen. Ob überhaupt bzw. in welcher Höhe eine solche Nachschusspflicht besteht, ergibt sich als zwingender Inhalt aus der Satzung (§ 6 Nr. 3 GenG). Zulässig ist die Festlegung einer unbeschränkten, auf eine bestimmte Haftsumme beschränkten oder der gänzliche Ausschluss einer Nachschusspflicht. Wurde eine Nachschusspflicht festgelegt, entsteht der Anspruch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und ist vom Insolvenzverwalter geltend zu machen.301) Unverzüglich nach der Niederlegung der Vermögensübersicht (§ 153 InsO) ist der Insolvenzverwalter gehalten, von den Genossen Vorschüsse anzufordern (§ 106 GenG). j) Einlagenhaftung Kommanditgesellschaft Der Kommanditist einer KG haftet den Gläubigern der Kommanditgesell- 584 schaft gegenüber persönlich mit seinem gesamten Vermögen, betragsmäßig jedoch aber beschränkt auf die Höhe der vereinbarten Einlagenleistung (§ 171 Abs. 1 HGB). Soweit er die Einlage geleistet hat, wird er von der Haftung frei (§ 171 Abs. 1, 2 HGB). Die Einlage kann als Bar- oder Sacheinlage vereinbart und erbracht werden; 585 Letzte ist unmittelbar vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG nur mit dem Wert ihres Verwertungserlöses anzusetzen.302) Nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KG ist der 586 Insolvenzverwalter gemäß § 171 Abs. 2 HGB berechtigt und verpflichtet, die Einlagenhaftungsansprüche gegen die Kommanditisten geltend zu machen.303) Soweit die Einlage zurückgezahlt wurde, lebt die Haftung gegenüber den 587 Gläubigern wieder auf (§ 172 Abs. 4 InsO). Ist die KG noch nicht im Handelsregister eingetragen, haftet der Kommanditist in unbeschränkter Höhe (vgl. § 176 Abs. 1 HGB; der Insolvenzverwalter ist befugt, die Haftung für bis dahin begründete Verbindlichkeiten für die Altgläubiger durchzusetzen (Sondermasse gemäß § 93 InsO).304) ___________ 301) BGH, Urt. v. 3.2.1964 – II ZB 6/63, BGHZ 41, 71, 78; Urt. v. 13.10.2008 – II ZR 229/07, ZIP 2008, 2261. 302) BGH, Urt. v. 9.5.1963 – II ZR 124/61, NJW 1963, 1873. 303) Siehe zum Meinungsstreit im Hinblick auf § 93 InsO ausführlich KPB/Lüke, InsO, § 93 Rn. 119 ff. (Stand 2.2014). 304) KPB/Lüke InsO, § 93 Rn. 120 ff. (Stand 2.2014).
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
588 Eine Aufrechnung des Kommanditisten mit einem Erstattungsanspruch wegen der Inanspruchnahme als Mitschuldner oder Bürge durch einen Gläubiger der Kommanditgesellschaft ist nach Insolvenzeröffnung wegen § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO unzulässig. k) Ansprüche gegen Gesellschafter aa) Verstoß gegen den Kapitalerhaltungsgrundsatz (§§ 30, 31 Abs. 1 GmbHG) 589 Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen darf nicht an den Gesellschafter ausgezahlt werden (Kapitalerhaltungsgrundsatz, § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG). Bei einem Verstoß gegen das Ausschüttungsverbot besteht ein Erstattungsanspruch gegen den Gesellschafter gemäß §§ 31 Abs. 1, 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Für den Fall, dass dieser Anspruch von dem Empfänger nicht zu erlangen ist, haften für den zu erstattenden Betrag, soweit er zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, die übrigen Gesellschafter solidarisch nach dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile (§ 31 Abs. 3 GmbHG, vgl. zur Haftung des Geschäftsführers ĺ Rn. 610 ff.). 590 Die Haftung besteht nicht nur im Fall von Geldabflüssen sondern betrifft Vermögensabflüsse aller Art, die das Gesellschaftsvermögen schmälern. Die Bewertung folgt einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise.305) 591 Die Haftung begründen z. B.: x
die Weggabe eines Vermögensgegenstands,306)
x
Gehaltszahlungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer bei Vorliegen einer Unterbilanz, wenn die Gehaltshöhe einem Fremdvergleich nicht standhält,307)
x
die kostenlose oder zu preisgünstige Überlassung von Nutzungen oder die Erbringung von Werkleistungen, sofern das Geschäft nicht aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt ist und einem Fremdvergleich nicht standhält;308)
x
die Erbringung von Leistungen zu nicht marktüblichen Preisen.309)
592 Die Erstattungsansprüche gegen den Gesellschafter nach § 31 Abs. 1 GmbHG verjähren in zehn Jahren. Gemäß § 31 Abs. 5 Satz 3 GmbHG i. V. m. § 19 Abs. 6 Satz 2 GmbHG besteht bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine besondere Ablaufhemmung von sechs Monaten. ___________ 305) 306) 307) 308) 309)
146
OLG Dresden, Urt. v. 6.6.2002 – 7 U 2325/01, GmbHR 2003, 356. BGH, Urt. v. 17.3.2008 – II ZR 24/07, ZIP 2008, 922, dazu EWiR 2008, 495 (Westermann). Bauer, ZInsO 2011, 1335. OLG Hamburg, Beschl. v. 31.8.2005 – 11 U 55/04, ZIP 2005, 1968. BGH, Urt. v. 15.10.2007 – II ZR 243/06, ZIP 2007, 2364 (LS).
VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
Der Ausfallanspruch gegen die Mitgesellschafter (§ 31 Abs. 3 GmbHG) ver- 593 jährt in fünf Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 31 Abs. 5 Satz 2 mit Ablauf des Tages, 594 an welchem die verbotswidrige Auszahlung geleistet wird. bb) Haftung der Aktionäre (§§ 57, 62 AktG) Im Aktiengesellschaftsrecht besteht gemäß § 57 AktG der Grundsatz der 595 Vermögensbindung, der durch seine Bindung des gesamten Gesellschaftsvermögens über eine bloße Kapitalerhaltung (wie bei der GmbH) hinausgeht.310) § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG beschreibt das Verbot der Einlagenrückgewähr. 596 Damit ist über den Wortlaut hinaus jede Beeinträchtigung des Gesellschaftsvermögens wertmäßiger Art zu verstehen.311) Das Verbot erfasst nicht die Leistungen, denen eine vollwertige Gegenleistungs- oder ein ebensolcher Rückgewähranspruch gegen den Aktionär gegenübersteht.312) Soweit ein Verstoß gegen § 57 AktG vorliegt, ist der daraus resultierende Rückgewähranspruch nach der speziellen Bestimmung des § 62 AktG gegen den Aktionär geltend zu machen. Insoweit besteht ein Gleichlauf mit dem GmbH-Recht.313) Beispiele für die Aktionärshaftung:
597
x
Darlehensgewährung an den Aktionär ohne vollwertigen Rückzahlungsanspruch.
x
Rückzahlung eines noch nicht fälligen Darlehens durch die AG, wodurch der bürgende Aktionär vorzeitig von seiner Bürgenhaftung befreit wird.314)
x
Übernahme von Bauleistungen zu offenkundig nicht kostendeckenden Preisen.315)
Die Ansprüche nach diesen Vorschriften verjähren in zehn Jahren seit dem 598 Empfang der Leistung. cc) Existenzvernichtungshaftung (§ 826 BGB Schadensersatz wegen eines existenzvernichtenden Eingriffs) Die Haftung für Gesellschaftsverbindlichkeiten ist bei Kapitalgesellschaften 599 grundsätzlich auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt; die Haftung vom Gesellschaftsvermögen und vom Vermögen der Gesellschafter ist getrennt. ___________ 310) 311) 312) 313) 314) 315)
BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 179/12, ZIP 2013, 819. Schwerdtfeger/Paschke/Politis, § 57 AktG Rn. 6. Schwerdtfeger/Paschke/Politis, § 57 AktG Rn. 26. BGH, Urt. v. 12.3.2013 – II ZR 179/12, ZIP 2013, 819. KG, Urt. v. 24.7.1998 – 14 U 2121/97, NZG 1999, 161. BGH, Urt. v. 1.12.1986 – II ZR 306/85, ZIP 1987, 575 = NJW 1987, 1194, dazu EWiR 1987, 255 (Westermann).
147
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
Liegen hingegen missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in das der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienende Gesellschaftsvermögen der Gesellschafter vor, sind die Gesellschafter hierfür haftbar zu machen.316) Die Existenzvernichtungshaftung verlängert damit das Schutzsystem der §§ 30, 31 GmbHG auf der Ebene des Deliktrechts.317) Die Gesellschaft darf nicht durch Eingriffe eines oder mehrerer Gesellschafter(s) in die Lage versetzt werden, ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen zu können. Daher sind missbräuchliche, zur Insolvenzreife der Gesellschaft führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe des Gesellschafters in das zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zweckgebundene Gesellschaftsvermögen und die damit einhergehende fehlende Rücksichtnahme des Gesellschafters auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zu sanktionieren.318) Der BGH nimmt eine Existenzvernichtung an, „wenn der Gesellschafter auf die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens keine angemessene Rücksicht nimmt, indem er der Gesellschaft durch offene oder verdeckte Entnahmen ohne angemessenen Ausgleich Vermögenswerte entzieht, die sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt, und sie dadurch in die Insolvenz führt oder eine bereits bestehende Insolvenz vertieft.“319) 600 Voraussetzung für einen begründeten Schadensersatzanspruch (§ 826 BGB) ist das Vorliegen eines Schadens. Zudem muss zwischen dem Eingriff des Gesellschafters und dem Ausfall des Gläubigers Kausalität bestehen. Kausalität liegt vor, wenn der Eingriff den Gläubigerausfall vergrößert oder die Überschuldung vertieft.320) Die Haftung definiert sich mit dem BGH als eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft i. S. d. § 826 BGB.321) Im Insolvenzverfahren ist sie daher vom Insolvenzverwalter ob seiner Stellung als solcher (§ 80 Abs. 1 InsO) geltend zu machen.322) 601 Die Existenzvernichtungshaftung richtet sich im Wesentlichen gegen Gesellschafter einer GmbH, nicht aber gegen Aktionäre einer AG, da bereits der Vermögenserhaltungsgrundsatz weitreichender ist als bei der GmbH.323) Als Haftende kommen neben dem unmittelbaren Gesellschafter der GmbH auch ___________ 316) Siehe hierzu „Trihotel-Urteil“, BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 (m. Bespr. Weller, S. 1681), dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm). 317) BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 (m. Bespr. Weller, S. 1681). 318) BGH, Urt. v. 13.1.2005 – IX ZR 457/00, ZIP 2005, 585; BGH, Urt. v. 7.1.2008 – II ZR 314/05, ZIP 2008, 308; BGH, Urt. v. 28.4.2008 – II ZR 264/06, ZIP 2008, 1232. 319) Zuletzt BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 52/10, ZIP 2013, 894, dazu EWiR 2013, 555 (Hölzle). 320) OLG Jena, Urt. v. 18.4.2007 – 6 U 734/06, ZIP 2007, 1758. 321) BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 (m. Bespr. Weller, S. 1681). 322) Vgl. zur nicht mehr gültigen Außenhaftung „Bremer Vulkan-Urteil“, BGH, Urt v. 17.9.2001 – II ZR 178/99, ZIP 2001, 1874 (m. Bespr. Altmeppen, S. 1837). 323) HK-InsO/A. Schmidt, Anh. zu § 35, Kap. F, Rn. 8.
148
VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
mittelbare Gesellschafter (Gesellschafter-Gesellschafter) sowie Mittäter, Anstifter und Gehilfen in Betracht.324) Der Anspruch verjährt in drei Jahren ab dem Ende des Jahres, in dem der 602 Anspruch entstanden ist und der Gläubiger, also die Gesellschaft bzw. der Insolvenzverwalter, Kenntnis von den Anspruch begründenden Umständen erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen können, §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.325) Beispiele für existenzvernichtende Eingriffe sind
603
x
der planmäßige Entzug von Gesellschaftsvermögen durch Vereinnahmung von der Gesellschaft zustehenden Forderungen durch den (Allein-)Gesellschafter,326)
x
das Entziehen einer gegen den Alleingesellschafter-Geschäftsführer gerichteten Forderung der Gesellschaft durch Erwirken eines klageabweisenden Versäumnisurteils.327)
dd) Gesellschafterhaftung bei Personengesellschaften (akzessorische Außenhaftung) Bei Personengesellschaften haften die Gesellschafter einer OHG und die 604 Komplementäre einer KG persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (akzessorische Außenhaftung328) gemäß § 128 HGB bzw. §§ 161 Abs. 2, 128 HGB). Praxistipp: Neu eingetretene Gesellschafter haften gemäß § 130 Abs. 1 HGB auch für die vor ihrem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Ein ausgeschiedener Gesellschafter haftet nach Maßgabe des § 160 Abs. 1 HGB für die bis zu seinem Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig werden. Dies gilt entsprechend bei einem Wechsel in die Rolle des Kommanditisten (§ 160 Abs. 3 HGB).
Während der Dauer des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesell- 605 schaft kann die persönliche Haftung der Gesellschafter nur von Insolvenzverwalter geltend gemacht werden (§ 93 InsO).329)
___________ 324) 325) 326) 327) 328) 329)
BGH, Urt. v. 16.7.2007 – II ZR 3/04, ZIP 2007, 1552 (m. Bespr. Weller, S. 1681). BGH, Urt. v. 24.7.2012 – II ZR 177/11, ZIP 2012, 1804, dazu EWiR 2012, 757 (Beck). BGH, Urt. v. 7.1.2008 – II ZR 314/05, ZIP 2008, 308, dazu EWiR 2008, 135 (Westermann). OLG Celle, Urt. v. 28.10.2009 – 9 U 125/06, GmbHR 2010, 87. BGH, Urt. v. 4.7.2002 – IX ZR 265/01, ZIP 2002, 1492. BGH, Urt. v. 4.7.2002 – IX ZR 265/01, ZIP 2002, 1492.
149
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren § 93 InsO Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien eröffnet, so kann die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.
606 § 93 InsO gilt nur hinsichtlich der Ansprüche aus der akzessorischen Außenhaftung, nicht jedoch hinsichtlich solcher Ansprüche, die die Innenhaftung betreffen (z. B. wegen noch ausstehender Einlagenleistungen). Die Haftung bezieht sich auf alle Forderungen, deren Rechtsgrund vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt wurde, nicht hingegen auf die Kosten des Insolvenzverfahrens.330) 607 Die Regelungen des § 128 HGB sind analog auf die Gesellschafter einer GbR anzuwenden.331) 608 Für die KGaA sind wegen § 278 Abs. 2 AktG die §§ 128 f. HGB entsprechend anzuwenden.332) Bei einer GmbH & Co. KG gilt § 93 InsO für die GmbH für die Geltendmachung von Forderungen durch den Insolvenzverwalter im Verfahren über das Vermögen der KG.333) 609 Bei der Partnerschaftsgesellschaft findet sich der Wortlaut des § 128 Satz 1 HGB in § 8 Abs. 1 Satz 1 PartGG. l) Ansprüche gegen organschaftliche Vertreter aa) Ansprüche gegen Geschäftsführer gemäß § 64 GmbHG § 64 GmbHG Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung 1 Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. 2Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. 3Die gleiche Verpflichtung trifft die Geschäftsführer für Zahlungen an Gesellschafter, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in Satz 2 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar. 4Auf den Ersatzanspruch finden die Bestimmungen in § 43 Abs. 3 und 4 entsprechende Anwendung.
___________ 330) BGH, Teilurt. v. 24.9.2009 – IX ZR 234/07, ZIP 2009, 2204, dazu EWiR 2009, 775 (Berger). 331) Siehe BGH, Urt. v. 27.9.1999 – II ZR 371/98, ZIP 1999, 1755 (m. Anm. Altmeppen, S. 1758), dazu EWiR 1999, 1053 (Keil); BGH, Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, ZIP 2001, 330 (m. Bespr. Ulmer, S. 585); BGH, Urt. v. 24.2.2003 – II ZR 385/99, ZIP 2003, 664 = ZfIR 2003, 745 (LS); BGH, Urt. v. 7.4.2003 – II ZR 56/02, ZIP 2003, 899 = ZVI 2003, 273, dazu EWiR 2003, 513 (Westermann). 332) KPB/Lüke, InsO, § 93 Rn. 113 (Stand 2.2014). 333) KPB/Lüke, InsO, § 93 Rn. 113 (Stand 2.2014).
150
VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
Mit § 64 GmbHG findet sich außerhalb der Insolvenzordnung eine Norm, 610 die Ausfluss des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes ist. Sinn und Zweck ist der Erhalt der Haftungsmasse mit dem Ziel der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubigergesamtheit. Gemäß § 64 Satz 1 GmbHG sind vom Geschäftsführer Zahlungen, die nach 611 Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung vorgenommen wurden, zu ersetzen. Die Haftung kann nicht durch eine Amtsniederlegung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeschlossen werden. Ein Haftungsausschluss wird auch nicht dadurch bewirkt, dass der Geschäftsführer Zahlungen aufgrund eines Beschlusses der Gesellschafter vorgenommen hat (vgl. § 64 Satz 4 GmbHG i. V. m. § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG). Auch der faktische Geschäftsführer (ĺ Rn. 143 ff.) ist geeigneter Anspruchs- 612 gegner.334) Die Norm erfasst alle Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähig- 613 keit (ĺ Rn. 160 ff.) oder der Überschuldung (ĺ Rn. 175 ff.) vorgenommen wurden. Der Geschäftsführer ist verpflichtet, sich über die Liquiditätslage des Unternehmens stets einen Überblick zu verschaffen. Auf fehlende eigene Sachkunde kann er sich grundsätzlich nicht berufen. Er handelt nur dann nicht schuldhaft, „wenn er bei fehlender eigener Sachkunde zur Klärung des Bestehens der Insolvenzreife der Gesellschaft den Rat eines unabhängigen, fachlich qualifizierten Berufsträgers einholt, diesen über sämtliche für die Beurteilung erheblichen Umstände ordnungsgemäß informiert und nach eigener Plausibilitätskontrolle der ihm daraufhin erteilten Antwort dem Rat folgt und von der Stellung eines Insolvenzantrags absieht.“335) Der Begriff der Zahlung i. S. v. § 64 GmbHG ist weit zu verstehen. Er um- 614 fasst Bargeldleistungen, Buchgeldzahlungen von einem Habenkonto, Zahlungseingänge auf einem Debetkonto, die Hergabe von Gegenständen, die Übertragung von Forderungen und Rechten, ebenfalls die Hingabe von Schecks oder Wechseln.336) Abzustellen ist auf den tatsächlichen Vermögensabfluss. Daher stellt ein bloßer Aktivtausch (z. B. Zahlung von der Barkasse auf das Guthabenkonto oder umgekehrt) keine Zahlung i. S. v. § 64 GmbHG dar. Unerheblich ist auch zunächst, ob eine wertentsprechende Gegenleistung in das Gesellschaftsvermögen geflossen ist. Ob dieses Argument den Geschäftsführer i. R. v. § 64 Satz 2 GmbHG exkulpiert, hat der BGH offengelassen.337) Da die Norm dem Sinn & Zweck nach auf den Erhalt der Haftungsmasse abstellt und gleichzeitig Masseschmälerungen sanktioniert, ist nach ___________ 334) St. Rspr., zuletzt BGH, Urt. v. 18.12.2014 – 4 StR 323/14 und 4 StR 324/14, ZIP 2015, 218. 335) BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 (m. Bespr. Wilhelm, S. 1781), 1265, dazu EWiR 2007, 495 (Henkel/Mock). 336) BGH, Urt. v. 11.9.2000 – II ZR 370/99, ZIP 2000, 1896, dazu EWiR 2000, 1159 (Keil). 337) BGH, Urt. v. 31.3.2003 – II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005, dazu EWiR 2003, 635 (Blöse).
151
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
Auffassung der Verfasserin richtigerweise eine Kürzung vorzunehmen.338) Zumindest dürfte es als Vorbringen i. S. v. § 24 Satz 2 GmbHG berücksichtigungsfähig sein; die Darlegungs- und Beweislast obliegt dem Geschäftsführer. 615 Der Anspruch aus § 64 Satz 1 GmbHG ist vom Geschäftsführer ungekürzt zu erstatten.339) 616 Bei Geldtransfervorgängen auf dem Geschäftskonto der Gesellschaft ist zu unterscheiden zwischen einem kreditorisch und einem debitorisch geführten Konto. 617 Geldabflüsse von einem kreditorisch geführten Konto stellen Zahlungen i. S. d. § 64 Satz 1 GmbHG dar. Dies gilt auch, wenn es der Geschäftsführer unterlässt, Lastschriften im Einziehungsermächtigungsverfahren zu widerrufen.340) Zahlungseingänge auf das kreditorische Konto sind i. R. v. § 64 Satz 1 GmbHG haftungsneutral. Beispiel: Geschäftskonto Stand
+9.000,00 €
1. Geldeingang Kundenforderung
+2.800,00 €
2. Geldabfluss Lieferantenzahlung Altverbindlichkeit
–1.200,00 €
3. Geldabfluss Lieferantenzahlung Altverbindlichkeit
–1.000,00 €
Die Geldabflüsse 2 und 3 stellen Zahlungen i. S. v. § 64 Satz 1 GmbHG dar. 618 Geldeingänge aus der Einziehung von Schecks341) oder durch Entgegennahme von Überweisungen342) auf einem debitorisch geführten Konto stellen hingegen Zahlungen i. S. d. § 64 Satz 1 GmbHG dar. Die Bank kann dadurch die Geldeingänge mit dem Anspruch auf Rückführung des eingeräumten Kredits verrechnen. Dem Geschäftsführer obliegt, will er die Haftung vermeiden, ein neues, nur im Haben geführtes Konto zu eröffnen, die Drittschuldner über den Wechsel der Bankverbindung zu informieren und die Zahlungseingänge auf dieses Konto umzuleiten. Beispiel: Geschäftskonto Stand 1. Geldeingang Kundenforderung
–9.000,00 € +2.800,00 €
___________ 338) OLB Brandenburg, Urt. v. 10.4.2002 – 7 U 147/01, OLGR Köln 2003, 12; HK-InsO/ A. Schmidt, Anh. Zu § 35, Kap. H, Rn. 24 m. w. N. 339) BGH, BGH 11.7.2005 – II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550. 340) HK-InsO/A. Schmidt, Anh. zu § 35, Kap. H, Rn. 11. 341) BGH, Urt. v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, ZIP 2000, 184, dazu EWiR 2000, 295 (Noack). 342) BGH, Urt. v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 (m. Bespr. K. Schmidt, ZIP 2008, 1401).
152
VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
2. Geldabfluss Lieferantenzahlung Altverbindlichkeit
–1.200,00 €
3. Geldabfluss Lieferantenzahlung Altverbindlichkeit
–1.000,00 €
Der Geldeingang stellt eine Zahlung i. S. v. § 64 Satz 1 GmbHG dar, da die Bank diesen mit dem Anspruch auf Saldorückführung verrechnen kann. Die Haftung des Geschäftsführers ist ausgeschlossen, soweit die Zahlung mit 619 der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind (§ 64 Satz 2 GmbHG). Die Darlegungs- und Beweislast obliegt insoweit dem Geschäftsführer. Mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes sind insbesondere folgende Zahlungen vereinbar: x
Herausgabe von Aussonderungsgegenständen (§ 47 InsO),
x
Befriedigungen absonderungsberechtigter Gläubiger bis zur Höhe des Wertes eines insolvenzfesten Sicherungsgutes,
x
Abführung von Arbeitnehmeranteilen an die Sozialversicherung, da deren Nichterbringung strafbewehrt ist (§ 266a StGB),343)
x
Abführung von Lohnsteuern,344)
x
Verwendung von Treuhandgeldern, die von anderen Konzerngesellschaften auf das Geschäftskonto der Gesellschaft gezahlt worden sind, auf die Begleichung von Verbindlichkeiten dieser Konzerngesellschaften, da die nicht weisungsgemäße Verwendung strafbewehrt ist (vgl. § 266 StGB),345)
x
Zahlungen, durch die größere Nachteile für die Insolvenzmasse abgewendet werden, insbesondere Zahlungen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs (z. B. Zahlungen für Strom, Wasser, Heizung),346) Zahlungen von Mieten, Leasingraten und Löhnen zur Aufrechterhaltung der Möglichkeit eventueller Sanierungsmaßnahmen).
Der Anspruch gegen den Geschäftsführer und Anfechtungsansprüche gegen 620 begünstigte Gläubiger/Dritte stehen nebeneinander; der Insolvenzverwalter hat ein (mehrfaches) Wahlrecht.347) Nimmt der Insolvenzverwalter zunächst den Gläubiger der anfechtbaren Rechtshandlung erfolgreich in Anspruch, fehlt es für einen Ersatzanspruch gegen den Geschäftsführer aus § 64 Satz 1 GmbHG am Rechtschutzbedürfnis. Nimmt der Insolvenzverwalter zunächst den Geschäftsführer erfolgreich in Anspruch, kann dieser wegen § 255 BGB die Abtretung des Anfechtungsanspruchs verlangen.348) ___________ 343) BGH, Urt. v. 2.6.2008 – II ZR 27/07, ZIP 2008, 1275. 344) BGH, Urt. v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 (m. Bespr. Wilhelm, S. 1781). 345) BGH, Urt. v. 5.5.2008 – II ZR 38/07, ZIP 2008, 1229, dazu EWiR 2008, 557 (Schulz, D./ Schröder, H.). 346) BGH, Beschl. v. 5.11.2007 – II ZR 262/06, ZIP 2008, 72 = ZVI 2008, 55. 347) OLG Oldenburg, Urt. v. 10.5.2004 – 15 U 13/04, ZIP 2005, 317 (LS) = ZInsO 2004, 984. 348) BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, ZIP 2001, 235 (m. Anm. Altmeppen, S. 240), dazu EWiR 2001, 329 (Priester).
153
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
621 Mit § 64 Satz 3 GmbHG beinhaltet die Norm eine weitere Anspruchsgrundlage, aufgrund derer der Geschäftsführer für Zahlungen an Gesellschafter, durch welche die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft herbeigeführt wurde, haftbar gemacht werden kann. Der Begriff der Zahlungen ist gleichermaßen weit zu verstehen wie bei § 64 Satz 1 GmbHG, betrifft aber solche Zahlungen, die vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit die an die Gesellschafter geleistet wurden und die die Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt haben. Erfasst sind also nur solche Zahlungen, die für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit kausal sind. 622 Die Ansprüche verjähren in fünf Jahren ab der unzulässigen Zahlung (§ 64 Satz 4 GmbHG i. V. m. § 43 Abs. 4 GmbHG). bb) Ansprüche gegen Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG 623 Obliegenheitspflichtverletzungen von Geschäftsführern begründen eine solidarische Haftung für den entstandenen Schaden gegenüber der Gesellschaft gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG. § 43 Abs. 2 GmbHG ist eine Schutznorm für die Gesellschafter, nicht die Gesellschaftsgläubiger.349) Aus diesem Grunde führt ein im Einverständnis der Gesellschafter gezeigtes Verhalten nicht zu einem Schadensersatzanspruch.350) Das Verhalten des Geschäftsführers muss zu einem dadurch eingetretenen Schaden i. S. e. Vermögensminderungen zulasten der Gesellschafter geführt haben (Kausalität). Ein Vermögensschaden liegt vor, wenn der tatsächliche Wert des Gesellschaftsvermögens geringer ist als der Wert, den das Gesellschaftsvermögen ohne die pflichtwidrige Rechtshandlung haben würde.351) Der Geschäftsführer handelt dann nicht pflichtwidrig, wenn er vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohl der Gesellschaft zu handeln.352) Der Geschäftsführer muss in der konkreten Entscheidungssituation alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausschöpfen, auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der bestehenden Handlungsoptionen sorgfältig abwägen und den erkennbaren Risiken Rechnung tragen. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist Raum für die Zubilligung unternehmerischen Ermessens.353) 624 Folgende Handlungen können eine Haftung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG begründen: x
Errichtung schwarzer Kassen,354)
___________ Bitter, ZInsO 2010, 1505. BGH, Urt. v. 31.1.2000 – II ZR 189/99, ZIP 2000, 493. BGH, Urt. v. 31.5.1994 – VI ZR 12/94, ZIP 1994, 1098, dazu EWiR 1994, 863 (Canaris). BGH, Urt. v. 15.1.2013 – II ZR 90/11, ZIP 2013, 455, dazu EWiR 2013, 261 (Vetter). BGH, Urt. v. 14.7.2008 – II ZR 202/07, ZIP 2008, 1675; BGH, Urt. v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, ZIP 2013, 1712, dazu EWiR 2013, 775 (Weipert). 354) BGH, Urt. v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, ZIP 2010, 1892 = NJW 2010, 3458, dazu EWiR 2010, 797 (Wessing).
349) 350) 351) 352) 353)
154
VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
x
Entnahme von Vergütungen ohne vertragliche Grundlage,355)
x
Unterlassen von Gehaltsreduzierung in der Krise,356)
x
Unterlassen der Geltendmachung von Ansprüchen,357)
x
kaufmännisch fehlerhaft kalkulierte Angebotspreise (BGH, Beschl. v. 18.2.2008 – II ZR 62/07, ZIP 2008, 736),
x
Abschluss eines Beratervertrages zu überhöhten Vergütungsbedingungen,358)
x
Veräußerung von Gesellschaftsvermögen ohne Gesellschafterbeschluss.359)
Bei einer GmbH & Co. KG gilt die Besonderheit, dass sich der Schutzbe- 625 reich auch auf die Kommanditgesellschaft erstreckt, wenn sich der Geschäftszweck der Komplementär-GmbH auf die Führung der Geschäfte der Kommanditgesellschaft beschränkt.360) Die Ansprüche verjähren in fünf Jahren ab der Anspruchsentstehung (§ 43 626 Abs. 4 GmbHG). cc) Ansprüche gegen Geschäftsführer gemäß §§ 43 Abs. 3, Abs. 2, 30 Abs. 1 GmbHG Das Kapital der GmbH ist als Haftungsmasse zu erhalten. Verstöße gegen 627 den Kapitalerhaltungsgrundsatz begründen Haftungsansprüche gegen den Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 3 GmbHG i. V. m. § 30 GmbHG bzw. § 43 Abs. 3 GmbHG i. V. m. § 33 GmbHG. Im Verhältnis zu § 43 Abs. 2 GmbHG ist § 43 Abs. 3 GmbHG lex specialis und normiert eine verschärfte Haftung für Zahlung aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen an die Gesellschafter bzw. den Erwerb eigener Anteile durch die Gesellschafter (§ 33 GmbHG). Die Schadensersatzpflicht der Geschäftsführer wird nicht dadurch aufgehoben, dass diese einen Gesellschafterbeschluss befolgt haben, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist (§ 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG). Die Beurteilung einer eventuellen Einlagenrückgewähr folgt stets unter wirt- 628 schaftlichen Gesichtspunkten. Ein Angriff auf das Stammkapital ist anzunehmen bei Vermögensabflüssen, die zu einer sog. Unterbilanz führen oder eine bestehende solche vergrößern. Eine Unterbilanz liegt vor, wenn das Nettoreinvermögen rechnerisch geringer ist als der Wert des Stammkapitals. Eine Unterbilanz errechnet sich nach den allgemeinen Bilanzierungsgrund___________ 355) 356) 357) 358) 359) 360)
BGH, Urt. v. 24.9.2001 – II ZR 90/00, DStR 2002, 227. OLG Köln, Urt. v. 22.1.2009 – 18 U 142/07, openJur 2011, 63352. OLG Koblenz, Urt. v. 12.5.1999 – 1 U 1649/97, GmbHG 1999, 1201. BGH, Urt. v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, ZIP 2013, 1712. BGH, Beschl. v. 2.6.2008 – II ZR 67/07, ZIP 2008, 1431 (LS). BGH, Urt. v. 25.2.2002 – II ZR 36/236, ZIP 2002, 984; Urt. v. 18.6.2013 – II ZR 86/11, ZIP 2013, 1712.
155
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
sätzen (vgl. § 42 GmbHG) und ist nicht identisch mit der Überschuldungsbilanz. Praxistipp: Ermittlung einer Unterbilanz Gezeichnetes Stammkapital
Aktiva ./. Passiva
(unabhängig von der Frage der tatsächlichen Einzahlung)
= Nettoreinvermögen
Stammkapital
< Nettoreinvermögen ĺ Ausschüttungsverbot
Beispiel: Ein Dienstwagen, Buchwert 20.000 €, wird zu einem Preis von 16.000 € an einen Gesellschafter veräußert. Bilanziell wird das Gesellschaftsvermögen um 4.000 € verringert. Wird durch diese Veräußerung das Stammkapital angegriffen, liegt ein Verstoß gegen den Kapitalerhaltungsgrundsatz vor. Praxistipp: Ist die Gesellschaft bilanziell überschuldet, liegt i. a. R. offensichtlich eine Unterbilanz vor. Erkennbar ist dies an dem in der Bilanz ausgewiesenen Posten „Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ (§ 268 Abs. 3 HGB).
629 Die Ansprüche verjähren in fünf Jahren ab der Anspruchsentstehung (§ 43 Abs. 4 GmbHG). dd) Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder gemäß § 92 Abs. 2 AktG § 92 Abs. 2 AktG Nachdem die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eingetreten ist oder sich ihre Überschuldung ergeben hat, darf der Vorstand keine Zahlungen leisten. Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Die gleiche Verpflichtung trifft den Vorstand für Zahlungen an Aktionäre, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Beachtung der in § 93 Abs. 1 Satz 1 bezeichneten Sorgfalt nicht erkennbar.
630 Die Haftungsnorm für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen Vorstandsmitglieder einer AG entspricht den Parallelvorschriften des GmbHG (§ 64 GmbHG); die anzulegenden Maßstäbe sind identisch (ĺ Rn. 610 ff.) ee) Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder gemäß § 93 Abs. 2 AktG 631 § 93 AktG normiert die Sorgfaltspflichten der Vorstandsmitglieder der AG. Der Pflichtenkreis ergibt sich im Wesentlichen aus § 76 AktG. Insbesondere hat sich der Vorstand, der selbst nicht über die erforderliche Sachkunde ver-
156
VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
fügt, unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten zu lassen; er hat überdies die erteilte Rechtsauskunft einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle zu unterziehen.361) Zur Haftungsnorm bildet § 43 GmbHG eine Parallelvorschrift.362) Die anzulegenden Maßstäbe sind identisch (ĺ Rn. 623 ff.). ff) Ansprüche gegen gesetzliche Vertreter (OHG, KG; §§ 130a Abs. 3 Satz 1, 177a HGB) Für Personengesellschaften, bei denen kein Gesellschafter eine natürliche 632 Person ist, gelten die §§ 130a Abs. 3 Satz 1, 177a HGB. Die Haftung aus § 130a Abs. 3 Satz 1 HGB entspricht derjenigen des § 64 Satz 1 GmbHG.363) gg) Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder gemäß §§ 98, 99 GenG Die Haftung für Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft für Zahlungen 633 nach Eintritt der Insolvenzreife ergibt sich aus §§ 98, 99 GenG, die derjenigen des § 64 Satz 1 GmbHG entspricht.364) hh) Insolvenzverschleppungshaftung § 15a InsO
634
(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Eröffnungsantrag zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. (2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt. (3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von
___________ 361) BGH, Urt. v. 20.9.2011 – II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097, dazu EWiR 2011, 793 (Vetter). 362) Schwerdtfeger/Paschke/Politis, § 93 AktG Rn. 1. 363) BGH, Urt. v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 (m. Bespr. K. Schmidt, ZIP 2008, 1401). 364) Vgl. für die Genossenschaft BGH, Urt. v. 26.10.2000 – IX ZR 289/99, ZIP 2001, 33.
157
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis. (4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig stellt. (5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. (6) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 5 nicht anzuwenden.
635 Die Organvertreter juristischer Personen und von Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, bei denen keine natürliche Person unbeschränkt haftet, besteht bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (ĺ Rn. 160 ff.) oder Überschuldung (ĺ Rn. 175 ff.) die Pflicht, unverzüglich, spätestens jedoch drei Wochen nach Eintritt der Insolvenzreife, einen Insolvenzantrag zu stellen (originäre Antragspflicht § 15a Abs. 1 InsO).365) 636 Eine Antragspflicht gemäß § 15a InsO besteht bei der GmbH, der UG (haftungsbeschränkt), der AG, der Genossenschaft, der KGaA sowie der OHG und KG, bei der jeweils keiner der persönlich haftenden Gesellschafter eine natürliche Person ist. 637 Das Ausscheiden als Vertretungsorgan entbindet nicht von der Antragspflicht. Merke: Führungslosigkeit Bei einer führungslosen GmbH, AG oder Genossenschaft sind die Gesellschafter/Aufsichtsratsmitglieder zur Antragstellung verpflichtet (subsidiäre Antragspflicht gemäß § 15a Abs. 3 InsO). 638 Die in § 15a Abs. 1 InsO genannte 3-Wochen-Frist gilt als Maximalfrist; die Pflicht zur Antragstellung besteht bereits ab dem Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Insolvenzreife. Die Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a Abs. 1 InsO besteht bei fahrlässigem Handeln des Vertretungsorgans und ist verschuldensabhängig.366) 639 Die Insolvenzverschleppungshaftung begründet für die Gläubiger, deren Forderung bereits vor Eintritt der Insolvenzreife begründet worden ist (Altgläubiger), einen Anspruch auf Ersatz des sog. Quotenschadens, für die Insolvenzgläubiger, die erst nach Entstehen der Antragspflicht einen Vertragsschluss mit der Gesellschaft getätigt haben (Neugläubiger), einen Anspruch auf ihren vollen Vertrauensschaden (negatives Interesse).367) ___________ 365) Vgl. die vor dem Inkrafttreten des MoMiG am 1.11.2008 geltenden Spezialgesetze in der bis dahin gültigen Fassung:§ 64 Abs. 1 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG, §§ 130a Abs. 1, 177a HGB, §§ 34 Abs. 2, 99 GenG (allesamt insoweit zum 1.11.2008 ersatzlos gestrichen); weiterhin Gültigkeit haben §§ 42 Abs. 2, 86 BGB, § 1980 Abs. 1 BGB. 366) BGH, Urt. v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, ZIP 2000, 184. 367) BGH, Urt. v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, ZIP 1994, 1103, dazu EWiR 1994, 791 (Wilhelm); instruktiv BGH, Urt. v. 25.7.2005 – II ZR 390/03, ZIP 2005, 1734.
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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
Der Quotenschaden definiert sich als die Differenz zwischen der tatsächlichen 640 und der bei rechtzeitiger Antragstellung fiktiv ursprünglich erzielbaren Insolvenzquote (Gesamtschaden i. S. v. § 92 InsO).368) In der Praxis bereitet die Durchsetzung des Anspruchs regelmäßig Schwierigkeiten, da neben der Bestimmung des konkreten Eintritts der Insolvenzreife insbesondere die Berechnung des Quotenschadens aufgrund der Notwendigkeit, rückblickend eine fiktive Masse nebst den zu berücksichtigenden Insolvenzforderungen sowie Aus- und Absonderungsrechten369) zu bestimmen nahezu unmöglich ist. Der den Neugläubigern zustehende Anspruch auf Ersatz des Vertrauens- 641 schadens ist als Individualschaden auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von den Neugläubigern selbst zu verfolgen. Die Verjährung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften und beträgt 642 drei Jahre zum Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§§ 195, 199 BGB). Die Strafbarkeit einer Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 4, Abs. 5 643 InsO prüft regelmäßig die Ermittlungsbehörde (Staatsanwaltschaft). Dies ist nicht Aufgabe des Insolvenzverwalters. Auf die gesetzlichen Vertreter von Vereinen und Stiftungen ist § 15a InsO 644 nicht entsprechend anwendbar. Diese haften gemäß § 42 Abs. 2 BGB (i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB). Die Insolvenzverschleppungshaftung für die gesetzlichen Vertreter einer OHG 645 oder KG ergibt sich aus § 130a Abs. 2 HGB (i. V. m. § 177a HGB), der auf § 15a InsO verweist. Die Ansprüche verjähren gemäß § 130a Abs. 2 Satz 6 HGB in fünf Jahren. m) Beraterhaftung In den letzten Jahren rückt die Frage der Inanspruchnahme von Beratern des 646 Schuldnerunternehmens, insbesondere Steuerberatern und Sanierungsberatern, im Hinblick auf Schadensersatzleistungen bzw. deliktischer Ansprüche wegen unterlassener Beratung bei Insolvenzreife, weiterer Beratung nach Eintritt der Insolvenzreife sowie wegen eines eventuellen Verstoßes gegen Hinweispflichten immer mehr in den Fokus. Eine Beraterhaftung aus Verletzung vertraglicher Pflichten (§ 280 BGB) schei- 647 det jedenfalls dann aus, wenn der Steuerberater Leistungen innerhalb des erteilten Mandats erbringt (Fertigung betriebswirtschaftlicher Auswertungen, Jahresabschlüsse und Bilanzen) und darüber hinaus keine Belehrung hinsicht___________ 368) BGH, Urt. v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, ZIP 1998, 776. 369) BGH, Urt. v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, ZIP 1998, 776.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
lich eventueller Insolvenzantragspflichten erteilt.370) Innerhalb eines solchen Mandats besteht lediglich die Pflicht, steuerliche Fragen zu klären und entsprechende Hinweise zu erteilen. Eine Hinweispflicht auf eine mögliche Insolvenzreife besteht nicht.371) 648 Ein Anspruch auf Schadensersatz besteht dann, wenn ein ausdrücklicher Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife erteilt wurde (Erstellung eines Bilanzberichts mit Bewertung der bilanziellen Überschuldung oder einer Überschuldungsbilanz)372) oder wenn der (nur) mit der Erstellung der Steuerbilanz beauftragte Steuerberater das Nichtvorliegen der insolvenzrechtlichen Überschuldung feststellt und konkret eine etwaige Insolvenzreife erörtert.373) Tritt der Steuerberater bei einem rein steuerrechtlichen Mandat in konkrete Erörterungen über eine etwaige Insolvenzreife der von ihm beratenen Gesellschaft ein, ohne die Frage nach dem Insolvenzgrund zu beantworten, hat er das Vertretungsorgan darauf hinzuweisen, dass eine verbindliche Klärung nur erreicht werden kann, indem ihm oder einem fachlich geeigneten Dritten ein entsprechender Prüfauftrag erteilt wird.374) 649 Der gerade in der Krise speziell mandatierte Sanierungsberater ist in jedem Fall zur Beratung verpflichtet, da die Prüfung der Sanierungsmöglichkeiten sowie der eventuellen Insolvenzantragspflicht gerade Inhalt des erteilten Mandats ist. 650 Eventuelle vertraglich vereinbarte Haftungsbeschränkung (vgl. §§ 67a StBerG, 51a BRAO) können u. U. auch dem Insolvenzverwalter entgegengehalten werden. 651 Soweit eine Haftung des Beraters gegeben ist, ist dieser zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der zwischen dem Beginn der Beratungs- bzw. Hinweispflicht wegen Insolvenzreife und der tatsächlichen Insolvenzantragstellung durch Minderung der Aktiva und/oder Erhöhung der Passiva eingetreten ist.375) n) Bankguthaben 652 Die hinsichtlich der Geschäftskonten bestehenden Kotenverträge erlöschen mit Eröffnung kraft Gesetzes gemäß §§ 115, 116 InsO. Ein Anspruch auf ___________ 370) BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 64/12, ZIP 2013, 829 = DB 2013, 928, dazu EWiR 2013, 477 (Baumert); BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332 = DStR 2013, 2081, dazu EWiR 2013, 573 (Gräfe). 371) BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 64/12, ZIP 2013, 829 = DB 2013, 928; BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332 = DStR 2013, 2081. 372) BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 64/12, ZIP 2013, 829 = DB 2013, 928; BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332 = DStR 2013, 2081. 373) BGH v. 6.2.2014 – IX ZR 53/13, ZIP 2014, 583 = DStR 2014, 975, dazu EWiR 2014, 385 (Zilkens). 374) BGH v. 6.2.2014 – IX ZR 53/13, ZIP 2014, 583 = DStR 2014, 975. 375) BGH, Urt. v. 6.6.2013 – IX ZR 204/12, ZIP 2013, 1332 = DStR 2013, 2081; vgl. zur Haftung des Beraters gegenüber dem Organvertreter insbesondere BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, ZIP 2012, 1353 = DStR 2012, 1559, dazu EWiR 2012, 509 (Westermann).
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VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
Auszahlung des Guthabens unterliegt dem Insolvenzbeschlag und ist zur Masse zu vereinnahmen. Dies ist relativ unproblematisch. Praxistipp: Die Kontoauszüge sind im Insolvenzverfahren – unabhängig davon, ob die Geschäftskonten im Debet oder im Haben geführt wurden – von höchstem Interesse und in jedem Fall hinsichtlich möglicher Haftungsansprüche gegen Geschäftsführer und Anfechtungsansprüche auszuwerten (ĺ Rn. 610 ff., 654 ff.).
o) Kassenbestand Wird im Unternehmen eine Barkasse geführt, ist der Barkassenbestand Insol- 653 venzmasse. Bei einer Fortführung des Unternehmens ist zur Abwicklung des täglichen Zahlungsverkehrs ein angemessener Wechselgeldbestand in der Kasse zu belassen und i. Ü. die Einzahlung der Tageseinnahmen zum Anderkonto/ Fortführungskonto zu veranlassen. p) Anfechtungsansprüche aa) Grundlegendes Das Anfechtungsrecht ist Ausfluss des Gläubigergleichbehandlungsgrund- 654 satzes (par conditio creditorum) und zielt darauf ab, die Haftungsmasse nach Eintritt der Insolvenzreife zur Befriedigung der Gläubigergesamtheit zusammenzuhalten. Durch das Anfechtungsrecht wird der Insolvenzverwalter in die Lage versetzt, Vermögensabflüsse zugunsten Dritter bzw. einzelner Gläubiger rückabzuwickeln. Mit § 143 Abs. 1 InsO findet sich eine in der Insolvenzordnung festgeschriebene eigene Anspruchsgrundlage, dass in anfechtbarer Weise aus der Aktivmasse ausgeschiedene Vermögen zur Insolvenzmasse zurückzuerstatten ist. bb) Systematik und Konzentration Sind in § 129 InsO die allgemeinen Voraussetzungen der Anfechtung gere- 655 gelt, ergeben sich die einzelnen Insolvenzanfechtungstatbestände aus den §§ 130 ff. InsO. Von einer erschöpfenden Besprechung des Anfechtungsrechts wird im Hinblick auf die Zielsetzung des Werkes abgesehen. Der Schwerpunkt der Betrachtung konzentriert sich daher insbesondere auf die ausschließlich im Gesellschaftsrecht anwendbare Norm des § 135 InsO und deren Besonderheiten.376) cc) Allgemeine Voraussetzungen der Anfechtung Als allgemeine Tatbestandsvoraussetzung ist i. R. v. § 129 Abs. 1 InsO zu 656 prüfen, ob eine objektive Gläubigerbenachteiligung vorliegt. Die Gläubiger ___________ 376) Vgl. zu den weiteren Anfechtungstatbeständen Wipperfürth, 2014, Rn. 810 ff.
161
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
sind objektiv benachteiligt, wenn die anfechtbare Rechtshandlung – wirtschaftlich betrachtet – zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse und damit Verkürzung des Haftvermögens geführt hat.377) Eine solche ist beispielsweise anzunehmen bei der Entstehung eines Pfändungspfandrechts nach Eintritt der Insolvenzreife, da in der wirtschaftlichen Krise aus §§ 803 ff. ZPO kein Recht auf Befriedigung im Wege der Einzelzwangsvollstreckung mit staatlichen Mitteln hergeleitet werden kann,378) bei Begleichung einer Verbindlichkeit durch das Schuldnerunternehmen, obwohl Einwendungen hätten entgegenhalten werden können,379) oder bei Veräußerung eines Sicherungsgutes unter Wert.380) Bei der Zahlung über ein Geschäftskonto liegt eine objektive Benachteiligung i. S. d. § 129 Abs. 1 InsO insbesondere dann vor, wenn die Zahlung aus einem Guthaben oder im Rahmen einer eingeräumten Kreditlinie erbracht worden ist.381) Darüber hinaus hat der BGH ausgeführt, dass eine Zahlung des Insolvenzschuldners aus Geldmitteln, die er aus einer geduldeten Kontoüberziehung schöpft, die Gläubiger benachteiligt, unabhängig davon, ob die Einräumung des Überziehungskredits zu einem (pfändbaren) Anspruch gegen die Bank geführt hat oder ob die Bank noch nicht ausgeschöpfte und werthaltige Sicherheiten für sich in Anspruch nehmen konnte und damit besser gesichert war als der Gläubiger, dessen Forderung mit den neuen Mitteln befriedigt worden war.382) 657 Erbringt der Leistungsempfänger eine gleichwertige Gegenleistung, fehlt es i. a. R. an der objektiven Gläubigerbenachteiligung. Gleiches gilt bei der Bestellung einer angemessenen Sicherheit gegen Darlehensgewährung oder der Ablösung einer vollwertigen, selbst insolvenzbeständigen Sicherheit.383) 658 Vorliegen muss zudem eine Rechtshandlung.384) Der BGH definiert eine Rechtshandlung als „jede bewusste Willensbetätigung, die eine rechtliche Wirkung auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann“.385) Rechtshandlungen sind jedes Tun und Unterlassen (§ 129 Abs. 1, Abs. 2 InsO). Zu den Rechtshandlungen zählen neben rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen und rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen auch Realakte, Prozesshandlungen sowie hoheitliche Vollstreckungsakte. Einzelne Anfechtungstatbestände schränken den Begriff der Rechtshand___________ 377) St. Rspr., vgl. exempl. BGH, Urt. v. 27.5.2003 – IX ZR 169/02, ZIP 2003, 1506 = ZVI 2003, 410, dazu EWiR 2003, 1097 (Hölzle). 378) BGH, Urt. v. 9.9.1997 – IX ZR 14/97, ZIP 1997, 1929, dazu EWiR 1998, 37 (Gerhardt). 379) BGH, Urt. v. 6.4.1995 – IX ZR 61/94, ZIP 1995, 1021, dazu EWiR 1995, 781 (Henckel). 380) BGH, Urt. v. 9.1.1997 – IX ZR 1/96, ZIP 1997, 367, dazu EWiR 1997, 899 (Henckel). 381) BGH, Beschl. v. 1.2.2007 – IX ZB 248/05, ZIP 2007, 601 = ZVI 2007, 423, dazu EWiR 2007, 439 (Göb). 382) BGH, Urt. v. 6.10.2009 – IX ZR 191/05, ZInsO 2009, 2060. 383) BGH, Urt. v. 21.3.2000 – IX ZR 138/99, ZIP 2000, 898, dazu EWiR 2000, 687 (Huber). 384) Vgl. BGH, Urt. v. 15.10.1975 – VIII ZR 62/74, DB 1976, 673. 385) BGH, Beschl. v. 5.2.2004 – IX ZR 473/00, ZIP 2004, 917 (m. Bespr. Henckel, S. 1671), dazu EWiR 2004, 771 (Höpfner), ZInsO, 2004, 499.
162
VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
lung ein. In den Anwendungsbereich von § 135 InsO fallen nur Rechtshandlungen, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens oder für eine gleichgestellte Forderung eine Sicherung oder Befriedigung gewährt. dd) Die Anfechtungstatbestände des § 135 Abs. 1, 2 InsO (1) Grundlegendes Liegen die allgemeinen Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung i. S. d. 659 § 129 InsO vor, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 135 InsO zu prüfen. § 135 InsO Gesellschafterdarlehen (1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 oder für eine gleichgestellte Forderung 1.
Sicherung gewährt hat, wenn die Handlung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, oder
2.
Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist.
(2) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens innerhalb der in Abs. 1 Nr. 2 genannten Fristen Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete; dies gilt sinngemäß für Leistungen auf Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen. (3) […] (4) […]
10 Jahre vor Antrag
1 Jahr vor Antrag
1 Jahr vor Antrag
Erfasster Zeitraum
Eröffnung
(§ 135 Abs. 1 Nr. 1)
Erfasster Zeitraum
Eröffnung
(§ 135 Abs. 1 Nr. 2)
Erfasster Zeitraum
Eröffnung
(§ 135 Abs. 2)
163
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
660 In den Anwendungsbereich von § 135 InsO fallen alle Gesellschaften, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafter haben, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (GmbH, UG [haftungsbeschränkt], AG, KGaA sowie GbR, OHG und KG als Personengesellschaften, soweit kein Vollhafter eine natürliche Person ist). Der Anwendungsbereich ist bei Genossenschaften auf solche begrenzt, bei denen keine unbeschränkte Nachschusspflicht der Genossen besteht (vgl. §§ 6 Nr. 3, 105 Abs. 1 GenG).386) Der Anwendungsbereich erstreckt sich mangels einer vermögensmäßigen Beteiligung am „Kapital“ nicht auf Vereine und Stiftungen.387) 661 § 135 InsO erfasst in Absatz 1 und Absatz 2 Rechtshandlungen, denen im Ursprung Zahlungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft zugrunde liegen. Erfasst sind nicht die Leistungen auf das statuarische Eigenkapital, sondern Geldmittel, die ein Gesellschafter dem Unternehmen darlehensweise oder in ähnlich wirtschaftlich gelagerter Form zur Verfügung gestellt hat. Die Forderungen des Gesellschafters auf Rückgewähr eines solchen Darlehens (bzw. Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen) kann der Gesellschafter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft nur im Nachrang geltend machen (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, Geltendmachung nach Maßgabe des § 39 Abs. 4, Abs. 5 InsO). 662 § 135 InsO beinhaltet insgesamt drei Anfechtungstatbestände, wobei Adressat des Anspruchs (Anfechtungsgegner) i. S. v. § 143 Abs. 1, 3 InsO stets der Gesellschafter ist. In § 135 Abs. 1 InsO sind die Voraussetzungen der Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen geregelt, die zu einer Sicherung (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO) oder Befriedigung (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) der Ansprüche des Gesellschafters gegen die Gesellschaft geführt haben. Gemäß § 135 Abs. 2 InsO sind Zahlungen an einen Gesellschaftsgläubiger gegenüber dem Gesellschafter, welcher für diese Forderung eine Sicherheit bestellt hatte, anfechtbar. Praxistipp: § 135 Abs. 3 InsO § 135 Abs. 3 InsO regelt keinen Anfechtungstatbestand, sondern eine zeitlich begrenzte Aussonderungssperre!
(2) Anfechtungstatbestand nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO 663 Nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens i. S. d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO oder für eine gleichgestellte Forderung eine Sicherung oder Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung in den letzten zehn Jahren (Sicherung) bzw. im letzten Jahr (Befriedigung) vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist. ___________ 386) Haarmeyer/Huber/Schmittmann-Schmittmann, § 135 Rn. 16. 387) Haarmeyer/Huber/Schmittmann-Schmittmann, § 135 Rn. 17 m. w. N.
164
VI. Ausgewählte Verwertungsfragen
Der Prüfungsumfang umfasst demnach zunächst die Frage, ob ein Gesell- 664 schafterdarlehen oder eine diesem wirtschaftlich gleichgestellte Forderung zugrunde lag. Abzustellen ist auf die Gesellschafterstellung im Zeitpunkt der Sicherung oder Befriedigung.388) Endet die Gesellschafterstellung innerhalb der maßgeblichen Anfechtungsfrist, ist § 135 Abs. 1 InsO anwendbar, endet sie außerhalb kommt nur eine Anfechtung nach den weiteren Tatbeständen gegen den Empfänger als Dritten in Betracht.389) Erfasst sind „reine“ Darlehen (i. S. v. §§ 488, 607 BGB). „Gleichgestellte Forde- 665 rung“ können sein: x
Darlehensforderungen von Unternehmen, die mit dem Gesellschafter horizontal oder vertikal verbunden sind,390)
x
Forderungen aus Warenlieferungen,391)
x
Stehenlassen einer Forderung oder einer Gehaltsforderung,392)
x
nicht ausgeschüttete Gewinne.393)
Von der Gesellschaft an den Gesellschafter vor Insolvenzantragstellung ge- 666 leisteten Mietzahlungen für die Überlassung eines Gegenstands stellen keine „gleichgestellten Forderungen“ i. S. d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO dar, wenn die Mietzahlungen pünktlich erfolgt sind. Eine Anfechtbarkeit nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO wird in diesem Fall verneint.394) Zu prüfen wäre in diesem Fall die Anfechtbarkeit unter den Voraussetzungen der §§ 130, 131, 133 InsO. Die Gleichstellung kann neben der vorerwähnten sachlichen auch persönlicher 667 Natur sein, wenn eine Person mit gesellschaftergleichem Vermögensinteresse oder eine Mittelsperson auf Rechnung des Gesellschafters oder mit Mitteln des Gesellschafters der Gesellschaft Kredit gewährt.395) Als Sicherung i. S. v. § 135 InsO kommt jede Sicherheitenbestellung, dem- 668 nach insbesondere Sicherungsübereignungen, Sicherungszessionen sowie Bestellung von Pfandrechten an beweglichen und unbeweglichen Gegenständen in Betracht. ___________ 388) Bork, ZIP 2012, 2277, 2278. 389) Haarmeyer/Huber/Schmittmann-Schmittmann, § 135 Rn. 20 m. w. N. 390) BGH, Urt. v. 21.2.2013 – IX ZR 32/12, ZIP 2013, 582 (m. Bespr. Preuß, S. 1145 u. Reinhard/Schützler, S. 1898), dazu EWiR 2013, 217 (Bork). 391) BGH, Urt. v. 13.7.1981 – II ZR 256/79, BGHZ 81, 252 = ZIP 1981, 974. 392) BGH, Urt. v. 26.11.1979 – II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 = ZIP 1980, 115 (m. Anm. Klasmeyer, S. 117); BGH, Urt. v. 24.3.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 = ZIP 1980, 361. 393) BGH, Urt. v. 26.11.1979 – II ZR 104/77, BGHZ 75, 334 = ZIP 1980, 115 (m. Anm. Klasmeyer, S. 117). 394) So OLG Schleswig, Urt. v. 13.1.2012 – 4 U 57/11, ZIP 2012, 885 = ZInsO 2012, 1678, dazu EWiR 2012, 321 (Lutz). 395) Haarmeyer/Huber/Schmittmann-Schmittmann, § 135 Rn. 26 f. m. w. N.
165
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
669 Eine Befriedigung i. S. v. § 135 InsO ist jede Form des Erlöschens. Der sog. „Bargeschäftseinwand“ ist dem Gesellschafter auch für die pünktliche Rückzahlung fälliger Darlehensraten verwehrt.396) (3) Anfechtungstatbestand nach § 135 Abs. 2 InsO 670 In den Anwendungsbereich von § 135 Abs. 2 InsO fallen Darlehensforderungen oder gleichgestellte Forderungen eines Dritten, dessen Forderungen durch einen Gesellschafter oder einen diesem gleichgestellten Dritten abgesichert worden sind.397) Wird über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, kann der Dritte nur insoweit Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen, wie er bei der Inanspruchnahme der Sicherheit oder des Bürgen ausgefallen ist (gemäß § 44a InsO).398) 671 Der Anfechtungsgrund i. S. v. § 135 Abs. 2 InsO liegt im Freiwerden des Gesellschafters aus der von ihm gestellten Sicherheit durch die Leistung der Gesellschaft. Sicherheiten i. S. d. § 135 Abs. 2 InsO sind neben der Bürgschaft auch Grundpfandrechte,399) Mobiliarsicherheiten und sonstige Personalsicherheiten (insbesondere „harte“ Patronatserklärung,400) Schuldbeitritt401)). 672 Anfechtungsgegner ist in Anbetracht des Anfechtungsgrundes der Befreiung von der Sicherheit der Gesellschafter. Der Anfechtungsanspruch besteht gemäß §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 1, 3 InsO in der Höhe, in der die Befreiung von der Sicherheit durch die Rückzahlung der Gesellschaftsschuld herbeigeführt wird. 673 Wird die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters gesicherte Forderung eines Darlehensgläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt, ist der Gesellschafter zur Erstattung des an den Gläubiger ausgekehrten Betrages zur Insolvenzmasse verpflichtet. 674 Im Sonderfall der Doppelbesicherung eines Darlehensgläubigers durch das Gesellschaftsvermögen (z. B. Sicherungsübereignung) und durch das Gesellschaftervermögen (z. B. Bürgschaft) ist der Gesellschafter zur Erstattung des an den Gläubiger ausgekehrten Betrages zur Insolvenzmasse verpflichtet, wenn der Darlehensgläubiger nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit befriedigt wird.402) Die Erstattungspflicht ergibt sich aus § 143 ___________ 396) 397) 398) 399) 400) 401)
So OLG Celle, Beschl. v. 8.10.2012 – 13 U 95/12, ZIP 2012, 2114 = ZInsO 2012, 2050. Haarmeyer/Huber/Schmittmann- Schmittmann, § 135 Rn. 32. OLG Stuttgart, Urt. v. 26.9.2012 – 9 U 65/12, ZInsO 2012, 2051. BGH, Urt. v. 27.11.1989 – II ZR 310/88, ZIP 1990, 95, dazu EWiR 1990, 61 (Kort). OLG Celle, Urt. v. 18.6.2008 – 9 U 14/08, ZIP 2008, 2416. OLG München, Urt. v. 22.3.2006 – 7 U 5152/05, ZIP 2006, 1350 (LS) = GmbHR 2006, 814. 402) BGH, Urt. v. 1.12.2011 – IX ZR 11/11, ZIP 2011, 2417.
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VII. Verfahrenskosten, sonstige Masseverbindlichkeiten
Abs. 1, 3 InsO analog, auch wenn der Anfechtungstatbestand (Freiwerden) entgegen dem Wortlaut der Norm erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft durch Verwertung der Gesellschaftssicherheit erfüllt wird. VII. Verfahrenskosten, sonstige Masseverbindlichkeiten und die Folgen von Massearmut und Masseunzulänglichkeit 1. Verfahrenskosten (§§ 53, 54 InsO) Die Kosten des Insolvenzverfahrens sind vorab aus der Masse zu befriedigen 675 (§ 53 InsO). Stellt sich bereits im Eröffnungsverfahren heraus, dass eine verfahrenskostendeckende Masse nicht vorhanden ist, wird der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen (§ 26 InsO). Stellt der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fest, dass die zunächst (als kostendeckend) prognostizierten Verwertungserlöse wider Erwarten nicht erzielt werden können und reicht die erzielbare Insolvenzmasse nicht aus, um die Verfahrenskosten zu decken, muss das Verfahren gemäß § 207 InsO mangels Masse eingestellt werden. Neben den Verfahrenskosten sind auch die sonstigen Masseverbindlichkeiten 676 (§ 55 InsO, ĺ Rn. 717 ff.) zu bedienen. Reicht die Masse zwar zur Kostendeckung, jedoch darüber hinaus nicht aus, um auch die sonstigen Masseverbindlichkeiten zu decken, liegt Masseunzulänglichkeit vor. In diesem Fall sind – entsprechend der Rangfolge des § 209 InsO – vorrangig die Verfahrenskosten zu befriedigen. Zu den Verfahrenskosten zählen gemäß § 54 Nr. 1 InsO die Gerichtskosten 677 (ĺ Rn. 679 ff.). Diese werden vom Insolvenzgericht berechnet und erhoben. Der Insolvenzverwalter muss während der gesamten Verfahrensabwicklung jedoch stets die Frage der Verfahrenskostendeckung prüfen, um ggf. zeitnah Masseunzulänglichkeit anzeigen bzw. eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 207 InsO anregen zu können. Daher muss auch der Insolvenzverwalter die Berechnung der Gerichtskosten beherrschen. Neben den Gerichtskosten zählen auch die Vergütung und Auslagen des vor- 678 läufigen Verwalters (ĺ Rn. 690 ff.), des Insolvenzverwalters (ĺ Rn. 704 ff.), des Sachwalters (ĺ Rn. 710 ff.) und der Mitglieder des Gläubigerausschusses (ĺ Rn. 716 ff.) zu den Verfahrenskosten (§ 54 Nr. 2 InsO). a) Gerichtskosten Zu den Verfahrenskosten zählen zunächst die Gerichtskosten (§ 1 Abs. 1 679 GKG): x
Gebühren für das Verfahren über den Eröffnungsantrag (Nr. 2310, 2311 GKG KV)
167
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
680 Im Antragsverfahren entsteht eine halbe Gebühr (Eigenantrag Nr. 2310 KV, Fremdantrag Nr. 2311 KV). Die Berechnung erfolgt nach dem Wert der Insolvenzmasse im Zeitpunkt der Beendigung des Antragsverfahrens ohne Berücksichtigung von Absonderungsrechten. Die Berechnungsgrundlage bei einem Fremdantrag beträgt höchstens den Nominalwert der vom Gläubiger verfolgten Forderung, mindestens jedoch 180 € (Nr. 2311 KV). 681 Mehrere Insolvenzanträge über das Vermögen ein und derselben Gesellschaft werden als jeweils selbständige Antragsverfahren geführt, die jeweils eigenständig die Verfahrensgebühren auslösen. Mit Eröffnung erfolgt regelmäßig die Verbindung aller zulässigen Anträge (§ 4 InsO i. V. m. § 147 ZPO). Zu den Verfahrenskosten zählt nur die Gebühr, die durch den zur Eröffnung führenden Antrag ausgelöst wurde. x
Gebühren für die Durchführung des Verfahrens (Nr. 2320 ff., 2330 ff. GKG KV)
682 Für die Durchführung des Insolvenzverfahrens fallen bei einem Schuldnerantrag Gerichtskosten in Höhe von 2,5 Gebühren (Nr. 2320 KV) und bei einem Gläubigerantrag 3 Gebühren (Nr. 2330 KV) an. Eine Anrechnung der Gebühren des Antragsverfahrens erfolgt nicht. 683 Die Berechnungsgrundlage für die Gerichtskosten ist der Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens (inkl. des Neuerwerbs), jedoch ohne Berücksichtigung von Absonderungsrechten (§ 58 Abs. 1 GKG). 684 Bei einer vorzeitigen Beendigung des Verfahrens reduzieren sich die Gebühren in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Beendigung in unterschiedlicher Höhe. 685 Meldet ein Gläubiger seine Forderung(en) verspätet an, hat er für einen nachträglichen Prüfungstermin einen Kostenaufwand in Höhe von derzeit 20 € in Kauf zu nehmen (Nr. 2340 GKG KV). Diese Kosten sind nicht Bestandteil der Verfahrenskosten und werden gegenüber dem jeweiligen Anmeldenden erhoben. x
Auslagen des Gerichts (Nr. 9000 ff. GKG KV)
686 Zu Auslagen zählen insbesondere die Zustellungs- und Bekanntmachungskosten (Nr. 9002, 9004 KV), die Kosten einer Vorführung des Schuldnervertreters (Nr. 9006 KV) und die Kosten des Sachverständigen (Nr. 9005 KV). b) Vergütung des Sachverständigen 687 Der im Antragsverfahren mit der Gutachtenerstellung beauftragte Sachverständige ist gesondert nach dem JVEG zu entschädigen. Eine Eingliederung erfolgt in der Regel in Honorargruppe 7 oder 8 (§ 9 JVEG), wobei die Höhe des Stundensatzes von Insolvenzgericht zu Insolvenzgericht unterschiedlich sein kann. Die Stundensätze bewegen sich regelmäßig durchschnittlich zwischen 60 € und 95 €.
168
VII. Verfahrenskosten, sonstige Masseverbindlichkeiten
Wird der Sachverständige im Eröffnungsverfahren parallel auch zum vorläu- 688 figen Insolvenzverwalter bestellt, sind beide Tätigkeiten gesondert zu vergüten. Wird eine Tätigkeit als isolierter Sachverständiger entfaltet, ohne auch zum 689 vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden zu sein, ist die Vergütung höher als bei einem Sachverständigen, der gleichzeitig als vorläufiger Insolvenzverwalter tätig wird. c) Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters Der vorläufige Insolvenzverwalter hat gemäß § 63 Abs. 3 InsO, § 11 InsVV 690 einen eigenständigen Vergütungsanspruch. Dieser Anspruch besteht ungeachtet einer eventuellen Personenidentität mit dem nach Eröffnung des Verfahrens bestellten Insolvenzverwalter.403) Der Anspruch wird mit Beendigung der Tätigkeit als vorläufiger Insolvenz- 691 verwalter fällig, demnach mit der Verfahrenseröffnung, der Ablehnung der Eröffnung, der Verfahrensaufhebung, der Entlassung des vorläufigen Insolvenzverwalters und mit dessen Tod. Nicht festgesetzte Ansprüche verjähren in drei Jahren (§ 195 BGB). Die Ver- 692 jährungsfrist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch auf Vergütung entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Verjährung des Vergütungsanspruchs des vorläufigen Insolvenzverwalters ist gehemmt bis zum Abschluss des eröffneten Insolvenzverfahrens.404) Rechtskräftig festgesetzte Vergütungsansprüche unterliegen der 30-jährigen Verjährung (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Der vorläufige Insolvenzverwalter erhält in der Regel 25 % der Vergütung des 693 Insolvenzverwalters bezogen auf das Vermögen, auf das sich seine Tätigkeit während des Eröffnungsverfahrens erstreckt (§ 63 Abs. 3 Satz 2 InsO). Maßgebend für die Wertermittlung ist der Zeitpunkt der Beendigung der vorläufigen Verwaltung oder der Zeitpunkt, ab dem der Gegenstand nicht mehr der vorläufigen Verwaltung unterliegt. Die Regelvergütung ergibt sich daher aus der Staffelvergütung des § 2 InsVV, die wiederum auf der Basis der Berechnungsgrundlage des § 1 InsVV ermittelt wird. § 2 Abs. 1 InsVV (1) Der Insolvenzverwalter erhält in der Regel 1.
von den ersten 25.000 Euro der Insolvenzmasse 40 vom Hundert,
2.
von dem Mehrbetrag bis zu 50.000 Euro 25 vom Hundert,
3.
von dem Mehrbetrag bis zu 250.000 Euro 7 vom Hundert,
___________ 403) BGH, Beschl. v. 14.12.2000 – IX ZB 105/00, ZIP 2001, 296 (m. Bespr. Keller, S. 1749). 404) BGH, Beschl. v. 22.9.2010 – IX ZB 195/09, ZIP 2010, 2160 = ZVI 2011, 66 = NZI 2010, 977, dazu EWiR 2011, 25 (Blersch).
169
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren 4.
von dem Mehrbetrag bis zu 500.000 Euro 3 vom Hundert,
5.
von dem Mehrbetrag bis zu 25.000.000 Euro 2 vom Hundert,
6.
von dem Mehrbetrag bis zu 50.000.000 Euro 1 vom Hundert,
7.
von dem darüber hinausgehenden Betrag 0,5 vom Hundert.
694 Absonderungsrechte sind bei Ermittlung der Berechnungsgrundlage nur zu berücksichtigen, wenn sich der vorläufige Verwalter in erheblichem Umfang, d. h. über das übliche Maß hinaus mit ihnen befasst hat (§ 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV). Die Befassung in erheblichem Umfang ist fallbezogen in dem Vergütungsantrag darzulegen. Bestenfalls finden sich die dortigen Ausführungen inhaltlich auch im Berichtswesen wieder. 695 Die Vergütung des vorläufigen Verwalters ist zu- und abschlagsfähig (§ 10 InsVV i. V. m. § 3 InsVV). Zuschläge erhöhen den Regelbruchteil (25 %) um den Prozentsatz, der als Zuschlag gewährt wird.405) Der zuzuschlagende Prozentsatz ist dabei ebenfalls ausgehend von der fiktiven Mindestvergütung des endgültigen Verwalters zu bestimmen.406) Beispiel: 25 % von 350.000 €
=
87.500 €
=
35.000 €
=
122.500 €
Zuschlag: 10 % von 350.000 € Vergütung: 25 % + Zuschlag 10 % = 35 % von 350.000 €
696 Soweit in § 3 InsVV Zuschlagstatbestände angeführt sind, sind diese nicht abschließend. Zahlreiche weitere Kriterien wurden durch die Rechtsprechung entwickelt, die sich in sog. „Faustregeltabellen“ als „Zusammenfassung“ finden. Diese Tabellen können in der Praxis der Vergütungsfestsetzung als Anhaltspunkte herangezogen werden, um sodann eine individualisierte Vergütungsfestsetzung zu erarbeiten. Eine schematische Betrachtung bietet sich nicht an.407) Problemaufriss 697 Vor Inkrafttreten des § 63 Abs. 3 InsO wurden die Abgrenzungskriterien im Verhältnis zu einem „Normalverfahren“ zu § 2 InsVV – demnach gesetzessystematisch zur Regelvergütung des Insolvenzverwalters – entwickelt. Die Zu- und Abschlagskriterien, die für die Regelvergütung des Insolvenzverwal___________ 405) BGH, Beschl. v. 12.1.2006 – IX ZB 127/04, ZIP 2006, 672 (m. Anm. Prasser, S. 675) = ZVI 2006, 165. 406) BGH, Beschl. v. 27.9.2012 – IX ZB 243/11, ZInsO 2013, 840. 407) BGH, Beschl. v. 24.7.2003 – IX ZB 607/02, ZIP 2003, 1757 = NZI 2003, 603, dazu EWiR 2003, 1043 (Rendels).
170
VII. Verfahrenskosten, sonstige Masseverbindlichkeiten
ters galten, wurden auf die Vergütungsfestsetzung für die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters entsprechend angewendet. Begründet wurde dies mit der in § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV i. d. F. bis zum 18.7.2013408) verankerten ausdrücklichen Bezugnahme auf § 2 Abs. 1 InsVV. In § 63 InsO und in § 11 InsVV, jeweils i. d. F. ab dem 19.7.2013409), fehlt es 698 jedoch an einer entsprechenden Verweisung. Ob die bis dahin im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten Kriterien (dennoch) weiterhin Anwendung finden, ist derzeit unklar. Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung verbleibt insoweit abzuwarten. Eine Grundlage für die – weiterhin – entsprechende Anwendung könnte insoweit § 10 InsVV bieten, der als Generalverweisung auch die §§ 2, 3 InsVV mit erfasst. Jedenfalls ergeben sich aus den §§ 11 ff. InsVV keine Anhaltspunkte für die Nicht-Anwendbarkeit auch der Regelungen zu den Zu- und Abschlagsfaktoren. Rechtsprechung zur Neufassung der Vergütungsvorschriften existiert, soweit ersichtlich, bislang aber noch nicht. Haarmeyer/Mock sprechen sich dafür aus, dass quantitative Zuschläge fak- 699 tisch ausgeschlossen seien, da die als Berechnungsgrundlage heranzuziehende „Gesamtvermögensmasse“ der Unternehmensstruktur bereits Rechnung trage.410) Erhöhungen seien indes nur darstellbar über eine „Variierung des Regelsatzes“.411) Für qualitativ bedingte Zuschlagskriterien bleibe insoweit Raum, als Erschwer- 700 nisse auf die Tätigkeit des vorläufigen Verwalters erheblich belastende Auswirkungen hatten und denen insoweit nicht bereits Rechnung getragen werde über eine hohe/höherer Berechnungsgrundlage.412) Ob sich diese Ansicht durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls aber ist die Zuschlagsfähigkeit vom Verwalter einzelfallbezogen und konkret vorzutragen. Die Mindestvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters beträgt in Ab- 701 hängigkeit von der Gläubigeranzahl mindestens 1000 € und erhöht sich von 11 bis zu 30 Gläubigern für je angefangene 5 Gläubiger um 150 € bzw. ab 31 Gläubigern je angefangene 5 Gläubiger um 100 €. Hinsichtlich der Vergütung des vorläufigen Verwalters sind alle Gläubiger, denen nach den Unterlagen des Schuldners die Forderung zusteht und mit deren Anmeldung zu rechnen ist, da Anmeldegläubiger in dem Verfahrensabschnitt noch nicht existieren.413) ___________ 408) Siehe: Art. 5 Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I S. 2379 m. W. v. 19. Juli 2013. 409) Siehe: Art. 5 Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte v. 15.7.2013, BGBl. I S. 2379 m. W. v. 19. Juli 2013. 410) Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 11 Rn. 42 ff. 411) Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 11 Rn. 43, 104 ff. 412) Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 11 Rn. 108. 413) BGH, Beschl. v. 4.2.2010 – IX ZB 129/08, ZIP 2010, 486 = ZVI 2010, 357 = ZInsO 2010, 493, dazu EWiR 2010, 399 (Blersch).
171
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
702 Der vorläufige Verwalter hat Anspruch auf Ersatz angemessener Auslagen (§ 10 InsVV i. V. m. § 8 Abs. 3 InsVV). Bei Übertragung des Zustellwesens sind diese Auslagen besonders zu erstatten.414) 703 Für den Fall der Abweisung oder Rücknahme eines Antrags ist zu beachten, dass die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht zu den Verfahrenskosten zählt, also nicht vom Antragsteller zu tragen ist.415) d) Die Vergütung des Insolvenzverwalters 704 Der Insolvenzverwalter hat gemäß § 63 Abs. 1 InsO Anspruch auf eine angemessene Vergütung, die durch das Insolvenzgericht auf Antrag festgesetzt wird (§ 64 InsO). 705 Die sog. „Regelvergütung mit dem Maßstab eines durchschnittlichen Insolvenzverfahrens ist eine vom Wert der Insolvenzmasse abhängige Vergütung. Diese ist als degressive Staffelvergütung ausgestaltet (§ 2 InsVV). Mit steigender Höhe der Insolvenzmasse verringert sich der prozentual bemessene Vergütungsanteil von 40 % bis auf 0,5 %. 706 Als Berechnungsgrundlage ist die Insolvenzmasse heranzuziehen, die sich aus der Schlussrechnung des Verwalters ergibt (§ 1 InsVV). Aus- und Absonderungsrechte werden in Höhe des Wertes einbezogen, mit dem sie abgefunden wurden, und vom Sachwert der Gegenstände abgezogen, auf die sich diese Rechte erstreckten (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 InsVV). Soweit Massegegenstände mit Absonderungsrechten belastet sind, werden diese gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV berücksichtigt, wenn sie durch den Verwalter verwertet werden. Der Mehrbetrag der Vergütung, der auf diese Gegenstände entfällt, darf jedoch 50 % des Betrages nicht übersteigen, der für die Kosten ihrer Feststellung in die Masse geflossen ist. Im Übrigen werden die mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände nur insoweit berücksichtigt, als aus ihnen der Masse ein Überschuss zusteht. 707 In Abhängigkeit vom Umfang der entfalteten Tätigkeit kann – stets einzelfallbezogen individualisiert – Zu- oder Abschlag gewährt werden (§ 3 InsVV). Neben den in § 3 InsVV aufgeführten Kriterien wurden zahlreiche weitere im Wege der Rechtsfortbildung definiert, die bei der Beantragung der Vergütungsfestsetzung als Anhaltspunkte herangezogen werden können. Eine verfahrensspezifische Argumentation ist in jedem Fall vorzunehmen. Hinsichtlich der Besonderheiten darf auf die einschlägige Fachliteratur zum Thema „Vergütung“ verwiesen werden. 708 Bei einem nur geringen Umfang der verwalteten Masse, kann der Insolvenzverwalter eine Mindestvergütung beantragen, die sich nach der Kopfzahl der anmeldenden Gläubiger (§ 2 Abs. 2 InsVV) richtet. In Abhängigkeit von der ___________ 414) BGH, Beschl. v. 21.12.2006 – IX ZB 129/05, NZI 2007, 244. 415) BGH, Beschl. v. 26.1.2006 – IX ZB 231/04, ZIP 2006, 431 = NZI 2006, 239.
172
VII. Verfahrenskosten, sonstige Masseverbindlichkeiten
Anzahl der Anmeldenden beträgt die Mindestvergütung 1000 € und erhöht sich von 11 bis zu 30 Gläubigern für je angefangene 5 Gläubiger um 150 € bzw. ab 31 Gläubiger je angefangene 5 Gläubiger um 100 €. Die Zahl der angemeldeten Forderungen ist insoweit unerheblich. Ist dem Insolvenzverwalter das Zustellwesen übertragen (vgl. § 8 Abs. 3 InsO), 709 können die hierfür entstandenen Auslagen zusätzlich zu den Auslagen/der Auslagenpauschale (§ 8 InsVV) in Ansatz gebracht werden. e) Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters und des Sachwalters aa) Vergütung des Sachwalters Die Vergütung des Sachwalters im eröffneten Verfahren beträgt in der Regel 710 60 % der Vergütung des Insolvenzverwalters (§ 12 Abs. 1 InsVV, § 2 Abs. 1 InsVV). Die Vergütung bestimmt sich demnach nach dem Wert der Insolvenzmasse 711 z. Zt. der Schlussrechnung (Berechnungsgrundlage). §§ 10 Abs. 1, 1 Abs. 2 InsVV ist dagegen nicht anwendbar, da die Verwertung nicht zu den Aufgaben eines Sachwalters gehört.416) Unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 InsVV, demnach wenn das In- 712 solvenzgericht gemäß § 277 Abs. 1 InsO angeordnet hat, dass bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners nur mit Zustimmung des Sachwalters wirksam sind, ist die Vergütung eines Zuschlags fähig. Zuschläge gemäß §§ 10 Abs. 1, 3 InsVV sind dagegen nur bei einer Tätigkeitsentfaltung möglich, die in massiv erhöhtem Ausmaß anfällt.417) Wird ein Zu- oder auch Abschlag gewährt, bezieht sich dieser stets auf den 60 %igen Bruchteil der Vergütung.418) bb) Vergütung des vorläufigen Sachwalters Die Vergütung des vorläufigen Sachwalters ist gesetzlich weder in der Insol- 713 venzordnung (InsO) noch in der insolvenzrechtlichen Vergütungsordnung (InsVV) geregelt. Mit der wohl zwischenzeitlich überwiegenden Meinung ist davon auszugehen, 714 dass die Vergütung des vorläufigen Sachwalters 25 % der 60 %igen Regelvergütung beträgt.419) Eine gesetzliche Grundlage wäre wünschenswert und dringend angezeigt. ___________ 416) 417) 418) 419)
Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 12 Rn. 5. Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 12 Rn. 8. Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 12 Rn. 12. LG Bonn, Beschl. v. 11.10.2013 – 6 T 184/13, ZIP 2014, 694; AG Essen, Beschl. v. 17.1.2014 – 164 IN 135/13, NZI 2014, 271 = ZIP 2014, 839 (Ls.); AG Köln, Beschl. v. 13.11.2012 – 71 IN 109/12, ZIP 2013, 426; Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 12 Rn. 21 m. w. N.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
715 Berechnungsgrundlage ist das z. Zt. der Beendigung der vorläufigen Sachwaltung vorhandene Schuldnervermögen; Aus- und Absonderungsrechte fließen nicht mit ein.420) Auch eine Zuschlagsfähigkeit wird überwiegend abgelehnt.421) f) Die Vergütung der Mitglieder des Gläubigerausschusses 716 Die Mitglieder des Gläubigerausschusses erhalten für ihre Tätigkeit eine Vergütung (§ 73 InsO, §§ 17, 18 InsVV). Die Honorierung des Zeitaufwands und des Tätigkeitsumfangs erfolgt in Form von Stundensätzen in Höhe von regelmäßig zwischen 35 € und 95 € je Stunde. Dies gilt über § 21 Abs. 2 Ziff. 1a InsO auch für Mitglieder im vorläufigen Gläubigerausschuss. 2. Sonstige Masseverbindlichkeiten 717 Zu den sonstigen Masseverbindlichkeiten zählen neben den in § 55 InsO angeführten Positionen auch folgende, aus der Masse zu regulierende Forderungen: x
Unterhaltsansprüche (§§ 100, 101 InsO),
x
Notgeschäftsführung (§§ 115, 118 InsO),
x
Verbindlichkeiten aus einem Sozialplan (§ 123 Abs. 2 Satz 1 InsO),
x
Kosten des Antragstellers bei Betriebsveräußerung unter Wert (§ 163 Abs. 2 InsO),
x
Zinsansprüche absonderungsberechtigter Gläubiger (§ 169 InsO),
x
Ausgleichsansprüche der Gesellschafter (§ 135 Abs. 3 Satz 2 InsO),
x
Wertverlustausgleichsanspruch bei der Weiternutzung von Absonderungsgut (§ 172 InsO),
x
Kosten eines Feststellungsrechtsstreits (§ 183 Abs. 3 InsO),
x
Verschiedene Ansprüche bei Nachlassinsolvenzen (§ 324 InsO).
718 Masseverbindlichkeiten resultieren aus nach Eröffnung vorgenommenen Handlungen des Insolvenzverwalters (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 InsO) sowie die in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung begründeten Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 InsO), insbesondere solche Verbindlichkeiten, die aufgrund gesetzlicher Regelungen zulasten der Masse werden (oktroyierte Verbindlichkeiten). 719 Zu beachten ist beim Einzug von Forderungen durch den Insolvenzverwalter für vor Insolvenzeröffnung erbrachte Leistungen, dass die Entgeltvereinnahmung nicht nur bei der Ist-, sondern auch bei der Sollbesteuerung eine ___________ 420) Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 12 Rn. 21 m. w. N. 421) Haarmeyer/Mock, Insolvenzrechtliche Vergütung (InsVV), § 12 Rn. 21 m. w. N.
174
VII. Verfahrenskosten, sonstige Masseverbindlichkeiten
Masseverbindlichkeit (Umsatzsteuerforderung) begründet.422) Die BFHRechtsprechung vom 9.12.2010 erhebt damit eine grundsätzlich als Insolvenzforderung einzuordnende Forderung in den Rang einer Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Bei der Verwertung eines Grundstücks erhält der Verwalter statt der Kosten- 720 pauschale (§§ 170, 171 InsO sind nicht anwendbar) regelmäßig einen frei ausgehandelten Kostenbeitrag. Die Verwertung erfolgt – folgt man dem BFH und dem BMF – aufgrund einer Geschäftsbesorgungsvereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem absonderungsberechtigten Grundpfandrechtsgläubiger. Der Insolvenzverwalter erbringt damit eine steuerbare Leistung mit der Folge, dass auf die Massekostenbeiträge Umsatzsteuer zu erheben und im Rang einer Masseverbindlichkeit abzuführen ist.423) Gleiches gilt für die Durchführung der „kalten“ Zwangsverwaltung; auch hier ist der Kostenbeitrag steuerbar.424) Verwertet der Verwalter bewegliches Absonderungsgut im Namen der Masse, 721 nimmt das BMF einen sog. „Dreifachumsatz“ an. Der Dreifachumsatz425) lässt sich wie folgt darstellen: x
Lieferung Masse an Sicherungsnehmer
x
Lieferung Sicherungsnehmer an Masse
x
Lieferung Masse an Erwerber
722
Erforderlich sind daher die Ausstellung einer Rechnung der Masse an den 723 Absonderungsberechtigten sowie eine gleichlautende Gutschrift. Beispiel: Abrechnung gegenüber dem Absonderungsberechtigten426) 23.800,00
Brutto-Verwertungserlös
./. 3.800,00
an die Masse zu zahlende Umsatzsteuer gemäß § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO
./. 952,00
4 % Feststellungskostenbeitrag
___________ 422) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 (m. Bespr. Schmittmann, S. 1125 u. Welte/Friedrich-Vache, S. 1595), BStBl II 2011 S. 996 sowie hierzu BMF-Schreiben v. 20.5.2015 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2015/0416027), z. Zt. des Redaktionsschlusses noch keine Veröffentlichung im BStBl. 423) UStAE Abschn. 1.2 Abs. 4 Satz 2, 3 n. F. = BFH, Urt. v. 18.8.2005, V R 31/04, ZIP 2005, 2119 = BStBl. II 2007, 183; BMF-Schreiben v. 30.4.2014, IV D 2 – S 7100/ 07/10037 DOK 2014/0332437, NZI 2014, 600. 424) UStAE Abschn. 1.2 Abs. 4 Satz 4 n. F.) = BFH, Urt. v. 28.7.2011, V R 28/09. ZInsO 2011, 1904 = BStBl. II 2014, 406; BMF-Schreiben v. 30.4.2014, IV D 2 – S 7100/ 07/10037 DOK 2014/0332437, NZI 2014, 600. 425) Statt bisher Einfachumsatz: Masse an Erwerber. 426) Beispiel entnommen aus BMF-Schreiben v. 30.4.2014, IV D 2 – S 7100/07/10037 DOK 2014/0332437, NZI 2014, 600.
175
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
./. 1.000,00
tatsächliche Verwertungskosten
= 18.048,00
Schuldentilgung bei Sicherungsnehmer
3.429,12
19 % USt.
21.477,12
Brutto-Entgelt
724 Der Sicherungsnehmer erhält also denselben Betrag wie vorher, nur, dass eine zusätzliche Rechnung plus eine Gutschrift erforderlich werden (Papierkram). In dem Fall wird also vom BMF keine (isolierte) Erhebung von Umsatzsteuer (nur) auf den gesetzlichen Verwertungskostenbeitrag angenommen.427) 725 Masseverbindlichkeiten ergeben sich auch aus gegenseitigen Verträgen (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung gegenseitiger Verträge (§§ 103 ff. InsO) oder ist gesetzlich vorgeschrieben, dass Verträge nach Eröffnung (ggf. für eine bestimmte Zeit) bestehen bleiben (vgl. z. B. zum Mietverhältnis § 109 Abs. 1 InsO), sind die daraus resultierenden Verpflichtungen aus der Masse zu erfüllen. 726 Auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) sind aus der Masse zu begleichen (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO) 727 Verbindlichkeiten, die der starke vorläufige Verwalter im Antragsverfahren begründet, werden mit Eröffnung gesetzlich zu einer Masseverbindlichkeit aufgewertet (§ 55 Abs. 2 InsO). Wurde ein schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, können durch ihn nur Masseverbindlichkeiten begründet werden, wenn das Gericht eine dahingehende einzelfallbezogene Einzelermächtigung ausgesprochen hat (Ausn. § 55 Abs. 4 InsO). Das Insolvenzgericht kann den vorläufigen Insolvenzverwalter ohne begleitendes allgemeines Verfügungsverbot ermächtigen, einzelne, im Voraus genau festgelegte Verpflichtungen zulasten der späteren Insolvenzmasse einzugehen.428) 728 In § 55 Abs. 4 InsO findet sich ein weiteres, neben der BFH-Rechtsprechung existierendes „Fiskusprivileg“, wonach Verbindlichkeiten des Insolvenzverwalters aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit gelten. Dies gilt für Verfahren, die ab dem 1.1.2011 beantragt wurden/werden.429) Nach einer ersten, hierzu ergangenen obergerichtlichen Entscheidung ist für die Frage, ob Masseverbindlichkeiten i. S. d. § 55 Abs. 4 InsO begründet wurden, auf die Entgeltvereinnahmung durch ___________ 427) Entgegen BFH, Urt. v. 28.7.2011, V R 28/09, ZInsO 2011, 1904 = BStBl. II 2014, 406 (ergänzendes obiter dictum). 428) BGH, Beschl. v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 (m. Bespr. Prütting/ Stickelbrock, S. 1608) = ZVI 2002, 250. 429) BMF-Schreiben v. 20.5.2015 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2015/0416027), z. Zt. des Redaktionsschlusses noch keine Veröffentlichung im BStBl.
176
VII. Verfahrenskosten, sonstige Masseverbindlichkeiten
den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt, nicht auf die Leistungserbringung (im vorläufigen Verfahren) abzustellen. Das BMF hat in seinem Schreiben vom 20.5.2015 die BFH-Entscheidung vom 24.9.2014 in der Sache bestätigt und die sofortige Anwendbarkeit angeordnet.430) Voraussetzung sei ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt (vorläufiger „schwacher“ Insolvenzverwalter), dem die Einzugsermächtigung (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 3 InsO) erteilt wurde. Es erfolgt eine Trennung zwischen Leistungserbringung (Schuldner) und Entgeltvereinnahmung (vorläufiger Insolvenzverwalter) mit der Folge, dass noch ausstehende Entgelte für die Zeit vor Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung mit Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters uneinbringlich werden (ĺ 1. Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG). Bei der Vereinnahmung noch ausstehender Entgelte für die Zeit vor Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter wird (mit Eröffnung) Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 4 InsO begründet (ĺ 2. Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG). Vereinnahmt nicht der vorläufige Insolvenzverwalter, sondern der Insolvenzverwalter nach Eröffnung die Forderung, begründet diese Vereinnahmung Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (ĺ 2. Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG).431) Bei Vereinnahmung von Entgelten für Leistungen, die während des vorläufi- 729 gen Insolvenzverfahrens erbracht wurden, wird durch den vorläufigen Insolvenzverwalter (mit Eröffnung) eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 4 InsO begründet (ĺ keine Berichtigung). Vereinnahmt indes erst der Insolvenzverwalter nach Eröffnung diese Entgelte, tritt mit Eröffnung zunächst Uneinbringlichkeit (ĺ 1. Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG) und mit Vereinnahmung durch den Insolvenzverwalter wieder Einbringlichkeit ein, sodass eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO begründet wird (ĺ 2. Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 UStG). 3. Massearmut Eine Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfolgt nur bei Deckung der Ver- 730 fahrenskosten. Stellt sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens heraus, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um diese Kosten des Verfahrens zu decken, ist Massearmut eingetreten. Das Insolvenzgericht stellt das Verfahren nach § 207 InsO ein. Die Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen Massearmut erfolgt von Amts wegen durch das Insolvenzgericht, das die Ausführungen des Verwalters zur Massearmut überprüft. Das Tätigwerden von ___________ 430) BMF-Schreiben v. 20.5.2015 – IV A 3 – S 0550/10/10020-05 (2015/0416027), z. Zt. des Redaktionsschlusses noch keine Veröffentlichung im BStBl. 431) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 (m. Bespr. Schmittmann, S. 1125 u. Welte/Friedrich-Vache, S. 1595), BStBl II 2011 S. 996.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
Amts wegen macht eine Schlussrechnungslegung des Insolvenzverwalters nicht obsolet. In der Praxis erfährt das Gericht erst durch die regelmäßigen Berichte des Insolvenzverwalters vom Liquiditätsstand im jeweiligen Verfahren. Das Insolvenzgericht wird daher meist aufgrund einer entsprechenden Berichterstattung durch den Insolvenzverwalter (inkl. Rechnungslegung) tätig, der die Situation naturgemäß früher erkennt und im Rahmen des Berichts i. a. R. eine Einstellung gemäß § 207 InsO anregen wird. 4. Masseunzulänglichkeit 731 In Abgrenzung zur Massearmut liegt Masseunzulänglichkeit vor, wenn zwar die Kosten des Verfahrens, nicht aber die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten gedeckt sind (§ 208 InsO). Das Vorliegen der Masseunzulänglichkeit muss der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht anzeigen. Die Beurteilung, ob eine Masseunzulänglichkeit bereits eingetreten ist oder einzutreten droht, obliegt dem Insolvenzverwalter. 732 Je nach Verfahrensstadium basiert die Feststellung der (drohenden) Masseunzulänglichkeit auf prognostischen Werten über die noch zu realisierende freie Masse, die zusammen mit der bereits erlösten Masse höher sein muss als die gesamten Massekosten zzgl. der sonstigen Masseverbindlichkeiten. Ist die Masse kleiner, liegt Masseunzulänglichkeit vor. Praxistipp: Masseunzulänglichkeit Masseunzulänglichkeit = (Erlöste Masse + zu realisierende freie Masse) < (Massekosten + sonstige Masseverbindlichkeiten)
733 Das Insolvenzgericht hat die Anzeige der Masseunzulänglichkeit öffentlich bekanntzumachen (§ 208 Abs. 2 InsO). Die Anzeige ist darüber hinaus sämtlichen Massegläubigern gemäß § 208 Abs. 2 Satz 2 InsO gesondert zuzustellen. Die Zustellung wird in der Regel dem Insolvenzverwalter übertragen. Dadurch erhalten die Gläubiger frühzeitig Informationen darüber, dass die Masseverbindlichkeiten nicht vollständig beglichen werden können. In Anbetracht der Befriedigungsreihenfolge bei Masseunzulänglichkeit können die Gläubiger nach dem aktuellen Stand des Verfahrens sodann nicht mit einer Befriedigung der zur Insolvenztabelle angemeldeten Insolvenzforderungen rechnen. Praxistipp: Befriedigungsreihenfolge § 209 InsO 1. Kosten des Insolvenzverfahrens. 2. Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind (Neumasseverbindlichkeiten), ohne zu den Kosten des Verfahrens zu gehören. 3. Die übrigen Masseverbindlichkeiten (Altmasseverbindlichkeiten), unter diesen zuletzt der nach den §§ 100, 101 Abs. 1 Satz 3 bewilligte Unterhalt.
178
VIII. Forderungsanmeldung und Insolvenztabelle
VIII. Forderungsanmeldung und Insolvenztabelle 1. Insolvenzforderungen und Forderungsanmeldungen Gläubiger, denen z. Zt. der Eröffnung ein Vermögensanspruch gegen den In- 734 solvenzschuldner zusteht (Insolvenzgläubiger, § 38 InsO), können diese Forderung nur noch nach den insolvenzrechtlichen Bestimmungen geltend machen (§ 87 InsO). Eine Verfolgung des Anspruchsbegehrens im Wege der Einzelzwangsvollstreckung ist ab der Eröffnung unzulässig (§ 89 InsO). Die Geltendmachung des Anspruchs erfolgt durch schriftliche Anmeldung der 735 Forderung beim Insolvenzverwalter (§ 174 Abs. 1 Satz 1 InsO) binnen der gerichtlich bestimmten Anmeldefrist (§ 28 Abs. 1 InsO). Spätere Anmeldungen sind zulässig, da es sich nicht um eine Ausschlussfrist handelt. Die verspätetet angemeldeten Forderungen werden in einem für die Gläubiger kostenpflichten weiteren Termin geprüft (Nachprüfungstermin, § 177 InsO). Die Tabellenführung und die Forderungsprüfung gehören zu den Pflichten 736 des Insolvenzverwalters (§§ 174, 175 InsO), der den Gläubigern nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Eröffnungsbeschluss zustellt (vgl. § 8 Abs. 3 InsO) und sie gleichzeitig auffordert, ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden. Die Gläubiger sind gehalten, bei der Anmeldung den Betrag sowie den Grund 737 der Forderung anzugeben und Unterlagen einzureichen, die geeignet sind, den Bestand der Forderung nachzuweisen (Vollstreckungstitel, Verträge, Rechnungen, Lieferscheine, Forderungsberechnung, Kostennachweise etc.). Die Forderungen sind in inländischer Währung geltend zu machen; ausländische Währungen sind nach dem Kurswert zur Zeit der Verfahrenseröffnung in inländische Währung umzurechnen (§ 45 InsO). Zinsansprüche können grundsätzlich nur für die Zeit bis zum Eröffnungsstichtag zur Insolvenztabelle geltend gemacht werden und sind unter Angabe von Zinssatz und Zeitraum auszurechnen; die Zinsberechnung ist nicht Aufgabe des Verwalters. Absonderungsberechtigte sind Insolvenzgläubiger, soweit sie mit ihrer For- 738 derung ausgefallen sind und ihnen der Schuldner auch persönlich haftet (§ 52 InsO). Die Forderungsanmeldung kann auf amtlichen Vordrucken, die vom jeweiligen 739 Landesministerium zum Download bereitgestellt werden, vorgenommen werden. Die Forderungsanmeldungen sind in zweifacher Ausfertigung einzureichen; eine Ausfertigung verbleibt in den Unterlagen des Insolvenzverwalters, eine Anmeldung ist zur Niederlegungsfrist (§ 175 Abs. 1 Satz 2 InsO) an das Insolvenzgericht zu senden und vom Gericht zur Einsichtnahme der Beteiligten niederzulegen. Die Niederlegungs- oder auch „Drittelfrist“ ist der Zeitraum zwischen dem Ablauf der Anmeldefrist (§ 28 Abs. 1 InsO) und dem Prüfungstermin (§ 29 Abs. 1 Nr. 2 InsO) und wird im Zuge der Eröffnung gerichtlich festgeschrieben. Die Prüfung der Forderung erfolgt im Prüfungstermin. Die geprüfte Tabelle sollte ca. 3 – 7 Tage vor dem Prüfungstermin 179
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
beim Insolvenzgericht vorliegen; eventuelle gerichtsspezifische Besonderheiten gilt es jedoch zu beachten. So kann es sein, dass in der Praxis die beiden Arbeitsschritte „Übersendung der ungeprüften Tabelle“ und „Übersendung der geprüften Tabelle“ in einem Schritt zusammengefasst werden und die geprüfte Tabelle gemeinsam mit den Unterlagen zu den Forderungsanmeldungen bereits zur Niederlegungsfrist an das Gericht übersandt wird. Entsprechend sind die Fristen inkl. der für die Bearbeitung erforderlichen Vorfristen im Verwalterbüro zu notieren. 2. Der Prüfungstermin 740 Der Termin zur Prüfung der Forderungen der Insolvenzgläubiger (Prüfungstermin) kann mit dem Berichtstermin verbunden werden. Insbesondere in umfangreicheren Verfahren werden meist voneinander getrennte Termine bestimmt. 741 Erst mit Abhaltung des Prüfungstermins ist die Forderung des Gläubigers bestandskräftig geprüft. Die Prüfung der Forderung erfolgt in der Praxis vorbereitend zum Prüfungstermin. Als Prüfungsleitfaden empfiehlt sich folgendes Vorgehen: Praxistipp: Prüfungsleitfaden Tabelle 1. Vollständige Gläubigerbezeichnung – Name/korrekte Firma und Anschrift des Gläubigers – Ggf. gesetzlicher Vertreter (Geschäftsführer, Vorstand, Eltern, Betreuer etc.) – Aktenzeichen 2. Verfahrensbevollmächtigter (Rechtsanwalt, Inkasso, sonst. Dritte) Eine gesonderte Vollmacht ist bei einer Anmeldung durch einen Rechtsanwalt entbehrlich (vgl. § 4 InsO i. V. m. § 88 Abs. 2 ZPO), muss aber für die Quotenausschüttung als Geldempfangsvollmacht vorliegen. 3. Datum der Anmeldung Eingangsdatum (Eingangsstempel!) 4. Forderungsart (Warenlieferung, Dienstleistung, Arbeitsentgelt, Sozialversicherungsbeiträge, Steuern, Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, …) 5. Belege – Belegen die der Anmeldung beigefügten Unterlagen die geltend gemachte Forderung? – Schlüssigkeit (z. B. stimmen Rechnungsbeträge mit Anmeldeforderung überein?) – Namensidentität (Schuldner und Gläubiger)?
180
VIII. Forderungsanmeldung und Insolvenztabelle – ggf. Forderungsberechnung (insbesondere, wenn Teilzahlungen erfolgt sind) – Vergleich mit Kreditorenliste des Schuldnerunternehmens 6. Mögliche Verjährung Die Einrede der Verjährung gemäß § 214 BGB muss durch den Insolvenzverwalter erhoben werden (Bestreiten der Forderung). 7. Zinsansprüche – Zeitraum der Zinsberechnung – Zinshöhe – Zinsbescheinigung – Verjährung der Zinsansprüche (§§ 195, 197 Abs. 2 BGB) 8. Nebenforderungen Belege für Nebenforderung (z. B. Mahngebühren, Kosten der Zwangsvollstreckung etc.) 9. Absonderungsrechte 10. Rechtsstreitigkeiten Ggf. ist zu prüfen, ob beim erkennenden Gericht die Unterbrechung des Rechtsstreites nach § 240 ZPO bereits beachtet wurde. 11. Vollstreckungstitel
Bei der Prüfung der Forderungen gibt es im Wesentlichen folgende Prüfungs- 742 ergebnisse: x
(Uneingeschränkte) Feststellung der Forderung
Ist die Forderung begründet, wird diese zur Insolvenztabelle festgestellt. Nur 743 festgestellte Forderungen nehmen an einer eventuellen Schlussverteilung (ĺ Rn. 908 ff.) teil. Die Eintragung in die Tabelle wirkt für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern (§ 178 Abs. 3 InsO). Wird eine Forderung nicht oder nur vom Schuldner bestritten, gilt sie für das 744 weitere Insolvenzverfahren entsprechend der Anmeldung als festgestellt (§ 178 InsO). Bei angeordneter Eigenverwaltung verhindert auch der Widerspruch des Schuldners die Feststellung der Forderung (§ 283 Abs. 1 Satz 2 InsO). x
Feststellung der Forderungen auf den Ausfall
Erhebt ein Absonderungsberechtigter auch persönliche Forderungen gegen 745 den Schuldner, ist er zur anteilsmäßigen Befriedigung aus der Insolvenzmasse (Quote) nur berechtigt, soweit er auf eine abgesonderte Befriedigung verzichtet hat oder bei ihr ausgefallen ist (§ 52 InsO). Soweit der Absonde181
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
rungsberechtigte noch keine Befriedigung aus der Verwertung des Absonderungsgutes erhalten hat, wird seine persönliche, zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung „auf den Ausfall“ festgestellt. Eine uneingeschränkte Feststellung der Forderung erfolgt nach Abgeltung des Absonderungsrechts durch Erlösauskehr in Höhe der endgültigen, sodann ungesicherten Ausfallforderung. x
Bestreiten der Forderung
746 Ergibt die Prüfung, dass die Forderung in der angemeldeten Höhe oder in dem Rang nicht besteht, die Forderung unbegründet oder verjährt oder auch nicht ausreichend belegt ist (z. B. keine Belege, Verjährung, Pauschalanmeldung, Zinsaufstellung fehlt, etc.), wird sie bestritten. Auch das Bestreiten nur eines Teilbetrags der Forderung ist möglich. 747 Zum Bestreiten einer angemeldeten Forderung sind neben dem Insolvenzverwalter auch der Schuldner sowie jeder Insolvenzgläubiger berechtigt (jeweils selbstständiges Recht). Das Gericht informiert nach der Forderungsprüfung nur diejenigen Gläubigerinnen und Gläubiger, deren Forderungen ganz oder teilweise bestritten worden sind. Ihnen erteilt das Insolvenzgericht von Amts wegen einen Auszug aus der Insolvenztabelle, aus dem das Ergebnis der Prüfung hervorgeht. 748 Das Insolvenzgericht beurkundet im Termin die abgegebenen Erklärungen. Eine Entscheidung darüber, ob ein Widerspruch begründet ist, trifft es nicht. Nach einem Widerspruch des Schuldnervertreters kann der Gläubiger Klage auf Feststellung der Forderung gegen den Schuldner erheben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so kann der Gläubiger diesen Rechtsstreit gegen den Schuldner aufnehmen (§ 184 Abs. 1 InsO). 749 Liegt für die Forderung bereits ein vollstreckbarer Schuldtitel vor (z. B. Urteil, notarielle Urkunde, unanfechtbarer Steuerbescheid u. Ä.), muss der Bestreitende den Widerspruch mit den allgemein zulässigen rechtlichen Mitteln weiterverfolgen. 750 Ist die Forderung nicht tituliert, obliegt es dem Gläubiger, die Feststellung der Forderung auf dem hierfür allgemein vorgesehenen Rechtsweg zu betreiben. Nach einem Widerspruch des Insolvenzverwalters hat ein Insolvenzgläubiger spätestens innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung gegenüber dem Insolvenzverwalter nachzuweisen, dass und für welchen Betrag die Feststellungsklage erhoben oder das Verfahren in dem früher anhängigen Rechtsstreit aufgenommen ist (§ 189 InsO). Wird der Nachweis rechtzeitig geführt, so wird der auf die Forderung entfallende Anteil bei der Verteilung zurückbehalten, solange der Rechtsstreit anhängig ist. Wird der Nachweis nicht rechtzeitig geführt, bleibt die Forderung bei der Verteilung unberücksichtigt.
182
VIII. Forderungsanmeldung und Insolvenztabelle
3. Nachmeldungen und Nachprüfungstermin Forderungen, die nach Ablauf der gerichtlichen Anmeldefrist angemeldet 751 werden, können in einem auf Anregung des Insolvenzverwalters hin zu bestimmenden Nachprüfungstermin geprüft werden (§ 177 InsO). Nachmeldungen sind grundsätzlich immer möglich. Eine Teilnahme an einer Schlussverteilung ist nur dann gewährleistet, wenn die Forderungen bis spätestens zur Niederlegung des Schlussverzeichnisses angemeldet und in einem Nachprüfungstermin festgestellt wurden.432) Die Kosten der der Nachprüfung erlegt das Gericht dem säumigen Anmeldegläubiger auf (§ 177 Abs. 1Satz 2 InsO). Diese belaufen sich derzeit auf 20 €. 4. Nachträgliche Änderungen der Prüfergebnisse Eine nachträgliche Änderung der Prüfungsergebnisse ist grundsätzlich mög- 752 lich, es sei denn, die Forderung ist bereits endgültig festgestellt. Eine nachträgliche Änderung kann in diesem Fall nur durch Rücknahme der Forderung durch den Gläubiger erklärt werden. Eine zunächst auf den Ausfall festgestellte Forderung kann nach Verteilung 753 des Erlöses aus der Verwertung des Absonderungsgutes in Höhe des endgültigen Ausfalls festgestellt werden; der gesicherte Gläubiger hat eine entsprechende Ausfallmitteilung gegenüber dem Insolvenzverwalter zu erklären. Aufgrund des Ausfallnachweises stellt der Insolvenzverwalter die persönliche Forderung in Höhe des ungesicherten Teils nachträglich fest. Hat der Gläubiger einer zunächst bestrittenen Forderung einen Mangel (feh- 754 lende Belege, falsche Berechnung o. Ä.) behoben, kann auch diese Forderung nachträglich (ggf. in Teilhöhen) festgestellt werden. Soweit ein Gläubiger anderweitig (z. B. durch Inanspruchnahme eines weite- 755 ren Gesamtschuldners oder durch zulässige Auf-/Verrechnungen) außerhalb des Insolvenzverfahrens Befriedigung erlangt hat, obliegt es ihm, insoweit die Rücknahme der Forderung zur Insolvenztabelle zu erklären. Auch die (teilweise) Rücknahme kann als nachträgliche Änderung des Prüfergebnisses in der Tabelle eingetragen werden. Die nachträglichen Änderungen der Prüfergebnisse sind stets an das Insol- 756 venzgericht zu kommunizieren. 5. Nachrangige Forderungen § 39 InsO Nachrangige Insolvenzgläubiger
757
(1) Im Rang nach den übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger werden in folgender Rangfolge, bei gleichem Rang nach dem Verhältnis ihrer Beträge, berichtigt: 1.
die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen und Säumniszuschläge auf Forderungen der Insolvenzgläubiger;
___________ 432) BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZB 8/05, ZIP 2007, 876 = ZVI 2007, 267, dazu EWiR 2007, 627 (Köster).
183
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren 2.
die Kosten, die den einzelnen Insolvenzgläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren erwachsen;
3.
Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder sowie solche Nebenfolgen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit, die zu einer Geldzahlung verpflichten;
4.
Forderungen auf eine unentgeltliche Leistung des Schuldners;
5.
nach Maßgabe der Absätze 4 und 5 Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen.
(2) Forderungen, für die zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart worden ist, werden im Zweifel nach den in Absatz 1 bezeichneten Forderungen berichtigt. (3) Die Zinsen der Forderungen nachrangiger Insolvenzgläubiger und die Kosten, die diesen Gläubigern durch ihre Teilnahme am Verfahren entstehen, haben den gleichen Rang wie die Forderungen dieser Gläubiger. (4) 1Absatz 1 Nr. 5 gilt für Gesellschaften, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafter haben, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. 2Erwirbt ein Gläubiger bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder bei Überschuldung Anteile zum Zweck ihrer Sanierung, führt dies bis zur nachhaltigen Sanierung nicht zur Anwendung von Absatz 1 Nr. 5 auf seine Forderungen aus bestehenden oder neu gewährten Darlehen oder auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. (5) Absatz 1 Nr. 5 gilt nicht für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter im Sinne des Absatzes 4 Satz 1, der mit zehn Prozent oder weniger am Haftkapital beteiligt ist.
758 Eine Anmeldung nachrangiger Forderungen ist nur aufgrund einer ausdrücklichen dahingehenden gerichtlichen Aufforderung möglich (§ 174 Abs. 3 InsO). Diese wird in der Praxis nur äußerst selten ausgesprochen, da eine Zuteilung von Geldern auf den Nachrang nur bei vollständiger Deckung der Verfahrenskosten, der sonstigen Masseverbindlichkeiten und einer 100 %-Quotenzahlung auf alle festgestellten Forderungen der Insolvenzgläubiger in Betracht kommt. 759 In Gesellschaftsinsolvenzen spielt insbesondere § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO eine Rolle. Danach fallen Forderungen auf die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen an haftungsbeschränkte Gesellschaften (§ 39 Abs. 4 Satz 1 InsO) in den Nachrang. Der Kreis der erfassten Forderungen wird ausgedehnt auf Forderungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen (Entsprechungsklausel in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO). 760 Eine Einschränkung hinsichtlich des erfassten Personenkreises ergibt sich aus § 39 Abs. 5 InsO, der die Gesellschafter, die eine geschäftsführende Position innehaben und weniger als 10 % am Kapital beteiligt sind, mit ihren Forderungen nicht auf die Nachrangstellung verweist (sog. Kleinbeteiligtenprivileg). 184
VIII. Forderungsanmeldung und Insolvenztabelle
Gleiches gilt gemäß § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO für den Gesellschafter, der dem 761 Unternehmen finanzielle Mittel zu Sanierungszwecken zur Verfügung gestellt hat (sog. Sanierungsprivileg). Der Darlehensgeber muss in der Absicht der Sanierung gehandelt haben. Dies wird in der Regel vermutet; auf den – nur ex post festzustellenden – Sanierungserfolg kommt es nicht an.433) Voraussetzung ist jedoch, dass das Unternehmen objektiv sanierungsfähig ist und die Maßnahmen objektiv geeignet sind, den Sanierungserfolg in überschaubarer Zeit zu erreichen. Regelmäßig kann die insoweit vorzunehmende „ex ante“-Prognose nur auf der Grundlage eines dokumentierten Sanierungskonzepts erstellt werden, das zugleich den Nachweis für den subjektiven Sanierungszweck des Anteilserwerbs liefert.434) Ergänzt wird diese untergeordnete Stellung von Gesellschafterdarlehensan- 762 sprüchen durch § 135 Abs. 1 InsO, der die Erfüllung bzw. Besicherung solcher Forderungen der Anfechtung unterwirft. Zudem ist ein Drittdarlehensgeber gemäß § 44a InsO gehalten, Befriedigung zunächst aus der vom Gesellschafter gestellten Sicherheit zu suchen. Als Gläubiger kann der Darlehensgeber nur mit dem Betrag teilnehmen, mit dem er bei der Sicherheitenverwertung ausfällt. Der Regressanspruch des Gesellschafters ist als eine Forderung, die einer Darlehensforderung wirtschaftlich vergleichbar ist, in den Nachrang einzustufen.435) Bei revolvierenden Krediten ist die Haftung des Gesellschafters auf den 763 höchsten Zwischensaldo zu begrenzen.436) Gebrauchsüberlassungen unterfielen unter altem Recht meist den Regelungen 764 zum Eigenkapitalersatz (vgl. exemplarisch § 32a GmbHG a. F.). Der Insolvenzverwalter konnte diese überlassene Sache während des Verfahrens unentgeltlich für die Masse nutzen.437) Gebrauchsüberlassungen unterliegen nicht dem Nachrang nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Zwar kann der Insolvenzverwalter die Gegenstände nach wie vor zugunsten der Masse nutzen, hat jedoch im Rang einer Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO) ein Nutzungsentgelt zu entrichten (§ 135 Abs. 3 InsO, der als Spezialgesetz zu §§ 103 ff. InsO zu verstehen ist und sich systemwidrig in den Reglungen zur Anfechtung findet). Die Nutzung ist nur für ein Jahr und nur dann zulässig, wenn dies für die Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeutung ist. Für den Zeitraum der Nutzung, längstens für ein Jahr, kann der Ge___________ 433) BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2006, 279 (m. Bespr. Pentz, S. 1169), dazu EWiR 2006, 525 (Westpfahl/Janjuah). 434) BGH, Urt. v. 21.11.2005 – II ZR 277/03, ZIP 2006, 279 (m. Bespr. Pentz, S. 1169). 435) BGH, Urt. v. 4.7.2013 – IX ZR 229/12, ZIP 2013, 1629, dazu EWiR 2013, 657 (Plathner/Luttmann). 436) BGH, Urt. v. 7.3.2013 – IX ZR 7/12, ZIP 2013, 734, dazu EWiR 2013, 393 (Delaveaux), ZIP 2013. 437) BGH, Urt. v. 16.10.1989 – II ZR 307/88, ZIP 1989, 1542 (m. Bespr. K. Schmidt, ZIP 1990, 69 u. Büscher/Klusmann, ZIP 1991, 10).
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
sellschafter sein Aussonderungsrecht nicht gegen den Insolvenzverwalter geltend machen. 765 Allerdings sind die Ansprüche der Gesellschafter auf Zahlung der zum Zeitpunkt der Eröffnung noch nicht entrichteten Entgelte in den Nachrang des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO einzuordnen, wenn der Gesellschafter diese Entgelte nicht rechtzeitig eingefordert (d. h. „stehengelassen“) oder gar gestundet hat.438) Ab wann ein „Stehenlassen“ bei Überschreitung der vertraglich vereinbarten Fälligkeit anzunehmen ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.439) 766 Darlehensforderungen eines ausgeschiedenen Gesellschafters sind Nachrangforderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, wenn der Gesellschafter im letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrags aus der Gesellschaft ausgetreten ist.440) 767 Gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sind solche Forderungen einer Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens im Hinblick auf ihre Eigenschaft als nachrangige Insolvenzforderungen gleichgestellt, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen. In Betrachte kommt hier z. B. eine Kreditgewährung in Form des unechten Factorings, wenn der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft die Rolle des Factors einnimmt, dem im Falle der Uneinbringlichkeit der fakturierten Forderungen die Möglichkeit einer Rückbelastung zusteht.441) 768 Nicht selten ist, dass die Gesellschafter wegen Ihrer Darlehensforderungen einen Rangrücktritt vereinbaren. Der Rangrücktritt ist ein sehr häufig gerade von Gesellschaftern eingesetztes Instrument, um in einer Krise ihrer Gesellschaft eine Überschuldung zu vermeiden. Wurde für die Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO vereinbart (vgl. § 39 Abs. 2 InsO), sind diese nicht im Überschuldungsstatus zur Feststellung, ob eine insolvenzrechtliche Überschuldung vorliegt, zu berücksichtigen (§ 19 Abs. 2 Satz 2 InsO). Das wird dadurch erreicht, dass sich der Gesellschafter mit der Befriedigung seiner Forderung erst nach den Forderungen aller anderen Gläubiger einverstanden erklärt. 769 Rechtlich stellt die Rangrücktrittsvereinbarung einen zwischen einem Gesellschafter und der Gesellschaft geschlossenen Schuldänderungsvertrag nach § 311 Abs. 1 BGB dar, der eine aufschiebende Bedingung enthält. Zu unter___________ 438) OLG Hamm, Urt. v. 21.11.2013 – 18 U 145/12, ZIP 2014, 186 = ZfIR 2014, 197 (m. Anm. Hawelka, S. 202), dazu EWiR 2014, 223 (Henkel). 439) BAG, Urt. v. 27.3.2014 – 6 AZR 204/12, ZIP 2014, 927, dazu EWiR 2014, 327 (Bork). 440) BGH, Beschl. v. 15.11.2011 – II ZR 6/11, ZIP 2012, 86, dazu EWiR 2012, 91 (Rendels). 441) OLG Köln, Urt. v. 25.7.1986 – 22 U 311/85, ZIP 1986, 1585, dazu EWiR 1986, 1213 (Roth).
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VIII. Forderungsanmeldung und Insolvenztabelle
scheiden ist zwischen einem relativen, einem einfachen und einem qualifizierten Rangrücktritt. Der relative Rangrücktritt ist eine Vereinbarung zwischen einzelnen Gläubi- 770 gern und dem Gesellschafter, die das Verhältnis von deren Forderungen zueinander definiert. Der zurücktretende Gläubiger (Gesellschafter) kann erst dann Befriedigung verlangen, wenn die Forderung des im Rang vorgehenden Gläubigers beglichen ist. Die Unterscheidung zwischen dem einfachen und dem qualifizierten Rang- 771 rücktritt ist vom BGH und vom BMF identisch festgeschrieben.442) Mit dem einfachen Rangrücktritt vereinbaren Schuldner und Gläubiger, dass die Forderung des Gläubigers hinter die Forderungen aller übrigen Gläubiger zurücktritt (Rücktritt hinter das sonstige Fremdkapital). Die zurücktretende Forderung kann bereits dann wieder ganz oder teilweise bedient werden, wenn alle vorrangigen Forderungen ausgeglichen sind. Beim qualifizierten Rangrücktritt wird ein Rücktritt in den Rang des Eigenkapitals erklärt. Die zurücktretende Forderung darf nur aus dem frei verfügbaren Jahres-/Liquidationsüberschuss bzw. aus dem die sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft übersteigenden frei verfügbaren Vermögen und nur nach der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und – bis zur Abwendung der Krise – nicht vor, sondern zugleich mit den Einlagerückgewähransprüchen der Mitgesellschafter berücksichtigt werden.443) Eine Gleichstellung mit statuarischem Eigenkapital, wie noch vom BGH verlangt444), ist nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO jedoch nicht (mehr) erforderlich. Ein sog. „qualifizierter“ Rangrücktritt – wie noch vor Einführung des MoMiG – wird zivilrechtlich nun nicht mehr gefordert (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 12 InsO). Merke: Da der Rangrücktritt nicht zum Erlöschen der Forderung führt, ist diese weiterhin als Verbindlichkeit in der Handelsbilanz zu passivieren (vgl. § 266 Abs. 3 HGB). Im insolvenzrechtlichen Überschuldungsstatus ist die Verbindlichkeit weder bei einem einfachen noch bei einem qualifizierten Rangrücktritt zu passivieren (vgl. § 19 Abs. 2 InsO). Steuerlich führt eine Rangrücktrittserklärung zur Anwendung des Passivie- 772 rungsverbotes des § 5 Abs. 2a EStG in der Steuerbilanz, wenn die Forderung aus „künftigen Gewinnen" zu bedienen ist. ___________ 442) BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, ZIP 2001, 235 (m. Anm. Altmeppen, S. 240); BMF v. 8.9.2006, BStBl 2006 I S. 497. 443) BGH, Urt. v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 (m. Anm. Bitter/Heim, S. 644), dazu EWiR 2015, 219 (Bork). 444) BGH, Urt. v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, ZIP 2001, 235 (m. Anm. Altmeppen, S. 240); BMF v. 8.9.2006, BStBl 2006 I S. 497.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren § 5 Abs. 2a EStG […] (2a) Für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, sind Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. […]
773 In der Steuerbilanz ist eine solche Verbindlichkeit ertragswirksam auszubuchen.445) Gemäß § 5 Abs. 2 a EStG darf in der Steuerbilanz also weder eine Verbindlichkeit angesetzt noch eine Rückstellung gebildet werden, wenn die Verpflichtung nur zu erfüllen ist, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen. Auch ist der Ansatz einer verdeckten Einlage (bei einer Körperschaft), die die daraus resultierende Gewinnerhöhung zumindest teilweise kompensieren würde, nicht möglich. Dem Schuldnerunternehmen werde durch die Verpflichtung, im Fall künftiger Gewinnentstehung Tilgungsleistungen erbringen zu müssen, kein zusätzliches Eigenkapital zugeführt.446) Merke: Nur soweit Schuldner und Gläubiger eine Abhängigkeit zwischen Verbindlichkeit und Einnahmen oder Gewinnen vereinbart haben und die Tilgung auch aus sonstigem freien Vermögen ausgeschlossen ist, gilt das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG. In allen anderen Fällen ist die Verbindlichkeit auch steuerlich zu passivieren. 774 Eine solche Rangrücktrittserklärung vermeidet zwar eine Insolvenz bzw. Insolvenzantragspflicht, hätte aber zur Folge, dass die entsprechenden Darlehen steuerlich erfolgswirksam (gewinnerhöhend bzw. verlustvermindernd) auszubuchen sind. Aus der Sicht des BFH stellt die so getroffene Rangrücktrittsvereinbarung wirtschaftlich einen „Erlass gegen Besserungsabrede“ dar. Dies hat ertragssteuerliche Auswirkungen. Die gewinnabhängige Rangrücktrittserklärung führt bei der Kapitalgesellschaft zusätzlich zu einem steuerpflichtigen Gewinn. Exkurs: Insolvenzanfechtung, § 134 Abs. 1 InsO Eine trotz eines qualifizierten Rangrücktritts im Stadium der Insolvenzreife bewirkte Zahlung an den Gesellschafter kann als unentgeltliche Leistung (§ 134 Abs. 1 InsO) angefochten werden.447)
___________ 445) BFH, Urt. v. 30.11.2011 – I R 100/10, ZIP 2012, 570, dazu EWiR 2012, 453 (Naujok). 446) BFH, Urt. v. 30.11.2011 – I R 100/10, ZIP 2012, 570. 447) BGH, Urt. v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, ZIP 2015, 638 (m. Anm. Bitter/Heim, S. 644).
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IX. Gläubigerversammlung und Berichtstermin
IX. Gläubigerversammlung und Berichtstermin 1. Berichtstermin (Erste Gläubigerversammlung) Im Berichtstermin (erste Gläubigerversammlung) berichtet der Insolvenz- 775 verwalter über die wirtschaftliche Lage des Schuldnerunternehmens und die Ursachen der Insolvenz, führt auf der Basis der Vermögensverzeichnisse und Übersichten (§§ 151 bis 153 InsO, ĺ Rn. 354 ff.) über die Vermögensverhältnisse des Schuldnerunternehmens aus, erläutert die Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens sowie welche Möglichkeiten für einen Insolvenzplan bestehen und welche Auswirkungen dies für die Befriedigung der Gläubiger hat (§ 156 Abs. 1 InsO). Der Berichtstermin ist für die Gläubiger Grundlage für eine Entscheidungs- 776 findung über den Fortgang des Verfahrens (§ 157 InsO). Zusätzlich halten viele Verwalterbüros die Möglichkeit vor, dass Gläubiger sich auf elektronischem Wege über den aktuellen Verfahrensstand informieren können. Durch individuell zugeteilte Codes können Sie sich im Informationssystem des Verwalterbüros einloggen und das aktuelle Berichtswesen einsehen (z. B. GIS – Gläubigerinformationssystem). Zum Berichtstermin fertigt der Insolvenzverwalter einen ausführlichen Be- 777 richt, in dem die allgemeinen Verfahrensdaten (Antragstellung, Eröffnung, etc.), die Unternehmensdaten, die Ursachen der Insolvenz sowie eine Erläuterung der Verzeichnisse und Übersichten (§§ 151 bis 153 InsO) inkl. der hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Hintergrundinformationen enthalten sind. 2. Berichtswesen im eröffneten Verfahren Im eröffneten Verfahren hat der Insolvenzverwalter fortlaufend in regelmä- 778 ßigen, vom Gericht vorgegebenen Abständen über den Fortgang Zwischenbericht zu erstatten. Die Berichtsfristen lassen sich der Niederschrift über den Berichts-/Prüfungstermin entnehmen. Diese betragen je nach Gericht i. d. R. 6 oder 12 Monate. Die Zwischenberichte bauen inhaltlich und meist auch strukturell auf dem 779 Bericht zur ersten Gläubigerversammlung auf und bilden die weitere Entwicklung und den Fortgang der Verwertung/Fortführung im letzten Berichtszeitraum ab. Soweit ein fortgeschriebenes Berichtswesen vom Gericht gefordert wird, sind die fortgeschriebenen Vermögensübersichten auf den aktuellen Stand der Verwertung anzupassen und textlich zu erläutern. Andernfalls sind die textlichen Erläuterungen über die Verwertungserfolge in Anlehnung an die Aktivseite der Vermögensübersicht ausreichend. Die Ausführungen sollten dem Maßstab gerecht werden, dass ein unbeteiligter Dritter den Verlauf des Verfahrens anhand des Berichtswesens ohne Schwierigkeiten nachvollziehen kann. Ein Katalog an Leitfragen kann sehr hilfreich sein.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren Praxistipp: Leitfragen Zwischenberichtswesen x Was wurde verwertet? x Wie hoch war der Verwertungserlös? x (Ggf.) Warum weicht der Erlös von der Prognose im Erstbericht/vorhergehenden Bericht ab (höher/niedriger)? x Welche Probleme/Besonderheiten haben sich bei der Verwertung ergeben? x Welche Vermögenswerte wurden ggf. neu entdeckt?
780 Das Zwischenberichtswesen ist bis zur Schlussrechnungslegung und Schlussberichterstattung (Verfahrensabschluss ĺ Rn. 857 ff.) kontinuierlich fortzuführen. 781 Um sicherzustellen, dass die Berichte auch fristgerecht beim Gericht vorliegen, sind die Berichtsfristen sorgfältig zu notieren. Gerade bei einer Vielzahl verwalteter Verfahren ist eine sorgfältige Fristenverwaltung unerlässlich. X. Vertragsverhältnisse 1. Überblick 782 Die Auswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf bestehende, bis zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht vollständig abgewickelte Vertragsverhältnisse finden sich in §§ 103 ff. InsO. 783 § 103 InsO bildet die Grundnorm für synallagmatische Vertragsverhältnisse; in den §§ 104 ff. InsO sind Besonderheiten zu einzelnen Vertragsverhältnissen geregelt, die als „lex specialis“ § 103 InsO in der Anwendung verdrängen. 2. Wahlrecht (§ 103 InsO) 784 Die Grundnorm § 103 InsO normiert das einseitige Wahlrecht des Insolvenzverwalters. Soweit ein Vertragsverhältnis z. Zt. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht vollständig abgewickelt ist, erlöschen die gegenseitigen Verpflichtungen nicht automatisch mit Eröffnung. Der Insolvenzverwalter hat vielmehr ein Wahlrecht, ob er den Vertrag erfüllen und vom anderen Teil Erfüllung verlangen möchte, wenn der Vertrag im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung von beiden Seiten nicht vollständig erfüllt ist, also die jeweils geschuldeten Leistungen noch nicht oder noch nicht vollständig erbracht sind.448) Fordert der Vertragspartner den Insolvenzverwalter zur Ausübung des Wahlrechts auf, hat dieser sich unverzüglich zu erklären (§ 103 Abs. 2 Satz 2 InsO).
___________ 448) BGH, Beschl. v. 17.7.2003 – IX ZB 448/02, ZVI 2003, 468 = ZInsO 2003, 751.
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X. Vertragsverhältnisse
Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung, ist die schuldnerseitig zu erbrin- 785 gende Leistungspflicht eine Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO).449) Der Insolvenzverwalter muss den Vertrag in der Form und mit dem Inhalt übernehmen, wie er ihn vorfindet, demnach auch mit allen Nebenpflichten, Gewährleistungsrechten und Rücktrittsrechten. Eine Aufrechnung mit Insolvenzforderung gegen die Masseforderung ist gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig. Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung ab, wird der Erfüllungsanspruch 786 des Vertragspartners undurchsetzbar mit der Folge, dass dieser als Gläubiger einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anmelden kann (§ 103 Abs. 2 Satz 1 InsO). Bei der Eigenverwaltung tritt der Schuldner an die Stelle des Insolvenzver- 787 walters (§§ 270 ff. InsO). 3. Vormerkung (§ 106 InsO) Befindet sich ein vor Eröffnung des Verfahrens verkauftes Grundstück im 788 Schuldnervermögen, ohne dass der Erwerber als Eigentümer im Grundbuch eingetragen wurde, werden die Ansprüche des Käufers auf Eigentumsumschreibung regelmäßig durch eine im Grundbuch eingetragene Vormerkung gesichert (Abteilung II). Dadurch wird ein Berechtigter in die Lage versetzt, den schuldrechtlichen Anspruch auf Eigentumsübertragung dinglich zu sichern. Die Vormerkung ist geregelt in §§ 883 ff. BGB und kein dingliches Recht, sondern ein „Sicherungsmittel eigener Art“ (sui generis). Gemäß § 883 Abs. 2 BGB ist eine Verfügung, die nach der Eintragung der Vormerkung über das Grundstück oder das Recht getroffen wird, insoweit unwirksam, als sie den Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen würde. Zudem kommt ihr eine rangwahrende Funktion zu (§ 883 Abs. 3 InsO). Die Vormerkung ist akzessorisch zu dem gesicherten schuldrechtlichen Anspruch.450) Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldnereigentümers schützt 789 § 106 InsO den Vormerkungsberechtigten/Erwerber. Ist zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung bereits eine Vormerkung zugunsten eines Dritten im Grundbuch eingetragen, kann der Berechtigte für seinen Anspruch Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen (§ 106 Abs. 1 InsO). Der Insolvenzverwalter ist verpflichtet, den vormerkungsrechtlich gesicherten Anspruch zu erfüllen. Das in § 103 InsO normierte Wahlrecht ist entsprechend beschnitten. Der Berechtigte kann vom Insolvenzverwalter Erfüllung verlangen, wie er sie – ohne das Insolvenzverfahren – vom Schuldner hätte verlangen ___________ 449) BGH, Urt. v. 25.4.2002 – IX ZR 313/99, ZIP 2002, 1093 = ZInsO 2002, 577, dazu EWiR 2003, 125 (Tintelnot). 450) BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 457/99, ZIP 2002, 858 = ZfIR 2002, 539 (m. Anm. Volmer, S. 543) = ZInsO 2002, 487.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
können.451) Der Anspruch ist insolvenzfest452) und aus der Insolvenzmasse auszusondern,453) es sei denn, die Eintragung der Vormerkung unterliegt der insolvenzrechtlichen Anfechtung. 790 Der gesicherter Anspruch ist durch Erklärung der Auflassung (§§ 873, 925 BGB) und/oder der Eintragungs- bzw. Löschungsbewilligung (§ 19 GBO) zu erfüllen. 4. Eigentumsvorbehalt (§ 107 InsO) 791 In § 107 InsO ist – in Abweichung zu § 103 InsO – geregelt, welche Auswirkungen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Kaufverträge des Schuldnerunternehmens hat, in denen eine bewegliche Sache vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verkauft und unter Eigentumsvorbehalt geliefert worden ist. 792 Der Eigentumsvorbehalt ist eine Form einer Warenkreditsicherheit zugunsten eines Lieferanten und bedeutsam für die Aufrechterhaltung eines reibungslosen Warenumschlagskreislaufs. 793 Eigentumsvorbehaltsregelungen können unterschiedlicher Natur sein. Neben dem in § 449 BGB normierten einfachen Eigentumsvorbehalt sind der verlängerte und der erweiterte Eigentumsvorbehalt von praktischer Relevanz. 794 Der einfache Eigentumsvorbehalt ist unter dem Themenkreis „Aussonderungsrecht“ ausführlich dargestellt (ĺ Rn. 437 ff.). 795 Detaillierte Erläuterungen zum verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalt finden sich in den Darstellungen zum „Absonderungsrecht“ (ĺ Rn. 469 ff., 472 ff.). 796 Im Fall der Verkäuferinsolvenz kann der Käufer die Erfüllung des Kaufvertrages verlangen (§ 107 Abs. 1 InsO). Das geschützte Anwartschaftsrecht des Käufers kann nicht durch Ablehnung der Erfüllung des Kaufvertrags durch den Insolvenzverwalter zerstört werden. Lehnt der Insolvenzverwalter die Vertragserfüllung ab, ist der Rückgewähranspruch hinsichtlich bereits vom Käufer erbrachter Teilleistung als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) zu erfüllen. 797 In der Käuferinsolvenz verbleibt eine unter Eigentumsvorbehalt gelieferte bewegliche Sache zunächst im Schuldnerbesitz (§ 107 Abs. 2 Satz 1 InsO). Der Insolvenzverwalter hat sich erst, dann aber unverzüglich nach dem Berichtstermin zur Erfüllungswahl zu erklären (§ 103 Abs. 2 Satz 2 InsO). ___________ 451) BGH, Urt. v. 14.9.2001 – V ZR 231/00, ZIP 2001, 2008 = ZfIR 2001, 998 = ZInsO 2001, 1056. 452) BGH, Urt. v. 19.3.1998 – IX ZR 242/97, ZIP 1998, 836 = ZInsO 1998, 89. 453) BGH, Beschl. v. 13.3.2008 – IX ZB 39/05 = ZIP 2008, 1028 = ZInsO 2008, 558 = ZVI 2008, 257 = ZfIR 2008, 690 (LS), dazu EWiR 2008, 501 (Eckert).
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X. Vertragsverhältnisse
Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung ab, kann der Verkäufer die Kaufsache aussondern (§ 47 InsO). Entscheidet sich der Insolvenzverwalter für die Vertragserfüllung, ist der Kaufpreis aus der Masse zu entrichten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO). 5. Mieterinsolvenz (§§ 109 Abs. 1 Satz 1, 112 InsO) Vom Anwendungsbereich des § 109 InsO sind sämtliche Miet- und Pacht- 798 verhältnisse über vom Schuldner gemietete und gepachtete unbewegliche Gegenstände und Räume erfasst. § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO gewährt dem Insolvenzverwalter ein einseitiges Sonderkündigungsrecht, wonach der Insolvenzverwalter gewerbliche Mietverhältnisse nach Eröffnung mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende kündigen kann, soweit nicht vertraglich kürzere Fristen vereinbart sind. Hierdurch werden die nach Eröffnung aus dem Mietverhältnis anfallenden Masseverbindlichkeiten auf einen überschaubaren Zeitraum begrenzt und die Entstehung von weiteren Masseverbindlichkeiten aus üblicherweise mit einer langen Laufzeit ausgestalteten Gewerbemietverträgen vermieden. § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO schützt die Insolvenzmasse. Steht bereits frühzeitig die Einstellung eines Geschäftsbetriebs fest, emp- 799 fiehlt sich das gewerbliche Mietverhältnis alsbald zu kündigen. Der Insolvenzverwalter kann sich im eröffneten Verfahren zu jedem Zeitpunkt auf das Sonderkündigungsrecht berufen. Die Kündigung des Mietverhältnisses bedarf der Schriftform (§ 568 Abs. 1 800 BGB). Der Insolvenzverwalter ist mit Wirksamwerden der Kündigung zur Heraus- 801 gabe der gemieteten Räume, nicht aber zur Räumung verpflichtet, wenn die Gegenstände vor Verfahrenseröffnung eingebracht wurden.454) Soweit der Vermieter sich auf das Vermieterpfandrecht beruft, steht das ori- 802 ginäre Verwertungsrecht dem Insolvenzverwalter zu, wenn er Besitz an den Gegenständen begründet hat. Eine Abrechnung des Absonderungsrechts nach der Verwertung folgt den §§ 170, 171 InsO. Der Vermieter kann ein Miet- oder Pachtverhältnis, das der Schuldner als 803 Mieter oder Pächter eingegangen war, nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wegen eines Verzugs mit der Entrichtung der Miete oder Pacht, der in der Zeit vor dem Eröffnungsantrag eingetreten ist, oder wegen Verschlechterung der Vermögensverhältnisse kündigen (§ 112 InsO). Die Mietforderungen, die bis zum Ende der Vertragslaufzeit entstehen würden, aber durch die vorzeitige Beendigung des Mietvertrags durch den Insolvenzverwalter nicht mehr entstehen, kann der Vermieter als Schadensersatzforderung zur Insolvenztabelle geltend machen. ___________ 454) BGH, Urt. v. 5.7.2001 – IX ZR 327/99, ZIP 2001, 1469 = ZfIR 2001, 728 = ZInsO 2001, 751, dazu EWiR 2002, 395 (Flitsch/Herbst).
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren Praxistipp: Verzug während des Eröffnungsverfahrens Tritt während des Insolvenzeröffnungsverfahrens Verzug ein, wird das Kündigungsrecht des Vermieters durch § 112 InsO jedoch nicht gesperrt.455) Der Zahlungsverzug nach dem Eröffnungsantrag berechtigt bei Vorliegen der gesetzlichen oder vertraglichen Voraussetzungen zur Kündigung.456) Daher sind ausnahmsweise auch im Antragsverfahren fällig werdende Mieten zu zahlen, obwohl es sich um Insolvenzforderungen handelt, wenn die Zahlung dem allgemeinen Gläubigerinteresse dient, insbesondere dann, wenn der Bestand des Mietverhältnisses für den Erhalt des schuldnerischen Unternehmens erforderlich ist. In diesem Fall sollte der vorläufige Insolvenzverwalter dieser Verfügung zustimmen.457) Eine Anfechtung der im Antragsverfahren geleisteten Mietzahlungen scheitert regelmäßig am Bargeschäftseinwand (§ 142 InsO).
6. Vermieterinsolvenz (§ 110 InsO) 804 Tritt die Schuldnerunternehmung als Vermieterin auf, ist der Insolvenzverwalter berechtigt und verpflichtet, die Ansprüche aus den Mietverhältnissen gegen den jeweiligen Mieter zur Insolvenzmasse einzuziehen. 805 Hat der Schuldnervertreter im Vorfeld der Insolvenz über Ansprüche aus dem Mietverhältnis verfügt (Vorausverfügung), regelt § 110 InsO, dass diese Verfügung nur wirksam ist, soweit sie sich auf die Miete für den zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens laufenden Kalendermonat bezieht bzw. auch für den folgenden Kalendermonat, wenn die Eröffnung nach dem fünfzehnten Tag des Monats erfolgt ist, § 110 Abs. 1, Abs. 2 InsO.458) Dies gilt sowohl für rechtsgeschäftliche Verfügungen als auch für Verfügungen, die im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt sind (§ 110 Abs. 1, Abs. 2 InsO). In der Folgezeit kann ein Pfandrecht oder Pfändungspfandrecht wegen § 91 InsO nicht mehr insolvenzfest begründet werden. 806 Im Insolvenzverfahren kann ein nach § 49 InsO absonderungsberechtigter Grundpfandrechtsgläubiger nur durch einen Antrag auf Anordnung der Zwangsverwaltung eine bevorzugte Befriedigung aus den Mietansprüchen si-
___________ 455) BGH, Urt. v. 24.1.2008 – IX ZR 201/06, ZIP 2008, 608 = ZVI 2008, 208, dazu EWiR 2008, 309 (Eckert). 456) BGH, Urt. v. 9.3.2005 – VIII ZR 394/03, ZIP 2005, 1085 = ZfIR 2005, 708 (LS). 457) BGH, Urt. v. 9.3.2005 – VIII ZR 394/03, ZIP 2005, 1085 = ZfIR 2005, 708 (LS). 458) Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35 (m. Bespr. Mitlehner, S. 804) = ZfIR 2007, 465 (m. Anm. Zipperer, S. 466) = ZInsO 2006, 1321; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZIP 2006, 1554 = ZVI 2006, 448 = ZfIR 2007, 206 (m. Anm. Eckert, S. 208) = ZInsO 2006, 872; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, ZIP 2010, 38 = ZVI 2010, 58 = ZfIR 2010, 114 (LS) = ZInsO 2010, 43.
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XI. Arbeitsverhältnisse im eröffneten Insolvenzverfahren
cherstellen (§§ 146, 20 ZVG, 1123, 1124 BGB).459) Andernfalls ist der Insolvenzverwalter trotzt des bestehenden Hypothekenhaftungsverbandes zum Forderungseinzug zur Insolvenzmasse berechtigt, ohne, dass ein Absonderungsrecht zu berücksichtigen wäre. 7. Bankverträge, Mandatsverhältnisse, Beraterverträge (vgl. §§ 115, 116 InsO) Ein z. Zt. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehender Girokontover- 807 trag erlischt als Geschäftsbesorgungsvertrag „automatisch“ mit Eröffnung (§§ 115, 116 InsO). Ein eventuell noch vorhandener Auszahlungsanspruch ist vom Insolvenzverwalter zur Masse einzuziehen, sofern nicht insolvenzbeständige Sicherungsrechte des Kreditinstituts entgegenstehen (insbesondere AGB-Pfandrecht der Banken/Sparkassen). Verträge mit einem Rechtsanwalt oder Patentanwalt sind grundsätzlich Ge- 808 schäftsbesorgungsverträge, die gemäß §§ 115, 116 InsO mit Eröffnung erlöschen. Eventuelle Honorarrückstände sind Insolvenzforderung (§ 38 InsO). Soweit Vorschüsse geleistet wurden, sind sie vom Insolvenzverwalter zurückzufordern. Die Erteilung eines neuen Mandats durch den Insolvenzverwalter verpflichtet die Insolvenzmasse zur Begleichung der Honorarforderungen (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Auch Verträge mit einem Steuerberater sind grundsätzlich Geschäftsbesor- 809 gungsverträge, für die das Vorbeschriebene entsprechend gilt. Ein Zurückbehaltungsrecht an den Arbeitsergebnissen und Handakten (vgl. § 66 Abs. 4 Satz 1 StBerG) besteht nur hinsichtlich der eigenen Arbeitsergebnisse des Steuerberaters. Den Steuerberater trifft nach Beendigung des Mandats eine Herausgabepflicht hinsichtlich der Mandantenunterlagen und der Steuerbescheide; eine Zustimmung zur Datenübertragung gegenüber der DATEV besteht nur für von dem Schuldner eingegebene Daten, nicht jedoch für solche Daten, die unmittelbarer Bestandteil der Buchführung oder der „Jahresabschlussarbeiten“ sind.460) XI. Arbeitsverhältnisse im eröffneten Insolvenzverfahren 1. Arbeitsverhältnisse und deren Beendigung Auf den Bestand von Arbeitsverhältnissen hat die Eröffnung keinen Ein- 810 fluss.461) In der Insolvenz des Arbeitgebers tritt der Insolvenzverwalter mit ___________ 459) Vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2006 – IX ZR 133/05, ZIP 2007, 35 (m. Bespr. Mitlehner, S. 804) = ZfIR 2007, 465 (m. Anm. Zipperer, S. 466) = ZInsO 2006, 1321; BGH, Beschl. v. 13.7.2006 – IX ZB 301/04, ZIP 2006, 1554 = ZVI 2006, 448 = ZfIR 2007, 206 (m. Anm. Eckert, S. 208) = ZInsO 2006, 872.; BGH, Urt. v. 17.9.2009 – IX ZR 106/08, ZIP 2010, 38 = ZVI 2010, 58 = ZfIR 2010, 114 (LS) = ZInsO 2010, 43. 460) BGH, Urt. v. 11.3.2004 – IX ZR 178/03, ZIP 2004, 1267, dazu EWiR 2004, 1121 (Gräfe). 461) BAG, Urt. v. 15.12.1987 – 3 AZR 420/87, ZIP 1988, 327, dazu EWiR 1988, 389 (Schaub).
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
Eröffnung infolge des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 Abs. 1 InsO) in die Arbeitgeberstellung ein. 811 Der Insolvenzverwalter ist – wie jeder angestellte Arbeitnehmer – berechtigt, ein Dienst-/Arbeitsverhältnis jederzeit ordentlich zu kündigen (§ 113 Satz 1 InsO). Die Kündigungsfrist beträgt sowohl für den Insolvenzverwalter, als auch für den Mitarbeiter des schuldnerischen Betriebs drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist (§ 113 Satz 2 InsO). Der Anwendungsbereich des § 113 Satz 2 InsO umfasst alle Arbeitsverhältnisse, deren Kündigungsfristen länger sind als drei Monate. Gehen gesetzliche, tarifvertragliche oder einzelvertragliche Kündigungsfristen über den Dreimonatszeitraum hinaus, gibt § 113 Satz 2 InsO die Möglichkeit, diese auf die Höchstfrist von drei Monaten zu kappen.462) 812 Die vorgenannten Fristen gelten für jede ordentliche Kündigung. Das Recht zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung wird dadurch nicht berührt. 813 Wird die ordentliche Kündigung unter Ausnutzung der kürzeren Kündigungsfrist vom Insolvenzverwalter ausgesprochen, kann der Arbeitnehmer wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses Schadensersatzforderungen zur Insolvenztabelle anmelden (§§ 113 Satz 3, 38, 174 ff. InsO). Soweit vertraglich oder nach dem Charakter des Dienstverhältnisses geschuldet, sind arbeitsrechtliche Zustimmungen (z. B. des Betriebsrates, nach dem Schwerbehindertengesetz) selbstverständlich auch in der Insolvenz zu beachten. 2. Entgeltansprüche der Arbeitnehmer 814 Entgeltansprüche der Arbeitnehmer aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung sind grundsätzlich Insolvenzforderungen nach § 38 InsO und können zur Insolvenztabelle angemeldet werden (§§ 87, 38, 174 ff. InsO). 815 Für einen Zeitraum von maximal drei Monaten besteht über das Insolvenzgeld ein besonderer Schutz der Arbeitnehmer hinsichtlich der vor Eröffnung begründeten rückständigen Entgeltforderungen (ĺ hierzu ausführlich Rn. 276 ff.). 816 Ansprüche auf Zahlung von Arbeitsentgelt für die Zeit ab Insolvenzeröffnung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses sind Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. Dies gilt auch für den Fall, dass die Leistungen seitens des Arbeitnehmers nicht erbracht werden (z. B. wegen Freistellung oder Erkrankung). In den Fällen der Masseunzulänglichkeit wird der Rang nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 Abs. 1 InsO) von der Entscheidung bestimmt, ob der Insolvenzverwalter das Arbeitsver-
___________ 462) Vgl. LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 28.4.2004 – 3 Sa 551/03, NZI 2004, 638.
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XII. Insolvenzsteuerrecht, steuerliche und buchhalterische Pflichten
hältnisse fortführt oder unverzüglich kündigt.463) Eine Neu-Masseverbindlichkeit (§ 209 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 InsO) stellt das Entgelt für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Insolvenzverwalter nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit kündigen kann. Neu-Masseverbindlichkeiten werden gemäß § 209 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 3 InsO auch dann begründet, wenn der Insolvenzverwalter die Gegenleistung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit für die Insolvenzmasse in Anspruch nimmt. Wenn die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit infolge einer Freistellung nicht in Anspruch genommen wird, stellen diese nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit Alt-Masseverbindlichkeiten dar. Urlaubs- oder Urlaubsentgeltansprüche sind dem Zeitraum zuzuordnen, in 817 dem der Anspruch auf Urlaub tatsächlich erfüllt wird.464) Wird das Arbeitsverhältnis nach Eröffnung des Verfahrens beendet, ist der auf den Zeitraum entfallende Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. 3. Betriebsveräußerung in der Insolvenz Im Fall einer übertragenden Sanierung (Betriebsveräußerung), sind die Ar- 818 beitsverhältnisse inhaltsgleich vom Erwerbers fortzusetzen (§ 613a BGB). § 613a BGB wird in st. Rspr. auch für den Betriebsübergang nach Insolvenzeröffnung angewandt.465) Der Erwerber haftet jedoch nicht für Altverbindlichkeiten aus den Arbeits- 819 verhältnissen.466) Diese sind über die Insolvenz des (ehemaligen) Arbeitgebers abzuwickeln. Mit §§ 123, 124 InsO besteht im Insolvenzverfahren ebenso die Möglichkeit, im Rahmen eines Sozialplans einen sachgerechten Ausgleich zwischen Arbeitnehmerschutz und dem Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens herzustellen. XII. Insolvenzsteuerrecht, steuerliche und buchhalterische Pflichten 1. Grundlegendes Die handelsrechtlichen und steuerlichen Pflichten des Schuldners werden durch 820 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt, gehen jedoch auf den Insolvenzverwalter über, soweit die Insolvenzverwaltung reicht (§ 155 InsO). ___________ 463) BAG, Urt. v. 31.3.2004 – 10 AZR 253/03, ZIP 2004, 1323, dazu EWiR 2004, 815 (Bork). 464) BAG, Urt. v. 15.2.2005 – 9 AZR 78/04, ZIP 2005, 1653; BAG, Urt. v. 15.6.2004 – 9 AZR 431/03, ZIP 2004, 1660. 465) Vgl. BAG, Urt. v. 20.6.2002 – 8 AZR 459/01, ZIP 2003, 222; BAG, Urt. v. 26.3.1996 – 3 AZR 965/94, ZIP 1996, 1914, dazu EWiR 1997, 153 (Griebeling); BAG, Urt. v. 17.1.1980 – 3 AZR 160/79, ZIP 1980, 117. 466) Vgl. BAG, Urt. v. 20.6.2002 – 8 AZR 459/01, ZIP 2003, 222; BAG, Urt. v. 26.3.1996 – 3 AZR 965/94, ZIP 1996, 1914.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
821 Diese Pflicht umfasst bei einem laufenden Geschäftsbetrieb auch die Pflicht, die laufende Buchhaltung des Schuldnerbetriebs zu führen. Diese ist neben der „Insolvenzverwalterbuchhaltung“, die die Grundlage der Rechnungslegung (§ 66 InsO) darstellt, zu fertigen. Auch sind für den Zeitraum des eröffneten Verfahrens bzw. für die Zeit vor Eröffnung, soweit diese noch ausstehen, Jahresabschlüsse zu fertigen. Mit Eröffnung beginnt gemäß § 155 Abs. 2 InsO grundsätzlich ein neues Geschäftsjahr. Bis zur Eröffnung des Verfahrens besteht ein Rumpfgeschäftsjahr. Ab Eröffnung beginnt ein neuer, abweichender Geschäftsjahresrhythmus. Der Insolvenzverwalter ist jedoch befugt, das Geschäftsjahr so festzulegen, dass es dem ursprünglichen Geschäftsjahr entspricht.467) 822 Im Steuerschuldverhältnis nimmt der Insolvenzverwalter gemäß § 34 AO die Stellung als Vermögensverwalter ein, der die steuerlichen Pflichten der Eigentümer der Vermögen oder deren gesetzlicher Vertreter zu erfüllen hat. Damit einher geht die Pflicht des Insolvenzverwalters, dafür Sorge zu tragen, dass die Steuern aus den verwalteten Mitteln entrichtet werden (Haftungsschuldner). An der Eigenschaft als Steuerschuldner ändert sich nichts; dieser bleibt nach wie vor die insolvente Gesellschaft. 823 Für den Insolvenzverwalter ergibt sich die Steuererklärungspflicht aus seiner Rechtsstellung als Vermögensverwalter (§ 34 Abs. 3 AO). Nur er ist zur Abgabe von Steuererklärungen befugt (§ 58 Abs. 2 AO). Dies gilt sowohl hinsichtlich der Erklärungen, die auf den Veranlagungszeitraum im eröffneten Verfahren fallen als auch hinsichtlich der Erklärungen, die für die Zeit vor Verfahrenseröffnung noch ausstehen. 824 Die Einordnung und Geltendmachung von Steuerforderungen als Insolvenzforderung bzw. Masseverbindlichkeit richtet sich – mit Ausnahme der bereits dargelegten definierten Fiskusprivilegien – nach der Systematik der InsO (§ 251 Abs. 2 Satz 1 AO; §§ 38, 55 InsO). 825 Der dem Insolvenzschuldner zustehende Steuererstattungsanspruch (vgl. § 37 Abs. 2 AO) aus zu viel gezahlter Lohn-, Einkommen-, Umsatz-, Gewerbesteuer und sonstigen Steuerarten ist pfändbar und gehört zur Insolvenzmasse. 2. Beauftragung eines Steuerberaters 826 Die Fertigung von Steuererklärungen ist originäre Pflicht des Insolvenzverwalters. Soweit die Fertigung der Erklärungen den üblichen Umfang überschreitet und/oder besondere steuerrechtliche Fachkenntnisse erforderlich
___________ 467) BGH, Urt. v. 14.10.2014 – II ZB 20/13, ZIP 2015, 88, dazu EWiR 2015, 223 (Wachter).
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XII. Insolvenzsteuerrecht, steuerliche und buchhalterische Pflichten
sind, ist die Beauftragung eines Steuerberaters auf Kosten der Insolvenzmasse zulässig (§ 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV).468) 3. Besonderheiten bei einzelnen Steuerarten a) Körperschaftsteuer Die unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Körperschaften, Personen- 827 vereinigungen und Vermögensmassen (insbesondere Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, vgl. § 1 KStG) bleiben auch nach Insolvenzeröffnung Steuerpflichtiger (§ 33 AO). Die Körperschaftsteuer ist eine Jahressteuer und bemisst sich nach dem zu versteuernden Einkommen (§ 7 Abs. 1, Abs. 3 KStG). Die Steuer beträgt 15 % des zu versteuernden Einkommens (Steuersatz, § 23 KStG). Bei der Körperschaftsteuer ist eine Zuordnung des steuerpflichtigen Gewinns auf einzelne Geschäftsvorfälle grundsätzlich nicht möglich (vgl. § 7 Abs. 3 Satz 2 KStG). Die Steuerschuld ist für die Zeiträume vor und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe der in den einzelnen Abschnitten zu berücksichtigenden Besteuerungsmerkmale prozentual aufzuteilen. Stellt sich bei der Jahresveranlagung heraus, dass die Körperschaftsteuerjah- 828 resschuld geringer ist, als die entrichteten Vorauszahlungen und Abzugsbeträge, so fällt der danach vom Finanzamt zu erstattende Betrag in die Insolvenzmasse. Die Körperschaftsteuerpflicht endet – unabhängig von einer zivilrechtlichen 829 Auflösung – nicht vor Einstellung der werbenden Tätigkeit und nicht bevor die anschließende Liquidation rechtswirksam abgeschlossen wurde. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt nach § 155 Abs. 2 Satz 1 InsO ein neues Geschäftsjahr (regelmäßig 12 Monate, § 240 Abs. 2 Satz 2 HGB). Der Insolvenzverwalter ist befugt, den mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens neu beginnenden Geschäftsjahresrhythmus zu ändern. Das kann geschehen durch eine Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister, aber auch durch eine sonstige Mitteilung an das Registergericht.469) Bei der Liquidation tritt anstelle des Ermittlungszeitraums der Abwicklungs- 830 zeitraum, der regelmäßig mit der Auflösung, d. h. der rechtsgültigen Schlussverteilung beendet ist. Der Abwicklungszeitraum wird grundsätzlich zu einem Besteuerungszeitraum zusammengefasst, wobei die Höchstdauer drei Jahre ___________ 468) Vgl. BGH, Beschl. v. 11.11.2004 – IX ZB 48/04, ZIP 2005, 36 = ZVI 2005, 152 = ZInsO 2004, 1348 ff., dazu EWiR 2005, 833 (Henssler/Deckenbrock) in Fortführung von BGHZ 139, 309 = ZIP 1998, 1793, dazu EWiR 1998, 1125 (Henssler) ff. zur Beauftragung eines Rechtsanwalts: Ein Insolvenzverwalter darf, auch wenn er selbst Volljurist ist, Aufgaben, die ein Insolvenzverwalter ohne volljuristische Ausbildung im Allgemeinen nicht lösen kann, auf einen Rechtsanwalt übertragen und die dadurch entstehenden Auslagen aus der Masse entnehmen. 469) BGH, Urt. v. 14.10.2014 – II ZB 20/13, ZIP 2015, 88.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
nicht übersteigen soll (§ 11 Abs. 1 Satz 2 KStG). Beginn des verlängerten Besteuerungszeitraums ist im Insolvenzfall erst der Zeitpunkt der tatsächlichen Einstellung der werbenden Tätigkeit der Körperschaft. b) Lohnsteuerforderungen 831 Lohnsteuerforderungen in der Insolvenz des Arbeitgebers sind mit dem Zeitpunkt begründet, in dem der Lohn dem Arbeitnehmer zufließt (§§ 38 Abs. 2 Satz 2, 41 Abs. 1 EStG). Der Zufluss des Lohnes ist dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer die wirtschaftliche Verfügungsmacht darüber erhält. Für die Frage des Begründetseins i. S. v. § 38 InsO ist nicht auf die Entstehung der Lohnforderung, sondern auf den Zeitpunkt der Zahlung abzustellen. 832
An die Belegschaft geleistete Insolvenzgeldzahlungen (§§ 167 ff. SGB III) unterliegen weder der Einkommen- noch der Lohnsteuer (vgl. § 3 Nr. 2 lit. b) EStG). c) Gewerbesteuer 833 Der Gewerbesteuer unterliegt jeder Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Die Gewerbesteuer ist eine Jahressteuer (direkte Ertragssteuer). Steuerschuldner ist das Unternehmen (§ 5 GewStG). Die Verwaltungshoheit liegt grundsätzlich bei den Landesfinanzbehörden (Art. 108 Abs. 2 GG); eine Übertragung auf die Gemeinden ist zulässig (Art. 108 Abs. 4 GG). Die Finanzämter sind für Festsetzung und Zerlegung der Steuermessbeträge zuständig, die Gemeinden für die Festsetzung des Gewerbesteuerbetrages, die Erhebung der Gewerbesteuer etc. 834 Die für das Jahr der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund eines einheitlichen Messbetrags erhobene Gewerbesteuer ist aufzuteilen in eine Insolvenzforderung und in eine sonstige Masseverbindlichkeit i. S. d. § 55 InsO für den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. 835 Bei Personengesellschaften endet die Gewerbesteuerpflicht, wenn die werbende Tätigkeit (z. B. Produktion, Handeltreiben) endgültig eingestellt wird. Merke: Soweit zivilrechtlich die Auflösung der Personengesellschaft im Falle der Insolvenz vorgesehen ist, ist dies nicht relevant für die Steuerpflicht. 836 Bei Personengesellschaften erfolgt gemäß § 35 EStG eine Anrechnung der Steuerlast auf die Einkommensteuerschuld eines Einzelunternehmers oder eines Gesellschafters einer Personengesellschaft (seit 2008 i. H. d. 3,8-fachen des Gewerbesteuermessbetrages des Unternehmens, max. i. H. d. tatsächlich gezahlten Gewerbesteuer); die Anrechnung bezieht sich jedoch nur auf die anteilige Einkommensteuer, die auf Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu entrichten ist.
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XII. Insolvenzsteuerrecht, steuerliche und buchhalterische Pflichten
Bei Kapitalgesellschaften endet die Gewerbesteuerpflicht, wenn jede Art von 837 Tätigkeit beendet worden ist, insbesondere mit der Verwertung und Verteilung des gesamten Vermögens. Bei Kapitalgesellschaften gehört der Aufgabe-/Veräußerungsgewinn zum Gewerbeertrag. Diese Grundsätze gelten auch für die sachliche Gewerbesteuerpflicht in den Verfahren nach der InsO. d) Umsatzsteuer Beim Einzug von Forderungen durch den Insolvenzverwalter für vor Insol- 838 venzeröffnung erbrachte Leistungen wird durch die Entgeltvereinnahmung nicht nur bei der Ist-, sondern auch bei der Sollbesteuerung eine Masseverbindlichkeit (Umsatzsteuerforderung) begründet.470) Die BFH-Rechtsprechung vom 9.12.2010 erhebt damit eine grundsätzlich als Insolvenzforderung einzuordnende Insolvenzforderung in den Rang einer Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Daneben gelten gemäß § 55 Abs. 4 InsO Verbindlichkeiten des Insolvenz- 839 schuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Dies gilt für Verfahren, die ab dem 1.1.2011 beantragt wurden/werden.471) Abzustellen sei auf die Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt, nicht auf die Leistungserbringung (im vorläufigen Verfahren), sofern diesem die Einzugsermächtigung (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 3 InsO) erteilt wurde (siehe hierzu ausführlich ĺ Rn. 717 ff.).472) Im Bereich der Umsatzsteuer ist neben den bereits dargelegten Besonderheiten 840 aus dem Steuerschuldverhältnis dem Bereich der Organschaft Aufmerksamkeit zu widmen. Eine Umsatzsteuerorganschaft besteht, wenn eine juristische Person (Organgesellschaft) in ein anderes Unternehmen (Organträger) finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch eingegliedert ist (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 UStG).473) Steuerrechtlich führt dies dazu, dass nur ein Unternehmer im Sinne des UStG vorliegt. Der Organträger kann jeder Unternehmer i. S. v. § 2 UStG sein, die Organgesellschaften aber nur juristische Personen mit ihren inländischen Unternehmensteilen.
___________ 470) BFH, Urt. v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 (m. Bespr. Schmittmann, S. 1125 u. Welte/Friedrich-Vache, S. 1595), BStBl II 2011 S. 996 sowie hierzu BMF-Schreiben v. 20.5.2015 – GZ IV A 3 – S 0550/10/10020-05 – DOK 2015/0416027. 471) BMF-Schreiben v. 20.5.2015 – GZ IV A 3 – S 0550/10/10020-05 – DOK 2015/0416027, BStBl I S. 83. 472) BFH, 24.9.2014 – V R 48/13, DB 2014, 2870. 473) Zu den einzelnen Voraussetzungen der Umsatzsteuerorganschaft vgl. UStR A 21.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren ORGANSCHAFT Eingliederung Finanziell Abschn. 2.8 Abs. 5 UStAE
Wirtschaftlich
Organisatorisch
Abschn. 2.8 Abs. 6-6c UStAE
Abschn. 2.8 Abs. 7 – 11 UStAE
Ausrichtung nach den Beherrschung einer Kapitalgesellschaft durch wirtschaftlichen Interessen den Organträger (Andes Organträgers teilsbesitz > 50 % i. d. R. ausreichend)
Durchsetzung des Willens des Organträgers bei der Organgesellschaft (z. B. Personalunion)
841 Die drei Eingliederungsmerkmale müssen nebeneinander vorliegen, aber nicht gleichermaßen ausgeprägt sein. Eine organisatorische Eingliederung ist insbesondere dann gegeben, wenn der Wille des Organträgers in der Geschäftsführung der Organgesellschaft laufend durchgesetzt wird. Eine wirtschaftliche Eingliederung ist gegeben, wenn die Organgesellschaft nach dem Willen des Organträgers mit diesem in einem engen Zusammenhang wirtschaftlich tätig ist und ihn fördert bzw. ergänzt.474) Finanzielle Eingliederung liegt vor, wenn es dem Organträger nach den Stimmrechtsverhältnissen möglich ist, Beschlüsse in der Organgesellschaft durchzusetzen (grundsätzlich wenn der Organträger in direkter Linie mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % der Stimmrechte der Organgesellschaft hält). Für eine finanzielle Eingliederung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft reicht es nicht aus, wenn die die Stimmrechte vermittelnden Anteile nicht dem Gesamthandsvermögen, sondern den Gesellschaftern selbst zuzurechnen sind.475) 842 Bei Vorliegen einer Organschaft werden die Umsätze und Vorsteuerbeträge der Organgesellschaft dem Organträger zugeschrieben.476) Die umsatzsteuerlichen Besteuerungsgrundlagen der Organgesellschaft fließen in die Steueranmeldungen und -erklärungen des Organträgers ein. Alleiniger Steuerschuldner für alle Leistungen, die die jeweiligen Unternehmensteile des Organkreises gegenüber Dritten erbringen, ist der Organträger. Die Organschaft ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn im Ergebnis die Verteilung von Umsatzsteuerlast und Vorsteuerabzug gleichermaßen nach dem Verursacherprinzip erfolgt. Dies wird über den Ausgleichsanspruch (§ 426 BGB) zwischen Organträger und Organgesellschaft gelöst. Leistungsbeziehungen zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft (Organkreis) führen zu nicht steuerbaren Innenumsätzen.477) Organträger und Organgesellschaft sind aufgrund ihrer Stellung als Steuerschuldner (Organträger) und Haftungsschuldner gemäß § 73 AO (Organgesellschaft) nach der Rechtsprechung des BGH ___________ 474) 475) 476) 477)
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BFH v. 13.9.1989 – I R 110/88, BStBl II 1990, 24. BFH, Urt. v. 22.4.2010 – V R 9/09, BStBl II 2011, 597 = ZIP 2010, 1491. BFH, Urt. v. 19.5.2005, V R 31/03, BStBl. II 2005, 671. BFH, Urt. v. 17.1.2002, V R 37/00, BStBl. II 2002, 373.
XII. Insolvenzsteuerrecht, steuerliche und buchhalterische Pflichten
Gesamtschuldner i. S. v. § 421 BGB.478) Aufgrund seiner Steuerschuldnerschaft für die Umsätze des gesamten Organkreises steht dem Organträger daher zivilrechtlich ein Ausgleichsanspruch i. S. v. § 426 BGB gegen die Organgesellschaft auf Zahlung der Umsatzsteuer zu, die auf ihre Umsatztätigkeit entfällt. Die Umsatzzurechnung zum Organträger ohne zivilrechtlichen Innenausgleich würde dem Grundsatz der Belastungsneutralität widersprechen, da es sonst zu erheblichen Vermögensverschiebungen zwischen den am Organkreis beteiligten Rechtsträgern käme. Gleichermaßen wird dieser Grundsatz auf Unternehmensebene systemwidrig durchbrochen, wenn das Recht zum Vorsteuerabzug für die an eine Organgesellschaft erbrachten Lieferungen und Leistungen zivilrechtlich dem Organträger zugewiesen würde. Daher erfolgt die Verteilung von Umsatzsteuerlast und Vorsteuerabzugsrecht gleichermaßen nach dem Verursacherprinzip. Gegenstand des Ausgleichsanspruchs ist der Saldobetrag, der sich zulasten bzw. zugunsten der Organgesellschaft aus einer fiktiven auf die Organgesellschaft bezogenen Steuerberechnung ergibt. Dementsprechend geht der BGH von einem Ausgleichsanspruch in Höhe des Betrages aus, der sich aus den „internen“ Umsatzsteuervoranmeldungen der Organgesellschaft nach Saldierung von Vorsteuerbeträgen und „Umsatzsteuerschulden“ ergibt.479) Anders als das Umsatzsteuerrecht bei der Organschaft kennt das Insolvenz- 843 recht die Zusammenfassung von Verfahren über das Vermögen mehrerer Personen/Gesellschaften (noch) nicht. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses des Buches wurde ein Gesetz zum Konzern-Insolvenzrecht noch nicht verabschiedet.480) An der Stelle zeigt sich wiederum die fehlende Harmonisierung von Insolvenzrecht und Steuerrecht. Die Vermögensmassen der insolventen Gesellschaften und Personen sind trotz konzernmäßigen Verbundes insolvenzrechtlich getrennt abzuwickeln. Folge dieser insolvenzrechtlichen Einzelbetrachtung ist die Geltendmachung von Ansprüchen, die zwischen den Personen bestehen, die umsatzsteuerrechtlich einem Organkreis angehören, nur nach den allgemeinen insolvenzrechtlichen Regelungen. Der insolvenzrechtliche Einzelverfahrensgrundsatz spricht daher gegen den Fortbestand der Organschaft bei einer Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers. Folgt man der jüngsten Rechtsprechung des BFH, bestehen ernstliche Zweifel am Fortbestand der umsatzsteuerlichen Organschaft nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Organträgers oder der Organgesellschaft.481) ___________ 478) BGH, Urt. v. 29.1.2013 – II ZR 91/11, ZIP 2013, 409, dazu EWiR 2013, 187 (Schmittmann). 479) BGH, Urt. v. 29.1.2013 – II ZR 91/11, ZIP 2013, 409; BFH, Beschl. v. 19.3.2014 – V B 14/14, DB 2014, 934. 480) Vgl. zum Gesetzgebungsverfahren Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen (KIG) BT-Drucks. 18/407 v. 30.1.2014. 481) BFH, Beschl. v. 19.3.2014 – V B 14/14, DB 2014, 934.
203
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren Praxistipp: Die körper- und gewerbesteuerrechtliche Organschaft besteht immer nur für volle Wirtschaftsjahre oder Rumpfwirtschaftsjahre. Die umsatzsteuerliche Organschaft kann während eines Besteuerungszeitraums enden.
844 In der Insolvenz der Organgesellschaft endet die organschaftliche Eingliederung mit Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters (mit Zustimmungsvorbehalt, § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2).482) Der schwache vorläufige Insolvenzverwalter ist zur Massesicherung verpflichtet, sodass er seine Zustimmung zur Zahlung des Ausgleichsanspruchs (§ 426 Abs. 1 BGB) verweigern wird. Die Umsatzsteuer der Organgesellschaft wird ab Anordnung der schwachen vorläufigen Verwaltung der Organgesellschaft (und nicht mehr dem Organträger) zugerechnet (Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 4 InsO). Identische Grundsätze gelten erst recht bei Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters. 845 Der Vorsteuerberichtigungsanspruch nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG entsteht mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters.483) Praxistipp: Die Auffassung des BFH wird seitens der Finanzverwaltung nicht umfänglich geteilt. Die Anwendung des BFH-Urteils vom 8.8.2013484) über den Einzelfall hinaus wurde bislang vor dem Hintergrund der Vorabentscheidungen (EuGH-Vorlage) des BFH in den Verfahren XI R 17/11 und XI R 38/12 abgelehnt, da § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtsformneutralität, wonach nur juristische Personen Organgesellschaften sein können und folglich Unternehmen in Abhängigkeit von ihrer Rechtsform in sachlich nicht gerechtfertigter Weise unterschiedlich behandelt werden, verstoßen dürfte.
846 Die Organschaft ist – folgt man der BFH-Auffassung nicht, spätestens – mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Organgesellschaft beendet.485) Dies gilt auch bei einer Insolvenzeröffnung unter gleichzeitiger Anordnung der Eigenverwaltung.486) Die Umsatzsteuer auf Lieferungen und Leistungen der Organgesellschaft werden ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Organgesellschaft als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zugerechnet. Die Umsatzsteuer auf noch nicht vereinnahmte Entgelte für Ausgangsleistungen der Organgesellschaft sind im Fall der Sollversteuerung im Voranmeldungszeitraum der Beendigung der Organschaft gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG i. V. m. Abs. 1 Satz 1 UStG zu berich___________ 482) BFH, Urt. v. 8.8.2013 – V R 18/13, ZIP 2013, 1773 = BFHE 242, 433, dazu EWiR 2013, 619 (Onusseit). 483) BFH, Urt. v. 3.7.2014 – V R 32/13, ZIP 2014, 2045, dazu EWiR 2014, 719 (Schmittmann). 484) BFH, Urt. v. 8.8.2013 – V R 18/13, ZIP 2013, 1773 = BFHE 242, 433. 485) BFH, Urt. v. 13.3.1997 – V R 96/96, ZIP 1997, 1656, dazu EWiR 1997, 857 (Onusseit). 486) BFH, Urt. v. 19.3.2014 – V B 14/14, BFH/NV 2014, 999 = ZIP 2014, 889, dazu EWiR 2014, 329 (Debus/Elpers).
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XII. Insolvenzsteuerrecht, steuerliche und buchhalterische Pflichten
tigen, da sie nicht mehr durch die Organgesellschaft vereinnahmt werden können.487) Die Berichtigung erfolgt durch Festsetzung gegenüber dem Organträger. Soweit der Insolvenzverwalter (Vermögen: Organgesellschaft) später diese Beträge vereinnahmt, erfolgt eine erneute Berichtigung nach § 17 UStG bei der Organgesellschaft als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Bei unbezahlten Eingangsrechnungen für Leistungsbezüge der Organgesellschaft ist die Vorsteuer im Voranmeldungszeitraum der Beendigung der Organschaft gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen, da mit der Beendigung der Organschaft Uneinbringlichkeit eintritt.488) Die Vorsteuerberichtigung erfolgt durch Festsetzung gegenüber dem Organträger. Leistet der Insolvenzverwalter (Vermögen: Organgesellschaft) Zahlungen auf die Insolvenzquote, ist die Vorsteuerberichtigung im Bereich der Insolvenzmasse der Organgesellschaft zu erfassen. Praxistipp: Die Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung führt nicht zum Ende der Organschaft, da Verfügungseinschränkungen grundsätzlich nicht bestehen, sodass auch der Ausgleichsanspruch nach wie vor durchsetzbar ist (Ausnahme: Beendigung der Organschaft beim Vorbehalt der Kassenführung zugunsten des vorläufigen Sachwalters, §§ 270a Abs. 1 Satz 2, 275 Abs. 2 InsO).
In der Insolvenz des Organträgers bleibt das Organschaftsverhältnis mit 847 Anordnung der schwachen bzw. starken vorläufigen Insolvenzverwaltung bestehen; dass der schwache vorläufige Verwalter des Organträgers einer Zahlung an die Organgesellschaft die Zustimmung verweigert, ist unmaßgeblich, da es zur Einordnung als Organschaft auf die Möglichkeit der Willensdurchsetzung des Organträgers bei der Organgesellschaft ankommt (nicht umgekehrt). Die Umsatzsteuer auf Lieferungen und Leistungen der Organgesellschaft werden weiterhin dem Organträger zugerechnet, jedoch nicht als Masseverbindlichkeiten gemäß § 55Abs. 4 InsO beim Organträger erfasst. Die Organgesellschaft haftet aber für die Nichterfüllung dieser Umsatzsteuer gemäß § 73 AO, sodass insoweit Besteuerungsgrundlagen i. S. v. § 55 Abs. 4 InsO vorliegen. Wird über das Vermögen des Organträgers das Insolvenzverfahren eröffnet, 848 endet (spätestens) die organisatorische Eingliederung.489) Die Organgesellschaft wird selbständiger Unternehmer und hat die Umsatzsteuerpflicht ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Organträgers selbstständig zu erfüllen (soweit solvent als reguläre Umsatzsteuer, soweit insolvent als Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die Umsatzsteuer auf noch nicht vereinnahmte Entgelte für Ausgangsleistungen der Organgesellschaft sind im Fall der Sollversteuerung im Voranmeldungszeit___________ 487) Auswirkungen in Anwendung der Entscheidung des BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 (m. Bespr. Schmittmann, S. 1125 u. Welte/Friedrich-Vache, S. 1595). 488) BFH, Urt. v. 8.8.2013 – V R 18/13, ZIP 2013, 1773 = BFHE 242, 433. 489) BFH, Beschl. v. 19.3.2014 – V B 14/14, DB 2014, 934.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
raum der Beendigung der Organschaft gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen, da sie nicht mehr durch die Organgesellschaft vereinnahmt werden können.490) Die Umsatzsteuer auf noch nicht vereinnahmte Entgelte für Ausgangsleistungen des Organträgers sind im Fall der Sollversteuerung im Voranmeldungszeitraum der Beendigung der Organschaft gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen, da sie nicht mehr durch den Organträger vereinnahmt werden können.491) Die Berichtigung erfolgt durch Festsetzung/Anmeldung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Organträgers. Soweit die Organgesellschaft später diese Beträge vereinnahmt, erfolgt eine erneute Berichtigung nach § 17 UStG bei der Organgesellschaft (ggf. als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Soweit der Organträger später diese Beträge vereinnahmt, erfolgt eine erneute Berichtigung nach § 17 UStG bei der Organgesellschaft als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Bei unbezahlten Eingangsrechnungen für Leistungsbezüge der Organgesellschaft ist die Vorsteuer im Voranmeldungszeitraum der Beendigung der Organschaft gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen, da mit der Beendigung der Organschaft Uneinbringlichkeit eintritt.492) Die Berichtigung erfolgt durch Anmeldung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Organträgers. Leistet die bisherige Organgesellschaft auf diese Verbindlichkeiten, erfolgt eine erneute Vorsteuerberichtigung bei der Organgesellschaft. Bei unbezahlten Eingangsrechnungen für Leistungsbezüge des Organträgers ist die Vorsteuer im Voranmeldungszeitraum der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 UStG zu berichtigen. Die Berichtigung erfolgt durch Anmeldung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Organträgers. Leistet der bisherige Organträger auf diese Verbindlichkeiten, erfolgt eine erneute Vorsteuerberichtigung bei dem Organträger. XIII. Vollstreckungsverbot und Rückschlagsperre 1. Vollstreckungsverbot (§ 89 InsO) § 89 Abs. 1 InsO Vollstreckungsverbot
849
(1) Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger sind während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig. […]
850 Das in § 89 Abs. 1 InsO normierte Vollstreckungsverbot gilt für alle Insolvenzgläubiger über die gesamte Dauer des eröffneten Verfahrens und bezieht ___________ 490) Auswirkungen in Anwendung der Entscheidung des BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 (m. Bespr. Schmittmann, S. 1125 u. Welte/Friedrich-Vache, S. 1595). 491) Auswirkungen in Anwendung der Entscheidung des BFH v. 9.12.2010 – V R 22/10, ZIP 2011, 782 (m. Bespr. Schmittmann, S. 1125 u. Welte/Friedrich-Vache, S. 1595). 492) BFH, Urt. v. 8.8.2013 – V R 18/13, ZIP 2013, 1773 = BFHE 242, 433.
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XIII. Vollstreckungsverbot und Rückschlagsperre
sich sowohl auf Vollstreckungsmaßnahmen in Gegenstände der Masse, als auch in sonstiges (insolvenzfreies) Schuldnervermögen.493) Aus- und Absonderungsrechte bleiben von § 89 InsO unberührt. Unzulässig sind der Beginn und auch die Fortsetzung einer bereits begonnenen 851 Vollstreckungsmaßnahme, wobei § 89 Abs. 1 InsO keine Auswirkungen auf die materielle Wirksamkeit einer einmal erlangten öffentlich-rechtlichen Verstrickung hat. Seinem Sinn und Zweck nach zielt § 89 Abs. 1 InsO auf den Erhalt der Haf- 852 tungsmasse zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger ab. Das Verbot gilt hinsichtlich der massebefangenen Gegenstände ebenfalls für Gläubiger, deren Forderungen nach der Verfahrenseröffnung begründet wurden (Neugläubiger). 2. Vollstreckungsverbot für Massegläubiger (§ 90 InsO) Massegläubiger, denen eine Forderung zusteht, die nicht durch Rechtshand- 853 lungen des Insolvenzverwalters begründet wurden, ist für die Dauer von sechs Monaten ab Eröffnung die Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung untersagt (§ 90 Abs. 1 InsO). § 90 Abs. 1 InsO erfasst demnach die sog. oktroyierten Masseverbindlichkeiten, soweit nicht in § 90 Abs. 2 InsO Ausnahmen definiert sind. Im Übrigen besteht für Massegläubiger kein Vollstreckungsverbot. 3. Rückschlagsperre (§ 88 InsO) Im Wege der Zwangsvollstreckung an Massegegenständen erlangte Sicher- 854 heiten werden mit Insolvenzeröffnung unwirksam, soweit die Sicherheitenerlangung im letzten Monat vor bzw. nach dem Insolvenzantrag erfolgte (Rückschlagsperre, § 88 Abs. 1 InsO). Die Unwirksamkeit tritt mit Eröffnung des Verfahrens ohne weitere Erklärungen oder Handlungen des Insolvenzverwalters kraft Gesetzes (ipso iure) ein. Abzustellen ist auf den Zeitpunkt, in dem die Wirkungen des Pfändungspfandrechtes bzw. der Beschlagnahme eintreten (z. B. bei beweglichen Gegenständen die Inbesitznahme durch den Gerichtsvollzieher, § 808 Abs. 1, 2 ZPO, bei der Forderungspfändung die Zustellung an den Drittschuldner, §§ 829 Abs. 3, 846 ZPO). Bei der Pfändung künftig erst entstehender Forderungen entsteht das Pfandrecht erst in dem Moment des Entstehens der gepfändeten Forderung selbst.494) Die Fristberechnung folgt § 139 InsO. Die Rückschlagsperre bewirkt eine absolute, gegenüber jedermann wirkende, 855 jedoch zeitlich auf die Dauer des Insolvenzbeschlags beschränkte Unwirk___________ 493) BGH, Beschl. v. 12.2.2009 – IX ZB 112/06), ZIP 2009, 818 = ZInsO 2009, 830, = ZVI 2009, 205 = ZfIR 2009, 482 (m. Kurzanm. Hawelka, S. 483). 494) BGH, Urt. v. 20.3.2003 – IX ZR 166/02), ZIP 2003, 808 = ZInsO 2003, 372, dazu EWiR 2003, 533 (Hölzle); BGH, Urt. v. 22.1.2004 – IX ZR 39/03, ZIP 2004, 513 = ZVI 2004, 188 = ZInsO 2004, 270; OLG Frankfurt, Urt. v. 22.1.2003 – 17 U 69/02, ZInsO 2003, 283.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
samkeit (nach BGH „schwebende Unwirksamkeit“495)). Fällt eine Immobilie in die Insolvenzmasse, die nach Insolvenzeröffnung vom Insolvenzverwalter freigegeben wird, lebt eine Zwangssicherungshypothek im Moment der Freigabe unter Beibehaltung der bis dato nicht gelöschten, ggf. aber um einen Rangvermerk zu ergänzenden Grundbuchposition wieder auf.496) 856 § 88 InsO ist Ausfluss des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes und ergänzt das Anfechtungsrecht (ĺ Rn. 654 ff.). Soweit ein Insolvenzgläubiger aufgrund einer im maßgeblichen Zeitraum erlangten Sicherheit Befriedigung erfährt, ist die Vollstreckungsmaßnahme aufgrund der Rückschlagsperre kraft Gesetzes mit Eröffnung des Verfahrens unwirksam. Die Rückschlagsperre hat jedoch keinen Einfluss auf die erlangten Befriedigungen; diese sind durch Erklärung der Anfechtung über § 143 InsO zur Masse zurückzuverlangen. Befriedigungen, die im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt wurden, sind i. d. R. inkongruente Deckungen i. S. v. § 131 InsO.497) XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss 1. Grundlagen der Schlussrechnungslegung und der Schlussberichterstattung a) Rechnungslegung – eröffnetes Verfahren 857 Zielsetzung des Insolvenzverfahrens ist die gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung und, soweit darstellbar, die Sanierung des Schuldnerunternehmens. Das Insolvenzverfahren dient als gesetzliches Ordnungsverfahren der Haftungsverwirklichung und der Sanierung. Der Insolvenzverwalter agiert bei der Vermögensverwertung als Partei kraft Amtes und Fremdvermögensverwalter. Er ist bei Beendigung seines Amtes zur Rechnungslegung gegenüber der Gläubigerversammlung verpflichtet (§ 66 Abs. 1 Satz 1 InsO). Eine Vorprüfung der Schlussrechnung obliegt dem Insolvenzgericht (§ 66 Abs. 2 Satz 1 InsO). 858 Die Schlussrechnungslegung erfolgt i. d. R. durch Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben. Die Schlussrechnung baut auf der laufenden Rechnungslegung des Verwalters und den vorgelegten Berichten und Verzeichnissen auf. Die Rechnungslegung muss hinsichtlich der Buchungsvorgänge so beschaffen sein, dass sämtliche Geschäftsvorfälle richtig, vollständig, zeitnah und ordentlich aufgezeichnet worden sind.
___________ 495) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/04, ZInsO 2006, 261. 496) BGH, Urt. v. 19.1.2006 – IX ZR 232/04, ZInsO 2006, 261. 497) Vgl. zum aktuellen Stand der geplanten Gesetzesänderung im Bereich des Anfechtungsrechts Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz (RefE v. 16.3.2015, http://www.bmjv.de).
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XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss Praxistipp: Bei Fortführung eines Unternehmens obliegt dem Insolvenzverwalter die Führung der Buchhaltung sowohl des Schuldners als auch die Buchhaltung über die Verwertung der Massegegenstände.
Das Zahlenwerk Verwalterbuchhaltung wird regelmäßig und zum besseren 859 Verständnis textlich erläutert im Schlussbericht, der den Verfahrensverlauf zusammengefasst und abschließend schildert. Insbesondere werden die Verwertungsergebnisse, eventuelle Schwierigkeiten oder Hindernisse, die sich im Zuge der Verwertung gezeigt haben sowie die Verwertungserfolge dargestellt. Die Verfahrensbeteiligten erhalten ein vollständiges Bild über die vom Insolvenzverwalter entfalteten Tätigkeiten und somit eine Grundlage für die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Verwaltertätigkeit und Rechnungslegung. Bestandteil eines jeden Schlussberichts ist zudem die Darlegung der Art und 860 der Höhe der Abgeltung von Sicherheiten Einzelner. Den Gläubigern gereicht der Schlussbericht als Information über die voraussichtlich zu erwartende Befriedigung aus der Verwertung der Insolvenzmasse (Quotenprognose). Um diesen umfassenden Rechnungslegungs- und Informationspflichten Ge- 861 nüge zu tun, bedarf es einer umfassenden Vorbereitung der Schlussrechnungslegung und des Schlussberichts. Merke: Ein Verfahren erlangt regelmäßig Abschlussreife, wenn die Vermögensverwertung abgeschlossen und die Klärung aller Gläubigerforderungen und Abgeltung aller Sicherheiten beendet sind. b) Rechnungslegung – Antragsverfahren Auch der vorläufige Insolvenzverwalter ist – unabhängig von der Unter- 862 scheidung „schwacher“ oder „starker“ vorläufiger Insolvenzverwalter – bei Beendigung seines Amtes zur Rechnungslegung verpflichtet (§ 21 Abs. 2 Satz. 1 Nr. 1 InsO i. V. m. § 66 InsO). Adressaten der Rechnungslegung sind das Insolvenzgericht und wohl auch der Schuldner (§§ 666, 259 BGB).498) Die Rechnungslegung folgt den Maßstäben, die auch für die Rechnungslegung des Insolvenzverwalters gelten. Praxistipp: Wird der vorläufige Insolvenzverwalter mit Eröffnung zum Insolvenzverwalter bestellt (Personenidentität), ist ob der Amtsverschiedenheit für beide Verfahrensabschnitte (vorläufiges Verfahren und eröffnetes Verfahren) gesondert Rechnung zu legen.
___________ 498) Hierzu Zimmer, Insolvenzbuchhaltung, Rn. 802 f.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
2. Vorbereitung des Verfahrensabschlusses und Einzelheiten zur Rechnungslegung und zum Schlussberichtswesen a) Vermögensverwertung 863 Ein Insolvenzverfahren hat regelmäßig dann Abschlussreife erlangt, wenn die Vermögensverwertung vollständig abgeschlossen ist. Stehen noch einzelne Vermögenswerte zur Verwertung aus, ist zu prüfen, ob absehbar eine Verwertung abgeschlossen werden kann. In diesem Fall sollte mit der Schlussrechnungslegung noch zugewartet werden. Andernfalls gilt es zu prüfen, ob hinsichtlich des Erlöses aus der Verwertung des Gegenstandes die Nachtragsverteilung (§ 203 InsO) angeordnet werden kann (ĺ Rn. 882 ff.). 864 Im Schlussbericht ist zu jedem einzelnen Vermögenswert zu erläutern, aus welchen Gründen das ausgewiesene Verwertungsergebnis erzielt wurde. Ausgangspunkt der Erläuterungen sind die Werte, die sich aus der auf den Stichtag der Eröffnung erstellten Vermögensübersicht (§ 153 InsO, ĺ Rn. 377 ff.) ergeben. Diese weist den voraussichtlich zu erwartenden Verwertungserlös aus (Prognosewert). Die bei der Verwertung des Gegenstandes erzielten Erlöse weichen einmal mehr, einmal weniger von diesem Prognosewert ab. Im Schlussbericht ist (spätestens!) zu erläutern, aus welchen Gründen ein vom prognostizierten Wert abweichender Erlös erzielt wurde und worauf eventuelle Verwertungsschwierigkeiten bzw. eine die Prognosewerte übersteigende Erlöserzielung zurückzuführen sind. 865 Der Insolvenzverwalter hat im Verlauf des Insolvenzverfahrens fortlaufend Bericht über seine Tätigkeiten zu erstatten. Wurden diese Zwischenberichte sorgfältig geführt, kann der Schlussbericht auf der Basis des Berichts zur ersten Gläubigerversammlung sowie den nachfolgenden Zwischenberichten aufgebaut und die Verwertungshistorie nachvollzogen werden. Bei Bedarf sind zusätzliche Informationsquellen hinzuzuziehen (z. B. Handakten von Prozessen etc.). Wurde das Modell der fortgeschriebenen Berichterstattung gewählt (ĺ Rn. 377 ff.), bilden die tabellarischen, fortgeschriebenen Übersichten ebenfalls die Historie und das Ergebnis der Verwertung ab. b) Abgeltung von Sicherungsrechten 866 In Vorbereitung des Schlussberichts und der Schlussrechnungslegung ist ebenfalls zu prüfen, ob sämtliche Sicherungsrechte berücksichtigt und korrekt abgegolten wurden. Zu prüfen ist zudem, ob die verwaltete Masse um die auszusondernden Gegenstände bereinigt wurde. c) Forderungsprüfung und Schlussverzeichnis (Verteilungsverzeichnis) 867 Die Verteilung der Insolvenzmasse an die Gläubiger erfolgt auf der Basis eines Schlussverzeichnisses (§ 188 InsO) an die Gläubiger, deren Forderungen uneingeschränkt festgestellt sind, und ist vom Insolvenzverwalter vorzunehmen (§ 187 Abs. 3 Satz 1 InsO).
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XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss
In umfangreicheren Verfahren werden Ausschüttungen auch bereits im 868 Rahmen von Abschlagsverteilungen vor der Schlussverteilung vorgenommen, da sich die Verwertungstätigkeiten über einen längeren Abwicklungszeitraum hinziehen können. Ein Insolvenzgläubiger, dessen Forderung nicht festgestellt ist und für des- 869 sen Forderung ein vollstreckbarer Titel oder ein Endurteil nicht vorliegt, muss den Widerspruch im Feststellungsprozess verfolgen. Er hat spätestens innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung des Schlussverzeichnisses dem Insolvenzverwalter nachzuweisen, dass und für welchen Betrag die Feststellungsklage erhoben oder das Verfahren in dem früher anhängigen Rechtsstreit aufgenommen ist (§ 189 Abs. 1 InsO). Wird der Nachweis rechtzeitig geführt, so wird der auf die Forderung entfallende Anteil für die Dauer des Rechtsstreits zurückgestellt (§ 289 Abs. 2 InsO); andernfalls wird die Forderung bei der Verteilung nicht berücksichtigt. Ein Gläubiger, der zur abgesonderten Befriedigung berechtigt ist, hat spätestens innerhalb der Ausschlussfrist (§ 189 Abs. 1 InsO) nachzuweisen, dass und für welchen Betrag er auf abgesonderte Befriedigung verzichtet hat oder bei ihr ausgefallen ist (§ 190 Abs. 1 InsO). Wird der „endgültigen Ausfallnachweis“ nicht rechtzeitig geführt, wird die Forderung bei der Verteilung nicht berücksichtigt. Praxistipp: Werden einzelne Verfahrensabschnitte oder Bearbeitungsprozesse in unterschiedlicher Sachbearbeiterzuständigkeit bearbeitet, bedarf es eines optimierten Prozessablaufs, einer sorgfältigen Arbeitsdokumentation und einer reibungslosen und fortlaufenden Kommunikation an den Schnittstellen, da andernfalls effiziente und wirtschaftliche Verfahrensabwicklung nicht darstellbar ist.
Die Vorbereitung des Verfahrensabschlusses bedarf auch einer Bereinigung 870 der Insolvenztabelle. Es ist darauf zu achten, dass keine ungeprüften Forderungen mehr vorliegen. Ggf. empfiehlt sich, vor Einreichung des Schlussberichtes und der Schlussrechnungslegung, gegenüber dem Insolvenzgericht anzuregen, einen Nachprüfungstermin (ĺ Rn. 751 ff.) anzuberaumen (§ 177 InsO). So ist gewährleistet, dass alle angemeldeten Forderungen geprüft sind. Forderungen, die nach Veröffentlichung und Niederlegung des Schlussverzeichnisses angemeldet werden, nehmen nicht mehr an einer Schlussverteilung teil.499) Es ist darauf hinzuwirken, dass alle angemeldeten Forderungen mit dem abschließenden Prüfergebnis in der Tabelle angetragen sind. Auf der Grundlage der „bereinigten Tabelle“ stellt der Insolvenzverwalter das Schlussverteilungsverzeichnis auf (§ 188 InsO), aus der die Summe der Forderungen und der für die Verteilung verfügbare Betrag hervorgehen. Beide Werte sind zudem öffentlich bekannt zu machen. Das Verzeichnis wird auf der Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts zur Einsicht der Beteiligten niedergelegt. ___________ 499) BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZB 8/05, ZIP 2007, 876 = ZVI 2007, 267.
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C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
871 In das Verzeichnis sind folgende Forderungen aufzunehmen: x
Festgestellte Forderungen (§§ 178 Abs. 1, 183 InsO);
x
vom Insolvenzverwalter bestrittene Forderungen, bei denen im Prüfungstermin ein vollstreckbarer Schuldtitel, ein Endurteil oder ein Vollstreckungsbefehl vorliegt (§ 179 Abs. 2 InsO);
x
nicht festgestellte Forderungen, wenn gegenüber dem Verwalter die Erhebung der Feststellungsklage oder die Aufnahme eines Rechtsstreits nachgewiesen ist (§ 189 InsO);
x
bedingte Forderungen, wenn bei der auflösend bedingten Forderung die Bedingung nicht eingetreten bzw. bei aufschiebend bedingten Forderungen die Anwartschaft nicht aussichtslos ist (§ 191 InsO);
x
Ausfallforderungen, wenn der absonderungsberechtigte Gläubiger nachweist, dass die Verwertung des Absonderungsguts betrieben wird und den Betrag des mutmaßlichen Ausfalls glaubhaft macht (§ 190 Abs. 2 InsO) bzw. wenn der Absonderungsberechtigte auf sein Absonderungsrecht verzichtet.
872 Der Insolvenzverwalter haftet für die Richtigkeit und Vollständigkeit des Verteilungsverzeichnisses.500) 873 Eine Änderung des Verteilungsverzeichnisses nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 189 Abs. 1 InsO ist nur durch einen Beschluss des Insolvenzgerichts aufgrund der Einwendung eines Gläubigers, die nur mündlich im Schlusstermin selbst erhoben werden kann (§ 197 InsO), möglich. Eine Verteilung auf nicht in das Verzeichnis aufgenommene Forderungen ist nach Ablauf der Ausschlussfrist, innerhalb derer Gläubiger Einwendungen gegen das Verzeichnis erheben können (§§ 189, 194, 197 InsO), ausgeschlossen. 874 Im Fall der Eigenverwaltung wird das Verteilungsverzeichnis vom Schuldner erstellt und ist anschließend niederzulegen (§ 283 Abs. 2 InsO). d) Buchführung und Steuern 875 Bei Einleitung des Verfahrensabschlusses ist zu prüfen, ob die steuerlichen und buchhalterischen Pflichten i. S. d. § 155 InsO („Schuldnerbuchhaltung“, ĺ Rn. 820 ff.) erfüllt wurden. Im Schlussbericht sind zum Stand der Buchhaltung angesichts der Pflicht des Insolvenzverwalters (§ 155 InsO) Ausführungen zu machen. Diese Ausführungen betreffen ausschließlich die Schuldnerbuchhaltung und sind nicht identisch mit der auf die Insolvenzmasse bezogenen Verwalterbuchhaltung und Schlussrechnungslegung.
___________ 500) Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 29.11.1982 – 5 U 232/81, ZIP 1983, 341.
212
XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss
e) Vertragsverhältnisse und Arbeitsverhältnisse In Vorbereitung des Verfahrensabschlusses empfiehlt sich die Prüfung, ob alle 876 Vertrags- und Arbeitsverhältnisse ordnungsgemäß beendet und in welchem Umfang eventuell aus der einstweiligen Fortsetzung resultierende Masseverbindlichkeiten bereits bedient wurden bzw. unter Beachtung der Verteilungsreihenfolge (vgl. insbesondere §§ 53, 209 InsO) noch zu begleichen sind. Im Schlussbericht ist zu den Kündigungen, den Gründen für eine eventuelle 877 Fortsetzung des Vertrags-/Arbeitsverhältnisses, zu Sozialplanregelungen, den Umständen eines Betriebsübergangs u. Ä. zu schildern.
f) Insolvenzbuchhaltung Die spezifische Insolvenzbuchhaltung wird in der ganz überwiegenden Zahl 878 der Verwalterbüros in speziellen, auf den insolvenzspezifischen Bedarf ausgerichteten Softwareprogrammen geführt. Die Buchhaltung ist die Grundlage der Rechnungslegung. Wurde im Verfahren sorgfältig und richtig gebucht, kann die Schlussrechnung bei Verfahrensabschluss „auf Knopfdruck“ erstellt werden. In Vorbereitung dessen ist die Buchhaltung einer Prüfung zu unterziehen, ob 879 alle Buchungen vollständig und richtig sind (d. h. buchhalterisch korrekt, das richtige Konto, keine „ungeklärten Einnahmen“, keine unbegründeten „durchlaufenden Posten“)? In der Verwalterpraxis problematisch ist regelmäßig der nicht einheitlich de- 880 finierte Kontenrahmen für Insolvenzverfahren. Einige Experten haben sich dem Ziel verschrieben, dieses Problem anzugehen und einen standardisierten Kontenplan auszuarbeiten. Die Verwaltertätigkeit stellt dabei hohe Anforderungen, da eine Harmonisierung von insolvenzspezifischen Besonderheiten, buchhalterischen Vorgaben sowie steuerlichen und handelsrechtlichen Aspekten angestrebt werden muss. Hinzu kommt, dass die Bestrebungen zur Vereinheitlichung eines fortgeschriebenen, standardisierten Berichtswesens ebenfalls eingearbeitet werden könnten und perspektivisch wohl auch sollten. g) Aufbauvorschlag eines Schlussberichts 881
Praxistipp: Roter Faden – Aufbau eines Schlussberichts I.
Allgemeines 1.
Verfahrensdaten
2.
Unternehmensdaten
II.
Situation bei Eröffnung des Verfahrens und ergriffene Maßnahmen im Eröffnungsverfahren
III.
Vertragsverhältnisse
213
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren IV.
Arbeitsverhältnisse
V.
Handels- und steuerrechtliche Rechnungslegung (§ 155 InsO)
VI.
Verwertungs- und Abwicklungsmaßnahmen
VII. Rechtsstreitigkeiten (Aktivprozesse/Passivprozesse) VIII. Noch nicht liquidiertes Vermögen und Nachtragsverteilung IX.
Insolvenztabelle
X.
Schlussrechnung
XI.
1.
Massebestand
2.
Verfahrenskosten
3.
Masseverbindlichkeiten
4.
Insolvenzforderungen
5.
Schlussverteilung und Quotenprognose
Verfahrensabschluss
h) Nachtragsverteilung § 203 Abs. 1, 2 InsO
882
(1) Auf Antrag des Insolvenzverwalters oder eines Insolvenzgläubigers oder von Amts wegen ordnet das Insolvenzgericht eine Nachtragsverteilung an, wenn nach dem Schlusstermin 1.
zurückbehaltene Beträge für die Verteilung frei werden,
2.
Beträge, die aus der Insolvenzmasse gezahlt sind, zurückfließen oder
3.
Gegenstände der Masse ermittelt werden.
(2) Die Aufhebung des Verfahrens steht der Anordnung einer Nachtragsverteilung nicht entgegen.
883 Kann mit der Verwertung eines Massegegenstandes bis zur Durchführung der Schlussverteilung nicht gerechnet werden oder wurde ein Vermögenswert erst nach Aufhebung des Verfahrens ermittelt und konnte infolge dessen bei der Schlussverteilung noch nicht berücksichtigt werden, ist dieser nicht „verloren“. Unter der Voraussetzung, dass der Gegenstand Bestandteil der Insolvenzmasse ist, kann eine Nachtragsverteilung angeordnet werden. 884 Der Insolvenzverwalter, dessen Verwaltungs- und Verfügungsberechtigung grundsätzlich mit Aufhebung des Verfahrens endet, kann den Gegenstand nach Anordnung der Nachtragsverteilung auch nach Aufhebung noch verwerten. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des der Nachtragsverteilung vorbehaltenen Gegenstandes dauert über den Zeitpunkt der Aufhebung des Verfahrens hinweg an.
214
XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss
§ 203 InsO stellt sicher, dass nachträglich ermittelte Vermögenswerte den im 885 Schlussverzeichnis (§ 188 InsO) aufgeführten Gläubigern noch zur Befriedigung zur Verfügung stehen. Beispiele hierfür sind insbesondere: x
Prozessbefangene Ansprüche, wobei der Ausgang des im eröffneten Verfahren anhängig gemachten Prozesses noch nicht absehbar ist.
x
Steuererstattungsansprüche, soweit diese aus dem in das eröffnete Verfahren fallenden Veranlagungszeitraum resultieren.501)
x
Versteckte Vermögensgegenstände, die der Schuldnervertreter verborgen gehalten oder über die er verbotswidrig verfügt hat.502)
Die Nachtragsverteilung kann auf gerichtlicher Anordnung hin nach Aufhe- 886 bung des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO) erfolgen (vgl. § 203 Abs. 2 InsO). Ebenfalls ist sie zulässig bei einer Einstellung des Verfahrens wegen Masseunzulänglichkeit (§ 211 Abs. 3 InsO i. V. m. §§ 203 ff. InsO) oder einer Einstellung des Verfahrens mangels Masse (§ 207 InsO). Ausgeschlossen ist die Anordnung der Nachtragsverteilung indes bei einer 887 Einstellung des Verfahrens wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds (§ 212 InsO) bzw. mit Zustimmung der Gläubiger (§ 213 InsO) oder aufgrund rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans (§ 258 InsO). Nach Verwertung des Gegenstandes hat der Insolvenzverwalter den Verwer- 888 tungserlös auf der Grundlage des Schlussverzeichnisses zu verteilen und dem Insolvenzgericht gegenüber über die Verteilung Rechnung zu legen. 3. Arten des Verfahrensabschlusses a) Vorbemerkung Ein Insolvenzverfahren kann auf unterschiedliche Arten beendet werden. Sie 889 legen – in Abhängigkeit von der verwalteten Masse – die „Richtung“ fest, die das Verfahren hinsichtlich der Gläubigerbefriedigung nimmt. Unabhängig davon besteht die Pflicht des Insolvenzverwalters abschließend Rechnung zu legen und einen Schlussbericht einzureichen. In der Literatur teilweise umstritten ist, ob der Insolvenzverwalter vor einer 890 Verfahrensaufhebung nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans gemäß § 258 InsO (ĺ Rn. 913 ff.) zur Schlussrechnungslegung gemäß § 66 InsO verpflichtet ist. Als Argument der Gegenauffassung wird angeführt, dass der Insolvenzplan bereits umfänglich die Verwaltungstätigkeiten und die Verwertungshandlungen abbilden muss. Da genau dies jedoch der Fall ist, ist ___________ 501) BFH, Urt. v. 28.2.2012 – VII R 36/11, BStBl II 12012, 451 = ZIP 2012, 933 = ZVI 2012, 276, dazu EWiR 2012, 463 (Sinz/Hiebert). 502) BGH, Beschl. v. 6.12.2007 – IX ZB 229/06, ZIP 2008, 322 = ZVI 2008, 23 = ZfIR 2008, 266 (LS).
215
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
es in der Praxis mit wenig Mehraufwand verbunden, eine „zusätzliche“ Schlussrechnung zu erstellen, da diese „auf Knopfdruck“ zur Verfügung steht. Umfassende textliche Erläuterungen (Schlussbericht) dürften angesichts der Ausführlichkeit der Darlegungen im Insolvenzplan indes obsolet sein. Übersicht: Verfahrensbeendigung Verfahrensbeendigung Aufhebung
Norm/en § 200 InsO
Bemerkung Aufhebung nach Vollzug der Schlussverteilung durch Beschluss des Insolvenzgerichts
Aufhebung (Insolvenz- §§ 200, 258 InsO Aufhebung nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplanes durch planverfahren) Beschluss des Insolvenzgerichts Einstellung mangels Masse
§ 207 InsO
Einstellung wegen einer die Verfahrenskosten nicht deckenden Insolvenzmasse nach Anhörung der Gläubigerversammlung, des Schuldners und des Insolvenzverwalters durch Beschluss des Insolvenzgerichts
Einstellung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit
§ 211 InsO
Einstellung wegen der die sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht deckenden verwalteten Masse nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) und Verteilung entspr. der Rangfolge des § 209 InsO durch Beschluss des Insolvenzgerichts; gesonderte Rechnungslegung für Tätigkeiten nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 211 Abs. 2 InsO)
Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds
§ 212 InsO
Einstellung auf Antrag des Schuldners nach Glaubhaftmachung des Wegfalls durch Beschluss des Insolvenzgerichts (siehe zum Verfahren § 214 InsO)
Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger
§ 213 InsO
Einstellung auf Antrag des Schuldners und mit Zustimmung aller Gläubiger durch Beschluss des Insolvenzgerichts (siehe zum Verfahren § 214 InsO)
b) Aufhebung (§ 200 InsO) 891 Das Verfahren wird nach Vollzug der Schlussverteilung (§ 196 InsO) durch Beschluss des Insolvenzgerichts aufgehoben (§ 200 Abs. 1 InsO). Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet das Amt des Insolvenzverwalters und damit auch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (vgl. § 80 Abs. 1 InsO), soweit (überhaupt) noch Gegenstände der Insolvenzmasse vorhanden sein sollten; Letzteres ist angesichts der umfassenden Verwertungspflicht des Insolvenzverwalters regelmäßig nicht der Fall. Eine Ausnahme hierzu bildet le-
216
XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss
diglich das Vermögen, welches der Nachtragsverteilung vorbehalten ist (§§ 203 Abs. 2, 205 InsO, ĺ Rn. 882 ff.). c) Einstellung mangels Masse (§ 207 InsO) Das Verfahren wird mangels Masse eingestellt, wenn sich nach der Eröffnung 892 herausstellt, dass die Insolvenzmasse nicht ausreicht, um die Kosten des Verfahrens (§ 54 InsO) zu decken. Ein Insolvenzverfahren über das Vermögen von Gesellschaften wird nur dann 893 eröffnet, wenn eine kostendeckende Masse vorhanden ist (§ 26 InsO). Diese Verfahrenskostendeckung kann vor Eröffnung des Verfahrens nur anhand prognostischer Werte konstatiert werden. Stellt sich nach Insolvenzeröffnung im weiteren Verfahrensverlauf heraus, dass die Kostendeckung nicht mehr gewährleistet ist, ist das Verfahren (zwingend) gemäß § 207 Abs. 1 InsO einzustellen. Die Einstellung erfolgt (von Amts wegen) durch Beschluss des Insolvenzgerichts. Das Gericht erfährt jedoch regelmäßig erst durch die fortlaufende Berichterstattung des Insolvenzverwalters von der Tatsache, dass eine kostendeckende Masse nicht mehr vorhanden ist. Der Insolvenzverwalter regt daher regelmäßig die Einstellung des Verfahrens gemäß § 207 Abs. 1 InsO an, sobald er feststellt, dass die Massekosten nicht gedeckt sind. Vor der Einstellung gemäß § 207 Abs. 1 InsO hat das Insolvenzgericht eine 894 Gläubigerversammlung einzuberufen (§ 207 Abs. 2 InsO). Dem Insolvenzverwalter obliegt die Berichtigung der Verfahrenskosten (§ 207 Abs. 3 InsO). Sind diese nicht vollständig gedeckt, sind zunächst die Auslagen des Gerichts und des Insolvenzverwalters zu begleichen. Der sodann noch verbleibende Massebestand ist auf die Gerichtsgebühren und die Vergütung des Insolvenzverwalters im Verhältnis ihrer Beträge (quotal) zu verteilen. d) Einstellung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§§ 208, 211 InsO) Sind die Verfahrenskosten gedeckt, reicht die Insolvenzmasse jedoch i. Ü. 895 nicht aus, um darüber hinaus die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) zu erfüllen, liegt Masseunzulänglichkeit vor (§ 208 InsO). Dies ist vom Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht anzuzeigen (§ 208 Abs. 1 Satz 1 InsO). Sobald der Insolvenzverwalter im Verlauf des Verfahrens absehen kann, dass 896 Masseunzulänglichkeit bereits eingetreten ist bzw. voraussichtlich eine solche Situation eintreten wird (drohende Masseunzulänglichkeit), ist dies dem Insolvenzgericht anzuzeigen (§ 208 Abs. 1 Satz 2 InsO). Das Insolvenzgericht hat die Anzeige der Masseunzulänglichkeit öffentlich 897 bekannt zu machen (§ 208 Abs. 2 Satz 1 InsO). Den Massegläubigern ist die Anzeige der Masseunzulänglichkeit besonders zuzustellen (§ 208 Abs. 2 Satz 1 InsO).
217
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
898 Der Insolvenzverwalter muss die Masse auch nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit weiterhin verwerten und verwalten. Nach Abschluss der Verwertung reicht der Insolvenzverwalter die Schlussrechnung und den Schlussbericht ein. 899 Ist Eigenverwaltung angeordnet, obliegt die Anzeige dem Sachwalter (§ 285 InsO). 900 Nach Anberaumung eines Schlusstermins und Verteilung der Insolvenzmasse gemäß den Bestimmungen des § 209 InsO wird das Verfahren gemäß § 211 Abs. 1 InsO eingestellt. 901 Der Insolvenzverwalter muss für seine Tätigkeit nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit gesondert Rechnung legen (§ 211 Abs. 2 InsO). Praxistipp: Die Rechnungslegung bei vorliegender Masseunzulänglichkeit verteilt sich auf zwei Zeiträume: 1. Rechnungslegung für den Zeitraum vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit und 2. Rechnungslegung für den Zeitraum nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit.
e) Aufhebung nach rechtkräftiger Bestätigung des Insolvenzplans (§ 258 InsO) 902 Nach Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens (siehe hierzu ausführlich ĺ Rn. 913 ff.) hebt das Insolvenzgericht nach Annahme des Plans durch die Gläubiger mit Zustimmung des Schuldners und rechtskräftiger Bestätigung des Plans (§§ 248, 252 InsO) das Insolvenzverfahren auf (§ 258 InsO). 903 Mit der Aufhebung erlischt das Amt des Verwalters und der Schuldner erhält das Recht zurück, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen (§ 259 InsO). Einschränkungen ergeben sich ggf. hinsichtlich der Rechtshandlungen, die nach den Ausführungen des gestaltenden Teils unter den Zustimmungsvorbehalt des Planüberwachers gestellt werden (§ 263 InsO). f) Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes (§ 212 InsO) 904 Fällt der Grund, der zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hat nach Eröffnung weg, kann das bereits eröffnete Verfahren vorzeitig beendet werden (§ 212 InsO). Eine Einstellung gemäß § 212 InsO kommt nur auf Antrag des Schuldners in Betracht. Voraussetzung ist, dass der Schuldner unter Nutzung aller zulässigen Beweismittel glaubhaft macht, dass weder gegenwärtig noch absehbar ein Eröffnungsgrund gegeben ist (§ 212 Satz 2 InsO). Eine vorzeitige Einstellung kommt nur dann in Betracht, wenn die Verfahrenskosten
218
XIV. Schlussrechnungslegung und Verfahrensabschluss
und alle Masseverbindlichkeiten gedeckt sind. Mit der Einstellung des Verfahrens erhält der Schuldner das Recht zurück, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen. Bereits vorliegende Forderungsanmeldungen sind zu prüfen, da die Insolvenzgläubiger die Möglichkeit haben, einen vollstreckbaren Tabellenauszug zu beantragen. g) Einstellung mit Zustimmung der Gläubiger (§ 213 InsO) Auf Antrag des Schuldners stellt das Insolvenzgericht das Verfahren ein, 905 wenn dieser nach Ablauf der Anmeldefrist die Zustimmung aller Insolvenzgläubiger beibringt, die Forderungen angemeldet haben (§ 213 Abs. 1 Satz 1 InsO). Vor dem Ablauf der Anmeldefrist kann eine Einstellung erfolgen, wenn außer den Gläubigern, deren Zustimmung der Schuldner beibringt, andere Gläubiger nicht bekannt sind (§ 213 Abs. 2 InsO). Voraussetzung für die Einstellung ist die Deckung der Verfahrenskosten und sonstigen Masseverbindlichkeiten. Insbesondere in Verfahren mit wenigen Gläubigern oder in den Fällen, in denen Drittmittel zur Befriedigung der Gläubiger angeboten werden können, kann der Schuldner über § 213 InsO eine schnelle Beendigung des Verfahrens erzielen.503) Wurden Forderungen vom Schuldner oder vom Insolvenzverwalter bestrit- 906 ten, entscheidet das Insolvenzgericht nach freiem Ermessen, inwieweit es einer Zustimmung dieser Gläubiger oder einer Sicherheitsleistung ihnen gegenüber bedarf (§ 213 Abs. 1 Satz 2 InsO). Gleiches gilt für absonderungsberechtigte Gläubiger. 4. Schlusstermin Nach Prüfung der Schlussrechnung bestimmt das Insolvenzgericht von Amts 907 wegen den Schlusstermin (§ 197 InsO). Im Schlusstermin wird die Schlussrechnung des Insolvenzverwalters erörtert und über das Schicksal nicht verwerteter Gegenstände entschieden. Zudem haben die Gläubiger die Möglichkeit, Einwendungen gegen das Schlussverzeichnis zu erheben. 5. Schlussverteilung und Nachtragsverteilung Aus der Grundlage des Verteilungs-/Schlussverzeichnisses nimmt der Insol- 908 venzverwalter mit Zustimmung des Insolvenzgerichts die Schlussverteilung vor. Die Verteilung erfolgt nach dem Verhältnis der Forderungen, die im Schlussverzeichnis aufgenommen sind. Für noch nicht abschließend geklärte Forderungen ist eine Rückstellung zu bilden.
___________ 503) Vgl. dazu ausführlich Haarmeyer, ZInsO 2009, 556.
219
C. Das eröffnete Insolvenzverfahren
909 Die Verteilungsreihenfolge beschreibt sich wie folgt: Praxistipp: Verteilungsreihenfolge 1. Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO; vgl. ĺ Rn. 675 ff.) 2. Sonstige Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO; vgl. ĺ Rn. 717 ff.) 3. Ansprüche aus einem Sozialplan (§ 123 Abs. 2 InsO) Ansprüche aus einem Sozialplan sind unechte Masseverbindlichkeiten. Sind die sonstigen Masseverbindlichkeiten nicht vollständig gedeckt, erfolgt keine Zuteilung an die Sozialplangläubiger. Andernfalls ist der Überschuss zu 1/3 auf die Sozialplangläubiger und zu 2/3 auf die Insolvenzgläubiger auszukehren. Da die Sozialplanansprüche insgesamt nicht mehr als 1/3 des Verteilungsvolumens, das an die Insolvenzgläubiger ausgezahlt wird, ausmachen dürfen, sind ggf. anteilig Kürzungen vorzunehmen. 4. Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) im Verhältnis der Forderungen (Quote) Quotenberechnung: (verteilungsfähiger Betrag : festgestellte Forderungen) x 100 = X,XX % 5. Ggf. nachrangige Insolvenzgläubiger (§ 39 InsO) nur bei Aufforderung zur Anmeldung (ĺ Rn. 68) 6. Ggf. Überschuss an den Schuldner (§ 199 InsO)
910 Bei vorliegender Masseunzulänglichkeit ist die Verteilungsreihenfolge des § 209 InsO einzuhalten. Nach den Verfahrenskosten sind zunächst die NeuMasseverbindlichkeiten (§§ 209 Abs. 1 Nr. 2, 55 InsO), erst nach vollständiger Befriedigung dieser die Alt-Masseverbindlichkeiten (§§ 209 Abs. 1 Nr. 3, 55 InsO) zu bedienen. Soweit § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO den Vorrang der Verfahrenskosten anordnet, ist dieser unabhängig vom Entstehungszeitpunkt dieser Kosten und genießt absoluten Vorrang vor dem Ausgleich der Neu-Masseverbindlichkeiten. Bei Masseunzulänglichkeit sind die Masseverbindlichkeiten nicht vollständig gedeckt, sodass eine Quotenzahlung an die Gläubiger nicht erfolgt. 6. Vergütung 911 Die Vergütung des Insolvenzverwalters wird in der Regel mit Einreichung des Schlussberichts inkl. der Schlussrechnungslegung zur Festsetzung beantragt (zur Vergütungsberechnung ĺ Rn. 687 ff.). 912 Die Vergütung kann nach Festsetzung durch das Insolvenzgericht und Rechtskraft des Beschlusses der Masse entnommen werden.
220
D. Insolvenzplanverfahren I. Insolvenzplan als Sanierungsmöglichkeit Mit dem Insolvenzplanverfahren (§§ 217 ff. InsO) bietet die InsO eine Opti- 913 on, eine von den gesetzlichen Regelungen abweichende Gläubigerbefriedigung darzustellen und eine Sanierungsmöglichkeit für das schuldnerische Unternehmen. Der Insolvenzplan ist ein insolvenzrechtliches, strukturiertes Sanierungskonzept mit dem Ziel der Entschuldung durch einen privatautonomen Austauschprozess. Die Beteiligten können die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung sowie die Verfahrensabwicklung und die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens abweichend vom Regelinsolvenzverfahren regeln (vgl. § 217 Satz 1 InsO). Ausgangslage für die Einleitung von Sanierungs- und Restrukturierungs- 914 maßnahmen ist stets eine positive Fortführungsprognose, die Ertragsfähigkeit sowie die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens. Soll eine Sanierung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens durchgeführt werden, steht auch dies stets unter der Prämisse der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung. Alternative Handlungsmöglichkeiten und Sanierungsszenarien sind entsprechend einander gegenüberzustellen. Im Insolvenzplanverfahren können grundsätzlich alle rechtlich zulässigen 915 Wege beschritten werden. Ein Insolvenzplan kann neben dem Ziel der Fortführung eines Unternehmens auch als Liquidationsplan ausgestaltet sein oder eine übertragende Sanierung oder Mischformen (Teil-Liquidierung/-Übertragung unter Fortführung im Übrigen) vorsehen. Die Besserstellung der Gläubiger im Vergleich zum Regelverfahrensablauf ist jedoch Grundvoraussetzung eines Insolvenzplans. Die Praxis hat gezeigt, dass transparente und frühzeitige Information aller 916 Beteiligung in den meisten Fällen die Erfolgsaussichten eines Insolvenzplanverfahrens steigert, da ausreichend Zeit und Raum besteht, mögliche Bedenken bereits im Vorfeld zur bzw. in der Planungs- und Ausarbeitungsphase der Planlösung auszuräumen. Durch Transparenz und rechtzeitige Information wird ein fruchtbarer Boden für eine Vertrauensbildung gelegt, da auch die Signalwirkung nicht zu unterschätzen ist. Ein weiterer Vorteil der frühzeitigen und deutlichen Kommunikation ist die Unterbindung von Gerüchten, deren Ausräumung oftmals mehr Energie und Zeit bedarf als ein offensiver Umgang von Anfang an. II. Voraussetzungen des Planverfahrens 1. Besserstellung der Gläubiger Eine Insolvenzplanlösung muss die Zustimmung der Gläubiger finden (An- 917 nahme des Insolvenzplans, vgl. § 244 InsO). Im Insolvenzplan muss eine 221
D. Insolvenzplanverfahren
nachvollziehbare und transparente Gegenüberstellung der Alternativszenarien (Regelinsolvenzverfahren mit Liquidierung, übertragender Sanierung, Fortführung) erfolgen die geeignet ist, aufzuzeigen, dass das Insolvenzplanverfahren für die Gläubiger die beste Befriedigungsoption ist. 918 Die Besserstellung der Gläubiger im Vergleich zu einem Regelinsolvenzverfahren kann auch durch eine Drittmittelfinanzierung realisiert werden (Investorenplan). 919 Alternativ kann über den Zeitraum der Planerfüllungsphase mit variablen, von den erzielten Überschüssen abhängigen Quoten gearbeitet werden. Die Planerfüllung ist zu einem gewissen Teil ertragsabhängig (Ertragsplan). 920 Denkbar ist ebenfalls eine Mischform beider Alternativen, ggf. unter Ausweis von variablen Quoten (Besserungsoption). 2. Planvorlagerecht 921 Zur Vorlage eines Insolvenzplans sind der Insolvenzverwalter (ggf. im Auftrag der Gläubigerversammlung, § 157 Satz 2 InsO) oder der Schuldner selbst berechtigt (§ 218 Abs. 1 Satz 1 InsO). 3. Zeitpunkt der Planvorlage 922 Ein Insolvenzplan kann ab Eröffnung bis zum Schlusstermin vorgelegt werden (§ 218 Abs. 1 Satz 3 InsO, siehe aber § 116 GenG ĺ Rn. 973 ff.). 923 Der Schuldner kann bereits vor Einreichung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Plan ausarbeiten und diesen mit seinem Insolvenzeröffnungsantrag verbinden („prepackaged plan“, vgl. § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO). 924 Soweit der Insolvenzplan vom Schuldner vorgelegt wird, bedarf dieser i. a. R. der Unterstützung durch einen Sanierungsberater (oftmals spezialisierte Rechtsanwälte, Steuerberater). Durch die Konsultation des Beraters nach Eintritt der Krise besteht hinsichtlich der Honorarzahlungen ein hohes Anfechtungspotential mit der Gefahr, dass der Sanierungsberater die erhaltenen Zahlungen nach Eröffnung zur Masse erstatten muss (§ 143 InsO). Die Zahlungen unterliegen nicht der Anfechtung, wenn sie im unmittelbaren Austausch für eine Gegenleistung erbracht wurden und ein realistisches Sanierungskonzept vorliegt. Können konkrete Sanierungsbemühungen oder ein Sanierungskonzept nachgewiesen werden, sind die Honorarzahlungen nicht gemäß § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar, wenn der Austausch von Leistung (Sanierungsberatung) und Gegenleistung (Zahlung) binnen 30 Tagen erfolgt.504) ___________ 504) BGH, Beschl. v. 10.1.2013 – IX ZR 13/12, ZIP 2013, 174, dazu EWiR 2013, 123 (Römermann); BGH, Beschl. v. 6.12.2007 – IX ZR 113/06, ZIP 2008, 232, dazu EWiR 2008, 409 (Freudenberg).
222
II. Voraussetzungen des Planverfahrens
Die Anfechtbarkeit der gezahlten Honorare hat der Insolvenzverwalter nach Eröffnung zu prüfen. 4. Ablauf eines Insolvenzplanverfahrens a) Überblick Ablauf Die nachfolgende Darstellung gibt einen Überblick über das Insolvenzplan- 925 verfahren: Vorlage des Plans durch Schuldner/Insolvenzverwalter (§ 218 InsO)
Vorprüfung des Plans durch das Gericht, Stellungnahme und Niederlegung (§§ 231 ff. InsO)
Erörterungs- und Abstimmungstermin (nicht vor dem Prüfungstermin, Verbindung aber möglich) (§§ 235, 236 InsO)
Gerichtliches Bestätigungsverfahren (§§ 248 ff. InsO)
Planüberwachung und Aufhebung des Verfahrens (§§ 254 ff. InsO)
b) Die Besonderheiten des Verfahrensablaufs Der vorgelegte Insolvenzplan wird einer Vorprüfung hinsichtlich der Einhal- 926 tung der formalen Vorschriften und der inhaltlichen Ausgestaltung durch das Insolvenzgericht unterzogen (§ 231 InsO). Ein Schuldnerinsolvenzplan kann von Amts wegen zurückgewiesen werden, 927 wenn nach Auffassung des Gerichts keine Erfolgsaussichten auf Annahme durch die Gläubiger oder auf Bestätigung durch das Gericht bestehen. Gleiches gilt, wenn nach der Überzeugung des Gerichts feststeht, dass die in dem Insolvenzplan gemachten Zusagen offensichtlich nicht erfüllt werden können.505) Anschließend wird der Inolvenzplan dem Gläubigerausschuss, wenn ein sol- 928 cher bestellt ist, dem Betriebsrat und dem Sprecherausschuss der leitenden ___________ 505) BGH, Urt. v. 6.4.2006 – IX ZB 289/04), openJur 2011, 11100.
223
D. Insolvenzplanverfahren
Angestellten zur Stellungnahme weitergeleitet (§ 232 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Einen vom Insolvenzverwalter vorgelegten Plan erhält zudem der Schuldner (§ 232 Abs. 1 Nr. 3 InsO), einen vom Schuldner erstellten Insolvenzplan der Insolvenzverwalter (§ 232 Abs. 1 Nr. 2 InsO) zur Stellungnahme. 929 Der Insolvenzplan wird mit seinen Anlagen und den eingegangenen Stellungnahmen in der Geschäftsstelle zur Einsicht der Beteiligten niedergelegt (§ 234 InsO). 930 In einem gerichtlich bestimmten Termin werden der Insolvenzplan und das Stimmrecht der Gläubiger erörtert, bevor anschließend über den Insolvenzplan abgestimmt wird (Erörterungs- und Abstimmungstermin, § 235 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der Termin soll nicht später als einen Monat nach Vorlage des Insolvenzplans stattfinden und ist öffentlich bekannt zu machen (§ 235 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 InsO). Sofern der Umfang des Verfahrens dies gebietet, sind Termine zu trennen (vgl. § 241 InsO). 931 Abstimmungsberechtigt sind nur uneingeschränkte festgestellte Forderungen. Die Gläubiger sind in bestimmte Gruppen einzuteilen (ĺ Rn. 942 ff.). Jede Gruppe stimmt gesondert über den Plan ab, wobei jedem Gläubiger eine Stimme zusteht, unabhängig von der Anzahl und Höhe der angemeldeten Forderungen. 932 Voraussetzung für die Planannahme ist die Zustimmung aller Gruppen. Erteilt eine einzelne Gruppe keine Zustimmung, kann deren Zustimmung nach § 245 InsO ersetzt werden (Obstruktionsverbot). Werden die Angehörigen der Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt als im Regelinsolvenzverfahren und hat die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt, kann die Obstruktion dieser Gläubiger gegen eine mehrheitlich als sinnvoll angesehene wirtschaftliche Insolvenzplanlösung verhindert werden. 933 Nach Terminierung sind alle Insolvenzgläubiger, die eine Forderung angemeldet haben, die absonderungsberechtigten Gläubiger, der Schuldner, der Betriebsrat und Sprecherausschuss der leitenden Angestellten zu laden (§ 235 Abs. 3 InsO). Mit der Ladung wird ein Abdruck des Insolvenzplans oder eine Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts übersandt (§ 235 Abs. 3 InsO). Das Insolvenzgericht kann den Verwalter gemäß § 8 Abs. 3 InsO mit der Vornahme der Zustellungen beauftragen. 934 Nach der Planannahme wird der Insolvenzplan durch Beschluss des Gerichts bestätigt (§ 252 Abs. 1 Satz 1 InsO). Anschließend wird den Insolvenzgläubigern, die Forderungen angemeldet haben, und den absonderungsberechtigten Gläubigern unter Hinweis auf die Bestätigung der Insolvenzplan oder eine Zusammenfassung seines wesentlichen Inhalts übersandt (§ 252 Abs. 2 InsO). Diese Zusammenfassung wird regelmäßig vom Planersteller vorbereitet und bietet sich insbesondere in umfangreichen Plänen an.
224
II. Voraussetzungen des Planverfahrens
Nach Ablauf der Beschwerdefrist (§ 253 InsO) wird die Bestätigung des In- 935 solvenzplans rechtskräftig und das Gericht beschließt die Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 Abs. 1 InsO), sobald der Verwalter die unstreitigen Masseverbindlichkeiten berichtigt und für die streitigen Sicherheit geleistet hat (§ 258 Abs. 2 InsO). In der Regel beinhaltet ein Insolvenzplan Regelungen zur Planüberwachung. 936 Die Planüberwachungsphase, die insbesondere bei Ertragsplänen meist 3 – 5 Jahre beträgt und bei Investorenplänen (Einmalzahlung) wesentlich kürzer sein kann, beginnt mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 260 InsO). Die Aufhebung geht einher mit der Beendigung des eröffneten Verfahrens und des Amtes des Insolvenzverwalters mit Ausnahme der Aufgabe der Überwachung der Planerfüllung durch den (nunmehr vormaligen) Insolvenzverwalter (§ 261 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der Planüberwacher hat jährlich über den jeweiligen Stand und die weiteren Aussichten der Erfüllung des Insolvenzplans zu berichten (§ 261 Abs. 2 Satz 1 InsO). 5. Inhalt des Insolvenzplans a) Vorbemerkung Inhaltlich kann der Insolvenzplan relativ frei gestaltet werden. Das Gesetz 937 sieht für einen Insolvenzplan einige strukturelle und inhaltliche Vorgaben vor, auf die nachfolgend mit dem Ziel, ein Grundverständnis zu schaffen, näher eingegangen wird. b) Gliederungsstruktur Strukturell sollte der Insolvenzplan im Wesentlichen die nachfolgenden In- 938 halte abbilden, wobei sich je nach Einzelfall, Kanzlei- oder Gerichtsvorgaben geringfügige Abweichungen im Aufbau ergeben können: Praxistipp: Aufbauvorschlag Insolvenzplan A.
ALLGEMEINES
I.
Verfahrensdaten und Unternehmensdaten
II.
Auftrag zur Planerstellung
III. Gegenstand und Ziele des Insolvenzplans B.
DARSTELLENDER TEIL (§§ 219, 220 InsO)
I.
Entwicklung und wirtschaftliche Lage des Unternehmens 1.
Firmenhistorie
2.
Wirtschaftliche Entwicklung
3.
Vermögensübersicht a) Aktiva b) Passiva
225
D. Insolvenzplanverfahren II.
Krisen- und Ursachenanalyse
III. Bisherige Sanierungsbemühungen IV. Sanierungskonzept, Zielsetzung und Zukunftsprognose V.
Berechnung der Gläubigerbefriedigung 1.
Befriedigungsquote im Regelinsolvenzverfahren (ohne Insolvenzplan)
2.
Insolvenzdividende im Planverfahren und Gruppenbildung
3.
Gegenüberstellung Befriedigungsquote im Regelinsolvenzverfahren (ohne Insolvenzplan) und Insolvenzdividende im Planverfahren
C.
GESTALTENDER TEIL (§§ 219, 221 InsO)
I.
Änderung der Rechtsstellung der Beteiligten und Planregelungen für die einzelnen Gläubigergruppen
II.
Wirksamwerden des Plans
III. Planüberwachung IV. Anträge zum Abstimmungstermin D.
Plananlagen gemäß § 229 InsO
I.
Vermögensübersicht
II.
Plan-Liquiditätsrechnung
III. Gläubigerverzeichnis nach Gruppen
939 Gesetzlich zwingend vorgeschriebene Inhalte sind der darstellende Teil und der gestaltende Teil (§ 219 Satz 1 InsO). § 220 InsO Darstellender Teil (1) Im darstellenden Teil des Insolvenzplanes wird beschrieben, welche Maßnahmen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen worden sind oder noch getroffen werden sollen, um die Grundlagen für die geplante Gestaltung der Rechte der Beteiligten zu schaffen. (2) Der darstellende Teil soll alle sonstigen Angaben und die Grundlagen und den Auswirkungen des Plans enthalten, die für die Entscheidung der Gläubiger über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich sind.
940 Der darstellende Teil soll die Entscheidungsgrundlage für die abstimmenden Gläubiger schaffen und daher die Ausgangssituation, die Krisenanalyse und die (bereits gescheiterten) bisherigen Sanierungsmaßnahmen enthalten. 941 Die alternativen Befriedigungsaussichten werden durch eine Gegenüberstellung der Gläubigerbefriedigungsaussichten mit und ohne Insolvenzplan aufgezeigt. Eine Abstimmung ist für Gläubiger nur dann möglich, wenn sie ihre Befriedigung auch ohne den Insolvenzplan einschätzen können. Zudem können ablehnende Gläubiger oder Gläubigergruppen nur dann überstimmt werden, wenn nachweisbar ist, dass sie durch den Insolvenzplan nicht schlechtergestellt werden, als sie ohne den Insolvenzplan stünden (§§ 245 Abs. 1 Nr. 1, 226
II. Voraussetzungen des Planverfahrens
2 InsO). Je transparenter und belastbarer die Angaben und die Gegenüberstellung sind, umso größer ist die Überzeugungskraft des Sanierungskonzepts. Die Gruppenbildung erfolgt bereits im darstellenden Teil, in dem die ein- 942 zelnen Gläubigergruppen beschrieben und die Bildung und Zuordnung begründet werden. Soweit fakultativer Spielraum besteht, sind bei der Gruppenbildung Antizipation und taktisches Gespür gefragt. Ziel des Planvorlegers ist, die Gläubigergruppen so zu bilden, dass voraussichtlich die Mehrheit der gebildeten Gruppen dem Insolvenzplan zustimmen wird. Gemäß § 222 InsO sind folgende Gruppen zu bilden:
943
x
Absonderungsberechtigte, wenn durch den Plan in deren Rechte eingegriffen wird (§ 222 Abs. 1 Nr. 1 InsO),
x
nicht nachrangige Insolvenzgläubiger (§ 222 Abs. 1 Nr. 2 InsO),
x
nachrangige Insolvenzgläubiger, soweit deren Forderungen nicht nach § 225 InsO als erlassen gelten sollen (§ 222 Abs. 1 Nr. 3 InsO),
x
die am Schuldner beteiligten Personen, wenn deren Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte in den Plan einbezogen werden.
Die Bildung weiterer Gruppen ist fakultativ und angezeigt, wenn in ihnen 944 Gläubiger mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefasst werden und die Abgrenzung „sachgerecht“ ist. Die Abgrenzungskriterien sind im Insolvenzplan zwingend darzulegen (§ 222 Abs. 2 InsO). In die Rechte der Absonderungsberechtigten kann durch den Plan eingriffen 945 werden (§ 223 InsO). Die Forderungen der Absonderungsberechtigten beinhalten meist einen dinglich gesicherten und einen ungesicherten Teil. Die Bildung einer Gruppe, die Gläubiger mit werthaltigen und nicht werthaltigen Absonderungsrechten enthält, ist unzulässig („Mischgruppenverbot“).506) In Höhe des Ausfallbetrags nach Abgeltung der Sicherungsrechte gehört der Gläubiger nicht in die Gruppe der Absonderungsberechtigten, sondern in eine der Gruppen der ungesicherten Insolvenzgläubiger. Um das Stimmrecht und die Gruppenzuteilung möglichst frühzeitig im Interesse aller bestimmen zu können, empfiehlt sich, den Wert der Sicherheit und den Ausfallbetrag frühzeitig mit den betroffenen Gläubigern abzustimmen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit hat sich die Aufstellung eines Sicherhei- 946 tenspiegels mit dem Ziel der soliden Gruppenbildung und Quotenberechnung in der Praxis bewährt: Absonderungsberechtigter
Art des Sicherungsrechtes
enge/weite Zweckerklärung
Wert der
AusfallSicherheit prognose
Bemerkung
___________ 506) Siehe hierzu BGH, Urt. v. 7.7.2005 – IX ZB 266/04, ZIP 2005, 1648.
227
D. Insolvenzplanverfahren
947 Soweit Aussonderungsrechte bestehen, ist zu beachten, dass durch den Insolvenzplan nicht in diese eingriffen werden kann (§ 223 InsO). Die Aussonderungsrechte sind daher rechtzeitig im Vorfeld zu klären. 948 Einen weiteren zwingenden Planinhalt bildet der gestaltender Teil (§ 221 InsO). § 221 Gestaltender Teil Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans wird festgelegt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll. Der Insolvenzverwalter kann durch den Plan bevollmächtigt werden, die zur Umsetzung notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und offensichtliche Fehler des Plans zu berichtigen.
949 Im gestaltenden Teil wird für jede einzelne Gläubigergruppe festgelegt, in welcher Art, in welcher Zeit und in welchem Umfang eine Befriedigung dieser Gläubiger erfolgen und inwieweit durch den Insolvenzplan in die Rechte der Gläubiger eingegriffen werden soll. Hinsichtlich des nicht befriedigten Teils der Forderungen wird regelmäßig ein Verzicht vereinbart. Ist dieser Verzicht im Insolvenzplan nicht ausdrücklich geregelt und auch keine anderweitige Regelung getroffen, wird der Schuldner nach Erfüllung des Insolvenzplans kraft Gesetzes von seinen restlichen Schulden befreit (§ 227 Abs. 1 InsO). 950 Einem Ertragsplan sind zwingend folgende Anlagen beizufügen: x
Vermögensübersicht
951 Dem Ertragsplan ist eine Vermögensübersicht beizufügen, in der die Vermögensgegenstände und die Verbindlichkeiten mit ihren Werten aufgeführt werden (§ 229 InsO). x
Finanzplan
952 Beizufügen ist zudem ein Finanzplan (Liquiditätsplan), in welchem die Einnahmen und Ausgaben des Unternehmens über die Planlaufzeit aufgelistet werden (§ 229 InsO). x
Ergebnisplan
953 Zudem ist dem Sanierungsplan ein Ergebnisplan (Gewinn- und Verlustrechnung) für den Zeitraum der Planlaufzeit beizufügen. x
Fortführungserklärung
954 Darüber hinaus ist je nach Planregelung empfehlenswert, ggf. notwendige Stellungnahmen zum Insolvenzplan einzuholen. 955 Die Praxis zeigt, dass die Vorbereitung einer Stimmliste (§ 239 InsO) – bestenfalls nach Gruppen geordnet – sehr zur erleichterten Handhabung beiträgt. Diese sollte auch dem Gericht zur Verfügung gestellt werden. In der Stimmliste können die Gläubiger nach den gebildeten Gruppen bereits geordnet werden. Sofern Gläubiger zwar bereit wären, dem Insolvenzplan zuzustimmen, jedoch aus Zeit- oder Kostengründen eine persönliche oder vertretene 228
III. Vergütungsrelevante Auswirkungen
Teilnahme am Termin nicht gewährleisten können, kann die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht angezeigt sein, die im Vorfeld bei den Gläubigern einzuholen ist, Auch die gemäß § 252 Abs. 2 InsO ggf. beizufügende Zusammenfassung ist 956 dem Plan beizulegen, da dies den Verfahrensablauf weiter beschleunigen kann. Die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Per- 957 sonen bleiben vom Insolvenzplan unberührt, soweit der Plan keine abweichende Bestimmung enthält (§ 225a InsO). Im Plan kann grundsätzlich jede Regelung getroffen werden, die gesellschaftsrechtlich zulässig ist, insbesondere die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft oder die Übertragung von Anteils- oder Mitgliedschaftsrechten (§ 225a Abs. 3 InsO). Auch möglich ist, im gestaltenden Teil des Plans festzulegen, dass Forderun- 958 gen von Gläubigern in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am Schuldner umgewandelt werden (Debt-to-Equity-Swap). In diesem Zusammenhang kann insbesondere eine Kapitalherabsetzung oder -erhöhung, die Leistung von Sacheinlagen, den Ausschluss von Bezugsrechten oder die Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Anteilsinhaber vorsehen (§ 225a Abs. 2 InsO). III. Vergütungsrelevante Auswirkungen Die Vergütung des Insolvenzverwalters sollte möglich genau im Insolvenz- 959 planverfahren beziffert werden, damit die Plandividende realistisch ausgewiesen werden kann. Eine rechtzeitige Einreichung des Vergütungsantrages (spätestens bis zum Abstimmungstermin) ist daher zu empfehlen. Die Ausarbeitung eines Insolvenzplans durch den Insolvenzverwalter recht- 960 fertigt gemäß § 3 Abs. 1 lit. e) InsVV einen Zuschlag zur Regelvergütung. Die Spanne des Zuschlags reicht von 10 % bis hin zum 3-stelligen Erhöhungsprozentsatz. Eine Begründung des Zuschlags ist einzelfallbezogen zu formulieren, wobei auf den Umfang des Insolvenzplans und die Anzahl der Beteiligten (z. B. Gläubigergruppen) als wichtige Kriterien zu achten ist. Das LG München vertritt die Auffassung, dass die Vergütung des Insolvenzverwalters der Höhe nach dispositiv ist und entsprechende Vergütungsregelung im Insolvenzplan möglich sind; dies ändere nichts an der Zuständigkeit des Gerichts zur Festsetzung der Vergütung, da die Bindungswirkung nur der Höhe nach zu berücksichtigen sei.507) Eine besondere Vergütung erhält der Insolvenzverwalter für die Überwa- 961 chung der Erfüllung eines Insolvenzplans unter Berücksichtigung des Umfangs der Tätigkeit nach billigem Ermessen (§ 6 Abs. 2 InsVV). Eine Festsetzung dieser Vergütung erfolgt erst nach Abschluss der Planüberwachung. Im Plan sind diese Kosten möglichst genau zu prognostizieren. ___________ 507) LG München, Urt. v. 2.8.2013 – 14 T 16050/13, ZInsO 2013, 1966.
229
D. Insolvenzplanverfahren
IV. Schlussrechnungslegung 962 Im Insolvenzplanverfahren gibt es im Unterschied zum regulären Ablauf eines Insolvenzverfahrens keinen Schlusstermin, in dem die Schlussrechnung des Insolvenzverwalters erörtert wird. Die Pflicht zur Schlussrechnungslegung ist sehr umstritten und folgt in der Praxis einer unterschiedlichen Handhabung. Es ist daher zu empfehlen, diese Frage mit dem zuständigen Gericht zu klären, da der Verzicht auf eine gesonderte Schlussrechnungslegung bei einigen Gerichten angesichts der genauen Planzahlen etabliert ist. V. Besonderheiten 1. Anfechtungsansprüche im Insolvenzplanverfahren 963 In der Literatur wird seit längerer Zeit die Frage diskutiert, ob Anfechtungsansprüche plandispositiv sind. In der Praxis ist diese Diskussion verbunden mit konkreten Fragestellungen, insbesondere, ob der Insolvenzverwalter auf die Ermittlung von Anfechtungsansprüchen generell oder wenigstens auf deren Geltendmachung (teilweise?) verzichten darf und ob eine solche Regelung als Inhalt eines Insolvenzplans formuliert werden kann. 964 Nach Auffassung der Verfasserin ist eine Dispositionsfreiheit insoweit abzulehnen, als auf die Ermittlung von Anfechtungsansprüchen generell verzichtet werden kann. Auch dürfte die Gläubigerautonomie nicht so weit reichen, dass die Gläubigerversammlung dem Insolvenzverwalter dahingehende Weisungen erteilen kann. Den Insolvenzverwalter trifft die Pflicht zur umfassenden Ermittlung von Anfechtungsansprüchen. 965 Ein Ermessensspielraum bei der Frage der Durchsetzung hinsichtlich werthaltiger Ansprüche ist wohl nicht anzunehmen, es sei denn, die Vollstreckbarkeit ist ungewiss. 966 Dispositionsfreiheit im Rahmen einer Planlösung dürfte jedoch insoweit bestehen, als die Maßstäbe zur Realisierung sich an denen zu Regelverfahren geltenden Grundsätzen zur Geltendmachung anlehnen. Insbesondere ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise gefordert: Ein bloßer Verzicht auf die Realisierung von Anfechtungsansprüchen ist, ohne dass eine adäquate Gegenleistung in die Masse fließt, problematisch. Leistet der Anfechtungsgegner indes einen, dem Maßstab der wirtschaftlichen Durchsetzbarkeit entsprechenden Beitrag zu Masse (auch als Abschlag oder Sanierungsbeitrag), wird Insolvenzzweckwidrigkeit nicht anzunehmen sein. Zu fordern ist die unbedingte, vollständige und transparente Darstellung der Anfechtungsrechte im Insolvenzplan dem Grund und der Höhe nach sowie Angaben zum ungefähren Erlös und den Anspruchs- und Durchsetzungsrisiken. Den Gläubigern muss auf der Basis der Ausführungen im Insolvenzplan durch Schaffung einer umfassenden Informationsgrundlage eine Willensbildung ermöglicht werden. In Anbetracht der tatbestandlichen Regelungsinhalte dürfte eine Disposition über Anfechtungsansprüche aus dem Bereich der Deckungsanfechtung eher
230
V. Besonderheiten
denkbar sein als eine solche aus den Bereichen der § 133 Abs. 1 InsO bzw. § 134 InsO. Soweit Anfechtungsansprüche bereits prozessbefangen sind, kann ein An- 967 fechtungsprozesses durch Insolvenzverwalter nur fortgesetzt werden, wenn dies im gestaltenden Teil des Plans so vorgesehen ist und der Prozess bei Verfahrensaufhebung bereits rechtshängig ist (Der Begriff „anhängig“ i. S. v. § 259 Abs. 3 InsO sei als rechtshängig zu verstehen, so der BGH.).508) Die Befugnis kann auf bestimmte Anfechtungsklagen begrenzt werden.509) Mit einer diskutierten Entscheidung510) hat der BGH festgestellt, dass ein 968 durch den (ehemaligen) Insolvenzverwalter fortgeführter Anfechtungsprozess eine Unterbrechung erfahre, wenn nach der Aufhebung des ersten (durch einen Insolvenzplan beendetes) Insolvenzverfahrens ein zweites Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird. Die Aufnahme des Rechtsstreites habe der Insolvenzverwalter des zweiten Insolvenzverfahrens („Insolvenzverwalter-Neu“) zu erklären. Zudem bestünde Massezugehörigkeit des Anfechtungsanspruchs im zweiten, nicht im ersten Insolvenzverfahren („Insolvenzverfahren-Neu“). § 259 Abs. 3 InsO „bricht sich“ demnach an einer neuen Verfahrenseröffnung.511) 2. Besonderheiten im Planinsolvenzverfahren über das Vermögen einer Genossenschaft Ein Insolvenzplanverfahren kann grundsätzlich für alle insolvenzfähigen 969 Rechtsformen durchgeführt werden. Ist das Schuldnerunternehmen eine Genossenschaft, sind §§ 105, 116 GenG von Bedeutung. § 105 Abs. 1 GenG (1) Soweit die Ansprüche der Massegläubiger oder die bei der Schlussverteilung nach § 196 der Insolvenzordnung berücksichtigten Forderungen der Insolvenzgläubiger aus dem vorhandenen Vermögen der Genossenschaft nicht berichtigt werden, sind die Mitglieder verpflichtet, Nachschüsse zur Insolvenzmasse zu leisten, es sei denn, dass die Nachschusspflicht durch die Satzung ausgeschlossen ist. Im Falle eines rechtskräftig bestätigten Insolvenzplans besteht die Nachschusspflicht insoweit, als sie im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen ist. […]
Gemäß § 105 Abs. 1 GenG besteht eine nachrangige Haftung der Mitglieder 970 der Genossenschaft. Reicht das Vermögen der Genossenschaft nicht zur vollständigen Gläubigerbefriedigung aus, trifft die Genossenschaftsmitglie___________ 508) BGH, Beschl. v. 11.4.2013 – IX ZR 122/12, ZIP 2013, 998 = ZInsO 2013, 998, dazu EWiR 2013, 557 (Ruhe-Schweigel). 509) BGH, Beschl. v. 7.3.2013 – IX ZR 222/12, ZIP 2013, 738. 510) BGH, Beschl. v. 9.1.2014 – IX ZR 209/11, ZIP 2014, 330, dazu EWiR 2014, 117 (Madaus). 511) BGH, Beschl. v. 9.1.2014 – IX ZR 209/11, ZIP 2014, 330.
231
D. Insolvenzplanverfahren
der u. U. eine Nachschusspflicht. Es handelt sich um eine im Mitgliedschaftsverhältnis dem Grunde nach angelegte eigene Beitragspflicht des Mitglieds gegenüber der e. G.512), die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht, wenn x
die Satzung ausdrücklich eine Verpflichtung zur – auf eine Haftsumme beschränkten oder unbeschränkten – Nachschussleistung vorsieht,
x
entweder Masseunzulänglichkeit oder ein vollständiger oder teilweiser Ausfall von Insolvenzgläubigern bei der Schlussverteilung oder eine Aufnahme der Nachschusspflicht im gestaltenden Teil eines rechtskräftig bestätigten Insolvenzplans vorliegt,
x
der Anspruchsverpflichtete Mitglied der Genossenschaft ist bzw. sein Ausscheiden nicht länger als sechs Monate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens datiert (§§ 101, 75 GenG).
971 Die Höhe der Haftung ist in der Satzung bestimmt als unbeschränkte oder auf eine Höchstsumme festgelegte Nachschusspflicht. Genossenschaftsmitglieder, die früher als 6 Monate vor der Eröffnung, aber längstens 18 Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeschieden sind, können nur subsidiär – wenn eine Befriedigung der Insolvenzgläubiger auch durch die Nachschüsse erfolgte – in Anspruch genommen werden (§§ 115b, 115c GenG). 972 Sie haben ggf. einen Erstattungsanspruch gegenüber den übrigen Mitgliedern (§ 115d Abs. 2 GenG). Mitglieder, die sowohl früher als 6 Monate vor Insolvenzeröffnung als auch früher als 18 Monate vor Insolvenzantrag ausgeschieden sind, trifft keine Nachschusspflicht. 973 Im Insolvenzplanverfahren sind die Besonderheiten des § 116 GenG zu beachten. § 116 GenG Die Vorschriften der Insolvenzordnung über den Insolvenzplan sind mit folgenden Abweichungen anzuwenden: 1.
Ein Plan wird berücksichtigt, wenn er vor der Beendigung des Nachschussverfahrens beim Insolvenzgericht eingeht;
2.
im darstellenden Teil des Plans ist anzugeben, in welcher Höhe die Mitglieder bereits Nachschüsse geleistet haben und zu welchen weiteren Nachschüssen sie nach der Satzung herangezogen werden könnten;
3.
bei der Bildung der Gruppen für die Festlegung der Rechte der Gläubiger im Plan kann zwischen den Gläubigern, die zugleich Mitglieder der Genossenschaft sind, und den übrigen Gläubigern unterschieden werden;
4.
vor dem Erörterungstermin hat das Insolvenzgericht den Prüfungsverband, dem die Genossenschaft angehört, darüber zu hören, ob der Plan mit den Interessen der Mitglieder vereinbar ist.
___________ 512) BGH, Urt. v. 3.2.1964 – II ZB 6/63, NJW 1964, 766.
232
V. Besonderheiten
Ein Insolvenzplan kann auch nach dem Schlusstermin berücksichtigt werden, 974 wenn er vor Beendigung des Nachschussverfahrens beim Insolvenzgericht eingeht. Im darstellenden Teil muss zusätzlich angegeben werden, in welcher Höhe Mitglieder bereits Nachschüsse erbracht haben und welche weiteren Nachschüsse von ihnen nach der Satzung noch zu erbringen sind. Bei der Gruppenbildung nach § 222 InsO kann zusätzlich danach differenziert werden, ob der Gläubiger zugleich Mitglied der Genossenschaft ist. Vor dem Erörterungstermin (§ 235 InsO) hat das Insolvenzgericht den zuständigen Prüfungsverband anzuhören und zu klären, ob der Insolvenzplan mit den Interessen der Mitglieder vereinbar ist. Bei einer unterlassenen Anhörung ist die Bestätigung des Insolvenzplans von Amts wegen zu versagen. 3. Vergessene Gläubiger Gemäß §§ 254, 254b InsO treten die Wirkungen des rechtskräftig bestätig- 975 ten Insolvenzplans für und gegen alle Beteiligten ein. Sie gelten somit auch für nicht anmeldende Gläubiger. Auch der „vergessene“ Gläubiger kann nach der Planbestätigung die Planquote gegenüber dem Schuldner geltend machen. Dem Insolvenzplan kommt insoweit keine Ausschlusswirkung zu.513) Nach § 259b InsO gilt eine besondere Verjährungsfrist von einem Jahr für 976 alle Forderungen der Insolvenzgläubiger, die nicht bis zum Abstimmungstermin angemeldet worden sind. Fristbeginn ist die Rechtskraft des Planbestätigungsbeschlusses (§§ 259b Abs. 2 InsO). Für die Praxis empfiehlt sich, vorsichtshalber bis zum Fristablauf entsprechende Rückstellungen zu bilden, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es solche vergessenen Gläubiger geben könnte. Ausschlussklauseln, die solche Gläubiger von der Teilhabe an den Plandividenden ausschließen, dürften nicht wirksam sein. 4. Besteuerung des Sanierungsgewinns Nach wie vor bereitet auch die Frage nach der Besteuerung eines Sanierungs- 977 gewinns in der Planpraxis Schwierigkeiten. Nach dem Wegfall des § 3 Nr. 66 EStG zum 1.1.1998 ist die Besteuerung von 978 Sanierungsgewinnen grundsätzlich möglich. Sanierungsgewinn definiert sich als die Erhöhung des Betriebsvermögens, die 979 dadurch entsteht, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden. Voraussetzung ist eine unternehmensbezogene Sanierung, keine unternehmerbezogene Sanierung.514) Bei Kapitalgesellschaften kann nur eine unternehmensbezogene Sanierung, d. h. eine Sanierung des Unterneh___________ 513) Offen gelassen: BAG, Urt. v. 12.9.2013 – 6 AZR 907/11, ZIP 2013, 2268, dazu EWiR 2013, 783 (Rendels). 514) BMF-Schreiben v. 27.3.2003, IV A 6-S 2140 – 8/03, BStBl I 2003, 240.
233
D. Insolvenzplanverfahren
mens selbst (im Unterschied zur unternehmerbezogenen Sanierung), geeignet sein.515) 980 Das BMF hat mit Schreiben vom 27.3.2003 einen dreistufigen Lösungsweg für die Behandlung eines Sanierungsgewinns im Sanierungsprozess aufgezeigt: In einem ersten Schritt eine abweichende Steuerfestsetzung (§ 163 AO), d. h. eine unmittelbare Verrechnung negativer Einkünfte und Verlustabzüge mit dem Sanierungsgewinn, wobei Verlustabzugsbeschränkungen unbeachtlich sind. In einem zweiten Schritt wird die auf den verbleibenden Sanierungsgewinn entfallende Einkommensteuer bis zur vorrangigen Verrechnung eines Verlustrücktrags (§ 10d EStG) aus dem Folgejahr mit dem noch verbliebenen Sanierungsgewinn gestundet (§ 222 AO). Ein letzter Schritt ist der Erlass (§ 227 AO) der auf den verbleibenden Sanierungsgewinn endgültig entfallenden Einkommensteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen. Insbesondere sind folgende Vorschriften für Ausgleichs- und Verrechnungsbeschränkungen damit nicht zu berücksichtigen: x
§ 2 Abs. 3 EStG in der vor 2004 geltenden Fassung,
x
§ 2a EStG (negative Einkünfte mit Auslandsbezug),
x
§ 2b EStG bzw. ab 11.11.2005 § 15b EStG (negative Einkünfte aus der Beteiligung an Verlustzuweisungsgesellschaften und ähnlichen Modellen bzw. sog. Steuerstundungsmodellen),
x
§ 10d EStG (Verlustvor- und -rücktrag),
x
§ 15 Abs. 4 Satz 3 – 5 EStG (Verluste aus Termingeschäften),
x
§ 15 Abs. 4 Satz 6 – 8 EStG (Verluste aus stillen Gesellschaften, Unterbeteiligungen oder sonstigen Innengesellschaften an Kapitalgesellschaften, bei denen der Gesellschafter oder Beteiligte als Mitunternehmer anzusehen ist),
x
§ 15a EStG (Verluste bei beschränkter Haftung),
x
§ 23 Abs. 3 Satz 8 EStG (Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften).
Das BMF-Schreiben ist in seiner Reichweite und Bedeutung höchst umstritten; insbesondere wird kritisiert, dass dem Schreiben keine Ersatzgesetzgebungsfunktion zukommen könne (anstelle von § 3 Nr. 66 EStG a. F.). 981 Es bleibt offen, ob die möglichen Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung im Schreiben des BMF vom 27.3.2003 gemessen an der Intention des Gesetzgebers zu weit reichen. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses ist
___________ 515) BFH, Urt. v. 14.7.2010 – X R 34/08, BStBl II 2010, 916.
234
V. Besonderheiten
ein Revisionsverfahren beim BFH anhängig, womit die Hoffnung besteht, durch eine obergerichtliche Entscheidung Rechtsklarheit zu schaffen.516) Für die Beratungspraxis ist dieses Problem u. U. verbunden mit Haftungsge- 982 fahren: Unterlässt der Steuerberater es pflichtwidrig, seinen Mandanten darauf hinzuweisen, dass dieser Anspruch auf eine steuerliche Sonderbehandlung nach dem sog. Sanierungserlass hat, kann er diesem für die daraus erwachsenden Nachteile haften, auch wenn der Sanierungserlass sich später als gesetzeswidrig herausstellen sollte.517) Der Steuerberater – und wohl auch der anwaltliche Berater – sollte Problembewusstsein entwickeln und den Schuldner darauf hinweisen, dass die Plansanierung ertragssteuerliche Auswirkungen haben kann.
___________ 516) Revision BFH, X R 23/13; zuvor FG Sachsen, Urt. v. 24.4.2013 – 1 K 759/12 (n. rk.): „Die Verwaltungsanweisung des BMF (Schreiben vom 27. März 2003 – IV A 6 – S 2140 – 8/03, BStBl. 2003, 240 ff. = ZIP 2003, 690 ff.) ist nicht anwendbar, da der Gesetzgeber ausdrücklich die Regelung des § 3 Nr. 66 EStG a. F. aufgehoben hat und es dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung widerspricht, die aufgehobene Regelung „unter dem Mantel der Billigkeit“ wiedereinzuführen.“ 517) BGH, Urt. v. 13.3.2014 – IX ZR 23/10, ZIP 2014, 882, dazu EWiR 2014, 323 (Anzinger).
235
E. Eigenverwaltung I. Vorbemerkung Zu den Besonderheiten, die im Verfahren der (vorläufigen) Eigenverwaltung 983 zu beachten sind, wurde an den jeweils maßgeblichen Stellen bereits ausgeführt. Dennoch sei an der Stelle nochmals ein Überblick über das Eigenverwaltungsverfahren gegeben, der die abweichende Abwicklung in Gänze beschreibt. II. Ablauf des Eigenverwaltungsverfahrens Der Antrag des Insolvenzschuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens 984 kann verbunden werden mit dem Antrag, das Verfahren unter Eigenverwaltung durchzuführen (§§ 270 ff. InsO). Seit Inkrafttreten des ESUG518) zum 1.3.2012 besteht die Möglichkeit, bereits im Eröffnungsverfahren ein vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren zu durchlaufen. Nach Insolvenzeröffnung wird der Schuldner durch ausdrückliche gerichtliche 985 Anordnung unter die Aufsicht eines Sachwalters (§ 270, 274 f. InsO) gestellt, kann jedoch weiterhin rechtswirksam über die Gegenstände der Insolvenzmasse verfügen. Eine Eigenverwaltung wird dann angeordnet, wenn nach den Umständen des Einzelfalles nicht zu erwarten ist, dass die Anordnung zu einer Verzögerung des Verfahrens oder zu sonstigen Nachteilen für die Gläubigerschaft führen wird. Der Aufsicht führende Sachwalter prüft die wirtschaftliche Lage des Schuld- 986 ners und überwacht die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung. Stellt der Sachwalter Umstände fest, die erwarten lassen, dass die Fortsetzung 987 der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubigerschaft führen wird, hat er dies unverzüglich dem Insolvenzgericht und den Gläubigern anzuzeigen (Anzeigepflicht). Die Pflichten des Sachwalters im eröffneten Verfahren sind identisch mit denen des vorläufigen Sachwalters im Eröffnungsverfahren (§ 275 InsO). Unter Eigenverwaltung ist der Schuldner verpflichtet, das Verzeichnis der 988 Massegegenstände, das Gläubigerverzeichnis und die Vermögensübersicht gemäß §§ 151 bis 153 InsO zu erstellen, im Berichtstermin einen Bericht zu erstatten, Rechnung zu legen und die Insolvenzmasse einschließlich des Absonderungsguts zu verwerten sowie anschließend die Erlöse unter den Gläubigern zu verteilen. Dem Sachwalter obliegt die Tabellenführung (§ 270 Abs. 3 InsO).
989
___________ 518) Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen v. 7.12.2011 m. W. z. 1.3.2012, BGBl. I, S. 2582.
237
E. Eigenverwaltung
III. Beendigung der Eigenverwaltung 990 Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens endet auch die Eigenverwaltung. 991 Eine vorzeitige Aufhebung der Eigenverwaltung kann auf Antrag des Schuldners, der Gläubigerversammlung, eines absonderungsberechtigten Gläubigers oder eines Insolvenzgläubigers erklärt werden, auf Antrag der beiden Letztgenannten jedoch nur, wenn diese zusätzlich glaubhaft machen, dass die Beibehaltung der Eigenverwaltung zu einer Verzögerung des Verfahrens oder zu sonstigen Nachteilen für die Gläubigergesamtheit führen würde (§ 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO).
238
F. Überblick: Insolvenzstrafrecht I. Grundlegendes Neben der vermögensrechtlichen Haftung der Vertretungsorgane gehen mit 992 einer Insolvenz nicht selten auch strafrechtliche Konsequenzen einher. Das vorliegende Kapitel ist für die Abwicklungspraxis im Insolvenzverwalterbüro nicht von primärer Bedeutung. Dennoch ist es wichtig, ein gewisses Grundverständnis für die strafrechtlichen Themenkreise, die im Zuge eines Insolvenzverfahrens auftreten können, zu entwickeln, da der Insolvenzverwalter in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vielfach als Zeuge benannt wird. Insolvenzstrafrecht im engeren Sinne versteht sich als Teil eines Rechtsge- 993 bietes, welches Delikte, die im Stadium einer existenzbedrohenden Lage begangen werden, umfasst. Insolvenzstrafrecht im weiteren Sinne beschreibt die Delikte, die nicht nur 994 in einer Krise begangen werden können, die aber in der Kriminologie als häufig im Zusammenhang mit einer Krise auftretend beobachtet werden. II. Täterkreise Der potentielle Täterkreis erstreckt sich auf den gesetzlichen Vertreter (§ 14 995 Abs. 1 Nrn. 1, 2 StGB), den faktischen Geschäftsführer, den Strohmann und den Liquidator. Auch die beratenden Personen (Rechtsanwälte, Steuerberater) kommen bei einzelnen Tatbeständen als Täter (§ 25 Abs. 1 StGB), Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB), Anstifter (§ 26 StGB) oder im Zuge der Beihilfe (§ 27 StGB) in Betracht. III. Straftatbestände 1. Insolvenzstrafrecht im engeren Sinne a) Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4, 5 InsO) Die schuldhafte Verletzung der Insolvenzantragspflicht wird mit einem Straf- 996 maß von einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe sanktioniert (§ 15a Abs. 4 InsO). Die Vorschrift ist rechtsformneutral und gilt für juristische Personen und Personengesellschaften, bei denen keine natürliche Person eine Vollhaftung übernommen hat. Jeder organschaftliche Vertreter bzw. Abwickler, der einen Eröffnungsantrag 997 nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig stellt, läuft Gefahr, sich der Insolvenzverschleppung strafbar zu machen. Der Tatbestand ist insbesondere dann erfüllt, wenn gegen die Antragspflicht des § 15a Abs. 1 InsO verstoßen wird (ĺ Rn. 138 ff.). Die Niederlegung des Amtes als organschaftlicher Vertreter lässt die Strafbarkeit nicht entfallen. Auch Weisungen der Gesellschafter oder Billigung durch alle Gläubiger be- 998 seitigen die Strafbarkeit nicht.
239
F. Überblick: Insolvenzstrafrecht
999 Strafbar ist jeweils das vorsätzliche oder fahrlässige Unterlassen eines fristgerechten und gebotenen Insolvenzantrages. Fahrlässigkeit liegt i. d. R. dann vor, wenn dem Verpflichteten die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit pflichtwidrig verborgen geblieben ist. Für die Fahrlässigkeit genügt die Erkennbarkeit der Antragspflicht. Fachliches oder tatsächliches Unvermögen exkulpiert insoweit nicht. Die Fahrlässigkeit kann auch darin bestehen, dass der Antragspflichtige keine Vorsorge getroffen hat, den Eintritt der Insolvenzreife rechtzeitig zu erkennen. b) Insolvenzstraftaten (§§ 283 ff. StGB) 1000 Die in §§ 283 ff. StGB normierten Insolvenzdelikte beschreiben spezielle, im Zuge eines Insolvenzverfahrens auftretende Straftaten. 1001 Wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet bzw. der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen, sind strafbewehrte Bankrotthandlungen i. S. v. §§ 283, 283a StGB insbesondere nach Eintritt der Überschuldung oder der drohenden oder eingetretenen Zahlungsunfähigkeit: x
das Beiseiteschaffen, Verheimlichen, Zerstören, Beschädigen oder das Unbrauchbarmachen von Bestandteilen des Vermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse gehören,
x
das Betreiben von Verlust- oder Spekulationsgeschäften oder Differenzgeschäften mit Waren oder Wertpapieren in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise,
x
das Vortäuschen von Rechten oder Anerkennen von erdichteten Rechten anderer,
x
pflichtwidriges Führen, Beiseiteschaffen, Verheimlichen, Zerstören oder Beschädigen von Handelsbüchern,
x
Bilanzfälschungen,
x
pflichtwidriges Verringern oder Verheimlichen bzw. Verschleiern von Vermögen,
x
das Herbeiführen der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit.
1002 Weitere Delikte sind die Verletzung der Buchführungspflicht (§ 283b StGB) und die Gläubiger- sowie die Schuldnerbegünstigung (§§ 283c, 283d StGB). 2. Insolvenzstrafrecht im weiteren Sinne a) Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) 1003 Strafbewehrt und in der Praxis häufig verfolgt ist das Vorenthalten oder Veruntreuen von Arbeitsentgelt. Gemäß § 266a StGB macht sich derjenige strafbar, der als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung vorenthält. Dies gilt unabhängig davon, ob Arbeits240
IV. Beraterhaftung
entgelt tatsächlich gezahlt wird. Strafbar ist ebenfalls, gegenüber dem Sozialversicherungsträger unrichtige oder unvollständige Angaben über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen zu machen. b) Vermögensdelikte Weitere, im Zuge eines Insolvenzverfahrens oftmals auftretende Vermögens- 1004 delikte sind der Betrug (§ 263 StGB), der Kreditbetrug (§ 265b StGB), die Untreue (§ 266 StGB) und die Unterschlagung (§ 246 StGB). IV. Beraterhaftung Auch Berater insolvenzgefährdeter Unternehmen gehen u. U. Risiken ein, 1005 sich im Zuge der Beratung eines insolventen Unternehmens strafbar zu machen. In Betracht kommt z. B. eine etwaige Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung oder wegen Betrugs bei Täuschung über die Sanierungsgrundlagen. Im Wesentlichen sieht sich ein Berater als Gehilfe (§ 27 StGB) mit Insol- 1006 venzstrafrecht konfrontiert. Danach wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. Gehilfe kann allerdings nur derjenige sein, der den Haupttäter bei seiner rechtswidrigen Tat bewusst unterstützt. Gefährlich ist die Beratertätigkeit, da die Übergänge zwischen einem straflosen Beratungsgespräch und einer unterstützenden Handlung fließend sind. Eine psychische Beihilfe kann bereits vorliegen, wenn dem Täter durch einen Rat geholfen wird oder er sich durch das Verhalten des Beraters ermuntert fühlt, wobei die Erteilung eines zutreffenden und richtigen Rats strafrechtlich keinen Straftatbestand erfüllt. Der BGH hat in diesem Zusammenhang allerdings eine generelle Straflosigkeit sog. „neutraler“ oder „berufstypischer“ Handlungen abgelehnt.519) Stattdessen hat der Senat darauf abgestellt, ob der Rat des Gehilfen die Haupttat objektiv fördert und der Gehilfe in Kenntnis der wesentlichen Merkmale der Haupttat und in Förderungsbewusstsein handelt. Ein solches ist anzunehmen, wenn dem Berater die Kenntnis nachgewiesen wird (Solidarität mit dem Täter). Strafbare Beihilfe leistet ein Berater wohl auch dann, wenn das Krisenunterneh- 1007 men bereits überschuldet oder zahlungsunfähig ist und der Berater in diesem Wissen dennoch weiterhin versucht, das Unternehmen zu sanieren, oder wenn der Berater den bereits zur Insolvenzverschleppung entschlossenen Geschäftsführer bei einzelnen Maßnahmen (z. B. Übertragung von Vermögensgegenständen) unterstützt. Als Anstifter (§ 26 StGB) kann ein Berater bestraft werden, wenn er bewusst 1008 (z. B. durch einen Hinweis) in dem anderen die Entscheidung zu einer strafbaren Handlung hervorgerufen hat. Die alleinige Beratung durch das Aufzei___________ 519) BGH, Urt. v. 1.8.2000 – 5 StR 624/99, ZIP 2000, 1828, dazu EWiR 2000, 895 (Jahn).
241
F. Überblick: Insolvenzstrafrecht
gen von Handlungsalternativen ist grundsätzlich straflos, es sei denn sowohl dem Berater als auch dem Täter ist bekannt, dass das Unternehmen insolvent ist, der Berater weit über das Aufzeigen von Handlungsalternativen hinaus geht und durch das Beratungsgespräch der Tatentschluss zur Insolvenzverschleppung beim Täter hervorgerufen wurde. 1009 Auch im Rahmen der unterlassenen oder mangelhaften Buchführung bzw. der unterlassenen oder mangelhaften Bilanzerstellung kann die Übernahme von Buchführungs- und Bilanzierungspflichten zur Strafbarkeit des Beraters führen, wenn er aufgrund ausdrücklichen Auftrags diese Aufgaben eigenverantwortlich übernommen hat und diese nicht oder schlecht ausführt. Eine Strafbarkeit kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn ihm die Pflichterfüllung objektiv möglich ist; dies ist gerade bei krisenbehafteten Unternehmen nicht der Fall, da der Mandant oftmals unvollständige oder ungeordnete Unterlagen einreicht oder das Honorar nicht zahlt. In diesem Fall ist eine Strafbarkeit des Beraters ausgeschlossen.
242
Stichwortverzeichnis
Ablauf – des Insolvenzverfahrens 11 ff. Absonderungsberechtigter 71 ff., siehe auch Absonderungsrecht Absonderungsrecht 71 ff. – Abgeltung 866 ff. – Ausfall 486 ff. – einzelne Rechte 446 ff. AG (Aktiengesellschaft) 23 ff. Aktionär – Haftung 595 ff. Anfechtung 654 ff. Anfechtungsansprüche – Insolvenzplan 963 ff. Antrag – Eröffnung siehe Insolvenzantrag Antragshäufung 190 ff. Arbeitsverhältnisse – Entgeltansprüche 276 ff. – eröffnetes Verfahren 810 ff. – Eröffnungsverfahren 276 ff. – Insolvenzgeld 810 ff. – Kündigung im eröffneten Verfahren 810 ff. – Kündigung im Eröffnungsverfahren 292 ff. – Masseverbindlichkeiten 717 ff. Asset Deal 499 ff. Aufhebung des Verfahrens – nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans 902 ff. – nach/ohne Schlussverteilung 891 ff. Auskunftspflicht 56, 206 ff. Außenhaftung – akzessorische 604 Aussonderung – Ersatzaussonderung 80 Aussonderungsberechtigter 75 ff., siehe auch Aussonderungsrecht
Aussonderungsrecht 75 ff. – einzelne Rechte 429 ff.
Bankguthaben
652 ff. Bankverträge 807 ff. Beraterhaftung 646, 1005 Beratervertrag 807 Bericht – eröffnetes Verfahren 775 ff. Berichtstermin 775 ff. Beschränkt persönliche Dienstbarkeit 442 ff. Betriebsübergang 818 ff., 989 ff. Bewertung – Fortführungswerte 316 ff. – Grundlagen 305 ff. – Liquidationswerte 313 ff. Buchhalterische Pflichten 820 ff.
Dauerschuldverhältnisse
782 ff., siehe auch Vertragsverhältnisse Debitoren siehe Forderung aus Lieferung und Leistung
Eigenantrag 129 ff. Eigentumsvorbehalt – einfacher 437 ff. – erweiterter 472 ff. – verlängerter 469 ff. Eigenverwaltung 983 ff. – Ablauf 984 ff. – Beendigung 990 ff. – vorläufige 319 ff. – vorläufige, Schutzschirmverfahren 329 ff. Eingetragene Genossenschaft (e. G.) 28 ff. Eingetragener Verein (e. V.) 31 ff. Einlagehaftung 553 ff. Einstellung des Verfahrens – mangels Masse 892 ff.
243
Stichwortverzeichnis
– mit Zustimmung der Gläubiger 905 ff. – nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit 895 ff. – wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes 904 ff. Einzelermächtigung 233 Eröffnungsantrag 126 ff. Eröffnungsgrund 158 ff. Ersatzaussonderung 80, siehe auch Aussonderungsrecht Existenzvernichtungshaftung 599 ff.
Factoring – echtes 444 ff. Fiskalabsonderungsrechte 474 ff. Forderung aus Lieferung und Leistung 540 ff. Forderungsanmeldung 734 ff. – nachträgliche 751 ff. Forderungsprüfung 740 ff. Fortführung – eröffnetes Verfahren 487 ff. – Eröffnungsverfahren 261 ff. Fortführungswerte 316 ff. Freigabe – einzelner Gegenstände 416 ff. Fremdantrag 145 ff.
GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) 51 ff. Genossenschaft – eingetragene 28 ff. – Insolvenzplanverfahren 973 ff. Gerichtskosten 679 ff. Geschäftsführer – Ansprüche gegen 610, 623, 627 Gesellschafter – Ansprüche gegen 589 ff. Gesetzliche Vertreter – Ansprüche gegen 632 Gewerbesteuer 833 Gläubigerausschuss 108 ff. – Vergütung 716 ff. – vorläufiger 108 ff., 237 ff.
244
Gläubigerversammlung 775 ff. Gläubigerverzeichnis 369 ff. GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) 19 ff. Grundbesitz 520 ff.; siehe Grundstück Grunddienstbarkeit 441 ff. Grundpfandrechte 454 ff. Grundschuld 454 ff.; siehe Immobiliarsicherheiten Grundstück 520 ff. Grundstücksgleiche Rechte 520 ff. Gutachten – des Gutachters/Sachverständigen 297 ff. Gutachter 198, siehe auch Sachverständiger
Hypothek
siehe Immobiliarsicherheiten
Immaterieller Vermögenswert 518 ff. Immobiliarsicherheiten 454 ff. Immobilie siehe Grundstück Insolvenzanfechtung 654 ff. Insolvenzantrag 126 ff. Insolvenzantragspflicht 138 ff. Insolvenzeröffnung – Ablauf 347 ff. – Eröffnungsentscheidung 344 ff. – Wirkungen 353 ff. Insolvenzeröffnungsverfahren 126 ff. Insolvenzfähigkeit 13 ff. Insolvenzforderung 62 ff. Insolvenzgeld 276 – Anspruchsübergang 287 ff. – Antrag 283 ff. – Höhe 281 ff. – Vorfinanzierung 289 ff. – Zahlung 276 ff. – Zeitraum 277 ff. Insolvenzgericht 344 ff. Insolvenzgläubiger 62 ff.
Stichwortverzeichnis
Insolvenzmasse – Freigabe 416 ff. – Umfang 410 ff. – Verwaltung 415 ff. – Verwertung 415 ff. Insolvenzplan 913 ff. – Ablauf 925 ff. – Anfechtungsansprüche 963 ff. – Besserstellung 917 ff. – Besteuerung des Sanierungsgewinns 977 ff. – Inhalt 937 ff. – Planvorlagerecht 921 ff. – vergessene Gläubiger 975 ff. – Vergütung 959 ff. – Voraussetzungen 917 ff. Insolvenzschuldner 13 ff. – Konsequenzen Eigenverwaltung 341 ff. – Konsequenzen Eröffnungsverfahren und Sicherungsmaßnahmen 257 ff. – Konsequenzen Insolvenzeröffnung 395 ff. Insolvenzstrafrecht 992 ff. Insolvenzstraftaten 1000 Insolvenztabelle 734 ff. – nachträgliche Änderungen 752 ff. – Prüfungsergebnisse 740 ff. Insolvenzverfahren – eröffnetes 344 ff. – eröffnetes, Ablauf 347 ff. Insolvenzverschleppung 996 Insolvenzverschleppungshaftung 634 Insolvenzverwalter 96 ff. – Aufgaben 353 ff. – schwacher vorläufiger 248 ff. – starker vorläufiger 245 f. – Vergütung 704 ff. – vorläufiger 92 ff. – vorläufiger, Aufgaben 244 ff. – vorläufiger, Maßnahmen im Verwalterbüro 260 – vorläufiger, Vergütung 259 ff.
Juristische Person
15 ff. Juristische Person des öffentlichen Rechts 38 ff.
Kaduzierung 570 ff. Kapitalerhaltungsgrundsatz 589 ff. Kassenbestand 653 KG (Kommanditgesellschaft) 47 ff. KGaA (Kommanditgesellschaft auf Aktien) 26 ff. Kollision – Sicherungsrechte 475 ff. Kollisionslagen 475 ff. Körperschaftssteuer 827 Leasing 445 ff. Liquidation 512 ff. Liquidationswerte 313 ff. Liquiditätsplanung 271 ff. Lohnsteuer 831 Massearmut 730 ff. Masseunzulänglichkeit 731 ff. Masseverbindlichkeiten – sonstige 717 ff. Masseverzeichnis 355 ff. Mietforderungen 550 ff. Mietkaution 443 ff. Nachmeldung
siehe Forderungsanmeldung, nachträgliche Nachprüfungstermin 751 ff. Nachranggläubiger 757 ff. Nachrangige Forderungen 757 ff. Nachtragsverteilung 908 ff. Nießbrauch 440 ff.
OHG (Offene Handelsgesellschaft) 44 ff.
Pachtforderungen 550 ff. Partnergesellschaft 55 ff. Personengesellschaften 40 ff. Pfandrechte 457 ff. Postsperre 226 ff. Prüfungstermin 740 ff. 245
Stichwortverzeichnis
Quotenberechnung
909 ff.
Rechnungslegung
857 ff., siehe auch Schlussrechnungslegung Rückschlagsperre 854 ff.
Sachanlagevermögen
526 ff. Sachverständiger 84 ff. – Aufgaben 198 ff. – Bestellung 198 ff. – Maßnahmen im Verwalterbüro 216 f. – Vergütung 208 ff. Sachwalter 120 ff., 983 ff. – Vergütung 710 ff. – vorläufiger 120 ff. – vorläufiger, Aufgaben 337 ff. – vorläufiger, Vergütung 343 ff. Sanierung – übertragende 499 ff. Sanierungsgewinn – Besteuerung des Sanierungsgewinns 977 ff. Schlussbericht – Aufbauvorschlag 881 f. Schlussrechnungslegung – eröffnetes Verfahren 857 ff. – Eröffnungsverfahren 857 ff. – Insolvenzplan 962 f. Schlusstermin 907 Schlussverteilung 908 ff. Schlussverzeichnis 908 ff. Schutzschirmverfahren 329 ff. Sicherungsabtretung 463 ff. Sicherungsmaßnahmen – vorläufige 217 ff. Sicherungsrecht – Kollision 475 ff. Sicherungsrechte – Abgeltung 866 f. Sicherungsübereignung 466 Stammeinlage 553 ff.
246
Steuerberater – Beauftragung 826 – Haftung 646 – Mandatsvertrag 807 Steuerliche Pflichten 820 ff. Stiftung 36 ff.
Überschuldung 175 ff. Umsatzsteuer 717 ff., 838 ff. – Absonderungsgut 866 ff. Verein – eingetragener 31 ff. – nicht rechtsfähiger 34 ff. Verfahrensabschluss 857 ff. Verfahrenskosten 192 ff. Verfügungsverbot 240 ff. Vermögensdelikt 1004 Vermögensübersicht 377 ff. Verteilung – Nachtragsverteilung 908 ff. Verteilungsreihenfolge 908 ff. Vertragsverhältnisse 782 ff. – Bankverträge 807 ff. – Mietverhältnis 798 ff. – Wahlrecht 784 ff. Verwertung – Grundsätze 514 ff. Vollstreckungsverbot 849 ff. – für Massegläubiger 853 ff. Vormerkung 788 ff. Vorräte 538 ff. Vorstandsmitglied – Ansprüche gegen 630, 631
Zahlungsunfähigkeit
160 ff. – drohende 170 ff. Zielsetzung 2 ff. Zurückbehaltungsrechte 473 ff. Zustimmungsvorbehalt 241 ff. Zwangsvollstreckungsverbot siehe Vollstreckungsverbot