Inside The Cut: Digitale Schnitttechniken und Populäre Musik. Entwicklung - Wahrnehmung - Ästhetik [1. Aufl.] 9783839413883

Der Pop-Mainstream verfolgt von Beginn an das Ziel der optimalen Performance - mit manipulativen Mitteln: Fehlerhaftes w

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German Pages 230 Year 2017

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Table of contents :
Inhalt
1. Editorial
2. Einleitung
3. Schnittmuster in der Populären Musik
4. Die Produktion
5. Produzenten und Tontechniker – Diskussionsforum und Befragung
6. Die Popmusikhörer
7. Fazit
8. Literatur
9. Die Autoren
10. Anhang
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Inside The Cut: Digitale Schnitttechniken und Populäre Musik. Entwicklung - Wahrnehmung - Ästhetik [1. Aufl.]
 9783839413883

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Immanuel Brockhaus, Bernhard Weber (Hg.) Inside The Cut

Studien zur Popularmusik

2010-06-17 09-41-04 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 0335244546735016|(S.

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Immanuel Brockhaus, Bernhard Weber (Hg.) Inside The Cut. Digitale Schnitttechniken und Populäre Musik. Entwicklung – Wahrnehmung – Ästhetik

2010-06-17 09-41-04 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 0335244546735016|(S.

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Immanuel Brockhaus CD: Immanuel Brockhaus, Bernhard Weber Satz: Mark-Sebastian Schneider, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1388-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

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Inhalt

1. Editorial | 7 (I. Brockhaus)

2. Einleitung | 11 (I. Brockhaus) Crossover … | 27 (B. Weber)

3. Schnittmuster in der Populären Musik | 31 (I. Brockhaus, M. Harenberg, M. Sägesser) 3.1 Historische Betrachtung 1980-2008 | 31 (M. Harenberg, M. Sägesser) 3.2 Schneiden von Audiomaterial am Computer | 35 3.3 Die Ästhetik des Schnitts | 65 3.4 Prototypische Schnitttechniken | 72 (I. Brockhaus, M. Sägesser)

4. Die Produktion | 81 (I. Brockhaus) 4.1 Voraussetzungen | 81 4.2 Die Produktion von ›A New Horizon‹ | 89 4.3 Dokumentation der im Studio verwendeten Technik | 93 5. Produzenten und Tontechniker – Diskussionsforum und Befragung | 99 (I. Brockhaus, B. Weber) 5.1 Das Diskussionsforum | 99 (I. Brockhaus) 5.2 Die Produzenten- und Tontechnikerbefragung | 112 (B. Weber)

6. Die Popmusikhörer | 121 (B. Weber) 6.1 Einführung | 121 6.2 Wahrnehmungstheoretische Grundlagen | 123 6.3 Bisherige Untersuchungen | 130 6.4 Studie über die Wahrnehmung und Bewertung digitaler Schnittmuster | 133 6.5 Die Untersuchungsergebnisse | 142 6.6 Fazit | 171

7. Fazit | 173 (I. Brockhaus, B. Weber)

8. Literatur | 181 Internetlinks | 186

9. Die Autoren | 187 10. Anhang | 189 Testunterlagen | 189 Glossar | 208 Text des Songs ›A New Horizon‹ | 222 Beispiele prototypischer Schnitttechniken | 224

1. Editorial Immanuel Brockhaus

»Er kann auch hören, dass das Gras auf der Erde und die Wolle auf den Schafen wächst, sowie überhaupt alles, was einen Laut von sich gibt.«

Die Fähigkeit, die Edda in der altgermanischen Sage dem Gott Heimdall zuschreibt, scheint mir bei aller Bescheidenheit allzu vertraut. Wenn immer ich im Studio an Produktionen arbeite, taucht die Frage auf, ob überhaupt jemand erkennen kann, wie in abertausenden von Songproduktionen geschnitten und geklebt wird. Genau dieser Gedanke war die Initialzündung für dieses hier nun in schriftlicher Form vorliegende Forschungsprojekt. Popmusik ist eine Identifikationsplattform; Idole repräsentieren die Welt des Perfekten und Unerreichten. Der Popsound betrügt uns mit einer prickelnden Illusionswelt. Popmusik ist ›larger than life‹, deshalb wollen wir gerne betrogen werden. Wir wollen den perfekten Song, die perfekte Interpretation, den noch nie gehörten Sound. Aber soll der Hörer nicht auch erfahren können, mit welchen Mitteln sein favorisierter Song gestaltet wird? Da ein nicht unbeträchtlicher Teil meiner beruflichen Tätigkeit im pädagogischen Bereich liegt, lebe ich mit dem ständigen Drang, die Menschen um mich herum aufzuklären zu wollen – ein humanistisches Bedürfnis. Die Popmusikhörer aus dem Paradies zu vertreiben – wie es Bernhard Weber treffend formulierte – das hat mich bei diesem Thema regelrecht gekitzelt. Dabei war erste spontane Gedankengang: Ich will der Generation ›Fast Food‹ die Ohren öffnen. Auch sie sollten unter ihren Ipod-Kopfhörern das Gras wachsen hören und erkennen, aus wie vielen Schnipseln ein Lead Vocal Track von Christina Aguilera zusammengebastelt ist. Leider

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gibt es keine ehrliche und ungeschminkte Popmusik zurückzuholen, denn Pop hatte schon immer mit Fake zu tun, nie wirklich mit der Abbildung der Realität. Popmusik hat sich in den 50 Jahren ihrer Existenz ständig gewandelt, auch wenn man ihr vorwirft, sich immer wieder selbst zu recyceln. Tausende von Stilen und Substilen sind entstanden, die Macher von Popmusik sind nicht nur um Innovation bemüht, es ist geradezu lebensnotwendig, jeden Tag einen neuen Sound zu erfinden. Vor allem das Tempo, in dem neue Popmusik produziert wird, ist rasant gestiegen: Während noch vor 30 Jahren ein Hit über Monate in den Charts stand, sind es jetzt nur noch wenige Wochen. Ständig werden die Hörer neu gefüttert. Gleichzeitig hat die Klangqualität der gehörten Musik eine aberwitzige Entwicklung vollzogen: Von der viel gerühmten ›Wärme‹ des Analogen zum verlustfreien ›kalten‹ Digitalen und dann hinüber in die Datenkompression, zum quasi ›amputierten‹ Hörgenuss. Die Generation der jungen Popmusikhörer kennt allerdings kaum eine andere Klangqualität als den MP3 Standard. Ein Vergleich findet immer weniger statt, kritisches Hörverhalten droht verlorenzugehen. Dennoch sind qualitativ hochwertige Produktionen auch im MP3 Standard erkennbar. Aufwändige Produktionsverfahren sind nach wie vor gerechtfertigt, sie richten sich auf die Distribution in Radio, TV und den noch klassischen Tonträger CD. Auch der Produktionsprozess selbst hat sich grundlegend gewandelt. Auf der digitalen Ebene lässt sich Klangmaterial in atemberaubender Geschwindigkeit bearbeiten und reproduzieren. Audioaufnahmen in hoher Qualität sind nicht mehr zwingend an Studios oder teure Geräte gebunden. Die Aufnahmekapazität der digitalen Audio Workstation (DAW) wächst ins Unendliche. Eine Beschränkung hinsichtlich der Datenmengen, die verarbeitet werden können, existiert praktisch nicht mehr. Einzig das Problem der dauerhaften Archivierung ist nicht gelöst. Das Arbeitsumfeld der Produzenten und Tontechniker hat sich durch die Digitalisierung drastisch verändert, jedoch nicht vereinfacht. Trotz der unbegrenzten Bearbeitungsmöglichkeiten und des schnelleren ›workflows‹ der Tontechniker sehen sich diese einer wachsenden Menge von Entscheidungen gegenübergestellt. Die Entwicklung vom Analogen zum Digitalen habe ich ebenfalls mitgelitten und mitbejubelt. Viel Zeit und Geld ist in die Eroberung techni-

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scher Neuerungen geflossen. Jeder, der sich innerhalb des Gebietes der Musiktechnologie bewegt, ist ständig konfrontiert mit dem Erlernen neuer Software oder mit dem Kennenlernen neuer Geräte. In den letzen 30 Jahren, seit der Einführung von MIDI und Sampling, ist die Popmusik in starkem Maße von den musiktechnologischen Entwicklungen beeinflusst worden und umgekehrt. Der Gewinn durch die digitale Revolution bleibt bis heute etwas zweischneidig. Die Bequemlichkeit und Unbegrenztheit der digitalen Klangbearbeitung wird immer wieder durch den Charme alter analoger Geräte bereichert. Diesen Charme versucht man mit ständig neunen Plug-Ins und Effekten zurückzugewinnen. Zu Beginn der digitalen Ära wurde alles Analoge entsorgt, aber heute – in scheinbarer Ermangelung an Charakter und ›Wärme‹ – wird alles wieder zurückgekauft. ›Vintage‹ ist in. Meine ersten Songdemos habe ich auf Mehrspur-Kassettenrekordern realisiert. Später, in den 1980er Jahren, versuchte ich als angehender Profimusiker meine ersten Produktionen mit dem Atari Computer. Die ersten Sampler hatten für mich den Status von Wundermaschinen. Die Möglichkeit am Rechner auf digitaler Ebene Audiomaterial beliebig zu schneiden, erschien mir zu Beginn der 1990er Jahre als Offenbarung. Eine Steigerung schien kaum noch möglich. Seither hat sich viel nach vorne, aber auch zurück bewegt. Die Studiotechnik erfährt eine Welle der Retro-Bewegung, in der die einst so hoch gepriesenen digitalen Möglichkeiten wieder in Frage gestellt werden. Der gelackte digitale Sound hat in den vergangenen Jahren Kratzer und Beulen bekommen. So sind die Folgen dieser Entwicklung vom Vinylhörer mit dem Plattencover auf dem Sofa sitzend hin zum Fastfoodhörer in der U-Bahn noch nicht abzusehen. Eine ›Entschleunigung‹ auf diesem Gebiet wird wohl kaum zu erwarten sein, aber vielleicht der Funke einer Hoffnung: bewusstere, kritische Popmusikhörer, welche die Qualität des Klanges ebenso wie die Qualität der Produktion und Performance zu schätzen wissen und vielleicht ein wenig das Gras wachsen hören. Dieses Buch wäre ohne meinen langjährigen Kollegen und Freund Bernhard Weber nicht zustande gekommen, einen herzlichen Dank für sein unermüdliches Schaffen! Zu großem Dank bin ich Michael Harenberg verpflichtet, der sein immenses Wissen in den historischen Teil des Buches einfließen ließ. Nicht

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minder bin ich Benoit Piccand für seine exzellente Studioarbeit und für viele kritische Bemerkungen und fruchtbare Diskussionen dankbar. Unsere Assistenten und studentische Hilfskräfte in Bern, Paderborn und Lübeck, Marcel Sägesser, Benjamin Schäfer, Doreen Dang und Sarah Beck, haben erstklassige Arbeit geleistet. Und nicht zuletzt danke ich der Hochschule der Künste Bern und dem Forschungsrat für das mir entgegengebrachte Vertrauen. Ich wünsche Ihnen spannende Erkenntnisse beim Eintauchen in

»Inside The Cut« ! Immanuel Brockhaus

2. Einleitung Immanuel Brockhaus

Dieses Forschungsprojekt ist in Zusammenarbeit mit Musikforschenden und Rezipienten entstanden. Wir haben uns mit den Perspektiven von Profihörern, Amateuren und musikalischen Laien auseinandergesetzt und wollten wissen, wie diese Rezipientengruppen digitale Schnittmuster wahrnehmen. Meinungen und Haltungen von Produzenten und Tontechnikern haben unser Bild vervollständigt. Bevor Sie die Reise in ein äußerst spannendes Gebiet unternehmen, möchte ich Ihnen ein paar wichtige Grundlagen mitgeben.

Der Popmusikhörer und sein Hör verhalten Durch die explosionsartige Entwicklung transportabler Audio- und Videoabspielgeräte ist Popmusik immer, überall und im Übermaß verfügbar und immerzu präsent. Popmusik macht sich breit. Der öffentliche Raum ist mit der Klangtapete ›Popmusik‹ zugekleistert und muss sich Ruhezonen zurückerobern. Der Zugriff auf alle erdenklichen Musiksparten ist schnell und unkompliziert. Im Überangebot entsteht die Qual der Wahl. Die Menge der neu erschienenen Titel ist schlichtweg unüberschaubar, deshalb gestaltet sich die Suche nach einem individuellen Geschmack als schwierig. Bevor sich der junge Pomusikhörer in das neue Werk seines Lieblingsinterpreten im wahrsten Sinne des Wortes hineingehört hat, erscheint bereits das nächste Album, der nächste Act. Das Entdecken feinster Interpretationsnuancen und klanglicher Details bleibt bei diesem Prozess oft auf der Strecke, ›Nebenbeihörer‹ sind ein vertrautes Alltagsbild. Hinzu kommt, dass sich die Klangqualität im Zuge der Datenkompression verschlechtert hat. Die

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Konsequenz daraus könnte in einer immer undifferenzierteren Hörfähigkeit münden. Die Gleichzeitigkeit verschiedener Handlungen, beispielsweise Essen, Radfahren und Musikhören, lassen vermuten, dass Musik als eine Art ›Soundtrack zum Leben‹ zur Oberflächlichkeit verkommt. Die Ausschließlichkeit einer Handlung, also nur Essen, nur Radfahren, nur Musikhören, wird mit tieferen Erfahrungen belohnt. Der Musikhörer, der seine Musik absolut wahrnimmt, entdeckt Dinge, die er während des Essens nicht entdeckt hätte. Das Hörverhalten der ›Generation I-Pod‹ unterscheidet sich deutlich von der ›Generation Plattenspieler‹. Den Popmusikhörer, der seine Musik absolut konzentriert und vielleicht auch analytisch wahrnimmt, scheint es immer seltener zu geben. Trotzdem können sich diese zwei Hörertypen – Fastfoodhörer und Musikgourmets – durchaus auch innerhalb einer Person wiederfinden. Zwischen diesen Extremen existieren mannigfaltige Arten der Wahrnehmung von Popmusik. Hinter dem Interpreten, den der Pophörer direkt wahrnimmt, steht – indirekt hörbar – der individuelle Touch des Produzenten und Tontechnikers. Als heimliche Stars bestimmen sie den Sound mehr denn je. Die Prozesse der Entstehung eines Popsongs bleiben dem Hörer weitgehend verborgen, er ahnt allenfalls, welche Mechanismen dahinter stecken. Tatsache ist, dass der Sound eines Popsongs maßgeblich dessen Erfolg mitbestimmt. Und der wird neben den (noch wenigen) Musikern nun einmal von Tontechnikern und Produzenten bestimmt. Das weiß auch der eine oder andere jugendliche Popmusikhörer, der sich vielleicht trotz des nicht Vorhandenseins eines physischen Tonträgers um Hintergrundinformationen bemüht. Popmusik ist ein Designprodukt auf der Höhe neuester Trends. Der Sound eines Popsongs wird durchgestylt und geht Hand in Hand mit den neusten Kleidern und Frisuren. Aber wir wollen ja nicht über den aktuellen Haarschnitt, sondern über das digitale Schneiden von Audiomaterial bei der Produktion von Popmusik reden: Audiomaterial beliebig zu schneiden, zu kopieren und zu vervielfältigen ist heute banaler Studioalltag. Der Schnitt als solches erscheint auf den ersten Blick als ein notwendiger handwerklicher Akt. Man muss schlecht gespieltes oder gesungenes Material korrigieren und optimieren, das leuchtet ein. Aber können bestimmte Schnitttechniken einen Popsong

2. E INLEITUNG

im Hinblick sowohl auf die Performance als auch auf die Ästhetik deutlich beeinflussen? Die Aufgabe dieser Forschungsarbeit besteht darin, den digitalen Schnitt unabhängig von der Abmischung und vom Arrangement zu untersuchen. Deshalb ist unsere Aufmerksamkeit in dieser Arbeit zunächst auf ein Werkzeug gerichtet: die virtuelle Schere. In zahlreichen Gesprächen mit Profimusikern und Tontechnikern wurden wir darin bestätigt, dass die von uns gefundenen Schnitttechniken im Studioalltag tatsächlich verwendet werden. Viele Aussagen gingen sinngemäß in die Richtung »[…]bei Sängerin XY ist doch alles geschnitten[…]«. Außer den bekannten Schnitttechniken haben wir Verfahren entdeckt, für die noch kein Fachterminus existiert. Wir mussten diese Techniken benennen und für musikalische Laien verständlich machen.

Bemerkungen zum analogen Bandschnitt Der Schnitt als solcher existierte auch vor dem Erscheinen der Digital Audio Workstations. Stereobänder von professionellen Aufnahmen zu schneiden und zu kleben war ein physischer Akt, der Spezialisten im Studio vorbehalten blieb. Bandschnitte sind im Gegensatz zu digitalen Schnitten fast immer destruktiv, das heißt nicht wieder rückgängig zu machen. Das Zusammenkleben von Bandmaterial nach dem Schnitt konnte nur in Momenten der Stille erfolgen, andernfalls wäre der Schnitt hörbar und für die Illusion eines durchgängigen Takes unzureichend. Um fließende Übergänge zwischen den Schnitträndern zu schaffen, wurde das Band schräg geschnitten, der Vorläufer des heutigen Crossfades. Der Prozess des Cut, Copy&Paste im analogen Bereich ist heikel und aufwändig und wurde oft durch komplizierte Überspielungen umgangen. Mit dem Aufkommen der Mehrspuraufnahmeverfahren musste der Schnitt zwangsläufig durch simples Löschen ersetzt werden, blieb aber im Grunde genommen immer noch ein Schnitt. Beim Löschverfahren bleibt das Medium abgesehen von dem klanglichen Verlust unbehelligt. Der analoge Schnitt erfolgt im ersten Schritt hauptsächlich über das Ohr, der digitale Schnitt über das Auge. Durch das fast unbegrenzte Vergrößern der sichtbaren Wellenform eines digitalen Audio-Signals eröffnen sich Mikro-Klangwelten, Myriaden von Rumplern und Knacksern; Stille ist nicht mehr Stille. Diese Welt wird auf dem Cover dieses Buches angedeutet. Der Analoge Schnitt ist begrenzt, das Schneiden durch Löschen oder Stummschalten ist ein träger Prozess, die Gefahr ist groß, mehr zu

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zerstören, als zu retten. Deshalb versuchte man in Zeiten der analogen Aufnahmetechnik mit möglichst wenigen Schnitten auszukommen. Die Konzentration des Künstlers im Studio war anders als in digitalen Zeiten, er musste sein Können auf den Punkt bringen und quasi ›ohne Netz‹ arbeiten. Im Gegensatz dazu sind die Möglichkeiten des digitalen Schnittes immens; Schnitte sind nicht destruktiv; Wellenformen können künstlich verlängert oder umgebogen werden; kleinste Unebenheiten werden einfach ausradiert. Die Performancefähigkeiten des Künstlers sind damit besser abgefedert. Digitale Nachbearbeitungen von analogem Klangmaterial machen aus einem ›unsauberen‹ Tonträger wie Vinyl oder Band ein Hochglanzprodukt. Das Label ›Digital Remastert‹ ist dann mit Zweifeln behaftet, wenn es die ursprüngliche Atmosphäre zerstört. Die folgenden Abschnitte dienen dazu, die Zusammenhänge der Produktion und Rezeption aktueller Popmusik noch besser zu verstehen. Zum einen geht es um die einzelnen Rollen, die im Produktionsprozess bestehen und entstehen, zum anderen um Sachzwänge und Haltungen.

Rollenverteilung (Komponist – Produzent – Tontechniker) Wie bereits angedeutet, hat sich der Produktionsprozess in der Popmusik mit der Entwicklung der Technik drastisch verändert. Die klassischen Rollenverteilungen Komponist, Arrangeur, Interpret, Toningenieur und Produzent wie zu Beginn der Popgeschichte existieren zwar noch teilweise, sind aber nicht mehr unbedingt auf verschiedene Personen verteilt. Die Erschwinglichkeit professioneller Technik ermöglicht, die Rollen des Komponisten, Interpreten, Tonmeisters und Produzenten in einer Person zu vereinigen, wenngleich das Ergebnis nicht immer professionell ausfällt. Einzig die Rolle des Arrangeurs oder auch des Dirigenten im großen Stil der Big Bands und Orchester gibt es in der Produktion moderner Popmusik immer weniger. Nur Produktionen mit größeren Klangkörpern wie Streicher und Bläserensembles erfordern diese Spezialisten. Die Möglichkeiten der Musiktechnologie lassen den Popkünstlern viele Produktionswege offen (siehe auch: Produktionstechniken). Der Prozess der Pre-Production, also einer Vorproduktion, hat sich als ein gängiges und

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oft verwendetes Mittel erwiesen, musikalische Ideen weit vorzuplanen. Eine Vorproduktion bereitet alle Beteiligten intensiv auf die eigentliche Studioarbeit vor und kann bereits eine klare Klangvorstellung beinhalten. Dieser Prozess des Vorarbeitens ist natürlich auch eine Kostenersparnis. Zum Teil werden Inhalte von Vorproduktionen, wenn sie besonders originell und brauchbar erscheinen, direkt in die eigentliche Produktion übernommen. Üblicherweise wird in Pre-Productions noch kein allzu großer Wert auf eine perfekte Mischung gelegt, es sei denn, man will sich damit bei einer Plattenfirma bewerben. Also fällt nach wie vor ein großer Anteil an Pop-Produktionen in die alte Rollenverteilung.

Die Rolle des Komponisten und Song writers Eine romantische Vorstellung sieht den Songwriter am Klavier oder an der Gitarre, das leere Notenblatt (vorausgesetzt, es sind Notenkenntnisse vorhanden) wartet auf die Eingebung der Muse, auf das ein neuer Hit entstehen solle. Dieses Klischee existiert zwar noch; der Komponist von heute ist allerdings vor allem ein Groove-und Sound Scout. Das Komponieren findet oftmals direkt am Laptop statt und hat nicht mehr viel mit dem klassischen Komponistenbild zu tun. Es werden Stunden darauf verwendet, den individuellen Sound zu finden oder sich zumindest in die aktuelle Klangästhetik einzureihen. Gigantische Soundbibliotheken stehen dazu bereit. Ideen werden direkt eingespielt oder eingesungen. Der Song entsteht am Rechner. So hat sich die Rolle des Komponisten schon in die Bereiche des Sounddesigners und Arrangeurs ausgeweitet. Die Aussage, man hätte einen neuen Song ›geschrieben‹, trifft genaugenommen nur noch auf den Text zu. Die Existenz und der erschwingliche Zugriff auf professionelle Software lässt uns glauben, vieles im Alleingang erledigen zu können. So auch im Bereich der Songproduktion; tendenziell gibt es immer mehr selbsternannte ›Komponisten‹, die nebenbei noch texten, instrumentieren, aufnehmen, editieren, mischen und mastern. Komponieren im Bereich Popmusik kann auch bedeuten, eine Idee, eine Hookline gemeinsam mit anderen Bandmitgliedern, Textern oder Tontechnikern und Produzenten weiter zu entwickeln. Viele bekannte Popsongs sind ohne Vorbereitung durch ›Jammen‹ und Ausprobieren im Proberaum oder Studio entstanden. So gestaltet sich die Rolle des PopKomponisten als nicht festlegbar, der Songwriter ist eine Art Chamäleon.

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Die Rolle des Produzenten Der Produzent ist von Wünschen des Künstlers, den Qualitätsnormen, den Stilstandards und dem Absatzmarkt abhängig. Er handelt im Auftrag seiner Plattenfirma und gestaltet ein aktuelles, qualitativ hochstehendes Produkt. Er bestimmt den Sound und die Ästhetik eines Popsongs. Als Entscheidungsträger ist er für folgende Bereiche zuständig: • • • • • • • • • •

Wer und was wird aufgenommen? Wo und wie wird aufgenommen? Welche Musiker sind beteiligt? Welche Instrumente, welches Equipment wird benutzt? Wo und wie wird geschnitten, welches Material wird verwendet? Welche Effekte werden benutzt? Wie wird abgemischt? Wie wird gemastert? Wie klingt das Endprodukt? Welches Image bekommt der Künstler?

Virgil Moorefield beschreibt in seinem Buch »The Producer As Composer« drei zentrale Entwicklungen in der Produktion von Popmusik: 1. Studioaufnahmen haben sich von einer anfänglich rein technischen Angelegenheit zu einem künstlerischen Prozess hin entwickelt. 2. Die Metapher von einer ›Illusion der Realität‹ hat sich in das Gegenteil, zur ›Realität der Illusion‹ verschoben, zu einer virtuellen Welt, in der alles möglich ist. 3. Der Produzent von heute ist ein Autor.1 Schon Produzenten wie Phil Spector mit seinem »Wall of Sound« in den 1960er Jahren waren Autoren im weitesten Sinne:

1 | One: »Recording has gone from being primarily a technical to an artistic matter«. Two: Recording’s metaphor has shifted from the one of the »illusion of reality« (mimetic space) to the »reality of illusion« (a virtual world where everything is possible). Three: The contemporary producer is an auteur. Virgil Moorefield »The Producer As Composer« MIT Press, London 2005.

2. E INLEITUNG

He does the whole thing. Spector writes the words and the music, scouts and signs up the talent. He takes them out to a recording studio and runs the session himself. He handles the control dials like an electronic maestro […] coming out with what is called the ›Phil Spector Sound‹. 2

Der Status des Produzenten ist, wie der des Songwriters, nicht selten ein selbsternannter. In dem Moment, in dem jemand einen Song von der Aufnahme über den Mix und das Mastering zur Veröffentlichung bringt, kann er sich Produzent nennen. Wie viel Anteil er oder sie bei der Gestaltung des Songproduktes hat, bleibt jedoch dahingestellt. Seit der Entstehung von Popmusik und deren kommerzieller Vermarktung steuern Produzenten, die oft genug auch Nichtmusiker oder ExMusiker sind, den Erfolg einer Band oder eines Einzelkünstlers. George Martin, Phil Spector, Quincy Jones, Trevor Horn, Rick Rubin sind bekannte Vertreter einer hoch geschätzten Berufsgilde. Die klassische Rolle des Produzenten besteht primär darin, Einfluss auf das musikalische Produkt zu nehmen. Die Einflussnahme erfolgt dabei vor allem auf den Ebenen ›Sound‹, ›Arrangement‹ und ›vokaler/instrumentaler Interpretation‹. Ein Produzent steht meist für ein komplettes Album und möchte, wenn möglich, ein bis zwei Songs daraus in den Charts platzieren. Er hat den Überblick über den Gesamtklang des Albums und ist um eine aktuelle, qualitätsbewusste Produktionsweise bemüht. Entscheidungen des Produzenten im Studioprozess können in vielen Fällen konträr zur Meinung des Künstlers fallen. Wie bereits oben zusammengefasst wurde: Produzenten wohnen in der Regel dem Editierungsprozess, dem Mix und dem Mastering bei. Hierbei fallen Entscheidungen, welche die Auswahl der Takes betreffen und somit auch die Art und Weise, wo und wie geschnitten, kopiert und kombiniert wird. Produzenten stehen während dieses Prozesses auch unter dem Einfluss des Toningenieurs. Dessen kreative Einflüsse prägen das Produkt mit. Der Zufall spielt oft eine entscheidende Rolle, ein ›Fehler‹ oder eine unkonventionelle Nutzung eines Effektes oder Ähnliches kann ein Produkt komplett verändern, so geschehen bei dem Stück ›Believe‹ der Sängerin Cher: Dort wurde ein Effekt Plug-In zur Tonhöhenkorrektur (zufälligerweise?) übertrieben oder ungewöhnlich eingesetzt und hat dem 2 | Thomas Wolfe »The First Tycoon Of Teen«.

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Stück vermutlich genau deshalb zum Erfolg verholfen. Diese Technik hat zahlreiche Nachfolger gefunden und erfreute sich (eine kurze Zeit lang) großer Beliebtheit. Es wären noch viele solcher Beispiele zu nennen. Über die Rolle des Toningenieurs schreibt Moorefield weiter: Whereas the craft of the studio technician and the producer had formerly been to create for he home listeners a perfected version of an artist, band, or orchestra in concert, the rules of the game were now changing: the object was no longer to create a flawless ›real-life experience‹ but rather to use the available technological sources imaginatevely in order to create sounds that were no longer functioning within the metaphor or realism […]. 3

Der Versuch einer perfekten Abbildung der Realität, wie sie in den ersten Dekaden der Studiotechnik noch üblich war, ist also abgelöst worden durch das Erschaffen von nie gehörten Klangwelten. Damit hat sich die Rolle des Toningenieurs von einer technisch betonten Arbeitsweise in eine kreative Richtung bewegt, weg vom reinen Handwerker zum vielseitigen Klanggestalter. Zusammen mit dem Künstler und dem Produzenten entwickelt er Soundkonzepte, die sich am aktuellen Markt orientieren. Er beeinflusst die Entscheidungen des Produzenten mit und er verfügt aufgrund seiner Erfahrung über eine breites Arsenal von klanglichen Möglichkeiten. Darüber hinaus nimmt er während der Aufnahmen Einfluss auf die Performance der Studiomusiker. Er spürt Stärken und Schwächen und geht feinfühlig mit den angespannten Musikern um. Oft liegt es im psychologischen Geschick des Toningenieurs, ob eine Aufnahme gelingt. The technologies we use have tended to make creative jobs do-able by many different people: new technologies have the tendency to replace skills with judgement – it’s not what you can do counts, but what you choose to do and this invites everyone to start crossing boundaries. 4

Die Kette der getroffenen Entscheidungen entlang des Produktionsprozesses bestimmt den Erfolg eines Popsongs. Je mehr Möglichkeiten eröffnet werden, desto mehr Entscheidungen kann es geben. 3 | Moorefield, 2005. 4 | Brian Eno, 1996.

2. E INLEITUNG

Die Situation des Konsumenten Wenn ein Popsong in den öffentlichen Medien Verbreitung findet, hat er bereits eine unsichtbare Qualitätsschranke überschritten. Die Präsenz auf dem Markt ist das Eintrittsticket zum Konkurrenzkampf. Dazu muss das Produkt >Popsong< noch gar nicht vom Konsumenten bewertet worden sein. Es ist erst einmal auf dem Markt und muss sich dort behaupten. Eine Bewertung des Konsumenten erfolgt meist auf der persönlichen Erfahrungsebene, man findet Gefallen an einer Stimme, an einem Groove, einem Sound und befasst sich dann näher mit einem Künstler oder mit einem ganzen Album. Kritiken in Magazinen oder Zeitschriften regen zum Kauf an. Die Suche nach neuer Musik findet immer häufiger im Internet statt, man hört Songs vor und erwirbt sie dann oder lädt sie in Tauschbörsen herunter. Kaum ein neuer Popsong wartet nicht mit einem dazugehörigen Clip auf. Dieser verstärkt den Identifikationseffekt uns erschließt neue Käuferschichten. Die Visualisierung von Popmusik ist seit dem Aufkommen der Musiksender wie MTV oder VIVA Normalität. Wie der Produzent oder der Tontechniker trifft der Konsument eine Kette von Entscheidungen bei der Auswahl seines Favoriten. Welche Stilrichtung, welcher Künstler, welches Album, welcher Song gefällt dem Hörer? Die Auswahl der Stilrichtung richtet sich bei jugendlichen Popmusikhörern oft nach der Zugehörigkeit zu einer Szene. Szenen suchen Eigenständigkeit, Gemeinschaftsgefühl und Abgrenzung zu anderen Gesellschaftsgruppen. Das haben auch die Plattenfirmen erkannt und produzieren bewusst für bestimmte Altersgruppen und Szenen, die sogenannten ›Formate‹. Hörergruppen werden analysiert und kategorisiert. Das Radioprogramm ist gezielt auf diese Formate ausgerichtet. Insofern ist der Hörer zwar autonom in der Auswahl seiner Lieblingsmusik, andererseits wird sein Konsumverhalten subtil gesteuert.

Technik – Möglichkeiten und Konsequenzen Musik auf dem Laptop zu produzieren, oder zumindest vorzuproduzieren, wird für technische Laien immer einfacher. Das klassische Songwriting hat sich, wie oben bereits geschildert, zu einem neuen Prozess des Zusammenstellens von Klängen erweitert. Man schreibt nicht mehr Musik und spielt sie dann, man kombiniert Samples und Loops, welche die neuen Sequencerprogramme massenhaft zur Verfügung stellen. Beispielsweise

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bietet die Apple Software Logic gleiche mehrere Gigabyte an vorfabrizierten Loops und Samples an, die sich dem gewünschten Songtempo automatisch anpassen. Virtuelle Orchester ergänzen das Arsenal an Drumbeats, Bassriffs, Gitarrenlicks, Vocal Hooks und Ambient Sounds. Stilistische Tabus existieren schlichtweg nicht mehr, im Gegenteil, die Ästhetik der Postmoderne thematisiert die Vereinigung gegensätzlicher Stile in einem Ganzen. So können problemlos irische Gesänge, Housebeats und Latinloops einen neuen Stilmix erzeugen. Auch der formale Ablauf eines Songs und der damit verbundene dramaturgische Verlauf kann in Sequencerprogrammen schnell kontrolliert und getestet werden. In diesem Zusammenhang stellt man eine gewisse formale Verarmung durch das enge Korsett des Radioformats fest. Innerhalb von knapp vier Minuten lässt sich auf der formalen Ebene nur in begrenztem Maße gestalten. Die Konsequenz aus der technischen Entwicklung bedeutet: Im Prinzip kann jeder Popmusik produzieren, ohne technische oder stilistische Grenzen. Was jedoch noch nicht heißt, dass jedes Produkt auch professionellen Anforderungen genügt. Nichtsdestotrotz wird der Markt mit neuen Tonträgern überschwemmt. Täglich erscheinen unzählige neue Tonträger, von privaten Kleinstproduktionen bis zu medialen Großereignissen. Musik zu produzieren wird zu einer Art Breitensport, in dem sich Sänger, Rapper, DJ’s und Bands tummeln. Die positive Seite der Entwicklung; Talentierte Musiker haben endlich die Chance, ihre Ideen kostengünstig auf den Markt zu bekommen und eventuell auch entdeckt zu werden.

Handwerk und Ethik Die zum Teil selbsterklärende Struktur virtueller Aufnahmestudios hat den Zugang zur Musikproduktion verändert. Was sich Tontechniker in ausführlichen und langjährigen Studien angeeignet haben, versuchen nun Amateure im Selbststudium. Den wirklich guten Klang zu produzieren, der Transparenz, Ausgewogenheit, Druck und Dynamik bietet, ist immer noch erfahrenen Tontechnikern vorbehalten. Ohne sich mit den Grundlagen der Akustik zu befassen, dürfte der komplexe Umgang beispielsweise eines Kompressors kaum überzeugend zu bewerkstelligen sein. Spätestens beim Mastern eines Songs enden die Kompetenzen eines Amateurs oder Semiprofis. Mit anderen Worten: ›Die Axt im Haus erspart leider nicht den Zimmermann.‹ Autodidaktisch erworbene Handwerklichkeit kann unter Umständen erstaunliche Ergebnisse erzielen, ist jedoch oft bestimmten

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Stilen wie Electronika oder HipHop vorbehalten. Der komplizierte Ablauf einer Aufnahmesession mit ›echten‹ Musikern erfordert profunde Kenntnisse des Metiers, die sich nicht nur auf eine technische Ebene reduzieren, sondern auch musikalische und sozialpsychologische Aspekte beinhalten. Die Rollen des handwerklich kompetenten Songwriters und des Arrangeurs, der Streicher und Bläser in die richtige Form bringt, sind nicht gänzlich verloren, sondern einfach seltener geworden. Wann immer eine Produktion internationalen Standard erreichen soll, wird ein Team von Spezialisten am Werk sein. (Siehe auch: Interview mit Tontechnikern und Produzenten.)

Markt und Finanzen Der fast tägliche Wandel in den Spielarten der Popmusik ist Programm. Popmusik mit seinen kurzlebigen Songprodukten droht zum Wegwerfartikel zu verkommen. Der überschwemmte Markt lässt die Erfolgsnischen immer kleiner werden. Die ständige Suche nach dem neuen Popklang erscheint zwanghaft. Nicht nur die Techniken der Aufnahme und Mischung und die Mobilität professioneller Systeme, auch der Umgang mit dem Klangmaterial selbst ist entfesselt. Durch die sofortige Verfügbarkeit von Klang in jeder Form und die ständige Erneuerung und Erweiterung digitaler Bearbeitungsmittel hat der Musikproduzierende die ›Qual der Wahl‹. Allein das Durchforsten von schon vorhandenen Presets5 in virtuellen Instrumenten als klangliches Ausgangsmaterial kann Stunden in Anspruch nehmen. Presets sind das ›convenience food‹ der Musikproduzierenden. Oft genug fehlen einfach die Fähigkeiten, eigene Klänge zu programmieren oder eine eigene Klangvorstellung zu entwickeln und umzusetzen. Gleichzeitig ist eine deutliche Reduktion in vielen Popproduktionen zu erkennen, vor allem im HipHop und R&B Bereich minimieren sich die musikalischen Inhalte oft auf Stimme und Beat. So werden billige und schnelle Produktionen noch häufiger. Oft überspielt der Clip zum Song mangelnde Qualität oder mangelnden Ideenreichtum. Wenn in Popmusikproduktionen Geld eine entscheidende Rolle spielt, wird die vorhandene Technik nicht nur zur Qualitätsverbesserung, sondern auch zur Zeitersparnis genutzt. Produzenten von heute sind sich 5 | Vorgefertigte Klänge auf Klangerzeugern wie Samplern oder Synthesizern aber auch Effektgeräten.

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sehr bewusst darüber, dass eine nachträgliche Bearbeitung der in einer relativ kurzen Zeitspanne aufgenommenen Tracks das erwartete optimale Ergebnis bringen kann. Auf der anderen Seite bringt eine professionelle Vorbereitung des Künstlers auf die Studiosession mindestens genau so viel Zeitersparnis. Studiozeiten werden im Gegensatz zu früheren ›analogen‹ Jahren sehr knapp gehalten. Auch die zu früheren Zeiten üblichen Studiojams, bei denen Songs und Alben im Studio entstanden, sind heute fast nur noch denkbar, wenn eine Plattenfirma mit entsprechenden Finanzen dahinter steht. Der Produzent von heute ist sich über die fast unbegrenzten technischen Möglichkeiten der virtuellen Klanggestaltung bewusst. Atmosphären, die früher nur über komplizierte Raumanordnungen und Mikrophonierungen möglich waren werden heute simuliert. Ob ein Produkt eher industriell, natürlich oder im Stil der 1960er Jahre klingen soll, ist technisch kein Problem mehr (trotzdem ein beträchtlicher Aufwand), sondern, wie bereits gesagt, eine Frage der Entscheidung. Dies unterstreicht Brian Eno in seinem Statement: »[T]o replace skills with judgement – it’s not what you can do counts, but what you choose to do and this invites everyone to start crossing boundaries.« 6

So gesehen ist der digitale Schnitt als Bearbeitungsmöglichkeit in Pop-Produktion nicht allein ein handwerklich komplexes Instrument, sondern die Konsequenz eines Entscheidungsprozesses. Und die Fähigkeit, die richtige Entscheidung zu treffen, ist ebenfalls ein ›skill‹. Unter dem Strich bleibt das ausgebildete Studiohandwerk trotz der vielleicht kleiner werdenden technischen Probleme unbedingte Voraussetzung für die Entwicklung neuer Popmusik. Studiotechnik ist alles andere als ›easy‹. Die hochkomplexen Vorgänge bei professionellen Studioaufnahmen gehören in die Hände von kreativen Studioprofis, die ihre neue Rolle als Autoren auch so begreifen.

Was hat die digitale Revolution der Popmusik gebracht? Die digitale Bearbeitung von Audiomaterial ist non-destruktiv. Das Klangmaterial als solches geht nicht verloren, denn nahezu jeder Schritt auf dem Computer kann rückgängig gemacht werden. Dies war zu Zeiten des ana6 | Brian Eno, 1996.

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logen Bandschnittes ungleich schwerer oder gar nicht möglich. In einer digitalen Umgebung lassen sich die aufgenommenen Audiodateien beliebig zerschneiden, kombinieren und kopieren. Fehlerkorrekturen sind leichter und schneller zu bewerkstelligen. Verzerrung und Bandrauschen entfallen. Kopien sind verlustfrei. Nachteile der digitalen Technik liegen in der immer größer werdenden Datenflut und der damit verbundenen Unübersichtlichkeit. Eine der Retro-Bewegung entsprechende Romantisierung analoger Aufnahmemedien sehen viele Tontechniker skeptisch. Der ›Gewinn‹ an Klangcharakter im Gesamtsound ist mit beträchtlichem Mehraufwand verbunden. Kosten, Pflege und Reparatur analoger Geräte stehen nicht immer im Verhältnis zum gewünschten Ergebnis. Und: Eine ›echte‹ analoge Aufnahme beinhaltet konsequenterweise, dass alle beteiligten Glieder in der Aufnahmekette analog sind. Ist dies nicht der Fall, entstehen Mischformen von analog und digital, eine gängige Studiopraxis. »[…]digital technology has not merely improved sound quality but has fundamentally altered the ways in which musical gestures are created, manipulated and interact with one another.«7

Die Veränderung der musikalischen Gesten meint auch die neuen Kodierungen, mit der die Szenen und Stilistiken spielen. Das Abfeuern eines Samples, das künstliche ›Stottern‹ einer Stimme, der ultraschnelle Drumloop, all dies sind die akustischen Erkennungszeichen, die ›Sonic Brandings‹ der Popszenen. Darüber hinaus hat die digitale Revolution vor allem aber die Haltung der Popmusikmacher verändert. Jede Art der Aufnahmeform ist möglich, jede Bearbeitung ebenfalls. Der Markt ist auf der ständigen Suche nach neuen Nischenprodukten und dieser Zweck heiligt viele Mittel. Trotzdem klingt eben doch vieles sehr ähnlich und kaum schwappt eine neue Soundästhetik auf den Markt, wird sie schon von tausenden Trittbrettfahrern kopiert. Die Interaktion der an einer Produktion beteiligten Musiker fand in einer Phase der Digitalisierung kaum noch statt, man nahm nur noch in Schichten auf (was auch in analogen Zeiten schon üblich war). Die Studio7 | Timothy Warner, Pop Music and Creativity, Trevor Horn and the Digital Revolution, Ashgate 2003.

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musiker begegneten sich nicht und konnten keine gemeinsamen Impulse auf den Rechner bannen. Dies ist zum einem großen Teil auch heute noch so, obwohl die technischen Möglichkeiten wieder eine direktere Atmosphäre ermöglichen würden. Studioarbeit im herkömmlichen Sinne bedeutet vor allem partielles Arbeiten, man baut einen Song oft aus Einzelteilen zusammen. Schicht um Schicht wird aufgetragen und ersetzt wiederum eine andere Schicht. Dies bedeutet nicht zwangsläufig ein unorganisches Endergebnis. Man ›kommuniziert‹ in einer gewissen Art und Weise mit dem Instrument, das man schon über Kopfhörer wahrnimmt. Selbst eine virtuell zusammenspielende Band ließe sich simulieren. Aber wie bereits anfänglich gesagt, stellt ein Popsong keine Abbildung der Realität mehr dar. Dieses Axiom öffnet alle Türen, es existiert keine eigentliche Verpflichtung mehr, der Wirklichkeit gerecht zu werden. Im Sinne einer ›larger than life-Produktion‹ werden jedoch häufig Gesangsparts im wahrsten Sinne des Wortes ›zu Tode‹ optimiert; das Ergebnis ist eine perfekte, aber nicht mehr nachvollziehbare Performance, die den Rezipienten dann doch wieder zu weit von seinem Idol entfernen könnte. Entsprechend groß ist oft die Enttäuschung der Fans bei Live-Konzerten, wenn die stimmlichen und instrumentalen Fähigkeiten nicht denen der CD entsprechen. Aber auch hier wird manipuliert, wie wir wissen. Vor diesem Hintergrund erscheint der exzessive Einsatz von Optimierung durch den digitalen Schnitt besonders interessant. Wir werden erfahren, in welchen stilistischen Bereichen der Pop-Welt Schnitttechniken vor allem zur Geltung kommen.

Studio- und Liveästhetik Der Live-Charakter eines aufgenommenen Stückes zeigt sich meist im direkten Zusammenspiel der Musiker – in der gemeinsamen Energie. Um diese wirklichkeitsnahe Atmosphäre zu erreichen, nimmt man gegebenenfalls auch kleine Ungenauigkeiten hin. Gerade diese Unreinheiten lassen das Produkt authentischer wirken. Ein gutes Beispiel hierfür stellt die Entwicklung des Schlagzeugs in Populärer Musik dar: Mit dem Aufkommen der Rhythmusmaschinen haben Schlagzeuger ihr Spiel in Richtung maschinelle Genauigkeit verändert. Sie versuchten in einer ersten Phase in den späten 1980er Jahren so genau wie Drum-

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Machines zu klingen. Die Gegenreaktion auf der Maschinenseite und auf den ersten Sequencerprogrammen war das Bereitstellen der ›Humanize‹-Funktion. Man konnte in einen quantisierten8 Drumgroove gewisse ›menschliche‹ Ungenauigkeiten einbauen, damit die Maschine nicht nach Maschine klingt. Der heutige Stand der Technik lässt zu, ein echtes Schlagzeug sowohl nach der Aufnahme zu triggern9 als auch zu quantisieren. Somit kann eine Schlagzeugaufnahme in jede ästhetische Richtung bewegt werden. Der Studiocharakter eines aufgenommenen Stückes zeigt sich oft in einer gewissen Sterilität. Die Instrumente klingen zwar durch die räumliche und zeitliche Trennung qualitativ besser, haben jedoch oft keine Beziehung zueinander, die gemeinsame Energie fehlt. Dieses Dilemma existiert seit den ersten Multitrack-Aufnahmen der Beatles und ist immer wieder ein Thema in der grundsätzlichen Planung einer Studioproduktion. Besonders authentisch erschienen uns Künstler während der MTV »Unplugged« Serie, gleichsam ›ohne Filter‹ konnte man seine Idole mit allen kleinen Fehlern erleben, eine quasi Live-Studio Atmosphäre. Was nun den Schnitt betrifft, lässt sich eine Studioaufnahme, bei der mehrere Musiker gleichzeitig spielen wollen, genau so schlecht oder gut schneiden wie ein separat aufgenommenes Instrument. Allerdings werden die Möglichkeiten bei gemeinsamen Aufnahmen weitaus komplexer. Dies lässt sich kurz am Beispiel einer kombinierten Drum- und Bassaufnahme zeigen: Spielen Bass und Schlagzeug an mehreren Stellen ungenau, muss eine Anpassung eines oder beider Instrumente vorgenommen werden. Mikrotiming, Akzente, Energie und Groove sind dabei zu beachtende Parameter. Aber welchen Parametern gibt man den Vorrang? Die Spielwiese mit den obengenannten Hierarchien wird immer größer. Werden alle Noten nach dem Grid10 gerichtet oder hält man den Groove von dem Beat? Bei welchen Akzenten ist mehr oder weniger Energie vorhanden? Wie wirkt der Groove auf die gesamte Länge des Songs? All diese Fragen sind wiederum abhängig davon, ob man es mit einer 8 | In ein rhythmisches Raster bringen. 9 | Ein Triggersignal dient dazu, einen anderen oder zusätzlichen Klang anzusteuern. 10 | Grundraster, bei DAW’s oft ein sichtbares Gitternetz zur rhythmischen Orientierung.

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gut eingespielten Rhythm-Section zu tun hat oder mit eher mittelmäßigen Spielern. Von all diesen Problemen soll und will der Hörer eigentlich nichts hören.

Popexperimente Den Sound der Zukunft mit zu gestalten, liegt also nicht nur bei dem Künstler selbst, sondern in großem Maße in der Hand des Tontechnikers und des Produzenten. Sie sind gefragt, zu experimentieren und unkonventionelle Wege einzuschlagen. So gesehen ist der Produzent von heute sogar noch mehr als ein Autor, er besitzt die Möglichkeit, die Welt der Popmusik zu verändern, Bewegungen zu initiieren und Trends zu schaffen. Auch etablierte Interpreten wie beispielweise Madonna halten Ausschau nach innovativen und kreativen Klangkonzepten und scheuen das Experiment keinesfalls. Sie suchen die Zusammenarbeit mit mutigen Tonkünstlern und Soundbastlern. Auch mit der Schnitttechnik ließe sich experimentieren, vergleicht man Beispiele aus der Bildenden Kunst, stellt die Collagiertechnik (Hannah Höch, Kurt Schwitters, Dave McKean) eine Parallelität zur Sample, Cut&Paste Technik dar. Das Werkzeug zum anfänglichen Vertuschen und Vortäuschen wird hier zu einem Instrument der Gestaltung. Radikale Schnitte hacken das Klangmaterial zu perkussiven Schnipseln zusammen und lassen Klangereignisse hart und kompromisslos aufeinanderprallen.

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C ROSSOVER … Bernhard Weber Es scheint, als habe sich Theodor Wiesengrund Adorno in seiner Musiksoziologie (1962) bei der Konzeption seiner Hörertypen an dem das Vorwort einleitende Zitat von Heimdall inspirieren lassen. Der Experte selbst wäre, als erster Typ, durch gänzlich adäquates Hören zu definieren. Es wäre der voll bewußte Hörer, dem tendenziell nichts entgeht und der zugleich in jedem Augenblick über das Gehörte Rechenschaft sich ablegt […] Die voll adäquate Verhaltensweise wäre als strukturelles Hören zu bezeichnen.11

Wenn wir auch Adornos Bewertung der »leichten Musik« nicht teilen wollen und ebenso keine grundsätzliche und exklusive Interdependenz zwischen Populärer Musik und einer Regressivität des Hörens entdecken können – diese an sich aber sehr wohl beobachten – wünschen wir uns im Einklang mit Adorno den bewussten Zuhörer, der, neben anderen Wahrnehmungs- und Verstehensdimensionen, das Hören von Strukturen und Makrostrukturen zu seinen Eigenschaften zählt. Die folgende Publikation beschäftigt sich mit dem Phänomen des digitalen Schnitts in der Populären Musik und dessen makrostrukturelle Wahrnehmung. Den beiden Herausgebern ist es wichtig, sich diesem Phänomen nicht eindimensional zu nähern, sondern es im Rahmen eines Pilotprojektes interdisziplinär und aus sehr unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Zu Wort kommen daher Musiker, Komponisten, Produzenten und Tontechniker, Medienwissenschaftler, Musikwissenschaftlicher sowie Pädagogen und nicht zuletzt die Rezipienten Populärer Musik. Die unterschiedlichen Perspektiven des Projektes spiegeln sich unter anderem in den berufsspezifischen Profilen der Autoren, hinter denen sich wiederum verschiedene individuelle Meinungen, ästhetische Standpunkte sowie wissenschaftliche Positionen und Modelle verbergen, die nicht zuletzt im sprachlichen Kolorit der Schrift ihren Niederschlag finden. Unterschiedliche Blickwinkel einnehmen bedeutet für uns aber auch, Theorie und Praxis in einen sinnvollen Dialog einzubinden. Beispielswei11 | Adorno, 1992, S. 17f.

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se stammen die hier erwähnten Kategorien prototypischer Schnittmuster aus der Produktionspraxis Populärer Musik. Ebenso orientieren sich die in den Hörtests verwendeten akustischen Stimuli nur bedingt an den theoretischen Vorgaben empirischer Forschung, sondern am Produktionsalltag der Studios. Wenn in diesem Projekt von Populärer Musik die Rede ist, geschieht dies aus historischer Sicht mit zwei Einschränkungen. Die Digitalisierung der Musikproduktion beginnt zwar schon in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre, allerdings lässt sich erst im nächsten Jahrzehnt von einer Etablierung der Digitaltechnik sprechen. Weiterhin sind die von Harenberg und Sägesser analysierten Songs (siehe Kapitel 1) zwischen 1994 und 2008 produziert worden. Daher beziehen sich unserer Darstellungen im Wesentlichen auf Populäre Musik ab den 1980er Jahren, gleich wohl viele der von uns gemachten Aussagen und Schlussfolgerungen ganz allgemein auf Populäre Musik bzw. auf jede andere Musikform übertragen werden könnten. Den Auftakt für dieses Crossover-Projekt übernehmen im ersten Kapitel Michael Harenberg (Medienwissenschaftler und Komponist) und Marcel Sägesser (Medienkünstler und Komponist). Sie beschäftigen sich grundlegend mit dem Phänomen des (digitalen) Schnittes. Sägesser beschreibt zunächst die historische Entwicklung ab den 1980er Jahren sowie die technischen Implikationen des digitalen Schnittes. Harenberg stellt den Schnitt als grundlegendes mediales Gestaltungsmittel in einen übergeordneten ästhetischen und historischen Kontext. In einer Feldstudie analysierten Brockhaus und Sägesser insgesamt 85 Musiktitel mit Blick auf digitale Schnittmuster. Der zeitliche Rahmen der Untersuchungen erstreckt sich von 1994 bis 2008. Aus den in dieser Untersuchung entdeckten Mustern, wurden insgesamt zehn Kategorien prototypischer Schnittmuster entwickelt. Diese bilden die Basis für weitere Untersuchungen. Die in der Feldstudie gefundenen und kategorisierten Prototypen sind für Immanuel Brockhaus (Musiker, Komponist und Dozent) der Ausgangspunkt für die Komposition des Songartefakts ›A New Horizon‹, in dem diese Prototypen zur Anwendung kommen. Der damit zusammenhängende Produktionsprozess wird im zweiten Kapitel von der Konzeption, über die Aufnahme bis zum Mixdown detailliert beschrieben. Unterschiedliche Versionen des Artefakts sowie Ausschnitte daraus bilden die Grundlage für eine umfangreiche Studie über die Wahrnehmung und ästhetische Be-

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wertung digitaler Schnittmuster durch unterschiedlich vor gebildete Popmusikhörer. Wer beeinflusst wen? Folgen die Produzenten und Tontechniker den Bedürfnissen der Hörer bzw. des Musikmarktes, oder reagieren die Hörer auf die Angebote der Musikindustrie oder die Ideen der Musikproduzierenden. Das vielzitierte ›Henne-Ei-Problem‹ findet sich auch im Wechselverhältnis zwischen Produzenten und Rezipienten. Um diese spannende Frage zumindest ansatzweise zu klären, kommen im dritten Kapitel die Produzenten und Tontechniker selbst zu Wort. In einer Expertenrunde an der Hochschule der Künste Bern wurde diese Frage sehr ausführlich diskutiert. Eine Zusammenfassung legt die verschiedenen Grundpositionen offen. Als Ergänzung wurden Produzenten und Tontechniker aus der Schweiz über eine empirische Befragung über ihren Umgang mit digitalen Schnitttechniken und zu dem Einfluss dieser Techniken auf den Produktionsprozess befragt. Wie werden digitale Schnittmuster in der Populären Musik von Laien und Experten wahrgenommen und ästhetisch bewertet und welche Auswirkungen haben in diesem Zusammenhang sprachliche und musikalische Unterweisungen? Der Beantwortung dieser Leitfragen widmet sich abschließend eine umfangreiche Pilotstudie von Bernhard Weber (Musikpädagoge und Musikwissenschaftler), an der 191 Personen teilnahmen. Die Studie setzt sich aus insgesamt vier Teilen zusammen: Erhebung sozialstatistischer Daten sowie Angaben zur Musikrezeption und Musikpraxis, Hörtest (I) zur Wahrnehmung und ästhetischen Bewertung unterschiedlicher Schnitttechniken, Instruktion mit anschließendem Hörtest (II) und ein weiterer Hörtest (III) zur Wahrnehmung prototypischer Schnitttechniken. Die Ergebnisse aus den einzelnen Kapiteln werden am Ende der Untersuchungen zusammengefasst und im Zusammenhang mit weiteren Entwicklungsmöglichkeiten des digitalen Schnittes diskutiert. Die Schrift schließt mit einem Ausblick auf zukünftige Forschungsaktivitäten. Und noch eines ist uns wichtig! Aus sprachlichen Gründen haben wir bei personenbezogenen Formulierungen auf die weiblichen Endungen verzichtet. Sie werden aber stets mitgedacht.

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3. Schnittmuster in der Populären Musik Immanuel Brockhaus, Michael Harenberg, Marcel Sägesser

Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Geschichte und Ästhetik des digitalen Schnitts in der Populären Musik sowie mit der Untersuchung und Beschreibung prototypischer Schnitttechniken.

3.1 H ISTORISCHE B E TR ACHTUNG 1980-2008 Michael Harenberg, Marcel Sägesser Anfang der 1980er Jahre ereignete sich eine Revolution, deren ganzes Ausmaß wir bis heute noch nicht vollständig erfasst haben. Mit dem ersten digitalen Synthesizer, dem DX-7 der Firma Yamaha, begann 1984 die umfassende Digitalisierung der Musikproduktion. Bereits ein Jahr zuvor hatte ein Industriekonsortium den bis heute gültigen ›Musical Instrument Digital Interface‹ (MIDI) Standard verabschiedet. Es handelt sich um eine Protokoll-Konvention, die dafür sorgt, dass digitale Instrumente aller Art Daten austauschen können. So waren es zu Beginn auch digitale Synthesizer, Sampler, Drumcomputer und Effektgeräte, die in einem Verbund miteinander gesteuert werden konnten und nach und nach einen Computer als Zentrale benutzten. Durch diese Entwicklung kam es zu einer explosiven Mischung aus europäischer Elektronischermusik und amerikanischer Computermusik, Sampling und den phonographischen Anfängen von Popmusik sowie DJ-Culture. Diese Entwicklung sollte die klassische Band mit der E-Gitarre als Ikone einer ganzen Generation für immer ablösen. Es war die funktionale Musik der Maschinen, die im Disco wie im Pop der 1980er Jahre musikalisch-ästhetisch neue Fragen aufwarf. Im digitalen Sequenzer konnte Musik durch eine Person konstruiert, ar-

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rangiert und später auch bis zum Mastering komplett produziert werden. Professionelle Studiomusiker wurden dadurch massenhaft arbeitslos und durch immer neue digitale Klangsyntheseverfahren, Drumcomputer, Harddiscrecordingsysteme und kommerzielle Samplelibraries ersetzt. Bands wurden erstmals gecastet und musikalisch komplett im Studio designed. Studiotechnische Produktionsverfahren blieben lange Spezialisten und großen Zentren vorbehalten. Strukturelle Manipulationen am Musikalischen mittels Mehrspurverfahren und Overdubbing waren – genauso wie klangbearbeitende Eingriffe mit Flanger und Phaser aber auch Hall und Echo-Effekte – das Resultat komplizierter Tonbandmanipulationen im Analogen, wie sie ohne sehr exklusives und damit teures Equipment kaum herzustellen waren. Synchronisationen verschiedener Tonbandaufnahmen stellten ebenso unüberwindliche Hindernisse dar, wie die isolierte strukturelle Bearbeitung einer einzelnen Spur einer Mehrspuraufnahme. Diese auf der Basis phonographischer Strategien aus den Anfängen der Popularmusik beruhenden Verfahren schienen jetzt musikalisch wie informatorisch vollständig berechenbar und sich medientechnischen Automatisierungseffekten unterwerfend.1 Als letzte ästhetisch-mediale Instanz betraf das den Gesang, der erst Ende der 1980er Jahre in dieses komplexe Medienset integriert werden konnte, als auch handelsübliche Computer in der Lage waren, mit Audiodaten in Realtime umzugehen. Von nun an wanderten auch die letzten analogen Bastionen – teure Mehrspurtonbandmaschinen und riesige Mischkonsolen – in die rechnergestützten kombinierten Audio- und MidiSequenzer. Diese hatten bis in die 2000er Jahre vornehmlich die Aufgabe, die alte analoge Studioumgebung nicht nur musikalisch sondern auch photorealistisch, mit der 3D-Nachbildung von Reglern und Interfaces, zu simulieren.2 Dies taten sie allerdings in nie erreichter Präzision und mit der Möglichkeit der digitalen Speicherung aller Zustände und Einstellun1 | Siehe, Großmann, Rolf: Die Geburt des Pop aus dem Geist der Phonographischen Reproduktion, in: Bielefeldt, Christian; Dahmen, Udo; Großmann, Rolf, PopMusicology. Perspektiven der Popmusikwissenschaft, Bielefeld 2007, S. 119134. 2 | Vgl. Harenberg, Michael, Die Ästhetik der Simulation. Musik aus virtuellen Räumen, in: Schade, Sigrid, Tholen, Christoph, SchnittStellen, Basel 2006, S. 389-400.

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gen. Im Ergebnis konnte dank ›Total-Recall‹ nun mit dem gleichen Equipment an mehreren Projekten parallel gearbeitet werden. Die neue Qualität im Zugriff auf Details, an Genauigkeit und Programmierbarkeit führte zu neuen ästhetischen Konzepten formsprengender spielerischer Collagen, zu neuen Sounds, aufwendigen Arrangements und ausgetüftelten Konzepten im Rhythmischen. Alle diese Entwicklungen waren bis zur Jahrtausendwende nicht nur von einer großen Technikeuphorie getragen, sondern verabsolutierten die medialen Verfahren des Digitalen in Bezug auf die ästhetischen Ergebnisse. Dies schlägt sich konsequenterweise in den 1990er Jahren in der Maschinenästhetik von Genres wie House und Techno nieder, die zudem bereits von sogenannten Bedroomproducern auf Laptops konstruiert werden können. Mit den radikalen Experimenten der Club-Culture der Jahrtausendwende öffnen sich Formen und Strukturen, was sich auch in neuen Softwarekonzepten wie dem ersten patternorientierten Sequenzer ›Live‹ der Firma Ableton, der längst etablierten looporientierten Konstruktionsprinzipien Rechnung trägt, niederschlägt. Damit wird auch das mediale Simulationsparadigma der digitalen Studiotechnologien zugunsten genuin digitaler Dispositive und Verfahren weiter aufgebrochen, wie es parallel dazu z.B. mit sich selbst generierenden ›virtuellen Verzeichnissen‹ auch in modernen Betriebssystemen passiert. Das ist eine erstaunliche Wendung – wurden doch bis dahin z.B. durch die universelle digitale Protokoll-Konvention MIDI vor allem traditionelle Formen des Komponierens und Musizierens aus dem 19. Jahrhundert aufgerufen. Ein ›Dirigenten-Master‹ steuert ›Interpreten-Slaves‹, die ein auf – temperierte Stimmungen repräsentierende – Keyboardtasten bezogenes, lineares Partitur-Zeitschema von ›An‹ und ›Aus‹ spielen und dieses nachträglich instrumentieren. Ermöglichte die Verschaltung der gesamten digitalen Hardware aus Instrumenten und Studioperipherie erste vorsichtige Erfahrungen mit der Medialität gespielter digitaler Netzwerke, hemmte dieses konservative Paradigma musikalischen Handelns Experimente im Strukturellen und am Formalen. Die wahre Revolution fand schließlich im Rechner statt mit der gesamten Studioperipherie als Software und Sequenzern als Schaltzentrale, die dem digitalen Tonbandprinzip endloser Timelines gehorchten und Instrumente, riesige Sample-Libraries, Effekte etc. beinhalteten. Diese gesamte Installation auf einem Laptop ermöglichte eine umfassende Verbreitung und Demokratisierung der virtualisierten Produktionswerkzeuge auch für

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musikalische Laien und geniale Dilettanten, die sich nicht länger um tradierte Konventionen und Formen kümmerten. In dieser Situation einer noch vom analogen Denken geprägten PräRenaissance des Digitalen bis in die 2000er Jahre konnten alle bereits existierenden Produktionsstrategien und Verfahren anhand des qualitativ neuen medialen Dispositivs der Universalmaschine ›Computer‹ erneut erprobt werden. Vor allem wurden im Rahmen der etablierten Popkultur die formalen Strategien spielerisch auf die Spitze getrieben und vielfach gebrochen. In der Tradition von elektrischen Spielinstrumenten und analogen Stepsequenzern führt die Verwendung von maschinenhaften Patterns und Konstruktionsverfahren, wie sie sich historisch in der Minimal Musik etablieren und in der Popmusik zum Stilmittel verabsolutiert erscheinen, einerseits zu ostinaten Formen von sound- und rhythmusorientierten, auf körperbetonte Rezeption hin orientierten Genres wie Disco und Techno, wie wir sie in den 1980er und 1990er Jahren erlebt haben. Andererseits mutieren diese Verfahren als Formen der identischen, mechanisch-technischen Wiederholung im Loop sowie in Programmfunktionen des Cut, Copy & Paste zu verallgemeinerten Paradigmen digitaler Ästhetik. Sie sind von Verfahren beeinflusst, die sich parallel zum Serialismus als Ergebnis der spezifischen Medialität analoger Plattenspieler und Tonbandgeräte bereits in der Musique Concrète der 1960er Jahre entwickelten, wie sie als mechanisch-künstlerische Verfahren der DJ-Culture als normatives ästhetisches Dispositiv auf diese, ästhetisch heute im Sampling verhafteten Ansätze, zurückwirken. Dieser letzte Versuch, die Einheit von Material und Medium herzustellen, verabsolutiert in der Konsequenz die Prädetermination im digitalen Algorithmus, die sich geradezu verselbständigt und auf die Elektronische – wie auf die Instrumentalmusik zurückwirkt, dort aber jeweils als Stilmittel unmittelbar verstanden, interpretiert und damit fruchtbar gewendet wird. Somit werden alle Prozesse des Abgeschlossenen und der geschlossenen Formen zusehends verhindert, wohingegen das Offene, Nicht-Abgeschlossene, Vorläufige und als fragmentale Einheit Zersplitterte zur vorrangig verbliebenen ästhetischen Haltung mutiert. In sich abgeschlossene Kategorien wie ›Werke‹ oder ›Songs‹ verlieren ihre primäre künstlerische Bedeutung und Gültigkeit als vergegenständlichte und ästhetisch nachvollziehbare Entscheidungsprozesse eines material-ästhetischen Mangels und einer sich an der Widerständigkeit der musikalischen wie instrumentalen Materie abarbeitenden Künstlerpersönlichkeit, die nach Adorno versucht ist, Strukturen, mediale Formen des Symboli-

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schen zu Klängen und ästhetischen Formen künstlerischen Materials werden zu lassen. Das Maschinenhafte einer als listige ›techné‹ immer in der Schwebe gehaltenen gleichförmigen und nie abgeschlossenen Bewegung, die wir bisher nur in Form der Maschine kannten, bleibt das Ur-Modell im Umgang mit den künstlerischen Potentialen einer Ästhetik der Determiniertheit im Virtuellen des Digitalen; so wie die radikale Reduktion im Minimal-Techno zu Beginn des 21. Jahrhunderts als Konsequenz aus den oszillierenden Möglichkeiten des funktionalen wie operativen Überflusses als adäquate Reaktion schien, da wir über keine anderen Formen, nicht zuletzt auch in der digitalen Distribution, als Trittleiter in neue virtuelle Räume und musikalische Zeitlichkeiten verfügen. Heute sind Laptops als instrumentale wie als produktionsbezogene Universalmaschinen breit etabliert und akzeptiert. Sie treten in den Künsten als technologische Artefakte bereits wieder in den Hintergrund. Zugunsten von Fragen der Dialektik von musikalischer Form und Inhalt richtet sich die Aufmerksamkeit auf die ästhetischen Konsequenzen ihrer musikalischen Verwendung sowie auf Fragen des Interfaces zu ihrer Bedienung als Instrument, Apparat oder Performance-Tool. Diese spannende Entwicklung geht einher mit einer Renaissance gespielter Musik und des Live-Konzertes, in das sich die Revolution des Digitalen ebenso selbstverständlich zu integrieren beginnt, wie es seine ästhetischen Dispositive weiterhin verändern wird.

3.2 S CHNEIDEN VON A UDIOMATERIAL AM C OMPUTER Das paradigmatisch im Film angelegte Verfahren des Schnitts als Gestaltungsmittel, wurde von dem genialen experimentellen sowjetischen Filmemacher Dsiga Wertow bereits in den frühen 1930er Jahren auch auf den Ton angewandt. Bis die Verfahren einer Schnittdramaturgie als Gestaltungsmittel der Studio-Produktion von Musik sich in Studios etablierten, sollten allerdings noch einige Jahre vergehen, in denen von Pionieren wie Walter Ruttmann, aber vor allem in der Nachkriegsepoche der Pariser musique concréte die wichtigsten Techniken sowohl in Bezug auf Phonographie als auch auf Tonbänder erfunden und erprobt wurden. Der Schnitt war zu Beginn der kommerziellen Nutzung in den 1960er Jahren vor allem ein produktionstechnisches Hilfsmittel, das vom Hörer möglichst

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unbemerkt zu einer höheren Qualität der Aufnahmen führen sollte, was Musiker mit Studioerfahrung wie Phil Spector, Brian Wilson und George Martin als historische Chance erkannten Musik zu gestalten. Neben der Gestaltung umfassender, als ›Sound‹ bezeichneter klanglicher Parameter, ging es ganz handwerklich zu Beginn um unmerkliches Zusammenfügen verschiedener Takes oder das Herausschneiden von fehlerhaften Passagen. Dass der Schnitt als Artefakt hörbar wird, Takes bearbeitet oder als Loops verfremdet mehrfach kopiert werden und damit zu einer neuen Gestaltungsästhetik führen, war in den Anfängen undenkbar und ist nicht zuletzt dem Übergang von analogen zu digitalen Produktionsmitteln geschuldet. Der digitale Schnitt – so wird das Schneiden von Audiomaterial am Computer im Folgenden bezeichnet – ist zunächst die Übertragung des analogen Bandschnitts in ein neues Medium. Das Tonband als Trägermedium wird ersetzt durch einen digitalen Datenspeicher; die Schere weicht dem Eingabe-Interface der entsprechenden Schnitt-Software. Doch es ist nicht bloß das Medium, worin sich der digitale und der analoge Schnitt unterscheiden. Zusätzlich zu der digitalen Nachempfindung des analogen Schnitts am Computer – der Maus-Cursor bekommt die Form und Funktion einer Schere, die als Graphik verbildlichte Audiospur im Sequenzerprogramm verhält sich wie ein unendlich langes Tonband – werden plötzlich scheinbar banale Dinge möglich, die vorher technisch nicht denkbar waren. Um nur einige dieser Vorteile zu nennen: Ein digitales ›Tonbandschnipsel‹ kann hundert- oder tausendfach verlustfrei vervielfältigt werden, ohne dass aufwändiges Hin-und-her-Überspielen notwendig wäre und ohne dass dabei zwischen ›Original‹ und ›Kopie‹ mit entsprechenden Qualitätseinbußen unterschieden werden müsste. Dass ein Schnitt im Digitalen nicht zwangsläufig destruktiv ausgeführt werden muss, also jederzeit vollständig rückgängig gemacht werden kann, ermöglicht nicht nur einen grundsätzlich anderen Umgang mit dem Schnitt, es provoziert ihn geradezu. Mittels ›Trial and Error‹ entfällt die sorgfältige Planung und Durchführung eines Schnittes – beim analogen Tonband immerhin ein gewaltiger Einschnitt in die Aufnahme. Eine Hemmschwelle zum Schneiden existiert kaum noch, zumal der Prozess des Schneidens z.B. einer einzelnen Spur einer Mehrspuraufnahme am Monitor in beliebiger Auflösung visualisiert und um ein Mehrfaches beschleunigt und somit vereinfacht wird.

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Längst hat sich das digitale Schneiden beziehungsweise haben sich die dafür benötigten Werkzeuge, die spezifischen ›Tools‹ der jeweiligen Sequenzersoftware, weiter entwickelt und sich dabei mitunter von ihren analogen Vorbildern entfernt. Der Schnitt am Rechner kann zwar bis heute noch in fast jeder Audiosoftware mit einem angepassten Mauscursor, der oft einer Schere gleicht, von Hand ausgeführt werden, doch meisten Softwaresysteme erlauben es auch mit Markierungen und ferngesteuert über entsprechende Tastaturkürzel, einen programmgesteuert automatisierten Schnitt zu setzen oder einen ganzen Bereich zu löschen. Das Verfahren einer graphischen Markierung stammt aus der digitalen Textverarbeitung und fand so den Eingang in die digitale Audiobearbeitung. Auf die Wichtigkeit der strukturellen wie graphisch funktionalen Erscheinung von Software – des sogenannten Bildschirm-Interfaces – sowie die daraus entstehende Auswirkung auf die produzierte Musik weisen Kleiner und Chlada hin: Wird gegenwärtig Sound produziert, dann besteht das Interface, das dem Künstler entgegenstrahlt, meist aus bunten Knöpfchen, blinkenden Graphen und leuchtenden Screens. An die Stelle von Cellisten, Slowhands und berserkernden Drummern, die Tastaturen, Mundstücke und Saiten virtuos mit fixen Fingern bedienen, tritt der Toningenieur, der in Heimarbeit dem Materie-Strom zu Leibe rückt. 3

Die technischen Produktionsmedien sind also nicht mehr bloß da, um Musik darzustellen, vielmehr werden sie selbst zum bespielbaren Instrument; der Tontechniker, von Kleiner und Chlada bezeichnenderweise ›Künstler‹ genannt, wird tatsächlich zum Instrumentalisten, zum Spieler seiner digitalen Produktions-Instrumente. Dabei verschieben sich auch die produktionsspezifischen Machtverhältnisse: Nach dem grundlegenden Schritt der Digitalisierung wird es wesentlich einfacher und damit kostengünstiger, einen fehlerhaft eingespielten Take in der Software zu ›reparieren‹, anstatt ihn mit Musikern noch einmal aufzunehmen. Und schließlich, dank der beschriebenen Entwicklung der Produktionstechnik zum bespielbaren ›Musikinstrument‹, entscheidet der ehemalige (Rundfunk-)Tontechniker 3 | Kleiner, Marcus S. und Chlada, Marvin (2003). Tanzen Androiden zu elektronischer Musik? Eine Reise durch das Universum der Sonic Fiction. In: Kleiner, Marcus S. und Szepanski, Achim (Hg.): Soundcultures. Über elektronische und digitale Musik. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. S. 210.

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auch über grundlegende künstlerische Fragen. Durch wiederholtes Aufnehmen, Bearbeiten, Überlagern, Zerhacken, Verfremden und Sampeln ist er gar in der Lage, völlig selbstständig neue Stücke zu generieren. Bei der Frage nach dem eigentlichen Urheber so entstandener Musik behaupten Kleiner und Chlada zu Recht, dass der frühere ›Techniker‹ die kreative Arbeit auch nicht im Alleingang leistet sondern sie an seine digitalen Maschinen mit ihren programmgesteuerten, automatisierbaren Zugriffsmöglichkeiten, delegiert: Avancierte Soundbastler gehen einen Schritt weiter. Sie überantworten den Klangfindungsprozess an die Maschinen. […] Zum Einsatz kommen dabei Maschinen, die zufallsgeneriert arbeiten und Samples nach geeigneten Loops abgreifen, um sie danach über ein rhythmisches Gefüge zu bewegen. […] Der künstlerische Akt, die Kreation, Improvisation oder Virtuosität, mutiert zum puren Zähl- und Rechenvorgang. 4

Der gesamte Musikproduktionsablauf hat sich durch die Einführung digitaler Schnittsysteme sehr stark verändert und manche neue Stilistik und Genres fanden ihren Ursprung nicht auf der Bühne sondern in der Spezifik digitaler technischer Produktionsverfahren von Hardware (z.B. Sampler, Effektprozessoren und Synthesizer) und Software (z.B. Schnitt- und Sequenzerprogramme). Ein weiterer gewaltiger Unterschied zwischen digitaler und analoger Produktion besteht darin, dass die Reihenfolge der Arbeitsschritte im digitalen Produktionsablauf frei wählbar und nicht länger von analogen Arbeitstechniken und -Geräten abhängig sind. Im Analogen waren die Arbeitsschritte zwangsläufig und eindeutig an die jeweiligen Gerätefunktionen und Werkzeuge gekoppelt: Zuerst musste auf die Bandmaschine aufgezeichnet werden, dann konnte mit Schere und Kleber geschnitten und editiert werden um anschließend die acht oder sechszehn Spuren von der analogen Bandmaschine in ein Mischpult zu führen und dort zu einer Stereo-Mischung zu bündeln. Dadurch, dass die digitale Produktionsumgebung all diese Schritte oftmals in einer einzigen Software vereint, ist 4 | Kleiner, Marcus S. und Chlada, Marvin (2003). Tanzen Androiden zu elektronischer Musik? Eine Reise durch das Universum der Sonic Fiction. In: Kleiner, Marcus S. und Szepanski, Achim (Hg.): Soundcultures. Über elektronische und digitale Musik. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. S. 211.

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es jederzeit möglich, zu einem vorangegangenen Arbeitsschritt zurückzukehren. So haben denn auch viele Produzenten ihre Arbeitsweise in diese Richtung angepasst: Aufnahme, Editing und Mischung fließen ineinander. Statt erst alles fertig aufzunehmen und dann zu editieren, wird fortlaufend aufgenommen, geschnitten und an der Mischung gearbeitet. Selbst noch im finalen Mastering besteht die Möglichkeit, das Schnittwerkzeug gestalterisch einzusetzen, wie etwa bei Madonnas Song ›Die Another Day‹, um den ganzen Song mit einer kurzen hereingeschnittenen Stille zu unterbrechen. Ästhetische Eingriffsmöglichkeiten bleiben also bis zum Schluss der Produktion bestehen. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, ab wann sich Digitalsysteme in Tonstudios überhaupt zu etablieren beginnen und ab wann dann ausschließlich digital gearbeitet wird. Anhand der digitalen Systeme Fairlight, ATARI, Pro Tools und Notator/Logic soll eine kurze Geschichte der Digitalisierung der Musikproduktion aufgezeigt werden. In einem zweiten Teil werden die gängigsten heutigen Schnittsysteme anhand des exemplarischen Prozesses des Schneidens empirisch verglichen.

3.2.1 Geschichte der digitalen Schnittsysteme Nicht Schnittsysteme und Sequenzer waren die ersten computerbasierten Musikproduktionswerkzeuge, sondern eigentliche Instrumente, d.h. von Menschenhand gespielte synthetische Klangerzeuger und digitale Sampler. Der Quasar M8 von Fairlight war 1975 ein solches frühes Instrument, welches seine Klänge durch Echtzeitmodulation von digitalisierten Grundwellenformen erzeugte. Nachfolger war der Fairlight CMI, der 1979 in Serie ging. Im Unterschied zum Quasar waren die Wellenformen nicht mehr ausschließlich synthetisch vorhanden, sondern konnten erstmals auch in Form digitaler Aufnahmen abgespeichert und abgerufen werden: die Geburt des digitalen Samplers. In Verbindung mit einer subtraktiven Klangsynthese konnten die digitalen Samples nicht nur geschnitten sondern auch geloopt, moduliert, transponiert und schließlich mehrstimmig temperiert gespielt werden, was eine Verarbeitung der Spielin-Formationen quasi in Echtzeit erforderlich macht. Eine neue Gattung von digitalen Samplern als Performance-Instrument war geboren, die jedes akustische Geräusch durch den programmgesteuerten Zugriff auf das digital gespeicherte Klangmaterial mehrstimmig spielbar zur Verfügung stellten. Jedes Samplinginstrument beinhaltet Funktionen zur Manipulation der digital

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vorliegenden Klanginformationen. Dazu gehört vor allem die Möglichkeit mittels Schnitttechniken den Start- und Endpunkt eines Samples zu bearbeiten, um es knackfrei spielen und zur Verlängerung auch loopen zu können. Dazu kommt eine Echtzeittransponierung über vier bis sechs Oktaven sowie eine anschlagdynamische Hüllkurvensteuerung der Wiedergabelautstärke und entsprechender Effekte. Damit ist der Sampler als ein klanglich universelles Musikinstrument anzusehen. Seine Erfindung scheint aus heutiger Perspektive mit dem allgegenwärtigen Computer nebensächlich, stellt aber eine grundlegende Revolution dar. Erstmals wird es möglich, digitale Speicher und einen programmgesteuerten Zugriff nahezu in Echtzeit auf Audiomaterial anzuwenden, wodurch das Trägermedium ›Tonband‹ während der kommenden Jahrzehnte allmählich vollständig abgelöst wird. Zu Beginn dieser Entwicklung ist es aufgrund der begrenzten Speicherkapazität lediglich möglich, Audiomaterial im Sekundenbereich und in geringer Auflösung digital zu speichern; ein digitales Aufnahme- oder gar Schnittsystem wäre nicht denkbar gewesen, weswegen man zwischen ›Samplern‹ als Spielinstrumente und Harddisc-Recording Systemen für Studiobearbeitungen unterscheidet. Dennoch ist damit der Grundstein für die vollständige Digitalisierung aller Produktionselemente gelegt. Der Sampler nimmt den digitalen Schnitt im Gestalterischen von geloopten, synthetischen Klangfarben vorweg und lenkt das Denken erstmals in Richtung heutiger Audio-Sequenzer, auch wenn noch an winzigen, nicht graphikfähigen Displays von Sampler-Keyboards und -Racks, im Abstrakten von Zahlenwerten und Stimmungstabellen, editiert werden muss. Gerade weil Arbeits- und Festplattenspeicher äußerst gering und sehr teuer war, führt dies zwangsläufig zu neuen Spieltechniken und einer entsprechenden Klangästhetik. Indem Samples im Sekunden- und Millisekundenbereich verkürzt und zur optionalen Verlängerung geloopt werden, avanciert der digitale Schnitt zum kreativen Gestaltungsmittel im synthetischen Sounddesign. 1983 wurde der Fairlight CMI mit MIDI ausgestattet. Die 1980er Jahre waren die große Ära des Fairlight und des Synclaviers von New England Digital. Im großen Stil wurden sie von Musikern in unterschiedlichsten Genres eingesetzt, beispielsweise von Trevor Horn, Frank Zappa, Janet Jackson oder Frankie goes to Hollywood. Ähnliche, preiswertere Instrumente, die ausschließlich Sampling als Klangsyntheseverfahren ermöglichten, wurden in den 1980er Jahren von verschiedenen Hersteller ent-

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wickelt: der Emulator von E-MU Systems, der Mirage von Ensoniq sowie der S 612 von Akai. Abbildung 3.1: Fairlight CMI von 1979 mit Monitor (Foto: www.techtoy.de)

Es folgten die ersten in Serie produzierten Personalcomputer, die sich bereits auch als Musikcomputer einsetzen ließen: Commodore C-64 und Amiga. Beide feierten wegen des vergleichsweise günstigen Verkaufspreises und der einfachen Programmierbarkeit große Erfolge. Mehr als bloß ein weiterer digitaler Computer war der ATARI. 1985 kam der ATARI 520 ST, der erste Personalcomputer mit serienmäßig eingebauter MIDI-Schnittstelle, was ihn sofort zum Musikcomputer avancieren ließ. Der 520er war nur kurze Zeit in Gebrauch und wurde schnell vom 1040 ST Modell mit 1 MB Arbeitsspeicher und serienmäßigem Diskettenlaufwerk abgelöst. Bei beiden kann man bereits von Musikproduktionssystemen sprechen, sofern sie natürlich mit der dafür notwendigen Software ausgestattet wurden – auch wenn beide noch recht weit von dem entfernt waren, was wir heute unter einem computerbasierten Musikproduktionssystem verstehen. Aufgrund seiner Prozessorleistung konnte der ATARI ausschließlich mit vergleichsweise kleinen MIDI-Daten umgehen. Jedes Digitalisieren und Aufzeichnen von Audiodaten sowie ihre Bearbeitung lagen noch in weiter Ferne und wurden an externe Hardware delegiert. In den folgenden Jahren wurde erstmal auch kommerzielle Musiksoftware für den ATARI 1040ST

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entwickelt: Notator SL, Steinway Tonal, MusicMon, Cubase und Korksound, um nur einige zu nennen. Sie dienten dem Notensatz, dem Eingeben von MIDI-Daten mittels Keyboard oder Tastatur und Maus, dem MIDI-Sequencing, der Ansteuerung externer synthetischer Klangerzeuger – kontrolliert durch MIDI-Daten – oder waren eine Mischung dieser Anwendungen, die traditionelle Studiotechniken simulieren sollten. Der ATARI ST wurde bis 1993 ständig weiterentwickelt und fand Eingang in sehr viele professionelle wie auch Amateur-Musikstudios. 1992, kurz bevor die Produktion eingestellt wurde, kam mit dem ATARI TT sogar noch ein audiofähiges Modell auf den Markt. Neben dem weiterhin eingebauten MIDI-Interface enthielt er einen schnellen DSP-Prozessor, der Harddisc-Recording in CD-Qualität ermöglichte. Bis Ende der 1990er Jahre blieb er als Harddisc-Recording System in manchen Tonstudios im Einsatz. Abbildung 3.2: Atari 520ST mit Monitor (Foto: http://pics.computerbase.de)

FruityLoops war eine sehr verbreitete und erfolgreiche Step-SequencerSoftware für PC, die 1998 von dem Musiker und Programmierer Didier Dambrin geschrieben wurde. Die Besonderheit dieser Pattern- und Loopbasierten Software war es, dass die Eingabe nicht über eine das analoge Tonband nachempfundende Zeitachse oder über eine Patternansicht wie beim Sequenzer ›Creator‹ von C-LAB funktionierte, sondern über Zahlenlisten, mittels derer MIDI-Notennummern und -Lautstärke-Werte manu-

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ell eingegeben wurden. Lange Zeit konnte die Software ausschließlich mit MIDI arbeiten, erst später kamen Echtzeit-Audiofunktionen dazu. FruityLoops existiert noch heute als ›FL Studio‹ und ist weiterhin Listen-basiert. Der Schnitt von digitalem Audiomaterial war in der MIDI-Ära noch kein Thema. Erst als die entsprechende Wandlertechnologie, ausreichende Speicher und die Taktgeschwindigkeit der Computer so weit entwickelt waren, dass Audiodaten in Echtzeit bearbeitet werden konnten, konnte man vom digitalen Schnitt in funktionaler Anlehnung an das analoge Tonband sprechen. Trotzdem haben die MIDI-Sequenzer die Logik der Cut, Copy, Paste-Arbeitsweise vorweggenommen und die Arbeitsweise heutiger Tontechniker und Produzenten wohl noch stärker beeinflusst als es schon die Arbeit am Tonband getan hat. Die erste audiofähige digitale Musikproduktionsumgebung war jedoch nicht der ATARI, sondern Digidesigns Sound Tools, welches schon 1989 auf den Markt kam. Erstmals war es möglich mittels spezialisierter Hardware den Computer um spezifische Audiofunktionalität zu erweiterten und Audiodaten auf die Festplatte aufzuzeichnen, digital zu schneiden und, wenn auch noch nicht in Realtime, mit Plugins zu bearbeiten. Die erste Version arbeitete lediglich in Stereo und konnte nicht mehr als zwei Spuren aufzeichnen, bearbeiten und abspielen. Mit Sound Tools schaffte es Digidesign, nicht nur den großen Studios eine professionelle digitale Produktionsumgebung anzubieten, sondern konnte auch kleineren und mittleren Studios ein einigermaßen erschwingliches digitales HarddiscRecording System zur Verfügung stellen. Sound Tools wurde weiterentwickelt zum erfolgreichen Pro Tools, welches in den 1990er Jahren zu einem Industriestandard für Tonstudios wurde. Nach und nach fand Pro Tools Eingang in verschiedenste Anwendungsbereiche. Aufgrund zunehmender Rechenleistungen und einer größerer Anzahl an Spuren löste Pro Tools allmählich die analogen Mehrspur-Bandmaschinen und Multitrack-Recorder ab, denn die spezialisierte analog-digital wandelnde Digidesign-Hardware erlaubte es, anfänglich vier und später mehr Audiosignale gleichzeitig auf diskrete Spuren aufzuzeichnen. Das unabhängige Editieren der einzelnen Spuren einer Mehrspuraufnahme wurde möglich. 1991, in der ersten Version von Pro Tools, wurde die Audiobearbeitung im Vergleich zum Vorgänger Sound Tools auf vier Kanäle erweitert und MIDI-Sequencing kam als weitere Fähigkeit hinzu. Abhängig von der Rechnerleistung wurde 1994 die Version III mit bis zu

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48 gleichzeitig nutzbaren Audiokanälen ausgestattet. 1997 erfolgte die qualitative Verbesserung auf 24-bit-Audiobearbeitung – wobei zu beachten ist, dass die Leistung der Produktionsumgebung nicht nur von der Software, sondern vor allem von der Hardware bestimmt wird. Die Möglichkeit 48 Kanäle gleichzeitig aufzeichnen, abspielen oder sogar noch mit verschiedenen Plugins versehen zu wollen, macht keinen Sinn, solange der Rechner dies nicht in Echtzeit verarbeiten kann. In den Anfängen mussten daher so viele Rechenprozesse wie möglich in externe Hardware, sogenannte DSPProzessoren, ausgelagert werden. Erst ab Ende der 1990er Jahren wurde es möglich, fast alles auf einem Rechner zu vereinen. Auch der MIDI-Sequenzer Notator, der von C-Lab für den ATARI 1040ST entwickelt wurde, war der Vorgänger eines bis heute populären digitalen Audioschnittsystems: Logic Pro von Emagic, eine deutsche Firma, die 2002 von Apple aufgekauft wurde. Der Notator war die Nachfolgeversion des Creators genannten Programms und funktionierte interessanterweise im Unterschied zu seinen damaligen Konkurrenten Cubase und Digital Performer nach der Metapher eines analogen Stepsequenzers patternbasiert und nicht in Anlehnung an das analoge Tonbandgerät zeitachsenbasiert. Ein Musikstück wurde durch die Aufnahme und das Arrangieren von Patterns kreiert, d.h. durch eine Art Song-Baukastenprinzip, wobei immer vier Patterns gleichzeitig gespielt werden konnten. Diese Logik war der Funktionsweise von analogen 8- oder 16-Step-Sequencern der 1970er und 1980er Jahre nachempfunden und wurde jetzt formgebend als Strukturgenerator eingesetzt. Unter dem neuen Firmenname ›Emagic‹ wurde 1993 die Nachfolgeversion Notator Logic veröffentlicht. Auch diese Version war weiterhin ein reiner MIDI-Sequenzer für ATARI, dann für Macinthosh Computer, später auch für Windows-Betriebssystemversionen. 1994 erfolgte die Implementierung der Audiofähigkeit und der Begriff des ›Notators‹ verschwand aus dem Namen. Logic 1.7 etablierte sich nach und nach neben Pro Tools als ein weiteres professionelles digitales Schnittsystem mit Sequenzerfunktionen wie MIDI-basierten Kompositionsmodulen. Von da an funktionierte Logic neben der strukturgenerierenden Arbeitsweise mit Patterns auch in der alten Tonbandlogik einer endlosen Zeitachse. Allerdings unterschieden sich der grundlegende Aufbau und die Bedienung von Logic und Pro Tools stark, blieb doch gerade Logic seinem Ursprung als reiner MIDI-Sequenzer lange treu. Die studioorientierten Schnitt- und Mischfunktionen blieben in Logic lediglich ein Bestand-

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teil unter sehr vielen anderen, was man je nach Arbeitsweise als Qualität oder Problem sehen kann. Während der 1990er Jahre nahm die Zahl an Softwaresequenzern, welche neben MIDI auch Audio bearbeiten konnten, rasch zu. Während einige schon nach kurzer Zeit wieder verschwanden, entwickelten sich andere zu den in der professionellen Musikproduktion bis heute eingesetzten Werkzeugen weiter. Der Übergang von vollständig mit analoger Technik ausgestatteten Tonstudios zu vollständig digital arbeitenden verlief von mannigfaltigen technologischen Detailproblemen begleitet fließend. Frühestens Mitte der 1990er Jahre arbeiteten daher erstmals eine Mehrzahl der professionellen Studios ausschließlich mit digitalen Schnittsystemen.

3.2.2 Grundlegende Funktionen von Sequenzersoftware Digitale Schnittsysteme, umgangssprachlich oft als ›Sequenzer‹ bezeichnet, sind universelle digitale Produktionssysteme mit dem Ziel, Musik aufzunehmen, zu editieren, zu mischen, schließlich zu mastern und selbst das Brennen des Rohmasters zu erlauben ohne, dass diese Reihenfolge bis auf den abschließenden Master zwingend eingehalten werden müsste. Die dazu notwendige Computertechnik muss mit spezialisierter Hard- und Software ausgerüstet werden, um als vollständiges professionelles Schnittsystem zu funktionieren. Am Anfang dieser Kette steht ein analoges Signal, welches von einem mittels Mikrofon abgenommenen Instrument oder einer Stimme kommt. Das Mikrofon wird mit analoger Technik vorverstärkt und anschließend in den Analog/Digital-Wandler (A/D-Wandler) geführt. Der Wandler tastet das kontinuierliche analog-elektrische Signal in extrem kurzen Zeitintervallen ab und gibt die jeweiligen diskreten Werte digital in Form einer Zahlenkette an den Rechner weiter.

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Abbildung 3.3: Digitales Abtasten eines analogen Signals (Graphik: www.indiana.edu)

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Die Sequenzersoftware ist fähig, diese Zahlenwerte graphisch in einer Form darzustellen, die dem analogen Schwingungsverlauf ähnlich sieht. Diese graphische Darstellung wäre nicht zwingend notwendig, um Aufgenommenes wieder abzuhören und zu editieren. Sie wurde lediglich nach dem Vorbild des haptischen Tonbands als Interface entwickelt. Wenn auch mit dem grundlegenden Unterschied, dass im Digitalen nun auch die aufgezeichnete Wellenform visualisiert werden konnte, die auf dem analogen Tonband nicht sichtbar war. Dies erlaubte es schlagartig, nicht nur nach dem Gehör zu Schneiden, sondern auch nach dem visuellen Eindruck. Zwar wird dadurch eine spezifische Klangfarbe oder Tonhöhe noch lange nicht sichtbar, aber der Lautstärkeverlauf (die Hüllkurve) des aufgezeichneten Signals: Kurze, impulsartige Klänge werden auf der Zeitachse als steil ansteigende Kurven interpretiert, lange Ausklänge als stetig abnehmende Kurven. Abbildung 3.4: Zeitachsendarstellung im Digitalen: Wellenform in Logic Pro 8

Abbildung 3.5: Magnetisierte Zeitachse im Analogen: Tonband (Foto: http://picasaweb.google.com)

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Die Sequenzersoftware vereint die Funktionalität eines Mehrspur-Recorders, eines Mischpults, von Effektprozessoren und oftmals auch von Masteringtools unter einer Oberfläche. Sobald die aufgezeichneten Signale in Form von graphisch interpretierten Zahlenketten digital vorliegen, wird deren Editieren möglich: Schneiden, Trennen, Verschieben in der Zeitachse und auf andere Spuren, Klonen, Löschen bis hin zum Verändern der klangformenden Wellenform mittels Bleistift-Werkzeug oder Spezialfunktionen wie dem Timestretching und dem Pitchshifting. Jede so erstellte Audiospur wird auf ein virtuelles Mischpult geführt, welches alle Funktionen eines analogen Mischers simuliert. Hier lassen sich nach analogem Vorbild die Lautstärke und das Panorama verändern sowie weitere virtuelle Effekte einschleifen. Alle Signale werden schließlich auf einen Stereokanal oder auf mehrere Surroundkanäle summiert, d.h. die Amplitudenwerte der digitalen Zahlenketten werden addiert, wobei jedes einzelne Signal vorher -3 bis -6 dB abgesenkt wird, damit die Summe nicht übersteuert. Die abgemischten Signale werden in binärer Form in eine spezialisierte Hardware geschickt, dem Digital/Analog-Wandler (oder D/A-Wandler), welcher daraus elektrischen Strom erzeugt und ihn zu den Verstärkern und Lautsprechern schickt, wo das Signal erst hörbar wird. Eine weitere Neuerung gegenüber der Analogtechnik sind die Automationsmöglichkeiten, die im analogen z.B. bei Mischpulten noch unerschwinglich waren und das gleichzeitige Verändern einer großen Zahl von Parametern erlauben. Dazu werden einzelne Parameter z.B. eines Kanalzugs, Effekts oder Mischpults nicht nur einmal fix eingestellt, sondern können jederzeit durch programmierte Werteänderungen in Form graphischer Verlaufskurven manipuliert werden. Mittels solcher Automationskurven lassen sich Fade-ins und Fade-outs, Crossfades und Panningverläufe erzeugen und vollautomatisch steuern, um nur einige zu nennen. Mehr noch: jeder natürliche Lautstärkeverlauf, den uns das aufgenommene Signal vorgibt, kann durch entsprechende Automation gewaltig manipuliert werden. Vom Verstärken des natürlichen Verlaufs über das Entgegenwirken bis zu einer völlig synthetischen Kurve ist alles denkbar. Eine Sequenzersoftware erfüllt noch mehr Funktionen als die bisher beschriebenen. Die meisten verarbeiten neben Audiosignalen auch MIDI-Daten. Per MIDI werden entweder synchron zu den arrangierten Audiospuren externe Klangerzeuger wie digitale Sampler oder Synthesizer gesteuert oder es werden softwareeigene Klangerzeuger angesteuert, welche entweder Klänge vollständig durch verschiedene Syntheseverfahren

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erzeugen oder als Sampler mit abrufbaren Audiofiles arbeiten. Heute ist es üblich, dass die Software sogar Standard-Samplelibraries beinhaltet, die damit endgültig zu einer DAW (digitalen Audio-Workstation) wird. Wie bei Logic Pro umfassen die mitgelieferten Audiofiles der meisten DAWs mehrere Gigabyte Daten. Nach der Installation der Software kann sofort Musik produziert werden, ohne dass dafür spielende Musiker notwendig wären. Was die digitale Sequenzersoftware darüber hinaus von der analogen Studiotechnik unterscheidet, ist ein üblicherweise vorgegebenes Temporaster. Dieses Raster erlaubt es u.a., Musiker synchron zum entsprechenden klingenden Metronom im Songtempo aufzunehmen. Gemäß der Voreinstellung der meisten Sequenzer rasten die Regionen beim Kopieren, Verschieben oder Schneiden automatisch wie magnetisch im Songraster ein. Diese Arbeitsweise macht es einfach, nachträglich ganze Songteile zu duplizieren oder einzelne Takte im gesamten Arrangement oder auch nur in einzelnen Spuren auszutauschen und zu verschieben – weil das Tempo durch den ganzen Song konstant bleibt und somit eine vom Anfang kopierte Gitarrenphrase auch am Songende zu den übrigen Stimmen passt. Auch im MIDI-Editor manuell eingefügte oder editierte Events gehorchen dem Raster und sitzen jeweils an der richtigen Position. Für leicht vor- oder nachgezogene Ereignisse müssen diese mit speziellen Werkzeugen aus dem Raster herausgekickt werden.

3.2.3 Die gängigsten Schnittverfahren Die Arbeit im Tonstudio – das Editing, die Mischung, das Mastering – wurden schon im vordigitalen Zeitalter zu einem der wichtigsten und gleichzeitig unauffälligsten Gestaltungsmittel der Populärmusik. Anders als etwa im Jazz oder in der klassischen Musik wurden, seit dies das Tonband zuließ, mittels Overdubbing einzelne Spuren mehrfach übereinander aufgenommen. Es waren die Beatles, die bereits 1967 bei der Produktion von ›Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band‹ hundertfache Overdubs gemacht haben. Auch der Schnitt kam zum Einsatz, allerdings viel weniger häufig als das Overdubbing – wohl wegen des manuellen Aufwands und der Präzision, die der Tonbandschnitt erforderte. Mit der Digitalisierung wurde der Schnitt zum wichtigsten Gestaltungsmittel der Populärmusik. Zunehmen wurde er verwendet – nicht selten exzessiv. Das liegt ganz klar daran, dass am Computer ein Schnitt viel einfacher auszuführen war als am Tonband. Heute ist der Schnitt

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ein technisches wie auch ästhetisches Gestaltungsmittel, das längst nicht mehr nur in der Populärmusik zum Einsatz kommt. In der klassischen Musik ist vor allem der Pianist Glenn Gould für seine sehr umstrittenen virtuellen Interpretationen bekannt, die ausschließlich über den Zusammenschnitt von zum Teil einzelnen Tönen aus sehr vielen verschiedenen eingespielten Versionen entstehen konnten. Seitdem diese Technik optimiert wurde, existieren auch in der klassischen Musik keine Aufnahmen mehr, die, wenn auch eher dem Ideal einer Interpretation denn einer verfremdenden Originalität folgend, nicht detailliert geschnitten und montiert wäre. Die Technik war also schon immer zu einem großen Teil am musikalischen Resultat beteiligt. Heute stellt die digitale und audiofähige Sequenzersoftware dem Anwender unterschiedliche Werkzeuge zur Verfügung, mit denen Audio für die unterschiedlichsten Anwendungsbereiche geschnitten werden kann. Durch jedes angebotene Werkzeug empfehlen sich spezielle Arbeitsweisen. Es ist z.B. ein Unterschied ob aus einer eingespielten Sequenz ein Teil entfernt oder aber lediglich durch eine andere Version ersetzt werden soll. Es gilt an dieser Stelle anzumerken, dass Audiodaten natürlich nicht nur im digitalen Sequenzer geschnitten werden können. Gerade bei den digitalen Field- und Flash-Recordern sowie bei echtzeit-audiofähigen Smartphones, wie dem iPhone von Apple, lassen sich die gemachten Aufnahmen mit einfachen Werkzeugen direkt schneiden und editieren, noch bevor sie zur Weiterverarbeitung überhaupt auf den Rechner kopiert werden. Diese Art von aufnahmeseitigem Schnitt wird einmal mehr zu neuen Arbeitsweisen und sicherlich Ästhetiken führen. Wir beschränken und aber in dieser Arbeit ausschließlich auf den computergestützten Schnitt im digitalen Audio-Sequenzer. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, welche Schnittstrategien die meisten Sequenzer anbieten. Im Kapitel 2.5. werden dann handelsübliche Sequenzer verglichen.

Der ›klassische‹ Schnitt An erster Stelle steht der ›klassische‹ Schnitt, der dem manuellen Bandschnitt des analogen Tonbands nachempfunden wurde. So haben nahezu alle digitalen Sequenzer in ihren Paletten Werkzeuge, die Namen wie ›Scissor Tooll‹ oder ›Split‹ tragen und im Aussehen einer manuellen Schere ähneln. Mit der Maus wird die entsprechende Stelle im Audiofile markiert, was einen Schnitt an dieser Position zur Folge hat. Ist ein Zeitraster aktiv,

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wird an der nächstgelegenen Stelle auf dem Raster geschnitten, andernfalls exakt dort, wo der Cursor hinzeigt. Die meisten Sequenzer bieten darüber hinaus die Möglichkeit, automatisch den Schnitt stets bei einem Nulldurchgang des Audiosignals auszuführen. Auf diese Weise werden Knackser beim Zusammenfügen zweier geschnittener Bereiche verhindert. Ein Schnitt alleine ist allerdings noch kein ästhetischer Eingriff. Dazu ist eine weitere Handlung nötig, beispielsweise das Löschen, Kopieren oder Verschieben eines Bereichs im Audiofile, das dank des ausgeführten Schnitts nun isoliert vorliegt. Gerade weil der ›klassische‹ Schnitt immer noch eine zweite Handlung nach sich zieht, weicht er mehr und mehr alternativen Schnittwerkzeugen, die mehrere Operationen in einem Schritt ausführen und sich dem zu schneidenden Material flexibler anpassen. Der ursprüngliche Schnitt wird also immer seltener als reine Trennfunktion ausgeführt.

Markieren und Löschen Der Vorgang des Markierens und Löschens lässt sich nicht auf das analoge Tonband als Vorbild zurückführen, vielmehr findet er seinen Ursprung in der (digitalen) Textverarbeitung. Während mit dem ›klassischen‹ Schnitt zwei Klicks und ein Auswahlbefehl vonnöten sind, um einen Bereich zu selektieren, gelingt dies mit diesem Verfahren bereits mit einmal Klicken am Beginn des auszuwählenden Bereichs, dem Markieren, indem die Maus gedrückt über den Bereich gezogen wird und dem Loslassen am Ende des zu markierenden Bereichs. Anfang und Ende des heraus zu trennenden Bereichs werden so festgelegt und anschließend mit einem Tastaturbefehl gelöscht. Einige Sequenzer bieten sogar die Möglichkeit, die bleibenden Bereiche des Audiofiles nach dem Löschen automatisch und an entsprechenden Nulldurchgängen zusammenzurücken.

Schneiden per Automation Die Lautstärkeautomation ist dafür gedacht, Lautstärkeverläufe sowie Einund Ausblendungen zu programmieren. Wird die Automationskurve nun aber so eingezeichnet, dass der Kanalfader in Null Millisekunden zugemacht wird – was mit einem analogen Mischpult nicht möglich wäre – hat man im akustischen Ergebnis einen Schnitt kreiert ohne zu schneiden. Tatsächlich wurde das Audiofile dabei nicht geschnitten, doch das klangliche Resultat lässt sich nicht von einem Schnitt unterscheiden. Der Unterschied ist einzig der Ort in der Signalkette, an dem das Audiofile abgeschnitten

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wird: Beim normalen Schnitt findet der Eingriff in der Spur statt, während beim ›Schnitt‹ mittels Automation die Spur unberührt bleibt und einzig der Kanalzug im Mischpult zugemacht wird. Somit ist es bei diesem Verfahren möglich, dass das Audiofile zwar nicht mehr direkt hörbar ist, jedoch weiterhin an einen Effektprozessor gesendet wird und beispielsweise als Hallfahne hörbar bleibt. Es ist eine Arbeitsweise, die gerade bei Pro Tools häufig angewendet wird, da Pro Tools als einziger Sequenzer nicht über ein dezidiertes Cursor-Schnittwerkzeug verfügt. Sozusagen aus ›Not‹ greifen deshalb viele Anwender zum ›Schnitt‹ mittels Dynamik-Automation.

Kompilieren Pro Tools, Digital Performer und Logic Pro erlauben es nicht mehr, mehrere Takes eines Instruments auf unterschiedliche Spuren zu legen, sondern sie werden Form eines Aufklapp-Menüs gemeinsam in nur einer Spur angezeigt. Diese Form des ergonomischen Kompilierens wird auch ›Comping‹ oder ›Take-Funktion‹ genannt. Es ist eine Funktion, die nicht von Anfang an Bestandteil der Sequenzer war, sondern aufgrund konkreter Bedürfnisse der Anwender eingebaut wurde. Meist will man von verschiedenen Takes derselben Stelle nur den jeweils besten hören, wofür die Darstellung einer einzigen Meta-Spur an der entsprechenden Songposition genügt. Oftmals ist jedoch eben nicht der gesamte Take am überzeugendsten, sondern die endgültige Version muss aus mehreren Takes zusammen geschnitten werden. Werden also die verfügbaren Sub-Takes aufgeklappt, kann mittels Markierung in jedem Take der überzeugende Abschnitt ausgewählt werden und der Sequenzer setzt die Abschnitte zusammen, wobei in der Regel ein Standard-Crossfade hinzugefügt wird, um ›Knackser‹ zu vermeiden.

Strip-Silence ›Strip-Silence‹ ist ein vollständig automatisiertes Verfahren, das die meisten Sequenzer anbieten. Dabei wird ein Audiofile nach Stille abgesucht. Um Stille zu definieren, wird ein Schwellenwert, englisch Threshold, festgelegt. Wenn die Lautstärke unter dieser Schwelle liegt, wird der Bereich als Stille bezeichnet und automatisch herausgeschnitten. Das Verfahren bietet sich an, um Aufnahmen rhythmischer Instrumente erstens von Nebengeräuschen zu säubern und zweitens die einzelnen Impulse (z.B. die Akkorde einer Rhythmusgitarre) voneinander zu trennen, um sie auf

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der Zeitebene hin- und herschieben zu können. So kann der bestehende Rhythmus einer Aufnahme korrigiert oder verändert werden. Des Weiteren bieten einige Sequenzer eine Audio-zu-MIDI-Funktion. Das Audiofile wird nicht nur wie bei Strip-Silence auf definierte Lautstärken abgesucht, sondern auch auf Tonhöhen. So ist es möglich, automatisch ein MIDI-File erstellen zu lassen, welches die im Audiofile erkannten Ereignisse inklusive ihrer Lautstärke und damit auch ihrem Rhythmus enthält. Mittels dieser MIDI-Daten lassen sich die Ereignisse auch strukturell bearbeiten oder weitere Klangerzeuger hinzufügen.

Der Schnitt im Sampler Viele digitale Sequenzerprogramme bieten als Instrument einen Sampler. Jedes Sample, das dort geladen wird, lässt sich mithilfe des samplereigenen Editors zuschneiden. Mittels Sample-Schnitt lassen sich der Einschwingvorgang (Attack) und der Ausschwingvorgang (Release) sowie die Loopregionen etc. manipulieren. Ob sich dabei konventionelles Audiomaterial wie einzelne Töne eines Instruments im Sampler befindet oder ob es sich um ungewöhnliches Klangmaterial handelt, macht dabei keinen Unterschied. Der eventuell hier hörbare harte Schnitt kann wenn notwendig jederzeit zusätzlich durch Anlegen entsprechender Ein- und Ausblender versteckt werden.

Vergleich handelsüblicher Sequenzer Im Folgenden soll anhand des exemplarischen Vorgangs des Schneidens ein Quervergleich von sowohl Timeline- wie auch patternbasierter AudioSequenzer gemacht werden: Cubase (stellvertretend auch für Nuendo), Wavelab, Pyramix, Pro Tools, Logic Pro, Garageband, Ableton Live, Digital Performer. Keinen Anspruch erheben wir auf Vollständigkeit und sind uns bewusst, das noch sehr viel weitere verwandte Software verfügbar ist, teilweise sogar gratis und Open Source. Um nur einige weitere zu nennen: Tracktion, FL Studio, Audition, Audacity, Ardour, Jokosher, Qtractor, Sonar, Samplitude, Sequoia etc. Im digitalen Zeitalter wurde die Musik bzw. das Arrangement in Form einer graphischen Darstellung am Bildschirm sichtbar, welche die digitalisierten Audiodaten allerdings lediglich graphisch interpretiert. Ständig verfolgt das Auge am Bildschirm das zu Hörende, was den Höreindruck stark beeinflusst. Beim Schneiden erlaubt die Software, eine Wellenformdarstellung graphisch beliebig zu vergrößern. Feinste Unebenheiten in der

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graphischen Kurvenform, die längst nicht mehr hörbar sind, fallen dem Auge auf – und werden in der Autosuggestion scheinbar auch akustisch wahrnehmbar. Verhängnisvoller jedoch ist der gegenteilige Vorgang: Nach einem Schnitt sieht die resultierende Wellenform glatt und rund aus, der Schnitt scheint gelungen. Oft genügt es, wenn das Auge sich bestätigt fühlt und uns so über die auditive Wahrnehmung, welche vielleicht eine andere wäre, hinwegtäuscht. Schon die Tatsache, dass fast jede Software graphisch unterschiedlich gestaltete und betitelte Schnittwerkzeuge besitzt und also unterschiedliche Metaphern benutzt, wirkt sich unmittelbar auf den Umgang mit der entsprechenden Software aus. Der folgende Quervergleich wie auch die aufgestellten Thesen über die Auswirkung der Software auf die Arbeitsweise sind nicht empirischer Natur und erheben keinen Anspruch auf wissenschaftliche Belegbarkeit.

Nuendo/Steinberg Cubase Hersteller Plattform Basis Audiofähig MIDIfähig Schnittwerkzeug »klassischer« Schnitt Markieren & Löschen Schneiden per Automation Kompilieren Strip-Silence Schnitt im Sampler

Steinberg Windows + Mac Timeline in Zeit oder Takten Ja Ja »Trennen« Ja Ja Ja Nein Ja Nein

Abbildung 3.6: Schnittwerkzeug

Nuendo wie auch sein kleiner, kommerziell verbreiteterer Bruder Cubase sind vor allem auf die Komposition und Produktionsseite von Musik ausgerichtet, der historisch älteste MIDI-Teil ist stark ausgebaut und es werden

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virtuelle Instrumente und Effekte für alle Stilrichtungen mitgeliefert. Wie bei den meisten anderen Sequenzern auch können alle Produktionsschritte in einer Software ausgeführt werden. Für den ›klassischen‹ Schnitt steht das Scherenwerkzeug, das sich hier ›Trennen‹ nennt, zur Verfügung. Nuendo macht es einem dank umfangreicher Voreinstellungen leicht, Audio zu schneiden und im Songraster zu verschieben: um einen Takt, eine Viertel, eine Achtel. Immer schnappt der Schnitt am gewünschten Ort ein, es besteht nie die Gefahr, plötzlich asynchron zum Rest zu laufen, außer es ist ausdrücklich erwünscht. Per Copy/Paste lassen sich Abschnitte, Phrasen oder einzelne Töne kopieren und andernorts wieder einfügen. Dadurch, dass die Handhabung des Schnittwerkzeugs einfach scheint und ›fehlerlos‹, d.h. ohne ›Knackser‹ und ohne metrische Verschiebung funktioniert, wird gerade bei unerfahrenen Anwendern die Hemmschwelle herunter gesetzt. Die Angst, eine Aufnahme durch Schnitte zu zerstören, sinkt. Gleichzeitig wird das Interesse gefördert, mit ›unnatürlichen‹ Montagen zu experimentieren, die in Realität nie so eingesungen oder eingespielt werden könnten.

Apple Logic Pro 8 Hersteller Plattform Basis Audiofähig MIDIfähig Schnittwerkzeug »klassischer« Schnitt Markieren & Löschen Schneiden per Automation Kompilieren Strip-Silence Schnitt im Sampler

Apple, vormals Emagic Mac Timeline in Zeit oder Takten Ja Ja »Scherenwerkzeug« Ja Ja Ja Ja Ja Ja

Auch Logic Pro ist ein umfassendes Produktionswerkzeug, spezialisiert auf die Musikkreation von kompositorischen Ansätzen bis zur fertigen Audio-CD. Logic Pro besitzt eine der am umfangreichsten ausgebauten MIDI-Umgebungen. Mitgeliefert wird eine große Zahl an Software-Inst-

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rumenten, Plugins sowie eine mehrere Gigabyte Audiodaten umfassende Sample-Bibliothek mit Schlagzeugloops, Instrumentensamples, Spezialeffekten und vielem mehr. Abbildung 3.6: Oberfläche Logic Pro

In seinen Anfängen hat sich Logic stark von andern Sequenzern unterschieden. Während die meisten Sequenzer die feste Timeline vorgaben, war in Logic die Songstruktur das maßgebende Raster. So gab es spezielle Strophen- und Refrain-Tools, anhand derer intuitiv und schnell das jeweilige Material (zu dieser Zeit vor allem MIDI) erstellt, gruppiert und ver-

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ändert werden konnte, was sich sofort auf alle Refrains im ganzen Song auswirkte. Abbildung 3.7: Werkzeugpalette

Heute nähern sich die unterschiedlichen Sequenzer mehr und mehr an, und auch Logic ist längst durch eine Timeline organisiert – neben der Tatsache, dass der Audio- und der MIDI-Teil der Software gleichwertig entwickelt sind. Der Umgang mit Logic Pro lässt sich mit demjenigen mit Nuendo bzw. Cubase vergleichen. Auch Logic Pro ist ein musikalisches Werkzeug, das dem Anwender sehr viel manuelle Arbeit abnimmt – eine Tatsache, die sich zum Guten oder zum Schlechten auf die damit produzierte Musik auswirken kann. Gleichzeitig bleibt Logic Pro aber extrem flexibel, die Software lässt sich an fast beliebige Anwendungsbereiche und Arbeitsweisen anpassen.

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Merging Technologies P yramix Hersteller Plattform Basis Audiofähig MIDIfähig Schnittwerkzeug »klassischer« Schnitt Markieren & Löschen Schneiden per Automation Kompilieren Strip-Silence Schnitt im Sampler

Merging Technologies Windows Timeline Ja Nein »Split« Ja Ja Ja Nein Ja Nein

Abbildung 3.8: Schneiden mittels markieren und löschen

Pyramix verzichtet vollständig auf MIDI und integrierte Softwareinstrumente und konzentriert sich alleine auf professionelles Audio-Editing. Dass Pyramix ursprünglich vor allem für das Aufnehmen und Abmischen gedacht war und nicht für das Songwriting, macht die Tatsache deutlich, dass die Software dem Anwender nicht gleich mittels Voreinstellung ein Metronom oder ein Raster zur Verfügung stellt, sondern bloß eine nicht gerasterte, ›leere‹ Zeitachse. Pyramix bleibt von der Logik her näher am analogen Mehrspur-Recording und an der Mischkonsole. Darüber hinaus bietet Pyramix professionelle Masteringwerkzeuge an und stellt Red-Bookkompatible Rohmaster her. ›Split‹ heißt das Schneidewerkzeug in Pyramix. Das Schneiden scheint jedoch auf den ersten Blick nicht ein primäres Werkzeug zu sein. Ohne zusätzliche spezielle Tastaturkürzel bleibt es einem unmöglich, nur mit der Maus mithilfe Einschnappens oder anderer Benutzerhilfen zu schneiden.

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Wie früher entscheidet hier letztlich die Ruhe der Hand über die Genauigkeit des Schnitts. In diesem Moment ist das Auge dabei weniger wichtig als in anderen Sequenzern, denn der resultierende Schnitt muss durch Hören überprüft werden: Ist der Schnitt da, wo er sein soll? Knackst der Schnitt? Bleiben Tempo und Phrasierung unverändert?

Digidesign Pro Tools HD 8 Hersteller Plattform Basis Audiofähig MIDIfähig Schnittwerkzeug »klassischer« Schnitt Markieren & Löschen Schneiden per Automation Kompilieren Strip-Silence Schnitt im Sampler

Digidesign Macintosh Timeline in Zeit oder Takten Ja Ja »Trim« Nein Ja Ja Ja Ja Nein

Abbildung 3.9: Schneiden mit Cursor und Trim

Pro Tools ähnelt in Aufbau und Bedienung mehr der analogen Logik des Tonbandes als den auf Kreation spezialisierten Sequenzern. Der erst in den letzten Versionen ausgebaute MIDI-Teil ist schlank und übersichtlich gehalten. Zum Schneiden existiert der ›Trim‹-Befehl im Menü oder als Tastaturkürzel, der die Region an der Cursor-Position trennt. Des Weiteren existiert ein Markierungswerkzeug, anhand dessen sich Bereiche aus einer Region löschen lassen, was im Ergebnis einem Schnitt gleich kommt. Für Tontechniker und Produzenten, die im analogen Zeitalter angefangen haben zu produzieren, sind Sequenzer wie Pyramix und Pro Tools eine willkommene Lösung, da die Arbeitslogik des

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Tonbands und des analogen Multitrack-Recordings weiterhin bestehen bleibt.

Motu Digital Performer 6 Hersteller Plattform Basis Audiofähig MIDIfähig Schnittwerkzeug »klassischer« Schnitt Markieren & Löschen Schneiden per Automation Kompilieren Strip-Silence Schnitt im Sampler

Motu Mac Timeline in Zeit oder Takten Ja Ja »Scissor Tool« Ja Ja Ja Ja Ja Ja

Abbildung 3.10: Spur mit Schnitten und Fades

Der Digital Performer der amerikanischen Firma Mark of the Unicorn (MOTU) entstand 1990, als seinem Vorgänger – dem MIDI-Sequenzer ›Performer‹ – als erstem Sequenzer die Fähigkeit der Audiounterstützung implementiert wurde. Die Umrüstung zum kombinierten Audiound MIDI-Sequenzer erfolgte schrittweise. Heute wird Digital Performer wegen seinen gut ausgebauten MIDI-Funktionen gerühmt, insbesondere weil diese ausgereifter sind als beim Konkurrenten Pro Tools. Digi-

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tal Performer ist in den USA sehr verbreitet und wird häufig in Kombination mit Pro Tools angewendet, insbesondere im Filmmusikbereich. Eine weitere Spezialität sind sogenannte ›Chunks‹, Presets von ganzen Sequenzer-Einstellungen inklusive dem Mischpult, Effekten und der Anzahl Spuren usw. So ist es möglich, mehrere Sessions als Chunks in eine einzige Datei zu packen und sehr schnell zwischen ihnen zu wechseln. Diese Fähigkeit findet vor allem in Live-Mixes von Konzerten ihren Einsatz, wo pro Band oder pro Song eine neue Session vorbereitet und gespeichert wird. Das ›Scissor Tool‹ kann Audio- und MIDI-Spuren mittels der Maustaste schneiden. Wie bei den meisten anderen Softwares kann jedoch auch durch Markieren und Löschen, durch Kompilieren oder über die DynamikAutomation ›geschnitten‹ werden. Der Digital Performer lässt sich, was den Audio-Bereich betrifft, der Gruppe von Pyramix und Pro Tools zuordnen. Er stammt aus einer ähnlichen zeitlich-technischen Epoche und weist auch im Aussehen Ähnlichkeiten auf. Entsprechend vielseitig kann damit gearbeitet werden. Die resultierende Ästhetik der produzierten Musik liegt sicherlich in den umfangreichen Voreinstellungen des Digital Performers begründet: Ob die Audio- und MIDI-Regionen gerade bei Takteinheiten einrasten oder nicht, ob automatische Crossfades bei jedem Schnitt und jedem Regionenende gemacht werden etc.

Apple Garageband‘08 Hersteller Plattform Basis Audiofähig MIDIfähig Schnittwerkzeug »klassischer« Schnitt Markieren & Löschen Schneiden per Automation Kompilieren Strip-Silence Schnitt im Sampler

Apple Mac Timeline in Takten Ja, eingeschränkt Ja »Teilen« Nein Ja Ja Nein Nein Nein

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Garageband kann als Einsteigervariante eines Sequenzers bezeichnet werden. Die Software wird gratis mit Apples Betriebssystem mitgeliefert. Viele Funktionen und Fähigkeiten fehlen, wodurch die einfache Bedienbarkeit in den Vordergrund rückt. Garageband versteht MIDI- und Audio-Daten und arbeitet ausschließlich in einem Raster, das sich nicht abschalten lässt. Garageband findet zwar keinen Eingang in die professionelle Musikproduktion, trotzdem wird es hier als ein das Denken von Musikschaffenden beeinflussendes Werkzeug aufgeführt. Ein klassisches Schneidewerkzeug existiert in Garage Band nicht, dafür gibt es im Menü den Befehl ›Teilen‹, was an der Cursorposition einen Schnitt verursacht. Hierbei muss erwähnt werden, dass der Cursor stets im Songraster einschnappt (Takt, Viertel, Achtel oder Sechzehntel). Durch die gewaltige Einschränkung in der Software und dem kleinen Angebot an Sounds bei den integrierten Softwareinstrumenten findet eine gewisse Standardisierung der Musik statt, die mit Garageband produziert wird. Andererseits ist es genau dank dieser Einschränkung extrem einfach und schnell, mit Garageband Musik zu kreieren: Per Drag&Drop können ganze Loops und voreingestellte Plugin-Settings ausgewählt und mit eigenen Einspielungen kombiniert werden. Fast automatisch werden die Aufnahmen entsprechend quantisiert – zumindest im MIDI-Bereich. Garageband bietet Laien die Möglichkeit, schnell und einfach Musik zu arrangieren und wird entsprechend häufig genutzt.

Steinberg Wavelab 6 Hersteller Plattform Basis Audiofähig MIDIfähig Schnittwerkzeug »klassischer« Schnitt Markieren & Löschen Schneiden per Automation Kompilieren Strip-Silence Schnitt im Sampler

Steinberg Windows Timeline Ja Nein Nein Ja Nein Nein Nein Nein

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Wavelab ist weder Musikproduktionssoftware noch Sequenzer, sondern eine Mastering-Software. Wavelab deckt lediglich den letzten Arbeitsschritt in der Kette der Musikproduktion ab. Die Software ist nicht in der Lage, mit mehrspurigen Sessions umzugehen, nur fertige Mixdowns in Stereo oder in Surround lassen sich einlesen. Dementsprechend werden Mastering-Plugins mitgeliefert, aber keine Instrumente oder ähnliches. Der klassische Schnitt als Gestaltungsmittel exisitert in Wavelab nicht, mindestens sieht die Software nicht vor, Musik zu editieren (viele Einschränkungen lassen sich natürlich umgehen). So gibt es auch kein explizites Schneidewerkzeug. Vielmehr existiert ein allgemeines Markierungswerkzeug, mithilfe dessen sich am Anfang, am Ende oder in der Mitte eines Mixdowns ein Bereich wegschneiden lässt. Die zwei übrigen Teile werden automatisch zusammengerückt, sobald in der Mitte ein Teil heraus geschnitten wird – im Gegensatz zu den meisten Sequenzern, wo dann zunächst eine Lücke mit digitaler Stille entsteht. Wavelab ist vordergründig dazu gedacht, technische Korrekturen an fertig gemischter Musik anzubringen. Natürlich lassen sich damit trotzdem auch grobe ästhetische Eingriffe vornehmen: Zum Beispiel wenn einem Song an einer Stelle digitale Stille hinzugefügt werden soll wie etwa bei Madonnas ›Die Another Day‹. Auf dem Markt gibt es viele weitere Mastering-Software wie beispielsweise ›Peak Pro‹. Mastering-Software ist eine ganz eigene Kategorie, die allerdings vom Aussterben bedroht scheint. Immer häufiger beinhalten Standardsequenzer eigene und profesionelle Mastering-Tools, womit sich eine spezialisierte Software immer öfter erübrigt. Selbst semiprofessionelle Software wie ›Reason‹ von Propellerhead oder Abletons ›Live‹ sind in den neuesten Versionen mit einer ganzen Reihe von Mastering-Plugins ausgerüstet.

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Ableton Live 8 Hersteller Plattform Basis Audiofähig MIDIfähig Schnittwerkzeug »klassischer« Schnitt Markieren & Löschen Schneiden per Automation Kompilieren Strip-Silence Schnitt im Sampler

Ableton Mac + Windwos Patterns oder Timeline Ja Ja »Teilen« Nein Ja Ja Nein Nein Ja

Abbildung 3.12: Oberfläche Live 8 (Graphik: www.ableton.com)

Abbildung 3.13: Schneiden mittels Auswahl und Löschen

Ableton Live ist einer der wenigen looporientierten, in Pattern organisierten Sequenzer, dessen Timeline-Ansichtsoption zweitrangig ist. Die einzelnen Regionen liegen in Form von Pattern vor, die in Spuren zu Gruppen organisiert werden können. Live eignet sich vordergründig für Bühnenperformances, richtet sich aber auch an DJs oder Theatermusiker: An alle Einsatzorte, bei denen nonlineare Abläufe und spontane Arrangements eine

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zentrale Rolle spielen und wo es gilt, die Musik formal jederzeit beliebig anpassen zu können. Den Schnitt gibt es bei Ableton Live als den Schnitt im Sampler. Im Sample-Editor kann der kleinste Baustein – ein Loop – in seiner Länge beschnitten werden (nebst ausgeklügelter Funktionen wie dem automatischen Timestretching und dem Anpassen von Audiomaterial ans Songtempo). Zweitrangig gibt es auch in Ableton Live die Zeitachsen-Ansicht, dafür gedacht, ein im Club entstandenes improvisiertes Arrangement auf einer Zeitachse aufzuzeichnen und es nachträglich im Studio zu verfeinern und zu editieren. Geschnitten wird hauptsächlich durch Markieren und Löschen. Die meisten andern Schneidewerkzeuge der andern Sequenzer, wie Kompilieren oder Strip Silence, fehlen in Live beziehungsweise erübrigen sich durch die spezielle Logik der Software in Bezug auf looporientierte Patternorganisation. Live wirkt sich unabhängig von seinem Schneidewerkzeug natürlich grundlegend auf die Ästhetik der damit produzierten Musik aus, zumal schon looporientierte Pattern die Stilistik weitgehend mitbestimmen.

3.3 D IE Ä STHE TIK DES S CHNIT TS 1987 fragt der Spiegel den Filmemacher Stanley Kubrick, was seiner Meinung nach das Entscheidende beim Film sei. KUBRICK: Das Schneiden. Es ist der einzige Vorgang, bei dem der Film keine Anleihen bei anderen Künsten macht. Man kann doch sagen, dass das Drehbuchschreiben eine Anlehnung an die Literatur darstellt, dass das Proben vor der Kamera dem Theater entliehen ist und dass das Drehen eine Anwendung der Photographie bedeutet. Nur beim Schneiden ist der Film ganz bei sich, er hat etwas, was keine andere Kunstform aufweisen kann. SPIEGEL: Ein Film entscheidet sich also am Schneidetisch? KUBRICK: Ja. 5

Die Ära der Zersplitterung und der medialen Wiederverschaltung durch Aufzeichnungs- und Wiedergabemedien im und am Realen beginnt um 1800 mit dem Film, in dem sich mediale Bilder erstmals in einer zeit5 | Der SPIEGEL 1987, Ausgabe 41, S. 224ff.

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lichen Dimension kreuzen, »die keine Geschichte mehr ist«, wie es Friedrich Kittler formuliert hat.6 So konnte bereits 1895 eine Frau dank eines Schnittes in einem Film spurlos verschwinden. Es dauerte aber noch ein paar Jahre, bis man der Montage inhaltliche Bedeutung zuschrieb, wie es erstmals in Porters Film ›The life of a Fireman‹ mit der Großaufnahme einer Alarmklingel gelingt. Von Anfang an ist Film auch eine Illusionstechnik, die das Wahrnehmungsraster unseres Sehsinns unterläuft, was bereits zu Beginn zu Montagetricks und Bildmanipulationen führt, die, seit Daguerres starre photographische Glasplatte durch das dynamische Zelluloid Eastmans abgelöst wurde, durch das Schneiden und Kleben im eingefrorenen Zeitpfeil des fixierten Bildmaterials realisiert werden konnten. Damit werden die von der Filmkamera mechanisch montierten medialen Bilder zerstückelter realtime Einzelaufnahmen von Pferden und nackten Sportlern erstmals dynamisch, und liquidieren durch die Vorwegname von Trickfilm und Stoptricks die Natur als natürliche Referenz. Steht bei der Trennung von Imaginärem und Realem unserer technischen Medien der hochfrequent abbildbare Film am Anfang, kommt die tieffrequente Repräsentation vergleichsweise langsamer Wellenformen im Akustischen am Schluss. Eine Geschichte, die sich im Medium des Digitalen ironischerweise umkehren sollte. Der analoge Phonograph schreibt Schwingungen mittels eines Schreibmediums als Signatur in Form von Amplitudenwerten im zweidimensional Unendlichen von Walzenoberflächen oder Scheiben als Auslenkungen oder Vertiefungen, die zwar wieder abgetastet und reproduziert aber nur sehr eingeschränkt manipuliert werden können. Selbst im Falle eines gewaltsamen Zerbrechens und Neukombinierens des Trägermediums, wie es DJ Künstler wie Christian Marclay in den 80er Jahren praktizieren, führt ihre Kenntlichmachung in Form von Sprüngen als Rechteckschwingungen zu Artefakten, die zu ihrer Verwendung ästhetisch zum Material umgedeutet werden müssen. So können diese, wie im analogen Scratching etwa der Band ›Gesellschaft für Feinmotorik‹ oder im Digitalen im clicks&cuts des dekonstruktionistisch orientierten Labels ›Mille Plateaux‹ der 1990er Jahre, selbst zum künstlerischen Material avancieren. Im dramaturgischen Umgang mit diesem Material gibt es in den Frühzeiten der akustischen Schallaufzeichnung lediglich die Blende, wie sie bereits in frühen monophonen und live pro6 | Kittler, Friedrich, Grammophon, Film, Typewriter, Berlin 1986, S. 177.

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duzierten Rundfunkproduktionen benutzt wird. Der Umgang mit Audiomaterial ist daher bereits in der Frühzeit analoger Verfahren einfacher als der mit Film, der wesentlich aufwendiger in Form chemischer Reaktionen auf einem Negativ aufgezeichnet wird. Ein Medium, das den Kurvenzügen seiner Eingangsdaten unmöglich folgen kann, darf von vornherein Schnitte vornehmen. […] Alle Filmsequenzen sind […] Abtastungen, Ausschnitte, Selektionen. […] Stoptrick und Montage, Zeitlupe und Zeitraffer übersetzen nur Technik in Zuschauerlüste. Als Phantasma unserer illudierten Augen reproduzieren auch Schnitte die Stetigkeiten und Kontinuitäten einer Bewegung. Phonographie und Spielfilm stehen zueinander wie Reales und Imaginäres.7

Technische Zeitachsenmanipulationen im Akustischen bestehen bis zur Pariser musique concrète der Nachkriegszeit aus unendlichen Loops von Endlosrillen, der Manipulation der Abspielgeschwindigkeit mit der Konsequenz von drastischen Tonhöhen- und Klangfarbenveränderungen sowie dem Vertauschen der Abspielrichtung auf Walzen und Schallplatten. Letztlich wird es erst mit dem Magnettonband als technischem Aufnahmeund Wiedergabemedium möglich, gezielt in die gegebene Linearität von Musikaufnahmen einzugreifen und damit alle Manipulationsachsen am physikalisch-technisch beschriebenen Material zu ermöglichen.8 Das im Zweiten. Weltkrieg von BASF Technikern im Auftrag der Nazis Nationalsozialisten optimierte Verfahren magnetischer Schallaufzeichnung des Poulsen’schen Telegraphons von 1898, legte in einem »Mißbrauch von Heeresgerät«9 durch Pierre Schaeffer die ästhetischen wie technologischen Grundlagen für alle Simulationsleistungen experimenteller elektroakustischer, wie auch jeglicher Unterhaltungsmusik. Schon Alan Turing erkannte in Anlehnung an seine diskrete Universalmaschine die Möglichkeiten automatisierter Zeitachsenmanipulation in den Funk7 | Kittler, Friedrich, Grammophon, Film, Typewriter, Berlin 1986, S. 182f. 8 | Thorsten Klages hat die Möglichkeiten horizontaler wie vertikaler Eingriffe systematisch beschrieben in: Klages, Thorsten, »Medium und Form – Musik in den (Re-)Produktionsmedien«, Osnabrück 2002. 9 | So der Titel eines Aufsatzes von Friedrich Kittler: Kittler, Friedrich, Rock Musik: ein Missbrauch von Heeresgerät, in: Gente, Peter, Weinmann, Martin (Hg.), Friedrich Kittler: Short Cuts, Frankfurt a.M. 2002.

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tionen Schreiben, Löschen, Lesen, Vor- und Zurückspulen, weswegen er auch in Anlehnung an seine Papiermaschine das Tonband als flexiblen Datenspeicher für Computer einsetzen wollte, wie es später zur Regel und das Verfahren einer programmgesteuerten Schreib- und Lesemaschine Grundlage unserer heutigen digitalen Computertechnologie werden sollte. Ergänzt um die Funktion des manuellen Bandschnitts und entsprechender Klebetechniken sollte das Tonband aber erst einmal sowohl die Schallplattenproduktion als auch den Rundfunk revolutionieren und einführen, was wir bis heute mit ›Sound-Editing‹ bezeichnen. Schnitt, Schichtung, Loops und zeitunabhängige Hörkontrolle relativieren bereits im Analogen das unmanipulierbare der Schallaufzeichnung im und am Realen grundlegend. Schlagartig wird die zwischengespeicherte akustische Realität manipulierbar, wie es selbst in den abstraktesten Künsten bisher lediglich im Symbolischen gedacht werden konnte. 1954 wurden in den Abbey Road Studios erstmal Stereo-Tonbänder eingesetzt, die sich in der Studiotechnik der 1970er Jahre bereits zum Achtspurgerät entwickelt hatten, gefolgt von 16-, 32- und 64-Spurgeräten. Die Spuren sind auf einer bis zu 2-Zoll breiten Magnetschicht miteinander verbunden, wenn auch Kopier- und Merge-Funktionen diese materielle Kopplung in der Produktionspraxis mit einigem Aufwand bereits negieren können. Gänzlich entfallen können sie allerdings erst, als die Materialität der Aufnahmespuren mitsamt dem gemeinsamen Band und der darauf ausgerichteten Magnetpartikel verschwanden und zu diskreten Speicheradressen und binären Zeichen mutiert waren. Im Digitalen von Sequenzersoftware wird die potentielle Unendlichkeit von Bandlängen, Programmfunktionen und Spuren zur Metapher von universellen Manipulationen an digital vorliegenden Rastereinträgen der von Shannon/Weaver beschriebenen Analog-Digital-Wandlung durch Abtastung des schwingenden Audiomaterials. Vom Track über den Song bis zur Spur und dem einzelnen Ereignis sind beliebig skalierbare Zugriffe und Manipulationen möglich. Sind diese zu Beginn der 1980er Jahre noch durch Speichergrößen und Rechengeschwindigkeit in Qualität wie Quantität stark beschränkt, weswegen bestimmte Arbeitsprozesse an spezialisierte digitale Maschinen wie Samplern oder Effektprozessoren ausgelagert werden, so ist doch die potentielle Zugriffsmächtigkeit programmgesteuerter digitaler Prozesse von Anfang an klar und lediglich eine Zeitfrage in der kommerziellen Entwicklung von konkurrierenden Betriebssystemen, Hard- und Software.

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Als reine Simulation von Hardwaremanipulation am Tonband, die auf den Computer übertragen werden, emanzipiert sich der digitale Schnitt nach und nach in der programmgesteuerten und verlustfreien Bearbeitungslogik aus »Cut, Copy & Paste« zum wirkmächtigen Werkzeug, das jegliche Musik in der Produktion, Distribution und Konsumtion als spezifisches Medienphänomen erkennbar werden lässt. Der damit verbundene universelle Zugriff im Abstrakten des Digitalen ermöglicht neue ästhetische Konzepte mehrdimensionaler Zeitachsenmanipulationen, die selbst wiederum programmgesteuert und damit automatisier- und programmierbar am unendlichen Material digitaler Audioarchive erzeugt werden können. Zwar schreibt die jeweilige Software als Interface stärker am Ergebnis mit als es traditionelle Instrumente je gekonnt hätten. Allerdings entwickeln sich die jeweiligen Softwarekonzepte von Trackern, timeline- und patternbezogenen Sequenzern sowie offenen Programmierumgebungen weg von ihren analogen Hardware-Vorfahren hin zu offen strukturierten Bearbeitungsumgebungen für Daten aller Art. Aus der grundlegenden Logik des Cut, Copy & Paste entsteht die Wiederholung, die identische Kopie als Clone, schliesslich der Loop und patternorientierte Organisationsverfahren die, da verlustfrei an nicht länger mehr identifizierbaren Originalen und Kopien, beliebig komplex konstruiert, moduliert und wiederholt werden können. Das offene, nicht abgeschlossene einer mechanischen Wiederholung ist als ästhetisches Prinzip in der Musik des 20. Jahrhunderts ein probates kompositorisches Mittel, wie es früh in analogen Techniken und dann im vorerst imitierenden digitalen Sequencer ihr Instrument und Werkzeug gefunden hat. Das ergibt eine Seite eines zuvor nicht gekannten nichtlinearen Zeiterlebens, dessen Kehrseite etwa durch synthetische, statische Klänge erzeugt werden kann – man denke an LaMonte Youngs berühmte zwanzigminütige, den Raum imprägnierende Quinte h-fis. Vor allem aber eröffnen alle diese Verfahren neue Raumerfahrungen und Hörweisen, die auch dem Prinzip genau entgegengesetzt sein können, da die noch linear gedachte Wiederholung des ›plus eins‹ nicht zwingend bedeuten muss, dass tatsächliche Identitäten aufeinanderfolgen. Manche sind es nur vermeintlich und tragen die Bedingungen ihrer fortlaufenden Modulation bereits in sich, was z.B. die Software ›Live‹ von Ableton quasi als Maschinenlogik vergegenständlicht hat. In ›Live‹ existieren keine Schnitte traditionellen Typus mehr, da die in einzelnen Tracks und Loops gedachte

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Musik in einem ständigen nichtlinearen Strom halbautomatisch neu arrangiert wird. Der starre Automatismus der Maschinen hat wesentlich dazu beigetragen, die Musik der Gegenwart von der traditionellen Syntax einerseits und den entsprechenden Formen und Strukturen andererseits zu befreien, zu verräumlichen und damit zu dynamisieren. Neu ist dafür eine bis dahin kaum gekannte Semantik, die dazu beiträgt, solche entindividualisierte und automatisierte Musik mit einem ganz neuen Zeitgefühl zu empfinden – das der Speicher, Maschinen und Automaten wie sie bereits das 16. Jahrhundert erprobt, aber erst das 20. Jahrhundert als ästhetische Realität reflektieren konnte. Dabei war bisher klar, dass hinter jedem Klang ein Stück diskrete Wirklichkeit steht wie z.B. auch mit jedem Bildprozess ein Prozess der Wirklichkeit verbunden war. Die Welt des Digitalen hat solche scheinbaren Gewissheiten radikal in Frage gestellt und mechanische Bezüge des Automatenzeitalters der ersten industriellen Revolution und ihrer ästhetischen Ausprägungen radikalisiert und ins Unendliche gesteigert. Der digitale programmierte und errechnete Klang ist lediglich eine Ansammlung von Daten. Aber Daten sind nur Daten, noch keine Informationen; so wie Klänge dem Bonmot von Cage nach eben nur Klänge sind und noch nicht Beethoven. Daten können allerdings Informationen transportieren, die sie aber erst offenbaren, wenn diese entsprechend und adäquat (re-)interpretiert werden. Als Menge von Daten kann Klang grundsätzlich berechenbaren Funktionen unterworfen werden, die eine qualitativ andere Datenmenge aus ihm machen. Ein sinnvolles Ausgabegerät zeigt dem Ohr die Datenmenge dann wieder als Klang. Erst die Gewohnheit der Erfahrung aber erzeugt im Kopf des Hörers eine zum Klang gehörende Wirklichkeit des Wirklichen. Information ist damit, genau wie das Digitale, eine abstrahierende Beschreibung für ein Medium, als dessen Form Klänge erscheinen können. Deshalb existiert keine digitale Musik, kein digitaler Klang an sich. Was wir nach der digital-analogen Wandlung wahrnehmen, sind Klänge, die digital vorliegende Daten darstellen. Das grundsätzliche Problem damit ist, dass wir Medien – und also auch digitale – nur mittelbar beobachten können. Das Medium wird nach McLuhan damit immer deutlicher zur Botschaft selbst. Das Modell durchdringt die Wirklichkeit, bis es nicht mehr von ihr zu unterscheiden ist. Alternative, nicht nur akustische Welten entstehen, indem der Computer alles verschluckt und es in berechenbarer,

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also künstlicher Form wieder ausspuckt. Konnektivität und intermediale Überführbarkeit als technologische wie auch ästhetische Paradigmen provozieren das freie Flotieren aller beteiligten Elemente, dem auch alte Kategorien wie das Werk, das musikalische Material und die traditionellen Formen immer weniger etwas in den Weg stellen können. Stattdessen führt die ahistorische Virtualität10 ästhetischer Bedeutung im Digitalen zu einem unspezifischen Collagieren und zu ad hoc Kombinationen aus Spuren, Tracks und Samples, aus denen feste Strukturen nur noch hergestellt werden, um ein traditionell vermarktbares Produkt generieren zu können. Schon im Live-Konzert finden sich die Releases dann immer öfter als eine mögliche Mix-Option in langen Streams aus bekanntem, immer wieder neu arrangiertem Sound-Material. Die Frage nach dem Schnitt relativiert sich damit ästhetisch grundsätzlich, da keine Entscheidung mehr den Anspruch auf Richtigkeit oder Letztendlichkeit stellt, aber alle Freiheiten, auch die des inszenierten ›Fehlers‹ und der zufälligen Materialauswahl, gleichbedeutend gegeben sind. Musikalisch führt das mit Sampling, dem Denken in Loops, einer bild(schirm)-dominierten Form von Pattern-Kombinatorik in Echtzeit und dem Primat rhythmisch-klanglicher Erscheinungsformen zu einer Dekonstruktion und Fragmentalisierung aller Reste von Formen und Strukturen in der Musik. Sie wird potentiell in ihrer Struktur wie auch in ihrer Materialität grenzenlos und dank umfassender maschineller Indizierung z.B. im ›liquid audio‹ (Bsp. Roland, Melodyne, Metasynth etc.) beliebig formbar. Potentiell unendliche Möglichkeiten an jedem Laptop führen aber leicht auch zu Selbstfixiertheit, zu einem Verlust der Gesamtperspektive, zu Technikverliebtheit und zu einem Rückzug in einen musikalischen Autismus der reinen Maschinenlogiken, wie wir sie in den lediglich am Sequencer konstruierten Titeln der 1990er Jahre erlebt haben. Somit ist es zu begrüßen, wenn sowohl das Live-Konzert als auch die gespielte Session im Studio wieder an Bedeutung gewinnen. Daneben wird es in absehbarer Zeit weiterhin Studiobearbeitungen für den ›Radio-Edit‹, den ›MP3-Edit‹ und einen ›Vinyl-Edit‹ geben, die aber als Referenzen lediglich auf das Eigentliche der gespielten Musik verweisen.

10 | Vgl.: Harenberg, Michael, Virtuelle Instrumente im akustischen Cyberspace. Poetische Dimensionen musikalischer Medialität, Basel 2008.

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3.4 P ROTOT YPISCHE S CHNIT T TECHNIKEN Immanuel Brockhaus, Marcel Sägesser Nachdem die Theorie der Sequenzer und die Techniken des Schnitts besprochen sind, interessiert der praktische Umgang mit dem Schnitt und wie damit Popmusik gemacht wird. Dazu haben wir Musikbeispiele aus dem Mainstream gesucht, die einen exemplarischen Umgang mit dem sogenannten ›Schnitt‹, sei er atypisch oder gerade typisch, aufzeigen und wo er allenfalls sogar als Stilmittel eingesetzt wird. Über diese gefundenen Beispiele wurden Schnittkategorien definiert, die prototypischen Umgang von Tontechnikern und Produzenten mit dem Schnitt aufzeigen und vergleichbar machen. Für die Suche nach Musikbeispielen haben wir uns auf den Zeitraum von 1977 bis 2008 beschränkt, weil 1977 erstmals digitale Systeme zur Musikproduktion verwendet werden. Die ausgewählten Musikbeispiele entstammen jedoch der Zeitspanne 1994 bis 2008, da erst seit den 1990er Jahren die ersten Studios ausschließlich mit digitalen Schnittsystemen arbeiten. Es handelt sich hierbei um einen Näherungswert. Es lässt sich keine eindeutige Jahreszahl als ›Übergangsjahr‹ festlegen, weil sich der Wechsel von spezialisierter analoger Technik zur universellen Digitaltechnik fließend vollzogen hat. In den 1980er und 90er Jahren waren etliche Mischsysteme aus analogen und digitalen Geräten im Einsatz, die gerade heute wegen ihres ›analogen Klangs‹ und der andauernden Retro-Ästhetik wieder im Aufschwung sind. Aus diesem Grund lässt sich selbst bei neueren Musikbeispielen nie ganz zweifellos feststellen, ob diese nun digital, analog oder auf einem Mischsystem produziert wurden. In einer zuerst empirischen Suche und später unter Einbezug entsprechender Literatur (z.B. Martin Büsser: On The Wild Side, Die wahre Geschichte der Popmusik/Kodwo Eshun: Heller als die Sonne, Abenteuer in der Sonic Fiction) und Web-Foren wurden 85 Musiktitel untersucht. Die Musiktitel wurden nach ›auffälligen‹ Stellen abgehört, beispielsweise nach hörbaren Schnitten, nach Passagen, die wegen ihrer Unnatürlichkeit zusammengeschnitten klingen oder nach Stellen, die nicht von einer Band hätten eingespielt werden können und daher vom Editing her rühren müssen.

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Schnittkategorien Mit dem Wissen, dass es Produzenten und Toningenieuren bei ihrer Editierungsarbeit nicht im Geringsten darum geht, ihre Arbeitstechniken zu kategorisieren, haben wir prototypische Kategorien für die verschiedenen angetroffenen Schnitttechniken festgelegt. Anhand der 85 Musiktitel wurden sieben Kategorien definiert. Dies sind jedoch nicht nur technische Verfahren, sondern die Kategorien stehen für die damit verbundenen Ästhetiken.

Abgeschnittener Atem (›breathless‹) In diese Kategorie fallen Musikbeispiele, die einen besonderen Umgang mit menschlichen Atemgeräuschen zeigen. Das kann ein absichtliches Hinzufügen von Atem sein, meist aber eher das Gegenteil: das Wegschneiden von Ein- und Ausatmungsgeräuschen. Besonders in den frühen 1980er Jahren schnitt man jegliche Atem- und andere, vermeintliche, Störgeräusche kurzerhand aus der Gesangsspur heraus, um die Aufnahme ›sauberer‹ und ›natürlicher‹ klingen zu lassen, als das mit Mehrspurtonbandmaschinen machbar gewesen wäre. Nebst dem Editieren des Atems am Anfang einer Gesangspartie kann auch der Abschluss einer Phrase bearbeitet werden, indem beispielsweise der letzte Vokal oder das Ausatmen hart abgeschnitten wird.

Musikbeispiel: Mariah Carey – Through the Rain (2002) Nebst der Tatsache, dass der Gesangspart bei ›Through the Rain‹ hörbar aus verschiedenen Takes zusammen geschnitten wurde, sind hier keinerlei Atemgeräusche hörbar. Diese wurden folglich aus der Gesangspur isoliert und heraus geschnitten (z.B. bei 00’45’’).

Digitale Stille Die entsprechenden Songs wurden entweder an einer Stelle auseinander geschnitten und auseinander geschoben, sodass dazwischen eine Lücke mit Stille entsteht, oder aber ein Teil aus dem Song (ein Schlag oder auch nur ein paar Millisekunden) wurden aus dem Song heraus geschnitten, was auch eine Pause mit absoluter und damit unnatürlicher Stille hinterlässt. Digitale Stille bezeichnet also ein Schnittverfahren, welches nicht nur eine Spur im Arrangement betrifft – zum Beispiel Gesang – sondern das gesamte Arrangement. Ein solcher Eingriff ist nicht nur während dem

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Editing möglich, sondern selbst aus dem fertigen Mix oder Master lässt sich ein Stück heraus schneiden bzw. Stille einsetzen. Solche hörbare Eingriffe sind offensichtlich gewollt und ergeben meist musikalischen Sinn, trotzdem wären sie ja nicht spielbar für einen Musiker. Selbst wenn eine Generalpause gespielt wird, verklingt der natürliche Ton nicht sofort, sondern der Raum schickt die Reflexionen zurück, was nie einer sofortigen und absoluten digitalen Stille gleich kommt. Hier gilt es zu erwähnen, dass mit digitalen Schnittverfahren in Tonstudios Songs geschaffen werden, die nicht mehr als Abbild einer realen Performance gelten können, weil der Schnitt ein künstlicher Eingriff ist und vom Instrumentalisten in Echtzeit nicht ausgeführt werden kann. Vielmehr sind solche im Studio entstandenen Songs, wie sie heute in der Populärmusik üblich sind, neue Originale. Die Situation dreht sich völlig um, wenn nun die Band auf der Bühne nicht ihre ursprüngliche musikalische Idee umsetzt, sondern das neue Original aus dem Studio umzusetzen versucht. Dazu sind meist ausgeklügelte technische Hilfsmittel nötig. Im Extremfall spielt die Band den Song ab Playback, weil er auf der Bühne anders nicht mehr auszuführen ist.

Musikbeispiel: Britney Spears – Stronger (2000) Bei ›Stronger‹ wird der gesamte Mix an manchen Stellen hart abgeschnitten, ohne Rücksicht auf natürliche Ausschwingvorgänge oder Raumreflexionen: Die Pause entspricht ›digitalem Null‹, kein Pegel ist mehr vorhanden. Dieser anfänglich als ›Fehler‹ wahrgenommene Effekt etabliert sich sehr schnell und wird zum songeigenen Stilmittel, welches in den folgenden Jahren immer wieder auftaucht.

Musikbeispiel: Madonna – Die Another Day (2002) Bei 01’26’’ wird der gesamte Mix hart abgeschnitten, mit Ausnahme der Stimme, die noch ein wenig über die Lücke ragt, um gleich auch zu verstummen.

Kompilieren Kompilieren heißt, phrasenweise oder gar wortweise den besten Take auszuwählen und die ausgewählten Phrasen oder Wörter zu einer neuen, künstlichen Spur zu verbinden. Diese Schnitttechnik betrifft normalerweise nicht nur den Gesang, sondern auch die Instrumentalspuren.

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Wenn ein Gesangspart aus unendlich vielen kleinen Schnipsel kompiliert wird, erfordert diese Arbeit eine extreme Präzision. Wird mitten in einer Phrase von einem Take zum andern gewechselt, müssen Tonfall, Artikulation, Dynamik, Klangfarbe und Abstand zum Mikrofon genau übereinstimmen. Andernfalls wird der Schnitt hörbar. Oder aber es wird gewollt ›schlecht‹ und hörbar kompiliert, dies wäre eine ästhetische Entscheidung. Ist die Schnittarbeit jedoch gut und aufwändig gemacht, ist sie dem Song auch gar nicht mehr anzumerken. Der neue Gesangspart wirkt wie ein ›One Take‹, eine in einem Male eingesungene Spur. Hier wird auch schon eine für uns resultierende Schwierigkeit erahnbar: Das Kompilieren als Schnitttechnik ist meist nicht hörbar, entzieht sich also unserer empirischen Analyse. Wir waren deshalb bei der Suche nach exemplarischen Songs für diese Kategorie auf Aussagen von Produzenten und Toningenieuren angewiesen.

Musikbeispiel: Mariah Carey – The One (2002) Die Charakteristik von Careys Stimme verändert sich beispielsweise bei 01’05’’ abrupt und merklich und zeugt davon, dass der Gesang aus mehreren Takes kompiliert wurde.

Musikbeispiel: Christina Aguilera – Walk Away (2002) Gleiches gilt für Aguilera bei 00’26’’: Atemtechnisch wäre es ihr gar nicht möglich gewesen, die Phrase so einzusingen. In beiden Fällen wird eine typische Arbeitsweise der späten 1990er Jahren deutlich: Das Credo lautete, jeden Musiker für möglichst kurze Zeit zu buchen um effizient und kostengünstig produzieren zu können. So wurde jedes Instrument nacheinander aufgenommen und ein Song aus wenigen, immer wiederkehrenden Bauteilen zusammengesetzt, ohne nach Bastelarbeit klingen zu wollen – ein auf diese Weise nicht immer erreichbares Ideal.

Harte Schnitte Hier handelt es sich um hörbare Schnitte, die gegen den natürlichen Verlauf eines Instrumentenklangs oder einer Stimme arbeiten. Ein harter Schnitt ist beispielsweise das Abschneiden einer Phrase, eines einzelnen Tons oder eines Akkords. In diesem Fall wird dem Instrument oder der Stimme sein natürliches Ende abgeschnitten. Gleiches kann für den An-

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fang eines Klangereignisses vorkommen. Instrumenten wird dadurch ihr natürlicher Einschwingvorgang entzogen. Eine dritte Möglichkeit ist der harte Schnitt innerhalb eines Ereignisses. Wo auch immer hart geschnitten wird: es ist ein Schnitt, der die Ästhetik des Songs mitprägt. Der harte Schnitt, einmal angewendet, wird zum musikalischen Parameter. Er ist rhythmischer Impuls, muss also rhythmisch mitkomponiert werden wie Schlagzeug oder Bass.

Musikbeispiel: Moby – Go (1997) Die wiederholte Phrase des Intros von Mobys ›Go‹ ist jeweils hart abgeschnitten, einzig die Raumreflexionen, die eindeutig künstlicher Natur sind und nicht ein natürliches Ausschwingen abbilden, klingen darüber hinaus. Solche und ähnliche Effekte können auch anderweitig erzielt werden, beispielsweise mittels des Einsatzes von Dynamikprozessoren wie Multibandkompression auf Formanten. Damit könnten nicht nur Phrasenenden, sondern auch Phrasenanfänge hart gehalten werden, was der Wirkung eines harten Schnittes erstaunlich ähnlich kommt. In vielen Fällen kann deshalb schlichtweg empirisch nicht entschieden werden, ob nun geschnitten oder komprimiert wurde.

Musikbeispiel: Sheryl Crow – Maybe That’s Something (1998) Die verwendeten Samples bei ›Maybe That’s Something‹ werden so lange und so stark hart abgeschnitten, bis der Schnitt selbst zum perkussiven Element wird und rhythmisch eingesetzt werden kann. Nebst der Verwandlung dieser Samples zur Perkussion wird das Material dadurch insofern entkontextualisiert, als es hart an fremdes Material heran geschnitten wird.

Musikbeispiel: Portishead – Numb (1994) Während der Intro von ›Numb‹ werden hart abgeschnittene Samples hörbar, teilweise auch rückwärts abgespielte. Hier ist der harte Schnitt natürlich längst ein ästhetisches Stilmittel und nicht mehr ein rein technisches Verfahren.

Klonen Klonen meint, dass ganze Songteile, einzelne Takte oder noch kleinere Zählzeiten an einer Stelle aus der Spur kopiert und an anderer Stelle mittels cut, copy & paste wieder eingefügt werden. Dies betrifft im Normalfall

3. S CHNITTMUSTER IN DER P OPUL ÄREN M USIK

einzelne Spuren, in Ausnahmefällen aber auch den ganzen Mix. Klonen kommt häufig da zur Anwendung, wo von einem Songteil eine hervorragende Instrumentalaufnahme vorliegt, beispielsweise eine Gitarrenbegleitung im Chorus, die man gerne in jedem andern Chorus wieder hätte. Also wird sie aus dem einen Chorus herauskopiert und in allen andern eingefügt. Voraussetzung hierfür ist, dass das Tempo im ganzen Song einigermaßen gleich bleibt, was einem die Sequenzer mit ihren Rastern und Metronomen leicht machen.

Musikbeispiel: DJ Bobo – Chihuahua (2003) ›Chihuahua‹ ist ein weiteres Beispiel für ökonomisches Arbeiten im Tonstudio: Das Wort Chihuahua wird mehrfach geklont. Vom Produzent Axel Breitung ist bekannt, dass er seine Arrangements oftmals direkt mit der Maus in den Sequenzer in ein Raster eingibt und den Gesang anschließend darüber aufnimmt. Bei 01’50’’ wurden zudem der abschließende Ausatmer sowie der folgende Einatmer weg geschnitten um den Backing Vocals Platz zu bieten.

Musikbeispiel: Mary J. Blidge – Dance For Me (2001) Die ersten beiden zweitaktigen Gitarren-Phrasen werden repetiert. Dies wird deshalb nicht sofort bemerkt, weil beim zweiten Durchgang die Gitarre von der Stimme überdeckt wird, beziehungsweise die Aufmerksamkeit zur Stimme gelenkt wird. Auch dies dürfte wohl ein Beispiel dafür sein, dass dieser verwendete Take der Gitarrenphrase ein besonders gefälliger war und man nicht mehr auf diesen verzichten wollte. Das Resultat ist ein Song mit einer Gitarrenstimme, die vorgibt, als wäre sie von Menschenhand genau so eingespielt. Der Schnitt ist in diesem Fall also nur ein Mittel, dem Gitarristen unter den Arm zu greifen.

Weitere Schnitttechniken Die Auswahl unserer Kategorien deckt nicht die Gesamtheit aller möglichen Schnitttechniken ab, sondern bloß diejenigen, die in der Populärmusik am häufigsten verwendet werden. Ein paar weitere, unwichtigere Kategorien sind im Folgenden aufgelistet. Beim Raumschnitt wechselt die Stimme (oder ein Instrument) abrupt ihren – virtuellen – Raum, in welchem sie sich in der akustischen Abbildung befindet. Die Wirkung ist eine unnatürliche, da es dem Sänger in der Realität nicht möglich wäre, abrupt innerhalb eines Takes real

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den Raum zu wechseln, zumal es für Tonstudios nicht ökonomisch ist, mehrere unterschiedlich klingende Räume zu haben. Vielmehr wird mit künstlichem Hall gearbeitet. Ein solcher Effekt kann im analogen Bereich ausschließlich dadurch erreicht werden, dass Stimme auf einer Spur herausgeschnitten und auf einer andern wieder eingesetzt wird, wobei sich die Einstellung des Hallgeräts dieser beiden Spuren eben unterscheiden. Problematisch wird es im digitalen Zeitalter: Es ist nicht mehr per se klar, ob dafür das Audiomaterial geschnitten wurde oder lediglich das virtuelle Hallgerät mittels Automation in ein und derselben Spur umgestellt wurde. Klanglich ist das Resultat wohlgemerkt dasselbe. Der schlechte oder unsaubere Schnitt ist eine Kategorie, der Songs angehören, die unsauber geschnitten wurden. Dabei handelt es sich im Normalfall um Fehler, die sich bei der Produktion eingeschlichen haben.

Musikbeispiel: Lauryn Hill – Lost Ones (1998) In dem Groove von ›Lost Ones‹ befindet sich ein unsauberer Schnitt, der sich dadurch fortpflanzt, dass der Groove im Weiteren geloopt wird. Schlecht zu schneiden kann natürlich auch eine gewollte Ästhetik sein. Besonders der Punk lebt von aufnahmeseitigen Unsauberkeiten und eben auch von ›Fehlern‹ im Editing.

Musikbeispiel: Goldfrapp – Clowns (2008) Die Gesangsspur in dem Intro rauscht und ist hart an- und abgeschnitten, ohne Fade-In bzw. Fade-Out, sodass das Rauschen hörbar beginnt und wieder endet – in diesem Fall ist dieser Eingriff natürlich gewollt und macht rhythmisch durchaus Sinn. Rough Take ist keine Schnitttechnik, weil explizit nicht geschnitten wird: Im Gegensatz zum Kompilieren wird hier die Aufnahme ungeschnitten an einem Stück belassen, eine beispielsweise in der klassischen Musik üblichere Arbeitsweise als in der Popularmusik. Trotzdem kommt die Technik, z.B. bei Live-Mitschnitten zur Anwendung. Das ›Sampling respektive‹ – der Schnitt im Sampler – ist eine weitere Kategorie. Audiomaterial im zeitbasierten Sequenzer ›von Hand‹ zu schneiden oder es zu ›samplen‹ und per MIDI und geeignetem Interface zu spielen sind zwei grundverschiedene Arbeitsweisen. Was das klangliche Resultat

3. S CHNITTMUSTER IN DER P OPUL ÄREN M USIK

der beiden Arbeitsweisen betrifft, ist die Grenze jedoch fließend. Oft lässt sich über das Hören schlichtweg nicht mehr feststellen, ob nun geschnitten oder gesampelt wurde. Entscheidender Unterschied ist das Interface: Während der Schnitt von Hand bzw. Maus am Bildschirm ausgeführt wird, sind Sampler (Software-)Instrumente, welche über eine Klaviatur oder über MIDI angesteuert werden können. Der Sampler wird wie ein Instrument ›gespielt‹ und nicht wie ein Schnittsystem programmiert. Zeitverläufe und Wellenformen sind bei den meisten handelsüblichen Samplern primär nicht sichtbar, was dem Umgang mit diesen Geräten noch mal vom Umgang mit einer Schnittsoftware unterscheidet. Sampling ist eher eine ästhetische Kategorie denn eine Schnitttechnik.

Musikbeispiel: Akufen – Deck The House (2002) Nicht zusammengehörendes Material wird in ›Deck The House‹ per Sampler getriggert und zwar in einem leicht erkennbaren Temporaster. Somit wird dem entkontextualisierten Material eine rhythmische Funktion aufgedrängt. ›Mash-Ups‹, ›Bastard Pop‹ und Remixfassungen stellen weitere Genres dar, die besonders von radikalen Schnittverfahren leben. ›Mash-Up‹ und ›Bastard Pop‹ bezeichnen Stücke, die Collage-artig aus der Musik anderer zusammengesetzt sind. Beispielsweise wird eine Gesangsphrase aus einem alten Hit, mit den Instrumentalspuren eines anderen Songs gemischt. Aus unterschiedlichen Stilistiken wird ein neuer Stil gemacht. ›Remix‹ ist ein offenerer Begriff und meint eine neue, veränderte Abmischung eines Songs. Ob dabei überhaupt noch Material vom ursprünglichen Song vorkommt oder nur noch Artefakte und zusätzlich neues Material verwendet werden, ist offen.

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4. Die Produktion Immanuel Brockhaus

Die prototypischen Schnittverfahren, die im Rahmen der Feldstudie gefunden wurden, bilden die Basis für die Produktion des Songartefaktes ›A New Horizon‹. Sie werden an unterschiedlichen Stellen der Komposition und mit mannigfacher Wahrnehmbarkeit angewendet.

4.1 V OR AUSSE T ZUNGEN Produktionsbedingungen Nicht die Technik, sondern die Haltung des Künstlers, des Komponisten und des Produzenten bestimmt den Produktionsprozess. Selbst mit minimalem technischen Aufwand, etwa mit einem Wave Recorder1 und einem guten Mikrofon, ließe sich eine Produktion realisieren. Von reinen Laptopproduktionen bis hin zu aufwändigen Studiosessions ist fast alles möglich. Möchte ein Künstler ohne Zeitdruck an seinen Vokalaufnahmen arbeiten, zieht er vielleicht eher das private Homerecording-Studio vor. Möchte eine Band in Ruhe ein neues Album aufnehmen, zieht sie sich dazu samt Equipment in ein Haus in den Bergen zurück. Eine rein elektronische Produktion benötigt nicht zwingend dieselbe Infrastruktur wie eine BandProduktion mit relativ großem Anteil an akustischen Instrumenten und Stimmen. In Abhängigkeit des Künstlers zu einer Plattenfirma wird der Produktionsprozess fremd gesteuert. Hier sind verschiedene Faktoren beteiligt: die musikalischen Vorlieben des Künstlers, seine Erfahrungen und Wertungen in Bezug auf die jeweilige musikalische Sparte bzw. Ästhetik und natürlich das verfügbare Gesamtbudget. 1 | Mobiles digitales Aufnahmegerät.

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Die Plattenfirma entscheidet darüber, welche Studios und Toningenieure gebucht werden und wie aufwändig die Produktion werden soll. Wie weit der Künstler dabei die Kontrolle über das Produkt behält, ist unterschiedlich. Das Risiko liegt bei den Auftraggebern, die das Werk an sich nüchtern und unsentimental betrachten. Es herrschen die Regeln von Aufwand und Ertrag. Entgegen früherer Verhältnisse ist heute mehr und zu beobachten, dass die künstlerische Einflussnahme der Plattenfirmen bei Newcomerbands relativ klein bleibt, bei etablierten Künstlern mit Verträgen über mehrere Alben weiter bestehen bleibt. Allzu enge Kontrollen veranlassen Künstler wie Prince, sich aus den Fesseln des Labels zu befreien. Der Markt verlangt neue Produkte und Sounds, gibt aber keine festen Regeln vor. In der Wechselwirkung zwischen Bedarf und Nachfrage stellt sich die Frage, wer welche Strömungen generiert, die Produzierenden oder die Konsumierenden? Letztendlich entscheidend ist das Produkt selbst, niemand fragt (bis auf die Kosten) nach dessen Entstehung. Qualitätsstandards und ästhetische Haltungen ändern sich mit der Einführung neuer Technologien ständig. Dies bedeutet nicht zwangsläufig eine Verbesserung der Qualität. Beispielsweise verfolgt die Klangästhetik der Retro-Welle eine konsequente Anlehnung an die qualitativ eher ›schlechten‹ Klänge der 1960er Jahre. So liegt beispielweise ein scheinbarer Widerspruch im Aufkommen sogenannter ›lo-fi‹2 Sounds Anfang der 1990er Jahre. Absichtlich billig und schlecht klingende Samples, Effekte oder Drumloops verleihen dem Produkt eine eigene ›Trash‹ oder urbane Ästhetik. Es wird hochentwickelte Technologie dafür verwendet, ›gute‹ Klänge ›schlecht‹ klingen zu lassen. Diese Produkte finden gleichermaßen ihre Hörer- und Käuferschaft wie die hochglanzpolierten Mainstreamhits der arrivierten Künstlergemeinde. Unter wirklich schlechten Produktionsbedingungen muss kaum noch ein Künstler in unseren Breitengraden arbeiten. Durch die immer billigeren und professionelleren Studiowerkzeuge für den Homerecording-Bereich kamen die mittleren bis größeren Studios in Bedrängnis und haben Studiozeit zu Dumpingpreisen angeboten und sind mittlerweile vom Markt verdrängt worden. Der unabhängige Künstler hat die Qual der Wahl.

2 | Abkürzung für Low Fidelity, das Gegenteil von HiFi, High Fidelity, hohe Klangtreue.

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First Take – Best Take? Eine Studioaufnahme ist zwangsläufig vor allem für den Interpreten eine Stresssituation. Man will sein bestes geben und Fehler vermeiden. Energie und Konzentration sind meist während des ersten und zweiten Takes am größten. In diesen ersten Minuten der Anspannung erreicht der Künstler oft das größte Maß an Ausdruck und Intensität. Spätere Takes sind vielleicht präziser, werden aber im weiteren Verlauf immer abgeklärter. Die Entscheidung für den besten Take oder eine Zusammenstellung aus den besten Stellen mehrerer Takes steht und fällt mit dem Können des Interpreten. Je besser ein Interpret sein Handwerk beherrscht, desto schwerer wird oft die Auswahl. Ein Profi singt oder spielt im Studio längere Passagen ohne Fehl und Tadel. Gute Takes unterscheiden sich dann nur noch in geschmacklichen Details. Bei der Arbeit mit eher untalentierten Interpreten geht die Tendenz dahin, aus dem Vorhandenen das Beste zu kombinieren. Dort ist der Tontechniker froh, wenn er einigermaßen brauchbares Material sammeln kann, welches später in mühseliger Kleinarbeit kompiliert wird. Demnach könnten die besten Voraussetzungen für eine qualitativ hochwertige und ausdrucksstarke Studioaufnahme gute Vorbereitung, handwerkliches Können, starke Nerven und Durchhaltevermögen sein. Ausnahmen bestätigen die Regeln, ausgebuffte Studioprofis kommen oft ohne jegliche Vorbereitung zum Studiotermin und liefern aufgrund ihrer Routine professionelle Ergebnisse ab. Lead Vocals Lead Vocals in einem vokalen Popsong sind einem Markenzeichen gleichzusetzen, sie prägen den Charakter und den Wiedererkennungswert eines Songs wie kein anderes musikalisches Element. Die meisten Hörer entscheiden bezüglich der Qualität eines Popsongs über die Leadstimme. Deshalb erfährt diese im Studio besondere Aufmerksamkeit. Sänger und Sängerinnen genießen bei Aufnahmen einen Sonderstatus und werden wie ein rohes Ei behandelt. Diese Haltung ist bis zu einem gewissen Grad berechtigt und nachvollziehbar. Die Leadstimme ist meist ein absolut exponierter Bestandteil in der Gesamtmischung des Songs, der Hörer nimmt besonders bei leiseren Passagen jede Nuance, jeden Atemzug, jede Unreinheit wahr.

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Die Entdeckung einer neuen und charaktervollen Stimme kann einer Plattenfirma Millionen in die Kassen spülen. Die Trendscouts der Popszene suchen neben dem neuen Sound einer Band vor allem die neue Stimme. Anastacia oder Joss Stone sind der lebende Beweis für außergewöhnliche Stimmen, die erfolgreich vermarktet werden. Gehen wir davon aus, dass eine Sängerin X gut bis sehr gut vorbereitet pünktlich im Studio erscheint und den Song bereits in einer Vorproduktion im Demo-Studio aufgenommen hat. Und gehen wir davon aus, dass sie optimale Aufnahmebedingungen vorfindet: eine ansprechende Arbeitsatmosphäre, genügend Zeit, motivierende Techniker, Produzenten und ein exzellentes Monitoring. Dann ist es durchaus möglich, dass innerhalb einer Stunde die wichtigsten Aufnahmen ›im Kasten‹ sind. Ausnahmen bestätigen die Regel. Was nach dieser Stunde an Material aufgenommen wird, ist in vielen Fällen Patchwork. Aus vielen einzelnen Fragmenten wird eine möglichst organische Version der Lead Vocals kompiliert. Das ist Aufgabe des Tonmeisters, der die richtigen Schnitte setzt und Audio-Regionen (Bereiche) nach den vereinbarten Qualitätskriterien markiert. Der Produzent (in Absprache mit dem Tontechniker) trifft in den meisten Fällen die Entscheidung, welche Regionen zu einem optimalen Track kompiliert werden. Der Künstler im Studio als ›Nicht-Dienstleister‹ im Sinne eines Studiomusikers wirkt ebenfalls an diesen Entscheidungsprozessen mit, je nach dem, wie stark sich dessen Klangvorstellung durchsetzen soll. Und genau diese Entscheidung ist oftmals sehr schwierig: ›passen‹ die ausgewählten Regionen zueinander? Sind die Passagen auf dem gleichen ›Energielevel‹ gesungen? Besitzen sie das gleiche Timbre? Sind Ein- und Ausatmungsgeräusche wichtig? Ist der Abstand zum Mikrofon derselbe? Stimmte der gesamte Fluss des Takes? Je kleiner die zu kompilierenden Passagen, desto schwieriger wird dieses Unterfangen. Jedes Wort, jede Silbe zu schneiden und zu kompilieren, könnte sehr schnell unnatürlich wirken. Somit ist die kleinste verwendbare Einheit oft eine Verszeile. Die Pausen zwischen den Zeilen eines Verses, einer Bridge oder eines Chorus bieten genügend Platz zum Schneiden und ein organischer Aufbau eines kompletten Verses ist dann eher gegeben. First und Second Takes enthalten oft kleine Unebenheiten, perfekt sind sie selten, können jedoch durch Effekte und geschicktes Manipulieren perfektioniert werden. Es stellt sich immer wieder das gleiche Problem: orga-

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nischer Flow, Energie und Ausdruck und kleine Unreinheiten im First und Second Take oder Perfektion bis ins letzte Detail auf Kosten des Gesamtfeelings. Backing Vocals Eine mittlerweile längst gängige Technik besteht darin, dass der Lead Sänger oder die Lead Sängerin Ihre Backing Vocal Tracks selbst singt. Oft werden dann noch zusätzliche Stimmen hinzugezogen, um den Klangeindruck eines mehrstimmigen Chores entstehen zu lassen. Backing Vocal Sänger sind beileibe keine gescheiterten Lead Sänger, sondern oft erfahrene Profis, stilsicher und genau. Sie können sich der Lead Stimme anpassen und sind in der Lage, feinste Nuancierungen und Verzierungen mitzusingen. Nicht selten werden Backing Vocals von Spezialisten ausgearbeitet und regelrecht arrangiert. Bei der Aufnahme von Backing Vocals kommt es vor allem auf die Abstimmung der einzelnen Stimmen untereinander an. Das ›Blending‹ der Stimmen bestimmt den Sound eines Backgroundchores. Mindestens zwei verschiedene Stimmen bilden einen ein- oder mehrstimmigen Chor, der sich genauestens über die Phrasierung der einzelnen Zeilen absprechen sollte. Im Overdub Verfahren kann die Klangfülle eines Chores angereichert werden. Dies wird in vielen Produktionen exzessiv praktiziert. Die digitale Technik ermöglicht ein nahezu unbegrenztes Vervielfachen der Spuren. Da sich in vielen Popsongs Background Passagen wiederholen, wird oft der beste Take im Copy&Paste Verfahren auf die einzelnen Teile des Songs verteilt. Das Ergebnis kann unter Umständen gleichförmig wirken.

Hierzu ein Auszug aus einem Interview3 mit Axel Breitung, einem bekannten deutsche Produzenten: Ich nehme mir für die Vocals eine Menge Zeit. Wo vielleicht bei Kollegen 30 Prozent für den Gesang aufgewendet werden, sind es bei mir mehr als 50 Prozent. Wenn es um einen Chor geht, dann muss der einfach gross sein, er muss strahlen. Und dafür heisst es editieren, editieren, editieren. Wenn man ›die Wand‹ aufbaut, dürfen nicht zu viele Steine überstehen, sonst wirkt sie nicht sauber. Ahs und Uhs habe ich natürlich gesampelt, alles andere nehme ich für jede Pro3 | Keys Keyboardmagazin Ausgabe 12/07.

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duktion neu auf. Es geht darum, dass man die Stützstimmen gar nicht als solche wahrnimmt, sondern ausschliesslich den prägnanten Sologesang. Die Erfahrung lehrt: je dicker das Playback wird, desto isolierter steht die Stimme. Eine bessere Integration entsteht durch einen Chor, der genau die Leadstimme mitsingt. Je genauer die Vocals hier geschnitten sind, desto durchsetzungsfähiger wird die Solostimme. Ich nenne das einen Parallel- oder Anbindungschor. Den Chor mache ich mit 10, 15 Stimmen von zwei, drei Sängern bzw. Sängerinnen. Ich mach da einen Viererblock, zwei links, zwei rechts, zur Hauptstimme aus dem Center. Manchmal setze ich aber auch auf einen Sechser- oder Zehnerblock. Dann gibt es noch Gegenchöre, die ich mit drei, vier Leuten mache. Die Chöre müssen einfach perfekt sein, dafür schneide ich sie bis auf eine Silbe runter. Das sind dann mehr als 1000 Silben für die Leadstimme. Dann hör ich mir wirklich jede Silbe an. Die werden dann mit den Logic Crossfades wieder zusammengepuzzelt. Das Ergebnis ist perfekt. Im nächsten Schritt gehe ich dann rüber ins Wavelab und ziehe noch einmal die Lautstärke nach, die trotz hoher Kompression in leisen Passagen einer Korrektur bedarf. Atmer reduziere ich vor der Lautstärke. Danach ist noch die Reduktion der S-Laute an der Reihe. Da heutzutage alles sehr höhenlastig gemischt wird, ist das wirklich eine aufwändige Arbeit. Das ist vor allem bei geringen Lautstärken wichtig, da S-Laute ganz schön peitschen können. Zum Schluss korrigiere ich noch die Tonhöhe.

Nicht alle Produzenten betreiben diesen Aufwand. Prince liebt es beispielweise eher natürlich und verspielt, bei seinen Produktionen führen die Backing Vocals ein reges Eigenleben.

Instrumentalaufnahmen Drums Was für Gesangsaufnahmen gilt, ist auf Schlagzeugaufnahmen in vieler Weise übertragbar. Schlagzeugaufnahmen sind ein empfindliches Gebiet, es kommt nicht nur auf Genauigkeit bezüglich Tempo und Groove an, vor allem die Dynamik und die Übergänge zwischen den einzelnen Songteilen sind eine heikle Angelegenheit. Der Sound eines gut aufgenommen Drum Sets wird durch mehrere Faktoren bestimmt. Da ist zunächst der Raum, dann die einzelnen Instrumente des Sets, die Mikrophone, die Sticks und schlussendlich die Spielweise des Schlagzeugers. Normalerweise wird bei Schlagzeugaufnahmen mit Klick (Metronom) auf dem Kopfhörer gearbeitet, an das sich der Studiomusiker hält. Dabei gibt es sehr differenzierte

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Spielweisen, Phrasierung und Feeling sind entscheidende Elemente eines Grooves. Ein zentrales Augenmerk bei Schlagzeugaufnahmen liegt auf der Timinggenauigkeit. Dies bedeutet vor allem, dass ein Schlagzeuger sehr bewusst mit dem Songtempo umgehen kann. Ein ›steady time‹, also ein gleichbleibendes Tempo, ist eine charakteristische Erscheinung der Popmusik, hier wird weitaus weniger mit Agogik arbeitet als in der klassischen Musik. Auf der zweiten Ebene spielt das Mikrotiming, die Feinunterteilung des rhythmischen Puls oder Grundrasters, eine nicht zu unterschätzende Rolle. Im Gegensatz zur menschlichen Stimme treten Ermüdungserscheinungen bei Studioschlagzeugern wesentlich später ein. Die Mikrofonierung eines Drum Sets erfordert oft zehn oder mehr Spuren. Übersprechungen zwischen den einzelnen Instrumenten des Sets sind unumgänglich. Deshalb lässt sich ein unpräzise gespielter Snare Schlag nicht einfach auf der digitalen Bearbeitungsebene an die richtige Stelle schieben. Der Schlag ist auf allen anderen Schlagzeugspuren zu hören, das Übersprechungsproblem gestaltet sich komplex. Der Schnitt bei Schlagzeugaufnahmen ist meist ein Schnitt durch alle Schlagzeugspuren und kann nur an bestimmten Stellen erfolgen, beispielsweise dann, wenn keine Beckenschläge ausklingen und ein Schnitt sofort hörbar wäre. Aus diesem Grund versucht man bei Schlagzeugaufnahmen möglichst lange Strecken timingpräzisen Spiels zu gewinnen. Groovekorrekturen sind mit dem heutigen Stand der Technik unproblematisch, aber relativ aufwändig. Neben der Stimme ist der Groove das zweitwichtigste Element einer Pop Produktion. Ein weiteres gängiges Verfahren besteht darin, die Drums zusammen mit dem Bass aufzunehmen, um ein lebendiges und organisches Fundament zu erzielen. Elektrobass Bassaufnahmen können – wie bereits gesagt – zusammen mit Schlagzeugaufnahmen erfolgen, wenn es darum geht, möglichst viel Livecharakter einzufangen. Sollten Drums und Bass im selben Aufnahmeraum spielen, wird das Bass-Signal direkt, d.h. ohne Mikrofon zum Mischpult übertragen, um Übersprechungen zu vermeiden. Bei getrennten Aufnahmeräumen würde man das Basssignal per Mikrofon über einen Verstärker aufnehmen. Das ›Re-Amping‹, ein nachträgliches ›Verstärken‹, in dem das zuerst direkt aufgenommene Signal durch einen Verstärker gesendet wird, ist nur eines der vielen Möglichkeiten im Studio. Bassaufnahmen sind im

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Gegensatz zu den oben genannten Vokal- und Schlagzeugaufnahmen weitaus unkomplizierter, Schnitte und Bearbeitungen sind an vielen Stellen möglich. Hinzu kommt, dass der Hörer den Bass nicht als zentrales Element wahrnimmt. Elektrogitarre Im Grunde gilt für die elektrische Gitarre dasselbe wie für Bassaufnahmen. Vielfach werden Gitarrenverstärker aus klanglichen Gründen in bestimmten Räumen, wie z.B. gekachelten Bädern (für harte hallbetonte Sounds) oder in kleinen isolierten abgedämpften Kammern (für ›trockene‹ Sounds) platziert. Bei der Gitarre in der Popmusik spielt nicht nur die Spielweise und das instrumentale Können eine tragende Rolle, sondern vor allem der Sound. Dieser ist abhängig von der Bauart des Instrumentes, der Tonabnehmer, des Verstärkers und nicht zuletzt des Mikrofons. Akustische Gitarre Akustische Gitarren werden in der Regel gesondert aufgenommen. Hier spielen Nebengeräusche wie das Gleiten über die Saiten oder Schlag- und Zupfgeräusche eine wichtige Rolle. Diese Geräusche können bewusst betont oder auch verdeckt werden. Während der Aufnahme nicht bemerkte minimale Stimmungsunreinheiten können im Gesamtkontext ernsthafte Probleme darstellen. Auf der anderen Seite verschwinden kleine Spielnuancen im Zusammenklang mit den anderen Bandinstrumenten, der Verdeckungseffekt ist umso größer, je mehr Instrumente beteiligt sind. Schnitte sind nur dann kompliziert, wenn es um lang ausklingende Töne geht. Keyboards Der im popmusikalischen Kontext oft verwendete Begriff ›Keyboard‹ unterscheidet zwischen akustischen, elektronischen und virtuellen Tasteninstrumenten.

Ein Flügel wird im Studio gesondert aufgenommen, hier spielt die Qualität des Instrumentes selbst die wichtigste Rolle. Fast ebenso wichtig ist die akustische Beschaffenheit des Raumes. Studiostandard ist die Mikrofonierung mit hochwertigen Mikrofonen am Instrument und im Raum.

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Elektronische Tasteninstrumente wie Synthesizer, Orgeln oder Digitalpianos werden oft direkt in der Regie platziert und aufgenommen, ein in der Regel unkompliziertes Unterfangen. Kniffliger im Umgang erweisen sich sogenannte ›Vintage‹ Instrumente, wie Fender Rhodes Pianos, Wurlitzer Pianos, Hammond Orgeln oder analoge Synthesizer. Hier treten Probleme wie hohes Grundrauschen, geringe Pegel, Nebengeräusche oder nicht stabile Stimmung auf. Andererseits garantieren genau diese Unreinheiten dieser Instrumente die Echtheit derselben und sind in der Popwelt gesucht. Virtuelle Instrumente, also vom Computer in Form von gesampelten Wellenformen oder durch Synthese generierte Klänge, versuchen diesen analogen und ›unreinen‹ Klangcharakter des Originalinstrumentes mit einzubeziehen. Solche virtuelle Instrumente sind Emulationen bestehender (Vintage-)Instrumente und dienen vor allem dazu, eine Pre-Production zu gestalten. Wenn möglich oder nötig, werden virtuelle Instrumente in der Endproduktion durch echte ersetzt. Der klare Vorteil in der Benutzung virtueller Instrumente besteht darin, diese bis zuletzt umprogrammieren zu können. Die soeben vorgestellten Instrumente stellen den Standard einer Pop Produktion dar. Eben dieser Standard wurde auch auf die Produktion unseres Testsongs angewandt. Wir möchten Ihnen nun schildern, wie unser prototypischer Popsong entstanden ist.

4.2 D IE P RODUK TION VON ›A N E W H ORIZON ‹ Um unsere Hörergruppen zu testen und ein frei manipulierbares Produkt im Sinne der gesammelten Schnitttechniken zu erhalten, mussten wir einen Popsong in Eigenregie produzieren. Nur so konnten wir steuern, welche Art von Takes wir benötigten, und welche Art von Audiomaterial wir einfangen und bearbeiten wollten. Zunächst wurde im Dezember 2007 von Immanuel Brockhaus ein Song komponiert, der sich mehr oder weniger im gängigen Radioformat bewegt, nicht zu experimentell, nicht zu maschinell mit einem großen Anteil an live gespielten Instrumenten. Der Testhörer sollte einen transparen-

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ten Song mit viel Abwechslung, einem interessanten Arrangement und ansprechenden Klängen bekommen. Als Thema wurde das ›Fernweh‹ gewählt. ›A New Horizon‹, der Titel des Songs, erzählt vom Traum des Entfliehens. Eine fiktive Frau möchte lieber heute als morgen in ferne Länder verreisen und ihrem gewohnten Umfeld den Rücken kehren. Im Geiste ist sie bereits auf Reisen und träumt sich in exotische Länder. Diese Thematik erlaubt das Spiel mit Stimmungen und Atmosphären, erzeugt durch Samples und spezielle Spielweisen. In einem ersten Schritt wurde der Song auf Logic Studio 8 vorproduziert. Alle Instrumente wurden durch virtuelle Klänge erzeugt und sollten später durch reale Instrumente, mit Ausnahme einiger Keyboardklänge und der eben erwähnten Samples ersetzt werden. Ein vorläufiger Gesangstrack mit Lead- und Backing Vocals wurde in einem Homerecordingstudio, im zweiten Durchgang in einem Projektstudio der HKB Bern realisiert. Parallel zu diesem Arbeitsgang wurde eine Partitur mit Einzelstimmen erstellt. (Was im Normalfall selten geschieht.) Das vorliegen Demo wurde so einen Monat vor dem eigentlichen Studiotermin an die Musiker und Musikerinnen zu Übungszwecken versendet. Die Reihenfolge der Studioaufnahmen war folgendermaßen geplant: Lead & Backing Vocals, Bass & Drums, Gitarre. Diese Reihenfolge entspricht einer der vielen obengenannten Möglichkeiten, Popmusik zu produzieren. Oftmals wird der Gesang zuletzt aufgenommen, um der Sängerin oder dem Sänger bei der Aufnahme ein möglichst natürliches und endgültiges Klangbild anzubieten. Die eigentlichen Studioaufnahmen wurden im Studio der Hochschule der Künste Bern durchgeführt. Dazu wurden die Logic 8 Tracks komplett in Audiospuren konvertiert und in Pyramix importiert.

4.2.1 Die Aufnahmen Grundsätzlich wussten die beteiligten Studiomusiker nichts vom Inhalt des Forschungsprojektes. Dies erschien uns wichtig, wir wollten eine alltägliche Studiosituation schaffen, bei der es darum geht, einen Song möglichst professionell zu produzieren. Um von jedem Instrument genügend Ausgangsmaterial zur späteren ›Manipulation‹ zur Verfügung zu haben, wurden mehrere Takes und mehrere Durchgangsvarianten aufgezeichnet. So wurden beispielsweise vom Lead

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Gesang ganze Songdurchgänge, einzelne Songteile wie Vers oder Refrain, oder nur einzelne Textzeilen aufgenommen. Erfahrungsgemäß unterscheiden sich Aufnahmen, die an zwei verschiedenen Tagen oder am Anfang und am Ende einer Session gemacht wurden, im Gesamtcharakter. Während die ersten Takes noch frisch und energievoll aber vielleicht fehlerhaft erscheinen, sind die Takes am Ende einer Session meist abgeklärter und etwas schwächelnd. Gerade dieses Material in unterschiedlicher Qualität und Stimmung hat uns bei vielen Möglichkeiten der Bearbeitung gedient. So konnten wir beim Kompilierungsverfahren stark unterschiedliche Vokalaufnahmen entgegensetzen, die in dieser Kombination unorganisch erscheinen, aber zu Testzwecken optimal sind. In professionellen Aufnahmestudios bedeutet Zeit Geld; insofern sind Vokalisten und Instrumentalisten meist für eine bestimmte Zeit engagiert, in der sie ein Optimum an Leistung erbringen sollen. Danach muss das vorhandene Material zwangsläufig zu einer optimalen Fassung ›zusammengebaut‹ werden. Auch in unserem Fall entsprach das Aufnahmeverfahren der gerade beschriebenen Realität. Der folgende Zeitrahmen wurde für drei Aufnahmetage eingeplant (Aufbau- und Soundcheck nicht eingerechnet): Lead Vocals: 8 Stunden Backing Vocals: 4 Stunden Drums und Bass: 6 Stunden Gitarre: 4 Stunden Dies entspricht einer durchschnittlichen Zeit zur Produktion eines ähnlichen Songs, abhängig von den handwerklichen Fähigkeiten der beteiligten Musiker.

4.2.2 Die Auswertung des Materials Die Beschränkung auf eine gewisse Anzahl von Takes erleichterte uns die Auswahl zu Beginn des Mixdowns und der Testentwicklung. In der Regel scheiden fehlerhafte Takes als erstes aus oder werden schon während der Session aussortiert. ›Fehler‹ lassen sich auf verschie-

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densten Ebenen der musikalischen Interpretation finden: Intonation, Timing, Phrasierung, Aussprache, Dynamik, Artikulation, Koordination mit andern Instrumenten und vieles mehr. Während schlecht intonierte Aufnahmen oder unpräzise gespielte Passagen korrigiert werden können, ist es nahezu unmöglich, die Aussprache oder Artikulation zu reparieren. Was nicht zuletzt zählt, ist das gesamte ›Feeling‹ einer Passage.

4.2.3 Weitere Overdubs Es folgten weitere Variationen und Ergänzung der Lead Vocals. Am selben Tag wurden die Backing Vocals mit einer zusätzlichen Sängerin aufgenommen, um eine weitere Klangfarbe im Chorgesang zu erhalten. Der dritte Aufnahmetag war für Drums und Bass bestimmt. Das Drum Set wurde bereits am Tag zuvor installiert. Bassist und Drummer spielten im selben Raum, wir wollten ein natürliches Zusammenspiel innerhalb der Rhythm Section erreichen. Der Bass wurde direkt abgenommen, so war eine vollständige Trennung der Instrumente gegeben. Den Sichtkontakt zwischen den beiden Musikern empfanden wir als wichtig, Absprachen über verschiedene Spielweisen und Gestaltungen konnten problemlos erfolgen. Die Rhythm Section ließen wir ebenfalls zunächst den ganzen Song ohne Unterbrechung durchspielen, danach wurden einzelne Songteile und zuletzt einzelne Drum Fill-Ins aufgezeichnet. Der letzte Aufnahmetag war für die elektrischen und akustischen Gitarren reserviert. Auch hier wurde das oben beschriebene Verfahren angewandt. Insgesamt hatten wir mehr als 300 Spuren vorliegen, aus denen dann das Material für den Hörertest ausgewählt werden sollte. Der Mixdown entsprach im Wesentlichen einer Orientierung am gängigen Radiostandard.

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4.3 D OKUMENTATION DER IM S TUDIO VERWENDE TEN TECHNIK Aufnahmesystem und Studiomonitore Recording-Workstation: Pyramix 6 Ad-Converters: Sony Dmx-100 Monitoring: Dynaudio M3 + Air 15 Mikrofone, Preamps und Kompressoren Lead-Vocals: Neuman M49 (auf Niere), Studer 900-Preamp, Studer 900-Compressor Backing-Vocals: Neumann M49 (auf Kugel), Studer 900-Preamp, Studer 900-Compressor Kick: Yamaha Subkick + Shure Beta 91, Studer 900-Preamps Snare: Shure Sm57 Top, Neumann Km185 Top, Neumann Km185 Teppich, Studer 900-Preamps & Eqs Toms: 2 X Neuman Tlm103, Studer 900-Preamps & Eqs Hihat: Neumann-Gefell M582 Mit M52-Kapsel, Studer 900 Preamp & Eq (nur Hochpass) Overheads: 2 X Neumann U67 Room: Neumann Sm69fet (X/Y), 2 X Gefell Mv102 Mit Mk102-Kapseln (Ab), Studer 900-Preamps Acoustic Guitars Steel: Neumann U67, Studer 900-Preamp Acoustic Guitars Nylon: Neumann U67 + Di, Studer 900 Preamp Electric Guitars: Sennheiser Md421n, T-Bone Rm700-Ribbon, Studer 900-Preamps Electric Guitars Bridge: Rivera-Tbr-2m In Palmer Adig-Lb, Siemens V72 Preamp Bass: Di, Studer-900-Preamp Mixdown Editing- & Mixing-Workstation: Pyramix 6 Da- Und Ad-Converter: Apogee Da16x, Rme Adi-8 Pro Monitoring: Dynaudio Air 15 Mischpult: Studer 902 Customized, 36 Inputs Lead-Vocals: Tab U73b-Kompressor, Studer-900-Eq Backing-Vocals: Pmx-Compressor, Studer 900-Eq,

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Kick: Spl Transient-Designer (nur Subkick-Kanal), Bcd Compressor (nur Subkick-Kanal), Studer-900-Eq Snares: Spl Transient-Designer, Bcd Compressor/Eq, Studer-900-Eq, Studer-Compressor (Nur Snare-Teppich) Toms: Spl Transient-Designer, Studer-900-Eqs Overheads/Hihat: Nichts Room-Mikes: Pmx-Compressors Parallel-Kompression Drums: Spl Kultube, Studer-900-Eq Bass: Spl Tube-Vitalizer Mk-Ii, Studer-900-Eq Acoustic-Guitars: Tab U373b-Compressors, Siemens V72 Line-Amps mit Shure-Pads, Studer-900-Eqs Electric-Guitars: Studer-900-Eqs Playbacks Tab V76-Amps, Studer-900-Eqs Reverb, Delays & Modulation: Lexicon 300 Lexicon Pcm91 Eventide Eclipse Rocktron Intellifex In Analog-Summe Bfe Bke4-Compressor/Limiter Tab V76 Amps Siemens W295b Eq’s Mastering TC System 6000

4.6 A UFBEREITUNG FÜR DEN H ÖRTEST Um den Song für den Hörtest aufzubereiten, mussten zunächst zwei verschiedene Versionen des kompletten Songs erstellt werden: 1. Eine optimierte Version, bei der alle Spuren möglichst organisch und perfekt zusammengeschnitten sind. Wir versuchten, von allen Aufnahmen, die besten Takes zu kombinieren. Der Leadvocal Track wurde aus

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relativ kleinen Abschnitten (ein- bis zwei Verszeilen) kompiliert. Ungenauigkeiten bezüglich Timing und Intonation wurden korrigiert. Die »Ad Libs«4 am Ende des Songs wurden aus sehr unterschiedlichen Takes so kombiniert, als ob sie aus einem einzigen Take stammen würden. Das Schlagzeug wurde in einem festgelegten Groove Raster quantisiert. Die Gitarrenspuren wurden teilweise geklont mit harten Schnitten perkussiv gestaltet. Die Background Chöre wurden ebenfalls hart angeschnitten und geklont. (CD: Hörbeispiel 1) 2. Eine rohe Version, bei der nahezu alle Spuren ungeschnitten sind, quasi eine ungeschminkte Fassung. Hier wurden diejenigen Takes ausgewählt, die über möglichst lange Strecken sehr gut interpretiert waren. Die Lead Vocals blieben außer einigen wenigen Pegelanpassungen unbearbeitet, ausgewählt wurde aus den ersten 2 Takes. Auch bei den anderen Spuren nahmen wir gewisse Ungenauigkeiten in Kauf und bevorzugten diejenigen Aufnahmen, welche am wenigsten Fehler enthielten und am Lebendigsten klangen. (CD: Hörbeispiel 2) Im zweiten Schritt ging es darum, die von uns entdeckten und bezeichneten Schnitttechniken in einem Teil des Songs (in diesem Fall dem Vers und dem Anfang der Bridge) unterzubringen. Wir mussten uns auf einen Songausschnitt beschränken, um einerseits den Testhörer nicht über Gebühr zu beanspruchen, andererseits sollte der Hörer eine Schnitttechnik nicht mit einem bestimmten Teil des Songs in Verbindung bringen. Hier eine Beschreibung der Schnitttechniken, die in dem Testsong angewandt wurden: Digital Black: ›Digitale Stille‹ meint einen sehr kurzen Moment absoluter Stille in allen Spuren. Dieser Effekt gleicht einem ›schwarzen akustischen Loch‹, ein spektakulärer Effekt, den wir am deutlichsten bei Madonna (Die Another Day) entdeckten. Digital Black realisiert man am besten beim Premastering. Der Effekt wirkt nur, wenn keinerlei Hallfahnen oder Echos in dieser Generalpause zu hören sind. Wir haben Digital Black im Übergang vom Vers zur Bridge platziert.

4 | Ad Libitum — wie es gefällt, freie Passagen innerhalb des Lead Gesangs, bei denen oft am Ende eines Songs improvisiert wird.

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Digital Black ist vor allem in Produktionen mit einem hohen Anteil an elektronischen Klängen zu finden. In unserem Song erscheint der Effekt nicht unbedingt stilgerecht, wir wollten jedoch bewusst die Stilistik des Songs nicht an die Schnitttechniken anpassen, was bereits einer Wertung der jeweiligen Technik gleichkommen würde. Bei 0:26 haben wir diesen Moment absoluter Stille zwischen Verse und Bridge gesetzt; die einzige ›plausible‹ Stelle für diesen Effekt. Digital Black ist ein radikaler Kunstgriff, der in der Stilistik dieses Songs noch unnatürlicher und gewollt klingt. (CD: Hörbeispiel 3) Harte Schnitte: Hier haben wir die akustische Gitarre am Ende jeder eintaktigen Phrase hart an- und abgeschnitten (0:02-0:25). Dies ergibt eine etwas perkussivere und aggressivere Grundatmosphäre, die Platz für andere Klänge schafft. Die Schnitttechnik verschwindet im Zusammenklang mit den anderen Instrumenten und wird kaum vordergründig wahrgenommen. Die Technik des harten Schnittes könnte man eher als eine Art Groove Werkzeug sehen, mit denen man Vokal- oder Instrumentalspuren noch stärker rhythmisiert oder akzentuiert. (CD: Hörbeispiel 4) Breathless: Die Ein- und Ausatmungsgeräusche der Leadstimme wurden zu Beginn und am Ende eines Satzbogens abschnitten (0:02-0:23). Der Klang einer Stimme wirkt durch diese Maßnahme fast »körperlos«. Diesen Effekt findet man auch auf älteren analogen Aufnahmen, beispielweise Peter Gabriels Songs ›Solsbury Hill‹ oder ›Don’t Give Up‹, fast gespenstisch erscheint die Stimme ohne den Vorlauf des Atems. In anderen Produktion wird oft genau das Gegenteil praktiziert: um eine möglichst große persönliche Note zu erreichen, werden Atemgeräusche besonders stark betont. In unserem Beispiel werden durch das Abschneiden des Atems auch Konsonanten leicht verschluckt, die Stimme wirkt unnatürlich und fremd. Zudem wäre die erste Verszeile ohne zusätzliches Einatmen nur schwer singbar. (CD: Hörbeispiel 5) Klonen: Dieser Effekt wird vor allem bei Drums, Gitarren und Chören angewandt. Das mehrfache Verwenden einer perfekt gesungenen Chorpassage nennt man im Fachjargon auch ›Chöre einfliegen‹. Um Zeit zu sparen und ein immer gleichbleibendes Ergebnis zu erhalten, werden bestimmte Regionen einfach kopiert, in der Annahme, der Hörer würde dies ohnehin nicht erkennen. In ästhetischer Absicht, etwa um Gleichklang und Mono-

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tonie als künstlerisches Mittel einzusetzen, wäre diese Schnitttechnik ebenfalls denkbar. Wir haben in ›A New Horizon‹ das eintaktige rhythmische Pattern der akustischen Gitarre im Vers mehrfach identisch durch einfaches Cut, Copy&Paste wiederholt (0:02-0:22). Diese Technik würde dann zur Anwendung kommen, wenn hinsichtlich der Gitarrenparts nicht ausreichend gut gespieltes Material zur Verfügung stünde. Im Gesamtzusammenhang ist die geklonte Gitarre als solche schwer zu erkennen. (CD: Hörbeispiel 6) Kompilieren: Hier haben wir kleinere Teile (Sätze und Zeilen) der Lead Vocal Aufnahmen, die aus verschiedenen Stimmungen, Tageszeiten und Haltungen entstanden sind, absichtlich unorganisch zusammengestellt, um den Hörer auf die Probe zu stellen. Unterschiedliche Pegel verstärken den Eindruck der Patchwork-Technik noch mehr. Am besten ist dies bei 0:06 zu erkennen: Das Wort ›Get‹ platzt förmlich herein und weist keinen organischen Zusammenhang zu dem ersten Teil der Phrase auf. Etwas später (0:18) haben wir es absichtlich übertrieben, so schlecht würde wirklich kein professioneller Tontechniker kompilieren. In kommerziellen Produktionen wäre dieser Vorgang auch kaum mehr ein als ästhetisches Mittel zu werten, man würde dies höchstwahrscheinlich (so zumindest bewerteten es unsere Expertenrunde) als schlichtweg ›schlampig‹ einordnen. Trotzdem begegnet man immer wieder Produktionen, bei denen das Material unpassend zusammengestellt ist. (CD: Hörbeispiel 7) Die Graphik zeigt im groben Verlauf die Anwendung der Schnitte auf der Zeitachse. Es ergeben sich rund 45 Schnitte innerhalb von 23 Sekunden. Dies gibt einen ungefähren Eindruck davon, wie viele Schnitte in einem Popsong vorgenommen werden könnten. Würde man unser Beispiel auf die durchschnittliche Länge eines Popsongs von 4 Minuten hochrechnen, kämen wir bereits auf ca. 360 Schnitte. Normalerweise erfolgen solche Schnitte jedoch in weitaus mehr Spuren, insofern wäre es durchaus denkbar, dass in einem Song über 1000 Schnitte vorkommen.

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Abbildung 4.1: Anwendung von Schnitttechniken

5. Produzenten und Tontechniker – Diskussionsforum und Befragung Immanuel Brockhaus, Bernhard Weber In diesem Anschnitt des Projektes kommen die Produzenten und Tontechniker zu Wort. Die Studioexperten diskutieren über die Qualität und die Bedingungen der aktuellen Musikproduktion und erörtern das Wechselverhältnis zwischen Produktion und Rezeption. Den Abschluss bildet eine Befragung über den Umgang mit digitalen Produktionstechniken und deren Einflussnahme auf die Produktion Populärer Musik.

5.1 D AS D ISKUSSIONSFORUM Immanuel Brockhaus Das Forum mit Produzenten und Tontechniker fand am 16.09.2009 in den Räumen der Hochschule der Künste Bern (Eigerlatz 5) statt. Teilnehmer Immanuel Brockhaus, Pianist, Komponist, Produzent und Pädagoge, Bern Bernhard Weber, Musikpädagoge und Musikwissenschaftler, Lübeck Daniel Platisa, Produzent und Toningenieur, Basel Adriano Tosetto, Toningenieur, Bern Chris Diggelmann, Produzent und Toningenieur, Biel Heiko Freund, Gitarrist, Produzent und Leiter des Studiengangs Pop ZHK, Zürich Lorenz Schaller, Produzent und Toningenieur, Bern Thomas Berger, Keyboarder, Produzent und Toningenieur, Thun Balts Nill, Popkünstler und Journalist, Bern

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Dies ist die Zusammenfassung einer vierstündigen Diskussionsrunde. Es wurde versucht, die oft konträren Standpunkte möglichst objektiv wiederzugeben. Bei diesem Treffen wollten wir direkte Erfahrungen und Meinung von Fachleuten einholen, die sich seit längerer Zeit mit professionellen Popproduktionen beschäftigen. Wichtig war uns, dass ein gewisser Anteil der Teilnehmer den Wechsel zwischen analoger und digitaler Technik mit vollzogen hat. Alle teilnehmenden Produzenten und Toningenieure haben den Fragebogen betreffend digitaler Schnitttechniken ausgefüllt und sind somit bereits mit unserem Thema vertraut. Die Diskussion drehte sich um mehr als den digitalen Schnitt; wir wollten etwas über die Berufsethik von Produzenten und Tontechnikern, ihre Erfahrungen mit Musikern und ihre Meinung zu Popmusikhörern erfahren.

Ist ›digital‹ unter Produzenten ein Schimpfwort? So lautete die erste etwas provokante Frage in die Runde, die heftige Diskussionen um die ›analogen‹ Zeiten hervorrief. Die anfänglichen Berührungsängste mit dem Computer als Musikwerkzeug sind relativ schnell wegen den Zeit- und Geld sparenden Möglichkeiten verschwunden. Das analoge Bandmaterial zeigte sich zwar als zuverlässiges und gut klingendes Medium, die Bearbeitung des Materials (Schneiden, Kopieren und Einfügen, Spulzeiten) ist im Vergleich zur digitalen Ebene ungleich umständlicher. Der bequemen Aufnahmesituation innerhalb des digitalen Workflows haben sich inzwischen fast alle Studios gefügt. Diskussionen entstehen immer wieder um das Ausspielen der digitalen Spuren auf analoge Mischpulte, ein Verfahren das in letzter Zeit immer wieder genutzt wird, wie auch das Verwenden analoger Preamps/Signalwege im Aufnahmeverfahren. »Du musstest Musik mit dem Regler machen […]« (Zitat: Balts Nill)

Ob der digitale Prozess letztendlich wirklich schneller ist, stellen die Teilnehmer in Frage. Der analoge Prozess, vor allem der Mix, forderte die Mitarbeit (oft zu mehreren am Pult) der Musiker, der digitale Prozess hat die Aufgabenfelder zwischen Technik und Künstler klar getrennt.

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»Man trifft keine Entscheidungen mehr« (Zitat: Thomas Berger)

Das Analoge ist oft mit einer gewissen Romantik behaftet, dabei vergisst man, wie viel Pflege und Wartung (hohe Kosten) die analogen Geräte benötigten, ganz abgesehen vom Klangverlust durch Kopieren und Überspielen. Das Arbeiten mit analogem Equipment erfordert genaues Arbeiten auf den Punkt, die Möglichkeit endloser Takes und Versuche war und ist reduziert, die Entscheidungen darüber, welches Material verwendet wird, klarer und die Konzentration der Musiker höher. »Wir machen einen Take und das ist es […]« (Zitat: Adi Tosetto)

Eine mögliche Arbeitsweise wäre, eine digitale Session mit einer ›analogen‹ Haltung anzustreben, bei der die Zahl der Takes von Anfang an reduziert wird. Die jüngere Generation der Musiker und Techniker kennt den Begriff des Analogen nur noch als romantisierenden Begriff einer längst vergangenen Epoche, bedient sich aber selbst einer ›analogen‹ Arbeitsweise, beispielsweise beim Mitschnitt einer Probesession mit Laptop und Sequencersoftware. Dort fungiert die hoch entwickelte Software als simples Mitschnittgerät. Die Haltung derer, die so Aufnahmen realisieren entspricht jedoch genau derjenigen der analogen Ära. Das Wissen um die Möglichkeit des digitalen Schnittes evoziert zwei Haltungen seitens der Künstler: Das eine Lager sieht es als Herausforderung, möglichst ohne Schnitte zu arbeiten, das andere Lager will (unter anderem auch durch ein reduziertes handwerkliches Können) möglichst viel Editierarbeit durch den Techniker, das ›perfekte‹, fehlerlose Produkt, das musikalisches Können suggeriert. Der digitale Prozess lässt immer mehr Entscheidungen offen, die Menge der Möglichkeiten stellt oft oder eher eine Behinderung dar. So wird eher der Begriff ›Editieren‹ zum negativ konnotierten Terminus, als ein langwieriges und lästiges Unterfangen. Die digitale Technik ermöglicht den Tontechnikern auch, aus einem schlechten bis mittelmäßigen Künstler ein professionelles Produkt zu machen. Der Spagat zwischen den Ansprüchen der Plattenfirmen und dem eigenen künstlerischen Anspruch wird immens größer. Oft genug besteht das Verhältnis zwischen Aufnahme und Editieren 20:80, das bedeutet in der Realität einen halben Tag Aufnahmen und fast drei Tage ›Aufräum-

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arbeiten‹ und Aufwerten des Materials durch Schnitt, Klangverbesserung, Quantising etc. Deutlich wird hier der Zwiespalt, in dem sich der Produzent befindet: Kann er überhaupt ein solches künstlich zusammengebautes Produkt vertreten? Wie stellt sich ein solches Produkt dann in einer Livesituation dar? Im Grunde wünschen sich Produzenten und Tontechniker fähige Künstler, die ihr Handwerk beherrschen und deren Performance sowohl im Studio als auch Live überzeugt. Erst dann kann eigentlich am künstlerischen Ausdruck gearbeitet werden. Tontechniker sind ab und zu auch sind geneigt, sich relativ schnell mit einem Take zufrieden zu geben, man sich eher mehr Arbeit, anstatt mehr vom Künstler zu fordern. Sowohl Künstler als auch Rezipienten scheinen den klanglichen Qualitätsunterschied zwischen einer analogen Bandaufnahme und einer digitalen nicht zu kennen. Erst bei einem 1:1 Vergleich tritt ein gewisser ›Aha‹Effekt ein, das analoge Medium wird dann gemeinhin als ›voller‹, ›satter‹, wärmer‹ eingestuft.

Sind Popmusiker ›Allesfresser‹? Popmusik verändert sich mit der vorhandenen Technik und verändert wiederum die Technik selbst. So ist das optimale Klangergebnis oft gar nicht gewünscht, es soll und darf auch billig klingen. Auch das Medium auf dem sich ein Song primär präsentieren soll, entscheidet über den Sound. Soll ein Song gut auf einer Myspace Seite klingen oder in einem Rave Club? »[…] n den 1970er Jahren wurden die besten Geräte gebaut, danach wurde nur noch optimiert und verkleinert, der Klang konnte sich nicht mehr verbessern […]« (Zitat: Daniel Platisa)

Ob die junge Pophörerschaft jemals audiophil war, ist ein strittiger Punkt. Der audiophile Hörer musste in den 1970ern Zugriff auf eine relativ hochwertige Stereoanlage haben, um die ersten Pink Floyd Stereo Spielereien1 zu genießen. Dies war relativ wenigen vorbehalten, die meisten waren 1 | Damit ist in erster Linie das in Deutschland im Jahre 1970 erschienene und sehr experimentelle Doppelalbum »Ummagumma« von Pink Floyd gemeint. Einige der Kompositionen orientieren sich u.a. an die Kompositionstechniken von

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mit einer kleinen Dual oder Phillips Kompaktanlage zufrieden; Revox oder Braun Geräte standen in den Wohnzimmer gutbetuchter Akademiker. Heute bricht der High End Markt ein, junge Hörer, die sich hochwertige Hifi-Anlagen zulegen, sind selten gesät. Wichtig scheinen jedoch die immer bessere Mobilität von Popmusik und der schnelle Zugriff auf möglichst viel Musikmaterial. »In der Entwicklung der Popmusik hat die Demokratisierung immer einen Qualitätsverlust mit sich gebracht« (Zitat: Heiko Freund)

(Allgemein bemerkt wird, dass sich die höchsten produktionstechnischen Qualitätsstandards in den frühen 1970er Jahren entwickelt haben und eine feste Referenzmarke zu aktuellen Produktionen bilden. Zu dieser Zeit wurden die besten Studiogeräte entwickelt, die auch heute noch im Einsatz sind, man denke an die legendären Studer/Revox oder englische Neve Konsolen.) »Mp3 ist wie Convenience Food« (Zitat: Adi Tosetto)

Dabei haben die jungen Rezipienten durchaus die Wahl zwischen hochwertigem Hörgenuss und auditivem Fast Food. Aber es wird vornehmlich – der Vergleich mit der Ernährung liegt nahe – Convenience konsumiert. Im gleichen Zug verändert sich auch das Hörverhalten mit dem Medium: Ein ganzes Album einer Band wird kaum mehr von A-Z durchgehört, ähnlich wie beim TV Konsum wird angerissen und weiter gezappt. Der Mp3 Standard verwischt die Kompetenz zur Hördifferenzierung, zur Wahrnehmung von interessanten Details, die ein Album hörenswert erscheinen lassen, auch nach dem hundertsten Mal. »Mp3 ist ein Gleichmacher, man hat keine Sensoren mehr, um etwas zu beurteilen […]« (Zitat: Adi Tosetto)

Weniger als ein Medium zum Genuss hochwertiger Aufnahmen, sondern mehr als neues Kommunikationsmittel funktionieren heutzutage Ipod und Handy, jederzeit und überall kann der junge Pophörer seine Zugehörigkeit Karlheinz Stockhausen (»The Grand Vizier’s Garden Party« von Nick Mason) oder Edgard Varèse (»Sysyphus« von Richard Wright).

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zu einer bestimmten Szene zeigen. Die Anfänge mit Ghettoblaster-beladenen HipHop Liebhabern scheint heute lächerlich, zeigt aber am deutlichsten den Wunsch dieser Hörergeneration: Wir sind, was wir hören.

Kann der junge Popmusikhörer gute und schlechte Produktionen unterscheiden? Dieser Frage wird etwas ausgewichen, führt uns das doch unwillkürlich zur Entscheidung: Was ist ein guter und was ist ein schlechter Song und nach welchen Kriterien wird eine Produktion bewertet? Unsere Produzentenrunde soll sich in die junge Pophörerschaft hineinversetzen und deren Vorstellung, wie Popmusik heute klingen soll, definieren. »[…] möglichst viel konsumieren […]« (Zitat: Daniel Platisa)

Eines ist klar: Der Musikmarkt hat heute immens an Tempo gewonnen, es wird schnell produziert, die Hörerschaft will vor allem eines: das Neue. Ob dabei die Qualität stimmt, steht erst an zweiter Stelle. Popmusik wird schnell und in großer Menge konsumiert, die Charts verändern sich fast täglich. Deshalb sind schnell produzierte digitale Aufnahmen der heutige Standard, für aufwendige analoge Settings bleibt kaum Zeit. Die Studios befinden sich im Sog der Geschwindigkeit und setzen daher auf den schnellst möglichen Workflow, was bedeutet, dass alles im Rechner erledigt wird, Aufnahme, Edit, Mix. Die klangliche Verbesserung des gehörten Materials vom Volksempfänger bis zum CD Player ist gewiss gewaltig, fraglich scheint, ob sich in der kurzen Spanne von einer analogen ABBA Produktion zu einer volldigitalen Chartproduktion von heute wirklich etwas verbessert hat. »Es muss wumm machen« (Zitat: Heiko Freund)

Einheit herrscht auch in der Auffassung, dass die Klangästhetik innerhalb des Songs überzeugen soll und der Mix den allgemeinen Standards genügt, was vor allem heißt: Druck und Lautstärke. Das fordern vor allem die Radiostationen, die wiederum selbst ›ihren‹ Sound durch Filter und Kompressoren ›tunen‹. Popradio muss laut und druckvoll klingen, das wünscht der Pophörer von heute.

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Bands wie U2 oder Franz Ferdinand arbeiten bewusst mit der Ästhetik des Überlauten, Dauerlauten, Undynamischen. Die Entwicklung von Popmusik ist immer ein Ausreizen der Technik. Instrument und Verstärker, Studio-Equipment nicht ›sachgemäß‹ zu benutzen, ist Teil der Entwicklung des Popsounds, man denke nur an verzerrte Gitarrenklänge. Oder das ›hochpitchen‹ von Drumloops auf doppelte Geschwindigkeit, was die Drum&Bass Ära einleutet. Auch ›Fehler‹ sind Teil der Entwicklung, der ›Cher‹ Effekt, als ein mögliches Zufallsprodukt bestimmte eine gewisse Zeit aktuelle Chartproduktionen. Und so wird auch weiterhin versucht, nach neuen Sounds zu suchen, stilistische Tabus sind ohnehin nicht existent. Der Nischenklang, das Unerwartete kann immerhin den kurzen Erfolg bringen. Das Abweichen vom Mainstream, das neue Nichtetablierte zu tun, das Rebellentum zu pflegen, wird zur Triebfeder der sich immer wieder erneuernden Popgeneration. Die Erweiterung der Musikformate sowie Musikangebote (Mp3 und YouTube) bringt auch eine Neuorientierung der Popbands, die gezielt auf diese Formate hinarbeiten und längst erkannt haben, wie man sich am besten auf den entsprechenden Plattformen präsentiert.

Wie gut muss eine Popmusikproduktion, wie schlecht darf eine Popmusikproduktion sein? »[…] die Technik an die Grenze zu bringen, bis sie das macht, wozu sie eigentlich nicht gedacht war« (Zitat: Balts Nill)

Hier scheint es keine eindeutigen Standards zu geben. Die Kriterien, die ein Popsongsong zu erfüllen hat, sind diffus. Ob ein Song zum Hit wird, hängt oft von Entscheidungsträgern ab, die mit Musik weniger zu tun haben, so ist ein Hit nicht selten ein Nebenprodukt einer anderen kommerziellen Strategie. Die Ansprüche der Zielgruppen sind definitiv verschieden. Der Qualitätsanspruch eines zwölfjährigen Pophörers bewegt sich höchstwahrscheinlich doch auf einem niedrigeren Niveau als das eher analytische oder ausgereiftere Hörverhalten eines Dreißigjährigen. Die Fachleute scheinen sich einig zu sein, dass die Qualität des Songs stimmen muss und die Performance der Stimme klar im Vordergrund

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steht. Trotzdem tummeln sich doch einige Produktionen auf dem Markt, die genau das Gegenteil aufweisen. »Eine Popproduktion darf unendlich schlecht sein; im Bemühen, gut zu sein, sind wahrscheinlich mehr gescheitert, als im so genannten ›Schlechten‹.« (Zitat: Balts Nill)

Definitiv besteht eine Diskrepanz zwischen der aufpolierten Studioperformance und der Liveperformance einer Band, wo die Erwartungen der Hörer sowohl erfüllt als auch enttäuscht werden. Hier kommt die optische Präsenz eines Pop Acts ins Spiel, die mittlerweile mindestens eine ebenso große Rolle wie die rein musikalische Präsenz spielt. Nicht nur der Videoclip zum Song, sondern vor allem die Bühnenshow kurbelt die Plattenverkäufe an, und hier entscheidet die Plattenfirma, wie viel in LCD Wände, Licht, Tänzer und Effekte investiert wird. Der internationale Vergleich von Studioproduktionen ist absolut, während der Vergleich von Livekonzerten durchaus regionale Maßstäbe erlaubt. So kann eine kleinere nationale Bühnenshow mit kreativen aber weniger kostspieligen Elementen genau so überzeugen wie ein internationaler Megaevent. Studioproduktionen richten sich nach aktuellen Referenzaufnahmen. Ein nationales oder sogar regionales Produkt muss den internationalen Standards genügen. Wo diese aber genau zu definieren sind, scheint schwierig. Bleibt immer wieder die Maxime: laut und präsent. »Rock’n’-Roll ist eine Abfolge von Fehlern.« (Zitat Adi Tosetto)

Dennoch bleibt eine letzte wichtige Aussage: Pop erneuert sich immer wieder durch das Fehlerhafte. Deswegen ist der Qualität nach unten keine Grenze gesetzt. Im Bemühen, immer nur gut zu sein, scheitern viele Popbands. Gerade das Unfertige, Ddilettantische, Unausgereifte hilft der Popmusik bei ihrer täglicher Rennaissance.

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Wie gehen Produzenten und Tontechniker mit offensichtlich hörbaren Schnittfehlern um? »Ein Produzent ist dafür verantwortlich, dass die Performance stimmt, dass er all das aus dem Künstler herausholt, was der Künstler selbst nicht könnte.« (Zitat: Chris Diggelmann)

Hörbare Schnittfehler sind Qualitätsmängel und widersprechen dem Berufsethos. Hier wird auch auf die Verantwortlichkeit des Produzenten verwiesen, der in solchen Bereichen entscheidet. Vor allem bei großen Budgets sollten handwerkliche Fehler nicht unterlaufen. »Ein angeschnittener Atem ist kein Kult, sondern einfach nur schlecht.« (Zitat: Chris Diggelmann)

Aber rechnet der Produzent nicht damit, dass der Pophörer diese Fehler ohnehin nicht wahrnimmt? Diese Haltung wird als generell als schlecht empfunden, mag es auch nationale Unterschiede in den Arbeitshaltungen geben. Im Grunde könnte jeder Fehler, ob es nun ein abgeschnittener Atem oder ein umgefallener Mikrophonständer als cool interpretiert werden, je nach dem, wer die Aufnahme bewertet. Das Kompilieren der vorhandenen Takes im Sinne der fast übermenschlichen Optimierung erscheint insofern einleuchtend, soll ja das Produkt nicht unbedingt der Realität des Hörers entsprechen. Der Hörer sucht das »larger than life« (Zitat aus einem Gespräch mit Martin Pearson, dem Tontechniker von Queen und Keith Jarrett), das Über-Ich, und sucht genau die Dinge, die er in sich selbst nicht findet. Differenzieren sollte man dennoch zwischen handwerklichen und gestalterischen Fehlern. Versehentlich einen Atem anzuschneiden würde in dieser Runde keine Akzeptanz finden, sonst würde man sich, aus der Perspektive der Filmemacher, in die Reihe der B-Movies einreihen (ein Mikrophon hängt ins Bild). Schwierig wird es trotzdem ein Stilmittel von einem Fehler zu unterscheiden. Ob etwas als Fehler oder als Stilmittel gewertet wird, ist offensichtlich von dem Status des Künstler, Produzenten und Tontechniker abhängig. Es kommt also darauf an wer eine Hallfahne beim Fade-Out ›versehentlich‹ abschneidet. Einem regionalen Produzenten würde man das als Fehler ankreiden, bei Timbaland fände man es äußerst cool.

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Der Popdiskurs nährt sich aus den Ausbrüchen aus der Konvention und des Tabubruchs. Unendlich viele kleine Szenen pflegen einen zum Teil heftigen Diskurs um ihre eigene Ästhetik und genau das erhält die Popwelt lebendig. Dieser Markt kennt auch keine Gerechtigkeit, die Gewinner und Verlierer sind überall.

Wie wichtig ist die ›Ehrlichkeit‹ von Popmusik? Das ›gefakte‹ Popmusik funktioniert, haben in den 1980ern Milli Vanilli bewiesen, die echten Sänger hinter den Playback Stars haben niemand interessiert. Heute ist durchaus das Bewusstsein vorhanden, das mit Vollund Halbplayback oder sogar mit einem Double ›performt‹ wird. Enttäuscht wäre das Publikum, wenn dies auf einem Live Konzert geschehen würde. Aber auch dort haben die Rolling Stones, bewiesen, was man dem Publikum alles vormachen kann. Die Jugendkultur mit ihren eigenen ästhetischen Vorstellung und ein gewissen Ethik innerhalb ihrer Szene lässt sich schlecht auf den Mainstream übertragen. So ist es durchaus möglich, dass bestimmte Szenen fest definierte Erwartungen an ihre Idole knüpfen und diese nicht enttäuscht sehen wollen, währenddessen es Außenstehenden unmöglich erscheint, diese Regeln nachzuvollziehen. Die Codierungen der Szenen sind klar definiert; Szenezugehörigkeit läuft weitgehend über die äußere Erscheinung. Provokation ist dabei Teil des Programms, der Rezipient auf der auditiven und der optischen Ebene kauft das Image des Popkünstlers mit. Hat ein Popkünstler den Status einer Marke oder gar einer Ikone erreicht, ist fast alles möglich. Skandale, schlechte Konzerte, Vollplayback, Telepromter u.v.a. gehen beim Publikum oft genug ungestraft durch. Hier wird die Widersprüchlichkeit von Popmusik immer deutlicher: Einerseits hat man den Anspruch auf einen möglichst hohen Grad von Authentizität, andererseits kennt man keine Skrupel, zu täuschen. Popmusik baut auf Projektion und Identifikation. Idole werden fast bedingungslos verehrt. Die Idole selbst stehen mit einem Bein in der Authentizität, mit dem anderen in der totalen Künstlichkeit. Wann und warum diese Idole jedoch ihre Glaubwürdigkeit verlieren, wäre Gegenstand einer interessanten Untersuchung.

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Wie hört der Popmusikhörer? Ob Popmusikhörer wirklich auf Texte hören, bleibt eine strittige Frage. Stilabhängig und abhängig davon, ob der Text in der eigenen Sprache gehört wird, werden Texte zentral oder peripher wahrgenommen. Popmusik wird primär intuitiv oder im Hintergrund gehört, als »Soundtrack zum Leben« (Zitat: Heiko Freund) oder als stimulierendes Element. Analytisch wird dort gehört, wo die Rezipienten selbst aktiv Popmusik machen. Jeder Popmusikhörer vereinigt in sich verschiedene Hörtypen, je nach Situation, in der er sich befindet. Jedoch ist zu verzeichnen, dass der ›ambient‹ Hörtyp mit der Entwicklung des entsprechenden Mediums zunimmt. Trotzdem gibt es vereinzelte Hörer, die sich vom intuitiven zum analytischen Hörer entwickeln und hoch spezialisiert durch immer wiederholtes Hören eines Stückes jedes Detail wahrnehmen. Rhythmische Elemente und Groove werden primär wahrgenommen. Die Bewertung von Melodik und Harmonik findet erst an zweiter Stelle statt. Grundsätzlich empfinden nicht analytische Hörer Popmusik völlig anders als geschulte Hörer, wie beispielsweise Tontechniker, Produzenten, Komponisten, Arrangeure und Musiker. Diese musikalische Bewertung erfolgt meist ohne Fachtermini und ist auf der emotionalen Ebene angesiedelt. Ein solches Feedback kann dem oft ›betriebsblinden‹ Techniker zum ›richtigen‹ Weg verhelfen oder in zumindest zu einer distanzierten Betrachtungsweise seiner Arbeit bringen. Der Zugang oder die Zuwendung zu einer bestimmten Art von Popmusik ist auch abhängig von der Umgebung, in der wir uns befinden. Laienhörer hören emotional und assoziativ, in den seltensten Fällen analytisch. »Die Erinnerung an einen Sound ist so präzise wie die Erinnerung an einen Geruch.« (Zitat: Balts Nill)

Popmusik lebt vor allem aber auch vom Sound, der als solcher von den Hörern kaum beschrieben werden kann. Der Sound eines Stückes ist die Gesamthaftigkeit der Eindrücke, direkt und klar. Die Erinnerung an einen bestimmten Sound ist vergleichbar mit der Erinnerung an einen Geruch, der ebenso wenig zu beschreiben ist. Sounds bleiben ewig haften, das menschliche Gehirn ist äußerst präzise in der Identifikation von Sounds.

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Würde sich die Haltung eines Hörers verändern, wenn man ihm mitteilte, wie stark das soeben gehörte Stück manipuliert ist? Unsere Runde vertritt zunächst die Ansicht, dass das Rezept und die Machart eines Stückes unantastbar bleiben sollte, weil dies den emotionalen Zugang zu der Musik zerstöre, ähnlich wie bei einem Essen im Restaurant, wo einem der Blick in Küche jeglichen Appetit verderben könnte. Der Pomusiker lehnt diese Informationen nicht kategorisch ab, sondern will Musik auf der intuitiven, emotionalen Ebene erleben. Allerdings wäre die Eröffnung eines Diskurses über genau diese Manipulationen ein interessanter Impuls in der Pop Szene. Die Aufklärung oder die ›Vertreibung aus dem Paradies‹ gewänne eine neue Dimension.

E xistiert noch ein Bedürfnis, Popmusik völlig ungeschminkt und unmanipuliert wahrzunehmen? Nach Produktionen und Konzerten nach dem ›Unplugged‹ Prinzip, damals Anfang der 1990er von MTV lanciert, ist die Fangemeinde solcher Events eher noch kleiner geworden. Die ehrlichste und direkteste Popmusik erfährt man in kleinen Clubkonzerten. Dieses Risiko nehmen jedoch nicht alle Künstler auf sich und auch bei vermeintlichen Livemitschnitten wird nachträglich stark manipuliert. Das Hinterfragen der Produktionstechniken, der Manipulationen und der Tricks entspricht nicht der Grundhaltung der Popmusikhörer, dort verhalten sie viele Szenen ähnlich wie in Bezug auf die tägliche Ernährung oder auf die Kleidung, wo man ungern auf vielleicht unangenehme Wahrheiten stoßen will. Trotz alledem glauben unsere Experten an ein grundsätzliches individuelles Bedürfnis nach Ehrlichkeit in der Popmusik. Man will sein Idol auch ungeschminkt und mit menschlichen Fehler behaftet erleben können.

Lässt sich Ehrlichkeit inszenieren? Um das Image eines Popidols aufrecht zu erhalten, darf manipuliert werden, zumindest maßen sich dies die verantwortlichen Geldgeber an. Bestimmte Information schaden dem Image eines Künstlers, beispielsweise

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wäre ein verheiratetes Mitglied einer Boygroup eher eine ›Karrierebremse‹, deshalb werden solche Informationen verdeckt. Spätestens mit dem Unterzeichnen eines Major Deals fängt die Ehrlichkeit an zu bröckeln, anfänglich idealistische und durchaus zu honorierende Haltungen weichen dem Erfolgsdruck. Glaubwürdigkeit als Popkünstler entspringt oft auch der eigenen Herkunft, ein Rapper aus einer wohlbehüteten Familie hätte weniger ›Street Credibility‹ als der selbe Künstler aus einem ›szenegerechten‹ Umfeld.

Fazit Die Ansichten dieser Diskussionsrunde bilden einen kleinen Ausschnitt der Tontechniker- und Produzentenperspektive in Mitteleuropa. Andere Ansichten würden sicherlich aus anderen Kontinenten mir ihren eigenen Arbeitsweisen und Haltung kommen. Was sich festhalten lässt, sind Tendenzen: Popmusikhörer sind individuelle Hörergruppen mit stilistischen Ausprägungen und mit einem starken Bezug zum Medium. Sie hören vorwiegend emotional und suchen die Identifikation mit ihren Idolen. Popmusik ist Sound und Groove, andere musikalische Elemente sind beim ersten Hören sekundär. Ob der Pophörer aufgeklärt werden will, wissen wir nicht genau. Ein Pophörer, der ›seine‹ Musik vornehmlich im Hintergrund hört ist nicht zwangsläufig unkritisch, aus einem emotionalen Hörer kann ein analytischer werden. Produzenten und Tontechniker befinden sich in einer schwierigen Lage, wenn es darum geht, Authentizität mit Kommerz zu vereinen. Sie schätzen das Vorhandensein von handwerklichem Können und Ausdruck, mit dem sich dieses Spagat eher bewerkstelligen lässt. Der ›magische Moment‹ im Studio hat nicht an Wichtigkeit verloren. Je besser die Vorbereitung, desto effektiver die Arbeit im Studio und desto besser das Ergebnis. Die Produktion muss zum Künstler passen und heiligt dementsprechend auch die Mittel. Tontechniker suchen Charakter und Identität in den Künstlern, mit denen sie zusammenarbeiten. Nur so können individuelle und ausdrucksstarke Produktionen entstehen.

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5.2 D IE P RODUZENTEN - UND TONTECHNIKERBEFR AGUNG Bernhard Weber Vor dem Hintergrund einer ästhetischen Diskussion digitaler Schnitttechniken, erscheint es den Herausgebern und Autoren dieser Publikationen notwendig und sinnvoll, auch die Positionen der Produzenten zu berücksichtigen. Dies geschah über zwei verschiedene Wege. Am 16. September 2009 fand in den Räumen der Swiss Jazz School Bern (Eigerplatz 5a) eine Diskussionsrunde mit Schweizer Produzenten und Tontechnikern2 statt (siehe Zusammenfassung). Darüber hinaus wurden weitere Informationen und Standpunkte über einen Fragebogen eingeholt. Folgende Aspekte waren Gegenstand der Befragung: • • • • •

Sozialstatistische Daten Ausbildung Produktionssysteme und -praxis Analoge und digitalen Schnitttechniken Auswirkungen dieser unterschiedlichen Schnitttechniken auf den Produktionsprozess

Während die Befragungen der Popmusikhörer zur Rezeption digitaler Schnittmuster zu festen Terminen in vororganisierten Gruppen stattfanden, erfolgte die Produzenten-Tontechnikerstudie im Rahmen einer Online-Befragung mit einer verhältnismäßig geringen Rücklaufquote. Von den insgesamt 150 angeschriebenen Produzenten gab es einen Rücklauf von achtzehn Bögen, von denen lediglich fünfzehn für die Auswertung verwendet werden konnten. Insofern dürfen von den Ergebnissen der Befragung keinesfalls repräsentativen Aussagen abgeleitet werden. Allerdings wurden viele Ergebnisse der Befragung in durch die abgegebenen Statements der Diskussionsrunde bestätigt. Über die Ursache der spärlichen Resonanz kann nur spekuliert werden. Sicherlich dürften ein in diesem Arbeitsfeld hoher Zeitdruck sowie ein dadurch verursachtes Desinteresse eine nicht geringfügige Rolle spielen. 2 | In der alltäglichen Studioarbeit sind sowohl Produzenten als auch Studiotechniker in den Umgang mit digitalen Schnitttechniken involviert. Aus sprachlichen Gründen wird in diesem Kapitel der Begriff ›Produzent‹ verwendet.

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Sozialstatistische Daten Das durchschnittliche Alter der Produzenten und Tontechniker ist in den ausgewerteten Fragebögen bei 46 Jahren. Die Alterspanne liegt zwischen vierunddreißig und sechsundfünfzig. Damit handelt es sich mehrheitlich um einen Personenkreis, der sowohl als Hörer wie auch als Produzent mit analoger und digitaler Audiotechnik in Berührung kam. Zugleich entstammen die befragten Produzenten einer anderen Generation als die untersuchten Popmusikhörer. Die Produktionsarbeit im Studio ist nach wie vor eine nahezu reine Männerdomäne, denn nur eine der an der Erhebung beteiligten Personen war weiblich. Trotz der inzwischen zahlreichen Ausbildungsangeboten verfügt nur ein Produzent der Gruppe über einen berufsspezifischen Abschluss. Alle anderen haben sich ihre Kenntnisse und Fertigkeiten autodidaktisch angeeignet. Aufgrund der inzwischen zahlreichen Ausbildungsangebote auf diesem Sektor, hängt dieses Ergebnis sicherlich mit der Alterstruktur der Befragten zusammen. Über die Hälfte der Produzenten und Tontechniker beschäftigen sich mehr als 20 Stunden pro Woche mit Musikproduktion. Die Angaben der restlichen Produzenten bewegen sich mehrheitlich zwischen 10 und 20 Stunden. Im Rahmen der Erhebung wurde auch die studiotechnische Ausrüstung ermittelt: • Pyramix, Mackie, Cubase, Logic/Emagic, Pro Tools, Steinberg, Magix Samplitude 10 Pro, Samplitude Restauration Suite, Ableton live, Digital Performer, C-Lab, WaveLab • DMaxis Studer, Celemony Melodyne, Reason, Groove Agent, Steinberg, Nuendo, IK Multimedia Sampletank, Tascam und Native Instruments B4 Die meisten Produzenten arbeiten mit Logic (8 Nennungen) und Pro Tools (6 Nennungen). Einige stiegen bereits vor 20 Jahren in die digitale Produktionstechnik ein, der überwiegende Teil erst gegen Ende der 1990er Jahre.

Analoge Produktion Populärer Musik Alle befragten Produzenten verfügen über langjährige Erfahrungen mit analogen Studio- und Produktionstechniken, die im Durchschnitt bei 11,3

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Jahren liegen. Die höchsten Werte liegen bei 20 Jahren. Mehrheitlich wurde von der Mitte bis zum Ende der 1990er Jahre von analogen auf digitale Produktionsverfahren umgestellt. Insofern basieren die nachfolgenden Aussagen auf einem langjährigen und professionellen Erfahrungshintergrund. Als wesentliche Vorteile analoger Produktionstechniken, gegenüber digitalen, wurden mit 46 % der Klang und mit 27 % der relativ überschaubare Produktionsprozess (26,7 %) genannt. Die essentiellen Nachteile gegenüber einer digitalen Produktion sehen die Befragten im verhältnismäßig geringen Bedienungskomfort (40 %), in den in rein physikalischen und damit reduzierten Speichermöglichkeiten (40 %) sowie in einem geringeren Produktionstempo. Qualitative Aussagen aus den ausgewerteten Fragebögen: Vorteile: Klangqualität, höhere Konzentration der Musiker, übersichtliche Technologie, Entscheidungen müssen früher gemacht werden Nachteile: Langsamer, keine 1:1 Backup-Möglichkeit, beschränkte und zeitaufwändige Korrekturen, keine graphische Unterstützung, Ungenauigkeit der Schnitte, Starrheit des Systems, Spurenzahl beschränkt Außerdem wurden die Teilnehmer in diesem Zusammenhang befragt, wie sie den Übergang von digital zu analog erlebt haben. Die Antworten lassen sich im Wesentlichen zwei gegensätzlichen Kategorien zuordnen. Kategorie A: Arbeitsökonomische und -technische Vorteile: große Erleichterung (Mehrfachnennung), Zeitersparnis (Mehrfachnennung), neue Produktionsweisen eröffnet (Mehrfachnennung), Flexibilitätsgewinn, bequemer, effektiver, alle Träume [gehen] in Erfüllung. Kategorie B: musikalisches Gehör eher negativ, die Leute verlassen sich nicht mehr auf ihr Gehör, eher negativ, die Leute habe nicht mehr ihre Ohren verwendet.

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Digitale Produktionstechniken in der Populären Musik In einem engem Zusammenhang mit der Feldstudie über die Verwendung digitaler Schnitttechniken in der aktuellen Produktionspraxis (siehe Kapitel 1) stand die Frage, welche Schnitttechniken den Produzenten bekannt sind und in welcher Funktion diese eingesetzt werden. • • • • • • •

Kompilieren Timingkorrektur Copy & Paste Harte Schnitte Geräusche entfernen Fade in und fade out Crossfade

Die Produzenten setzten Schnitttechniken in erster Linie sehr ergebnisorientiert ein, Bezeichnungen sind für sie sekundär. Gleichzeitig decken sich viele der Techniken mit denen, die in der Feldstudie gefunden wurden, wobei sich die dort gefundenen Formen digitaler Schnitte an den Endergebnissen orientieren und den eigentlichen Produktionsweg nicht berücksichtigen. Im weiteren Verlauf der Studie sollten die Produzenten die Vorzüge digitaler Produktionstechniken benennen. Abbildung 5.1: Die Vorteile digitaler Produktionstechnik

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Für die Mehrzahl der Produzenten und Tontechniker liegen die Vorteile des digitalen Schnitts nicht primär auf einer musikalischen, sondern auf einer technischen und arbeitsökonomischen Ebene. Dieser Trend zeigt sich auch in den qualitativen Aussagen über die Veränderungen in der Populären Musik seit der Einführung digitaler Produktionstechniken (siehe Kapitel 1). Ein weiterer und häufig genannter Vorteil ist die Möglichkeit, das ›Audiofenster‹ des Sequenzers als visuelle ›Hilfe‹ (›das Auge schneidert mit‹) einzusetzen. Das Audiofenster dient als Kontrollinstrument, das in vielen Fällen wesentlich präziser arbeitet als eine rein auditive Kontrolle. Der produktionstechnische Einsatz digitaler Schnitttechniken ist auch mit deutlichen Nachteilen verbunden. Abbildung 5.2: Nachteile digitaler Schnitttechniken

Die Befragung bestätigt eine negative Einschätzung, die auch in der Diskussionsrunde mit den Produzenten und Tontechniker mehrfach zum Ausdruck kommt. Mit der Einführung digitaler Schnitttechniken ist eine offenkundige Abnahme der musikalischen Kompetenzen der Instrumentalisten sowie der Sängerinnen und Sänger zu beobachten. Das Wissen um die Möglichkeiten von Fehlerkorrekturen durch den Einsatz digitaler Schnittverfahren beeinflusst nach der mehrheitlichen Meinung der Befragten überdies die Einstellung der Interpreten. Nur in einer Antwort wurde diesbezüglich zwischen ›Amateuren‹ und ›Profis‹ differenziert. Viele musikalische Unzulänglichkeiten, wie etwa Intonationsprobleme, können mit den Möglichkeiten digitaler Produktionstechniken korrigiert

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werden. Damit eng verbunden ist die Entwicklung neuer Produktionsstrategien. Beispielsweise werden von einem Interpreten zehn verschiedene Takes aufgenommen, aus denen anschließend die qualitativ besten Abschnitte herausgeschnitten und in einem relativ aufwändigen Editionsprozess zu einem musikalisch und klangästhetisch optimierten Produkt kompiliert werden. In Zusammenhang mit der Feldstudie über die Prototypen digitaler Schnittmuster sowie den Untersuchungen zu deren Wahrnehmung und Bewertung wurden die Produzenten nach möglichen Schnittfehlern befragt. Abbildung 5.3: Mögliche Fehler beim digitalen Schnitt

Die häufigsten Fehler sind für die im musikalischen Bereich angesiedelt. Dabei sind die Kategorien ›unmusikalische Schnittlänge‹ und ›musikalische Qualitätsabnahme‹ als eine Einheit zu sehen. Auch die weiteren gefundenen Kategorien berühren in gewisser Hinsicht den musikalischästhetischen Aspekt. Der Umkehrschluss bestätigt wiederum die primäre Funktion digitaler Schnittverfahren. In erster Linie werden diese Verfahren nicht kreativ, sondern, in einem ökonomischen Sinne, ergebnisorientiert eingesetzt. Dieses Meinungsbild wurde durch die Antworten auf die Frage nach den Funktionen digitaler Schnitte bestätigt.

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Abbildung 5.4: Funktionen digitaler Schnitte

Digitale Schnitttechniken dienen in erster Linie als klangästhetisches Gestaltungsmittel. Sie sind dazu da, das Produkt ›Song‹ stilistisch und marktorientiert zu gestalten um Gewinne zu erzielen. Auch die weiteren angegebenen Funktionen ›Fehlerkorrektur‹, ›Kostensenkung‹ und ›Zeitersparnis‹ dienen in letzter Konsequenz wirtschaftlichen Interessen. Diese rein ökonomische Ausrichtung provoziert die Frage nach dem Stellenwert berufsethischer Prinzipien. Zu der Frage nach einem persönlichen Berufsethos gab es folgende Aussagen: »[…] zu viele Fehlerkorrekturen, hängt sehr vom Produkt ab, Schnitte dürfen den künstlerischen Ausdruck nicht einschränken, Tracks dürfen nicht künstlich klingen (z.B. Wegschneiden des Atmens bei einer Sprecheraufnahme), hängt sehr vom Korsett, Stimme ab, wer nicht mindestens einen Part (Vers, Refrain, Solo) am Stück fehlerfrei einspielen kann, geht zuerst üben, am Schluss zählt nur die Musik alles andere ist egal […]«

Das Resümee der Produzenten (Frage 15) Abschließend wurden die Produzenten befragt, in welcher Form sich die Popmusik durch die Einführung digitaler Schnitttechniken verändert hat. Die gegebenen Antworten betrafen erstens die Qualität und zweitens die Ästhetik aktueller Pop-Produktionen. Qualitative Standpunkte zu digital produzierter Popmusik: »Es wird zu stark auf die technischen Möglichkeiten geachtet, anstatt dass man zuerst mal einen guten Song schreibt und diesen auch sauber spielen kann.«

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»Durch den massiven Einsatz von Sampling, Recycling und Audiobearbeitung speziell im Gesangsbereich, entstehen Gesangstracks, die bezüglich der Atemtechnik gar nicht so gesungen werden können.« »Falsche Intonation ist dank Korrektursoftware nicht mehr toleriert. (Alle haben somit eine perfekte Intonation).« »Gute Musik bleibt gute Musik, egal wie sie produziert worden ist. Schlechte Musik wird auch nicht besser, wenn Sie fehlerfrei ist. Außerdem kommt dabei niemand zu Schaden, schließlich war die Musik ja so wie sie sich dann geschnitten anhört zumindest im Kopf des Produzenten, meistens aber auch in demjenigen des Interpreten, der halt oft seine Vorstellungen nicht wirklich umsetzen kann – aber who cares??? Wenn er’s live nicht bringt, ist eh‘ bald weg vom Fester. Zum Glück sind inzwischen auch wieder Tendenzen in die andere Richtung zu erkennen (rein akustische Produktionen, richtige Bands).« »Produktionen gehen mehr ins Detail. Die Qualität der Künstler nimmt eher ab, weil vieles im Studio gerettet werden kann. Mit relativ wenig Mitteln können auch zu Hause gute Resultate entstehen.« »Kreativer Sound« »Die Darstellung einer virtuellen Realität ist gewachsen.«

Aussagen zur Ästhetik digital produzierter Musik: »Divergenz zwischen CD-Produktion und Live-Sound. Es ist oft kaum möglich den CD-Sound auf die Bühne zu bringen.« »Es entstanden neue Stile, die mit analoger Technologie nicht entstanden wären: House, Techno, Lounge und Big Beat.«

Fazit: Produzenten Aus der Onlinebefragung der Produzenten und Tontechniker lässt sich unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus dem Diskussionsforum folgendes Fazit ziehen:

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• Der Übergang von analogen zu digitalen Produktionstechniken wird von den meisten Befragten als Vorteil gesehen. Der arbeitstechnischen Nutzen digitaler Technik überwiegt gegenüber den klanglichen Vorzügen analoger Produktionen. • Digitale Schnitttechniken werden hauptsächlich zur Produktoptimierung eingesetzt, welche im Wesentlichen ökonomisch motiviert ist. • Der Einsatz digitaler Schnitttechniken führt zu neuen Produktionsstrategien, die einen Popsong auf einer strukturellen Ebene als ein warenästhetisch motiviertes Konstrukt von geklonten und kompilierten Versatzstücken darstellen. • Gleichzeitig wirken sich die Möglichkeiten dieser Techniken tendenziell negativ auf die musikalischen Kompetenzen der Interpreten aus. • In letzter Konsequenz führt der Einsatz digitaler Technologien zu einem zunehmenden Auseinanderdriften zweier ästhetischer Sphären, die der Studioproduktion und die der Live-Performance.

6. Die Popmusikhörer Bernhard Weber

In der nachfolgenden Pilotstudie wird die Wahrnehmung und Bewertung digitaler Schnittmuster durch Popmusikhörer auf der Basis einer empirischen Erhebung untersucht. Den Ausgangspunkt der Studie bilden wahrnehmungstheoretische Überlegungen sowie Untersuchungen zur Praxis des digitalen Schnittes in aktuellen Produktionen Populärer Musik.

6.1 E INFÜHRUNG Untersuchungen zur Wahrnehmung visueller und auditiver Muster haben in der musikpsychologischen Rezeptionsforschung eine verhältnismäßig lange Tradition. Erste wissenschaftliche Grundlagen der Mustererkennung wurden bereits in den Anfängen der Gestalttheorie gelegt. Im Gegensatz zu den Forschungsaktivitäten im visuellen Bereich konzentrierten sich die Untersuchungen der Psychoakustik um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts weitgehend auf relativ einfache und isolierte Wahrnehmungsphänomene. Die in den letzten Jahrzehnten zu verzeichnende Zurückhaltung, komplizierte Verarbeitungsformen zu untersuchen, führt Deutsch auf die technische Schwierigkeit zurück, komplexe auditive Muster zu Forschungszwecken präzise zu produzieren und auf ein mangelndes Bewusstsein vieler Forscher für solche akustischen Phänomene.1 In diesem Zusammenhang muss zudem mitberücksichtigt werden, dass insbesondere bei komplexen Mustern verschiedene physikalische Variablen (Intensität, Frequenz, Wellenform und Dauer) mit psychologischen Variablen (Lautstärke, Tonhöhe und Klangfarbe) in einer

1 | Vgl. Deutsch 1994, S. 340.

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noch nicht endgültig geklärten Wechselwirkung stehen2 . Dies erschwert die Untersuchung solcher Muster grundlegend. Gleichzeitig unterscheidet sich die Wahrnehmung visueller Muster von der Wahrnehmung auditiver grundsätzlich. Die Forschungsbefunde aus den verschiedenen Wahrnehmungsformen sind somit nicht übertragbar. Publikationen zur Rezeption Populärer Musik sind in aller Regel im soziologischen, kultur- oder medienwissenschaftlichen Umfeld angesiedelt. Studien, die sich speziell mit der strukturellen Wahrnehmung dieser Musik beschäftigen, gibt es kaum. Zwar werden digitale Schnittmuster mittlerweile in der Popularmusikforschung thematisiert3, allerdings sucht man vergeblich nach empirischen Befunden, die sich speziell auf deren makrostrukturelle Wahrnehmung beziehen. Wie bereits Deutsch betont, konzentrieren sich viele Untersuchungen, vermutlich auch aus forschungstechnischen Gründen, auf überschaubare akustische Phänomene. Musikstilistische und produktionstechnische Kontexte, insbesondere bei Populärer Musik, bleiben weitgehend unberücksichtigt. Hier mangelt es der musikpsychologischen Rezeptionsforschung bis dato an aussagefähigen empirischen Befunden. Diese Lücke soll mit den nachfolgenden Untersuchungen zumindest teilweise geschlossen werden. Die zentrale und grundsätzliche Fragestellung dieser explorativ angelegten Studie lautet:

Wie werden digitale Schnittmuster populärer Musik wahrgenommen und bewertet? Im Gegensatz zu vielen bisherigen Forschungsaktivitäten bilden der Ausgangspunkt, die Fragestellung und der Kontext der Untersuchungen keine isolierte wahrnehmungspsychologische Fragestellung, sondern vielmehr eine popularmusikalische, ästhetische sowie produktionstechnische. Die Autoren dieser Studie sind sich dieser Problematik durchaus bewusst und betonen deshalb den grundlegenden Pilotcharakter dieses Projektes. Digitale Schnittmuster lassen sich aufgrund ihrer komplexen akustischen Beschaffenheit nur in sehr begrenzter Form nach den strengen Maßstäben empirischer Forschung untersuchen.4 Unschärfen in den Ergebnissen

2 | Vgl. Hall 1997, 402. 3 | Vgl. Elflein 2006. 4 | Vgl. Bortz & Döring 2006.

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sind deshalb voraussehbar und liegen im Forschungsgegenstand selbst begründet und relativieren somit einen allgemeingültigen Anspruch.

6.2 W AHRNEHMUNGSTHEORE TISCHE G RUNDL AGEN Den theoretischen Ausgangspunkt und die wissenschaftliche Grundlage der empirischen Studie bilden wahrnehmungstheoretische Forschungsbefunde. »Gäbe es kein Gedächtnis, so gäbe es keine Musik.« 5

Musik ist eine Zeitkunst. Sie existiert nur, wenn Verklungenes mit aktuell Klingendem in Beziehung gebracht wird. Die eingängige Hookline eines Popsongs oder das einprägsames Riff eines Rockstückes kann nur wieder erkannt werden, wenn dessen melodisch-rhythmische Struktur bereits im Gedächtnis gespeichert ist. Musik und Gedächtnis sind somit eng miteinander verknüpft. Wahrnehmungsprozesse und Gedächtnisprozesse stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang. Musikalische Erfahrung und die damit verbundenen Gedächtnisinhalte bilden den ›Schlüssel‹ zum Wahrnehmen und Verstehen von Musik. Vor diesem Hintergrund sind digitale Schnittmuster klangliche Strukturen, deren Wahrnehmung und Bewertung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den musikalischen Erfahrungen des Rezipienten stehen. Die Musikpsychologie hält zahlreiche Theorien bereit, um Wahrnehmungsprozesse umfassend und differenziert zu beschreiben. Kognitiv orientierte Modelle der Informationsverarbeitung erklären die Prozesse physiologischer Reizverarbeitung modellhaft als eine Interaktion zwischen verschiedenen Modulen.

5 | Spitzer 2003, S. 115.

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Abbildung 6.1: Modell kognitiver Informationsverarbeitung, entnommen aus: Weber 2002, S. 9

Im sensorischen Bereich werden akustische Informationen in Form von physikalischen Reizen in der Cochlea (Schnecke im Innenohr) in elektronische Nervenimpulse umgewandelt und an den kognitiven Bereich (Kortex) weitergeleitet. Bereits an dieser Stelle werden die Reize einer ersten Verarbeitung unterzogen, indem sie bezüglich Frequenz, Intensität und Lokalität analysiert, frequenzbezogen gefiltert (vgl. menschliches Hörfeld) und selektiert werden. Die eigentliche Reizverarbeitung ist ein zyklisch angelegter Prozess (»top-down und bottom up«) zwischen dem sensorischen und kognitiven Bereich. Nach dem Modell der »Analyse-durch-Synthese«6, reduziert sich 6 | Vgl. Neisser 1974.

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das Erkennen akustischer Stimuli nicht auf eine reine Analyse, sondern ist ein aktiver Prozess der ›figuralen Synthese‹. Die Reize werden hier in einem zweiten Schritt auf der Grundlage bereits repräsentierter Gedächtnisinhalte zu komplexeren Gebilden zusammenfügt. Vielfach wird die kognitive Verarbeitung akustischer Stimuli als ein Musterabgleich (pattern-matching) zwischen bereits vorhandenen Repräsentationen und aktuell wahrgenommenen Mustern beschrieben. Obwohl diese Theorie teilweise als überholt gilt und durch das Modell semantischer Netze abgelöst wurde, stellt die Idee von im Gedächtnis repräsentierten Prototypen für die nachfolgenden Untersuchungen ein nützliches Konzept dar7. Demzufolge werden reizgeleitete Informationen auf der Grundlage von bereits inventarisiertem Wissen in Form von Prototypen interpretiert. Solche Prototypen entstehen über eine Abstrahierung von Eigenschaften, welche auf der Grundlage von (musikalischen) Erfahrungen gebildet werden. Die erste gedankliche Verarbeitung, die beim Musikhören stattfindet, scheint ein grobes Durchmustern der akustischen Reize zu sein, und zwar nach den Gesichtspunkten, woher sie kommen und ob sie untereinander Ähnlichkeiten aufweisen. Diese Analyse ergänzt dann eine Synthese, die zu Gruppierungen führt. Noch vor diesen analysierenden und synthetisierenden Denkprozessen muß ein schnell vorübergehendes, noch weitgehendes passives Gedächtnis angenommen werden. 8

Der Kognitionspsychologe Neisser beschreibt 1979die Verarbeitung auditiver Reize als einen zyklisch angelegten Prozess. Abbildung 6.2: Wahrnehmungszyklus, nach: Neisser 1979, S. 27

7 | Vgl. de la Motte-Haber 2005, 63. 8 | De la Motte-Haber 1996, 102f.

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Die im Wissensbereich abgelegten Informationen steuern als antizipierende Schemata9 die Auswahl und die Erkundung neuer akustischer Stimuli, zugleich werden Hypothesen über die neuen Reize erstellt. Das Ergebnis dieser Erkundung verändert das ursprüngliche Schema, das bei einem erneuten Zyklus die Wahrnehmung leitet. Das Wahrnehmen und Erkennen eines Reizes ist somit eine kognitive Leistung, durch die der akustische Reiz erst auf der Basis von bereits vorhandenem Wissen eine Bedeutung erlangt und dadurch verstanden wird. »Erkennen heißt, den physikalischen Reizen eine Bedeutung geben.«10 Insofern kommt dem produktiven und rezeptiven Umgang mit Musik im Hinblick auf die Ausbildung differenzierter rezeptiver Fähigkeiten eine grundlegende Bedeutung zu. Für die nachfolgende Studie sind folgende musikalische Erfahrungsfelder von besonderer Relevanz: • Hörpraxis (musikalische Präferenzen sowie Qualität und Quantität der Musikrezeption) • Musikpraxis (Singen und Musizieren) • Produktionspraxis (praktischer Umgang mit Studiotechnologien) Neben den im Gedächtnis abgespeicherten Vorerfahrungen werden Wahrnehmungsprozesse durch eine Reihe weiterer situativer und subjektiver Einflussfaktoren, wie etwa Motivation, emotionale Disposition oder Erwartungshaltungen, bestimmt. Im Kontext der Studie ist vor allem der Einfluss von explizitem bzw. deklarativem Wissen von Bedeutung. Als explizit werden Wissensinhalte beschrieben, über die ein Mensch in Form von Faktenwissen wissentlich verfügt und die er sprachlich artikulieren kann. Dieses Wissen wird den Probanden im Rahmen einer Instruktion vermittelt. Gleichzeitig erfolgt eine semantische Kodierung der verschiedenen Schnittmuster, d.h. die akustisch präsentierten Muster werden fachsprachlich auf den Begriff gebracht (siehe Kapitel 1). Aus gedächtnispsychologi-

9 | ›Schema‹ ist in der Kognitionspsychologie die kleinste Einheit, auf der menschliches (und weitgehend auch tierisches) Verhalten aufbaut. Es ist entweder angeboren (Reflex) oder aufgrund vorangegangener Erfahrungen erworben. »Ein Schema ist ein Verhaltens- oder Orientierungsmuster mit wenigen hervorstechenden Merkmalen« (Oerter 1974). 10 | Oerter 1974, S. 18.

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scher Sicht fördert eine Mehrfachkodierung das Wiedererkennen physiologischer Reizmuster (siehe unten).

6.2.1 Musikalisches Gedächtnis Zur Beschreibung von Gedächtnisprozessen steht eine ganze Reihe von Theorien und Modellen zur Verfügung. Neben neurobiologischen und semantischen Modellen sind seit geraumer Zeit zwei konkurrierende Grundmodelle11 sehr populär. Ein zeitlich orientiertes ›Mehrspeichermodell‹ beschreibt den Ablauf von Gedächtnisprozessen über die drei Speichermodule ›sensorisches Gedächtnis‹, ›Kurzzeitgedächtnis‹ (auch Arbeitsgedächtnis) und ›Langzeitgedächtnis‹. Das zweite inhaltlich ausgerichtete Modell kategorisiert die Gedächtnisinhalte in ›deklaratives‹ und ›prozedurales‹ Wissen. Im sensorischen Gedächtnis werden die Sinneseindrücke für den Bruchteil einer Sekunde (250 bis 500msec) reiznah abgebildet. Der Reiz enthält somit ein nahezu detailgetreues Abbild der vorangegangenen Wahrnehmung. Gleichzeitig klingt das Reizmuster noch nach, der Hörer kann sich das Muster noch einmal mental vergegenwärtigen. Wird die Information allerdings nicht weiterverarbeitet, verschwindet sie. Bereits an dieser Stelle erfolgt eine erste Selektion und Kategorisierung der Reize auf der Grundlage bereits abgespeicherter Gedächtnisinhalte. Die Aufmerksamkeit wird auf bestimmte Merkmale ausgerichtet und vermutlich werden erste stilistische Zuordnungen vorgenommen12 . Im kurzzeitigen Gedächtnis verweilen die Inhalte ebenfalls reizanalog für einige Sekunden. Seiner Funktion nach wird es auch als ›Arbeitsgedächtnis‹ bezeichnet, da dort nur solches Wissen zur Verfügung steht, das gerade verarbeitet wird. Durch Wiederholung und aktive Bearbeitung bleiben die Informationen in diesem Speichermodul präsent. Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Kodierung der Informationen. Zweifache oder mehrfache Kodierungen (semantisch, bildhaft oder handlungsbezogen) wirken sich positiv auf die Behaltensleistungen aus und sind dafür verantwortlich, dass die Inhalte dauerhaft im Langzeitgedächt11 | Da beide Modelle sehr bekannt sind, werden im Folgenden nur diejenigen Aspekte aufgeführt, die für die Wahrnehmung und Bewertung digitaler Schnittmuster von Relevanz sind. 12 | Vgl. de la Motte-Haber 1996, S. 458.

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nis gespeichert bleiben. Die Speicherkapazität des Arbeitsgedächtnisses beschränkt sich nach Miller (1956) auf 7+/-2 Einheiten. Durch ›Chunking‹ oder durch ›Clustering‹, das heißt durch Bildung größerer Einheiten, kann die Kapazität deutlich erhöht werden. Ein für die Gedächtnisleistung wichtiges Phänomen des Arbeitsspeichers ist der der sogenannte ›Primacy-Recency-Effekt‹. Der Anfang und das Ende einer Reizstruktur werden in der Wahrnehmung stärker gewichtet und somit besser behalten als die Strukturen dazwischen.13 Das Langzeitgedächtnis verfügt über eine sehr große Kapazität. Die dort gespeicherten Inhalte stehen hier dauerhaft zur Verfügung. Der Abruf (Dekodierung) von Informationen steht dabei in einem engen Zusammenhang mit der ursprünglichen Verarbeitung (Kodierung). Wichtige Faktoren sind hierbei die Verarbeitungstiefe (Qualität der aktiven Verarbeitung) sowie der Aufbau multipler Repräsentationen (Mehrfachkodierung).

6.2.2 Wahrnehmen und Kategorisieren Zur besseren Verarbeitung werden akustische Reize kategorisiert. Für den Kognitionspsychologen Jerome S. Bruner wird die menschliche Wahrnehmung durch zwei Eigenschaften bestimmt. Sie ist erstens kategorisch, da Wahrnehmungsprozesse stets von Kategorisierungsvorgängen begleitet werden. Sie ist zweitens hypothetisch, da durch erfahrungsbezogene Abstrahierungen Hypothesen ausgebildet werden.14 Neue Reize werden zunächst nach dem Prinzip von ›gleich‹ (äquivalent) und ›verschieden‹ (nicht äquivalent) charakterisiert. Äquivalenzen entstehen ebenfalls durch Abstrahierungsvorgänge, in denen gemeinsame Eigenschaften eines Reizmusters hervorgehoben werden und andere unberücksichtigt bleiben. Eine ›Kategorie‹ ist für Bruner eine Ansammlung von Regeln, die durch vier Aspekte näher charakterisiert wird: spezifische Merkmale (›kritische Attribute‹), Kombination der Merkmale, die Gewichtung der Eigenschaften sowie die subjektiv und konventionell bestimmten Akzeptanzgrenzen der Attribute. Neue Informationen werden entweder in bereits bestehende Konzepte eingebunden oder bilden neue. Diese entstehen dann, wenn bezüglich spezifischer Eigenschaften eines Objektes Hypothesen aufgestellt 13 | Vgl. Atkinson, R.C. & Shiffrin, R.M. 1968. 14 | Vgl. Bruner 1971.

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werden und ggf. bestätigt werden. Der eigentliche Kategorisierungsprozess bzw. die Hypothesenbildung verläuft in vier Phasen. In der ersten Phase der ›primitiven‹ Kategorisierung richtet sich die Aufmerksamkeit direkt auf den isolierten Reiz. Die zweite Phase besteht aus der Suche nach Hinweisreizen (cue search). Die Suche nach weiteren, betätigenden Hinweisreizen (confirmation check) erfolgt in der dritten Phase. Mit der eigentlichen Bestätigung (confirmation completation) in Phase vier ist die Kategorisierung abgeschlossen.15 Auch in der alltäglichen Studioroutine werden für digitale Schnittmuster Kategorien entwickelt. Diese Prozesse verlaufen nach den oben beschriebenen Regeln zumeist unbewusst ab und müssen nicht zwangsläufig zu einer sprachlichen Kodierung, d.h. zu einer begrifflichen und allgemein gültigen Definition führen. Diesem induktiven Verfahren steht die formale Instruktion als deduktiver Vorgang gegenüber. Semantisch kodierte Schnittmuster werden über Hörbeispiele und sprachlichen Erläuterungen einer Lerngruppe präsentiert. Diese konträren Lernformen könnten möglicherweise zu unterschiedlichen Wahrnehmungsstrategien führen. Ein für dieses Untersuchungen wichtiges Phänomen ist das der ›Maskierung‹ (auch Verdeckung genannt). Der Effekt bewirkt, dass in einem Klang oder einem Geräusch bestimmte Frequenzen nicht oder nur in einem geringen Maß wahrgenommen werden können. Bei sehr lauten Bässen sind wir beispielsweise nicht in der Lage, leise Töne im mittleren Frequenzspektrum wahrzunehmen. Aktuell wird dieser Effekt bei der Komprimierung von Audiodaten (z.B. MP3) systematisch eingesetzt, um Frequenzspektren, die aufgrund dieses Phänomens nicht hörbar sind, herauszufiltern. Bei Maskierungseffekten in einem erweiterten Sinne werden leise Geräusche von lauten verdeckt. Beispielsweise können Lautsprecherdurchsagen an Bahnhöfen bei einfahrenden Zügen nur schwer verstanden werden.16

15 | Vgl. Bruner 1971. 16 | Vgl. Fricke 2005, S. 113ff.

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6.3 B ISHERIGE U NTERSUCHUNGEN Im musikalischen und produktionstechnischen Kontext der Studie sind die nachfolgenden Untersuchungen im Wesentlichen auf die makrostrukturelle Ebene der Schnittmuster ausgerichtet. Folglich sind für die Entwicklung eines Testdesigns besonders Forschungsarbeiten von Interesse, die ebenso diese Reizebene im Fokus haben. In einer Studie »zur hypothesengeleiteten Wahrnehmung«17 gingen Behne und Barkowsky 1992 der Frage nach, inwieweit Hörer in der Lage sind, den Unterschied zwischen analogen und digitalen Aufnahmen zu erkennen. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, »daß die meisten Versuchspersonen den Unterschied zwischen analoger und digitaler Klangwiedergabe überhaupt nicht hören können.«18 Allerdings gestaltet sich die Fragestellung des Projektes ›Inside The Cut‹ komplexer. Während in der Studie von Behne und Barkowsky die Hörer zwei unterschiedliche Klangkategorien (digital und analog) identifizieren mussten, kommen in Praxis der Musikproduktion mannigfaltige Schnittverfahren zum Einsatz, deren auditive Muster bzw. makrostrukturelle Ausprägung sich dem Hörer in unterschiedlicher Deutlichkeit erschließen. Die Digitalisierung der Musikproduktion und die anschließende Entwicklung von psychoakustisch fundierten Verfahren zur Komprimierung von Musikdateien zu Beginn der 1990er Jahren führten zur grundsätzlichen Frage, ob und inwieweit die akustischen Unterschiede zwischen komprimierten und unkomprimierten Daten für den Hörer überhaupt wahrnehmbar sind. Das Computer Magazin c’t führte in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von Hörtests durch. In einem ersten Test im Jahre 2000 sollten Experten (Künstler, Lautsprecherentwickler etc.) in einem direkten A/B-Vergleich mögliche Unterschiede zwischen MP3 (mit Kodierungen von 128 kBit/s und 256 k/Bit/s) und CD (WAV-Format) heraushören und beschreiben. Den Probanden wurden repräsentative Titel aus den Genres Klassik, Jazz und Pop unter Laborbedingungen über eine Hi-End-Anlage vorgespielt. Be17 | Zudem geht es in dieser Studie um den Versuch, eine sozialpsychologische Hypothesentheorie auf die Musikrezeption zu übertragen. 18 | Behne/Barkowski 1992, 308.

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reits bei einer Qualitätsstufe von 128kBit/s lag die Treffsicherheit innerhalb der Probandengruppe bei maximal 50 % und somit im Bereich des Zufälligen. Ein unter nahezu gleichen Bedingungen durchgeführter Test mit zufällig ausgewählten Kunden eines Geschäftes mit High-End-Produkten zeigte ähnliche Ergebnisse. Bei den Musikbeispielen mit einer Kodierung von 256 k/Bits lagen die Resultate leicht über dem Zufall. Die Unterschiede zwischen beiden Datenformaten wurden hauptsächlich an komplexen und impulshaltigen Signalen (z.B. Applaus) erkannt. Umschaltpausen von einigen Sekunden hatten einen negativen Einfluss auf die Trefferquote. Aus dem Testergebnis zieht der Autor Carsten Meyer folgendes Fazit: Kein ›Fachhörer‹ konnte auf Anhieb und ohne direkten Vergleich eine MP3-Quelle als solche identifizieren oder lehnte sie gar wegen gravierender Fehler ab. Erst mit Wissen der Herkunft offenbarten sich dem einen oder anderen kritischen Ohr marginale Fehler in der Reproduktion; dabei waren jüngere Hörer treffsicherer.19

Ein Folgetest richtete sich an zwölf nach Qualität der Hörerfahrung und Zufall ausgewählte Leser des Computermagazins. Den Probanden wurden 17 x 4 ausgewählte Passagen in drei unterschiedlichen Datenformaten aus ›anspruchsvollen‹ Musikstücken mit einer Länge von einer Minute wiederum über eine qualitativ hochwertige Übertragungsanlage präsentiert. Der jeweils erste Track diente als Referenz im unkomprimierten WAV-Format. Die Abfolge der weiteren Datenformate 128 kBit/s, 256 Bit/s und WAV unterlag dem Zufall. Insgesamt lagen die Testergebnisse in statistischer Hinsicht leicht über dem Bereich des Zufälligen. Bei einer Qualität von 128 kBit/s konnten die Probanden ›treffsicher‹ zwischen MP3- und CD-Qualität unterscheiden. Die Unterscheidungsfähigkeiten zwischen 256 Bit/s und CD waren bereits im Zufallsbereich angesiedelt. Ein vergleichsweise differenzierterer Hörtest folgte zwei Jahre später. Er richtete sich wiederum sowohl an Experten als auch an Leser des Computermagazins. Die Expertengruppe setzte sich aus einem Tonmeister (Segment Klassik), einem Entwickler von Kopfhörern (Sennheiser), einem Studioassistenten, einer Sopranistin, einem Klavierschüler, einem Ent19 | Meyer 2000, 144.

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wickler von Kompressionsverfahren, einem Chefredakteur der Zeitschrift c’t sowie einem Produzenten zusammen. Die Expertenrunde absolvierte eine zweiteilige Testreihe. Im ersten Testteil sollten drei Test-CDs mit einer Auflösung von 64, 128 und 160kBit/s qualitativ eingeordnet werden. Jede CD enthielt acht Tracks von denen der letzte als unkomprimierte Referenz (WAV-Format) diente. Die restlichen Tracks enthielten, neben einem zweiten, den Testern nicht bekannten unkomprimierten Hörbeispiel, weitere komprimierte Tracks in den Formaten Ogg Vorbis, MP3, MP3pro, WMA9, Real Media und AAC. Die Testaufgabe lag darin, in den jeweiligen Bitraten, die Musikbeispiele in eine qualitative Abfolge zu bringen. Über einen A/B-Umschalter konnten die Experten einen direkten Vergleich zwischen den verschiedenen Tracks durchführen. Im zweiten Testteil sollten die Versuchspersonen bei Musikstücken aus dem eigenen Hörarchiv zwischen einer Bitrate von 160kBits/s in den bereits genannten Formaten und einer unkomprimierten Audiospur unterscheiden. Zusammenfassend lieferten die Tests folgende Ergebnisse: Bei den Audiospuren mit einer Auflösung von 64kBit/s qualifizierten drei der Experten die unkomprimierte Spur auf den ersten Rang. Bei einer Auflösung von 128Bit/s gelang es nur einem und bei der höchsten Komprimierung keinem der Spezialisten. Bei den eigenen Musikstücken identifizierten drei Probanden die unkomprimierte Fassung. Insofern scheint selbst für Experten ab einer Bitrate 128kBit/s die Unterscheidung zu einer unkomprimierten Fassung als sehr schwierig. An einem leicht modifizierten Lesertest nahmen insgesamt 7240 Personen teil, von denen 6080 eine Bewertung abgaben. Die nachfolgende Tabelle zeigt die relevanten Testergebnisse im Überblick. Tabelle 6.1: Die Ergebnisse des Lesertests (2002) Auflösung WAV

64kBit/s

128kBit/s

160kBit/s

41 %

21 %

28 %

Bei einer niedrigen Bitrate von 64kBit/s ist der Unterschied zwischen komprimierten und unkomprimierten Musikausschnitten deutlich zu hören, 41 % der Hörer qualifizierten das unkomprimierte WAV-Format auf den ersten Rang. Bei höheren Bitraten ab 128kBit/s wird die Unterscheidung erkennbar schwieriger. »Selbst Hi-Fi-Puristen dürften ab 192 kBit/s keine

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Unterschiede zum Original wahrnehmen können.«20 Tendenziell liegen die Ergebnisse der Laien auf einer Ebene mit der der Experten. Nach den bisherigen Studien sind die Unterschiede in den Testergebnissen zwischen Experten und Laien nicht gravierend. Demzufolge könnte man vermuten, dass in den nachfolgenden Testergebnissen Expertise nur in eingeschränkter Form als relevante Einflussgröße in Erscheinung treten wird. Hingegen ist zu erwarten, dass Variablen wie Vertrautheit mit einem auditiven Stimulus und hypothesengeleitetes Wissen zu entscheidenden Faktoren werden könnten.

6.4 S TUDIE ÜBER DIE W AHRNEHMUNG UND B E WERTUNG DIGITALER S CHNIT TMUSTER Auf der Basis der bisherigen Darlegungen hat die Studie folgenden grundlegenden Aufbau: • Erhebung sozialstatistischer Daten sowie Angaben zur Musikrezeption und Musikpraxis der Probanden • Wahrnehmung und Bewertung von Songartefakten und daraus entnommenen Ausschnitten, die unterschiedliche digitale Schnittmuster (vgl. Kapitel 1) enthalten • Instruktion über ausgewählte Schnittmuster • Erneute Wahrnehmung und Bewertung der bereits gehörten und in der Instruktion erläuterten Schnittmuster • Wahrnehmung prototypischer Schnittmuster (vgl. Kapitel 1)

6.4.1 Die Versuchspersonen Die systematische Stichprobe umfasst N = 191. Sie setzt sich aus Schülern, Studierenden und vereinzelt Lehrern sowie aus Dozenten von Schulen und Hochschulen aus Bern (Schweiz) und Umgebung, sowie Paderborn und Lübeck (Deutschland) zusammen. Die Tests wurden an den unterschiedlichen Institutionen zwischen Januar und Juli 2008 durchgeführt. 20 | Hansen 2002, 102ff.

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Profil der gesamten Stichprobe

Stichprobengröße Durchschnittsalter Geschlechterverhältnis Musikhören Fokussiertes Musikhören Hintergrund-Hörer Musikpraxis Musiktheoretische Kenntnisse Musikwissenschaftliche Kenntnisse Musikproduktion: theoretische Kenntnisse Produktionspraktische Erfahrungen - Professionelle Studioarbeit - Kompetenzen – Home-Recording

191 Versuchspersonen 21,1 Jahre (12-54) Weiblich 43,3 %/männlich 56,7 % 2,8 Stunden pro Woche 49,1 trifft (vollständig) zu 47,2 trifft (vollständig) zu 2 Stunden pro Woche 3,5 (mögliche Wertung: 1-5)

- Kompetenzen – Live-Beschallung - Sonstiges - Beschäftigung mit Musikproduktion

21 % (40 Vpn) 6,3 % (12 Vpn)

3,2 (mögliche Wertung: 1-5) 2,6 (mögliche Wertung: 1-5) 56 % (100 Vpn) 25 % (47 Vpn) 44 % (84 Vpn)

1,5 Stunden pro Woche

Der Zielgruppe der Befragung entsprechend war die Probandengruppe mit einem Altersdurchschnitt von 21,1 Jahre relativ jung. Die beliebtesten Instrumente der gesamten Stichprobe sind Klavier (52 Nennungen), Gitarre (43 Nennungen) und Schlagzeug (10 Nennungen). Die bevorzugte Ensembleform ist die ›Band‹ (57 Nennungen) in sehr unterschiedlichen stilistischen Ausrichtungen. Die präferierten Musikstile sind englische Rock- und Popmusik sowie deutsche bzw. schweizerische Rock- und Popmusik. Hingegen zählt Volks- und Blasmusik zu den am wenigsten geschätzten Genres. Im Mittelfeld der Präferenzen liegt die historische Instrumentalmusik (Klassik, Konzerte, Sinfonien). Die Versuchspersonen hören im Durchschnitt 2,8 Stunden Musik. Der Umgang mit Musik – aufmerksames Musikhören oder Musik als akustischer Begleiter für andere Tätigkeiten – stehen in einem ausgewogenen Verhältnis. Im Durchschnitt musizieren die Probanden 2 Stunden

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pro Woche. In Bezug auf den produktionstechnischen Hintergrund der Studie zeigt die Stichprobe eine nichtvorhersehbare Tendenz zur Expertise. Nach ersten Auswertungen wurde die gesamte Stichprobe weiter ausdifferenziert und in insgesamt drei Probandengruppen unterteilt: Die Laien (N = 82) Diese Gruppe setzte sich aus allen teilnehmenden Schülerinnen und Schülern zusammen. • Oberstufenklasse des Johanneums zu Lübeck (Deutschland) • Oberstufenklasse des Katharineums zu Lübeck (Deutschland) • Klasse 7-9 Orientierungsschule Düdingen (Schweiz) Die Experten (N = 96) Studierende aus unterschiedlichen deutschen und schweizerischen Popstudiengängen wurden in die Expertengruppe eingeteilt. • Master of Advanced Studies Popmusik an der Hochschule der Künste Bern • Bachelor of Arts in Musik (Popmusik) an der Züricher Hochschule der Künste • Bachelor of Arts ›Populäre Musik und Medien‹ an der Universität Paderborn • Studierende der Musikhochschule Lübeck mit dem Profil ›Popularmusik‹ Die Studioexperten (N = 11) Versuchspersonen mit umfangreichen produktionspraktischen Erfahrungen, d.h. die in einem Umfang von mehr als 10 Stunden und mehr professionell mit Musikproduktion beschäftigen, fielen in diese Probandengruppe. Diese Gruppe wurde aus den ›Experten‹ extrahiert.

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6.4.2 Digitale Schnittmuster als akustische Stimuli Zur Untersuchung der Wahrnehmung und Bewertung digitaler Schnittmuster wurde das Songartefakt ›A New Horizon‹ (T + M: Immanuel Brockhaus) in zwei Varianten komponiert (detaillierte Beschreibung, siehe Kapitel 4): • ›Rohe‹ Version (Rough-Take), eine nahezu unbearbeitete Fassung des Songs • ›Optimierte‹ Version (Optimized Version), eine in Orientierung an die aktuelle Klangästhetik Populärer Musik optimierte Fassung des Songs Aus dem Songartefakt wurden fünf kurze Ausschnitte (jeweils die erste Strophe und der erste Refrain) als ›digitales Schnittmuster‹ extrahiert, welche in den Hörtests als auditive Stimuli dienen. Der Auswahl und Gestaltung der Stimuli lagen wahrnehmungspsychologische Überlegungen zugrunde. Schnittmuster 1 ›Digitale Stille‹ (Digital black); das auditive Muster ist aufgrund seines deutlichen und isolierten Hinweisreizes sehr gut zu erkennen (vgl. CD, Track 3). Schnittmuster 2 ›Harte Schnitte‹; das Muster kann wegen seines deutlichen und mehrmals auftretenden Auffälligkeitsmerkmals gut zu identifiziert werden (vgl. CD, Track 4). Schnittmuster 3 ›Abgeschnittener Atem‹ (Breathless); das Reizmuster ist aufgrund seines deutlichen und mehrmals auftretenden Auffälligkeitsmerkmals gut zu erkennen. Im Vergleich zu den Schnittmustern 1, 2 und 4 verfügt dieses Muster aus den im Schnittmuster 5 erläuterten Gründen über leicht geänderte Adlibs (ad libituim-Ornamente: »… so many … mhm___«) im Sologesang der Strophe (vgl. CD, Track 5).

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Schnittmuster 4 ›Klonen‹; zur Identifizierung dieses auditiven Musters sind grundlegende Gedächtnisleistungen notwenig. Das Muster kann nicht über dessen Auffälligkeitsmerkmale identifiziert werden, sondern nur über einen situativen Musterabgleich (pattern-matching). Die studiotechnisch geklonten und mehrfach auftretenden Schnittmuster müssen, um als solches identifiziert zu werden, nach dem Äquivalenz-Prinzip (siehe oben) als ›gleich‹ kategorisiert werden (vgl. CD, Track 6). Schnittmuster 5 ›Kompilieren‹; dieses Muster verfügt zwar über viele, jedoch nur schwach ausgeprägte Hinweisreize. Ein in diesem Stimulus übergeordnetes Merkmal ist dessen im musikalisch-ästhetischen Sinne ›unorganische‹ Gesamtgestaltung. Um die Wirkung von Maskierungseffekten auch im Hinblick auf die psychoakustische Kaschierung von Produktionsfehlern zu untersuchen, unterscheidet sich dieses Schnittmuster von den restlichen zusätzlich durch ein besonders auffälliges Adlib (»… yes I did …«) in den Leadvocals der Strophe. Ferner werden über die Maskierung Einsichten in die Hörstrategien und in den Hörfokus der Probanden erwartet (vgl. CD, Track 7). Die Hörbeispiele wurden den verschiedenen Probandengruppen, die in einer Größenordnung von 15 bis 20 Personen lagen, über die an den jeweiligen Institutionen vorhandenen und in aller Regel qualitativ hochwertigen Stereoanlagen dargeboten. Um Urteilsverzerrungen, die im Zusammenhang mit sequenziellen Stellung der Stimuli entstehen könnten, zu vermeiden21, wurde in den Hörtests etwa der Hälfte der Stichprobe eine modifizierte Abfolge der akustischen Muster präsentiert.

6.4.3 Methodische Aspekte Im Zusammenhang mit der Erhebung sozialstatistischer Daten wird im Fragebogen die Hörpraxis (Präferenz, Quantität und Qualität), Musikpraxis sowie Produktionspraxis erfragt (siehe Fragebogen im Anhang). Mit Ausnahme der musikalischen Präferenzen wurden diese Angaben über 21 | Vgl. Bortz/Döring 2006, S. 184.

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fünfstufige Ratingskalen erhoben, die teilweise mit offenen Fragen kombiniert sind. Die musikalischen Präferenzen wurden über Genrekategorien des Instituts für Demoskopie Allensbach22 erfragt, die ebenso mit fünfstufigen Ratingskalen verknüpft waren. Im ersten Hörtest wurden neben Multiple-Choice-Verfahren (mit der Möglichkeit zu Alternativantworten) und drei- bzw. fünfstufige Ratingskalen, die Wahrnehmung und Bewertung der jeweiligen Schnittmuster über Semantische Differenziale erfasst. Das Messinstrumentarium wurde 1957 von Osgood entwickelt. Es besteht aus mehreren, 5-7stufigen Ratingskalen, mit denen man die konnotativen Bedeutungen bzw. die affektiven Qualitäten von Objekten oder Begriffen untersuchen kann.23 Im Kontext der Studie dient das Semantische Differential als Instrument, mit dem die unterschiedliche Wahrnehmung und ästhetische Bewertung verschiedener digitaler Schnittmuster durch Laien und Experten gemessen werden soll. Die im Test verwendeten digitalen Schnittmuster werden als akustische Stereotypen interpretiert, deren makrostrukturelle Qualitäten sich über bipolare Adjektivpaare beschreiben lassen. fein – grob weich – hart rau – glatt rund – eckig Den einzelnen Schnittmustern liegen subjektive und ästhetische Bewertungen zugrunde, die mittels bipolar angelegter Adjektive erfasst werden können. ausgewogen – unausgewogen natürlich – künstlich geordnet – übergeordnet vertraut – fremd interessant – langweilig Erste Auswertungen zeigen, dass sich die Ergebnisse der beiden letzten Adjektivpaare nicht auf die Stimuli, sondern auf den Bekanntheitsgrad und den Testverlauf an sich bezogen. Die Reizmuster wurden durch die

22 | 2006, zitiert in: Kleinen, 2008, S. 48. 23 | Vgl. Bortz & Döring 2006, S. 185.

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zahlreichen Wiederholungen zunehmend als ›vertraut‹ und als ›langweilig‹ beurteilt. Sie blieben für die Auswertung der Studie unberücksichtigt. Im Zusammenhang mit der statistischen Auswertung der semantischen Profile stehen eine Reihe von Berechnungen zur Verfügung, mit denen die Urteilsänderungen näher beschrieben werden können. • Differenz der Mittelwerte: Dieser Wert gibt Aufschluss über die durchschnittliche Intensität der Urteilsänderung. • Standardabweichung ist ein Maß für die Streuung einer Variablen in ihren Mittelwert, ein geringes Streuungsmaß weist auf eine verhältnismäßig einheitliche Bewertung hin. • Korrelation der gepaarten Stichproben: Dieser Wert gibt in diesem Test Auskunft darüber, inwieweit die Urteile vor der Instruktion mit den nach der Instruktion korrelieren, eine hohe Korrelation legt eine stabile Urteilsbildung vor und nach der Instruktion nahe. Die übrigen Fragebogen-Items wurden wiederum über Ratingskalen oder Multiple-Choice-Verfahren erhoben.

6.4.4 Der Testaufbau Vor dem Hintergrund der eingangs exponierten Fragestellungen hat die nachfolgende Studie folgenden Aufbau: A. Sozialstatistische Fragen B. Hörtest I (Wahrnehmung und Bewertung digitaler Schnittmuster) C. Instruktion (Mehrfachkodierung der akustischen Stimuli) D. Hörtest II (erneute Wahrnehmung und Bewertung der gleichen digitaler Schnittmustern) E. Erkennen prototypischer Schnittmuster (Übertragungsleistung) Sozialstatistische Daten Neben den sozialstatistischen Grunddaten (Alter, Geschlecht, Bildung und berufliche Tätigkeit) wurden auf der Basis der in den wahrnehmungstheoretischen Grundlagen herausgearbeiteten Einflussgrößen noch weitere Daten in den Fragebögen erhoben (siehe Anhang).

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• Musikrezeption (rezeptiver Erfahrungshintergrund): musikalische Präferenzen sowie quantitatives und qualitatives Hörverhalten • Musikpraxis (prozedurales Wissen): Instrument, Quantität der musikpraktischen Erfahrungen, Ensemblespiel • Musiktheoretische und musikwissenschaftliche Kenntnisse (deklaratives Wissen) • Produktionsbezogene Kenntnisse und Fähigkeiten (prozedurales und deklaratives Wissen) in den Bereichen Live-Beschallung/Mitschnitt, Homerecording und professionelle Studioarbeit Hörtest I Ziel des ersten Hörtest ist es, hinsichtlich der Wahrnehmung und Bewertung digitaler Schnittmuster populärer Musik die wahrnehmungspsychologische Ausgangssituation der Hörer zu ermitteln. Aufbau der ersten Testphase: • Zweimalige Präsentation des Songs ›A New Horizon‹ (Immanuel Brockhaus) als ›Rough Take‹ und als ›Optimized Version‹; Befragung nach Präferenzen und Unterschieden • Strukturelle und ästhetische Bewertung fünf verschiedener Schnittmuster (Songausschnitte) über ein Semantisches Differential • Präferenzorientiertes Ordnen der Schnittmuster, Bewertungsstrategie, Erkennen der Unterschiede Instruktion In diesem Teil der Studie erfolgte die Instruktion der Probanden über digitale Schnittmuster. Die Reizinformationen wurden dabei mehrfach kodiert. Nach einem einleitenden Text über digitale Schnittmuster in der Popmusik (siehe Fragebogen im Anhang) wurden den Versuchspersonen sieben unterschiedliche Muster von circa einer Minute Dauer akustisch dargeboten, die jeweils mit der Bezeichnung des Schnittverfahrens und erläuternden Texten (deklaratives Wissen) versehen sind. Neben der Beschreibung des Musters wurde die konkrete Stelle angegeben, an der die reizspezifischen Auffälligkeitsmerkmale wahrzunehmen sind. Eine zusätzliche graphische Darstellung des formalen Aufbaus der Songabschnitte (Strophe und Refrain) sollte den Hörern die Identifizierung dieser Merkmale erleichtern. Zusätzlich wurden die Merkmale akustisch hervorgehoben. Die gesamte Instruktion ist darauf ausgerichtet, den Versuchspersonen die

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Wahrnehmung der spezifischen Reizqualität sowie die Lokalisierung der Auffälligkeitsmerkmale so einfach als möglich zu machen. Hörtest II Im zweiten Hörtest werden die Effekte der Instruktion einer näheren Untersuchung unterzogen. Aufbau der zweiten Testphase: • Präsentation zweier ausgewählter Schnitttechniken (›Breathless‹ und ›Klonen‹) aus der Instruktionsphase mit anschließenden Identifizierungsversuchen durch die Probanden • Strukturelle und ästhetische Bewertung fünf verschiedener Schnittmuster (Songausschnitte) über ein Semantisches Differential • Präferenzorientiertes Ordnen der Schnittmuster, Bewertungsstrategie, Unterschiede zwischen den Mustern bestimmen Erkennen prototypische Schnittmuster In diesem Testabschnitt wird überprüft, inwieweit die Probanden ihre in der Instruktion erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auf den Höralltag, d.h. auf die Wahrnehmung prototypische Schnittmuster übertragen können. Dazu bekommen die Testteilnehmer sechs kurze prototypische Schnittmuster in dreifacher Wiederholung (ca. 1 min.) zur Identifizierung präsentiert. Gleichzeitig wird die Sicherheit, mit denen die Prototypen erkannt wurden, abgefragt.

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6.5 D IE U NTERSUCHUNGSERGEBNISSE In der nachfolgenden Darstellung der Untersuchungsergebnisse werden nur diejenigen Daten aufgeführt, welche in direktem Zusammenhang mit der zentralen Fragestellung des Forschungsprojektes stehen.

6.5.1 Die sozialstatistischen und musikalischen Profile der verschiedenen Probandengruppen Profil der Probandengruppe ›Laien‹ Stichprobengröße Durchschnittsalter Geschlechterverhältnis Musikpraxis Musikhören Fokussiertes Musikhören Hintergrund-Hörer Musikpraxis Musiktheoretische Kenntnisse Musikwissenschaftliche Kenntnisse Musikproduktion: Theoriekenntnisse Produktionspraktische Erfahrungen - professionell Studioarbeit - Home-Recording - Live-Beschallung - Sonstiges Musikproduktion: Stunden pro Woche

82 Vpn 14,7 Jahre Weiblich 58 %/männlich 42 % 1,6 Stunden pro Woche 2,1 Stunden pro Woche 39,2 % trifft (vollständig) zu 64,6 % trifft (vollständig) zu 1,5 Stunden pro Woche 3,2 (mögliche Wertung: 1-5) 3,1 (mögliche Wertung: 1-5) 2,2 (mögliche Wertung: 1-5) 22 % 18 (Vpn) 3,7 % (3 Vpn) 18,3 % (15 Vpn) 7,3 % (6 Vpn) 3,7 % (3 Vpn) 17,4 % der Vpn – bis max. 5 Stunden

Die Probandengruppe hört mit 1,6 Stunden pro Woche auffallend wenig Musik. Damit stehen diese Angaben in einem gewissen Widerspruch zur JIM-Studie 2009, in der die Musik in den Themeninteressen Jugendlicher eine zentrale Rolle spielt. Vermutlich ist den ›Laien‹ (Schülern) nicht bewusst, in welchem Umfang sie täglich mit Musik in Berührung kommen. Für diese Vermutung sprechen auch die Angaben zur Qualität der Musikrezeption. Zweidrittel der Befragten beschäftigen sich während des Musikhörens teilweise oder vollständig mit anderen Dingen.

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Im Einklang mit den Analysen des Instituts für Demoskopie Allensbach 2008 sind die musikalischen Präferenzen der jugendlichen Versuchspersonen eindeutig in Populären Genres angesiedelt. Zu den vier beliebtesten Musikstilen zählen deshalb: • Englische Pop- und Rockmusik 87,9 % (sehr gern 65,9 %/etwas 22 %) • Deutsche/Schweizerische Rock- und Popmusik 82,9 % (sehr gern 42,7 %/etwas 40,2 %) • Dance, Hiphop, Rap 55,6 % (sehr gern 21 %/etwas 34,6 %) • Musical 49,4 % (sehr gern 17,3 %/etwas 32,1 %) Danach folgen weitere musikalischen Jugendkulturen ›Techno/House‹ und ›Hardrock/Heavy Metal‹. Die historische Kunstmusik ›Klassik, Konzerte und Sinfonien‹ (sehr gern 14,6 %) sowie ›Oper, Operette und Gesang‹ (sehr gern 6,1 %) liegen in der Präferenzskala deutlich hinter den populären Stilen. Nahezu dreiviertel (78 %) der Laien verfügen über instrumentalpraktische Kenntnisse und musizieren 1,5 Stunden pro Woche. Dieser hinsichtlich der Instrumentalpraxis überraschende Wert ist über die Auswahl der Stichprobe (siehe oben) zu erklären. Die bevorzugten Instrumente sind Klavier (21,9 %), Gitarre (16,7 %) und Blockflöte (18,4 %). Knapp die Hälfte (45,1 %) haben Erfahrungen im Ensemblespiel, bevorzugt in stilistisch sehr unterschiedlich ausgerichteten Bands (54,6 %), ›klassischen‹ Gruppierungen (11,3 %) und Vokalensembles (11,3 %). Weiterhin fällt an der Auswertung auf, dass die produktionspraktischen Erfahrungen ebenfalls als relativ hoch anzusiedeln sind. Auch dieses Ergebnis steht höchstwahrscheinlich in Verbindung mit der Stichprobenauswahl.

Profil der Probandengruppe ›Experten‹ Stichprobengröße Durchschnittsalter Geschlechterverhältnisse Bildungsabschluss Berufsabschluss Musikhören

96 Vpn 26,2 Jahre Weiblich 31,3 %/ männlich 68,8 % Hochschulreife 93,5 % 83 % haben einen Abschluss 3,4 Stunden pro Woche

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Fokussiertes Musikhören Hintergrund-Hörer Musikpraxis Musiktheoretische Kenntnisse Musikwissenschaftliche Kenntnisse Musikproduktion: Kenntnisse – Theorie Produktionspraktische Erfahrungen - professionell Studioarbeit - Home-Recording - Live-Beschallung - Sonstiges Musikproduktion: Stunden pro Woche

Trifft (vollständig) zu 55,8 % Trifft (vollständig) zu 34,4 % 2,42 Stunden pro Woche 3,78 (mögliche Wertung: 1-5) 3,31 (mögliche Wertung: 1-5) 2,88 (mögliche Wertung: 1-5) 83,2 % der Vpn 51,9 % der Vpn 84,6 % der Vpn 40,5 % der Vpn 10,3 % der Vpn 69,8 % der Vpn bis max. 10 Stunden

Im Vergleich zur Gruppe der ›Laien‹ liegt der zeitliche Umfang, in dem wöchentlich Musik gehört wird, um etwa 50 % höher. Auch die Form der Musikrezeption weicht von der Gruppe der Laien ab. Knapp über die Hälfte hört entweder ausschließlich oder weitgehend zielgerichtet Musik. Wie bei den Laien bevorzugt auch diese Probandengruppe in allererster Linie populäre Musikstile. Allerdings nimmt der Bereich ›Klassik, Konzerte und Sinfonien‹ einen vergleichweise deutlich höheren Anteil an. Gleichzeitig sind auch die Präferenzmuster heterogener ausgeprägt. Die vier beliebtesten Musikstile dieser Probandengruppe sind: • • • •

Englische Pop- und Rockmusik 95,9 % Deutsche/Schweizerische Rock- und Popmusik 82,1 % Blues, Spirituals, Gospels 74,0 % Klassik, Konzerte, Sinfonie 70,9 %

Unterschiede zwischen den beiden Probandengruppen zeigen ebenso sich im Bereich des Musizierens. Genau 90,6 % der Experten verfügen über instrumentalpraktische Kenntnisse und musizieren 2,42 Stunden pro Woche. Die bevorzugten Instrumente sind Klavier (29,1 %), Gitarre (23,6 %) und Gesang (10,3 %). Knapp vierfünftel (79,2 %) haben Erfahrungen im Ensemblespiel, bevorzugt in einer Band (52,2 %), im Orchester und mit Kammermusik (17,5 %) und im Chor (9,1 %).

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Die deutlichen Abweichungen zwischen beiden Gruppen erklären sich im Bereich der Musikproduktion über Zusammensetzung des Expertensamples, deren Mitglieder sich ausnahmslos aus Popstudierenden zusammensetzten.

Profil der Probandengruppe ›Studioexperten‹ Stichprobengröße Durchschnittsalter Geschlechterverhältnisse

11 Vpn 23,8 Jahre Weiblich 18,2 %/ männlich 81,8 % Hochschulreife 100 % 9,1 % (Studierende 72 %) 4,6 Stunden pro Woche Trifft (vollständig) zu 72,7 % Trifft zu 18,2 % 3 Stunden pro Woche 4,0 (mögliche Wertung: 1-5) 3,1 (mögliche Wertung: 1-5)

Bildungsabschluss Berufsabschluss Musikhören Fokussiertes Musikhören Hintergrund-Hörer Musikpraxis Musiktheoretische Kenntnisse Musikwissenschaftliche Kenntnisse Musikproduktion: Kenntnisse – Theorie 4,1 (mögliche Wertung: 1-5) Produktionspraktische Erfahrungen 100 % der Vpn Musikproduktion: Stunden pro Woche mehr als 10 Stunden pro Woche Der zeitliche Umfang, in dem die Studioexperten Musik hören, ist im Vergleich zu den restlichen Probandengruppen am Höchsten, erscheint allerdings im Hinblick auf deren deutlich ausgeprägten Studioerfahrungen als relativ gering. Möglicherweise blieb in den Angaben die Studioarbeit an sich unberücksichtigt. Darüber hinaus verfügt diese Probandengruppe auch über die höchsten Werte in der Rezeptionsqualität. Nahezu dreiviertel (72,7 %) widmen der Musik beim Hören vollständig oder weitgehend vollständig ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Auch in dieser Gruppe dominieren innerhalb der Präferenzen populäre Musikstile. Die auffällige Dominanz der Rubrik ›Hardrock, Heavy Metal‹ liegt vermutlich in der kleinen Stichprobe begründet. Insgesamt sind die Präferenzmuster auffallend heterogen ausgebildet. Allerdings muss auch hier die Stichprobengröße berücksichtigt werden. Zu den bevorzugtesten Musikstilen der Studioexperten zählen:

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• Englische Pop- und Rockmusik 90,9 % (sehr gern 63,6 %/etwas 27,3 %) • Deutsche/Schweizerische Rock- und Popmusik 72,8 % (sehr gern 27,3 %/etwas 45,5 %) • Hardrock, Heavy Metal 90,9 % (sehr gern 63,6 %/etwas 27,3 %) • Jazz 63,6 % (sehr gern 9,1 %/etwas 54,5) • Klassik, Konzerte, Sinfonie 63,7 % (sehr gern 18,2 %/etwas 45,5 %) Nicht zuletzt verfügen die Probanden dieser Gruppe mit 3 Stunden pro Woche über die höchsten musikpraktischen Erfahrungen. Die gerne gespielten Instrumente sind Gitarre (36,4 %), Klavier (18,2 %) sowie Gesang, Klarinette und Schlagzeug mit jeweils 9,1 %. Knapp drei Viertel verfügen über Erfahrungen im Ensemblespiel. Zu den beliebtesten Ensembles zählen erwartungsgemäß verschiedene Bandformationen (62,5 %) sowie Kammermusik (25 %) und Orchester (12,5 %).

6.5.2 Ergebnisse des Hörtests I Zu Beginn der ersten Testphase wurde den Probanden unterschiedliche Vollversionen des Testsongs ›A New Horizon‹ (T + M: Immanuel Brockhaus) dargeboten. Die Versuchspersonen sollten angeben, welche Version – ›rough take‹ oder ›optimierte Fassung‹ – sie bevorzugen. Abbildung 6.3: Präferenz: ›Rough Take‹ oder ›optimierte Version‹?

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Das Diagramm zeigt deutliche Divergenzen zwischen den ›Laien‹ und den ›Experten‹. Die Unterscheide zwischen beiden Expertengruppen fallen hingegen gering aus. Diese bevorzugen, vermutlich aufgrund ihres musikalischen Erfahrungshintergrunds (siehe Profil) und die dadurch bedingte Hörkonditionierung, eine ›optimierte‹ Klangästhetik. Weiterhin fällt auf, dass knapp ein Viertel der ›Experten‹ keinen Unterschied zwischen beiden Versionen erkennen können. Die Befunde des Pretests bestätigen diese Ergebnisse. Dass die Laien mehrheitlich die unbearbeitete Fassung bevorzugen, ist vermutlich auf Reiheneffekte (›Primacy-Recency-Effekt‹) zurückzuführen. Die Werte der nachfolgenden Positionen unterstreichen diese Annahme. Der starke emotionale Eindruck des ersten Hörbeispiels ist in der Bewertung sehr deutlich ausgeprägt. Die die Fähigkeit der Probanden, zwischen den beiden Hörbeispielen Unterschiede zu erkennen, liegt im Bereich des Zufälligen. Darüber hinaus lassen sich hinter den Ergebnissen unterschiedliche Hörstrategien vermuten. Während sich die Laienhörer in ihrem Urteil von einem vordergründigen klanglichen Stimulus leiten lassen, tendieren die Experten zu einem analytischen Hören. Abbildung 6.4: Begründung der Songwahl

Auch bei dieser Fragestellung zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Laien und den beiden Expertengruppen, während die Ergebnisse der Experten sich annähern. Die Schüler (Laien) fällen ihr Präferenzurteil auf

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der Grundlage unterschiedlicher Interpretationen. Die Experten führen ihre Wahl auf studiotechnische Unterschiede zurück. Die Ergebnisse beider Expertengruppen korrespondieren mit denen der ersten Fragestellung. Die optimierte Fassung wurde durch studiotechnische Bearbeitungen erstellt. Aufgrund ihrer Expertise begründen beiden Gruppen ihre Wahl mehrheitlich richtig. Höchstwahrscheinlich führen diese Kompetenzen zu einem (unbewussten) hypothesengeleiteten Hören und im Vergleich zu den Laien zu unterschiedlichen Hörstrategien. Die Ergebnisse der Laien sind schwer interpretierbar und basieren anscheinend auf mangelnde Wahrnehmungskompetenzen. Folgende Erklärungen sind naheliegend: • Die studiotechnischen Änderungen werden mangels Vorwissens u.a. aufgrund der stimmlichen Dominanz als ›Interpretation‹ gedeutet • Alternative Formen der Klanggestaltung sind den Schülern weniger geläufig • Schüler verstehen den ergänzenden Hinweis ›musikalische Umsetzung‹ in den Fragebögen besser als andere Termini, wie beispielsweise ›Arrangement‹ • Die hier gefundenen Werte decken sich zudem mit den Ergebnissen, die im Zusammenhang mit der Bewertung einzelner Songabschnitte (siehe unten) erzielt wurden Im Anschluss daran wurden die Versuchspersonen nach ihren hörstrategischen Vorgehensweisen befragt. Tabelle 6.2: Beurteilungsstrategien der verschiedenen Probandengruppen intuitiv

analytisch

beides/ intuitiv

beides/ analytisch

Studioexperten

10 %

30 %

40 %

20 %

Experten

28 %

9,7 %

45,2 %

16,1 %

65,4 %

11,1 %

18,5 %

4,9 %

Laien

Bei den Laien dominieren intuitive Vorgehensweisen, während die beiden Expertengruppen mehrheitlich kombinierte Strategien bevorzugen. Aufgrund mangelnder analytischer Kenntnisse und Fähigkeiten können die

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Laien weitgehend nur intuitiv, d.h. ›nach Gefühl‹ (emotional) bzw. spekulativ bewerten. Im Vergleich zu den restlichen Probanden zeigen die Studioexperten den höchsten Prozentsatz bei der analytischen Berwertungsstrategie. Dadurch unterscheiden sie sich drastisch von den restlichen Hörergruppen. Studioexpertise führt zu einem analytischen Hörverhalten. Am Anschluss daran wurden die Probanden nach den Unterschieden zwischen den Songausschnitten befragt. Abbildung 6.5: Unterschiede zwischen den Ausschnitten vor der Instruktion

Mehrheitlich sind die Versuchspersonen nicht in der Lage, die Unterschiede zwischen den Klangbeispielen zu bestimmen. Die beiden Expertengruppen tendieren zur richtigen Erklärung. Gleichzeitig fällt auf, dass verhältnismäßig viele der Studioexperten die Begründungen außerhalb der vorgeschlagenen Erklärungen liegen. Die überwiegende Anzahl der Laien ›wissen‹ die Unterschiede zwischen den Hörbeispielen nicht. Darüber hinaus sind Verbindungen zu den Begründungsversuchen am Beginn der Studie (vgl. Abbildung 3.4) erkennbar, in denen die ›Interpretation‹ das bevorzugte Erklärungsmodell der Laienhörer war. Diese Resultate decken sich zudem mit den Ergebnissen der Studien von Behne und Barkowsky 1992 sowie Meyer 2000 und Hansen 2002, nach denen die meisten Personen auf einer makrostrukturellen Ebene Unterschiede zwischen verschiedenen Reizmustern nicht erkennen können.

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6.5.3 ›Instruktion‹ als variable Einflussgröße Eine speziell pädagogische Zielsetzung der Studie kumuliert sich in der Frage, inwieweit Lernprozesse die Wahrnehmung und Bewertung digitaler Schnittmuster beeinflussen. In einem weiteren Hörtest mussten die Probanden zwei der in der Instruktion dargebotenen und erläuterten Schnittmuster identifizieren. Der Auswahl der Muster lagen wahrnehmungs- und gedächtnispsychologische Überlegungen zugrunde. Im Klangbeispiel (›Breathless‹) ging es um ein Erkennen von unmittelbaren Auffälligkeitsmerkmalen (abgeschnittener Atem), beim zweiten Beispiel ›Klonen‹ waren grundlegende Gedächtnisleistungen (pattern-matching) gefordert (siehe Beschreibung der Stimuli). Abbildung 6.6: Identifizierung des Schnittmusters ›Breathless‹ nach Instruktion

Das Schnittmuster ›Breathless‹ wurde mehrheitlich von allen Versuchsgruppen wieder erkannt. Die Studioexperten zeigen aufgrund ihrer berufsbedingten Wahrnehmungskompetenz die besten Ergebnisse. Die Expertise zeigt sich gleichzeitig in ihrer Urteilssicherheit, 54,5 % waren »absolut sicher« und 36,4 % waren »ziemlich sicher«. Gleichzeitig bestätigt sich diese Urteilssicherheit auch indirekt. Das deutlich identifizierbare (jedoch hier nicht dargebotene) Schnittmuster ›Digital black‹ wurde von keinem Studioexperten gewählt.

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Die Ergebnisse bei den ›Laien‹ und den ›Experten‹ liegen eng beisammen. Unterschiede zeigen sich hingegen in der Urteilssicherheit. Während sich 29,5 % der Experten ›absolut sicher‹ fühlen, sind es bei den Laien nur 11,1 %. Selbst bei den falsch gewählten Mustern, tritt die Wahrnehmungskompetenz der Experten indirekt zu Tage. Schnittmuster mit sehr deutlichen Auffälligkeitsmerkmalen (›Digital black‹ und ›harte Schnitte‹) wurden weniger gewählt als bei Laien. Wenn es um die Identifizierung von Schnittmustern mit auffälligen Merkmalen geht, können Laien, Experten und Studioexperten von einer Instruktion profitieren. Darüber hinaus gleichen sich nach der Instruktion die Wahrnehmungsstrategien der verschiedenen Probandengruppen zumindest kurzfristig an. Die Hörer wurden für digitale Schnitttechniken sensibilisiert und ihr Wahrnehmungsfokus ist daher auf die entsprechenden Merkmale ausgerichtet. Abbildung 6.7: Identifizierung des Schnittmusters ›Klonen‹ nach Instruktion

Das Schnittmuster ›Klonen‹ wurde ebenso mehrheitlich von allen Versuchspersonen identifiziert. Erwartungsgemäß schnitten die Studioexperten am besten ab. Dieser Trend zeigt sich gleichermaßen in der Urteilssicherheit. Von den Studioexperten fühlen sich 18,2 % »sicher« und 63,6 % »ziemlich sicher«. Als »absolut sicher« und »ziemlich sicher« bezeichneten sich 9 % bzw. 36 % der Experten. Bei den Laien war nur eine Person »absolut sicher« und 38 % waren »ziemlich sicher«.

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Im Vergleich wurde das Schnittmuster ›Breathless‹ von allen drei Versuchsgruppen zuverlässiger und im Urteil sicherer erfasst als das Schnittmuster ›Klonen‹. Reize mit deutlichen Auffälligkeitsmerkmalen werden nach einer Instruktion somit leichter identifiziert als reizarme Stimuli. Es liegt nahe, dass die Versuchspersonen zur Identifizierung speziell reizarmer Stimuli hörstrategisch auf andere Auffälligkeitsmerkmale (siehe ›Maskierung‹) zurückgreifen.

6.5.4 Auswertung der Semantischen Differentiale Zentraler Untersuchungsgegenstand dieser Studie ist die Wahrnehmung und ästhetische Bewertung digitaler Schnittmuster. Mittels Semantischen Differentials wurden diese beiden Aspekte einer differenzierten Untersuchung unterzogen. Den Probanden wurden fünf gleiche Ausschnitte, jeweils Strophe und Refrain (CD Track 3-9) des Testsongs ›A New Horizon‹ (T + M: Immanuel Brockhaus), präsentiert, in denen fünf unterschiedliche Schnittmuster zu hören waren (siehe oben). Zur Erinnerung: Die insgesamt neun Adjektivpaare beziehen sich auf die makrostrukturelle Oberfläche (Paar 1-4) und auf die Bewertung der Schnittmuster (Paar 5-9). Nach der Instruktion wurden die Schnittmuster ein weiteres Mal über ein Semantisches Differential bewertet. Um Reiheneffekte zu vermeiden, wurde in den verschiedenen Testgruppen die Abfolge der Musikbeispiele geändert. Die statistischen Daten, die über die Auswertung des Semantischen Differentials gewonnen werden, sollen mögliche Zusammenhänge zwischen der Beschaffenheit des Reizes sowie der Qualität und Intensität der strukturellen und ästhetischen Bewertung vor und nach der Instruktion offen legen.

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Die Probandengruppe ›Laien‹ Abbildung 6.8: Wahrnehmung und Bewertung des Schnittmusters ›Digital black‹ durch Laien im Vergleich, vor und nach der Instruktion

Die Beurteilungen des Schnittmusters ›Digital black‹ durch Laien stehen zunächst trotz auffälliger Reizstruktur in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Qualität des Reizes. Nach der Instruktion verschieben sich die Urteile in eine reizanaloge Richtung. Beispielsweise wird das Muster nach der Belehrung als tendenziell ›eckig‹ und ›künstlich‹ interpretiert. Grundsätzlich lässt sich die Intensität der Urteilsänderungen bei den jeweiligen Adjektivpaaren aus der Differenz der Mittelwerte (DM) bestim-

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men. Diese Werte lassen sich stufenbezogen als absoluter Wert (1-5) oder prozentual (bezogen auf die 5-stufige Skala) darstellen. In diesem Schnittmuster zeigen sich deutliche Verschiebungen in den Urteilen bei den Paaren ›rund – eckig‹ (DM 0,432 = 8,64 %) und ›natürlich – künstlich‹ (DM 0,556 = 11,1 %). Die Instruktion bewirkt bei Laien eine grundsätzliche Ausdifferenzierung und Intensivierung der Urteile. Abbildung 6.9: Wahrnehmung und Bewertung durch des Schnittmusters ›Klonen‹ durch Laien im Vergleich, vor und nach der Instruktion

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Beim Schnittmuster ›Klonen‹ mit vergleichsweise geringen Hinweisreizen zeigen sich nach der Instruktion ebenfalls Änderungen hinsichtlich der Qualität und Intensität der Bewertungen; allerdings in einem leicht geringerem Ausmaß als bei dem Schnittmuster ›Digital black‹. Die höchsten Differenzen in den Mittelwerten zeigen sich in den Adjektivpaaren ›rau – glatt‹ (DM 0.341 = 6,82 %) sowie ›ausgewogen – unausgewogen‹ (DM 0,385 = 7,7 %). Der Vergleich der Urteilsqualitäten zeigt, dass die beiden Schnittmuster, unterschiedlich und insofern reizanalog wahrgenommen und bewertet werden. Abbildung 6.10: Wahrnehmung und Bewertung durch des Schnittmusters ›Kompilieren‹ durch Laien im Vergleich, vor und nach der Instruktion

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Auch bei diesem Schnittmuster zeigt die Instruktion bezüglich der Qualität und Intensität der Einschätzungen offensichtliche Effekte, die bei den ästhetischen Urteilen besonders ausgeprägt sind. Im Vergleich mit den vorangegangenen Schnittmustern sind hier die umfangreichsten Differenzen in den Mittelwerten erkennbar. Das Adjektivpaar ›natürlich – unnatürlich‹ zeigt eine Differenz von 0,57 (11,4 %) und das nachfolgende Paar einen Wert von 0,53 (10,6 %). Die makrostrukturelle Reizbeschaffenheit erscheint den Laienhörern nach der Belehrung tendenziell hart (DM 0,29/5,8 %) und rau (DM 0,32/6,4 %). Die vergleichsweise hohen Differenzen bei den Werten der ästhetischen Variablen im Zusammenhang mit den relativ geringen Auffälligkeitsmerkmalen, die sich in der Reizbeurteilung spiegeln, legen Maskierungseffekte nahe. Es ist daher zu vermuten, dass nicht die schnitttechnikbezogene Reizstruktur einen Einfluss auf das Urteil der Probanden hat, sondern andere Reizqualitäten, etwa in Gestalt der Ad Libs dieses Schnittmusters (siehe Beschreibung). Tabelle 6.3: Die Differenzen der Mittelwerte bei der Laien-Gruppe Wahrnehmung Kompilieren Klonen Breathless fein – grob weich – hart rau – glatt rund – eckig

0,224 0,272 0,342 0,278

0,21 0,341 0,321 0,35

0,086 0,173 0,137 0,11

Ästhetische Bewertung Kompilieren Klonen Breathless ausgewogen/ unausgew. natürlich/ unnatürlich geordnet/ ungeordnet

Harte Schnitte 0,136 0,268 0,313 0,313

Digital black 0,198 0,232 0,1 0,432

0,513

0,385

0,171

Harte Schnitte 0,325

Digital black 0,329

0,575

0,148

0,475

0,531

0,556

0,45

0,163

0,099

0,16

0,085

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vertraut/ fremd interessant/ langweilig

0,037

0,024

0,098

0,025

0,122

0,366

0,512

0,585

0,512

0,427

Die Tabelle zeigt die Mittelwertsdifferenzen der jeweiligen Adjektivpaare in einem Überblick. Es überrascht zunächst, dass bei den meisten Adjektivpaaren nicht das auffälligste Muster ›Digital black‹ die höchste Differenz der Mittelwerte zeigt, sondern das Muster ›Kompilieren‹. Vermutlich fließen nicht einzelne Hinweisreize, sondern die Gesamtheit der Reize bzw. Maskierungseffekte (siehe Beschreibung Kapitel 1) in die Beurteilung mit ein. Zudem repräsentieren einige Adjektivpaare die Qualität des Reizes angemessener als andere und werden deshalb mit einer höheren Intensität bewertet. Dieser Effekt zeigt sich beispielsweise bei den Schnittmustern ›Digital black‹ und ›Kompilieren‹. Die digitale Stille bedingt die höchste Differenz der Mittelwerte, beim Adjektivpaar ›rund – eckig‹. Hingegen bewirkt die Reizstruktur des Musters ›Kompilieren‹ den höchsten Wert beim Paar ›rau – glatt‹.

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Die Probandengruppe ›Experten‹ Abbildung 6.11: Wahrnehmung und Bewertung des Schnittmusters ›Digital black‹ durch Experten im Vergleich, vor und nach der Instruktion

Erwartungsgemäß zeigen sich auch bei den Experten klare Differenzen zwischen den Befragungen vor und nach der Instruktion. Wie bei den Laien zeigt das Adjektivpaar ›rund – eckig‹ die höchste und nahezu gleiche Differenz in den Mittelwerten (DM 0,43 = 8,72 %). Ebenso klingt das Hörbeispiel nach der Belehrung mit einer beinahe gleichen Mittelwertsdifferenz von 0,52 (10,46 %) für die Probanden ›künstlicher‹. Damit scheinen diese beiden Items für beide Probandengruppen die Qualität des Reizes in einem besonderen Maße zu repräsentieren. Die nahezu gleichen Intensi-

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tätsgrade legen nahe, dass bei auffälligen Reizmustern Experten und Laien in gleichem Maße aus der Instruktion einen Nutzen ziehen. Abbildung 6.12: Wahrnehmung und Bewertung des Schnittmusters ›Klonen‹ durch Experten

Das Semantische Differential zeigt eine differenzierte Wahrnehmung und Bewertung des Schnittmusters ›Klonen‹ durch die Expertengruppe. Der Grad an Urteilsänderungen vor und nach der Instruktion ist im Vergleich zur Bewertung des Schnittmusters ›Digital black‹ verhältnismäßig gering (siehe oben). Die Instruktion hat damit in beiden Beurteilungsbereichen einen sehr geringen Einfluss auf die Urteile. Die höchsten Differenzen der

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Mittelwerte ergeben sich bei den Adjektivpaaren ›fein – grob‹ (DM 0,207 = 4,14 %) und ›geordnet – ungeordnet‹ (DM 0,23 = 4,6 %). Abbildung 6.13: Wahrnehmung und Bewertung des Schnittmusters ›Kompilieren‹ durch Experten

Das Bewertungsmuster und die Urteilsänderungen der Experten sind mit Ausnahme des siebten Adjektivpaares nahezu identisch. Die höchsten Mittelwertsdifferenzen finden sich bei diesem Muster beim dritten (DM 0,51 = 10,2 %), fünften (DM 0,34 = 6,8 %) und siebten (DM 0,56 = 11,2 %) Adjektivpaar. Die Instruktion scheint die strukturellen und ästhetischen Urteile zu nivellieren. Berücksichtigt man das mehrheitlich vor und nach

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der Belehrung unveränderte Streuungsmaß sowie die auffallend geringe Korrelation zwischen den jeweiligen Adjektivpaaren, führt die Belehrung zu zahlreichen, wenn auch nicht homogenen Urteilsänderungen. Tabelle 6.4: Übersicht über Differenzen der Mittelwerte aller Schnittmuster. Die Differenzen der Mittelwerte zwischen den Befragungen vor und nach der Instruktion zeigen die quantitative Veränderung des Urteils innerhalb der jeweiligen Adjektivpaare. Wahrnehmen Kompilieren Klonen Breathless fein – grob weich – hart rau – glatt rund – eckig

0,284 0,234 0,511 0,196

0,075 0,054 0,207 0,032

0,138 0,158 0,198 0,011

Harte Schnitte 0,183 0,319 0,095 0,202

Digital black 0,323 0,176 0,065 0,436

Bewerten Kompilieren Klonen Breathless ausgewogen/ unausgew. natürlich/ unnatürlich geordnet/ ungeordnet vertraut/ fremd interessant/ langweilig

Harte Schnitte

Digital black

0,341

0,085

0,234

0,370

0,099

0,011

0,170

0,247

0,135

0,527

0,567

0,140

0,118

0,130

0,043

0,032

0,011

0,21

0,021

0,172

0,097

0,290

0,172

0,283

0,283

Die Differenzen der Mittelwerte sind bei denjenigen Schnittmustern ausgeprägt, die den Experten deutlich wahrnehmbare Auffälligkeitsmerkmale bieten. Die höchsten Grade an Urteilsänderungen ergeben sich sowohl bei der strukturellen als auch ästhetischen Bewertung in den Schnittmustern ›Digital black‹ (8 % und 6 %) und ›Kompilieren‹ (6,1 % u. 4,2 %), gefolgt von ›Harte Schnitte‹ bzw. ›Breathless‹. Die Intensität der Urteilsänderungen steht damit in einem direkten Zusammenhang mit der Qualität

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des Reizes, die, wie am Beispiel Kompilieren deutlich wird, nicht immer schnittmusterbezogen sein muss. Im Vergleich fällt auf, dass die durchschnittlichen Mittelwertsdifferenzen der Laien in etwa dem Wert der Experten entsprechen. Damit reagieren beide Probandengruppen auf die Instruktion mit gleicher Intensität. Sie profitieren von der Belehrung im gleichen Maße. Weiterhin wird deutlich, dass beide Gruppen bei auffälligen Mustern aus der Belehrung einen höheren Nutzen ziehen als bei reizarmen Stimuli.

Die Probandengruppe ›Studioexperten‹ Abbildung 4.14: Wahrnehmung und Bewertung des Schnittmusters ›Digital black‹ durch Studioexperten

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Das Semantische Differential zeigt bei allen strukturorientierten Variablen eine Veränderung, die bei den Adjektivpaaren ›weich – hart‹ und ›rund – eckig‹ am deutlichsten ausgeprägt ist. Die Differenzen der Mittelwerte liegen bei diesen Paaren bei 0,68 (13,6 %) und 0,55 (11 %) liegt. Damit zeigen die Studioexperten im Vergleich zu den restlichen Untersuchungsgruppen mit Abstand die höchsten Mittelwertsdifferenzen. Vermutlich können sie bei diesem Schnittmuster aufgrund ihrer Expertise von der Instruktion in einem höheren Maße profitieren als die beiden anderen Gruppierungen. Nach der Belehrung wird das Schnittmuster mit einer Mittelwertsdifferenz von 0,36 (7,2 %) als tendenziell ›geordnet‹ bewertet. Die Beurteilung weicht damit deutlich von den übrigen Probandengruppen ab, deren Mittelwertsdifferenzen bei diesem Item vernachlässigbar sind. Expertise hat damit auch einen Einfluss auf den Focus der ästhetischen Bewertung dieses Mustes. Abbildung 6.15: Wahrnehmung und Bewertung des Schnittmusters ›Klonen‹ durch Studioexperten

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Im Vergleich zum vorhergehenden Schnittmuster ›Digital black‹ zeigt das Semantische Differential nach der Instruktion relativ geringe Änderungen. Das Bewertungsmuster an sich gleicht dem der Experten. Geringfügige Abweichungen zwischen beiden Gruppen gibt es beim dritten und vierten Adjektivpaar. Die Differenzen der Mittelwerte liegen bei 0,37 = 7,4 % (rau – glatt) und bei Paar bei 0,27 = 5,4 % (rund – eckig). Gleichzeitig zeigen diese Items nach der Unterweisung eine verhältnismäßig geringe Standardabweichung. Dies deutet auf eine Stabilisierung der Urteile hin. Abbildung 6.16: Wahrnehmung und Bewertung des Schnittmusters ›Kompilieren‹ durch Studioexperten

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Die Ergebnisse erklären sich über die Makrostruktur des Stimulus. Speziell dieses Schnittmuster kann lediglich über einen kognitiven Musterabgleich der geklonten Gitarren-Patterns erkannt werden. Weitere Hinweisreize, etwa in Form spezieller Adlibs, gibt es bei diesem Muster nicht. Es wird als geordnet, rund und weich beurteilt. Die Instruktion hat einen klaren Einfluss auf die Beurteilung dieses Schnittmusters. Während sich die strukturbezogenen Items um einen mittleren Wert von 3 kumulieren, zeigen sich deutliche Änderungen in zwei ästhetischen Variablen. Die Mittelwertsdifferenzen liegen hier bei 0,91 = 18,2 % (ausgewogen – unausgewogen) und 0,63 = 12,6 % (geordnet – ungeordnet). Wie am Semantischen Profil erkennbar ist, fallen die Bewertungen in vielerlei Hinsicht sehr heterogen aus. Dies zeigt sich zunächst in den Standardabweichungen, die nach der Instruktion nahezu ausnahmslos ansteigen. Bei der Variablen ›Ausgewogenheit‹ erhöht sich das Streuungsmaß auf den doppelten Wert mit einer gleichzeitig sehr geringen Korrelation zwischen den Urteilen vor und nach der Unterweisung. Diese Daten verweisen auf eine relativ hohe Instabilität der Urteile. Die Ergebnisse lassen erkennen, dass sich der Beurteilungsfokus nach der Instruktion ändert. Zunächst richten die Probanden ihren Fokus auf die makrostrukturelle Oberfläche des Stimulus und qualifizieren den Reiz als ›fein‹, ›weich‹, ›glatt‹ und ›geordnet‹. Im zweiten Hördurchgang richtet sich die Aufmerksamkeit zunehmend auf die Ad Libs, die im Zusammenhang mit der Gesamtbeschaffenheit des Schnittmusters (siehe Beschreibung in Kapitel 3) als ›unausgewogen‹ und ›ungeordnet‹ beurteilt werden. Besonders die Studioexperten empfinden dieses Muster als ästhetisch jenseits der Norm. Tabelle 6.5: Differenz der Mittelwerte in den Urteilen der Studioexperten

fein – grob weich – hart rau – glatt rund – eckig

Kompilieren

Klonen

Breathless

0,45 0,27 0,72 0,20

0,09 0,18 0,36 0,27

0,01 0,18 0,36 0,45

Harte Schnitte 0,18 0,10 0,23 0,72

Digital black 0,36 0,70 0,36 0,54

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Bewerten Kompilieren Klonen Breathless ausgewogen – unausgew. natürlich – unnatürlich geordnet – ungeordnet vertraut – fremd interessant – langweilig

Harte Schnitte

Digital black

0,90

0,09

0,09

0,54

0,09

0,27

0,91

0,72

0,27

0,09

0,63

0,00

0,18

0,27

0,36

0,00

0,18

0,36

0,09

0,18

0,27

0,36

0,09

0,18

0,18

Die Tabelle veranschaulicht die schnittmusterbezogenen Differenzen in den Mittelwerten. Die Werte repräsentieren die Intensität der Urteilsänderung nach der Instruktion. Die höchsten Werte zeigen sich in den oberflächenbezogenen Urteilen bei den Mustern ›Kompilieren‹, ›harte Schnitte‹ und ›Digital black‹. Bei den ästhetischen Variablen sind es neben dem ›Kompilieren‹, das Muster ›Klonen‹, das den höchsten Intensitätsgrad aufweist. Die Instruktion hat speziell bei diesen Schnittmustern einen verhältnismäßig hohen Einfluss auf die Urteilsänderung. Der Vergleich mit den restlichen Probandengruppen zeigt, dass die Studioexperten hinsichtlich der Mittelwertsdifferenzen die höchsten Werte haben. Expertise steht damit in einem direkten Zusammenhang mit der Intensität der Beurteilung. Interpretiert man die Werte der Tabelle als Intensitätsmuster, so unterschieden sich diese Muster der verschiedenen Probandengruppen. Insgesamt führen unterschiedliche Grade an Studioexpertise hinsichtlich Qualität und Quantität zu unterschiedlichen Wahrnehmungs- und Beurteilungsmustern.

Digitale Stille 35,4 % (Klonen 24,1)

gefällt mir Kompilieam wenigsten ren/ Digitale Stille 28,2 % (Breathless 15,4 %) Digitale Stille (35,2 %) (Harte Schnitt 21,6 %)

Kompilieren 60 % (digitale Stille 20 %)

Studioexperten nach vor Instruktion Instruktion KompilieBreathless ren/digitale 40 % Stille 22,5 % (Harte (Breathless Schnitte 19,1 %) 30 %)

*Die Angaben in Klammern beziehen sich auf den zweitrangigen Wert.

Kompilieren (41 %) (Digitale Stille 20,5 %)

vor Instruktion Breathless (28,2 %) (Harte Schnitte 23,5 %)

nach Instruktion Kompilieren 32,9 % (Digitale Stille 28 %)

vor Instruktion Kompilieren/Klonen 29,1 % (Harte Schnitte 19 %)*

gefällt mir am besten

Experten

Laien

Harte Schnitte 36,4 % Breathless/ digitale Stille 27,3

nach Instruktion Breathless/ Digitale Stille 30 % Kompilieren 20 %

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Tabelle 6.6: Schnittmusterbezogene Präferenzen vor und nach der Instruktion

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Im Anschluss an die Musterbewertung in den Semantischen Profilen wurden die Probanden gebeten, die Songausschnitt, entsprechende der Präferenzen (gefällt mir – gefällt mir nicht) in eine Reihenfolge zu bringen. Die schnittmusterbezogenen Präferenzen (Frage 4) zeichnen in allen Gruppierungen ein insgesamt heterogenes Bild. Dies bestätigt sich in der prozentualen Verteilung der Bewertungen. Weder bei den Laien, den Experten oder den Studioexperten gibt es vor oder nach der Instruktion statistisch eindeutige Präferenzen. Die Ergebnisse liegen somit im Bereich des Zufälligen. Bei den Laien scheinen sich zudem Reiheneffekte abzuzeichnen. Unbewusst tendieren die beiden Expertengruppen zu Schnittmustern, die in ihrem bevorzugten musikalischen Erfahrungsbereich liegen. Auffallend ist die Ablehnung des Musters ›Kompilieren‹ in der Expertengruppe vor der Instruktion.

6.5.5 Erkennen prototypischer Schnitttechniken In einem abschließenden Hörtest sollten die Versuchspersonen ihre in der Instruktion erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten auf die Identifizierung prototypischer Schnittmuster übertragen. Die lernpsychologische Überlegung hinter dieser Aufgabe ist wie folgt: In welchem Umfang und in welcher Qualität zeigt das in der Belehrung vermittelte und mehrfach kodierte Wissen bei neuen und unbekannten Stimuli Effekte. In diesem Zusammenhang wurden den Probanden kurze und dreifach wiederholte Ausschnitte aus Songbeispielen dargeboten mit einer Gesamtdauer von etwa zwei Minuten (vgl. Test-CD), die in den musikalischen Präferenzmustern der Probanden angesiedelt sind. Zudem wurde in den Hörbeispielen ein weiteres, den Probanden bisher unbekanntes Schnittmuster ›radikaler Schnitt‹ (siehe Kapitel 1), dargeboten. Hier ging es um die Interpretation dieses Schnittmusters durch die Probanden. Die ausgewählten Musikbeispiele stammen aus professionellen Mainstream-Produktionen, die in vielerlei Hinsicht studiotechnisch optimiert wurden. Deshalb sind in den jeweiligen Songausschnitten oft verschiedene Schnittmuster erkennbar:

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Prototypische Schnittmuster Prototypisches Schnittmuster

Interpretationsmöglichkeiten

Radikaler Schnitt (Akufen »Deck The House«) Rhythmisierung von Samples

Radikale Schnitte Zusätzlich: Digitale Stille, Klonen, Harte Schnitte

Kompilieren (Christina Aguilera »Walk Away«) CDB-T-23

Kompilieren Zusätzlich: Breathless, Klonen (Klavier)

Klonen (Mary J. Blidge »Dance for Me«) Gitarrenpattern wird wiederholt

Klonen Zusätzlich: nein

Harte Schnitte (Moby »Go«) Stimmensample wurde hart abgeschnitten

Harte Schnitte Zusätzlich: Klonen, Breathless

Digitale Stille (Madonna »Another Day«)

Digitale Stille Zusätzlich: Harte Schnitte, Klonen, Breathless

Breathless (Mariah Carey »Through the rain«)

Breathless Zusätzlich: Kompilieren

Abbildung 6.17: Erkennen prototypischer Schnitttechniken (nur exklusive Nennungen)

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In dieser Auswertung werden nur die Schnittmuster berücksichtigt, die ausschließlich und ohne Mehrfachnennung für das ausgewählte Musikbeispiel standen. Die prototypischen Schnittmuster werden in den sechs Hörbeispielen mit unterschiedlicher Klarheit wahrgenommen. In allen Probandengruppen wurden die Schnittmuster mit den deutlichsten Auffälligkeitsmerkmalen am besten erkannt. Bei den Mustern mit verhältnismäßig geringen Merkmalen sind die Studio- und Popexperten den Laien überlegen. Insbesondere bei der Technik ›Kompilieren‹ kommt die Expertise der Produzenten und Tontechniker zur Geltung. Diese Tendenz zeichnet sich auch dann ab, wenn weitere Interpretationsmöglichkeiten (siehe Tabelle) bei der Auswertung ihre Berücksichtigung finden. Es fällt auf, dass die Laien in der Identifizierung des Breathless-Musters den übrigen Probandengruppen überlegen sind. Dies erklärt sich im Kontext weiterer Befunde. Im Rahmen der Instruktion haben die Laien fünf verschiedene Schnittmuster kennen gelernt. Im Test ist ihr Fokus auf die Identifizierung dieser Muster ausgerichtet. Aufgrund ihres besonderen Merkmals ist es gut erkennbar und wird deshalb von etwa der Hälfte der Laien erkannt. Gleichzeitig geben ebenfalls 50 % dieser Probanden an, das Muster ›absolut sicher‹ und ›ziemlich sicher‹ erkannt zu haben. Das Muster wird entweder sicher erkannt oder nicht erkannt. Die Popexperten haben scheinbar nur 18,8 % erkannt, allerdings nennen 39,3 % weiterhin ›Kompilieren‹ als weiteres und mögliches Schnittmuster (siehe Tabelle). Ihr Wahrnehmungsfokus ist offener. Zudem steigt die Identifizierungssicherheit auf insgesamt 77,3 %. Zusammen mit dem möglichen Muster ›Kompilieren‹ (36,2 %) liegen die Leistungen der Studioexperten bei insgesamt 63,5 % und die Einschätzung der Sicherheit beim Erkennen bei insgesamt 91 %. Die Ergebnisse dieses Tests stehen im Einklang mit den bisherigen Befunden. Die Probanden profitieren von den in der Instruktion erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten und können diese Kompetenzen in einen neuen musikalischen Kontext zu übertragen, der im Bereich ihrer musikalischen Präferenzen angesiedelt ist. Die Übertragungsleistung und -qualität steht jedoch in Anhängigkeit von der Reizstruktur und von den produktionsbezogenen Vorerfahrungen der Popmusikhörer ab.

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6.6 F A ZIT Studioexperten und Experten bevorzugen vor der Instruktion den studiotechnisch optimierten Song und somit eine Ästhetik, die ihren musikalischen Präferenzmustern entspricht. Bei Laienhörern konnten zunächst nur Reiheneffekte beobachtet werden. Die beiden Expertengruppen konnten ihre Songpräferenzen zwar mehrheitlich begründen, die Ergebnisse liegen jedoch im Bereich des Zufälligen. Laien begründeten ihre Präferenzen erwartungsgemäß falsch. Die Studioexperten und Experten bestimmen die Unterschiede zwischen den verschiedenen Schnittmustern mehrheitlich richtig. Bei den Laien sind wiederum Reiheneffekte beobachtbar. Bei der Beurteilung der einzelnen Schnittmuster bevorzugten die Studioexperten und Popmusikexperten vor und nach der Instruktion das Schnittmuster ›Breathless‹ und somit wiederum eine Schnittmusterästhetik, die mit den ihren musikalischen Präferenzen korrespondiert. Bei den Laien wirken die Ergebnisse zufällig. Auch hinsichtlich der Bewertungsstrategie (analytisch oder intuitiv) unterscheiden sich die verschiedenen Hörergruppierungen. Während die Studio- und Popmusikexperten zu einer analytischen Vorgehensweise tendieren, bewerten die Laien weitgehend intuitiv-emotional. Nach der Instruktion werden die beiden Schnittmuster ›Breathless‹ und ›Klonen‹ von allen Probandengruppen mehrheitlich richtig identifiziert. Allerdings sind die beiden Expertengruppen gegenüber den Laien deutlich im Vorteil. Schnittmuster mit deutlichen Auffälligkeitsmerkmalen werden insgesamt besser erkannt als Muster weniger deutlichen. Bei der Wahrnehmung und Bewertung digitaler Schnittmuster durch die verschiedenen Probandengruppen anhand Semantischer Differentiale sind folgenden Effekte beobachtbar: • Die Schnittmuster werden insgesamt reizorientiert wahrgenommen und bewertet. Die Intensität der Bewertung steigt nach der Instruktion • Es ist ein Zusammenhang zwischen Bewertungsintensität und Reizqualität zu beobachten • Die Experten nehmen die Schnittmuster insgesamt intensiver und differenzierter wahr als die Laien. Auch die Beurteilung fällt differenzierter und intensiver aus

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• Experten scheinen von der Instruktion in einem höheren Maße zu profitieren als Laien • Es sind Maskierungseffekte zu beobachten, d.h. bei der Wahrnehmung und Bewertung orientieren sich die Probanden auch nach der Instruktion primär an den Auffälligkeitsmerkmalen des Schnittmusters und weniger an den eigentlichen Schnittmustern. ›Schlechte‹ Schnitte können durch bewusste Maskierungen kaschiert werden Beim Erkennen und Bewerten prototypischer Schnittmuster sind die beiden Expertengruppen gegenüber den Laien deutlich im Vorteil. Darüber hinaus ist auch hier ein Zusammenhang zwischen Erkennensleistung und Reizqualität beobachtbar. Zudem verfügen die Experten im Vergleich zu Laien über ein erweitertes Repertoire an Wahrnehmungsstrategien.

7. Fazit Immanuel Brockhaus, Bernhard Weber

In dem hier vorgelegten Pilotprojekt haben wir versucht, das Phänomen digitaler Schnittmuster der Populären Musik sowie deren Wahrnehmung und ästhetische Bewertung interdisziplinär und multiperspektivisch zu beleuchten und zugleich alle relevanten Personengruppen in unsere Untersuchungen mit einzubeziehen. Im Hinblick auf die eingangs exponierten Fragestellungen können wir aus unseren Untersuchungsergebnissen Schlussfolgerungen ziehen.

Digitale Schnittmuster in der Populären Musik Die Unterschiede in der Erkennbarkeit der einzelnen Schnittkategorien sind beträchtlich. Während die digitale Stille ein vordergründiger und auffälliger Effekt ist, der selbst für Laien leicht erkennbar ist, gibt es Schnitttechniken, wie etwa das Klonen, die selbst Fachleute schwer erkennen können (vgl. Kapitel 3). Schnitttechniken werden dem Musikstil entsprechend angewendet. Produktionen mit vorwiegend elektronischen Klängen gehen radikaler und experimenteller mit den verschiedenen Möglichkeiten des Schnittes als künstlerisches Gestaltungsmittel um. Hier werden harte Schnitte, abgeschnittener Atem und digitale Stille als Verfremdungsmittel eingesetzt. In Produktionen mit der Betonung auf akustischen und natürlichen Klängen dienen Schnitte zur Optimierung des Gesamtergebnisses; vor allem die Praxis des Kompilierens findet am häufigsten Anwendung.

Entwicklungspotentiale Eine Weiterentwicklung der derzeit verwendeten Schnitttechniken wäre in folgende Richtungen denkbar:

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Digitale Stille Hier wäre es denkbar, die Dauer der Stille zu verlängern, um die musikalische Spannung zu erhöhen. Harte Schnitte Anstatt wie bisher auf der rhythmisch orientierten Eben mit harten Schnitten anzusetzen, könnte man diese Technik im Sinne des filmischen Szenencuts einsetzten. Die Orientierungsebene siedelt sich im binnenstrukturellen Bereich an. Weiterhin wäre diese Technik nicht nur an den Rändern gesungener oder gesprochener Worte oder gespielter Phrasen möglich, sondern auch inmitten derselben. Im experimentellen Bereich könnte die literarische ›Cut-Up-Technik‹ der 1960er Jahre1 auf die auditive Ebene übertragen werden. Abgeschnittener Atem Konventionell Schnittverfahren verstehen die Atemgeräusche als produktionstechnisches Abfallprodukt. Im Umkehrverfahren können diese Geräusche als eigenständiges musikalisches Material und strukturelles Gestaltungsmittel verwendet werden. Klonen Wie bei den vorangegangenen Schnitttechniken ist der musikalische Kontext von Bedeutung, in dem die Technik eingesetzt wird. Durch eine Ausweitung des Klonens von der separaten Audioregion auf ganze Songabschnitte könnte sich diese Technik zu einem völlig neuen und bewusst wahrnehmbaren Gestaltungsmittel entwickeln, dessen ästhetischer Reiz in der Art der sequentiellen Anordnung dieser Schnittmuster liegt. Kompilieren Auch hier wäre eine absichtlich ›schlechte‹ bzw. unkonventionelle Organisation der Audio Regionen als Mittel künstlerischen Ausdrucks möglich. Radikale Schnitte Die von uns entdeckten radikalen Schnitte befanden sich stets in Bezug zu einem rhythmischen Grundraster. Freimetrische oder asymmetrische 1 | Vgl. W. Burroughs.

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Schnitte wären eine weitere und innovative Form, eine solche Schnitttechnik gestalterisch einzusetzen. Fasst man die Analysen von Michael Harenberg und Marcel Sägesser zusammen, so hat sich der Schnitt im Übergang vom Analogen zum Digitalen in seiner grundsätzlichen Auswirkung nicht verändert. Der digitale Schnitt tritt heute in zwei Formen auf: als ein Verfahren zur klanglichen Optimierung von Songproduktionen und als ein künstlerisches Gestaltungsmittel. Der digitale Schnitt ist nicht destruktiv und das Audiomaterial zeigt keine physische Abnutzung. Ein Rückschritt in die analoge Ära in Bezug auf den Schnitt würde keinen Sinn ergeben, da der Gewinn an analogem Klangcharakter nicht im Schnitt, sondern im Klang des Mediums selbst verankert ist. Hinzu käme eine unflexible Handhabung. Die Aussage Stanley Kubricks, der Schnitt präge den Film wie kein anderes Werkzeug, trifft auf Populäre Musik nur in bedingtem Maße zu. In historischer Hinsicht verlief die Entwicklung des Schnitts in den auditiven und visuellen Medien in qualitativen Sprüngen, die wesentlich durch den technischen Fortschritt bestimmt waren. Diese Entwicklungen hatten auch einen essentiellen Einfluss auf die Ästhetik dieser Medien. Am nachdrücklichsten ist der Qualitätssprung in der Phase der Digitalisierung zu vernehmen. Eine gewisse Parallelität zwischen beiden Medien ist zwar existent, wenngleich dem Schnitt innerhalb des Mediums ›Film‹ einen wesentlich höherer gestalterischer Stellenwert zukommt. Eine weitere Einschränkung bezüglich der Vergleichbarkeit von Film und Ton ergibt sich auf der rezeptiven Ebene. Auf einer technischen Ebene bedeutet der digitale Schnitt einen qualitativen Sprung im Hinblick auf die künstlerisch-musikalischen Gestaltungsmöglichkeiten. In der derzeitigen Produktionspraxis bleibt die tatsächliche Anwendung weit hinter diesen Möglichkeiten zurück. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie neue Schnitttechniken aussehen könnten. Die Softwareindustrie liefert mit der Weiterentwicklung ihrer Produkte auch neue Werkzeuge, wie beispielweise Apples Logic Pro 9 mit dem ›Flex Tool‹, das den eigentlichen Schnitt zu umgehen versucht, indem man Teile aus Regionen einfach verkürzt, verlängert oder verschiebt. Dieser Vorgang beeinflusst jedoch die Transienten (plötzlich auftretende Einschwingungsereignisse, die sich nicht auf die Grundschwingung beziehen) und wirkt sich auf das Hörergebnis unnatürlich aus. Die Beein-

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flussung der Transienten könnte zu einer neuen Gestaltungsmöglichkeit avancieren. Die in der Hörerstudie eingesetzten Maskierungseffekte können in der Musikproduktion in zweifachem Sinne verwendet werden: Erstens können damit unvermeidliche Produktionsfehler ›kaschiert‹ werden und zweitens ist es möglich, den Wahrnehmungsfokus des Hörers (unbewusst) zu steuern.

Der Popmusikhörer Der durchschnittliche Hörer Populärer Musik (soweit es diesen überhaupt gibt) wird im Verlaufe seiner individuellen Hörbiographie auf die Klangästhetik des Mainstream-Pops konditioniert. Als Folge seiner Konditionierung bevorzugt er schnitttechnisch optimierte Fassungen vor unbearbeiteten und im Hinblick auf den dramaturgischen Spannungsbogen ununterbrochenen Versionen Der Einsatz digitaler Schnitttechniken zur klanglichen Optimierung beeinflusst somit die klangästhetischen Präferenzen des Hörers. Allerdings geschieht dies unbewusst, d.h. er kann seine Präferenz nicht begründen. Der Einfluss von sachbezogenen Informationen auf diese Präferenzen konnte in dieser Studie nicht nachgewiesen werden. Es ist hingegen möglich, die Wahrnehmung und ästhetische Bewertung der Schnittmuster durch entsprechende Instruktionen zu beeinflussen. Die Intensität der Urteilsänderung korrespondiert in der von uns untersuchten Stichprobe mit den makrostrukturellen Qualität des Musters und den rein produktionsbezogenen Vorerfahrungen des Hörers. Expertise scheint jedoch nicht nur die Stärke des Urteils zu beeinflussen, sondern zudem zu anderen und zu erweiterten Wahrnehmungsstrategien zu führen. Auch beim Erkennen prototypischer Schnittmuster bringt Expertise deutliche Vorteile im Hinblick auf die Anzahl der richtigen Urteile, auf die Urteilssicherheit sowie auf die Strategien, mit denen die Prototypen erkannt werden, mit sich. Alle Hörergruppen können von einer Instruktion profitieren, wenn auch nicht im gleichen Maße. Die Experten sind auch in diesem Bereich im Vorteil. Allerdings fördert die Belehrung grundsätzlich das Bewusstsein und die Sensibilität für das Phänomen des digitalen Schnittes.

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Die Produzenten und Tontechniker Die Teilnehmer am Diskussionsforum charakterisieren den Popmusikhörer als einen überwiegend emotionalen Hörer mit einer deutlichen medialen Affinität, der in der Popmusik über mögliche Idole nach Identifikationsangeboten sucht. Die diesen Hörer primär ansprechende musikalischen Elemente sind ›Sound‹ und ›Groove‹; alle weiteren Ausdrucksparameter sind zunächst einmal sekundär. Produzenten und Tontechniker stehen vielfach in einem Spannungsfeld zwischen Authentizität und Ökonomie. Sie würdigen das handwerkliche Können und die Ausdrucksfähigkeit der Interpreten und glauben an den ›magischen Moment‹ der Aufnahme. Durch eine intensive Zusammenarbeit mit den Künstlern können individuell abgestimmte und ausdrucksstarke Produktionen entstehen. In der Befragung der Produzenten und Tontechniker sieht die Mehrheit in der digitalen Produktionstechnik deutliche Bereicherungen gegenüber analogen Verfahren, die allerdings in klanglicher Hinsicht Vorteile bringen. Neben pragmatischen Gründen werden digitale Schnitttechniken in erster Linie zur (klanglichen) Optimierung des Songs und zur Fehlerkorrektur eingesetzt. Letztere liegen in letzter Konsequenz wirtschaftlichen Triebfedern zugrunde. Ingesamt verstärken diese Entwicklungen die bereits in den 1960er Jahre begonnene ästhetische Dichotomie zwischen einer Live-Performance und einer Studioaufnahme.

Ausblick Unser internationales und interdisziplinäres Forschungsprojekt hat allen Beteiligten und hoffentlich auch dem Leser interessante und differenzierte Einblicke in das ästhetische Phänomen digitaler Schnittmuster gewährt. Nicht minder interessant waren die mit vielen Kollegen geführten Fachdiskussionen. Aus unseren Ergebnissen aber auch aus diesen Diskussionen haben sich ebenso vielschichtige wie reizvolle Fragestellungen und Forschungsperspektiven für die Zukunft entwickelt. Nach einer ersten globalen Beschäftigung mit diesem Themenkomplex, fordern Folgeprojekte eine Fokussierung weiterer Untersuchungen. Im Bereich der Rezeption Populärer Musik liegt eine Folgestudie nahe, in der vor allem gedächtnispsychologische Aspekte näher analysiert werden sollten. In diesem Zusammenhang ginge es vor allem darum, die

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Unterschiede zwischen Laien und Experten vor dem Hintergrund ihrer rezeptiven und produktiven musikalischen Erfahrung deutlicher herauszuarbeiten. Ein weiterer Forschungsgegenstand wäre die Suche nach Zusammenhängen zwischen Reizstruktur und Wahrnehmungs- bzw. Gedächtnisleistungen. In unserer Studie haben wir uns ausschließlich mit dem digitalen Schnitt in der Populären Musik beschäftigt. Nur wenige ›Klassik-Hörer‹ sind sich bewusst, dass das digitale Schneiden in diesem Genre genauso zum Studioalltag gehört. Das Schneiden hat auch in der historischen Kunstmusik eine lange Tradition. Kultiviert hat diese Technik jedoch der Pianist Glenn Gould. Vor allem nach dessen endgültigen Wechsel vom Konzertsaal in das Studio im Jahre 1964 hat er sich intensiv mit den technischen Möglichkeiten und Grenzen des damals noch analogen Schnittes auseinandergesetzt. Er hat diese Bearbeitungstechnik darüber hinaus in einer bemerkenswerten Streitschrift2 (Gould 1987) vehement verteidigt und erste Hörexperimente dazu durchgeführt. Das Ziel bestand darin zu testen, in welchem Maße meine Versuchskaninchen in der Lage waren, den ›Einsatzpunkt‹ eines geklebten Bandabschnittes herauszufinden, ganz gleich, ob dieser nun ohne Sorgfalt oder nach allen Regeln der Kunst angelegt war. 3

In Anlehnung an die Schnittverfahren und Hörexperimente von Gould ergeben sich zahlreiche Perspektiven, die Wahrnehmung und Bewertung digitaler Schnittmuster in der sogenannten ›Klassischen Musik‹ zu untersuchen. In der Produktion Populärer Musik bietet sich eine Weiterentwicklung bisheriger und zukünftiger Schnitttechniken an. Wie unsere Untersuchungen ergaben, liegen die derzeitigen Anwendungen in der Studiopraxis weit hinter den technischen Möglichkeiten zurück. Besonders unter dem Signum postmoderner Ästhetik, welche »Pluralität«, Heterogenität und »Transversalität« propagiert und zu deren Schlüsselbegriffen »Mehrfachkodierung«, »Rekontextualisierung« und »Interdiskursivität« zählen4 , ergeben sich neue Impulse für kreative und innovative Umgangsformen 2 | Gould 1987. 3 | Gould, 1987, S. 171. 4 | Vgl. Welsch 1998.

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durch neue und digitale Produktionstechnologien5 . Zudem verschmelzen in der Populären Musik zunehmend auditive und visuelle Ausdrucksformen zu einer medialen Einheit. Auch vor diesem Hintergrund eröffnen sich weitere künstlerisch-ästhetische Optionen. Natürlich berühren die Ergebnisse unseres Pilotprojektes ebenso pädagogische Kontexte. Hier wäre an allererster Stelle die Didaktik Populärer Musik zu nennen, die sich besonders seit den 1980er Jahren einer oft reflexionslosen Reproduktion von vereinfachten Popsongs verschrieben hat. Die unterrichtspraktische Auseinandersetzung mit digitalen Schnittmustern bietet dazu eine sinnvolle Erweiterung zum bisherigen Methodenrepertoire. In einem hochschuldidaktischen Kontext ergänzen digitale Schnittmuster die bisherigen Inhalte des konventionellen Gehörbildungsunterrichts und – nicht zuletzt – können die selbstproduzierten Schnittmuster sowie die Beispiele prototypischer Schnitttechniken als Schulungsmaterial für zukünftige Tontechniker dienen. Eine diesbezügliche Erweiterung der Musikbeispiele im Rahmen einer entsprechenden Publikation ist angedacht.

Coda … Auf der Basis unserer Forschungsergebnisse und vor dem Hintergrund der allgemeinen Entwicklungen im rezeptiven Umgang mit Musik, wird Adornos ›Hörexperte‹ (siehe Einleitung), was seine gesellschaftliche Relevanz anbelangt, weiterhin im Bereich des Utopischen verweilen. Durch die moderne Rezeptionspsychologie werden Adornos diesbezügliche Aussagen bestätigt: »Dieser Typus dürfte (auch) heute einigermaßen auf den Kreis der Berufsmusikers«6 und in unserem Falle auf den des Berufsproduzenten beschränkt sein. Denkbar wäre in jedem Fall ein neuer Typus des ›aufgeklärten‹ und ›kritischen‹ Hörers. Diese Aussicht legen unsere Testergebnisse und zahlreiche Gespräche nahe, die mit den Versuchspersonen nach dem Test geführt wurden. Mehrheitlich vertraten sie den Standpunkt, dass sich ihr Hörverhalten nach der Instruktionsphase verändert hat. Konkretisieren lässt sich dies jedoch nur, wenn der kritische und reflexive Umgang mit Musik (wieder) Eingang in musikalische Bildungsprozesse fin5 | Weitere Impulse dazu, siehe Kapitel »Identität im Übergang« (Welsch 1998, S. 168ff). 6 | Adorno 1968, S. 18.

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det. Wie es allerdings mit der musikalischen Bildung derzeit bestellt ist, ist allgemein bekannt und muss an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden. Erstrebenswert und in jedem Fall möglich ist ein ästhetischer Diskurs um die Qualität des Produzierens, um die berufliche Ethik von Produzenten und Tontechniker sowie um den rezeptiven Umgang mit Populärer Musik. Den grundlegenden Impuls dazu möchten wir mit dieser Schrift liefern. Bern und Lübeck im Dezember 2009

8. Literatur

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I NTERNE TLINKS (6. Januar 2010) Ishkur’s Guide to Electronic Music http://techno.org/electronic-music-guide/ Forum für Toningenieure und Produzenten www.gearslutz.com Recording Forum http://recording.de Recording Forum http://forum.soundandrecording.de Vintage Keyboards www.keyboardmuseum.org Vintage Synthesizer www.vintagesynth.com Vintage Computer www.vintage-computer.com JIM-Studie (Jugend – Information – Multimedia) des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest www.mpfs.de/index.php?id=5 Neue Studie von UK-Music: Musik-Konsumverhalten von Jugendlichen www.datenreset.de/2009/08/11/neue-studie-von-uk-music-musikkonsumverhalten-von-jugendlichen/

9. Die Autoren

Immanuel Brockhaus (Idee, Konzept und Herausgeber) Pianist, Keyboarder und Komponist. Jazzstudium an der Swiss Jazz School Bern. 1985 -1990 Dozent an der Musikhochschule Freiburg i.B. und an der Jazz & Rockschule Freiburg. 1990 – 1993 Dozent am Konservatorium Bern und von 1990 – 1997 an der Swiss Jazz School Bern. Seit 1998 Dozent an der Hochschule der Künste Bern (HKB) für Instrument, Theorie, Ensemblespiel und Musiktechnologie. Aufbau des Studiengangs Musik und Medienkunst. Aufbau und Leitung des Studiengangs Popmusik. Zahlreiche Jazzworkshops in Deutschland und der Schweiz. Tätig als Studiomusiker in verschiedensten Stilistiken. Zahlreiche CDEigenproduktionen. Theatermusik, Multimediale Projekte an der Biennale Bern. Buchautor »Der Piano & Keyboardprofi« (erschienen 2008) und der Bandbücher »Funk Jam«, »House Jam« und »Acid Jam« 2010. Immanuel Brockhaus beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit der Produktion von Popmusik auf analogen und digitalen Systemen und ist eng mit verschiedensten Produktionstechniken vertraut. Sein besonderes Interesse liegt auf den verschiedenen Bearbeitungsmöglichkeiten von Audio und deren Auswirkung auf die Hörwahrnehmung. www.immanuelbrockhaus.ch Bernhard Weber (Mitherausgeber, Empirische Untersuchung) Bernhard Weber hat in Freiburg studiert und hat nach seinem Referendariat als Musiklehrer im Raum Stuttgart gearbeitet. Im Rahmen eines Förderprogramms für den wissenschaftlichen Nachwuchs des Landes Baden-Württemberg wurde er 1995 als Dozent für Musikdidaktik an die Pädagogische Hochschule Freiburg abgeordnet. Nach Abschluss seines Diplomstudiums, promovierte Weber bei Prof. Dr. W. Gruhn und Prof. Dr. M. Fuchs über das Thema »Neue Musik und Vermittlung«. Zwischen 2002

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und 2007 war er an der Universität Paderborn im Fach Musik tätig. Dort lehrte er in den Lehramtsstudiengängen sowie im Studiengang »Populäre Musik und Medien«. Seit 2003 ist Weber regelmäßiger Gastdozent an der Hochschule der Künste in Bern im Studiengang im Studiengang MAS Pop. 2008 wurde er als Professor für Musikpädagogik an die Musikhochschule Lübeck berufen. Er leitet dort das Institut für Schulmusik. Derzeitige Schwerpunkte seiner Arbeit sind Musikpsychologie (Rezeptions- und Lernforschung), Geschichte und Didaktik Populärer Musik, Didaktik digitaler Medien und projektorientiertes Lernen. Neben verschiedenen Forschungsprojekten beschäftigt er sich mit der Entwicklung postmoderner Lernkulturen. www.mh-luebeck.de/index.php?id=bernhard-weber Dr. Michael Harenberg Musik- und Medienwissenschaftler, Komponist. Studierte systematische Musikwissenschaft in Gießen und Komposition bei Toni Völker in Darmstadt. Promotion zum Thema »Virtuelle Instrumente im akustischen Cyberspace. Poietische Dimensionen musikalischer Medialität« bei Prof. Dr. Georg Christoph Tholen, Universität Basel im Fach Medienwissenschaft. Beschäftigt sich kompositorisch wie theoretisch mit digitaler Audio-Kultur und computergenerierter Musik im Rahmen instrumentaler, installativer sowie improvisierter Musik. Harenberg ist Dozent für Musikalische Gestaltung und Medientheorie sowie Leiter des Studiengangs Musik und Medienkunst. www.hkb.bfh.ch/persoenlich.html?&tx_newloginbox_pi3[showUid]=107 Marcel Sägesser Komponist und Medienkünstler, lebt und arbeitet in Bern. Er studierte Musik und Medienkunst bei Daniel Weissberg und Michael Harenberg an der Hochschule der Künste Bern. Aktuell absolviert Saegesser ein Kompositionsstudium an der Zürcher Hochschule der Künste bei Kaspar Ewald und Germán Toro-Pérez. www.marcelsaegesser.com/

10. Anhang

TESTUNTERL AGEN Allgemeine Hinweise Die Versuchspersonen (Vpn) dürfen vor dem Testverfahren nur ganz allgemein über dessen Inhalt in Kenntnis gesetzt werden. Findet die Befragung an einer größeren Institution (z.B. Schule) statt, sollten die Teilnehmer erst dann umfassend informiert werden, wenn die Befragung an der Institution abgeschlossen ist. Am besten instruiert man die Teilnehmer vor dem Test mittels einer Folie (siehe unten). Die Vpn (etwa 20) pro Testverfahren sollten sich akustisch optimal vor den beiden Lautsprechern platzieren. Ideal sind 4 oder 5 Stuhlreihen mit 5-6 Stühlen, dabei ist der Abstand zwischen den Stühlen so zu wählen, dass der Testbogen des Nachbarn nicht eingesehen werden kann. Der Testbogen besteht aus drei Teilen (A, B und C), die den Teilnehmern nacheinander ausgeteilt werden (siehe Testablauf). Wichtig ist, dass alle Testbögen vorher nummeriert werden. Wichtig ist weiterhin, dass die Testpersonen stets die gleiche Nummern haben. Während des Tests sollte nicht gesprochen werden. Der Test dauert ca. 90 min.

Testablauf • Information der Teilnehmerinnen und Teilnehmer mittels der Folie (siehe unten). • Austeilen des ersten Testbogens (Teil A). • Ausfüllen des Bogens, evtl. Fragen gleich klären! • Einsammeln der Testbögen.

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• Austeilen des zweiten Testbogens (Teil B). • Bogen komplett lesen lassen, evtl. gleich Fragen klären. • Präsentation der Musikbeispiele, CD-Track 1 + 2 ­ Zeit zum Ausfüllen lassen! • Wichtiger Hinweise zur Frage 3: »Bei einigen Adjektiven wird es Ihnen vielleicht schwer fallen, ein Urteil abzugeben. Antworten Sie trotzdem einfach so, wie es Ihrem spontanen Gefühl am ehesten entspricht.« • Präsentation der Musikbeispiele, CD-Track 3 – 7 ­ Zeit zum Ausfüllen lassen; evtl. die Nummerierung vor dem Abspielen des Musikbeispiels nochmals nennen. • Einsammeln der Testbögen ­ bei Bedarf, Mitwirkende motivieren bzw. ermutigen. • Austeilen des dritten Testbogens (Teil C). • Instruktion: Seite 1 komplett lesen lassen, evtl. Fragen gleich klären. • Präsentation der Musikbeispiele, CD-Track 8 – 14. • Aufgabe 7 lesen, Präsentation der Musikbeispiele, CD-Track 5 und 6. • Präsentation der Musikbeispiele, CD-Track 3 – 5 zu Frage 8. • Frage 10 lesen, Präsentation der Musikbeispiele, CD-Track 15 – 20. • Einsammeln der Testbögen. • Danksagung!

10. A NHANG

I NSIDE THE C UT. S TUDIE ZUR W AHRNEHMUNG POPUL ÄRER M USIK Inhalte Studie • Sozialstatistische Daten (Alter, Beruf …) • Fragen zu Ihren Hörgewohnheiten und zu Ihren musikpraktischen Erfahrungen. • Hörtest • Belehrung • Hörtest

Hinweise zum Ausfüllen des Fragebogens • Beantworten Sie bitte alle Fragen. • Antworten Sie möglichst spontan und in der vorgegebenen Reihenfolge. • Bei den meisten Fragen sind die Antworten nur anzukreuzen. Bei einigen offenen Fragen sind die Antworten selbst zu formulieren. • Bitte füllen Sie den Testbogen wirklich alleine aus, da die Ergebnisse sonst verfälscht werden. • Die Befragung erfolgt anonym und nach den gesetzlichen Datenschutzbestimmungen. Die Daten werden so ausgewertet, dass keine personenbezogenen Rückschlüsse möglich sind.

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Trackliste der CD-Beilage 1. Optimierte Version 2. Nicht optimierte Version 3. Digitale Stille 4. Harte Schnitte 5. Abgeschnittener Atem 6. Klonen 7. Kompilieren 8. Belehrung abgeschnittener Atem 9. Belehrung digitale Stille 10. Belehrung Kompilieren 11. Belehrung harte Schnitte 12. Belehrung Klonen 13. Belehrung nicht optimierte Version 14. Belehrung optimierte Version 15. Prototyp. Schnitte abgeschnittener Atem 16. Prototyp. Schnitte digitale Stille 17. Prototyp. Schnitte Kompilieren 18. Prototyp. Schnitte harte Schnitte 19. Prototyp. Schnitte Klonen 20. Prototyp. Schnitte radikale Schnitte

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G LOSSAR Abmischung ­ siehe Mischung.

Act, engl. für Akt, Nummer, bezeichnet in der Musikindustrie eine Band oder einen Interpreten. Ad Lib., lat. Abkürzung für Ad Libitum, bedeutet, dass es freisteht, eine Ausschmückung anzubringen. Im Popbereich meist der ­Fade-Out Teil eines Songs, in dem der Lead-Gesang improvisatorisch den Refrain ausschmückt. A/D-Wandler , Analog/Digital-Wandler; wandelt analoge in digitale Signale. Er ist die Schnittstelle zwischen analogen Signalquellen (z.B. einem Mikrofon) und der digitalen ­ DAW, die das gewandelte Audiosignal aufnehmen und speichern kann. Ambient, ein Stil der elektronischen Musik. Ursprünglich war es eine sphärische, warme Musik bestehend aus langgezogenen Instrumentalklängen, Außenaufnahmen oder elektronisch erzeugten Klängen, die fließend ineinander übergehen. Seit den 1990er Jahren bezeichnet Ambient auch ein Stil der elektronischen Tanzmusik, die gleichermaßen langatmig und atmosphärisch ist, jedoch um elektronisch erzeugte Perkussion erweitert wird. Audio , lat. für »ich höre«, Sammelbezeichnung für alle Geräte und Funktionen, die zur Aufnahme und Übertragung bzw. Wiedergabe des hörbaren Frequenzbereichs (ca. 20 bis 20.000 Hz) dienen. (Enders, 1987) Audiofile , eine in digitaler Form gespeicherte Audioaufnahme. Ein Audiofile kann in beliebigem Format (z.B. AIFF, WAV, MP3 etc.) auf einem beliebigen digitalen Datenträger vorliegen (z.B. auf der Festplatte, einer CD oder DVD, einem USB-Stick, einer Flashkarte etc.) Audio-Interface ­ siehe Interface. Audiophil , das lateinische ­ Audio mit der griechischen phil-Endung, die für »Freund« steht. Bezeichnet 1. Menschen, die beim Musikhören gute

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Klangqualität wertschätzen, 2. Geräte zur Audio-Wiedergabe, die so gebaut sind, dass sie den Klang möglichst naturgetreu wiedergeben, 3. AudioSpeichermedien, die den Klang in hoher Qualität speichern können (z.B. SACD, Audio-DVD etc.). Audio-Sequencer ­ siehe Sequencer. Aufnahmesession ­ siehe Session. Bastard Pop ­ siehe Mash-up. Beat, bezeichnet in der Musik eine Zählzeit im musikalischen Metrum, wird mit Schlag ins Deutsche übersetzt. In den 1950er Jahren steht BeatMusik für rhythmusbetonte Pop- und Jazzmusik der Jugendkulturen. Beat dient seither auch als Sammelbezeichnung für frühe Formen der Popmusik und des modernen Schlagers. In einer weiteren Bedeutung steht Beat auch für eine Schlagzeugfigur in populärer Musik (Drumbeat). Cher-Effekt , meint den absichtlich übertriebenen und hörbaren Einsatz von ­ Plug-ins zur Tonhöhenkorrektur. Solche Plug-ins sind beispielsweise Auto-Tune von Antares oder Intonator von t.c. electronic, die eine Aufnahme nachträglich in der Tonhöhe korrigieren können. Der exzessive Einsatz solcher Plug-ins wird deshalb als Cher-Effekt bezeichnet, da Cher 1998 in ihrem Hit »Believe« die Strophe nur auf einem Ton eingesungen hat und die Melodie nachträglich mit einem Plug-in künstlich erzeugt wurde, was nicht dem ursprünglichen Verwendungszweck dieser Plug-ins entspricht und musikalisch interessante Artefakte erzeugt. Clicks & Cuts, ein Stil der experimentellen elektronischen (Tanz-)Musik, die sich in den späten 1990er Jahren entwickelte. Clicks ist eine Musik, welche die klanglichen Artefakte digitaler Audio-Editierung als ihr eigentliches Klangmaterial verwendet. Störgeräusche, die bei jeder anderen Musik säuberlich entfernt werden, bilden hier die Grundlage. Der Name Clicks & Cuts nimmt Bezug auf den (hörbaren) Schnitt wie auf die Knackser, die im ­ Sequencer bei einem unsauberen Schnitt entstehen. Essentiell für diese philosophisch am französischen Poststrukturalismus von Gilles Deleuze orientierte Musik war das deutsche Label Mille Plateaux, gegründet

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von Achim Szepanski, das an der Verbreitung und an der Besprechung von Clicks & Cuts wesentlich beteiligt war. Crossfade , engl. für Kreuzblende, dabei wird von einem Klang in einen anderen übergeblendet. Das Crossfade war bereits beim Tonband wie auch beim analogen ­ Mischpult üblich. In jeder gängigen ­ DAW bzw. jedem ­ Sequencer existiert ein Crossfade-Werkzeug oder -Befehl. D/A-Wandler, Digital/Analog-Wandler, wandelt digitale in analoge Audiosignale. Er ist beispielsweise die Schnittstelle zwischen der digitalen ­ DAW und den Lautsprechern, die das gewandelte analoge Signal wiedergeben können. DAW , Abkürzung für Digital Audio Workstation, eine computerbasierte Umgebung zur Aufnahme, Editierung und Wiedergabe von ­ Audio. Gängige DAWs sind ProTools, Cubase, Logic etc. DSP, Abkürzung für Digital Signal Processor, engl. für digitaler Signalprozessor. Ein DSP verarbeitet die gerasterten und zeit- wie wertediskreten digitalen Daten in Echtzeit. In einer ­ DAW verarbeiten sie digitale AudioDaten. Meist dient der Rechner als DSP für die Audio-Software. Es gibt jedoch einige Software, welche die Signalverarbeitung in externe DSP’s auslagern kann, um den Host-Rechner zu entlasten, wie es beispielsweise ProTools HD handhabt, um mehr Prozessorleistung für Plug-Ins und Spuren zur Verfügung zu haben. Editing, engl. für Bearbeitung, steht in der Musikproduktion für das Bearbeiten von analogen wie digitalen Aufnahmen. Insbesondere ist damit der Prozess des Schneidens gemeint (auch der Filmschnitt wird als Editing bezeichnet). Elektronika, auch Electronica, Sammelbegriff für verschiedene Stile elektronischer Musik und elektronischer Tanzmusik, der nicht einheitlich gebraucht wird. Die als Elektronika bezeichnete Musik verbindet eine mehr oder weniger experimentelle Herangehensweise bei ihrer Entstehung oder ein ungewöhnliches klangliches Resultat jenseits des Mainstreams.

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Fade-In, engl. für Einblendung, meint die Dynamikkurve beim Einblenden eines Klanges aus der Stille. Dies kann mit analogen wie auch mit digitalen Mitteln erreicht werden. Fade-out, engl. für Ausblendung, meint die Dynamikkurve beim Ausblenden eines Klanges in die Stille. Dies kann mit analogen wie auch mit digitalen Mitteln erreicht werden. Field-Recorder, auch Digitalrekorder oder MP3-Rekorder, ein portables Aufnahmegerät für Klang, das für Außenaufnahmen (insbesondere im Film) verwendet wird. Es beinhaltet meist zwei oder mehr Mikrofonvorverstärker und ist batteriebetrieben. Als Speichermedium hat früher oft die digitale DAT-Kassette gedient, die von mechaniklosen Flashspeichern verdrängt wurde. Flash-Recorder, ist ein ­ Field-Recorder, der als Speichermedium für die Aufnahmen eine Flashkarte benutzt. Harddisk Recording, dabei wird Audio digital aufgenommen und – im Gegensatz zum Sampling, sowie zum analogen Aufnehmen auf Tonbandmaschinen – in digitaler Form auf einer Festplatte gespeichert. High-End, auch Hi-End, der höchste verfügbare Entwicklungsstand einer Technologie zur Aufnahme, Speicherung, Übertragung und Wiedergabe von Audio. High-End-Geräte sind so gebaut, dass sie eine überragende Klangqualität bieten können. Diese professionelle Geräteklasse ist normalerweise um ein Vielfaches teurer als ähnliche auf dem Massenmarkt erhältliche Geräte. Hook, auch Hook-Line, eine meist kurze melodische Phrase in Verbindung mit einem prägnanten Liedtext, die ein Musikstück charakterisiert und seinen Wiedererkennungswert ausmacht. Der Hook findet in der Pop/Rockmusik Verwendung. In den meisten Fällen ist der Hook die gesungene Melodiephrase des Refrains. House, ein Stil der populären elektronischen Tanzmusik, der sich durch einen vom Drumcomputer erzeugten Rhythmus im Viervierteltakt im

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Tempo 120-130 auszeichnet. House entstand in den 1980er Jahren in Detroit, USA und ist verwandt mit Techno. Insert-Effekt , Signalfluss für ­ Plug-ins, die direkt in das Nutzsignal eingeschleift werden. Beim analogen Mischpult spricht man genauso von Insert-Effekten wie auch im digitalen ­ Sequencer. Beim Insert-Effekt wird – im Gegensatz zum ­ Send-Effekt – das ganze Signal in das Plugin geleitet. Dynamik-Effekte wie Kompressoren und Expander und auch Filter und Equalizer werden als Insert-Effekte eingeschleift. Interface , engl. für Schnittstelle, 1. Schnittstelle zwischen dem Mensch und dem zu steuernden Geräte, beispielsweise sind Maus und Tastatur das Interface für die Bedienung eines Rechners. Zur Steuerung von ­ Sequencern wurden zusätzlich zu Maus und Tastatur spezielle Interfaces entwickelt, z.B. Fader-Controler, Mischpult-Controller etc., die am Rechner eine dem vordigitalen Zeitalter nachempfundene haptische Wahrnehmung ermöglichen. 2. Das Audio-Interface ist ein Gerät, das analoge in digitale Audiosignale et vice versa wandeln kann, ein sogenannter ­ A/D- bzw. ­ D/A-Wandler. Es ist die Schnittstelle zwischen (analoger) Signalquellen und der (digitalen) ­ DAW zur Aufnahme von Audio bzw. zwischen der (digitalen) DAW und den (analogen) Lautsprechern zur Wiedergabe von Audio. Jam, auch Jamsession, im Jazz, Blues oder Hip-Hop ein Improvisieren im Kollektiv, wobei die Musiker, die sich daran beteiligen, nicht fest zusammen in einer Band musizieren. Kompression (engl. Compression), das Absenken der Dynamik eines Audiosignals. Dazu wird das Signal insgesamt verstärkt und alle Signalspitzen, die einen regelbaren Schwellwert übersteigen, werden zurückgeregelt. Leise Stellen werden demzufolge lauter, laute Stellen werden leiser gemacht. Kompression wird im Pop/Rock auf fast alle Instrumente wie auch auf den Gesang angewendet, um der Musik umgangssprachlich mehr »Druck« bzw. mehr »Durchsetzungskraft« zu verleihen. Konsole , ein großes ­ Mischpult.

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Lick, im Pop/Rock eine von der E-Gitarre, Bass oder Keyboards gespielte kurze Phrase, die oft repetiert wird und ein Musikstück charakterisieren kann. Licks von bekannten Popmusikgrößen werden gerne kopiert und weiterverarbeitet. Loop, engl. für Schleife, ein ­ Sample, das im ­ Sequencer mittels Loopwerkzeug mehrmals kopiert und hintereinander angeordnet wird, sodass das Sample repetiert wird. Im Normalfall ist ein Loop so geschnitten, dass er sich in seiner Repetition lückenlos in ein Musikstück einfügt (z.B. ein Schlagzeug-Loop) In der experimentellen Musik werden gerne Loops verwendet, die bezüglich der Länge oder des Tempos gerade nicht zum Stück passen und eine asynchrone Wirkung erzeugen. Der Loop hat seinen Ursprung beim analogen Tonband, wo Tonbandstücke manuell zu Schleifen zusammengeklebt wurden, worauf sie endlos repetiert wurden. Der Loop ist ein Verfahren, der in verschiedenste Musikstile nicht nur Einzug gefunden hat, sondern sie sogar charakterisiert: Hip-Hop, elektronische Tanzmusik, oft Popmusik. Mainstream , kultureller Geschmack einer großen Mehrheit, im Gegensatz zu Subkulturen. Unter Mainstream-Musik versteht man populäre Musik mit den größten Verkaufs- und Downloadzahlen. Mash-Up , Synonym: Bastard Pop, Stücke, die collageartig aus der Musik anderer zusammengesetzt sind. Beispielsweise eine Gesangsphrase aus einem alten Hit, die mit den Instrumentalspuren eines anderen Songs gemischt werden. Aus unterschiedlichen Stilistiken wird ein neuer Stil gemacht. Remix ist ein offenerer Begriff und meint eine neue, veränderte Abmischung eines Songs. Ob dabei überhaupt noch Material vom ursprünglichen Song vorkommt oder nur noch Artefakte und neues Material verwendet werden, ist offen. Master, auch Premaster , das fertige klangliche Ergebnis eines Musikstücks oder eines ganzen Albums, nachdem es die ­ Mischung und das ­ Mastering durchlaufen hat. Der Master dient als Ausgangspunkt für die Herstellung von Audio-CDs. Mastering , der letzte Arbeitsschritt der Musikproduktion, der dazu dient, das Musikstück gut klingen zu lassen. Dazu wird der fertige ­ Mix als ein

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Stereo-Audiofile mittels ­ Kompression in der Dynamik optimiert und je nach Bedarf werden fehlende Frequenzanteile (z.B. die Bässe) angehoben oder abgesenkt. Nach dem Mastering wird ein Premaster erstellt, die Vorlage, um danach die CD in Masse zu pressen. MIDI, Abkürzung für Musical Instrument Digital Interface, eine standardisierte, digitale Schnittstelle, die zur Verbindung und gegenseitigen Steuerung von elektronischen Instrumenten und Geräten dienen kann, sofern die dazu benötigten Steuersignale der betreffenden Geräte in digitaler Form ausgegeben oder empfangen werden können, sodass ein Austausch der entsprechenden Daten möglich ist. Ermöglicht wird z.B. das Spiel mit mehreren, miteinander gekoppelten Synthesizern, die von nur einer Tastatur gesteuert werden. Oder ein ­ Sequencer bzw. ein Computer steuert angeschlossene Synthesizer und Rhythmusgeräte oder speichert umgekehrt alle Daten dieser Geräte usw. Es können auch Geräte und Instrumente verschiedener Hersteller miteinander kooperieren. (Enders 1987) MIDI-Sequencer, ein ­ Sequencer, der nur mit ­ MIDI umgehen kann und kein ­ Audio verarbeitet. Diese existieren heute kaum noch, sie waren in den 1970er und 1980er Jahren üblich, als die Rechner noch zu wenig leistungsstark waren, um Audio zu verarbeiten. Mischung, Bezeichnung für die Herstellung des endgültigen Klangresultats einer Mehrspuraufnahme, bei dem die mit einer mehrkanaligen ­ DAW auf unabhängige Spuren im ­ Sequencer aufgezeichneten Klangereignisse in ein meist stereophones Audiofile umgerechnet werden. Da die einzelnen Sequencerspuren über ein virtuelles ­ Mischpult geführt werden, besteht die Möglichkeit, Lautstärkenverhältnisse, die räumliche Positionierung der Klangquellen im Klangbild, die Art der ­ Plug-ins u.v.m. für das endgültige Resultat festzulegen. Zur Orientierung wird zunächst häufig eine Probemischung (engl. Rough Mix) angefertigt. Die Mischung ist ein extrem wichtiger Vorgang bei der Produktion eines Musiktitels, da hierbei über das endgültige Klangbild, über den gewünschten Sound, letztlich über das gesamte Arrangement entschieden wird. In weitem Umfange können klangfarbliche Aspekte, sämtliche Klangeffekte (­ Plug-ins) wie Hall, Echo, Flanging etc., die nachträgliche Dynamisierung oder dynamische Begrenzung einer Aufnahme und sogar die erklingende

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Tonhöhe eines Instruments gezielten Veränderungen unterworfen werden. (nach Enders, 1987) Mischkonsole, ­ siehe Mischpult. Mischpult (engl. Mixer), 1. elektronisches Gerät zum rückwirkungsfreien Zusammenfügen, Mischen, Verteilen und klanglichen Beeinflussen mehrerer Klangquellen verschiedener Herkunft. Ein voll ausgebautes Mischpult gestattet außer der differenzierten Anpassung und Regelung der Lautstärkenverhältnisse i.a. auch die räumliche Positionierung der Klangsignale im stereophonen, quadrophonen oder mehrkanaligen Klangbild sowie im Zusammenspiel mit Klangregelung und Effektgerät eine weit reichende Manipulation der Klangcharakteristik der übertragenen Klänge. (Enders, 1987) 2. Mischpult bzw. Mixer bezeichnet zudem im ­ Sequencer das virtuelle Mischpult am Bildschirm, mit dem die einzelnen Audiosignale in den Spuren des Sequencers zusammengeführt und geregelt werden. Der virtuelle Mixer ist nicht nur in seiner Funktionsweise, sondern bei den meisten Sequencern auch im Aussehen seinem analogen Vorbild nachempfunden. Mix ­ siehe Mischung. Mixdown ­ siehe Mischung. Monitoring , akustisches Kontrollsystem mit Lautsprechern, Kopfhörern oder Ohrhörern (In-Ear) für den Live- und Studiobetrieb, bei denen die beteiligten Musiker ihr eigenes Tonsignal sowie die Signale der Mitmusiker steuern können. MP3, ein Dateiformat für digitale Audiodaten. Im Gegensatz zu Formaten wie AIFF oder WAV ist MP3 ein Verfahren, bei dem die Audiodaten komprimiert werden und das qualitative Verluste mit sich bringt. Multitrack-Recorder , analoges elektronisches Gerät zur gleichzeitigen Aufzeichnung mehrerer Audiosignale auf verschiedene Spuren. Das Speichermedium war in der Regel das analoge Tonband bzw. die analoge mehrkanalige Audiocassette. So war es möglich, eine ganze Band in einem Durchlauf aufzunehmen und trotzdem die Signale der einzelnen

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Instrumente auf unabhängige Spuren aufzuzeichnen, was ein differenziertes Nachbearbeiten ermöglichte. Ein heutiger ­ Sequencer, sofern er mit einem mehrkanaligen ­ Audio-Interface ausgestattet ist, macht dieses gängige Verfahren ebenso möglich, nur ist die Bezeichnung MultitrackRecorder nicht mehr in Gebrauch. Multitrack-Recording , Aufnehmen von Audio auf mehr als zwei Spuren mittels eines ­ Multitrack-Recorders. Nulldurchgang, der Zeitpunkt, bei welchem ein Audiosignal den Betrag Null hat, oder anders ausgedrückt, der Zeitpunkt, bei welchem eine Schwingung die x-Achse kreuzt. Eine periodische Schwingung, z.B. ein Sinuston, hat zweimal pro Schwingungsperiode einen Nulldurchgang. Der Nulldurchgang ist der einzige Ort in einem ­ Audiofile, an dem geschnitten werden kann, ohne dass ein Knackser entsteht. Aus diesem Grund bieten die meisten Audioprogramme die Möglichkeit, Nulldurchgänge automatisch zu detektieren und im Falle eines Schnitt-Befehls diesen automatisch beim nächstgelegenen Nulldurchgang auszuführen. Overdub, ein Aufnahmeverfahren, bei dem mehrere Instrumente nacheinander auf immer eine neue Spur aufgenommen werden, wobei die bereits aufgezeichneten Spuren mitgehört werden können. Diese Methode erlaubt eine separate Nachbearbeitung und hat darüber hinaus den Vorteil, dass die Instrumente vollständig räumlich getrennt vorliegen – obwohl nur ein realer Aufnahmeraum dafür notwendig ist. Vor allem aus letzterem Grund hat sich diese Methode im Pop/Rock als Standard etabliert. Panning, die räumliche links-/rechts-Positionierung einer Klangquelle im in der Regel stereophonen Klangbild, beispielsweise bei der ­ Mischung. Pattern, engl. für Muster, meint in der Musik eine meist periodische rhythmische, harmonische oder melodische Struktur, die als identifizierbare Einheit erhalten bleibt. Pitch Correction, das nachträgliche Korrigieren von gesungenen oder gespielten Tonhöhen in digital aufgenommenem Audiomaterial. Es gibt verschiedene ­ Plug-ins für Pitch Correction, beispielsweise Auto-Tune von Antares, Intonator von t.c. electronic oder Melodyne von Celemony.

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Pitchshifting, Tonhöhenveränderung von aufgenommenem Audiomaterial. Früher wurde dieser Effekt durch das Verlangsamen oder Beschleunigen der Tonbandgeschwindigkeit erreicht, heute existieren dafür ­ Plugins. Plug-In, auch Plugin, sind kleine spezialisierte Programme in einem genormten Format, die das Leistungsspektrum von ­ Sequenzern erweitern können. Es gibt eine Vielzahl an Herstellern, deren Plug-Ins in allen ­ Sequencern verwendet werden können. Die existierenden standardisierten Plug-in-Formate sind z.B. RTAS, VST oder AU. Plug-Ins können jede denkbare Erzeugung oder Bearbeitung von Audiomaterial übernehmen, die Palette reicht von Instrumenten, Hall-Dynamik oder Filter-­ Effekten bis hin zu Spezial-Plug-ins wie der ­ Pitch Correction oder ­ Masteringtools etc. Preamp , auch Preamplifier , engl. für Vorverstärker. Ein Verstärker, der z.B. als HiFi-Gerät die von Tuner oder CD-Player etc. kommenden Signale auf einen Pegel anhebt, der von einem Endverstärker weiterverarbeitet werden kann. Auch im Instrumentenverstärker und im ­ Mischpult werden Vorverstärker benötigt, da die von elektrischen Instrumenten wie der E-Gitarre oder die vom Mikrofon abgegebene Spannung ebenfalls sehr klein ist und vom Endverstärker nicht direkt weiterverarbeitet werden kann. (Enders, 1987) Preset, Bezeichnung für eine vorgegebene, gespeicherte Einstellung, beispielsweise in einer Software. Konkret kann es sich dabei bei einem Synthesizer um eine vorprogrammierte und abrufbare Klangfarbe handeln, bei einem Filter-Plug-in um eine voreingestellte Filtercharakteristik. Normalerweise liefern Hersteller von Softwareinstrumenten oder ­ Plug-ins eine große Zahl an Presets mit. Fortgeschrittene Benutzer können auch eigene Einstellungen als neue Presets abspeichern, um sie später wieder verwenden zu können. Punch-in/Punch-out, engl. Bezeichnung für das direkte Umschalten eines laufenden Tonbandgeräts oder Sequencers (d.h. eines oder mehrerer Kanäle) von Wiedergabe auf Aufnahme und umgekehrt, ohne dass es nötig ist, dafür das Band bzw. den Sequencer zu stoppen. Auf diese Weise wird z.B. das nahtlose Einfügen einer neuen Klangaufzeichnung in eine bereits stehende Aufnahme ermöglicht. (Enders, 1987)

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Quantisierung (engl. Quantising), in der Musikproduktion versteht man darunter die Zeitquantisierung, d.h. ein nicht genau auf den Puls oder eine metrische Zählzeit eingespielte Phrase – z.B. in Form von MIDI-Daten – wird nach der Aufnahme mittels Quantisierung auf ein definiertes Raster abgebildet. Nachdem das Quantisieren lange Zeit nur bei der Bearbeitung von ­ MIDI möglich war, ist es heute auch für impulshaftes, rhythmisches Audiomaterial möglich. Red Book , bezeichnet die Spezifikation für die Erstellung einer Audio-CD, die 1980 von Philips und Sony festgelegt wurden. Das Red Book enthält Spezifikationen für die physikalische Aufteilung der CD in Blöcke und Rahmen, den Fehlerkorrekturmechanismus, wie auch das digitale Kodierungsverfahren. Außerdem legt es fest, dass ­ Audiofiles mit einer Samplingrate von 44.1 kHz und einer Auflösung von 16 Bit in einer maximalen Gesamtlänge von 74 Minuten verteilt auf höchstens 99 Tracks auf die Audio-CD geschrieben werden. Remix, engl, Bezeichnung für die erneute ­ Mischung eines bereits existierenden, mit einem ­ Mischpult klanglich aufbereiteten Musikstücks zur Erzielung neuer Effekte oder zur Verwendung in anderen musikalischen Zusammenhängen etc. (Enders, 1987). Riff, bezeichnet es im Pop/Rock eine prägnante, sich wiederholende Phrase in den Begleitstimmen, häufig wird es von der E-Gitarre oder dem Bass gespielt. Viele bekannte Rocksongs bauen auf einem Gitarrenriff auf, beispielsweise »Smoke on the Water« von Deep Purple. Sample , ein in digitaler Form vorliegendes ­ Audiofile das im Sequencer als Baustein für die Komposition neuer Musik dienen kann und so in einen neuen Kontext gebracht wird. Es kann sich dabei um einzeln aufgenommene Töne von Musikinstrumenten handeln, die nun am Bildschirm zu beliebigen neuen Arrangements kombiniert werden können, um einzelne Schläge von Perkussionsinstrumenten, die zu Rhythmen zusammengesetzt werden, um beliebige Geräuschaufnahmen, die in einen musikalischen Kontext gebracht werden oder aber um eine kurze Phrase existierender Musik, die repetiert und zur Grundlage des neuen Musikstücks wird. In den Anfängen des Samplings wurden Orchester-Tutti,

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Schlagzeugrhythmen oder Bläserparts aus Songs von James Brown u.a. als Sample für eine Vielzahl an Hip-Hop-Produktionen eingesetzt. Sampler , 1. ein elektronisches Gerät, das ­ digitale Samples speichert und sie mittels einer Klaviatur oder eines anderen ­ Interfaces temperiert und polyphon spielbar zur Verfügung stellt. Die Besonderheit des Samplers ist, dass die gespeicherten Samples weitreichend geschnitten, bearbeitet und arrangiert werden können, sodass samplebasierte Synthesizer entstehen. So können aus einem beliebigen Sample ganze spiel- oder programmierbare Arrangements entstehen. 2. bezeichnet er das digitale, virtuelle Abbild des Hardware-Samplers, der in die ­ Sequencerumgebung eingebunden und über ­ MIDI gespielt werden kann. Send-Effekt , Signalfluss für ­ Plug-ins, die mittels dem regelbaren SendWeg der Auxillary-Kanäle eines Mischpultes oder eines digitalen ­ Sequencers angesteuert werden. Auf diese Weise wird – im Gegensatz zum ­ Insert-Effekt – nur ein regelbarer Teil des Signals n das Plug-in geführt. Das vom Plug-in bearbeitete Signal wird dem unveränderten rohen Signal zugemsicht. Effekte wie Hall oder Delay werden normalerweise als SendEffekt verwendet. Sequencer , eine Software für die Musikproduktion. Ist der Rechner mit der benötigten ­ Hardware ausgerüstet, so können aktuelle Sequencer ­ Audio wie auch ­ MIDI aufzeichnen, editieren, mischen, mastern, wiedergeben und einen ­ Master brennen. Der Sequencer war früher nur MIDItauglich, d.h. interne und externe MIDI-Synthesizer und andere Geräte wurden per MIDI-Steuerdaten kontrolliert und synchronisiert. Die AudioFähigkeit kam erst in den 1990er Jahren hinzu. Die aktuellen Sequencer enthalten im Lieferumfang meistens eine große Zahl an ­ Plug-ins, Softwareinstrumenten, ­ Samplern sowie immense Bibliotheken mit ­ Samples. So ist es heutzutage jedem möglich, mit relativ einfachen Mitteln, Musik an jedem beliebigen Ort mit dem Laptop zu produzieren. Session, auch Aufnahmesession, in der Musikproduktion umgangssprachlich für den Studiotermin im Rahmen einer Produktion oder explizit zur Aufnahme der Musiker im Tonstudio. Step-Sequencer, ein analoges elektronisches Steuergerät, das über 8 bis 64 Einstellungen verfügt, die schrittweise abgerufen werden. Solche Ein-

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stellungen geben analoge Steuerspannungen aus, mit denen Tonhöhe, Filterfrequenz, Modulationsfrequenz, Klangfarbe etc. eines analogen Synthesizers gesteuert werden können. Musik, die mit dem Step-Sequencer entsteht, basiert üblicherweise auf dem Prinzip der Repetition, da die vorprogrammierten Schritte im Kreis repetiert werden. Auch der Step-Sequencer existiert heute als digitaler MIDI-Stepsequenzer in Form eigenständiger Software oder als Software-Instrument, das sich in beliebige ­ Sequencer integrieren lässt. Subtraktive Synthese , ein Verfahren zur synthetischen Klangerzeugung. Im Gegensatz zur additiven Synthese, wo Klänge aus mehreren Sinustönen zusammengesetzt werden, geht die subtraktive Synthese von einem extrem dichten, obertonreichen Klang aus und filtert alle Frequenzen weg, die nicht gewünscht sind, um das gewollte Resultat zu erzielen. Take, engl. für Interpretation oder Aufnahme. In der Musikproduktion spielt die Band oder das Orchester von einem Musikstück oder einer einzelnen Phrase häufig mehrere Versionen hintereinander ein, aus denen im Nachhinein die beste ausgewählt wird. Jede solche Version, normalerweise durchnummeriert, wird als Take bezeichnet. Time Code, eine Methode, Zeitinformationen in standardisierter Form auf ein Medium zu schreiben, um es später mit einem anderen Medium synchronisieren zu können. Der Time Code findet im Film Anwendung, wo Bild und Ton normalerweise auf verschiedene Geräte aufgezeichnet werden. Beide Geräte schreiben jedoch den Time Code im Format Stunde/ Minute/Sekunde/Frame mit, was zwingend ist für das nachträgliche Synchronisieren von Bild und Ton in der Postproduktion und der Fertigstellung des Films. Timeline, engl. für Zeitachse, bezeichnet hier die horizontale Achse im ­ Sequencer, auf der Klangereignisse linear in der Zeit angeordnet werden können. Timestretching , das Verlangsamen oder Beschleunigen von digital vorliegender Musik, ohne dabei die Tonhöhe zu verändern, wie dies beim ­ Pitchshifting geschehen würde. Dies ist möglich dank spezialisierter Granular-Verfahren, die das Audiofile auseinander nehmen und im gewünschten

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Abspieltempo wieder zusammensetzten. Timestretching klingt nur bis zu einem gewissen Änderungsgrad der Abspielgeschwindigkeit realistisch – ist die gewünschte Veränderung zu groß, entstehen störende klangliche Artefakte. Unplugged , engl. für nicht verkabelt bzw. ohne Strom. Gemeint ist eine nur auf akustischen Instrumenten gespielte Version eines Songs, der normalerweise unter Zuhilfenahme elektronischer Instrumente und Technologien gespielt wird.

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TE X T DES S ONGS ›A N E W H ORIZON ‹ Text und Musik: Immanuel Brockhaus 2007©GEMA all rights reserved

verse 1 So many times I thought to get away and leave all things behind So many times I dreamed to fly away and see a distant place bridge 1 I’d pack my bags and leave away today there’s no goodbye there’s no regret chorus 1 A new horizon I need to get away a new horizon I got to get away a new horizon I need to get away a new horizon I need to get I got to get away verse 2 How many nights I spent to dream myself away around the world

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How many days shall wait until I’m on my way to see the sun bridge 2 I’m travelling far and never settle down I’ll find my friends in every place chorus 2 A new horizon I need to get away a new horizon I got to get away I new horizon I need to get away a new horizon I need to get I got to get away A new horizon (repeat) a ship to India a plane to Island a trip to Burma a cab to Congo a walk to Chile a bike to Ireland repeat and fade

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B EISPIELE PROTOT YPISCHER S CHNIT T TECHNIKEN

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Studien zur Popularmusik Karin Bock, Stefan Meier, Gunter Süss (Hg.) HipHop meets Academia Globale Spuren eines lokalen Kulturphänomens 2007, 332 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN 978-3-89942-761-5

Silke Borgstedt Der Musik-Star Vergleichende Imageanalysen von Alfred Brendel, Stefanie Hertel und Robbie Williams 2007, 314 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-89942-772-1

Immanuel Brockhaus, Bernhard Weber (Hg.) Inside The Cut Digitale Schnitttechniken und Populäre Musik. Entwicklung – Wahrnehmung – Ästhetik Juni 2010, ca. 200 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1388-9

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Studien zur Popularmusik Fernand Hörner, Oliver Kautny (Hg.) Die Stimme im HipHop Untersuchungen eines intermedialen Phänomens 2009, 204 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 22,80 €, ISBN 978-3-89942-998-5

Kai Lothwesen Klang – Struktur – Konzept Die Bedeutung der Neuen Musik für Free Jazz und Improvisationsmusik 2009, 264 Seiten, kart., zahlr. Abb., 27,80 €, ISBN 978-3-89942-930-5

Julio Mendívil Ein musikalisches Stück Heimat Ethnologische Beobachtungen zum deutschen Schlager 2008, 388 Seiten, kart., zahlr. Abb., 32,80 €, ISBN 978-3-89942-864-3

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Studien zur Popularmusik Michael Custodis Klassische Musik heute Eine Spurensuche in der Rockmusik 2009, 274 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 27,80 €, ISBN 978-3-8376-1249-3

Annemarie Firme, Ramona Hocker (Hg.) Von Schlachthymnen und Protestsongs Zur Kulturgeschichte des Verhältnisses von Musik und Krieg 2006, 302 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN 978-3-89942-561-1

Heinrich Klingmann Groove – Kultur – Unterricht Studien zur pädagogischen Erschließung einer musikkulturellen Praktik Januar 2010, 440 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,80 €, ISBN 978-3-8376-1354-4

Thomas Krettenauer, Michael Ahlers (Hg.) Pop Insights Bestandsaufnahmen aktueller Pop- und Medienkultur 2007, 152 Seiten, kart., 16,80 €, ISBN 978-3-89942-730-1

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