Innerparteiliche Demokratie im Parteienstaat [1 ed.] 9783428435326, 9783428035328


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Innerparteiliche Demokratie im Parteienstaat [1 ed.]
 9783428435326, 9783428035328

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 282

Innerparteiliche Demokratie im Parteienstaat Von

Helmut Trautmann

Duncker & Humblot · Berlin

HELMUT

TRAUTMANN

Innerparteiliche Demokratie i m Parteienstaat

Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 282

Recht

Innerparteiliche Demokratie im Parteienstaat

Von

Dr. Helmut Trautmann

D U N C K E R & H U M B L O T / B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1975 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1975 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 03532 1

Meiner Mutter und dem Andenken meines Vaters gewidmet

Vorwort Die Arbeit hat i m Wintersemester 1974/75 dem Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg/Lahn als Dissertation vorgelegen. Mein verehrter Lehrer, Herr Professor Dr. Peter Häberle, hat mich als Student und später als Wissenschaftlicher Assistent an seinem Lehrstuhl m i t wissenschaftlicher Arbeit vertraut gemacht. Für anregende K r i t i k , sachlichen Rat und menschliche Ermutigung beim Zustandekommen dieser Arbeit danke ich i h m herzlich. Herrn Professor Dr. Walter Schmitt Glaeser, dem Zweitgutachter, danke ich für Anregungen, die m i r bei der Anfertigung des Druckmanuskripts wertvolle Hilfe waren. Der Studienstiftung des deutschen Volkes verdanke ich ein großzügiges Promotionsstipendium, dem Bundesminister des Inneren finanzielle Förderung der Drucklegung. Reichelsheim/Odw., i m August 1975

Helmut

Trautmann

Inhaltsverzeichnis Problemstellung Erster

13

Teil

Parteien i m Parteienstaat I. Parteienstaatsverständnis i n der deutschen Staatsrechtslehre

21 23

1. Meinungsstand

25

2. Auswertung u n d Stellungnahme

28

I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatliche Realität

36

1. M i t w i r k u n g der Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes a) Die politische Willensbildung des Volkes b) M i t w i r k u n g s f u n k t i o n der Parteien c) Folgeprobleme der innerparteilichen Demokratie

40 41 46 51

2. Parteien u n d organisierte Staatlichkeit a) Parlament u n d Regierung b) öffentlicher Dienst c) Rechtsprechung d) Folgerungen f ü r die innerparteiliche Demokratie

55 55 68 84 90

3. Der Typus der Volksparteien a) Entstehung u n d Erscheinungsbild b) Partizipation u n d innerparteiliche Demokratie c) Innerparteiliche Demokratie i n Volksparteien

107 111 117 127

4. Parteifinanzen u n d innerparteiliche Demokratie

137

I I I . Demokratiebegriff i n A r t . 21 Abs. 1 Satz 3 Grundgesetz

146

1. Demokratiebegriff des Grundgesetzes

147

2. Demokratische Grundsätze

170

3. Statuslehren u n d parteiinterner Bereich

181

Zweiter

Teil

Ausgewählte Probleme der innerparteilichen Demokratie I. Gesellschaftlicher u n d parteiinterner Bereich

192 193

1. Parteizugang

193

2. Parteiaustritt, -ausschluß

207

3. Parteipolitische Inkompatibilitätsbeschlüsse

216

4. E i n w i r k u n g e n der gesellschaftlichen U m w e l t auf die Parteien . . 218

10

Inhaltsverzeichnis

I I . Parteiinterna

231

1. Gliederung, Organisation

231

2. Sonderorganisationen

239

3. Willensbildung

247

4. Entscheidungsmechanismen

264

5. Ämterhäufung

274

6. Kandidatenaufstellung

279

7. Schiedsverfahren

286

I I I . Verfassungspolitische Folgerungen Literaturverzeichnis Verzeichnis zitierter A r t i k e l der Nachrichtenpresse Sachregister

290 294 318 321

Hinweis Die i n den Fußnoten i n Kurzbezeichnung angegebenen Werke sind m i t ausführlichen bibliographischen Nachweisen i n dem — nach Autorennamen alphabetisch geordneten — Literaturverzeichnis aufgeführt. Berichte u n d Kommentare aus der Tagespresse sind i n einem daran anschließenden alphabetischen Verfasserverzeichnis gesondert genannt. Folgende A b k ü r z u n gen stehen f ü r Tageszeitungen: D E (Darmstädter Echo), F A Z (Frankfurter Allgemeine Zeitung), FR (Frankfurter Rundschau), SZ (Süddeutsche Zeitung). I m übrigen w u r d e n die allgemein gebräuchlichen Abkürzungen verwandt. Wo Parteisatzungen zitiert wurden, handelt es sich, soweit nicht eine frühere oder regionale Fassung ausdrücklich genannt ist, u m das Organisationsstatut der SPD (Bund), beschlossen am 18.12.1971, das Statut der C D U (Bund), v o m 27.4.1960, zuletzt geändert am 12. 6.1973 sowie die Satzung der FDP (Bund), i n der Fassung v o m 30.1.1968, zuletzt geändert a m 24.10.1972.

Problem Stellung Das Grundgesetz bestimmt i n A r t . 21 I 3 für die politischen Parteien: „Ihre innere Ordnung muß demokratischen Grundsätzen entsprechen." Damit blieb dem Gesetzgeber die Konkretisierung dieses zentralen Bereichs des Parteienrechts vorbehalten 1 . Das Gesetz über die politischen Parteien vom 24. 7.1967 (PartG) 2 enthält überwiegend Regelungen dieser vielschichtigen Problematik 3 . Trotzdem scheint die innerparteiliche Demokratie i n der Verfassungsdogmatik noch weitgehend „terra incognita" zu sein. Wo sich die verfassungsrechtliche Literatur m i t ihren Problemen befaßt, scheint sie teilweise geeignet, „einer politischen Praxis Vorschub zu leisten, die den modernen demokratischen Anforderungen nicht gerecht w i r d " 4 . Das PartG stellt daher lediglich eine „Etappe" i m Prozeß der Parteireformdiskussion 5 dar. Bei der Untersuchung, inwiefern das Verfassungsgebot innerparteilicher Demokratie 6 eingelöst wurde, sind Ausgangspunkte Verfassung und Wirklichkeit. Ihre korrelative Zuordnung 7 i m Sinne einer Praxis1

s. A r t . 21 I I I GG: „Das Nähere regeln Bundesgesetze." BGBl. I S. 773; geänd. durch das 1. StRG v o m 25. 6.1969, BGBl. I S. 645, A r t . 15 u n d durch G v o m 22. 7.1969, BGBl. I S. 925. — Nach einer Vielzahl parlamentarischer I n i t i a t i v e n (s. dazu R. Groß, D Ö V 1968, S. 80 ff.) w u r d e das P a r t G relativ spät erlassen. Voraus ging der Bericht einer v o m Bundesinnenminister eingesetzten Sachverständigenkommission: Rechtliche O r d nung des Parteiwesens, 1957, 2. A u f l . 1958. Er diente dem Regierungsentwurf von 1959 als Grundlage (vgl. Bericht des Innenausschusses v o m 27. 6.1967, zu BT-Drucks. V/1918, S. 1). I n vielen Punkten w u r d e durch das P a r t G die V e r fassungsrechtsprechung aus der Zeit des gesetzlichen Vakuums i m Parteienrecht festgeschrieben, was H. Weber, JuS 1968, S. 147, zu der Bemerkung v e r anlaßte: „So trägt das Gesetz eher den Charakter einer — gesetzestechnisch nicht immer geglückten — K o d i f i k a t i o n des Bestehenden m i t behutsamen Einzelreformen." 3 U n m i t t e l b a r angesprochen i m 2. Abschnitt „innere Ordnung" (§§ 6 - 1 6 ) , von nicht zu unterschätzender W i r k u n g auf die demokratische Binnenstrukt u r der Parteien sind auch die Regelungen der Aufstellung v o n Wahlbewerbern (deren Schwerpunkt allerdings i m B W a h l G u n d den WahlGen. der Länder liegt), der Erstattung v o n Wahlkampfkosten sowie der öffentlichen Rechenschaftslegung (3. - 5. Abschnitt). 4 G. Dux, DVB1. 1966, S. 553. 6 W. Steffani, Einführung, S. 15. 6 G. Leibholz hat die „Demokratisierung der Parteien" als das zentrale Anliegen des massendemokratischen Staates bezeichnet, DVB1. 1951, S. 1 (4 ff.). 7 Dazu K . Hesse, Normative K r a f t ; ders., W D S t R L 17 (1959), S. 12 ff., speziell zu A r t . 21 GG. 2

Problemstellung

14

Orientierung der juristischen Wertentscheidung soll einer Verfassungsinterpretation dienen, die unter den Bedingungen der Realität der Norm optimale Geltung verschafft. Der Bezugsrahmen der innerparteilichen Demokratie ist das Parteien(staats)verständnis nach dem GG. Denn „die politischen Parteien sind das Herzstück des modernen demokratischen Staates, die Organe demokratischer Willensbildung; nur durch sie kann auf freiheitlich-demokratische Weise Handlungsfähigkeit für das Ganze gewonnen werden" 8 . Die so erweiterte Problemdimension führt zu der Frage nach dem Verhältnis von „Staat" und „Gesellschaft", das die Parteien prägt und das von den Parteien geprägt wird. Vordemokratische liberale Vorstellungen eines Dualismus von Staat und Gesellschaft 9 beeinflussen i n ihren Auswirkungen mittelbar noch immer das Parteienstaatsverständnis, wenn z.B. einer Trennung von gesellschaftlicher und staatlicher Willensbildung oder einer Gegenüberstellung von Parteien und organisierter Staatlichkeit das Wort geredet w i r d 1 0 . War i m Obrigkeitsstaat der Staat nur von einer gesellschaftlichen Gruppe „besetzt", so gründen sich i n der vom GG verfaßten demokratischen Ordnung Gesellschaft und Staat auf denselben Personenverband 11 . Frühere Bereiche gesellschaftlicher Selbstregulierung sind — nicht zuletzt aus Gründen der Sozialstaatlichkeit — zu Staats- oder Gemeinschaftsaufgaben von Staat und Gesellschaft geworden 12 . Damit entfielen die historisch bedingten Voraussetzungen des Trennungsdogmas i m sozialen Staat der Gegenwart13. I n dem heutigen „politischen Gemeinwesen" 14 , der „res publica" 1 6 , einem „Gesamtverband", ist der Staat — verstanden als der der konstituierten Gewalten 1 6 — nicht mehr Gegenpol der Gesellschaft 17 . Die theoretische Verabschiedung des liberalistischen Modells erfordert eine 8

H. Ehmke, ZfP 1954, S. 337 (346). So K. Hesse, Grundzüge, S. 8 f. 10 Dazu näher unten unter I I . 1. u n d 2. 11 G. Leibholz, Gesellschaftsordnung, S. 329 f.; K. Hesse, Grundzüge, S. 9; H. Ehmke, „Staat" u n d „Gesellschaft", S. 44. 12 s. dazu die Darstellung unter dem Gesichtspunkt der Leistungsgemeinschaft bei P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), 44 (55 ff.). 18 K . Hesse, Grundzüge, S. 8. 14 H. Ehmke, „Staat" u n d „Gesellschaft", S. 44; P. Häberle, ZfP 1965, S. 381 f., 385 f., 390 ff.; K. Hesse, Grundzüge, S. 9, 11 passim. 16 P. Häberle, ZfP 1965, S. 389: materialer Zusammenhang von Republik, res p u b l i k a u n d öffentlichem Gemeinwesen; ders., Öffentlichkeit, S. 5, 6 passim; A. Rinken, Das öffentliche als verfassungstheoretisches Problem, 1971, S. 243 ff. 16 K . Hesse, Grundzüge, S. 9 f. 17 Anders: J. H. Kaiser, Die Repräsentation organisierter Interessen, S. 338 f. passim. 9

Problemstellung

Konturierung des Bereichs des öffentlichen 1 8 , i n dem Staat und Gesellschaft i n der res publica vermittelt sind. Die hier stattfindende umfassende Prozeß der politischen Willensbildung des Volkes w i r d durch die Tätigkeiten der Parteien wesentlich geprägt. Sie nehmen — vom politischen Gemeinwesen her gedacht — „ i n der Staats- und Verfassungstheorie eine Zentralstellung ein" 1 9 . Grundlegend für die Wahrnehmung ihrer Funktionen ist eine funktionierende innerparteiliche Demokratie. Defizitäre Formen innerparteilicher Demokratie sind u. a. Ursache des vielzitierten allgemeinen Demokratiedefizits 20 . Die wirklichkeitsorientierte juristische Behandlung dieser Fragen hat auch auf die soziopsychologischen Zusammenhänge zurückzugreifen, z. B. das Oligarchieund m i t i h m zusammenhängend das Apathieproblem oder die verbreitete Vernachlässigung formaler Grundlagen des demokratischen Prozesses, die oft i n naive „Arroganz der Ohnmacht" umschlägt, was letztlich einem Verzicht auf die Chance politischer Einflußnahme gleichkommt 2 1 . Einzelprobleme finden sich i n allen Phasen des politischen Prozesses, denn „die politischen Parteien haben die Führung i n den repräsentativen Versammlungen übernommen. Zugleich aber sehen sie sich genötigt, möglichst starke und verzweigte Wurzeln i n der Gesellschaft selber zu schlagen" 22 . Diese Expansion der Parteien, verbunden m i t ihrem aus dem Parteienwettbewerb resultierenden Bestreben nach Integration möglichst vieler Bürger läßt die Probleme der innerparteilichen Demokratie weit über die Parteiinterna hinaus 23 wachsen. Ihre Lösung ist maßgebend für die demokratische Ausrichtung des Gemeinwesens schlechthin. „Die Schwächen der Parteien werden zur Schwäche des politischen Systems 24 ." Oder positiv gewendet: die Demokratie i n der res publica kann nur dann realisiert werden, „wenn die innerparteiliche Demokratie i n Ordnung ist bzw. gebracht w i r d " 2 5 ! So ist die 18

s. dazu unten unter I I . 1. a). H. Ehmke, „Staat" u n d „Gesellschaft", S. 46 ff. 20 E. Fraenkel, Deutschland u n d die westlichen Demokratien, S. 119: „Der Bestand der Demokratie i m Staat hängt ab v o n der Pflege der Demokratie i n den Parteien." Ders.: Die repräsentative u n d die plebiszitäre Komponente i n dem Verfassungsstaat, S. 58. 21 U. Thaysen, ZParl. 1970, S. 198. 22 D. Sternberger, Nicht alle Staatsgewalt geht v o m Volke aus, S. 119. 23 G. Dux, DVB1. 1966, 553 (554): „Die sog. internen Angelegenheiten der Parteien sind von entscheidender externer Bedeutung. I h r e freiheitliche Ordnung ist das Kernstück der freiheitlichen Ordnung des Staates selbst." 24 T. Eschenburg, Probleme der modernen Parteifinanzierung, S. 46; ähnlich H. Bilstein / R. Lange, Politische Willensbildung i m Parteienstaat, S. 10. 25 H. Bilstein/H. Hohlbein / H.-U. Klose, Jungsozialisten — Junge U n i o n — Jungdemokraten, S. 15; ähnlich O. K . Flechtheim, Die Parteien i n der 19

16

Problemstellung

innerparteiliche Demokratie die „conditio sine qua non des Parteienstaates" 26 . Diese Sicht macht die m i t der liberalen Trennung von Staat und Gesellschaft verkürzte Problematik der Demokratie i n den Parteien zum Teil einer Theorie vom demokratischen politischen Gemeinwesen 27 . Die scheinbar konsolidierten Strukturen der Parteien und des Parteiensystems i n der Bundesrepublik sind i n Bewegung geraten 28 . Hier g i l t es vom Parteienrecht her „mitzuziehen" und dem politischen Prozeß Alternativen zur Verfügung zu stellen. Langwierige parteiinterne Geschäftsordnungs- und Verfahrensdebatten sind ein Indiz für unbewältigte innerparteiliche Demokratie, sie bezeugen Unsicherheit hinsichtlich Bestand und Umfang politischer Mitwirkungsrechte von „Parteibürgern" 2 0 oder -minderheiten 3 0 . Parteienrechtliche Regelungen können einem vorhandenen Inhalt Form und Ausdruck geben 31 und politische Reibungsverluste aus unterschiedlichen Rechtsauffassungen durch detailliertere Normierungen weitgehend ausschließen. Demokratische Willensbildung i m Sinne des A r t . 21 I 3 GG bedeutet nicht Freiheit der Partei, sondern Rechtsverpflichtung 32 . Zwar bewirken Regeln über Aufbau und Organisation der Parteien sowie ihre Willensbildungsverfahren noch kein politisches Leben 3 3 , es bedarf auch des Willens der Mitglieder zur Einflußnahme 3 4 , doch w i r d sich unter den Bedingungen autoritätsfördernden Parteienrechts kaum eine Mehrheit BRD, S. 391, 531 f.; W. Steffani , Einführung, S. 15; B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 21; U. v. Alemann, PVS 1972, S. 183; D. Hahn, Innerparteiliche Demokratie, S. 67. 26 F. Bröder, Blätter f. dt. u. internat. P o l i t i k 1970, S. 1166. 27 Eine Skizze v o n Gegenstand u n d Aufgabe einer „Wissenschaft v o m politischen Gemeinwesen" findet sich bei P. Häberle, ZfP 1965, S. 381 (390 ff.). 28 R. Ebbinghausen , Legitimationskrise, S. 32. 29 Parteimitglieder, die als T e i l der Aktivbürgerschaft einen eigenen Aktivstatus besitzen. Darauf hat w o h l zuerst W. Weber, Spannungen u n d K r ä f t e i m westdeutschen Verfassungssystem, 1. Aufl., 1951, S. 22 f. u. passim, hingewiesen. 80 Probleme der Parteiorganisation beschäftigen auf Bundesebene die SPD-Parteitage bis 1960 u n d nach 1966 sowie die jüngeren CDU-Parteitage, vgl. J. Dittberner, PVS 1970, 236 (257). Die SPD widmete 1971 einen außerordentlichen Bundesparteitag ausschließlich diesen Fragen. Die häufigen Änderungen der Parteistatuten sind ein Indiz f ü r das „Probierstadium" der rechtlichen F i x i e r u n g innerparteilicher Organisationsformen u n d die D y n a m i k der innerparteilichen Demokratie selbst. 31 W. Wiese, Der Staatsdienst i n der BRD, S. 195. 82 H. Lenz / C. Sasse, J Z 1962, S. 233 (235). 33 Insoweit ist K. Hesse, W D S t R L 17 (1959), S. 30 f. zuzustimmen. Es steht außer Frage, daß i n den 18 Jahren ohne P a r t G i n der B R D „politisches L e ben" i n den Parteien existierte. Wichtiger ist aber die Frage, ob es auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die innerparteiliche Demokratie v o l l genügte. 34 J. Dittberner, PVS 1970, S. 236 (237).

Problemstellung

politisch bewußter Mitglieder formieren, die zu effektiver Kontrolle oder Übernahme von Verantwortung i n der Lage wären 3 5 . Normen sind — ohne ihre K r a f t zu überschätzen 36 — i n einer bestimmten W i r k lichkeit unerläßliche Voraussetzung der innerparteilichen Demokratie und somit tatsächlichen demokratisch-politischen Lebens der Parteien. Die demokratische politische Willensbildung bedarf rechtlicher Bindungen 37 . „Wem es gelingt, i n eine Verfassung oder ein Statut Grundrechte oder Rechtsschutz der Mitglieder hineinzuschreiben, kann davon auch Gebrauch machen 88 ." Für alle Parteien gleiche, detaillierte, zwingende Organisations- und Verfahrensnormen 30 könnten die Möglichkeit chancengleicher, unmittelbar-effektiver Mitwirkung für alle Parteimitglieder eröffnen und darüber hinaus politisch interessierte Bürger zum parteipolitischen Engagement motivieren. Aus Gründen der Sicherung gleicher politischer Mitwirkungsrechte für alle Parteimitglieder i n allen Parteien ist daher zu fragen, wie weit es das PartG den einzelnen Parteien überlassen darf, zu bestimmen wie demokratisch sie sein wollen 4 0 . Die öffentliche Meinung bewertet — nicht zuletzt unter dem Einfluß der konkurrierenden Parteien (Parteioligarchien) selbst — parteiinterne Diskussionen und Richtungskämpfe i n der Regel negativ als Schwäche und Zerstrittenheit 4 1 , ohne zu erkennen, daß innerparteiliche Auseinandersetzungen als Zeichen tatsächlichen politischen Lebens eine Empfehlung für die jeweilige Partei sein können; denn die öffentliche Austragung innerparteilicher Kontroversen gehört zur Funktion der Par85

ff. Sperling / ff. Schröder, Parlamentarismus i n der Krise?, S. 46. Sicher k a n n m a n „ v o n Staats wegen nicht gesetzlich die politische W i r k lichkeit meistern" (G. Leibholz, Parteiengesetz, S. 182), doch f ü h r t auch eine zu große Skepsis gegenüber n o r m a t i v gesicherten Ausgestaltungen des p o l i tischen Prozesses nicht weiter. 37 G. Dux, DVB1. 1966, S. 553 (554). 38 U. v. Alemann, Volksparteien i m Dilemma, Zeit Nr. 40/1972. 39 Neue institutionelle Regelungen effektivieren dann die organisationsinterne Demokratie, w e n n sie sozialpsychologisch u n d soziologisch abgesichert sind, vgl. F. Naschold, Organisation, S. 83, 93, der allerdings n u r dann Erfolgschancen sieht, w e n n der Schwerpunkt auf dem Verfahrensaspekt liegt, s. den Typus der freiheitsstiftenden Organisations- u n d Verfahrensgesetze bei P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 43 (51 f.); ders., Leistungsrecht, S. 465 f. 40 F ü r einen weiten Spielraum der Parteien plädiert T. Maunz, i n : T. Maunz / G. D ü r i g / R. Herzog, GG, Rdnr. 56 zu A r t . 21, der ausführt, daß A r t . 21 I 3 G G „nicht der demokratischen Gleichschaltung der Parteien" diene; ebenso bereits K . Hesse, V V D S t R L 17 (1959), S. 11 (30). 41 So heißt es i n einem Gutachten des SPD-Vorstandsmitglieds B. Friedrich : „Der deutsche Wähler ist zuallererst Kanzler-orientiert. F ü r öffentlich ausgetragene Personenkonflikte der SPD-Führung — bleiben diese K o n f l i k t e nicht ein einmaliger Vorgang — gibt es deshalb keine Rechtfertigung"; i m Wortlaut i n : FR v o m 13.12.1973, S. 16; s. dazu auch die Berichte i n : Der Spiegel Nr. 50/1973, S. 27; V. Hoffmann, FR v o m 11.12.1973, S. 4. 36

2 Trautmann

Problemstellung

18

teien 4 2 . Dagegen läßt das „Image" einer modernen Partei nach einer verbreiteten Auffassung für offene innerparteiliche Diskussionen keinen Raum 4 3 . I n dem Maße wie die Massenmedien extreme parteipolitische Außenseiterpositionen hochspielen, vernachlässigen sie das politische Sachprogramm und Integrationsvermögen einer Partei und diskreditieren die innerparteiliche Diskussion schlechthin. Indem die Parteiführungen nichts gegen diese Darstellungen unternehmen, unterdrücken sie — gewollt oder ungewollt — latend innerparteilichen Widerspruch und Opposition, machen sie „die aktuelle Herrschaftssituation zu einer relativ gesicherten Herrschaftslage, zu einem politischen status" 4 4 . K r i t i k an der Parteiführung, Ideenunruhe sind vom Bann der Ausweisung bedroht, w e i l man aus Wahltaktik auf ein werbewirksames Exterieur der Partei bedacht ist 4 5 . Aus diesen Gründen w i r d es i n den großen Parteien nur schwerlich gelingen, die internen Foren der Meinungsund Willensbildung allein durch A k t i v i t ä t e n Partizipationswilliger und Minderheiten zu verbreitern 4 6 . Es sind flankierende Normen erforderlich. Das Denken von den Parteien als Organisation und den ihr zustehenden Rechten her kann nur der erste Schritt zur Bestimmung ihres Status sein. Es w i r d durch den zweiten „belebt", durch einen Blick auf die dahinterstehenden Parteimitglieder. U m auf dem Wege zur Bestimmung und Realisierung demokratischer Strukturen der politischen Parteien weiter zu kommen, darf nicht resignierend ein unvermeidbarer Gegensatz von Individuum und Organisation konstruiert werden 4 7 . Parteien sind auch „Dienstleistungs-Organisationen" (O. K . Flechtheim) 49, d. h. die organisatorische

Brücke

zu individueller

politischer

Partizipa-

tion i n der demokratischen res publica. Erst durch das Verständnis des Parteienrechts

auch als Teilhab erecht

des P a r t e i b ü r g e r s lassen sich die

multifunktionalen Bezüge jenes Bereichs sachgerecht behandeln. Die i n 42

R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 142 f. K. Sontheimer, Politischer Prozeß, S. 91. 44 H. Heller, Staatslehre, S. 175. 45 H. Lenz / C. Sasse, J Z 1962, 233. 46 s. z. B. die Forderung W. Brandts an die Jungsozialisten, mehr Rücksicht auf die Mentalität des deutschen Wählers zu nehmen, so i m Spiegel, Nr. 51/ 1970, S. 23; — I m Zusammenhang m i t den Verhandlungen u m die F o r t f ü h r u n g der Fraktionsgemeinschaft der Unionsparteien i m Bundestag nach ihrer Wahlniederlage 1972 forderte die CSU, „daß jede Meinungsverschiedenheit k ü n f t i g nicht auf offener Bühne, sondern intern ausgetragen w i r d " , vgl. F A Z v o m 29.11.1972, S. 6. — A l s Negativbeispiel mißglückter Partizipationsversuche sind auch die Basisumfragen einiger CDU-Kreis verbände über die Person des Partei Vorsitzenden u n d Kanzlerkandidaten 1971 zu nennen (näher dazu unten unter: 2. T e i l I I . 4.) — positiv i n der I n t e n t i o n aber negativ i m Ergebnis. 47 U. Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, S. 47. 48 I n : Die Parteien i n der BRD, S. 27. 43

Problemstellung

19

erster Linie zur Kennzeichnung der verfassungsrechtlichen Stellung der Parteien entwickelten Status der Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit (K. Hesse) 49, kennzeichnen differenziert auch den Status der Mitglieder. Er ist die Verdichtung allgemeiner Grundrechtspositionen, deren Teilhabegehalt durch den kollektiven Gebrauch i n der Organisationsform der Parteien verfahrensmäßig potenziert wird. Insofern w i r d die innerparteiliche Demokratie zum Grundrechtsproblem. Die Funktionen der Parteien sind i m Grunde die von ihren Mitgliedern i n demokratischen Verfahren kollektiv wahrzunehmenden Funktionen. Das Thema ist verfassungsrechtlich und politisch zu behandeln. Dies heißt nicht, einem Dualismus von Recht und Politik das Wort zu reden. Gerade Normen, die den öffentlichen politischen Prozeß ermöglichen und seinen Ablauf gestalten, haben eine starke Affinität zum Politischen. Das Verhältnis von Recht und Politik ist nicht auf die verschiedenen Standpunkte de lege lata und de lege ferenda zu reduzieren. Es ist auch Rechtspolitik — so wie Recht politisch ist und wirken (gelten) soll — einer Norm interpretatorisch durch neue Topoi und Argumente zu neuer, stärkerer Geltung zu verhelfen 5 0 . I n diesem Sinne ist zu fragen, wie das Verfassungsgebot innerparteilicher Demokratie angesichts der heutigen Verhältnisse rechtlich und politisch realisiert werden kann. Die Parlamentarismuskrise 51 , die wohl eher eine Krise des Parlamentarismusverständnisses ist 5 2 , läßt Probleme der innerparteilichen Demokratie i m Dreiecksverhältnis von Partei, Fraktion und Regierung auch als Probleme des modernen Parlamentarismus 53 höchst 49 I n : W D S t R L 17 (1959), S. 27 ff.; s. auch ders ., Grundzüge, S. 71 ff.; s. auch U. Scheuner, D Ö V 1958, S. 461 ff. 50 Dazu i m H i n b l i c k auf Grundrechtseffektivierung über „offene (Grundrechts) Dogmatik" P. Häberle , W D S t R L 30 (1972), S. 43 (69 ff.). Andeutung, ohne näheren Hinweis auf die politische Funktion solcher Interpretation bei K . Hesse, W D S t R L 17 (1959), S. 15: „Diejenige Auslegung ist die gebotene, die unter den konkreten Bedingungen der gegebenen Sachlage den Sinn der normativen Regelung optimal v e r w i r k l i c h t . " 61 s. dazu die bibliographischen Nachweise bei G. Loewenberg, Parlamentarismus i m politischen System der Bundesrepublik Deutschland, S. 550 f. u n d M. Hereth, Die Reform des Deutschen Bundestages, S. 135; sowie U. Thansen, Parlamentsreform i n Theorie u n d Praxis. 52 s. z. B. ü . Scheuner, D Ö V 1957, 633 (634), der „überholte Deutungen des Parlaments weitergeführt" sieht; s. auch K . Hesse, Grundzüge, S. 229. 53 H i e r geht eine Grundsatzdiskussion darum, ob das gebundene Mandat i n der Konsequenz des demokratischen Parteienstaats liegt oder ob das freie Mandat der A b w e h r der „äußersten Konsequenzen des demokratischen Parteienstaats" dient (G. Leibholz, DVB1. 1951, S. 1 [6]; ders., Verhandlungen des 38. DJT, S. 18). Sie w i r d gelegentlich durch aktuelle Problemstellungen u m einige Varianten bereichert, z . B . der „ F a l l - L i t t m a n n " (dazu: S. Streeck/ W. Streeck, Parteiensystem u n d Status quo, S. 108 ff.; U. Bermbach, ZParl. 1970, S. 342 ff.; die Dokumentation: „ M e h r Demokratie wagen. Der F a l l L i t t mann", hrsg. v o m SPD-Unterbezirk Frankfurt, März 1970) oder die Frage: Mandatsverlust bei Parteiaustritt? 2*

Problemstellung

20

brisant erscheinen. Die Parteien gehören heute zu den Institutionen des parlamentarischen Systems und haben die ursprünglich den Staatsorganen allein obliegende Aufgabe, die Integration unterschiedlicher sozialer Interessen als eigene Funktion der Volksparteien i m Parteienstaat zu erfüllen. Das Integrationsproblem ist zum Teil i n die Parteien verlagert. „Teilhabe und Kontrolle" kennzeichnen nicht mehr die Funktion des Parlaments, sie sind als Funktionen der Parteien und der Parteibürger die unabdingbaren Legitimationsvoraussetzungen der verfaßten Herrschaftsordnung 64 . Der Stellenwert, den die Verfassung einer demokratischen inneren Ordnung der Parteien gibt, folgt auch aus dem inneren Zusammenhang von A r t . 21 I 3 und I I GG: Verfassungswidrig ist eine Partei u. a. dann, wenn sie keine innerparteiliche Demokratie zuläßt 6 5 . Denn die demokratische Parteienstruktur ist ein unverzichtbares Element der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Das demokratische Gemeinwesen steht und fällt m i t der Demokratie i n den Parteien. Die innere Parteiordnung ist deshalb nur scheinbar ein abgegrenzter, enger Ausschnitt aus dem Problemfeld parteienstaatliche Demokratie nach dem GG. Der Blick kann nicht auf die Parteiinterna beschränkt bleiben; denn die Parteien haben bestimmte Funktionen i m politischen Gemeinwesen zu erfüllen und diese prägen ihre innere Ordnung nachhaltig, wie umgekehrt auch die internen Angelegenheiten der Parteien „von entscheidender externer Bedeutung" sind 5 6 . Von der innerparteilichen Demokratie aus ist i n „staatlich", „gesellschaftlich" und „grundrechtlich" erweiterter Problemdimension die Demokratie i m Gemeinwesen zu entwickeln. Methodisch ist es daher notwendig, weiter auszuholen und alle relevant erscheinenden Fragen des Parteienrechts auf ihre Implikationen hinsichtlich der innerparteilichen Demokratie zu untersuchen 57 . Ein solches Vorgehen ist auch deshalb geboten, weil die Prämissen möglichst weitgehend offengelegt und rationalisiert werden müssen, u m die Ergebnisse der konkreten Fragestellung abzusichern und überprüfbar zu machen. I n diesem Sinne dient der erste Teil der Arbeit primär der theoretischen Grundlegung, auf deren Basis dann i m zweiten Teil Einzelfragen näher behandelt werden.

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J. Dittberner, Entwicklungstendenzen, S. 473. Vgl. dazu auch BVerfGE 2 , 1 (14). 56 G. Dux, DVB1. 1966, S. 553 (554). 57 Vgl. auch H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 14: „Erst die Analyse dieser Bahmenbedingungen bzw. Vorformungselemente des Parteiensystems ermöglicht eine realitätsadäquate D a r stellung der Binnenstruktur der Parteien." 55

Erster Teil

Parteien im Parteienstaat Innerparteiliche Demokratie hat bestimmte Funktionen i m politischen Prozeß des Gemeinwesens zu erfüllen, die eng zusammenhängen m i t den verfassungsmäßigen Aufgaben der Parteien. Inhalt und Ausgestaltungen der Parteiinterna gemäß A r t . 2113 GG sind daher nicht losgelöst vom verfassungsrechtlichen Status der Parteien zu bestimmen. A l l e r dings nicht i n einem eindimensionalen, kausal determinierten ZweckM i t t e l Verständnis, nach dem sich alle Subsysteme des politischen Systems als M i t t e l zum Zweck des Ganzen ausweisen müssen 1 . Zwar ist der Organisationszweck eine jeweils differierende, nicht unwesentliche Komponente des faktischen Verhaltens i n Organisationen, trotzdem gelingt die Erfassung komplexer Vorgänge erst durch die Ergänzung ganzheitlicher normativer Betrachtungen durch die funktionale Systemtheorie, i n einem die Auseinandersetzung des Systems mit seiner Umwelt einbeziehenden Ansatz, der „überhaupt erst vorzeichnet, welche interne Ordnung sich bewähren kann und deshalb gegenüber Bedrohungen aus der Umwelt erhalten werden muß" 2 . Es ist zu kurz geschlossen, wenn behauptet wird, i n einem demokratischen Staatswesen müsse die innere Ordnung der Parteien den Grundsätzen entsprechen, „nach denen die gesamte staatliche Ordnung ausgerichtet ist" 3 oder wenn eine „strukturelle Deckungsgleichheit zwischen staatsorganschaftlicher und parteiinterner Willensbildung" 4 postuliert wird. Parteien sind kein „Staat i m Staate" 5 , nicht abgeschlos1 So aber M. Hättich, Innerparteiliche Demokratie, S. 29: „Innerparteiliche Demokratie muß auf den Zweck der Organisation, auf die sie sich bezieht, ausgerichtet sein." 2 N. Luhmann, Der Staat, 1964, S. 147 f. 3 E. Forsthoff, Parteien, S. 16; ähnlich W. Martens, öffentlich, S. 156: „strukturelle Homogenität von Staats- u n d Partei Verfassung."; ähnlich der Bericht der Parteienrechtskommission, S. 157. — I m Gegensatz dazu betont T. Maunz, i n : T. M a u n z / G . D ü r i g / R . Herzog, GG, Rdnr. 56 zu A r t . 21, daß m i t A r t . 21 I 3 G G nicht w i e durch A r t . 28 G G „eine gewisse Homogenität erreicht werden" soll; eine „Homogenität der Parteien m i t der Staatsorganisation" verneint auch U. Müller, Willensbildung, S. 95 f. 4 H. Lenz / C. Sasse, J Z 1962, S. 236. 5 W. Weber, Spannungen u n d K r ä f t e i m westdeutschen Verfassungssystem, S. 49.

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1. T e i l : Parteien i m Parteienstaat

sen homogene, s o n d e r n umweltgeprägte und umweltprägende, multifunktionale Elemente moderner Massendemokratie. Ihre Binnenstruk-

tur ist abhängig von den Anforderungen des politischen Systems, daher sind ihre Organisationsformen anders als die der zu den Parteien i n einem Ergänzungsverhältnis stehenden Strukturen des „Gesamtstaates" 6 . Zunächst ist der für die Parteiinterna bestimmende externe Rahmen abzustecken. Er läßt erste Konturierungen der inneren Parteiordnung zu. Wegen A r t . 21 I 3 GG kann bereits jetzt gesagt werden, daß der Status der Parteien die innerparteiliche Demokratie zu Voraussetzung hat, und daß sie umgekehrt abhängig ist von den Anforderungen der demokratisch verfaßten res publica an den politischen Prozeß.

6

B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 7.

I. Parteienstaatsverständnis in der deutschen Staatsrechtslehre Es ist heute sachlich gerechtfertigt, die Bundesrepublik als Parteienstaat zu bezeichnen, um so einen bestimmten Ausschnitt des verfaßten Gemeinwesens auf eine Kurzformel zu bringen. Der Begriff Parteienstaat hat eine Wandlung vom politischen Schlagwort zur Bezeichnung der Staatlichkeit i m positiven Sinn erfahren 1 . I n Erweiterung des allein auf die Staatsorganisation i n Parlament und Regierung bezogenen Parteienstaatsbegriffs der Weimarer Zeit 2 sind damit heute die weiteren Zusammenhänge der Tatsache benannt, daß der verfassungsmäßige Aufbau und die Politik der Bundesrepublik faktisch und rechtlich von der Tätigkeit der Parteien maßgeblich bestimmt sind. Der Begriff des demokratischen Parteienstaats beinhaltet i n seinem Plural eine unbedingte Absage an den Einparteienstaat faschistischer oder sozialistischer Provenienz 3 und erweitert den der parlamentarischen Demokratie, indem er dessen tendenzielle Einseitigkeit i n der Fixierung auf den staatlich-institutionellen Ablauf 4 durch Einbeziehung der öffentlich-gesellschaftlichen Zusammehänge aufhebt 5 . 1 Dazu E. Menzel, D Ö V 1970, S. 433 f.; G. Kafka, W D S t R L 17 (1959), S. 53 (77, 107 L S 7); H. Kaack, Die Parteien i n der VerfassungsWirklichkeit der Bundesrepublik, S. 13; M . Wambach, Verbändestaat u n d Parteienoligopol, S. 6 ff.; H. J. Varain, PVS 1964, S. 339 (340); f ü r moderne Demokratien gilt nach w i e vor ff. Kelsens W o r t : „Die Demokratie ist notwendig u n d u n v e r meidlich ein Parteienstaat" (in: V o m Wesen u n d Wert der Demokratie, 1929, S. 20). 2 Vgl. z. B. den Parteienstaatsbegriff bei O. Koellreutter, Die pol. Parteien i m modernen Staate, 1926, S. 86: „ A l s Parteienstaat wäre ein Staat zu bezeichnen, dessen staatsrechtliche Organisationsform ohne entscheidende M i t w i r k u n g der politischen Parteien nicht funktionsfähig ist", vgl. auch S. 12 ff., 71 sowie ders., Der deutsche Staat als Bundesstaat u n d als Parteienstaat, 1927, S. 21. — Erweiternd auch auf die soziologischen Grundlagen der Demokratie ist der Parteienstaatsbegriff bei G. Radbruch, Parteien, 1930, S. 286 ff. 3 W. Grewe, Z u m Begriff der politischen Partei, S. 67, folgert diesen P l u ralismus des politischen Lebens bereits aus dem Parteibegriff. Ä h n l i c h W. Seuffert, Z u den Grundlagen des Begriffs der politischen Partei, S. 204, 207. 4 Z . B . bei ü . Scheuner, D Ö V 1957, S. 633 ff.; E. Friesenhahn, W D S t R L 16 (1958), S. 9 ff., der allerdings ansatzweise eine stärkere Einbeziehung von Volk, Verbänden, Parteien v o r n i m m t ; s. aber die Verengung (S. 63 L S 7), w o nach n u r „Parlament u n d Regierung . . . die widerstreitenden Interessen zum Ausgleich bringen". 5 Es handelt sich beim Parteienstaat nicht u m „eine andere Seite desselben Objekts" parlamentarischer Demokratie, w i e ff. Kaack, Die Parteien i n der Verfassungs Wirklichkeit der Bundesrepublik, S. 13, meint, sondern u m dessen Erweiterung.

1. Teil, I . „Parteienstaat" u n d Staatsrechtslehre

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Trotz der beschriebenen Problemerweiterung ist der Parteienstaatsbegriff i n zweifacher Hinsicht mißverständlich. Semantisch liegt i n der Tat eine Synthese von Staat und Parteien nahe, vor der H. Ehmke 6 warnt. Nach dem GG „verkörpern" die Parteien keinesfalls den „Staat" und stehen der „Gesellschaft" gegenüber. Die i n dieser Hinsicht sicher etwas einseitige Begriffsbildung ist jedoch insofern gerechtfertigt, als sie die Abkapselung der Parteien gegenüber dem staatlichen Bereich — eine vielfach unbewußte Übernahme liberalen Trennungsdenkens — durch die starke Betonung der Gegenposition überwindet und die Bemühungen um ein realistisches Verständnis ihrer Funktionen i m verfaßten Gemeinwesen forciert. Ein zweites Problem ergibt sich aus der vergleichenden Nebeneinanderstellung des Parteienstaatsbegriffs m i t anderen, das Element „Staat" enthaltenden staatsrechtlichen Kombinationen, wie z.B. der des Rechtsstaates oder der des Sozialstaates. Es handelt sich bei den letzteren primär u m Staatsauf gaben — die jedoch i n der Entwicklung auf den gesellschaftlichen Bereich übergreifen — während die Funktionen der Parteien ihren Ursprung i n der gesellschaftlichen Sphäre haben. Diese „Unvereinbarkeit" der Ausgangspositionen, die zumindest bei der Prägung und Verwendung neuerer Begriffe wie dem des Parteienstaates vermieden werden sollte, ist jedoch nur eine vordergründige. Tatsächlich zeigt sich, daß alle jene „Staats-Kombinationen" i n der Entwicklung zu multifunktionalen Begriffen wurden, die i m demokratischen Gemeinwesen etatistische Vorstellungen über die Kategorie des öffentlichen zu „Staat" und „Gesellschaft" umfassenden Aufgabenkomplexen erweitern. I n diesem Sinne „paßt" der Begriff Parteienstaat i n die genannte Reihe, und so w i r d er i m folgenden verwandt 7 . Die Untersuchung des Problems der innerparteilichen Demokratie erfordert zunächst die Bestimmung ihrer übergeordneten Bezugspunkte i m Parteienstaat, macht einen Aufriß seiner Funktionszusammenhänge i n ganzheitlicher Auslegung der relevanten Bestimmungen aus der Einheit der Verfassung heraus notwendig 8 . Spätestens seit der Durchset6

I n : W D S t R L 24 (1966), S. 95 ff. D . h . auch, daß die theoretische F i x i e r u n g des Parteienstaatsbegriffs durch G. Leibholz keineswegs durch die Verwendung des Begriffs m i t übernommen w i r d . Es g i l t gerade, den Begriff des Parteienstaats empirisch zu gewinnen u n d neu zu begründen, seine wesentlichen Voraussetzungen zu untersuchen. Vgl. dazu insgesamt die kritischen Ausführungen von P. Haungs, Die Bundesrepublik — ein Parteienstaat?, ZParl. 1973, S. 502 ff. 7

8 Vgl. zu diesem Interpretationsprinzip H. Ehmke, W D S t R L 20 (1963), S. 53 (77 ff.). Die Verfassungsrechtsprechung zu diesem „vielleicht wichtigsten verfassungsrechtlichen Interpretationsprinzip" ist „ u n k l a r u n d teilweise w i derspruchsvoll" (Ehmke, ebd., S. 102 L S 5 a). s. BVerfGE 1, 14 (32); 3, 225 (231); 6, 309 (361); 19, 206 (220); 28, 243 (244 L S 2, 261). Die Zusammenhänge

1. Meinungsstand

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zung des allgemeinen Wahlrechts ist evident, daß i n der Massendemokratie individuelle politische Interessenrealisierung nur durch organisierte Kooperation der i n ihren politischen Zielsetzungen annähernd zu vereinbarenden Interessen möglich ist. Als Organisationsform haben sich die Parteien herauskristallisiert; i n ihnen sind die politisch engagierten Bürger zu aktionsfähigen Gruppen zusammengeschlossen. Diese für das Staatsrecht zunächst als unbeachtlich ins Soziologische abgeschobene9 Erscheinung gewann als Voraussetzung des modernen Parlamentarismus m i t A r t . 21 GG verfassungsrechtliche Aktualität. Daher sollen eingangs kurz die Grundlinien und Ergebnisse der wesentlichsten staatsrechtlichen Lehren vom Parteienstaat herausgestellt werden, um zu zeigen, wie weit die Problematik der innerparteilichen Demokratie erkannt und gelöst ist. 1. Meinungsstand Das GG trägt m i t A r t . 21 einer — m i t Unterbrechung 1933 -1945 — historisch gewachsenen und längst etablierten parteienstaatlichen W i r k lichkeit Rechnung. Unmittelbar einschlägig zur Bestimmung des verfassungsrechtlichen Status der Parteien sind weiter A r t . 20 G G 1 0 und A r t . 38 GG. Darüber hinaus dienen Verfassungsnormen, die primär andere Bereiche regeln, zur Erhellung der Problemzusammenhänge i m Parteienrecht 11 . Relativ früh ergingen als einfachgesetzliche Quellen des Parteienrechts m i t dem BWahlG Normen, die die Funktion der Parteien bei der Aufstellung von Bewerbern u m Parlamentsmandate und somit bereits einen wesentlichen Aspekt der innerparteilichen von Verfassung u n d Einheitsdenken sind bereits bei ff. Heller, Staatslehre, angesprochen: Verfassung als „übergeordnete Wirkungseinheit" (S. 259), als „einheitliche Grundordnung" (S. 277). 9 E. Kaufmann, Die Regierungsbildung i n Preußen u n d i m Reiche, S. 376; G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 114; ff. Triepel, Die Staatsverfassung u n d die politischen Parteien, 1928, S. 29 f.: „Die Partei ist eine extrakonstitutionelle Erscheinung, ihre Beschlüsse sind v o m Standpunkt des Rechts aus gesehen unverbindliche u n d unmaßgebliche Äußerungen eines dem Staatsorganismus fremden sozialen Körpers." — Der Ausbau der soziologischen Theorie der Parteien w u r d e zunächst v o r allem von M. Ostrogorski, M. Weber u n d R. Michels betrieben, s. dazu T. Schieder, Die Theorie der Parteien i m älteren deutschen Liberalismus, S. 33 ff. 10 A r t . 20 I I u n d 21 G G sind unter den Bedingungen heutiger (d.h. parteiendemokratischer) W i r k l i c h k e i t Schon i m Ansatz zusammen zu sehen, P. Häberle, JuS 1967, S. 64 (66 u. passim) m. w . N. i n A n m . 18. 11 Z. B. A r t . 50 ff. G G — der Bundesrat „ m i n d e r t die Gegensätze zwischen Regierungs- u n d Oppositionspartei, w e i l das Verhältnis i n den einzelnen Ländern umgekehrt sein kann", K. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, S. 30. I n diesem Zusammenhang gehört auch die parteipolitische Bedeutung der Bund-Länder-Streitigkeit (Art. 93 I Ziff. 2 GG), auf die Hesse, ebd., S. 9 f. hingewiesen hat: es geht i n diesem Verfahren oft u m die Austragung p o l i t i scher Differenzen der Parteien, die i n ein rechtliches Gewand gekleidet w e r den.

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1. Teil, I. „Parteienstaat" u n d Staatsrechtslehre

Demokratie regelten 12 . Größtenteils i m PartG von 1967, aber auch i n anderen Gesetzen finden sich weitere Regelungen, die den Status der Parteien und ihrer Mitglieder prägen 13 . A m bekanntesten ist w o h l der Versuch von G. Leibholz, diesen normativen Befund zu einer staatsrechtlichen 14 Theorie des Parteienstaats zu verarbeiten, die vom BVerfG später als „grundlegend" bezeichnet wurde 1 5 . Nach i h m sind parteienstaatliche Massendemokratie und repräsentativer Parlamentarismus zwei „völlig verschiedene Strukturtypen der Demokratie" 1 6 . Soll der Abgeordnete das Volk als politischideelle Einheit repräsentieren, muß er sich frei und unabhängig entscheiden und darf nicht durch die Parteien beeinflußt werden. Diese klassische Vorstellung parlamentarischer Repräsentation ist i n allen westlichen Demokratien zu einem m i t der politischen Wirklichkeit unvereinbaren Klischee degeneriert 17 . A n seine Stelle ist der moderne Parteienstaat, „eine rationalisierte Erscheinungsform der plebiszitären Demokratie oder, wenn man w i l l , ein Surrogat der direkten Demokratie i m Flächenstaat" 18 getreten. Aus dieser Sicht folgt die Überwindung der Gegenüberstellung von Volk, Parteien und Staat. Der Intention jener Theorie nach sind die Parteien, die den Staat „beherrschen" 10 , zugleich das Volk — Hüter des Volkswillens 2 0 . Das politische Schwergewicht ist aus dem Parlament heraus auf die die Aktivbürgerschaft organisierenden politischen Parteien verschoben 21 . Sie sind i n den Herrschaftsapparat eingefügte „Elemente des staatlichen Bereiches" 22 . Leibholz geht davon aus, daß die Parteien nicht quantitativ — i m Sinne von: jeder Aktivbürger ist gleichzeitig auch Parteibürger — das Volk sind, i h m genügt das qualitative Element der i n Parteien organisierten politisch aktiven Bürger und die grundsätzliche Möglichkeit der Realisie12

B W a h l G v o m 7. 5.1956 (BGBl. I S. 383), §§ 19 ff. Z . B . §§ 84, 85 StGB; 13, 43ff. B V e r f G G ; 6 A u s l G ; 10 b I I EStG; 8 I I KörpStG. 14 A u f politikwissenschaftliche u n d soziologische Ergebnisse w i r d schwerpunktmäßig i m Verlauf der Untersuchung eingegangen. 15 BVerfGE 20, 56 (100). 16 G. Leibholz, DVB1. 1951, S. 1; s. auch: ders., V o l k u n d Partei, S. 73; ders., Strukturwandel, S. 93; ders., Verfassungsstaat — Verfassungsrecht, S. 26, 58 f., 82 f.; ebenso: N. Gehrig, Parlament — Regierung — Opposition, 1969, S. 105; a. A . M. Kriele, W D S t R L 29 (1971), S. 46 (69). 17 G. Leibholz, DVB1. 1951, S. 2; ders., Verhandlungen des 38. D J T , C S. 5, 9 f., 15; ders., Gestaltwandel, S. 224ff., 235 f.; ders., Strukturwandel, S. 86. 18 Ders., DVB1. 1951, S. 4; ders., Verh. des 38. DJT, C S. 9; ders., S t r u k t u r wandel, S. 93 f. 19 Ders., DVB1. 1951, S. 6. 20 Ders., Verh. des 38. DJT, C S. 8; s. auch BVerfGE 2, 1 (11); 4, 27 (28). 21 G. Leibholz, DVB1. 1951, S. 4; ders., Strukturwandel, S. 95; ders., V e r fassungsstaat — Verfassungsrecht, S. 29. 22 Ders., V o l k u n d Partei, S. 72 u n d passim. 13

1. Meinungsstand

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rung dieser Gleichung. Als Verbindung zwischen Volkswillen und seiner Vollstreckung i n Parlament und Regierung betrachtet er primär die Wahlen zu den Staatsorganen, deren Charakter sich i n der parteienstaatlichen Massendemokratie zu einem plebiszitären A k t hinsichtlich der Politik für die künftige Legislaturperiode gewandelt habe 23 . Ansatzweise w i r d auch die Funktion der innerparteilichen Demokratie, „Demokratisierung der Parteien", i n diese Theorie des Parteienstaats eingebaut: sie soll verhindern, daß ein verselbständigter oligarchischer Parteiapparat m i t Hilfe der Organisation seinen Willen entgegen dem Willen der Wähler und der Parteibürger — letztere bedürfen eines rechtlich geordneten demokratischen Status 2 4 — durchsetzen kann 2 5 . Wegen der engen Verflechtung von funktionierendem Parteienstaat und Demokratie „müssen vor allem die Aktivbürger aktiviert werden . . . m i t Hilfe der Demokratisierung der Parteien selbst" 26 . Trotz einer grundsätzlich anderen Einordnung — strikte Trennung von Parteien und organisierter Staatlichkeit 2 7 — können die Untersuchungen von 17. Scheuner und K . Hesse als Ergänzung und systematisierende Vertiefung der staatsrechtlichen Theorie(n) zum Parteienverständnis nach dem GG gelten. Der Status der Parteien w i r d differenziert i n eine Komponente der Freiheit, eine der Gleichheit und eine der Öffentlichkeit 2 8 , wobei K. Hesse die erstere weiter untergliedert i n äußere und innere Parteifreiheit. Die Parteien können die ihnen nach dem GG obliegenden Aufgaben 2 9 nur wahrnehmen, wenn sie i n verfassungsmäßig vorausgesetzter Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit agieren. Dabei werden die bislang nebeneinander diskutierten Bereiche — wie z. B. Gründungsfreiheit, Chancengleichheit, öffentliche Rechenschaftslegung — i n ihrer Interdependenz gesehen und i n einer umfassenderen Problemstellung fruchtbar gemacht. Angesichts der elementaren Bedingtheit von Demokratie und Parteien 3 0 entstehen auf der Basis jener drei Status der Parteien Folge23

G. Leibholz, Verh. des 38. DJT, C S. 10 f. Ders., DVB1.1951, S. 5; ders., Verh. des 38. DJT, C S. 23 f. 25 Ders., Verh. des 38. D J T , C S. 12, 21. 28 Ders., Gestaltwandel, S. 246; ähnlich ders., Parteiengesetz, S. 179. — W. Weber, Spannungen u n d K r ä f t e i m westdeutschen Verfassungssystem, S. 53 f., versteht darunter — i n Vereinseitigung des Leib Dölzschen Anliegens — die „nicht parteiinterne Aufgabe, den Parteien ein Mandat des Volkes zu v e r schaffen". 27 17. Scheuner, D Ö V 1958, S. 461 (462); ders., D Ö V 1965, S. 579; K. Hesse, V V D S t R L 17 (1959), S. 11 (34 f.); ders., Grundzüge, S. 73 f. 28 K . Hesse, V V D S t R L 17 (1959), S. 27ff.; ders., Grundzüge, S. 71 ff.; ders., A r t . Parteien, i n : Ev. Staatslexikon, 1966, Sp. 1490f.; U. Scheuner, D Ö V 1958, S. 461 ff. 29 s. den Aufgabenkatalog i n § 1 PartG. 24

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1. Teil, I. „Parteienstaat" u n d Staatsrechtslehre

Probleme — wie z. B. die Frage nach dem Verhältnis von Freiheit und Gleichheit 31 zwischen den und innerhalb der Parteien oder nach dem Inhalt des staatsrechtlichen Begriffs des öffentlichen — i n neuer, konkreter Aktualität. Die herrschende Meinung sieht die Funktion der parteienstaatlichen Verfassung primär i n der Erhaltung des freien Bereichs der Vorformung des politischen Willens des Volkes und einer Garantie der Offenheit des politischen Prozesses 32. Wie sich dabei die „immer erneute demokratische Legitimierung des Staates" durch die Parteien rechtlich vollzieht, bleibt unklar, da sie nach dieser Auffassung gegenüber den Staatsorganen „vor einer Schwelle" stehen, „über die sie Vertrauensleute und selbst faktisch fertige Entscheidungen hinübersenden können, die sie aber als Parteien niemals überschreiten können" 3 3 . Wichtig w i r d also die Frage, wie die Regierungspartei(en) „für eine ständige lebendige Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen sorgen" (§ 1 I I PartG) kann, wie über die Oppositionspartei(en) eine Kontrolle durch das Volk stattfindet 3 4 . 2. Auswertung und Stellungnahme Eine A n t w o r t auf die Fragen nach einer kontinuierlichen Legitimation der Staatsgewalt durch plebiszitäre Partizipation des Volkes i n der Parteiendemokratie gibt die Leibholzsche Theorie des Parteienstaates nicht. Seine Aufwertung der Wahlen zum plebiszitären A k t hinsichtlich der künftigen Politik und zum primären Verbindungsglied zwischen Volkswillen und dessen Realisierung i n den Staatsorganen 35 geht an der politischen Praxis der heutigen Volksparteien 8 6 vorbei. Der Wähler hat nur wenige, i n ihren pauschalen Sachprogrammen weitgehend angenäherte Alternativen. Sein Plebiszit bezieht sich i n erster Linie auf 30 P. Haberle, JuS 1967, S. 64 (67): „die Parteien (sind) samt ihrer verfassungsrechtlichen Stellung i n A r t . 21 konstituierende Elemente der Demokratie." 31 Vgl. dazu allgemein: R. Zippeixus, Allgemeine Staatslehre, S. 163 f.; R. Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 383 f.; H. Scholler, Die Interpretation des Gleichheitssatzes als W i l l k ü r v e r b o t oder als Gebot der Chancengleichheit, S. 17 f. — Vgl. auch BVerfGE 8, 63 f.; 20, 116 ff.; 24, 340 ff. 32 Z . B . 17. Scheuner, D Ö V 1958, S. 641 (643); K . Hesse, W D S t R L 17 (1959), S. 23; ders. f Grundzüge, S. 70; W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 18. 33 W. Henke, ebd. — Anders das Parteienstaatsverständnis von G. LeibholZy der v o m Einbau der Parteien i n das Staatsgefüge u n d ihrer Einfügung i n den staatlichen Herrschaftsapparat spricht (Volk u n d Partei, S. 72, 75). 34 Diese Unterscheidung K . Hesses ( W D S t R L 17, S. 25; Grundzüge, S. 70) i n unterschiedliche Funktionen von Regierungs- u n d Oppositionsparteien i m Verhältnis Volk-Staat ist als sachgerechte Differenzierung eine A n w e n dungshilfe der genannten pauschalen Formulierung des § 1 I I PartG. 35 G. Leibholz, Verh. des 38. DJT, C S. 10 f. 38 s. dazu unten I I . 3.

2. Auswertung u n d Stellungnahme

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die Person des Bundeskanzlers bzw. des Ministerpräsidenten 37 . Für eine plebiszitäre parteienstaatliche Demokratiekonzeption müßte daher gerade der Status des Parteibürgers und die Funktion der innerparteilichen Demokratie bei der Übermittlung des politischen Wollens des Volkes an die entscheidungskompetenten staatlichen Stellen ein wesentliches Argument sein. Denn es geht bei der „Demokratisierung der Parteien" nicht nur u m den Abbau von Oligarchien i m Parteiapparat 38 , sondern um Formen permanenter Partizipation der Parteibürger an Partei- und Staatsentscheidungen. Insgesamt löst Leibholz seinen theoretischen Anspruch, ein Modell plebiszitärer Demokratie i m Parteienstaat zu entwickeln, nicht ein 3 9 . Da die quantitative Gleichsetzung von Volk und Parteien m i t der Wirklichkeit unvereinbar ist — es handelt sich allenfalls u m eine qualitative Identität von Volkswille und Partei(en)wille 4 0 — w i r d die Unterscheidung zwischen Parteibürgern, d. h. den i n den politischen Parteien organisierten 41 und den übrigen A k t i v bürgern sowie eine differenzierende Bestimmung ihrer Mitwirkungsrechte notwendig. Die Untersuchungen über politische Parteien haben sich vor allem auf grundsätzliche Fragen des Problemfeldes Parteien und Demokratie konzentriert; ihren Forschungsgegenstand bilden überwiegend die Parteien als Organisationseinheiten und ihre Funktionen 4 2 . Ausgehend von dieser Grundlegung ist jedoch weiter zu fragen, ob und wie die i n der Massendemokratie zur Kooperation gezwungenen individuellen Interessen über die und i n den Parteien realisiert werden. Die Parteien sind nicht nur aus der Blickrichtimg vom politischen Gesamtsystem, sondern auch aus der Sicht des Parteibürgers — d. h. grundrechtlich — zu untersuchen. N u r unter Einbeziehung des A r t . 21 I 3 GG läßt sich ihr Status zureichend bestimmen, als Organisationsform zur Partizi37

E. Friesenhahn , W D S t R L 16 (1958), S. 9 (52); P. Badura, Parlamentarismus u n d parteienstaatliche Demokratie, S. 22; B. Vogel ID. Nohlen/R . O. Schnitze , Wahlen i n Deutschland, S. 239. 38 G. Leibholz , Verh. des 38. DJT, C S. 12, 21. 39 P. Haungs, ZParl. 1973, S. 502 (507). 40 Vgl. dazu K. Sontheimer , Demokratischer Prozeß, S. 78 (82). I n diesem Sinne w o h l auch G. Leibholz i n einem Diskussionsbeitrag, PVS 1964, S. 38: „ . . . w e i l i n einem funktionierenden demokratischen Parteienstaat die W ä h ler den Parteien zugeordnet sind." 41 W. Weber , Spannungen u n d K r ä f t e i m westdeutschen Verfassungssystem, S. 53. 42 Das ist — nicht zuletzt bedingt durch die insoweit „einseitig" verlaufene Diskussion u m das P a r t G — bis heute der primäre Forschungsgegenstand parteienrechtlicher Untersuchungen, s. aber auch z. B. die Monographien: U. Müller , Die demokratische Willensbildung i n den politischen Parteien; D. Hahn, Innerparteiliche Demokratie; R. Wolfrum , Die innerparteiliche demokratische Ordnung nach dem Parteiengesetz. — Einzelprobleme der Parteii n t e r n wurden dagegen gelegentlich i n Aufsätzen behandelt, s. aber auch die Monographie von E. Lengers , Rechtsprobleme bei Parteiausschlüssen.

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1. Teil, I. „Parteienstaat" u n d Staatsrechtslehre

pation der Mitglieder an der Parteipolitik und über und durch sie an der Politik des Gemeinwesens. Diese Funktion der Parteien folgt wie die übrigen aus der verfaßten demokratischen Ordnung 4 3 . I n der theoretischen Bewältigung des Parteienstaates fehlt es an der Erkenntnis und Verarbeitung des umfassenden Stellenwertes der innerparteilichen Demokratie, wenn allein auf das Gebot i n A r t . 21 I 3 GG rekurriert w i r d 4 4 , ohne i n einer Gesamtsicht den größeren Zusammenhang von Volk, Parteien und Staat, sowie der Grundrechte i m demokratischen Gemeinwesen aufzudecken und zu berücksichtigen. Wo dies ansatzweise geleistet wird, handelt es sich meist u m eine beiläufige A n deutung, und es werden nicht die i n ihrer Konsequenz liegenden Folgerungen für die Parteiinterna gezogen 45 . Die Unterscheidung zwischen dem Status der Partei als Organisation und dem ihrer Mitglieder — sofern dieser überhaupt erwähnt w i r d — hat zu einer, die genannten Zusammenhänge vernachlässigenden Trennung und zur Verkümmerung des letzteren geführt, da nur eine „rechtlich geordnete und gesicherte Stellung der Parteien" für Bestand und Fortentwicklung der Bundesrepublik von entscheidender Bedeutung sein soll 4 6 . Nach einem Ansatz, der die Parteien als notwendige Instrumente zur Selbstorganisation und Beteiligung der Aktivbürger 47 am politischen Geschehen i n der Massendemokratie versteht, muß die Akzentuierung gerade umgekehrt erfolgen; denn wer nur die Masse sieht, wertet den Einzelnen nicht als politische Persönlichkeit 48 . Eine eloquente Parteiführung könnte, losgelöst von ihrer Basis agierend, die Funktionen der Partei nach außen (z. B. Beeinflussung der politischen Willensbildung, Präsentation von Wahlbewerbern, Wahlkampfführung) so ausüben, daß die Partei äußerlich durchaus als „ i n Ordnung" erscheint. Erst die nähere Betrachtung der „inneren Ordnung" zeigt, ob eine Partei ihre politische Macht für die Mitgliederpartizipation offenhält oder ob nur die Führungselite daran beteiligt ist. Die mit der Erringung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts für alle Bürger bezweckte Machtsteigerung des Volkes ist zu einer „gewaltigen Machtsteigerung der politischen Parteien" geworden 49 . Jene 43

K . Hesse, A r t . Parteien, i n : Ev. Staatslexikon, Sp. 1488. Vgl. z.B. H. J. Rinck, Der verfassungsrechtliche Status der politischen Parteien, S. 319. 45 So soll z. B. nach W. Henke, Das Recht der pol. Parteien, S. 49, A r t . 21 I 3 GG eine Legitimierung zwischen Staat u n d Gesellschaft herstellen u n d die Erstarrung zu einem „reinen Legalitätssystem" verhindern. 46 W. Henke, ebd., S. 16. 47 T. Ellwein, Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, S. 115. 48 E. Friesenhahn, V V D S t R L 16 (1958), S. 9 (15). 49 G. Leibholz, Strukturwandel, S. 89. 44

2. Auswertung u n d Stellungnahme

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mit der Demokratisierung des Wahlrechts intendierte allgemeine Demokratisierung ist unterwegs stecken geblieben: der Einfluß der einzelnen Aktivbürger und i n seiner Summierung der des Volkes wuchs nur minimal i m Vergleich zu dem potenzierten Zuwachs des Einflusses der Parteien. Hier ist die Entwicklung wieder i n Gang zu bringen; der „Durchlässigkeit der Parteien" 5 0 kommt wesentliche Bedeutung zu. Es müssen Informationen und Entscheidungskompetenzen an die unteren Gliederungen abgegeben und zugleich Innovationen und Entscheidungen jener Ebenen von den Parteispitzen und den Parteivertretern i n den Staatsorganen aufgegriffen werden. Wichtigstes A n liegen muß die normativ — d. h. auch grundrechtlich — ermöglichte und abgesicherte Partizipation des Parteibürgers sein. Die Meinung, das GG konstituiere eine repräsentative Demokratie, w i r d meist zustimmend tradiert und zu wenig problematisiert 5 1 . Oft fehlt die Auseinandersetzung m i t der These von der Unvereinbarkeit des modernen Parteienstaats m i t einem repräsentativen parlamentarischen System 52 . I n der Tat findet sich i n A r t . 38 I 2 GG die klassische Formulierung der liberalen Repräsentationstheorie, wonach die A b geordneten nicht Interessenvertreter sein können, da sie der Idee nach nicht Teile der Bevölkerung vertreten, sondern als „Beste" die res publica i n ihrer Gesamtheit verselbständigt darstellen. Angesichts der unter egalitärem Vorzeichen erfolgten Demokratisierung des Wahlrechts und der daraus resultierenden politischen Emanzipation der sozialen Unterschichten verlor die liberale Repräsentationsvorstellung ihre theoretischen Voraussetzungen 53 , gewählt werden nicht mehr die frei formulierenden Schöpfer des Gemeinwohls, sondern die Eliten verschiedener Interessenrichtungen unter dem „Dach" der Volksparteien. Der Interessenpluralismus der Gesellschaft — gefördert vom GG (z. B. A r t . 4, 5, 8, 9, 21, 140) — reicht bis i n die Staatsorgane. Es ist offensichtlich, daß das liberale Verständnis des Abgeordnetenstatus m i t der politischen Wirklichkeit unvereinbar ist. Die Abgeordneten nehmen regelmäßig die Interessen der Schichten des Volkes wahr, aus denen sich 50

E. Friesenhahn , Parteien, S. 14 f. s. z.B. Bericht der Parteienrechtskommission, 2. A u f l . 1958, S. 67; T. Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, GG, Rdnrn. 50 ff. zu A r t . 20; A. Hamann / H. Lenz, GG, Einf. I D. 4. vor A r t . 20 u n d A r t . 20 A . 6; U. Scheuner , Repräsentatives Prinzip, S. 225; P. Badura , Parlamentarismus u n d parteienstaatliche Demokratie, S. 14; W. Kewenig, Problematik des A r t . 38 GG, S. 109. 52 Dieses Problem umgeht auch H. Lang, Das repräsentative Prinzip i m Parteienstaat, indem er zu beweisen sucht, daß der Parteienstaat des GG am repräsentativen Charakter der parlamentarischen Demokratie festhält. — K r i t i k an der Leibholz-These bei C. Müller, Das imperative u n d freie M a n dat, S. 45 ff.; G. Trautmann, ZParl. 1971, S. 54 (59 ff.); H. Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, S. 167 ff. 58 W. Abendroth, Innerparteiliche Demokratie, S. 276. 51

1. Teil, I. „Parteienstaat" u n d Staatsrechtslehre

ihre Wähler rekrutieren 5 4 . Es läge daher nahe, die Repräsentationsformel des A r t . 38 GG als eine verfassungssi/stemwidrige Verfassungsnorm einzustufen. Vor einem solchen Ergebnis muß jedoch das Bemühen um eine systemkonforme Interpretation dieser Bestimmung stehen, ohne der Verfassung selbst Gewalt anzutun 5 5 . Der liberale Repräsentationsbegriff ist durch Eliminierung seiner zeitgebundenen, h i storisch überwundenen Elemente aus der tradierten Verabsolutierung zu lösen 56 . Insbesondere A r t . 38 GG ist vom repräsentationstheoretischen Ballast des 19. Jahrhunderts zu befreien 57 und i n eine am GG als Ganzem orientierte Theorie zu stellen. A r t . 20 I I GG, der neben A r t . 38 I 2 GG oft als Beleg für das repräsentative System i m GG zitiert w i r d 5 8 , läßt sich bei unvoreingenommener Betrachtung ebensowenig als Regelung eines repräsentativen Modells qualifizieren, wie er ohne Blick auf weitere Normen der Verfassung als Beweis für eine plebiszitäre Ausrichtung tauglich ist 5 9 . Wenn es dort heißt, daß alle vom Volk ausgehende Staatsgewalt von besonderen Organen ausgeübt wird, so besagt dies nichts über die A r t der Verbindung zwischen Volk und Staatsorganen, die tatsächliche politische Ordnung 6 0 . Es handelt sich um die bloße Aufteilung von Trägerschaft und Ausübung der Staatsgewalt, deren inhaltliche Verflechtungen erst m i t Hilfe anderer Normen, die z. B. die Verbindungsfunktion der Begriffe „Wahlen und Abstimmungen" konkretisieren, deutlich werden. Unmittelbar einschlägig ist dabei neben A r t . 38 auch A r t . 21 GG. Ob daher die Staatsleitung allein durch 54

R. Herzog, A r t . Pluralismus, i n : Ev. Staatslexikon, 1966, Sp. 1541 (1545). G. Leibholz, DVB1. 1951, S. 6. 56 H. Lang, Das repräsentative Prinzip i m Parteienstaat, S. 22 ff.; U. Scheuner, D Ö V 1965, S. 577 ff. 57 So k a n n m a n das V o l k nicht mehr als „einheitliche Substanz der Repräsentation" auffassen, was durch die Manifestation verschiedener Interessen innerhalb der Parteien u n d i n Verbänden anschaulich belegt w i r d ; vgl. dazu M. Draht, Die E n t w i c k l u n g der Volksrepräsentation, S. 37. — So k o m m t w e i ter dem Abgeordneten k e i n höherer persönlicher Wert zu als den übrigen Bürgern, er verkörpert nicht das V o l k als wertbetonte Einheit, sondern hat auf Zeit eine besondere „höher bewertete F u n k t i o n " i m Gemeinwesen, vgl. W. Besson / G. Jasper, Das L e i t b i l d der modernen Demokratie, 1965, S. 36. — s. auch die Deutung des Repräsentationsproblems bei J. H. Kaiser, Die Repräsentation organisierter Interessen, 1956, S. 354f.: „Der Interessenpluralismus der modernen Gesellschaft ist dagegen der Repräsentation durch eine nationale I n s t i t u t i o n grundsätzlich nicht fähig. Vielmehr ist die organisierte Interessenwahrnehmung als solche . . . selbst eine A r t Repräsentation." 58 Vgl. T. Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, GG, Rdnrn. 50 ff. zu A r t . 20. 69 Die Überbewertung des A r t . 20 I I G G i m Zusammenhang m i t Gewaltenteilungsproblemen — methodisch m i t dem hier angesprochenen vergleichbar — veranlaßt K . Hesse, Grundzüge, S. 192, zu der Richtigstellung: „dieser (Art. 20 I I GG) besagt nicht mehr u n d nicht weniger, als daß drei F u n k t i o nen unterschieden u n d durch besondere Organe wahrgenommen werden sollen." 60 M. Hättich, Demokratie als Herrschaftsordnung, S. 14. 55

2. Auswertung u n d Stellungnahme

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ihren Willen den des Volkes repräsentiert, oder ob der Volkswille über plebiszitäre Strukturen, wie z. B. die politischen Parteien, für die politische Willensbildung ausschlaggebend ist, läßt sich nur durch eine ganzheitliche Interpretation 6 1 ermitteln. So sind z.B. auch die Führungsmannschaften der großen Parteien Repräsentanten des Volkes 6 2 i m Parteienstaat. Die „primitive dogmatische Konstruktion" (P. Haungs) des unversöhnlichen Entweder-Oder von repräsentativer und plebiszitärer Demokratiekonzeption 6 3 ist dabei keine tragfähige Prämisse 64 . Einmal deshalb, w e i l sich der liberale Repräsentationsbegriff Abstriche an seinen zeitgebundenen ideologischen Elementen gefallen lassen muß, und zum andern, w e i l durchaus ein Ergänzungsverhältnis zwischen repräsentativen und plebiszitären Instrumenten i n der Verfassung einer modernen Massendemokratie denkbar ist. Das plebiszitäre Verständnis der Wahlen als Sachentscheidungen der Aktivbürger über Parteiprogramme 6 5 und somit als Beleg für unmittelbare Demokratie, ist angesichts der abstrakten Formelhaftigkeit programmatischer Aussagen der Parteien und des „zu ihrem Lebensprinzip gewordenen" Pragmatismus 66 ebenso unrealistisch, wie die gegenteilige repräsentationstheoretische Annahme, die Abgeordneten würden aufgrund persönlicher Legitimation durch Wahlen eine Werthaftigkeit erlangen, die sie i n die Lage versetzt, alle Entscheidungen i n „völliger Freiheit" zu treffen 6 7 . Parlamentswählen sind — auch i n den Wahlkreisen — heute primär Parteiwahlen 6 8 . Sie enthalten ein sachliches und personelles Minimalplebiszit .

61

Vgl. dazu K . Hesse, Grundzüge, S. 28. So R. Herzog , Allgemeine Staatslehre, S. 217. 63 Vgl. G. Leibholz, DVB1. 1951, S. 1; ders., Verfassungsstaat — Verfassungsrecht, S. 8, 29. — Näher dazu unten unter I I I . 64 P. Haungs, ZParl. 1973, S. 508 f.; C. Müller, Das imperative u n d freie Mandat, S. 219, weist zu Recht auf die Folgen dieser konstruierten Unvereinbarkeit für Begriff u n d Verständnis der Parteienstaats h i n : „Der Idealtypus Parteienstaat ist aber auch inhaltlich falsch gebildet; denn er ist die Negat i o n des sachlich unzutreffenden Typus Repräsentation." — Nach P. Badura, Parlamentarismus u n d parteienstaatliche Demokratie, S. 18, kennzeichnet der Unterschied zwischen Wahlen u n d Abstimmungen den zwischen repräsentativer u n d unmittelbarer Demokratie, die Ausübung der Staatsgewalt durch das V o l k i n Wahlen u n d Abstimmungen (Art. 20 I I GG) würde demnach f ü r eine „Mischform" von repräsentativen u n d plebiszitären Elementen i m GG sprechen. 65 G. Leibholz, Gestaltwandel, S. 231; P. Badura, i n : Bonner Kommentar, Rdnr. 26 zu A r t . 38 G G ; W. Abendroth, Das Grundgesetz, S. 77. 66 W. D. Narr, CDU—SPD, S. 239. 67 Näher C. Müller, Das imperative u n d freie Mandat, S. 6, bes. A n m . 4. w W. Hempel, Die neue Gesellschaft 1974, S. 225; I . Fetscher, Die Demokratie, S. 78; G. Leibholz, DVB1. 1951, S. 4; H.-J. Rinck, J Z 1958, S. 195; H. Trautmann, J Z 1970, S. 406; F. Schäfer, Überlegungen zu A r t . 38 GG, S. 121; 62

3 Trautmann

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1. Teil, I. „Parteienstaat" u n d Staatsrechtslehre

„Das Volk läßt nicht nur regieren, es regiert auch selbst 69 ." Es sind gewisse Personal- und Sachfragen, i n denen sich die Parteien für den Fall ihres Wahlsieges unmißverständlich festgelegt haben, von solchen zu unterscheiden, zu denen keine klaren Aussagen oder nur mögliche A l ternativen vorliegen. M i t seiner Stimme t r i f f t der Bürger bei der Wahl — unter dem Vorbehalt des Sieges seiner Partei(en) — eine rechtlich unverbindliche aber faktisch bereits wirksame Sachentscheidung über Fragen der ersten Kategorie, die auch bei Koalitionsregierungen als Verhandlungsbasis für Kompromisse von Bedeutung bleibt. Angesichts der Vielzahl von Problemen, die von den Parteien vor der Wahl offen gelassen wurden oder noch gar nicht abzusehen waren, oder bei veränderter Sachlage, bleibt es bei einer repräsentativen Ermächtigung der Abgeordneten, die allerdings eingebunden ist i n die Ergebnisse der Willensbildung i n Partei oder Fraktion. Hinsichtlich der Verbindung repräsentativer und plebiszitärer Gestaltung über die politischen Parteien 7 0 kommt es wesentlich auf die inhaltliche Bestimmung des Umsetzungspotentials an innerparteilicher Demokratie an. Nach E. Fraenkel ist die Frage eines Ausgleichs zwischen den repräsentativen und den plebiszitären Komponenten einer Verfassung primär ein Problem des Parteienrechts, den plebiszitären Kräften der Parteien ist ausreichend Spielraum zu gewähren 71 . Das Votum für eine strikte repräsentative politische Ordnung ist ein Votum gegen Mündigkeit und Selbstbestimmung des Bürgers 7 2 . Die Kontroverse u m eine unmittelbare oder mittelbare Demokratie oder eine Mischform i m GG 7 3 ist daher letztlich die Frage nach Inhalt und Funktion der innerparteilichen Demokratie. Der Begriff Abstimmungen i n A r t . 20 I I GG wurde bisher unter Hinweis auf die inzwischen teilweise obsoleten A r t . 29, 118 GG — es wäre auch noch A r t . 28 I 3 GG zu nennen — nur unter diesem Aspekt 7 4 W. Rudzio, R u G 1972, S. 206; ebenso bereits F. Morstein-Marx, AöR 50 (1926), S. 443. 69 W. Hempel, ebd., unter Berufung auf A r t . 20 I I 2 GG, wonach das V o l k i n Wahlen u n d Abstimmungen Staatsgewalt ausübt. 70 R Häberle, AöR 98 (1973), S. 119 (129 f.). 71 I n : Die repräsentative u n d die plebiszitäre Komponente i m demokratischen Verfassungsstaat, S. 57 f. 72 F. Karsch, Demokratie u n d Gewaltenteilung, S. 110. 73 s. dazu die ausgewogene Darstellung auf historischer u n d vergleichender Basis bei E. Fraenkel, ebd., bes. S. 56ff.: das GG als „super-repräsentative Verfassung" m i t „plebiszitären K r ä f t e n innerhalb der Verbände u n d Parteien". — Die Gegenposition z. B. bei W. Abendroth, Das Grundgesetz, S. 87: „So hat das G G durch den Zusammenhang von A r t . 20, 21, 38 u n d 9 ein politisch lebendiges, auf unmittelbarer u n d ständiger Beteiligung aller beteiligungswilligen Bürger am politischen Leben beruhendes pluralistisches System plebiszitärer Demokratie, das sich durch repräsentative Institutionen v e r m i t t e l t , . . . geschaffen."

2. Auswertung und Stellungnahme

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zu einseitig gesehen und verharmlost. Die Möglichkeit, Staatsgewalt durch das Volk i n Abstimmungen auszüben, kann auch i n und über Parteien realisiert werden. Der Abstimmungsbegriff ist die Nahtstelle zwischen Art . 20 II und Art . 21 GG i n bezug auf Ausübung und Legitimation staatlicher Macht und zugleich der Schlüsselbegriff innerparteilicher Demokratie. „ A r t . 20 I I und 21 sind unter den Bedingungen heutiger (d. h. parteiendemokratischer) Wirklichkeit schon i m Ansatz zusammen zu sehen 75 ." Als Abstimmungen sind nicht nur Akte der offiziellen Volksbefragung i n amtlicher Form zu verstehen 76 , sondern auch innerparteiliche Entscheidungen, die Parteivertreter i n staatlichen Stellen zum Adressaten haben. Bereits die Verwendung des Begriffs A b stimmungen i n gesetzlichen Regelungen der innerparteilichen Willensbildungsvorgänge 77 spricht für diese Interpretation. Bei einem Verständnis der Parteien als Organisationsformen zur Partizipation des politisch aktiven Volkes an der Staatsgewalt, ist es nur konsequent, diese Partizipation auf die Verfassung zurückzuführen und als Ausübung der Staatsgewalt i m Sinne des A r t . 20 I I GG zu qualifizieren 7 8 .

74 M. Kriele, W D S t R L 29 (1971), S. 46 (60); K. Hesse, Grundzüge, S. 61; A. Hamann / H. Lenz, GG, A r t . 20 a. 6.; T. Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, GG, Rdnrn. 52 f. zu A r t . 20 GG; W. Abendroth , Das Grundgesetz, S. 78. 76 P. Häberle , JuS 1967, S. 64 (66 ff.). 76 E. W. Fuß , AöR 83 (1958), S. 389 (394 f.), folgert aus dem „Schweigen" des G G zur Frage der Abstimmungen außer i n den A r t . 29, 118 GG, daß „dem zuständigen Gesetzgeber freie H a n d gelassen" sei; als Gestaltungsformen nennt er aber n u r : Volksentscheid, -befragung u n d -begehren. 77 s. z.B. die §§ 6 I I Ziff. 11; 15 I I I 3; 17 P a r t G ; 22 I ; 28 V BWahlG. — § 108 d StGB erweitert die geschützten Rechtsgüter i m Zusammenhang m i t Straftaten bei Wahlen u n d Abstimmungen i n Satz 2 u. a. u m das der innerparteilichen geheimen A b s t i m m u n g gemäß § 22 I BWahlG, w e n n das U n t e r schreiben eines Wahlvorschlags den Tatbeständen der §§ 107 - 108 c StGB — d . h . den übrigen Fällen der Stimmabgabe des Volkes i n Ausübung staatsbürgerlicher Rechte gleichgestellt w i r d . 78 Näher dazu unten unter: I I I . 1.

3*

I I . Normative Anforderungen und parteienstaatliche Realität I n der politischen Wirklichkeit liegen die Dinge teilweise anders, als dies von den genannten Parteienstaatstheorien gesehen wird. Die Bestätigung oder Korrektur jener Vorstellungen durch eine „wirklichkeitswissenschaftliche Bestandsaufnahme" 1 ermöglicht es, den Regelungsgehalt des A r t . 21 I 3 GG als Wertentscheidung hic et nunc zu erfassen 2 und sein Gebot optimal zu realisieren. Für die positivistische Normüberhöhung stellte sich diese Problematik nicht. H. Kelsen beispielsweise reduzierte die Frage nach dem (normativen) Geltungsgrund einer Norm auf die Setzung und Wirksamkeit einer i m Stufenbau des Rechts vorausgesetzten Grundnorm 3 . Die Klärung des Verhältnisses von Verfassungsnorm und Wirklichkeit ist nur dann ein „populäres Scheinproblem" (W. Hennis)*, wenn es sich u m eine rein instrumentale Verfassung handelt. Das GG beschränkt sich jedoch nicht auf die Regelung von Kompetenzen, Verfahren und Grenzen der Politik, sondern hat als materiale Verfassung 5 dem politischen Prozeß bestimmte Wertentscheidungen gesetzt, die der aktuellen Konkretisierung bedürfen 6 . Gerade deshalb ist es kein „Eisenbahnfahrplan" m i t minutiös vorgezeichneten Stationen, die es einzuhalten gilt 7 , sondern vielmehr ein „Fahrtrichtungsanzeiger" der zukünftigen Gestaltung; die Teilstrecken und Zeitabschnitte sind als „gültige Entwicklungstendenz" jeweils erst zu ermitteln 8 . Daraus folgt, daß Verfassungsrecht und -Wirklichkeit nicht als zwei voneinander unabhängige Größen gegenübergestellt oder isolierend 1

P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 43 (45). Der „Durchgriff auf das Tatsachenverständnis" ist f ü r das Verständnis der allgemeinen Regelungsaufgaben unerläßlich, J. Esser, Vorverständnis u n d Methodenwahl i n der Rechtsfindimg, S. 32. 3 Vgl. z. B. ff. Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 200 f., 219 u n d passim. 4 I n : Verfassung u n d Verfassungswirklichkeit, S. 5. 6 Vgl. zur Problematik näher R. Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht, S. 124 ff.; ff. Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, S. 98 ff. 6 I m Sinne K . Hesses, Grundzüge, S. 14, 25 ff. 7 So polemisch W. Hennis, Verfassung u n d VerfassungsWirklichkeit, S. 11, 23. 8 ff. Heller, Staatslehre, S. 105 f., bezeichnet es als Aufgabe der Staatstheorie, den Willensgehalt zu ermitteln, der die konkrete gesellschaftliche W i r k l i c h k e i t zur „ w a h r e n W i r k l i c h k e i t " macht. 2

1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

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einseitig betrachtet w e r d e n dürfen 9. Die Realität ist nicht etwa an e i n e m „ f r e i s c h w e b e n d " g e w o n n e n e n Sollensgebot als u n b e f r i e d i g e n d z u b e u r t e i l e n 1 0 . M a t e r i a l e s V e r f a s s u n g s v e r s t ä n d n i s sieht S e i n u n d S o l l e n n i c h t a n t i n o m i s c h , u m aus e i n e r d e r a r t konstruierten Diskrepanz u n t e r B e r u f u n g a u f das Recht p o s i t i v e A n s p r ü c h e a b z u l e i t e n oder die N o r m als obsolet, w e i l u n e r f ü l l t , z u q u a l i f i z i e r e n 1 1 ; auch k a n n v o n „ m a t e r i a l e r Ü b e r a n s t r e n g u n g " d e r V e r f a s s u n g 1 2 d o r t n i c h t die Rede sein, w o es gerade n i c h t u m eine m i n u t i ö s e V o r a b - F e s t l e g u n g der z u k ü n f t i g e n E n t w i c k l u n g geht, s o n d e r n u m die d e r k r i t i s c h e n K o r r e k t u r z u gängliche p u n k t u e l l e „ A k t u a l i s i e r u n g " 1 3 d e r i n d e r V e r f a s s u n g e n t h a l t e n e n W e r t e angesichts d y n a m i s c h e r sozialer B e d i n g u n g e n . „ D i e n o r m a t i v e K r a f t d e r V e r f a s s u n g " (Hesse) i s t ohne eine b e s t i m m t e , schon j e vorgegebene W i r k l i c h k e i t g a r n i c h t a u s z u m a c h e n 1 4 . F r e i l i c h s t e l l t sich das P r o b l e m „ w i r k l i c h k e i t s o r i e n t i e r t e r V e r f a s s u n g s i n t e r p r e t a t i o n " 1 5 n u r dort, w o die N o r m konkretisierungsbedürftig u n d - f ä h i g ist16. A u c h bei „ o f f e n e n N o r m e n " 1 7 i s t z u d i f f e r e n z i e r e n : eine g r u n d s ä t z l i c h e , zeitlose F o r m u l i e r u n g e n t h ä l t eine größere V a r i a t i o n s b r e i t e m ö g l i c h e r a l t e r 9 Bereits ff. Heller, ebd., S. 184 f., spricht von einem „sachlich notwendigen Zusammenhang v o n Sein u n d Sollen, von Normalität u n d N o r m a t i v i t ä t " , s. auch S. 105, 250 u n d passim; ff. Krüger, DVB1. 1961, S. 685 (688 f.); K . Hesse, Normative K r a f t , S. 6 f.; ders., AöR 96 (1971), S. 137 (138); R. Lautmann, Soziologie vor den Toren der Jurisprudenz, S. 28. 10 A n die Verafssung darf nicht die starre Elle irgendeines „ r e i n j u r i stischen" Maßstabes gelegt werden, dem sich die W i r k l i c h k e i t fügen soll. Insoweit zutreffend W. Hennis, Verfassung u n d Verfassungswirklichkeit, S. 37. 11 Diese Instrumentalisierung des Rechts zur politischen Waffe liegt nicht i n der unvermeidlichen Konsequenz materialen Verfassungsverständnisses, vgl. K . Hesse, AöR 96 (1971), S. 137 (139). 12 So E.-W. Böckenförde, Der Staat, 1970, S. 533 (535). Zwischen dem v o n i h m dem materialen Verfassungsverständnis nachgesagten „Verfassungstotalitarismus" — eher ein Kennzeichen des staatsrechtlichen Positivismus — u n d der von i h m unterstützten verfassungsrechtlichen Zurückhaltung, liegt die von der N o r m s t r u k t u r des GG bedingte u n d v o m materialen V e r fassungsverständnis einzulösen versuchte Wertvorstellung der freiheitlichdemokratischen Grundordnung (Art. 18, 21 I I GG). 18 K . Hesse, Grundzüge, S. 30. 14 P. Häberle, AöR 98 (1973), S. 119 (132). 15 P. Häberle, D Ö V 1966, S. 660 ff.; ders., W D S t R L 30 (1972), S. 43 (79); ders., AöR 98 (1973), S. 119 (132). 18 Bleibt der klare W o r t l a u t einer Verfassungsbestimmung inhaltlich v e r schiedenen Auslegungen unzugänglich, so k a n n er nicht von der politischen Realität her abwandelnd ausgelegt werden. Vgl. dazu G. Leibholz, Verfassungsrecht u n d Verfassungswirklichkeit, S. 278 f. 17 Z u dem bei solchen Normen auftretenden Problem der inhaltlichen Bestimmtheit vgl. R. Geitmann, Bundesverfassungsgericht u n d „offene" N o r men. — Z u r Diskussion u m ein elastisches u n d inhaltlich variables „offenes Rechtssystem" vgl. D. C. Göldner, Verfassungsprinzip u n d Privatrechtsn o r m i n der verfassungskonformen Auslegung u n d Rechtsfortbildung, S. 60 ff., „offener Typusbegriff" (S. 156), „offenes Strukturgebilde" (S. 157); „offene Prinzipien" (S. 163).

1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

nativer Konkretisierungen, als wenn sie eindeutig auf eine bestimmte Konstellation zugeschnitten ist 1 8 . Die Verfassung besitzt nur dann normative Kraft, wenn sie i n die sozialen, politischen sowie ökonomischen Gesetzlichkeiten und die geistige Lage der konkreten gesellschaftlichen Situation, auf sie sie zur Anwendung kommt, gestellt w i r d 1 9 . Die „Verwirklichung" der Verfassung (K. Hesse) ist dadurch bedingt, daß die Wirklichkeit i m Interpretationsvorgang von vornherein m i t i n Ansatz gebracht w i r d 2 0 . Das Zusammenspiel der Faktoren dieses Vorganges wurde m i t der Formel von der „korrelativen Zuordnung" 2 1 von Norm und Realität umschrieben. Als Leistung ist die optimale Verwirklichung der Norm zu erwarten 2 2 . Bei den so bestimmten Eingaben (input) und Zielen (output) des Entscheidungsvorganges 23 sind der Entscheidungsfindung Instrumentarien zur Bewältigung dieser Aufgabe zur Verfügung zu stellen. Eine daran anknüpfende Dogmatik erlangt einen Interpretation und Rechtspolitik über- und umgreifenden Stellenwert (P. Häberle) 24. Wenn demnach Norm und Realität zueinander i n Beziehung zu setzen sind, stellt sich die Frage, welche Wirklichkeit damit gemeint und wie sie zu gewinnen ist. Es kann dabei nicht u m die „konkrete unendliche Wirklichkeit" gehen, sondern nur u m die sprachlich gefaßte Abstraktion des von der Norm vorgeprägten relevanten Aspekts 25 . Dazu gehören sowohl die tatsächlichen Gegebenheiten, als auch die durch das Sozialstaatsprinzip als Auslegungstopos bedingte Frage nach den Bedürfnissen 26 i m Wirkungsbereich der betreffenden Norm. Die Aus18 Vgl. dazu näher ff. ff. Klein, Bundesverfassungsgericht u n d Staatsraison, S. 25 ff., m i t dem Hinweis auf den Zusammenhang von inhaltverändernder Interpretation u n d Abänderbarkeit der Verfassung. 19 K . Loewenstein, AöR 77 (1951/52), S. 387 (403); K . Hesse, Normative K r a f t , S. 13 u. passim; ders., Grundzüge, S. 18 f. 20 Weder logische Analysen noch empirische Beobachtungen konnten belegen „ N o r m u n d W i r k l i c h k e i t seien grundsätzlich als getrennt zu behandeln", F. Müller, Juristische Methodik, S. 52. 21 ff. Heller, Staatslehre, S. 185; K . ff esse, Normative K r a f t , S. 15 f. 22 K . ff esse, Normative K r a f t , S. 13; ders., Grundzüge, S. 18 f. 23 Die „Praxisorientierung der Wertentscheidung" erlaubt ihre U m f o r m u lierung i n ein „entscheidungstheoretisches Problem", F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 11. 24 Z u r „ W a n d l u n g " der Dogmatik i m Sinne einer Verfassungsinterpretation u n d - p o l i t i k umfassenden, variablen F u n k t i o n der Sensibilisierung des Rechts „gegenüber" der W i r k l i c h k e i t am Beispiel der Grundrechtsdogmatik, vgl. P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 43 (69 ff.). 25 C. Stark, J Z 1972, S. 609 (613). 26 F. Scharpf, Demokratietheorie, S. 11 f.; zu einseitig n u r auf letztere zielt die „ontologische Fragestellung" K. Loewensteins, AöR 77 (1951/52), S. 387 (391), w e n n er n u r fragt, ob die Verfassung „den Bedürfnissen u n d E r w a r tungen des unter i h r lebenden Volkes" gerecht w i r d .

1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

39

wähl und Ermittlung jener Fakten darf allerdings nicht von der zufälligen, subjektiven Erfahrung des „Rechtsanwenders" abhängen, sondern ist empirisch zu ermitteln und muß für Korrekturen und Kontrollen offen sein. Hier setzt das Zusammenspiel zwischen Rechts- und Sozialwissenschaften ein. Politikwissenschaftliche, soziologische und psychologische Ergebnisse des Problemkreises Parteien sind zur V e r w i r k lichung des A r t . 21 I 3 GG heranzuziehen. Die Wirklichkeitswissenschaften haben i m Rechtsanwendungsprozeß eine Doppelfunktion: einmal bei der Ermittlung des zeit- und situationsbedingten Gehaltes (Wertes) eines Rechtssatzes und zum andern hinsichtlich der Chancen seiner Realisierung. Beide Funktionen sind nicht i n zwei voneinander unabhängigen Schritten einzulösen. Die wissenschaftliche Eruierung der Realisierungschancen eines bestimmten Wertes bleibt nicht ohne indirekte Zustimmung oder K r i t i k i n bezug auf das normative Ziel selbst 27 , wie umgekehrt die Verfassung nicht nur Norm sondern zugleich „integrierende Wirklichkeit" (R. Smend) 29 ist. Die Wertbestimmung ist eine Abhängige von der Möglichkeit optimaler Durchsetzbarkeit, d. h. ist eine handlungsrelevante 20 , auf Verwirklichung gerichtete Entscheidung 30 , ein einheitlicher Ablauf m i t zwei interdependenten Fragestellungen. Das am Sein zu orientierende Sollensgebot innerparteilicher Demokratie muß daher als Bindeglied das „Können" berücksichtigen 31 . Diese Beschränkung auf das Mögliche schließt eine utopische Demokratiekonzeütion von vornherein aus, weil es i h r i n der konkreten gesellschaftlichen Situation an jeglicher Realisierungschance fehlt. A u f der anderen Seite bedeutet „Können" aber auch nicht die Auslieferung der Normativität an die Faktizität i n dem Sinne, daß die normativen Werte allein aus der Analyse der realen Verhältnisse gewonnen werden. Nicht die „grundlegenden politischen Entscheidungen" sind für die Rechtswissenschaft das Ausschlaggebende, wie es z. B. dem „soziologischen Positivismus" 3 2 der Verfassungslehre C. Schmitts entspricht 33 . Die unaufhebbare 27 M. Weber, Die „ O b j e k t i v i t ä t " sozial wissenschaftlicher u n d sozialpolitischer Erkenntnis, S. 4; F. Scharpf, Demokratietheorie, S. 10. 28 I n : Verfassung u n d Verfassungsrecht, S. 192. 29 R. Lautmann, Soziologie vor den Toren der Jurisprudenz, S. 27. 30 F. Scharpf, Demokratietheorie, S. 11. 31 Vgl. zur M a x i m e „Sollen impliziert Können" H. Albert, T r a k t a t über kritische Vernunft, S. 76. — I m Anschluß an diese generelle Frage nach der Möglichkeit der Einhaltung eines Rechtssatzes steht die differenziert zu behandelnde Problematik funktionellrechtlicher (Un-)Möglichkeit, vgl. dazu P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 43 (107 f., 113, 119). 32 K . Hesse, Normative K r a f t , S. 7. 33 Z. B. i n : Verfassungslehre, S. 24 f. u. passim.

1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

Spannung zwischen statischem Normtext und dynamischer Realität 3 4 besteht differenziert je nach der Konzeption der betreffenden Norm. Verfassungsanwendung erfordert die punktuelle Aktualisierung der Spannung zwischen Sein und Sollen: die normative Wertentscheidung ist zu ermitteln und der Wirklichkeit als autoritative Entscheidung zu vermitteln. Hinsichtlich der Methode zur weiteren Untersuchung der Problematik der innerparteilichen Demokratie folgt daraus, daß vor einer näheren Bestimmung des Demokratiebegriffs i n A r t . 21 I 3 GG die relevanten Aspekte der parteienstaatlichen Wirklichkeit m i t Blick auf die übrigen normativen Entscheidungen zu erarbeiten sind. Da alle erheblichen Fakten berücksichtigt werden sollen, darf hier der Problembereich nicht zu eng gefaßt werden. Das Recht der politischen Parteien und die Wirklichkeit des Parteienstaates sind vom Ausgangs- und Zielpunkt der Frage nach der innerparteilichen Demokratie her problemorientiert aufzubereiten. Die derart zu begründenden Inhalte des A r t . 21 I 3 GG sind sodann bei der Behandlung von Einzelproblemen auszumünzen und dabei i m Hinblick auf das Gebot optimaler Normrealisierung zu differenzieren. 1. Mitwirkung der Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes Die i n A r t . 21 I 1 GG normierte M i t w i r k u n g der Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes w i r d i n § 1 I 2 PartG als „eine ihnen nach dem GG obliegende und von i h m verbürgte öffentliche A u f gabe" bezeichnet. Sie w i r d dort i n Abs. 2 als M i t w i r k u n g „auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens" näher bestimmt und weiter schwerpunktmäßig konkretisiert. Dabei w i r d die Universalität dieser Funktion i m Parteienrecht deutlich. Als die zentrale Aufgabe der politischen Parteien bedingt sie i m demokratischen Gemeinwesen Gründungsfreiheit und Chancengleichheit der Parteien, innerparteiliche Demokratie etc., kurz: den Status der Parteien als Voraussetzung ihrer sachgerechten Wahrnehmung 3 5 . Ihre Reichweite spannt sich vom nichtorganisierten V o l k 3 6 über Parteiinterna 8 7 bis h i n zur institutionalisierten Staat34 K . Hesse, Normative K r a f t , S. 4 f . : „die völlige Übereinstimmung von W i r k l i c h k e i t u n d N o r m ist ein lediglich hypothetischer Grenzfall"; E.-W. Böckenförde, Der Staat, 1970, S. 533 (534). 35 I m Sinne K . Hesses, W D S t R L 17 (1959), S. 11 (27 ff.); ders., Grundzüge, S. 71 ff. 36 Einflußnahme auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung, Förderung der politischen B i l d u n g sowie der aktiven Teilnahme der Bürger am politischen Leben (bes. genannt i n § 1 I I PartG). — Die Parteien fassen „jeweils einen T e i l der gesellschaftlichen Gruppen u n d deren Interessen zu einer poli-

1. Parteien u n d politische Willensbildung des Volkes

41

lichkeit 3 8 und ist bestimmt von dem übergreifenden Gesichtspunkt der Sorge u m „eine ständige lebendige Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen" 39 . Wie der normative Befund zeigt, ist der Rechtsbegriff politische Willensbildung des Volkes, „Staat" und „Gesellschaft" verbindend und mehrschichtig. Ein kurzer Abriß jener Vorgänge ist erforderlich, bevor die Mitwirkungsfunktion der Parteien i n diesem Prozeß näher bestimmbar wird. a) Die politische

Willensbildung

des Volkes

I n statischer Sicht sind Wahlen und Abstimmungen (Art. 20 I I 2 GG) die klarste und nachhaltigste Form politischer Willensbildung durch das V o l k 4 0 . Doch handelt es sich hierbei jeweils nur u m Momentaufnahmen, deren scharfes B i l d auf der streng formalisierten Verkürzung des politischen Spektrums auf wenige Alternativen beruht. Es scheint überhaupt unmöglich, einen dynamisch-komplexen Vorgang wie die politische Willensbildung i n der demokratischen res publica durch punktuelle Betrachtung erfassen zu können. Initiativen auf bestimmten Sachgebieten, Gegenimpulse, Abänderungen, Kompromisse und schließlich Entscheidungen sind jeweils auf das Engste verknüpft m i t anderen Sachfragen, politischen Konstellationen, Entscheidungsvorgängen und bereits getroffenen Entscheidungen. Es gibt kein input-outputModell, das alle Aktivitäten i n diesem Bereich erfaßt und die zu erwartenden Entscheidungen exakt analytisch bestimmbar oder wenigstens vorhersehbar macht. Versteht man als output verbindliche Entscheidungen, so sind diese oft zugleich wieder input i m weiteren A b lauf 4 1 . Demnach lassen sich gewisse Regelmäßigkeiten des Verfahrens feststellen und bewerten. tisch wirksamen Einheit zusammen", H. Harnischfeger, Planung i n der sozialstaatlichen Demokratie, 1969, S. 67. 37 Heranbildung befähigter Bürger zur Übernahme öffentlicher Verantwortung, Aufstellung von Wahlbewerbern i n Bund, Ländern u n d Gemeinden (bes. genannt i n § 1 I I PartG). Vorbehalte dagegen bei G. Konow, D Ö V 1968, S. 73 f. 88 Einflußnahme auf die politische E n t w i c k l u n g i n Parlament u n d Regierung. Einführung der parteipolitischen Ziele i n den Prozeß der staatlichen Willensbildung (bes. genannt i n § 1 I I PartG). — Das B V e r f G konzediert, daß die Parteien auch auf die B i l d u n g des Staatswillens einwirken, von der Beteiligung am „Prozeß der staatlichen Willensbildung" ist i n E 1, 208 (220) die Rede, i n E 3, 19 (26), von i h r e m Recht, bei der B i l d u n g des Staatswillens mitzureden, vgl. auch E 5, 85 (134); 14, 121 (133); 20, 56 (99). 39 So § 1 I I letzter Halbsatz PartG. — Ä h n l i c h die Interpretation des A r t . 21 I 1 GG durch ü . Scheuner, Politische Koordination i n der Demokratie, S. 900: die Parteien sind „sowohl bei der Formierung der Meinungen i m Volke w i e bei ihrer Umsetzung i n rechtliche Entscheidungen i n Regierung u n d Parlament beteiligt". 40 K . Hesse, Grundzüge, S. 59.

1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

Bekannt ist die Einteilung politischer Willensbildung nach dem GG i n die Stufe der „Vorformung des politischen Willens" 4 2 und die der staatlich institutionalisierten Willensbildung durch die verfaßten Organe. A u f der ersten Ebene — das BVerfG gebraucht das Schema einer Willensbildung von unten nach oben 48 — sollen Parteien, organisierte Gruppen, Massenmedien und nicht zuletzt die Bürger i n Wahrnehmung ihrer Grundrechte unverbindliche Anstöße und Urteile abgeben, während auf der zweiten Ebene der verfaßten Staatsorgane die verbindlichen Entscheidungen fallen. Dabei werden beide Sphären voneinander isoliert 4 4 , das Volk darf nicht einmal durch unverbindliche organisierte Artikulation seines politischen Wollens die repräsentativen Staatsorgane zu bestimmen suchen 45 , wie umgekehrt die politische Willensbildung des Volkes „staatsfrei" erfolgen soll 4 6 . Diese „Zweistufentheorie" m i t ihrer Aufteilung i n selbständige Bereiche der politischen Willensbildung des Volkes und der Staatswillensbildung, die durch lineare Abläufe „von unten nach oben" verbunden sind, erscheint zwar auf den ersten Blick plausibel, doch ist sie bereits begrifflich unschlüssig. Wenn die erste Stufe i n Anlehnung an U. Scheuner als der Bereich der „Vorformung der politischen Willensbildung des Volkes" 4 7 bezeichnet wird, so muß die auf die Vorformung folgende zweite Stufe der verbindlichen Formulierung ebenfalls zur politischen Willensbildung des Volkes gerechnet werden, auf der dann eben nicht mehr nur vorgeformt sondern endgültig formuliert wird. Scheuner 48 wurde jedoch insofern fehlinterpretiert und hat dies an an41 Vgl. zu den systemtheoretis'chen Modellen i n p u t - oder output-orientierter Willensbildungs- u n d Entscheidungsvorgänge F. Scharpf, Demokratietheorie, S. 21 ff. 42 Der Begriff stammt von U. Scheuner, Zeitschr. f ü r ev. Ethik, 1957, S. 34 ff., er wurde i n B V e r f G 8, 104 (113, 115); 20, 56 (98) übernommen; s. auch bei K. Hesse, Grundzüge, S. 62 f. — V o m „Vorfeld der politischen Willensb i l d u n g " spricht das B V e r f G i n E 8, 51 (68); 14, 121 (132). 43 E 20, 56 (99): „ I n einer Demokratie muß sich diese Willensbildung aber vom Volke zu den Staatsorganen, nicht umgekehrt v o n den Staatsorganen zum V o l k hin, vollziehen." — Kritisch dazu: P. Häberle, JuS 1967, S. 64 (66 f.); W. Schmitt Glaeser, AöR 97 (1972), S. 108 ff. 44 BVerfGE 8, 104 (113); 20, 56 (98); s. auch C. O. Lenz, ZParl. 1970, S. 480. 45 I m sog. Volksbefragungsurteil argumentiert das B V e r f G m i t dem auch von rechtlich unverbindlichen Äußerungen des Volkes ausgehenden „ p o l i t i schen Druck" (E 8, 104 [111, 117, 118]), der negative A u s w i r k u n g e n auf das Repräsentativsystem haben soll. 46 Diese Argumentation wurde besonders gegen die Zulässigkeit einer staatlichen Parteienfinanzierung vorgetragen, vgl. dazu die Zusammenstell u n g bei E. Menzel, D Ö V 1966, S. 585 (592 f.); s. auch W. Piepenstock, PVS 1971, S. 259. 47 BVerfGE 20, 56 (98). 48 I n : Zeitschr. für ev. Ethik, 1957, S. 34 ff.

1. Parteien u n d politische Willensbildung des Volkes

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derer Stelle 4 9 klargestellt, wenn er darauf hinweist, daß es i n der parlamentarischen Demokratie „keinen Gegensatz von Staatswillen und Volkswillen mehr geben" kann. Darüber hinaus zeigt aber auch eine Überprüfung der „Zweistufentheorie" anhand konkreter Verfahren der Verfassung, daß sie m i t der Konzeption der demokratischen W i l lensbildung i n der res publica nach dem GG unvereinbar ist. So führt bereits die Einordnung der Wahlen über die systemwidrigen Trennungsbarrieren hinaus. Denn sie bewirken einerseits eine verbind liehe Verteilung der Parlamentssitze, bestimmen das Kräfteverhältnis der Fraktionen und designieren den Regierungschef 50 . Daher können sie nicht der ersten Stufe zugerechnet werden. Andererseits handelt es sich aber auch nicht u m die Entscheidung eines verfaßten Staatsorgans i m Sinne jener Theorie, die j a das Volk i n keinem Fall als Staatsorgan qualifizieren darf, w e i l sie von der Gegenüberstellung Volk — organisierte Staatlichkeit lebt 6 1 . Es zeigt sich also bereits beim Versuch der Einordnung eines traditionellen demokratischen Verfahrens die Unmöglichkeit, jene abstrakte Aufteilung angesichts konkreter Bestimmungen des GG i m Einzelfall durchzuhalten 52 . Eine den inneren Zusammenhang 53 ignorierende dualistische Trennung des öffentlichen Entscheidungsvorgangs innerhalb der demokratischen res publica i n einen autonomen Bereich der Staatswillensbildung und einen der politischen Willensbildung des Volkes wäre zudem unvereinbar mit dem — A r t . 21 GG insofern konkretisierenden 54 — § 1 I I PartG, wenn dort 49 I n : D Ö V 1968, S. 88 (89); vgl. ders., Verantwortung u n d Kontrolle i n der demokratischen Verfassungsordnung, S. 380 ff. 50 E. Friesenhahn , W D S t R L 16 (1958), S. 9 (52); P. Badura, Parlamentarismus u n d parteienstaatliche Demokratie, S. 22; B. Vogel-R. O. Schultze , i n : Vogel / Nohlen / Schultze, Wahlen i n Deutschland, 1971, S. 239. 51 U m sein Trennungsdogma zu halten, macht das B V e r f G bereits an diesem wesentlichen P u n k t eine Ausnahme: „ W e n n das V o l k als Verfassungsoder Kreationsorgan durch Wahlen u n d Abstimmungen selbst die Staatsgewalt ausübt (Art. 20 I I 2 GG), f ä l l t die Äußerung des Volkswillens m i t der B i l d u n g des Staatswillens zusammen" (E 20, 56 [98]). 52 s. auch die K r i t i k an der dualistischen Trennung bei: W. Abendroth, Das Grundgesetz, S. 80; E. W. Fuß , AöR 83 (1958), S. 383 (389 ff.); P. Häberle , JuS 1967, S. 64 (66); G. Jahn, Plädoyer, S. 26 f.; H. Lauf er, Staatliche F i n a n zierung, S. 27 ff.; D. Rauschning , J Z 1967, S. 346 (347 ff.); H.-J. Rinck, Der verfassungsrechtliche Status der pol. Parteien i n der Bundesrepublik, S. 313 ff.; U. Scheuner , D Ö V 1968, S. 88 (89); ders., Verantwortung u n d K o n t r o l l e i n der demokratischen Verfassungsordnung, S. 381 f. ; H. Zwirner, AöR 93 (1968), S. 81 (93, 111 ff.). 53 G. Leibholz, Parteiengesetz, S. 179 (194); nach W. Abendroth, Das Grundgesetz, S. 80, handelt es sich u m einen „dialektisch verbunden gedachten Willensbildungsprozeß des Volkes". 54 Die einfachgesetzliche Konkretisierung des A r t . 21 G G ist als Interpretationshilfe f ü r die Verfassung verwendbar. Gesetzgebung ist auch A k t u a l i sierung der Verfassung (vgl. dazu P. Häberle, Wesensgehaltgarantie, S. 190), insbesondere dann, w e n n es sich u m Gesetze aufgrund eines bestimmten V e r -

1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

als Beispiele für die M i t w i r k u n g der Parteien an der politischen W i l lensbildung des Volkes besonders hervorgehoben werden: die Einführung der Parteipolitik i n den Prozeß der „staatlichen Willensbildung" durch Einflußnahme auf die politische Entwicklung i n Parlament und Regierung und die Sorge für die „Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen". Wenn also nach dieser Vorschrift die M i t w i r kungsfunktion der Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes „insbesondere" auch darin besteht, „den Prozeß der staatlichen W i l lensbildung" zu dirigieren, kann Volkswillensbildung nicht etwas grundsätzlich anderes als Staatswillensbildung sein. Es handelt sich um ein und denselben Ablauf, wobei die Staatswillensbildung eben ein besonderer

Aspekt,

ein Teilbereich

der politischen

Willensbildung

des

Volkes ist 5 5 . Politische Willensbildung des Volkes ist daher der dem Ausgangspunkt der Staatsgewalt (Art. 20 I I GG) entsprechende, die Staatsgewalt i n ihrer Aufteilung auf Volk und besondere Organe umfassende Vorgang. Die theoretische Unterscheidung zwischen einer bloßen „Vorformung" politischen Wollens des Volkes i m gesellschaftlichen und der „Endfassung" als Staatswillensbildung i m staatlichen Bereich ist zudem wegen zu geringer Eigenkomplexität ungeeignet, die vielschichtigen Abläufe der politischen Willensbildung des Volkes angemessen zu erfassen. Derart eindimensional vom Volk zu den Staatsorganen ansteigend verläuft zwar die Legitimation der repräsentativen Staatsorgane, aber nicht der umfassendere Prozeß politischer Willensbildung. Dieser dynamische Ablauf ist nicht i n statisches Schema, wie z. B. das der demokratischen Legitimationszusammenhänge, zu pressen. Er ist weder l i near, noch zu verräumlichen 5 6 ; auch das B i l d vom „Willensbildungsfassungsauftrags — hier A r t . 21 I I I G G — handelt. Der einfache Gesetzgeber schafft „materielles Verfassungsrecht", das „allerdings nicht m i t V e r fassungskraft ausgestattet ist, aber inhaltlich die F u n k t i o n einer Ergänzung des urkundlichen Verfassungsrechts erfüllt", so der Bericht der Parteienrechtskommission, S. 113. Vgl. zum Problem aber auch W. Leisner, V o n der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung. 55 Die ständige öffentliche V e r m i t t l u n g des Volkswillens m i t dem W i l l e n der staatlichen Organe betont auch ff. Harnischfeger, Planung i n der sozialstaatlichen Demokratie, S. 71, der allerdings i n einer allzu etatistischen Schicht behauptet: „das Grundgesetz geht v o n einem staatlichen Willensbildungsprozeß aus." A n anderer Stelle spricht er v o n einem „staatlichen u n d politische Willensbildungsprozeß" (S. 73). — Der Rechtsbegriff „staatliche Willensbildung" findet sich nicht i m GG, es konstituiert vielmehr die „politische Willensbildung des Volkes" (Art. 2 1 1 1 GG). 56 P. Häberle, JuS 1967, S. 64 (66). — Gerade w e n n man, w i e das BVerfG, i m Gegensatz etwa zu G. Leibholz, an repräsentativen Institutionen festhält, muß die Rückbindung der repräsentativen Organe an das V o l k möglich sein, sollen sie sich nicht verselbständigen. Daher müssen auch Anstöße „ v o n oben" (nach der Terminologie des BVerfG) i n den politischen Willensbildungsprozeß eingeführt werden, die i n der öffentlichen Meinung aufgehen u n d von

1. Parteien und politische Willensbildung des Volkes

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kreislauf" 5 7 ist zu sehr Vorstellungen sich wiederholender Hegelmäßigkeit verhaftet, als daß es der Komplexität jenes Vorganges gerecht würde. Seinen Ursprung hat er weder allein beim Volk, noch bei den Parteien 5 8 , noch bei den Staatsorganen. Der „funktionelle Zusammenhang" zwischen Parteipolitik und den Entscheidungen der Staatsorgane 59 bleibt nicht auf beide Organisationsebenen beschränkt, sondern steht i m größeren Funktionszusammenhang des verfaßten politischen Systems insgesamt, dessen Ausgangs- und Endpunkt das Volk ist. Die verfaßte öffentliche Ordnung des GG schafft die normativen Bedingungen für Auseinandersetzungen und Entscheidungen 60 . Bereits die öffentliche Meinung ist nach diesem Verständnis „qualitativ-konstitutionell" i m Sinne A. Arndts 91. Man kann also nicht sagen, der Bereich des öffentlichen, i n dem Meinungen und Willen gebildet werden, sei normativ nicht geregelt, sondern i h n allenfalls als punktuell „nichtorganisiert" bezeichnen 62 . Der durch Regeln gesicherte offene und offen zu haltende Prozeß der politischen Meinungs- und Willensbildung 6 3 verläuft nicht einseitig von „unten nach oben" i n dem Sinn, daß I m pulse nur vom V o l k ausgehen, von den Parteien aufgegriffen und schließlich i n Parlament und Regierung realisiert werden 6 4 , sondern wechselseitig, d.h. auch i n umgekehrter Richtung und auf allen Ebei h r bewertet werden. Hierbei handelt es sich u m die von W. Hennis, M e i nungsforschung u n d repräsentative Demokratie, S. 26 f., 34 u. passim, als die allein zulässig erachtete reagierende F u n k t i o n der öffentlichen Meinung. 57 W. Piepenstock , PVS 1971, S. 254 f., der auf einer graphischen Darstell u n g jener Vorgänge bei E. Stein , Staatsrecht, S. 2, fußt. 58 So ist es zwar eine Ü b e r w i n d u n g der Scheinantinomie Volkswillensbildung — Staatswillensbildung, w e n n E. Stein, ebd., S. 77, den Beginn der Willensbildung des Parlaments i n den Interessengruppen innerhalb der Parteien ansiedelt, doch ist auch diese Sicht noch verkürzt u n d zu sehr dem B i l d der „aufsteigenden" politischen Willensbildung u n d Entscheidungsfindung verhaftet. 59 H. Zwirner, AöR 93 (1968), S. 81 (121). 60 „Verfassung als öffentlicher Prozeß, als normative öffentliche Gesamtordnung" bei P. Häberle, ZfP 16 (1969), S. 273 (274); s. auch ders., Öffentlichkeit, S. 5; vgl. dazu auch A. Rinken, Das öffentliche als verfassungstheoretisches Problem, S. 263 ff. 61 I n : Begriff u n d Wesen der öffentlichen Meinung, S. 5. 62 I n Anlehnung an D. Schindler, Über die B i l d u n g des Staatswillens i n der Demokratie, S. 63 f. Doch sind hier Vorbehalte angebracht, angesichts zunehmender organisatorischer u n d organisationsrechtlicher Sicherungen der F r e i heit der öffentlichen Meinungsbildung, z . B . i m „Fernseh-Urteil" (BVerfGE 12, 205 [259 ff.]), s. dazu auch den Typus der freiheitsstiftenden „Organisations- u n d Verfahrensgesetze" bei P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 43 (51 ff.); ders., „Leistungsrecht" i m sozialen Rechtsstaat, S. 465 f. 63 K. Hesse, Grundzüge, S. 65 ff. u n d passim. 84 So aber das BVerfG, das v o m „freien u n d offenen Willensbildungsprozeß v o m V o l k zu den Staatsorganen" spricht (E 20, 56 [99]); s. auch A. Hammann / H. Lenz, Grundgesetz, A r t . 21 B 3.

1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

nen 6 5 . Offenheit impliziert die Beteiligung aller Faktoren i n einem vielspurig verlaufenden „Integrationsprozeß" 66 . Die simplifizierende Formalisierung des politischen Prozesses ist durch die Strukturierung materialer Öffentlichkeit, die politische Entscheidungsprozesse transparent und für allgemeine Partizipation offen hält, zu überwinden. Zwar haben allein die Staatsorgane die Kompetenz zu unmittelbar verbindlichen Entscheidungen nach der Verfassung — Staatswillensbildung mündet i n verbindliche Dezision 67 —, doch verliert man die tatsächlichen Wirkkräfte des verfassungsmäßigen Ablaufs der politischen Meinungs- und Willensbildung aus dem Blickfeld, wenn zur Erfassung des Vorgangs allein auf die Kompetenz zur (Letzt-)Entscheidung abgestellt wird. Dem BVerfG ist insoweit zuzustimmen, als es feststellt, daß zwischen den Faktoren und Medien dieses komplexen Prozesses mannigfache Beziehungen, Abhängigkeiten und Einflußnahmen wirken 6 8 . A l lerdings sind diese Verflechtungen, die wesentlich über die Parteien verlaufen, dann auch zu benennen und bei der Beurteilung konkreter Fragen m i t i n Ansatz zu bringen. b) Mitwirkungsfunktion

der

Parteien

A n dem eben skizzierten Vorgang der politischen Willensbildung des Volkes sollen die Parteien nach A r t . 21 I 1 GG und seiner Konkretisierung i m PartG mitwirken, d. h. neben anderen Faktoren W i r k k r a f t i n jenem Prozeß sein. W. Hennis hat diese Vorschrift als „arges understatement" bezeichnet 69 . I n der Tat nehmen die Parteien i n diesem Bereich eine Vorrangstellung ein, es gibt keine politischen Entscheidungen von Bedeutung, „die nicht an die Parteien herangetragen, von ihnen vorbereitet und schließlich von ihnen gefällt werden" 7 0 . Dies steht nicht i m Widerspruch zur Verfassung, da „ m i t w i r k e n " eben nur bedeutet, daß die Parteien nicht allein die Volks Willensbildung betreiben 71 . Der 65 Die Wechselseitigkeit betonen: P. Häberle, JuS 1967, S. 64 (66); U. Scheuner, Verantwortung u n d K o n t r o l l e i n der demokratischen Verfassungsordnung, S. 381; W. v. Simson, V V D S t R L 29 (1971), S. 3 (34). 66 BVerfGE 8,104 (113). 67 M. Kriele, V V D S t R L 29 (1971), S. 46 (56). 68 BVerfGE 20, 56 (99). — A n diesem Prozeß sind grundsätzlich auch die Staatsorgane beteiligt, vgl. P. Häberle, JuS 1967, S. 72. 69 I n : Verfassung u n d Verfassungswirklichkeit, S. 9; ebenso E. Menzel, D Ö V 1970, S. 433 (437); G. Rabus, AöR 78 (1952-53), S. 163 (189 f.) bezeichnet den Ausdruck „ M i t w i r k u n g " als „recht schief u n d verschämt". 70 K . Sontheimer, Grundzüge des politischen Systems der BRD, S. 109. 71 Die oft betonte „Beschränkung" der Parteien auf „ M i t " - W i r k u n g (vgl. z.B. T. Maunz, i n : M a u n z / D ü r i g / H e r z o g , GG, Rdnrn. 37 zu A r t . 21, m i t w e i teren Nachw.) folgt bereits daraus, daß nicht alle Bürger Parteimitglieder sind u n d bei aller Expansion parteilicher A k t i v i t ä t e n ein von den Parteien allenfalls beeinflußbarer eigenständiger Bereich der politischen Willensbil-

1. Parteien und politische Willensbildung des Volkes

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Umfang ihres Anteils an diesem Vorgang ist damit keinesfalls präjudiziert. Seine i m Einzelfall zu ermittelnden Grenzen liegen dort, wo das Betätigungsfeld anderer nach der Verfassung Mitwirkungsberechtigter durch Parteien usurpiert wird, oder wo i m Stile der „Waschmittelwerbung" nicht mehr politisch argumentiert, sondern psychologisch influenziert wird, wenn besonders i m Wahlkampf Apelle auf unterschwellige Emotionen und Ängste zielen 72 , wenn es also nicht mehr auf die der Willensbildung dienende rationale Diskussion, sondern allein auf die von professionellen Konsumwerbern entwickelte „gute Verpackung" ankommt 7 3 . Nur ein geringer Teil des Volkes ist i n Parteien organisiert, d. h. ihnen organisationsrechtlich zuzurechnen. Ein weitaus größerer Teil „identifiziert" sich m i t ihnen als Wähler und Teilhaber an der öffentlichen Meinung tendenziell — trotz oder gerade wegen des oft breiten parteipolitischen Spektrums —, und die Parteien bemühen sich primär u m die Sympathien jenes nicht parteilich organisierten Wahlvolkes, u m es als Wähler zu gewinnen. Deshalb kann ihr Bereich ebensowenig als eine zum Volk h i n abgeschlossene Ebene verstanden werden, wie dies auch hinsichtlich der organisierten Staatlichkeit der Fall ist. Unscharfe Übergänge zwischen Gruppen und Parteien, die sich i n Einflußnahmen seitens der Verbände auf parteiinterne Sachentscheidungen und entsprechende Rücksichtnahmen der Parteien auf Verbandsinteressen äußern, komplizieren die Betrachtung und sind juristisch noch aufzuarbeiten. Zwiespältig i m Rahmen dieser Bestandsaufnahme ist die Problematik der i n letzter Zeit immer häufiger auftretenden Bürgerinitiativen . Zwar werden sie i n der Regel von den Parteien als willkommene A n regung aufgegriffen, doch ist diese Erscheinung auch geeignet, als Beleg mangelnder Sensibilität der Parteien gegenüber Anregungen und Wünschen des parteilich nichtorganisierten Volkes gewertet zu werden 7 4 . Weniger Einzelpersonen als Gruppen, Verbände sowie die Massenmedien sind die — häufig verdeckte — manchmal offensichtliche Quelle der Impulse für parteiinterne Sach- und Personalentscheidungen. A r t . 21 GG und die Funktion der Parteien ist daher eben nur ein — wenn

dung des Volkes bleibt. H i e r k o m m t der A r b e i t der Verbände i m Rahmen der Volkswillensbildung eine besondere F u n k t i o n zu; auch die Massenmedien sind Beispiele f ü r „ m i t w i r k e n d e Faktoren". 72 Z . B . : „Sicherheit", „ M e h r Sicherheit", „Sicherheit f ü r alle", vgl. FR v o m 9. 7.1971, S. 3. 73 P. Kleike: „ M i t den Parteien ist es w i e m i t Konsumgütern. Je ähnlicher sie sich werden, u m so wichtiger werden Aufmachung u n d Verpackung", zit. nach Der Spiegel, Nr. 11/1970, S. 78. 74 Näher zum Verhältnis von Bürgerinitiativen u n d Parteien unter dem Aspekt der PartizipationsVermittlung unter: I I . 3. b): Partizipation und innerparteiliche Demokratie.

1. Teil, I I . Normative Anforderungen und parteienstaatl. Realität

auch wesentlicher — Faktor i m Kodex demokratischer Aktivrechte 7 5 , dazu kommen die weiteren Teilhabemöglichkeiten nach den A r t . 5, 8, 9, 17 GG. Die Parteien w i r k e n je nach Interessenlage als Widerstände oder Verstärker auf den Strom der Ideen ein, der relativ ungefiltert von allen Seiten auf sie zu und i n ihnen fließt; sie sind zugleich Sender und Empfänger politischer Impulse 7 6 . Ihre qualitative Bedeutung, die sie aus dem allgemeinen Konzert politischer Betätigung des Volkes hervorhebt, gewinnen die parteipolitischen Willensäußerungen aus der Tatsache, daß die Parteien — fast ausnahmslos 77 — das Monopol zur permanenten, effektiven Transformation politischer Entscheidungen auf die entscheidungskompetenten Stellen i n Bund und Ländern besitzen 78 ; nur die von ihnen benannten Kandidaten können über Wahlen legitimierte Macht und politische Verantwortung erlangen — faktisches Monopol der Wahlbeteiligung 7 9 —, die formell zwar den gewählten Parteiangehörigen i n den Staatsorganen zusteht, deren Ausübung jedoch von den Parteien zumindest „beeinflußt" (§ 1 I I PartG) wird. Sie sind als „Kreationsorgane" von Parlament und Regierung 80 Adressaten von Forderungen, die eigentlich an die Staatsorgane zu richten wären, jedoch über die Parteien vermittelt werden. Umgekehrt projiziert die Öffentlichkeit politische A k t i v i täten, auch wenn sie tatsächlich allein i n den Staatsorganen formuliert wurden, auf die Parteien, die sie ihrerseits als Erfolge der Parteipolitik i m Willensbildungsprozeß vertreten. 76

A . Hammann / H. Lenz, Grundgesetz, A r t . 21 B 4. R. Mayntz, ZfP 1955, S. 62. 77 Die „Konzertierte A k t i o n " nach § 3 StabG oder die mehr auf Sachinformation als auf E r k u n d i m g der Öffentlichen Meinung ausgerichteten Hearings der Bundestagsausschüsse (§ 73 I I I - V I GeschOBT) sind neuere Ausnahmen von diesem Grundsatz m i t geringer Reichweite, die ebenso wie Beiräte bei den Ministerien die Regel n u r bestätigen, s. auch die i m m e r wieder erhobene Forderung auf Errichtung eines Bundeswirtschafts- u n d Sozialrates. Kritisch zu diesen Beteiligungsformen, die an „Unausgewogenheit der organisierten Interessen" leiden u n d zu einer „Verwischung der Verantwortung" führen: R. Steinberg, ZRP 1972, S. 208 ff. 78 Vgl. B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 11; T. Ellwein, Das Regierungssystem der Bundesrepublik, S. 169. — Die Forderung von G. Leibholz, auch i m Parteienstaat müßte „politischen Persönlichkeiten" die Möglichkeit zur Normierung über Wählervereinigungen gegeben sein (DVB1. 1951, S. 1 [6]), ist insofern fragwürdig, als er gleichzeitig konzidiert, daß sie „keine wirkliche Chance" haben, außerhalb einer Parteiorganisation ein Mandat zu erhalten. Die einzige parteiunabhängige K a n d i d a t u r bei den Bundestagswahlen 1969 — W. Daniels i n Bonn — blieb erfolglos u n d w a r i m Grunde eine „Trotzreaktion" des parteiintern unterlegenen Kandidatenanwärters, s. dazu Der Spiegel, Nr. 35/1969, S. 28. — s. aber auch § 21 I I I BWahlG. 79 Dieses Monopol w i r d v o m Gesetzgeber formell sanktioniert, da er die Regelung der Erstattung v o n Wahlkampfkosten i m P a r t G u n d nicht i m B W a h l G vorgenommen hat. 80 I m Sinne G. Jellineks, w i e schon G. Radbruch, Parteien, S. 288 ff. hervorgehoben hat. Vgl. auch BVerfGE 1, 208 (224 f.); 12, 276 (280); 20, 56 (100). 76

1. Parteien u n d politische Willensbildung des Volkes

49

Diese faktische Monopolisierung der politischen Willensbildung i n der res publica durch die Parteien ist dreidimensional begründet: zum einen haben i m Volk bestehende politische Vorstellungen praktisch nur dann Aussicht, i n der politischen Willensbildung ihren Niederschlag zu finden, wenn sie über das Medium der Öffentlichkeit an die Parteien herangetragen und von ihnen aufgenommen werden 8 1 , zum andern müssen sich die Parteien i m Hinblick auf die Wahlen die Interessen großer Bevölkerungs(Wähler-)gruppen — Parteien als „Saugwurzeln" für die politischen Wünsche der Bevölkerung 8 2 — zu eigenen machen, und schließlich sind die Mandatsträger i n Parlament und Regierung bemüht, ihre Entscheidungen als Parteientscheidungen auf die Organisation zurückzuführen, über die sie ihr Mandat erhalten haben und wieder erlangen wollen 8 3 . I n der gegenseitigen Ergänzung der Interessen von parteilich nichtorganisiertem Volk, Parteien und Mandatsträgern liegt die ratio für das Funktionieren der permanenten Legitimation öffentlicher Gewalt über die Mitwirkungsfunktion der Parteien bei der politischen Willensbildung. Die magnetartige Anziehung politischer Willensäußerungen aus allen Bereichen der demokratischen res publica durch die Parteien steht nicht i m Widerspruch zu der für eine freiheitliche Demokratie wesentlichen „Pluralisierung öffentlicher Verantwortung" 8 4 . Innerhalb des Parteiensystems des GG verläuft ein wesentlicher Teil des freien und offenen politischen Prozesses, hier ist Raum zur Austragung der aus unterschiedlichen politischen Interessen resultierenden Konflikte zu sichern 85 . Dies bleibt trotz der geschilderten Konzentration auf die Parteien h i n möglich, da die rechtlichen und faktischen P r i v i legien der Parteien auf die untereinander i m Wettbewerb stehenden Parteien gleich verteilt sind — Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien 86 . Der Plural Parteien steht hier als Indiz für Pluralismus; darüber hinaus sind die modernen Volksparteien i n sich keineswegs homogen, sie organisieren geradezu den parteiinternen Pluralismus 81

H. Lang, Das repräsentative Prinzip i m Parteienstaat, S. 54. R. Mayntz, Parteigruppen i n der Großstadt, S. 151. 83 Die gelegentlich zu beobachtende Distanzierung von Mandatsträgern gegenüber ihrer Partei dient, soweit sie i m Rahmen der Konventionen des parteienstaatlich politischen Systems verläuft, oft der persönlichen Profilier u n g einzelner Politiker u n d stellt die grundsätzliche Verbindung von Parteien u n d Mandatsträgern nicht infrage. Tiefergehende K o n f l i k t e zwischen einer Partei u n d einem m i t ihrer Hilfe avancierten Politiker sind Ausnahmeerscheinungen, die die obige Regel eher bestätigen als korrigieren. 84 ü . K. Preuß, Z u m staatsrechtlichen Begriff des öffentlichen, S. 155; vgl. auch P. Haberle, Öffentlichkeit, S. 21 f. 85 K . Hesse, Grundzüge, S. 56, 66 u. passim; BVerfGE 12, 113 (125). 86 Vgl. dazu K . Hesse, ebd., S. 72f.; ders., W D S t R L 17 (1959), S. 11 (36ff.). — BVerfGE 8, 63 f.; 24, 340 ff. 82

4 Trautmann

1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

der Gruppen und Interessen. Aus dem Bestreben der Volksparteien heraus, für möglichst viele Bürger attraktiv und wählbar zu sein 87 , müssen sie sich selbst i n gewissem Umfang offen halten für die verschiedensten, u. U. miteinander kollidierenden Interessen. Der unter den Bedingungen des parlamentarischen Regierungssystems erfolgten Wandlung des Parteitypus, von der Interessenpartei zur Organisationsform vielfältigster Gruppeninteressen, folgt die Notwendigkeit des parteiinternen Interessenclearings. Die Parteien sind einerseits genötigt, i n den verschiedensten Kreisen zu werben — Offenheit des politischen Einzugsbereichs — und müssen andererseits i n sich die so aufgenommenen divergierenden Interessen ausgleichen 88 . Bei der so verstandenen Mitwirkungsfunktion der Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes w i r d die innerparteiliche Demokratie unmittelbar relevant. Der parteiinterne Vorgang der tendenziellen Verengung des breitgefächerten politischen Angebots auf Handlungsalternativen, Kompromisse und schließlich Entscheidungen, bei Erhaltung der Komplexität i m übrigen 8 9 , ist abzusichern gegen unverhältnismäßige Einflüsse mächtiger Sozialverbände von außen und Oligarchien von innen, bei gleichzeitiger Offenhaltung des Einzugsbereichs der Parteipolitik für Innovations- und Reaktionsäußerungen aus dem parteilich nichtorganisierten Volk. „ M i t w i r k u n g der Parteien" am politischen Willensbildungsprozeß des Volkes bedeutet demnach in sachlicher Hinsicht zweierlei: einmal Anregung, Sammlung und Präzisierung politischer Interessenartikulation auf allen Ebenen des Gemeinwesens als Grundlagen der Parteipolitik (InitiativAgitationsund Konzentrationsfunktion), zum anderen ihre Bewertung, Auswahl und schließlich Einbringung bei den entscheidungskompetenten staatl i c h e n S t e l l e n (Selektions-

und Transformationsfunktion)

90

.

In

personel-

ler Hinsicht haben die Parteien analog dazu das politische Engagement der Bürger zu wecken, es durch Übertragung von Verantwortung zu fördern und geeignete Bewerber für öffentliche Ämter auszuwählen, zu unterstützen und schließlich m i t deren Hilfe ihr Sachprogramm auf dem Weg über staatliche Kompetenzen zu realisieren.

87

Näher dazu unten unter: I I . 3. Typus der Volksparteien. E. Friesenhahn, W D S t R L 16 (1958), S. 27 f. 89 Entscheidungsprozesse sind selektive Komplexitätsreduzierung, vgl. zur Problematik F. Naschold, PVS 1968, S. 494 ff.; N. Luhmann, PVS 1969, S. 314 ff. so Vergleichbar m i t der Träger- u n d M i t t l e r f u n k t i o n der Parteien i m freien Willensbildungsprozeß, w i e sie K . Hesse, V V D S t R L 17 (1959), S. 28 f., 33, beschreibt; s. dazu auch den Katalog der M i t w i r k u n g s f u n k t i o n e n i n § 1 I I PartG. 88

1. Parteien u n d politische Willensbildung des Volkes c) Folgeprobleme

der innerparteilichen

51

Demokratie

Nach dem Dargelegten verlaufen innerhalb der Parteien sowie zwischen ihnen und anderen am Prozeß der politischen Willensbildung des Volkes beteiligten Faktoren 9 1 die Informations-, Kommunikations- und Entscheidungskanäle am dichtesten. Die innere Ordnung der Parteien ist ein Teil der verfaßten politischen Willensbildung des Volkes 9 2 . Sie regelt die verfahrensrechtliche Verbindung des politischen Wollens der Parteibürger und der Entscheidungen i n Parteien, Fraktionen und Regierung. Wenn beispielsweise Parteientscheidungen unverändert i n Parlament oder Regierung realisiert werden 9 3 , so sind sie sachlich Endfassungen; zur Allgemeinverbindlichkeit fehlt juristisch nur die Sanktion der kompetenten Staatsorgane. I n diesen Fällen, aber auch i n solchen, wo das parteipolitische Wollen nur redaktionell verändert wird, ist die nach wie vor formal bei den Staatsorganen befindliche Entscheidungskompetenz materiell weitgehend auf die betreffende Mehrheitspartei verlagert, i n ihr werden bereits Kompromisse geschlossen und die Entscheidungen ausformuliert. Damit w i r d ein Teil der allgemeinen Demokratieproblematik zur speziellen Problematik der innerparteilichen Demokratie. Der innerparteiliche Willensbildungsprozeß der Verarbeitung von social inputs zu political Outputs erlangt zentrale Bedeutung 94 . Die nach wie vor entscheidungskompetenten A b geordneten etwa werden das plebiszitäre Resultat 9 5 innerparteilicher Willensbildung als das politische Wollen der Mehrheit der Parteibürger und — über die Mechanismen der öffentlichen Meinung vermittelt — auch der Mehrheit ihrer Wähler nur dann akzeptieren und sanktionieren, wenn die innerparteiliche Willensbildung entsprechend verläuft. Die Effektivität politischer Partizipation über Parteien ist eine Abhängige vom demokratischen innerparteilichen Willensbildungsvorgang, nicht nur hinsichtlich der Formulierung des politischen Wollens der Partizierenden, sondern auch i n bezug auf die Realisierungschancen. Soweit also innerparteiliche politische Willensbildung i m Sinne des A r t . 21 I 3 GG tatsächlich stattfindet, bedeutet sie Legitimation und 91

Z. B. Verbände, Presse, Rundfunk, Bürgerinitiativen etc. W. Henke , D Ö V 1958, S. 648. 93 Die Vorstufe ist die Übernahme von Passagen des Parteiprogramms oder konkreter Beschlüsse i n eine Regierungserklärung, A r t . 65 Satz 1 G G v e r bürgt dann die weitere Realisierung. Bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen w i r d sich die unverfälschte Sanktion anschließen. So hat z. B. Bundeskanzler W. Brandt i n seiner Regierungserklärung v o m 28.10.1969 konkrete Forderungen des Nürnberger Parteitages von 1968 übernommen, die m i t t l e r weile z. T. realisiert sind. Vgl. dazu näher ff. de With, Die neue Gesellschaft 1973, S. 161 ff. 94 J. Dittberner , Entwicklungstendenzen, S. 479. 95 Näher zu plebiszitären Komponenten innerparteilicher Willensbildung unten 2. Teil, I I . 3.: Willensbildung. 92

4*

1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

Entlastung der Staatsorgane durch effektive Partizipation der Parteibürger. Der beschriebene Ablauf ist jedoch nur eine — durchaus (noch?) seltene — Möglichkeit i n verbindliche Dezision mündender Volkswillensbildung über das Medium der Parteien. So kommen auch aus den M i nisterien, dem Parlament und vor allem seinen Fraktionen und Ausschüssen „Vor"-Formen für spätere Entscheidungen, die ebenfalls nicht i n das Schema der Vorformung politischen Wollens nur i m gesellschaftlichen Bereich passen. Der freie und offene politische Willensbildungsprozeß des Volkes als Oberbegriff umfaßt eben alle Bereiche. Eine neuralgische Zone des demokratischen Willensbildungsvorgangs liegt i n seinem Kern, i n den politischen Parteien: Verbandseinflüsse 96 und Einwirkungen auf die Parteipolitik durch außenstehende Verbände, finanzkräftige Wirtschaftsunternehmen und Einzelpersonen 97 sind geeignet, den für die politische Willensbildung des Volkes unverzichtbaren freien innerparteilichen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozeß zu stören. Durch undemokratische Unterdrückung i n der Partei vorhandener oder von außen an sie herangetragener kohärenter Interessen verliert der Willensbildungsvorgang Freiheit und Offenheit zugleich. Diesen realen Gefährdungen des parteiinternen Ablaufs und damit der politischen Willensbildung des Volkes, kann dann begegnet werden, wenn Verfahrensregeln bestehen, die geeignet sind, eine demokratische Willensbildung zu sichern. U m der Mitwirkungsfunktion der Parteien nach dem GG effektive Geltung zu verschaffen, müssen Gesetzgeber und innerparteiliche Satzungsgeber Sicherungen gegen solche reale Gefährdungen institutionalisieren 9 8 . Die Integrationsaufgabe der Parteien i n bezug auf die partizipatorischen Bestrebungen der Aktivbürger ist bedroht, nicht nur wegen des übermäßigen Einflusses bestimmter sozialer Mächte von außen auf die Parteipolitik, sondern auch hinsichtlich der damit teilweise blockierten Übernahme der Interessen politisch schwacher oder nichtorganisierter Schichten i n den Bereich innerparteilicher Diskussionen. 96

s. dazu die differenzierende u n d vergleichende Untersuchung v o n K . u. Beyme, Interessengruppen i n der Demokratie, S. 121 ff.; vgl. auch U. Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, S. 92 ff. 97 Näher dazu unten unter: I I . 4. a): Private Parteienfinanzierung. 98 A r t . 21 I 4 GG, nach dem die Parteien über die H e r k u n f t ihrer M i t t e l öffentlich Rechenschaft geben müssen u n d seine nähere Ausgestaltung i n den §§ 2 3 - 3 1 P a r t G zielen i n diese Richtung. Der parteipolitischen W i r k k r a f t finanzstarker Interessen soll damit das „ A n o n y m i t ä t s p r i v i l e g " (A. Hammann/ ff. Lenz, GG, A n m . 7 zu A r t . 21) entzogen werden. Darüber hinaus ist ihnen der „ m i t dem Grundsatz der formalen Gleichheit, der die Ausübung p o l i t i scher Rechte i n der freien Demokratie beherrscht" (BVerfGE 8, 51 [LS 4]) nicht zu vereinbarende übermäßige politische Einfluß auf die Parteipolitik durch weitere normative Vorkehrungen zu nehmen.

1. Parteien u n d politische Willensbildung des Volkes

53

Die Parteien müssen sich auf der einen Seite stärker gegen übermächtige externe Steuerungsversuche absichern und auf der anderen durchlässiger werden für nichtorganisierte oder nichtorganisierbare Interessen des Volkes. Einwirkungen von außen erfolgen selten unmittelbar m i t Petitionen oder Resolutionen; die Interessenvertretung E x terner vollzieht sich oft über Personen und Gruppen i m Parteiapparat. Ein erster Schritt muß daher Transparenz schaffen und für alle an der Willensbildung beteiligten klarstellen, wer m i t wessen Zunge spricht. B e i e i n e r stärkeren

Beachtung

demokratischer

Egalität

im

innerpar-

teilichen Meinungs- und Willensbildungsverfahren 99 werden sich die zahlenmäßig oft starken, aber wirtschaftlich schwächeren politischen Interessen bereits eher durchsetzen können. Damit ist Terrain für den von der Verfassung intendierten freien und offenen politischen Prozeß zu den und i n den Parteien gewonnen. Einflüsse von außen und I n i tiativen von innen werden auf den Stellenwert reduziert oder angehoben, der ihnen nach der tatsächlichen, egalitär zu ermittelnden Interessenlage innerhalb der Parteien zukommt. Die politische Willensbildung des Volkes i n der demokratischen res publica bedarf der funktionsfähigen innerparteilichen Demokratie, u m eine freie und offene zu sein. So wie die Wahlen ein Ausschnitt der politischen Willensbildung des Volkes sind 1 0 0 , ist auch der auf die Wahlentscheidung des Bürgers abzielende Wahlkampf der Parteien ihrer Mitwirkungsfunktion i n diesem Bereich zuzuordnen. I m Wahlkampf n i m m t die kontinuierliche Selbstdarstellung und Sympathiewerbung der Parteien gesteigerte Formen an. Die fest terminierte Wahlentscheidung motiviert sie zu erhöhten Anstrengungen, die politische Willensbildung des Volkes zur Willensbildung i n ihrem Sinne werden zu lassen, und sie motiviert die zur Stimmabgabe aufgerufenen Bürger zur kritischen Prüfung der vorgebrachten Argumente. So sind die Wahlen eine echte Chance zu wenigstens periodischer Kontrolle und Teilhabe der Aktivbürger, zur W i l lensbildung des Volkes i m positiven Sinne. Doch i n einer Wechselwirkung von Wählerverhalten und Parteiaktivitäten haben sich die Wahlkämpfe gerade zum Gegenteil entwickelt. Die Selbstdarstellung der Parteien w i r d zur Sache eines „berufenen" Stabes an der Parteispitze, dessen Liaison m i t einer oder mehreren, durch Erfolge i n der Konsumgüterwerbung legitimierten, Agenturen 1 0 1 zum „politischen Marketing" (J. Habermas) 102, die Verselbständigung der Wahlwerber und die Ver99

Die bei gleichem Stimmgewicht aller Parteibürger bestehende Mehrheit muß ermittelt werden u n d den Ausschlag geben. 100 P. Badura, A ö R 97 (1972), S. 1. 101 Vgl. dazu die Berichte i n : Der Spiegel, Nr. 1/1970, S. 78; H.-J. Schürholz, Die Welt, 16. 8.1971; F A Z v o m 29.11.1972, S. 7. 102 I n : S t r u k t u r w a n d e l der Öffentlichkeit, S. 236.

1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

fremdung der Aussagen der Wahlwerbung gegenüber der Parteibasis vollständig macht. Zwischen den Parteieliten werden Wahlabsprachen getroffen. Die wahlbezogenen Aktivitäten der Parteimitglieder gehen kaum über Dienstleistungen der verschiedensten A r t 1 0 3 hinaus und sind so ein Instrument oligarchischer Machttechnik ohne jeglichen Gehalt an unmittelbarer demokratischer Partizipation 1 0 4 . „ E i n i m Medium der Parteien und Organisationen selbst entfalteter Prozeß öffentlicher Kommunikation steht offenbar i m umgekehrten Verhältnis zur demonstrativen und manipulativen Wirksamkeit einer auf die virulente Akklamationsbereitschaft der breiten Bevölkerung, vorab ihres politisch indifferenten Teiles abzielenden Publizität 1 0 5 ." Es w i r d so getan, als ob die innere Ordnung der Parteien m i t dem spezifischen Konkurrenzverhältnis der Organisationen untereinander nichts zu tun habe. Partizipation der Parteibürger an den Inhalten der Selbstdarstellung der Parteien steht i m Widerspruch zu dem i m Wahlkampf als allein erfolgversprechend angesehenen Prinzip der Geschlossenheit 106 . Durch solch einseitige Betonung bestimmter — nicht zuletzt wegen des Verhaltens der Parteien selbst auch werbewirksamer — Aspekte der Parteipolitik w i r d diese inhaltlich festgelegt, w i r d die diese Meinung vertretende innerparteiliche Gruppierung gestärkt, werden i n der Regel bestehende Mehrheiten zementiert, ohne die Minderheiten überhaupt zu Wort kommen zu lassen. Noch bedenklicher ist die Präjudizierung der innerparteilichen Willensbildung durch Versprechungen und Absprachen der Wahlkampfführung. Dabei steht die Parteipolitik gerade auch i n Wahlkampfzeiten unter dem Verfassungsgebot innerparteilicher Demokratie. Wo besondere Leistungen erwartet werden, muß aber auch die Mitgliederpartizipation entsprechend steigen. Es besteht eine demokratische Kontinuität zwischen den auf jeder Stufe konkreteren und verbindlicheren Aussagen von Partei-, Wahl- und Regierungs- oder Oppositionsprogramm. Für jeden Wahlkampf der verschiedenen Bereiche ist das Parteiprogramm zum Wahlprogramm (Wahlplattform etc.) zu aktualisieren, sind die Parteimitglieder oder ihre Delegierten entsprechend § 9 I I I PartG an dieser Willensbildung zu beteiligen.

103

Z. B. Plakate kleben, vorgefertigte Flugblätter verteilen etc. R. Wildenmann, Gutachten, S. 72. — So mußte auf dem von der SPD vor der Landtagswahl i n Baden-Württemberg 1972 veranstalteten „ W a h l parteitag" ein A n t r a g m i t der Forderung eingebracht werden, daß die i m W a h l k a m p f herauszustellende Führungsmannschaft nicht mehr v o m Landesvorstand, sondern v o m Parteitag gewählt werden sollte, vgl. dazu den Bericht von H. Rudolph, F A Z v o m 15. 3.1972, S. 2. 105 J. Habermas, S t r u k t u r w a n d e l der Öffentlichkeit, S. 230. 106 C. Offe, Politische Herrschaft u n d Klassenstruktur, S. 145. 104

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2. Parteien u n d organisierte Staatlichkeit

2. Parteien und organisierte Staatlichkeit Die Probleme der innerparteilichen Demokratie haben zumindest die gleiche Ausdehnung wie der Aktionsradius der Parteien selbst reicht, da die Binnenstruktur den Bereich abdeckt, der bei einer Betrachtung von außen als Parteienterrain qualifiziert werden kann. Damit w i r d keiner schematischen Abgrenzung des innerparteilichen Lebens von der Umwelt das Wort geredet — die Partei ist sowohl selbständiges System als auch abhängiges Subsystem i n ihrer U m w e l t 1 0 7 —, zumal die Funktionen einer demokratischen inneren Ordnung der Parteien von grundlegender Bedeutung für die demokratische Ausrichtung des Gemeinwesens sind. Es ist jedoch notwendig, zunächst Klarheit über die Reichweite der Parteien(politik) zu gewinnen, um damit zugleich Konturen der innerparteilichen Demokratie abzustecken. Der antiquierte liberale Dualismus von Staat und Gesellschaft erweist sich gerade i n Grundfragen des Parteienrechts als überaus resistent. Er erscheint variiert i n der Trennung von politischer Willensbildung des Volkes und Staatswillensbildung 1 0 8 , i n der Fiktion eines Gegensatzes von Parlament und Regierung 1 0 9 , i n der Gegenüberstellung von neutraler Beamtenschaft und parteilich-pluralistischer Interessenherrschaft 110 , sowie i m Bemühen um die Sicherung der „Staatsfreiheit" politischer Parteien 1 1 1 . Doch deutet bereits der Begriff Parteienstaat auf die funktionale Verflechtung von Parteien und organisierter Staatlichkeit hin. I h r proklamierter Dualismus erscheint ohne Realitätsbezug, betrachtet man die Durchdringung der Staatsorgane seitens der politischen Parteien. Einmal gehören die Inhaber der hohen staatlichen Ämter zugleich zum personellen Substrat ihrer Parteien, zum andern bestehen gerade für sie als Parteiangehörige besondere Bindungen zu der Organisation, die sie entsandt hat und von der sie wieder entsandt werden wollen, daher ist es manchmal kaum möglich, zwischen den Aktionen der Partei und der Tätigkeit von Regierung und Regierungsmehrheit oder Opposition sauber zu unterscheiden 112 . a) Parlament

und

Regierung

Bereits die Definition der Fraktionen i n § 10 GeschOBT sanktioniert, daß bei den Abgeordnetenzusammenschlüssen Tatbestandsvoraussetz u n g r e g e l m ä ß i g die Zugehörigkeit 107 108 109 110 111 112

zu einer

politischen

Partei

ist. D i e

H.-O. Mühleisen, Organisationstheorie u n d Parteienforschung, S. 65. s. dazu oben unter I I . 1. a). Vgl. M. Hereth, Die Reform des Deutschen Bundestages, S. 53 f. Vgl. W. Wiese, Der Staatsdienst i n der BRD, S. 188. s. dazu unten unter I I . 4. c). O. K. Flechtheim , Die Parteien i n der BRD, S. 388.

1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

Fraktionen sind über die Parteien i n A r t . 21 GG verfassungsrechtlich (mit)anerkannt 1 1 3 , als „notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens" 1 1 4 . Die meisten Abgeordneten — besonders die Fraktionsspitzen — nehmen i n Personalunion wichtige Parteiämter wahr. Indem in Wirklichkeit nur noch die Parteien Bundestagskandidaten aufstellen 1 1 5 und den Wahlkampf organisieren, füllen sie allein das Parlament personell und machen es nach der Wählerentscheidung aktionsfähig. „Die Parlamentsgeschäfte liegen ganz und gar i n den Händen der Parteien, d. h. die politischen Parteien, die dem Parlament ihre Entstehung und Entwicklung verdanken, verfügen nun über das Parlament selbst 116 ." Sie reichen i n dieser Funktion „ i n den staatlich-institutionalisierten Bereich hinein" 1 1 7 . Jene enge Verbindung 1 1 8 zwischen den Parteien und ihren Mitgliedern i n den Parlamenten erklärt erst den Funktionswandel, den der Parlamentarismus i n der parteienstaatlichen Demokratie i n zweifacher Hinsicht erfahren hat. Zum einen w i r d i n der öffentlichen Parlamentsdebatte nicht mehr zu überzeugen versucht und u m Kompromisse gerungen, sondern sie „dient i n der Hauptsache der Klärung und Erläuterung des eigenen Standpunktes der Parteien für eine breitere Öffentlichkeit" 1 1 9 . Zum andern ist das Verhältnis von Parlament und Regierung i m Parteienstaat differenziert zu sehen: als Zusammenarbeit von Regierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit 1 2 0 und Kontrolle dieser Kooperation primär durch die parlamentarische Opposition 1 2 1 , der damit eine Funktion zuwuchs, die einst vom Parlament insgesamt wahrgenommen wurde 1 2 2 . 113 Vgl. BVerfGE 10, 4 (14): „ M i t der Anerkennung der Parteien i n A r t . 21 erkennt das GG auch sie an." 114 So BVerfGE 2, 143 (160, 167); 10, 4 (14); 20, 56 (104). 116 Parteilose Bewerber waren bei den letzten Wahlen sehr selten (z. B. Daniels i n Bonn, 1969). I m Bundestag selbst gibt es gelegentlich Abgeordnete, die ihre Partei/Fraktion nach der W a h l verlassen haben. Unmittelbar gewählte parteilose Abgeordnete scheinen jedoch der abgeschlossenen Phase parteienstaatlicher Konsolidierung anzugehören. 116 H.-Y. Kay, D i e innere Ordnung der politischen Parteien, S. 33. 117 E. Menzel, D Ö V 1970, S. 435. 118 BVerfGE 20, 56 (104). A u f sie ist noch näher einzugehen. Juristisch ist sie bislang i n Teilbereichen mehr abwehrend behandelt, z.B.: Fraktionsdisziplin, Mandatsverlust bei Partei- oder Fraktionswechsel. 119 Bericht der Parteienrechtskommission, S. 68; vgl. auch E. Friesenhahn, W D S t R L 16 (1958), S. 31 f. 120 U. Scheuner, D Ö V 1957, S. 636; E. Menzel, D Ö V 1970, S. 436 f.; K . Hesse, Grundzüge, S. 198 f., spricht von einer „Zuordnung" der Gewalten. 121 E. Friesenhahn, W D S t R L 16 (1958), S. 27; W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien, S. 29. 122 ff. Laufer, ZParl. 1970, S. 327.

2. Parteien u n d organisierte Staatlichkeit

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Der erste Punkt jener Funktionswandlungen, die Tatsache, daß i m Plenum meist „fertige Entscheidungen " vorgelegt und „diskutiert" werden 1 2 3 , zeigt, daß die i n der liberalen Parlamentarismustheorie so hoch veranschlagte Leistung des Plenums, die rationalisierte Entscheidungsfindung zum Gemeinwohl, vor allem auf anderen Ebenen erfolgt. Sie findet je nach den politischen Mehrheitsverhältnissen i n den Ausschüssen, den Verhandlungen der Koalitionspartner oder i n der Mehrheitspartei und besonders ihrer Fraktion statt. Dies w i r d durch die Verfassung bei der Wahl des Bundeskanzlers dadurch sanktioniert, daß er auf Vorschlag ohne Aussprache vom Bundestag gewählt w i r d (Art. 63 I GG); die Entscheidung ist bereits vorher außerhalb des Plenums gefallen. Als unbewältigte Folgeprobleme jener Verlagerung der staatsleitenden Entscheidungen i n die Parteien und ihre Fraktionen erlangen die Fragen nach dem Wie der innerparteilichen Entscheidungsfindung und dem Verhältnis von Partei und Fraktion größte Bedeutung. Die genannte zweite Wandlung von der Kontrollfunktion 124 des Parlaments insgesamt 125 gegenüber der Regierung zu einer differenzierten Aufteilung dieser Funktion zwischen Parlamentsmehrheit und Opposition je nach Kontrollinteressen, bringt nicht nur die für die Ausgangsfrage wichtigen Einsichten i n den parteienstaatlichen Funktionsmechanismus der Umsetzung von Parteipolitik i n verbindliche Entscheidungen, sie erschüttert auch die tradierte klassische Gewaltenteilungsdoktrin 1 2 6 . Dabei handelt es sich u m eine parteienstaatlich 128 N. Gehrig , Parlament — Regierung — Opposition, S. 123 f.: „Die Parteien v e r m i t t e l n den v o n ihnen gebildeten W i l l e n auf die politische F ü h r u n g " ; R. Bäumlin , Die rechtsstaatliche Demokratie, S. 131: „ . . . bei Beginn der parlamentarischen Beratung sind die Meinungen schon gemacht"; s. auch W. Luthmann , Die innere Ordnung der Parteien, S. 29. 124 Vgl. zum Begriff der K o n t r o l l e 17. Scheuner , Verantwortung u n d K o n trolle i n der demokratischen Verfassungsordnung, S. 390. 125 Verbreitet ist noch immer die Fiktion, die Regierung als Repräsentantin des Staates werde v o m Parlament als Repräsentantin der Gesellschaft k o n trolliert. So z.B. U. Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, S. 126; M. Abelein, K o n t r o l l e ohne Kontrolleure?, S. 150, die das Gewaltenteilungsmodell des GG als Antagonismus von Parlament u n d Regierung (Abelein, S. 151) v e r stehen u n d der parteienstaatlichen W i r k l i c h k e i t gegenüberstellen. Auch H. Ehmke glaubt, es gehe „institutionell u n d i n unseren Verhältnissen i n stark e m Maße auch soziologisch u m eine v o m ganzen Parlament auszuübende K o n t r o l l e " ; ebenso T. Ellwein, Das Regierungssystem der BRD, S. 282 f., der aber hinsichtlich der E f f e k t i v i t ä t der Kontrollmöglichkeiten zwischen Opposition u n d Parlamentsmehrheit w o h l unterscheidet. — Vgl. zum Problem M. Hereth, Die Reform des Deutschen Bundestages, S. 53 f., der auf die Zusammenhänge zwischen jener undifferenzierten Sicht u n d der liberalistischen Theorie der Trennung von Staat u n d Gesellschaft hinweist. 126

Vgl. K . Hesse, Grundzüge, S. 193: „Die wichtigsten Faktoren politischer Macht, die sich heute nicht mehr i n Legislative u n d Exekutive verkörpern, namentlich die politischen Parteien, werden von dem so verstandenen Gewaltenteilungsschema nicht erfaßt."

1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

determinierte, verfassungsrechtlich legitimierte Verschiebung: das Handeln der Staatsorgane ist durch die Aktivitäten politischer Parteien zu einem „System m i t eigner Funktionalität verdichtet" 1 2 7 . I m Rahmen der „neuen Gewaltenteilung" sind die Parteien „faktisch als Staatsorgane w i r k s a m " 1 2 8 . D. Sternberger sprach i n diesem Zusammenhang von einer „parlamentarischen Parteiregierung", die die Gewaltenteilung abgebaut habe 1 2 9 . Es w i r d sogar vertreten, das Ziel der vollen Entfaltung der Parteien bestehe darin, die traditionelle Gewaltenteilung gänzlich obsolet werden zu lassen 130 . Zwar hat das GG die Staatsgewalt auf die drei von Montesquieu beschriebenen 131 (Teil) Gewalten aufgeteilt, dabei aber eine eigenständige, vom antiquierten Organisationsschema teilweise abweichende Kompetenzverteilung vorgenommen 1 3 2 . Man spricht daher — um Mißverständisse aus einem überholten Verständnis heraus zu vermeiden — sinnvoller von der Gewaltverteilung nach dem G G 1 3 3 und beantwortet Einzelfragen aus der Verfassung und nicht aus einem Prinzip, das vom Verfassunggeber nicht übernommen wurde 1 3 4 . Wichtig w i r d die Einbeziehung der Funktionen der politischen Parteien i n das Verständnis der Verteilung politischer Macht i n der res publica, denn von den realen, den staatlichen Funktionsbereichen vorgelagerten Gewalten, hängt die Verfassungsstruktur wesentlich ab. M i t der Minimalisierung ihres Einflusses auf die Staatsleitung und ihrer Verflechtung m i t den Staatsorganen 135 ist der Zugang zu einer sachgerechten Bewältigung parteienstaatlicher Funktionsprobleme verbaut. Für die konkrete Frage nach dem Verhältnis von Parlament und Regierung ergibt sich aus dem vom GG konstituierten parlamentari127

N. Luhmann, Der Staat, 1973, S. 8. ff. Sperling / ff. Schröder, Parlamentarismus i n der Krise?, S. 28. 129 I n : PVS 1964, S. 13. 130 v g l o. Massing, Parteien u n d Verbände als Faktoren des politischen Prozesses, S. 280 f. 128

131

I n : De l'esprit des lois (1748), 11. Buch, 6. Kapitel, S. 214 ff. der dt. Ausg. K . Hesse, Grundzüge, S. 193; D. Sternberger, PVS 1964, S. 10: „Die Väter des GG . . . haben . . . die klassische Gewaltenteilung de facto über Bord geworfen." 133 Dazu ff. Trautmann, M D R 1971, S. 174. — D. C. Göldner, Verfassungsprinzip und Privatrechtsnorm i n der verfassungskonformen Auslegung u n d Rechtsfortbildung, 1969, S. 151, spricht i m Zusammenhang m i t der Funktionsaufteilung von Gewaltenverteilung. 134 Vgl. K. Hesse, Grundzüge, S. 192 ff., nach dem der unkritische Rückgriff auf ein überpositives Dogma die klaren K o n t u r e n der freiheitlichen demokratischen Ordnung des GG beeinträchtigt. 135 So z. B. W. Leisner, D Ö V 1969, S. 410, der i n einer umfangreichen Behandlung der Gewaltenteilungsproblematik hinsichtlich der politischen P a r teien n u r die Bemerkung macht, daß sie staatsorganisatorisch nicht überschätzt werden dürften. 132

2. Parteien u n d organisierte Staatlichkeit

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sehen Regierungssystem, daß der traditionelle Unterschied zwischen beiden Verfassungsorganen zurücktritt und die Regierung von der Parlamentsmehrheit abhängig ist 1 3 6 . Diese Abhängigkeit bedeutet kein Gegeneinander mehr, doch ist damit weder die Regierung zum „Exekutivausschuß" des Parlaments 1 3 7 geworden, wie umgekehrt das Parlament kein „Notariat" der Regierung 1 3 8 oder die „parlamentarische Exek u t i v e " 1 3 9 ist. Vielmehr befinden sich Regierung und die sie tragende Parlamentsmehrheit i n wechselseitiger politischer Abhängigkeit i n und durch Kooperation 1 4 0 ; es handelt sich u m einen „durchgängigen leibhaftigen Zusammenhang" 1 4 1 , bedingt durch die aus der gleichen Parteizugehörigkeit resultierende Interessenidentität 142 . Sie treffen konsensual die — meist von der Regierung initiierten 1 4 3 — politischen Entscheidungen und führen sie i m Rahmen ihrer Kompetenzen aus 1 4 4 . Institutionalisiert ist diese Staatsleitung durch Parlament und Regierung „zur gesamten H a n d " 1 4 5 zum Beispiel i m Gesetzgebungsverfahren, hier kommen die meisten Initiativen für den wichtigsten Bereich parlamentarischer Tätigkeit von der Regierung 1 4 6 (Art. 76 I GG), bei der Kanzlerwahl (Art. 63 GG), i n der Figur des parlamentarischen Staatssekretärs 147 . Viele Regierungsmitglieder sind gleichzeitig Abge136

U. Scheuner, D Ö V 1958, S. 643. D. Brüggemann, Die rechtsprechende Gewalt, S. 117. 188 ff. Apel, Der deutsche Parlamentarismus, S. 152, spricht von einer „ N o t a r f u n k t i o n " des Bundestages. " 139 U. Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, S. 126, 130; M. Abelein, K o n trolle ohne Kontrolleure?, S. 152, spricht v o n der Parlamentsmehrheit als „Erfüllungsgehilfen beim Regieren". 140 Wobei sich die Regeln des Zusammenspiels aus dem GG, Geschäftsu n d Verfahrensordnungen ergeben. W. Leisner, D Ö V 1969, S. 409, w i l l diese Kooperation aus dem Begriff der Balance rechtlich präzisieren. 141 D. Sternberger, PVS 1964, S. 15. 142 W. Steffani, Parlamentarische Demokratie, S. 36. 143 Vgl. ff. U. Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive u n d I n f o r mationsrecht der Presse, S. 34 u n d passim. 144 P. Badura, Parlamentarismus u n d parteienstaatliche Demokratie, S. 24, nennt dies ein „teilweise nahezu symbiotisches Zusammenspiel von Regier u n g u n d Regierungsfraktion". 145 £ Friesenhahn, V V D S t R L 16 (1958), S. 38; übernommen wurde diese Umschreibung f ü r die Zusammenarbeit v o n Parlamentsmehrheit u n d Regier u n g i m Bereich der Planung von: W. Kewenig, D Ö V 1973, S. 29; E.-W. Böckenförde, Der Staat, 1972, S. 444; Zwischenbericht der Enquete-Kommission S. 77. 137

146 Von den 2395 Gesetzesbeschlüssen während der ersten fünf Legislaturperioden gingen 1826 (über 75%) auf Vorlagen der Bundesregierung zurück; Vorlagen aus der M i t t e des Bundestages: 535; Vorlagen des Bundesrates: 34. Zahlen nach A. Pf ister, A u f b a u u n d Arbeitsweise des Bundesrates, S. 27. 147 Vgl. das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre v o m 6. 4.1967 (BGBl. I S. 396). — Z u m Status vgl. den Bericht des Innenministers an den Bundestag v o m 17.4.1970, Drs. VI/642.

1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität ordnete, ü b e n i h r M a n d a t aus u n d s i n d sich i h r e r Eigenschaft als G l i e d e r d e r M e h r h e i t s f r a k t i o n b e w u ß t 1 4 8 , die ü b e r w i e g e n d e R e k r u t i e r u n g s b a s i s d e r B u n d e s r e g i e r u n g i s t das P a r l a m e n t 1 4 9 , A b g e o r d n e t e t r e t e n v e r m e h r t als d i p l o m a t i s c h - p o l i t i s c h e V e r t r e t e r d e r B R D i m A u s l a n d u n d bei internationalen Gremien auf 150, gelegentlich nehmen M i t g l i e d e r der Regierungsfraktion(en) an Kabinettsitzungen t e i l 1 5 1 . Die ursprünglichen F u n k t i o n e n v o n Parlament u n d Regierung sind aufeinander zugewachsen, j a g e l e g e n t l i c h v e r t a u s c h t 1 5 2 . D i e t r a d i e r t e D o g m a t i k d e r T r e n n u n g v o n P a r l a m e n t u n d R e g i e r u n g ist h e u t e z u r L e h r e v o n i h r e r D u r c h b r e c h u n g g e w o r d e n 1 5 3 . D i e m i t d e n wachsenden — besonders sozialstaatlichen — Staatsaufgaben e r s t a r k t e Planungsfunktion beispielsweise, l ä ß t sich n i c h t i n e i n v o r g e g e b e n gedachtes G e w a l t e n t e i lungsschema pressen, auch die P a r t e i e n s i n d einzubeziehen. Es h a n d e l t sich b e i d e r p o l i t i s c h e n P l a n u n g 1 5 4 u m e i n e n i m beschriebenen Sinn typischen Kooperationsvorgang v o n Regierung u n d Parlam e n t s m e h r h e i t , dessen E i n o r d n u n g i n die F u n k t i o n s v e r t e i l u n g des G G d e r Staatsrechtslehre erhebliche S c h w i e r i g k e i t e n b e r e i t e t 1 5 5 . H i e r s o l l es 148 J. Domes, Bundesregierung u n d Mehrheitsfraktion, S. 170; D. Sternberger, PVS 1964, S. 12; E. Friesenhahn, W D S t R L 16 (1958), S. 35, sieht die Notwendigkeit der Mitgliedschaft von Ministern i m Parlament i n ihrer „politischen Rolle" begründet. 149 M i t wenigen Ausnahmen waren alle Bundesminister vor ihrer Ernennung bereits längere Zeit Parlamentarier, vgl. R.-P. Lange, Auslesestrukturen, S. 156. 150 N. Gehrig, Parlament — Regierung — Opposition, S. 124f.; U. Scheuner, D Ö V 1957, S. 633 (635); G. Leibholz, K o n t r o l l f u n k t i o n , S. 299. 151 E. Fricke, D Ö V 1973, S. 406 (410). 152 Als Beispiele f ü r die Vertauschung traditioneller Funktionen v o n Exek u t i v e u n d Legislative seien n u r das Maßnahmegesetz — nach der Rspr. des B V e r f G (E 25, 371 [LS 1]) „verfassungsrechtlich irrelevant", d . h . ebenso „ n o r m a l " w i e andere Gesetzestypen, so P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 49; 17. Scheuner, D Ö V 1969, 585 (590); W. Kewenig, D Ö V 1973, S. 27 — sowie die Befugnis nach Art. 80 GG genannt. I m ersten F a l l handelt es sich u m eine Maßnahme des Parlaments i m traditionellen Bereich aktuell gestaltender Staatsleitung, die ursprünglich der Regierung vorbehalten w a r (vgl. U. Scheuner, D Ö V 1957, S. 635), beim zweiten Beispiel sind Rechtsetzungsbefugnisse — ursprüngliches Terrain des Parlaments auch nach der Konzeption des A r t . 80 GG — i m gewissen Umfang auf die Regierung übertragbar. 158 W. Leisner, D Ö V 1969, S. 406. 154 Dieser Begriff hat sich als Bezeichnung der Planung bei Parlament u n d Regierung w o h l durchgesetzt (vgl. N. Luhmann, Politische Planung, S. 66 ff.; E.-W. Böckenförde, Der Staat, 1972, S. 429 m. w. Nachw. i n A n m . 1). 155 So w i r d vertreten, daß Planung eine neue, vierte Staatsfunktion sei, oder daß sie als „sachlogisch gouvernemental" ihren Platz i m Bereich der Exekutive habe (vgl. K . H. Friauf, V D S t R L 27 [1969], S. 24; ähnlich K. Redeker, J Z 1968, S. 538), differenzierende Einordnungen gestehen dem Parlament ein gewisses Beteiligungsrecht i m gouvernementalen Planungsprozeß zu (vgl. H. Liesegang, ZParl. 1972, S. 168 f.) oder sprechen v o n einer Funktion, die „Regierung u n d Parlament zur gesamten H a n d " zustehe (vgl. dazu W. Kewenig, D Ö V 1973, S. 29; E.-W. Böckenförde, Der Staat, 1972, S. 444; Zwischenbericht der Enquete-Kommission, S. 77.

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weniger darum gehen die Funktionenlehre zu vertiefen, sondern aufzuzeigen, daß die verfassungsrechtliche Grundlage politischer Planung weitere Dimensionen hat, als dies i n der allein an der formalen Organisation der Staatsorgane orientierten Diskussion 156 gesehen wird. Denn die Beschreibung des Verhältnisses von Parlament und Regierung nach der Verfassung ist solange „freischwebend", wie nicht die das parlamentarische Regierungssystem bewegenden Kräfte berücksichtigt werden: die politischen Parteien, die hinter Opposition- und Mehrheitsfraktionen und hinter der Regierung stehen, ja i n der politischen Wirklichkeit m i t ihnen 1 5 7 — oder polemisch überspitzt gar m i t dem Staat 1 5 8 — identifiziert werden. Die realen Faktoren politischer Macht sind heute die politischen Parteien 1 5 9 , sie beeinflussen über ihre Fraktionen die Beschlüsse von Parlament und Regierung 1 6 0 . „Die Regierung ist Fleisch vom Fleisch der sie stützenden Partei 1 6 1 ." Die politischen Entscheidungen beruhen auf einem außerhalb der staatlichen Institutionen festgelegten politischen Gestaltungswillen 1 6 2 . „Die übergreifende Strategie der Parteiapparate macht Regierung und Regierungsmehrheit zu komplementären Instrumenten für die Erhaltung bzw. die Ausdehnung des Machtanteils 1 6 3 ." Daher läßt sich die Verflechtung von Parlamentsmehrheit und Regierung i m parlamentarischen Regierungssystem des GG nicht allein auf der abstrakten Ebene formaler Staatsorganisation verste159 Vgl. aus der L i t . etwa W. Kewenig , D Ö V 1973, S. 23 ff.; E.-W. Böckenförde, Der Staat, 1972, S. 429 ff.; Zwischenbericht der Enquete-Kommission, S. 73 ff.; R. Wahl, D Ö V 1971, S. 42 (46 f.), der zwar von einer „Weiterbildung der Verfassung" i m Zusammenhang m i t politischer Planung spricht, aber ohne Einbeziehung der politischen Parteien i n ebensolcher „splendid isolat i o n " bleibt, w i e die v o n i h m kritisierte Meinung, die v o n einem Dualismus zwischen Regierung u n d Gesamtparlament ausgeht; eine eher abwertende Äußerung zur F u n k t i o n der Parteien i n diesem Problemkreis findet sich bei H. Harnischfeg er, Planung i n der sozialstaatlichen Demokratie, S. 138; F. v. Peter, D Ö V 1973, S. 336 ff. w i d m e t zwar den Fraktionen u n d der parlamentarischen Opposition einige Ausführungen i m Zusammenhang m i t dem Problem der Planung auf Bundesebene (S. 341 f.), doch bleiben seine Akzente i m Rahmen der Staatsorganisation, die übergreifende F u n k t i o n der Parteien bleibt unerwähnt. 167 Vgl. die i m allgemeinen Sprachgebrauch üblichen Begriffe: Regierungsund Oppositionspartei(en) bei M. Hättich, Z u r Typologie der politischen Parteien, S. 381 ff. 158 Z . B . der Buchtitel: „Der CDU-Staat", Hrsg. G. Schäfer / C. Nedelmann. — Vgl. auch H. Arendt: „ . . . die regierende u n d zugleich mannigfach kontrollierte oder an Gesetze gebundene Partei w i r d ,temporär z u m Staat'", zit. nach R. Wildenman, Gutachten, S. 62. 159 K . Hesse, Grundzüge, S. 193; E. Menzel, D Ö V 1970, S. 437. 160 Vgl. BVerfGE 3, 19 (26); 14, 121 (133); 20, 56 (104). 161 H. J. Varain, PVS 1964, S. 347. 162 E. Menzel, D Ö V 1970, S. 437. 163 C. Offe, Politische Herrschaft u n d Klassenstrukturen, S. 149.

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hen; der beide Größen verbindende A r t . 21 GG, die Funktion der politischen Parteien, muß i n Fragen der Staatsorganisation bereits i m A n satz „mitgedacht" werden. Anhand der Planungsdiskussion läßt sich beispielhaft zeigen, daß die Einbeziehung des Parteienartikels zu einer Korrektur oder zumindest Ergänzung ihrer Ergebnisse und vor allem ihrer Begründung führt. Die vorliegenden Lösungssätze, ob vom Budgetbewilligungsrecht des Parlaments 1 6 4 , von der parlamentarischen Kontrollfunktion 1 6 5 oder vom Zusammenspiel von Parlament und Regierung i n der parlamentarischen Demokratie her 1 6 6 , gehen kaum auf die durch die parteienstaatliche Verfassung gebotene Differenzierung i n Regierungs- und Oppositionsfraktionen u n d ihr Verhältnis zu den dahinter stehenden Parteien ein. Die durch „Nominations- und Wahlbeziehungen begründete hochgradige Interessenidentität zwischen Partei, Mehrheitsfraktion und Regierung" 1 6 7 , ist die reale Ursache ihrer verfassungsmäßigen Kooperation. Damit ist nicht die Verantwortlichkeit für politische Entscheidungen verwischt, denn erst die Betonung der Parteienverantwortlichkeit für staatsleitende Maßnahmen schafft „Verantwortungsklarheit". Bei der Wahl, der Einlösung dieser Verantwortlichkeit dem Volk gegenüber, geht es nur u m eine Entscheidung zwischen konkurrierenden Parteien und nicht etwa zwischen Parlament und Regierung. Die demokratische Gestaltung von Verantwortung und Kontrolle 1 6 8 hat ihre primären Träger i n Parteien und Volk gefunden. Alle weiteren Verantwortungszusammenhänge und Kontrollmechanismen (z. B. A r t . 67, 68 GG) sind vom Verhältnis der Parteienverantwortung und Wählerkontrolle abgeleitet und daher nicht ohne diesen Grundsatz zu erfassen. Die Wahlen zu den Staatsorganen stellen die Klammer der beschriebenen Interdependenzen zwischen Parteien, Parlament und Regierung dar. Regierungserfolge sind so gesehen auch ein Stück Parteipolitik und werden vom Wähler den Parteien letztlich auch zugerechnet 169 , sie sind wichtige Aktivposten der Partei i m kommenden Wahlkampf 1 7 0 . Der Führer der i n der Wahl siegreichen Mehrheitspartei oder der sich bil164

So ff. Liesegang, ZParl. 1972, S. 165 ff. So R. Herzog, zit. nach W. Kewenig, D Ö V 1973, S. 25. 166 So i n A n l e h n u n g an E. Friesenhahns Staatsrechtslehrerreferat (VVDSt R L 16 [1958], S. 9 ff.), bei W. Kewenig, D Ö V 1973, S. 28 f.; E.-W. Böckenförde, Der Staat, 1972, S. 444; Zwischenbericht der Enquete-Kommission, S. 77. 167 W. Steffani, Parlamentarische Demokratie, S. 36. 168 Vgl. dazu U. Scheuner, Verantwortung u n d K o n t r o l l e i n der demokratischen Verfassungsordnung, S. 380 ff. 169 N. Gehrig, Parlament — Regierung — Opposition, S. 119; W. Steffani, Parlamentarische Demokratie, S. 33. 170 W. Steffani, ebd. 165

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denden Koalition ist durch das „Plebiszit der Wähler" zum Regierungschef designiert 1 7 1 . Die Parteien bestimmen über ihre Parlamentsfraktionen die Besetzung der obersten Staatsämter 172 . Die politische Parteienwahl verdeutlicht das Verhältnis von Regierung und Parlamentsmehrheit 1 7 3 . Die Interessenidentität der Vertreter der gleichen Partei(en) i n den verschiedenen Staatsorganen ist i m Hinblick auf die kontinuierliche Legitimation durch Wahlen i n zweifacher Hinsicht funktional: einmal gegenüber dem Volk zur Abgrenzung von konkurrierenden Parteien und ihren Fraktionen und zum andern i n bezug auf die Partei selbst. Letzteres deshalb, w e i l der Legitimation durch die Wähler eine Legitimation durch die Partei vorgeschaltet ist (vgl. §§ 22, 28 BWahlG). Diese Parteilegitimation dient nicht zuletzt der Einhaltung von Parteibeschlüssen auch innerhalb der Staatsorgane, sie ist insofern ein Mechanismus der Parteirichtungskontrolle. Ein weiteres Instrument i n diesem Zusammenhang ist die unter der parteienstaatlichen Vorgabe der Verfassung neu zu definierende Kontrollfunktion im Verhältnis von Parlament und Regierung. Sie ist — m i t unterschiedlicher Motivation und Zielsetzung 1 7 4 — aufgeteilt auf Regierungs- und Oppositionsfraktionen. Letztere profilieren sich, indem sie die Maßnahmen der verbundenen Staatsleitung durch Regierung und Parlamentsmehrheit kritisch überprüfen. I h r besonderes Kontrollinteresse liegt darin, i n öffentlicher K r i t i k an Regierung und Regierungsmehrheit Alternativen aufzuzeigen, u m bei der nächsten Wahl von deren Wählern selbst als Alternative akzeptiert zu werden. Spiegelbildlich zur Kontrolle durch die parlamentarische Opposition dokumentiert sich auf der anderen Seite das Zusammenspiel von Regierung und Parlamentsmehrheit. I n der Praxis sieht es so aus, daß etwa „reine Plenardebatten" unter den Abgeordneten Regierungsmaßnahmen zum Gegenstand haben, daß dabei sowie bei oppositionellen Anfragen Abgeordnete der Mehrheit die Regierung verteidigen und ihre Leistungen würdigen 1 7 5 . 171 E. Friesenhahn, W D S t R L 16 (1958), S. 52; P. Badura, Parlamentarismus u n d parteienstaatliche Demokratie, S. 22; B. Vogel/ R. O. Schultze, i n : V o g e l / Nohlen / Schultze, Wahlen i n Deutschland, S. 239. 172

Vgl. BVerfGE 13, 54 (81); 20, 56 (104). H. J. Varain, PVS 1964, S. 347. 174 H. Schmitt-Vockenhausen, FR v o m 21.12.1973, S. 4. 175 A m Beispiel des unterschiedlichen Gebrauchs der parlamentarischen Anfrage läßt sich der differenzierte Funktionswandel eines traditonell einseitig v o m Parlament gegen die Regierung gerichteten Kontrollinstruments demonstrieren: Einerseits w i l l die Opposition damit (parlaments-)öffentlich das Regierungshandeln kritisieren, auf der anderen Seite gibt es aber auch nach wie vor Anfragen der Regierungsfraktion(en), die der Regierung Gelegenheit zur Darstellung ihrer P o l i t i k geben sollen, (ff. Sperling / ff. Schrö173

1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität Das G G g e h t v o n e i n e r Kontrolle — i m ursprünglichen Sinn — durch die Minderheit a u s 1 7 6 , a u f sie s i n d d i e K o n t r o l l i n s t r u m e n t e z u g e s c h n i t t e n 1 7 7 . Sie h a t die verfassungsmäßige K o o p e r a t i o n v o n P a r l a m e n t s m e h r h e i t u n d R e g i e r u n g m i t H i l f e v o n A n f r a g e n ( A r t . 43 G G , §§ 105 f f . GeschOBT), Untersuchungsausschüssen ( A r t . 44 GG) etc. z u r Machtmäßigung zu bewegen178. Deshalb ist z . B . i m Planungsverfahr e n d i e „ S i c h e r u n g des Z u g a n g s der O p p o s i t i o n z u P l a n u n g s a l t e r n a t i v e n u n d P l a n u n g s u n t e r l a g e n " 1 7 0 z u i n s t i t u t i o n a l i s i e r e n ; d e n n sie h a t e i n spezifisches K o n t r o l l i n t e r e s s e auch u n d gerade g e g e n ü b e r d e r Planungstätigkeit der verbundenen Staatsleitung i n Parlamentsmehrheit u n d Regierung180. D a n e b e n i s t d e r (den) F r a k t i o n ( e n ) d e r R e g i e r u n g s m e h r h e i t i m P a r l a m e n t eine neue, parteienstaatliche Kontrollfunktion gegenüber d e r R e g i e r u n g zugewachsen, d i e w e i t h i n ü b e r s e h e n w i r d 1 8 1 . Sie w i r d w e n i g e r i m P l e n u m u n d d e n Ausschüssen als i n F r a k t i o n s - u n d P a r t e i s i t z u n g e n a u s g e ü b t 1 8 2 . Diese r e l a t i v a b s t r a k t als R i c h t u n g s k o n t r o l l e , v e r s t a n den Parlamentarismus i n der Krise?, S. 30; M. Abelein, Kontrolle ohne Kontrolleure?, S. 155). — s. dazu auch die Übersicht der A u f t e i l u n g der Großen Anfragen zwischen Regierungs- u n d Oppositionsparteien bei G. Witte-Wegmann, Recht u n d K o n t r o l l f u n k t i o n der Großen, K l e i n e n u n d M ü n d 1 7 6 Anfragen i m Deutschen Bundestag, S. 129 ff. lichen Die K o n t r o l l f u n k t i o n w i r d i m G G — abgesehen von dem 1956 eingefügten A r t . 45 b — an keiner Stelle erwähnt, schon deshalb ist eine differenzierende Behandlung der Problematik unter Berücksichtigung der parteienstaatlich determinierten Spielregeln des verfaßten parlamentarischen Regierungssystems geboten. 177 Vgl. etwa G. Leibholz, K o n t r o l l f u n k t i o n , S. 300, zum Recht der E i n setzung von Untersuchungsausschüssen als „Minderheitsrecht". Mangelhafte Untersuchungsergebnisse machen eine Verbesserung des Verfahrens erforderlich, sie sprechen aber nicht dagegen, Untersuchungsausschüsse als K o n trollinstrumente der Opposition zu qualifizieren. Sie sind, w i e W. Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung am Beispiel der Bundestagsausschüsse, S. 25 f., zutreffend konstatiert, letztlich ein „ M i t t e l der politischen Auseinandersetzung zwischen Regierungs- u n d Oppositionsparteien". s. auch die bereits i m Ansatz auf die parlamentarische Opposition abgestellte Konzeption einer Planungskontrolle durch ein Viertel der M i t glieder des Bundestages oder der Mitglieder des Ausschusses f ü r Planung i n dem Zwischenbericht der Enquete-Kommission des Bundestages, S. 75 (Art. Z), 80. 178 Das Budgetrecht, die K a n z l e r w a h l u n d - a b w a h l haben i m Parteienstaat ihre Bedeutung als K o n t r o l l m i t t e l verloren, da es i n diesen Fällen der parlamentarischen Mehrheit bedarf, die nicht „die eigenen Mitglieder der Regierung ans Messer liefert" (M. Abelein, Kontrolle ohne Kontrolleure?, S. 151; ähnlich G. Leibholz, K o n t r o l l f u n k t i o n , S. 299). 179 E.-W. Böckenförde, Der Staat, 1972, S. 453; ebenso i m Zwischenbericht der Enquete-Kommission, S. 80. 180 v g l den Zwischenbericht der Enquete-Kommission, ebd.; kritisch dazu F. v. Peter, D Ö V 1973, S. 342. 181 Vgl. etwa bei K . Kröger, Die Ministerverantwortlichkeit i n der Verfassungsordnung der BRD, S. 166 f., 169, der diese Dimension vermissen läßt. 182 H. Schmitt-Vockenhausen, FR v o m 21.12.1973, S. 4.

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den als Überwachung und Beeinflussung von Entscheidungsvorgängen, bezeichnete 183 Funktion ist i n Wahrheit eine Parteirichtungskontrolle der Regierung durch die Parlamentsmehrheit. Zur Sicherung der Parteilinie i n der Regierungspolitik steht die Fraktion — abgesehen von der unmittelbaren Verflechtung zwischen Regierungsmitgliedern und ihrer Partei durch Personalunion von Partei- und Staatsämtern — als formelles Bindeglied zwischen Partei und Regierung. Sie hat u. a. zu verhindern, daß die Regierungspartei zur „Partei der Regierung" 1 8 4 wird, die das demokratische Eigenleben der Partei, d. h. besonders die politischen Initiativen der Basis unterdrückt. Das parlamentarische Kontrollrecht ist „zu einem Kontrollrecht der Fraktionen und damit der Parteien geworden" 1 8 5 . In der Ausübung der Parteirichtungskontrolle ist die Mehrheitsfraktion selbst an der Umsetzung und Konkretisierung der Parteipolitik maßgeblich beteiligt. Da nur zu den wenigsten der anstehenden Entscheidungen konkrete Parteibeschlüsse vorliegen, erfolgt über diese Funktion auch eine Abstimmung von Regierungsund Regierungsfraktionspolitik i m Sinne der politischen Grundsätze der Partei 1 8 6 . Die Forderung nach einer grundsätzlichen Ausweitung der traditionellen parlamentarischen Kontrolle i n eine „vorgängige", „präventive" oder „antizipierte" Kontrolle bereits bei der Willensbildung der Regierung ist i m Vordringen 1 8 7 . „Effektive parlamentarische M i t w i r k u n g an der Planung von Anfang a n " 1 8 8 erfordert dieser Funktionswandel parlamentarischer Kontrolle, i n dessen Konsequenz auch der weitere, dif183 v g l . T. Eschenburg , Staat u n d Gesellschaft i n Deutschland, S. 608; T. Ellwein, Das Regierungssystem der BRD, S. 286; T. Ellwein / A. Görlitz, P a r lament u n d Verwaltung, 1. Teil, S. 42 ff., 156 ff.; M. Hereth, Die Reform des Deutschen Bundestages, S. 55, 61 f.; H. Liesegang, ZParl. 1972, S. 167. 184 ü . Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, S. 129. 185 G. Leibholz, K o n t r o l l f u n k t i o n , S. 303. 186 A l s Beispiel sei an das Verfahren u m die Reform des § 218 StGB erinnert: der Regierungsentwurf (5. StRG-Bundestags-Drucks. VI/3434), der bestimmte enge Voraussetzungen des Schwangerschaftsabbrüchs vorsah, wurde i m Parlament blockiert u n d die Regierungsfraktionen brachten aus ihrer M i t t e einen eigenen I n i t i a t i v a n t r a g (Bundestags-Drucks. VI/3137) der die „Fristenlösung" vorsah ein, nicht zuletzt deshalb, w e i l sich auf verschiedenen Parteitagen klare Mehrheiten für diese Entscheidimg gefunden hatten. 187 Vgl. etwa K. Eichenberger, Schweizerische Juristenzeitung, 1965, S. 269 ff. u. 285 ff.; R. Bäumlin, Zeitschrift f ü r Schweizerisches Recht, 1966, S. 244 ff.; T. Ellwein / A. Görlitz, Parlament u n d Verwaltung, 1. Teil, S. 42 ff., 156 ff.; W. Leisner, D Ö V 1969, S. 409; U. Scheuner, Entwicklungslinien des pari. Regierungssystems i n der Gegenwart, S. 400 A n m . 48; ders., Verantw o r t u n g u n d K o n t r o l l e i n der dem. Verfassungsordnung, S. 392, 396, 399, 401; W. Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung am Beispiel der A r b e i t der Bundestagsausschüsse, S. 5 f., 11 u. passim; ders., D Ö V 1973, S. 25 m i t weiteren Nachweisen i n A n m . 12; H. Liesegang, ZParl. 1972, S. 167; E.-W. Böckenförde, Der Staat, 1972, S. 444. — Z u r antizipierten Kontrolle des Verhaltens der Länderexekutiven i m Bundesrat durch die Landesparlamente vgl. U. Bernzen, ZParl. 1973, S. 93. 5 Trautmann

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ferenzierend abschließende Schritt zur Anerkennung einer Parteirichtungskontrolle der Regierung durch die Mehrheitsfraktion(en) liegt. Angesichts des Übergewichts an Regierungskompetenzen — Exekutive als Initiativgewalt des Staates 189 — dient diese Funktion der Parlamentsmehrheit schließlich auch dazu, eine Verselbständigung der Regierung gegenüber ihrer Basis i n Partei und Parlament zu verhindern. Die Parteirichtungskontrolle der Regierung durch die Regierungsfraktion würde „ i n der L u f t hängen", käme nicht als Ausgangs- und Endstute des institutionalisierten Willensbildungsprozesses die Richtungskontrolle der Abgeordneten durch die Parteibürger hinzu 1 9 0 . Die Überwachung der Einhaltung von Parteidirektiven steht daher i m größeren Rahmen der politischen Verantwortlichkeit, deren klare Zuordnung letztlich dem Wähler die Möglichkeit geben soll, Entscheidungen der allein von i h m wählbaren Parteien zu bewerten 1 9 1 . Zusammenfassend folgt für das Problem Parteien und Planimg: Es scheint, als würden die Parteien ihr Defizit an (partei)politischer Planung gegenüber den Planungsaktivitäten der Staatsorgane, das gleichzeitig ein Defizit an Einwirkungsmöglichkeiten impliziert 1 9 2 , langsam abbauen, u m i n diesen Bereich überhaupt ihre Richtungskontrolle ausüben und ihren Einfluß auf die politisch verbindlichen (Planungs-)Entscheidungen zu wahren 1 9 3 . Sie müssen ihre Politikformulierung so vornehmen, daß sie für die politische Planung umsetzbare Oberziele abgibt; selbst wenn es gelingt, die Planungskapazität der Parteien wesentlich zu verbessern, verbleibt der Bürokratie „eine ganz erhebliche 188 So der Zwischenbericht der Enquete-Kommission, S. 80. — s. auch die vorgesehene Beteiligung von Parlamentariern i n den Planungsausschüssen von Berlin, vgl. R. Schäfer, ZParl. 1972, S. 182 ff. 189 H. U. Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive u n d Informationsrecht der Presse, S. 34. 190 eine solche Kontrolle als Möglichkeit innerparteilicher Demokratisierung, W. Jäger, Innerparteiliche Demokratie u n d Repräsentation, S. 135 f. — Vgl. auch G. Leibholz, K o n t r o l l f u n k t i o n , S. 303. 191 Dazu M. Hereth, Die Reform des Deutschen Bundestages, S. 61. — „ P r ä ventive" Parlaments (mehrheits)kontrolle w i r d daher weniger „Rechenschaft verunklaren" (so die Bedenken von U. Scheuner, Verantwortung u n d K o n trolle i n dei demokratischen Verfassungsordnung, S. 402), als vielmehr über abgeleitete Verantwortungszusammenhänge hinaus den ungetrübten Blick auf den ursprünglichen Verantwortungszusammenhang zwischen Wähler u n d Parteien ermöglichen, der durch institutionelle Kompliziertheiten leicht verschleiert werden kann. 192 Planungsentscheidungen wirken, ungeachtet ihrer notwendigen F l e x i b i lität, i m höchsten Maße präjudizierend (vgl. W. Kewenig, D Ö V 1973, S. 29; E.-W. Böckenförde, Der Staat, 1972, S. 441), der Einwirkungsbereich der Parteien i m Sinne einer Richtungsbestimmung w i r d kleiner, w e n n sie sich nicht auf parteipolitische Planungsperspektiven umstellen. 193 s. die Diskussion u m den Langzeitplan der SPD „ E n t w u r f eines ökonomisch-politischen Orientierungsrahmens f ü r die Jahre 1973 - 1985" vor, auf u n d nach dem Bundesparteitag i n Hannover i m A p r i l 1973.

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eigene Formulierungs- und Steuerungszuständigkeit" 194 . Staatliche und parteipolitische Planung stehen so in einem funktionalen Ergänzungsverhältnis . Die von den Parteien verantwortete Entwicklung des staatlichen Planungsinstrumentariums muß „einer quantifizierenden Planung i n den Parteien entgegenarbeiten" 195 . Parteipolitische Planung kann darüber hinaus Effektivitätssteigerung bei der Aufgabenwahrnehmung hoheitlicher Organe bewirken, wenn sie sicherstellt, daß von der gleichen Partei oder Koalition geführte Kommunen, Länder- und Bundesorgane nach einem einheitlichen Konzept die verfügbaren Steuerungsmechanismen bedienen 196 . E i n Folgeproblem parteipolitischer Planung ist die i n Zukunft verstärkt auftauchende Frage nach der demokratischen Ausrichtung des innerparteilichen Planungsablaufs. Politische Planung ist eine parteienstaatliche „Gemeinschaftsaufgabe" von Fraktionen, Regierung und der!den dahinter stehenden Partei(en). Die Hauptprobleme liegen also nicht i n der Abgrenzung der verschiedenen Funktionen nach Gewaltenteilungsgrundsätzen, sondern i n der Organisation der Beteiligten und ihrer Zusammenarbeit 1 9 7 . W. Weber folgert aus dem Befund parteienstaatlicher Massendemokratie, daß die „Strukturierung des staatlichen Organisationssystems nach Legislative, Exekutive und Judikative als unwirklich und fassadenhaft" sich erweise 1 9 8 . Derart überspitzt sind die Verhältnisse jedoch nicht zu sehen. Die Eigendynamik, die i n der Wahrnehmung eines öffentlichen Amtes m i t politischer Entscheidungsbefugnis liegt, die Persönlichkeit des Amtswalters, verschiedene Kompetenzen, besondere politische Konstellationen 1 9 9 und viele andere Faktoren bedingen die gelegentlich fruchtbaren Spannungen 200 i n den komplexen Beziehungen 194

A. Theis, Politische Planung, S. 192. F. Scharpf, Die neue Gesellschaft, 1973, S. 215. Eine solche Kooperation von „staatlicher" (bei Opposition sowie Regierung u n d Regierungsfraktion[en]) u n d „parteilicher" politischer Planung erscheint — entgegen den Bedenken von P. Haungs, ZParl. 1973, S. 516 ff., der glaubt, die Parteien seien auf G r u n d ihrer „ I n f r a s t r u k t u r " zu eigenständiger politischer Planung nicht i n der Lage — eine sinnvolle Verbindung der vorhandenen Kapazitäten. 196 A u f den Nachteil, daß ohne quantifizierte Planung auf Parteiebene die verschiedenen regionalen öffentlichen Körperschaften m i t Mehrheiten ein u n d derselben Partei u. U. gegeneinander ausgespielt werden können, hat F. Scharpf, Die neue Gesellschaft, 1973, S. 218 hingewiesen; s. dazu auch A . Theis, Politische Planung, S. 197. 197 s. die Vorschläge i m Zwischenbericht der Enquete-Kommission des Bundestages, S. 78 ff., 82, die sich allerdings n u r auf die Organisation des Zusammenspiels v o n Parlament u n d Regierung beziehen. 198 I n : Spannungen u n d K r ä f t e i m westdeutschen Verfassungssystem, S. 160. 199 Vgl. dazu W. Kewenig, D Ö V 1973, S. 30 u. A n m . 50. 200 v g i # etwa BVerfGE 10, 2 (17): „SpannungsVerhältnis zwischen dem Parlament als dem Gesetzgebungs- u n d obersten Kontrollorgan u n d der Regierung als der Spitze der Exekutive." 195

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zwischen den Parteien, ihren Abgeordneten und Fraktionen, Ministern und Regierungen, deren Aktivitäten sich trotz oder besser: gerade wegen der parteipolitischen Determinierung wechselseitig durchdringen, kontrollieren und ergänzen. Parlament und Regierung arbeiten nicht wie eine reibungslose „Parteiregistrierungsmaschine" 201 . Doch handelt es sich bei Konflikten zwischen Parlamentsmehrheit und Regierung oder zwischen der Partei und ihrer Fraktion jeweils u m einen „Konf l i k t innerhalb einer politischen Handlungseinheit" 2 0 2 , wenn die Beteiligten Mitglieder ein und derselben Partei sind. Da die Parteien keineswegs homogen, sondern Kristallisationsbecken vielfältiger Interessen sind, und sie ferner i n der Regel nur die grundsätzliche Politik festlegen können, bleibt ein weites Feld zu politischen Initiativen und Handlungsalternativen für die Parteivertreter i n den Staatsorganen, das aus sachlichen und zeitlichen Gründen dem Einfluß der Partei entzogen ist. Hierbei bedeuten verschiedene Funktionen und Amtswalter trotz vorgegebener Parteilinie Machthemmung und Rationalitätsgarantie. b) öffentlicher

Dienst

Da die Entscheidungen von Parlament und Regierung oft die Realisierung parteipolitischer Vorstellungen 2 0 3 sind, darf auch i m weiteren Ablauf ihrer Durchsetzung der parteipolitische Aspekt nicht übersehen werden. Innerparteiliche Partizipation beeinflußt nicht nur die Politik der obersten Staatsorgane, sondern mittelbar auch deren Vollzug. Die Negativformel des A r t . 130 I WRV, nach der ein Beamter „dem ganzen Volk, nicht einer Partei" zu dienen verpflichtet ist, findet sich noch heute i n den §§ 52 BBG, 35 BRRG, doch lassen das GG und andere beamtenrechtliche Bestimmungen eher eine gegenläufige Tendenz erkennen, die die genannten Bestimmungen als parteienstaatlichen Anachronismus 204 entlarven. Die Klassifizierung einer bestimmten Gruppe der Beamtenschaft als politische Beamte — die jederzeit i n den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können (§§ 36 BBG, 31 BRRG) —, ist keine spezifische Erscheinungsform des öffentlichen Dienstes i m Parteienstaat, sondern stammt aus einer Zeit, die noch keine organisierten politischen Par201

E. Friesenhahn, W D S t R L 16 (1958), S. 22. H. J. Varain, PVS 1964, S. 347. 203 Z. B. übernahm W. Brandt als Bundeskanzler alle konkreten Forderungen des Nürnberger SPD-Bundesparteitages 1968 i n seine Regierungserklär u n g v o m 28.10.1969, vgl. dazu H. de With, Die neue Gesellschaft, 1973, S. 161. — Z u r Übernahme steuerpolitischer Parteibeschlüsse i n die Gesetzgebung vgl. K . Porzer, Die neue Gesellschaft, 1974, S. 796 ff. 204 E. Menzel, D Ö V 1970, S. 443. 202

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t e i e n k a n n t e 2 0 5 . D a h i n t e r s t a n d d e r Gedanke, daß eine v o n k o m p e t e n t e r Stelle getroffene Entscheidung nicht durch widerstrebende Beamte v e r wässert oder g a r i n i h r G e g e n t e i l v e r k e h r t w e r d e n d a r f . Das i n Z e i t e n des O b r i g k e i t s s t a a t e s p r o b a t e M i t t e l , d e r R e g i e r u n g s p o l i t i k n o t f a l l s d u r c h Personalaustausch i n Ä m t e r n m i t besonderer „ M i t t l e r - S t e l l u n g " 2 0 6 i m Organisationsgefüge der Beamtenschaft Nachdruck zu verschaffen, ist auch i m P a r t e i e n s t a a t u n v e r z i c h t b a r 2 0 7 . D e r B e a m t e w i r d z u m A p o l o g e t e n , j a z u m A k t i v i s t e n der P o l i t i k d e r R e g i e r u n g , er muß i n fortdauernder Übereinstimmung m i t ihren grundsätzlichen A n s i c h t e n s t e h e n 2 0 8 . D a j e d o c h d i e R e g i e r u n g s p o l i t i k n i c h t i s o l i e r t ist, s o n d e r n auch v o n d e r d a h i n t e r stehenden P a r t e i g e t r a g e n u n d v e r a n t w o r t e t w i r d , ist der politische Beamte im Parteienstaat des GG ein parteiorientierter Beamter 209. Die Regierungspartei k a n n ihre Politik über F r a k t i o n u n d K a b i n e t t n u r m i t H i l f e einer V e r w a l t u n g v e r w i r k 205 Das I n s t i t u t des politischen Beamten w u r d e von der konstitutionellen Monarchie relativ unverändert i n die parlamentarische Demokratie übernommen; vgl. dazu G. Wacke, AöR 91 (1966), S. 445ff.; W. Wiese, Der Staatsdienst i n der BRD, S. 161 ff.; W. Thieme, Der „politische Beamte" i m Sinne des § 31 BRRG, S. 150, m i t weiteren Nachw. i n A n m . 3. 206 w Wiese, Der Staatsdienst i n der BRD, S. 166. 207 w Wieses aktuelle Begründung des Instituts des politischen Beamten (ebd., S. 176), es sei „ v o m Ansatz her gegen eine unverantwortlich getroffene Personalentscheidung gerichtet", also allein f u n k t i o n a l als K o r r e k t u r falscher Ämtervergabe, übersieht die Wichtigkeit des personalen Überzeugtseins u n d Engagements eines Beamten i n der beschriebenen Position, s. dazu U. Bermbach, ZParl. 1970, S. 361, der eine „Parallelität der Positionen" von politischen Beamten u n d Abgeordneten darin sieht, daß beide Funktionen „ i n allgemeiner Übereinstimmung m i t der Parteilinie" erfüllt werden müssen. 208

O V G Münster, D Ö V 1974, S. 166 f. Anders H. Schauer, Z B R 1973, S. 10 f., der das enge Verhältnis von P o l i t i k u n d Parteipolitik ignoriert u n d unter Berufung auf T. Eschenburg von einem „beamteten P o l i t i k e r " spricht, den er — wirklichkeitsfremd — als Polit-Techniker ohne parteipolitischen background versteht. Die Ansicht von O. Ziebill, Politische Parteien u n d Kommunale Selbstverwaltung, S. 61, „ p o l i tisch" brauche nicht notwendig „parteipolitisch" zu bedeuten, ist i n dieser Abstraktheit richtig. Es k o m m t jedoch f ü r die Bewertung der heutigen Gegebenheiten wesentlich auf die konkrete, von der parteienstaatlichen Verfassung geprägte Situation an. H i e r nähern sich die Begriffe Partei und P o l i t i k weitgehend an, da die politischen A k t i v i t ä t e n meist i n die Parteien einmünden oder von ihnen ausgehen, u m über ihre Verbindung zu den entscheidungskompetenten Stellen Regelungsqualität zu erlangen. „ I n einer parlamentarischen Demokratie ist P o l i t i k zwangsläufig auch Parteipolitik" (A. Goppel. Ansprache als neuer Präsident des Bundesrates am 1.12.1972, S. 15). Lediglich i m kommunalen Bereich scheinen die Wählervereinigungen die These der Identität von P o l i t i k u n d Parteipolitik partiell zu modifizieren; doch wäre zu fragen, i n w i e w e i t es sich bei Wählergemeinschaften f u n k t i o n a l gesehen u m nichts anderes als politische Parteiungen handelt, deren A k t i v i täten n u r auf einen regionalen Teilbereich des politischen Lebens zielen. Der Parteibegriff des § 2 I PartG, der den politischen Parteien Betätigung mindestens auf Landesebene vorschreibt, wäre insoweit zu problematisieren. — Vgl. aber BVerfGE 6, 373, wonach die sog. Rathausparteien keine P a r teien i m Sinne des A r t . 21 GG sind. 209

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1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

liehen, der die Entscheidungskriterien nach den Richtlinien von Parlament und Regierung durch politische Beamte engagiert vermittelt werden. Bei der permanenten Konkurrenz der Parteien i m Mehrparteiensystem muß letztlich für die Wähler klar werden, welche Partei auch für die konkreten hoheitlichen Maßnahmen verantwortlich ist. Aus diesen Gründen ist es legitim, wenn die Regierung, die nach ihrer A n sicht besten, d. h. auch parteiischsten Leute i n Spitzenpositionen bringt, da gerade auch ihre Arbeit und Erfolge der Regierung und somit der Regierungspartei von den Wählern zugerechnet werden. Die parteienstaatliche Verfassung setzt voraus, daß durch Wahlen legitimierte Regierungsparteien), ihre politischen Vorstellungen durch Gesetze, Rechtsverordnungen und ministerielle Weisungen durchzusetzen 210 . Diese parteienstaatliche Begründung der Versetzung eines politischen Beamten i n den einstweiligen Ruhestand hat einen neuen, erweiterten Tatbestand geschaffen, i n dem der alte enthalten ist 2 1 1 . Erfolgte früher die Amtsenthebung, wenn politische Beamte gegen die Regierung opponierten 2 1 2 , so können sie heute bereits dann „prophylaktisch" i n den Ruhestand versetzt werden, wenn sie einer anderen Partei angehören oder aus ihrer grundsätzlichen Ablehnung der Politik der Regierungspartei keinen Hehl machen 213 . Die potentielle Gefährdung der Durchsetzung getroffener Entscheidungen und eine parteipolitisch klare personelle Zurechenbar- und Verantwortlichkeit rechtfertigen jene i m Parteienstaat „systemgerechten" Maßnahmen 2 1 4 . Es gehört daher zum „Berufsrisiko" der Inhaber jener exponierten Ämter i m Parteienstaat, bei einem Machtwechsel den H u t nehmen zu müssen. Dies ist eine Konsequenz der Einbettung des öffentlichen Dienstes i n das parteienstaatlich-politische System des GG, das i n verschiedenen Intensitätsstufen der Legitimation, Verantwortlichkeit und Kontrolle der Realisierung der verbindlichen politischen Zielsetzungen von Parlament und Regierung zu sichern sucht. Die Komponenten dieser Trias 210

J. Fr owein, Die politische Betätigung des Beamten, S. 15. E. Menzel, D Ö V 1970, S. 443, spricht von kumulierendem Hinzutreten der parteienstaatlichen zu der alten Motivation. 212 s. z. B. den F a l l der „Kanalrebellen" bei dem zwei Regierungsräte u n d 18 Landräte ihre Stellungen verloren, w e i l sie i m preußischen Abgeordnetenhaus gegen eine Regierungsvorlage gestimmt hatten. Dazu m i t weiteren Schrifttumsnachweisen: W. Wiese, Der Staatsdienst i n der BRD, S. 182 ff.; E. Menzel, D Ö V 1970, S. 440 A n m . 28. 213 s. die Beispiele bei H. J. Varain, Parteien u n d Verbände, S. 271, wo als Begründung der Versetzung i n den einstweiligen Ruhestand die Sorge genannt wurde, ob die betreffenden Beamten die Regierungsarbeit i n der erforderlichen loyalen Weise unterstützten würden. — Bedenklich sind dagegen die Versuche einer parteilich motivierten tabula rasa Personalpolitik i m Kanzleramt beim Regierungswechsel 1969, die sogar Sekretärinnen betraf. 214 E. Menzel, D Ö V 1970, S. 443. 211

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demokratischer Herrschaftsmechanismen sind interdependent: Legitimation hoheitlicher Macht über Legitimationsketten i n Wahlen und Abstimmungen führt auf die beiden Quellen Volk und Parteien zurück und überträgt die Befugnis zur selbständigen Machtausübung. Die Verantwortung impliziert, daß selbständige Entscheidungen der Hoheitsträger i n Übereinstimmung m i t der dem Bestellungsvorgang vorausgegangenen Interessenankündigung i n Wahl- und Parteiprogrammen getroffen werden und darüber Rechenschaft abzulegen ist. Die Kontrolle schließlich ist der chronologisch letzte A k t i m periodischen Ablauf demokratischer Herrschaft; die Entscheidungen der Repräsentanten werden am Volks- und Parteiwillen gemessen. Demokratisch legitimiert und verantwortlich dem Volk gegenüber durch den Kontrollmechanismus der Wahlen 2 1 5 , sind Parlament und Regierung zur politischen Zielsetzung und Prioritätsentscheidungen nach dem GG kompetent. So ist z. B. eine Grundfrage des umstrittenen Problems, ob der Gesetzesvorbehalt nur für die Eingriffs- oder auch hinsichtlich der Leistungsverwaltung gelten soll 2 1 6 , die nach der Einbindung des letzteren Bereichs i n die (partei)politische Verantwortung des Gesetzgebers i m Leistungsstaat. Die Wandlung des Gesetzesbegriffs 217 und i n seinem Gefolge die Umdeutung des Gesetzesvorbehalts i n einen allseitigen Gesetzesvorbehalt für jedes Verwaltungshandeln 2 1 8 oder i n einen Verfahrensvorbehalt 219 , sind der Versuch, das beschriebene Verhältnis von politischer Leitung und Administration herzustellen, die verfassungsmäßige Prärogative der politischen Staatsleitung i n Parlament und Regierung zu erhalten. A u f der ihr folgenden Stufe stehen die politischen Beamten; an der Zielsetzung beteiligt, liegt jedoch ihre Hauptaufgabe i n deren Vermittlung. Abgeleitet legitimiert durch vorgeordnete Amtsstellungen sind sie von deren Legitimation abhängig und ihnen gegenüber verantwortlich 2 2 0 . Ihre relative Entscheidungskompetenz bei der authenti215 Z u r W a h l als demokratischer Kontrolle s. K . Loewenstein, Verfassungslehre, S. 287; U. Scheuner, Verantwortung u n d Kontrolle i n der demokratischen Verfassungsordnung, S. 382. 218 Vgl. etwa D. Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 175 ff.; H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 113 ff., K . Vogel, W D S t R L 24 (1966), S. 148 ff.; O. Bachof, W D S t R L 30 (1972), S. 212 ff. 217 Dazu U. Scheuner, D Ö V 1969, S. 585ff.; P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 46 ff. 218 I n diesem Sinne vor allem D. Jesch, Gesetz u n d Verwaltung, S. 175 ff. 219 R Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 87 f., 108. 220 „Der politische Beamte schichtet sich n u r nach dem Grad der p o l i t i schen Abhängigkeit von den übrigen Beamten ab", W. Juncker, Z B R 1974, S. 205. A m eindeutigsten läßt sich die Verantwortlichkeit aus dem Berufungsvorgang u n d der meist diesem entsprechenden Abberufungsmöglichkeit oder Nichtwiederernennung ablesen. Vgl. z. B. die §§ 2 I u n d 6 des G über

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sehen Interpretation und Transformation politischer Entscheidungen — Vermittlungsfunktion — stellt sie i n den Zusammenhang von parteipolitischer Initiative, allgemeinverbindlicher Reglementierung und deren Realisierung. Entsprechend ihrer abgeleiteten Legitimation unterliegen auch die i m Spannungsverhältnis von Parteipolitik, öffentlichem A m t und Eigeninitiative stehenden politischen Beamten einer intensiven (partei)politischen Verantwortlichkeit. Daraus resultiert die Erweiterung des zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 V GG) gehörenden 221 Amtsenthebungstatbestandes als Vehikel parteipolitischer Verantwortlichkeitsrealisierung. Bei der Versetzung von politischen Beamten i n den einstweiligen Ruhestand handelt es sich ebenso wie beim konstruktiven Mißtrauensvotum (Art. 67 GG) u m eine „tatbestandslose Rechtsfolge" (W. Thieme)222, bei der die Motivation einer konkreten parteipolitischen Interessenlage entspringt, die von der Rechtsordnung als durchsetzungswürdig angesehen wird. Ebenso wie der Bundeskanzler und m i t i h m die Minister, sind i m Parteienstaat des GG die Spitzenbeamten dem politischen Wechselspiel der Parteimehrheiten und der Mehrheiten innerhalb der Parteien unterworfen: Regierung und politische Beamte stehen also politisch i n Parteiverantwortlichkeit, da die Parteien dem Wähler gegenüber die letzte Verantwortung für deren Amtsführung tragen. Einzuordnen i n die Kategorie der politischen Beamten wären z.B. noch die kommunalen Wahlbeamten, die ebenfalls vorzeitig abberufen werden können 2 2 3 , doch bilden diese Gruppen insgesamt nur einen quantitativ geringen Teil der öffentlichen Bediensteten. Die nachgeordneten Beamten sind weitgehend auf die Durchführung der gesetzlichen Entscheidungen und Realisierung der konkretisierten Ziele beschränkt 224 . Bei klarer Determinierung ihrer Tätigkeit durch präzise Gesetze und Verordnungen, detaillierte Verwaltungsvorschrifdie Rechtsverhältnisse der Pari. Staatssekretäre v o m 6.4.1967 (BGBl. I S. 396). Die abgeleitete Abhängigkeit der Legitimation des pol. Beamten von der vorgeordneten Amtsstellung zeigt beispielhaft § 6 S. 2, wonach der Pari. Staatssekretär zu entlassen ist, w e n n das Amtsverhältnis des zuständigen Bundesministers endet. 221 G. Wacke, AöR 91 (1966), S. 444 ff.; G. Anders, D Ö V 1964, S. 112, 117; B V e r w G E 19, 332 f.; BVerfGE 7, 155 (166 f.). 222 I n : Der „politische Beamte" i m Sinne des § 31 BRRG, S. 153. 223 Z. B. hauptamtliche Bürgermeister u n d Beigeordnete gemäß § 76 hess. GO (i. d. Fassung v o m 1. 7.1960, GVB1. S. 103), Landräte u n d hauptamtliche Kreisbeigeordnete gemäß § 49 hess. LandkreisO (i. d. Fassung v o m 1.7. 1960, GVB1. S. 131). 224 D a m i t w i r d nicht der Entscheidungsspielraum der V e r w a l t u n g bestritten, der m i t dem Rang des Beamten i n Verwaltungshierarchie wächst. Es ist aber möglich, durch klare V e r m i t t l u n g der Gesetzeszwecke über Verordnungen, Verwaltungsvorschriften u n d nicht zuletzt redaktionell gute Gesetze, den Verwaltungsbeamten an die Ziele des Gesetzgebers zu binden.

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ten und Einzelweisungen ist eine die rechtliche Verantwortlichkeit (Art. 20 I I I GG) ergänzende (partei)politische Legitimation oder Verantwortlichkeit nicht mehr vorausgesetzt. Für den politischen Status des Gros der Beamten sind die allgemeinen Regeln maßgebend, einschlägig sind hier die §§ 35 I I 2 BRRG, 53 BBG. Was konkret m i t der dort gebotenen „Mäßigung" und „Zurückhaltung" bei politischer Betätigung gemeint ist, besonders das zulässige Maß parteipolitischer Betätigung von Beamten, ist noch weithin ungesichert und kann nur durch eine funktionale Interpretation dieser Klauseln erschlossen werden 2 2 5 . Wenn von dem Beamten verlangt wird, sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung zu bekennen und für sie einzutreten (§§ 35 I 2 BRRG, 52 I I BBG), kann eine Mitgliedschaft in einer politischen Partei nicht verboten sein. Ein solches Verbot der politischen Meinungsund Vereinigungsfreiheit nach A r t . 5 u n d 9 GG, deren Gewährleistung zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört, wäre ohnehin verfassungswidrig 226 . I m Gegenteil, angesichts der zentralen Funktionen der Parteien i n unserer Demokratie „gebietet es i m Grunde die staatsbürgerliche Verantwortung, sich dieses Instruments der politischen Willensbildung zu bedienen" 2 2 7 . I m übrigen geht auch die Verfassung i n A r t . 137 I GG von der parteipolitischen Betätigungsfreiheit der Angehörigen des öffentlichen Dienstes aus 2 2 8 , denn die Möglichkeit ein Mandat zu erlangen, ist i m Parteienstaat ohne Parteimitgliedschaft und parteipolitische A k t i v i t ä t illusorisch. „Das GG verwehrt heute die Vorstellung eines verselbständigten Beamtentums gegenüber den demokratischen Kräften 2 2 9 ." Die parteienstaatliche Konzeption eines parteipolitischen Pluralismus auch unter den Angehörigen des öffentlichen Dienstes effektiviert politische Partizipation auf der institutionellen Grundlage des Parteienstaates, wenn m i t öffentlichen Angelegenheiten vertraute Personen innerparteilich sachverständig mitarbeiten. Zu dieser positiven Begründung der parteipolitischen Betätigungsfreiheit von Beamten kommt ihre Pflicht zur Mäßigung, die ohne die Garantie eines entsprechenden Rechtes sinnlos wäre 2 3 0 . Die rechtspolitischen Vorschläge, Beamten die Mitgliedschaft i n einer Partei zu verbieten 2 3 1 , sind daher als Rückzugsgefechte für die „Le225 v g l j . Frowein , Die politische Betätigung des Beamten, S. 27; D. Tsatsosf Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten, S. 124. 226

C. H. Ule, Beamtenrecht, Rdnr. 4 zu § 35 BRRG. J. Schmidt , Politische Betätigungsfreiheit u n d dienstrechtliche L o y a l i tätspflicht, S. 65. 228 wiese , Der Staatsdienst i n der BRD, S. 200 A n m . 233. 227

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K. Schiaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, S. 51. D. Tsatsos, Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten, S. 123. W. Wiese, Der Staatsdienst i n der BRD, S. 197. 230

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gende" von der parteipolitischen Neutralität der Beamten 232 nicht recht ernst zu nehmen. „Das GG ist dieser Neutralität nicht hold", die Verfassungsordnung „ist nicht auf Neutralität ausgelegt" 233 . Wie U. Scheuner dargelegt hat 2 3 4 , spiegelt die Vokabel der „Neutralität" ein Stück Zeitgeschichte wider 2 3 5 . I m Parteienstaat des GG ist sie auf ihren Aussagegehalt neu zu überprüfen. Da nach A r t . 20 I I 1 GG alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, kann nicht mehr von einer neutralen Staatsdienerschaft, als unpolitischem Gegenpol zum Parlament gesprochen werden. Denn nur wo Staat und Volk auseinanderfallen, sind ein A m t vom Staat und ein Mandat vom Volk denkbar. Diese Konstruktion ist aber m i t den Grundlagen eines demokratischen Gemeinwesens unvereinbar 2 3 6 . Es gibt keinen Gegensatz von Staatswillen und Volkswillen mehr, w e i l der politische Prozeß auf den Willen des Volkes gegründet ist 2 3 7 . Die traditionelle Aufgabe der Verwaltung, der Gesetzesvollzug, hat eine politische Entscheidung des Gesetzgebers zur Richtschnur und sie i m Einzelfall ständig erneut u. U. ergänzend zu aktualisieren. Ausführung erfordert ein wesentliches Element der Mitgestaltung, die Verwaltung hat den Auftrag, die vom Gesetzgeber festgelegten Ziele zu verwirklichen 2 3 8 . Die Tätigkeit des Beamten ist daher durchaus politisch, wenn er die vorgegebenen Zwecke fallgestaltend nachvollzieht 2 3 9 . Kontinuität demokratischer Verwaltung auch während eines Regierungswechsels erfordert daher gerade nicht die „Neutralität" der Bürokratie 2 4 0 , sondern ihren Einsatz für die gegebenen politi231 Nachweise bei: B. Wilhelm, Z B R 1966, S. 361 f., A n m . 3 1 - 3 6 ; H. Schauer, ZBR 1973, S. 11. 232 v g l Gr# Radbruch, Die politischen Parteien i m System des deutschen Verfassungsrechts, S. 289: „Die Überparteilichkeit der Regierung w a r geradezu die Legende, die Lebenslüge des Obrigkeitsstaates." 233 E. Forsthoff, D Ö V 1951, S. 460, der trotzdem die „Sonderstellung des Berufsbeamtentums" als Neutralität bezeichnet. 234 I n : Erfahrungen u n d Probleme des geltenden Beamtenrechts f ü r die politische Stellung des Beamten, S. 18. 235 Gegen Ende der Zwanziger Jahre als positives M e r k m a l der Beamtenschaft i m Sinne eines pouvoir neutre (dazu W. Wiese, Der Staatsdienst i n der BRD, S. 187 f.) verstanden, w a r i h r Gehalt nach 1933 eher abwertend i n bezug auf abseits der Einheitspartei stehende Beamtengruppen. 236 So bereits 1881 Lothar Bucher, zit. nach W. Wiese, Der Staatsdienst i n der BRD, S. 207. s. auch § 35 I BRRG, wonach der Beamte dem V o l k dient, d. h. er dient nicht dem Staat „ a n sich", vgl. C. H. Ule, Beamtenrecht, 1970, Rdnr. 3 zu § 35 BRRG. 237 17. Scheuner, D Ö V 1968, S. 89. 238 17. Scheuner, D Ö V 1969, S. 591 f. 239 17. Scheuner, Erfahrungen u n d Probleme, S. 20, 23; O. Ziebill, Politische Parteien u n d kommunale Selbstverwaltung, S. 63; W. Wiese, Der Staatsdienst i n der BRD, S. 171, A n m . 118. 240 So aber S. M. Lipset, Soziologie der Demokratie, S. 26; i m Anschluß an M. Webers Analyse der politischen Neutralität der Bürokratie.

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sehen Entscheidungen i n Gestalt von Rechtsvorschriften. Für eine Neutralität, die als Wert an sich keine Handlungsdirektiven für konkrete Entscheidungen zu geben vermag 2 4 1 , bleibt kein Raum. Es kann daher nicht u m Neutralität gehen; der Schlüsselbegriff heißt politische Loyal i t ä t 2 4 2 durch das Gesetz hindurch. Die Loyalität des Beamten gegenüber den politischen Zielsetzungen der entscheidungskompetenten Organe ist nicht ohne Affinität zum Parteiischen. „Nach dem GG wäre eine eigene Politik der Beamten, die dem Mehrheitswillen i m Parlament zuwiderliefe, verfassungswidr i g 2 4 3 . " Das verfassungsmäßige politische System geht davon aus, daß parteiische Entscheidungen der politischen Führung über die Verwaltung reibungslos durchgesetzt werden. Dazu dient die Parallelität von parteiischer Staatsleitung und der Parteienzugehörigkeit der ihre Entscheidungen durchführenden Beamten; sie ist für bestimmte Funktionen politisch geboten und rechtlich zulässig (politische Beamten). I n den anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes können die ausführenden Beamten einer anderen Partei angehören, als der deren politische Entscheidungen sie per Gesetzesvollzug zu realisieren haben. Mögliche Konflikte werden durch die Bindung des öffentlichen Dienstes an Gesetz und Recht (Art. 20 I I I GG) gelöst. Sie besagt, daß die rechtlich verbindliche Entscheidung vor der persönlichen Auffassung des vollziehenden Beamten Vorrang hat. Der Vorrang des Gesetzes als Rechtsstaatsprinzip 244 ist funktional zu erweitern, als Vorrang der verfassungsmäßigen (Vorrang der Verfassung) vorgeordneten Entscheidung gegenüber nachfolgenden administrativen Handlungen. Es geht hierbei nicht nur u m die Einheit der Rechtsordnung, sondern u m die der verfassungsrechtlichen Entscheidungs- und Vollzugsordnung; denn 241 Die parteipolitische Neutralität w a r ursprünglich i n W i r k l i c h k e i t parteiliche Gebundenheit i n der einseitigen Richtung der monarchischen Spitze, vgl. W. Wiese, Der Staatsdienst i n der BRD, S. 185; was K. Schiaich (in: Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip), als „Quellen" der beamtenrechtlichen Neutralität u n d somit als Handlungsmaßstäbe „gegen gesetzoder sachwidrige Anmaßungen, sei es der Parteien, sei es der Verbände" (S. 56) versteht, ist nicht m e h r als die B i n d u n g der Exekutive an Gesetz u n d Recht (Rechtsstaatsprinzip). A b e r auch dies k a n n nicht als Restbestand an Neutralität — verstanden als „Unparteilichkeit" (S. 58) — akzeptiert w e r den; denn Parteiforderungen u n d Recht sind zumindest dann keine grundsätzliche Antimonie, w e n n Gesetze auf Parteiinitiativen beruhen. 242 Der Begriff k o m m t von „Loie"-„lex"-Gesetz, vgl. dazu W. Wiese, Der Staatsdienst i n der BRD, S. 172 f.; R. Böttcher, Die politische Treupflicht des Beamten u n d Soldaten u n d die Grundrechte der K o m m u n i k a t i o n , S. 130 ff. 243 W. Berg, M D R 1973, S. 187. 244 Z u m Vorrang des Gesetzes vgl. T. Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, Rdnr. 127 zu A r t . 20 GG m i t weiteren Nachw.; U. Scheuner, D Ö V 1969, S. 591 f.: „Die V e r w a l t u n g . . . folgt den Richtlinien u n d Geboten, die i h r von dem staatsleitenden Bereich, v o m Gesetz her (und ergänzend von der ministeriellen Steuerung i m Gesetzesrahmen) zugehen."

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Entstehen und Wirken des Rechts können ebensowenig auseinandergerissen, wie unpolitisch begriffen werden. Loyalität des Beamten heißt also, die vorrangigen politischen Entscheidungen kompetenter staatlicher Stellen als verbindlich zu vollziehen. Damit w i r d von i h m keine Überparteilichkeit 2 4 6 i m Sinne von „über den Parteien stehend" verlangt. Freilich fehlte und fehlt es nicht an Versuchen, die tradierten undemokratischen Ressentiments gegen das Politische i n solche gegen Parteipolitik umzumünzen 2 4 6 und ein Ethos der Überparteilichkeit zu entfalten, das damit allerdings selbst zum (partei)politischen Standpunkt wird. I m Parteienstaat des GG stehen jedoch auch die Funktionen des öffentlichen Dienstes i m und nicht über dem Kontext pluralistischen Parteienwettbewerbs, d. h. parteilicher Politik. Das heißt nicht, daß die Beamtenschaft nur für eine politische Richtung tätig werden muß, daß sie dem bloßen Vollzug des Kurses der i n Parlamentsmehrheit und Regierung verbundenen Staatsleitung ausgeliefert ist. Wenn E. Forsthoff befürchtet, i m Parteienstaat sei das Staatsdienertum „ i n Wahrheit ein Regierungsparteiendienertum" 247 , so sieht er die komplexen Zusammenhänge zu undifferenziert, denn die von der Exekutive anzuwendenden Gesetze basieren nicht einheitlich auf dem homogenen Konzept einer politischen Partei. So bestehen Gesetze aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages (Art. 123 I GG) fort, neben Bundesgesetzen, die i n den verschiedenen Legislaturperioden von verschiedenen Parteien und Koalitionen verantwortet wurden und Landesgesetzen, für die ebenfalls unterschiedliche Parteien verantwortlich zeichnen. Das Gesetz, als „Werkzeug wechselnder politischer Intention" (U. Scheuner) 248, bedingt den entstehungspolitischen Pluralismus anzuwendender Rechtsquellen, der zugleich ein parteipoliti-

245 Auch die Beamten der konstitutionellen Monarchie hatten ihre (Partei)Stellung, indem sie gegenüber den Parteiungen der parlamentarischen Volksvertretung konkrete Interessen wahrnahmen, die monarchische Exek u t i v e w a r gehalten, sich unter den Parteien zu orientieren und w a r insofern nicht „unparteiisch". Vgl. dazu G. Radbruch, Die politischen Parteien i m System des deutschen Verfassungsrechts, S. 289; W. Wiese, Der Staatsdienst i n der BRD, S. 33 ff., 170, 179 ff.; K. Schiaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, S. 48 f.; G. Leibholz, Gesellschaftsordnung, S. 328; O. Ziebill, Politische Parteien u n d kommunale Selbstverwaltung, S. 61. 246 Der heute auch i n der K o m m u n a l p o l i t i k noch eine Rolle spielende Beg r i f f der „Überparteilichkeit" (kommunaler Wählervereinigungen oder R a t hausparteien) enthält das psychologische K a l k ü l , aus dem verketzerten „Parteienstreit" (sprich: politische Diskussionen u n d Entscheidungsfindung) politisches K a p i t a l zu schlagen. Der dahinterstehenden antipluralistischen und letztlich undemokratischen Ideologie soll hier nicht weiter nachgegangen werden. 247 I n : D Ö V 1951, S. 461; s. auch K . Schiaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, S. 53. 248 I n : D Ö V 1969, S. 590.

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scher Pluralismus ist und den vollziehenden Beamten keineswegs zum einseitigen Parteidiener macht. Was P. Häberle, hinsichtlich der Gemeinwohlgebundenheit des Beamten an der Formel des Diensteides (§ 58 I BBG) als „antipluralistisches und Antiparteiendenken" kritisiert 2 4 9 , basiert — gleich der Neutralitätsformel — auf Vorurteilen gegenüber den politischen Parteien, die dem gebotenen funktionalen parteipolitischen Pluralismus des öffentlichen Dienstes im Parteienstaat nicht mehr gerecht werden. A n die Stelle der „traditionellen Eigenausrichtung der E x e k u t i v e " 2 5 0 ist eine auch für alle politischen Impulse der föderativen Staatsleitungen offene (pluralistische) Konzeption der V e r w a l t u n g 2 5 1 getreten, die wegen der daraus resultierenden Inhomogenität flexibel genug ist, für die jeweiligen Anforderungen der politischen Führung 2 5 2 Kräfte bereit zu halten, die eine optimale Aufgabenerfüllung garantieren. Der Gesetzesvollzug verlangt von der Beamtenschaft pluralistische Parteilichkeit des Dieners der parlamentarischen Demokratie, entsprechend dem jeweils i m Gesetz angelegten politischen Ziel. Hinsichtlich des Maßes zulässiger aktiver Betätigung eines Beamten für eine politische Partei ist in dienstliche und außerdienstliche Tätigkeiten zu unterscheiden. I m ersten Fall muß der Beamte i m beschriebenen Sinne loyal den Weisungen seiner Vorgesetzten nachkommen und die Gesetze ihrem Geiste entsprechend anwenden, was eben nicht gleich neutral ist, denn der Beamte hat ja bestimmte Interessen durchzusetzen 253 . Der Grundsatz parteipolitischer Enthaltsamkeit i m Dienst ist i n § 56 I 2 PersVertrG 2 5 4 gesetzlich besonders geregelt. Doch zeichnet sich i m öffentlichen Dienst des Parteienstaates eine neue antipluralistische Tendenz ab, gemeint ist die Ausrichtung bestimmter Verwaltungen auf die Politik einer Partei. Bei einigen Verwaltungen kann man fast den gesamten höhren Dienst als „Politiker i m Beamtenstatus" 2 5 5 bezeichnen; die Besetzung wichtiger Ämter und Beförderun249 I n : öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 41; so auch K . Schiaich , Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, S. 56. 250 Dazu U. Scheuner, D Ö V 1969, S. 588 f. 251 Vgl. dazu P. Häberle, öffentliches Interesse, S. 457; W. Brohm, V V D S t R L 30 (1972), S. 293 ff. 252 Natürlich gibt es aktuelle Reformmaßnahmen, die eindeutig u n d einseitig die Handschrift einer politischen Richtung (Partei oder Koalition) t r a gen; aber hierbei handelt es sich eben n u r u m Teilbereiche der allgemeinen Administration, die nicht geeignet sind, die auf Legalität begründete V e r waltungsfunktion generell i n einseitige Parteilichkeit abzuwandeln. 253 v g i # j Frowein, Die politische Betätigung des Beamten, S. 14 f. 254 Personalvertretungsgesetz v o m 5.8.1955 (BGBl. I S. 477): „Der Leiter der Dienststelle u n d der Personalrat dürfen sich i n der Dienststelle nicht parteipolitisch betätigen." 255 B. Wilhelm, Z B R 1966, S. 361.

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gen erfolgen nach parteipolitischen Gesichtspunkten 256 . Zwar ist Patronage durch politische Parteien an sich noch keine Verletzung des Leistungsprinzips (Art. 33 I I GG) 2 5 7 , denn das parteipolitische Engagement darf bei „fachlich gleich guten Bewerbern u . U . den positiven Ausschlag geben" 2 5 8 , da ein i n einer Partei aktiver Beamter oft über größere Kenntnisse der politischen Grundlagen des demokratischen Systems verfügt. Doch ist besonders dort, wo über viele Wahltermine hinweg die Machtverhältnisse unverändert bleiben, parteiorientierte Ämterpatronage unter Hintansetzung des Leistungsprinzips eine Gefahr für die Chancengleichheit i m öffentlichen Dienst u n d seine sachbedingte Qualität. I h r zu begegnen ist — trotz Bejahimg der Ausweitung eines funktionsgerechten parteilichen Einflusses — eine dringende rechtspolitische Aufgabe i m Parteienstaat 259 . M i t einer Vergrößerung der innerparteilichen Kontrolle könnten die Fälle der Patronage abnehmen 260 . Bei der Ämterpatronage — keiner „Erfindung" des Parteienstaates — geht es den Parteien nicht nur u m die „Versorgung" verdienter Mitglieder, sondern sie wollen sich damit i n erster Linie parteipolitischen Einfluß i n dem Verwaltungsapparat selbst und auf seine Entscheidungen sichern 261 , u m auf diese Weise auch nach Wahlniederlagen und Führungswechsel noch „ i n " der Administration zu sein. Darüber hinaus besetzen „Parteibuchmanager" wichtige Funktionen in öffentlichen und öffentlich kontrollierten Unternehmen des Bundes und der Länder und besonders der Kommunen 2 6 2 . 256

s. den Bericht über die planmäßig durchgeführte Ämterpatronage der CDU i n Schleswig-Holstein i n den 50er Jahren bei ff. J. Varain, Parteien u n d Verbände, S. 270 ff.; vgl. zum Problem auch T. Eschenburg, Ä m t e r p a tronage; W. Wiese, Der Staatsdienst i n der BRD, S. 239 ff., m i t weiteren Nachweisen. 257 G. Kafka, W D S t R L 17 (1959), S. 87 ff. u n d LS 10, S. 102; a. A . C. H. Ule, Beamtenrecht, Rdnr. 3 zu § 7 BRRG. 258 D. Tsatsos, Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten, S. 123 f., m i t Nachw. pro u n d contra i n A n m . 374. 259 presse u n d öff. Meinung haben hier eine wichtige K o n t r o l l f u n k t i o n ; s. auch die Vorschläge von B. Wilhelm, Z B R 1966, S. 362: „Beamtenbeauftragter, ähnlich dem Wehrbeauftragten"; W. Weber, i n : W e b e r / N e e ß e / B e ring, Der Deutsche Beamte heute, S. 22: „personalpolitische Patronanz für das Berufsbeamtentum beim A m t des Bundespräsidenten." 260 Vgl. W. Berg, M D R 1973, S. 187: „ D i e Beispiele, daß verdiente Parteifunktionäre, deren Fähigkeit zunehmend bezweifelt w i r d , i n ihren eigenen Parteien nicht mehr wiedergewählt werden, häufen sich." 261 So heißt es folgerichtig i n einem Memorandum des schlesw.-holst. CDU Landesfachausschusses f ü r öffentliche Verwaltung, Kiel, v o m 13. 9.1956: „ D a r über hinaus sind diese Verwaltungsangehörigen m i t CDU-Gesinnung die einzigen, auf die w i r auch dann noch rechnen können, w e n n die politische F ü h r u n g der V e r w a l t u n g einmal i n andere Hände übergehen sollte." (Zit. nach H. J. Varain, Parteien u n d Verbände, 1964, S. 275.) 262 Die Z a h l der Berufspolitiker auch i m Gemeindebereich ist i n Wahrheit größer, als eine offizielle Statistik zeigen würde. Diejenigen Stadträte, die

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Eine i n ihrer Begründung und ihren Auswirkungen noch immer umstrittene Regelung des öffentlichen Dienstrechts betrifft die Frage der parlamentarischen Betätigung von öffentlichen Bediensteten. Die Einführung der Inkompatibilität von Amt und Mandat wurde als Beschränkung der parteipolitischen Betätigungsfreiheit der Angehörigen des öffentlichen Dienstes gewertet 2 6 3 . Dabei w i r d jedoch außer acht gelassen, daß bei Bejahung pluralistischer Parteilichkeit des öffentlichen Dienstes diese nicht dadurch aufgehoben wird, daß gemäß A r t . 137 I GG bestimmte Betätigungen eines Beamten für seine Partei unterbunden werden. Die Regelung von Inkompatibilitäten ist kein M i t t e l zur parteipolitischen Neutralisierung des öffentlichen Dienstes 264 . Die Inkompatibilitätsregelungen sind allein funktionell zu verstehen: Die damit verfolgte relative Selbständigkeit der Exekutive läßt sich aus ihrem Interdependenzverhältnis m i t dem Parlament i m Vollzug der Gesetze rechtfertigen 265 . Ohne ein überholtes Gewaltenteilungsschema zu restaurieren, ist davon auszugehen, daß durch die Aufteilung der Staatsgewalt auf verschiedene Organe nach dem GG ihre kompetenzmäßige Verschiedenheit und damit ein „verfassungsrechtlich gewolltes Spannungsverhältnis" 2 6 6 erhalten und nicht durch Vereinigung der Ausübung dieser Funktionen auf eine Person aufgehoben werden soll. Zum anderen bewirkt die insoweit durch A r t . 137 I GG beibehaltene Gewaltverteilung die „Ausfilterung illegalen Machtgebrauchs auf den Bahnen des Rechts" 267 . Wichtiger angesichts der Determinierung jener formalen FunktionsVerteilung durch Parteipolitik ist jedoch der Aspekt, daß „ i n dem Maße, wie Staat und Gesellschaft maßgeblich von den oder über die Parteien organisiert und politisch bestimmt werden, die Problematik der Inkompatibilität zu einer Problematik der innerparteilichen Demokratie geworden i s t " 2 6 8 ' 2 6 9 . Außer Dienst darf der Beamte Funktionen i n seiner Partei ausüben 270 und sich dabei z. B. m i t seinem Vorgesetzten, der i n einer anderen Parnicht n u r einflußlose Hinterbänkler sind, haben oft berufliche Positionen, deren Zuschnitt sie von vornherein f ü r eine mindestens ,halbberufliche 4 politische Tätigkeit freimacht"; H. P. Bardt, zit. nach Der Spiegel Nr. 16/1973, S. 38. 263 E. Menzel, D Ö V 1970, S. 444 f. 264 D. Tsatsos, Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten, S. 118, 124; W. Wiese, Der Staatsdienst i n der BRD, S. 207. 265 U. Scheuner, D Ö V 1969, S. 585. 266 D. Tsatsos, Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten, S. 167; kritisch dazu H. P. Bull, ZParl. 1971, S. 367 f. 287 N. Luhmann, Der Staat 1973, S. 10f.: „ F i l t e r f u n k t i o n der Gewaltenteilung zwischen P o l i t i k u n d Verwaltung." 268 U. Thaysen, ZParl. 1970, S. 201. 269 Näher dazu unten bei: Einzelprobleme der innerparteilichen Demokratie — 2. Teil I I . 5. Ämterhäufung.

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tei mitarbeitet, politisch auseinandersetzen. Exzesse i n diesem außerdienstlichen Bereich — z.B. die parteipolitische Werbung unter Ausnutzung der amtlichen Stellung — können das Vertrauen der Öffentlichkeit i n seine loyale Amtsführungen zerstören und verletzen die beamtenrechtliche Pflicht zur Mäßigung und Zurückhaltung. Doch ist hier zwischen den verschiedenen Beamtengruppen und ihren Funktionen zu differenzieren 271 . Grundsätzlich kann der Beamte außer Dienst für eine Partei i n der Öffentlichkeit eintreten. Es besteht „die Tendenz zu großzügiger Gewährung parteipolitischer A k t i v i t ä t e n " 2 7 2 . Die „politische Betätigung par excellence" 273 , die Kandidatur für ein Bundestags«, Landtags- oder Kommunalparlamentsmandat ist nach A r t . 137 I GG einschränkbar. Doch ist durch das auf dieser Grundlage ergangene Gesetz 274 und A r t . 48 I GG die Kandidatur eines öffentlichen Bediensteten i m Vergleich m i t anderen Berufsgruppen eher erleichtert. Dies bestätigt die Tendenz zu parteipolitischer Offenheit des öffentlichen Dienstes i m Parteienstaat. Das politische Kommunikationsnetz ist i n der Verwaltung ebenso verknüpft wie i n der Legislative; darin ist auch ein Grund für die demokratische Legitimität authentischer Herstellung bindender Entscheidungen durch die Verwaltung zu sehen. Die parteienstaatliche Orientierung des öffentlichen Dienstes erfolgte von zwei Seiten: einerseits über die parteipolitische Zwecksetzung 270 Dies w i r d v o n O. Meyer, Z B R 1970, S. 33 ff., unter Hinweis auf eine so entstehende „Doppelstellung", die „beamtenrechtlich unvertretbar" sei, abgelehnt. Der Beamte w ü r d e als Exponent einer Partei m i t K o n t a k t e n zum Parlament gegen die Gewaltenteilung verstoßen, ein solcher Verstoß richte sich gleichzeitig gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung u n d sei daher m i t A r t . 21 I I GG unvereinbar. Es ist jedoch fraglich, wie es zu dieser „Beeinträchtigung der Grenzen zwischen Gesetzgebung u n d Gesetzesvollzug" (S. 37) kommen kann, w e n n der Beamte i n seiner außerdienstlichen Betätigung als Parteifunktionär m i t der F r a k t i o n seiner Partei i m Parlament K o n t a k t e unterhält. Er w i r d damit nicht selbst zum Parlamentarier. Schließlich findet bei einem Beamten, auch w e n n er als Parteifunktionär gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen würde, A r t . 18 GG u n d nicht A r t . 21 I I G G Anwendung. Nicht die Verbotsdrohung, sondern allein das Privileg des A r t . 21 I I G G bezieht sich auch auf die einzelnen F u n k tionäre u n d Anhänger einer Partei, vgl. dazu W. Schmitt Glaeser, Mißbrauch u n d V e r w i r k u n g v o n Grundrechten, S. 322 ff. 271 So ist das zulässige Maß parteipolitischer Betätigimg unter beamtenrechtlichen Gesichtspunkten bei politischen Beamten u n d Beamtengruppen m i t mehr technischen Aufgaben (Post, B a h n etc.) höher, als etwa bei Behördenleitern, Polizei- u n d Verfassungsschutzbeamten. Vgl. dazu W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 168 f.; J. Schmidt, Politische Betätigungsfreiheit u n d dienstrechtliche Loyalitätspflicht, S. 68; J. Frowein, Die politische Betätigung des Beamten, S. 23 f. 272 E. Menzel, D Ö V 1970, S. 444. 273 D. Tsatsos, Die parlamentarische Betätigung von öffentlichen Bediensteten, S. 117. 274 G über die Rechtsstellung der i n den Deutschen Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes, i. d. Fassung v. 11.1.1957 (BGBl. I S. 1275).

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durch Parlament, Regierung und Verwaltungsspitzen i n Form von verbindlichen Direktiven „von oben nach unten" und zum andern über die politische Freiheit der Beamten, durch aktive Parteimitgliedschaft ihren Beitrag zur Sicherung und Entwicklung der parteienstaatlichen Demokratie zu leisten. Die Parteimitgliedschaft sagt nichts darüber aus, wie sich ein Beamter im Dienst zu verhalten hat. Zwar sind die Impulse „von außen" nicht ohne Auswirkungen für das Verhalten i m Dienst, doch w i r d ein „politisierter" Beamter mit Kenntnis der Abläufe und Möglichkeiten des politischen Willensbildungsprozesses auch bei seiner dienstlichen Tätigkeit m i t politischer Sachkenntnis und weniger emotional handeln 2 7 5 . Insofern ist das politische Engagement des Beamten kein „notwendiges Übel", sondern eher Voraussetzung für seine Funktion. Trotz der Forderung nach einem parteipolitisch offenen und engagierten öffentlichen Dienst, sind Vorbehalte hinsichtlich extremer Positionen angebracht. Während es den demokratischen Volksparteien durchaus zuzumuten ist, beitrittswillige Extremisten aufzunehmen, sie nach Möglichkeit zu integrieren und sie nur i n Ausnahmefällen wieder auszuschließen 276 , liegen die Dinge beim öffentlichen Dienst anders. Die Chance, daß extreme Meinungen i n einer Volkspartei als Anregung oder K r i t i k bei der innerparteilichen Willensbildung fruchtbar wirken, und daß sie trotzdem durch Gegenmeinungen i m Willensbildungsverfahren tendenziell „entschärft" — integriert — werden, ist i m öffentlichen Dienst nicht gegeben. Hier kann allenfalls i m Rahmen der bestehenden Ordnung, also „immanent", diskutiert und ein ausgewogenes Ergebnis gesucht werden, soweit Raum für Alternativen gegeben ist. Deshalb ist hier die Bejahung der verfaßten politischen Grundwerte Voraussetzung der Ausübung der Aufgaben. Politische Integration kann durch den Dienst kaum mehr geleistet werden; sie muß bereits erfolgt sein. Daraus folgt weiter, daß politische Extremisten nicht schrankenlos Zugang zum öffentlichen Dienst haben können. Das Problem liegt i n der Abgrenzung der noch zu tolerierenden Standpunkte von den nicht mehr tragbaren 2 7 7 . Verfassungsrechtliche Ansatzpunkte hierfür sind die A r t . 9, 18, 21, 33 GG. Daraus folgt zunächst, daß staatsbürgerliche Rechte vom einzelnen nicht zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung mißbraucht werden dürfen (Art. 18 I GG), daß ihr parteimäßig 275 T. Rasehorn , Über den langen Marsch des kritischen Denkens durch die Institutionen der Justiz, S. 37. 276 s. dazu unten unter 2. Teil, 1.1.: Parteizugang. 277 Vgl. zum I n h a l t der Pflicht des Beamten zur Verfassungstreue näher H. Maurer, N J W 1972, S. 602 ff.; E. Plümer, N J W 1973, S. 5 ff.; K. Schweiger, JZ 1974, S. 744 ff.; umfassend: K. Stern , Z u r Verfassungstreue der Beamten, 1974.

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organisierter Gebrauch nicht das Ziel haben darf, dieselbe zu beeinträchtigen oder zu beseitigen (Art. 21 I I GG), und daß sich die A k t i v i täten sonstiger politischer Organisationen nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten dürfen (Art. 9 I I GG). Die größte Toleranz erfahren also Einzelaktivitäten i m Rahmen des A r t . 18 GG 2 7 8 . Handelt es sich um eine politische Organisation, so ist die Toleranzgrenze wesentlich enger. Extreme „Einzelkämpfer" werden eher toleriert, als solche mit einer entsprechenden Organisation i m Rücken. Dies rechtfertigt es, die Mitgliedschaft i n einer extremen Partei oder Organisation als objektives K r i t e r i u m dafür zu nehmen, die Eignung 2 7 9 (Art. 33 I I GG) eines Beamten oder Bewerbers für den öffentlichen Dienst genauer zu überprüfen. Die Diskussion um die Frage, ob die Einstellungsbehörde bei der Überprüfung der Eignung eines Bewerbers auch die dem BVerfG vorbehaltene Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Partei des Bewerbers — Entscheidungsmonopol, A r t . 21 I I GG — vornehmen dürfe 2 8 0 , führt i n dieser Abstraktheit von der eigentlichen Frage ab. Denn es ist nicht die Politik einer Organisation zu überprüfen, sondern allein die Gesinnung des Bewerbers; sie ist allein ausschlaggebend für seine Eignung 2 8 1 . Bei dieser Prüfung kann es auch nicht mittelbar um die Verfassungsmäßigkeit einer Partei gehen, weil nicht jedes Mitglied das Programm seiner Partei und alle ihre Verlautbarungen genau kennt und derart verinnerlicht hat, daß sie i h m persönlich zuzurechnen sind. Ein Mitglied haftet nicht generell für die Politik seiner Organisation 282 . Man kann Mitglied einer Partei sein, ohne gleichzeitig alle offiziellen parteipolitischen Aussagen bei deren Kenntnis auch voll zu akzeptie278 Vgl. zur Problematik des A r t . 18 GG näher: W. Schmitt Glaeser, M i ß brauch und V e r w i r k u n g von Grundrechten i m politischen Meinungskampf, 1968. 279 Verfassungstreue ist ein M e r k m a l der Eignung des Beamten, vgl. D. Dicke, ZBR 1973, S. 3; W. Henke, DVB1. 1973, S. 814; J. Isensee, JuS 1973, S. 270; P. Häberle, D Ö V 1974, S. 344 f. A n m . 9. — Ebenso auch das B V e r f G i m sog. „Extremistenbeschluß" (JZ 1975, S. 561 ff.), das i n historischer Auslegung des A r t . 33 V G G feststellt, welche Voraussetzungen der Beamte seiner Persönlichkeit nach für ein öff. A m t m i t b r i n g e n muß, u m geeignet i m Sinne des A r t . 33 I I GG zu sein (ebd. S. 564 f.). 280 Vgl. dazu einerseits: M. Kriele, ZRP 1971, S. 274 f.; H. Maurer, N J W 1972, S. 603 ff.; W. Berg, M D R 1973, S. 188; K . Eibes, Z B R 1973, S. 134; K . Schweiger, J Z 1974, S. 743 ff. — u n d andererseits: J. Semler, ZBR 1971, S. 110; E. Plümer, N J W 1973, S. 6 ff. — s. auch A. Azzola / G. Lautner, ZRP 1973, S. 243 ff., m i t umfassenden Nachweisen zur Diskussion. 281 Anders M. Kriele, ZRP 1971, S. 273 f., der verfassungsfeindliche Gesinnung allein nicht als ausreichend erachtet, sondern auch das Vorliegen entsprechender Handlungen fordert, u m den Beamtenstatus auszuschließen. 282 Es darf deshalb nicht pauschal von der Parteizugehörigkeit auf die U n geeignetheit geschlossen werden, s. auch J. Isensee, JuS 1973, S. 271.

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ren 2 8 3 . Es ist auch der Fall denkbar, daß sich ein Parteimitglied zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennt, i n seiner extremistischen Partei dafür eintritt und sich i m Konfliktfall dafür entscheiden würde 2 8 4 . Deshalb w i r d bei der Prüfung der politischen Eignung eines Bewerbers für den öffentlichen Dienst, der zugleich Mitglied einer radikalen Partei ist, das Entscheidungsmonopol des BVerfG nach A r t . 21 I I GG nicht tangiert 2 8 5 . Auch auf eine incidente Feststellung der Verfassungswidrigkeit seiner Partei kommt es gar nicht an. Die Prüfung der Fragen, die Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Parteiverbotsverfahrens sind, ist durch Sinn und Zweck der spezifisch beamtenrechtlichen Prüfung der Eignung des Bewerbers ausgeschlossen. A r t . 33 und A r t . 21 GG haben verschiedene Funktionen; sie gelten nebeneinander mit unterschiedlichem Anwendungsbereich 286 . Die Mitgliedschaft eines Bewerbers für den öffentlichen Dienst i n einer radikalen politischen — aber nicht verbotenen — Partei kann daher nicht mehr als ein objektiver Anlaß dafür sein, die für seine Eignung allein ausschlaggebende subjektive Gesinnung näher zu überprüfen. Weitere Folgerungen können daraus nicht abgeleitet werden. Zwar untergräbt ein Mitglied einer z. B. undemokratisch organisierten politischen Partei schon durch seine Mitgliedschaft die parteienstaatliche Demokratie und damit auch eine Grundlage unserer politischen Ordnung, doch ist daraus allein nicht der Schluß möglich, daß es deshalb bereits für den öffentlichen Dienst ungeeignet wäre 2 8 7 . Insgesamt läßt sich die beschriebene Entwicklung i m öffentlichen Dienst als konsequent i m Sinne des parteienstaatlich ausgerichteten politischen Systems des GG bezeichnen 288 . Die Parteien sind verfassungsrechtlich legitimiert, auch über den staatlichen Ämter- und Behördenapparat „Inhalt und Ausmaß der ,policy determination' und nicht nur der ,policy control' (zu) bestimmen" 2 8 9 . Sie können sich unter den Verhältnissen des modernen Leistungsstaates ihren dominierenden Einfluß auf das öffentliche Leben nur sichern, wenn sie „über ihren 283 Dies übersieht E. Plümer, N J W 1973, S. 7, der dem sich m i t einer Partei Identifizierenden die „verfassungsfeindliche Zielsetzung seiner Partei insgesamt" zurechnen w i l l . 284 G. Arndt , DÖV 1973, S. 589; K. Schweiger , JZ 1974, S. 748. 285 H. Maurer , N J W 1972, S. 604. 286 K . Stern , Z u r Verfassungstreue der Beamten, S. 51. 287 Anders E. Plümer, N J W 1973, S. 5, nach dem — unter Bezugnahme auf das O V G Koblenz — jeder Staatsbürger verpflichtet sein soll, sich nicht an Parteien zu beteiligen, die den Tatbestand des A r t . 21 I I GG erfüllen. 288 Jedenfalls k a n n dem Rigorismus von W. Henke, Das Recht der p o l i t i schen Parteien, S. 175, wonach „die legale Position der Parteien vor V e r w a l t u n g u n d Beamtentum endet", nicht gefolgt werden. 289 O. Massing, Parteien u n d Verbände als Faktoren des politischen Prozesses, S. 280 f.

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A n t e i l an der Gesetzgebung hinaus die Regierung und durch sie die Verwaltung an der Kandare halten" 2 9 0 . c) Rechtsprechung Für die Rechtsprechungsfunktion ist die parteienstaatliche Ordnung ebenfalls nicht folgenlos. Zwar ist das Dienstverhältnis der Richter nach dem GG eigener A r t 2 9 1 , doch unterscheidet sich ihre Rechtsstellung bezüglich politischer Betätigungen kaum von der der Beamten. Bei allen übrigen Unterschieden bestehen gerade hier viele Gemeinsamkeiten 2 0 2 . Die Regelung des § 39 DRiG entspricht materiell der Mäßigungspflicht i n den Beamtengesetzen 293 . Ein generelles Verbot parteipolitischer Aktivitäten der Richter w i r d daher zutreffend überwiegend für unzulässig 294 und untauglich gehalten, mögliche negative Auswirkungen eines Parteiengagements auf die richterliche Unabhängigkeit abzuwehren. Die von der Verfassung gebotene Unabhängigkeit der Judikative (Art. 97 GG) erfordert nicht eine politisch „blinde" Richterpersönlichkeit, sondern ist i m Gegenteil eine Garantie für den Richter, sich — frei von jeder Beeinflussung — aufgrund persönlicher Entscheidung auch parteipolitisch zu engagieren. Ferner gilt auch hier das Argument aus A r t . 137 I GG — der die Richter ausdrücklich erwähnt —; wie könnte i m Parteienstaat ein Richter Abgeordneter werden, ohne aktives Parteimitglied zu sein? Über die bloße Nominal- und Zahlmitgliedschaft i n einer Partei hinaus kann er neben seinem A m t sogar Mandatsträger i n Kommunalparlamenten sein 2 9 5 , selbst die Zugehörigkeit zum Landesvorstand einer politischen Partei w i r d m i t der Ausübung des Richteramtes für vereinbar gehalten 2 9 6 ; viele Richter 290

O. Kirchheimer, AöR 79 (1953/54), S. 313 f. Das folgt bereits aus der Nebeneinanderstellung von Beamten u n d Richtern i n den A r t . 60 I, 132 1 1, 137 I GG. 292 C. Niethammer-Vonberg, Parteipolitische Betätigung der Richter, S. 18 ff. 293 I m Gegensatz dazu sah der sog. Rothenburger E n t w u r f des D R i G i n § 27 I ein generelles Verbot aller parteipolitischen Tätigkeit des Richters vor. Weitere Entwürfe erlaubten n u r die bloße Mitgliedschaft i n einer Partei. Erst i m parlamentarischen Verfahren w u r d e n diese Beschränkungen aufgehoben, vgl. dazu L. Schäfer, BayVBl. 1973, S. 174 f. 294 Aus der Diskussion u m das D R i G vgl.: C. Lassen, D R i Z 1959, S. 279 f.; F. Vogel, D R i Z 1959, S. 2801; E.-W. Hanack, Die politische Betätigung des Richters, S. 140 ff. s. dazu auch die Zusammenstellung der Positionen bei C. Niethammer-Vonberg, Parteipolitische Betätigung der Richter, S. 40 ff. (55 - 58); D. Tsatsos, Die pari. Betätigung von öff. Bediensteten, S. 233. 295 Umkehrschluß aus § 36 I I DRiG, wonach die Wahrnehmung des Richteramtes nur bei Annahme der W a h l „ i n den Deutschen Bundestag oder i n die gesetzgebende Körperschaft eines Landes" endet. 296 E. Menzel, D Ö V 1970, S. 444, der aber vor „einem bloßen Tolerieren von Verhaltensweisen, die i m Widerspruch zum Gesetzeszweck stehen", warnt. 291

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sind aktive Parteimitglieder, z. B. i n der SPD Sonderorganisation A r beitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen (ASJ) 2 9 7 . Ein Verständnis der Judikative, das ihrer Eigenart als gestaltendem Organ gerecht w i r d und sie i n den öffentlichen Informations- und Legitimationszusammenhang i n der demokratischen res publica einbindet, erfordert auch die Bejahung parteipolitischer Betätigung der Richter. Das Verhältnis von Gerichtsbarkeit und pluralistisch gesehener Parteipolitik ist positiv zu überdenken 2 9 8 . Wichtiger noch als die formale Zugehörigkeit zu einer Partei ist das politische Bewußtsein des Richters 299, dazu gehört die kritische Distanz gegenüber tradierten juristischen Methoden und Denkschemata ebenso, wie das Wissen u m die politische Funktion von Recht und Rechtsprechung. Ein parteipolitisch engagierter Richter w i r d diese Grundhaltung eher haben, als ein aktuellen politischen Kontroversen gegenüber abstinenter Rechtsanwender. Der persönliche politische Standpunkt w i r d i n der Regel eine abgewogene und begründetere Auseinandersetzung m i t anderen Wertungen hervorrufen und dient damit der Rationalität und Transparenz der Rechtsprechungsfunktion. Konfliktsituationen sind allenfalls dann denkbar, wenn der Richter einen Rechtsstreit entscheiden soll, und er vorher einen von einer Prozeßpartei vertretenen Standpunkt bei seinen parteipolitischen A k tivitäten (partei)öffentlich propagierte oder an der Herbeiführung eines entsprechenden Parteibeschlusses maßgeblich beteiligt w a r 3 0 0 . Diese Konstellationen sprechen aber nicht grundsätzlich gegen eine parteipolitische Tätigkeit der Richter. Ihre Regulierung erfolgt über das Institut der Befangenheit, das i m Parteienstaat auch eine parteipolitische Befangenheit enthält; sie ist dann anzunehmen, wenn der Richter sich i m beschriebenen Sinne öffentlich festgelegt hat. Zur Ablehnung eines Richters aus parteipolitischer Befangenheit genügt es allerdings nicht, daß seine Partei unmittelbar oder nur mittelbar i n den 297

Die i n polemischer Auseinandersetzung v o m Hess. Richterbund als „Pressure Group f ü r personalpolitische Entscheidungen i m sozialdemokratischen Parteiapparat" bezeichnet wurde, vgl. B. Jasper, FR v o m 14. 7.1971,

S. 11.

298 So auch die Forderungen des Aktionskomitees Justizreform, vgl. etwa R. Wassermann, Der neue Richtertyp, S. 21 ff., sowie T. Rasehorn, Über den langen Marsch des kritischen Denkens durch die Institutionen der Justiz, S. 35 ff. 299 v g l zu dieser Forderung i n bezug auf die Verfassungsgerichtsbarkeit, bei der i n der Tat eine besonders hohe A f f i n i t ä t zum Politischen gegeben ist, R Haberle, J Z 1973, S. 453. 800 Z. B. i m Verwaltungsstreitverfahren, w e n n ein Parteibeschluß durch die zuständigen hoheitlichen Stellen realisiert wurde u n d auf Widerstand der Betroffenen stößt (etwa Gebietsreformmaßnahmen), aber auch i n zivilrechtlichen (Mietrecht, Eherecht) u n d strafrechtlichen Prozessen (polit. Strafrecht) sind solche Konstellationen denkbar.

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Prozeß verwickelt ist (so auch § 18 I I BVerfGG) 3 0 1 , es muß die persönliche Festlegung des Richters auf gerade den streitigen Punkt eines Parteikonzepts evident zum Ausdruck gekommen sein. Für die Bundesverfassungsrichter bestimmt A r t . 94 I 3 GG, daß sie weder Bundestag, -rat oder -regierung, noch den entsprechenden Organen eines Landes angehören dürfen. Diese funktionell begründete Inkompatibilität bedeutet aber nicht zugleich parteipolitische Abstinenz für Verfassungsrichter. Aus § 18 BVerfGG geht vielmehr eindeutig hervor, daß die „Zugehörigkeit zu einer politischen Partei" als zulässig vorausgesetzt ist. Das gelegentliche Tauziehen um die Besetzung der Verfassungsrichterstellen, bei dem jede Partei ihren Kandidaten durchzubringen versucht 302 , da sie sich von seinen Entscheidungen Übereinstimmung m i t ihren Wertvorstellungen verspricht, verdeutlicht die Eingebundenheit des Bundesverfassungsgerichts i n den (partei-) politischen Prozeß 303 . Bei der Funktion der Verfassungsrechtsprechung handelt es sich um einen Teil des politischen Ablaufs selbst. „Wenn Recht geschaffen ist, hört Politik noch nicht auf 3 0 4 ." Die Judikate des Bundesverfassungsgerichts setzen dem politischen Prozeß autoritativ verbindliche (§ 31 BVerfGG) Fakten von oft immenser politischer Tragweite, die ihrerseits i n seinem Kontext verwurzelt sind; denn die Gesichtspunkte der Verfassungsinterpretation gehen „weit über rechtliche Gesichtspunkte i m »strengen4 Sinn hinaus", sie beziehen „die normierende K r a f t der Öffentlichkeit" ein 3 0 5 . A n die Stelle des Vollzugsdenkens ist das Ge301 F ü r ¿en Verfassungsprozeß sind zur Begründung der Befangenheit weitere Faktoren entsprechend der Eigenart des Verfassungsprozeßrechts zu berücksichtigen, vgl. P. Häberle, JZ 1973, S. 452 ff. 302 H. v. Mangoldt / F. Klein, Das Bonner GG, A r t . 21 A n m . I I I 4 d, glauben, daß der „verfassungsrechtlich institutionalisierte u n d garantierte" Einfluß der Parteien i m Bereich der politischen Willensbildung nicht „die Besetzung oberer Gerichte" einschließe. 303 -wig p. Häberle, JZ 1973, S. 453 ff. unter dem Stichwort der „Eigenständigkeit des Verfassungsprozeßrechts" ausführte, bedarf es eines „sachlich verselbständigten, ganzheitlichen und materiellen Verständisses des sog. formellen Rechts der Verfassungsgerichtsbarkeit". Die F u n k t i o n der Verfassungsgerichtsbarkeit, Richterwahl u n d -status sind zusammen zu sehen u n d einzuordnen i n den (partei-)politischen Prozeß des demokratischen Parteienstaates. Die K r i t i k E. Schumanns an diesem Denken (JZ 1973, S. 488 ff.) fordert — trotz grundsätzlicher Zustimmung i m Abstrakten (S. 488) — den Rückgriff auf die i n den großen prozeßrechtlichen Kodifikationen niedergelegten Wertungen (S. 489) u n d relativiert damit die Aussagekraft des A n liegens einer inhaltlichen Verbindung von materiellem u n d Prozeßrecht besonders i n der Verfassungsgerichtsbarkeit. Prozeßrechtliche Wertungen sollen gerade nicht aus anderen Prozeßrechtsquellen, sondern aus der Eigenart des zu behandelnden materiellen Rechts entwickelt u n d begründet w e r den. 304 P. Häberle, AöR 98 (1973), S. 127. 305 P. Häberle, AöR 95 (1970), S. 92, 291; ähnlich ders., AöR 98 (1973), S. 127: „ P o l i t i k durch Verfassungsinterpretation."

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staltungsdenken getreten 3 0 6 ; die Rechtsprechung ist „bewegte und bewegende Kraft i m politischen Prozeß des Gesamtsystems" 307 . Rechtsfortbildung und damit politische Gestaltung ist eine i m Rahmen des § 137 GVG den Gerichten gesetzlich zugewiesene Aufgabe. Die Problematik einer sog. negativen Gesetzgebungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts soll hier nur genannt werden 3 0 8 . Versteht man m i t P. Häberle das GG als öffentliche Gemeinwohlverfassung und Verfassungsrechtsprechung als Gemeinwohl Judikatur 309 , so ist die Rechtsprechungsfunktion von der „allgemeinen Politik" nur schwerpunktmäßig abgrenzbar 310 , als eine den gleichen Zielen verpflichtete Aufgabe, die i n eigenen Kompetenzen und Bindungen Verfassungsrecht konkretisiert und somit das Gemeinwohl aktuell gestaltet — Verfassungsrechtsprechung als öffentliche Gemeinwohlfunktion 3 1 1 . Der Entscheidungsspielräum der Rechtsprechung ist sicher enger als der der politischen W i l lensbildung, die Interessenabwägung ist normativ determiniert und die von der Rechtswissenschaft entwickelten Methoden machen die Rechtsprechung kalkulierbar 3 1 2 . Im demokratischen Rechtsstaat sind Recht und Politik über die Dimension der Öffentlichkeit einander angenähert: Der politischen Willensbildung steht nicht mehr die gesamte normative Grundordnung zur Disposition (Art. 79 I I I GG), sie verläuft i m Rahmen verschiedenster Reglementierungen, wie umgekehrt Rechtsanwendung bei unbestimmten und daher konfliktanfälligen Verfassungsdirektiven auch ein Abwägen der verschiedenen normativen Wertungen verlangt, was am augenfälligsten bei der judiziellen Handhabung normativer Gemeinwohltatbestände (richterliche Gemeinwohltechniken) w i r d 3 1 3 . „Variable Bereiche von Gestaltungsfreiheit gibt es i m rechtlichen Bereich ebenso wie i m politischen 3 1 4 ." Die umstrittene Güterabwägung etwa ist nicht mehr wegzudenken, sollen nicht richterliche Wertungen hinter den Schleier des behaupteten Erkennens der 308 K. Hesse, Grundzüge, S. 219: „Konkretisierung u n d Fortbildung des Rechts"; s. auch S. 225. 307 P. Häberle, D Ö V 1973, S. 213. 308 H. Dichgans hält „das B V e r f G für ein echtes Organ der Gesetzgebung, der Rechtsgestaltung", i n : Frowein / Meyer / Schneider (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht i m dritten Jahrzehnt, S. 11. 309 AöR 95 (1970), S. 90 u n d passim. 310 C. Arndt, i n : Frowein / Meyer / Schneider, S. 15, hält „eine dogmatisch scharfe Trennung zwischen der politischen Entscheidung und der rein rechtlichen Subsumption" für unmöglich; zustimmend auch P. Schneider, i n : Frowein / Meyer / Schneider, S. 25. 311 P. Häberle, AöR 95 (1970), S. 86 ff., 260 ff. 312 A. Azzola, R u G 1973, S. 16. 313 Dazu P. Häberle, öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 274 ff.; ders., AöR 95 (1970), S. 86 ff., 260 ff. 314 P. Häberle, DVB1. 1973, S. 388.

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„einzigen Möglichkeit wahren Urteilens" 3 1 5 zurückgezogen, ein Stück öffentlicher Gemeinwohlkonkretisierung aufgegeben werden. Während dieser Zusammenhang von Recht und Politik für die Funktion des Bundesverfassungsgerichts von grundlegender Bedeutung ist, bleibt seine Beachtung bei der Arbeit des Gerichts nur i n begrenztem Maße normierbar 8 1 6 . Die Legitimation muß folglich die Qualifikation der Richter m i t berücksichtigen. Als Verfassungsorgan bedarf das Bundesverfassungsgericht zur Legitimation seiner Funktion der demokratischen Wahl auf der Grundlage der politischen Kräfteverteilung, die Legitimationskette muß beim Volk ihren Ausgang nehmen 3 1 7 . I n der Parteiendemokratie erfolgt die Legitimierung von Amtsinhabern über die Vermittlung der Parteien, daher ist die Wahl der Verfassungsrichter durch den ausschließlich von Parteien beschickten Bundestag und -rat (Art. 94 I 2 GG, §§ 5 ff. BVerfGG) nur konsequent 318 . Die Richtersitze am Bundesverfassungsgericht sind zu „Erbhöfen" der Parteien insgesamt geworden, ihre Fraktionen teilen die Stellen unter sich auf und besetzen sie m i t „ihren Leuten" 3 1 9 . Eine parteipolitisch ausgewogene (pluralistische) Besetzung des Gerichts — allerdings nur entsprechend den i m Parlament vertretenen Parteien — w i r d durch das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit bei der Richterwahl garantiert 3 2 0 . Ihre parteipolitische Fixierung 3 2 1 ist nicht ohne Folgen. Viele Verfassungsrichter waren vorher aktive Politiker, die ihre Überzeugungen, Parteinahmen, kurz: ihr Vorverständnis m i t einbringen. Doch verspricht der Pluralismus verschiedener politischer Herkunft und Überzeugung eher eine alle Gesichtspunkte berücksichtigende und fundierte Entscheidung, als wenn „reine Rechtstechniker" vor das Verfassungsgericht 315

So E. Wolf, R u G 1973, S. 16 f. E t w a über die Verstärkung der Öffentlichkeit (Transparenz) des E n t scheidungsvorganges u n d seiner Grundlagen, die dem B V e r f G „neben der W a h l selbst demokratische Legitimation v e r m i t t e l t " (P. Häberle, i n : Frow e i n / Meyer / Schneider (Hrsg.), Das B V e r f G i m d r i t t e n Jahrzehnt, S. 79) z. B. durch Dissenting votes (§ 30 I I BVerfGG). 317 G. Jahn, i n : Frowein / M e y e r / Schneider, S. 68 f.; E. Friesenhahn, ebd., S. 71; W. Geiger, ebd., S. 73. 318 U n d nicht „unlösbar widersprüchlich", w i e W. Weber, Spannungen u n d K r ä f t e i m westdeutschen Verfassungssystem, S. 31, glaubt. 319 Vgl. E. Friesenhahn, i n : Frowein / Meyer / Schneider (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht i m d r i t t e n Jahrzehnt, S. 71. 320 Dabei ist jedoch zweifelhaft, ob durch die von den politischen Parteien wesentlich mitgestaltete W a h l der Richter u n d das Erfordernis der q u a l i f i zierten Mehrheit „eine A r t V e r m u t u n g f ü r Unvoreingenommenheit u n d Obj e k t i v i t ä t " der Verfassungsrichter begründet w i r d (so P. Häberle, JZ 1973, S. 453). M a n k a n n sich auch m i t der damit erzielten pluralistisch ausgewogenen parteipolitischen Besetzung des Gerichts u n d dem darin liegenden Zwang zur erhöhten Rationalität u n d Kompromißfindung begnügen. 321 H. Lauf er, Verfassungsgerichtsbarkeit u n d politischer Prozeß, S. 210 ff. 318

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getragene politische Konflikte lösen. Grundsätzlich müssen die Verfassungsrichter entsprechend den Anforderungen ihres Amtes parteipolitische Zurückhaltung i n persönlicher und sachlicher Hinsicht üben 8 2 2 . Man kann also nicht aus der Wahl der Verfassungsrichter letztlich durch die Parteien auf eine Judikatur i m Sinne der Entsender schließen 3 2 3 . Zu begründen ist die gebotene parteipolitische Zurückhaltung mit der Tatsache, daß die politischen Parteien an Prozessen vor dem Bundesverfassungsgericht oft unmittelbar beteiligt sind 3 2 4 , in der Regel mindestens aber eine mittelbare Beteiligung vorliegt 3 2 5 . Der parteipolitische Konflikt soll nicht i m Bundesverfassungsgericht fortgeführt werden. Die Funktion der letztinstanzlichen, verbindlichen Bewertung politischer Standpunkte nach den Maßstäben der Verfassung bedarf der Zustimmung der streitenden Parteien, die Entscheidung zu akzeptieren. Grundsätzlich ergibt sich diese Verpflichtung aller am Verfassungsleben Beteiligten aus der Verfassung selbst. Eine institutionelle Vorkehrung zur Beachtung der Verfassungsrechtsprechung durch die rivalisierenden politischen Mächte ist die Besetzung des Gerichts durch die Parteien über ihre Parlamentsfraktionen. Über die Richterwahlausschüsse nehmen die Parteien ebenfalls maßgeblichen Einfluß auf die Besetzung der oberen Gerichte des Bundes (§§ 2, 5 RichterwahlG) 3 2 6 . Überhaupt steht die Richterbestellung i n einem notwendigen Zusammenhang m i t dem Verfassungsgebot der demokratischen Legitimation aller Ausübung von Staatsgewalt 327 , was i m Parteienstaat zumindest auch Legitimation durch die Parteien bedeutet. Ein quantitativ großer Faktor i n der personellen Zusammensetzung der Judikative sind die Laienrichter . Sie genießen richterliche Unabhängigkeit, sind aber nach § 2 DRiG nicht wie die Berufsrichter bei ihrer politischen Betätigung eingeschränkt. Da die Vorschlagslisten für 322 I m Sinne der Rede von G. Müller, anläßlich seiner Amtseinführung als Präsident des BVerfG, S. 16; vgl. dazu auch P. Häberle, J Z 1973, S. 454. 323 C. Niethammer-Vonberg , Parteipolitische Betätigung der Richter, S. 105. 324 Parteiverbotsverfahren (Art. 21 I I GG, §§ 13 Ziff. 2 u. 43 ff. BVerfGG), Organstreitverfahren (Art. 93 I Ziff. 1 GG, §§ 13 Ziff. 5 u n d 63 ff. BVerfGG), Bund-Länderstreitigkeit (Art. 93 I Ziff. 3 GG, §§ 13 Ziff. 7, 68 ff. BVerfGG) w o Bundesoppositionsparteien über „ i h r e " Länder Verfahren betreiben. 325 Nicht n u r bei Streitigkeiten der Staatsorgane, sondern z. B. auch bei Klagen gegen ein Gesetz, das m i t den Stimmen der F r a k t i o n oder gegen sie zustande kam, wo es f ü r die betreffende Partei n u n u m die rechtliche Sanktionierung ihrer politischen Auffassung geht. Leicht könnte i n solchen Fällen von der unterliegenden Seite (Partei) der V o r w u r f parteipolitischer Befangenheit erhoben werden, wie dies i n der Vergangenheit sehr zum Schaden der beteiligten Verfassungsorgane geschah, als eine Entscheidung einmal nicht i m Sinne der Adenauer-Regierung ausfiel. Vgl. zu den Urteilsschelten des Fernseh-Urteils (E 12, 205 ff.) die Zusammenstellung bei ff. Lauf er, V e r fassungsgerichtsbarkeit u n d pol. Prozeß, S. 467 ff. 326 327

W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien, S. 33. Vgl. dazu E.-W. Böckenförde , Verfassungsfragen der Richterwahl.

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Schöffen und Geschworene von den Gemeindevertretungen (§§ 36, 84 GVG) und für die Laienbeisitzer i m Verwaltungsverfahren von den Vertretungskörperschaften der Kreise und kreisfreien Städte (§ 28 VwGO) aufzustellen sind, werden i n der Regel nur den dort jeweils vertretenen Parteien angehörende oder zumindest nahestehende Personen benannt. Bei der endgültigen Auswahl der Laienrichter 3 2 8 aus jenen Vorschlagslisten w i r d der Einfluß der Parteien kumuliert (§§ 40 GVG, 26 VwGO) 3 2 9 . Ob ihre Tätigkeit von parteipolitischen Motiven bestimmt wird, wurde bislang noch nicht hinreichend untersucht. Es zeigt sich bei der schlaglichtartigen Betrachtung der Judikative unter dem Aspekt parteipolitischer Einwirkungen, daß mit der theoretischen Überwindung der unvermittelten Gegenüberstellung von Recht und Politik i m demokratischen Gemeinwesen und der weitgehenden Synonymität von Politik und Partei(en)politik auch bei der Judikative eine parteienstaatlich orientierte Politisierung erfolgte. Ihre Legitimität und ihr Integrationsvermögen gründen sich nicht auf die Ignorierung des politischen Prozesses, sondern auf seine funktionelle Einbeziehung zur Rationalität und Kontrollierbarkeit 3 3 0 der Entscheidung über die Dimension der Öffentlichkeit 3 3 1 . d) Folgerungen für die innerparteiliche

Demokratie

M i t der Überwindung der auf die gesellschaftliche Sphäre beschränkten Isolation der Parteien entstehen gleichzeitig neue Probleme der 328 N u r bei ¿er Arbeits- u n d Sozialgerichtsbarkeit müssen i n den A u s wahlausschüssen Personen der durch diese Rechtsprechung betroffenen I n teressengruppen vertreten sein (§§ 20 A r b G G , 14 SGG). Doch hat auch z. B. ein Gewerkschaftsmitglied oder ein Vertreter der Arbeitgeberschaft seine parteipolitischen Vorstellungen, die bewußt oder unbewußt zum Tragen kommen können. 329

C. Niethammer-Vonberg, Parteipolitische Betätigung der Richter, S. 111; BGHSt. 12, 197 L S 1: „Es ist nicht unzulässig, daß die gemeindliche V o r schlagsliste f ü r Schöffen und Geschworene auf G r u n d von Vorschlägen der i m Gemeinderat vertretenen Parteigruppen zusammengestellt w i r d . " ; S. 200: „Rechtlich können dagegen, daß die i m Gemeinderat vertretenen pol. Parteien ihnen genehme Personen . . . benennen, keine Bedenken erhoben w e r den . . . dies u m so weniger als das GG selbst . . . die Möglichkeit politischer Einflüsse bewußt i n K a u f genommen hat." — I m Befund übereinstimmend aber i n der Bewertung ablehnend W. Weber, Spannungen und K r ä f t e i m westdeutschen Verfassungssystem, S. 42. 330 Dabei geht es vor allem u m die „ w a h r e n Gründe" der Entscheidung durch eine das „VorVerständnis" offenlegende Begründung. Grundsätzlich dazu: J. Esser, Vorverständnis u n d Methodenwahl i n der Rechtsfindung; s. auch A. Rinken, Das Öffentliche als verfassungstheoretisches Problem, S. 278 f. 331 Dies gelingt nicht, wenn m a n wie D. Brüggemann, Die rechtsprechende Gewalt, S. 121 f., die Judikative „jenseits der innerpolitischen Fronten" verortet, Gefährdungen ihrer F u n k t i o n damit vertuscht u n d sachdienliche Gesichtspunkte ignoriert.

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innerparteilichen Demokratie, sie w i r d aus ihrer Verengung auf die reinen Parteiinterna befreit und zur demokratischen Funktion i m Gemeinwesen insgesamt. Diese Folgeprobleme sind zu beschreiben als die Frage nach der partizipatorischen Verwertbarkeit des immensen Einflusses der Parteien auf die organisierte Staatlichkeit über eine demokratische innere Parteiordnung. Die gesteigerte Parteienmacht muß der Partizipation der Parteimitglieder offenstehen. Es geht dabei u m das Verständnis der Freiheit der Parteien als Freiheit zum — und nicht vom — Staat 3 3 2 , das weiter zu entwickeln ist, als öffentliche Freiheit der Parteimitglieder 333 zur demokratischen Partizipation über die I n strumentarien der innerparteilichen Demokratie. Der Parteienstaat ist verfassungsmäßige Realität. Die Parteien haben unmittelbaren Zugang zu Parlament und Regierung 3 3 4 und bringen ihre Politik mittelbar auch i n anderen staatlichen Ämtern i n unterschiedlicher Intensität zur Geltung. Das Postulat einer scharfen A b grenzung von parteilichem und staatlichem Bereich 3 3 5 steht i m Widerspruch zum verfassungskonformen Befund politischer Wirklichkeit. Zur Begründung jenes strengen Dualismus von Parteien und Staat w i r d auf die Gefahr verwiesen, daß bei einer Verwischung der Grenzziehung die Parteien i n Staatsabhängigkeit geraten 3 3 6 , „verstaatlicht" würden 3 3 7 . Diese Sicht vernachlässigt, daß die tatsächlich und rechtlich längst vollzogene partielle Überlappung der staatlichen Ebene durch die Parteien teilweise sogar zu einer umgekehrten Abhängigkeit geführt hat, der der staatlichen Organe von den Parteien 338. Diese i m 332 M i t ihrer Formel von der Freiheit der Parteien „ i m " Staat, versucht I. Mühlen , Parteienunabhängigkeit v o m Staat, S. 73, ihre i m T i t e l angesprochene These modifiziert zu halten. 333 Y g i ( j a z u unten unter I I I . 3.: Statuslehren. 334 So W. Weber , Spannungen u n d K r ä f t e i m westdeutschen Verfassungssystem, S. 48; allerdings sind nicht n u r Parlament u n d Regierung das „ p o l i tische Clearingsystem", auf welches die Parteien einwirken, dieses lebt v i e l mehr von dem Zusammenspiel der Staatsorgane m i t ihnen. 335 Vgl. z. B. W. Henke , Das Recht der politischen Parteien, S. 18 f. m i t weiteren Nachweisen für diese Ansicht. 336 So z.B. E. Stein , Lehrbuch des Staatsrechts, S. 160f.; W. Leisner , D Ö V 1971, S. 651; auch E. Friesenhahn , Die Stellung der politischen Parteien i n der Verfassung, S. 4, betont „das freie, von Staatsorganen unbeeinflußte politische W i r k e n der Parteien". 337 I m Zusammenhang m i t dem Plenarbeschluß des B V e r f G (E 4, 27 ff.), der den Parteien die Beteiligtenfähigkeit am verfassungsgerichtlichen O r ganstreitverfahren i n gewissem Umfang zubilligt, sprach E. Forsthoff , D Ö V 1956, S. 513, von „Verstaatlichung" der Parteien; ähnlich W. Henke , Das Recht der politischen Parteien, S. 18. 338 E. Stein , Lehrbuch des Staatsrechts, S. 161, ist jedoch der Meinung, daß beispielsweise die Regierung den von Staatszuschüssen abhängigen Parteien diese kürzen oder streichen könnte und sieht deshalb i n der staatlichen Parteienfinanzierung eine Gefahr der Abhängigkeit. Dagegen spricht,

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parteienstaatlich determinierten parlamentarischen Regierungssystem konsequente Entwicklung schließt Gefährdungen der Parteien seitens eines verselbständigt gedachten Parlaments oder der Regierung aus. Sie kann jedoch zu einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit aller Parteien durch die etablierten Parteien selbst führen, wenn die Regierungspartei(en) gegenüber den anderen oder die i m Parlament vertretenen Parteien gegenüber den außerhalb stehenden die Vorteile ihrer Staatsintegration i n die Waagschale werfen. Hier bedarf das Mehrparteiensystem i n der Tat Sicherungen — wie z. B. i n § 5 PartG —, die jedoch nicht i n einer systemwidrigen Reprivatisierung der Parteien liegen können. Die von den Apologeten der Staatsfreiheit „seitenverkehrt" gesehene Abhängigkeit des Staatsapparats von den Parteien hat die juristische Bewältigung der funktionalen Zusammenhänge von Parteien und Staat 3 3 9 sowie die ihrer Gefährdungen blockiert. Die A b hängigkeit der Parteien von äußeren Einflüssen seitens der Verbände und Wirtschaft etwa, wurde zwar als bedenklicher als die — i n W i r k lichkeit nicht existente — staatliche Abhängigkeit qualifiziert, gleichzeitig aber i n diesem Zusammenhang ein Versagen rechtlicher Sicherungen postuliert 3 4 0 . Ein weiteres Argument, das zur Begründung der Staatsfreiheit politischer Parteien angeführt wird, ist die Vermutung, daß sie andernfalls „nicht mehr imstande wären, Träger und Mittler des durch A r t . 21 und die politischen Freiheitsrechte intendierten und gewährleisteten freien politischen Prozesses zu sein" 3 4 1 . So hat z. B. das VerfG zur Sicherung der „Freiheit der Parteien vom Staat" eine ständige staatliche Parteienfinanzierung abgelehnt, und sie damit sehenden Auges dem „Einfluß finanzkräftiger Einzelpersonen, Unternehmen und Verbänden"

daß keine Regierung i n der Praxis zu solchen Maßnahmen greifen w i r d , w i l l sie nicht i h r eigenes Grab schaufeln. Sie wäre schizophren, würde sie als Staatsorgan politisch jene Organisation(en) bekämpfen, denen sie angehört, i h r A m t verdankt u n d m i t deren H i l f e sie es erneut erlangen w i l l . Wenn i m Verhältnis Parteien-Staatsorgane überhaupt von Abhängigkeit gesprochen werden kann, dann i m Verhältnis von Parlament u n d Regierung i n bezug auf die sie tragenden Parteien. — Differenzierend z. B. K . Zweigert, Parteienfinanzierung u n d Parteienfreiheit, S. 499 ff., der allein die Rückzahlungsklausel bei Abschlagszahlungen f ü r eine Beeinträchtigung der Parteienfreiheit hält. 339 Als funktional m i t dem staatlichen Bereich verflochten sehen die Parteien z. B. H. J. Varain, Parteien u n d Verbände, S. 328; J. H. Kaiser, Die Repräsentation organisierter Interessen, S. 236; P. Häberle, JuS 1967, S. 73; H. Lang, Das repräsentative Prinzip i m Parteienstaat, S. 65 f. 340 K . Hesse, Grundzüge, S. 72; vgl. auch BVerfGE 20, 56 (105). 341 K . Hesse, ebd.; ähnlich: W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 18, der andernfalls die Parteien „ v o n den lebendigen K r ä f t e n der Gesellschaft abgeschnitten" sieht; W. Leisner, D Ö V 1971, S. 651, der eine „ F r e m d bestimmung" der Parteien durch den Staat befürchtet; BVerfGE 20, 56 (102).

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ausgeliefert 342 . Hier w i r d deutlich, daß eine Sicherung des offenen W i l lensbildungsprozesses, um den es ja letztlich geht, nur durch Überwindung jener fragwürdigen Staatsfreiheit und den hoheitlichen Schutz der Parteien unter Beachtung des Gleichheitssatzes möglich ist. Wie die Betrachtung des einheitlichen Vorganges politischer Willensbildung in der demokratischen res publica gezeigt hat, kann er ebensowenig „staatsfrei" sein, wie die Verweisung der Parteien i n die rein gesellschaftliche Sphäre z u t r i f f t 3 4 3 . Man kann nicht einen Bereich von der staatlichen Sphäre ausgrenzen, der konstitutionell demokratische Partizipation an der politischen Willensbildung des Gemeinwesens vermitteln soll. Es geht i m Grunde nicht u m die Scheinalternative eines staatsfreien oder unfreien politischen Willensbildungsprozesses, sondern u m seine pluralistische Offenheit, die durch Staatsfreiheit garantiert sein soll. Doch ist bereits auf der input-Stufe die Willensbildung i n den Parteien nicht völlig „staatsfrei". Die Inhaber von Staatsämtern können und werden i m innerparteilichen Willensbildungsverfahren zwar nicht i n ihrer Eigenschaft als hoheitliche Amtsträger, sondern als Parteibürger i n jedem Fall mitreden und mitentscheiden. Man kann den Einfluß der politischen Initiativen und Aussagen der Parteivertreter i n den Staatsorganen auf die Parteipolitik nicht durch ein liberalem Trennungsdenken verhaftetes Dogma ignorieren 3 4 4 . Wenn die Parteien angesichts der geringen Mitgliederzahlen ihre Wähler halten und neue gewinnen wollen, so müssen sie sich um deren artikulierte Interessen besonders annehmen 345 , ja die A r t i k u l a t i o n fördern, um ihre Politik daran zu orientieren. Damit ist nicht gesagt, daß jene Aufnahme parteiexterner Initiativen immer und reibungslos erfolgt; doch ist es wichtiger, diesen Übergang i m freien politischen Prozeß reglementierend zu sichern, als einen andern einreißen zu wollen, der i m demokratischen Parteienstaat legitim und irreversibel ist. 842

E 20, 56 (105). Vgl. U. Scheuners K r i t i k an dem Parteienfinanzierungsurteil (BVerfGE 20, 56 ff.), i n : Verantwortung u n d Kontrolle i n der demokratischen Verfassung, S. 382. 344 Realistisch P. Häberle, JuS 1967, S. 72: „Den Staatsorganen ist es nicht grundsätzlich verwehrt, sich i n bezug auf den Prozeß der Meinungs- u n d Willensbildung zu betätigen, sondern es ist ihnen verwehrt, sich so zu betätigen, daß die Freiheit u n d Offenheit der politischen Willensbildung u n d die Freiheit der Parteien gefährdet ist." 345 E i n Beleg hierfür ist die „Umarmungsstrategie" der Parteien gegenüber Bürgerinitiativen, die als „Zwischenentscheidungsträger" (R. Dahrendorf) „eine neue u n d zusätzliche Legitimation" (K. H. Flach) f ü r die von den Parteien getragene P o l i t i k darstellen, zit. nach H. Beth, FR v o m 20.4.1972, S. 18. Dies bestätigt auch H. Grossmann, Bürgerinitiativen, S. 166, trotz aller Vorbehalte gegenüber dem „gesunden A p p e t i t der Parteien, sich kritische Impulse einzuverleiben". — Freilich k a n n die Entstehung organisierter B ü r gerinitiativen zugleich auch ein Indiz f ü r das Versagen der Parteien bei der Eruierung des politischen Wollens der Bevölkerung sein. 343

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Die Betonung der Staatsfreiheit der politischen Parteien ruft die Assoziation hervor, wer sie nicht akzeptiere, befürworte die Unfreiheit der Parteien. Gerade das Gegenteil ist der Fall: Nicht der Staat ist (mehr) der große Gegenspieler der Freiheit, sie ist nicht mit Staatsfreiheit gleichzusetzen. „Die öffentliche Freiheit der Parteien ist nicht Freiheit vom Staat. Sie ist Freiheit i m Staat 3 4 6 ." Erst durch eine funktionelle Staatsintegration der Parteien ist es den Parteibürgern möglich, an der politischen Willensbildung effektiv teilzuhaben, die Entscheidungen der Staatsorgane zu „dirigieren". Deshalb bedürfen die Parteien der punktuellen Staatsverbundenheit, die Partizipation ihrer Mitglieder darf nicht von ihrem Ziel, der Influenzierung der Staatsorgane, getrennt werden. Die Entwicklung des Verhältnisses von Parteien und organisierter Staatlichkeit i n der politischen Realität bestätigt teilweise die Bewertung durch G. Leibholz 347, der ursprünglich auch das BVerfG gefolgt ist, wenngleich bei letzterem Rückschritte i n Richtung auf das Trennungsdogma zu verzeichnen sind 3 4 8 . Die i m Hinblick auf die anstehende prozessuale Frage 3 4 9 erfolgte Qualifizierung der Parteien als Verfassungsorgane 350 darf nicht mißverstanden werden. Verfassungsorgan ist nicht gleichbedeutend mit Staatsorgan 351 . Das BVerfG hat mit seinem 346

P. Häberle, JuS 1967, S. 74. Z . B . i n : V o l k und Partei, S. 72; Parteiengesetz, S. 196; Gesellschaftsordnung, S. 331. s. aber auch die pointierte K r i t i k an dieser Einordnung durch H. Ehmke, W D S t R L 24 (1966), S. 94 ff., der Leibholz so versteht, als „ v e r körpern die Parteien f ü r i h n beinahe den Staat" (S. 95) u n d i n diesem Z u sammenhang die liberale Unterscheidung von „Staat" u n d „Gesellschaft" i n der Unterscheidung Parteien u n d Verbände „ i n praktisch gleicher Gegenüberstellung wiedergekehrt" sieht (S. 97). Es geht jedoch hier nicht u m eine Neuauflage des Trennungsdogmas, vielmehr nehmen die Parteien i n der „Staat" u n d „Gesellschaft" vermittelnden demokratischen res publica gerade auf diese V e r m i t t l u n g abzielende Funktionen wahr, u n d insofern reichen die Parteien tatsächlich w e i t i n den „staatlichen" Bereich hinein, ohne dabei ihre Wurzeln i m „gesellschaftlichen" aufzugeben. 348 Die Entwicklung der Verfassungsrechtsprechung zu dieser Frage geht über E 1, 208 (225, 227); 2, 1 (73); 4, 27 (28 ff.) — „Sie (die Parteien) stehen daher nicht wie andere soziale Gebilde n u r i n einer verfassungsmäßig gesicherten Position dem Staat gegenüber"; „Bestandteile des Verfassungsaufbaus"; „Inkorporation i n das Verfassungsgefüge" — ; bis zu der i n E 8, 104 (113) sich anbahnenden u n d i n E 20, 56 (97 ff.) vollzogenen Wende, w o zum ersten M a l von der Freiheit der Parteien v o m Staat die Rede ist (S. 102, 105, 112). — s. auch P. Häberle, JuS 1967, S. 66 A n m . 14. 349 Können Parteien Organklage nach A r t . 93 I Ziff. 1 G G erheben, sind sie durch das GG m i t eigenen Rechten ausgestattet? 350 Seit BVerfGE 4, 27 (29) ständige Rechtsprechung, vgl. E 24, 260 (263); 27, 152 (157). 351 Dies w i r d v o m B V e r f G allerdings nicht konsequent beachtet. Es spricht i n E 1, 208 (225) m i t G. Radbruch von den Parteien als Staatsorganen. Synonym werden die Begriffe i n E 20, 56 (100) gebraucht: „Staats- oder V e r fassungsorgane. " 347

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Beschluß die Parteien also nicht zu einem Teil des Staatsapparates gemacht 3 5 2 , sondern sie dem „inneren Bereich des Verfassungslebens" zugeordnet, eine realistische Feststellung und keine umwälzende Neuorientierung von weitreichender rechtlicher Relevanz. Bereits G. Radbruch war „weiter", wenn er die Parteien i m Anschluß an G. Jellinek 353 — auf den sich das BVerfG auch stützt — als Kreationsorgan aller anderen Organe des Parteienstaates, als Staatsorgane bezeichnete 354 . Sicher nehmen die Parteien als multifunktionale Institutionen auch Staatsaufgaben w a h r 3 5 5 , sie haben aber auch gewichtige Funktionen außerhalb der staatlichen Institutionen zu erfüllen. Daher erscheint der Status des Öffentlichen 356 für die Kennzeichnung der Parteien am sachgerechtesten. Über den Status des Öffentlichen sind Volk und Staat durch die Parteien einander zugeordnet. Dabei darf die punktuelle Staatsintegration der Parteien ebensowenig ignoriert werden, wie ihre Verwurzelung i n der Gesellschaft 357 . Es geht nicht u m die Trennung jener Bereiche, sondern u m ihre Zuordnung i m demokratischen Gemeinwesen. Ebenso wie es verfehlt wäre, aus dem Rechtsbegriff des Parteienstaates alle von den Parteien ausgehenden soziologischen Bindungen als rechtliche Verpflichtungen ableiten zu wollen 3 5 8 , ist es andererseits unzulässig, alle Rechtsbeziehungen auf ein juristisches Trennungsdog352

So aber E. Stein , Lehrbuch des Staatsrechts, S. 160; F. Giese, AöR 80 (1955/56), S. 377 ff.; H.-Y. Kay , Die innere Ordnung der politischen Parteien, S. 52 f. 353 Vgl. seine: Allgemeine Staatslehre, S. 545 f. 354 I n : Die politischen Parteien i m System des Verfassungsrechts, S. 288, 290; zit. i n BVerfGE 1, 208 (225). 355 Z. B. über ihre Fraktionen, die T e i l der „organisierten Staatlichkeit" sind oder bei der A b h a l t u n g von Wahlen die Kandidatenaufstellung u n d die materielle Durchführung der W a h l (Wahlkampf). ff. P. Bull , Die Staatsauf gaben nach dem GG, S. 365 f., bezeichnet die Durchführung von Wahlen zu den Parlamenten — i n Anlehnung an das B V e r f G (E 8, 51 [63]; 20, 56 [113]) — als Staatsaufgaben u n d erkennt an, daß die Parteien hierfür zumindest die „Vorarbeit" leisten, „der Staat ist nicht mehr der Alleinakteur", ohne daraus allerdings die Konsequenz zu ziehen, daß die Parteien damit eine staatliche Aufgabe erfüllen. Er konzediert jedoch, daß sie „eine Bedingung dafür setzen, daß der Staat seiner Verfassung gerecht werden k a n n " (S. 366) u n d begründet damit die Zulässigkeit der Wahlkampfkostenerstattung. 358 Grundlegend: K . Hesse, V V D S t R L 17 (1959), S. 39 ff.; s. auch U. Scheuner , D Ö V 1958, S. 642. 357 Sie darf trotz der notwendigen Erschließung der staatlichen Dimension der Parteien nicht aufgegeben werden! Z u weitgehend i n diesem Sinne: J. H. Kaiser , Die Repräsentation organisierter Interessen, S. 238, nach dem die Parteien „aus der Region der nicht-staatlichen Gesellschaft abgewandert u n d zu Trägern der staatlichen Herrschaft zu Teilhabern der staatlichen Macht geworden" sind. 358 G. Radbruch , Die politischen Parteien i m System des deutschen Verfassungsrechts, S. 292.

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ma zu reduzieren. Selbst wenn man anerkennt, daß die Parteien „mehr faktisch als rechtlich" in den Staatsapparat eingefügt sind 3 5 9 , so bedarf es gerade der Auf- und Ausarbeitung jener rechtlichen Inkorporation. Denn die Parteien erfüllen auch den Bereich institutionalisierter Staatlichkeit mit Leben. „Sie wirken nicht lediglich ,in diesen Bereich hinein', denn eine solche Vorstellung würde diesem eine Eigenständigkeit und eigenes Interesse zubilligen, die i h m nicht zukommen 3 6 0 ." Unter dem Vorbehalt einer jeweils differenzierenden Betrachtung kann daher zu dem Problem Parteien und Staat gesagt werden, daß die Parteien i m Parteienstaat des GG alle Organe der institutionalisierten Staatlichkeit durchdrungen haben und sich immer wieder selbst dort begegnen 361 . Der juristischen Qualifikation des Verhältnisses von Parteien und Staatlichkeit 3 6 2 i m einzelnen steht m i t der Überwindung des Trennungsschemas nichts i m Wege. Die Diskussion u m ein freies oder imperatives Abgeordnetenmandat ist durch das unversöhnliche Entweder-Oder ebenso i n eine Sackgasse geraten, wie die auf den gleichen Denkvoraussetzungen basierende Kontroverse um eine repräsentative oder plebiszitäre Demokratiekonzeption. So wie das freie Mandat historisch auf der liberalen Repräsentationstheorie beruht 3 6 3 , ist auf der anderen Seite das plebiszitäre Demokratiemodell m i t dem imperativen Mandat gekoppelt 3 6 4 . Aus der Einsicht, daß i m GG repräsentative und plebiszitäre Demokratieelemente kombiniert sind und sich gegenseitig ergänzen, können auch neue Argumente für die Diskussion um die Qualität des Abgeordnetenmandats gewonnen werden, jedenfalls ist ein idealtypisch freies oder imperatives Mandat nach dem GG ausgeschlossen. Es genügt nicht, allein unter Berufung auf A r t . 38 I 2 GG ein rigoros freies Mandat begründen zu wollen. Diese Vorschrift bestimmt zwar unmißverständlich, daß der Abgeordnete während der Dauer seines Mandats frei von rechtsverbindlichen und einklagbaren Aufträgen und 859 R. Herzog, JuS 1969, S. 400, der auch nach Erlaß des PartG ein Übergewicht des Faktischen sieht. 300 H. Harnischfeg er, Planung i n der sozialstaatlichen Demokratie, S. 66. 361 H. J. Varain, PVS 1964, S. 342; vgl. auch W. Weber, Spannungen u n d K r ä f t e i m westdeutschen Verfassungssystem, S. 42: „Die politischen Kräfte, die sich Legislative u n d Exekutive gleichermaßen zugängig gemacht haben, drängen i n der D y n a m i k moderner Massendemokratie dahin, keinen Bereich auszulassen, auch den der Justiz nicht." 382 E. Stein, Lehrbuch des Staatsrechts, S. 165, versteht es als „parteienrechtlicher, nicht verfassungsrechtlicher" Natur, „eine A r t Naturalobligationen". 383 W. Rudzio, R u G 1972, S. 206; W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 95. 384 F. Morstein-Marx, AöR 50 (1926), S. 439 ff. — Von dieser tradierten Alternative geht auch W. Henke, DVB1. 1973, S. 559 aus.

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Weisungen ist; doch w i r d die rechtliche Ausgestaltung des Bundestagsmandats nicht allein durch A r t . 38 GG bestimmt 3 6 5 . Sie steht i m K o n text weiterer auch plebiszitärer Aspekte i n anderen Rechtsnormen, die durchaus eine gewisse Bindung des Mandats zur Folge haben. Z u nennen sind hier A r t . 21 GG, das PartG u n d das A r t . 38 GG konkretisierende BWahlG. Daraus folgt, daß die Bewerber u m ein Bundestagsmandat keineswegs so ungebunden sind, wie es die D o k t r i n vom freien Mandat behauptet. Die Kandidaten sind regelmäßig Parteimitglieder und somit rechtlich auf Satzung und Grundsätze 366 der Partei festgelegt 3 6 7 . Das satzungsmäßige Verbot der gleichzeitigen Mitgliedschaft i n anderen Parteien oder bestimmten politischen Gruppen 3 6 8 schränkt i h ren politischen Handlungsspielraum weiter ein. Die inhaltlichen B i n dungen m i t denen die Partei und der Kandidat den Wahlkampf bestreitet, bestehen für den Bewerber auch dann weiter, wenn er gewählt w i r d und sein Mandat annimmt 3 6 9 . Die Parteikandidaten sind und bleiben auch als Abgeordnete Exponenten einer Partei. Abgeordnetenmandat und Parteizugehörigkeit sind i n ihrer verfassungsrechtlichen Funktion verbunden 3 7 0 . Die Rechtsordnung kennt nicht den freien A b geordneten auf der einen und den Abgeordneten als Parteimitglied auf der anderen Seite, sie sieht vielmehr die Parteibindung auch für den Abgeordneten als rechtserheblich an 3 7 1 . Der Abgeordnete ist Vertreter des Volkes als Mitglied einer Partei 3 7 2 . Natürlich kann er während der Legislaturperiode gegen den erklärten Willen von Partei und 365

W. Kewenig, Problematik des A r t i k e l s 38 GG, S. 114. H. Martens, DVB1. 1965, S. 865: Parteiprogramm als „Basis der p o l i t i schen Anschauungen" des Kandidaten. 367 Dies folgt i m Umkehrschluß aus § 10 I V PartG, wonach ein P a r t e i m i t glied n u r dann ausgeschlossen werden kann, w e n n es u. a. diese gemeinsame Basis aller Parteimitglieder mißachtet. 368 Vgl. § 6 I , I I SPD-Statut; § 12 Nr. 1, 2 C D U - S t a t u t ; § 2 I I I F.D.P.-Satzung. 389 Dies dient nicht zuletzt dem Schutz des Wählerwillens, vgl. R. Arndt, Die neue Gesellschaft, 1974, S. 212. Das Parlamentsmandat ist eine konkrete Beauftragung v o n Partei u n d Abgeordneten zur Durchführung der p r o grammierten Parteipolitik (vgl. dazu H. Flohr, Parteiprogramme i n der Demokratie); der Wähler „schließt aus der Parteizugehörigkeit des Kandidaten auf die Grundlinien von dessen politischer Uberzeugung", so M. Kriele, ZRP 1971, S. 100. 370 F. F. Siegfried, ZRP 1971, S. 10. 371 Vgl. z. B. A r t . 53 a I GG, sowie § 10 I GeschOBT, wonach die Fraktionen als Vereinigungen v o n Abgeordneten definiert sind, „die derselben Partei . . . angehören"; s. auch den Bezug auf die Parteien bei der Besetzung der Ausschüsse (§ 60 I 2 GeschOBT). — Durch innerparteiliche Entscheidungen werden die Mandatsträger allerdings n u r i n ihrer Eigenschaft als Parteimitglieder rechtlich gebunden, s. auch P. v. Oertzen, FR v o m 26.1.1974, S. 6. 372 F. Schäfer, Überlegungen zu A r t . 38 GG, S. 122. 366

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Fraktion stimmen 3 7 3 oder diese verlassen und sich der beschriebenen Bindungen entledigen 3 7 4 . Doch ist diese Ausnahmekonstellation entweder das Ende einer Politikerkarriere 3 7 5 oder nur der Wechsel zu einer anderen Partei und damit zu neuen Bindungen. Daraus folgt bereits auf dieser Ebene des normativen Befundes, daß das i m Grundsatz freie Mandat des Abgeordneten eben doch nicht so frei ist, wie es die verklärte Tradierung liberaler Theorie fordert. Art. 38 I 2 GG wird modifiziert und konkretisiert durch den normativen Kontext, in dem er steht. Er schützt „das freie Mandat des parteigebundenen Abgeordneten"* 76. Aus der „Parteibezogenheit" (P. Badura) des Abgeordnetenmandates folgt, daß das Verhältnis des Abgeordneten gegenüber seiner Partei und Fraktion „anders zu fassen ist, als gegenüber sonstigen außerparlamentarischen Einwirkungen auf das Mandat" 3 7 7 . Die i n A r t . 21 I 3 GG gebotene demokratische innerparteiliche Ordnung erschöpft sich nicht i n der Wahl der Parteiorgane und der Kandidatenaufstellung zu staatlichen Wahlen. M i t dem Parteiprogramm und konkreten Beschlüssen werden innerparteilich politische Zielvorstellungen und aktuelle Forderungen verabschiedet. Die Stellung des Abgeordneten kann nicht ohne die Berücksichtigung der Funktion der Parteien verstanden werden 3 7 8 . Es bedarf wegen des klaren Wortlauts von A r t . 38 I 2 GG keiner Begründung, daß diese Inhalte der Parteipolitik die Abgeordneten rechtlich nicht binden 3 7 9 ; ihre Formulierung 373 So hat das Kammergericht B e r l i n entschieden (16 U 1070/70 — u n v e r öffentlicht), daß eine v o m Parteiauftrag aus Gewissensgründen abweichende Entscheidung des Abgeordneten nicht m i t innerparteilichen Strafen (dazu gehört nicht die Nichtwidernominierung) geahndet werden kann, vgl. dazu A. Doherr, FR v o m 19.12.1972, S. 3. 374 Z u m Problem der Mandatsmitnahme bei Partei- oder Fraktionswechsel s. 2. Teil I I . 6. Kandidatenaufstellung. 375 T. Ritterspach, Die Stellung der politischen Parteien i n der Verfassung, S. 40. 376 P. Badura, B K Zweitbearbeitung, A r t . 38 Rdnr. 70. 377 P. Badura, B K Zweitbearbeitung, A r t . 38, Rdnr. 72; zu ähnlichem E r gebnis hinsichtlich der W i r k l i c h k e i t k o m m t T. Ritterspach, Die Stellung der politischen Parteien i n der Verfassung, S. 40. 378 K . Hesse, Grundzüge, S. 238. 379 Ohne rechtliche aber sicher von faktischer Bindungswirkung ist z.B. der Beschluß des Lübecker SPD-Parteitags, wonach die Bürgerschaftsfrakt i o n i n allen personellen u n d sachlichen Fragen, die der Kreisparteitag bzw. Kreisvorstand an sich zieht, an die Beschlüsse der Parteiorgane gebunden ist, zit. nach H. Bilstein / H. Hohlbein / H.-U. Klose, Jungsozialisten — Junge U n i o n — Jungdemokraten, S. 37; ebenso: die Parteibeschlüsse u n d i h r V o l l zug i m „ F a l l L i t t m a n n " , s. dazu U. Bermbach, ZParl. 1970, S. 342 ff. sowie S. Streeck/W. Streeck, Parteiensystem u n d Status quo, S. 108 ff.; der Beschluß des nordrhein-westf. SPD-Landesausschusses, i n dem die SPD M i n i ster aufgefordert werden, vor wichtigen Entscheidungen die wesentlichen Parteigremien zu konsultieren, s. dazu H. Suhrbier, FR v o m 31.8.1973, S. 1; die satzungsrechtlich verankerte Kompetenz des Frankfurter SPD-

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ist aber auch nicht ausgeschlossen380 und die Abgeordneten sind nicht gehindert, sich daran gebunden zu fühlen 3 8 1 . Trotz der Weisungsfreiheit besteht ein rechtlich determiniertes A b hängigkeitsverhältnis zwischen der Partei und ihren Abgeordneten, das die Umsetzung der Parteipolitik i n die Politik der Staatsorgane gewährleistet. Diese Bindungen erzeugen die Bestimmungen des BWahlG über die Kandidatenaufstellung. Die Kandidatenaufstellung ist „eine der wichtigsten Brücken zwischen Parteien und Staatsorganisation" 3 8 2 . Da es allein bei den zuständigen Parteigremeien liegt, ob ein Bewerber als Direkt- oder Listenkandidat nominiert wird, werden i n der Regel nur solche Parteibürger aufgestellt, deren Verhalten i n der Vergangenheit gezeigt hat, daß sie die Parteilinie vertreten. Als gewählte Abgeordnete könnten sie sich zwar anders verhalten, doch droht bei Mißachtung des Parteiwillens die Nichtwiedernominierung als Kandidat; eine oft auch existentielle Alternative 3 8 3 , die sich nur wenige Abgeordnete „leisten" können. Dies läßt ihre mögliche Verselbständigung gegenüber der Partei i n der Regel nicht praktisch werden. So kommen die Beschlüsse der Parteipolitik zwar nicht als imperative Weisungen, aber doch als influenzierende Direktiven i n der Politik der Staatsorgane kontinuierlich zum Tragen. Die Parteibürger sind also nicht darauf beschränkt, ihre Interessen und konkreten Partizipationsbegehren durch den „Flaschenhals" der periodischen Kandidatennominierung zu zwängen 3 8 4 . Daher läßt sich das Abgeordnetenmandat im Parteienstaat des GG weder als freies noch als imperatives, sondern als influenzierendes Mandat 385 begreifen. Parteitags, politische Richtlinien f ü r die A m t s - u n d Mandatsträger zu v e r abschieden, s. dazu R. Voss, FR v o m 7. 5.1973, S. 13; der Beschluß des Offenbacher SPD-Parteitages, die SPD-Stadtverordneten seien an das Parteitagsv o t u m bei der Besetzung von Magistratspositionen gebunden, s. FR v o m 24.9.1973, S. 13. — s. auch die Beispiele i n : Der Spiegel, Nr. 26/1973, S. 25 ff. sowie bei H. Rausch, ZParl. 1973, S. 311 ff. 380 K. Voigt , i n : R. A r n d t / K . Voigt, Die neue Gesellschaft, 1974, S. 208. 381 C. Böckenförde , R u G 1972, S. 200. — Selbstgewählte Bindungen sind nach A r t . 38 I 2 GG nicht ausgeschlossen, aber auch jederzeit ohne u n m i t t e l bare rechtliche Folgen aufhebbar, vgl. H. Martens , DVB1. 1965, S. 866; ähnlich P. Badura, B K Zweitbearbeitung, A r t . 38 Rdnr. 47. 382 W. Henke , D Ö V 1958, S. 650. 383 U. Bermbach , ZParl. 1970, S. 355; H. Dichgans, Bericht, S. 107 f. — Die Altersversorgung der Abgeordneten setzt mindestens achtjährige Parlamentszugehörigkeit voraus (vgl. § 5 I BDiätenG). Der Abgeordnete muß also mindestens einmal wiederaufgestellt werden, u m aus seiner Tätigkeit eine Altersversorgung zu erhalten. 384 S. u n d W. Streeck, Parteiensystem u n d Status quo, S. 51 behaupten, u m ihre Grundthese von der partizipations- u n d innovationsfeindlichen S t r u k t u r des Parteiensystems zu untermauern. 385 Bekannt ist der Begriff influenzierender E i n w i r k u n g e n aus dem Bereich ökonomischer Planung.

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1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

Die Beeinflussung der Entscheidungen von Abgeordneten und Fraktion durch die Parteipolitik ist sowohl rechtlich intendiert (ausdrücklich i n § 1 I I PartG) als auch real praktiziert. Die Abgeordneten arbeiten als Parteimitglieder oder -funktionäre an der Parteiwillensbildung mit, sie nehmen i n Personalunion Partei- und Staatsämter w a h r 3 8 6 . Aus dem Zusammenspiel aller Faktoren folgt die grundsätzliche Kongruenz des politischen Wollens der Partei und des Handelns der Abgeordneten, wobei noch Raum für Kompromisse i m Parlament bleibt 3 8 7 . Dam i t sind die Voraussetzungen einer effektiven Partizipation der Parteibürger gegeben, Parteibeschlüsse sind keine politischen Sandkastenspiele, sondern von Influenz auf die Politik der Staatsorgane. I m Parteienstaat des GG sind parteipolitische Partizipationsbegehren nicht mehr folgenlos. Das Verhütungsmittel eines freien Abgeordnetenmandats als Damm gegen Beteiligung des Volkes an der Ausübung der Staatsgewalt ist durch das influenzierende Mandat ersetzt. Nur so kann die partizipatorische Funktion des A r t . 21 I 3 G G 3 8 8 verwirklicht werden: Zunächst ist das Zustandekommen demokratischer Entscheidungen innerhalb der Parteien zu sichern, und i n der Folge ist für die Beachtung dieser Beschlüsse durch die Adressaten zu sorgen. Die von den Parteiführungen m i t Nachdruck verteidigte „Unabhängigkeit" der Mandatsträger scheint dazu zu dienen, „ein durch die Führungsstäbe der Parteien praktisch geübtes imperatives Mandat gegenüber Wählern und Mitgliedern zu verschleiern" 3 8 9 . Das partizipatorische Problem besteht deshalb darin, den parteipolitischen Einfluß auf die Staatsorgane auch zum Einfluß der Parteibürger werden zu lassen und nicht nur der Parteielite vorzubehalten, die i n Personalunion Staatsämter wahrnimmt, sich also insoweit „selbst influenziert". Die Weisungsfreiheit des Abgeordnetenmandats w i r d oft m i t dem Hinweis darauf betont, daß der Abgeordnete nur so die innerparteiliche Diskussion vorantreiben und den Kampf um die innerparteilichen Führungspositionen aufnehmen könne. Nach dieser Auffassung w i r d deshalb durch A r t . 38 I 2 GG zugleich die innerparteiliche Demokratie mitgarantiert 3 9 0 . Die Begründung erscheint verblüffend, geht man da386 § 11 I I 1 P a r t G geht von einer selbstverständlichen Personalunion z w i schen Parteiführungsamt u n d Abgeordnetenmandat aus. 387 Z u r Weisungsfreiheit als Regulativ f ü r Kompromißfindung, vgl. C. Müller, Das imperative u n d freie Mandat, S. 213. 388 Näher dazu unten unter I I I . 1.: Demokratiebegriff des GG. 389 U. Bermbach, ZParl. 1970, S. 356, ähnlich S. 360. — Die drohende Machteinbuße der Parteihierarchie scheint ein G r u n d f ü r ihre allergischen Reaktionen auf Forderungen nach mehr Einfluß der Parteibasis auf die Abgeordneten zu sein. Allerdings ist auch die Basis vor Oligarchisierungstendenzen zu schützen. 390 O. Kirchheimer, AöR 79 (1953-54), S. 310 f., 315 f.; K . Hesse, W D S t R L 17 (1959), S. 31 f.; ders., Grundzüge, S. 240; W. Hennis, Verfassung u n d V e r -

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v o n aus, daß d e m o k r a t i s c h e W i l l e n s b i l d u n g a u f der G l e i c h h e i t a l l e r Beteiligten basiert; einer Gleichheit, die ohnehin faktisch k a u m zu erreichen ist u n d die n u n auch r e c h t l i c h d u r c h die B e v o r z u g u n g d e r A b g e o r d n e t e n z u r U n g l e i c h h e i t v e r k e h r t w i r d . D o c h s i n d h i e r verschiedene G e s i c h t s p u n k t e a u s e i n a n d e r z u h a l t e n : D i e Meinungsfreiheit für innerparteiliche A k t i v i t ä t e n i m oben genannten R a h m e n hat jeder A b geordnete als P a r t e i b ü r g e r o h n e h i n 8 9 1 , d a z u b e d a r f es n i c h t der R e k u r r i e r u n g a u f das f r e i e M a n d a t 3 9 2 . D o c h d i e n t die W e i s u n g s f r e i h e i t d e r Abgeordneten u n t e r einem anderen Aspekt i n der T a t der innerpart e i l i c h e n D e m o k r a t i e . D e r einzelne A b g e o r d n e t e i s t u n a b h ä n g i g geg e n ü b e r I m p e r a t i v e n d e r P a r t e i - u n d F r a k t i o n s h i e r a r c h i e , d i e auch k e i n e n n e n n e n s w e r t e n E i n f l u ß a u f seine W i e d e r a u f s t e l l u n g h a t , d a d u r c h e n t s t e h t eine V e r b i n d u n g zwischen d e n A b g e o r d n e t e n u n d d e n unteren Parteiebenen398. Das so v e r s t a n d e n e f r e i e M a n d a t v e r h i n d e r t also i m K o n f l i k t f a l l W e i sungen d e r P a r t e i o l i g a r c h i e 3 9 4 . A r t . 38 I 2 G G ist i n s o w e i t als f u n k t i o n a l e S i c h e r u n g i n n e r p a r t e i l i c h e r D e m o k r a t i e anzusehen; er s o l l die fassungswirklichkeit, S. 8; P. Badura , B K Zweitbearbeitung, A r t . 38 Rdnr. 72; H. H. Klein , D Ö V 1972, S. 329; v. d. Heydte, Soziologie der deutschen Parteien, S. 196; G. Stuby, Staat 1969, S. 324; C. Böckenförde , R u G 1972, S. 200; ff.-J. Winkler , RuG 1972, S. 204; P. Haungs , ZParl. 1973, S. 509; W. Hennis , Die Rolle des Parlaments u n d die Parteiendemokratie, S. 117; ebenso w o h l auch G. Trautmann , ZParl. 1971, S. 68, der von einer Stärkung des Einflusses des Abgeordneten „ i n den parteienstaatlichen Willensbildungs- u n d Entscheidungszentren" spricht; W. Kewenig , Problematik des A r t . 38 GG, S. 111, sieht i h n als M i t t e l zur A b w e h r „totaler Herrschaft des eigenen Parteiapparates"; G. Leibholz , Strukturwandel, S. 117, schreibt A r t . 38 die Bedeutung zu, „gewisse äußerste Konsequenzen des Parteienstaats abzuwehren"; diese F o r mulierung findet sich auch bei T. Ritterspach , Die Stellung der politischen Parteien i n der Verfassung, S. 41; G. Lintz, Die politischen Parteien i m Bereich der kommunalen Selbstverwaltung, S. 71; H.-J. Rinck , Der verfassungsrechtliche Status der politischen Parteien, S. 318; anders W. Abendroth, Innerparteiliche u n d innerverbandliche Demokratie, S. 283, er sieht i m freien Mandat eine Chance f ü r die Parteigründungsfreiheit (Art. 21 I 2 GG), da „dem von seiner früheren Partei divergierenden Abgeordneten die Möglichkeit parlamentarischer Tätigkeit u n d damit öffentlichen Gehörs" erhalten bleibe. 891 Z u r innerparteilichen Meinungsfreiheit s. unten 2. T e i l I I . 3.: Willensbildung. 392 v. d. Heydte, Soziologie der deutschen Parteien, S. 196, sieht daher die Rechte, die A r t . 21 I 3 G G „ a n sich schon jedem M i t g l i e d zusichert", „durch A r t . 38 dem Abgeordneten nochmals verfassungsmäßig gewährleistet". — Wenn m a n allerdings w i e K . Hesse, W D S t R L 17 (1959), S. 33, die i n nerparteiliche Meinungsfreiheit n u r „bis zur Beschlußfassung" über eine Frage gewährleistet sieht, ist es — u m einer Erstarrung des innerparteilichen Meinungsbildes vorzubeugen — konsequent, wenigstens dem Abgeordneten das Recht zur Innovation einzuräumen. 393 B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 110. 394 G. Stuby, Staat 1969, S. 324; G. Trautmann, ZParl. 1971, S. 68f.; P. Badura, Bonner Kommentar, A r t . 38 A n m . 72.

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direkte Teilhabe der Parteibasis fördern und gegen Einflüsse der Führung absichern. Das freie Mandat ist deshalb auch i m Parteienstaat nicht „völlig sinnlos geworden" 3 9 5 , es ist keine Schranke gegenüber demokratisch legitimer Mitentscheidung der Parteibürger 3 9 6 . Der Schutz des Abgeordneten gegenüber dem bestimmenden Druck von „oben", beläßt i h m den sonst von den Führungsgruppen okkupierten Entscheidungsspielraum und ermöglicht i h m erst, bei seinen Entscheidungen die influenzierenden Direktiven der Parteiwillensbildung — von „unten" — zu beachten. Wenn der Berufspolitiker heute bei der großen Mehrzahl seiner Entscheidungen gar nicht selbst entscheiden kann, sondern die Verantwortung dafür andern überlassen muß 3 9 7 , so liegt es i m Sinne der auf influenzierende Partizipation abzielenden innerparteilichen Demokratie, daß sich die Abgeordneten i n diesen Fällen an vorliegenden Parteibeschlüssen orientieren und nicht an den Empfehlungen der Parteielite. Die aufgezeigte Modifizierung des Abgeordnetenstatus bezieht sich nur auf das Bundestagsmandat; denn einmal gilt A r t . 38 I GG nur auf Bundesebene 398 u n d zum andern regelt das BWahlG nur die Beziehungen zwischen den Parteien und ihren Kandidaten i m Bundesparlament. Trotzdem lassen sich ähnliche Folgerungen auch für die LänderParlamentarier wegen A r t . 28 I GG und analogen Bestimmungen i n den Landesverfassungen und den LänderwahlG ziehen. Inwieweit i n den Kommunen das plebiszitäre Element noch weiter verstärkt w i r d und sich das influenzierende Mandat des Volksvertreters imperativen Formen annähert, ist ein Problem des A r t . 28 I 2 G G 3 9 9 und der Kommunalverfassungen der Länder. Der Entwicklung i n diese Richtung steht jedenfalls vom GG her nichts entgegen 400 . 395

So aber K . Loewenstein, J Z 1972, S. 352. W. Rudzio, R u G 1972, S. 209. 897 F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 59; B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 92; C. Böckenförde, R u G 1972, S. 201; s. auch die demonstrative E r k l ä r u n g des M d B H. Collet, Verhandlungen des dt. Bundestages, 6. Wahlperiode, 115. Sitzung v o m 28. 4.1971, Stenographische Berichte, Bd. 76, S. 6762: „ . . . m a n verläßt sich eben auf die Fachleute der Fraktion." 398 BVerfGE 11, 266 (273). 396

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A r t . 28 I 3 GG, der die Gemeindeversammlung anstelle der Gemeindevertreterversammlung zuläßt, k a n n als Indiz f ü r eine von der Verfassung intendierte mehr plebiszitäre Ausrichtung des Kommunalbereichs gewertet werden. — Anders O. Gönnenwein, Gemeinderecht, S. 261, A r t . 28 I 2 GG soll die Landesgesetzgeber verpflichten, die Gemeindevertreter den Parlamentsabgeordneten gleichzustellen. 400 Anders G. Lintz, Die politischen Parteien i m Bereich der kommunalen Selbstverwaltung, S. 72 ff. (78), der enge Zusammenhang von Partei u n d Mandat auf Bundesebene soll i m Kommunalbereich „durch das Wesen der Selbstverwaltung" gelockert sein, da A r t . 28 I I GG den Parteien „gewisse Handlungsgrenzen u n d -einschränkungen" setze (S. 82).

2. Parteien u n d organisierte Staatlichkeit

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Die Funktion des influenzierenden Abgeordnetenmandats, das die Ergebnisse der innerparteilichen Willensbildung über die Person des einzelnen Abgeordneten ins Parlament eingehen läßt, steht i m Kontext der gemeinsamen organisatorischen Handlungseinheit aller Abgeordneten einer Partei, der Fraktion. Das Verhältnis von Partei und Fraktion w i r d einerseits bestimmt durch die Summe der Beziehungen zwischen Partei und Abgeordneten. Als Suborganisation des Parlaments m i t eigenen Rechten ausgestattet, stellt die Fraktion zugleich einen eigenständigen politischen Faktor dar, der die Influenzierung der Staatsorgane durch die Parteipolitik fördern oder hemmen kann. So kann z. B. die Fraktionsdisziplin als Instrument zur Bindung der Abgeordneten an Parteibeschlüsse, aber auch als reines Herrschaftsinstrument der Fraktionsführung angewandt werden. Ein Problem des A r t . 21 I 3 GG und somit der innerparteilichen Demokratie ist es, inwieweit diese Verfassungsbestimmung Auswirkungen auf Status und Funktion der i m GG jetzt beiläufig erwähnten 4 0 1 Fraktionen hat. Die enge personelle 402 und sachpolitische Verflechtung zwischen den Parteien und ihren Fraktionen bieten gute Voraussetzungen für die Transformation von Beschlüssen der Parteipolitik ins Parlament. Kontroverse Standpunkte von Partei und Fraktion sind höchst seltene Ausnahmen 4 0 3 und bestätigen als solche den obigen Befund. So ist der Qualifizierung der Fraktion als Teil der Partei 4 0 4 unter dem Vorbehalt zu401 402

Vgl. A r t . 53 a GG. s. dazu R. Wildenmann,

Partei u n d Fraktion, Tabellen i m Anschluß an S. 151. 403 Dies w i r d auch dadurch bestätigt, daß m a n ein spektakuläres Beispiel immer wieder zitiert findet: Die SPD-Fraktion i m bad.-württ. Landtag beschloß die Fortsetzung der großen K o a l i t i o n m i t der CDU, obwohl auf der vorhergehenden Landesdelegiertenkonferenz i n K e h l ein Beschluß gegen diese K o a l i t i o n gefaßt wurde (vgl. dazu F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 89 f.; G. Stuby, Staat 1969, S. 304; E. Friesenhahn, Parteien, S. 16 A n m . 28; V. Oerter, Rechtsfragen des Verhältnisses zwischen politischen Parteien u n d ihren Sonder- u n d Nebenorganisationen, S. 27 Anm. 2). Dieser „ F a l l " ist nicht einmal ein gutes Beispiel f ü r Dysfunktionalitäten i m V e r hältnis zwischen Partei u n d Fraktion, sondern mehr f ü r Mängel der parteipolitischen Willensbildung, denn die Landtagsfraktion handelte i m E i n v e r nehmen m i t dem Landes- u n d Bundesvorstand der Partei. 404 R. Wildenmann, Partei u n d Fraktion, S. 158; O. Kirchheimer, AöR 79 (1953/54), S. 318; G. Eisermann, Gewerkschaftliche Monatshefte 1953, S. 74; C. Sasse, JZ 1961, S. 724; T. Ritterspach, Die Stellung der politischen Parteien i n der Verfassung, S. 40; H. Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, S. 183, der jedoch gleichzeitig f ü r eine strenge organisationsrechtliche Trennung e i n t r i t t ; nach dem BVerfGE 20, 56 (104), sind Fraktionen sowohl Teile des Bundestages als auch „Teile" einer politischen Partei. — Anders etwa H.-J. Moecke, N J W 1965, S. 276 ff., 567 ff., sowie D Ö V 1966, S. 162 ff., der die Fraktionen als selbständige „öffentlichrechtliche Vereine" qualifiziert. — Nach W. Henke, das Recht der politischen Parteien, S. 145 f., ist die F r a k t i o n n u r T e i l des Parlaments, „die Partei i m Parlament".

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zustimmen, daß sie zwar nicht organisatorisch i n sie eingegliedert, aber doch rechtlich und tatsächlich m i t ihr eng verbunden ist 4 0 5 . Für die Fraktionen ist nach dem GG, der GeschOBT und den Fraktionssatzungen eine Sonderstellung begründet, die vom PartG nicht mehr erfaßt w i r d ; doch ist z. B. auch der Komplex der Kandidatenaufstellung rechtstechnisch nicht i m PartG geregelt (vgl. § 17 PartG), trotzdem gehört er sachlich zum Parteienrecht, ist innerparteiliche Angelegenheit. Die Parteifraktion ist eine Konsequenz der Parteiendemokratie 4 0 6 , ihre Sonderstellung führt aber keineswegs zum „Primat der Fraktion" 4 0 7 , oder zu uneingeschränkter Fraktionsautonomie. Trotz der zum Parlamentsrecht gehörenden organisatorischen Besonderheiten der Fraktionen stehen auch sie i m funktionalen Regelungsbereich des A r t . 21 GG 4 0 8 . Diese Funktionalität w i r d beeinträchtigt, wenn man etwa nur A r t . 21 I 3 GG auf die Fraktionen entsprechend anwendet 4 0 9 oder aus A r t . 21 GG nur die Kompetenzen des Ältestenrates begründet 4 1 0 und nicht die Fraktionspolitik i n den Zusammenhang m i t der innerparteilichen Demokratie stellt 4 1 1 . Erst das beschriebene influenzierende Mandat, ausgeübt i m Rahmen der Parteipolitik, schließt die Lücke i m demokratischen Willensbildungsprozeß des Parteienstaates. Für die Parteifraktion als parlamentarische Organisation des Parteiabgeordneten ist — ebenso wie für den einzelnen Mandatsträger — die von den Willensbildungsorganen der Partei beschlossene Politik influenzierend. Nach § 29 a) des CDUStatuts sollen die Beschlüsse des Bundesparteitages für die CDU-Fraktionen i n Bund und Ländern sogar „verbindlich" sein. Solche Deklarationen scheinbarer Effizienz der innerparteilichen Willensbildung sind jedoch solange irreführend, wie keine plebiszitäre Willensbildung i n der Partei stattfindet und die Fraktions- m i t der Parteioligarchie iden405 So gehören die Spitzenparlamentarier zu den ex-officio Mitgliedern der höheren Parteiorgane, vgl. § 28 I 3., 4. Organisationsstatut der SPD; § 29 b) Abs. 3, § 33 c) C D U - S t a t u t ; § 16 I 2 b), I I 2. F.D.P.-Satzung. 406 W.-D. Hauenschild, Wesen u n d Rechtsnatur der parlamentarischen Fraktionen, S. 187. 407 Dies ist die durchgängige These von ff. Nowka, Das Macht Verhältnis zwischen Partei u n d F r a k t i o n in der SPD. 408 £ Friesenhahn, Parteien, S. 15 f., zählt zwar die Rechtsverhältnisse der Fraktionen zum Parlamentsrecht, doch argumentiert er auch i n diesem Z u sammenhang m i t A r t . 21 GG (S. 16 A n m . 29). 409 So W.-D. Hauenschild, Wesen u n d Rechtsnatur der parlamentarischen Fraktionen, S. 200; E.-M. Werberger, Die staatsrechtliche Stellung der B u n destagsfraktion, S. 172; E. Forsthoff, Parteien, S. 24. 410 So ff. Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, S. 116. 411 So fehlt z.B. bei ff. Nowka, Das Machtverhältnis zwischen Partei und F r a k t i o n i n der SPD, eine Erörterung der Fraktionsmacht unter dem Gesichtspunkt der innerparteilichen Demokratie.

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tisch ist. Die immer wieder festgestellte Dominanz der Fraktionshierarchie gegenüber der Parteibasis 412 darf nicht durch Formeln wie „ P r i mat der Fraktion" (H. Nowka) legitimiert werden. Komplexe Partizipationsabläufe, wie die politische Willensbildung des Volkes i m Parteienstaat, müssen auf allen Ebenen funktionieren, u m die gestellten Anforderungen zu erfüllen. Es gilt, die Macht der Partei- und Fraktionsführung der Partizipation der Parteibürger zu eröffnen, denn letztlich ist die Partei — das Kreationsorgan der Fraktion — die stärkere Organisation 413 , der über die Kandidatennominierung i m K o n f l i k t fall effektive Disziplinierungsmittel zur Verfügung stehen. Ebenso influenzierend wie gegenüber Abgeordneten und Fraktion ist das Verhältnis der Partei zur Regierung. Die Parteiaktivitäten bei der Kabinettsbildung verlaufen innerhalb des verfassungsrechtlichen Funktionsbereichs der Parteien 4 1 4 . Koalitionsabsprachen z. B. sind zwischenparteiliche Vereinbarungen, die Parteien die „wirklichen" Partner solcher Abkommen 4 1 5 . Wenn der Bundeskanzler nach A r t . 63 GG auf Vorschlag des Bundespräsidenten ohne Aussprache vom Bundestag gewählt wird, so erfolgen die notwendigen Vorverhandlungen i n anderen Gremien. Nach der parteienstaatlichen Verfassung ist hier A r t . 21 GG einschlägig, denn es werden dem Vorschlag des Bundespräsidenten stets Verhandlungen m i t den politischen Parteien 4 1 6 sowie innerhalb und zwischen denselben vorausgehen. M i t der Regierungsbildung endet jedoch keineswegs der Einfluß der Mehrheitspartei oder Koalitionsparteien auf die Regierung. Nach U. Scheuner setzen A r t . 65 4 1 7 und 68 GG voraus, „daß dem führenden Parteigremium oder einer Parteikoalition die aktuelle politische Direktion des Ganzen übertragen w i r d " 4 1 8 . Wenn die Betonung auf „aktuell" liegt, so ist damit gleichzeitig gesagt, daß die grundsätzlichen Direktiven nicht von dem „führen412

Vgl. H. Soell, PVS 1969, S. 627 ff. m i t weiteren Nachw. G. Leibholz, DVB1. 1951, S. 7; ähnlich A. Schule, Koalitionsvereinbarungen i m Lichte des Verfassungsrechts, S. 33. 414 Bericht der Parteienrechtskommission, S. 128 f.; T. Maunz, i n : M a u n z / D ü r i g / Herzog, GG, Rdnr. 14 zu A r t . 21 GG; XJ. Scheuner, D Ö V 1958, S. 644; C. Sasse, J Z 1961, S. 723; B G H Z 29, 187 (190). 415 So A. Schule, Die Koalitionsvereinbarungen i m Lichte des Verfassungsrechts, S. 33; zustimmend P. Häberle, ZfP 1965, S. 295; ähnlich K. Hesse, W D S t R L 17 (1959), S. 41; T. Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, GG, Rdnr. 98 zu A r t . 21 GG; C. Sasse, J Z 1961, S. 722, 724 f.; W. Kewenig, AöR 90 (1965), S. 185; W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 157; B G H Z 29, 187 (190). 416 H. v. Mangoldt/F. Klein, Das Bonner GG, Erl. I I I 1 a zu A r t . 63; C. Sasse, J Z 1961, S. 723. 417 y g i z u r Interpretation der Richtlinienkompetenz i m Rahmen der j e w e i ligen Parteikonstellation: W. Rudzio, ZParl. 1970, S. 216 ff. 413

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I n : Verantwortung u n d Kontrolle, S. 382.

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den Parteigremium", sondern von der Partei insgesamt ausgehen 419 . Funktionierende demokratische innerparteiliche Willensbildung impliziert also auch Partizipation der Parteibürger an der Regierungspolitik. Die an den genannten Beispielen deutlich gewordenen Konsequenzen der Verbindung von Parteien und organisierter Staatlichkeit sind weit vielgestaltiger und ermöglichen differenziertere Bewertungen, als dies die „glatte" Trennung beider Bereiche auch nur annähernd leisten konnte. I n der parteienstaatlichen Demokratie des GG „gibt es keine Regierung und Regierungsmehrheit über den Parteien, sind Verfassungsorgane keine von den Parteien abgeschirmte Instanzen" 4 2 0 . Das Hineinwirken der Parteien in die Staatsorgane gewinnt noch an Spannung und Komplexität aus der Tatsache, daß mehrere Parteien i m chancengleichen Wettbewerb um hoheitliche Macht stehen und auch innerhalb der Volksparteien ständig Kontroversen um die A r t der Wahrnehmung demokratisch legitimierter Herrschaft ausgetragen werden. Die Verringerung der Distanz zwischen Staat und Parteien muß zu einer Heranführung der Bürger an die verfaßten Organe der res publica führen, sie darf nicht zu einer Entfremdung von Parteien und Bürgern 4 2 1 sowie von Parteieliten und Parteibürgern treiben. Es handelt sich also keineswegs um ein alle Probleme lösendes harmonisches Zusammenspiel von Parteien und Staatsorganen, vielmehr werden über die Funktionen der Parteien die Interessenkonflikte innerhalb des Volkes von Fall zu Fall immer erneut ausgetragen. Instrument hierzu ist heute nicht mehr das Parlament, seine Funktion der diskutanten Gemeinwohlformulierung ist weitgehend i n die Parteien verlagert. Diese Öffnung der — einst abgekapselt und verselbständigten — staatlichen Willensbildung zu den Volksparteien und über sie zum Volk, erschließt die neue, parteienstaatliche Dimension der Demokratie. Legitimation hoheitlicher Macht ist nicht allein i n den periodischen Parlamentswahlen institutionalisiert, sie erfolgt ständig über die Parteien i n ihren Beziehungen zu den Staatsorganen. Dies zu akzeptieren bedingt auch, durch eine funktionierende innerparteiliche Demokratie dafür zu sorgen, daß die i m Parteienstaat gewachsene Parteienmacht eine freie, egalitäre Legitimation erhält. Die Ausgestaltung der innerparteilichen Demokratie steht i n diesem verfassungsrechtlichen Legitimationszusammenhang. Sie hat die Macht der Parteien zur Partizipationschance der Parteimitglieder und darüber hinaus des politisch 419 Dazu gehört z. B. auch die Entscheidung der Partei über die B i l d u n g oder Fortsetzung einer Koalition, die ggfs. auf einem außerordentlichen Parteitag gefällt werden muß. 420 W. Rudzio, ZParl. 1970, S. 220. 421 O. K. Flechtheim, ZfP 1962, S. 97.

3. Der Typus der Volksparteien

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engagierten Volkes zu erweitern; d. h. sie muß Partizipationsmechanismen zur effektiven M i t w i r k u n g des Volkes an der durch Parteipolitik erfolgenden aktuellen politischen Direktion des Ganzen 422 bereit halten. Erst m i t dem Zusammenwachsen von Staat und Parteien schafft die innerparteiliche Demokratie erhöhte Legitimation der Staatsgewalt durch verstärkte Partizipation der Bürger. 3. Der Typus der Volksparteien Die jeweiligen parteiinternen Verhältnisse dienen auch als Kriterien einer sozialwissenschaftlichen Typologisierung politischer Parteien 4 2 3 , wie umgekehrt der unter den Bedingungen eines konkreten Parteiensystems sich herausbildende Parteientypus die innere Parteiordnung prägt. Hier sollen nun nicht die verschiedenen Typologien referiert 4 2 4 oder gar eine neue entworfen werden. Es geht vielmehr darum, die i m bundesdeutschen Parteiensystem vorhandenen Typen normativ zu bewerten und ihre Implikationen für das Problem der innerparteilichen Demokratie aufzuzeigen. Obwohl das GG nicht auf den Typus der Volkspartei fixiert ist, nimmt er i n der weiteren Untersuchung den seiner tatsächlichen Relevanz entsprechenden Raum ein. Die heutigen Probleme der innerparteilichen Demokratie stellen sich i n Volksparteien. Gefahren aber auch Chancen und Möglichkeiten für eine effektive innerparteiliche Demokratie i m Rahmen dieses von der parlamentarisch-parteienstaatlichen Entwicklung kreierten Parteityps sind zu untersuchen. Realisierungs- und Optimierungskonzepte für das Verfassungsgebot aus A r t . 21 I 3 GG haben sich an der Realität des aktuellen Parteiensystems zu orientieren. Der Begriff Volkspartei 4 2 5 bezieht sich einmal auf das Verhältnis zwischen Parteien und Wählerschaft und bedeutet i n diesem Zusammenhang, daß trotz aller Interessengegensätze i n der Gesellschaft jene Parteien für alle gesellschaftlichen Gruppen wählbar und beitrittsfähig sein sollen. Ihre Wählerschaft und ihr Mitgliederreservoir umfaßt potentiell die gesamte Nation 4 2 6 . Sie haben i n ihren programmatischen 422 U. Scheuner, Verantwortung u n d K o n t r o l l e i n der demokratischen Verfassungsordnung, S. 382. 423 Vgl. etwa M. Hättich, Z u r Typologie politischer Parteien, S. 377, 397 ff. 424 Y g i die Einteilungen bei M. Duverger, Die politischen Parteien, S. 35 ff.; M. Beioff, Typologie der politischen Parteien, S. 331 ff.; M. Hättich, Z u r Typologie politischer Parteien, S. 375 ff.; O. Kirchheimer, PVS 1965, S. 20 ff. 425 Näher dazu O. Kirchheimer, PVS 1965, S. 27 ff., der auch von „ A l l e r weltsparteien" (catch-all-party) spricht; weitere Bezeichnungen desselben Typus: H. J. Varain, Parteien u n d Verbände, S. 329: „Integrationsparteien"; W. D. Narr, C D U - SPD, 1966, S. 44, 229: „Omnibusparteien"; B. Zeuner, I n nerparteiliche Demokratie, S. 25: „Mehrzweckparteien". 426 O. Kirchheimer, PVS 1965, S. 34.

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und aktuellen Zielsetzungen „für jeden etwas" anzubieten. Darüber hinaus ist die Volksparteibewegung nicht ohne Folgen für die interne Parteienstruktur; denn Parteien, die m i t diesem Selbstverständnis auftreten, müssen die gegensätzlichen Interessen prinzipiell auch innerparteilich tolerieren und versuchen, sie auszugleichen, zu integrieren und zu einem einheitlichen Gesamtintersse zu formieren 4 2 7 . Der Parteibegriff erfährt eine Wandlung vom „pars", der ursprünglich partikulären Interessenvertretung bestimmter Volksgruppen 4 2 8 , h i n zur intendierten ideellen Identität m i t dem Volksganzen. Jede Volkspartei ist ein „Haus m i t vielen Wohnungen" 4 2 9 ; Gruppenzugehörigkeit und Interessenlage sind nicht mehr die ausschlaggebende Motivation für Wahlentscheidung oder Parteibeitritt. Volksparteien lassen sich — ebenso wie Interessenparteien — einteilen i n die Typen der Wähler- und der Mitgliederparteien. Wählerparteien haben i n der Relation zur Mitgliederzahl unverhältnismäßig hohe Wählerzahlen und eine besondere Bindung zu ihren Wählern, die „weniger über die Mitglieder, als über ein manchmal nicht leicht zu überschauendes Austauschsystem zwischen den gesellschaftlichen Gruppen und der Führung der Partei" l ä u f t 4 8 0 . Volksparteien der spezies Wählerpartei sind weniger auf die Mitglieder und deren M i t w i r k u n g an der Politik der Partei, als auf den Wähler ausgerichtet 431 . Die Wählerpartei ist die an das Honoratiorenprinzip erinnernde unbefriedigende Vorstufe 4 3 2 des i m Parteienstaat des GG angestrebten ausgewogenen Verhältnisses zwischen den Gruppen der politisch akti427

H. See, Volkspartei i m Klassenstaat, S. 121. G. Leibholz, V o l k u n d Partei, S. 75; H. Lang, Das repräsentative P r i n zip i m Parteienstaat, S. 19; C. Müller, Das imperative u n d freie Mandat, S. 7 f. 429 E. Fraenkel, Die repräsentative u n d die plebiszitäre Komponente i m demokratischen Verfassungsstaat, S. 29; W. Hennis, Amtsgedanke u n d Demokratiebegriff, S. 68. 430 A. Schardt, W o h i n steuert die CDU?, S. 78. 481 G. Börnsen, Innerparteiliche Opposition, S. 11, glaubt diese externe Ausrichtung bei allen Volksparteien — also auch bei Mitgliederparteien — feststellen zu können. 482 A . A. R. Wildenmann, Gutachten, S. 15, der i n den Mitgliederparteien unter Hinweis auf eine bei „totaler Identifikation der Wähler" entstehende Rigidität des politischen Systems nicht den Idealzustand demokratischer Parteientwicklung sieht. Doch ist k a u m zu befürchten, daß einmal zu wenig Wechselwähler vorhanden sein könnten, w e i l sich fast alle Bürger als Parteimitglieder festgelegt haben. Vielmehr implizieren Wählerparteien die Gefahr, daß zuwenig Parteimitglieder die v o m GG intendierte effektive politische Partizipation des Volkes über Parteien nicht f u n k t i o n a l wahrnehmen k ö n nen. Als Reservoir f ü r neue Parteimitglieder dürften realistischer Weise die von Wildenmann, S. 32, auf 1 5 % bezifferten Stammwählergruppen infrage kommen. Auch i m Hinblick auf eine wenigstens teilweise Selbstfinanzierung der Parteien über Mitgliederbeiträge ist die S t r u k t u r der Mitgliederpartei am „gesündesten". 428

3. Der Typus der Volksparteien

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ven Parteibürger, der politisch konsumierenden Nur-Wähler und den unpolitischen Nicht-Wählern 4 3 8 . Jene drei Kategorien von Bürgern, entsprechend ihrer Rollen 4 3 4 , sind auch bei der Untersuchung der Funktionszusammenhänge i n der parteienstaatlichen Demokratie zu berücksichtigen. Dabei ist übertriebener Pessimismus angesichts einer großen Zahl von Nur-Wählern verfehlt. Gerade diese Gruppe darf nicht zu gering sein; denn sie hält das Parteiensystem mobil und offen 4 3 5 , indem Wechselwähler einer anderen Partei oder Koalition zur Macht verhelfen. Das erfordert den politisch bewußten und kritischen Nur-Wähler, der aus freier Entscheidung auf die vorhandenen Möglichkeiten zur effektiveren Partizipation als Parteibürger verzichtet. Diese funktionale Begründung politischer Abstinenz soll nicht die bekannte These von der Funktionalität politischer Apathie allgemein zur Vermeidung von Krisen und zur Aufrechterhaltung des demokratischen Systems 436 stützen. Denn die zu beobachtende Enthaltung ist nicht gleichmäßig auf alle Schichten verteilt, sondern basiert i n der Regel auf bestimmten Faktoren wie wenig Bildung, geringes Einkommen etc., d.h. niederem Sozialstatus, wie er für die Unterschicht kennzeichnend ist. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status und politischem Interesse 437 . Die Folge fehlender politischer A k t i v i t ä t ist die geringe Berücksichtigung der Interessen jener gesellschaftlichen Gruppen, bei der politischen Willensbildung, die ohne deren aktive Beteiligung i n einem komplexen Gemeinwesen auch nicht hinreichend zu ermitteln sind 4 8 8 . Die Summe der artikulierten Bedürfnisse ist nicht 433 Vgl. W. Abendroth, Innerparteiliche Demokratie, S. 284: „Das GG hat sich . . . zum V o r b i l d der idealtypisch aufgebauten Mitgliederpartei bekannt", s. auch ebd., S. 297; ähnlich F. Bröder, Blätter f ü r dt. u. internat. Politik, 1970, S. 1166. 434 Sie entspricht der Dreiteilung i n : Aktivisten, politische Konsumenten u n d Apathische, vgl. B. Badura, Bedürfnisstruktur u n d politisches System, S. 127. 435 v g L z u m „offenen" Parteiensystem K . Hesse, Grundzüge, S. 71. 438 Vgl. etwa W. Kaltefleiter, Wirtschaft u n d P o l i t i k i n Deutschland, S. 155: Apathie „als Voraussetzung parlamentarischer Regierungsweise". — Sie gilt als Indiz der Zufriedenheit der Nicht-Eliten m i t den Systemleistungen. Vgl. dazu kritisch F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d A n passung, S. 39 ff. m i t weiteren Nachw. i n A n m . 77 f. 437 Vgl. B. Badura, Bedürfnisstruktur u n d politisches System, S. 18, 127 f.; O. Massing, Parteien u n d Verbände als Faktoren des politischen Prozesses, S. 303 f.; J. Steiner, Bürger u n d Politik, S. 117 ff.; S. M. Lipset, Soziologie der Demokratie, S. 106f.; F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 50; H. See, Volkspartei i m Klassenstaat, S. 60ff.: „Zwangscharakter der Sozialisation." — Dagegen glaubt F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 43, daß diese Hypothese ebensowenig überprüft werden k a n n w i e die der Übereinstimmung der P o l i t i k der Eliten m i t den I n t e r essen der Nicht-Eliten. 438 F Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 50, 73.

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1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

mit der der nicht befriedigten identisch 439 . Es kommt daher wesentlich auf die Gleichheit der Artikulationschancen und die Vielfalt der artikulierten Interessen an 4 4 0 . Es ist aufschlußreich, daß die „rechte" Theorie der Funktionalität allgemeiner politischer Apathie gegen die vorgebrachten Einwände gestützt w i r d von der „linken" Ideologie der Möglichkeit objektiver Interessenerkenntnis, nach der u. U. i m Widerspruch zu aktuellen subjektiven Interessen des Individuums dessen „wahre" Interessenlage zu erkennen und zu formulieren ist. Diese Vorstellung ignoriert jedoch einerseits den demokratischen Wert der Selbstverwirklichung, der i n der freien persönlichen Interesseneinschätzung l i e g t 4 4 1 und setzt weiter subjektive Formulierungen auf ideologischer Basis als objektive absolut. Geht man aber davon aus, daß es kein präexistentes Gemeinwohl gibt, das nur abzuleiten wäre 4 4 2 , so sind die politischen Eliten auch nicht i n der Lage, die Interessen der Nicht-Eliten ohne deren Beteiligung zu definieren. Selbst tatsächlich parallele Interessen einer Mehrheit bleiben subjektive Einzelinteressen, da sie nicht von einer bestimmten Quantität an ohne weiteres i n eine neue Qualität umschlagen können. Erst die über demokratische Verfahren realisierte Chance der Verbindlichmachung von Mehrheitsinteressen bewirkt eine qualitative Transformation der subjektiven Interessen zu öffentlichen Interessen. I n ihrer gegenwärtigen Erscheinungsform ist daher die politische Apathie geradezu dysfunktional für das demokratische System. Das Problem stellt sich i n zweifacher Hinsicht: einerseits als allgemeine politische Enthaltsamkeit, indiziert durch die Prozentsätze der NichtWähler und Nur-Wähler, sowie die geringe Zahl der Mitglieder von Parteien und andererseits als Sonderformen innerhalb der Parteien und Verbände selbst. Da die Dimensionen der innerparteilichen Demokratie über die wechselseitigen System-Umwelt-Beziehungen 443 nicht nur die interne sondern auch die allgemeine politische Apathie erfassen, w i r d auch sie zum Problem der inneren Ordnung der Parteien. Durch Aktivierung der Unterschichten ist eine Zufallsverteilung der politi439

B. Badura, Bedürfnisstruktur und politisches System, S. 15. I n diesem Sinne BVerfGE 5, 85 (197 ff.). 441 W. Besson/G. Jasper, Das L e i t b i l d der modernen Demokratie, S. 15: „Es macht dabei einen ganz entscheidenden T e i l seiner (des Bürgers) persönlichen Freiheit aus, daß er überhaupt seine Interessen . . . frei zu vertreten vermag u n d daß er ferner selbst bestimmen kann, welche Rangordnung er seinen verschiedenen Interessen zubilligen w i l l . " 442 v g l dazu näher P. Haberle, öffentliches Interesse, S. 17 u n d passim. 440

443 Dazu N. Luhmann, Funktionen u n d Folgen formaler Organisation, S. 23 ff.; ders. y Der Staat, 1964, S. 148 ff.; F. Naschold, Systemsteuerung, S. 44 ff.

3. Der Typus der Volksparteien

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sehen Apathie auf alle Schichten anzustreben. Als juristische Lösungsstrategie bietet sich die Effektivierung politischer Egalität und die Überwindung schichtenspezifischer Privilegierungen an 4 4 4 . Die geringe Zahl von Parteimitgliedern und die noch geringere Zahl der tatsächlich aktiven Parteibürger deutet darauf hin, daß die Parteif ü h r u n g e n nicht i n der Lage sind oder es u. U. bewußt unterlassen, die Wählergunst i n politisches Engagement über Wahlen hinaus umzumünzen und „die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben (zu) fördern" (§ 1 I I PartG). Meist kommen mehrere Ursachen zusammen, die den politisch Interessierten davon abhalten, Mitglied der Partei seiner Wahl zu werden; die Parteien sind jedoch verpflichtet 4 4 5 , sich um politisch aktive Bürger zu bemühen und effektive Partizipationsformen bereitzuhalten. a) Entstehung

und

Erscheinungsbild

Der Typus der Volksparteien entstand unter den Bedingungen der parlamentarischen Demokratie i n einem konsequenten Zentralisationsprozeß. Noch i n der Weimarer Zeit waren die Parteien weltanschaulichprogrammatisch einseitig gebunden. Sie rekrutierten Mitglieder und Wähler aus jeweils wenigen sozialen Schichten 446 . O. Kirchheimer hat die Entwicklung des Charakters i m westeuropäischen Parteiensystem von der bürgerlichen Partei alten Stils über die Massenintegrationspartei 4 4 7 zur echten Volkspartei beschrieben 448 . Bei Gründung der Bundesrepublik war das Parteiensystem labil und zersplittert. M i t der Aufhebung des Lizenzierungszwanges für Parteiorganisationen 1950 durch die Besatzungsmächte entstanden etwa 30 neue Splitterparteien, die sich auf die Vertretung begrenzter Interessen konzentrierten 4 4 9 . Doch dauerte diese Blütezeit der Kleinstpar444

So müßten z. B. gesetzlich f ü r Arbeiter u n d Angestellte der P r i v a t w i r t schaft dieselben Vergünstigungen garantiert werden, die ein politisch aktiver öff. Bediensteter i n Anspruch nehmen kann, w e n n er sich u m ein Parlamentsmandat bewirbt. 445 Diese Pflicht ergibt sich aus dem Verfassungsauftrag der Parteien, M i t gliederpartizipation zu ermöglichen. 446 W. D. Narr, C D U — S P D , S. 43; B. Vogel / D. Nohlen/R. O. Schulze, Wahlen i n Deutschland, S. 153. 447 Die Mitglieder werden auf der Grundlage eines einheitlichen sozialen Interesses organisiert. Die SPD verkörperte bis zu ihrer programmatischen Öffnung auf dem Godesberger Parteitag von 1959 den T y p der Massenpartei. 448 O. Kirchheimer, PVS 1965, S. 27. 449 Hierzu u n d zum folgenden vgl. die umfassende Darstellung der E n t wicklung bei H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 155 ff.

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teien nur etwa zwei Jahre, ihr Verschwinden signalisierte die Stabilisierung des westdeutschen Parteiensystems. Das begrenzte politische Ziel verlor für den Wähler als „Interesse" an Universalität und Wichtigkeit. Vielleicht ist der Untergang der Interessenparteien i n den westlichen Demokratien allgemein auch dadurch bedingt, daß es keine „Interessen" (mehr) gibt, oder daß sie nicht formuliert werden, die derart essentiell für den einzelnen sind, daß sich eine große Zahl von Wählern für diese partiellen politischen Ziele gewinnen läßt. Der Konzentrationsprozeß der zur Stabilisierung des westdeutschen Parteiensystems führte, spiegelt sich i m sog. „deutschen Wahlwunder" 4 5 0 , jener Zentralisation der Wählerstimmen auf die großen Volksparteien, begünstigt durch die 5 %>-Klausel und zwei Parteiverbote 4 5 1 . Die F.D.P konnte als einzige kleinere Partei diesen Vorgang überstehen; nicht zuletzt deshalb, weil sie weder regional noch interessenpolitisch einseitig festgelegt w a r 4 5 2 . Die Veränderung der Parteienlandschaft, die für die innerparteiliche Demokratie Funktions- und Orgänisationsprobleme m i t sich brachte, läßt sich von den Zusammenhängen i m politischen System her folgendermaßen erklären: Die Parteien kämpfen periodisch u m Wählerstimmen, d. h. demokratisch legitimierte Macht 4 5 3 . Solange eine Partei nur die Ziele einer Gruppe vertritt, kann sie schwerlich die Stimmen der Mehrheit der Wähler für sich gewinnen. Zur Realisierung ihrer Politik bleiben die Möglichkeiten einer Koalition mit einer anderen Partei oder die Erweiterung des eigenen Zielkataloges. Wahlbündnisse und Listenverbindungen bringen über die bloße Addition der auf die sonst selbständigen Parteien entfallenden Stimmen hinaus Vorteile bei der Stimmenverrechnung und Mandatszuteilung 4 5 4 , was bereits zur Parlamentsmehrheit der so verbundenen Parteien führen kann. Andernfalls können durch die Bildung von Koalitionsregierungen die Anteile der Parteien zusammengelegt werden, um eine tragfähige Parlamentsmehrheit zu erzielen. Bei diesen verschiedenen Möglichkeiten handelt es sich jedoch u m Zusammenschlüsse verschiedener selbständiger Parteien auf Zeit, wobei jede unter dem Zwang steht, sich für den näch450 C. Baerl E. Faul, Das deutsche Wahlwunder, 1953; W. Kaltefleiter, Wirtschaft u n d P o l i t i k i n Deutschland, S. 111 ff., sieht das „ W a h l w u n d e r " als Konsequenz der sozialen Befriedigung infolge des „Wirtschaftswunders". 451 SRP-Verbot am 23.10.1952 (BVerfGE 2, 1 ff.); K P D - V e r b o t am 17.8. 1956 (BVerfGE 5, 85 ff.). 452 B. Vogel ID. Nohlen/R. O. Schulze, Wahlen i n Deutschland, S. 204 ff.; H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 399. 453 W. Grewe, Z u m Begriff der politischen Partei, S. 67: i n einem demokratischen Staatswesen ist „die Z a h l der Wählerstimmen gleichbedeutend m i t politischer Macht". 454 B. Vogel / D. Nohlen / R. O. Schulze, Wahlen i n Deutschland, S. 45.

3. Der Typus der Volksparteien

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sten Wahlkampf profilieren zu müssen. Dies bedeutet Kompromisse und Abstriche bei der Realisierung der politischen Ziele der einzelnen Partner. Die Beziehungen untereinander beruhen auf Absprachen, deren rechtliche Qualifikation und Bindungswirkungen höchst umstritten sind 4 5 5 . Angesichts dieser Möglichkeiten und Schwierigkeiten befristeter Zusammenschlüsse selbständiger Parteien liegt die zweite A l ternative zur Erlangung eines höheren Wählerstimmenanteils nahe, die Erweiterung des Parteiprogramms zur Integration neuer Wähler. I n allen Fällen w i r d die Politik aber einen Kompromiß darstellen, der i n einer auf viele Interessen erweiterten Partei gefunden werden muß oder i n Verhandlungen m i t einer selbständigen anderen Partei. Die Volksparteien machen Wahlbündnisse, Listenverbindungen und Koalitionsregierungen nicht überflüssig; doch schließen sie faktisch zunächst i n sich Wahlbündnisse, Listenverbindungen und Koalitionen 4 5 6 der verschiedenen Flügel und Richtungen ab. So gesehen ist die Entwicklung von einer Interessenpartei h i n zur Volkspartei eine legitime Konsequenz des parlamentarischen Systems 457 . Der Konkurrenzkampf u m Wählerstimmen erfordert es, daß sich die Parteien auf eine schichten» und interessenspezifisch breite A k t i v i t ä t verlegen 4 6 8 . Darin liegt gleichzeitig eine Sicherung des Parteiensystems gegen Splitter- und Kleinstparteien — die Sonderinteressen werden von politischer Eigenorganisation (Interessenparteien) abgehalten 459 und kommen als Sonderorganisationen innerhalb der Parteien zum Tragen —, die die 5 °/oSperrklausel i n ihrer stabilisierenden Wirkung weit übertrifft. Dieser Trend w i r d begünstigt durch den m i t dem Wachstum und der K o m plexität der Staatsaufgaben einhergehenden Entideologisierungs- und Pragmatisierungstrend 460 . Die i m Bundestag vertretenen Parteien können grundsätzlich als Volksparteien i m oben beschriebenen Sinn eingestuft werden. CDU, 455 Vgl. dazu A. Schule, Koalitionsvereinbarungen i m Lichte des Verfassungsrechts; P. Häberle, ZfP 1965, S. 293 ff. 456 £ Friesenhahn, V V D S t R L 16 (1958), S. 52: Eine große Mehrheitspartei stellt eine „ K o a l i t i o n i n sich" dar. 457 vgl, w. Grewe, Z u m Begriff der politischen Partei, S. 67. 458 C. Offe, Politische Herrschaft u n d Klassenstrukturen, S. 144. — Es scheint allerdings, als ob neuerdings, verstärkt m i t dem ideologischen Rüstzeug der antiautoritär-revolutionären, emanzipatorischen Richtung außerhalb der Partei, Teile der SPD ihre P o l i t i k wieder auf eine interessenmäßig erfaßbare Zielgruppe beschränkt. Es läßt sich noch nicht absehen, ob damit eine die skizzierte Volksparteientwicklung revidierende gegenläufige Bewegung eingesetzt hat. 459 H.-J. Varain, Parteien u n d Verbände, S. 329; K . v. Beyme, Interessengruppen i n der Demokratie, S. 122. 460 H. Lang, Das repräsentative Prinzip i m Parteienstaat, S. 69.

8 Trautmann

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CSU und F.D.P. waren es von Anfang an 4 6 1 , bei der SPD setzte nach den Wahlniederlagen von 1953 und 1957 ein Umdenkungsprozeß ein, dessen dokumentiertes Ergebnis das Godesberger Grundsatzprogramm von 1959 ist. Seit der Abkehr von den Klassenpartei-Dogmen des 19. Jahrhunderts stieg ihr Stimmenanteil erheblich. Aus dem Bundestagswahlkampf 1972 ging sie erstmals als stärkste Fraktion hervor — auch eine Bestätigung des Volksparteientheorems. Die Folge der Konzentration i m Parteiensystem auf wenige Volksparteien ist „eine weitgehende parteipolitische Angleichung" 4 6 2 : alle Parteien wenden sich an alle Wähler 4 6 3 . Dennoch ist es nicht so, daß die Unterschiede zwischen den Parteien heute nur noch personeller A r t sind. Trotz Volksparteicharakter haben die Parteien aus Tradition und Selbstverständnis noch ein M i n i m u m an politischer Ideologie, haben sie ihren „sozialen Schwerpunkt" erkennbar i n beistimmten Schicht e n 4 6 4 und versuchen von dort aus andere, möglichst alle Schichten zu erschließen. A u f diesen Unterschieden aufbauend kann man eine Partei z. B. als progressive, linke, konservative oder bürgerliche Volkspartei bezeichnen, denn die Öffnung für alle bedeutet nicht völlige A u f gabe der Grundhaltung. Wie H. Wasser aus seiner Analyse der Programme von CDU und SPD schließt, bestehen noch „konsequenzträchtige Unterschiede", die genügend Dissens widerspiegeln und das Mehrparteiensystem für absehbare Zeit bestätigen 465 . Trotz der „tendenziellen Ähnlichkeit und Gleichheit der manifesten Interessen" der Parteien i n der BRD haben sie einen jeweils verschiedenen „Unterbau" 4 6 6 . Ihre Annäherungsbewegung, ihr Kampf u m die politische Mitte — ein ohneh i n verwaschener Begriff — und ihre auswechselbare Wahlpropaganda haben die aus den verschiedenen Ausgangsbasen resultierenden differierenden Grundeinstellungen (noch) nicht aufgehoben. Zur Anpassungsbewegung der Parteien an Trends der politischen Meinung und Gruppeninteressen kommt i m Gegenzug die Verpflichtung neuer M i t glieder und Wähler auf die Grundsätze der Parteilinie, um ein Mindestmaß an Einheit und politischer Aktionsfähigkeit zu bewahren. 461

ff. See, Volkspartei i m Klassenstaat, S. 119 f. — Anders hinsichtlich der F.D.P.: ff. W. Rubin, Die Aufgaben der politischen Parteien, S. 22, m i t einer Begründung ( „ i n keiner Wählerschicht überrepräsentiert"), die allerdings gerade für eine Qualifizierung als Volkspartei spricht. 462 B. Vogel / D. Nohlen / R. O. Schulze, Wahlen i n Deutschland, S. 214. 463 ff. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 402. 464 W. D. Narr, C D U — SPD, S. 44; J. Lehlbach, Gewerkschaftliche Monatshefte, 1972, S. 268 f. 465 I n : ZfP 1969, S. 416. 466 W. D. Narr, CDU — S P D , S. 235; W. Leisner, D Ö V 1971, S. 649; ff. See, Volkspartei i m Klassenstaat, S. 115.

3. Der Typus der Volksparteien

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Anpassungen der internen Parteistruktur an die Entwicklung zum Volksparteitypus zeichnen sich ab. Innerparteiliche Zusammenschlüsse auf Interessenbasis 467 sollen alle Gesellschaftsschichten ansprechen und deren Interessen innerparteilich formulieren. Die innerhalb der Parteien i n Sonderorganisationen zusammengeschlossenen Angehörigen von Interessengruppen sollen „die besonderen Anliegen der von ihnen repräsentierten Gruppen i n der Politik der" betreffenden Partei wahren 4 6 8 . Daneben gibt es Fraktionsbildungen innerhalb der Parteien, die sich weniger auf eine formale Gruppenzugehörigkeit, als auf bestimmte politische Zielsetzungen gründen 4 6 9 . Trotz der Versuche, auch innerhalb der großen Parteien Interessenvertretungen zu etablieren, stehen Parteien und Verbände in einem durch die Volksparteientwicklung geprägten neuen Verhältnis, das sich auch auf die i n beiden Organisationstypen vorhandenen Interessen und ihre Verflechtungen auswirkt und insofern zum Problem der innerparteilichen Demokratie wird. Da sich die Verbände — ähnlich den Interessenparteien — regelmäßig m i t einem engen Ausschnitt des politischen Spektrums begnügen, sind ihre Aktivitäten i n diesem Bereich von unmittelbarer Bedeutung für alle Bürger m i t gleicher I n teressenlage. Verbandsstellungnahmen formulieren wegen ihrer eindimensionalen Stoßrichtung einseitige Interessen und enthalten nicht bereits den Kompromiß m i t Gegenkräften, wie dies nach der Willensbildung i n Volksparteien der Fall ist. Die Parteien verfolgen m i t ihrer an den Wahlen ausgerichteten Politik ein Hauptziel, möglichst viele Mandate zu erlangen; die Verbände hingegen leben gerade von der Unterschiedlichkeit der ihnen zugrunde liegenden Interessen und damit ihrer politischen Ziele 4 7 0 . Das führte zu einer Stärkimg des politischen Gewichts der Verbände insgesamt, die heute die einzigen Repräsentanten „reiner" kollektiver Interessen sind; d. h. sie organisieren die B ü r -

467 Z . B . bei der CDU gemäß § 38 des Statuts: Junge Union, Frauen Vereinigung, Sozialausschüsse, Kommunalpolitische Vereinigung, Mittelstandsvereinigung, Wirtschaftsvereinigung, U n i o n der Vertriebenen u n d Flüchtlinge. 468 So § 39 des CDU-Statuts. I n den Grundsätzen f ü r die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaften i n der SPD v o m 1.2.1975 heißt es ähnlich: „Die Arbeitsgemeinschaften sollen besondere Aufgaben i n Partei u n d Öffentlichkeit wahrnehmen. Sie sind auch Beratungsgremien f ü r die Vorstände der Partei." 469 Beispielhaft sei das Tauziehen u m die Senatsbildung der ersten SPD Alleinregierung i n B e r l i n genannt. Die „vereinigte L i n k e " erkämpfte von der Fraktionsmehrheit bestimmte Senatoren- u n d Senatsdirektorenposten; dabei entstanden scharf voneinander abgegrenzte Flügel, so daß der von der SPD gestellte Senat m i t gewissem Recht als „Koalitionsregierung" bezeichnet werden konnte. So A. Doherr, FR v o m 22.4.1971, S. 3. Die F A Z v o m 20. 4.1971, S. 2 nannte es eine K o a l i t i o n der Berliner SPD m i t sich selbst. 470 R. Steinberg, ZRP 1972, S. 211.

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ger auf der Basis eines gleichen politischen Interesses 471 . Die große Zahl ihrer relativ geschlossenen Anhängerschaft gibt ihnen zugleich eine enorme politische Macht, die Parteien „von zwei Seiten i n die Zange (zu) nehmen" 4 7 2 : einmal über die beschriebene Institutionalisierung von Partialinteressen innerhalb der Parteien, die meist das parteiinterne Spiegelbild der mächtigen gesellschaftlichen Zusammenschlüsse sind und zum andern über die politischen Forderungen der Verbände gegenüber den Parteien von außen. Da die Verbände i n toto jedoch keinen interessenpolitisch homogenen Machtblock darstellen, kommen aus ihrer Sphäre bereits Gegenkräfte gegen einseitige Pressionen i n Richtung auf die Parteien. Zwar wuchs m i t der Entstehung von Volksparteien der Einfluß der Verbände auf die Parteipolitik insgesamt, zugleich nahm aber die Chance eines Verbandes eine Partei als Hebel für seine Interessen zu benutzen ab 4 7 3 . Man kann von einem hoch entwickelten, ausdifferenzierten Verbandsleben neben einem klar gegliederten Parteiensystem sprechen 474 . I h r Zusammenspiel führt zu komplizierten Kompromissen und Proporzentscheidungen bei sachlichen und personellen Fragen der Parteipolitik, die meist von den Parteiführungen m i t den Führungsspitzen der Gruppen ausgehandelt werden und eine höhere Integrationswirkung haben sollen, als Mehrheitsentscheidungen der Parteimitglieder. A m Höhepunkt dieser Entwicklung sollen die Parteien „nur noch Organisation" 4 7 5 sein, die außer dem Drang zur Macht keine spezifischen politischen Ziele mehr verfolgt, sondern nur noch die Wünsche der organisierten Interessen kanalisiert 4 7 6 . Unter den beschriebenen Funktionszusammenhängen ist diese Version der Parteien als bloßem Sammelbecken gruppenmäßig vertretener Interessen jedoch unrealistisch. Interessen- und Zielkonflikte, die bei derartig umfassenden Integrationsbestrebungen unvermeidlich sind, müssen bewältigt, Kompromisse gefunden werden. Selbst wenn i n Zukunft die Parteien weitgehend auf ideologische Zielsetzungen verzichten würden, so bliebe die politische Aufgabe der Sichtung, Verbindung und Bewertung vorgetragener Gruppenforderungen. Schließlich sind auch die innerparteilichen Kräfte der nicht „verbandshörigen" Parteibürger als Faktoren einer eigenständigen Parteipolitik nicht zu gering zu veranschlagen. Festzuhalten bleibt jedenfalls, daß die Stellung der Verbände i m politischen 471

H. Sperling / H. Schröder, Parlamentarismus i n der Krise?, S. 47. B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 16; ähnlich H. See, Volkspartei i m Klassenstaat, S. 88 ff. 473 H. Kaack, Die Parteien i n der Verfassungswirklichkeit der Bundesrepublik, S. 112. 474 W. Hennis, PVS 1961, S. 23. 475 R. Michels, Soziologie des Parteiwesens, S. 349. 476 So beurteilt W. D. Narr, C D U — SPD, S. 230, bereits die Gegenwart. 472

3. Der Typus der Volksparteien

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System und somit die Verbandseinflüsse auf Parteien, Parlament 4 7 7 und Regierung 4 7 8 durch den Trend zu Volksparteien erheblich gefördert wurden, da die Verbände die einzigen kollektiven organisierten Vertreter von Partialinteressen sind. b) Partizipation

und innerparteiliche

Demokratie

Verschiedentlich wurde bereits der Begriff Partizipation i m Sinne von politischer Teilhabe an Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen gebraucht. Diese allgemeine Formel ist mit Hilfe der Verfassung zu präzisieren, dabei ist vor allem zu untersuchen: ob die institutionalisierte Teilhabeseite der innerparteilichen Demokratie ausreicht oder ob sie durch neue Partizipationsformen zu ergänzen ist 4 7 9 . Man könnte meinen, die Partizipationswelle solle dem Rinnsal der innerparteilichen Demokratie das Wasser entziehen, wenn ständig neue Beteiligungsformen angepriesen werden. Die Teilhabediskussion findet gute Resonanz sowohl i n der Praxis 4 8 0 als auch i n der Theorie 4 8 1 . Über verstärkte Partizipation soll zunächst die Quantität der an Entscheidungsvorgängen beteiligten Bürger erhöht werden 4 8 2 . Dahinter steht die Prämisse, daß das Parlament „eine echte oder gar ausreichende Partizipation nicht oder jedenfalls nicht mehr darstellt" 4 8 3 . Neue Beteiligungsformen sollen sowohl die politische Apathie und Entfremdung der Massen überwinden, als auch eine plebiszitäre Alternative i m Parteienstaat anbieten 4 8 4 . 477

Dazu R. Steinberg, ZRP 1972, S. 209 f. Die m i t der V e r w a l t u n g nach W. Hennis, PVS 1961, S. 25 f. der entscheidende Adressat der Verbandseinflüsse sein soll. 479 So w o h l v. Schrötter, Die Verwaltung, 1971, S. 148: „Sie (die Parteiendemokratie) bedarf dringend der Entlastung." — Der 1972 gegründete Bundesverband der Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. w i l l nach den Worten seines Vorsitzenden H. Zillesen Aufgaben wahrnehmen, „die längst von anderen Organisationen erfüllt werden sollten dämlich von den politischen Parteien", s. den Bericht von R. Treber, FR v o m 28. 6.1972, S. 14. 480 Als Beispiele stehen: Bürgerinitiativen (s. dazu die Fallstudien i n : H. Grossmann [Hrsg.], Bürgerinitiativen), Bürgerkomitees, Bürgerforen, B ü r gerbeauftragte, öffentliche Hearings der Parlamentsausschüsse, Konzertierte Aktion. 481 s. z. B. den Sammelband: Partizipation — Aspekte politischer K u l t u r ; die Staatsrechtslehrerreferate von R. Walter u n d W. Schmitt Glaeser, W D S t R L 31 (1973); W. Steffani, Parlamentarische Demokratie, S. 17 ff.; v. Schrötter, Die Verwaltung, 1971, S. 127 ff.; P. Dienel, Die Verwaltung, 1971, S. 151 ff.; P. Dagtoglou, DVB1. 1971, S. 712 ff.; G. Kisker, D Ö V 1972, S. 520 ff.; P. Oberndorfer, D Ö V 1972, S. 529 ff. 482 U. Thaysen, Parlamentsreform i n Theorie u n d Praxis, S. 68: „ . . . möglichst breite Partizipation", S. 93: „mehr Menschen wirkungsvoller am p o l i t i schen Prozeß teilnehmen lassen." 483 P. Dagtoglou, DVB1. 1972, S. 713. 484 v. Schrötter, Die Verwaltung, 1971, S. 128. 478

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1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

Partizipation ist zum K r i t e r i u m der demokratischen Selbstbestimmung i m politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß 485 geworden, zur Bezeichnung für „den Grad an M i t w i r k u n g i m Rahmen der i n Wechselbeziehung zueinander stehenden Wirkungsstufen der teilnehmenden Beobachtung, Mitberatung und Mitentscheidung" 4 8 6 . Dieser, verschiedene Intensitätsstufen enthaltende, Begriff ist nicht aus der Verfassung gewonnen 4 8 7 , doch er ermöglicht den analytischen Umgang m i t der Verfassung und die einordnende Bewertung verfassungsrechtlicher Ordnungsstrukturen und ihrer Wirklichkeit. Die m i t der „teilnehmenden Beobachtung" gemeinte Öffentlichkeit 4 8 8 ist die schwächste Partizipationsmöglichkeit, jedoch als Informationsquelle die Grundlage jeder intensiveren Form. Mitberaten kann nur der informierte Bürger. Die dritte und intensivste Teilhabequalität, die Mitentscheidungskompetenz, baut auf den beiden Vorstufen auf: nur wer aufgrund öffentlicher Information eine komplexe Sachfrage mitberaten hat, für und wider kennt, ist auch in der Lage eine Entscheidung zu treffen. Angesichts der Partizipationseuphorie (W. Schmitt Glaeser) sind zunächst die neuen Instrumentarien auf ihren neuen Teilhabegehalt h i n zu prüfen: so sind z.B. Bürgerinitiativen, die sich ausschließlich i m gesellschaftlichen Bereich vollziehen, ohne m i t Forderungen an staatliche Stellen heranzutreten 4 8 9 , vom Teilhabeaspekt her keine Alternative zur innerparteilichen Demokratie, da sie keine Partizipation an der Staatsgewalt vermitteln. Wo aber solche Initiativen über den Rahmen der Eigenhilfe hinausgehen und m i t förmlichen Resolutionen oder Eingaben auf bestimmtes Verhalten des Bundestags, der Landes- oder Kommunalparlamente abzielen, handelt es sich u m neuen Wein i n alten Schläuchen, die Wahrnehmung des bekannten Grundrechts aus A r t . 17 GG nämlich 4 9 0 , dessen ursprüngliche Funktion, rechtsstaatliche 485 R. Eckert, Politische Partizipation u n d Bürgerinitiative, S. 41, unterteilt politische Partizipation i n Teilnahme am zentralen politischen Willensbildungsprozeß sowie Bürgerinitiativen u n d Selbstverwaltung, letztere siedelt er an der Basis gesellschaftlicher Subsysteme an. 486 W. Steffani, Parlamentarische Demokratie, S. 20. 487 Das GG enthält keinen ausdrücklichen Hinweis auf Partizipation, doch ist i h m das Anliegen nicht fremd, vgl. W. Schmitt Glaeser, W D S t R L 31 (1973), S. 183. 488 W. Schmitt Glaeser, ebd., S. 184, rechnet die Beobachtung als „passive" F o r m der Beteiligung nicht zur Partizipation. 489 Kindergarten i n Eigenhilfe, Mietersolidaritätsaktionen etc. 490 Historisch w a r das Petitionsrecht ein eigenständiges Recht der K a m mern, Stände etc., sich m i t Anträgen, Wünschen u n d Beschwerden an die Obrigkeit zu wenden, vgl. G. Dürig, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, GG, Rdnrn. 2, 22, 26 zu A r t . 17 GG. — Der Petitionsausschuß des schleswig-holst. L a n d tages wurde 1971 umbenannt i n : „Ausschuß für Bürgerinitiativen u n d andere Eingaben", eine Neufirmierung aber keine sachliche Änderung, „nicht v i e l mehr als Kosmetik", wie P. Hübner, ZParl. 1972, S. 201, zutreffend bemerkt.

3. Der Typus der Volksparteien

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Kontrollmechanismen i n Gang zu setzen491, erweitert w u r d e 4 9 2 . I n t e r essenverbände b e n u t z t e n u n d b e n u t z e n o f t diesen W e g , u m i h r e W ü n sche d e n s t a a t l i c h e n S t e l l e n v o r z u t r a g e n 4 9 3 . G e g e n s t a n d v o n P e t i t i o n e n w a r e n auch t r a d i t i o n e l l n i c h t n u r A n l i e g e n , die sich a u f e i n e n k o n k r e t e n E i n z e l f a l l bezogen. Das G G gestattet a u s d r ü c k l i c h gemeinsame P e t i t i o n e n . Es h a n d e l t sich h i e r b e i jedoch n u r u m e i n p o s i t i v e s Statusrecht m i t g e r i n g e m „ R ü c k k o p p l u n g s e f f e k t " 4 9 4 u n d n i c h t u m eine M ö g l i c h k e i t , d e n a k t i v b ü r g e r l i c h e n S t a t u s z u v e r s t ä r k e n 4 9 5 ; d e n n es f e h l t a n der v e r b i n d l i c h e n W i r k u n g solcher A k t i v i t ä t e n 4 9 6 . A l l e i n die Bescheidung ohne besondere B e g r ü n d u n g g e n ü g t , eine P e t i t i o n z u e r l e d i g e n 4 9 7 . T r o t z dieser E i n s t u f u n g s i n d Bürgerinitiativen als d o k u m e n t i e r t e P a r t e i n a h m e oder m i n d e s t e n s B e r e i t s c h a f t z u r T e i l n a h m e von gewissem Trainingswert für die Partizipation an institutionalisierten Prozessen effektiverer Teilhabe 498. 491

So A. Hamann / H. Lenz, GG, A. 1. u. B. 6. zu A r t . 17. Eine F u n k t i o n von „nicht unerheblichem Stellenwert" liegt i n der „ M i t w i r k u n g u n d Mitgestaltung des Bürgers i n öffentlichen Angelegenheiten", vgl. den Zwischenbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, Fragen der Verfassungsreform, S. 44. 493 Trotz des Singulars „Volksvertretung" i n A r t . 17 GG herrscht Einigkeit darüber, daß es sich bei den Adressaten von Petitionen mindestens u m B u n destag u n d Länderparlamente handelt; nach G. Dürig, i n : M a u n z / D ü r i g / Herzog, GG, Rdnr. 58, sind auch die Kommunalparlamente „zuständige Stellen" i m Sinne des A r t . 17 GG. 494 Begriff i m Zwischenbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, Fragen der Verfassungsreform, S. 47, der die Möglichkeiten i n dieser Hinsicht als „insgesamt unzureichend" qualifiziert u n d ein „ V e r fahrensgesetz für das Petitionswesen" vorschlägt (S. 48 f.). 492

495 So G. Dürig, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, GG, Rdnr. 10 ff. zu A r t . 17 GG; BVerfGE 8, 104 (115); A. Hamann / H. Lenz, GG, B. 4. zu A r t . 17 GG, sehen i n der Möglichkeit der „Allgemeinpetitionen" eine „aktivbürgerliche F u n k t i o n des Petitionsrechts". 498 So w u r d e n z. B. i n der 5. Legislaturperiode von den Petitionen, die Anregungen zur Gesetzgebung enthielten, n u r 3,23 %> an die zuständigen Fachausschüsse u n d 2,67 % an die Bundesregierung als Material bzw. zur Kenntnisnahme überwiesen. Die „Erfolgsquote" ist i m Vergleich zu früheren Legislaturperioden sogar rückläufig, was bei ebenfalls rückläufiger Gesamtzahl an Petitionen für die Ineffektivität dieses Rechts i n seiner gegenwärtigen Ausgestaltung spricht. Vgl. dazu die Zahlen bei H. Seidel, Das Petitionsrecht, S. 39. 497 Vgl. BVerfGE 2, 225 (LS 2 u. 230); A. Hamann / H. Lenz., GG, A. 2. zu A r t . 17 GG. Nach § 113 I V GOBT soll jedoch der Bescheid möglichst m i t Gründen versehen sein. 498 R. Eckert, Politische Partizipation u n d Bürgerinitiative, S. 44; so auch G. Heinemann, B u l l e t i n des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, Nr. 15 v o m 13.2.1973, S. 125 (127): „ I n i t i a t i v e n welcher A r t auch immer machen zumal den Bürgern, die sich bislang unpolitisch verhielten, m i t einem M a l deutlich, daß ihre persönlichen Probleme m i t allgemeinen Problemen i n Staat u n d Gesellschaft zusammenhängen. Bürgerinitiativen tragen dazu bei, daß w i r uns unserer Freiheit bewußt werden."

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Anders liegen die Dinge bei konkreten Mitspracheforderungen bei Gesetzgebungsvorhaben, Verwaltungsentscheidungen oder Planungsverfahren beispielsweise. Bürger und Verbände wollen nicht von dem gegen den Staat gerichteten Grundrecht aus A r t . 17 G G 4 9 9 Gebrauch machen, sondern als kompetente Subjekte Staatsgewalt (mit)ausüben — so wie dies für Parteimitglieder nach A r t . 21 I 3 GG vorgesehen ist. I m positiven Recht der unterverfassungsrechtlichen Ordnung finden sich bereits einige Spielarten der M i t w i r k u n g und Mitentscheidung 500 , andere sind i n der Diskussion 501 . Verfassungsrechtlich lassen sich die Partizipationsbestrebungen verschiedenen Prinzipien zuordnen: dem Demokratieprinzip, weil das Gemeinwohl heute nicht mehr ausschließlich vom Staat formuliert wird, sondern die pluralistischen Interessen der Gesellschaft als legitime Gemeinwohlgesichtspunkte pluralistische Verfahren der Gemeinwohlverwirklichung bedingen 5 0 2 . Legitimitätsverlust und somit Demokratiedefizite — besonders der Verwaltung — sollen durch Partizipation eingeholt werden 5 0 3 und der Bürger über M i t w i r k u n g zur Selbstverwirklichung (Art. 1 I GG) gelangen. Die Zuordnung der Partizipationsformen zum Rechtsstaatsprinzip w i r d aus der Erkenntnis eines angesichts expandierender Staatsaufgaben oft ungenügenden und zu späten 504 gerichtlichen Rechtsschutzes ex post und der daraus resultierenden Notwendigkeit eines vorbeugenden Rechtsschutzes für die Betroffenen i n Form partizipativer Beteiligung an Staatsaufgaben begründet 5 0 5 . Schließlich läßt sich die Teilhabe auch vom Sozialstaatsprinzip und der Menschenwürde her verfassungsrechtlich begründen: Der einzelne soll seine i m Staat der universellen Daseinsvorsorge gefährdete Autonomie der „individuellen Daseinssicherung und Daseinsgestaltung" dadurch bewahren, daß er an den sein Dasein gestaltenden Maßnahmen beteiligt w i r d 5 0 6 . 499 BVerfGE 8, 104 (115). 500 v g l etwa § 23 der gemeinsamen GeschO der Bundesministerien, der die M i t w i r k u n g von Verbänden bei der Vorbereitung von Gesetzen ausdrücklich vorsieht; s. i m übrigen die Bestandsaufnahme der Partizipationsformen i m positiven Recht bei W. Schmitt Glaeser, W D S t R L 31 (1973), S. 184 ff. 601

s. z. B. v. Schrötter, Die Verwaltung, 1971, S. 127 ff. Vgl. dazu P. Haberle, öffentliches Interesse, S. 468 u. passim. 503 So die Begründung der „demokratischen F u n k t i o n " bürgerschaftlicher Partizipation an der V e r w a l t u n g bei W. Schmitt Glaeser, W D S t R L 31 (1973), S. 203 f.; s. auch G. Kisker, D Ö V 1972, S. 520. 504 E t Forsthoff, W D S t R L 18 (1960), S. 191 f. 502

605 P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 121 ff., 125 ff.; W. Schmitt Glaeser, W D S t R L 31 (1973), S. 207. 508 U. K. Preuß, Z u m staatsrechtlichen Begriff des öffentlichen, S. 197 ff., 203 f.; W. Schmitt Glaeser, W D S t R L 31 (1973), S. 209.

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Diese skizzenhafte Zuordnung von Verfassungsprinzipien und Partizipationsbestrebungen bedarf der Ausführung unter Berücksichtigung der Ausgangsfrage nach dem Verhältnis von innerparteilicher Demokratie und politischer Partizipation. Etwa unter dem Gesichtspunkt, ob die Intensität und der Partizipationsgehalt dieser neuen Formen geeignet ist, die Funktion der innerparteilichen Demokratie nach der Verfassung teilweise zu ergänzen und ob daher an die Ausgestaltung der demokratischen inneren Parteiordnung keine strengen Anforderungen zu stellen sind. Ansatzpunkt hierfür ist die Unterscheidung in individuelle und kollektive Partizipationsformen. Kollektive Teilhabe stellt als Summierung individueller Interessen ein Zwischenglied zwischen den Einzelinteressen und ihrer Formulierung gegenüber und i n entscheidungskompetenten Stellen dar; sie macht den Bürger zum „Organisationsbürger" 5 0 7 i n der „Organisationsgesellschaft" 508 . Sie impliziert größeres politisches Gewicht und damit größere Realisationschancen 509 sowie auf der anderen Seite die Gefahr der Verselbständigung der kollektiven Interessenformulierung gegenüber den tatsächlich vorhandenen Individualinteressen. Individuelle Partizipation zeichnet sich durch unverfälschte Interessen und schwache politische Resonanz aus. Bei individueller Betroffenheit und daraus resultierender politischer A k t i vität liegt das Handeln meist innerhalb des unmittelbar überschaubaren Lebenskreises des Bürgers, während bei der Teilnahme an der Politik über Gruppen eine Reihe von Fragen von vornherein außerhalb seines unmittelbaren Lebens- und Erlebnisbereiches liegt 5 1 0 . Das GG kennt sowohl individuelle als auch kollektive Positionen des Bürgers zur Wahrung und Durchsetzung seiner Interessen i n der demokratischen res publica. Die Tendenz geht i n der Massendemokratie dahin, die über ihre individuelle Seite auch die kollektive Rechtsausübung garantierenden Normen zu aktualisieren 5 1 1 — Ausnahme ist A r t . 17 a GG. Rechts- und Sozialstaatsgrundsätze erfordern i n ihrer zur Begründung moderner Partizipationsformen angeführten Stoßrich507 T. Schüler, Parteien u n d Bürgerinitiative, S. 120: „ . . . der zumeist i n mehr oder weniger stark organisierten sozialen Subsystemen . . . oder sonst i n funktional verdichteten Sozialbeziehungen handelt u n d darin seine gesellschaftlichen Möglichkeiten w i e seine Einengung u n d Beherrschung erfährt." 508 jr Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 8, i m Anschluß an R. Presthus' „organizational society", zit. daselbst. A. Rinken, Das öffentliche als verfassungstheoretisches Problem, S. 265. 509 £ Fraenkel, Möglichkeiten u n d Grenzen politischer M i t a r b e i t der B ü r ger i n einer modernen parlamentarischen Demokratie, S. 5. 510

R. Eckert, Politische Partizipation u n d Bürgerinitiative, S. 34. s. z.B. P. Häberle, W D S t R L 28 (1970), S. 110ff.. 117 zur „korporativen Seite der Gewissensfreiheit"; H. U. Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exek u t i v e u n d Informationsrecht der Presse, S. 223 ff. zur „kollektivrechtlichen Begründung des Informationsrechts". 511

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tung — Vorverlegung des Rechtsschutzes ins Verfahren, Bewahrung individueller Daseinsgestaltung — weniger kollektive als individuelle Partizipation. Gruppenmitbestimmung führt i n diesen Bereichen u . U . vom Regen i n die Traufe, der einzelne Bürger ist dem mühsam gefundenen Kompromiß eines pluralistischen Gremiums faktisch „ausgeliefert" 5 1 2 . Gerichtlich zu schützende Individualpositionen können auch i m Partizipationsverfahren i n der Regel nur individuell geltend gemacht werden, da es sich meist um besondere Konstellationen subjektiver Interessen handelt. Ebenso ist dem Bürger hinsichtlich seiner Autonomie zur Daseinsgestaltung nichts zurückgewonnen, wenn anstelle staatlicher Stellen m i t Verbandsfunktionären besetzte pluralistische Gremien entscheiden. Gruppen können zwar bestimmte Forderungen der individuellen Daseinsgestaltung nachhaltiger verfechten, als dies dem einzelnen Bürger möglich ist, die persönliche Autonomie kann aber nur durch individuelle Partizipation gesichert werden. Die genannten Begründungen der Teilhabe aus sozial- und rechtsstaatlichen Grundsätzen sprechen nur für verstärkte individuelle Partizipation der Betroffenen an den Entscheidungsvorgängen. Diese Möglichkeiten sind aber über innerparteiliche Demokratie, die von der kollektiven Interessenwahrnehmung über Abstimmungsmehrheiten lebt, nicht zu realisieren. Wohl sind die gesellschaftlich vermittelten individuellen Interessen nicht „rein subjektiver Natur" und sie können u. U. über rationale Argumentation auf allgemeine Zustimmung oder sogar Übereinstimmung treffen 5 1 3 , doch kann der Bürger i n der Regel kaum für seine nur privaten Interessen 514 , soweit sie nicht von übergreifender Relevanz und politischer Qualität, d. h. „organisationsfähig" 5 1 5 sind, eine Mehrheit innerhalb einer Partei aktivieren. 512 G. Kisker, D Ö V 1972, 526 f., bezeichnet pluralistische (Gruppen-)Strukturierungen dort als verfassungswidrig, wo der rechtsstaatliche Schutz des einzelnen Bürgers „gruppenneutrales Funktionieren" bedingt (S. 527). 513 F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 29. 514 Diese Sicht enthält die Gefahr, politisch relevante Folgen der als „ p r i v a t " bezeichneten Interessen zu übersehen (vgl. B. Badura, Bedürfnisstrukt u r u n d politisches System, S. 13 f.), diese „terminologische Zwangslage" ist i m Bewußtsein möglicher unbefriedigender Folgen behutsam differenzierend zu bewältigen, ohne die Ausgangslage v ö l l i g aufzugeben. 515 Die Organisationsfähigkeit von Interessen w i r d von der Pluralismustheorie als grundsätzlich gegeben unterstellt. Dagegen hat C. Offe, Politische Herrschaft u n d Klassenstrukturen, S. 145 ff., als Vorbedingungen der v e r bandsförmigen Vertretbarkeit von Interessen die Organisations- u n d K o n fliktfähigkeit eines Bedürfnisses herausgestellt. Organisierbar sind danach „ n u r solche Interessen, die sich als Spezialbedürfnisse einer sozialen Gruppe interpretieren lassen" u n d „den aktuellen u n d potentiellen Mitgliedern dieser Gruppe hinreichend deutlich u n d wichtig" sind. Das k a n n für die obige A b grenzung zwischen i n d i v i d u e l l vertretbaren n u r privaten Interessen u n d k o l lektivierbaren Interessen übernommen werden. Dagegen k o m m t es für die innerparteiliche Durchsetzung derart organisationsfähiger Interessen nicht

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Eine solche Ausweitung politischer Partizipation über Parteien wäre auch aus funktionellen Gründen undurchführbar: eine Partei würde i n ihrer politischen K r a f t gelähmt, müßten sich die Entscheidungsgremien m i t einer Vielzahl u. U. einander widersprechender I n d i v i dualinitiativen von nur privater Relevanz 516 befassen. Für kollektive Teilhabeformen ist natürlich die individuelle Interessenverfolgung conditio sine qua non; denn erst die Synchronisierung paralleler Individualinteressen i n Gruppen und Verbänden schafft kollektive Partizipationsanliegen. Doch müssen eben die gruppenmäßig vertretbaren Individualinteressen von unmittelbarer Relevanz für viele Individuen (organisationsfähig) sein. Dieses K r i t e r i u m der Quantität gibt den gemeinsam verfochtenen Individualinteressen eine neue Qualität: die der kollektiven Vertretbarkeit. Die hohe Korrelation von Organisiertheit und politischer Partizipation deutet darauf hin, daß dies ein geschlossener Handlungskomplex ist 5 1 7 . Gruppenpartizipation ist i m GG i n verschiedenen Intensitätsstufen geregelt, vom Publizitätsprinzip (z. B. A r t . 21 I 4; 42 I ; 44 I ; 52 I I I ; 82 I) über Artikulationsrechte (z. B. A r t . 5 I; 8; 9; 17; 21) bis h i n zu Entscheidungsbereichen (z. B. A r t . 9 I I I ; 21). I n der Volksparteiendemokratie finden sich neben den Parteien Zusammenschlüsse auf Partialinteressenbasis. Es stellt sich daher die Frage nach dem Verhältnis von gruppenmäßiger Partizipation über Verbände und kollektiver Teilhabe über innerparteiliche Demokratie. Wenn die Parteien nach Art. 21 I 1 GG bei der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken, so folgt daraus, daß von Verfassungs wegen u. a. auch die Verbände an dieser Funktion teilhaben. Die Tatsache, daß trotzdem die Parteien in diesem Bereich faktisch dominieren, resultiert aus den verfassungsrechtlich noch auf deren K o n f l i k t f ä h i g k e i t an. Diese i m nichtreglementierten p o l i t i schen Prozeß wichtige Fähigkeit, k o l l e k t i v „Leistungen zu verweigern bzw. eine systemrelevante LeistungsVerweigerung glaubhaft anzudrohen", u m kollektiven Interessen Nachdruck zu verschaffen, w i r d i m funktionierenden innerparteilichen Willensbildungsverfahren durch die grundsätzliche S t i m mengleichheit aller an Entscheidungsvorgängen beteiligten Parteibürger (§ 10 I I 1 PartG) überflüssig. Dadurch sind die Bedürfnisse der Gruppen, die i m „freien" politischen Prozeß verminderte Durchsetzungskraft haben (Schüler, Studenten, Hausfrauen, Rentner etc. können ihre Interessen schwerlich i m K o n f l i k t durchsetzen, da sie nicht v o l l i n den Leistungsverwertungsprozeß integriert sind) aufgewertet, d. h. gleichwertig m i t konfliktfähigen I n t e r essen. Es k o m m t also i n erster L i n i e auf die beschriebene Organisationsfähigkeit an. 516 D a m i t soll nicht der Zusammenhang von öff. u n d privaten Interessen i n Abrede gestellt werden, doch ist es p r i m ä r Aufgabe der V e r w a l t u n g private Interessen i n den öff. Interpretationsvorgang einzubeziehen (vgl. P. Häberle, ö f f . Interesse, S. 720 u. passim) aus funktionellen Gründen sind über Parteien u n d Verbände n u r private Interessen von unmittelbar k o l l e k tiver Relevanz vertretbar. 517 R. Eckert, Pol. Partizipation u n d Bürgerinitiative, S. 42.

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unterschiedlich ausgestalteten Kompetenzen von Verbänden und Parteien. Besondere Partizipationsformen für Verbände sind die Ausnahme 6 1 8 . Dem Negativbefund an unmittelbaren Partizipationsmöglichkeiten für Verbände steht deren Umarmungstaktik i n bezug auf die insofern privilegierten Parteien gegenüber 519 . Gruppeninteressen wirken auf die Entscheidungsfindung der omnipotenten Volksparteien von innen und außen ein. Wenn zusätzlich die unmittelbare Partizipation der Verbände an der Staatsgewalt über Mitwirkungsfunktionen bei Parlament und Regierung intensiviert werden soll 5 2 0 , so ist zu fragen, ob eine solche Entwicklung i n der Logik der Volksparteiendemokratie liegt oder ob diese Formen geeignet sind, die Grundstrukturen unserer verfaßten politischen Ordnung aus den Angeln zu heben. Die von der Verfassung vorausgesetzte positive Funktion der Verbände ist es, Interessenparallelität in politische Aktivitäten umzusetzen. Die Kanalisierung gleicher Partialinteressen erfolgt ausschließlich durch Verbände; denn die Formulierung von Gruppeninteressen als notwendige Vorstufe einer auf Integration und Kompromiß abzielenden demokratischen Willensbildung des Volkes kann von den Parteien heute nicht mehr geleistet werden. Dies spricht aber nicht dafür, nun alle Verbandsaktivitäten über neue Partizipationsformen unmittelbar i n die Staatsorgane einmünden zu lassen. I m Gegenteil: die Dominanz ökonomisch gewichtiger Verbände und ihre überproportionalen Einwirkungschancen 5 2 1 würden derart „ungefiltert" die Gleichung von der Proportionalität von wirtschaftlicher Macht und politischem Einfluß eher bestätigen als abbauen; die nichtorganisierten Interessen politisch apathischer Bevölkerungsschichten würden stärker als bisher der Vernachlässigung ausgesetzt; die Verbandsspitzen könnten zu eigenen Aktivitäten tendieren, die nicht m i t der tatsächlichen Interessenlage ihrer Mitglieder identisch sein müssen. Es handelte sich also u m die Partizipation von Gruppen(führungen), „die weder eine demokratische, vom Staatsvolk her gewonnene Legitimation aufweisen, noch i n irgendeiner Weise demokratischer Kontrolle unterstehen" 5 2 2 . Daher ist mit einer generellen Verstärkung kollektiver Partizipation der Verbände an der Ausübung der Staatsgewalt nichts für die Demokratie gewonnen. 518

Z. B. i m Rahmen der Konzertierten A k t i o n (§ 3 StabG) oder über p l u r a listische Selbstverwaltungsgremien. 519 s. dazu B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 16. 520 W. Steffani, Parlamentarische Demokratie, S. 38 ff. 521 W. Steffani, Parlamentarische Demokratie, S. 41, spricht von „ w e t t bewerbsverzerrender" Dominanz einzelner Verbände. 622 E.-W. Böckenförde, Der Staat, 1972, S. 451; vgl. auch den Zwischenbericht der Enquete-Kommission des Bundestages zur Verfassungsreform, S. 81.

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Da das GG ausdrücklich die innerparteiliche Demokratie normiert (Art. 21 I 3 GG), den Verbänden aber eine relative innere Autonomie zubilligt (Art. 9 GG) 5 2 3 , darf nicht wegen ineffektiver innerparteilicher Demokratie auf die Verbände ausgewichen werden, für die sich dann die gleichen Probleme stellen oder müssen nicht neue Partizipationsformen gefunden werden 5 2 4 . Daran wäre erst zu denken, wenn die Parteien ihren Verfassungsauftrag v o l l erfüllten und trotzdem ein Partizipationsdefizit für partielle Interessen bestehen sollte 5 2 5 . Die eindeutige Verfassungsdirektive lautet: Effektivierung der innerparteilichen Demokratie. Dies folgt auch daraus, daß das allgemeine Demokratieprinzip der A r t . 20 I, 28 I GG i n Fragen kollektiver Teilhabe primär durch das besondere nach A r t . 21 I 3 GG teilweise konkretisiert und ergänzt wird. Die notwendige Formulierung und politische Verfechtung von antagonistischen Partialinteressen obliegt den Gruppen und Verbänden, die aufgrund ihrer relativ homogenen Struktur rasch zu klaren, kompromißlosen Aussagen gelangen. D . h . aber zugleich, daß die Konsequenzen für andere oder für das Gemeinwesen insgesamt auf einer weiteren Willensbildungsstufe zu bedenken und zu berücksichtigen sind. Es bedarf eines clearing-system, das diese Initiativen bewertend verarbeitet. Hier setzt die Funktion der Volksparteien ein: der auf sie einwirkende und i n ihnen angelegte Interessenpluralismus ist i n demokratischen Verfahren zu Kompromissen und ausgewogenen Regelungssätzen zu verdichten. Die Volksparteien haben i m Gegensatz zu den Verbänden genügend Eigenkomplexität und verfügen über Partizipationsmechanismen, u m den gesellschaftlichen Pluralismus adäquat zu verarbeiten. Die i n diesem Zusammenhang an den Parteien geäußerte K r i t i k ist widersprüchlich: einerseits w i r d behauptet, daß sie keinen Resonanzboden für Bürgerinitiativen darstellten 5 2 6 und andererseits 628 T. Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, GG, Rdnr. 56 zu A r t . 9 GG, d i f ferenziert die Anforderungen an die innere Verbandsordnung m i t H i l f e des „demokratischen Prinzips": an die „demokratische Organisation" eines V e r bandes sind höhere Anforderungen zu stellen, „ j e mehr sich die Vereinigung nach dem Gewicht ihrer pol. Einflußnahme der Bedeutung einer pol. Partei nähert". 524 Vgl. etwa W. v. Simson, W D S t R L 29 (1971), S. 37: „Neue Formen der Partizipation u n d Kontrolle müssen sicherlich gefunden werden, w e n n Demokratie u n d Freiheit sich retten sollen." — E i n M e r k m a l der Bürgerinitiativen ist es etwa, daß sie „nicht auf die Ausschöpfung der vorgegebenen Partizipationsmodi i n Parteien, Verbänden, Massenmedien u n d Verhaltungen beschränkt" sind, sondern „neue Wege" beschreiten, so J. Dittberner, ZParl. 1973, S. 194. 525 „Ob u n d i n w i e w e i t . . . das Potential demokratischer Partizipation u n d Legitimation tatsächlich gesteigert würde, wäre dann freilich nicht zuletzt eine Frage der innerparteilichen Demokratie", W. Steffani, Parlamentarische Demokratie, S. 42. 526 T. Schiller, Parteien u n d Bürgerinitiativen, S. 118; v. Schrötter, Die

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w i r d ihr gesunder Appetit, sich kritische Impulse einzuverleiben angeprangert 5 2 7 . Man kann m i t einiger Berechtigung sagen, daß die Parteien erst dann auf solche Initiativen reagieren und sie sich agierend zu eigen machen, wenn ein gewisser öffentlicher Druck dahinter steht 5 2 8 , wenn die öffentliche Meinung es fordert. Wesentlich bleibt jedoch, daß sie die einzigen verfassungsmäßigen Instrumente zur Interessentransformation i n die Staatsorgane sind. Eine mangelhafte Wahrnehmung ihrer Funktion enthebt sie nicht von dieser Aufgabe, sondern macht die Ausräumung von Dysfunktionalitäten erforderlich. Gewissermaßen „über" den Verbänden stehend, haben die Parteien und ihre Fraktionen zusätzlich „die besondere Funktion, den nicht hinreichend organisierten und artikulierten Minderheits- und Allgemeininteressen w i r k sam Gehör und Beachtung zu verschaffen" 529 . Hinsichtlich kollektiver Partizipationsformen kommt es also i n erster Linie auf eine Effektivierung der institutionellen Möglichkeiten innerparteilicher Demokratie an. Der durch die Entwicklung zu Volksparteien gesteigerte Einfluß der Verbände auf die Parteien ist i n demokratischen innerparteilichen Verfahren zu kanalisieren. Neue, verstärkte Partizipationsformen für Gruppeninteressen unmittelbar an der Staatsgewalt würden die Legitimations- und Verantwortungsstrukturen des parlamentarischen Regierungssystems des GG aushöhlen. Sie würden zur antiegalitären Überrepräsentation durch Summierung der Einflüsse vielfach organisierter Bürger der Mittelund Oberschicht gegenüber den nichtorganisierten der Unterschicht führen 5 3 0 . Die egalisierende Funktion der innerparteilichen Demokratie besteht dagegen i n der einmaligen und grundsätzlich gleichen Möglichkeit aller Bürger, über die Parteimitgliedschaft kontinuierlich an der Staatsgewalt zu partizipieren. Gerade w e i l die innere Ordnung der V e r w a l t u n g 1971, S. 128. — Dagegen haben H. Bilstein / R. Lange, Politische Willensbildung i m Parteienstaat, S. 49, i n ihrer Analyse der vorparlamentarischen Meinungsbildung und des anschließenden staatsorganschaftlichen Entscheidungsprozesses i n einem Beispielfall nachgewiesen, daß die Parteien durchaus i n der Lage sind, die ihnen zukommende Aufgabe der Problemerkennung zu erfüllen. 527 H. Grossmann, Bürgerinitiativen, S. 166. — Vgl. zum Problem der Beziehungen zwischen Parteien u n d Bürgerinitiativen den empirisch-analytischen Bericht der Forschungsgruppe an der F U Berlin, ZParl. 1973, S. 247 ff., über materielle, personelle u n d ideelle Verflechtungen, bes. S. 266 f., 279. 528 J. Dittberner, Entwicklungstendenzen, S. 490. 629 W. Steffani, Parlamentarische Demokratie, S. 37: Partei u n d F r a k t i o n als „Interessengruppe f ü r das Allgemeine". 530 Auch i n den vielfach als Partizipationsinstrumente gepriesenen Bürgeri n i t i a t i v e n arbeitet überwiegend die „neue Mittelklasse" m i t u n d v e r t r i t t ihre schichtenspezifischen Interessen, vgl. den Bericht der Forschungsgruppe der F U Berlin, ZParl. 1973, S. 285.

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Parteien gegenwärtig demokratischen Grundsätzen nicht voll entspricht, ist es angebracht, vermehrt die bestehenden Möglichkeiten der Partizipation über Parteien zu nutzen; denn die innerparteiliche Demokratie lebt vom Engagement möglichst vieler Mitglieder. Es ist kein Argument gegen diese Konzeption, wenn beklagt wird, daß unser parlamentarisches System „faktisch aber alle Entscheidung und Willensbildung i m politischen Leben einer winzigen Minderheit von Parteimitgliedern reserviert"; das „Defizit an Beteiligung der Bürger" 531 ist nur durch Beteiligung der Bürger ihrerseits auszugleichen; die institutionellen Möglichkeiten hierfür sind vorhanden. c) Innerparteiliche

Demokratie in Volksparteien

Die beschriebene Entwicklung i m Parteiensystem der Bundesrepublik ist auf ihre Auswirkungen auf die Binnenstrukturen der Parteien und somit die „demokratisch-politische K u l t u r " des Gemeinwesens schlechthin zu untersuchen. Die Strukturen der Volkspartei, als dem maßgeblichen Parteitypus der Gegenwart, sind hinsichtlich ihrer realen Gefährdungen und Chancen der innerparteilichen Demokratie auszuwerten und i n die wirklichkeitsorientierte Verfassungsinterpretation einzubeziehen. Kritiker des Volksparteientheorems bemängeln zu Recht den Verlust an politischer Substanz und prägnanter Aussage der Parteien, die einer begrenzten politischen Kompromißformel mit Rücksicht auf den unmittelbaren Wahlerfolg geopfert werden 5 3 2 . M i t der Erweiterung des politischen Spektrums einer Partei lockern sich gleichzeitig die B i n dungen, die Wähler und Mitglieder zu ihr haben und die Kommunikation w i r d eingeschränkt 533 . Ein Verlust an politischer Alternative für den Wähler und allgemeine Entpolitisierung 5 3 4 sind die Folgen. Hinzu kommt der grundsätzliche Einwand, daß i n einer antagonistischen Gesellschaft Volksparteien, die bestehende Widersprüche ignorieren, die entpolitisierende, verschleiernde Funktion haben, Klassengegensätze mit einer Ideologie zu überlagern 5 3 5 , ohne daran etwas zu ändern. 531

H. Grossmann, Bürgerinitiativen, S. 166. O. Kirchheimer, PVS 1965, S. 27; J. Dittberner, PVS 1970, S. 238, 267; H. Harnischfeger, Planung i n der sozialstaatlichen Demokratie, S. 70. 533 Nach J. Dittberner, PVS 1970, S. 267, ist die mangelhafte K o m m u n i k a tionsstruktur der Volksparteien „funktional", w e i l sie die A r t i k u l a t i o n f u n damentaler Klasseninteressen, die von dem Volksparteientheorem i n Abrede gestellt würden, unwahrscheinlicher mache. 634 W. D. Narr, C D U — S P D , S. 45; H. See, Volkspartei i m Klassenstaat, S. 135; C. Offe, Politische Herrschaft u n d Klassenstrukturen, S. 144; H. Sperling/H. Schröder, Parlamentarismus i n der Krise?, S. 42 A n m . 2; K. Sontheimer, Z u r neueren K r i t i k an der Theorie der pluralistischen Demokratie, S. 30; H. Lenz / C. Sasse, J Z 1962, S. 233. 532

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Doch legt bereits der dieser K r i t i k zugrunde liegende Begriff der Klasse — i n der hochgradig differenzierten Industriegesellschaft der BRD mehr politische Reizvokabel als soziologisch gesicherter Befund — den Verdacht nahe, daß hier der Teufel m i t dem Beizebub ausgetrieben, d.h. m i t der einen Ideologie ein anderes Verständnis als solche entlarvt werden soll. Die früheren Klassen sind heute durchlässig, konturlos geworden; selbst i n weniger kategorischen Schichtenmodellen läßt sich die Gesellschaft nicht mehr klar erfassen 536 . Der Gegensatz von Arbeitern und Kapitalisten ist i n dieser Vereinfachung nicht mehr haltbar. Er ist durch ein differenziertes Sozialgefüge von Berufen, Positionen, Rängen und Rollen i m Arbeitsprozeß abgelöst worden 5 3 7 . Dabei ist der einzelne i n seinen Rollen 5 3 8 Träger verschiedener Interessen. Die moderne pluralistische Gesellschaft m i t ihrer vom GG geforderten Offenheit für verschiedene und gegensätzliche soziale Interessen und Wertvorstellungen ist eine Konfliktgesellschaft und nicht eine Gesellschaft des Klassenkampfes. Sie beweist ihre Freiheitlichkeit und schöpft Innovationen durch die ständige Konkurrenz der Gruppen. Entscheidend für ein an demokratischen Werten orientiertes Funktionieren dieser komplexen offenen Gesellschaft 539 ist nicht eine anachronistische Reduzierung der Komplexität auf wenige antagonistische Interessen i n Reinkultur, sondern die Sicherung 540 und der Ausbau 5 4 1 der i n der Verfassung angelegten Offenheit des politischen Systems unter Berücksichtigung seiner hochgradigen Komplexität. Diese mobile Gesellschaftsstruktur ist Voraussetzung für die Entwicklung der politischen Parteien zu Volksparteien 5 4 2 . Durch die damit einhergehende Annäherung der Parteien an eine fiktive politische „ M i t t e " w i r d gleichzeitig ein der mobilen Gesellschaft adäquates mobiles Regierungssystem erreicht; denn die Entscheidung als Wechselwähler eine andere Partei zu wählen fällt leichter, als i n einem Parteien535 H. See, Volkspartei i m Klassenstaat, S. 122, 134 passim; C. Offe, Politische Herrschaft u n d Klassenstrukturen, S. 151. 536 s. z. B. die Modelle bei E. K . Scheuch, Sozialprestige u n d soziale Schichtung; R. Dahrendorf, Gesellschaft u n d Demokratie i n Deutschland. 537 H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 431. 538 Z . B . als Verbraucher, Arbeitnehmer, Hausbesitzer, Autofahrer; s. W. Besson / G. Jasper, Das L e i t b i l d der modernen Demokratie, S. 15. 539 I m Sinne von: K . Popper, Die offene Gesellschaft u n d ihre Feinde. 540 I m Sinne des Systemüberlebensmodells (system s u r v i v a l model); vgl. dazu F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 46; W. D. Narr, Theoriebegriffe u n d Systemtheorie, S. 126 ff. 541 I m Sinne des Systemzielmodells (system effectiveness model); vgl. F. Naschold, ebd. 542 H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 431.

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system m i t einander schroff gegenüberstehenden Interessenparteien. Angesichts der Widersprüche und Konflikte i n der Gesellschaft heißt das zugleich, daß Parteien, die auf Abdeckung aller dieser gesellschaftlichen Gruppen tendieren, deren Widersprüche und Konflikte als eigene übernehmen müssen. „Je breiter eine Volkspartei wird, desto zwangsläufiger muß sie verschiedene geistige Strömungen, verschiedenartige Interessenfixierungen, verschiedenartige Interessengruppen i n sich aufnehmen 5 4 3 ." Sie kann also nicht aus neuen Interessenschichten Wähler und Mitglieder gewinnen wollen, ohne diese Richtungen parteiintern adäquat an der Willensbildung zu beteiligen. Parteipolitik als Kompromiß der verschiedenen innerparteilichen Interessen entsteht nicht bereits durch das bloße Vorhandensein konkurrierender innerparteilicher Gruppen 5 4 4 . Die offene innerparteiliche Auseinandersetzung w i r d als „Ferment" der Willensbildung i n Volksparteien immer maßgeblicher 545 . Nicht die Öffnung der Parteien für neue Gruppen, sondern erst die Unterdrückung der so transformierten Konkurrenzen i m innerparteilichen Bereich wäre entpolitisierende Verschleierung tatsächlicher politischer Interessengegensätze. Die Aufnahme der verschiedensten politischen Interessen unter das Dach einer Partei hebt die Gegensätze j a nicht per se auf. Vor allem eliminieren die Volksparteien nicht jeden potentiellen Interessenkonflikt i n der Produktionssphäre 5 4 6 . Konnten monistische Interessen i n Interessenparteien und können sie heute i n Verbänden i n Reinkultur vertreten werden, so durchliefen und durchlaufen sie anschließend stets ein Filtersystem, bis sich der Interessenpluralismus zu einer verbindlichen hoheitlichen Entscheidung verengt hat. Was bei den Volksparteien als Entpolitisierung bemängelt wird, ist nichts anderes als die Tatsache, daß der Prozeß der Kompromißfindung heute in die Parteien „vorverlegt" ist und nur in geringem Maße — je nach den politischen MehrheitsVerhältnissen — i n den Staatsorganen stattfindet. Daran wäre allenfalls zu kritisieren, daß dadurch die Interessengegensätze zu früh aus der breiten Öffentlichkeit der politischen Willensbildung des Volkes herausgenommen und deshalb nicht echt ausgetragen werden und ihre politisierende Wirkung nicht entfalten können. Dagegen spricht aber zum einen, daß monistische Interessen nach wie vor außerhalb der Volksparteien von den Verbänden permanent und nachdrücklich vertreten werden und folglich nicht dem allgemeinen politischen Prozeß entzogen sind; zum 543 H. Schmidt, als stellvertr. SPD-Bundesvorsitzender i n einem SpiegelInterview, Nr. 1/1973, S. 29. 544 J. Dittberner, Der Wirtschaftsrat der C D U e. V., S. 201. 545 K. Sontheimer, Demokratischer Prozeß, S. 92. 546 Wie K. Lenk, Wie demokratisch ist der Parlamentarismus?, S. 43, meint.

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andern liegt es auch an der Funktionsweise der innerparteilichen W i l lensbildung, ob die verschiedenen Interessenrichtungen sofort einschmelzen oder i n öffentlichen innerparteilichen Willensbildungsverfahren um Mehrheiten ringen und insofern — zumindest innerparteilich — politisierend wirken. Daher können die Volksparteien nicht „an sich" als entpolitisierend und verschleiernd gekennzeichnet werden; ihre Binnenstruktur ist maßgebend dafür, ob Konflikte ausgetragen oder unterdrückt werden. Trotz der beschriebenen Wandlung i m westdeutschen Parteiensystem und der damit verbundenen Öffnung, fehlt es oft an einer funktionsgerechten Anpassung der parteiinternen Strukturen und des Selbstverständnisses der Parteien an die neuen Gegebenheiten. Der Wettbewerb der innerparteilichen Arbeitsgemeinschaften und Zusammenschlüsse auf Interessenbasis i n den Parteien 5 4 7 muß auch tatsächlich stattfinden können. Integration der verschiedenen Interessenrichtungen unter das Dach einer Partei darf nicht zugleich die Amputation konträrer politischer Standpunkte bedeuten, sondern hat deren Auseinandersetzung zum Zwecke demokratischer Entscheidungsfindung zu fördern. Die Konflikte sind derzeit noch anderer A r t : man versucht die Bestrebungen der starken politischen Minderheiten innerhalb der Parteien, ihre Interessen (partei-)öffentlich zu vertreten, m i t Beschwörungen der Einigkeit 5 4 8 zu neutralisieren. Dabei w i r d verkannt, daß diese für die innerparteiliche Demokratie positiven Aktivitäten zugleich geeignet sind, der breiten Öffentlichkeit die Möglichkeiten und Grenzen innerparteilicher Entscheidungsprozesse transparent zu machen und somit der politischen Willensbildung des Volkes zu dienen. Die Volksparteien müssen zwangsläufig ihren hohen Anspruch auf Geschlossenheit, wie ihn nur eine Interessenpartei erheben kann 5 4 9 , aufgeben und dürfen sich innerparteilich organisierende kritische Minderheiten nicht als Parteischädlinge betrachten 550 , zumal sie andererseits skrupellos 647 Z u m Konzept des internen Parteienwettbewerbs vgl. F. Naschold, O r ganisation u n d Demokratie, S. 32 ff. 548 I m K a m p f der Parteien u m Wählerstimmen ist natürlich ein „Mindestmaß an Geschlossenheit" erforderlich, u m die Partei aktionsfähig zu halten u n d dem Wähler A l t e r n a t i v e n zu bieten, vgl. B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 14; das Problem liegt aber gerade i n der E r m i t t l u n g dieses Mindestmaßes, s. dazu auch H. See, Volkspartei i m Klassenstaat, S. 122. 549 A u f die Zusammenhänge von demokratischer Willensbildung u n d E n t scheidungsfindung u n d einer pluralistischen innerparteilichen Interessens t r u k t u r haben H. Sperling / H. Schröder, Parlamentarismus i n der Krise?, S. 44, hingewiesen. 550 Vgl. dazu z. B. den L e i t a r t i k e l „ R u f nach Disziplin" i n der FR v o m 9. 7. 1971, S. 3; W. Brandt, SPD Bundesvorsitzender, sieht i n der Fraktionsbildung „angedeutete Gefahren zur Selbstzerstörung" u n d glaubt, sie könne „zur Abspaltung führen", s. dazu den Bericht von V. Hoffmann, FR v o m 28. 2.1973, S. 3.

3. Der Typus der Volksparteien

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Wählerstimmen m i t diesen Parteigruppierungen ködern. Der Begriff der Volkspartei und das überkommene Ideal einer disziplinierten Parteieinheit sind unvereinbar, er intendiert vielmehr die organisierte Existenz möglichst vieler Gruppierungen „nach innen" 5 5 1 . Der Strukturwandel der Parteien zu Volksparteien schränkt auch ihre Möglichkeiten ein, bestimmten Personen oder Gruppen die Partizipation an ihrer politischen Willensbildung zu verweigern 5 5 2 . Nach organisationstheoretischen Erkenntnissen bieten die Strukturen der Volksparteien positive Voraussetzungen für die innerparteiliche Demokratie. Zunächst ist es für den Bestand einer Partei günstig, wenn i n ihr mehrere „Fraktionen" m i t sogar gegensätzlichen politischen Zielen existieren, da „zweckdiffus strukturierte Organisationen" weniger bestandsgefährdet sind 5 5 3 . Der Parteizweck Erringung politischer Macht ist nicht so „instruktiv", daß daraus das richtige oder gar das einzig richtige M i t t e l abgeleitet werden kann 5 5 4 , dasselbe gilt für die Parteiprogramme. Bei partiellem Konsens über einige M i t t e l ist die Entscheidung zwischen möglichen u . U . gegensätzlichen Handlungen auf nachgeordnete Instanzen delegiert 5 5 5 . Die „Fraktionsbildung" innerhalb der Volkspartei ist angesichts einer pluralistischen Gesellschaft unumgänglich und keineswegs i l l e g i t i m 5 5 6 . Das pluralistische Geflecht interessengebundener innerparteilicher Sonderorganisationen — eine organisatorische Konsequenz des Volksparteitypus 5 5 7 — ist förderlich für die innerparteiliche Demokratie, da innerorganisatorischer Wettbewerb der verschiedenen Interessenrichtungen auf „internen Märkten" m i t relativ freiem Kommunikationsfluß 5 5 8 „die Chancen für angemessene Artikulierung und Aggregierung der Mitgliederinteressen sowie die Beteiligung der Mitglieder an den organisationsrelevanten Entscheidungen beträchtlich steigern" kann 5 5 9 . Innerparteiliche Interessengegen551

H. Schmollinger, Gewerkschafter i n der SPD, S. 233. Dazu näher unten unter 2. T e i l I. 1., 2. (Parteizugang, -ausschluß). 558 N. Luhmann, Zweckbegriff u n d Systemrationalität, S. 156 ff.; ders., Der Staat, 1964, S. 136 f.; ähnlich bereits S. M. Lipset, Soziologie der Demokratie, S. 84 f., zur Stabilisierungsfunktion gegensätzlicher politischer Zugehörigkeiten f ü r die Demokratie. 554 N. Luhmann, Der Staat, 1964, S. 135. 555 Ders., ebd., S. 136 f. 556 H. See, Volkspartei i m Klassenstaat, S. 122: „eine Volkspartei k a n n n u r dann tendenziell demokratisch sein, w e n n sie Fraktionsbildungen gestattet"; ähnlich F. Bröder, Blätter für dt. u n d internat. P o l i t i k 1970, S. 1168. 557 B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 31. 558 O. Massing, Parteien u n d Verbände als Faktoren des politischen Prozesses, S. 283. 559 j? Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 38, 91, s. auch S. 48, i n komplexen Organisationen m i t sozial differenzierter Mitgliederschaft ist auch bei oligarchischer S t r u k t u r der einzelnen konkurrierenden Gruppen ein hö552

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sätze steigern die Kontrolle der Parteiführungen 5 6 0 durch die Basis, da jede Richtung kritisch ihre Auffassung vertritt. Diese umfassende politische Auseinandersetzung innerhalb der Volksparteien ist schließlich auch funktional dafür, daß die Parteitage ihre Willensbildungsfunktion erfüllen können 5 6 1 . Fraktionsbildung und Integration sind in einer Volkspartei keine Gegensätze, wie dies i n homogenen Interessenparteien der Fall wäre. Sicher entsprechen nicht alle Flügel und Strömungen i n einer Volkspartei dauerhaft organisierten Interessen, doch kommt es gerade bei Sonderinteressen nicht auf die Dauerhaftigkeit ihrer organisierten Vertretimg an. Abgesehen von der Möglichkeit ihrer Realisierung, können sie i m Zeitablauf aus den verschiedensten Gründen obsolet werden. Festzuhalten bleibt jedoch, daß zur Teilhabe der Mitglieder, d. h. zur Institutionalisierung personeller und sachlicher Entscheidungsalternativen zwischen Mitgliedschaft und Parteiführung Zwischengruppen eingebaut werden m ü s s e n 5 6 2 ' 5 6 3 . Durch die Bildung innerparteilicher Sonderorganisationen w i r d aber eine Variante des Apathieproblems als mögliche Gefahr für die innerparteiliche Demokratie relevant: die Partizipationsmotivation der Parteimitglieder kann angesichts der differenzierteren Organisation und verschiedenartiger Meinungen abnehmen 564 . Es ist daher für die Parteien der optimale Wert an Funktionskumulierung zu ermitteln. Zusätzliche Funktionen verhindern z.B. die bei einfunktionalen Organisationen verstärkte innerorganisatorische Oligarchiebildung 5 6 5 . Grundsätzlich ist daher der Funktionszuwachs der Volksparteien positiv zu bewerten, von einem bestimmten Punkt an kann es aber notwendig werden, Funktionen und Konflikte aus den Volksparteien i n die Umwelt auszusondern, u m die Motivation für die politische Beteiligung der Mitglieder zu erhalten. Angesichts der interessendiffusen Volksparteien ist die — u. U. ebenso diffuse — Interessenlage des einzelnen heute nicht mehr die allein ausschlaggebende Motivation seiner Wahlentscheidung oder Parteimitgliedschaft. Bei politischen Entscheidungen sind die Interessenpräferenzen der Partei zu ermitteln. Zunächst sind die partiellen Interessen der verschiedenen Mitgliedergruppen zu artikulieren und sodann heres Maß an interner Demokratie durch dieses Modell gewährleistet, „als es i n Organisationen, die nach dem Konzept einer direkten oder repräsentat i v e n Demokratie aufgebaut sind, anzutreffen ist". 660 v g l z u m positiven Verhältnis von konkurrierender Interessenlage u n d effektiven Kontrollimpulsen M. Hättich, Innerparteiliche Demokratie, S. 32. 661 562 563 564 565

J. Dittberner, Die Parteitage v o n CDU u n d SPD, S. 107. F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 33. Näher dazu unten unter 2. Teil, I I . 2.: Sonderorganisationen. O. Kirchheimer, PVS 1965, S. 40 f.; F. Naschold, ebd., S. 81. F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 81.

3. Der Typus der Volksparteien

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i m politischen Prozeß über den Wettbewerb der Richtungen innerhalb einer Partei i m demokratischen Verfahren die Prioritäten der Parteipolitik zu setzen. Für die erste Stufe muß also gewährleistet sein, daß überhaupt Partialinteressen innerparteilich formuliert werden. Hier sind die Parteien auf die Unterstützung der verbandsmäßig organisierten Interessen bei der Interessenaggregation angewiesen 566 . Die Umsetzung externer Partialansprüche hat über organisierte Sonderorganisationen innerhalb der Parteien zu erfolgen; sie sind für die „Verbandsdurchlässigkeit der Parteien" (K. v. Beyme) conditio sine qua non. Sie haben darüber hinaus bei der Formulierung und Bewertung von Partialinteressen i m Willensbildungsprozeß der Parteien die Funktion: unmittelbare externe Einflußnahmen von Gruppen und Verbänden auf die Parteien abzufangen, sie zu transformieren und als eigene i n die innerparteiliche Diskussion einzubringen. Die Durchlässigkeit der politischen Parteien für Initiativen aus dem gesamtgesellschaftlichen Kommunikationssystem ist Voraussetzung und Konsequenz funktionsfähiger innerparteilicher Demokratie 5 6 7 . Die Aufwertung der Verbände, die infolge der Volksparteientwicklung die einzigen Vertreter der weniger komplexen Teilinteressen sind, erhöht ihr politisches Gewicht. Für die Funktionsfähigkeit des innerparteilichen Willensbildungsvorganges ist es deshalb notwendig, die organisierte Verbandsmacht zu kanalisier e n 5 6 8 und transparent zu machen. Gegen die Gefahr der Außensteuerung der Volksparteien durch Verbände über nichtöffentliche Spitzengespräche, die demokratische Mehrheitsentscheidungen der Parteimitglieder überspielen 569 , sind den Verbandsinteressen entsprechende innerparteiliche Sonderorganisationen — Verbände „ i n " den Parteien 5 7 0 — ein wirksames Mittel. Die Verbände erhalten einen Adressaten innerhalb der Volksparteien, der versucht für die mit seinen Vorstellungen identischen Verbandsforderungen i m demokratischen innerparteilichen Prozeß eine Mehrheit zu finden. Unter Hinweis auf diese Strukturen und Abläufe können sich die Parteiführungen unverhältnismäßiger Einflußnahme von außen erwehren. Es ist anzunehmen, daß die demokratische innerparteiliche Entscheidung den Wählerwünschen eher entspricht, als ein „arithmetischer Proporz", ausgehandelt zwischen Partei- und Verbandsspitzen. 566

K. v. Beyme, Interessengruppen i n der Demokratie, S. 122. M. Hättich, Innerparteiliche Demokratie, S. 38. 588 H. Sperling / H. Schröder, Parlamentarismus i n der Krise?, S. 48. 589 Vgl. B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 16; H. Sperling / H. Schröder, Parlamentarismus i n der Krise?, S. 48: „Geschäfte i n der E x k l u s i v i tät der Vorstände." 570 Näher dazu unten unter 2. Teil, I I . 2.: Sonderorganisationen. 567

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1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

A u f der zweiten Stufe i m Prozeß der Prioritätensetzung innerhalb interessendiffuser Volksparteien stehen die partiellen Interessen der innerparteilichen Sonderorganisationen i n Konkurrenz; es geht u m die Selektion ihrer Forderungen m i t dem Ziel einer Entscheidung für die Partei insgesamt. U m diesen Zielkonflikt zu lösen, kommt es wiederum wesentlich auf die Beteiligung der Mitglieder an. Sowohl hinsichtlich der Qualität des Kompromisses i m Sinne einer möglichst umfassenden Interessenbefriedigung als auch unter dem Gesichtspunkt des Ausbaus innerparteilicher Partizipationsmöglichkeiten. Die These, Beteiligung aller am politischen Prozeß würde zum Chaos führen, w i r d durch die Realität ebenso widerlegt, wie das utopische Modell der „Partizipation aller Bürger am diskutant aufzuhellenden politischen Entscheidungsprozeß" 571 ausgeschlossen w i r d 5 7 2 . Partizipation ist angesichts der vielfältigen, interdependenten politischen Fragen und des begrenzten individuellen Informationsverarbeitungspotentials 5 7 3 auf Dauer heute nur noch partiell möglich 574. Die Spezialisierung in der Partizipation w i r d bei der Größenordnung der politischen Systeme sowie der Ausdehnung und Differenzierung des politischen Bereichs unvermeidlich 5 7 5 . Trotzdem ist das Postulat universeller Partizipation modifiziert auch unter den Bedingungen der heutigen Realität aufrecht zu halten: als Forderung nach verfahrensrechtlich abgesicherter grundsätzlicher Möglichkeit des Bürgers, frei an den politischen Entscheidungen zu partizipieren, die i h m wichtig sind. Diese Chance hat das Parteimitglied verstärkt über interessenorientierte innerparteiliche Zusammenschlüsse, die ihre A k t i v i t ä t auf bestimmte Partizipationsbereiche beschränken. Die Mitarbeit i n solchen Suborganisationen m i t überschaubarer Thematik kann sich positiv auf die Partizipationsmotivation des einzelnen auswirken. Neben diesen 67 1 W. Euchner, Demokratietheoretische Aspekte der politischen Ideengeschichte, S. 43. 572 Es k a n n heute n u r noch u m ein „reduziertes Partizipationsmodell" gehen, vgl. F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 59. 573 So glaubt z. B. N. Luhmann, Gesellschaften als Systeme der K o m p l e x i tätsreduktion, S. 348, die Grenze der Informationsverarbeitungskapazität des Bürgers sei schon erreicht u n d die Forderung nach m e h r Öffentlichkeit u n d mehr Information sei deshalb dysfunktional. Dagegen w u r d e berits von G. Schmid, PVS 1970, S. 207 A n m . 55, angeführt, daß m a n „ m i t dem K o m p l e x i tätsargument alles machen" könne. Z u m anderen k o m m t es auch nicht auf die Informationsverarbeitungskapazität i n bezug auf alle gegebenen I n f o r mationen an, denn selbst bei Überbeanspruchung bleibt dem Bürger die Möglichkeit der Selektion f ü r i h n relevanter Informationen. 574 Dies schließt utopische Modelle umfassender Partizipation aller Bürger aus u n d f ü h r t zu einem reduzierten Partizipationsmodell; näher dazu unten unter I I I . 1.: Demokratiebegriff. 575 F. Scharpf, Demokratietheorie, S. 59 ff.

3. Der Typus der Volksparteien

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innerparteilichen Interessengruppierungen kommen auch die territorialen Gliederungseinheiten der Parteien der Spezialisierung individueller Teilhabe i n gewissem Umfang entgegen 576 . Denn Mitglieder m i t ausschließlichem Interesse an der Gemeindepolitik können diesen beschränkten Teilhabeanspruch durch Mitarbeit auf der untersten Gliederungsstufe befriedigen 5 7 7 . Das Interesse an regionalen Problemen kann auf den nächst höheren Ebenen adäquat realisiert werden, indem sich die interessierten Parteibürger u m eine Delegation zu den Versammlungen jener Gebietsverbände bemühen. Jene schwerpunktmäßige Abstufung von der Kommunal- bis h i n zur Bundespolitik auf den verschiedenen Gliederungsstufen, stellt eine weitere Möglichkeit zu effektiver partieller Beteiligung an der Parteipolitik über Spezialisierung des Partizipationsthemas dar. Damit ist nicht gesagt, daß die Untergliederungen jeweils nur auf die politischen Probleme ihres Territoriums beschränkt sind, denn auch ihre Innovationen zur „großen Politik" und ihre Diskussionen solcher Entscheidungen sind als Teilhabe der Basis funktional i m Sinne demokratischer Willensbildung. K r i t i k e r sehen i n den Volksparteien Instrumente der Oligarchien, die den etablierten Parteiführungen die Macht erhalten 5 7 8 . I n der Tat bew i r k t die Verbreiterung des Spektrums der Parteipolitik Machtzuwachs der Parteien und somit auch der Parteiführungen, wenn die politische Rechnung aufgeht und die Wähler verschiedener Interessenschichten einer Partei zur Mehrheit verhelfen. Machterhaltung und -Zentralisierung auf Oligarchien ist aber kein spezifisches Problem der Volksparteien. R. Michels hat sein „ehernes Gesetz der Oligarchie" aus der Analyse einer Interessenpartei, der Sozialdemokratie vor 1914, gewonnen 5 7 9 . Es ist i m Gegenteil wahrscheinlich, daß über die konsequente Nutzung der Strukturen von Volksparteien das Oligarchieproblem eher bewältigt werden kann, als dies i n einer Interessenpartei möglich wäre 5 8 0 . Denn i m Gegensatz zu einfunktionalen Organisationen rücken die Volksparteien als soziale Multizweckverbände gerade von 576 Wenn § 7 I 2 P a r t G bestimmt, daß die gebietliche Gliederung einer Partei so w e i t ausgebaut sein muß, „daß den einzelnen Mitgliedern eine angemessene M i t w i r k u n g an der Willensbildung der Partei möglich ist", so ist damit auch dieser Aspekt angesprochen. 577 R. Mayntz, ZfP 1955, S. 59 ff., sieht i n ihrer Fallstudie das Hauptgewicht der A r b e i t lokaler Parteigruppen i n ihren gemeindebezogenen Funktionen, die Kontakte zu den übergeordneten Parteistellen sind „ausgesprochen schwach", „keine Parteigruppe hat i n nennenswerter Weise Beschlüsse, A n regungen u n d Wünsche als Ausdruck eigenen Willens an übergeordnete Parteistellen weitergereicht" (S. 62). 57 8 J. Dittberner, PVS 1970, S. 267. 579 I n : Z u r Soziologie des Parteiwesens i n der modernen Demokratie. 580 Vgl. dazu F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 81.

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1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

den Prinzipien des „demokratischen Zentralismus" 5 8 1 ab. Durch innerparteiliche Gruppenkonkurrenz erhöht sich die Chance, daß durch „ i n formelle Rückkopplung" die Parteimitglieder die initiativen Führungsgruppen zumindest effektiv kontrollieren 5 8 2 . I m übrigen ist die Verfestigung einer Parteiführung auch abhängig vom Statusunterschied zwischen Funktionären und Mitgliedern, der Abbau dieser Differenzen erleichtert den Machtwechsel 588 . Über die Effektivierung der innerparteilichen Demokratie sind die Volksparteien gegenüber dem Typus der Interessenparteien die geeigneteren Organisationsstrukturen zur demokratischen Ausrichtung des Gemeinwesens. I n Interessenparteien werden die Mitglieder allenfalls an der Formulierung der von vornherein relativ unstreitigen, einseitigen politischen Forderungen — dem gemeinsamen Interesse — beteiligt. Die politisch viel wichtigere Kompromißfindung i n der Auseinandersetzung m i t anderen Interessen findet dann unter Ausschluß der Mitglieder i n Koalitionen statt. A u f die wichtige Entscheidung, wie weit von der ursprünglichen Forderung u n d i n welche Richtung von ihr abgerückt werden soll, haben die Parteimitglieder keinen Einfluß mehr. Selbst ein institutionalisierter Rückkopplungs- und Rückversicherungsprozeß der Mandatsträger m i t der Parteibasis könnte dies nicht leisten, da die stets wechselnden Situationen und Konstellationen sich abzeichnender Mehrheiten bei der diskutanten Aushandlung eines mehrheitlich akzeptierten Modus i n der Koalition oder i m Parlament ein sofortiges, flexibles Agieren verlangen. Diese Nachteile der Interessenparteien sind durch Volksparteien überwunden, Kompromisse werden in der Partei getroffen. Der Funktionsverlust des Parlaments hängt auch m i t der Wandlung des Parteiensystems weg von vielen kleinen und Kleinstparteien h i n zu integrativen Volksparteien zusammen. Die Parlamentsmehrheit w i r d i n der Regel von ein bis zwei Parteien gestellt, das Ringen vieler Richtungen um die verbindliche Entscheidung i m Plenum oder den Parlamentsausschüssen ist i n die Parteien verlagert. Hier bieten die Strukturen der Volksparteien eine reale Chance intensiver Partizipation der Mitglieder an der endgültigen Entscheidung und nicht nur an den in den Entscheidungsprozeß eingehenden Forderungen. Alle Richtungen haben die Möglichkeit an der endgültigen Formulierung — die große Chancen der unveränderten Transformation zum hoheitlichen A k t hat — m i t 581 Dieses Organisationsmodell basiert auf der Annahme, daß die M i t g l i e der einmütig das Organisationsziel akzeptieren. Z u m Konzept u n d zur K r i t i k des demokratischen Zentralismus vgl. F. Naschold, ebd., S. 30 ff. 582 O. Massing, Parteien u n d Verbände als Faktoren des politischen Prozesses, S. 282. 583 F Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 37.

4. Parteifinanzen u n d innerparteiliche Demokratie

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zuwirken, über neue Formulierungen zu entscheiden, Anhänger für ihre Vorstellungen zu gewinnen oder sich von Gegenmeinungen überzeugen zu lassen. Diese unmittelbare Partizipation aller Parteimitglieder an der (Vor-)Endfassung einer politischen Initiative oder Reaktion ist in Interessenparteien nicht möglich. Die Volksparteien bieten die günstige Gelegenheit, über innerparteiliche Demokratie die Demokratie selbst zu intensivieren, sie sind Beispiel für die Synthese plebiszitärer und repräsentativer Elemente i m Parteienstaat. Natürlich steht dahinter das Problem, inwieweit die Übernahme der Parteipolit i k als Politik der Staatsorgane erfolgt. Doch selbst bei einer nur influenzierenden Transformation der Parteiinitiativen i n die Staatsorgane bedeutet die ausgewogene Entscheidungsfindung i n den Volksparteien zugleich Abbau des allgemeinen Demokratiedefizits und Effektivierung individueller und gruppenmäßiger Partizipation über die modernen Volksparteien, wie sie durch Interessenparteien nicht realisierbar wären. Insgesamt kann daher festgestellt werden, daß die Entwicklung zu Volksparteien die Chance der innerparteilichen Demokratie nicht verschlechtert hat, sondern i m Gegenteil eine demokratische Struktur des Gemeinwesens ermöglicht 6 8 4 . Neue Gefährdungen sind zweifellos entstanden, doch bietet die konsequente Nutzung und Fortentwicklung der i n den Volksparteien angelegten Strukturen gute Möglichkeiten zur Partizipation des Parteibürgers an der innerparteilichen Willensbildung über interessenmäßig organisierte Zwischenstufen. Ob die Tendenz i m Sinne der innerparteilichen Demokratie und somit i m Sinne der Demokratie schlechthin positiv oder negativ verläuft, ist abhängig von dem Ob und Wie der konkreten Ausgestaltung volksparteilicher Binnenstrukturen. 4. Parteifinanzen und innerparteiliche Demokratie Eine demokratische Binnenstruktur der Parteien verursacht höhere Kosten, als etwa eine Organisationsform nach dem Führerprinzip 5 8 5 . 584 Vgl. H. Lauf er, Die demokratische Ordnung, S. 1 5 6 f . : , j Volkspartei als der relevante Parteityp der modernen Demokratie." — s. auch K. Hesse, Ev. Staatslexikon, Sp. 1488: „Insgesamt bietet die gegenwärtige S t r u k t u r der Parteien angesichts i h r e r größeren Ideologischen Offenheit u n d K o m p r o m i ß fähigkeit w e i t m e h r als früher die Möglichkeit, die von der demokratischen Ordnung gestellten Aufgaben zu erfüllen." 585 Ebenso w i e die Wahlen zu den Staatsorganen allein i n ihrer technischen Durchführung immense Summen verschlingen, kosten die innerparteilichen Verfahren demokratischer Willensbildung riesige Beträge. So verschlang der SPD-Bundesparteitag 1973 i n Hannover nach ersten Schätzungen r u n d zwei M i l l i o n e n D M (vgl. F R v o m 13.4.1973, S. 4). Diese Summen können k a u m allein von den Parteibürgern aufgebracht werden, soll nicht der politisch a k tive Bürger f ü r seine Beteiligung, die ohnehin Opfer an Freizeit u n d Geld

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Der aus dieser Feststellung resultierende Ruf nach öffentlichen Mitteln für eine demokratische Parteiarbeit hat seinerseits wieder Folgen für die innerparteiliche Demokratie: nur ein sachgerechter Verteilungsschlüssel kann sie fördern, wie umgekehrt ein auf falschen Kriterien basierender Modus geeignet ist, die Oligarchisierung zu begünstigen 586 . Diese Bezüge gilt es aufzudecken und i n dem Sinne zu steuern, daß die Parteifinanzen, ihre Aufbringung und Verwendung eine dienende Rolle zur Effektivierung der innerparteilichen Demokratie einnehmen und nicht ihr potentieller Zerstörer werden. Angesichts des weitgehenden Konsensus darüber, daß die Parteien zur angemessenen Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben auf Fremdfinanzierung angewiesen sind, müssen die beiden von jeder Fremdfinanzierung ausgehenden Nachteile für die Funktionen der Parteien: die Gefahr der Fremdbestimmung der Parteipolitik und die der Verselbständigung der Führungsgruppe gegenüber der Parteibasis 587 für jede A r t der Bezuschussung gesondert auf ihre Auswirkungen untersucht werden. M i t dem häufig angeführten Argument, die Parteien gerieten bei unmittelbaren staatlichen Zuwendungen i n „Staatsabhängigkeit" 5 8 8 , werden einfach die Nachteile einer privaten Fremdfinanzierung der Parteien undifferenziert auch auf die Form der Staatsfinanzierung übertragen. Die Abhängigkeit der Parteien von privaten Spendern rührt daher, daß jene sich bei der Auswahl der Partei, der Höhe der Zuwendung sowie der Entscheidung über deren Einstellung allein von ihren politischen Interessen leiten lassen. Diese Abhängigkeit entsteht bei der an den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Parteien gebundenen staatlichen Subventionierung gerade nicht 5 8 9 ; denn staatliche Subventionen sollen demokratische Parteipolitik überhaupt ermöglierfordert, noch übermäßig bezahlen müssen. Der Geldbedarf der Parteien w i r d durch die Notwendigkeit demokratischer K o m m u n i k a t i o n „ i n der mehr u n d mehr jeder einzelne direkt angesprochen werden m u ß " (F. K . Fromme, F A Z v o m 9. 6.1971, S. 2), i m m e r größer. G. Rabus, AöR 78 (1952 - 53), S. 170, berichtet, daß aus finanziellen Gründen v o m Abhalten jährlicher Parteitage m i t Vorstandswahlen abgegangen w u r d e ; zu den Kosten der Demokratie s. auch ebd., S. 193 f. 586 Jede Regelung i n diesem Sinne ist ein Verstoß gegen A r t . 21 I 3 GG, ebenso E. Liermann, Modelle der Parteienfinanzierung, S. 65. 587 Z u m Zusammenhang zwischen öffentlicher Parteifinanzierung u n d den Tendenzen i n der SPD zur Verfestigung oligarchischer Parteistrukturen vgl. K. Schacht, B l ä t t e r f ü r dt. u. internat. Pol., 1970, S. 1052 ff. 588 Vgl. dazu die Nachweise bei E. Menzel, D Ö V 1966, S. 592 f.; näher dazu: U. Schleth, Parteifinanzen, S. 373 ff. 589 Die Gefahr verfassungswidriger Finanzierungsmodalitäten durch die Regierungsmehrheit (wie sie z.B. W. Kewenig, D Ö V 1964, S. 835; I. Mühlen, Parteienunabhängigkeit v o m Staat, S. 90, befürchten) ist durch die v o m B V e r f G korrigierten Regeln über Parteienfinanzierung i m PartG gebannt.

4. Parteifinanzen u n d innerparteiliche Demokratie

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chen. Sie sind darüber hinaus geeignet, die Abhängigkeit der Parteien von privaten Zuschüssen — und somit auch die Chancen einer Einmischung privater Geldgeber — zu verringern 5 9 0 . Bereits i n ihrer Tendenz zur Aufhebung von solchen Verflechtungen erscheint die staatliche Parteienfinanzierung als das „kleinere Ü b e l " 5 9 1 i m Vergleich m i t privaten Zuschüssen. Das BVerfG hat — entgegen früheren Judikaten 5 9 2 — dauernde staatliche Zuschüsse für die gesamte politische Tätigkeit einer Partei als unvereinbar m i t dem „ L e i t b i l d " der freien, vom Staat unabhängigen Partei erklärt 5 9 3 , allein an den Wahlkampfausgaben orientierte Finanzhilfen zu den Wahlen sollen zulässig sein 5 9 4 . Wie U. Dübber hervorgehoben hat, geht die freiheitlich demokratische Ordnung des GG jedoch nicht von einer regelmäßigen „Unterbrechung der politischen Diskussion während dreieinhalber Jahre m i t dann folgendem hektischen Nachholen angesichts des bevorstehenden Wahltages" aus 5 9 5 . Die ständige politische Meinungsäußerung ist für sie „schlechthin konstituierend", die Kommunikation „ i h r Lebenselement" 596 . I m Grunde dient jede Tätigkeit einer Partei auch der Wahlwerbung 5 9 7 , der neue Wahlkampf setzt bereits nach dem letzten Wahltag wieder ein 5 9 8 . Die zwischen den Bundestagswahlen stattfindenden Länderwahlen werden zunehmend m i t Themen und von Politikern des Bundes bestritten und sind nicht zuletzt wegen der davon abhängigen Besetzung des Bundesrates auch eine Legitimierung politischer Macht i m Bund. A m funktionsgerechtesten wäre daher eine bundesstaatliche Parteienfinanzierung als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern nach einheitlichen, auf590 s. dazu I. Mühlen, Parteienunabhängigkeit v o m Staat, S. 115; H. Lauf er, Staatliche Finanzierung, S. 34; ders., Die demokratische Ordnung, S. 161; U. Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, S. 97; T. Eschenburg, Probleme der modernen Parteifinanzierung, S. 33. — Die Mitgliedsbeiträge betrugen i m Verhältnis zu den Gesamteinnahmen 1969 bei der SPD 32 °/o, CDU/CSU 16 %>, F.D.P. 8 °/o (Zahlen nach U. Schleth, ZParl. 1971, S. 152). 591 O. K . Flechtheim, Die Parteien i n der B E D , S. 528. 592 Vgl. E 8, 51 (63); 12, 226 (280). 593 E 20, 56 (107 ff.). 594 Was durch die i n § 20 P a r t G vorgesehenen u n d praktizierten A b schlagszahlungen umgangen w i r d . So auch K . Zweigert, Parteienfinanzier u n g u n d Parteienfreiheit, S. 503; R. Breitling, PVS 1968, S. 224, nennt es „Sprachquälerei", dies noch als Wahlkampfkostenerstattung zu bezeichnen. I n E 24, 348 ff. hat das Gericht weiter an seinem Grundsatz festgehalten u n d trotzdem die über die gesamte Legislaturperiode verteilte Mittelvergabe als zulässig bezeichnet. 595 i n : Parteienfinanzierung i n Deutschland, S. 23. 596 ß V e r f G E 7,198 (208). 597 So auch R. Wildenmann, Gutachten, S. 23; I . Mühlen, hängigkeit v o m Staat, S. 110. 598 O. K . Flechtheim, Die Parteien i n der BRD, S. 389.

Parteienunab-

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einander abgestimmten Kriterien. Die „Homogenitätsklausel" des A r t . 28 I 1 GG legt ein solches Verständnis nahe, da die Funktionen der Parteien sowie die finanziellen Voraussetzungen zu ihrer Wahrnehmung zu dem auch für die Länder verbindlichen demokratischen Konzept des GG gehören. A r t . 21 GG zählt zu den „verfassungsrechtlichen Rahmen Vorschriften (Normativbestimmungen) für das Verhältnis von Bund und Ländern" 5 9 9 ; die durch ihn geprägten Modalitäten staatlicher Parteienfinanzierung gelten bundeseinheitlich 600 . Die gesetzgeberischen Kompetenzen zur Regelung der Parteienfinanzierung liegen gemäß A r t . 21 I I I GG i n ausschließlicher Bundeszuständigkeit 601 , die m i t § 22 PartG i n gewissem Umfang auf die Länder übertragen wurde (Art. 71 GG) 6 0 2 . Eine funktionell abgestimmte Koordinierung der Bundes« und Länderparteienfinanzierung ist geboten. I n einer funktionierenden Demokratie hat die auch auf Grundrechtswahrnehmung beruhende politische Willensbildung des Volkes und ebenso die M i t w i r k u n g der Parteien an diesem Prozeß ständig 6 0 3 zu erfolgen. Der Leistungsstaat hat die Aufgabe, diesen Vorgang zu ermöglichen und zu sichern 604 . Er genügt dieser Pflicht nicht m i t der technischen Durchführung von Wahlen und der Honorierung der Parteien für ihre Bemühungen allein i n diesem Zusammenhang. A r t . 20 (Demokratieprinzip), 21 GG und die auch über die Mitgliedschaft i n politischen Parteien zu effektivierenden Grundrechte sind die leistungsstaatlichen Kompetenzbestimmungen zur Finanzierung der Parteien. Die Verfassung erwartet von den Parteien bestimmte Leistungen für das Gemeinwesen 605 , „was sie leisten und was sie nicht leisten, kann deshalb nicht umhin, die Lebensmöglichkeiten der Demokratie tiefgreifend zu beeinflussen" 606 . Die Kosten der — innerparteilichen — Demokratie erscheinen ebenso, wie z. B. die der Sozialstaatlichkeit als leistungsrechtlich lösbares leistungsstaatliches Problem 6 0 7 . „Das dem 599 T. Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, GG, Rdnr. 102 zu A r t . 28; ähnlich E. Menzel, D Ö V 1966, S. 600. 600 A . A . R. Mußgnug, N J W 1966, S. 1687, der i n A n k n ü p f u n g an die nach dem B V e r f G allein zulässige Wahlkampfkostenerstattung, die Parteienfinanzierung dem Wahlrecht zuordnet u n d die Gesetzgebungskompetenz hierfür i n A r t . 38 I I I G G sieht. 601 £ Friesenhahn, Plädoyer, S. 13, meint, daß es sich u m „eine aus der N a t u r der Sache folgende Kompetenz des Bundes" handelt. 802

So BVerfGE 24, 300 (354). ü . Scheuner, D Ö V 1968, S. 89. 604 Grundlegend zur Effektivierung v o n Grundrechten durch leistungsstaatliche A k t i v i t ä t e n : P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 43 ff. 605 Teilweise sind sie unmittelbar i n A r t . 21 I GG angesprochen, weitere Konkretisierungen finden sich i m Aufgabenkatalog des § 1 PartG. 803

808

F. Morstein Marx, DVB1. 1963, S. 874. A. A. BVerfGE 8, 51 (65), das eine Pflicht des Staates zur Parteienfinanzierung ablehnt. 807

4. Parteifinanzen u n d innerparteiliche Demokratie

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Leistungsrecht eigene aktiv sozialgestaltende Moment läßt Kooperat i o n - , Kommunikations-, Partizipations-, Verfahrens- und Organisationsformen i n den Vordergrund rücken 6 0 8 ." Der Verteilungsschlüssel der gegenwärtigen staatlichen Parteienfinanzierung ist nur i m Hinblick auf die nach dem BVerfG allein zulässige „Wahlkampffinanzierung" zu verstehen. Maßgebend ist nach § 18 PartG der Stimmenanteil einer Partei bei der Wahl, jeder Wähler bringt den gleichen Betrag. Z u Recht w i r d gegen jede Parteienfinanzierung allgemein eingewandt, daß durch solche Zuwendungen, über die allein die Parteiführung verfügt, deren Verselbständigung gegenüber der Basis gefördert werde 6 0 9 . Die Oligarchisierungstendenz w i r d u m so größer, wenn m i t den politisch neutralen Staatszuschüssen keine aktive Einflußnahme auf die Parteipolitik verbunden ist 6 1 0 . Die durch Fremdmittel von der innerparteilichen K r i t i k emanzipierte Führungsspitze kann etwa durch unterschiedliche Verteilung dieser M i t t e l an bestimmte Untergliederungen und Gruppierungen innerhalb der Partei politische Strömungen bevorzugen oder unterdrücken 6 1 1 . Ob und i n welcher Weise sich Oligarchien bilden oder verstärken, hängt jedoch primär von den Modalitäten der Parteienfinanzierung ab 6 1 2 . Nach dem PartG w i r d die Subventionierung größer, wenn sich die Parteiführung u m neue Wähler bemüht, die an der politischen W i l lensbildung der Partei selbst nicht teilhaben wollen. Die Parteielite erhält mehr Geld und damit politische Macht, ohne andere an ihrer Macht partizipieren lassen zu müssen. Es kommt nicht mehr auf die Anzahl beitragzahlender und partizipationswilliger Parteibürger an 6 1 3 . Damit entfällt ein Anreiz für die Parteiführungen, durch Partizipationsangebote neue Mitglieder zu gewinnen 6 1 4 . Gegenüber den Partei608

P. Häberle, V V D S t R L 30 (1972), S. 48. Bericht der Parteienrechtskommission, S. 218; W. Abendroth, Innerparteiliche Demokratie, S. 312, 314. 610 H. Plate, Parteifinanzierung u n d Grundgesetz, S. 64; s. auch W. Abendroth, Innerparteiliche Demokratie, S. 312: „ . . . die Fremdfinanzierung p o l i t i scher Parteien w i r d stets die Macht der Parteiführung stärken u n d die demokratische Komponente der Partei-Willensbildung schwächen, w e i l die Parteiführung über die Parteikasse verfügt." 611 H. Plate, Parteifinanzierung u n d Grundgesetz, S. 64. 612 R. Wildenmann, Gutachten, S. 58. 613 Vgl. etwa die Kommentierung des Austritts von 18 Mitgliedern der hamburgischen C D U durch den Hamburger CDU-Pressesprecher G. Boysen: „ E i n wesentliches Licht auf die A k t i v i t ä t e n dieser Gruppe w i r f t auch die T a t sache, daß alle n u r den Mindestbeitrag v o n einer M a r k pro Monat zahlten — die Leute sind f ü r uns nicht wichtig", zit. nach einem Bericht von D. Stäcker, FR v o m 10. 8.1971, S. 1. 614 So auch Bericht der Parteienrechtskommission, S. 218. — A. A. R. Wildenmann, Gutachten, S. 41, der starke Oligarchisierungstendenzen gerade i n solchen Parteien zu erkennen glaubt, „die über große Mitgliederzahlen v e r 609

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bürgern verleitet diese A r t der Zuschußberechnung die Parteieliten dazu, den demokratisch zustandegekommenen Parteiwillen zu vernachlässigen, selbst wenn daraufhin einige Mitglieder die Partei verlassen. Dies zeigt, daß die Regelung des §18 PartG in seiner gegenwärtigen Form Gefahren für die innerparteiliche Demokratie birgt Durch die staatliche Parteienfinanzierung w i r d zwar die Gefahr der Fremdbestimmung der Parteipolitik durch private Spender gemindert, doch rücken dafür die Probleme innerparteilicher Oligarchisierung i n den Vordergrund. Angesichts der grundsätzlichen Notwendigkeit staatlicher Parteienfinanzierung ist daher der Verteilungsschlüssel zu revidieren. Aus dem Verfassungsgebot innerparteilicher Demokratie sind hierfür Kriterien zu gewinnen. Jede Ausgestaltung, die einseitig nur die Erfüllung einer Funktion der Parteien i m Auge hat und andere außer Ansatz läßt oder gar beeinträchtigt, ist bestenfalls verfassungskonformes Stückwerk. Die ohne Fremdfinanzierung bestehende Abhängigkeit der Parteivorstände von der Mitgliederzahl und die m i t dieser steigende Höhe des Beitragsaufkommens und somit der verfügbaren Mittel, die einer Verselbständigung der Führungsgruppe entgegenwirkt, muß bei staatlicher Parteifinanzierung nicht aufgegeben werden, wenn als Verteilung skriterium staatlicher Zuschüsse auch die Zahl der aktiven Parteimitglieder m i t i n Ansatz gebracht w i r d 8 1 5 . Die Betonung liegt deshalb auf „aktiv", w e i l die reinen Nominalmitglieder, die sich nie an der innerparteilichen Willensbildung beteiligen, für den angestrebten Zweck der Intensivierung demokratischen Lebens und Abbau der Oligarchien i n den Parteien ebenso „wertlos" sind, wie etwa die bloßen Wähler einer Partei. Bezuschußt, angeregt und honoriert werden sollen fügen, w e i l die Autonomie der F ü h r u n g sowohl durch die bessere finanzielle Ausstattung als auch durch die geringer werdende Notwendigkeit, sich d i rekt ,von Gesicht zu Gesicht 1 zu legitimieren, sinkt". Gegen diese Auffassung spricht einmal, daß bei großer Wähler- u n d geringer Mitgliederzahl nach der derzeitigen Parteienfinanzierung die Autonomie der Parteiführung w e i t größer ist. Sie braucht keine besonderen Rücksichten auf die W ü n sche der Mitglieder zu nehmen; denn die Wählermassen bringen das Geld. Z u m andern k a n n es i n der parteienstaatlichen Massendemokratie nicht auf n u r i n kleinstaatlicher Demokratieidylle mögliche ständige persönliche K o n takte zwischen Parteiführung u n d -basis ankommen. Kommunikation ist i n den Größenordnungen heutiger Volksparteien n u r noch technisch-medial zu bewerkstelligen. Dabei geht es i m m e r mehr u m das gedruckte, als u m das gesprochene Wort, weniger u m das persönliche Erscheinen, als u m die sachliche Einstellung eines Politikers. 615 So w o h l auch H. Plate, Parteifinanzierung u n d Grundgesetz, S. 68, w e n n er „Veränderungen i n der Mitgliederzahl" als K r i t e r i u m der Bedeut u n g einer Partei ansieht. Ausgangspunkt müßte f ü r i h n daher zunächst auch die Mitgliederzahl selbst sein. — A . A . T. Eschenburg, Probleme der modernen Parteifinanzierung, S. 36, der mannigfache Manipulationen durch „ D r u c k u n d Scheinmitgliedschaft" befürchtet; ähnlich: E. Liermann, Modelle der Parteienfinazierung, S. I I I ; Bericht der Parteienrechtskommission, S. 217.

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aber die Bemühungen der Parteien um Vermittlung demokratischer Teilhabe, meßbar an der tatsächlichen Teilnahme der Parteibürger an der innerparteilichen Willensbildung 6 1 6 . Ebenso wie der Erfolg der Wahlbemühungen und -aufwendungen, der Stimmenanteil einer Partei am Wahlergebnis, der formale Anknüpfungspunkt der Parteienfinanzierung nach § 18 PartG ist, kann die aus den Anwesenheitslisten hervorgehende Zahl der in der Partei tatsächlich mitarbeitenden Bürger als Berechnungsgrundlage dienen 617. Die Ordnungsmäßigkeit der anspruchsbegründenden Mitgliederzahlen wäre durch eine Niederschrift über die Parteiveranstaltungen m i t „Angaben über Ort und Zeit der Versammlung, der Form der Einladung und über die Zahl der erschienenen Mitglieder" — entsprechend dem hier zitierten § 22 V I BWahlG — nachzuweisen. M i t einer solchen Regelung ist ein Anreiz für die Parteiführungen gegeben, sich u m die aktive Partizipation der Mitglieder auf breiter Basis zu bemühen 6 1 8 und gleichzeitig w i r d der Verselbständigung der Parteiführung begegnet. Die Honorierung der innerparteilichen Aktivitäten bietet darüber hinaus eine Möglichkeit, die Chancengleichheit großer und kleiner Parteien bei staatlichen Zuwendungen auf ein A r t . 21 I 3 GG entnommenes, sachbezogenes K r i t e r i u m zu stützen. Bei nach Wählerstimmen gleich großen, nach Mitgliederzahlen aber unterschiedlichen Parteien wäre eine differenzierende Finanzierung 6 1 9 die sachgerechte Bevorzugung der Partei, die viele Bürger m i t entsprechend 616 D a m i t erübrigen sich auch die Bedenken hinsichtlich der „Scheinmitgliedschaften" bei der Mitgliederzahl als Verteilungskriterium (z.B. bei T. Eschenburg, Probleme der modernen Parteifinanzierung, S. 36; Bericht der Parteienrechtskommission, S. 217). 817 Das „personelle Potential" einer Partei w i r d v o m B V e r f G als ein m i t dem Grundsatz der Chancengleichheit i m Einklang stehender Differenzierungsgrund bei der Parteienfinanzierung angesehen (vgl. E 14, 121 [137]; 20, 56 [118]; 24, 300 [344, 355]), obwohl es auf S. 336 dieser Entscheidung ausführt, es sei sachgerecht, „das Pauschale an der Z a h l der Wahlberechtigten zu orientieren". A u f S. 345 w i r d dieser Widerspruch damit aufzuheben versucht, daß ein derart enger Zusammenhang zwischen Mitgliederzahl u n d Umfang u n d Ausbau des Organisationsnetzes der Parteien postuliert w i r d , daß deshalb diesen Faktoren „ f ü r die Wahlkampfkostenerstattung ein gesondertes politisches Gewicht nicht zuerkannt werden kann". 618 Es ist nicht einleuchtend, weshalb die Parteienrechtskommission dies als G r u n d gegen die Mitgliederzahl als Verteilungskriterium wertet (vgl. Bericht, S. 217). Die parteienstaatliche Demokratie lebt v o m Engagement der Bürger i n verschiedenen Parteien. Eine Politisierung apathischer Bürger seitens der Parteien u n d die intensive Mitgliederwerbung sind der demokratischen Ausrichtung des Gemeinwesens n u r förderlich. 619 A. A . die Parteienrechtskommission (vgl. Bericht, S. 217), die gerade w e gen der „sehr großen Unterschiede . . . zwischen Mitgliedern u n d Wählern bei den einzelnen Parteien" von einer entsprechenden Differenzierung der staatlichen Zuschüsse abrät, ohne auf die Grundlagen f ü r ein solches M i ß verhältnis näher einzugehen.

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1. Teil, I I . Normative Anforderungen u n d parteienstaatl. Realität

großem Aufwand an ihrer Macht teilhaben läßt und ein Stimulans für die mitgliederschwächere, sich u m eine breitere Basis und mehr kontinuierliche Legitimation der ihr durch die Wahlentscheidung zufallenden Macht zu bemühen 6 2 0 . Die permanente staatliche Parteienfinanzierung müßte also nach einem gemischten Schlüssel erfolgen: Die unbestrittenen Aufwendungen der Parteien i n bezug auf ihre verfassungsmäßige Aufgabe zur M i t w i r k u n g bei der politischen Willensbildung des Volkes, rechtfertigen es, einen Teil ihrer Zuschüsse auf der Grundlage des Wählerstimmenanteils zu berechnen. Dieser Betrag müßte jedoch ebenfalls kontinuierlich während der gesamten Legislaturperiode zu Verteilung kommen, da es zu Parteienfreiheit gehört, zu entscheiden, ob erst zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der Wahl m i t intensiver Werbung begonnen werden soll, oder ob i n der ständigen Agitation — die auch ständige M i t t e l erfordert — ein erfolgversprechender Wahlkampfstil liegt. M i t der nach § 20 I - I I I PartG erfolgenden Wahlkampfkostenerstattung über die gesamte Legislaturperiode w i r d — entgegen der Intention des B V e r f G 6 2 1 — dieser Aspekt der Parteienfreiheit respektiert. Als weiterer Berechnungsfaktor der unmittelbaren staatlichen Parteienfinanzierung wäre die Zahl der ausgewiesenen aktiven Parteimitglieder m i t i n Ansatz zu bringen. Ein weiteres Problem der Parteifinanzen ist das der Entscheidung über die interne Mittelverwendung. U m Oligarchien abzubauen muß eine demokratische Ausgestaltung der Parteifinanzordnungen die M i t glieder hierüber mitbestimmen lassen. Die Kontrolle der öffentlichen Finanzen durch die Volksvertretung war i m Anschluß an die Französische Revolution eine demokratische Forderung, die sich langsam durchsetzte 622 . „Aber i n allen unseren Parteien verfügen die Mitglieder auch heute noch über weniger Einfluß i n den finanziellen Fragen als die Bürger des Landes an den Staatsfinanzen A n t e i l haben dürfen 6 2 3 ." I n die Parteivorstände w i r d zwar regelmäßig ein m i t den Finanzen betrauter Funktionär gewählt 6 2 4 und seine Kassenführung w i r d auf 620

Das Mißverhältnis zwischen Wähler- u n d Mitgliederschaft der einzelnen Parteien hat sich seit Bestehen der B R D k a u m verändert. Die Parteienrechtskommission gab folgende Zahlen an (vgl. Bericht, S. 40 ff.): M i t g l i e der/Wähler bei SPD 6,9/100; CDU/CSU 2,2/100; F.D.P. 2,3/100. Gegenüber diesen Zahlen aus der M i t t e der 50er Jahre gibt 1970 B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 32, folgende Relationen an: SPD 5,5/100; C D U 2,5/100; CSU 3,5/100; F.D.P. 4,7/100. 621 „Der W a h l k a m p f setzt voraus, daß die W a h l nahe bevorsteht; er ist zeitlich begrenzt", so E. 20, 56 (114). 622 H. Görg, A r t . : Haushaltsrecht, i n : Ev. Staatslexikon, Sp. 745. 623 U. Dübber, G e l d u n d Politik, S. 65. 624 Als Kassierer, Rechner oder Schatzmeister, je nach Partei u n d Gliederungsstufe.

4. Parteifinanzen u n d innerparteiliche Demokratie

145

ihre Richtigkeit von eigens hierfür bestimmten Kassenprüfern kontrolliert (§ 9 V 2 PartG), doch erfahren die Parteimitglieder allenfalls ex post die Summen der Einnahmen und den Zweck ihrer Ausgaben. Von der Mitbestimmung über die Verteilung der M i t t e l bleiben sie jedoch ausgeschlossen. Es gibt keinen Parteihaushaltsplan, der von einem größeren Kreis diskutiert und verabschiedet und sodann den Mitgliedern zugänglich wäre 6 2 5 . Die Parteiführungen entscheiden unabhängig von der Basis über den Einsatz der Mittel. Diese Entscheidung setzt zugleich Schwerpunkte der Parteipolitik, die von keiner Mitgliederoder Delegiertenversammlung vorher übersehen, geschweige denn bestimmt werden 6 2 6 . Publizität und Partizipation hinsichtlich dieser eminent politischen Entscheidungen sind nicht gegeben. Entscheidend ist also neben der Herkunft der M i t t e l und der A r t ihrer Verteilung an die Parteien auch die Frage, wer die Parteigelder erhält und inwieweit die Empfänger i n der Lage sind, nach eigenem Ermessen über deren Verwendung zu befinden 6 2 7 . Erforderlich ist eine abgestufte Kontrolle 628 und Mitwirkung aller Mitglieder bezüglich der Parteifinanzdirektiven. Die Parteitage müssen — i n Erweiterung des § 10 I I I PartG — die Kompetenz erhalten, über den Etat der Partei zu befinden. Der Einsatz von Geldern für bestimmte Vorhaben sowie die Mittelverteilung auf die verschiedenen Organisationsebenen haben der demokratischen innerparteilichen Beschlußfassung zu unterliegen.

625 Gemäß § 15 der Finanz- u n d Beitragsordnung der C D U v o m 17.11.1969, ist v o m Bundesvorstand zu Beginn des Rechnungsjahres der Etat zu beschließen, doch bleibt die politische Entscheidung i n der E x k l u s i v i t ä t dieses Gremiums. Etats der nachgeordneten Verbände sind n u r nach oben (dem Schatzmeister des nächsthöheren Verbandes) zur Kenntnis vorzulegen, die Mitglieder haben nach der Finanzordnung weder das Recht zur Kenntnisnahme noch zur M i t w i r k u n g . — § 27 des Organisationsstatuts der SPD bestimmt sogar ausdrücklich: „ K e i n Parteimitglied hat ohne ausdrücklichen Beschluß des Parteitages das Recht, die Geschäftsbücher oder Papiere des Parteivorstandes, der Kontrollkommission oder der Partei einzusehen . . . oder eine A u s k u n f t oder Übersicht über den Stand des Parteivermögens zu verlangen..." 626

U. Dübber, Geld u n d Politik, S. 66. U. Schleth, Parteifinanzen, S. 352. 828 v g L hierzu D. Hahn, Innerparteiliche Demokratie, S. 91, die Parteien sind „verpflichtet, auch über ihre Ausgaben i n t e r n Rechenschaft abzulegen". — Partizipationsbestrebungen i n diese Richtung sind vorhanden. So ist z. B. der SPD-Schatzmeister A. Nau auf dem Parteitag 1973 i n Hannover n u r knapp der A b w a h l entgangen. Eine große Gruppe w a r f „dem von N a u beherrschten SPD-Apparat Machtmißbrauch u n d blamablen Umgang m i t der Parteipresse vor", so Der Spiegel, Nr. 35/1974, S. 28. 627

10 Trautinann

I I I . Demokratiebegriff in Art. 21 Abs. 1 Satz 3 Grundgesetz Nach A r t . 21 I 3 GG muß die innere Ordnung der Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen. Der normative Gehalt dieses Satzes ist nicht unmittelbar evident, es bedarf zur Ermittlung seiner Tragweite zunächst der Klärung des Demokratiebegriffs i m Sinne des GG sowie der Präzisierung dessen, was m i t der Bezeichnung „demokratische Grundsätze" gemeint ist. Es gibt zwar i m GG einen gewissen Fundus an Institutionen und Verfahren, die traditionell als demokratische bezeichnet werden, doch läßt sich eine Definition des Demokratiebegriffs nicht durch die bloße Aneinanderreihung solcher Formen gewinnen. Wesentlich kommt es auf ihre Ausgestaltung und Funktionen i m verfaßten komplexen Ordnungsgefüge an. Die moderne Massendemokratie hat die klassische Form der liberalen Demokratien des 18. und 19. Jahrhunderts, deren Credo i m repräsentativen Parlamentarismus der Honoratioren lag, verändert 1 . Es kann hier nicht die ideengeschichtliche Entwicklung des Demokratieproblems ausgebreitet werden, sie ist nur so weit zu berücksichtigen, wie dies zum Verständnis und zur Klärung aktueller Probleme nach der gegenwärtigen Verfassungslage notwendig ist 2 . Demokratie als politische Idee ist von der Demokratie als Verfassungsprinzip zu unterscheiden. Hier geht es u m die Umrisse eines verfassungsimmanenten Demokratiemodells; denn unsere demokratische Ordnung ist von der Verfassung konstituiert 3 . Eine der demokratierelevanten Wertentscheidungen der Verfassung ist das Gebot innerparteilicher Demokratie i n A r t . 21 I 3 GG. Die demokratische innere Ordnung der Parteien hat bestimmte Funktionen innerhalb der Demokratie des Gemeinwesens, sie ist daher von den Umweltbedingungen des politischen Systems abhängig. Der Begriff „demokratische Grundsätze" i n A r t . 21 I 3 GG ist ein Relationsbegriff, er kann nur unter Beachtung seiner komplexen Zusammenhänge m i t an1

O. Stammer, Politische Soziologie u n d Demokratieforschung, S. 189. Nach W. Hennis, Amtsgedanke u n d Demokratiebegriff, S. 55, ist der Begriff der Demokratie n u r auf dem H i n t e r g r u n d der älteren politischen Theorie verständlich; so ist z . B . der Rückgriff auf den Typus „parlamentarische Demokratie" westlicher Prägung geboten, vgl. M. Kriele, W D S t R L 29 (1971), S. 47. 3 Vgl. P. Häberle, W D S t R L 29 (1971), S. 98 f., der den Zusammenhang von Verfassungstheorie u n d Demokratieverständnis nach dem G G betont. 2

1. Demokratiebegriff des GG

147

deren verfassungsrechtlichen Institutionen, ihren Funktionen und K o m petenzen inhaltlich konkretisiert werden 4 . Von daher sind die spezifischen Funktionen und Modalitäten der innerparteilichen Demokratie zu erarbeiten. Dieser Ansatz ordnet die innerparteiliche Demokratie den Aufbauprinzipien des demokratischen Gemeinwesens zu und konkretisiert sie in seinem Rahmen. Wenn dabei der Akzent verstärkt auf die Parteien-Demokratie gelegt wird, so ist dies durch die spezielle Fragestellung bedingt. Es geht hier letztlich nicht u m das demokratische Prinzip schlechthin 5 , sondern um die innerparteiliche Demokratie, einen Aspekt der Demokratiekonzeption des GG. 1. Demokratiebegriff des Grundgesetzes Innerparteiliche Demokratie nach A r t . 21 I 3 GG ist ebenso ein Aspekt des demokratischen Gemeinwesens (Art. 20 I GG), wie z. B. die Demokratie i n den Bundesländern (Art. 28 I 1 GG). Es handelt sich jeweils u m verschiedene Bestandteile der Synthese „Demokratie nach dem GG", die zwar als Elemente analysiert werden könnten, doch erlaubt dies keine Aussage über das funktionale Zusammenwirken i h rer Bestandteile. Gemeinsam ist den Parteien und wesentlichen Bereichen der sie prägenden Umwelt die Affinität zu den Problemen der Demokratie. Sie sind auch für den juristischen Ansatz die verbindende Klammer von Parteien und Umwelt. Die Entscheidung des GG für ein demokratisches Gemeinwesen baut auf Prämissen auf, die von den praktischen Erfahrungen m i t dem Totalitarismus und den historisch-ideengeschichtlichen Leitbildern des Typus parlamentarische Demokratie beeinflußt sind. Alle Demokratievorstellungen basieren — überspitzt formuliert — auf der jeweils unterschiedlichen Zuordnung von Bereichen der Selbstund Fremdbestimmung des Volkes. Auch das GG geht von diesem Schema aus, wenn nach A r t . 20 I I 2 die Staatsgewalt unmittelbar vom Volk und durch besondere Organe ausgeübt wird. Problematisch ist dabei die Reichweite von Partizipation einer- und Herrschaft samt ihrer Legitimation andererseits, entsprechend der unmittelbaren oder mittelbaren Demokratie, der realen Identität von Regierenden und Regierten oder der Repräsentation. Sie schließen einander nicht aus, „sondern sind nur zwei entgegengesetzte Orientierungspunkte für die konkrete Gestaltung der politischen Einheit. Das eine oder andere über4 Vgl. dazu allgemein P. Häberle, Z e v K R 1973, S. 426, der die Frage aufw i r f t , „ob i n einer freiheitlichen Verfassung nicht viele oder sogar alle Grundbegriffe Relationsbegriffe sind". 5 Das G G hat sich „nicht zur Demokratie schlechthin, sondern zu einem bestimmten Strukturtypus dieser Demokratie . . . bekannt", G. Leibholz, V V D S t R L 29 (1971), S. 103. 10*

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1. Teil, I I I . Demokratiebegriff i n A r t . 21

3 GG

wiegt i n jedem Staate" 6 . Es wurde versucht, Demokratie als Aufhebung des Herrschaftsproblems zu begreifen 7 , doch bringt selbst die radikaldemokratische Konzeption i n ihrer konsequenten Realisierung nicht die Aufhebung von Herrschaft. Das auf der Zustimmung aller beruhende Unanimitätsprinzip führt i n einem politischen System, von dem mehr denn je Entscheidungen erwartet werden, zur Ineffizienz 8 . Beim allgemein als demokratisch betrachteten Mehrheitsprinzip bleiben aber die überstimmte Minderheit und diejenigen, die an der A b stimmung nicht teilnahmen der Herrschaft durch die Mehrheit ausgesetzt 9 . Da auch ein exzessiver Minderheitenschutz wegen der Notwendigkeit politischer Entscheidungen nicht so weit gehen kann, daß Minoritäten jeden m i t ihren Interessen nicht voll zu vereinbarenden Beschluß verhindern können, kommt keine praxisorientierte Demokratietheorie am Herrschaftsproblem vorbei 10. Ein beträchtlicher Teil der allgemeinen Demokratie- und Herrschaftsproblematik ist i m Parteienstaat des GG auf die politischen Parteien verlagert 1 1 . Wo aber Herrschaft stattfindet, entsteht i n einer demokratischen Ordnung die Frage nach ihrer Legitimation. Die Spanne der nicht auf dem unmittelbaren Volkswillen beruhenden und daher besonders zu legitimierenden Entscheidungen von Hoheitsträgern ist dort größer, wo die Sachentscheidungskompetenz des Volkes zugunsten der Kompetenz legitimierter Organe zurücktritt 1 2 . Ein demokratisch strukturiertes poli6 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 206. — Repräsentative u n d plebiszitäre Elemente einer Verfassung schließen sich nicht aus, vgl. U. Scheuner, Das repräsentative Prinzip i n der modernen Demokratie, S. 225, 233, 238. 7 So etwa J. J. Rousseau, Der Gesellschaf tsvertrag; I . Fetscher, Die Demokratie, S. 23, sieht das Thema von Rousseaus Werk als „die Frage nach der Legitimität von Herrschaft", also doch als Herrschaftsproblem. 8 W. Rudolf, V V D S t R L 29 (1971), S. 110. 9 K . Hesse, Grundzüge, S. 54. — Die Mehrheitsentscheidung ist ein „bedeutsamer Herrschaftsvorgang", M. Hättich, Demokratie als Herrschaftsordnung, S. 41; vgl. dazu auch F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 26: „Seit Rousseau w i r d diese Frage i n der radikalen Theorie durch eine Disqualifikation der abweichenden Meinung beantwortet, nämlich durch das Postulat, daß der wahre Einzelwille notwendigerweise m i t dem wahren V o l k s w i l l e n übereinstimme, so daß die abweichende Meinung als I r r t u m unbeachtet bleiben könne." 10 Vgl. dazu M. Hättich, Demokratie als Herrschaftsordnung, S. 27 ff.; K. Lenk, Wie demokratisch ist der Parlamentarismus?, S. 25, betont, daß Demokratie eine Herrschaftsform sei, doch m i t der „ i n i h r angelegten Möglichkeit, Herrschaft i n Frage zu stellen". 11 Z u r Verschiebung der Herrschaftsproblematik auf die formalen p o l i t i schen Organisationen vgl. F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 8. 12 Entscheidungskompetenz bedeutet Verantwortung (vgl. M. Kriele, V V D S t R L 29 [1971], S. 60); w o das V o l k nicht selbst entscheidet, ist die politische Dezision i h m gegenüber zu verantworten, ist sie legitimationsbedürftig; denn Verantwortung „ist i m m e r n u r möglich vor einem andern", vgl. dazu W. Hennis, Amtsgedanke u n d Demokratiebegriff, S. 58.

1. Demokratiebegriff des G G

149

tisches System beruht demnach auf zwei i n ihrer Ausdehnung von einander abhängigen Komponenten: Soweit die über Partizipationsmechanismen verlaufende Selbstbestimmung des Volkes reicht, bedarf es keiner besonderen Legitimation der Entscheidungsträger, diese w i r d dort erforderlich, wo das Volk aus rechtlichen Gründen nicht i n seiner Gesamtheit entscheiden kann oder aus faktischen Gründen auf eine eigene Entscheidung verzichtet und sie legitimierten oder zu legitimierenden Organen überläßt. Die Reichweite der Partizipation bildet die Grenze zu dem Bereich, in dem zu legitimierende Herrschaft stattfindet 13. Wenn nach A r t . 20 I I 1 GG alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht, so heißt das zunächst, daß es keine hoheitliche Macht gibt, die nicht vom Volke hergeleitet ist. Doch deutet diese Formulierung „eher auf Legitimierung der Herrschaft als auf einen realen Herrschafts Vorgang" hin 1 4 . Die Kompetenz zur Ausübung der Staatsgewalt durch das V o l k 1 5 und durch besondere Organe (Art. 20 I I 2 GG) w i r d i n anderen Verfassungsbestimmungen verteilt. Schwierig w i r d die Abgrenzung und inhaltliche Bestimmung beider Bereiche: Relativ unproblematisch sind die formalen Kompetenzen der verfaßten Staatsorgane. Der Umfang der Ausübung der Staatsgewalt durch das Volk läßt sich hingegen nicht verbindlich nach der Subtraktionsmethode feststellen, indem man die Differenz von „alle Staatsgewalt" abzüglich der Ausübungsbefugnis durch besondere Organe als Partizipationsbereich des Volkes ausgibt. Es wäre z. B. eine Universalkompetenz des Volkes i n dem Sinn denkbar, daß es Entscheidungen treffen kann, soweit sie vom GG nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind 1 6 , wie man umgekehrt auch eine solche Kompetenz der verfaßten Staatsorgane erwägen könnte. Bei der Subtraktionsmethode bleiben weiter Kooperationsformen von Volk und Staatsorganen, die auf influenzierender Partizipation beruhen, unberücksichtigt. Durch die i n A r t . 20 I I 2 GG genannten und i n A r t . 38 GG sowie dem BWahlG näher geregelten Wahlen werden primär Personalentscheidungen hinsichtlich der Besetzung der Staatsorgane getroffen, erst die 18 Herrschaft gibt es zwar auch i n der Partizipationssphäre als Herrschaft der partizipierenden Mehrheit über die Minderheit u n d die am Partizipationsvorgang nicht teilnehmenden Bürger. Doch ist diese A r t Herrschaft i m Selbstbestimmungsbereich nicht besonders zu legitimieren, da das V o l k selbst demokratische Entscheidungen t r i f f t . 14 M. Hättich, Demokratie als Herrschaftsordnung, S. 14. 15 Entgegen dem klaren Wortlaut des A r t . 20 I I 1 GG behauptet M. Kriele, W D S t R L 29 (1971), S. 60: „Doch w i r d alle Staatsgewalt durch besondere Organe ausgeübt." 16 M. Kriele, ebd., S. 60, lehnt dies ab, da jede Gewalt i n eine Kompetenzordnung eingebunden sei; es sind jedoch Komplexe denkbar, die nicht geregelt sind, aber trotzdem einem Organ oder dem V o l k zur Entscheidung zuzuordnen wären.

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1. Teil, I I I . Demokratiebegriff i n A r t . 21

3 GG

gewählten Mandatsträger üben i m Rahmen ihrer Kompetenzen u n m i t t e l b a r S t a a t s g e w a l t aus. N a t ü r l i c h stehen h i n t e r d e n K a n d i d a t e n P a r t e i e n m i t e i n e m m e h r oder m i n d e r k o n k r e t e n W a h l - oder R e g i e r u n g s p r o g r a m m , a u f das sich das V o t u m d e r W ä h l e r bezieht, e i n — a l l e r d i n g s m i n i m a l e s — sachliches P l e b i s z i t . D i e S t i m m a b g a b e des W ä h l e r s ist m e h r retrospektiv motiviert, an den Leistungen u n d Versäumnissen d e r b i s h e r i g e n R e g i e r u n g s - u n d O p p o s i t i o n s p a r t e i ( e n ) u n d d a h e r eine „ i n h a l t l i c h k a u m spezifizierte D e l e g a t i o n v o n F ü h r u n g s v e r t r a u e n " , d u r c h die d i e z u k ü n f t i g e P o l i t i k i m e i n z e l n e n n i e m a l s entschieden w e r d e n k a n n 1 7 . D a m i t r ü c k e n Abstimmungen als die z w e i t e M ö g l i c h k e i t u n m i t t e l b a r e r A u s ü b u n g der S t a a t s g e w a l t d u r c h das V o l k ( A r t . 20 I I 2 G G ) als P a r t i z i p a t i o n s i n s t r u m e n t e i n d e n V o r d e r g r u n d . Abstimmungen des Volkes s i n d n e b e n d e n i n A r t . 29, 118, 28 I 3 G G vorgesehenen F ä l l e n v o m Gesetzgeber a u f w e i t e r e Bereiche a u s d e h n b a r , die d e m V o l k z u r u n m i t t e l b a r e n A u s ü b u n g d e r S t a a t s g e w a l t ü b e r t r a g e n w e r d e n s o l l e n 1 8 . R e g e l m ä ß i g h a n d e l t es sich b e i d e n z u r A b s t i m m u n g g e s t e l l t e n F r a g e n n i c h t u m solche d e r z e n t r a l e n Entscheidungsebene, s o n d e r n u m d e z e n t r a l i s i e r t e E n t s c h e i d u n g e n 1 9 . 17 F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 79 f.; vgl. auch W. v. Simson, W D S t R L 29 (1971), S. 33. — Die Leibholzsche Parteienstaatstheorie sieht i n den Wahlen des massendemokratischen Parteienstaates ein plebiszitäres Element, sie spricht ihnen „plebiszitären Charakter" zu (vgl.: Bundeswahlrecht, S. 56, 59 f.; Strukturwandel, S. 107 ff.). V o n „Wahlplebisziten" spricht auch W. Weber, Mittelbare u n d unmittelbare Demokratie, S. 765, 776 f. Tatsächlich ist der plebiszitäre Gehalt der Wahlentscheidungen jedoch nach w i e v o r m i n i m a l u n d nicht „ständig deutlicher w e r dend", w i e i m Anschluß an Leibholz H. J. Rinck, J Z 1958, S. 195, meinte. Z u m einen deshalb, w e i l die i m Laufe der Legislaturperiode anstehenden E n t scheidungen k a u m alle i m W a h l k a m p f bereits absehbar sind u n d zum andern, w e i l die Wahlentscheidungsmotivation der Bürger überwiegend retrospektiv ist; unter den verschiedenen M o t i v e n n i m m t die programmatische Sachalternative — soweit sie v o m Wähler überhaupt zur Kenntnis genommen w i r d — nicht den Raum ein, daß m a n die W a h l insgesamt als Sachplebiszit qualifizieren könnte. 18 E. W. Fuß, AöR 83 (1958), S. 395; A. Hamann / H. Lenz, Das GG f ü r die BRD, A r t . 20 A n m . B 6; vgl. auch BGHSt. 7, 222; a. A.: H. v. Mangoldt / F. Klein, Das Bonner Grundgesetz, Band I, A r t . 20 A n m . V 5 a; T. Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, GG, Rdnr. 53 zu A r t . 20; U. Scheuner, Das repräsentative Prinzip i n der modernen Demokratie, S. 235; M. Kriele, W D S t R L 29 (1971), S. 60 f. u n d L S 5 S. 82, die alle Volksabstimmungen n u r aufgrund eines verfassungsändernden Gesetzes als zulässig erachten; ebenso w o h l auch W. Schmitt Glaeser, W D S t R L 31 (1973), S. 211 (Anm. 142). 19 A r t . 29 GG sieht Abstimmungen i n Bundesländern u n d näher bestimmten Gebietsteilen vor, ebenfalls auf den Bereich des bestimmten Bundeslandes beziehen sich die i n Länderverfassungen vorgesehenen Formen der unmittelbaren Entscheidung von Sächfragen durch das V o l k (z. B. A r t . 71 ff. bayer. Verfassung, A r t . 116 ff. hess. Verfassung), die Abstimmungen nach den Gemeindeordnungen der Länder (Art. 28 I 3 GG) u n d den Gesetzen zur territorialen Neugliederung von Verwaltungseinheiten erstrecken sich auf den Kommunalbereich.

1. Demokratiebegriff des GG

151

Der Partizipationsgehalt des Abstimmungsbegriffs i n A r t . 20 I I 2 GG wurde durch das Festhalten an überkommenen Repräsentationsvorstellungen heruntergespielt und aus der verfassungsrechtlichen Diskussion verdrängt. Die i m sog. Volksbefragungsurteil des BVerfG 2 0 verworfene Partizipationsform war keineswegs die erste amtliche Erhebung dieser A r t i n der Bundesrepublik 2 1 . Obwohl das BVerfG die umstrittenen Volksbefragungsgesetze von Hamburg und Bremen aus bundesstaatlichen Kompetenzgründen für nichtig erklärte und nicht prüfte, „ob sie etwa i m Widerspruch stehen zur repräsentativen Ausprägung der demokratischen Ordnung i m GG" 2 2 , argumentierte es an verschiedenen Stellen der Entscheidung m i t dem Gesichtspunkt des von rechtlich unverbindlichen Äußerungen des Volkes ausgehenden „politischen Drucks" 2 3 . Diese als unzulässig erachtete Auswirkung organisierter Artikulation des Volkswillens 24, die darin bestehen soll, daß Staatsorgane getroffene Entscheidungen wegen eines offensichtlich anderen politischen Willens der Mehrheit des Volkes ändern könnten, ist zu überprüfen. Der Verweis auf den Volkswillen bedeutet „ i m demokratischen Gemeinwesen die Bezeichnung der Quelle der Legitimierung der politischen Entscheidung" 25 . Dieser Rückgriff als legitime Darstellungsform der Demokratie 2 6 w i r d dagegen von BVerfG disqualifiziert. Dahinter steht die rigorosen Repräsentationsvorstellungen verhaftete Annahme, daß sich die Beteiligung des Volkes an der Staatswillensbildung durch die personelle Legitimation der Mandatsträger erschöpfte, und diese dann die Sachentscheidungen aus eigener Kompetenz und ohne weitere Berücksichtigung des Volkswillens treffen 2 7 ; 20

E 8,104 ff. Über die Frage des Beitritts zum Europarat w u r d e n i n einigen nordu n d westdeutschen Gemeinden Volksbefragungen veranstaltet, siehe dazu G. Heinemanns Ausführungen vor dem Bundestag, Protokolle, 3. W a h l periode 1957, 26. Sitzung am 25. 4.1958, S. 1477 f. 22 E 8, 104 (121 f.). 23 Ebd., S. 111, 117, 118. 24 Volkswille allerdings nicht i m Sinne Rousseaus, als ein auf Homogenität gegründeter Gemeinschaftswille, sondern als quantitativ bestimmbare Volksmehrheit. Der Satz, daß alle Staatsgewalt v o m Volke ausgeht (Art. 20 I I 1 GG), fingiert nicht eine Willenseinheit des Volkes, „sondern er setzt jene Vielfalt u n d Gegensätzlichkeit voraus, die stets erneut die Herstellung p o l i tischer Einheit als Bedingung der Entstehung u n d des Wirkens staatlicher Gewalt notwendig macht", K . Hesse, Grundzüge, S. 55. 25 U. Scheuner, Verantwortung u n d Kontrolle i n der demokratischen V e r fassungsordnung, S. 380. 26 So W. Weber, Mittelbare u n d unmittelbare Demokratie, S. 772. 27 Vgl. etwa auch U. Scheuner, Das repräsentative Prinzip i n der modernen Demokratie, S. 236: „ D a auch »informative' Befragungen i n einer Demokratie schwer vermeidbare Bindungswirkungen enthalten, bedeutet eine solche Befragung eine der Verfassung widersprechende Einschränkung der freien, n u r durch die Verfassung gebundenen Entscheidungsbefugnis des Parlaments"; ähnlich M. Kriele, V V D S t R L 29 (1971), S. 61. 21

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1. Teil, I I I . Demokratiebegriff i n A r t . 21

3 GG

die Legitimation wird gegen die Partizipation ausgespielt M i t der kategorischen Ablehnung einer verfahrensmäßig geordneten Artikulation der Aktivbürger werden die politischen Eliten vom Volk abgeschirmt, sollen letztlich damit wohl Identitätskrisen i m politischen System vermieden werden, die dann entstehen, wenn öfters eine Diskrepanz zwischen dem Wollen der Regierten und der Haltung der Regierenden manifest w i r d 2 8 . Damit nimmt man aber eine Verschleierung solcher Dysfunktionalitäten i n Kauf und begibt sich der Chance, über besondere Rückkoppelungsverfahren Volkswillen und Herrschaft durch repräsentative Organe tendenziell i m Einklang zu halten. Sowohl die Verfassung als auch die einfachgesetzliche Ordnung des politischen Systems sehen Abstimmungen als Partizipationsinstrumente des Volkes vor 2 9 . Doch hat nicht zuletzt das Dogma der Unvereinbarkeit von Partizipation und Repräsentation 30 den Zugang zu einer differenzierten Behandlung der i n dem Abstimmungsbegriff des A r t . 20 I I 2 GG enthaltenen Möglichkeiten der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligung des Volkes verbaut. Es ist nach dem Parteienstaat des GG adäquaten Repräsentationsformen zu suchen. Auch dort, wo die Rolle der Parteien als Faktor der politischen Willensbildung des Volkes realistisch eingeschätzt wird, fehlt es an der Weiterentwicklung demokratischer OrdnungsVorstellungen nach dem GG 3 1 . Die Parteien dienen der Partizipation des Volkes. Über ihre Funktionen werden repräsentative Entscheidungskompetenz und influenzierendes politisches Wollen des Volkes vermittelt. 28 So z. B. M. Kriele, ebd.: „Das Organ könnte zwar rechtlich dem Ergebnis der Volksbefragung zuwider handeln. D a m i t würde es aber die L e g i t i m i t ä t des Repräsentativsystems erschüttern. Das V o l k könnte nicht verstehen, w a r u m es dann befragt worden ist. M a n wäre also praktisch genötigt, der Entscheidung zu folgen. Das aber hieße, sich der Entscheidungsverantwort u n g entziehen." Kriele übersieht dabei, daß die Entscheidungsverantwort u n g der besonderen Organe dem Volk gegenüber besteht, u n d daß dort, wo das V o l k selbst eine Entscheidung getroffen hat u n d sich die Organe daran halten, es sich u m einen F a l l der unmittelbaren Zurechnung an das V o l k handelt; die Organe entziehen sich nicht der Verantwortung, sie ist dort aber überflüssig, w o das V o l k selbst entscheidet. 29 Bevor „neue Formen der Partizipation" zur Rettung von Demokratie u n d Freiheit (W. v. Simson, W D S t R L 29 [1971], S. 37) gesucht werden, gilt es die vorhandenen zu effektivieren. Dazu gehören Abstimmungen (Art. 20 I I 2 GG) als Partizipationsinstrumente u n d besonders Abstimmungen i m Rahmen der innerparteilichen Demokratie (Art. 20 I I 2 i. V. m. 21 I 3 GG). 30 So die These von G. Leibholz, Strukturwandel, S. 93 f.; Demokratie, S. 146 f. 81 So z.B. W. Weber, Mittelbare u n d unmittelbare Demokratie, S. 777: „Alles weitere freilich ist dann dem Volkseinfluß entzogen u n d der Bestimmungsgewalt der Parteien überlassen." Der Pessimismus angesichts der realistischen Analyse Webers i n Fragen der Parteienstaatlichkeit ist nicht begründet. Er müßte weiter fragen, i n w i e w e i t die Bestimmungsgewalt der Parteien Bestimmungsgewalt des Volkes ist oder doch nach der Verfassung sein soll.

1. Demokratiebegriff des GG

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Das GG kennt verschiedene Abstimmungskompetenzen des Volkes m i t unterschiedlichem Gehalt an effektiver Partizipation. Unmittelbar verbindliche Abstimmung über zentrale Angelegenheiten des Gemeinwesens gibt es — i m Gegensatz zur WRV — nicht mehr. Doch finden sich unmittelbare Abstimmungskompetenzen zu dezentralisierten Fragen (Art. 28 I 3, 29, 118 GG, Abstimmungen nach den Länderverfassungen und i m Kommunalrecht) sowie die verschiedenen Formen organisierter Meinungskundgabe des Volkes zu Angelegenheiten von partikulärer und gesamtstaatlicher Reichweite, die keine unmittelbare Gestaltungswirkung haben, deren Partizipationsgehalt erst über eine Vermittlungsstufe entfaltet wird. Von letzteren ist die wichtigste die der innerparteilichen Abstimmungen (Art. 21 I 3 GG) 3 2 . Die „geheime Abstimmung" bei der Aufstellung von Wahlbewerbern (§§ 17 PartG, 22 I, 28 V BWahlG) ist ein Beispiel für innerparteiliche Personalentscheidungen dieser A r t . Parteibeschlüsse ( § 1 5 PartG) zu Sachfragen der Kommunal-, Landes- oder Bundespolitik sollen die Initiativen der Parteibürger während der Legislaturperiode formulieren und als influenzierendes „permanentes Plebiszit" 3 3 punktuelle Identität zwischen Regierenden und Regierten herstellen. Die Parteibürger haben also die Möglichkeit, sich qua Abstimmungen an der Ausübung der Staatsgewalt intensiver zu beteiligen, als dies über das Aktivwahlrecht zu den Staatsorganen und die übrigen Abstimmungsformen möglich ist. Die Freiheit aller Aktivbürger, als Parteibürger verstärkt an der Staatsgewalt zu partizipieren, macht die parteiinternen Abstimmungen zu „allgemeinen". Die Verfassung bietet allen Bürgern diese Möglichkeit an, zwingt sie aber nicht Parteimitglied zu werden. Darin liegt auch ein Stück Freiheit. Das Erfordernis der Allgemeinheit als Grundsatz demokratischer Willensbildungsvorgänge auch i n bezug auf innerparteiliche Abstimmungen, ist aus A r t . 20 I I i n Verbindung mit A r t . 38 I 1 und A r t . 21 I 3 GG zu begründen. Das Element der Unmittelbarkeit demokratischer Teilhabe — ausdrücklich genannt i n A r t . 38 I 1 GG — w i r d durch dieses Verständnis des Abstimmungsbegriffs nach A r t . 20 I I GG aktualisiert, da innerparteilich nicht nur über Personen, die dann ihrerseits die Sachfragen entscheiden, sondern unmittelbar über die Sachalternativen selbst abgestimmt wird. Dieser enge Zusammen32 I . Fetscher, Konkrete Demokratie — heute, S. 387 f., glaubt, daß über die Parteien demokratische Teilhabe deshalb nicht aktualisiert u n d konkretisiert werden könne, w e i l die dominierenden Interessen der Eliten i n den Volksparteien überwiegen u n d eine durchgehende innerparteiliche Demokratie utopisch sei. Doch bieten gerade die m u l t i f u n k t i o n a l e n Strukturen der Volksparteien die Chance f ü r den von Fetscher vermißten „rational argumentierenden" Gruppenwettbewerb; m i t der Qualifikation als Utopie läßt sich eine funktionierende innerparteiliche Demokratie nicht erreichen. Hier ist die Teilhabediskussion fortzusetzen. 33 W. Abendroth, Das Grundgesetz, S. 80.

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hang zwischen unmittelbaren Wahlen und Abstimmungen und unmittelbarer Demokratie geht verloren, w i r d z. B. der Grundsatz unmittelbarer Legitimation rein formal als Ausschluß von Zwischeninstanzen zwischen Wähler und Wahlbewerber nach der Wahlhandlung aufgefaßt 3 4 . A r t . 20 I, I I und 21 GG sind unter den Bedingungen parteiendemokratischer Wirklichkeit bereits i m Ansatz zusammen zu sehen; beide Normen sind von vornherein aufeinander zu beziehen 85 . Die effektivste Partizipation der Bürger erfolgt i n der Parteiendemokratie i n den und über die politischen Parteien. Sie sind die Instrumente zur Herstellung sachlicher Identität von Regierten und Regierenden. Es ist nicht erforderlich, daß die innerparteilichen Entscheidungen selbst bereits unmittelbar verbindliche Wirkungen entfalten 3 6 . Die Parteientscheidungen werden über die Parteivertreter i n den Staatsorganen als Regierungs- und Oppositionspolitik auf die Ebene der verbindlichen Staatsentscheidungen transformiert 3 7 und erlangen über die institutionalisierten Verfahren der Staatswillensbildung unmittelbare Verbindlichkeit. I n der von Parteien organisierten Demokratie geht es u m keine Plebiszite im herkömmlichen Sinne, bei denen politische Probleme auf eine grobe Alternative reduziert und dem gesamten Volk zur Abstimmung von amtswegen vorgelegt werden; sie haben als passive, reagierende Form politischer Partizipation allenfalls ergänzende Funktion. Die i n ihnen enthaltene Verengung des Entscheidungsspielraumes und die Gefahr demagogischer Emotionalisierung der Wählermassen 38 , lassen die traditionellen plebiszitären Formen für eine effek34

BVerfGE 7, 63 (LS 2, S. 68). P. Häberle, JuS 1967, S. 66f.; ähnlich W. Kewenig, DÖV 1964, S. 833: A r t . 21 als „Auslegungsregel" des Demokratieprinzips i n A r t . 20 I GG, als seine „strukturelle Verfestigung". 36 Das V o l k übt als Verfassungsorgan auch dann Staatsgewalt aus, wenn seine Entscheidungen keine unmittelbar verbindliche W i r k u n g e n hervorrufen, so BVerfGE 8, 104 (LS 4 u n d S. 114); nach U. Scheuner, Das repräsentative Prinzip i n der modernen Demokratie, S. 245, erfolgt über die Parteien die „verbindliche Bestimmung der politischen Richtung". 37 Nach U. Scheuner, ebd., S. 245, ist es Aufgabe der Parteien, „die Sichtung u n d Vorformung der Grundfragen f ü r die politische Entscheidung zu leisten u n d damit die verbindliche Bestimmung der politischen Richtung innerhalb der repräsentativen parlamentarischen Versammlung zu gewährleisten", eine auf Partizipation der „mannigfaltigen sozialen K r ä f t e " (ebd.) i n der Partei gestützte Influenzierung der repräsentativen Organe, die die Repräsentation als solche nicht aufhebt, sie aber partiell überflüssig macht. 38 Sie sollte nach den Erfahrungen m i t dem nationalsozialistischen „Gesetz über Volksabstimmung" v o m 14. 7.1932 (RGBl. I S. 479) i m GG vermieden werden. Vgl. dazu H. Schneider, Volksabstimmungen i n der rechtsstaatlichen Demokratie, S. 160 ff.; i m Parlamentarischen Rat hat T. Heuß vor der Einführung der beantragten A r t i k e l über Volksentscheid u n d Volksbegehren gewarnt, sie seien „eine Prämie für jeden Demagogen", vgl. Jahrb. d. öff. R. (N. F.), Bd. 1, S. 620 f. 35

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tive Beteiligung des Volkes an den politischen Entscheidungen zudem wenig geeignet erscheinen. Sie vergrößern nicht immer die Chancen demokratischer Willensbildung, da sie bei Manipulationen durch die politische Führung oft nur eine „Pseudo-Beteiligung" darstellen 39 . I n kleineren organisatorischen Einheiten, wie z. B. den Parteien und besonders ihren Suborganisationen, können die politischen Probleme unter den verschiedenen Interessenlagen diskutiert und Kompromißlösungen gefunden werden, die bei einer Abstimmung m i t vorformulierter Alternative nicht möglich wären. Zwar sind auch hier die Gefahren demagogischer Manipulation vorhanden; doch sind die Chancen für eine rationale Willensbildung günstig 4 0 , w e i l es nicht nur u m ja oder nein geht, sondern auch Zwischenstufen zur Disposition stehen. Dazu kommt ein, die Selbstbestimmung der Beteiligten dokumentierender, emanzipatorischer Effekt, der darin liegt, daß der Gegenstand innerparteilicher Diskussion und Beschlußfassung nicht von staatlichen Gremien den Bürgern als entscheidungsbedürftig vorgelegt wird, sondern ihrem Gutdünken die Wichtigkeit und Entscheidung einer politischen Initiative überlassen bleibt. I n der freien Auswahl des Gegenstandes politischer Diskussion und Beschlußfassung w i r d bereits die aktive Form solcher Abstimmungen i m Gegensatz etwa zur Volksbefragung deutlich. Das utopische Modell einer „Partizipation aller Bürger am diskutant aufzuhellenden politischen Entscheidungsprozeß" 41 findet i n der modernen Massendemokratie seine Grenzen angesichts der Ausdehnung und Komplexität des politischen Bereichs 42 . Dazu kommt das Permanenzproblem, die Frage nach Motivation, Zeit, Energie und Fähigkeiten der Bürger zur permanenten politischen Beteiligung 4 3 . Ein realistischer A n satz — Sollen impliziert Können 4 4 — hat von einem reduzierten Partizipationsmodell (F. Scharpf) auszugehen, „ i n dem lediglich die annäherungsweise gleichmäßige Beteiligung aller Bürger an jeweils spezialisierten Entscheidungsprozessen gefordert w i r d " 4 5 . Die Parteien, als spezielle politische Organisationsformen der Verfassung für politisch konkurrierende Teile der Bevölkerung, genügen mit ihren verschiedenen Entscheidungsebenen diesem Erfordernis insoweit, als sie die grund89

F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 43. Auch D. Hahn, Innerparteiliche Demokratie, S. 63 f., glaubt, daß f ü r Parteiabstimmungen die Bedenken gegen Volksabstimmungen nicht gelten. 41 So W. Euchner, Demokratietheoretische Aspekte der politischen Ideengeschichte, S. 45. 42 K. Lenk, Wie demokratisch ist der Parlamentarismus?, S. 24. 48 F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 27. 44 Vgl. zum Problem wirklichkeitsorientierter Verfassungsinterpretation oben I I . : Normative Anforderungen. 45 F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 59. 40

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sätzlichen Möglichkeiten zur egalitären Teilhabe der Bürger auf verschiedenen Gliederungsstufen und i n Sonderorganisationen bieten. Es liegt i n der Kompetenz der Parteien und bleibt den Initiativen ihrer Mitglieder überlassen, zu welchen Fragen sie Stellung nehmen 4 6 und die Politik der Parteivertreter i n den Staatsorganen beeinflussen wollen. Die verfassungsrechtliche Organisationsform politischer Parteien enthält die grundsätzliche Möglichkeit zur Expansion der Partizipation entsprechend den Bedürfnissen der Parteibürger. Wenn also i n den Parteien demokratische politische Willensbildung stattfindet, die sich m i t Initiativen, Empfehlungen und Forderungen an die staatlichen Beschlußgremien richtet, so können sich diese A k t i v i täten doch nur auf einen minimalen A n t e i l der i n den Staatsorganen zur Entscheidung anstehenden Fragen mittelbar und auf einen noch geringeren Prozentsatz unmittelbar erstrecken. Parteitage müßten als „Fraktionsbestimmungsinstrumente" i n Permanenz tagen, die Parteimitglieder würden i n ihrem Informationsaufnahme- 47 und -verarbeitungspotential überfordert. Angesichts dieser faktischen Grenzen bleibt den partizipierenden Parteibürgern primär die Möglichkeit: über formelhaft programmatische Aussagen eine Vielzahl anstehender politischer Entscheidungen abzudecken und ihre Behandlung i n den staatlichen Beschlußgremien wenigstens mittelbar zu influenzieren 48 . I n den Fällen, wo die Parteidirektiven auslegungsbedürftig sind oder keine Parteibeschlüsse vorliegen, weil die Problematik noch nicht absehbar oder zur Stellungnahme zu unattraktiv war, beginnt auch i n der Parteiendemokratie der Raum notwendiger Repräsentation. Der moderne großräumige Massenstaat kann auf repräsentative Formen nicht verzichten. Sie sind keine „Abschwächung oder Aushilfe der Demokratie" 4 9 , sondern funktionale Notwendigkeit. Repräsentation kann unter den heutigen Gegebenheiten weder i m Sinne Rousseaus radikaldemokratisch als Delegationstheorie verstanden werden, noch als ideeller Vorgang der Identität des Volkes mit der 46 Denn „außer i n Krisenzeiten sind selbst Parteimitglieder i n ihrer überwiegenden Mehrheit nicht dazu bereit, sich u m alle wichtigen politischen u n d innerparteilichen Entscheidungen zu k ü m m e r n " , K . Lenk, Wie demokratisch ist der Parlamentarismus?, S. 24. 47 Vgl. zum Problem der Aufnahmekapazität des Informationsempfängers F. Naschold, Systemsteuerung, S. 20 f. 48 D a r i n ist die i n A r t . 21 GG enthaltene Konzeption eines „permanenten Plebiszits" (W. Abendroth, Das Grundgesetz, S. 80) zu sehen. Der i n der Leib Dölzschen Parteienstaatstheorie so hervorgehobene „plebiszitäre Charakter" der Wahlen ist höchst zweifelhaft u n d t r i t t sowohl qualitativ als auch quantitativ hinter die i n der politischen Partizipation über Parteien liegende plebiszitäre Komponente des demokratischen Parteienstaats zurück. 49 17. Scheuner, Das repräsentative Prinzip i n der modernen Demokratie, S. 236 f.

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i n abstrakter Selbständigkeit agierenden politischen Elite 5 0 , wie es den Wertvorstellungen des Liberalismus seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entspricht. Demokratie als Ordnungsprinzip der modernen Massenstaaten kommt ohne die Fiktion der Identität der einmal gewählten Mehrheit m i t dem Gesamtvolk aus 51 , ohne dabei auf die Form der Repräsentation verzichten zu müssen und zu können 5 2 . Repräsentation und Partizipation sind komplementäre, einander ergänzende Aspekte des Problems Demokratie. Der Ansatzpunkt für ein Konzept der Repräsentation i m demokratischen Parteienstaat ist das influenzierende Abgeordnetenmandat. Die Abgeordneten und Regierungsmitglieder sind keine bloßen Erfüllungsgehilfen der Partei, sondern haben auch i n der parteienstaatlichen Massendemokratie einen immensen eigenen Entscheidungsbereich. Die Formen von Partizipation und Repräsentation sind dialektisch zu relativieren und aufeinander zu beziehen 53 . So w i r d die Kompetenz der Staatsorgane, repräsentativ zu entscheiden, m i t dem tatsächlichen politischen Wollen des Volkes über verschiedene Partizipationsmechanismen demokratisch gekoppelt. Die extensive Auslegung des Abstimmungsbegriffs nach Art. 20 I I 2 GG — oder besser: seine Befreiung aus der minimalisierenden Verharmlosung — ist zum einen auf die Funktion der politischen Parteien und das Verfassungsgebot der innerparteilichen Demokratie gestützt (Art. 21 GG). Darüber hinaus sind auch die Grundrechte ein Beleg für die vom GG vorgesehene umfassende Partizipation der Bürger 5 4 an der politischen Willensbildung i n organisierten oder spontanen individuellen und kollektiven Formen und damit ein Argument für die Deutung 50 Dies hat G. Leibholz überzeugend dargelegt (vgl. z.B.: Strukturwandel, S. 80 ff., 93 ff.), allerdings bezieht sich die von i h m festgestellte Unvereinbarkeit von parteienstaatlicher Demokratie u n d Repräsentation auf die l i beral-repräsentativen Vorstellungen von parlamentarischer Demokratie, ohne daß damit jede F o r m der Repräsentation i m Parteienstaat ausgeschlossen ist. 51 H. Scholler, V V D S t R L 29 (1971), S. 103. 52 Anders G. Leibholz, Demokratie, S. 147, der glaubt, daß der Gemeinwille i n der parteienstaatlichen Demokratie ohne Beimischung repräsentativer Strukturelemente zur Geltung komme. Dabei stellt er allein auf das Parteiprogramm u n d einen darauf bezogenen plebiszitären Charakter der Wahlen ab (vgl. z.B.: Bundeswahlrecht, S. 56, 59 f., Strukturwandel, S. 107 ff.). Diese Überbewertung der Wahl entspricht nicht der festgestellten Wählermotivat i o n (vgl. W. v. Simson, V V D S t R L 29 [1971], S. 33). Selbst w e n n m a n die permanente Partizipation der Parteibürger — sie ist bei der Leibholzschen Theorie „ v e r k ü m m e r t " — m i t berücksichtigt, handelt es sich insgesamt u m Minimalplebiszite; faktische u n d rechtliche Gründe erfordern Repräsentation auch i m demokratischen Parteienstaat. 53 M. Kriele, V V D S t R L 29 (1971), S. 49. 54 Es entspricht demokratischen Vorstellungen, „soviele Bürger wie möglich an der politischen Willensbildung teilnehmen zu lassen", G. Leibholz, V V D S t R L 29 (1971), S. 1031; vgl. auch F. Münch, ebd., S. 109: „möglichst viele sollen an der B i l d u n g des Volkswillens teilnehmen"; vgl. auch G. Püttner, ebd., S. 118, der die „Breite des demokratischen Prozesses" betont.

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der Abstimmungen als Vehikel partizipatorischer Influenzierung der Ausübung der Staatsgewalt durch besondere Organe. „ I m Rahmen eines öffentlichen, demokratischen Teilhabeverständnisses der Grundrechte" ist das Volk differenzierter und stärker i n das demokratische System der Verfassung „einzubringen" 5 5 . Grundrechte sind „auch öffentliche Teilhaberechte und -freiheiten" 5 6 . M i t Wahlen und Abstimmungen ist daher die Teilhabe des Volkes an der politischen Willensbildung nicht abschließend umschrieben 57 . Hinzu kommen weitere, durch die demokratierelevanten Grundrechte gesicherte staatsbürgerliche Einflußmöglichkeiten, wie die M i t w i r k u n g an der politischen Willensbildung über Versammlungen, Demonstrationen, Verbandspolitik, die vielschichtigen Quellen und Verläufe der öffentlichen Meinung, i n die auch die demokratische Funktion der Presse eingeht. A l l jene Mechanismen dienen nicht — wie die Wahlen — der formellen Legitimation der Staatsgewalt, sondern sichern — gleich den Parteien — permanent ihre materielle Legitimität. Die Staatsorgane werden durch sie „angeregt, i n formiert, kontrolliert und i m großen und ganzen i m Einklang m i t den Meinungen des Volkes gehalten" 5 8 . Doch haben jene Instrumente mehr oder weniger enge Beziehungen zu den Parteien, wie diese umgekehrt alle Verbände, Gruppen und Initiativen der Bürger i n ihre Politik zu integrieren suchen. I n diesem Zusammenhang ist beispielsweise die Funktion der Parteien bei der Bildung der öffentlichen Meinung i m Volk zugleich ein Problem der innerparteilichen Demokratie. Es geht i m Parteienstaat nicht u m die „bürgerliche öffentliche Meinung" 5 9 , sondern um die Frage, wie öffentliche Meinung unter M i t w i r k u n g der Parteien verfahrensmäßig zustande kommt, organisiert und quantifiziert w i r d — A r t . 21 GG als „Haupt- und Grundnorm der institutionellen öffentlichen Meinungsfreiheit des modernen Parteienstaates" 60 . Sie richtet sich auch an die Binnenstruktur der Parteien. I n ihnen werden politische I n i t i a t i ven zu Angelegenheiten der öffentlichen Meinung gemacht; sie initiieren und organisieren den Meinungsbildungsprozeß. W. Hennis, der die öffentliche Meinung, als „kundgetane Reaktion auf öffentliche Akte", aufs Antworten beschränkt 61 , isoliert sie damit 55

P. Häberle, W D S t R L 29 (1971), S. 99. Ders., ebd., S. 126. 57 K . Hesse, Grundzüge, S. 61. 58 M. Kriele, V V D S t R L 29 (1971), S. 65. 59 Deren Zersetzung als Folge des Zerfalls ihrer sozialen Voraussetzungen i n der spätkapitalistischen Industriegesellschaft J. Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, analysiert hat. 60 H. Ridder, Meinungsfreiheit, S. 257. 61 I n : Meinungsforschung u n d repräsentative Demokratie, S. 26 f., 34. 56

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zugleich von der eigentlichen politischen Gestaltung über influenzierende organisierte Äußerungen. Seine unrealistische und konstruierte Trennung von „Meinen" und „Wollen" des Volkes 6 2 sowie die Gegenüberstellung von Parteien und öffentlicher Meinung 6 3 dienen einem Modell des entmündigten Volkes, das — i n zugestandener Spontaneit ä t 6 4 — nur reagieren darf. Die aktive Einflußnahme auf die politische Leitung, das gegenseitige aufeinander Einwirken von Volk und Staatsorganen oder gar vom Volk ausgehende Innovationen bleiben hierbei ausgeschlossen65. Dabei sind es primär die Parteien, die i m demokratischen Prozeß der politischen Willensbildung des Volkes die öffentliche Meinung organisieren und Artikulationshilfe leisten 6 6 ; denn öffentliche Meinung ist nur i n seltenen Fällen spontan vorhanden, „sondern i n aller Regel Ergebnis organisierten Zusammenwirkens" 6 7 . I n diesem Prozeß stehen die Parteien ebenso wenig wie die beteiligten Gruppen und Verbände dem Volk und seinem politischen Wollen gegenüber, vielmehr leben und agieren sie durch das Engagement politisch aktiver Bürger und Gruppen innerhalb und außerhalb ihrer Organisation. A k t i o n und Reaktion kennzeichnen ihre Tätigkeit und damit zugleich die öffentliche Meinung. Die von Hennis herausgestellte Rückführbarkeit auf bestimmte angebbare Träger 6 8 als Begriffselement der öffentlichen Meinung, erfüllen gerade die Parteien als konkurrierende Organisationen i n der öf62 Ebd., S. 41; vgl. dagegen M. Kriele, V V D S t R L 29 (1971), S. 56: „ I n der parlamentarischen Demokratie ist die Staatswillensbildung Meinungsbildung, die i n verbindliche Dezision mündet . . . Meinungen sind unvermeidlich selbst durch Willensrichtungen motiviert." 63 W. Hennis, a.a.O., S. 47, die Parteien sollen die wesentlichen Fragen formulieren, „auf die das V o l k bejahend u n d verneinend reagieren k a n n " ; während er auf S. 41 die Parteien als „repräsentative Institutionen der öffentlichen Meinung" bezeichnet. 64 Ders., ebd., S. 33 f. 65 Entsprechend „reduziert" ist auch Hennis' Demokratiebegriff, das V o l k darf Regierung u n d Herrschaft periodisch zustimmen oder seine Z u s t i m mung verweigern, a.a.O., S. 39, dabei kritisiert er seinerseits noch „die Enge unseres Demokratiebegriffs, der f ü r den Amtsgedanken keinen Raum läßt" (in: Amtsgedanke u n d Demokratiebegriff, S. 63), während der Amtsgedanke ganz auf Vertrauen der Bürger i n die A m t s f ü h r u n g u n d damit Ausschaltung jeglicher Partizipation beruht: „Die Verantwortlichkeit besteht darin, daß man sich der K r i t i k f ü r die A m t s f ü h r u n g stellt u n d gegebenenfalls die K o n sequenzen durch Nichtwiederwahl oder Entlassung tragen muß", ebd., S. 61. 66 Nach § 1 I I P a r t G w i r k e n die Parteien an der B i l d u n g des politischen Willens des Volkes insbesondere dadurch m i t , indem sie „auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluß nehmen". — „Die öffentliche Meinung ist das Feld der Parteien", W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 239. 67 K . Hesse, Grundzüge, S. 62. 68 I n : Meinungsforschung u n d repräsentative Demokratie, S. 20 f., 23, 27.

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fentlichen Auseinandersetzung. Dabei quantifizieren 69 innerparteiliche Beschlüsse und Parteiprogramme die politischen Interressen der A k t i v bürgerschaft. Die diffusen und unkontrollierbaren Inhalte der öffentlichen Meinung zwischen den Wahltagen werden teilweise konkretisiert und i n ihrer Relevanz kontrollierbar durch die innerparteilichen politischen Aktivitäten. Parteipolitik macht die öffentliche Meinung tendenziell bestimmbar, ihre Voten vermitteln den Politikern die Meinung des (Partei-)Volkes. Über die Parteien n i m m t das Volk auch zwischen den Wahlen Einfluß auf die Entscheidungen der Staatsorgane 70 . I n den Parteiprogrammen und Beschlüssen liegt die von der öffentlichen Meinung unmittelbar gespeiste Vorklärung, -formulierung der von den jeweiligen Parteien i n den Staatsorganen realisierten Maßnahmen. Sie sind als organisierte und quantifizierte Bestandteile der öffentlichen Meinung klare Orientierungsdaten für die Politik der Staatsorgane. Wenn die öffentliche Meinung als „unsichtbares Parlament" (M. Löffler) i n einem politischen System Terrain der unmittelbaren Demokratie behaupten soll 7 1 , so bedarf sie klarer Kommunikations- und Ausdrucksformen. Über innerparteiliche Diskussionen und Beschlüsse w i r d sie aktiviert und partiell transparent, da es sich hier nicht u m passive Reaktionen auf demoskopische Fragen, sondern um den Ausdruck aktiven politischen Gestaltungswillens handelt. Über die M i t w i r k u n g der Parteien bei der Bildung u n d Vermittlung öffentlichen Wollens w i r d die aktiv gestaltende Funktion der öffentlichen Meinung deutlich. „Als Korrektiv, das die parlamentarische, repräsentative Demokratie vor Entartungen bewahrt", ist sie i n einer auf repräsentative Formen angewiesenen Ordnung unentbehrlich 72 . Die Wünsche und Bedürfnisse der Individuen werden über kollektive Formen der Meinungskundgabe und hier am effektivsten über Parteipolitik organisiert, d. h. demokratisch instrumentalisiert. Die Parteien ordnen öffentliche Meinung und hoheitliche Entscheidung einander zu. 69 Das Mehrheitsprinzip erfordert weniger Qualität als Quantität, u m so mehr, w e i l die Qualität auch auf Seiten der Minderheit(en) liegen kann. Es fehlen ohnehin K r i t e r i e n zur Qualitätsmessung. Entsprechend dem Gleichheitsgrundsatz k o m m t es auf meßbare Quantitäten an, bei denen v o n einer jeweils bestimmten Z a h l (relative, absolute Mehrheit etc.) ab zugleich die Vermutung f ü r die Qualität der getroffenen Entscheidung spricht. So w i r d i n der einschlägigen Terminologie beim Erfordernis großer Mehrheiten auch von „qualifizierten" Mehrheiten gesprochen, so z. B. bei A r t . 79 I I GG (K. Hesse, Grundzüge, S. 59), dessen Zweidrittelmehrheit durch Abstellen auf die Mitgliederzahl noch weiter qualifiziert w i r d , so E. Stein, Lehrbuch des Staatsrechts, S. 31. 70 BVerfGE 20, 56 (99). 71

So M. Löffler,

Die öffentliche Meinung — das unsichtbare Parlament,

S. 21. 72

I. Fetscher, Die Demokratie, S. 81.

1. Demokratiebegriff des GG

161

Die als öffentliche Meinung verstandene Form quantifizierter Voten der Aktivbürger i n bezug auf politische Entscheidungen ist zwischen plebiszitären und repräsentativen Strukturen der Verfassung einzuordnen. Repräsentative Kompetenzen und plebiszitäre Teilhabemechanismen stehen i n einem Ergänzungsverhältnis, das die Entscheidung bei den besonderen Organen beläßt, über Partizipation am Entscheidungsfindungsprozeß aber Direktiven und Orientierungsdaten und somit materielle Legitimation der Staatsleitung vermittelt. Diese partizipatorische und zugleich legitimierende Funktion der öffentlichen Meinung findet sich bereits i n demokratischen Subsystemen der politischen Ordnung, soweit auch sie auf repräsentativen Strukturen beruhen. So läßt sich bereits eine innerparteiliche öffentliche Meinung 73 feststellen, die zur Legitimation der Führungsgremien und Partizipation der Parteimitglieder beiträgt 7 4 . Die Uridee der Demokratie ist die der Volkssouveränität 7 5 ; doch setzt die Selbstbestimmung des Volkes eine Stufe früher an, bei der individuellen Selbstbestimmung. So geht der moderne demokratische Staat von dem „Grundgedanken der politischen Selbstbestimmung aller seiner Bürger" aus 76 . Politische Teilhabe ist demokratisches M i t t e l und Zweck zugleich 77 : Mittel zur Führungsrekrutierung, politischen Richtungsbestimmung und Interessen Verwirklichung; Zweck zur individuellen Selbstentfaltung i n der sozialen Gemeinschaft. I m GG kommt dies an vielen Stellen normativ zum Ausdruck 7 8 . Bereits die i n A r t . 1 I GG garantierte Menschenwürde sichert die Freiheit des Individuums, „sich 73

Begriff bei P. Häberle, Öffentlichkeit, S. 28. Als Beispiele seien die 1971 i n verschiedenen — nach der Satzung zur Entscheidung dieser Fragen nicht zuständigen — Untergliederungen der CDU durchgeführten Urabstimmungen über den künftigen Parteivorsitzenden u n d Kanzlerkandidaten genannt, s. dazu näher unter 2. T e i l I I . 4. 75 K. Lenk, Wie demokratisch ist der Parlamentarismus?, S. 9; W. Weber, Mittelbare u n d unmittelbare Demokratie, S. 780. 76 U. Scheuner, Das repräsentative Prinzip i n der Demokratie, S. 223. 77 Vgl. F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 17, 19, 51; ders., PVS 1968, S. 515 f., zur Partizipation als Zweck; I . Fetscher, Konkrete Demokratie — heute, S. 377 f. zeigt, daß die Beteiligung der I n d i v i d u e n an der Gestaltung des Gemeinwesens i n der politischen Theorie des ausgehenden achtzehnten u n d neunzehnten Jahrhunderts als ein Mittel, nicht als ein Wert an sich verstanden wurde. 78 M. Kriele, W D S t R L 29 (1971), S. 80, bezeichnet als verfassungsrechtliche Ansatzpunkte der Demokratie unter dem Gesichtspunkt des Selbstzwecks „nicht das Demokratieprinzip des A r t . 20", sondern die Grundrechte u n d die Sozialstaatsklausel. Gegen eine solche Trennung von allgemeinem Demokratieprinzip i m G G u n d speziellen Ausprägungen der Demokratie i n der Verfassung ist jedoch einzuwenden, daß das GG als Einheit zu sehen ist u n d erst die Zusammenschau der verschiedenen normativen Aussagen zum Demokratieprinzip ein U r t e i l über seine Konkretisierung i m G G zuläßt. 74

11 Trautmann

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1. Teil, I I I . Demokratiebegriff i n A r t . 21

3 GG

selbst z u b e s t i m m e n u n d sich u n d d i e U m w e l t z u g e s t a l t e n " 7 9 . D a b e i k o m m t z u g l e i c h j e n e Gemeinschaftsbezogenheit z u m A u s d r u c k , i n die die f r e i e S e l b s t b e s t i m m u n g e i n g e b e t t e t i s t 8 0 . Dieses Recht i s t i n w e i t e r e n G r u n d r e c h t e n w i e z. B . d e r M e i n u n g s ä u ß e r u n g s - u n d I n f o r m a t i o n s freiheit, der Vereins- u n d Versammlungsfreiheit konkretisiert 81. Die A u s ü b u n g j e n e r i n d i v i d u e l l e n G r u n d r e c h t s p o s i t i o n e n ist d i e f u n k t i o n a l e V o r a u s s e t z u n g — M i t t e l — des d e m o k r a t i s c h e n Prozesses 8 2 ; i n s o f e r n s i n d d i e G r u n d r e c h t e als T e i l i h r e r „ f u n k t i o n e l l e n G r u n d l a g e " 8 3 auch I n s t i t u t i o n e n der D e m o k r a t i e 8 4 . Das d e m o k r a t i s c h e P r i n z i p des G G d i e n t w e g e n seiner i n h a l t l i c h e n E r g ä n z u n g d u r c h d i e G r u n d r e c h t e u n d i h r e A u s ü b u n g „ z u g l e i c h d e m Interesse des S t a a t s b ü r g e r s a u f gestalt e n d e T e i l n a h m e a m d e m o k r a t i s c h e n P r o z e ß " 8 5 . Die demokratische, auf T e i l h a b e a m p o l i t i s c h e n Geschehen abzielende Funktion der Grundrechte folgt auch aus Art. 9 II und besonders 18 GG: W e n n die G r u n d rechte „ z u m K a m p f e gegen die f r e i h e i t l i c h d e m o k r a t i s c h e O r d n u n g m i ß b r a u c h t " w e r d e n k ö n n e n , setzt die V e r f a s s u n g i h r e n f u n k t i o n a l e n G e b r a u c h i m R a h m e n d e r d e m o k r a t i s c h e n O r d n u n g des Gemeinwesens als zulässig v o r a u s 8 6 . A u s a l l d e m f o l g t , daß j e n e D e f i n i t i o n e n d e r D e m o 79 G. Dürig, i n : T. M a u n z / G . D ü r i g / R . Herzog, Grundgesetz, Rdnr. 18 zu A r t . 1 I GG, m. w . N.; i n der politischen Partizipation erreichen die Bürger „ihre volle individuelle Selbstentfaltung, die volle V e r w i r k l i c h u n g ihrer I n teressen", F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 19; I . Fetscher, K o n krete Demokratie — heute, S. 378, bezeichnet „die Teilhabe an der Gestaltung des Gemeinwesens" als „eine F o r m der Entfaltung u n d Betätigung menschlicher Möglichkeiten überhaupt"; nach W. D. Narr, i n : W. D. N a r r / F . N a schold, Theorie der Demokratie, S. 157, w i r k t die pol. Beteiligung „zurück auf Selbstwertgefühl u n d Eigenrationalität der beteiligten bzw. ausgeschlossenen Personen". 80 Vgl. etwa BVerfGE 4, 7 (15 f.). 81 Nach U. K . Preuß, Z u m staatsrechtlichen Begriff des öffentlichen, S. 170 f., sind die A r t . 5, 8, 9, 21 „die legitimierenden Normen eines originär auf demokratischer Teilhabe basierenden Bereichs". 82 P. Häberle, Die Wesensgehaltgarantie des A r t . 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 18; ähnlich P. Saladin, Grundrechte i m Wandel, S. 330. 83 F. Fleiner / Z. Giacometti, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S. 245; W. Kägi, Rechtsfragen der Volksinitiative auf Partialrevision, S. 836 a; R. Bäumlin, Die rechtsstaatliche Demokratie, S. 94; W. Abendroth, Das G r u n d gesetz, S. 79; P. Häberle, Die Wesensgehaltgarantie, S. 17 ff.; ähnlich bereits H. Jahrreiß, S. 76; W. Kägi, Rechtsstaat u n d Demokratie, S. 138; C. J. Friedrich, Der Verfassungsstaat der Neuzeit, S. 144 f. — Kritisch zur „ f u n k tional-demokratischen Auslegung der Grundrechte": H. H. Klein, Die Grundrechte i m demokratischen Staat; ders., W D S t R L 29 (1971), S. 121. 84 Vgl. zum Verhältnis der individualrechtlichen u n d institutionellen Seite der Grundrechte P. Häberle, Die Wesensgehaltgarantie, S. 96 ff. 85 F. Knöpfle, Staat 1969, S. 338. 89 Vgl. dazu W. Schmitt Glaeser, Mißbrauch u n d V e r w i r k u n g von Grundrechten i m politischen Meinungskampf, S. 115 ff., der zu dem Ergebnis kommt, „daß nicht alle der i n A r t . 18 genannten Grundrechte politisch-gestaltend zu gebrauchen (zu mißbrauchen) sind" (S. 122).

1. Demokratiebegriff des GG

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kratie nach dem GG, die die partizipatorische Komponente nicht enthalten, das demokratische Prinzip des GG verengen 87 . M i t U. Scheuner ist als Kennzeichen des demokratischen Gemeinwesens die gleichberechtigte M i t w i r k u n g aller Bürger am politischen Geschehen 88 zu betonen. A r t und Ausmaß der Beteiligung bestimmen sich nach den Kriterien der Verfassung. Teilhabe individueller A r t w i r d dann ineffektiv, wenn Einzelvorstöße i n der Menge untergehen und verfahrensmäßig nicht mehr bewältigt werden können. Die moderne Massendemokratie benötigt daher Strukturen zur nachhaltigen Vermittlung der individuellen Bedürfnisse und Wünsche in kollektiver Form. Daran knüpfen die verschiedenen Pluralismusmodelle an: U m den politischen Einfluß der Bürger möglichst wirksam zu gestalten, sind zwischen diesen und der Führung Zwischengruppen einzubauen 89 . Dabei interessiert die „Pluralisten" primär die Frage, wie der Wettbewerb der konkurrierenden autonomen Gruppen institutionalisiert und gesichert werden kann. Man beachtet den i n den Gruppen selbst erfolgenden Prozeß kaum 9 0 , überträgt das ökonomische Modell des Marktes 9 1 m i t freiem Wettbewerb auf die Beziehungen verschiedener oligarchisch strukturierter Organisationen untereinander und gibt sich m i t einer Konkurrenzsituation auf dieser Ebene als Bedingung demokratischer Abläufe zufrieden. Gegen die Wettbewerbsannahme wurde bereits die von der Wirtschaftstheorie her bekannte Erscheinung der „Vermachtung solcher »Märkte 4 zu einem Anpassungskartell m i t Produktdifferenzierung" als wahrschein87 Z . B . H. H. Klein, Die Grundrechte i m demokratischen Staat, S. 42: Demokratie „als die Staatsform v o m V o l k gewählter u n d i h m v e r a n t w o r t licher Herrschender" ; P. Badura, Parlamentarismus u n d parteienstaatliche Demokratie, S. 19: Demokratie als „egalitär kontrollierte u n d legitimierte Repräsentation", auch i n W D S t R L 29 (1971), S. 95, geht es i h m beim Problem der Demokratie „ u m eine bestimmte Methode der Etablierung legitimer Herrschaft", während die partizipatorische Komponente unberücksichtigt bleibt. 88 I n : Verantwortung u n d K o n t r o l l e i m demokratischen Verfassungsstaat, S. 385; seine Definition der Demokratie i n D Ö V 1971, S. 4, als „politisches Formprinzip, nach dem i n einer Gemeinschaft Gleichberechtigter über öffentliche Fragen verfahrensmäßig geordnete Entscheidungen gesucht u n d gefunden werden", enthält ebenfalls das Element eines die Bürger integrierenden Vorganges der politischen Willensbildung. 89 Insoweit gehen Partizipationsvorstellungen u n d die „ältere" Pluralismustheorie konform, vgl. etwa E. Fraenkel, Strukturdefekte der Demokratie u n d deren Überwindung, S. 16, der vor einer „inneren Aushöhlung der autonomen Gruppen u n d Parteien" w a r n t , die die pluralistische Gesellschaft zu „einer Masse isolierter I n d i v i d u e n " werden läßt. 90

W. D. Narr, i n : W. D. N a r r / F . Naschold, Theorie der Demokratie, S. 157. W. D. Narr, Pluralistische Gesellschaft, S. 38; F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 48. 91

il

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1. Teil, I I I . Demokratiebegriff i n A r t . 21

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liehe Folge vorgebracht 92 . Der entscheidende Einwand ist jedoch, daß das zum Selbstzweck erhobene Pluralismuskonzept auf kollektiver Ebene (Gruppenpluralismus) keinen Raum für individuelle Partizipation mehr läßt 03. Zwar sind i n der Tat Gruppeninteressen und Gruppenforderungen die allein relevanten inputs des politischen Gesamtsystems 94 ; doch muß die Analyse bei der mitgliedschaftlichen Basis des Pressure Systems ansetzen und fragen, inwieweit hier Partizipation tatsächlich möglich ist oder nur fingiert wird. Die von den Normen einer konkreten Verfassung losgelöste Pluralismusdiskussion, vor allem i n der amerikanischen Politikwissenschaft, mußte angesichts der empirischen Belege für eine schichtenspezifische politische Apathie 95 und den auf die Oberschicht beschränkten Konsens über demokratische Grundwerte 9 6 bald ihre normativen Postulate revidieren. Die revidierte Pluralismustheorie geht nunmehr von der Annahme einer Pluralität konkurrierender Eliten aus, und ihr Hauptproblem ist die Begründung einer Kongruenz zwischen den Interessen der Nicht-Eliten und der Politik der Eliten. Sie hat die Frage nach effektiver, gleicher Beteiligung aller Bürger nicht mehr zum Forschungsgegenstand, sondern sieht sie sogar als Gefahr für das politische System und verwendet Energien darauf, die politische Apathie als funktionale Voraussetzung der Demokratie zu propagieren 97 . Politische Teilhabe der Bürger w i r d zur „negativen Ontologie" (W. D. Narr), die von der Unfähigkeit der Bürger als Bürger ausgeht 98 . Versteht man dagegen Pluralismus funktional als M i t t e l demokratischer Willensbildung, so hat die Pluralität bereits auf der untersten Ebene anzusetzen, die Pluralität der Individuen muß zum Tragen kommen. Verfassungsnormen von solchem Gehalt sind besonders die A r t . 5, 8, 9, 20, 21, 28 GG 9 9 . Von diesen Bestimmungen gelten die Grund92

F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 48; ders., PVS 1968, S. 505. Weitere Bedenken, w i e die Frage nach der Organisierbarkeit aller individuellen Interessen, die Oligarchisierung der meisten Organisationen oder der ungleichgewichtige Einfluß einzelner Gruppen, gemessen an dem demokratischen Grundsatz „one m a n one vote", sind Teilaspekte jenes grundsätzlichen Einwands der Vernachlässigung effektiver bürgerschaftlicher Teilhabe i m organisierten Konkurrenzkampf politischer Eliten. 94 F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 29. 95 s. dazu S. M. Lipset, Soziologie der Demokratie, S. 106 f.; F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 50, m i t Nachweisen empirischer U n t e r suchungen i n der amerikanischen Literatur. 96 F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 48; F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 34 f. 97 s. dazu die Darstellung bei F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen U t o pie u n d Anpassung, S. 29 ff. 98 I n : W. D. Narr / F. Naschold, Theorie der Demokratie, S. 157. 99 Die B i l d u n g der öffentlichen Meinung vollzieht sich i m freiheitlich demokratischen Staat notwendig pluralistisch, so BVerfGE 12,113 (125). 93

1. Demokratiebegriff des GG

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rechte nicht nur für die politischen Eliten, ihre demokratisch-pluralistische Funktion erstreckt sich auf alle Bürger. Doch sind die genannten Normen nicht überzubewerten; aus ihrer Zusammenschau kann nicht auf ein pluralistisches Prinzip der Verfassung geschlossen werden, das zum Selbstzweck und m i t Inhalten ausgefüllt wird, die i n der Verfassung nicht enthalten sind. Solange also Pluralismus nicht durch elitäre Verfälschung die demokratische Egalität denaturiert, sondern seinem demokratischen Ausgangspunkt, der breiten politischen Partizipation verschiedenster Interessenrichtungen verpflichtet bleibt, hat er durchaus seinen Stellenwert i n einer von einem reduzierten Partizipationsmodell ausgehenden Demokratietheorie 1 0 0 . Gerade w e i l eine gleiche, intensive Teilhabe aller Bürger an den politischen Entscheidungen i n der modernen Massendemokratie unmöglich ist, stellt die funktionale Pluralität das demokratische Korrektiv i n dem Sinne dar, daß nicht nur wenige Bürger aus bestimmten sozialen Schichten (politische Eliten) und die Führungsspitzen oligarchischer Gruppen die Partizipationsmechanismen besetzen. Über institutionalisierte pluralistische Gremien und Verfahren kann wenigstens eine annähernd gleiche Interessenartikulation gesichert werden. Die unerreichbare Partizipation aller Bürger ist durch die Möglichkeit der Einführung wenigstens aller organisierten und organisierbaren Interessen i n den Entscheidungsprozeß zu kompensieren, über I n i t i a t i v - und obligatorische Anhörungsrechte beispielsweise. Dabei ist jedoch eine funktionierende innerorganisatorische Demokratie wesentliche Voraussetzung dafür, daß über Gruppenbeteiligung auch tatsächlich individuelle Teilhabe vermittelt wird. Zu diesem Zweck ist auch innerhalb der partizipierenden Organisationen der Pluralismus i n Suborganisationen weiterzutreiben: Bezugspunkt ist letztlich die durch die Vielzahl der einzelnen Mitglieder begründete Pluralität. Die Individuen sind über pluralistische Strukturen i n die Organisation zu integrieren, ohne sie gleichzuschalten und ihr politisches Wollen zu ignorieren. Pluralismus steht demnach für sachliche Gleichbehandlung der auf individuelle Begehren zurückgehenden verschiedenen Interessenströme i m Entscheidungsfindungsveriahren. Das vom GG verfaßte Gemeinwesen ist also nicht gemäß einer die Elitenherrschaft legitimierenden und zementierenden Theorie nur pluralistisch, sondern nach E. Fraenkel als auch pluralistisch zu qualifizieren 1 0 1 , und zwar i m Sinne funktionaler Pluralität zur Überwindung 100 F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 74, versteht das Partizipationspostulat als „ n o r m a t i v unerläßliche K o r r e k t u r u n d Ergänzung der realistischen Pluralismustheorie". Geht man, w i e hier, von der Verfassung aus, so stehen umgekehrt die pluralistischen Funktionen verschiedener Institutionen u n d Verfahren als Differenzierung u n d Sensibilisierung des normativen Partizipationsgebots. 101 I n : Strukturdefekte der Demokratie u n d deren Überwindung, S. 16.

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oligarchischer Strukturverfestigungen, i m Wege stehen.

3 GG

die individueller

Partizipation

Die i n der älteren Demokratiediskussion nicht unbekannte Problematik der Entscheidungsqualität und ihrer Bedeutung für das gesamte politische System — sei es hinsichtlich der Zusammensetzung der Repräsentativorgane, sei es i n Fragen des Gemeinwohls — ist m i t Hilfe des systemtheoretischen Ansatzes neu befruchtet worden. „Ausgehend von der Modellvorstellung eines politischen Systems, das politische inputs (artikulierte Interessen) aus seiner gesellschaftlichen Umwelt aufnimmt und zu politischen Outputs (verbindlichen Entscheidungen) verarbeitet, können normative Demokratietheorien danach unterschieden werden, ob sie das politische System primär von seinen inputs oder von seinen Outputs her zu rationalisieren suchen 102 ." Wie dargelegt, ist das demokratische Prinzip des GG jedenfalls auch input-orientiert; denn es ermöglicht und fördert die Artikulation verschiedener, untrennbar m i t Interessen verknüpfter 1 0 8 Meinungen. Darüber hinaus finden sich i m GG aber auch bestimmte normative Kriterien hinsichtlich der Qualität der vom politischen System erwarteten Entscheidungen. F. Scharpf zählt hierzu das Gewaltenteilungsprinzip sowie den grundrechtlichen status negativus, die tyrannische Herrschaft und W i l l kürentscheidungen ausschließen sollen 1 0 4 . Dazu gehören weiter das föderative, das Sozialstaatsprinzip und die auf soziale Teilhabe an staatlichen Leistungen gerichteten Grundrechte. Soziale Sicherheit und Lebensqualität bedingen einen irreversiblen Standard an Leistungen (output). Das heißt aber nicht, daß die Theorie vom modernen Sozialstaat der demokratischen Willensbildung zuwiderläuft 1 0 5 , öffentliche Leistungen schaffen ihrerseits oft erst die Voraussetzungen zur Wahrnehmung politischer Teilhaberechte 106 . Die Ermöglichung breiter Partizipation ist selbst eine Leistung des politischen Systems. Dieser Zusammenhang zwischen der leistungsrechtlichen Seite der Grundrechte und dem Sozialstaatsprinzip, den P. Häberle i n seinem Staatsrechtslehrerreferat herausgestellt hat 1 0 7 , ist jedoch ebensowenig zu verabsolutieren, wie die normativen input-Anforderungen. Die Verfassung geht einen Mittelweg: Sie fordert breite politische Beteiligung, die jedoch formell und materiell begrenzt ist durch die legitimen Leistungser102

F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 21. M. Kriele, W D S t R L 29 (1971), S. 57. 104 Ders., ebd., S. 21 f. 105 s. dazu K . Lenk, Wie demokratisch ist der Parlamentarismus?, S. 41. 108 Vgl. dazu P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 56, 65 u. passim; W. v. Simson, W D S t R L 29 (1971), S. 25: „Leistung, die f ü r alles andere erst den Boden hergibt." 107 Grundrechte i m Leistungsstaat, W D S t R L 30 (1972), S. 43 ff. 108

1. Demokratiebegriff des GG

167

Wartungen der B ü r g e r , die i h r e r s e i t s d o r t i h r e Grenze f i n d e n , w o „ e i n M e h r a n L e i s t u n g s - u n d G e f ä l l i g k e i t s s t a a t . . . die g r u n d r e c h t s e f f e k t i v i e r e n d e D e m o k r a t i e selbst g e f ä h r d e t " 1 0 8 . D e m o k r a t i e k a n n daher n i c h t als nebensächliches A n h ä n g s e l technologischer L e i s t u n g s o r i e n t i e r u n g i n t e r p r e t i e r t w e r d e n 1 0 9 . Es g e h t u m eine positive Wechselbeziehung beider Faktoren 110 u m die B e j a h u n g d e r E f f i z i e n z , ohne daß die F r a g e nach A r t u n d U m f a n g d e m o k r a t i s c h e r W i l l e n s b i l d u n g v e r n a c h lässigt w e r d e n d a r f . „ D i e A u f r e c h t e r h a l t u n g z e n t r a l e r E n t s c h e i d u n g s f ä h i g k e i t einerseits, d i e p l u r a l i s t i s c h e E i n f l u ß n a h m e o r g a n i s i e r t e r I n teressen andererseits . . . s i n d das Z i e l 1 1 1 . " I n e i n e r v e r f a s s u n g s g e w o l l t e n A m b i a n c e v o n i n p u t - u n d o u t p u t - o r i e n t i e r t e n K r i t e r i e n des p o l i tischen Entscheidungsprozesses e n t s p r i c h t das r e d u z i e r t e P a r t i z i p a t i o n s modell den n o r m a t i v e n Anforderungen u n d versöhnt Partizipationsund Leistungserwartungen. Entgegen den Prämissen der einseitig output-orientierten Demok r a t i e m o d e l l e i s t das A r g u m e n t , daß b e i v e r m e h r t e r P a r t i z i p a t i o n die L e i s t u n g e n des p o l i t i s c h e n Systems n i c h t m e h r d e n n o r m a t i v v o n i h m e r w a r t e t e n A n f o r d e r u n g e n e n t s p r e c h e n 1 1 2 i n dieser F o r m u n h a l t b a r 1 1 3 . Z w a r f ü h r t e r h ö h t e P a r t i z i p a t i o n n i c h t z w a n g s l ä u f i g auch z u r E f f i 108 R Haberle, W D S t R L 30 (1972), S. 65. loa v o n d e r l i n k e n K r i t i k zu Recht an der Theorie des technologischen Leistungsdenkens bemängelt w i r d , vgl. dazu K . Lenk, Wie demokratisch ist der Parlamentarismus?, S. 41 ff. no p Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 51; vgl. dazu auch P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 60 f. 111

W. v. Simson, W D S t R L 29 (1971), S. 29. Angeblich läßt sich eine weitere Demokratisierung n u r durch Rationalitäts- u n d Leistungsverlust erzielen; vgl. zur K r i t i k der postulierten Unvereinbarkeit von Demokratisierung und Leistungssteigerung F. Naschold, Organisation und Demokratie, S. 9; Vorbehalte gegen Nascholds „vage" Behauptung der Verträglichkeit von Effizienz u n d Demokratie bei W. D. Narr, i n : W. D. N a r r / F . Naschold, Theorie der Demokratie, S. 30, der ein positives Verhältnis von systematischer Aufgabendifferenzierung u n d Demokratie nicht a p r i o r i verneint, jedoch „sehr genaue u n d spezifische Angaben der Bestimmungskriterien u n d der Richtpunkte i m einzelnen" fordert. Die Frage müßte nach i h m lauten: „ W i e muß das Institutionengefüge bei Erhaltung gegenwärtig unabdingbarer, allerdings zu rechtfertigender Leistungen gestaltet sein, damit es Beteiligung i m größtmöglichen Maße gestattet?" (a.a.O., S. 158 f.). — Nach K . O. Hondrich, Demokratisierung u n d Leistungsgesellschaft, S. 36 u. passim, f ü h r t unter bestimmten Voraussetzungen Demokratisierung i n allen sozialen Systemen zu Leistungssteigerung. 113 So konnte z. B. i m Bereich der Arbeitswelt durch Experimente i n europäischen u n d amerikanischen Großfirmen nachgewiesen werden, daß dort, „ w o den Arbeitern mehr Verantwortung u n d interessantere Aufgaben übertragen wurden", f ü r die Unternehmen „schon mittelfristig eher Zugewinn als Verlust" i n den Bilanzen meßbar w u r d e ; vgl. dazu: Der Spiegel, Nr. 27/ 1973, S. 98 (100). Auch die Organisationstheorie ist zu der Erkenntnis gekommen, „daß erhöhte Beteiligung der Tendenz nach zu gesteigerter O r ganisationseffizienz führen kann", vgl. F. Naschold, Organisation und Demokratie, S. 52; s. auch K . O. Hondrich, ebd. 112

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3 GG

zienzsteigerung, doch „können beide Faktoren unter bestimmten Bedingungen gleichzeitig erreicht werden" 1 1 4 . Die Verknüpfung von sozialem Leistungsstaat und Demokratie darf nicht zu einer „Legitimation an der Leistung" führen 1 1 5 , sie bedeutet gerade auch, daß staatliche Aktivitäten i n diesem Bereich der Demokratie dienen und demokratisch verlaufen müssen. Die Verfassungsdirektiven lassen sich in ihrer Tendenz zusammenfassen, als die Forderung nach möglichst breiter Partizipation — möglichst viele Bürger sollen an möglichst vielen Angelegenheiten beteiligt sein oder sich beteiligen können — bei gleichzeitiger Leistungserhaltung oder sogar Leistungssteigerung des politischen Systems. A u f dieser Grundlage ist der partizipatorische Ansatz bei Einzelfragen zu entfalten. Als Beispiel konkreter normativer Leistungsanforderungen an die innerparteiliche Demokratie und somit als inhaltliche Bestimmung der politischen Teilhabe i n diesem Bereich sei die Kandidatenaufstellung nach dem BWahlG genannt: Die Parteien müssen unter Berücksichtigung zeitlicher, regionaler und personeller Modalitäten bestimmte Entscheidungen i n vorgeschriebener Form treffen, andernfalls bleiben sie von den Wahlen ausgeschlossen. Personaldiskussionen und Meinungsbildungsverfahren werden eingeschränkt durch das konkrete Leistungserfordernis, eine Entscheidung bestimmten Inhalts i n bestimmter Zeit zu fällen. Leistungserhaltung oder gar Leistungssteigerung bei Verstärkung partizipatorischer Demokratie sind jedoch nur möglich, wenn auf die Komplexität der Umwelt und ihre Anforderungen m i t entsprechenden demokratischen Kapazitäten selektierend eingegangen werden kann 1 1 6 . Das bedeutet, daß leistungsfähige Subsysteme entsprechend demokratischen Werten i n funktionaler Spezifizierung auszudifferenzieren und gleichzeitig durch komplizierte Steuerungssysteme in das politische System zu integrieren sind 1 1 7 . Demokratie ist unter modernen Be114

F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 52. W. v. Simson, W D S t R L 29 (1971), S. 25. 116 A u f die Kontroverse zwischen F. Naschold (PVS 1968, S. 494 ff. und PVS 1969, S. 326 f.) u n d N. Luhmann (PVS 1969, S. 314 ff.), u m das Verhältnis von Demokratie u n d K o m p l e x i t ä t , soll hier nicht näher eingegangen werden, w e i l sich besonders der Luhmannsche Ansatz einer rein funktionalen Definition der Demokratie „ i m H i n b l i c k auf das Problem der K o m p l e x i t ä t " (a.a.O., S. 322) zu w e i t von den hier als Prämissen herausgestellten normat i v e n K r i t e r i e n der Demokratie nach dem GG entfernt hat, als daß er i n dieser Hinsicht weiter führen würde. Da Naschold hingegen versucht, von dem klassischen unverkürzten Demokratiebegriff aus das Problem der K o m p l e x i tät anzugehen, können seine Ergebnisse hier eher verwandt werden. — Vgl. zum Problem auch A. Rinken, Das öffentliche als verfassungstheoretisches Problem, S. 264 ff. 117 Vgl. F. Naschold, PVS 1968, S. 497 f. 115

1. Demokratiebegriff des G G

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dingungen auf komplexe Institutionen und Verfahren angewiesen 118 . N. Luhmann ist insoweit zuzustimmen, als Demokratie auch „Erhaltung der Komplexität trotz laufender Entscheidungsarbeit, Erhaltung eines möglichst weiten Selektionsbereichs für immer wieder neue und andere Entscheidungen" 110 heißt. Dazu kommen jedoch Anforderungen an den Entscheidungsvorgang: durch komplexe Strukturen sind Möglichkeiten aktiver Partizipation an den Entscheidungsprozessen selbst zu eröffnen 1 2 0 . Zur Ausdifferenzierung des politischen Systems gehören u. a. die politischen Parteien, sie genügen dem Verfassungsgebot der internen Demokratie wiederum nur, wenn sie ihrerseits auf die komplexe U m welt adäquat reagieren 121 . Durch die Ausgestaltung vielschichtiger Partizipationsmechanismen müssen die Parteien prinzipiell allen, die fähig und bereit dazu sind, sich aktiv zu engagieren, gleiche Partizipationschancen eröffnen. Die hierfür erforderliche Komplexität erreichen sie nur durch Kombination verschiedener Formen mit demokratischem Gehalt, sie müssen sich partizipative, repräsentative, pluralistische und öffentlichkeitsorientierte Demokratievarianten verfügbar halten 1 2 2 . Jene von sozialwissenschaftlicher Seite neuerdings herausgearbeitete und empirisch abgesicherte komplexe Demokratietheorie entspricht den i n der Verfassung angelegten normativen Direktiven zur Ausgestaltung der konkreten demokratischen Ordnung: partizipative Elemente finden sich z. B. i n A r t . 20 I I , 38, 21, 28 I 3, 29 GG (Wahlen und Abstimmungen) und i n den Grundrechten (öffentliche Meinung), die repräsentative Komponente kommt i n der tradierten Formulierung des A r t . 38 I 2 GG zum Ausdruck, dem Pluralismusmodell sind beispielsweise A r t . 9 und 21 GG (Verbandswesen, Mehrparteiensystem) zuzuordnen, Öffentlichkeitsgehalte finden sich schließlich i n den A r t . 21 I 3, 118 Ders., ebd., S. 510; vgl. auch die komplexe Demokratietheorie von F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 66 ff. 119 I n : PVS 1969, S. 319 f. 120 F. Scharpfy Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 66. 121 Wenn sie beispielsweise innerhalb ihrer Gliederung Sonderorganisationen m i t eigener Willensbildung als Teile der Parteiwillensbildung zulassen, ihren Mitgliedern Entscheidungsalternativen sachlicher u n d personeller A r t anbieten, Bekrutierungsbasis der Funktionäre u n d politischen Eliten v e r breitern, attraktive Partizipationsbereiche u n d -formen f ü r ihre Mitglieder u n d interessierte Bürger bereit halten etc. 122 I m Sinne der komplexen Demokratietheorie v o n F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 66 ff. — So kritisiert auch F. Naschold an den theoretischen Konzepten der direkten Demokratie, der Öffentlichkeit u n d des Bätesystems weniger die normativen Annahmen, als den geringen Komplexitätsgrad der einzelnen Denkschemata u n d Organisationsformen, werden sie gegen andere abgegrenzt u n d verabsolutiert, vgl. PVS 1968, S. 502 f.; ders., Organisation u n d Demokratie, S. 28, 30.

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1. Teil, I I I . Demokratiebegriff i n A r t . 21 I 3 GG

4; 42 I 1; 52 I I I 3 GG ausdrücklich, sie sind mittelbar jedoch i n weiteren Bestimmungen enthalten. I n der Staatsrechtslehre wurden zur Optimierung des demokratischen Potentials i m GG die verschiedenen Elemente der demokratischen Ordnung des GG i n „praktischer Konkordanz" (K. Hesse) bereits einander zugeordnet 123 . Diese Ergebnisse werden nun von sozialwissenschaftlicher Seite bestätigt. So kann die komplexe Demokratietheorie als die dem GG entsprechende theoretische Basis bezeichnet werden. 2. Demokratische Grundsätze A r t . 21 I 3 GG bestimmt, daß die innere Ordnung der Parteien „demokratischen Grundsätzen" entsprechen muß. Es ist jedoch unbestimmt, welche Institutionen und Verfahren i m einzelnen dazu gehören. Sicher ist nur, daß dieser Verfassungsbegriff einen gewissen Gestaltungsspielraum enthält 1 2 4 . Doch bereits bei der Frage, wer diesen Bereich wie weit zu konkretisieren hat, zeichnen sich unterschiedliche Standpunkte mit weitreichenden Konsequenzen ab 1 2 5 . Bestimmt der Gesetzgeber die demokratischen Grundsätze detailliert, so besteht für alle Parteien eine normativ gleiche Ausgangsbasis. W i r d dagegen die Konkretisierung ihrer inneren Ordnung von den Parteien selbst vorgenommen, so entstehen unterschiedliche Organisationsformen und der gemeinsame Ausgangspunkt des Parteiensystems wird auf ein Minimum reduziert; denn es liegt i m Belieben der jeweiligen Partei, zu bestimmen, was sie unter demokratischen Grundsätzen versteht, wie demokratisch sie sein w i l l . So gesehen hat die anscheinend rein formelle Frage nach dem Adressaten des Gestaltungsauftrages i n A r t . 21 I 3 GG immense ma123 v g l . etwa K. Hesse, Grundzüge, S. 61 ff., der neben den repräsentativen Kompetenzen der besonderen Organe die Meinungsfreiheit (öffentliche M e i nung, Verbände u n d Parteien) als „nicht zu übersehendes K o r r e k t i v der Mediatisierung durch die besonderen Organe' des A r t . 20 Abs. 2" (S. 61) versteht. — Ä h n l i c h die Verbindung u n d V e r m i t t l u n g repräsentativer u n d partizipatorischer Formen bei: U. Scheuner, Das repräsentative Prinzip i n der modernen Demokratie, S. 222 ff.; M. Kriele, W D S t R L 29 (1971), S. 49. — Während andererseits etwa G. Leibholz diese Möglichkeit „verbaut", indem er annimmt, daß i n der parteienstaatlichen Demokratie der Gemeinwille „ohne Beimischung repräsentativer Strukturelemente zu Entstehung" k o m men k a n n (in: Strukturwandel, S. 93 ff. [94]). 124 Vgl. BVerfGE 2,1 (40); i m Zusammenhang m i t demselben Begriff i n A r t . 28 I GG betont das B V e r f G ebenfalls den Gestaltungsspielraum bei der Konkretisierung der Vorschrift (E 9, 268 [279]). 125 Das B V e r f G bezeichnet es als „Aufgabe des Parteiengesetzes", die von i h m angesprochenen demokratischen Grundsätze im einzelnen zu v e r w i r k lichen (E 2, 1 [40]); ähnlich A. Hamann / H. Lenz, Das G G f ü r die BRD, A r t . 21 A n m . 6; während andererseits K . Hesse, W D S t R L 17 (1959), S. 30; T. Maunz, i n : T. M a u n z / G . D ü r i g / R . Herzog, GG, Rdnr. 56 zu A r t . 21; G. Rabus, AöR 78 (1952 - 53), S. 167,172,182 u. passim, dem Gesetzgeber Zurückhaltung empfehlen, u m einer „demokratischen Gleichschaltung der Parteien" zu entgehen, die deren innere Freiheit gefährde.

2. Demokratische Grundsätze

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terielle Bedeutung. Es ist daher zu prüfen, ob durch die Verfassung auch i n dieser Hinsicht alles derart weitgehend „offen" gelassen wurde oder ob die Offenheit des Parteiensystems hier ihre Grenzen findet. Der Begriff „demokratische Grundsätze" findet sich außer i n A r t . 21 I 3 GG auch i n A r t . 28 I GG, nach dem die verfassungsmäßige Ordnung der Länder u. a. den Grundsätzen des demokratischen Staates i m Sinne des GG entsprechen muß. A r t . 28 I GG enthält trotz der Bindung an die leitenden Prinzipien des demokratischen Staatsaufbaues — die als „demokratische Grundsätze" der politischen Ordnung des Gesamtstaates unschwer auf die Gliedstaaten übertragbar sind, denn es handelt sich jeweils u m Staatsgebilde — einen Gestaltungsspielraum für die Bundesländer 126 . So wie nach A r t . 28 I GG die Länder Adressat der Regelung und gleichzeitig kompetent sind, die Grundsätze i m einzelnen zu konkretisieren, könnten auch die Parteien durch A r t . 21 I 3 GG die Kompetenz zur Konkretisierung ihrer inneren Ordnung erhalten haben. I m Gegensatz zur Konstruktion des A r t . 28 GG findet sich jedoch in A r t . 21 i n eine Zwischenschaltung des Gesetzgebers 127. Der demokratische Gesetzgeber ist nach der klaren Regelung des Abs. 3 allein kompetent „das Nähere" — auch hinsichtlich der demokratischen Grundsätze der inneren Parteiordnung — durch Bundesgesetz zu regeln. U m diese Konsequenz zu umgehen, w i r d gelegentlich m i t dem Gesichtspunkt der „Parteiautonomie" 1 2 8 oder dem der „Gestaltungsfreiheit der Parteien" 1 2 9 operiert, u m den Parteien weitgehenden Freiraum für die selbständige Gestaltung ihrer Interna zu sichern. I n einer auf chancengleichen Konkurrenzkampf der Parteien gegründeten pluralistischen politischen Ordnung impliziert eine so verstandene Autonomie jedoch zwangsläufig die systemwidrige Ungleichheit der Ausgangspositionen. Der aus der Funktion der Parteien (Art. 21 GG), dem Gleichheitssatz sowie dem Prinzip der Wahlrechtsgleichheit verfassungsrechtlich begründete Grundsatz der Chancengleichheit politischer Parteien 1 3 0 ist nicht nur für die Gestaltung des Wahlrechts und die Gleichbehandlung der Parteien bei öffentlichen Leistungen von Bedeutung, sondern auch von Relevanz bei der näheren Ausgestaltung der Grundsätze innerparteilicher Demokratie. Es geht nicht nur um die Parteienfrei128

BVerfGE 9, 268 (279). 127 v g l den Bericht der Parteienrechtskommission, S. 157: „ A r t . 28 G G enthält eine Begrenzung der Freiheit des Landesgesetzgebers, während A r t . 21 GG sich an den Bundesgesetzgeber wendet." 128 Vgl. z.B. U. Müller, Willensbildung, S. 99 f.; Bericht der Parteienrechtskommission, S. 158 ff. 129 W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 53; E. Friesenhahn, Parteien, S. 15; U. Scheuner, D Ö V 1968, S. 88, 91. 130 Y g i dazu die umfassende Darstellung des Grundsatzes und seiner Konkretisierungen bei H. C. Jülich, Chancengleichheit der Parteien.

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1. Teil, I I I . Demokratiebegriff i n A r t . 21

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heit, sondern auch u m ihre Gleichheit, die gefährdet wird, wenn i n den Parteien verschiedene Anforderungen z. B. an die Willensbildungsverfahren gestellt werden, und die Partei, die breite und umfassende Partizipation am Entscheidungsvorgang ermöglicht, eben nicht so rasch politisch agieren und auf aktuelle Herausforderungen reagieren kann, wie eine oligarchisch strukturierte Partei m i t geringen Teilhabemöglichkeiten. Der Grundsatz der Chancengleichheit setzt dem den Art. 21 I 3 GG konkretisierenden Gesetzgeber nicht nur Grenzen 131 , sondern er erfordert auch, durch formale gesetzliche Bestimmungen Differenzen zwischen den Parteien abzubauen, die sich störend auf ihre Funktionen i m politischen Willensbildungsprozeß der res publica auswirken können. Es scheint daher nur vordergründig die Parteiautonomie tangiert, sie betrifft diesen Bereich jedoch nicht, denn sie bezieht sich allein darauf, daß die Parteien i n ihrer politischen Bestimmung frei und dynamisch sein und bleiben sollen 1 3 2 . Die Voraussetzungen des innerparteilichen politischen Prozesses sind von Verfassungs wegen anzugleichen. Damit w i r d zwar das Wie des Zustandekommens der Parteipolitik geregelt, nicht aber ihr Inhalt. Nur auf i h n erstreckt sich — i m Rahmen des A r t . 21 I I GG — die politische Selbstbestimmung der Parteien nach dem GG, ihre Organisationsfreiheit ist dagegen durch A r t . 21 I 3 GG begrenzt 1 3 3 . Ein zweiter wesentlicher Aspekt i n diesem Zusammenhang ist von der Parteienrechtskommission i n ihrem Bericht angesprochen worden: „Der Auftrag, eine demokratische innere Ordnung der Parteien sicherzustellen, umschließt auch für den Gesetzgeber die Möglichkeit, für den Schutz der Stellung des einzelnen Parteimitgliedes hinsichtlich seiner M i t w i r k u n g i n der Partei wie seiner Zugehörigkeit zu ihr einzutreten 1 3 4 ." Die Parteienfreiheit w i r d mißverstanden, wenn sie die Freiheit der Parteieliten sein soll, zur eigenen Machtsicherung die öffentlichen Freiheiten der Parteibürger gering zu halten. Letztlich geht es in Fragen der inneren Ordnung der Parteien um die Freiheit der Parteimitglieder; gesetzliche Regelungen dieses Bereiches stellen die innere Parteifreiheit als Freiheit der Parteibürger erst her und gewährleisten sie 1 3 5 . Beließe man den Parteien hier einen Spielraum zur unterschiedlichen Konkretisierung 1 3 6 , so wäre die demokratische Gleichheit aller 131

BVerfGE 6, 273 (280); Bericht der Parteienrechtskommission, S. 118. 132 v g l Bericht der Parteienrechtskommission, S. 118.

133 A. Hamann / H. Lenz, Das GG f ü r die BRD, A r t . 21 A n m . 6; ähnlich bereits H. Lenz/C. Sasse, J Z 1962, S. 235 f., 237: A r t . 21 I 3 GG hat die Innenorganisation der Parteien „der Vereinsautonomie entzogen". 134 S. 159. 135 K . Hesse, W D S t R L 17 (1959), S. 30. i3« w i e i h n z. B. W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien, S. 48 ff., m. w. Nachw., propagiert.

2. Demokratische Grundsätze

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am politischen Prozeß innerhalb der Parteien partizipierenden A k t i v bürger gefährdet. Die Möglichkeit effektiver Teilhabe des Bürgers i n und über politische Parteien hinge davon ab, i n welcher Partei er m i t arbeitet 1 3 7 . Die Parteiautonomie hat durchaus ihren Stellenwert i n Fragen der Gründungs- und Bestandsfreiheit der Parteien (Art. 21 I 2, I I GG) und besonders hinsichtlich der von ihnen betriebenen Politik. Die formellen Grundlagen des politischen Willensbildungsprozesses sind ihr jedoch nach der Verfassung entzogen und dem Gesetzgeber zur einheitlichen Gestaltung m i t dem Ziel gleicher Partizipationsmöglichkeiten in allen Parteien überwiesen. I n bezug auf die i n der Parteifreiheit nach dem GG enthaltene Freiheit zur politischen Selbstdarstellung und Agitation, sind für alle Parteien gleichverbindliche, detaillierte Regeln des demokratischen innerparteilichen Willensbildungsprozesses geradezu konstitutiv; denn es ist nicht das Privileg der Führungseliten, den Charakter u n d das politische Wollen ihrer Partei zu akzentuieren. Der gleiche formelle Status für alle Parteibürger 1 3 8 und damit für alle Parteien ist die Voraussetzung der politischen Individualität einer demokratischen Partei. Freiheitliche Demokratie erfordert verbindliche Regelungen zur Austragung und Lösung von Konflikten 1 3 9 . Partei- und Satzungsautonomie 140 sind an die Verfassung gebunden, das Verfassungsgebot gleicher innerparteilicher Demokratie ergänzt funktional die Chancengleichheit der Parteien und bedeutet auch: gleiche demokratische Regeln für alle Parteien als Garant der Chancengleichheit i m freien politischen Prozeß innerhalb der Parteien und zwischen ihnen. 137 Ebenso problematisch sind die uneinheitlichen Statuten innerhalb einer Partei, w o jede Untergliederung gemäß § 6 I 2 P a r t G ihre eigene Satzung haben k a n n (vgl. z . B . § 9 des Organisationsstatuts der SPD; §§ 18 I I u n d 50 des Statuts der C D U ; § 9 I I der Satzung der F.D.P.). Eine Angleichung bew i r k t allenfalls die dort z. T. verwandte Formel, daß die Satzungen unterer Gliederungen nicht i m Widerspruch zu höheren Statuten stehen dürfen. Die „Satzungspluralität" darf jedoch innerhalb einer Partei nicht so w e i t gehen, daß die Parteibürger der verschiedenen Orts-, Kreis- u n d Landesverbände unterschiedliche Mitwirkungsrechte haben, die Effektivität der politischen Partizipation sich also nach den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten richtet u n d nicht grundsätzlich einheitlich ist. F ü r die Teilhabe des einzelnen Parteibürgers ist es z . B . wesentlich, ob bestimmte Entscheidungen v o n der M i t glieder« oder der Delegiertenversammlung getroffen werden. iss v g L z u r gleichen Rechtsstellung der Parteimitglieder G. Rabus, AöR 78 (1952 - 53), S. 182. 139

M. Hättich , Demokratie u n d Demokratismus, S. 125. A u f die i m GG unterschiedlich ausgestalteten Formen der Autonomie hat P. Häberle , DVB1. 1972, S. 909, hingewiesen. Gerade i m Parteienbereich k o m m t es wegen der notwendig egalitären Ausgangsbasis (Reflex der Chancengleichheit) aller Parteien (Art. 21 I 3 GG) nicht auf „sachliche oder ö r t liche Verschiedenheiten" an, die nach BVerfGE 6, 247 (215) besser eigenverantwortlich i n Selbstverwaltung als durch den Gesetzgeber geregelt werden. 140

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1. Teil, I I I . Demokratiebegriff i n A r t . 21 I 3 GG

Der Bundesgesetzgeber hat diesen Auftrag zur Konkretisierung des A r t . 21 I 3 GG m i t dem Erlaß des PartG nur unzulänglich erfüllt. Als Beispiel seien hier die häufigen „Kann-Bestimmungen" 1 4 1 genannt, die es den Parteien überlassen, ihre innere Ordnung so oder so auszurichten. Ferner fördert die Möglichkeit der Gebietsverbände einer Partei, ihre Angelegenheiten durch eigene Satzungen zu regeln ( § 6 1 2 PartG), die m i t dem Grundsatz egalitärer Partizipation nicht zu vereinbarende Uneinheitlichkeit und somit Ungleichheit i n der inneren Ordnung ein und derselben Partei. Z u akzeptieren ist allenfalls die Experimentierklausel des § 8 I I PartG, wonach die Parteisatzung „weitere der Willensbildung des jeweiligen Gebiets Verbandes dienende Einrichtungen (Organe) vorsehen" kann; hier werden die demokratischen Parteien zur Verbesserung ihrer Binnenstruktur i m Sinne des A r t . 21 I 3 GG aufgerufen. Zur Konkretisierung der innerparteilichen demokratischen Grundsätze sind die Formulierungen einer Homogenität von Staats- und Parteiordnungen 1 4 2 nichtssagend insofern, als damit einer unreflektierten Übertragung demokratischer Institutionen und Verfahren des organisierten staatlichen Bereichs auf die Parteiinterna das Wort geredet wird. Es ist eine unzulässig simplifizierende Auffassung, „daß die Gesamtheit der Parteimitglieder i n der Partei die Rolle des Volkes i m Staat bekleidet" 1 4 3 , auch ein Parteitag ist schwerlich m i t dem Parlament, ein Parteivorstand kaum m i t der Regierung vergleichbar 144 . Die Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Begriffes „demokratische Grundsätze" bestimmt sich vielmehr nach den Funktionen der Parteien i m demokratischen Prozeß der politischen Willensbildung des Volkes nach der Verfassung. A r t . 21 I 3 GG kann als Relationsbegriff nur durch eine funktionale Einordnung i n das Mosaik der übrigen Verfassungsentscheidungen inhaltlich bestimmt werden. Anhaltspunkte für seine Interpretation lassen sich daher eher aus den Verfassungsnormen gewinnen, die den politischen Prozeß konstituieren und gewährleisten, als aus den Bestimmungen über die Staatsorganisation. Undifferenziert argumentiert demnach W. Hennis, der „aus dem Gesamtcharakter der Verfassung", die i m staatlichen Bereich ein repräsentatives parlamentarisches System normiert, quasi i n struktureller Homogenität für A r t . 21 I 3 GG folgert, „daß die innere Ordnung 141 Vgl. z. B. § 8 I 2, 3, 4, I I ; § 9 I I ; § 11 I I 1, I V ; § 12 I, I I ; § 13 S. 3, 4; § 141 2, I I I ; § 15 I I 2 PartG. 142 So z. B. W. Martens, öffentlich, S. 156. 143 So zu Recht E. Stein, Lehrbuch des Staatsrechts, S. 162. 144 G. Rabus t AöR 78 (1952-53), S. 172; U. Müller, Willensbildung, S. 96, die jedoch i m Widerspruch dazu auf S. 22 den Parteitag als „eine A r t Parlam e n t " bezeichnet.

2. Demokratische Grundsätze

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der Parteien den Grundprinzipien einer repräsentativen Demokratie entsprechen muß, die auch sonst dem GG zugrunde liegen" 1 4 5 . Zwar wurde das Konzept der repräsentativen Demokratie vom staatlichen Bereich auf die organisationsinternen Strukturen der Parteien und Verbände übertragen und kann heute als der dort vorherrschende Strukturtyp angesehen werden 1 4 6 , doch ist trotz dieser Realität zu fragen, ob die Funktionen der Parteien nicht eine differenziertere innere Ordnung erfordern, als ein verabsolutiertes und als solches auf die Parteien übertragenes Repräsentationsprinzip. Die Parteien haben über den Wahlakt hinaus die Staatsgewalt permanent zu legitimieren, indem sie bürgerschaftliche Partizipation ermöglichen. Sie müssen die kontinuierliche Artikulation des politischen Wollens der Parteibürger fördern und die Ergebnisse innerparteilicher Willensbildung den entscheidungskompetenten Staatsorganen vermitteln; i m Sinne einer, die formelle Legitimation durch Wahlen ergänzenden, materiellen Legitimation durch den demokratischen Souverän i n Gestalt der parteilich organisierten Aktivbürgerschaft. Das i n der Demokratiekonzeption des GG enthaltene plebiszitäre Element ist zum Teil den Parteien delegiert worden 1 4 7 . Dieses Verständnis beruht auf einer ganzheitlichen Interpretation des Demokratieprinzips nach A r t . 20 I GG i n Verbindung m i t den demokratierelevanten Grundrechten sowie den normativen Leitlinien des demokratischen Prozesses der politischen Willensbüdung des Volkes (Art. 20 II, 21 I 1, 38 I I GG). I n soweit werden durch weitere Verfassungsnormen die „demokratischen Grundsätze" nach A r t . 21 I 3 GG konturiert 1 4 8 . Zur Ergänzung des i m organisierten staatlichen Bereich konstituierten repräsentativen Ordnungsgefüges w i r d über Subsysteme wie die Parteien für eine ständige lebendige Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen gesorgt ( § 1 1 PartG). Innerhalb der Parteien w i r d zum großen Teil die i m Demokratiepostulat des GG enthaltene Komponente bürgerschaftlicher Partizipation realisiert. Das „fordert eine Struktur der Parteien, die demokratisch gestaltet ist und darum dem Wähler ständig solche Möglichkeit aktiver M i t w i r k u n g innerhalb der Parteien eröffnet" 1 4 0 . Es genügt also kein dem staatlichen Bereich entsprechendes innerparteiliches Repräsentativsystem; denn es ist gerade Aufgabe der Parteien, die den staatlichen Strukturen anhaftenden Verselbständigungs146 Amtsgedanke u n d Demokratiebegriff, S. 69. 146 j? Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 24. 147 F. Bröder, Blätter f ü r dt. u n d internat. Politik, 1970, S. 1166. 148 So auch der Ansatz bei U. Müller, Willensbildung, S. 96 ff.: „ . . . es ist deshalb zu untersuchen, ob sich aus anderen Bestimmungen des GG Anhaltspunkte f ü r eine Interpretation des A r t . 211 3 G G herleiten lassen." 149 Bericht der Parteienrechtskommission, S. 156.

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tendenzen aufzuhalten und durch die permanente Beteiligung der Bürger an der politischen Macht auszugleichen. Die Ergänzungsfunktion der Subsysteme bedingt eine andere, die repräsentative Ausrichtung des organisierten staatlichen Bereichs plebiszitär auffüllende, ihre Schwächen korrigierende innere Ordnung der Parteien. Aus diesen Gründen ist jede rein repräsentative Organisationsform für die Parteien ausgeschlossen160, da durch sie effektive Partizipation nicht vermittelt werden kann. Ebensowenig wie die innere Ordnung der Parteien ausschließlich repräsentativ ausgerichtet sein darf, ist es heute i n den großen Volksparteien mehr möglich, ganz auf repräsentative Strukturen zu verzichten 1 5 1 . Über die politischen Parteien verbinden sich repräsentative und Plebiszitäre Gestaltungsformen 152 . Die Mitglieder- und Delegiertenversammlungen können nicht i n Permanenz tagen, den gewählten Parteiorganen bleibt daher ein eigenständiger Aktionsbereich, der nur m i t dem repräsentativen Modell erklärt werden kann. Der plebiszitären bzw. partizipatorischen Komponente kommt wegen der verfassungsrechtlich gebotenen Ergänzungs- und Korrekturfunktion der innerparteilichen Demokratie i m Verhältnis zu den repräsentativen Elementen der Staatsorganisation größere Bedeutung zu. Sie ist das primäre Ordnungsprinzip der inneren Parteienordnung. Das hat zur Folge, daß die Versammlungen der Parteibürger oder ihrer Vertreter jeden Gegenstand der Parteipolitik an sich ziehen und entscheiden können, selbst wenn dadurch beispielsweise Vorstandsbeschlüsse korrigiert werden 1 5 3 . 150

ü . Müller, Willensbildung, S. 97. Z u undifferenziert W. Hennis, Amtsgedanke u n d Demokratiebegriff, S. 67 f.: „Eine wirklichkeitsangemessene Analyse jeder freiheitlichen Partei der Welt von einiger Größe u n d Differenziertheit k a n n n u r zu dem Ergebnis kommen, daß es f ü r freiheitliche Parteien genau wie f ü r freiheitliche Staaten keine andere als die repräsentative S t r u k t u r geben kann." Erstens ist die Gleichsetzung v o n freiheitlichen Parteien u n d freiheitlichen Staaten so nicht möglich, w e i l freiheitliche Parteien eben spezifische eigene Funktionen i n einem freiheitlichen Staat wahrzunehmen haben, u n d zweitens w i r d eine von oligarchischen Führungseliten geprägte Parteiordnung schwerlich plebiszitären Strömungen Raum gewähren, sondern i m Gegenteil zur Machterhalt u n g das repräsentative Prinzip zementieren. 152 P. Häberle, AöR 98 (1973), S. 129 f. 163 A . A . ist G. Leibholz, Strukturwandel, S. 124, der die A u t o r i t ä t der Parteiführung zu verantwortlichen Entscheidungen betont u n d glaubt, daß es „einem wohlverstandenen Begriff der Demokratie widerspreche", w e n n „die i n den Parteien organisierten A k t i v b ü r g e r etwa alle maßgeblichen Beschlüsse i n der Partei selbst zu fassen haben sollen." Es k o m m t jedoch i n einer repräsentative staatliche Formen ergänzenden partizipatorischen i n nerparteilichen Ordnung weniger auf das „Sollen", als auf das „ K ö n n e n " an. Soweit die Parteibürger w o l l e n u n d dies technisch möglich ist, haben sie das Recht unmittelbar plebiszitär die Parteipolitik zu bestimmen. Faktische Grenzen ergeben sich allerdings aus dem Permanenzproblem sowie dem erforderlichen zeitlichen u n d technischen A u f w a n d der organisierten demokratischen Willensbildung innerhalb der Parteien. 151

2. Demokratische Grundsätze

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Nur durch die Universalzuständigkeit der Parteimitgliederfversammlungen) auf den jeweiligen Organisationsebenen können die Parteien effektive Partizipation vermitteln. Dort wo die Parteibürger und ihre Vertreter i n höheren Gliederungsstufen aus faktischen Gründen nicht i n der Lage sind, zu den anstehenden politischen Fragen Stellung zu nehmen u n d eigene Initiativen zu formulieren, beginnt der Bereich legitimer Repräsentation der gewählten Parteiorgane. Es handelt sich hierbei jedoch u m keine originäre Kompetenz der Führungsgremien, die von dem Partizipationsbereich der Parteimitglieder abzugrenzen wäre. Ausgangspunkt ist die Universalkompetenz der Parteibürger bei der innerparteilichen Willensbildung. Erst wenn sie nicht entscheiden wollen oder — z. B. aus zeitlichen Gründen — nicht entscheiden können, d. h. von ihrem Recht keinen Gebrauch machen, beginnt der Entscheidungsspielraum der legitimierten Parteiorgane. Demnach kann das Partizipationspostulat angesichts der Größe moderner Volksparteien und der von ihnen erwarteten Leistungen i m Entscheidungsbereich nicht allein die Ausgestaltung innerparteilicher Demokratie bestimmen. Als praktisch unerläßliche Ergänzung treten repräsentative Elemente hinzu. Wie bei der Erörterung des Demokratieprinzips nach A r t . 20 I GG herausgestellt wurde, kann eine realistische Demokratietheorie nicht einen einzigen Zielwert maximieren, sondern muß a l l jene Zielvorstellungen, die i n der Verfassung als relevant angelegt sind, i n einem komplexen Modell verbinden 1 5 4 . Das gilt auch für die Theorie der innerparteilichen Demokratie und bedeutet hier die Ergänzung der Mitgliederpartizipation über plebiszitäre Strukturen mittels Repräsentation durch gewählte Organe. I n der politischen Wirklichkeit legen die Parteiführungszirkel zur Festigung ihrer Macht regelmäßig mehr Wert auf das repräsentative Prinzip, als auf Mitgliederpartizipation 1 5 5 . Die Folge war und ist Verselbständigung der politischen Elite, verbunden m i t Machtzuwachs bei der Führungsspitze i n dem Maße, wie die Basis i n — oft gelenkter und 154 F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 92, rekurriert auf die i n der „westlichen Demokratietradition" anerkannten Z i e l vorstellungen. 155 Symptomatisch hierfür ist beispielsweise die Reaktion des CDU B u n desvorstandes u n d Parteipräsidiums auf die 1971 i n verschiedenen K r e i s verbänden der Partei durchgeführten Basis-Umfragen über die Person(en) des/der zu nominierenden Parteivorsitzenden u n d Kanzlerkandidaten. Eine Anzahl von Präsidiumsmitgliedern nahm die Urabstimmungen „ m i t Belustigung" zur Kenntnis (H. J. Noack, FR v o m 14. 5.1971, S. 3) u n d der Vorstandssprecher W. Weiskirch teilte m i t abwertender Ironie mit, innerhalb des Parteivorstandes beobachte m a n diese Führungsdebatte an der Basis „ m i t H u m o r " (vgl. V. Hoffmann , FR v o m 7. 5.1971, S. 1). Er sprach i n diesem Z u sammenhang der Parteibasis den „Sachverstand" zu solchen Entscheidungen ab (vgl. dazu auch Der Spiegel, Nr. 15/1971, S. 18).

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geförderter 1 5 6 — politischer Apathie ihre Partizipationsrechte ruhen ließ. Der Zusammenhang von Organisationsgröße und Oligarchiebildung, auf den R. Michels bereits i n seiner zu den Klassikern der Parteiensoziologie zählenden Untersuchung hingewiesen hat 1 5 7 , macht eine weitere Abhängigkeit deutlich: die von expandierenden repräsentativen Strukturen und inner organisatorischer Oligarchisierung. Sobald apathische Parteimitglieder der Führung die Macht überlassen, verfestigt sie sich i n den Händen ihrer, kaum mehr austauschbaren, I n haber, und sie verselbständigen sich gegenüber der Parteibasis. Diese Gefahr des Umschlagens der von der Verfassung bestimmten überwiegend direkten innerparteilichen Demokratiekonzeption i n eine m i t gliedschaftliche Partizipation ausschließende elitäre Form, ist durch weitere Vorkehrungen i m Sinne der komplexen Theorie innerorganisatorischer Demokratie zu begegnen. Z u denken wäre beispielsweise an einen institutionalisierten innerparteilichen Pluralismus 1 5 8 ; weiter können über die demokratische Funktion von Öffentlichkeit und öffentlicher Meinung partizipative und repräsentative Komponenten i m innerparteilichen Bereich i n Balance gehalten werden. Wurde auch bei der Erörterung der politischen Willensbildung des Volkes i n der demokratischen res publica das Schema einer Willensbildung nur „von unten nach oben" als unrealistisch verworfen, so kann es doch i n gewissem Umfang zur Kennzeichnung des innerparteilichen Willensbildungsprozesses herangezogen werden. Die Unterschiede liegen i n folgendem: Ein repräsentatives politisches System benötigt nur eine lineare Legitimationskette von der Basis zur politischen Führung; i m Rahmen ihrer Legitimation ist diese dann zu eigenen Initiativen und Entscheidungen kompetent, die nicht immer von der legitimierenden Basis diskutiert oder bewertet werden können und müssen. Die Willensbildung verläuft dann im Gegensatz zur Legitimation nicht grundsätzlich von unten nach oben. Anders verhält es sich dagegen i n einer überwiegend plebiszitären politischen Ordnung. Hier verlaufen sowohl Willensbildung als auch Legitimationskette insofern 156 Die Apathie der Mitglieder ist i n einem beträchtlichen Maße auch eine F u n k t i o n des Verhaltens der Führungsgruppe, vgl. F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 14. 157 Soziologie des Parteiwesens, Neudruck der 2. A u f l . von 1925, 1970, S. 343 ff. 158 M i t dessen H i l f e könnten partizipierende Gruppen die politischen E n t scheidungen auf die Ebene ihrer Kontroversen ziehen u n d sich so insgesamt gegenüber der F ü h r u n g eher durchsetzen, als einzelne Mitglieder. D a m i t würde politische Macht von der zentralen F ü h r u n g auf die Gruppen verlagert, was zumindest eine Verbreiterung der Führungsschicht, sowie Verteil u n g der parteilichen Macht u n d damit zugleich A b b a u v o n Statusunterschieden bedeutet. — s. dazu näher unten unter Sonderorganisationen (2. Teil, I I . 2.).

2. Demokratische Grundsätze

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von der Basis bis zu den Zentralorganen, als die Entscheidungen der unteren Gliederungsstufen relevante Eingaben für die Willensbildung i n den nachgeordneten Entscheidimgsgremien bis h i n zur Spitze sind. Der Entscheidungsprozeß besteht aus von unten nach oben aufeinander aufbauenden Willensäußerungen, die auf den verschiedenen Stufen behandelt und weitergegeben, abgeändert oder verworfen werden. I n diesem Sinne vollzieht sich die innerparteiliche Willensbildung tatsächlich auch von unten nach oben 1 5 9 — soweit eben nicht die Führungsgremien repräsentativ entscheiden. Wegen der i n den Parteiverfassungen enthaltenen repräsentativen Elemente kann aber auch die innerparteiliche politische Willensbildung u. U. allein i n den repräsentativen Parteiorganen erfolgen. Daher ist es nicht richtig, allein das Prinzip der Willensbildung von unten nach oben als das maßgebliche K r i t e r i u m i n den Parteien anzusehen 160 , es ist jedoch der ausweitungsbedürftige und -fähige Grundsatz. Als i m Gegensatz zu formalisierten Willensbildungsverfahren weniger aufwendig und daher auch öfter und rascher artikulierbar, steht die Funktion der innerparteilichen öffentlichen Meinung 161: vermittelnd zwischen den Formen der verbindlichen Partizipation durch parteiinterne Willensbildung der Mitglieder und der Repräsentation durch die Parteiführung. Ähnlich der plebiszitären Funktion der öffentlichen Meinung i m Gemeinwesen insgesamt ergänzt sie i m innerparteilichen Bereich die unmittelbare Partizipation der Parteibürger. Die Vorformulierung ihres politischen Wollens erfolgt: durch Engagement oder Desinteresse i n bestimmten Angelegenheiten, durch die erkennbare Tendenz innerparteilicher Diskussionen, durch Resolutionen, durch ähn159 Es ist jedoch unrealistisch, den Vorgang der innerparteilichen Willensbildung ohne Einschränkung als einen linearen A b l a u f „ v o n unten nach oben" innerhalb der Partei zu bezeichnen, w i e dies z. B. i m Bericht der Parteienrechtskommissionen, S. 157, der F a l l ist. — Das B V e r f G begnügt sich damit festzustellen, „daß der A u f b a u der Partei von unten nach oben erfolgen m u ß " u n d überläßt die nähere Ausgestaltung dem Parteiengesetzgeber (E 2, 1 [40]); den „ A u f b a u " u n d nicht die Willensbildung der Partei i n dieser Richtung betont auch G. Rabus, AöR 78 (1952-53), S. 165. — G. Leibholz , Strukturwandel, S. 124, spricht zwar davon, daß sich die Willensbildung innerhalb der Parteien „ v o n unten nach oben" vollziehen soll, doch meint er damit offensichtlich n u r ein lineares Ansteigen der Legitimationskette, da „die jeweiligen Parteioberen m i t H i l f e des Mehrheitsprinzips i n ihrer A u t o rität von unten her vertrauensmäßig legitimiert werden" sollen. 160 So auch K . Sontheimer , Demokratischer Prozeß, S. 83. 161 I n ihren A u s w i r k u n g e n auf die innerparteiliche öffentliche Meinung darf auch die Parteipresse nicht unterschätzt werden. Sie hat die für p o l i tische Willensbildung notwendigen Informationen den Parteimitgliedern zu vermitteln, w i r k t aber i n A u s w a h l u n d Aufmachung ihrer Informationen u n d besonders ihrer Kommentare u n d Berichte auch gezielt auf die Parteimeinungsbildung ein. U m eine freie B i l d u n g der innerparteilichen öffentlichen Meinung zu gewährleisten, müssen alle i n t e r n konkurrierenden G r u p pen i n der Parteipresse angemessen zu W o r t kommen.

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liehe Beschlüsse verschiedener Untergliederungen oder durch sich bereits abzeichnende Ergebnisse i n noch nicht abgeschlossenen innerparteilichen Willensbildungsverfahren. Alle jene Formen sind zwar keine verbindliche, i m formalisierten Verfahren demokratischer Parteiwillensbildung durch Partizipation zustande gekommene Entscheidungen, doch beeinflussen sie die repräsentative Amtsführung der Parteiorgane. Die durch politisches Leben i n den Parteien sich bildenden Inhalte der innerparteilichen öffentlichen Meinung sind eine Stufe der parteienrechtlich noch unverbindlichen Partizipation, die geeignet ist, die Entscheidungen der Parteiführungen i m Einklang m i t dem politischen Wollen der Basis zu halten. Wo wegen der relativen Schwerfälligkeit innerparteilicher Verfahren effektiver Partizipation auf aktuelle Probleme nicht sofort reagiert werden kann, verbindet die sich abzeichnende innerparteiliche öffentliche Meinung die unter Entscheidungszwang stehenden repräsentativ handelnden Parteiorgane rasch m i t der Basis. I n der juristischen L i t e r a t u r 1 6 2 sowie i n Aussagen des B V e r f G 1 6 3 finden sich zum Begriff „demokratische Grundsätze" i n A r t . 21 I 3 GG oft ganze Kataloge solcher Grundsätze, die für die innere Ordnung der Parteien maßgeblich sein sollen. Es erscheint jedoch wenig sinnvoll, Konkretisierungen des demokratischen Prinzips ohne besondere Berücksichtigungen der Aufgaben der Parteien nach der Verfassung einfach aufzuzählen. Die als demokratisch anerkannten Institutionen und Verfahren sind modifiziert i n den besonderen Funktionszusammenhang von Parteien und politischem Gemeinwesen einzuordnen. Ihrer Anwendung hat die abstrakte Kennzeichnung ihrer Funktion i m Rahmen der Parteiordnung vorauszugehen; sie sind entsprechend diesen Anforderungen zu konkretisieren. Die Hauptaufgabe der Parteien ist die ständige, effektive Ermöglichung, Förderung und Vermittlung aktivbürgerlicher Partizipation an der politischen Willensbildung i n der res publica. Daraus folgt, daß ihre innere Ordnung so gestaltet sein muß, daß „ein Maximum an Einfluß und ständiger effektiver Entscheidung" der Mitglieder gewährleistet ist 1 6 4 . Darüber hinaus geht es auch um die quantitative Ausweitung des Parteienstaates i n dem Sinne, daß die aktive M i t w i r k u n g eines größeren Teils der Aktivbürger auch am politischen Leben der Parteien erfolgt 1 6 5 . Zur Realisierung dieser Ziele sind die verschiede162

Vgl. z. B. H. v. Mangoldt / F. Klein, Das Bonner GG, Bd. I, A r t . 21 A n m . V 2; K.-H. Seifert, D Ö V 1956, S. 6. 163 E 2, 1 (40). 184 So bereits E. Forsthoff, Parteien, S. 16 f.; ebenso W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 50. 165 K . Sontheimer, Demokratischer Prozeß, S. 80.

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nen demokratischen Formen einander zuzuordnen und entsprechend den Anforderungen der Umwelt zu einem komplexen innerparteilichen Ordnungsgefüge zu vereinen. So verstanden bedeutet der Begriff „demokratische Grundsätze" in Art 21 I 3 GG keine Reduzierung des demokratischen Prinzips auf gewisse Essentialia, sondern er erfordert ein eigenes Konzept der innerorganisatorischen Demokratie, das sich von den verfassungsmäßigen Aufgaben der Parteien her umreißen läßt. I n der Effektivierung der innerparteilichen Demokratie liegt ein Stück Erziehung zur Demokratie. 3. Statuslehren und parteiinterner Bereich I n seinem Staatsrechtslehrerreferat hat K . Hesse i n strukturierender „Verdichtung" u. a. der Untersuchung U. Scheuners iM eine Statustheorie politischer Parteien nach dem GG entwickelt, indem er i n Analyse ihrer verfassungsmäßigen Funktionen die zu deren optimaler Wahrnehmung erforderlichen Voraussetzungen bestimmte und sie i n einen Status der Freiheit, einen Status der Gleichheit und einen Status der Öffentlichkeit aufteilte 1 6 7 . Jene Theorie geht primär von den Parteien als Organisation aus, u m ihr Verhältnis zum Bereich der organisierten Staatlichkeit sowie untereinander zu bestimmen. Dabei kommt — entsprechend dem Thema 1 6 8 — die Stellung des einzelnen Parteimitglieds zu kurz. K . Hesse macht hierzu nur skizzenhafte Andeutungen: er differenziert den Status der Freiheit i n je eine Komponente nach außen und nach innen 1 6 9 und geht bei der Konkretisierung der letzteren davon aus, daß zum Schutz dieser inneren Parteifreiheit der Gesetzgeber nach der Verfassung zur „Abwehr von Entwicklungstendenzen" verpflichtet sei, „die einen freien politischen Willensbildungsprozeß unmöglich machen", und daß die Parteien i m Verhältnis zu ihren Mitgliedern an die politischen Freiheitsrechte des Grundrechtskatalogs nur soweit es mit „dem Wesen einer Partei" vereinbar ist, gebunden seien 170 . Gegen die Anwendung des Gleichheitssatzes auch als Status der Gleichheit aller Parteimitglieder hat Hesse keine Bedenken 1 7 1 . Aus dem Status der 166 I n : D Ö V 1958, S. 641 ff., vgl. zum „öffentlichen" S. 642 f., zur „freiheitlichen inneren S t r u k t u r des Parteiaufbaus", S. 645. 167 I n : W D S t R L 17 (1959), S. 27 ff. — Diese Einteilung wurde i n der Staatsrechtslehre übernommen, vgl. etwa P. Häberle, JuS 1967, S. 71 ff.; zum Status der äußeren u n d inneren Parteifreiheit: E. Stein, Lehrbuch des Staatsrechts, S. 158ff.; zur Gleichheit der Parteien: W. Henke, Das Recht der p o l i tischen Parteien, S. 241 ff.; zum Status der Öffentlichkeit: A. Rinken, Das öffentliche als verfassungstheoretisches Problem, S. 211 ff. 168 Beratungsgegenstand w a r : Die verfassungsrechtliche Stellung der p o l i tischen Parteien i m modernen Staat. 169 Ebd., S. 28 ff.; ders., Grundzüge, S. 71 f. 170 K . Hesse, W D S t R L 17 (1959), S. 27 ff. 171 Ebd., S. 33.

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Öffentlichkeit leitet er schließlich für die Parteiinterna ab, daß das Recht des eingetragenen Vereins nur bedingt anwendbar ist und Parteistatuten nicht private Vereinssatzungen seien 172 . Anknüpfend an diese Überlegungen ist die nähere Prüfung einèr weiteren Übertragbarkeit jener Status auf den innerparteilichen Bereich naheliegend. D. h.: ist das was die Stellung der Parteien i m demokratischen Gemeinwesen ausmacht auch von Bedeutung für ihre demokratische innere Ordnung, ist m i t diesen Status auch die Rechtsstellung der einzelnen Mitglieder der demokratisch organisierten Partei faßbar? Die Parteifunktionen sind aus der Perspektive des partizipationswilligen Parteibürgers aufzuarbeiten. Die Status der Parteien beziehen sich nur i n wenigen Anwendungsfällen ausschließlich auf diese als Organisationseinheiten 178 , u m insoweit den verfassungsmäßigen Anforderungen einer auch auf Parteienkonkurrenz gegründeten parlamentarischen parteienstaatlichen Demokratie zu entsprechen. Sie reichen grundsätzlich weiter, durch die Parteien als organisatorische Hülse zur Realisierung individueller politischer Teilhabe 174 hindurch und bezeichnen die Rechtsstellung der Parteimitglieder. Der politische Wille einer Partei ist auf menschliche A k t i v i t ä t gegründetes Wollen; die Gründungs- und Bestandsfreiheit der Parteien (Parteienprivileg) beispielsweise, ist letztlich die Freiheit der Aktivbürger, sich i n der Organisationsform einer politischen Partei zu vereinigen und als Parteibürger zu agieren. So wie sich die Parteien untereinander auf ihrer Ebene auf Freiheitlichkeit, Gleichheit und Öffentlichkeit stützen, die den offenen politischen Willensbildungsprozeß gewährleisten sollen, müßte dies eine Stufe tiefer auch für die durch ihre Mitglieder betriebenen politischen Prozesse der innerparteilichen Meinungs- und Willensbildung gelten. Der „Durchgriff" durch die Partei als Organisation auf den Status der Parteibürger ist bislang nur vereinzelt erfolgt 1 7 5 . K . Hesses Unterscheidung der Parteifreiheit i n eine innere und eine äußere Komponente, die einmal den Mitgliedern und zum andern den Parteien als Organisation zusteht, war ein erster Schritt auf diesem Weg. Ähnlich ist auch der Argumentationszusammenhang des BVerfG, wenn es feststellt, das Parteienprivileg des A r t . 21 I I GG erstrecke sich auch auf die 172

K . Hesse, W D S t R L 17 (1959), S. 40 f. Beispiele: Bestandsfreiheit, Gleichbehandlung bei staatlichen Leistungen, öffentliche Rechenschaftslegung. 174 Vgl. H. Trautmann, D Ö V 1972, S. 691. 175 Ansätze bei C. Niethammer-Vonberg, Parteipolitische Betätigung der Richter, S. 62, 86, die A r t . 21 G G sowohl als korporatives Recht der Parteien als auch als Grundrecht des Staatsbürgers versteht; s. auch K . - H . Seifert, D Ö V 1956, S. 5. 178

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„partei-offizielle Tätigkeit der Funktionäre und Anhänger einer Part e i " 1 7 6 . Doch ist diese Erkenntnis mehr ein Nebenprodukt der Parteiverbotsproblematik und daher nur ein Aspekt der erforderlichen Gesamtsicht der Status der Parteien und ihrer Mitglieder i n ihrer gegenseitigen Bedingung und Ergänzung. Es fehlt eine umfassende Statusbestimmung des Parteibürgers. Die Aufgabe der Parteien, der Aktivbürgerschaft Partizipation an der Staatsgewalt zu vermitteln, macht es erforderlich, sowohl den Status der Parteien als auch den ihrer Mitglieder unter diesem Gesichtspunkt funktional zu konkretisieren. So können beispielsweise die Führungsgremien Teilhabebegehren der Mitglieder nicht unter Berufung auf die Parteienfreiheit abwehren. Die die Parteiorgane nach außen i n ihrer Handlungsfähigkeit schützende Parteienfreiheit dient dazu, die in interner öffentlicher Freiheit der Parteimitglieder gefaßten Beschlüsse durchzusetzen und die Ergebnisse der Mitgliederpartizipation weiter nachhaltig zu vertreten. Im internen Bereich kann Parteienfreiheit nur als Freiheit der Parteimitglieder zu ungehinderter effektiver Partizipation verstanden werden. Die i m Demokratieprinzip des GG enthaltene Komponente freier politischer Partizipation der Aktivbürger verläuft i m Parteienstaat vornehmlich i n und über Parteien. Die Teilhabe an der innerparteilichen Willensbildung ist Ausdruck der Freiheit, über die Organisationsform der Parteien die Politik der Staatsorgane anzuregen, zu influenzieren, zu kontrollieren und zu kritisieren. Diese der permanenten materiellen Legitimation der Staatsorgane dienende A u f gabe und Chance der Parteibürger bedingt ihren besonderen freiheitlichen Status. Der Status der Parteimitglieder ist grundrechtlich gewährleistet und abgesichert, als eine über die allgemeine politische Betätigung hinausgehende intensive Chance der politischen Mitbestimmung i n der demokratischen res publica. Die demokratierelevanten Grundrechte erhalten durch ihre Ausübung in der Organisationsform der Parteien eine qualifizierte Stoßrichtung 1 7 7 . I h r Teilhabegehalt w i r d durch die Möglichkeiten nach A r t . 21 GG verstärkt, die Parteien verleihen den A k tivrechten ihrer Mitglieder organisiert Ausdruck 1 7 8 . Grundrechte und Parteien bewirken i n diesem Zusammenspiel die demokratischen Legitimationsvoraussetzungen der Herrschaftsord176 E 12, 296 (305); 13, 46 (52); 13, 123 (126); vgl. dazu auch W. Schmitt Glaeser, Mißbrauch u n d V e r w i r k u n g von Grundrechten, S. 322 ff.; W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 253. 177 H. Lenz/C. Sasse, J Z 1962, S. 240: „ A r t . 21 I S. 3 GG hat die zum Bestand der freiheitlichen demokratischen Ordnung gehörigen individuellen Freiheitspositionen u n d aktiven Mitwirkungsrechte i n die Willensbildungss t r u k t u r der Partei unmittelbar transformiert." 178 C. Gastroph, Die politischen Vereinigungen, S. 75.

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nung 1 7 9 . Der Parteienartikel gehört zum Bereich des grundrechtsfördernden Organisationsrechts, das „neue Formen und Sicherungen der Teilhabe über das scheinbar rein formale Element der Organisation" i m pliziert 1 8 0 . Mit dem Anschluß an eine Parteiorganisation wird die grundrechtliche Freiheit des Aktivbürgers zur öffentlichen Freiheit 181 des Parteibürgers. Die individuelle Grundrechtsausübung erlangt i m Rahmen der Organisationsform des A r t . 21 GG einen spezifisch öffentlichen Charakter, die „grundrechtlichen Positionen aktiver Teilhabe an der innerparteilichen Meinungsformung sind entprivatisiert" 1 8 2 . Die den demokratischen Verfassungsstaat kennzeichnende Symbiose von Freiheit und Öffentlichkeit 1 8 3 eröffnet den Parteimitgliedern die Chance zu effektivem Wirken i m verfaßten Prozeß der politischen Willensbildung des Volkes. Eine verfassungsrechtliche Statusbestimmung der Parteibürger hat von den demokratierelevanten Grundrechten auszugehen und ihre qualitative Verstärkung durch den kollektiven Gebrauch in der verfassungsrechtlich privilegierten (Art. 21 GG) Organisationsform der politischen Parteien m i t i n Ansatz zu bringen. Innerparteiliche Mitwirkungsrechte kennzeichnen die öffentliche Freiheit des Parteibürgers 1 8 4 . Der positive Zusammenhang von Grundrechten und Parteienrecht ist nur zum Teil erkannt 1 8 5 . Zumeist werden die Grundrechte i n ihrer Reichweite verkürzt und nur auf die Parteien als Organisation bezogen. So bezeichnet z. B. W. Henke das Recht der freien Meinungsäußerung als „eines der wesentlichen Rechte der Parteien", als „ i h r Lebenselement" 186 , und er sieht „durch eine ungleichmäßige Behandlung 170

Vgl. J. Dittberner, Entwicklungstendenzen, S. 473, 488, 491. P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 51 f.; vgl. auch ders., „Leistungsrecht" i m sozialen Rechtsstaat, S. 465 f. 181 Vgl. zum Begriff: R Häberle, JZ 1966, S. 388 A n m . 49; ders., JuS 1967, S. 73; ders., öffentliches Interesse als juristisches Problem, S. 363; ders., Öffentlichkeit, S. 8, 29; zur öffentlichen Freiheit der Kirchen vgl. A. Hollerbach, W D S t R L 26 (1968), S. 61; zum Begriff der öffentlichen Freiheit bei Hegel u n d zur öffentlichen Freiheit der Wohlfahrtsverbände vgl. A. Rinken, Das öffentliche als verfassungstheoretisches Problem, S. 137, 179 ff., 298 f. 182 H. Lenz / C. Sasse, JZ 1962, S. 237. iss öffentlichkeit bedeutet auch Information; sie beinhaltet z.B. die Pflicht zur Protokollierung (vgl. z.B. § 16 I I SPD Statut, § 19 GeschO der CDU, § 1 1 GeschO zur F.D.P. Bundessatzung) u n d Veröffentlichung der innerparteilichen Willensbildung, u m diese den nicht unmittelbar teilhabenden M i t gliedern transparent zu machen. 180

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P. Häberle, Öffentlichkeit, S. 29 A n m . 202. Ansätze bei H. Lenz ! C. Sasse, J Z 1962, S. 237, 239 ff.; P. Häberle, JuS 1967, S. 69 f.; A. Hamann ! H. Lenz, Das GG f ü r die BRD, A r t . 21 A n m . 6; E. Lengers, Rechtsprobleme bei Parteiausschlüssen, S. 51 ff.; R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 136 ff. 186 I n : Das Recht der politischen Parteien, S. 239. 185

3. Statuslehren u n d parteiinterner Bereich

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der Parteien" die politische Freiheit überhaupt beeinträchtigt 1 8 7 . Wie nahe liegt hier der nächste Schritt, der die Grundrechte auf die Parteibürger projiziert. Ihre Meinungsfreiheit 1 8 8 „belebt" die Parteien, und ihre gleichmäßige Behandlung garantiert einen, die politische Freiheit aller Parteibürger optimierenden, auf Egalität begründeten freien politischen Willensbildungsprozeß. Sicher ist die Frage der Grundrechtsgeltung für Parteien als Organisationen i m Rahmen des A r t . 19 I I I GG nicht bedeutungslos, doch liegen nicht i n diesem Bereich die Hauptprobleme der partizipatorischen Demokratie. Man muß vom Kollektiv zum Individuum vorstoßen, denn schließlich sind es die Parteibürger, die i n ihrer Gesamtheit auch die Rechte der Organisation wahrnehmen. Die Betonung der Grundrechte aller Mitglieder soll verhindern, daß die Parteienmacht allein die Macht der Führungsspitze ist und effektive Teilhabe aller Parteibürger garantieren. I n vordergründiger Konsequenz dieser Funktion w i r d jedoch das Problem der Grundrechte i m parteiinternen Bereich einseitig formuliert, als „Schutz des einzelnen Mitgliedes gegenüber der Verbandsmacht der Partei" 1 8 9 . Diese Problemstellung führt dann zur Frage der D r i t t w i r k u n g der Grundrechte i n den Parteien 1 9 0 . Eine solche Sicht stützt sich allein auf den traditionellen Abwehrcharakter der Grundrechte, ohne den Ausgangspunkt der partizipatorischen Demokratie, den status activus processualis als Grundstatus 191 entsprechend einzubeziehen. Unmittelbar aus Art. 21 I 3 GG folgt die Aufwertung der auf politische Teilhabe gerichteten grundrechtlichen Individualpositionen der Aktivbürgerschaft 192. Die politischen Freiheiten werden i m Prozeß der politischen und hier besonders der innerparteilichen Willensbil187

Ebd., S. 242. Näher zur Meinungsfreiheit der Parteibürger: G. Dux, DVB1. 1966, S. 553; R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 138 ff. — s. auch unten unter 2. T e i l I I . 3. 189 W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien nach dem GG u n d ihre Ausführung durch das Parteiengesetz, S. 97 f.; ders. t DVB1.1962, S. 166. 190 s. dazu ff. Ehmke, „Staat" u n d „Gesellschaft" als verfassungstheoretisches Problem, S. 47 f.; W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien nach dem GG u n d ihre Ausführung durch das PartG, S. 100ff.; ders., DVB1. 1962, S. 167; Bericht der Parteienrechtskommission, S. 122, 160; W. Leisner, G r u n d rechte u n d Privatrecht, S. 378 ff.; E. Lengers, Rechtsprobleme bei Parteiausschlüssen, S. 51 ff., nach dem „ A r t . 21 I 3 GG die parteiinterne D r i t t w i r k u n g der Grundrechte v e r m i t t e l t " (S. 99). 191 P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 801, 166; hinsichtlich der innerparteilichen Demokratie bejaht dies auch E.-W. Böckenförde, W D S t R L 30 (1972), S. 165. 192 F. Karsch, Demokratie u n d Gewaltenteilung, S. 111, sieht i m A r t . 21 GG „das demokratische Teilhaberecht jedes Bürgers". — Nach R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 136, hat A r t . 21 I 3 GG die aktiven Mitwirkungsrechte u n m i t telbar i n die Willensbildungsstruktur der Parteien übertragen. 188

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dung qualitativ verstärkt und „weitgehend aktuell v e r w i r k l i c h t " 1 9 3 . Der Leistungsgesetzgeber hat i n seiner Funktion der normativen Teilhabegewährung entsprechend dem Gesetzgebungsauftrag nach A r t . 21 I I I GG die Rechtsstellung der Parteibürger derart auszugestalten, daß die Grundrechte positiv zum Tragen kommen 1 9 4 . Das PartG ist ein grundrechtsrelevantes Organisations- und Verfahrensgesetz i m Sinne der leistungsrechtlichen Typologie P. Häberles 195. Das Problem innerparteilicher Herrschaft und i n seiner Folge der status negativus sind zweitrangig, da es den Parteibürgern i n Wahrnehmung ihrer A k t i v rechte möglich ist, repräsentative Herrschaft kraft eigener Kompetenz i n Selbstbestimmung zu verwandeln 1 9 6 . Die Abwehrseite der Grundrechte w i r d durch konsequente Wahrnehmung ihres status activus in ihrer Bedeutung reduziert, bleibt aber bestehen. Der Macht der Parteieliten ist nicht mit der grundrechtlichen Abwehrseite Einhalt zu gebieten, sondern primär durch innerparteiliche Wahrnehmung der grundrechtlich-politischen Aktivrechte. Es wäre unschlüssig, beklagten die Parteibürger einerseits die Oligarchisierung der Führungsgremien und versuchten sie abzubauen, ohne gleichzeitig auf der anderen Seite zur engagierten Partizipation bereit zu sein. Kein Gericht kann die auf politische Teilhabe gerichteten Grundrechtspositionen der Parteimitglieder realisieren, dies können allein sie selbst i n aktiver Partizipation. Voraussetzung hierfür ist, daß ihre Rechtspositionen hinreichend klar und detailliert konkretisiert wurden, denn „es ist grundverkehrt, die politische Willensbildung durch Freihalten von rechtlichen Bindungen sichern zu w o l l e n " 1 9 7 . Die Parteibürger müssen ihre Rechte kennen und sich darauf berufen können. I n dieser Hinsicht hat der Leistungsgesetzgeber ständig die vorhandenen Strukturen auf ihren aktuellen Partizipationsgehalt zu überprüfen und sie u . U . m i t dem Ziel optimaler Grundrechtsrealisierung zu ergänzen oder abzuändern. Insgesamt stellen die Parteien also die Grundrechtschance zur Verwirklichung öffentlicher Freiheiten dar. Nur das Verständnis der Parteien als Gegenspieler der ihre Grundrechte wahrenden Mitglieder konnte zur Diskussion der unzutreffenden Figur der D r i t t w i r k u n g führen. Die Grundrechte wirken innerparteilich unmittelbar, aber nicht gegen die Partei sondern für die Parteibürger als prozessuale Teilhaberechte am politischen Prozeß. 193

G. Dux, DVB1. 1966, S. 553. T. Maunz, i n : T. M a u n z / G . D ü r i g / R . Herzog, GG, Rdnr. 91 zu A r t . 21; H. Lenz / C.Sasse, JZ 1962, S. 240; R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 138. 196 I n : W D S t R L 30 (1972), S. 51 f.; ders., „Leistungsrecht" i m sozialen Rechtsstaat, S. 465 f. 196 Z u m Zusammenhang von Herrschaft u n d grundrechtlichem A b w e h r charakter vgl. R Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 80 f., bes. A n m . 157. 197 G. Dux, DVB1. 1966, S. 554. 194

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Die Organisationsform politischer Parteien dient i n der modernen parteienstaatlichen Demokratie zur Effektivierung der auf politische Teilhabe abzielenden Grundrechte. Gegen die Partei werden keine Grundrechte geltend gemacht, sondern es werden politische Aktivrechte i n ihr ausgeübt 198 . Es kommt also darauf an, den „Spielraum der Organisation so weit wie möglich i n Freiheitsräume der Organisationsmitglieder umzuwandeln" 1 9 9 . Dies erfordert aktive Teilhabe. Eine „falsche Front" w i r d jedenfalls dort errichtet, wo etwa Grundrechte nur gegenüber dem Vorstand eingeklagt werden sollen. Die Parteimitglieder haben hinsichtlich ihrer Informations- und Meinungs- 2 0 0 (Art. 5 1 1 GG), Versammlungs- (Art. 8 GG), Vereinigungs- (Art. 9 GG) und A b stimmungsfreiheit 2 0 1 (Art. 20 I I 2 i. V . m . A r t . 21 I 3 GG) einen bevorzugten Status i n dem Sinne, daß sie m i t der Wahrnehmung dieser ihrer grundrechtlichen und politischen Freiheiten innerhalb der Parteien gleichzeitig nachhaltig die Ausübung der Staatsgewalt über die Parteipolitik influenzieren und materiell legitimieren. Wenn die Parteimacht nicht der gleichen Partizipation durch alle Parteimitglieder offen ist, so sind zwei Quellen der Dysfunktionalität denkbar: Entweder hat der Leistungsgesetzgeber seinen Auftrag nach A r t . 21 I I I GG nicht — so die Situation bis 1967 — oder nur unzureichend erfüllt, oder die Parteimitglieder verzichten i n selbstgewählter oder gesteuerter Apathie auf die Nutzung der vorhandenen Partizipationsinstrumente. Bei der ersten Fallgruppe können partizipationswillige Bürger sich durchaus auf ihren parteibürgerlichen Grundrechtsstatus gegenüber dem Gesetzgeber wegen Unterlassen oder Ungleichbehandlung berufen, der Leistungsstaat hat grundrechtseffektivierend tätig zu werden 2 0 2 . Die zweite Konstellation ist weniger ein grundrechtliches als ein grundrechtstatsächliches Problem 20*. Es sind 198 Ä h n l i c h w i e die I n s t i t u t i o n Presse das subjektive Meinungsäußerungsrecht der i m Pressewesen tätigen Personen einschließt u n d ihnen die Möglichkeit gibt, ihre Meinung i n der ihnen geeignet erscheinenden F o r m frei u n d ungehindert zu äußern (BVerfGE 10, 118 [121]), der Meinungsfreiheit i m Rahmen der Presse also eine „bevorzugte Rechtsstellung" (BVerfGE 20, 162 [175]) eingeräumt ist, verhält es sich hinsichtlich der Grundrechtsausübung i m Rahmen der Parteien. 199 F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 69. 200 Z u r Meinungsfreiheit als „positivem Teilhaberecht" vgl. G. Dux, DVB1. 1966, S. 554. 201 Die A b s t i m m u n g der Bürger stellt sich essentiell als Teilhabe an der Staatsgewalt, als ein Stück Ausübung der Staatsgewalt i m status activus dar, so BVerfGE 8,104 L S 5. 202 Die Erfolgsaussichten hängen jedoch von der konkreten Konstellation des Einzelfalles ab. Grundrechtsfördernde leistungsstaatliche Pflichten sind verfassungsrechtlich „gestuft" u n d nicht n u r auf materielle Ansprüche f i xiert. Vgl. dazu P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 89 ff. 203 s. z u m Apathieproblem unten 2. T e i l I I . 3.: Willensbildung.

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jedoch nicht „die Parteien", die individueller Partizipation i m Wege stehen, sondern allenfalls bestimmte Gruppen — verfestigte politische Eliten — innerhalb der Organisation. Auch die Mitglieder der Parteiführungsgremien üben i n ihren Funktionen ihre durch innerparteiliche Legitimation weiter intensivierten aktivbürgerlichen Grundrechte aus. Sie „besetzen" jedoch solche Machtpositionen dann i n unzulässiger Weise, wenn sie durch ihre Amtsführung die für alle Parteimitglieder gleiche Chance an der Entscheidung politischer Angelegenheiten zu partizipieren und selbst Führungsfunktionen zu erlangen beschneiden. P. Häberle hat es unternommen, die grundrechtliche Statuslehre G. Jellineks 2041 „von ihrem spätabsolutistischen Kopf auf demokratische Füße zu stellen" 2 0 5 . Er billigt den Status positivus und negativus auch heute noch einen — allerdings ergänzenden — Stellenwert zu und entwickelt Jellineks Status der „aktiven Zivität", der „die Grundlage einer ganzen Reihe wichtiger individueller Forderungen an den Staat bildet" 2 0 6 , unter der heutigen Verfassungslage zum „status activus processualis". Der Verfahrensgedanke w i r d zur Staat und leistungsstaatliche Grundrechtsverhältnisse verbindenden „Klammer", die die materiellrechtliche Seite der Grundrechte stärkt 2 0 7 . Diese partizipatorische Statuslehre stellt zur weiteren Konkretisierung des grundrechtlich geprägten Status des Parteibürgers eine ausbaufähige Basis dar 2 0 8 . Der Verfahrensaspekt ist bereits i n A r t . 21 GG angelegt: unmittelbar ausgesprochen i m prozeßhaften Vorgang der politischen Willensbildung des Volkes, an dem die Parteien m i t w i r k e n (Abs. 1 S. 1) sowie i m Parteienverbotsver/ahren (Abs. 2 S. 2 i. V. m. §§ 43 ff. BVerfGG), m i t telbar ergibt sich die Forderung nach verfahrensrechtlicher Ausgestaltung der inneren Parteiordnung aus dem A t t r i b u t demokratisch (Abs. 1 S. 3), das Auswirkungen hat auf Parteiaufnahme-, Meinungs- und Willensbildungs-, Schieds- u n d Ausschluß^ erfahren 209. Der Grundgedanke ist der, daß i n formalisierten Abläufen m i t mehreren Stufen differenzierter Beteiligungen und Vorentscheidungen der Entschei204

I n : System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 94 ff. I n : W D S t R L 30 (1972), S. 80; s. auch seine K r i t i k an der Jelline Jcschen Statuslehre i n : Die Wesensgehaltgarantie des A r t . 19 Abs. 2 Grundgesetz, S. 18 f., 91,153. 208 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 139; er v e r stand darunter die Fähigkeit des Bürgers f ü r den Staat als Staatsorgan zu handeln. 207 P. Häberle, V V D S t R L 30 (1972), S. 86 ff. 208 Das Problem der Grundrechte als Teilhaberechte ist neben dem i n P. Häberles Staatsrechtslehrerreferat p r i m ä r behandelten Bereich der V e r knüpfung von Sozialstaatsprinzip, Grundrechten u n d Gleichheitssatz vor allem i n Fragen der politischen Partizipation aktuell. 209 s. zu diesen Problembereichen die entsprechenden Abschnitte i m 2. Teil unter I I . 205

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dungsfindungsvorgang insgesamt mehr Raum für breite Partizipation — i n personeller und sachlicher Hinsicht bei gleichzeitiger Effizienzerhaltung — enthält, als ein zeitlich und organisatorisch einmaliges Ereignis. Da der politische Aktivstatus des Staatsbürgers heute primär über die Parteien realisiert w i r d 2 1 0 , sind komplexe innerparteiliche Strukturen erforderlich, u m die vielfältigen Partizipationsbegehren adäquat verarbeiten zu können. Das bereits i n A r t . 21 GG enthaltene Verfahrensmoment ergänzt und verstärkt die i n den demokratierelevanten Grundrechten angelegte Teilhabeseite des status activus processualis. A u f „unterverfassungsrechtlicher Ebene" — wie hier i m Zusammenhang m i t dem PartG — ist der status activus processualis derart auszugestalten, daß es zu effektiver Teilhabe k o m m t 2 1 1 . Grundrechtliche öffentliche Freiheit des Parteibürgers ist daher auch funktional zu definieren, als die Möglichkeit, auf je verschiedenen Verfahrensstufen durch praktischen Grundrechtsgebrauch Einfluß auf die innerparteiliche politische Willensbildung zu nehmen. Durch wiederholte Chancen der Information und zur Meinungsäußerung i m Verfahrensablauf werden beispielsweise Informations» und Meinungsfreiheit des Parteibürgers optimiert, d. h. die materiellrechtliche Seite dieser Grundrechte i n funktionaler Partizipation erweitert. Dieser Zusammenhang zwischen der Ausgestaltung öffentlicher Teilhabeverfahren u n d der Effektivierung demokratischer Grundrechte i m Rahmen der politischen Willensbildung des Volkes und hier besonders auch der innerparteilichen Willensbildung, macht die Dynamik jener Abläufe tendenziell juristisch faß- und regelbar. Die ausdrücklich in Art. 21 GG enthaltene verfahrensrechtliche Komponente verstärkt jenen auch in den Grundrechten angelegten Aspekt im innerparteilichen Bereich und macht den grundrechtlichen Status des Aktivbürgers innerparteilich zum status activus processualis des Parteibürgers. Bereits der kollektive, organisierte Gebrauch grundrechtlicher Freiheiten verstärkt die individuellen Grundrechtspositionen. Ihre Wirkung w i r d potenziert durch die verfassungsrechtlich privilegierte Vereinigungsform nach A r t . 21 GG. Die kooperative Seite der Grundrechte kommt auch innerparteilich zum tragen. Trotz der Bedeutung individueller Grundrechtspositionen als Ausgangspunkt des Status des Parteimitglieds, dürfen deshalb die Parteien nicht atomisiert werden. Parteitage beispielsweise sind auch Gruppenphänomene. Der allgemeine 210

G. Jahn, Plädoyer, S. 27; negativ formuliert bei H. Lenz/C. Sasse, JZ 1962, S. 234: „ I m festgefügten Parteienstaat ist der Entzug des Parteibürgerstatus gleichbedeutend m i t dem Ausschluß aus dem i n A r t . 21 I GG angelegten a k t i v e n demokratischen Willensbildungsprozeß." 211 P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 82 A n m . 166.

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1. Teil, I I I . Demokratiebegriff i n A r t . 211 3 GG

grundrechtliche Status des Aktivbürgers w i r d daher durch den Beitritt zu einer politischen Partei qualitativ verstärkt: faktisch durch die kollektive Komponente 212, rechtlich durch die Status der Parteien und formell- sowie materiellrechtlich durch die i n den einzelnen Grundrechten differenziert angelegte und über ihre Realisierung i m demokratischen innerparteilichen Willensbildungsprozeß zu entwickelnde Verfahr ensseite. Diese drei Aspekte kennzeichnen i n ihrer Interdependenz den grundrechtlichen Status des Parteibürgers. Ihnen sind die von K . Hesse herausgearbeiteten 218 Statusrechte der Parteien als Organisation zuzuordnen; da Freiheit, Gleichheit und Öffentlichkeit der Organisation zugleich Auswirkungen auf die Rechtsstellung ihrer personellen Grundlage haben; ihr dienen diese Rechte, sie macht sie i m politischen Konkurrenzkampf geltend. Von zwei verschiedenen Ausgangspunkten aus wurde hier eine Konkretisierung der Rechtsstellung des Parteibürgers versucht: einerseits mit dem primär grundrechtlichen Ansatz i n parteienrechtlicher Fortentwicklung der grundrechtlichen Statuslehre P. Häberles und andererseits m i t Hilfe der Übertragung der Status der Parteiorganisation, wie sie K . Hesse beschrieben hat, auf ihre Mitglieder. Das Ergebnis ist jeweils eine Trias sich gegenseitig ergänzender Aspekte 2 1 4 . Bei näherem Hinsehen w i r d deutlich, daß es sich bei den einzelnen Elementen der beiden Zusammenstellungen jeweils u m dieselben Ausschnitte des gleichen Problems handelt, variiert entsprechend dem unterschiedlichen Ansatz. Ihre Verbindung dient der umfassenden Bestimmung des Status des Parteibürgers, der demzufolge zu beschreiben ist, als gleiche Möglichkeiten kollektiven Gebrauchs grundrechtlicher öffentlicher Freiheiten in verfahrensrechtlich strukturierter Öffentlichkeit im Rahmen der Parteienstatus. Erst die Gleichheit garantiert, daß die kollektive Komponente tatsächlich auch der Stärkung der Rechtsposition des einzelnen dient und nicht Oligarchien die i m kollektiven Zusammenwirken liegende Macht usurpieren; die grundrechtlichen öffentlichen Freiheiten werden i m Rahmen der Parteiprivilegien inhaltlich bestimmt, die verschiedenen Formen der Öffentlichkeit werden i m Verfahren konkretisiert und dem einzelnen Parteimitglied verfügbar. Darüber hinaus stehen alle diese Merkmale untereinander in einem multifunktionalen Ergänzungsverhältnis. Der kollektive chancengleiche Gebrauch 212

Die sich auch auf die Grundrechtsausübung i m Rahmen der Verbände — speziell A r t . 9 I I I GG — a u s w i r k t u n d die (Rechts-)Stellung des I n d i viduums durch synchrone Kooperation faktisch aufwertet. 213 I n : W D S t R L 19 (1959), S. 27 ff. 214 E i n m a l die kollektive Komponente des Grundrechtsgebrauchs, ihre Verstärkung durch die Rechte der Parteien sowie die i n den Grundrechten u n d der inneren Parteienordnung angelegten Verfahrensmodalitäten, zum andern die Status der Freiheit, der Gleichheit u n d der Öffentlichkeit.

3. Statuslehren u n d parteiinterner Bereich

191

der allgemeinen staatsbürgerlichen Freiheiten i n der Organisationsform des A r t . 21 GG macht die öffentliche Freiheit des Parteibürgers aus — Parteien als Organisationsform zur kollektiv-öffentlichen verfahrensmäßigen Grundrechtsausübung. Wurde bisher betont, daß die Mitarbeit innerhalb einer Partei geeignet ist, demokratierelevante Grundrechte des Individuums qualitativ zu öffentlichen Freiheiten aufzuwerten, sie materiell zu optimieren, so gilt dies nicht ohne Einschränkungen. Aus der Funktion der Parteien als konkurrierende Organisationen i n einem Mehrparteiensystem ergeben sich gewisse verfassungsrechtliche Anforderungen an das Verhalten der Mitglieder, die auch die Ausübung der Grundrechte i m Rahmen der Parteien inhaltlich konkretisieren. Aus dem Kampfcharakter der Parteien wurde das Erfordernis der inneren Geschlossenheit — Parteiraison — abgeleitet und straffe Disziplin zum Lebensgesetz der Parteien erhoben 2 1 5 . Rechtliche Relevanz haben diese Gesichtspunkte vor allem mit § 10 I I I , I V PartG erlangt, nach dem bei bestimmtem Verhalten der Mitglieder „Ordnungsmaßnahmen" und „Parteiausschluß" möglich sind. Damit w i r d der privilegierte Grundrechtsgebrauch innerhalb der Parteien eingebunden i n Sinn und Zweck der Parteien i m demokratischen Parteienstaat. Angesichts der Entwicklung zu modernen Volksparteien sind die Anforderungen an das geschlossene Auftreten der Parteimitglieder nach außen jedoch großzügig zu interpretieren und es ist zu fragen, ob etwa „durch das Zugeständnis der freien Meinungsäußerung der Mitglieder die Werbekraft der Partei i n der Tat beeinträchtigt werden k a n n " 2 1 6 .

215 Vgl. z.B. W. Luthmann, DVB1. 1962, S. 168 f.; K . Hesse, W D S t R L 17 (1959), S. 33. — K r i t i s c h dazu G. Dux, DVB1. 1966, S. 555 ff., 558. 216 G. D u x , DVB1.1966, S. 557.

Zweiter Teil

Ausgewählte Probleme der innerparteilichen Demokratie Wurde i m ersten Teil der Untersuchung primär eine theoretische Grundlegung der Problematik innerparteilicher Demokratie durch Überwindung einer auf reine Parteiinterna verkürzten Fragestellung und die Erörterung ihrer Umwelt i m parteienstaatlichen Gemeinwesen angestrebt, so geht es i n diesem zweiten Teil u m eine praktische Konkretisierung der oben aufgedeckten Bezüge anhand ausgewählter Aspekte.

I. Gesellschaftlicher und parteiinterner Bereich Die Vermittlung individueller und kollektiver gesellschaftlicher Partizipation an der politischen Macht des Staates durch die Parteien vollzieht sich über mehrere Stufen, die sich gegenseitig ergänzen. A n der „Eingangsstufe" dieses Vorganges steht das Verhältnis von Parteien und gesellschaftlichen Partizipationsbegehren. Es geht u m die „Durchlässigkeit" der Parteien hinsichtlich bürgerschaftlicher Aktivitäten i m grundrechtlichen status activus processualis, die Transformation jener Initiativen i n den innerparteilichen Willensbildungsvorgang, kurz: u m Möglichkeiten und Grenzen gesellschaftlicher Einwirkungen auf die politischen Parteien. A m effektivsten erfolgt die Berücksichtigung politischer Interessen der Bürger i m innerparteilichen Willensbildungsprozeß über die formelle Parteimitgliedschaft. Der Übergang zwischen unorganisierter, rechtlich unverbindlicher Partizipation an der Parteipolitik und dem Status des Parteibürgers ist offen zu halten. Seine Offenheit ist juristisch sowohl hinsichtlich der Beitrittsmöglichkeiten als auch i n bezug auf den Parteiausschluß abzusichern. Neben der formellen mitgliedschaftlichen Teilhabe an der Parteipolitik stehen die finalen Einwirkungen der Umwelt auf die innerparteiliche Willensbildung. Sie müssen dem demokratischen Gebot egalitärer Partizipation über formalisierte Verfahren genügen und dürfen die mitgliedschaftliche Partizipation der Parteibürger nicht beeinträchtigen. 1. Parteizugang Entgegen der zu beobachtenden Trennung der Parteizugangsproblematik von den Fragen der innerparteilichen Demokratie 1 , besteht ein über die System-Umwelt-Beziehungen hinausgehender direkter Zusammenhang zwischen der inneren Parteiordnung und der Frage, wer wie Parteimitglied werden kann. Wenn es die Funktion der Parteien ist, „Strömungen i m Staatsvolk aufzunehmen, diese unter Beachtung der gebotenen demokratischen Verfahrensweisen i n einem Prozeß geistiger Auseinandersetzung abklären zu lassen, sie auf einen gemein1 So f ü h r t z. B. F. Knöpfle, Staat 1970, S. 332 f. aus, es fehle „ i n bezug auf die Außenbeziehungen der Parteien zum Staatsvolk h i n " an einer ausdrücklichen, dem A r t . 21 I 3 GG entsprechenden Normierung. Er verschließt sich dadurch die Möglichkeit, m i t H i l f e dieser N o r m verfassungsrechtliche K r i terien zur konkreten Ausgestaltung der Parteizugangsmodalitäten zu finden und zu begründen. Anders R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 156 ff.

13 Trautmann

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2. Teil, I. Gesellschaftlicher u n d parteiinterner Bereich

samen politischen Willen h i n zu homogenisieren und die politische Vorstellung, die sich so herausbildet, an die Staatsorgane heranzutragen" 2 , so ist damit zugleich ihr Aktionsradius beschrieben. So weit wie die von den Parteien wahrzunehmenden Aufgaben sich erstrecken, reichen aber auch die Parteien selbst, läßt sich ihre innere Ordnung nach außen abgrenzen. Daher sind die Probleme i n den „Übergangszonen" zumindest teilweise solche der innerparteilichen Demokratie 3 , sie erhalten von A r t . 21 I 3 GG her Lösungsimpulse. Für die Zugangsproblematik bedeutet dies zunächst, daß das GG, wenn es mit dem Gebot der innerparteilichen Demokratie die Strukturen einer elitären Kaderpartei ausschließt 4 , damit zugleich eine Entscheidung zugunsten eines freizügigen Beitritts zu politischen Parteien getroffen hat. Nach § 10 I PartG entscheiden die zuständigen Parteiorgane „nach näherer Bestimmung der Satzung frei über die Aufnahme von M i t gliedern". Die Parteisatzungen sehen für den Fall der Ablehnung eines Aufnahmeantrages eine Art Berufungsverfahren vor, das dem Bewerber eine weitere Chance zur Erlangung der Parteimitgliedschaft eröffnen soll 5 . Wenn nach § 10 I 4 PartG der Beitritts willige nicht unbedingt das aktive und passive Wahlrecht besitzen muß, er darf es nur nicht durch Richterspruch verloren haben, so folgt daraus, daß natürliche Personen ( § 2 1 2 PartG), die aus Altersgründen die aktive oder passive Wahlberechtigung noch nicht erlangt haben, durchaus schon Parteimitglieder sein können. Die Parteien haben davon i n ihren Satzungen Gebrauch gemacht; so ist die Altersgrenze für den Parteibeitritt nach den Satzungen von CDU (§ 4 I), F.D.P. (§ 2 I) und SPD (§ 2) einheitlich die Vollendung des 16. Lebensjahres. Abgesehen von dem ab2

F. Knöpfle, Der Staat 1970, S. 342. Dieser Ansicht ist w o h l auch das BVerfG, w e n n es als Beispiel demokratischer Grundsätze der inneren Parteienordnung „die Freiheit von E i n t r i t t u n d Ausscheiden" bei politischen Parteien nennt, vgl. E 2, 1 (40); ebenso T. Maunz, i n : T. M a u n z / G . D ü r i g / H . Herzog, GG, Rdnr. 21 A n m . 4 zu A r t . 21 GG. 4 Vgl. auch H. Lenz / C. Sasse, J Z 1962, S. 240, A n m . 100. 5 Vgl. § 3 des Organisationsstatuts der SPD, der sogar zwei Einspruchsinstanzen bei Ablehnung des Aufnahmeantrages vorsieht; § 5 I I I des Statuts der CDU sieht eine Einspruchsmöglichkeit v o r ; die Bundessatzung der F.D.P. überläßt nach § 3 I die nähere Regelung des Beitritts den Satzungen der L a n desverbände, so sieht z. B. die Satzung des F.D.P. Landesverbandes Hessen v o m 4.11.1968 i n § 3 I ebenfalls eine Berufungsinstanz vor. — D a r i n sieht F. Knöpfle, Staat 1970, S. 323 keine Verbesserung der Rechtsposition des A u f nahmeanwärters. Z w a r ist die „Appelationsinstanz rechtlich ebenso frei wie die erste" (ebd., S. 324), doch ist durch diese Erweiterung des Verfahrens die Gelegenheit zu einer umfassenderen Abwägung der Standpunkte gegeben u n d eine f ü r den Bewerber positive Entscheidung wahrscheinlicher. I n der Praxis k o m m t es durchaus vor, daß die nächste Instanz die Entscheidung des ersten Gremiums korrigiert, s. dazu z. B. den Bericht des Spiegel, Nr. 51/ 1969, S. 41. 3

1. Parteizugang

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sohlten Hindernis eines Parteibeitritts nach § 10 I 4 PartG, sind die Parteien nach diesem Gesetz ermächtigt, weitere Zulassungskriterien aufzustellen. Da nach § 10 I 1 und 2 PartG die Parteien „frei" über die Aufnahme von Mitgliedern entscheiden können und diese Entscheidung nicht einmal begründen müssen, steht es i n ihrem Belieben, ob sie einem Aufnahmeantrag entsprechen wollen 6 . I n der Praxis sind jedoch die Parteien bemüht, möglichst viele M i t glieder zu haben 7 und entsprechend großzügig Bewerber aufzunehmen 8 . Mitglieder sind für eine Partei sichere Wähler, Multiplikatoren ihrer politischen Ideen, kostenlose Wahlkampfhelfer und nicht zuletzt Beitragszahler. Nur i n Ausnahmefällen w i r d daher bestimmten Bewerbern die Parteimitgliedschaft verweigert 9 . Diese liberale Aufnahmepraxis schöpft also nicht die Möglichkeiten aus, die den Parteien nach dem PartG und den m i t diesem i m Einklang stehenden Parteisatzungen zustehen. Es wäre jedoch jederzeit möglich, daß die Parteien eine restriktive Aufnahmepolitik betreiben, u m bestimmte politische Ideen gar nicht erst auf ihren Willensbildungsprozeß einwirken zu lassen. Daher ist zu fragen, ob die i m Parteiaufnahmerecht angelegte Möglichkeit einer willkürlichen Versagung der i n der Parteimitgliedschaft liegenden Chance zu ständiger effektiver politischer Teilhabe m i t der Verfassung zu vereinbaren ist. Die Entwicklung i m westdeutschen Parteiensystem, die wenige große Volksparteien hervorbrachte, ist von Relevanz für die rechtliche Behandlung der Zugangsproblematik: einmal, w e i l sie die Entfaltungschancen neuer Parteien gegen N u l l reduziert und zum andern wegen dem i n diesem Parteitypus enthaltenen breiten Meinungsspektrum. Die beliebte Ausflucht der Befürworter einer ungebundenen Entscheidung der Parteien über die Aufnahme neuer Mitglieder, es stehe dem abgewiesenen Bewerber frei, eine eigene Partei zu gründen (Art. 21 I 2 GG), um so am politischen Willensbildungsprozeß des Volkes m i t 6

F. Knöpfle, Staat 1970, S. 324. E i n Indiz hierfür sind die von Zeit zu Zeit von den Parteien als p o l i t i scher Erfolg herausgestellten steigenden Mitgliederzahlen, s. auch die Bemühungen der CDU, nicht mehr n u r Wählerpartei zu sein, sondern Mitgliederpartei zu werden, so i h r Bundesgeschäftsführer, vgl. FR v o m 11. 7.1972, S. 1. 8 E i n Beispiel dieser Praxis ist der Bericht von K. Storch, Pardon, Nr. 7, 1971, S. 20 ff., die sich m i t gleichlautenden Schreiben m i t Zitaten des N P D Programmes bei 13 verschiedenen SPD-Geschäftsstellen u m Aufnahme i n die Partei bewarb u n d 11 positive Reaktionen verzeichnen konnte. Diese Parteigliederungen haben bei ihrem A p p e t i t auf neue Mitglieder nicht einmal an der offensichtlichen Unvereinbarkeit m i t den politischen Grundsätzen der Partei Anstoß genommen. 9 Nach einem Bericht des Spiegel, Nr. 28/1969, S. 62, n a h m der Vorstand der Westberliner F.D.P. n u r dann neue Mitglieder auf, w e n n das Westberliner Landesamt für Verfassungsschutz die Bewerber „durchleuchtet" hatte. 7

n*

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2. Teil, I. Gesellschaftlicher u n d parteiinterner Bereich

den Privilegien des A r t . 21 GG zu partizipieren 1 0 , ist angesichts der Realität der Volksparteien geeignet, die Berufung auf die Parteigründungsfreiheit als „rein juristisches" Scheinargument zu entlarven, das die realen Bedingungen seiner Verwirklichung außer Acht läßt. Die großen Volksparteien haben sich zu „Oligopolanstalten" entwickelt, die keine neuen Parteien aufkommen lassen, sie müssen daher allen Interessenten i n gleicher Weise offenstehen 11 . Schließlich geht es dem Bewerber i n der Regel nicht um eine abstrakte Parteimitgliedschaft schlechthin, sondern u m die Zugehörigkeit zu einer ganz bestimmten Partei 1 2 . Daher ist es auch qualitativ etwas ganz anderes, ob ein Bürger i m Rahmen einer etablierten Parteiorganisation mitarbeitet oder ob er vor die m i t dem gleichen Aufwand an Zeit und Geld niemals realisierbare Aufgabe gestellt ist, Gleichgesinnte zur Gründung einer eigenen Partei zu suchen. Hierbei handelt es sich u m sehr verschiedene Motivationen und daher keine vergleichbare Alternative. Ein weiteres Argument gegen § 10 I 1 PartG folgt aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Wenn die Parteien Steuergelder für den Wahlkampf erhalten (§§ 18 - 22 PartG), die i n der Praxis für die allgemeine Parteiarbeit verwandt werden, und wenn diese finanzielle Unterstützung politischer Parteien aus öffentlichen M i t t e l n gemäß der oben entwickelten Konzeption einer permanenten staatlichen Parteienfinanzierung weiter ausgebaut werden soll 1 3 , so ist es auf der anderen Seite konsequent, die Parteien auch i n Pflicht zu nehmen, grundsätzlich für alle Staatsbürger offenzustehen. Nur dann erreicht die staatliche Parteienfinanzierung, verstanden als leistungsstaatliche Pflicht zur Effektivierung der politischen Grundrechte aller Bürger i m parteibürgerschaftlichen Status ihren Zweck. Diese Verknüpfung von öffentlicher Parteienfinanzierung und Offenheit der Parteien ist ein Beispiel leistungsstaatlicher Grundrechtseffektivierung, das den inneren Zusammenhang von so beziehungslos erscheinenden Elementen wie Parteifinanzierung und Aufnahmeverfahren einerseits und der Sicherung der Teilhabegrundrechte andererseits deutlich macht. Die Aufgabe der Parteien, durch kontinuierliche Anleitung und Rückversicherung der Staatsorgane deren sachliche Legitimationsbasis zu bilden, erfordert die Aufnahme aller an sie herangetragenen Partizipationsbestrebungen. Dabei sollen die Parteien nicht nur i n Passivität allein die an sie herantretenden Bürger als Mitglieder aufnehmen, son10 Vgl. etwa W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 90; W. Luthmann, DVB1. 1962, S. 169. 11 F. Knöpfle, Staat 1970, S. 336. 12 S. Magiera, D Ö V 1973, S. 763; E. Lengers, Rechtsprobleme bei Parteiausschlüssen, S. 8. 13 s. oben 1. Teil, I I . 4. c).

1. Parteizugang

197

dern sie haben i n dieser Hinsicht aktiv tätig zu sein, politisches Engagement anzuregen, zu vertiefen und zu fördern 1 4 . Die Parteien haben als wesentliche Faktoren i m Prozeß der politischen Willensbildung des Volkes zur Gesellschaft h i n offen zu sein, u m die verfassungsrechtlich als funktional vorausgesetzte politische Teilhabe der Bürger zu ermöglichen. Nur durch diese Aufnahmebereitschaft der Parteien gegenüber der Gesellschaft läßt sich ihre politische Macht, die an partizipationsbereite Bürger weiterzugeben ist, rechtfertigen. Demokratische Offenheit heißt auch egalitäre Offenheit für alle Bewerber; grundsätzlich haben nicht die Parteien die freie Wahl, ob sie einen Beitrittswilligen aufnehmen wollen, sondern es ist die Freiheit des Aktivbürgers, seine Grundrechte zu öffentlichen Freiheiten des Parteibürgers zu machen. Ein weiteres Argument für diese Auffassung folgt aus Art. 33 I GG. Zu den staatsbürgerlichen Rechten gehören „ i n der Hauptsache die demokratisch-politischen Rechte" 15 , der status activus 16 . In der parteienstaatlich organisierten Demokratie gehört zum status activus des Bürgers auch das Recht, sich der Partei seiner Wahl anschließen zu können17. Dies schon deshalb, w e i l sonst das traditionell zu den staatsbürgerlichen Rechten zählende passive Wahlrecht angesichts des faktischen Wahlmonopols der Parteien illusorisch wäre 1 8 . Die Garantie des passiven Wahlrechts läuft ohne die gleichzeitige Garantie des freien Parteizugangs leer; denn nur als Parteimitglied hat der Bürger i m Parteienstaat des GG eine reale Chance von seinem passiven Wahlrecht Gebrauch machen zu können. Der durch A r t . 33 I GG garantierte „gleiche Genuß der staatsbürgerlichen Rechte" 19 verbietet eine Selektionskompetenz der Parteien, wie sie § 10 I 1 PartG normiert. Auch Art. 33 II i. V. m. Art. 12 GG kann zur Begründung des Parteizugangs herangezogen werden. Da die maßgebliche Entscheidung über die Vergabe eines politisch-beruflichen Amtes bei den Parteien liegt, besteht hier ein Zusammenhang: „Ohne Zugang zu einer Partei kein Zugang zu einem politischen Beruf oder A m t 2 0 . " Das BVerfG hat bei der Inter14 So die Umschreibung der Aufgaben der Parteien i n dieser Hinsicht i n § 1 I I PartG. 15 H. v. Mangoldt / F. Klein, Das Bonner GG, Band I I , A r t . 33 A n m . I I I 1. 16 H. v. Mangoldt / F. Klein, ebd.; T. Maunz, i n : T. Maunz / G. D ü r i g / R . Herzog, GG, Rdnr. 6 zu A r t . 33. 17 Ebenso wie der Verlust der Parteibürgerschaft m i t politischer Einflußlosigkeit gleichbedeutend ist (H. Lenz/C. Sasse, JZ 1962, S. 233), ist es auch der verweigerte Parteizugang. 18 Vgl. auch F. Knöpfle, Staat 1970, S. 335: „Einem Bürger ohne eine solche organisierte Aktionsbasis bleibt praktisch n u r das aktive Wahlrecht." 19 BVerfGE 13, 54 (91). 20 S. Magiera, D Ö V 1973, S. 766.

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2. Teil, I. Gesellschaftlicher u n d parteiinterner Bereich

pretation des A r t . 21 I 3 GG ebenfalls betont, daß die Freiheit des Parteizugangs gewährleistet sein muß 2 1 . Aus alledem folgt, daß § 10 11 PartG in seiner gegenwärtigen Fassung m i t dem GG unvereinbar ist 2 2 . Die Beitrittsfreiheit der Bürger ist der Ausgangspunkt 23 , es geht um die Freiheit des Zugangs und nicht die der Aufnahmeverweigerung. Hier darf nicht die einseitige Sicht allein der Rechte der Parteien den „Durchgriff" auf die Rechtsstellung der Bürger, denen zu dienen die Parteien letztlich bestimmt sind, verhindern. Versteht man die Parteien als Organisationsform, die allen A k t i v bürgern zur Realisierung ihrer politischen Grundrechte offensteht, so können sich die Parteien ihnen gegenüber nicht auf eine „negative Koalitionsfreiheit" berufen, die sie zur Ablehnung des Bewerbers berechtigt. Natürlich lassen sich aus dem verfaßten Parteiensystem funktionale Grenzen der Aufnahmepflicht konkretisieren, doch halten sie sich i m engen Rahmen, und sie müssen vor allem begründet und der rationalen Überprüfung zugänglich sein. Die „Autonomie" der Parteien hat den Gesetzgeber auch nicht daran hindern können, i n § 10 I V PartG abschließend die Tatbestände des Parteiausschlusses zu normieren. Er überläßt den Parteien nur die Entscheidung, ob sie bei Vorliegen der entsprechenden Fakten ihr M i t glied nun tatsächlich auch ausschließen oder nicht. Das Ziel, die exzessive Parteienautonomie auch beim Aufnahmeverfahren verfassungskonform abzubauen, ist das Ergebnis einer Untersuchung F. Knöpfles 24. Sein Konzept, dem Bürger einen durch unbestimmte Rechtsbegriffe 25 begrenzten positiven Zugangsanspruch zu den politischen Parteien zuzu21

E 2 , 1 (40). So auch H. J. Schröder, Kandidatenaufstellung, S. 67; E. Stein, Lehrbuch des Staatsrechts, S. 163; F. Knöpfle, Staat 1970, S. 346; S. Magiera, DÖV 1973, S. 767; R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 165; w o h l auch C. NiethammerVonberg, Parteipolitische Betätigung der Richter, S. 86, da sie von einem „Grundrecht auf parteipolitische Betätigung" spricht. — I n Übereinstimm u n g m i t der derzeitigen Regelung des P a r t G stehen: O. Küster, Verfassungsrechtliche Stellung u n d innere Ordnung der Parteien, S. 50; G. Rabus, AöR 78 (1952/53), S. 181; W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien nach dem GG u n d ihre Ausführung nach dem PartG, S. 109; ders., DVB1. 1962, S. 169; E. Friesenhahn, Parteien, S. 16; W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 89 f.; H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 380. 23 Sie ist nicht n u r gegenüber verhindernden E i n w i r k u n g e n seitens staatlicher Stellen geltend zu machen (so K . Hesse, V V D S t R L 17 [1959], S. 28), sondern auch gegenüber den Parteien selbst. 24 I n : Staat 1970, S. 321 ff.; zustimmend H. J. Schröder, Kandidatenaufstellung, S. 64 ff. 25 Vgl.: Staat 1970, S. 340: „ . . . v o m Wesen oder der F u n k t i o n der Parteien her zwingend gefordert", S. 342: „Gegner wesentlicher Prinzipien und Ziele der Partei", S. 343: „ . . . w e n n die Aufnahme einer bestimmten Partei schlechthin unzumutbar wäre." 22

1. Parteizugang

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billigen, bleibt jedoch traditionellem Anspruchsdenken verhaftet 2 6 . Bei aller Übereinstimmung mit dem Anliegen Knöpfles ist zu fragen, inwieweit der auch von i h m zum Angelpunkt gemachte status activus des Bürgers 2 7 realisiert werden kann, ohne das „schwere Geschütz" des Anspruchs zu bemühen. Eines Anspruchs, der eben doch unter vielen Vorbehalten steht und bei dessen Handhabung die Gerichte funktionellrechtlich überfordert wären. Dieselben Bedenken lassen sich auch gegen den von S. Magiera geforderten Aufnahmeanspruch mit den Einschränkungen des § 10 I V PartG — „ w e i l Parteiausschluß und Parteiaufnahme i m K e r n nur unterschiedliche Aspekte desselben Problems . . . darstellen" 2 8 — anführen. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 10 I 1 PartG i n dem Sinne, daß zwar kein Aufnahmeanspruch besteht, der Ermessensspielraum der Partei, einen Antrag abzulehnen, jedoch durch ihre Funktion eingeschränkt ist, vertritt D. Hahn 2 9 . Als geeignetes Instrument erscheint i n diesem Zusammenhang der von P. Häberle zur Effektivierung grundrechtlicher Positionen vorgeschlagene status activus processualis 80, der als staatsbürgerlicher Grundstatus eine verfahrensmäßige Grundrechtsrealisierung bezweckt. Schwierigkeiten gibt es bekanntlich nur i n Grenzfällen, und hier h i l f t der begrenzte Anspruch kaum weiter, w e i l die aufnahmeunwillige Partei regelmäßig i n der Lage sein wird, dem überprüfenden Gericht darzutun, daß gerade dieser Bewerber aus politischen Gründen keinen Anspruch hat. Die Fälle, i n denen sich die Kandidaten unzweifelhaft auf den Aufnahmeanspruch berufen könnten, sind auch bei der Verfahrenskonzeption unproblematisch. Darüber hinaus bietet diese aber gerade i n den streitigen Grenzfällen neue Chancen. Zunächst besteht hier nicht der zur Verhärtung der Positionen führende Dualismus Anspruchsgegner — Anspruchsinhaber. Weit wichtiger ist aber der Gesichtspunkt des auf Kompromiß und Einigung tendierenden politischen Aufnahmeprozesses, wenn i n mehrstufig ausgestalteten Verfahren verschiedene Gremien m i t dem Gesuch und den Argumenten des Bewerbers befaßt werden. Hierdurch werden mögliche Willkürentscheidungen unterer Parteigremien korrigiert und es ist wahrscheinlicher, daß so dem Aufnahmegesuch eher entsprochen wird, als wenn nur ein Organ entscheidet und i m Falle der Ablehnung der Richter bemüht wird. 26 Ebenso das Individualrecht des einzelnen auf Parteibeitritt bei K.-H. Seifert, D Ö V 1956, S. 5, das „Grundrecht auf Parteitätigkeit" bei C. Niethammer-Vonberg, Parteipolitische Betätigung der Richter, S. 86 oder der begrenzte Aufnahmeanspruch bei R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 156 ff., 161 ff. 27 I n : Staat 1970, S. 336. 28 I n : D Ö V 1973, S. 767. 29 I n : Innerparteiliche Demokratie, S. 32 f. 30 I n : V V D S t R L 30 (1972), S. 86 ff., 166.

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2. Teil, I. Gesellschaftlicher u n d parteiinterner Bereich

Über das Verfahren ist es möglich, auf beiden Seiten Mißverständisse auszuräumen, Lernprozesse i n Gang zu setzen und politisch zu überzeugen; Vorzüge, die bei einem Gesuch und dem darauf ergehenden Bescheid nicht gegeben sind. Eine verfassungsmäßige Parteiaufnahmebestimmung i m PartG muß demnach zumindest ein am Verfahrensgedanken ausgerichtetes mehrstufiges Beitrittsverfahren verlangen, wie es beispielsweise i n einigen Parteisatzungen geregelt ist 8 1 , und als dessen erklärten Zweck die A u f nahme des Bewerbers als Regel normieren. Der längst vom Gerichtsverfahren auf andere Verfahrensarten i n anderen Bereichen ausgeweitete Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG)32 w i r d als essentielles Verfahrensprinzip auch beim Parteizugang relevant 3 3 . I n seiner Funktion, der Sicherung und Durchsetzung der materiellen Grundrechte zu dienen 34 , findet er gerade hier einen spezifischen Anwendungsbereich, da das umfassende Gehör i m Beitrittsverfahren letztlich der Wahrung grundrechtlicher politischer Chancen dient. Der Bewerber muß auf jeder Stufe des Verfahrens Gelegenheit haben, gegen Tatsachenbehauptungen, Vorbehalte und Anschuldigungen, die seinen Z u t r i t t verhindern sollen, Stellung zu nehmen. Daraus folgt zwingend, daß jedes ablehnende Votum im Verfahrensablauf begründet werden muß, damit der Kandidat die Erwägungen der entscheidenden Gremien kennt und i n seinem Einspruch darauf eingehen kann 3 5 . Schließlich muß auch die als Ausnahme zulässige endgültige Ablehnung m i t Gründen versehen sein, u m eine durch das Verfahren zu verhindernde willkürliche oder unüberlegte Entscheidung auch i n der letzten Instanz auszuschließen. § 10 I 2 PartG, der die Parteien dagegen von einer Begründungspflicht ausdrücklich entbindet, ist verfassungswidrig 36. Es ist auch aus systematischen Gründen nicht einzusehen, warum nach § 10 PartG Ordnungsmaßnahmen gegen Mitglieder ( I I I S. 2) und Parteiausschlüsse 31 Z u den Parteisatzungen s. oben A n m . 5. — So auch die Vorstellungen vor Erlaß des P a r t G bei G. Rabus, AöR 78 (1952/53), S. 182; G. Leibholz, Strukturwandel, S. 127. 32 Vgl. zum rechtlichen Gehör i m Verwaltungsverfahren: G. Dürig, i n : T. Maunz / G. D ü r i g / R. Herzog, GG, Rdnr. 92 zu A r t . 103 GG, m i t umfangreichen Nachw. i n A n m . 3; vgl. auch P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 122: „ A r t . 19 I V u n d 103 I GG sind auf den Leistungsstaat h i n fortzuentwickeln." 33 H. Lenz / C. Sasse, J Z 1962, S. 239 wenden A r t . 103 I G G beim Parteiausschlußverfahren an. 34 G. Dürig, i n : T. Maunz / G. D ü r i g / R. Herzog, GG, Rdnr. 3 zu A r t . 103 GG. 35 Die Regierungsbegründung zum Parteiengesetzentwurf von 1959 (BTDrucks. III/1509) sah die Begründungspflicht bei Parteiausschlüssen deshalb vor, daß die zuständigen Parteistellen besonders sorgfältig prüfen u n d „die Betroffenen darüber aufklären, welche V o r w ü r f e gegen sie erhoben werden". Dieselbe F u n k t i o n hat auch die Begründung der Zutrittsverweigerung, s. dazu die Stellungnahme von Wissenschaftlern der F U Berlin, D Ö V 1967, S. 256. 36 So auch E. Stein, Lehrbuch des Staatsrechts, S. 164.

1. Parteizugang

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(V S. 3) zu begründen sind und Ablehnungen von Aufnahmegesuchen — die den Bürger ebenso nachteilig betreffen — von dem Begründungsgebot ausdrücklich ausgenommen sein sollen. Die Geheimhaltungsvorschrift des § 10 I 2 PartG würde auch einer näheren Überprüfung anhand des Prinzips demokratischer Transparenz schwerlich standhalten 8 7 . Natürlich kann der Verfahrensansatz — ebenso wie der begrenzte Anspruch — nicht i n jedem Aufnahmeverfahren zum Erfolg führen, sondern primär Ablehnungen rationalisieren und damit w o h l auch zahlenmäßig reduzieren. Der Pflicht der Parteien, für alle Bürger offen zu sein, korrespondiert kein Anspuch des Bürgers auf Zugang 8 8 , doch soll das Verfahren die sachgerechte Abwägung aller Umstände ermöglichen und die Aufnahmeverweigerung nur auf begründete Fälle reduzieren. Das Verfahren dient somit zur Erfüllung der Pflicht der Parteien und enthält zugleich Raum, die Grenzen jener Verpflichtung ständig angesichts sich wandelnder politischer Verhältnisse zu konkretisieren. Nachstehend werden einige materielle Kriterien untersucht, die eine Ablehnung des Beitrittsgesuchs rechtfertigen können oder aber keine taugliche Begründung darstellen. Verbreitet ist die Meinung, daß die Parteien bei der Gefahr einer politischen Unterwanderung durch neue Mitglieder zur Ablehnung der Kandidaten berechtigt seien 89 . Dabei w i r d unausgesprochen von dem geschlossenen, homogenen Kampfverband einer Interessenpartei m i t einem für alle Zukunft festgelegten politischen Programm ausgegangen. Zumindest die modernen Volksparteien lassen dieses Argument jedoch fragwürdig erscheinen. Man kann angesichts der vielen auch einander widersprechenden Interessengruppierungen innerhalb dieses Parteityps allenfalls von einer Stärkung einer bestimmten Richtung i n der Partei durch neue Mitglieder sprechen. Dies kann das innerparteiliche Kräfteverhältnis verändern und ist durchaus legitim, denn die innerparteiliche Minderheit kann auch so zur Mehrheit werden. Die Volksparteien haben nach der Verfassung den Auftrag, die verschiedensten Interessen an der politischen Macht partizipieren zu lassen und i n ihrem Rahmen die Interessengegensätze der pluralistischen Gesellschaft 37 Die Offenlegung ist zur K o n t r o l l e einer solchen Entscheidung durch die Parteibürger u n d die öffentliche Meinung erforderlich. 38 Vgl. zu dieser differenzierenden Sicht, die aus dem „Entweder-Oder von objektivem Rechtsgrundsatz u n d subjektivem Leistungsanspruch" herausführt u n d eine objektive Rechtspflicht auch dann bejaht, w e n n ein subj e k t i v e r Anspruch aus ökonomischen, funktionellen oder anderen Gründen ausgeschlossen ist: P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 94 ff. 39 G. Rabus, AöR 78 (1952/53), S. 181; Bericht der Parteienrechtskommission, S. 164; W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien nach dem GG u n d ihre Ausführung durch das PartG, S. 109.

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2. Teil, I. Gesellschaftlicher und parteiinterner Bereich

auszutragen. Sie sind nicht mehr durch Geschlossenheit, sondern durch Pluralismus aktionsfähig 4 0 . Die Mitgliedschaft i n Volksparteien steht allen Bürgern der politichen Gesellschaft offen 4 1 . Welche Richtung sich durchsetzt ist Frage des politischen Prozesses und nicht des Parteiaufnahmerechts. „ L i n k e Einbrüche i n bisher rechte Parteigliederungen (und umgekehrt) verfolgen einen bestimmten, i n einer politischen Partei vor allem legitimen Machtanspruch 42 ." Die Unterwanderungsthese ist geeignet, diese Vorgänge ins Negative zu kehren, sie schützt die politischen Eliten vor K r i t i k und Ablösung und leistet damit sogar der innerparteilichen Oligarchisierung Vorschub. Die Volksparteien sind kein Freundeskreis politisch Gleichgesinnter, dessen Eintracht vor A n dersdenkenden zu schützen ist. Rechte und linke Volksparteien haben eine wichtige Integrationsfunktion in bezug auf Extremisten. Sie neutralisieren diese tendenziell i n ihrer pluralistischen Organisation und leisten damit einen politischen Beitrag zur Sicherung der freiheitlich demokratischen Grundordnung 4 3 . Z u diesen allgemeinen Erwägungen, die die Gefahr einer politischen Unterwanderung als irrelevante Scheingefahr entlarven, kommt hinzu, daß es beim konkreten Aufnahmegesuch höchst schwierig zu begründen wäre, ab wann dieser Fall eingetreten ist 4 4 . Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß die heutigen Parteien rivalisierende Richtungen i n sich vereinen, sie haben die Unterwanderung der gerade herrschenden Parteipolitik institutionalisiert. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der sich im Programm und der Wahlkampf Werbung einer Partei widerspiegelnden Toleranzbreite und der Pflicht, diese Toleranz auch bei der Aufnahme neuer Mitglieder zu wahren 45. Je abstrakter — sprich: offener — die programmatischen Erklärungen u n d Wahlwerbungen einer Partei sind, desto vorbehaltloser muß sie gegenüber Bewerbern sein, die das Programm i m Grund40 41

Vgl. H. P. Bull, ZRP 1971, S. 198.

H. Lauf er, Die demokratische Ordnung, S. 156. 42 G. Börnsen, Innerparteiliche Opposition, S. 55. 43 Vgl. etwa N. Blüm zum Verhältnis zwischen der CDU und der „heimatlosen Rechten". Die CDU solle diesen Menschen die Mitgliedschaft nicht verwehren, doch müsse „klargestellt werden, daß diejenigen, die an unsere Tür klopfen, sich uns anpassen müssen und nicht w i r uns ihnen", zitiert nach FR vom 13. 6.1972, S. 4. 44 Ein Andersdenkender allein kann schwerlich eine Partei politisch u n terwandern, er wäre daher aufzunehmen, hundert können keine Volkspartei unterwandern, w o h l aber eine Untergliederung. Die Frage, wieviel Mitglieder m i t abweichender Meinung tragbar sind, ab wann die „Gefahr der Unterwanderung" abstrakt oder konkret gegeben ist, wäre ein von den Vertretern dieser Meinung übersehenes Folgeproblem. 45 Vgl. auch S. Magiera, DÖV 1973, S. 767, angesichts der „Programmerweiterung" der Volksparteien „bleibt für Aufnahmeablehnungen dieser Parteien nur geringer Raum".

1. Parteizugang

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satz respektieren. Selbst Beitrittswillige, die für eine Revision bestimmter parteipolitischer Ziele eintreten, sind aufzunehmen, wenn sie die allgemein verbindenden Grundsätze der Partei anerkennen 46 . Inkompatibilitäten, die eine Mitgliedschaft i n der ersuchten Partei ausschließen, sind möglich. Ist z. B. der betreffende Bewerber Mitglied, Mitarbeiter oder sogar Kandidat einer anderen Partei oder politischen Organisation, die gegen die u m Aufnahme angegangene Partei arbeitet, so ist der Zugang aus Gründen des verfassungsrechtlich vorausgesetzten Wettbewerbs der Parteien zu verweigern 4 7 . I m übrigen stünde die durch zweifache Parteimitgliedschaft erfolgte Verdoppelung der Partizipationschancen i m Widerspruch zur demokratischen Egalität; der Grundsatz „one man one vote " ist zu variieren in: „one man one membership Neben dieser unproblematischen Inkompatibilität gibt es jedoch i n der politischen Praxis weitere, politisch begründete Unvereinbarkeiten 48 . Die Frage, welches Gremium solche Inkompatibilitätsbeschlüsse fassen kann, und i n welchem Rahmen sie überhaupt zulässig sind, soll hier zurückgestellt werden 4 9 . Von Bedeutung i n dem eben behandelten Zusammenhang ist jedoch, daß bei einem Parteiaufnahmegesuch ein ordnungsgemäßer Unvereinbarkeitsbeschluß als Begründung der Ablehnung dienen kann, wenn sich der Bewerber i m Verlauf des Aufnahmeverfahrens nicht von der als unvereinbar m i t der Parteimitgliedschaft festgestellten weiteren Mitgliedschaft trennt. Hinsichtlich der Aufnahme ehemaliger Mitglieder anderer Parteien folgt aus dem Gesagten, daß die frühere Mitgliedschaft i n einer gegnerischen Organisation, von der sich der Bewerber getrennt hat oder von der er ausgeschlossen wurde, kein Ablehnungsgrund sein darf; der Zugang ist ohne Auflagen 5 0 zu gewähren, wenn keine anderen Verweige46

So auch F. Knöpfle, Staat 1970, S. 342 f. Entsprechend sind auch die Regelungen i n den Parteisatzungen, vgl. § 6 Organisationsstatut der SPD; § 2 I I I Satzung der F.D.P.; § 4 I I CDU-Statut. 48 Vgl. z. B. die Entschließung des SPD-Parteirates v o m 26. 2.1971, „ z u m Verhältnis von Sozialdemokratie u n d Kommunismus", die nicht n u r die U n vereinbarkeit zwischen SPD u n d kommunistischen Parteien zum I n h a l t hat, sondern auch die Mitgliedschaft i n oder die Zusammenarbeit m i t anderen kommunistischen Gruppen, die nicht Partei sind, verbietet. S. auch die Entschließung des SPD-Unterbezirks Bonn, der die Bundesgremien zu einem Beschluß des Inhalts auffordert, daß die Mitgliedschaft i n Organisationen „die die P o l i t i k der Aussöhnung u n d des Friedens sowie der inneren Reformen der SPD stören, behindern oder bekämpfen m i t der M i t g l i e d schaft i n der SPD unvereinbar sein" soll, vgl. FR v o m 29. 3.1971, S. 11. Ferner die Entschließung des SPD-Unterbezirks Marburg, die die gleichzeitige Mitgliedschaft i n der SPD u n d i m „ B u n d Freiheit der Wissenschaft" f ü r u n vereinbar erklärt, so FR v o m 17. 6.1971, S. 19. 49 s. dazu unten I. 3.: Inkompatibilitätsbeschlüsse. 50 So wurde bei der umstrittenen Aufnahme des früheren NPD-Stadtrates K. A. Rittler i n die Münchener SPD von dem Kandidaten eine klare 47

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2. Teil, I. Gesellschaftlicher u n d parteiinterner Bereich

rungsgründe vorliegen. Die Wiederaufnahme ausgetretener ehemaliger Mitglieder muß ebenso regelmäßig erfolgen. So wie ein früheres M i t glied einer anderen Partei seine politische Haltung ändern kann, muß man auch einem ehemaligen Mitglied der betreffenden Partei zugestehen, daß es seine Distanzierung wieder aufgibt, u m erneut i n der Partei mitzuarbeiten. A l l e i n bei Mitgliedern, die bei jedem nichtigen Anlaß ihrer Partei den Rücken kehren und kurze Zeit später wieder aufgenommen werden wollen, muß ab einer bestimmten Zahl von Parteiaustritten die bewiesene mangelhafte Kooperationsbereitschaft als Verweigerungsgrund anerkannt werden. Bei der Wiederaufnahme ausgeschlossener ehemaliger Mitglieder ist zu beachten, daß der Parteiausschluß keinen Dauertatbestand für eine Aufnahmeverweigerung i n alle Zukunft darstellt 5 1 . Es ist jedoch i m A u f nähme verfahren zu prüfen, ob die Voraussetzungen, die den Ausschluß rechtfertigten auch aktuell noch vorliegen. Gerade i m politischen Prozeß spielt der Zeitfaktor eine bedeutende Rolle und sowohl auf Seiten der Partei als auch beim Beitrittskandidaten können neue Einsichten i n den Vordergrund treten, die nach einiger Zeit eine Wiederaufnahme ermöglichen. Angesichts der Millionen ausländischer Arbeitnehmer i n der Bundesrepublik, von denen ein großer Teil bereits mehrere Jahre hier lebt, entsteht die Frage, i n welcher Weise sie am politischen Leben teilhaben können. Das PartG geht i n § 2 I I I von der Zulässigkeit der Mitgliedschaft von Ausländern in deutschen Parteien aus, wenn es bestimmt, daß politische Vereinigungen dann nicht Parteien sind, wenn sich unter ihren Mitgliedern oder i n ihrem Vorstand mehr als die Hälfte Ausländer befinden. I n der politischen Praxis ist dementsprechend die SPD „seit Jahren so verfahren, daß Ausländer i n die Partei aufgenommen werden" 6 2 . Die F.D.P. hat auf ihrem Freiburger Bundesparteitag am 24.10.1972 eine Ergänzung der Parteisatzung beschlossen, wonach nun auch Ausländer zu der Partei Zugang haben. Bei der CDU gibt es TenDistanzierung von der N P D verlangt u n d i h m zuerst dennoch eine jahrelange Wartefrist auferlegt, vgl. Spiegel, Nr. 51, 1969, S. 41. Die erste Voraussetzung ist sinnvoll u n d sollte i m Aufnahmeverfahren überprüft werden, weitere Auflagen i n bezug auf die Zeit des Beitritts u n d die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte sind jedoch unzulässig. Der Parteibeitritt darf nicht m i t der Entsagung auf Partizipationsrechte erkauft werden. 51 V o n der grundsätzlichen Möglichkeit der Wiederaufnahme eines aus der Partei ausgeschlossenen Mitgliedes geht auch § 7 des Organisationsstatuts der SPD aus, der f ü r diesen F a l l ein besonderes Aufnahmeverfahren v o r sieht, ebenso § 8 F.D.P.-Satzung. 52 Nach § 2 des Organisationsstatuts kann, w e n n die dort noch genannten Voraussetzungen vorliegen, „jede Person" M i t g l i e d der SPD werden, vgl. dazu auch den Bericht der F A Z v o m 30.10.1972, S. 4; sowie die Notiz i n FR v o m 19.1.1974, S. 13, wonach zwei Ausländer zu Beisitzern i m Vorstand des Frankfurter SPD-Ortsvereins Bahnhof gewählt wurden.

1. Parteizugang

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denzbeschlüsse i n diese Richtung 5 3 . Problematisch ist nun, wieweit die Inkorporierung von Ausländern i n die deutschen Parteien gehen kann, ob sie die gleichen Zugangs- und Mitwirkungsrechte haben wie deutsche Staatsbürger 54 . Die Regelung der F.D.P.-Satzung sieht vor, daß der ausländische Bewerber zwei Jahre i n der Bundesrepublik leben muß ( § 2 1 2 ) und zu Hause keiner Partei angehören darf, deren Ziele denen der F.D.P. i n der Bundesrepublik zuwiderlaufen (§ 2 I I I 2). Weitere Voraussetzungen sind nicht normiert; Beschränkungen des Mitgliederstatus für Ausländer wurden auf dem Parteitag, der die Satzungsänderung beschloß, abgelehnt 55 . Die Inkompatibilitätsklausel der Aufnahmeregelung ist sachlich begründet; wenn es sich auch nicht u m eine Konsequenz des Parteiwettbewerbs i n Deutschland handelt, so steht sie doch für eine materielle Unvereinbarkeit divergierender Grundhaltungen. Hinsichtlich der Zeitbestimmung ergeben sich ebenfalls keine Bedenken. Ä h n liche Regelungen, die politische Rechte m i t unterschiedlichen Fristen verknüpfen, finden sich z.B. i n den Wahlgesetzen, die die Ausübung des Wahlrechts von einem längeren Aufenthalt i m Wahlbezirk abhängig machen 56 . Der Grundgedanke, daß nur der mitbestimmen kann, der m i t den Problemen durch eigene Erfahrung vertraut und von der A r t ihrer Lösung betroffen ist, rechtfertigt bei Ausländern, die aus vielen Gründen eine längere Zeit zum Einleben brauchen und oft nach einiger Zeit wieder i n ihre Heimat zurückkehren, die i n der F.D.P.Satzung vorgesehene Frist von 2 Jahren. Z u diesen Kriterien kommt die nach § 2 I I I PartG mögliche Begründung der Abweisung von Ausländern: die Mehrzahl der Parteimitglieder müßten Deutsche sein. Die Parteien sind nicht verpflichtet, etwa bis zu 49 % ausländische Mitglieder aufzunehmen. Die Rechtsposition der Ausländer ist im Parteienrecht gegenüber der deutscher Staatsbürger schwächer, da A r t . 33 I GG, m i t dem die Aufnahmepflicht der Par63 So berichtete die F A Z am 16. 2.1972, S. 5, die CDU bereite zur Zeit die Möglichkeit einer Mitarbeit von Ausländern i n ihren Parteigliederungen vor, u n d die FR berichtete am 8. 3.1972, S. 4, zur Zeit prüfe die CDU einen A n t r a g ihres letzten Parteitages i n Saarbrücken, der die Möglichkeit einer Mitarbeit v o n Ausländern vorsieht. Nach § 4 I der gültigen CDU-Satzung kann jedoch n u r „jeder Deutsche" Parteimitglied werden. 54 Grundsätzliche Bedenken gegen die M i t w i r k u n g fremder Staatsangehöriger i n Parteien bei K . Doehring, V V D S t R L 32 (1974), S. 37 u n d J. Isensee, ebd., S. 98. 55 Vgl. den Bericht von V. Hoffmann, FR v o m 25.10.1972, S. 4, es wurde vorgeschlagen f ü r Ausländer Gastmitgliedschaften ohne Stimmrecht zu schaffen, d. h. ihnen auch die M i t w i r k u n g an der Kandidatenaufstellung vorzuenthalten. 56 Vgl. z.B. § 12 I Ziff. 2 B W a h l G ; § 2 Ziff. 3 hess. LandtagswahlG; § 22 I Ziff. 3 hess. K O ; § 30 I Ziff. 3 hess. GO.

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2. Teil, I. Gesellschaftlicher u n d parteiinterner Bereich

teien u. a. begründet wurde, die staatsbürgerlichen Rechte nur Deutschen garantiert. Auch von den politischen Grundrechten, deren Effektivierung die Parteien dienen sollen, stehen z. B. A r t . 8 und 9 GG nur den Deutschen zu. Daraus folgt, daß die Parteimitgliedschaft von Ausländern zwar nicht ausgeschlossen ist, daß die Parteien jedoch nicht verpflichtet sind, sie aufzunehmen 57. Diese Rechtsstellung garantiert ausländischen Bewerbern i m A u f nahmeverfahren nicht bereits dann den Zugang zu einer Partei, wenn keiner der Tatbestände vorliegt, die die Aufnahme eines Deutschen ausschließen. Den zuständigen Parteigremien bleibt hier ein weiterer Entscheidungsspielraum, der allerdings nicht zu willkürlichen Ablehnungen berechtigt. Diese Konzeption steht im Einklang mit dem AuslG, das i n § 6 I I u. a. dann die Einschränkung der politischen Betätigung von Ausländern vorsieht, wenn dies zur Abwehr von Beeinträchtigungen der politischen Willensbildung i n der Bundesrepublik erforderlich ist. Da Ausländer innerhalb der Parteien an der politischen Willensbildung i m verfassungsrechtlich vorgesehenen Rahmen des A r t . 21 GG m i t w i r ken, kann von daher auch keine Beeinträchtigung ausgehen. Aus § 6 III Ziff. 3 AuslG läßt sich im Umkehrschluß ebenfalls ein Argument für die Zulässigkeit politischer Betätigung von Ausländern in deutschen Parteien herleiten. Wenn dort politische A k t i v i t ä t von Ausländern verboten ist, die „bestimmt ist, Parteien . . . außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes zu fördern, die m i t den Verfassungsgrundsätzen der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind", so ist sie i m Rahmen deutscher verfassungsmäßiger Parteien erlaubt. Hinsichtlich der Statusrechte von Ausländern als Parteibürger bestehen Differenzierungen gegenüber der Rechtstellung deutscher Parteimitglieder. Solange der „immanente Vorbehalt" des A r t . 38 GG die deutsche Staatsbürgerschaft ist 5 8 , können sich an der innerparteilichen Kandidatenaufstellung zu öffentlichen Wahlen nur wahlberechtigte Deutsche beteiligen, denn Wahlakt und Wahlvorbereitung — zu der auch das Wahlvorschlagsrecht der Parteien zählt — sind eine Einheit 5 9 . Entsprechend bestimmt z.B. § 22 I BWahlG, daß die Kandidaten nur von den „wahlberechtigten Mitgliedern der Partei" aufgestellt werden dürfen. Es ist daher unzulässig, daß an der Kandidatenaufstellung, bei 57 Z u einem differenzierenden Ergebnis k o m m t auch F. Knöpfle, Staat 1970, S. 340, der v o n i h m vertretene Aufnahmeanspruch soll n u r Deutschen zustehen, die Mitgliedschaft von Ausländern i n Parteien ist jedoch zulässig; ähnlich K. P. Dolde, D Ö V 1973, S. 374. 58 Nach A r t . 33 I GG stehen die staatsbürgerlichen Rechte — zu denen vornehmlich auch das Wahlrecht zählt — n u r Deutschen zu, vgl. auch § 12 I B W a h l G : „wahlberechtigt sind alle Deutschen i m Sinne des A r t . 116 GG." 59 BVerfGE 4, 375 (387); T. Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, GG, Rdnr. 38 zu A r t . 38; C. Geisler, ZParl. 1973, S. 476.

2. Parteiaustritt, -ausschluß

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der bereits Vorentscheidungen der Wahlen fallen, Ausländer teilnehmen 6 0 . Die Mitgliedschaft in einer politischen Partei berechtigt folglich Ausländer nicht, an der innerparteilichen Kandidatenaufstellung mitzuwirken. Eine andere Lösung dieser Frage könnte sich nur dann ergeben, wenn der Gesetzgeber Ausländern ein partielles Wahlrecht — z. B. i m Kommunalbereich 6 1 — zubilligen würde. I n diesem Ausmaß wären sie dann auch berechtigt, über die Kandidaten ihrer Partei zu diesen Wahlen m i t abzustimmen. Die Fragen des Parteizugangs sind w o h l nicht zuletzt deshalb i n der juristischen Literatur wenig behandelt, w e i l es durch die liberale A u f nahmepraxis der Parteien bisher zu keinen größeren Konflikten kam. Es gilt, diesen Zustand rechtlich abzusichern und über ein faires Parteizugangsverfahren bürgerschaftliche Teilhabe i n offenen Volksparteien zu garantieren. Es besteht ein innerer Zusammenhang zwischen den Regelungen des Parteizugangs und denen des -ausschlusses 62. Ein den status activus processualis des Parteibürgers vor vorschnellem Parteiausschluß schützendes Verfahren kommt bei restriktivem Zugangsrecht nicht v o l l zum Tragen. Es ist grundsätzlich jedem Bürger die Chance zur Parteitätigkeit zu eröffnen. Denn selbst Leute, die zunächst nicht ganz i n eine bestimmte Partei zu „passen" scheinen, können — sind sie erst einmal formal Parteimitglieder — auf Dauer auch sachlich integriert werden und partizipieren. Korrekturen können dann immer noch über Ausschlußverfahren erfolgen. I n dieser Relation stehen Parteizugang und -ausschluß und nicht umgekehrt 6 3 . 2. Parteiaustritt, -ausschluß Wie das BVerfG bereits i m SRP-Urteil betonte, gehört zu den demokratischen Grundsätzen nach A r t . 21 I 3 GG u. a. die Gewährleistung der Freiheit des Parteiaustritts der Mitglieder 6 4 . Entsprechend normiert auch § 10 I I 3 PartG das Recht zum jederzeitigen und sofortigen Aust r i t t aus der Partei. Die Parteisatzungen, die nach § 6 I I Nr. 2 PartG 60 E. Lengers, Rechtsprobleme bei Parteiausschlüssen, S. 50; C. Geisler, ZParl. 1973, S. 476; J. Henkel, ZParl. 1974, S. 92; J. Isensee, W D S t R L 32 (1974), S. 98. 61 Vgl. dazu O. Behrend, D Ö V 1973, S. 376 ff. 62 S. Magiera, D Ö V 1973, S. 767, geht i n dieser Erkenntnis sogar soweit, einen Zugangsanspruch i n den Grenzen des Verbleibensanspruchs (§ 10 I V PartG) zu begründen. 83 Dagegen ist zur Zeit die Rechtsstellung der Parteimitglieder f ü r den F a l l des Ausschlusses stärker ausgestaltet, als die der Mitgliedschaftsanwärter, vgl. F. Knöpfle, Staat 1970, S. 322. 84 E 2, 1 (40); i n der Lit., vgl. z.B.: K . Hesse, W D S t R L 17 (1959), S. 28; A. v. d. Heydte, i n : v. d. Heydte / Sacherl, Soziologie der deutschen Parteien, S. 85; T. Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, Grundgesetz, Rdnr. 67 zu A r t . 21;

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2. Teil, I. Gesellschaftlicher u n d parteiinterner Bereich

Bestimmungen über den Austritt der Mitglieder enthalten müssen, formalisieren teilweise die Modalitäten, u m Klarheit über den Zeitpunkt der Beendigung der Mitgliedschaftsrechte zu schaffen 65 , ohne dabei die Austrittsfreiheit selbst einzuschränken 66 . Vergleichbar dem Wahlrecht, das keine Wahlpflicht werden darf, soll die politische Freiheit nicht zum Zwang werden, ist auch das Recht des Bürgers, parteipolitisch tätig zu sein, nur Partizipationschance und nicht -zwang. Doch darf der Verzicht auf die Parteimitgliedschaft weder durch staatlichen Druck noch durch die Partei selbst erzwungen werden. Die Parteien können berechtigte Interessen gegenüber ihren Mitgliedern nur i n Ordnungsoder Ausschlußverfahren durchsetzen. M i t dem Parteiaustritt verliert der Bürger seine Mitgliedschaftsrechte und Parteiämter. Der Parteiausschluß ist ein probates M i t t e l i n der politischen Praxis, u m Nonkonformisten m i t ihren Vorstellungen aus dem innerparteilichen Willensbildungsprozeß zu eliminieren 6 7 . Er ist nicht nur ein häufig praktiziertes, sondern auch ein oft angedrohtes Instrument, u m mißliebige Töne i m innerparteilichen Meinungskonzert verstummen zu lassen. Die Ausschlußregelung i n § 10 IV, V PartG war den Parteien noch zu stumpf, und es wurden bald nach Erlaß des PartG Stimmen laut, die diese Vorschrift i n eine schneidigere Waffe gegen innerparteiliche Dissidenten umformulieren wollten. Nach den Vorstellungen der „Reformer" sollte ein Parteimitglied bereits dann ausgeschlossen werden können, „wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen die Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt" 6 8 , ohne daß ihr damit „schwerer Schaden" zugefügt wurde, wie es § 10 I V PartG verlangt. Wegen massiver öffentlicher K r i t i k an dem Vorhaben kam es bisher zu keiner Gesetzesvorlage, doch wurden immer wieder neue Formulierungen m i t dieser Tendenz vorgeschlagen. So sollte z. B. bei Verstößen der genannten A r t ein Mitglied bereits dann ausgeschlossen werden können, wenn W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 93; W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien nach dem GG u n d ihre Ausführung nach dem PartG, S. 110; G. Rabus, AöR 78 (1952/53), S. 181; G. Leibholz, S t r u k t u r w a n del, S. 127. 65 Vgl. z. B. §§ 4 I I , I I I u n d 13 I V Organisationsstatut der SPD, wonach der A u s t r i t t durch schriftliche Erklärung, Rückgabe des Mitgliedsbuches oder Beitragsverweigerung vollzogen w i r d , auf die letzte Möglichkeit, die einem verdeckten Parteiausschluß gleichkommt, ist oben noch einzugehen; nach § 9 I des CDU Statuts endet die Mitgliedschaft m i t dem Zugang einer schriftlichen E r k l ä r u n g beim zuständigen Kreisverband. 86 Sie sollen bewirken, daß die Beendigung der Mitgliedschaft jederzeit eindeutig feststellbar ist, vgl. W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 93. 67 z. B. den Ausschluß aus der SPD v o n R. Schmidt (vgl. Spiegel Nr. 38/ 1970, S. 38) u n d von D. K i t t n e r (vgl. FR v o m 18. 4.1972, S. 14). 68 So die Berichte i n der Presse: Spiegel, Nr. 40/1970, S. 46; V. Hoff mann, FR v o m 24. 9.1970; H. Lerchbacher, FR v o m 29. 9.1970; V. Hoff mann, FR v o m 8. 7.1971, S. 1; F A Z v o m 30. 7.1971, S. 1, 6; U . - K . Heye, SZ v o m 10. 8.1971.

2. Parteiaustritt, -ausschluß

schwerer Schaden für die Partei noch nicht entstanden, aber Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist" 6 9 .

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„mit

Die Ausschlußgründe sind i n § 10 I V PartG abschließend genannt 70 , Analogien sind nicht möglich, das folgt aus der Formulierimg „nur dann". I m Einzelnen: Der vorsätzliche Satzungsverstoß setzt voraus, daß das betreffende Mitglied die Satzung auch kannte, u m wissentlich dagegen zu verstoßen und dies auch zu wollen. Da die Satzung für eine Partei zwingend vorgeschrieben ist (§ 6 PartG), damit nach der so normierten innerparteilichen Ordnung politische Aktivitäten verlaufen und Konflikte ausgetragen werden, stellt sie die gemeinsame formelle Grundlage aller Parteimitglieder dar 7 1 . Sie regelt die Verfahren zur Formulierung der Parteipolitik und nicht — wie das Programm — deren Inhalte. I n der Anerkennung der geltenden Satzung als für jedes Mitglied verbindlich, liegt die conditio sine qua non des Agierens i m Parteibürgerstatus. Dieser zwingende Minimalkonsens verbietet nicht, für eine Satzungsänderung auf formellem Wege einzutreten, er bindet jedoch alle M i t glieder an die jeweils gültige Fassung. Der vorsätzliche Satzungsverstoß ist geeignet, der innerparteilichen Willensbildung und Ordnung die Grundlage zu entziehen. Wer so handelt, hat bereits von sich aus die gemeinsame Ausgangsbasis aller Mitglieder der betreffenden Partei verlassen. Ein weiterer Ausschlußtatbestand ist der erhebliche Vorstoß gegen Grundsätze der Partei 72. Dies bezieht sich auf die politisch-program69 So ein weiterer E n t w u r f des Vorsitzenden der SPD-Arbeitsgruppe zur Reform des Parteiengesetzes H. Schmitt-Vockenhausen, vgl. Spiegel, Nr. 34/1971, S. 26. Noch geringere Ausschlußanforderungen stellt die von der F A Z v o m 30.7.1971, S. 1 u n d v o m Hanauer Anzeiger v o m 7. 9.1971 verbreitete Formel, wonach ein M i t g l i e d schon dann ausgeschlossen werden kann, wenn durch sein Verhalten ein schwerer Schaden „hätte entstehen können". 70 Auch hier g i l t der rechtsstaatliche Grundsatz „ n u l l a poena sine lege", vgl. G. Rabus, AöR 78, (1952/53), S. 183, der jedoch gleichzeitig glaubt, eine gesetzliche Festlegung der materiellen Voraussetzungen des Parteiausschlusses sei unmöglich. — E. Lengers, Rechtsprobleme bei Parteiausschlüssen, S. 46 ff., sieht i n § 10 I V P a r t G keine abschließende Regelung. 71 Identisch m i t dem i n der Organisationssoziologie herausgestellten Begriff der formalen Organisation, der jene Verhaltenserwartungen bezeichnet, „die unverbrüchlich gelten sollen, die jedes M i t g l i e d des Systems anerkennen muß, w e n n u n d solange es M i t g l i e d bleiben w i l l " , so N. Luhmann, Artikel: Organisation, soziologisch, i n : Ev. Staatslexikon, Sp. 1411, der jedoch betont, daß die bloße Unterscheidung von formaler u n d informaler Organisation als Verständigungsgrundlage der Organisationssoziologie nicht mehr ausreiche. Vgl. dazu auch ders., F u n k t i o n u n d Folgen formaler Organisation. 72 Hier genügt die E r f ü l l u n g des objektiven Tatbestandes, vgl. W. Breithaupt, JZ 1967, S. 563; J. Mühlen, Parteienunabhängigkeit v o m Staat, S. 58. — Entgegen dem klaren Wortlaut des § 10 I V P a r t G soll nach einer Meinung das subjektive Tatbestandselement des Vorsatzes von der ersten A l t e r n a -

14 Trautmann

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2. Teil, I. Gesellschaftlicher u n d parteiinterner Bereich

matischen Grundlagen 7 3 . Z u Recht w i r d hier ein „erheblicher" Verstoß gefordert. Denn i m Bereich der politischen Auseinandersetzungen und Agitationen müssen die Parteibürger einen größeren Spielraum haben, um auch anerkannte Grundsätze der Parteipolitik zu kritisieren und abändern zu können. Der kritische Punkt dieses Tatbestandes ist also das Merkmal der Erheblichkeit. Zur Garantie eines offenen innerparteilichen Prozesses, i n dessen Verlauf politische Ziele revidiert werden können und Innovationen möglich sind, ist dieser unbestimmte Rechtsbegriff so zu interpretieren, daß nur sehr nachhaltige, weitreichende Verstöße gegen die Grundsätze der Partei darunter fallen 7 4 . Dies ist i n der Regel bei einem einmaligen 7 5 Verstoß, selbst wenn er i m Augenblick einiges Aufsehen erregt, nicht der Fall. Da die Volksparteien ihre programmatisch politischen Aussagen sehr unpräzise und weit halten, um möglichst viele Gruppen anzusprechen, sind echte Verstöße i m beschriebenen Sinn selten. I m übrigen sind es wohl primär Parteifunktionäre und Mandatsträger, die i n ihren Funktionen erheblich gegen Parteigrundsätze verstoßen können, den gewöhnlichen Mitgliedern w i r d es an Gelegenheiten dazu mangeln. Schließlich ist als dritter und letzter Ausschlußtatbestand der erhebliche Verstoß gegen die Ordnung der Partei genannt. Der Begriff der inneren Parteiordnung findet sich bereits i n A r t . 21 I 3 GG, es gehören dazu neben der Organisation der innerparteilichen Willensbildung durch das PartG und die Parteisatzung, den Regeln für die Kandidatenaufstellung auch die übrigen Inhalte von „Satzung und Parteiprogramm und das Statusrecht der einfachen wie der qualifizierten M i t tive auch auf die weiteren Fallgruppen ausgedehnt werden, so daß hier ein vorsätzlicher u n d erheblicher Verstoß gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei gefordert w i r d , vgl. etwa E. Lengers, Rechtsprobleme bei Parteiausschlüssen, S. 43 ff.; R. Groß, D Ö V 1968, S. 82, auf den er sich bezieht, n i m m t zu dieser Frage nicht ausdrücklich Stellung, sondern zitiert den T e x t des § 10 I V PartG unkorrekt. 73 ff. P. Bull, ZRP 1971, S. 197, w ü r d e anstelle des Begriffs Grundsätze lieber sehen, daß allein auf das Parteiprogramm abgestellt würde. — A . A. E. Leng er s, Rechtsprobleme bei Parteiausschlüssen, S. 118, der unter G r u n d sätzen i m Sinne des § 10 I V PartG „wesentlich weniger, als das, was i n Parteiprogramme aufgenommen w i r d " , versteht. 74 Z u leicht könnte sonst gerade bei diesem Tatbestand der Ausschluß als M i t t e l der politischen Auseinandersetzung mißbraucht werden, vgl. zum Problem allgemein: ff. Lenz IC. Sasse, J Z 1962, S. 233 ff.; ff. P. Bull, ZRP 1971, S. 196 ff.; ff. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 380 f. Aus Gründen der freien demokratischen Meinungsbildung innerhalb der Parteien dürfen politische K o n f l i k t e nicht durch Parteiausschlüsse beendet werden, so auch W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 94. 75 Selbst nach dem auf Erleichterung des Parteiausschluß abzielenden Novellierungsentwurf der SPD zum P a r t G soll ein „erheblicher" Verstoß erst dann vorliegen, w e n n er „wiederholt" geschehen ist, vgl. F A Z vom 30. 7.1971, S. 1.

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glieder der Partei" 7 6 . Als äußeres Ordnungselement kommt die gegenseitige Abgrenzung der i m verfassungsmäßigen Parteienwettbewerb miteinander konkurrierenden Parteien sowohl durch die Organisation als auch durch das Verhalten der einzelnen Mitglieder hinzu. Dieser Ausschlußtatbestand ist insgesamt gesetzestechnisch mißglückt; denn er umfaßt weitgehend die Tatbestände der beiden ersten Ausschlußgründe und erhebt zusätzlich den nicht vorsätzlichen aber erheblichen Satzungsverstoß zum weiteren Ausschlußgrund. Als Korrektiv muß zusätzlich zu der Erfüllung eines jeden der drei Ausschlußtatbestände das von den Verfechtern einer rigorosen Parteiausschlußpolitik bekämpfte Merkmal des i n dem konkreten Verstoß liegenden schweren Schadens für die Partei erfüllt sein. Dieser Schadensbegriff i n § 10 I V PartG ist sicher nicht m i t dem primär auf Restitution abzielenden Schadensbegriff des Zivilrechts identisch (§§ 249 ff. BGB). I n der Regel w i r d es sich u m immaterielle politische Nachteile, wie Verlust an Vertrauenswürdigkeit, Ansehen und Wahlchancen handeln, die schwer nachzuweisen und juristisch nicht leicht faßbar sind 7 7 . Trotzdem sollte an diesem unbestimmten Rechtsbegriff 78 nicht zuletzt deshalb festgehalten werden, w e i l das Interesse der Parteien, sich von bestimmten Mitgliedern zu trennen, dann schutzwürdig ist, wenn die betreffende Partei nachweisen kann, daß ihr die Tolerierung der Dissidenten Nachteile gebracht hat 7 9 . Der Begriff des schweren Schadens ist anhand auftretender Fälle i m Lichte der öffentlichen Aufgaben der Parteien zu präzisieren und praktisch handhabbar zu machen. Ein schwerer Schaden liegt nicht bereits i n einem Verstoß gegen Satzung, Grundsätze oder Ordnung einer Partei 8 0 , sondern er muß durch besondere Auswirkungen des konkreten Verstoßes entstanden u n d entsprechend schwerwiegend sein. I n der Regel wiederholen die Parteisatzungen die Formulierung des § 10 I V PartG 8 1 . Zusätzlich enthalten einige noch Kataloge, die beispiel76

Bericht der Parteienrechtskommission, S. 160. So auch die Begründung derjenigen, die die Schadensklausel streichen wollen, vgl. den Bericht v o n V. Hoffmann, FR v o m 8. 7.1971, S. 1. 78 P. Häberle, Öffentlichkeit, S. 29 A n m . 204; W. Rutschke, zit. nach Spiegel, Nr. 40/1970, S. 46. 79 D. Hahn, Innerparteiliche Demokratie, S. 40, w i l l die Schadensklausel entgegen dem klaren W o r t l a u t einschränkend i n dem Sinn auslegen, daß der Nachweis genügen soll, „ob das Verhalten des Parteimitgliedes geeignet ist, der Partei schweren Schaden zuzufügen". 80 Nach H. P. Bull, ZRP 1971, S. 197, w i r d i n der Praxis „ i n typischen F ä l len v o n Pflichtverletzungen stets eine Schädigung des Parteiinteresses v e r mutet". 81 So § 35 I I I Organisationsstatut der SPD; § 11 I Statut der CDU; § 6 I I S. 1 Satzung der F.D.P. 77

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haft solche Fälle aufzählen 82 . Allerdings können die betreffenden Parteien nicht auf diesem Wege die strengen Voraussetzungen des § 10 I V PartG aushöhlen oder gar neue Ausschlußtatbestände erfinden 8 3 . I n jedem Einzelfall ist zu prüfen, ob einer der Ausschlußgründe des PartG vorliegt und ob zudem tatsächlich ein schwerer Schaden für die Partei eingetreten ist. Die Regelungsbefugnis der Parteien hinsichtlich des Ausschlusses von Mitgliedern (§ 6 I I Ziff. 4 PartG) gibt ihnen nur die Möglichkeit zur liberaleren Ausgestaltung des Ausschlußrechts, als dies nach dem PartG der Fall ist. Eine strengere Regelung i n den Parteisatzungen, m i t weiteren Ausschlußgründen, steht nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10 I V PartG — „kann nur" — i m Widerspruch zu höherrangigem Recht und ist daher ungültig. Der Parteiausschluß ist die ultima ratio 8 4 i m Interessenkonflikt zwischen der Partei(mehrheit) und einem Mitglied oder einer Mitgliedergruppe. Eng begrenzte Ausschlußgründe und ihre restriktive Anwendung sind zugleich ein Stück Minderheitenschutz i n der innerparteilichen Demokratie. Auch zur Erhaltimg der nach A r t . 33 I GG allen Deutschen zustehenden Teilhabechancen des Aktivbürgerstatus heißt die Direktive: Beschränkung der Ausschlußmöglichkeiten und Sicherung des Verbleibens eines Mitgliedes i n der Partei 8 5 . Schließlich verwehrt gerade auch A r t . 21 I 3 GG den Parteien, „den Gebrauch demokratischer Gestaltungsrechte m i t Ausbürgerungssanktionen zu verfolgen" 8 6 . Bei der Ausschaltung innerparteilicher Opposition qua Ausschluß würde die Willensbildung der Partei erstarren und die politischen Eliten verfestigten sich konkurrenzlos zu Oligarchien. Die Parteien müssen als Partizipationsinstrumente der Bürger flexibel unterschiedliche Auffassungen und Interessen der organisierten Individuen verkraften können. Erst wenn durch das Verhalten einzelner Mitglieder der verfassungsmäßige Parteienwettbewerb gefährdet w i r d und die Grenzen zwischen den konkurrierenden Parteien verwischt werden 8 7 , so 82

So z. B. die §§ 12 - 14 des CDU-Statuts; § 6 I I 2 der F.D.P.-Satzung. § 14 des Statuts der C D U verstößt i n seiner Ziff. 1 deshalb gegen § 10 I V PartG, w e i l er entgegen dieser gesetzlichen Vorschrift, die abschließend die Ausschlußgründe benennt, einen weiteren Ausschlußgrund per Satzung normiert. „Die rechtskräftige Verurteilung wegen einer ehrenrührigen strafbaren Handlung" ist weder ein Verstoß gegen Satzung, Grundsätze noch Ordnung der Partei u n d daher kein zulässiger Ausschlußgrund. Anders wäre es n u r bei der richterlichen Aberkennung des Wahlrechts oder der W ä h l barkeit (vgl. § 10 I S. 4 PartG), darauf w i r d oben noch eingegangen. 84 H. Lenz / C. Sasse, J Z 1962, S. 233. 86 A . A . W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 94, der den Akzent auf die „Parteienfreiheit" u n d nicht auf den freiheitlichen Status des Parteimitglieds setzt. 86 H. Lenz / C. Sasse, J Z 1962, S. 241. 87 Dazu zählt etwa die als Satzungsverletzung u n d Verstoß gegen die Ordnung der Partei anzusehende gleichzeitige Mitgliedschaft i n einer ande83

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daß der Wähler die Parteilinie nicht mehr erkennen kann 8 8 , ist der Punkt erreicht, wo der Anspruch der Parteien auf werbewirksames Auftreten nach außen der politischen Entfaltung des Bürgers i n der Parteiorganisation gegenüber vorgeht. Es bleibt zu prüfen, ob außer den i n § 10 I V PartG genannten Ausschlußgründen weitere geregelt sind. Anlaß dazu ist Abs. 1 S. 4 dieser Vorschrift. Danach können „Personen, die infolge Richterspruchs die Wählbarkeit oder das Wahlrecht nicht besitzen . . . nicht Mitglieder einer Partei sein". Hierbei handelt es sich u m einen absoluten Hinderungsgrund, der sowohl den Zugang zu einer politischen Partei als auch das Verbleiben i n ihr untersagt. I n die Reihe der Ausschlußtatbestände kann man die genannten Voraussetzungen jedoch nicht einordnen, da bei ihrem Vorliegen nicht i m Ausschlußverfahren über die weitere Mitgliedschaft entschieden werden darf; sie erlischt vielmehr ipso iure mit dem Richterspruch 80 . Weiter glaubt F. Knöpfle, daß eine dauernde, vorsätzliche Beitragsverweigerung als Ausschlußgrund i n Betracht komme 9 0 . Noch bedenkenloser bestimmt das Organisationsstatut der SPD i n § 13 IV, daß die Nichtzahlung des Mitgliedsbeitrages länger als drei Monate und nach Zustellung von zwei Mahnungen als Austrittserklärung gilt. Rechtstechnisch entzieht sich die Partei dem aussichtslosen Ausschlußverfahren und deutet die Beitragsverweigerung i n eine Austrittserklärung um. Aussichtslos wäre ein auf diesen — i n § 10 I V PartG nicht genannten — Grund gestütztes Ausschlußverfahren bereits deshalb, weil die relativ geringe Summe des verweigerten Beitrages 91 angesichts des Millionenetats der Partei für diese keinen schweren Schaden darstellt 9 2 . I m übrigen kann die Nichtzahlung des Parteibeitrages m i t keiner noch so konstruierten Argumentation angesichts der besonderen Regelung i n § 10 I I 2 PartG überhaupt noch als Ausschlußgrund herangezogen werden. Wenn nach dieser Vorschrift die Ausübung des Stimmrechts durch die Parteisatzung davon abhängig gemacht werden kann, „daß das Mitglied seine Beitragspflicht erfüllt hat", so folgt daraus, daß die Beitragsverweigerung höchstens m i t dem ren Partei (vgl. auch § 12 Ziff. 1 Statut der CDU; § 6 I I S. 2 der F.D.P.-Satzung) oder das die — z. B. durch § 10 I GeschOBT normierte — äußere Parteiordnung verletzende Separieren eines gewählten Mandatsträgers von der F r a k t i o n (vgl. § 12 Ziff. 3 C D U - S t a t u t ; § 6 I I S. 2 F.D.P.-Satzung). 88 H. P. Bull, ZRP 1971, S. 197. 89 F. Knöpfle, Staat 1970, S. 341. 90 I n : Staat 1970, S. 341; zustimmend E. Lengers, Rechtsprobleme bei Parteiausschlüssen, S. 48; ebenso die F.D.P.-Satzung, die i n § 6 I I die „schuldhaft unterlassene Beitragszahlung" zum Ausschlußgrund erhebt. 91 Geht man von dem bei der SPD nach § 13 I Organisationsstatut höchst möglichen Beitragssatz aus, so schuldet das M i t g l i e d nach drei Monaten die Summe von 360,— D M . 92 Ebenso W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 95.

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Stimmrechtsentzug gekoppelt werden kann. Das Mitglied bleibt weiter i n der Partei, nur das Stimmrecht r u h t 9 3 . Eine fingierte Ausschlußerklärung oder gar ein weiterer Ausschlußgrund kann nach der eindeutigen Regelung des PartG sowohl i n § 10 I I 2 als auch i n IV, aus der Beitragsverweigerung nicht resultieren 94 . Schließlich bleibt noch die Frage des Verlustes der Parteimitgliedschaft durch Unvereinbarkeitsbeschlüsse 95 zu erörtern. Sicher kann das Schiedsgericht i m Ausschlußverfahren nicht seine Auffassung über Inkompatibilitäten an die Stelle der Entscheidung der kompetenten Parteigremien setzen. Rechtmäßige Unvereinbarkeitsbeschlüsse binden i n ihrer Tatbestandsfeststellung auch die Parteigerichte 96 . Das heißt aber nicht, daß m i t der Pönalisierung der Mitgliedschaft i n einem gegnerischen politischen Verband uno actu das Doppelmitglied mit sofortiger Wirkung aus der Partei ausgeschlossen wäre 9 7 . Der Unvereinbarkeitsbeschluß ist eine Konkretisierung der Grundsätze der Parteipolitik. Die beharrliche Doppelmitgliedschaft stellt daher einen Verstoß gegen die Grundsätze der Partei i m Sinne des § 10 I V PartG dar. I m Ausschlußverfahren bleibt dann nach wie vor durch das Parteigericht zu prüfen, ob es sich auch u m einen „erheblichen" Verstoß handelt und ob dadurch der Partei „schwerer Schaden" entstanden ist. Ein Inkompatibilitätsbeschluß kann also nicht das Parteiausschlußverfahren nach §10 IV, V PartG überspielen. Er setzt nur den leicht überprüfbaren Tatbestand der unzulässigen Doppelmitgliedschaft, dessen Erfüllung einen Verstoß gegen die Grundsätze der Partei indiziert. Entschließt sich das betroffene Mitglied i m Laufe des Ausschlußverfahrens, aus dem konkurrierenden Verband auszutreten, so entfällt damit der Ausschlußgrund, das Mitglied bleibt i n der Partei. I m Parteiausschlußverfahren ist jeweils i m Einzelfall zu untersuchen, ob ein Ausschlußtatbestand erfüllt ist. Diese Tatbestandsprüfung ist jedoch nicht die einzige Funktion des Verfahrens. Nach § 10 I V PartG „kann" ein Mitglied ausgeschlossen werden, wenn die materiellen Voraussetzungen gegeben sind. Daraus folgt, daß die m i t der Frage befaßten Schiedsgerichte der verschiedenen Instanzen einen Ermessensspiel98 So auch die m i t dem P a r t G i m Einklang stehenden Regelungen des § 7 I I des Statuts der C D U oder § 4 I I I der Satzung des F.D.P.-Landesverbandes Hessen, Stand 4.11.1968, die F.D.P. regelt das Beitragswesen auf der Ebene der Landesverbände. 94 A . A . F. Knöpfle, Staat 1970, S. 341 f. 95 Näher zu I n k o m p a t i b i l i t ä t e n unter 3. 96 So auch die Regelung des § 6 I I I des SPD-Organisationsstatuts. 97 I n diese Richtung gehen die auf der Rechtslage vor Erlaß des PartG fußenden Bedenken von ff. Lenz/C. Sasse, J Z 1962, S. 239. — Vgl. zur SPD-Praxis des Parteiausschlusses nach einem Unvereinbarkeitsbeschluß die Dokumente bei O. K . Flechtheim, Die Parteien i n der BRD, S. 501 ff.

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räum haben, trotz Erfüllung eines Ausschlußtatbestandes vom Ausschluß abzusehen. Das Verfahren nach § 10 V PartG bedeutet also eine zusätzliche Chance für den Betroffenen, durch Darlegung seines Standpunktes und die Gründe für sein Handeln den Ausschluß abzuwenden. Konstitutiv hierfür ist das aus A r t . 103 I GG begründbare rechtliche Gehör, das i m PartG selbst nicht mehr besonders geregelt ist 9 8 . Die Parteiverfahrensordnungen haben aber zutreffend die mündliche Verhandlung i m Schiedsverfahren zwingend vorgeschrieben 99 . Auch die Besetzung der Schiedsgerichte m i t unabhängigen Parteimitgliedern, die keine Vorstandsfunktionen ausüben dürfen, fördert die Chance, daß i n der aktuellen Parteipolitik nicht übermäßig engagierte Personen abweichende Meinungen eher tolerieren und ein Ausschluß vermieden wird. So dienen die Parteischiedsgerichte — trotz ihres Namens — weniger der Wahrheitsfindung und Rechtsprechung, als vielmehr der politischen Schlichtung. I n dieser Funktion sollen sie beim Ausschlußverfahren bewirken, daß parteibürgerliche Statusrechte möglichst erhalten und vermittelnde Lösungen gefunden werden. I m Verfahren ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i n diesem Sinn ebenfalls anzuwenden, und vor der scharfen Waffe des Ausschlusses ist immer noch die Anwendung einer milderen Ordnungsmaßnahme zu erwägen 1 0 0 . Sofern das erstbefaßte Parteigericht keinen Kompromiß i n der angedeuteten Richtung findet, besteht die Chance für den Betroffenen erneut vor der innerparteilichen Berufungsinstanz (§ 10 I V 2 PartG). Das Verfahrensrecht ergänzt und bestärkt also die Stoßrichtung des materiellen Parteiausschlußrechts in seiner Tendenz, möglichst die Mitgliedschaft nicht zu beenden. Die Fragen des Rechtsweges gegen Parteiausschlüsse und des Umfanges ihrer Nachprüfbarkeit durch staatliche Gerichte bleiben hier unerörtert 1 0 1 , da sie nicht mehr primär die innerparteiliche Demokratie, sondern den außerparteilichen Schutz eines ihrer Grundsätze betreffen.

98 Z u m rechtlichen Gehör als Grundsatz des Parteiausschlußverfahrens vgl. H. Lenz/C. Sasse, J Z 1962, S. 239; w o h l auch G. Leibholz, S t r u k t u r w a n del, S. 127: „anerkannte prozessuale Grundsätze"; ebenso ders., 38. D J T 1951, T e i l C, S. 24; ohne K l ä r u n g I. v. Münch, JuS 1964, S. 68. 99 s. z.B. § 8 der Schiedsordnung der SPD v o m 18.12.1971; § 23 I Parteigerichtsordnung der C D U v o m 5.10.1971; §§ 12, 13 Schiedsordnung der F.D.P. v o m 30.1.1968, die ausdrücklich den Anspruch aller Beteiligten auf rechtliches Gehör normieren. 100 H. P. Bull, ZRP 1971, S. 198; D. Hahn, Innerparteiliche Demokratie, S. 40 f. 101 Vgl. dazu näher: H. Lenz/C. Sasse, J Z 1962, S. 236ff.; W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 95 f.; I . v. Münch, JuS 1964, S. 69 f.

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3. Parteipolitische Inkompatibilitätsbeschlüsse Bei der Erörterung des Parteizugangs und -ausschlusses wurden bereits die Wirkungen von Unvereinbarkeitsbeschlüssen behandelt. Wichtig sind jedoch angesichts dieser Wirkungen die Zulässigkeitsvoraussetzungen solcher Beschlüsse i n materieller wie i n formeller Hinsicht. Bei Unvereinbarkeitsbeschlüssen i n bezug auf Verbände, die nicht an Wahlen teilnehmen, handelt es sich u m aktuelle Abgrenzungen allgemein politischer A r t . Sie dienen der politischen Willensbildung des Volkes insofern, als sie durch die klare Trennung der Standpunkte dem Bürger die unterschiedlichen Auffassungen deutlich machen. Diese A l ternativen sind durch die alles integrierenden Volksparteien nicht immer klar zu erkennen. Hier bedeuten Unvereinbarkeitsbeschlüsse eine förmliche, öffentliche Abgrenzimg der politischen Ziele der Partei von denen anderer Gruppen, sie schaffen klare Fronten und können auch eine Wahlentscheidung motivieren. Im PartG finden sich expressis verbis keine Regelungen hinsichtlich solcher Beschlüsse. Von den Parteisatzungen bestimmt jedoch das Organisationsstatut der SPD i n § 6 II, daß die gleichzeitige Mitgliedschaft i n Vereinigungen, die gegen die SPD wirken, m i t der Parteimitgliedschaft unvereinbar ist, und daß diese Unvereinbarkeiten vom Parteivorstand i m Benehmen m i t dem Parteirat festgestellt werden. I n seiner Klarstellungswirkung i n bezug auf politische Willensbildung des Volkes dient der Unvereinbarkeitsbeschluß allein der äußeren Abgrenzung der Parteipolitik von anderen politischen Richtungen. Er ist daher kein Instrument zur Disziplinierung der innerparteilichen Opposition. Ebenso wie das Verbot der Doppelmitgliedschaft i n zwei Parteien, läßt sich die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft i n einer Partei und einem bestimmten Verband nur funktional legitimieren: Sie bewirken beide Parteienklarheit 102 i m verfassungsmäßigen Parteienwettbewerb, d. h. sie sind allein extern orientiert. Daraus folgt, daß solche Beschlüsse nur Verbände erfassen dürfen, die aus ihrer Gegnerschaft zu der Partei keinen Hehl machen und sie politisch befehden 103 . Trotzdem haben Inkompatibilitätsbeschlüsse als Reflex auch eine gewisse Innenwirkung. Die interne Relevanz zeigt sich einmal i n einer Klarstellung i m innerparteilichen Willensbildungsprozeß. M i t der A b grenzung gegenüber der gegnerischen Organisation werden auch bestimmte Ideen und Meinungen i n der Partei selbst tabuisiert, w i r d die Freiheit und Offenheit der Willensbildung tendenziell eingeschränkt. 102 Dieser F u n k t i o n dient z. B. auch das Gebot der deutlichen Unterscheidung der Parteien nach Namen u n d Kurzbezeichnung i n § 4 PartG. 103 Vgl. E. Lengers, Rechtsprobleme bei Parteiausschlüssen, S. 137, 141, es k o m m t auf den materiellen Gegensatz zwischen den Zielen des Verbandes u n d den Grundsätzen der Partei an.

3. Parteipolitische Inkompatibilitätsbeschlüsse

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Dies hat auch Folgen für die Rechtsstellung des einzelnen Parteimitgliedes: bei Verstößen gegen die postulierte Trennung kommen Ordnungsmaßnahmen und — allerdings nur bei gleichzeitigem schweren Schaden für die Partei — Parteiausschluß i n Betracht. Hierbei handelt es sich u m Folgen der objektiven Ordnungswirkung des Unvereinbarkeitsbeschlusses. Es darf damit jedoch nicht ein Abdrängen innerparteilicher Minderheiten bezweckt werden. W i r d ein größerer Kreis von Parteimitgliedern durch den Beschluß betroffen, so ist das ein Zeichen dafür, daß es sich nicht nur u m einen A k t der äußeren A b grenzung, sondern zugleich u m ein „Abwürgen" einer innerparteilichen Kontroverse 1 0 4 handelt. Dies läßt sich jedoch aus der Funktion solcher Inkompatibilitäten nicht mehr rechtfertigen. A l l e i n die mehrheitliche Entscheidung von Sachfragen ist ein legitimes Mittel, bei innerparteilichen Streitigkeiten eine verbindliche Dezision zu treffen. Denn sie beinhaltet unausgesprochen, daß auch andersdenkende M i n derheiten vorhanden sind und toleriert werden. M i t einem Unvereinbarkeitsbeschluß w i r d zwar auch eine Dezision getroffen, doch ist sie i n ihrer Wirkung rigoroser. Die Inkompatibilität w i r k t sich sachlich insofern aus, daß die Interessen der vom „Bann" belegten Organisation außerhalb der Toleranzgrenze des parteipolitischen Willensbildungsprozesses liegen. Da für sie innerparteilich nicht mehr geworben werden kann, haben sie keine Chance mehr, sich jemals durchzusetzen. Es ist jedoch ein demokratischer Grundsatz, daß „die bei einer Entscheidung Unterliegenden die real gleiche Chance haben, i n einem späteren Falle die Mehrheit zu gewinnen" 1 0 5 ; daher verbietet A r t . 21 I 3 GG Unvereinbarkeitsbeschlüsse als M i t t e l innerparteilicher Konfliktlösung. Zwar läßt es sich gerade i n großen Volksparteien nicht vermeiden, daß ein allein auf äußere Abgrenzung zielender Beschluß auch einige Parteimitglieder betrifft, dies t u t seiner Zulässigkeit als M i t t e l der Parteien für externe Auseinandersetzungen keinen Abbruch. Wo aber eine beträchtliche Minderheit von Parteimitgliedern von den Auswirkungen des Beschlusses betroffen ist, sind Inkompatibilitätsbeschlüsse wegen ihrer internen Wirkung als Verstoß gegen A r t . 21 I 3 GG unzulässig. Die formelle Feststellung der Unvereinbarkeit bedeutet materiell eine Konkretisierung der aktuellen Parteipolitik. Ein solcher Beschluß 104 So erklärte der SPD-Unterbezirk M a r b u r g Stadt i n einer Entschließung die gleichzeitige Mitgliedschaft i n der SPD u n d i m „ B u n d Freiheit der Wissenschaft" f ü r unvereinbar, vgl. FR v o m 17.6.1961, S. 19, obwohl eine Anzahl SPD Mitglieder — darunter z.B. der Bundestagsabgeordnete H. Schmitt-Vockenhausen — dem B u n d angehörten u n d die hochschulpolitische Diskussion i n der SPD keineswegs abgeschlossen war. M i t dem Beschluß sollten bestimmte Argumente aus der innerparteilichen Meinungsb i l d u n g eliminiert werden. 105 K . Hesse, Grundzüge, S. 58.

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2. Teil, I. Gesellschaftlicher u n d parteiinterner Bereich

entfaltet konstitutive Klarstellungswirkung, da eine politische Entscheidung getroffen wird, die sich nicht unmittelbar aus dem Parteiprogramm ergibt, sondern als aktuelle parteipolitische Aussage zu diesem hinzutritt. Die Zuständigkeit zum Erlaß eines Unvereinbarkeitsbeschlusses bestimmt sich sowohl nach gliederungsmäßigen als auch nach organisatorischen Gesichtspunkten. Für die Gliederungszuständigkeit innerhalb der Partei ist die regionale Verbreitung der konkurrierenden Organisation maßgeblich. Soweit es sich u m einen auf einen Landes- oder Kommunalbereich beschränkten Verband handelt, braucht kein höchstes Parteiorgan den Beschluß zu fassen. Es ist erforderlich und genügend, wenn die der Verbreitung des Verbandes entsprechende Parteigliederung die Entscheidungskompetenz hat 1 0 6 . Fraglich ist jedoch, welches Organ der regional zuständigen Gliederung zur Feststellung der Unvereinbarkeit kompetent ist. Nach § 6 I I 2 des zitierten SPDOrganisationsstatuts soll dies der „Parteivorstand i m Benehmen mit dem Parteirat" sein 1 0 7 . Diese Globalermächtigung zur repräsentativen Entscheidung bedeutet, daß die Parteiführung das grundsätzliche Verhältnis der Partei zu politischen Verbänden bestimmt und damit mittelbar über das Programm der Partei verfügt 1 0 8 . Ein Unvereinbarkeitsbeschluß ist ebenso richtungsbestimmend für die Parteipolitik und daher von gleicher materieller Tragweite wie das Parteiprogramm. Er ist eine authentische, aktualisierende Interpretation desselben. Nach § 9 I I I PartG beschließt jedoch allein der Parteitag als oberstes Organ über das Programm. Daher läßt sich kraft Sachzusammenhang eine alleinige Kompetenz des Parteitages zu Inkompatibilitätsbeschlüssen begründen 1 0 9 . Sollte die Abgrenzung von einer bestimmten politischen Richtung derart wichtig und dringlich sein, daß m i t der Aufschiebung des Beschlusses bis zum nächsten ordentlichen Parteitag nicht gewartet werden kann, so kann ein außerordentlicher Parteitag — wie er in einigen Parteisatzungen 110 entsprechend § 6 I I Ziff. 9 PartG vorgesehen ist — einberufen werden. 4. Einwirkungen der gesellschaftlichen Umwelt auf die Parteien Die Problematik läßt sich aus der Sicht der Parteien skizzenhaft etwa so formulieren: Wegen ihrer Abhängigkeit von der Wählerent108 A u f die w o h l n u r regional bestimmbaren „Zuständigkeiten des Gebietsverbandes innerhalb der Partei" stellt auch § 9 I I I P a r t G ab. 107 B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 42, sieht i n dieser Kompetenz „eine Gefahr f ü r die innerparteiliche Demokratie". 108 H. Lenz / C. Sasse, J Z 1962, S. 239. 109 Grundlegende Entscheidungen über Existenz, A u f b a u u n d Zielrichtung der Partei sind den Parteitagen vorbehalten, s. auch H.-Y. Kay, Die innere Ordnung der politischen Parteien, S. 121; R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 96. 110

Vgl. z. B. §§ 21 f. SPD-Statut, § 12 I S. 2 F.D.P.-Satzung.

4. E i n w i r k u n g e n der gesellschaftlichen U m w e l t auf die Parteien

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Scheidung — Machtpositionen i m demokratischen System beruhen auf der Zahl der Wähler und nicht der Parteimitglieder 1 1 1 — haben die Parteiführungen, die ihre Macht behalten und ausweiten wollen, ein Interesse daran, ihre Politik auch am hypothetischen Wählerwillen zu orientieren. Aus Selbsterhaltungs- und machtpolitischen Gründen spüren die Parteien aufmerksam allem nach, was sich i m Volke regt und bewegt, was i n i h m gärt 1 1 2 . Sie lassen sich schon deshalb nicht scharf zum gesellschaftlichen Bereich h i n abgrenzen. Darüber hinaus haben die Parteien den „demokratischen Dialog " m i t dem parteilich nichtorganisierten Volk zu suchen, sie müssen „der Gesellschaft die Möglichkeit bieten, ihren demokratischen Willen zu artikulieren" 1 1 3 , u m so „für eine ständige lebendige Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen sorgen" zu können, und „die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben zu fördern" (§ 1 I I PartG). Diese Offenheit der Parteien für Impulse aus der Gesellschaft hat jedoch ordnungspolitische Grenzen. Partizipation über die Parteien bedarf — ebenso wie z. B. die Parlamentswahlen — klarer, formalisierter Regeln. Sie konstituieren die Statusrechte der Parteimitglieder, den Parteibürgerstatus. Schon aus Gründen demokratischer Egalität kann jeder Bürger nur als Parteimitglied i n einer einzigen Partei von dem Partizipationsangebot des A r t . 21 GG Gebrauch machen 114 . Weiter ist es aus Gründen der Transparenz und Vorhersehbarkeit der innerparteilichen Willensbildung wichtig, daß die einzelnen Stufen der Entscheidungsfindung und der zu Beteiligenden klar vorgezeichnet sind, u m es dem Parteimitglied zu ermöglichen, den Weg und die Effektivität seiner Partizipation zu verfolgen. Nach v . d. Heydtes Befund: „Neben der Parteiführung ist der Wähler der eigentliche Herrscher einer Partei . . . Jede Partei steht, w i r k t und lebt i n der Spannung zwischen ihren Wählern und ihrer Führung" 1 1 5 , sind die Parteimitglieder überflüssig 116 . Die Parteipolitik wäre demnach 111

M. Hättich, Innerparteiliche Demokratie, S. 31. So H. Wehner , Organisationsprobleme politisch verstanden u n d dargestellt, S. 8. 113 B. Friedrich , W a h l k a m p f u n d Parteiorganisation, S. 44 ff., 47. 114 Als äußerste Grenze der Integration v o n Nichtmitgliedern i n den innerparteilichen Willensbildungsprozeß dürfte § 32 der F.D.P. Satzung anzusehen sein, der ein Rederecht f ü r „Gäste" auf dem Bundesparteitag vorsieht. E n t sprechend dieser Vorschrift hat z. B. die F.D.P. auf ihrem Bundesparteitag am 13.11.1973 i n Wiesbaden allen anwesenden Journalisten — ohne daß sie Delegierte oder wenigstens Parteimitglieder sein mußten — das Rederecht zum Thema Medienpolitik eingeräumt; abstimmen durften freilich n u r die ordentlichen Delegierten, vgl. H. Köpke, FR v o m 14.11.1973, S. 1. 115 I n : A . v. d. H e y d t e / K . Sacherl, Soziologie der deutschen Parteien, S. 159. na Differenzierter: M. Hättich, Innerparteiliche Demokratie, S. 31: „ F ü h 112

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nur eine Angelegenheit, die zwischen den politischen Eliten der Partei und den externen Wählern ausgemacht wird. Sowohl das grundsätzliche Parteiprogramm als auch konkrete Parteientscheidungen sind jedoch schon deshalb nicht „ n u r " auf den Wähler abgestellt 117 , weil beide Formen parteipolitischer Willensbildung auf dem politischen Wollen der Parteimitglieder basieren (§ 9 I I I PartG), auf ihren interessenorientierten Anträgen, von denen ein Teil schließlich durch den Parteitag als dem obersten Parteiorgan sanktioniert wird. Diesen partizipatorischen Kompetenzen widerspricht eine oligarchische Parteienstruktur ebenso, wie die einseitige Überbetonung der Berücksichtigung parteiexterner gesellschaftlicher Wünsche. Sicher muß sich ein realistisches Verständnis der innerparteilichen Demokratie m i t diesen Problemen auseinandersetzen; doch dürfen sie nicht einseitig verallgemeinert werden. R. Michels 9 Oligarchiethese hat über fünfzig Jahre die Organisationstheorie bestimmt; daher wundert es nicht, daß sich die politischen Eliten i n der Parteipraxis darauf berufen: es braucht nicht zu sein, was nicht sein kann. Erst i n jüngster Zeit wurde m i t der K r i t i k an ihren Hypothesen die Oligarchiethese erschüttert 1 1 8 ; m i t einer Revision der Theorie w i r d die Korrektur der Praxis möglich, der nun die theoretische Legitimationsbasis entzogen ist. Doch ist hinsichtlich der Beziehungen zwischen Parteien und Umwelt weniger das Oligarchieproblem, als die Frage nach dem Wählereinfluß von Relevanz. Der H i n weis, daß eine konkrete Entscheidung die Partei Wählerstimmen koste oder ihr neue bringe, ist ein i n der innerparteilichen Auseinandersetzung beliebtes Argument, m i t dem jede Gruppe operiert, dabei w i l l sie i n Wirklichkeit ihre Interessen durchsetzen und gibt diese als Wählerinteressen aus. Der Wählerwille w i r d zwar häufig i n der innerparteilichen Diskussion berufen, doch sind die Wähler in ihrer Gesamtheit nicht i n der Lage, während der Legislaturperiode auf die Parteipolitik Einfluß zu nehmen 1 1 9 . Anders verhält es sich i n bezug auf verbandsmäßig organisierte Teile der Wählerschaft. Ihre Interessen werden je nach Größe, Finanzkraft und A k t i v i t ä t des betreffenden rungsgruppen politischer Parteien orientieren sich naturgemäß i n erster L i n i e am Wählerverhalten, erst i n zweiter L i n i e am Mitgliederverhalten." 117 So aber A. v. d. Heydte, i n : A. v. d. H e y d t e / K . Sacherl, Soziologie der deutschen Parteien, S. 159. 118 Vgl. z.B. F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 12ff.; R. Ebbighausen, Legitimationskrise der Parteiendemokratie, S. 15 ff.; H.-O. Mühleisen, Organisationstheorie u n d Parteienforschung, S. 76 f.; W. Jäger, I n n e r parteiliche Demokratie u n d Repräsentation, S. 116 ff. 119 Vgl. auch U. Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, S. 99: „Der unorganisierte Bürger spielt i n der Vertretung seiner beruflichen oder sozialen Belange, also f ü r die Verbände und ihnen gegenüber eine ebenso unbedeutende Rolle w i e der Wähler gegenüber den politischen Parteien u n d deren konkreten Entscheidungen."

4. E i n w i r k u n g e n der gesellschaftlichen U m w e l t auf die Parteien

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Verbandes zu Faktoren für die Parteipolitik, die Parteiführungen sind ständig der Versuchung ausgesetzt, den Wünschen der Interessenverbände Rechnung zu tragen 1 2 0 . Das vielzitierte Phänomen einer „Außensteuerung " der Parteien durch Verbände 1 2 1 ist kein einseitiger und vor allem kein kontinuierlicher Vorgang der Fremdbestimmung der Parteipolitik durch homogene externe Kräfte, der sich linear verfolgen ließe. Vielmehr w i r ken die verschiedensten Gruppen u n d Interessen auf die Parteien ein und versuchen parteipolitische Entscheidungen zu bestimmen, wie umgekehrt auch die Parteien i n den Verbänden Partner bei der politischen Willensbildung des Volkes sehen und i n ihnen entsprechend zu agieren suchen 122 . Es besteht also insofern eine Wechselwirkung . Welche Meinung sich innerparteilich schließlich durchsetzt, ist und bleibt jedoch Angelegenheit des innerparteilichen Willensbildungsvorgangs. Es ist legitim und liegt auch i m Bestreben der Parteien, daß gesellschaftliche Forderungen an sie herangetragen werden, die dann innerparteilich zu bewerten und zu selektieren sind. Durch solche externe Anstöße w i r d der demokratische Willensbildungsprozeß der Parteien mit gespeist. Ob er dadurch auch verfälscht wird, ist eine Frage der weiteren innerparteilichen Behandlung der Impulse von außen. „Fast immer stellen Parteibeschlüsse einen Kompromiß zwischen den Ansprüchen der verschiedenen organisierten Interessengruppen d a r " 1 2 3 ; zumindest also die Kompromißfindung obliegt allein dem innerparteilichen Prozeß. Die gegenseitige Durchdringung von Parteien und Verbänden zeigt sich besonders deutlich i n der Personalunion von Partei- und Verbandsmitgliedschaften 124, von Partei- und Verbandsämtern. Die Funktion von Parteimitgliedern, die gleichzeitig einem Verband angehören und innerparteilich verbandspolitische Interessen vertreten, ist keineswegs einseitig nur positiv oder negativ zu bewerten. Sie gehören sozialpsychologisch zwei sich i n ihrer Person ergänzenden Organisationen an, stehen als „Schnittpunktexistenzen" 1 2 5 i m Spannungsfeld von Partei« und Verbandspolitik. Durch die personelle Verbindung der Rollen kommen parteiexterne Anregungen und Wünsche innerparteilich zum 120

U. Lohmar , ebd., S. 98. Vgl. dazu z.B.: B. Zeuner , Innerparteiliche Demokratie, S. 96; U. Lohmar, ebd., S. 92 ff. 122 s. dazu die sehr i n s t r u k t i v e empirische Darstellung des Verhältnisses von Parteien u n d Verbänden a m Beispiel Schleswig-Holsteins, bei H. J. Varain, Parteien u n d Verbände, S. 116 ff. 123 £ Francis , Die Rolle der Interessengruppen i m Prozeß der demokratischen Meinungsbildung, S. 10. 124 Vgl. H. W. Rubin , D i e Aufgaben der politischen Parteien, S. 18. 125 K . Sacherl , i n : v. d. H e y d t e / Sacherl, Soziologie der deutschen Parteien, S. 176. 121

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Tragen, w i r d eine Brücke von der Partei zu dem betreffenden Verband, zur nichtparteilich, aber verbandsmäßig organisierten Gesellschaft geschlagen. A u f diese Weise gelingt es den Parteien, die politischen Kräfte i m Volk lebendig zu verkörpern 1 2 6 . Innerparteilich entstehen daraus jedoch Probleme sachlicher und personeller A r t . Sachlich müssen sich die Verbandsinteressen derart durchsetzen, daß sie von der Mehrheit übernommen werden. Führungseloquenz und manipulative Taktik der Parteispitze dürfen nicht, um z. B. die Verbandsmitglieder durch Zugeständnisse als Wähler oder Spender gewinnen, den innerparteilichen Willensbildungsprozeß überspielen. I n personeller Hinsicht w i r d der Verbandsangehörige innerparteilich gern als „Experte" herausgestellt, und seine Parteikarriere als Delegierter, Funktionär oder Wahlbewerber w i r d dadurch i m Vergleich zu „gewöhnlichen" Parteimitgliedern wesentlich gefördert. Meist m i t Zutun der Parteiführung, die die betreffenden Personen als Aushängeschild zur Werbung von Verbandssymphatien benutzen möchte 1 2 7 . Der personelle Bonus außerparteilichen Gruppenengagements ist jedoch solange zu tolerieren, wie i h n die Parteimitglieder i n ihre Entscheidungen m i t übernehmen. Hypothetisch kalkulierte Umweltreaktionen — hier die Wahlentscheidung der Verbandsmitglieder — sind bei der innerparteilichen Willensbildung legitime Motivationen. Nur müssen es eben die Motivationen der Mehrzahl der Stimmberechtigten sein und nicht allein die der politischen Elite der Partei. A n einigen Stellen des PartG finden sich Regelungen, die die Beziehungen zwischen den Parteien und ihrer gesellschaftlichen Umwelt zum Gegenstand haben. Hierzu zählen die A r t . 21 I 4 GG konkretisierenden §§ 23 ff. PartG über die öffentliche Rechenschaftslegung der Parteifinanzen. Die Publizität der Spender zeigt, welche Unternehmen, Verbände oder Einzelpersonen durch sachliche M i t t e l auch Sach- und Personalentscheidungen der Parteipolitik beeinflussen 128 . Man kann die genannten Regeln als das Lobbyistengesetz für die Parteien bezeichnen. Namen und Spenden der finanzkräftigen Lobbyisten der Parteipolitik werden transparent 1 2 9 und geben u. U. den Anstoß zur Mobilisierung innerparteilicher Gegenkräfte, die die Wirkung des externen 126 v g l . zu dieser F u n k t i o n der Parteien i m demokratischen Parteienstaat A. v. d. Heydte, ebd., S. 57. 127 Besonders bei der Aufstellung von Landeslisten w i r d der „Expertenproporz", der i n Wahrheit ein „Verbändeproporz" ist, auf Betreiben der Parteiführungen etabliert, vgl. B. Vogel/D. Nohlen/R.-O. Schultze, Wahlen i n Deutschland, S. 201. 128 s. dazu oben unter 1. T e i l I I 4. Parteifinanzen. 129 Es gibt bereits eine Registrierung u n d Veröffentlichung der Lobby i m Bundestag. Nach einem Bundestagsbeschluß aus dem Jahr 1972 ist am 24.1. 1974 erstmals als Beilage zum Bundesanzeiger die amtliche Liste der i n Bonn arbeitenden Lobbyisten veröffentlicht worden.

4. E i n w i r k u n g e n der gesellschaftlichen U m w e l t auf die Parteien

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Steuerungsversuchs neutralisieren. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß die jährlichen öffentlichen Rechenschaftsberichte der Parteien oft zu spät kommen, u m diese Funktion zu erfüllen. Die entscheidenden Abstimmungen sind meist schon erfolgt, bevor die Mitglieder und ihre Vertreter i n den Delegiertenversammlungen sehen, wer m i t welcher Spende bestimmte Aktivitäten der Parteiführung oder einer innerparteilichen Gruppe initiiert hat. Bei der Rechenschaftslegung ist i n allgemeine und innerparteiliche Öffentlichkeit zu differenzieren. Letztere muß weiter gehen und i m konkreten Fall bereits vor der obligatorischen Veröffentlichung den Parteimitgliedern Zugang zu den relevanten Informationen garantieren 180. Von den Leistungen der „der Partei nahestehenden Organisationen" spricht § 27 I I I PartG ausdrücklich und erkennt damit die faktischen Verbindungen zwischen den Parteien und gesellschaftlichen Gruppierungen als legitim an. Es ist jedoch wichtig, daß diese Beziehungen nicht die Statusrechte der Parteimitglieder überwuchern 1 3 1 . Jenem Ziel dienen mittelbar viele Bestimmungen des PartG, z. B. § 2 I, der die Parteimitgliedschaft auf natürliche Personen beschränkt; § 10 I I 1, der allen Mitgliedern gleiches Stimmrecht einräumt; § 13 S. 2, wonach die Mitglieder Bemessungsgrundlage für die Zahl der Vertreter des Gebietsverbandes i n der Vertreterversammlung sind. Die Problematik w i r d jedoch i m PartG nicht abschließend geregelt, so daß den Parteisatzungen ein Gestaltungsspielraum i n dieser Hinsicht bleibt. I n den Parteisatzungen spiegelt sich der i n der Gesellschaft vorhandene (Organisationen-)Pluralismus durch die Institutionalisierung von Partei-Sonderorganisationen w i d e r 1 3 2 . A m extensivsten hat die CDU i3o w. Piepenstock , Politische Vereinigungen unter dem GG, S. 83, fordert i m Interesse der Wähler auch hier grundsätzliche Öffentlichkeit. — Anders: W. Martens , öffentlich, S. 157 f., der i n allgemeine Publizität u n d Parteiöffentlichkeit unterscheidet. 181 So hat sich z. B. i n der Frage der Mitbestimmung i n dem langwierigen CDU-internen Diskussionsprozeß der Wirtschaftsrat der C D U e. V. als formal parteiexterne Gliederung gegen die innerparteiliche CDU-Vereinigung der Arbeitnehmer (Sozialausschüsse) i n einer f ü r beide Gruppen entscheidenden Frage durchgesetzt. Vgl. dazu J. Dittberner , Der Wirtschaftsrat der CDU e.V., S. 221 ff., 224. — Der A u f r u f F. Vilmars , Gewerkschaftliche Monatshefte 1967, S. 734 ff., ist positiv i m Sinne der innerparteilichen Demokratie u n d der Respektierung der Statusrechte der Parteimitglieder, w e n n er den Gewerkschaftsmitgliedern empfiehlt, durch Parteibeitritt innerparteilich andere Mehrheiten zu schaffen (S. 739). Trotz gegensätzlicher Annahmen i n einzelnen Punkten geht auch L. Rosenberg , Gewerkschaftliche Monatshefte 1967, S. 744 ff., i n seiner Replik auf Vilmars Thesen davon aus (S. 745): „ U m dem erklärten W i l l e n der Gewerkschaften i n den Parteien Geltung u n d Einfluß zu verschaffen, gibt es . . . n u r die Möglichkeit, die Gewerkschaftsmitglieder zu parteipolitischer A k t i v i t ä t innerhalb ihrer Partei zu veranlassen." 132 H. Bilstein / f f . Hohlbein / H.-U. Klose , Jungsozialisten — Junge U n i o n — Jungdemokraten, S. 16.

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2. Teil, I. Gesellschaftlicher u n d parteiinterner Bereich

davon Gebrauch gemacht. Ihre sieben „Vereinigungen" 1 3 3 haben nach dem Parteistatut u. a. die Aufgabe, „die besonderen Anliegen der von ihnen repräsentierten Gruppen i n der Politik der CDU zu wahren". Dabei handelt es sich nicht um innerparteiliche Gruppierungen, die nur an der allgemeinen Parteiwillensbildung teilnehmen, sondern u m selbständige Organisationen m i t eigener Willensbildung, deren Aufbau allerdings dem der Partei entsprechen muß. Die Mitglieder der Vereinigungen brauchen nicht Parteimitglieder zu sein 1 3 4 , trotzdem haben die Vereinigungen Sitz und Stimme i m Bundesausschuß der Partei (§ 30 CDU Statut). Hier werden Gruppeninteressen formell i n die Partei integriert, ohne daß die an der Formulierung jener Gruppenforderungen beteiligten Kräfte unbedingt den Parteibürgerstatus haben müssen. Dieser zweite Parteiwillensbildungsweg über die Interessengruppen, der unter Ausschaltung der unteren Delegiertenversammlungen direkt i n die Bundesorgane mündet 1 3 5 , fördert zwar die innerparteiliche Gruppenkonkurrenz, doch werden damit die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteimitglieder, soweit sie zugleich der Vereinigung angehören, verdoppelt. Diese Verdoppelung des innerparteilichen Stimmgewichts 136 des Parteimitgliedes ist m i t dem i n § 10 I I 1 PartG normierten gleichen Stimmrecht für alle Parteibürger unvereinbar 1 3 7 , selbst wenn der in133 Es handelt sich u m : Junge Union, Frauenvereinigung, Sozialausschüsse, Kommunalpolitische Vereinigung, Wirtschaftsvereinigung, U n i o n der V e r triebenen u n d Flüchtlinge, vgl. die §§ 38, 39 des CDU Statuts. 134 Einige Satzungen der Vereinigungen bestimmen ausdrücklich, daß die Mitgliedschaft von Nicht-Parteimitgliedern zulässig ist. Vgl.: § 2 I Satzung des Bundesverbandes der Jungen Union, Stand 2.6.1973; § 3 I I Satzung der Sozialausschüsse, Stand 1971; § 3 I i. V. m. § 1 I der Satzung der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU, Stand 27.9.1970; § 3 I I Satzung der U n i o n der Vertriebenen u n d Flüchtlinge i n der CDU/CSU, Stand 17.12.1970. — Nach H. Bilstein / H. Hohlbein / H.-U. Klose, Jungsozialisten — Junge Union — Jungdemokraten, S. 42, betrug der A n t e i l der Parteimitglieder (sowohl CDU als auch CSU) an den Mitgliedern der Jungen U n i o n 1968: 53,8% u n d 1969: 54,7%. Nach P. Ackermann, Die Jugendorganisationen der p o l i t i schen Parteien, S. 299, ist i n Rheinland-Pfalz die Mitgliedschaft i n der Jungen U n i o n m i t der i n der CDU identisch. 135 B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 94. 136 Sie können z. B. als Delegierte auf Kreis oder Landesparteitagen M i t glieder des Bundesausschusses wählen u n d zusätzlich bei der Nominierung des Vertreters ihrer Vereinigung i m Bundesausschuß m i t w i r k e n . Dieser Vertreter hat dort volles Stimmrecht, § 30 CDU-Statut. — Auch nützen nach P. Ackermann, Die Jugendorganisationen der politischen Parteien, S. 300, viele Mitglieder der Jungen U n i o n ihre Doppelmitgliedschaft dazu, ihren Einfluß i n der Partei zu stärken. 137 Bereits bei der Begründung des PartG-Entwurfs hat der Abgeordnete Even i n seinem Bericht — BT-Drucks. V/1339 — betont, daß m i t der i n § 10 betonten Gleichheit des Stimmrechts „mehrfache Stimmberechtigung" unvereinbar sei. — U. v. Alemann, PVS 1972, S. 196; ähnliche Bedenken hat V. Oerter, Rechtsfragen des Verhältnisses zwischen politischen Parteien und ihren Sonder- u n d Nebenorganisationen, S. 70 ff.; I . Mühlen, Parteienunabhängigkeit von Staat, S. 61. — Noch eklatanter ist der Verstoß gegen die

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stitutionalisierte Einfluß der Parteivereinigungen sich nur i m Bundesausschuß und dort nur m i t je einem Vertreter auswirkt. „ A n der W i l lensbildung der Partei dürfen entscheidend nur Parteimitglieder teilnehmen 1 3 8 ." Außerdem w i r d dadurch, daß Nichtmitglieder i n den Parteivereinigungen mitbestimmen und ihre Voten i n der Parteipolitik den bezeichneten Stellenwert haben, das Statusrecht des Parteibürgers ausgehöhlt, und die Partei selbst gerät wegen des so „quasi-institutionalisierten starken Einflusses von außen i n die Gefahr einer Fremdsteuerung" 1 3 9 . Die Verfassung sieht aber das Partizipationsinstrument Partei allein für Bürger vor, die bereit sind, sich über das Wahlrecht und Verbandszugehörigkeiten hinaus politisch i n der Organisationsform des A r t . 21 GG zu betätigen. Die effektiven Partizipationsmöglichkeiten der Parteibürger erfordern das formelle Bekenntnis zu einer Partei, andernfalls wäre es möglich, daß ein Bürger an der Willensbildung mehrerer Parteien partizipiert, also seinen politischen Einfluß ungleich vermehrt, ohne überhaupt Parteimitglied zu sein. Bei der F.D.P. ist die Stellung der Nachwuchsorganisation, der Deutschen Jungdemokraten, ebenfalls ein Zwittergebilde, das einerseits organisatorisch i n die Partei integriert ist 1 4 0 , andererseits muß das M i t glied der Jugendorganisation nicht zugleich auch Parteimitglied sein. Hier zeigt sich die gleiche Problematik angesichts der i m Verhältnis zum Parteibürgerstatus fast gleichwertigen Stellung parteiexterner Mitglieder der Nachwuchsorganisation, die ein eigenes Antragsrecht auf dem Bundesparteitag hat und Wahlvorschläge erstellen kann 1 4 1 . Als zulässig wären allenfalls die §§ 16 I I Nr. 5 und 19 I Nr. 3 der F.D.P. Bundessatzung anzusehen, wonach Vertreter der Deutschen Jungdemokraten m i t beratender Stimme 142 als Mitglieder des Bundeshauptausschusses und des Bundesvorstandes zugelassen sind, soweit sie die Parteimitgliedschaft besitzen. Die SPD kennt solche „ZwitterorganisaGleichstellung aller Mitglieder durch die Zulassung der „ E x i l - C D U " (vgl. §§ 17, 28 I I I , 30 a) S. 3 CDU-Statut). „ D a die f i k t i v e n Landesverbände auch Delegierte zum Bundesparteitag entsenden, haben diese Mitglieder zweimal das Recht, Delegierte z u m Bundesparteitag zu entsenden", U. Müller, W i l lensbildung, S. 117. — I m übrigen ist die Existenz von f i k t i v e n territorialen Verbänden unvereinbar m i t § 7 PartG, vgl. D. Hahn, Innerparteiliche Demokratie, S. 68. 138 D. Hahn, ebd., S. 64. 139 H. Bilstein / H. Hohlbein / H.-U. Klose, Jungsozialisten — Junge U n i o n — Jungdemokraten, S. 18. 140 Vgl. §§ 16 I I Nr. 5, 19 I Nr. 3 der F.D.P. Bundessatzung sowie die §§ 5 I I S. 3 u n d 7 I der Geschäftsordnung zur Bundessatzung. 141 So § 7 I der Geschäftsordnung zur F.D.P. Bundessatzung. 142 E i n Rede- u n d Antragsrecht ohne entsprechendes Stimmrecht besonderer Organisationsgliederungen ist imbedenklich. Vgl. auch U. Müller, Willensbildung, S. 133; V. Oerter, Rechtsfragen des Verhältnisses zwischen politischen Parteien u n d ihren Sonder- u n d Nebenorganisationen, S. 73. 15 Trautmann

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2. Teil, I. Gesellschaftlicher u n d parteiinterner Bereich

tionen" nicht. Ihre Arbeitsgemeinschaften nach § 10 des Organisationsstatuts sind i n der Regel besondere Zusammenschlüsse von Parteimitgliedern 1 4 3 , die trotz relativer organisatorischer Selbständigkeit und teilweise großer politischer A k t i v i t ä t e n nicht als autonome Parteigliederungen anerkannt sind 1 4 4 und daher gemäß § 18 I I des Organisationsstatuts kein Antragsrecht i m innerparteilichen Willensbildungsprozeß haben. Ihre politischen Initiativen verlaufen über den für alle Parteimitglieder und Mitgliedergruppierungen gleich offenstehenden Weg der regionalen Gliederungen. Ihre Funktion ist aber trotz der organisatorischen Besonderheiten vergleichbar m i t der der Sonderorganisationen anderer Parteien, es soll eine politische und organisatorische Klammer zwischen der Zielgruppe und der Partei hergestellt werden 1 4 5 . E i n weiterer Bereich, i n dem die Naht zwischen den Einflußsphären der Gesellschaft und der innerparteilichen Selbstbestimmung i n der Praxis nicht immer akkurat verläuft, ist der der Kandidatenaufstellung. Das große Interesse der Verbände an der Parteipolitik erklärt sich aus dem engen Verhältnis zwischen den Parteien und den Amtsträgern i n den entscheidungskompetenten staatlichen Stellen. Über die Beeinflussung der Parteipolitik versuchen die Verbände die Entscheidungen der Staatsorgane zu beeinflussen 146 . „Die für die Verbände belangvollen Entscheidungen fallen i m Rahmen der Gesetzgebung, der Ausführungsvorschriften und der Verteilung von staatlichen Subventionen 1 4 7 ." Daher versuchen die Verbände auch, sich Abgeordnete unmittelbar zu verpflichten, indem sie diese als Verbandsmitglieder zu gewinnen suchen und umgekehrt Angehörige ihres Verbandes für das Parlament kandidieren lassen. Letzteres geht nur durch Einflußnahme auf die Kandidatennominierungskompetenz der Parteien: durch Versprechung der Wählerstimmen der Verbandsmitglieder oder durch Drohimg mit 143 Nach Ziff. 9 der v o m Parteivorstand am 1. 2.1975 beschlossenen G r u n d sätze f ü r die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaften i n der SPD, ist „die Teilnahme von Personen, die nicht Mitglieder der Partei sind, an der A r beit der Arbeitsgemeinschaften . . . auf Beschluß der Arbeitsgemeinschaften möglich. Antragsrecht, Stimmrecht, aktives u n d passives Wahlrecht i n den Arbeitsgemeinschaften stehen n u r den Parteimitgliedern zu". Trotz dieser Öffnung für Nichtmitglieder gehören nach V. Oerter, ebd., S. 113, weniger als 1 °/o der Jungsozialisten nicht der SPD an. Unrealistisch dürfte dagegen die Angabe von P. Ackermann, Die Jugendorganisationen der politischen Parteien, S. 299, sein, wonach 20 %> der Jungsozialisten keine Parteimitglieder sein sollen, sondern n u r „der Partei nahestehen". 144 So Ziff. 3 der v o m Parteivorstand am 1. 2.1975 beschlossenen G r u n d sätze f ü r die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaften i n der SPD. 145 So f ü r das durch die i m Oktober 1973 gegründete sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) neu vermittelte Verhältnis von SPD u n d Gewerkschaften H. Schumacher, Die neue Gesellschaft, 1973, S. 368. 146 R. Breitling, Die Verbände der Bundesrepublik, S. 89, 91. 147 U. Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, S. 95.

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E n t z u g dieses W ä h l e r p o t e n t i a l s b e i m i t g l i e d e r s t a r k e n V e r b ä n d e n 1 4 8 sow i e d u r c h K a n d i d a t e n e i n k a u f m i t P a r t e i s p e n d e n seitens f i n a n z s t a r k e r Gruppen149. U n t e r B e r ü c k s i c h t i g u n g dieser Pressionen w e r d e n g e l e g e n t l i c h v o n d e n „ L i s t e n s t r a t e g e n " m i t 1 5 0 oder ohne E r m ä c h t i g u n g „ f e r t i g e " K a n d i d a t e n l i s t e n d e n E n t s c h e i d u n g s g r e m i e n v o r g e l e g t , die auch d e m V e r bändeproporz R e c h n u n g t r a g e n . D o c h i s t dies n i c h t e i n s e i t i g als E r f o l g e x t e r n e r B e e i n f l u s s u n g der P a r t e i e n z u w e r t e n ; d e n n sie u m w e r b e n i h r e r s e i t s die V e r b ä n d e besonders v o r d e n W a h l e n 1 5 1 u n d s i n d a n K a n d i d a t e n interessiert, d i e als P a r t e i - u n d z u g l e i c h als V e r b a n d s m i t g l i e der d i e b e t r e f f e n d e P a r t e i f ü r d i e M i t g l i e d e r d e r b e r ü c k s i c h t i g t e n V e r b ä n d e a t t r a k t i v machen. So k ö n n e n d i e V e r b ä n d e , w e n n sie sich person e l l u n d sachlich d u r c h eine P a r t e i g ü n s t i g r e p r ä s e n t i e r t sehen, Wahlempfehlungen a n i h r e M i t g l i e d e r aussprechen 1 5 2 . Das P r o p o r z d e n k e n b e i der L i s t e n a u f s t e l l u n g d a r f jedoch n i c h t s o w e i t gehen, daß d u r c h M a n i p u l a t i o n der Delegiertenversammlungen unter Verletzung der C h a n c e n g l e i c h h e i t a l l e r B e w e r b e r 1 5 3 u n d d e r f r e i e n E n t s c h e i d u n g der D e l e g i e r t e n 1 5 4 d i e L i s t e n a c h e i n e m v o n w e n i g e n „ S u p e r t a k t i k e r n " fest148 Die Parteien versprechen sich „Stimmenpakete", w e n n sie einen V e r bandsrepräsentanten als i h r e n Kandidaten herausstellen u n d gehen auf solche Forderungen der Verbände oft ein, vgl. dazu den Bericht der Parteienrechtskommission, S. 85; U. Dübber, Parteifinanzierung i n Deutschland, S. 28. 149 Vgl. zu beiden K r i t e r i e n der Verbandsmacht H. Schneider, Die I n t e r essenverbände, S. 128 f. 160 So ließ sich z . B . der Vorstand der Münchener SPD von den Delegierten eines Unterbezirksparteitages ermächtigen, f ü r die Aufstellung v o n Stadtratskandidaten dem nächsten Parteitag eine „Rohliste" vorzulegen, vgl. F A Z v o m 19. 4.1971, S. 4. 151 H. Schneider, Die Interessenverbände, S. 115. 152 Sie reichen v o n verbandsorientierten Stellungnahmen bis zu parteigebundenen Verbandsaufrufen, vgl. dazu H. J. Varain, Parteien u n d V e r bände, S. 136 ff., 139 ff. — So haben sich z. B. vor der Bundestagswahl 1972 der Hamburger u n d der bayerische DGB-Landesbezirk eindeutig f ü r eine Fortsetzung der sozial-liberalen Regierung nach den Wahlen ausgesprochen, vgl. FR v o m 19.10.1972, S. 4. Ebenfalls i n diese Kategorie gehören die Hirtenbriefe deutscher Bischöfe, die den Gläubigern empfahlen, eine „christliche Partei" zu wählen. 153 y g i # auch F. A. v. d. Heydte, i n : v. d. Heydte / Sacherl, Soziologie der deutschen Parteien, S. 152: Grundsatz der „gleichen Startchance". 154

H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 623. Daß bei diesem Verfahren Fehleinschätzungen der Wählermentalität, die w o h l gerade durch eine „konstruierte" Liste vermieden werden sollen, nicht ausbleiben, zeigte i n der 6. Legislaturperiode der F a l l des Abgeordneten H. HupJca. M a n glaubte Vertriebenenstimmen m i t der Nominierung des Verbandsfunktionärs gewinnen zu können u n d setzte einen Mann, v o n dem bekannt war, daß sein politischer Standort n u r schwerlich m i t der Parteilinie übereinstimmte, auf einen sicheren Listenplatz. Sein Parteiwechsel u n ter Mandatsmitnahme k a n n als Denkanstoß f ü r die gewertet werden, die Verbandsrücksichten v o r demokratischer Parteipolitik rangieren ließen, 15*

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2. Teil, I. Gesellschaftlicher u n d parteiinterner Bereich

gelegten Schlüssel m i t Verbandsfunktionären besetzt wird. Die Normierung eines Verbandsfunktionärs als Parteikandidat muß das Resultat der demokratischen innerparteilichen Personalentscheidung sein; es soll nicht die alleinige Berücksichtigung der Verbandszugehörigkeit eines Listenplatzbewerbers die innerparteiliche Diskussion über den Kandidaten und die von seinem Verband verfolgten politischen Ziele ausschließen. Die durch freie Entscheidung der Delegierten herbeigeführte Gruppenrepräsentation durch Kandidatennominierung ist legitim; denn eine solche Verteilung der Listenplätze kann auch der Berücksichtigung von Minderheiten dienen 1 5 5 . Weniger kontinuierlich und von temporär unterschiedlicher Intensität ist das Verhältnis von Parteien und Bürgerinitiativen oder Aktionsgemeinschaften. Jene Gruppierungen, die meist nur sehr locker organisiert sind, haben ein bestimmtes, zeitbedingtes Ziel. Soweit sie m i t Wünschen und Forderungen an öffentliche Institutionen herantreten 1 5 6 , werden dabei meist auch die Parteien positiv oder negativ angesprochen 1 5 7 oder sie fühlen sich berufen, das Anliegen der Gruppe zu ihrem eigenen zu machen. Da es sich jedoch meist u m lokal und zeitlich begrenzte Sachbereiche handelt, können daraus keine nachhaltigen W i r kungen auf die Parteipolitik insgesamt resultieren. Das Interesse der Parteien(-führungen), solche gesellschaftlichen Aktivitäten zu unterstützen, w i r d kaum durch die — meist geringe — Zahl möglicher Wähler geweckt. Meist ist es die Spekulation, daß die so bewiesene Offenheit für Notstände oder Minderheitsinteressen allgemein Sympathien einbringt. Aus den Beziehungen zwischen Parteien und Bürgerinitiativen können kaum Gefährdungen des innerparteilichen Willensbildungsprozesses resultieren, denn es mangelt den Aktionsgemeinschaften i n der Regel an einem zahlreichen Mitgliederstamm oder größeren Finanzen, sie verfügen also über keines der probaten Einflußmittel auf die Parteipolitik, die den demokratischen Willensbildungsprozeß stören könnten. Positiv i m Sinne einer auch für Minderheitsinteressen sensiblen politischen Willensbildung innerhalb der Parteien ist es, wenn sich

vgl. dazu FR v o m 2. 3.1972, S. 3. Auch ohne Hupka konnte die SPD i n der Bundestagswahl 1972 Stimmengewinne bei den Vertriebenen verzeichnen, so F A Z v o m 29.11.1972, S. 8. 155 H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 629 ff. 156 Institutionalisiert ist diese Verbindung z.B. i m schlesw.-holst. L a n d tagsausschuß f ü r Bürgerinitiativen, vgl. dazu P. Hübner, ZParl. 1972, S. 199 ff. 157 Vgl. dazu den Bericht der Forschungsgruppe an der Freien Universität Berlin, Z u r Rolle u n d F u n k t i o n von Bürgerinitiativen, ZParl. 1973, S. 266 f., wonach i n den einzelnen analysierten Gruppen sich jeweils ein A n t e i l von Parteimitgliedern befindet u n d i n einigen Fällen Bürgerinitiativen v o n Parteien materiell unterstützt werden.

4. E i n w i r k u n g e n der gesellschaftlichen U m w e l t auf die Parteien

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die Anliegen der Bürgerinitiativen kraft ihrer sachlichen Berechtigung innerparteilich durchsetzen und die Partei für deren Ziele m i t eintritt. Enger sind die Beziehungen zwischen den Parteien und ihren Wählerinitiativen. Gemeint sind die echten Wählerinitiativen 1 5 8 , d. h. die A k tionen parteiorganisatorisch ungebundener Wähler, die nicht nur eine bestimmte Partei wählen, sondern durch aktiven öffentlichen Einsatz auch andere Bürger zum Votum für diese Partei bewegen wollen. I h r primäres Interesse ist identisch m i t dem Ziel der unterstützten Partei, möglichst viele Wählerstimmen zu gewinnen. Von daher ergeben sich keine Gefährdungen des innerparteilichen Willensbildungsprozesses. Wo allerdings Wählerinitiativen bestimmte Punkte des Wahl- oder Parteiprogrammes herausgreifen und diese einseitig nach ihren politischen Interessen interpretieren, kann eine tendenzielle Verfälschung der politischen Aussagen der Partei in der Öffentlichkeit eintreten. So erwünscht von den Parteien einerseits jede Stellungnahme für sie und ihre Politik ist, können auf der anderen Seite solche Aktionen sowohl die Sachaussagen als auch die Wahlkampfstrategie einer Partei durcheinander bringen. Ersteres dürfte bei einer informierten Wählerschaft jedoch nicht sehr zu Buche schlagen, da man eben weiß, daß es sich u m eine Wähler- und keine Parteiaussage handelt. Die politische Willensbildung des Volkes w i r d dadurch nicht beeinträchtigt und auf die innerparteiliche Willensbildung w i r k e n sich solche Parallelaktionen unmittelbar ebenfalls nicht aus. Eng m i t der Verbreitung des Sachprogramms hängt jedoch das Wann und Wie, die Wahlkampf Strategie zusammen. Hier passen Wählerinitiativen nicht immer ins Konzept des meist von public-relations-Fachleuten erarbeiteten Wahlkampfablaufs 1 5 9 , A r t und Zeitpunkt ihrer Aktivitäten können sich sogar negativ auf das Image der Partei auswirken 1 6 0 . Solche Nachteile aus freien Wähleraktionen sind jedoch von den Parteien in Kauf zu nehmen. Ebenso wie sich Wäh158 Unechte „ W ä h l e r i n i t i a t i v e n " sind dadurch gekennzeichnet, daß Parteimitglieder oder Wahlkampfstrategen einer Partei eine solche I n i t i a t i v e gründen, steuern u n d finanzieren. Es sich also nicht u m eine spontane A k t i o n von Nicht-Parteimitgliedern handelt. Nach Außen soll dadurch der Anschein erweckt werden, als sei die Anziehungskraft der betreffenden Partei so groß, daß es zu freien Wählerinitiativen kommt. I n bezug auf die innerparteiliche Willensbildung entstehen keine Probleme, da die Partei hier der bestimmte Faktor ist u n d bleibt. 159 So haben i m Bundestagswahlkampf 1972 die Werbeagenturen Team und Hegemann die C D U beraten, die Agentur Baums, Mang u n d Z i m m e r mann die F.D.P. u n d die SPD-eigene A R E - A g e n t u r die Sozialdemokraten, vgl. F A Z v o m 29.11.1972, S. 7. — Vgl. zur Parteiwahlkampfwerbung durch Agenturen auch H. J. Schürholz , Die Welt, v o m 16. 8.1971; Spiegel Nr. 11/1970, S. 78. 160 Es ist zu vermuten, daß der Mißerfolg der C D U / CSU bei der Bundestagswahl 1972 auch auf den exzessiven Einsatz teurer Anzeigen m i t t e i l weise sehr polemischem I n h a l t seitens der Industrie u n d zahlloser echter und unechter Wählerinitiativen zurückzuführen ist.

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2. Teil, I. Gesellschaftlicher u n d parteiinterner Bereich

lergruppen gegen eine bestimmte Partei formieren dürfen, ist auch das zustimmende Engagement zulässig. Sind beide Aktionen von gleicher negativer Wirkung i m Verhältnis Partei - Wähler, so ist das zwar nicht i m Sinne der verschiedenen Intentionen der betreffenden Gruppen, doch ohne rechtliche Relevanz. Wer politisch agiert, muß m i t positiven und negativen Reaktionen rechnen und trägt das Risiko der Wirkung der von i h m entfachten Politisierung. Die Einflüsse der Interessenverbände auf die Parteien zielen letztlich auf legislatorische Entscheidungen der Staatsorgane ab. Sind die Abgeordneten zugleich Verbandsmitglieder, werden sie selbstverständlich bei ihrer Arbeit auch Verbandsinteressen berücksichtigen 161 . Darin liegt eine gewisse Entlastungsfunktion für die innerparteiliche Willensbildung, die teilweise von Verbandspressionen verschont wird, wenn die Verbände andere Kanäle zur Durchsetzung ihrer Interessen haben. Doch verschieben sich damit die Probleme nur und stellen sich erneut auf Fraktionsebene und i m Parlament (interfraktionelle Gruppenbildung), wo der Verbandseinfluß demokratische Entscheidungen der Partei» und Fraktionspolitik zu unterlaufen geeignet ist 1 6 2 . Der Ausbau der öffentlichen Anhörungen der Bundestagsausschüsse (vgl. § 73 I I I - V GeschOBT) und des Beiratswesens bei Verwaltungsgremien können jedoch Verbandsforderungen kanalisieren und die innerparteiliche W i l lensbildung entlasten 1 6 8 . W i r d über solche Ventile der Druck der Verbandspolitik verteilt, kann er sich i m innerparteilichen Bereich auf das notwendige und unschädliche Maß einpendeln. Insgesamt ist das Verhältnis von Parteien und Verbänden von wechselseitiger Beeinflussung 1 6 4 gekennzeichnet. Ebensowenig wie die parteienstaatliche Demokratie 1 6 5 darf auch die innerparteiliche Demokratie nicht von den Verbänden unterwandert werden.

161 F ü r C D U hat U. Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, S. 95, sogar konstatiert, „daß die Parteidisziplin i n verbandspolitischen Fragen zugunsten der Verbandsdisziplin zurücktritt". 162 Vgl. zu den praktischen Auswirkungen: M. Wambach, Verbändestaat u n d Parteienoligopol, S. 96 ff., 106 ff. 163 U. Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, S. 102; G. Leibholz, W D S t R L 24 (1966), S. 31. 164 R. Breitling, Die Verbände der Bundesrepublik, S. 91. — Die Interdependenz der „Handlungssysteme" Parteien u n d Verbände i m Gegensatz zum einseitigen Pressure-Begriff stellt auch M. Wambach, Verbändestaat und Parteienoligopol, S. 14 ff., 18, heraus. 165 G. Leibholz, W D S t R L 24 (1966), S. 28.

I I . Parteiinterna 1. Gliederung, Organisation Die formale Organisation einer Partei ist von Auswirkung auf die von i h r wahrzunehmenden Zwecke 1 . Organisationsprobleme sind politische Probleme, sie „gehören zu den Kernproblemen des Ringens u m den sozialen Charakter unseres demokratischen Staates" 2 . Funktionen und Kompetenzen der Organe und Gliederungen müssen die Partei handlungs- und leistungsfähig halten und zugleich den zweckspezifischen Aufgaben des Subsystems i m politischen System dienen. Grundsätzlich egalitäre Partizipationsmöglichkeit aller Parteibürger, innerparteilicher Pluralismus, Repräsentation durch besondere Organe und Transparenz i m Willensbildungsprozeß sind Aspekte der innerparteilichen Demokratie i m Sinne einer komplexen Demokratietheorie nach der Verfassung, die auch ihren Stellenwert i n Fragen der Parteiorganisation haben. Der funktionalen Koppelung dieser Zielwerte dienen die strukturelle Gliederung 3 des Parteiapparates und die Einsetzung besonderer Organe. Das PartG schreibt i n § 7 eine Gliederung der Parteien zumindest i n Gebietsverbände — Ausnahme Abs. 1 S. 3 — zwingend vor. Primärer Gliederungszweck ist die angemessene Mitwirkung der einzelnen Mitglieder an der Willensbildung der Partei ( § 7 1 2 PartG). Von größter Bedeutung i n diesem Sinn sind die untersten Gliederungsebenen. Hier kann jedes Mitglied m i t Sitz und Stimme persönlich an den Entscheidungen der Parteipolitik teilnehmen. Alle höheren Gliederungsstufen bauen auf diesem personellen Bestand auf, sie fassen mehrere Untergliederungen nach regionalen Gesichtspunkten zusammen. Hier können 1 Dabei w i r d nicht von einem vorgegebenen normativen Organisationszweck als alleinigem Bezugspunkt zur Beurteilung der Organisation ausgegangen, w i e dies bei zweckrationalen Organisationslehren der F a l l ist. Die System-Umwelt-Beziehungen setzen weitere Bezugspunkte f ü r die Beurteil u n g eines sozialen Systems. Doch ist es i n einer Untersuchung der Rechtsprobleme unverzichtbar, normative Organisationszwecke i n die Erörterung einzubeziehen u n d sie i n Beziehung zu weiteren organisationssoziologischen K r i t e r i e n zu setzen. I m folgenden w i r d die innerparteiliche Demokratie als normativer Organisationszweck (Art. 21 I 3 GG) i m angedeuteten Sinn behandelt. 2 H. Wehner, Organisationsprobleme politisch verstanden u n d dargestellt, S. 9. 3 W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 64: „ A u c h die A r t der Gliederung gehört zur V e r w i r k l i c h u n g demokratischer Grundsätze."

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2. Teil, I I . Parteiinterna

jedoch nicht mehr alle Parteibürger unmittelbar persönlich partizipieren. Unterschiedlich sind jeweils die sachpolitischen Kompetenzen der einzelnen Gliederungsstufen. So kann ein Orts- oder Kreisverband zwar zu allen politischen Fragen Stellung nehmen, unmittelbar w i r k sam als Parteipolitik sind jedoch nur seine Entschließungen die den betreffenden Kommunalbereich erfassen. Aussagen zur Landes- oder Bundespolitik müssen, vermittelt über Vertreterversammlungen, von den Organen der regional zuständigen Gliederungsstufe verabschiedet werden. Wo sich keine territoriale Zuständigkeit begründen läßt, gilt: „ . . . je größer die Bedeutung (sc. einer Angelegenheit) für die Gesamtpartei ist, u m so höher muß die Organisationsebene sein, deren Parteitag darüber entscheidet 4 ." Diese Zuständigkeit der Parteigliederungen richtet sich auch nach dem Aufbau der entscheidungskompetenten hoheitlichen Stellen. Jedoch ist eine strenge Ausrichtung des Parteiaufbaus am Verwaltungsaufbau i n allen seinen Stufen nicht erforderlich. Kriterium für die Notwendigkeit mehrer Ebenen von Parteiunter gliederungen sind die Wahlen zu öffentlichen Körperschaften 5. A u f Gemeinde«, Kreis-, Landes- und Bundesebene werden Organe von erheblicher politischer Entscheidungskompetenz durch Wahlen besetzt. Ihre Mitglieder werden als Parteikandidaten aufgestellt, was eine Realisierung der Parteipolitik i n den entsprechenden Gremien verspricht. Nur wo solche „Brückenköpfe" der Parteien i n den staatlichen Bereich hineinragen, ist permanente innerparteiliche Willensbildung zu den Problemen der jeweiligen Ebene des Staatsaufbaues sinnvoll, denn nur dort besteht die Möglichkeit zur Übernahme der Entscheidungen i n die Politik der hoheitlichen Organe. A r t . 20 I GG (Bundesstaatsprinzip) und 28 GG sind daher auch relevant für die Parteigliederung 6 , die sich 4 F. Schäfer, Die F u n k t i o n v o n Bundesparteitagen i m föderativen modernen Parteienstaat, S. 290. 6 s. auch N. Gansei, Die neue Gesellschaft 1971, S. 731. — Die Teilnahme an den Wahlen i n B u n d oder Ländern ist auch k o n s t i t u t i v für den Parteibegriff (§ 2 I I PartG). — § 13 S. 3 P a r t G ermächtigt die Parteien i n ihren Satzungen zu bestimmen, daß die bei den Wahlen zu Volksvertretungen erzielten Wählerstimmen als Bemessungsgrundlage des Delegiertenschlüssels f ü r Vertreterversammlungen herangezogen werden kann. 6 Das PartG geht auch i n der Regel von einer Parallelität der staatlichen und parteilichen Gliederungen aus. Vgl. § 2 I 1: „ f ü r den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen"; § 6 I V : „ . . . sich auf das Gebiet eines Landes beschränkt"; § 7 I I : „Landesverbände"; § 8 1 3 : „Landesparteien"; § 14 I 2: „Gebietsverbände der Kreisstufe"; § 24 I : „Rechenschaftsberichte der einzelnen Landesverbände"; § 29 I : „Landesverbände". Ebenso das B W a h l G i m Hinblick auf die „Landeslisten", § 28. — Eine gewisse Dysfunktionalität i n diesem Zusammenhang b r i n g t die A u f stellung der Kreiswahlvorschläge zur Bundestagswahl (§§ 20 ff. BWahlG), denn die Wahlkreise stimmen regelmäßig nicht m i t den Landkreisen oder ihnen entsprechenden Parteigliederungen überein. Die Vertreterversamm-

1. Gliederung, Organisation

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p a r a l l e l z u der i n dieser B e s t i m m u n g g e n a n n t e n s t a a t l i c h e n G l i e d e r u n g a u f G e m e i n d e n , K r e i s e , L ä n d e r u n d B u n d erstrecken m u ß 7 . V o n der W i r k u n g d e r P a r t e i p o l i t i k a u f h o h e i t l i c h e E n t s c h e i d u n g e n h ä n g t d e r P a r t i z i p a t i o n s g r a d d e r P a r t e i b ü r g e r a n d e r P o l i t i k d e r res p u b l i c a ab. F o l g l i c h i s t die Synchronisation von Partei - und Staatsaufbau eine Voraussetzung f ü r die E f f e k t i v i t ä t der P a r t e i p o l i t i k u n d somit die E f f e k t i v i t ä t der T e i l h a b e des P a r t e i b ü r g e r s 8 . D i e verschiedenen G l i e d e r u n g s e b e n e n erschließen unterschiedliche P a r t i z i p a t i o n s b e r e i c h e . L i e g t die P a r t i z i p a t i o n s m o t i v a t i o n b e i m e i n e n P a r t e i m i t g l i e d m e h r i n der M i t g e s t a l t u n g d e r k o m m u n a l e n A n g e l e g e n h e i t e n 9 , so k ö n n e n andere i h r e Interessen a n ü b e r g r e i f e n d e n S a c h k o m p l e x e n 1 0 n u r a u f L a n d e s - oder Bundesebene s i n n v o l l realisieren. K . Hesse h a t d e n p o s i t i v e n Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n f ö r d e r a t i v e m Staatsaufbau, entsprechender P a r t e i g l i e d e r u n g u n d i n n e r p a r t e i l i c h e r D e m o k r a t i e h e r a u s g e s t e l l t 1 1 ; dasselbe g i l t auch f ü r die Bereiche der k o m m u nalen Selbstverwaltung. Die Zentralisierungs- u n d Oligarchisierungst e n d e n z e n i n n e r h a l b d e r P a r t e i e n w e r d e n e i n g e s c h r ä n k t 1 2 , da d i e U n t e r lungen zur Kandidatennominierung treten meist n u r einmal pro Legislaturperiode zum genannten Zweck zusammen. Es fehlt ihnen an K o n t i n u i t ä t , u m als Organ die A r b e i t des Abgeordneten kritisch zu verfolgen. Dies muß i n anderen Gliederungseinheiten geschehen. 7 Anders dagegen der Bericht der Parteienrechtskommission, S. 166, w o nach die territoriale Abgrenzung der Bezirke „autonomer Regelung" der Parteien überlassen bleibt. Auch G. Rabus, AöR 78 (1952 - 53), S. 166, w i l l den Parteien keine „Zwangsjacke" anlegen u n d sie nicht unbedingt dem V e r w a l tungsaufbau anpassen, dabei übersieht er jedoch den Zusammenhang von Parteipolitik u n d der P o l i t i k der kompetenten hoheitlichen Organe der verschiedenen Ebenen, u n d er hat ferner keine begründeten Gliederungsk r i t e r i e n anzubieten. — Dagegen w i r d der „Zusammenhang zwischen der bundesstaatlichen S t r u k t u r u n d der inneren Ordnung der Parteien" auch von K . Hesse betont, vgl. : Der unitarische Bundesstaat, S. 29. 8 Diesen Gesichtspunkt übersieht R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 87 f., der eine derartige Untergliederung zwar als praktisch ansieht, eine Verpflichtung hierzu jedoch ablehnt. 9 Gerade i m Kommunalbereich sind die Bedingungen f ü r tatsächliche E i n flußnahme günstig, „ w e i l parteiinterne Überlegungen u n d Meinungsbildungsprozesse auf einem sehr kurzen Weg an die Entscheidungsstellen herangebracht werden können", T. Ellwein, A r c h i v f ü r K o m m u n a l Wissenschaften 1971, S. 19. 10 S t r u k t u r p o l i t i k der verschiedensten Bereiche, Rechts-, Außen-, Finanzp o l i t i k etc. 11 I n : Der unitarische Bundesstaat, S. 29; zustimmend F. Schäfer, Die F u n k t i o n von Bundesparteitagen i m föderativen modernen Parteienstaat, S. 294. 12 Innerorganisatorischer Gruppenwettbewerb erbringt auch bei oligarchischer S t r u k t u r der einzelnen Einheiten ein hohes Maß organisationsinterner Demokratie, da „die Chancen f ü r angemessene A r t i k u l i e r u n g u n d Aggregierung der Mitgliederinteressen sowie die Beteiligung der Mitglieder an den organisationsrelevanten Entscheidungen beträchtlich steigen"., F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 37 f.

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2. Teil, I I Parteiinterna

gliederungen auf ihren Ebenen partielle Unabhängigkeit und Selbständigkeit entfalten können. Somit entsteht zumindest ein Pluralismus konkurrierender Oligarchien auf Länder- und Kommunalebene, der sich sowohl horizontal als auch vertikal auswirkt. Durch diese Konkurrenzsituation w i r d auch die Stellung des einzelnen Parteibürgers und Delegierten auf den Vertreterversammlungen aufgewertet. Er steht nicht einem monolitischen Führungsblock gegenüber, sondern w i r d von den konkurrierenden Gruppen umworben, von denen jede um ihre innerparteiliche Mehrheit kämpft. So werden Partizipationsmotivation und -chancen des Parteibürgers durch staatsparallele Parteigliederung gesteigert. Die vertikale Parteigliederung i n Bundes-, Landes-, Kreis- und Gemeindeverbände, impliziert auf den drei untersten Stufen zugleich eine horizontale Gliederung, entsprechend der Anzahl der Länder, Kreise und Kommunen. Doch sind die jeweiligen Einheiten nicht immer so strukturiert, daß die von § 7 PartG als Gliederungsziel geforderte angemessene Mitwirkung der Parteibürger bei der Willensbildung möglich ist. Diese Vorschrift stellt die Parteien vor schwierige Organisationsprobleme 13 , wollen sie diesem Auftrag entsprechen und gemäß § 6 I I Nr. 6 PartG i n ihre Satzungen Bestimmungen über die „allgemeine Gliederung der Partei" aufnehmen. Vorab ist bereits der Begriff „angemessen" problematisch. Kann bei über hunderttausend Parteimitgliedern das einzelne Mitglied überhaupt noch angemessen partizipieren oder ist angemessen eine Abhängige von der Mitgliederzahl, so daß bei großen Parteien entsprechend niedrige Partizipationschancen zu erwarten sind? Der Begriff der Angemessenheit bezieht sich auf die Funktion der innerparteilichen Demokratie i n der Demokratie des Gemeinwesens. Die Parteien müssen ihre Gliederungen derart ausdifferenzieren, daß jeder Bürger die Möglichkeit hat, Parteimitglied zu werden und innerhalb der Partei i m Zusammenwirken m i t den übrigen Parteibürgern unmittelbar zu politischen Fragen Stellung zu nehmen und damit die Parteipolitik und über sie die Politik der Staatsorgane plebiszitar zu beeinflussen. Dem dienen sowohl die genannte vertikale Aufgliederung der Parteiorganisation als auch die horizontale Gliederung innerhalb des einzelnen Landes-, Kreis- und Gemeindeverbandes. Es muß eine der Mitgliederzahl 14 angemessene Glie13 Die Untersuchungen über Möglichkeiten der A n w e n d u n g von Organisationstheorien auf politische Parteien stehen noch i n den Anfängen, vgl. dazu etwa H.-O. Mühleisen, Organisationstheorie u n d Parteienforschung, S. 59 ff., der sich weitgehend auf das Aufzeigen möglicher Fragestellungen beschränkt. 14 B. Friedrich, Der sozialdemokratische Ortsverein, S. 52 ff., sieht als K r i t e r i u m f ü r die „Organisationsdichte" die Außen Wirkung der Parteigliederung, die am Verhältnis von Einwohnerzahl, Parteimitgliedern u n d Wäh-

1. Gliederung, Organisation

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derungsdichte zwischen Über - und Unter organisation des Gebietsverbandes gefunden werden; es geht also nicht u m maximale, sondern um optimale Gliederung. Steht bei Unterorganisation eine große M i t gliederzahl einer zu geringen Partizipationskapazität 15 auf der betreffenden Ebene gegenüber, so kann die Überorganisation Reibungsverluste i n der Willensbildung, Unübersichtlichkeit, Ämterhäufung 1 6 und Beeinträchtigung der freien Personalentscheidung bedeuten. Grundsätzlich sind jedoch die Nachteile der Überorganisation für die innerparteiliche Demokratie geringer, als die der Unterorganisation. Der Organisationsgrad einer Partei ist demnach eine Abhängige von der Mitgliederzahl 17. Die demokratische Ermittlung des Parteiwillens vollzieht sich angesichts der Mitgliedermassen durch organisierte Kommunikation; weniger Kommunikation bedeutet weniger innerorganisatorische Partizipation 1 8 . Dies bedingt eine gliederungsmäßige Aufteilung der Gesamtmitgliedschaft und der Versammlungen ihrer Vertreter auf Einheiten, i n denen noch Kommunikation stattfinden kann 1 9 . Das PartG geht von der Richtzahl 250 aus. Nach § 8 I 3, 4 können bei mehr als 250 Parteimitgliedern Zwischengliederungen (Vertreterversammlungen) gebildet werden. Die Zahl der auf der jeweiligen Stufe an der Willensbildung beteiligten Personen soll dieses Maß nicht überschreiten. Die zunächst noch recht hohe Zahl w i r d durch zwei Faktoren korrigiert und ist daher ein taugliches Gliederungskriterium. Z u m einen nehmen i n der Praxis weit weniger als die Hälfte der Parteimitglieder ständig und aktiv an der Willensbildung der Partei teil 2 0 , so daß die Zahl der Kommunizielerstimmen zu messen ist. Dabei bleibt jedoch das Binnenproblem der Parteigliederung, die Frage nach dem Verhältnis v o n Organisationsgrad u n d Partizipation der Parteibürger unerörtert. E i n Ortsverein soll nicht p r i m ä r nichtorganisierte „Einwohner betreuen" (ebd., S. 64), sondern Partizipation gewährleisten. 15 z . B . ein zu wenig differenziertes Kommunikationsnetz, s. dazu F. Naschold, Systemsteuerung, S. 111; H.-O. Mühleisen , Organisationstheorie und Parteienforschung, S. 69. 16 Vgl. dazu H. Meyer , ZfP 1955, S. 353, der von einer „ I n f l a t i o n " der i m Rahmen der v o n i h m analysierten Parteiuntergliederung bestehenden Organisationen spricht, die den verschiedensten Interessen dienen u n d den a k t i ven Parteimitgliedern jeweils Verpflichtungen auferlegen. 17 Vgl. N. Gansei, Die neue Gesellschaft 1971, S. 731: „ j e kleiner der Ortsverein, desto größer der A n t e i l aktiver Mitglieder; s. auch ff. Kaack, ZParl. 1971, S. 23 ff. 18 H.-O. Mühleisen , Organisationstheorie u n d Parteienforschung, S. 67; vgl. auch F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 39, m i t seinem Bericht über die Analyse v o n S. Barnes . 19 Eine f ü r den Kommunikationsfluß relevante Komponente ist die „ Z a h l der Sender u n d Empfänger", F. Naschold, ebd., S. 110. — I n der Regel bestehen die Delegierten Versammlungen aus 100 - 200 Mitgliedern, so H. Kaack, ZParl. 1971, S. 25.

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2. Teil, I I . Parteiinterna

renden verringert wird. Zum andern kommt dazu, daß auf jeder Gliederungsebene innerhalb der einzelnen Untergliederung weitere organisierte (Sonderorganisationen) oder spontane, zeitweilige Zusammenschlüsse existieren, die meist geschlossen als Gruppe am Willensbildungsprozeß der Partei teilnehmen, so w i r d die Zahl der faktisch Kommunizierenden weiter dadurch verringert, daß viele Gruppenangehörige nur m i t ihrer Stimme bei der Abstimmung an der Willensbildung teilnehmen, und nur einige Wortführer i m gruppenintern festgelegten Sinn über die Gruppe hinaus kommunizieren. Solche Gruppenbildungen differenzieren die formale Parteigliederung der Gemeinde-, Kreis- und Landesverbände weiter nach interessenorientierten Gesichtspunkten. Soweit die Gruppierungen nicht statuarisch i n die Parteiorganisation eingebunden sind 2 1 , handelt es sich um spontane Gemeinschaften m i t gemeinsamen politischen Interessen. Das Entstehen von ad hoc Zusammenschlüssen ist ein Indiz dafür, daß die innerparteiliche Kommunikation funktioniert. Die Kommunikationsnetze sind derart verdichtet, daß den Beteiligten durch die häufige wechselseitige Kommunikation ihre Zusammengehörigkeit als Gruppe bewußt w i r d 2 2 und sie innerparteilich als solche auftreten. Über diese motivierenden Zwischengruppen kann eine hohe Zahl von Organisationsmitgliedern an den für sie wichtigen Entscheidungen der Parteipolitik partizipieren. Dabei ist es nicht entscheidend, ob diese Zusammenschlüsse organisatorisch verfestigt und qua Satzung i n die formelle Parteiorganisation aufgenommen werden. Günstiger w i r k t sich ein auf Spontaneität und Wandelbarkeit begründetes „oszillierendes" innerparteiliches Gruppensystem aus 23 , das flexibel erlöschende Motivationen nicht künstlich am Leben halten w i l l und neuen Partizipationsbegehren Raum gibt. Die Absicherung der individuellen Beteiligung durch die Gruppe stärkt das Statusrecht des Parteibürgers und w i r k t partizipationsmotivierend 24 . 20 So berichtet H. Kaack, ebd., S. 26: „ A l s normal gilt i n den Städten ein A n t e i l von 15 bis 20%. N u r i n den ländlichen Gemeinden k a n n häufiger damit gerechnet werden, daß mehr als 5 0 % der Mitglieder zu einer V e r sammlung erscheinen." Bei den Parteien bedeutet — i m Gegensatz zu den meisten anderen Organisationen — selbst eine gegen N u l l gehende Teilnahmeintensität nicht das Ausscheiden des Mitglieds aus der Organisation. Daher hat die Organisationstheorie hier zwischen B e i t r i t t s - u n d Leistungsmotivation zu unterscheiden, vgl. dazu H.-O. Mühleisen, Organisationstheorie u n d Parteienforschung, S. 71 ff. 21 z. B. bei der SPD gemäß § 10 des Organisationsstatuts die Arbeitsgemeinschaften; bei der C D U gemäß §§ 38, 39 des Statuts die Vereinigungen; bei der F.D.P. gemäß §§ 22, 23 der Satzung die Fachausschüsse u n d Arbeitsgruppen. 22 N. Luhmann, A r t . : Organisation, soziologisch, i n : Ev. Staatslexikon, Sp. 1413. 23 F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 42. 24 Ders. t ebd., S. 69, 73.

1. Gliederung, Organisation

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Der skizzierte Gliederungsaufbau muß durch entsprechende Organisationsregeln abgesichert werden. Es ist ineffektiv und w i r k t sich negativ auf die Teilhabemotivation aus, wenn z. B. i n ad hoc Gruppen politische Willensbildung der Parteimitglieder geschieht, für die dann keine Kanäle zur Weiterleitung i n den innerparteilichen Willensbildungsprozeß zur Verfügung stehen. Gliederung dient der angemessenen M i t w i r k u n g der Parteibürger an der Willensbildung der Organisation ( § 7 1 2 PartG), daher müssen den organisatorisch verfestigten und spontanen Gruppen innerhalb der Untergliederungseinheiten entsprechende Partizipationswege offenstehen. M i t dem so verstandenen Gliederungsauftrag nach § 7 I 2 PartG korrespondiert die Vorschrift des § 8 I I PartG. Wenn diese Norm allein von Willensbildung spricht, so ist sie wegen A r t . 21 I 3 GG so zu verstehen, daß damit die demokratische Willensbildung der Gliederungseinheit gemeint ist. Auch für die Institutionalisierung der Parteiorgane ist dies oberster normativer Zweck. Die Parteiorganisation i n Gebietsverbände und Organe dient nicht einer rein technischen Handlungsfähigkeit des Bürgerzusammenschlusses, sondern der Partizipation der Parteibürger. Handlungsfähig wäre eine Partei auch, wenn ein m i t universellen Kompetenzen ausgestatteter Vorstand allein die Politik betreibt; doch geht es nicht abstrakt u m Willensbildung, Entscheidungsfindung oder Handlungsfähigkeit, sondern sie müssen demokratisch sein. I n diesem Sinne ist das „oberste Organ" ( § 9 1 1 PartG) der Partei die Mitglieder- und Vertreter Versammlung des jeweiligen Gebietsverbandes, sie ist „Organ der Mitgliederpartizipation" 2 5 . Die plebiszitäre Funktion der Parteien i m politischen Gesamtsystem erfordert, daß sie selbst grundsätzlich unmittelbare Teilhabe aller Parteibürger an allen Angelegenheiten ihrer Politik ermöglichen. Die Versammlungen der Parteimitglieder oder auf höheren Stufen die ihrer Vertreter haben als oberste Parteiorgane innerparteiliche Kompetenzkompetenz 26 . Die Parteitage dienen der plebiszitären Bestimmung der Richtlinien der Parteipolitik, während die übrigen Organe entweder diese Direktiven ausführen, i n ihrem Rahmen agieren oder vorbereitende Hilfsfunktionen zu ihrer Feststellung haben, aber auch unvorhergesehene politische Situationen praktisch bewältigen müssen. Die repräsentative Komponente der innerparteilichen Demokratie kommt durch die Kompetenzen von Vorstand (§ 11 PartG), allgemeinen Parteiausschüssen (§ 12 PartG) und der Parteischiedsgerichte (§ 14 PartG) zum Tragen. Es ist jedoch weniger eine Frage der Kompetenzen der Parteiorgane, als eine solche 25

J. Dittberner , PVS 1970, S. 240 u. passim. So der Bericht der Parteienrechtskommission, S. 45; U. Lohmar , I n n e r parteiliche Demokratie, S. 83; F. Schäfer, Die F u n k t i o n von Bundesparteitagen i m föderativen modernen Parteienstaat, S. 288. 28

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2. Teil, I I . Parteiinterna

der soziologischen und sozialpsychologischen Verhältnisse innerhalb einer Partei, inwieweit die Parteibürger i n ihrer Gesamtheit oder ihre Vertreter von ihren Rechten als oberste Parteiorgane Gebrauch machen. Die Möglichkeiten unmittelbarer politischer Teilhabe der Bürger i n und über Parteien sind i n keiner Partei der Bundesrepublik heute ausgeschöpft 27 . Angesichts des tatsächlichen Übergewichts der repräsentativen Parteiorgane kann durch das Parteienrecht insoweit gegengesteuert werden, als durch Verfahrensregeln diese Organe verstärkt i n Abhängigkeit von den plebiszitären Organen gebracht werden. Ein Instrument hierfür wäre z.B. die Aufspaltung des Tätigkeitsberichts des Vorstandes (§ 9 V PartG) i n einen retrospektiven und einen prospektiven Teil, über die beide diskutiert und separat abgestimmt wird. M i t der Beschlußfassimg über die zukünftigen Pläne des Parteivorstandes wären diese m i t dem plebiszitären Wollen der Parteibürger verkoppelt. Die durch Apathie der Mitglieder und manipulatives Verhalten der Führungsgremien entstandene faktische Macht der Repräsentativorgane ist an die Parteibürger, ihre eigentlichen Träger, zur Ausübung weiter zu leiten. Wo die Parteibürger faktisch nicht i n der Lage sind ihre Rechte v o l l zu nutzen, muß über das Recht steuernd eingegriffen, müssen Dysfunktionen behoben werden. K a u m tauglich hierfür ist die verschiedentlich propagierte Strategie einer innerparteilichen Gewaltenteilung 28; denn sie beläßt die politische Macht auf der Repräsentationsebene und verteilt sie unter den Eliten, ohne die Parteibürger verstärkt einzubeziehen. Wegen des faktischen Überhangs an innerparteilicher Repräsentation ist § 8 I I PartG so zu interpretieren, daß die nach dieser Vorschrift möglichen weiteren, der demokratischen W i l lensbildung dienenden Organe nicht solche zur Mitgliederrepräsentation sein dürfen, sondern die Mitgliederpartizipation verstärken müssen.

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So beklagt H. Kaack i n seiner Analyse von S t r u k t u r u n d F u n k t i o n der Ortsvereine, ZParl. 1971, S. 29 f.: „ D o r t wo Demokratie i n ihrer ursprünglichen F o r m praktiziert werden könnte, fehlen vielfach die realen Möglichkeiten, w e i l der Kreis der aktiven Parteimitglieder zu gering ist", ähnlich auch S. 38. — Selbst J. Dittberner, PVS 1970, S. 267, geht trotz seines pessimistischen Befundes hinsichtlich der Rolle der Parteitage i m Prozeß der innerparteilichen Willensbildung davon aus, daß es nicht gerechtfertigt ist, „den Parteitagen die Möglichkeit, als Organe der Mitgliederpartizipation zu wirken, prinzipiell abzusprechen. Es gibt Faktoren, die diese F u n k t i o n der Parteitage begünstigen". 28 Vgl. z. B. O. K . Flechtheim, ZfP 1962, S. 102; W. Leisner, Gewaltenteilung innerhalb der Gewalten, S. 268; B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 54.

2. Sonderorganisationen

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2. Sonderorganisationen Die Parteien haben neben der allgemeinen Gliederung nach regionalen Kriterien unterschiedlichste Gliederungseinheiten nach interessenpolitischen Gesichtspunkten 29 institutionalisiert, m i t dem Begriff der Sonderorganisation zu bezeichnende personelle — nicht sachliche — Parteigliederungen. Auszugehen ist von dem Begriff V. Oerters: „Eine Sonderorganisation ist eine Organisation m i t besonderen Aufgaben innerhalb der Partei, der sie derart eingegliedert ist, daß sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse — Mitgliedschaft, w i r t schaftliche, finanzielle und organisatorische Abhängigkeit — als deren Teil erscheint 30 ." Die rechtliche Stellung der Sonderorganisationen i m Rahmen der Partei bestimmt sich nach GG und PartG. Einschlägig ist i n Konkretisierung des A r t . 21 I 3 GG §712 PartG, nach dem die gebietliche Gliederung einer Partei so weit ausgebaut sein muß, daß die Parteimitglieder angemessen partizipieren können. Daraus folgt, daß die oben beschriebene territoriale Untergliederung durch eine horizontale Ausdifferenzierung innerhalb der einzelnen Ebenen nach soziostrukturellen Kriterien zu ergänzen ist, u m angemessene Partizipation zu ermöglichen. Diese Norm verpflichtet zusammen m i t § 6 I I Nr. 6 PartG die Parteien, Sonderorganisationen als „zusätzliche Demokratisierungsmittel" 3 1 einzurichten. Sie dienen der effektiven Partizipation überschaubar organisierter Interessen innerhalb der Partei und ermöglichen die zur Intensivierung der Partizipationsmotivation i n einer Volkspartei notwendige innerparteiliche Gruppenbildung 3 2 . Denn das Individuum w i r d sich bevorzugt an den Gruppen beteiligen, i n denen es m i t seinen Fähigkeiten am ehesten zur Geltung kommt 3 3 . „ I n einer 29 Gemeint sind damit nicht die i n den §§ 46 I I I BVerfGG, 33 P a r t G genannten Ersatzorganisationen, vgl. dazu BVerfGE 2, 1 (78); 5, 85 (392). — Es geht hier auch nicht u m sog. Tarnorganisationen, sie nehmen nicht am Parteienprivileg des A r t . 21 G G teil, sondern fallen unter A r t . 9 I I GG, so BVerfGE 5, 85 (392); vgl. dazu auch V. Oerter, Rechtsfragen des V e r h ä l t nisses zwischen politischen Parteien u n d ihren Sonder- u n d Nebenorganisationen, S. 21 ff.; K.-H. Seifert, D Ö V 1956, S. 5. 80 Ebd., S. 20 f. 81 H. Bilstein / H. Hohlbein / H.-U. Klose, Jungsozialisten — Junge U n i o n — Jungdemokraten, S. 18. — Doch sind i n diesem Sinne besondere Anforderungen an Organisation u n d Kompetenzen solcher Subsysteme zu stellen. So ist z. B. nach der Analyse von J. Dittberner, Der Wirtschaftsrat der CDU e.V., S. 226f., der Wirtschaftsrat der CDU „nicht als ein Instrument zur Förderung der innerparteilichen Demokratie anzusehen, vielmehr ist er eine I n s t i t u t i o n durch deren W i r k e n die Entfaltung der innerparteilichen Demokratie i n der C D U eingeschränkt w i r d " . 82 So E. Rümpel, Die neue Gesellschaft, 1972, S. 373, da dem Parteibürger „bei politischen Fragen das H e m d näher sitzt als der Rock, w i r d er auch durch sein persönliches Interesse eher ansprechbar sein, als eben n u r über allgemeine Politik. Dies ist i m Grunde das M o t i v f ü r die B i l d u n g von Arbeitsgemeinschaften überhaupt". 33 R. Eckert, Politische Partizipation u n d Bürgerinitiative, S. 34.

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2. Teil, I I . Parteiinterna

Massenpartei . . . sind politische Tendenzen und Gruppierungen nicht nur nicht schädlich, sondern zur Vorklärung der innerparteilichen Meinungs- und Willensbildung unentbehrlich 3 4 ." Der Begriff Volkspartei intendiert gerade die Einrichtung innerparteilicher Sonderorganisationen 35 . Die organisatorischen Verbindungen zwischen Partei und innerparteilicher Gruppierung haben sowohl dem aus der Funktion der Parteien resultierenden Integrationsaspekt zu dienen als auch dem des Pluralismus. Ein Pluralismus, durch sachliche Ausdifferenzierung der Parteiorganisation zur A r t i k u l a t i o n und nachhaltigen Vertretung partieller Interessen, der nicht von der Utopie einer annähernd gleichmäßigen Formulierungs- und Realisierungschance aller i n einer Partei vorhandenen Interessen ausgeht, sondern als Organisationsprinzip wenigstens einigen der organisierbaren innerparteilichen Interessenrichtungen zur effektiven Teilhabe an der Parteiwillensbildung verhilft und somit politische Macht verteilt, Oligarchien abbaut 3 6 . Jene organisatorische Auffächerung der Parteienstruktur durch Gruppenbildung darf jedoch nicht bis zur Zersplitterung fortgeführt werden. Sie hat in doppelter Hinsicht auch eine Integrationsfunktion: Einmal erfolgt durch die Gruppierung der Partei i n die den organisierten gesellschaftlichen Kräften korrespondierenden Interessenrichtungen ihre Öffnung zum Volk hin. So werden externe Impulse an die „sachlich zuständige" Sonderorganisation herangetragen und kommen i m innerparteilichen Willensbildungsprozeß durch sie zu Wort. Zugleich erfolgt eine parteiinterne Integration durch Subsystembildung 37 . Indem die verschiedenen, einander widerstrebenden Interessen formiert werden und geschlossen i n die Willensbildung der Partei eingehen, steigt die Motivation all jener Minderheiten, i n der Partei zu bleiben und aktiv i n Gemeinschaft Gleichgesinnter ihre Meinung zu verfechten 38 . Die Satzungen der großen Parteien sehen — zwar m i t unterschiedlicher Nomenklatur und Kompetenzen — entsprechende Sonderorgani34

P. v. Oertzen, FR v o m 26.1.1974, S. 6; vgl. zu dem Grundsatzpapier v. Oertzens auch den Bericht von H. Lerchbacher, FR v o m 24.1.1974, S. 1. 35 H. Schmollinger, Gewerkschafter i n der SPD, S. 233. 36 Nach P. Haungs, ZParl. 1973, S. 516, schließt die dezentralisierte S t r u k t u r der Parteien Oligarchisierungstendenzen auf den unteren Ebenen zwar nicht aus, sie „ m u l t i p l i z i e r t aber potentielle oligarchische Strukturen u n d macht sie insofern der Mitgliederkontrolle zugänglicher". 37 H. Bilstein / H. Hohlbein / H.-U. Klose, Jungsozialisten — Junge U n i o n — Jungdemokraten, S. 18. 38 A . A . D. Hahn, Innerparteiliche Demokratie, S. 50: „Parteiliche Gruppierungen innerhalb der Partei wären m i t dem Wesen der Partei unvereinbar"; S. 60: innerparteilich gibt es nicht Mehrheits- u n d Minderheitsgruppen, „sondern einzelne Parteimitglieder".

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sationen vor 3 9 . I n der politischen Praxis sind neben den innerparteilichen Territorialeinheiten die soziostrukturellen Interessenzusammenschlüsse die bewegenden Faktoren der Willensbildung. Innerparteiliche Opposition formiert sich selten als Orts-, Kreis- oder Landesverband, aber häufig bundesweit als Sonderorganisation 40 , als Arbeitsgemeinschaft i n der SPD — z. B. die Jungsozialisten 41 — oder als Vereinigung i n der CDU — z. B. die Sozialausschüsse42. Hinsichtlich der organisatorischen Verbindung zwischen Parteien und ihren Sonderorganisationen gibt es i n der politischen Praxis vielfältige Formen, die hier nicht näher beschrieben werden sollen 43 . I m Rahmen dieser Untersuchung sind allgemeine Grundsätze für das Verhältnis Partei - Sonder organisation aus A r t 211 3 GG, dem PartG und der politischen Wirklichkeit zu gewinnen; „gute" oder „schlechte" Praxis dienen nur als Beispiele. Jede innerparteiliche Sonderorganisation ist Teil der Partei. Daher können solche Subsysteme nur eine relative Selbständigkeit innerhalb der Gesamtorganisation haben. Einflußnahmen seitens der allgemeinen Parteiorgane sind zulässig, soweit sie nicht den — zur demokratischen Willensbildung der Partei notwendigen — Willensbildungsprozeß in39 Vgl. § 10 Organisationsstatut der SPD (Arbeitsgemeinschaften); §§ 38, 39 Statut der CDU (Vereinigungen) — w e n n i n § 37 a), c) u. d) des CDU-Statuts von Vereinigungen und Sonderorganisationen die Rede ist, so heißt das nicht, daß die Vereinigungen keine Sonderorganisationen i m Sinne des P a r t G sind (so auch V. Oerter, Rechtsfragen des Verhältnisses zwischen politischen Parteien u n d ihren Sonder- u n d Nebenorganisationen, S. 127), sondern n u r dies, daß es daneben weitere Sonderorganisationen der C D U gibt/geben kann. 40

Vgl. dazu B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 113 ff. Vgl. dazu G. Börnsen, Innerparteiliche Opposition — Jungsozialisten u n d SPD; H. Bilstein / H . Hohlbein / H.-U. Klose, Jungsozialisten — Junge U n i o n — Jungdemokraten, S. 25 ff.; V. Häse / P. Müller, Die Jungsozialisten i n der SPD, S. 292 ff. 41

42 Vgl. dazu R. Ebbighausen / W. Kaltenborn, Arbeiterinteressen i n der CDU? Z u r Rolle der Sozialausschüsse, S. 172 ff. 43 Näher dazu V. Oerter, Rechtsfragen des Verhältnisses zwischen p o l i tischen Parteien u n d ihren Sonder- u n d Nebenorganisationen, S. 37 ff.; H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 530 ff.; H. Bilstein / H. Hohlbein / H.-U. Klose, Jungsozialisten — Junge U n i o n — Jungdemokraten; P. Ackermann, Die Jugendorganisationen der politischen Parteien, S. 298 ff.; G. Börnsen, Innerparteiliche Opposition; sowie folgende Beiträge des Sammelbandes v o n J. Dittberner / R. Ebbighausen (Hrsg.), Parteiensystem i n der Legitimationskrise, 1973, S. 277 ff.: V. Häse / P. Müller, Die Jungsozialisten i n der SPD, S. 327 ff.: U. Grasser, Die CDU u n d die Junge U n i o n ; S. 307 ff.: J. Kunze, Die Jungdemokraten zwischen Liberalismus u n d Sozialismus; S. 172 ff.: R. Ebbighausen / W. Kaltenborn, Arbeiterinteressen i n der CDU? Z u r Rolle der Sozialausschüsse; S. 200 ff.: J. Dittberner, Der Wirtschaftsrat der C D U e.V.; G. Moritz, Der Wirtschaftsrat der CDU, Gewerkschaftliche Umschau, Nr. 2 1971, S. 9 ff.

16 Trautmann

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2. Teil, I I . Parteiinterna

n e r h a l b der S u b o r g a n i s a t i o n b e e i n t r ä c h t i g e n 4 4 oder i h r e n d e m o k r a t i s c h zustande g e k o m m e n e W i l l e n u n t e r d r ü c k e n 4 5 . D i e Mitgliedschaft in Sonderorganisationen muß grundsätzlich allen Parteimitgliedern offenstehen46. Z u r Begrenzung ihrer Personalstruktur sind allenfalls abs t r a k t e K r i t e r i e n z u l ä s s i g 4 7 . Es s o l l t e n j e d e m M i t g l i e d m e h r e r e S o n d e r o r g a n i s a t i o n e n z u r i n t e r e s s e n o r i e n t i e r t e n P a r t i z i p a t i o n offenstehen (z. B . a n A l t e r , B e r u f , Geschlecht etc. o r i e n t i e r t ) . A u s d e r S t e l l u n g als T e i l o r g a n i s a t i o n i n d e r P a r t e i f o l g t w e i t e r , daß die G r u p p e n m i t g l i e d e r i n d e r Regel z u g l e i c h P a r t e i m i t g l i e d e r s e i n m ü s s e n 4 8 , u m d u r c h die p e r sonelle I d e n t i t ä t eine E n t f r e m d i m g des T e i l s v o m G a n z e n z u v e r h i n d e r n . H i n s i c h t l i c h der Finanzen der S o n d e r o r g a n i s a t i o n e n ü b e r n i m m t d i e P a r t e i m i t i h r e r E i n r i c h t u n g z u g l e i c h die V e r a n t w o r t u n g f ü r die finanziellen Voraussetzungen z u m erfolgreichen A g i e r e n der Gruppe. P a r t e i m i t g l i e d e r , d i e entsprechend i h r e n Interessen i n e i n e r S o n d e r o r g a n i s a t i o n m i t a r b e i t e n w o l l e n , d ü r f e n h i e r f ü r n i c h t m i t zusätzlichen 44

Unzulässig i n diesem Sinne w a r zumindest, daß die drei Vorsitzenden der Hamburger SPD, die acht Mitglieder eines kommissarischen Juso-Vorstandes v o n allen Parteiämtern suspendiert u n d sich selbst zum JusoLandesvorstand gemacht hatten, eine danach abgehaltene Juso-Landeskonferenz nicht anerkannten, auf der die Jungsozialisten einen neuen, eigenen Vorstand wählten. Vgl. dazu die Berichte von D. Stäcker, i n : FR v o m 17. 6. 1971, S. 4; FR v o m 5. 7.1971, S. 8 u n d F R v o m 28. 8.1971, S. 4. — Ebenso unzulässig w a r die geplante administrative Verhinderung des K o m m u n a l p o l i tischen Kongresses der Jungsozialisten, der dann durch Einflußnahme seitens der Partei zu einer nichtöffentlichen Kommunalkonferenz wurde, vgl. H.-J. Noack, FR v o m 8.4.1971, S. 4 u n d FR v o m 26.4.1971, S. 3. 45 z. B. die Einziehung der Juso Vorwahlkampfbroschüre ihres I n f o r m a tionsdienstes m i t dem T i t e l „Kandidatenaufstellung als Chance innerparteilicher Veränderung u n d Mobilisierung" durch das SPD-Parteipräsidium, die jedoch einige Zeit später wieder aufgehoben wurde. Vgl. dazu die Berichte von H. Lerchbacher, FR v o m 20.6.1972, S. 1; FR v o m 22.6.1972, S. 3; FR vom 11. 7.1972, S. 4 u n d Der Spiegel Nr. 29/1972, S. 34. 46 Nichtoffene u n d nichtöffentliche innerparteiliche Z i r k e l m i t geschlossenem Teilnehmerkreis sind keine Belebung der innerparteilichen Demokratie, sondern stellen eine echte Gefahr f ü r sie dar, w i e z. B. die ominöse „ A k t i o n 76", die A k t i v i t ä t e n innerhalb der hess. CDU entfaltete, vgl. dazu die D o k u mente i n FR v o m 20. 9.1971, S. 4. 47 Vgl. z. B. die v o m SPD Parteivorstand am 24. 6.1972 beschlossenen Richtl i n i e n der Arbeitsgemeinschaft f ü r Arbeitnehmerfragen: „Die i n Betrieben u n d Verwaltungen tätigen sozialdemokratischen Arbeitnehmer"; die am gleichen Tag beschlossenen Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen: „Der A S F gehören weibliche Mitglieder der SPD a n " ; § 2 1 der Satzung der Jungen Union, Stand 2. 6.1973: „ M i t g l i e d der Jungen U n i o n k a n n werden, w e r das 14. Lebensjahr vollendet hat. Die Mitgliedschaft erlischt m i t der Vollendung des 35. Lebensjahres"; § 1 der Satzung der Frauen Vereinigung der C D U v o m 7.6.1969: „Die Frauen Vereinigung der Christlich Demokratischen U n i o n Deutschlands (CDU) — Frauenvereinigung — ist der organisatorische Zusammenschluß der weiblichen Mitglieder der CDU." 48 K . - H . Seifert, D Ö V 1956, S. 5; H. Plate, Parteifinanzierung u n d GG, S. 93; V. Oerter, Rechtsfragen des Verhältnisses zwischen politischen Parteien u n d ihren Sonder- u n d Nebenorganisationen, S. 20.

2. Sonderorganisationen

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Beitragspflichten belegt werden 4 9 . Das Verfassungsgebot der innerparteilichen Demokratie, verstanden als Gebot an die Parteien zur Partizipationsermöglichung für ihre Mitglieder, erfordert die Errichtung von Sonderorganisationen, über die effektiv an der Willensbildung der Partei partizipiert werden kann. Die Benutzung dieser Partizipationsinstrumentarien darf nicht von über den allgemeinen Parteibeitrag hinausgehenden Zahlungen abhängig gemacht werden. Eine eigene Satzung für Sonderorganisationen ist nicht generell unzulässig. § 6 1 2 PartG, der sich auf die regionalen Parteigliederungen bezieht, gilt für die Interessengliederungen analog; doch ist wegen A r t . 21 I 3 GG der Raum zu eigenständigen Organisations- und Verfahrensregelungen gering 5 0 . Gleich den Parteien als Ganzem stehen auch ihre Teile unter dem Gebot der demokratischen internen Ordnung. Soweit nicht die spezifische demokratische Funktion der Sonderorganisationen Sonderregeln erfordert, g i l t für sie nichts anderes als für die innere Ordnung der Partei insgesamt 51 . Die Stellung der Sonderorganisationen i m innerparteilichen Willensbildungsprozeß ist dadurch gekennzeichnet, daß i n ihnen keine Parteiwillensbildung, sondern nur die diese vorbereitende Bildung eines innerparteilichen Sonderwillens stattfindet. Die Willensbildung der Partei liegt allein bei den statuarisch dazu kompetenten territorialen Gliederungseinheiten der allgemeinen Parteiorganisation. Dort haben die i n den Sonderorganisationen aktiven Parteimitglieder und ihre Vertreter die Möglichkeit, m i t anderen zusammen den Parteiwillen zu artikulieren. Das Netz der Gebietsverbände deckt alle Sonderverbände ab und egalisiert die politischen Aktivitäten der unterschiedlich großen Gruppen. Ihre Initiativen werden i n dem am Grundsatz „one man one vote" ausgerichteten Verfahren der Parteiwillensbildung (§ 10 I I 1 PartG) innerhalb der Gebietsverbände als Entscheidungsgrundlagen übernommen, abgeändert oder verworfen. Aus diesem Grund müssen alle jene Gruppen ein Antragsrecht zur Parteiwillensbildung haben, das nach § 15 I I I PartG i n die Mitgliederoder Vertreterversammlung des jeweiligen Gebietsverbandes einmündet, innerhalb dessen Grenzen die Sonderorganisation ihre Beschlüsse gefaßt hat. Wo innerhalb einer Partei politisches Leben stattfindet, 49 Nach § 6 der Satzung der Sozialausschüsse der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands, Stand 1971, hat jedes M i t g l i e d einen Beitrag zu entrichten. — Es könnte allenfalls den nicht der betreffenden Partei angehörenden Mitgliedern der Sonderorganisation eine Beitragspflicht auferlegt werden. 50 E. Rümpel, Die neue Gesellschaft 1972, S. 373, spricht den Arbeitsgemeinschaften der SPD ein eigenes Satzungsrecht generell ab. 51 Vgl. dazu auch V. Oerter, Rechtsfragen des Verhältnisses zwischen Parteien u n d ihren Sonder- u n d Nebenorganisationen, S. 53 ff., 57.

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2. Teil, I I . Parteiinterna

müssen die Initiativen dieser Minderheiten 52 auch i n den Willensbildungsprozeß der Gesamtorganisation eingehen können. N u r wenn die Sonderorganisationen i n den Prozeß der Parteiwillensbildung eingebaut werden, können sie ihre partizipatorische Funktion hinsichtlich der von ihnen zu betreuenden Zielgruppen erfüllen 5 3 . Die den Parteibürgern zur Willensbildung zur Verfügung stehenden Organe müssen auch zuständig sein, auf die Parteiwillensbildung entscheidend Einfluß zu nehmen 54 . Sind sie dagegen als Teilorganisation von der politischen Willensbildung der Partei ausgeschlossen und sollen doch gleichzeitig als Repräsentanten ihrer Partei i n den von ihnen abgedeckten Gesellschaftsbereichen werben und die Wünsche aus diesen Bereichen i n die Parteiwillensbildung einführen, so besteht ein Widerspruch zwischen ihrer aus A r t . 21 I 3 GG begründeten Funktion und ihren satzungsmäßigen Kompetenzen 55 . Das Antragsrecht ist nicht nur formal auf territoriale Gliederungseinheiten zu beschränken 56 , sondern überall dort zu gewähren, wo sich Parteibürger zusammenschließen und ihre individuellen Partizipationsbegehren gemeinsam und somit nachhaltiger betreiben. Politische Beteiligung ist nur dann sinnvoll, wenn die sich Beteiligenden damit etwas bewirken 5 7 . Der Problemlösungs- und Willensbildungsprozeß muß daher zu seiner Stabilisierung institutionalisiert, d.h. durch ein formelles Antragsrecht für Sonderorganisationen abgesichert und gestützt werden 5 8 . Das von B. Friedrich zur Begründung der Verweigerung des Antragsrechts von Sonderorganisationen angeführte „Prinzip, Vielfalt i n der Meinungsbildung durch Arbeitsgemeinschaften, Klarheit i n der Willensbildung durch 62 Z u m Antragsrecht als Minderheitsrecht vgl. F. Schäfer, Die F u n k t i o n von Bundesparteitagen i m föderativen modernen Parteienstaat, S. 287 (295). 53 E. Rümpel, Die neue Gesellschaft 1972, S. 373. 64 U. Müller, Willensbildung, S. 125. 55 G. Börnsen, Innerparteiliche Opposition, S. 15, begründet diesen W i d e r spruch m i t dem W i l l e n der Parteioligarchie „ihre Unterorganisationen als willenlose Marionetten zu behandeln" u n d sieht darin ein Dilemma der Parteiführung: „sie möchte die innerparteilichen Widersacher i n den G r u p pen ausschalten, ohne auf die Organisationen selbst zu verzichten." 56 Wie z. B. bei der SPD, w o die Arbeitsgemeinschaften nicht als Parteigliederungen „ i m Sinne des Organisationsstatuts" anerkannt sind (so Nr. 3 der v o m Parteivorstand am 21. 2.1972 beschlossenen u n d am 1.2.1975 neu gefaßten „Grundsätze f ü r die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaften i n der SPD"), Anträge zu den Parteitagen aber n u r von „Organisationsgliederungen" gestellt werden können (§ 18 des Organisationsstatuts). — Anders z. B. bei der F.D.P., w o zumindest der Bundesvorstand der Deutschen Jungdemokraten nach § 7 der GeschO zur Bundessatzung ein Antragsrecht z u m B u n desparteitag hat. 57 T. Ellwein, Das Regierungssystem der Bundesrepublik, S. 112. 68 Vgl. zu diesem Zusammenhang v o n organisationssoziologisch begründeten Verfahren u n d ihrer Absicherung durch entsprechend institutionalisierte Organisationsstrukturen F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 75.

2. Sonderorganisationen

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territorial bestimmte Gliederung" 5 9 , ist gerade nicht eingehalten, wenn die pluralistische Meinungsbildung der Sonderorganisationen nicht i n Form von Anträgen i n die Willensbildung der dafür zuständigen Gliederungseinheiten eingehen kann. Es spricht dieses Prinzip also gerade für ein Antragsrecht von Sonderorganisationen. Wenn für alle Gruppen ohne Fvücksicht auf die Zahl der beteiligten Parteimitglieder ein Antragsrecht besteht 60 , w i r d keine Ungleichheit i m innerparteilichen Willensbildungsprozeß erzeugt, denn es handelt sich bei ihren Anträgen ja nur um Eingaben in den innerparteilichen Entscheidungsprozeß. A n der Entscheidung des Parteiwillens ist jedes Mitglied selbst oder über Vertreter letztlich nur m i t einer Stimme beteiligt. Die Fragen der Einsetzung, organisatorischen Veränderung und A u f lösung von Sonderorganisationen gewinnen angesichts des positiven Zusammenhangs zwischen der Funktion solcher Subsysteme und der Effektivierung der innerparteilichen Demokratie an Bedeutung. W u r den die Sonderorganisationen oben als Parteigliederungen i m Sinne des § 7 PartG begriffen, so liegt ihre Einsetzung nach § 6 I I Nr. 6 i. V. m. § 9 I I I PartG i n der Kompetenz des Parteitages 61 . I n die Zuständigkeit des obersten Parteiorgans fällt auch die Auflösung eines innerparteilichen Subsystems. § 16 PartG, der die Auflösung von Gebiets verbänden regelt, ist hier analog anzuwenden 62 , da es sich bei Sonderorganisationen u m m i t den Gebietsverbänden vergleichbare, sozio-strukturell definierte Parteigliederungen handelt. Folglich kann ihre Auflösung zwar zunächst vom Parteivorstand vorgenommen werden: doch t r i t t sie außer Kraft, „wenn die Bestätigung nicht auf dem nächsten Parteitag ausgesprochen w i r d " (§ 16 I I 2 PartG). Die Zuständigkeit zur verbindlichen Auflösung einer Sonderorganisation liegt demgemäß bei der Mitglieder- oder Vertreterversammlung 6 3 . Eine „Urabstimmung 59

I n : Die neue Gesellschaft 1972, S. 94; s. auch ders., Der sozialdemokratische Ortsverein, S. 65. 60 E i n Rede- u n d Antragsrecht nicht territorialer besonderer innerparteilicher Organisationen ohne entsprechendes Stimmrecht auf den Vertreterversammlungen ist unbedenklich (so auch U.Müller, Willensbildung, S. 133; V. Oerter, Rechtsfragen des Verhältnisses zwischen politischen Parteien u n d ihren Sonder- u n d Nebenorganisationen, S. 73; D. Hahn, Innerparteiliche Demokratie, S. 83) u n d zur Effektivierung der innerparteilichen Demokratie erforderlich. 61 s. z. B. die §§ 38, 39 CDU-Statut, wo m i t der Satzungsgebung durch den Parteitag die Vereinigungen etabliert wurden. — Anders bei der SPD (vgl. § 10 des Organisationsstatuts) u n d der F.D.P. (vgl. §§ 22 ff. der Satzung), wo der Bundesvorstand über die B i l d u n g von Sonderorganisationen beschließen kann. 62 Auch V. Oerter, Rechtsfragen des Verhältnisses zwischen politischen Parteien u n d ihren Sonder- u n d Nebenorganisationen, S. 61 ff. argumentiert i n diesem Zusammenhang m i t § 16 PartG. 83 I m Widerspruch hierzu stehen die i n A n m . 61 genannten Satzungsbestimmungen von SPD (vgl. dazu auch Nr. 2 der v o m Parteivorstand am

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2. Teil, I I . Parteiinterna

der Mitglieder", wie sie nach § 6 I I Nr. 11 PartG i m Anschluß an den Auflösungsbeschluß des Parteitages vorgesehen ist, scheint jedoch i n den genannten Fällen nicht erforderlich, denn die Sachverhalte sind insoweit nicht vergleichbar. Bei Auflösung einer Sonderorganisation behalten die Mitglieder ja ihren parteibürgerschaftlichen Status und ihre Mitwirkungsrechte innerhalb des Gebietsverbandes. Die analoge A n wendung der Auflösungstatbestände des § 16 I PartG auch bei Sonderorganisationen ist jedoch geboten, sollen nicht unentbehrliche Partizipationsformen — gerade für Minderheiten — der politischen Entscheidung von Parteitagsmehrheiten ausgeliefert sein 64 . So wie ein Parteitag nicht ohne weiteres einen dissentierenden Gebietsverband ausschließen kann, genießen auch die Sonderorganisationen einen aus Art. 21 I 3 GG begründeten erhöhten Bestandsschutz. Dagegen sind organisatorische Veränderungen der Struktur einer Sonderorganisation durch die Partei grundsätzlich zulässig. Dies folgt daraus, daß die Funktion der Interessengliederungen als Partizipationsvehikel u . U . nur durch Anpassung ihrer Strukturen an sich wandelnde politische Gegebenheiten erreicht werden kann. Kompetent zum Erlaß solcher Maßnahmen ist das auch sonst für die Regelung der Beziehungen zwischen Partei und Sonderorganisationen nach den Vorschriften des PartG unmittelbar oder analog zuständige oberste Organ der Partei. Aus der Begründung der Zulässigkeit für organisatorische Veränderungen folgt jedoch gleichzeitig, daß solche Umstrukturierungen aus anderen Gründen als dem der Förderung der Funktion der Sonderorganisation i n der Partei unzulässig sind. Politisch motivierte „Disziplinierungen" von innerparteilichen Gruppen durch Organisationsmaßnahmen etwa, die das Ziel haben, diesen ihre politische Potenz zu nehmen 65 , stehen i m Widerspruch zu Sinn und Zweck der aus der Verfassung begründeten partizipatorischen Funktion der innerparteilichen Subsystembildung. 21. 2.1972 beschlossenen u n d am 1. 2.1975 neu gefaßten „Grundsätze für die Tätigkeit der Arbeitsgemeinschaften i n der SPD") u n d F.D.P., wonach allein durch Vorstandsbeschluß Sonderorganisationen aufgelöst werden können. Die Parteitage haben i n einer nach dem P a r t G unzulässigen Weise ihre Kompetenzen m i t der Satzungsgebung auf die Vorstände übertragen. 64 Vgl. etwa den Bericht v o n D. Cornelsen, FR v o m 18.1.1974, S. 5, über die Reaktion der Betroffenen auf einen Beschluß der SPD-Parteireformkommission, wonach es k ü n f t i g n u r noch vier Arbeitsgemeinschäften i n der SPD geben sollte. 65 So plante 1968 die SPD-Spitze, die damals 180 000 Mitglieder starke Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialisten durch die Herabsetzung des Höchstalters für die Jungsozialisten-Mitgliedschaft von 35 Jahren auf 25 Jahre auf r u n d 50 000 Mitglieder zu dezimieren. Vgl. dazu Der Spiegel, Nr. 47/1968, S. 82 ff.; R Ackermann, Die Jugendorganisationen der Parteien, S. 305. — 1971 empfahl eine Arbeitsgruppe der SPD-Kommission zur Reform der Parteiorganisation erneut, das Juso-Höchstalter auf 30 Jahre zu senken, vgl. dazu den Bericht von H. Lerchbacher, FR v o m 3.5.1971, S. 12. A u f dem Bonner SPD-Sonderparteitag 1971 forderten ebenfalls Antragsteller, die

3. Willensbildung

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3. Willensbildung Das Verhältnis von Partei- und Staatsordnung zeigt zwei einander ergänzende Strukturen des demokratischen Prinzips, deren funktionales Ineinandergreifen die demokratische Ordnung nach dem GG kennzeichnet. Wie oben dargelegt, w i r d die zur Kennzeichnung der Stellung der Staatsorgane einschlägige repräsentative Demokratiekomponente durch verschiedene, ebenfalls i n der Verfassung verankerte plebiszi täre Instrumentarien ergänzt. „Der Bürger darf nicht auf eine gelegentliche M i t w i r k u n g am Staate bei Wahlen und Abstimmungen allein angewiesen sein. Er muß innerhalb der Parteien einen ständigen Einfluß ausüben und auf diese Weise einen aktiven A n t e i l am politischen Geschehen auch außerhalb der Wahlen nehmen können 6 6 ." Das i m Parteienstaat des GG wichtigste Instrument unmittelbarer Partizipation des Bürgers an der politischen Macht sind also die Parteien, die „rationalisierte Erscheinungsform der plebiszitären Demokratie" (G. Leibholz). Das Verfassungsgebot ihrer demokratischen inneren Ordnung steht funktional i m größeren Zusammenhang einer von repräsentativen und plebiszitären Elementen geprägten Ordnung. Daraus folgt zunächst, daß die i m organisierten staatlichen Bereich probaten Repräsentationsvehikel gerade nicht auf die Parteien übertragen werden dürfen 6 7 . Es geht vielmehr u m eine innere Ordnung der Parteien, die den Anforderungen der unmittelbaren partizipatorischen Demokratie genügt. Altersgrenze der Jungsozialisten auf 25 Jahre zu senken (vgl. den Bericht von H. Kepper, FR v o m 13.11.1971, S. 3). Uber die fragwürdige I n i t i a t i v e sollte wenigstens das richtige Parteiorgan entscheiden. 66 Bericht der Parteienrechtskommission, S. 156. 97 Die repräsentative Komponente der organisierten Staatlichkeit u n d die plebiszitäre Demokratie der Parteien ergänzen einander u n d zeichnen so die demokratische Ordnung des G G als „Mischsystem" aus. Auch M. Hättich, I n nerparteiliche Demokratie, S. 28 ff., geht davon aus, „daß die innerparteiliche Demokratie als Postulat aus den Funktionen der politischen Parteien i m politischen System deduziert werden m u ß " (S. 29). Er gesteht bei der funktionellen Analyse dann auch zu, daß „die innerparteiliche Demokratie als permanente ausführliche u n d offene Diskussion m i t den Mitgliedern ein Moment der Unmittelbarkeit bei der Sammlung" politischer Interessen darstellt. Trotzdem verneint er eine plebiszitäre innerparteiliche Demokratie (S. 30, 32, 33), indem er behauptet, sie hätte n u r einen Sinn, „ w e n n die Parlamentsfraktion der Partei u n d die Regierungsmitglieder an die Parteibeschlüsse gebunden wären". Dieses — keinesfalls i n der zwingenden Konsequenz des innerparteilichen gebundenen Mandats liegende imperative M a n dat der staatlichen Amtsträger w i r d von i h m i m folgenden abgelehnt u n d i n einer undifferenzierten Gleichsetzung v o n staatlicher u n d innerparteilicher Demokratie deshalb auch die innerparteiliche plebiszitäre Willensb i l d u n g verworfen: „ I n einer repräsentativen Demokratie k a n n innerparteiliche Demokratie nicht bedeuten, daß alle politischen Entscheidungen des politischen Systems auf verbindliche Weise zuerst innerhalb der Parteiorganisation vorentschieden werden müssen" (S. 34). Dies ist jedoch keine Folge einer plebiszitären innerparteilichen Demokratie, sondern der K o n struktion M. Hättichs.

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2. Teil, I I . Parteiinterna

Die verschiedenen Aspekte des Demokratieproblems münden letztlich alle i n die Frage nach dem Entscheidungsverfahren. Der Prozeß der Willensbildung ist das Herzstück jeder Demokratiekonzeption, dies gilt insbesondere für die innerparteiliche Demokratie. Die Demokratierelevanz von Fragen wie der des Parteizugangs, -ausschlusses, der Parteigliederung und -Organisation beispielsweise, ergibt sich aus ihrem Zusammenhang m i t den Anforderungen an die innerparteiliche W i l lensbildung; zur Lösung und Regelung der ersteren w i r d argumentativ ständig auf den „demokratischen Willensbildungsprozeß" rekurriert 6 8 . Das verfassungsrechtlich begründete Erfordernis plebiszitärer innerparteilicher Willensbildung darf jedoch nicht überspannt werden, etwa i n dem Sinne, daß alle nicht unter unmittelbarer Beteiligung der M i t glieder gefaßten Parteibeschlüsse rechtswidrig wären. Selbst bei optimalen institutionellen Vorkehrungen für eine effektive unmittelbare Teilhabe der Parteibürger sind letztlich weitere Faktoren dafür ausschlaggebend, inwieweit tatsächlich plebiszitäre Willensbildung erfolgt. Es kann also nur u m eine im Grundsatz unmittelbare innerparteiliche Demokratie gehen und die Förderung von Tendenzen i n diese Richtung. Der Grundsatz plebiszitärer innerparteilicher Willensbildung besagt, daß möglichst viele Parteibürger möglichst viele Fragen der Parteipolitik entscheiden sollen 69 . Hierfür sind die institutionellen Voraussetzungen zu schaffen. Die Willensbildungsverfahren sind i n bezug auf mehr Partizipation zu sensibilisieren. So wie einerseits das Repräsentativsystem i m staatlichen Bereich argwöhnisch gehütet wird, gilt es andererseits aber auch, m i t der Verteidigung und dem Ausbau der plebiszitären Komponente der innerparteilichen Demokratie Ernst zu machen. Zweifellos ist zum kontinuierlichen Ablauf der Parteipolitik Repräsentation durch gewählte Organe notwendig und legitim, doch ist der Grundsatz unmittelbarer Beteiligung der Parteibürger zu intensivieren. Es ist notwendig i m Sinne der komplexen Demokratiekonzep68 s. dazu oben die Behandlung dieser Einzelfragen, Vgl. zum Parteizugang z. B. F. Knöpfle, Staat, 1970, S. 341: n u r solche Personen sollen keinen Z u gangsanspruch haben, die nicht geeignet erscheinen, „auf die politische W i l lensbildung innerhalb der Parteien Einfluß zu nehmen", S. 342: „Prozeß offener demokratischer Willensbildung." — Vgl. zum Parteiausschluß z. B. H. Lenz/C. Sasse, J Z 1962, S. 234: „Entzug des Parteibürgerstatus praktisch gleichbedeutend m i t dem Ausschluß aus dem i n A r t . 21 I GG angelegten aktiven demokratischen Willensbildungsprozeß." — Vgl. zur Parteigliederung z. B. § 7 I 2 PartG: „Die gebietliche Gliederung muß so w e i t ausgebaut sein, daß den einzelnen Mitgliedern eine angemessene M i t w i r k u n g an der Willensb i l d u n g der Partei möglich ist." — Vgl. zur Parteiorganisation § 8 I I PartG: „Die Satzung k a n n weitere der Willensbildung des jeweiligen Gebietsverbandes dienende Einrichtungen (Organe) vorsehen." 69 Fast ironisch steht dem die Äußerung von U. Müller, Willensbildung, S. 22, gegenüber, w o über die Mitglieder- u n d Vertreterversammlungen gesagt w i r d : „Sie dürfen auch politische Beschlüsse fassen."

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tion des GG und dient der Realisierung des A r t . 21 I 3 GG, i m innerparteilichen Bereich einen Zustand anzustreben, bei dem Partizipation so weit wie möglich 70 und Repräsentation so weit wie dann noch nötig einander ergänzen. Sieht man von der Urabstimmung (z. B. nach § 6 I I Nr. 11 PartG) einmal ab, so ist die einzige Möglichkeit aller Parteimitglieder Sachfragen zu diskutieren und zu entscheiden die nach § 9 I 3 PartG mindestens alle zwei Jahre stattfindende Mitgliederversammlung der untersten Gliederungsstufe. Hier betreffen die Sachentscheidungen meist kommunale Fragen, adressiert an die Parteimitglieder i n den entsprechenden Gremien. Sie sind selbst an der Parteiwillensbildung beteiligt und meist m i t den Parteivorständen auf dieser Ebene identisch oder bilden mit ihnen zusammen eine „geschlossene Führungsgruppe" 7 1 . I n der Kommunalpolitik haben die unteren Parteigliederungen ein eigenständiges, überschaubares Betätigungsfeld, i n dem es nicht primär u m die komplexen Sachfragen gesamtgesellschaftlicher Willensbildung geht 7 2 . Die Partizipationsmotivation vieler Parteibürger reicht nicht über diesen Horizont hinaus 7 3 , doch profitieren sie von den Informationen und Einflußmöglichkeiten ihrer alle politischen Entscheidungsebenen umfassenden Parteiorganisation. Soweit ersichtlich, w i r d von den Parteispitzen aus nicht versucht, durch Aufforderungen und Anreize zu vermehrter Partizipation die lokalen Parteigruppen stärker zu integrieren. Das Gros der Parteibürger i n den Ortsverbänden w i r d nur passiv über die Massenmedien von der Willensbildung auf den oberen Parteiebenen unterrichtet 7 4 , ohne daß sie m i t ihrem politischen Wollen daran teilhaben. A n der Willensbildung der den lokalen Parteiverbänden folgenden Gliederungsstufen können sich nicht mehr unmittelbar alle Mitglieder beteiligen, sondern nur eine bestimmte Anzahl von ihnen gewählter Vertreter, die unter sich wiederum Vertreter auswählen, die auf der folgenden Ebene die Willensbildung betreiben. Diese Vertreterversammlungen ( § 1 3 PartG) befassen sich u. a. m i t den angenommenen und weitergeleiteten Anträgen der vorherigen Stufe(n). Ihre Annahme bedeutet eine quantitative Verbreiterung der Basis der betreffenden Entscheidung. Es ist denkbar, daß eine Ein-Mann-Initiative zur Bun70 s. zum — realistischen — repräsentativen Partizipationsmodell oben unter 1. T e i l I I I . 1.: Demokratiebegriff. 71 B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 72. 72 R. Mayntz, Z f P 1955, S. 59. 78 Der Erfolgs w e r t der Stimme des einzelnen Parteibürgers ist größer, je kleiner der Kreis der Abstimmenden ist, M. Hättich, Innerparteiliche Demokratie, S. 30. 74 H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 530.

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2. Teil, I I . Parteiinterna

d e s p o l i t i k a l l e O r g a n i s a t i o n s s t u f e n bis z u m B u n d e s p a r t e i t a g , d e r o b e r sten V e r t r e t e r v e r s a m m l u n g , d u r c h l ä u f t . D a n e b e n i s t es auch m ö g l i c h , daß A n t r ä g e u n t e r e r organisatorischer E i n h e i t e n u n t e r U m g e h u n g der Zwischenstufen d i r e k t b e i m Bundesparteitag eingebracht werden. Nach § 15 I I I 2 P a r t G i s t j e d e n f a l l s i n d e n V e r s a m m l u n g e n h ö h e r e r Gebietsv e r b ä n d e d e n b e i d e n n ä c h s t n i e d r i g e n S t u f e n das A n t r a g s r e c h t z u gew ä h r e n . Dieses Hecht d e r P a r t e i b a s i s w i r d v o n d e n D e l e g i e r t e n der a n t r a g s t e l l e n d e n G l i e d e r u n g w a h r g e n o m m e n 7 5 . Sie h a b e n das politische W o l l e n der M i t g l i e d e r i h r e s V e r b a n d e s v o r d e n n a c h g e o r d n e t e n B e s c h l u ß g r e m i e n z u v e r t r e t e n u n d s o l l e n d i e Vorschläge i m w e i t e r e n V e r l a u f des Willensbildungsprozesses „ a u s r e i c h e n d z u r E r ö r t e r u n g b r i n g e n " (§ 15 I I I 1 P a r t G ) . D i e D e l e g i e r t e n r e d e n a u f d e r V e r t r e t e r v e r s a m m l u n g , w a s das d u r c h A n t r ä g e u n d sonstige Beschlüsse m a n i f e s t e politische W o l l e n i h r e r G l i e d e r u n g a n b e l a n g t , m i t der Z u n g e i h r e r Entsender. Sie h a b e n also i n s o w e i t e i n imperatives Mandat im innerparteilichen Willensbildungsprozeß 76, ohne das die p l e b i s z i t ä r e K o m ponente der Parteiwillensbildung illusorisch wäre. Die Vertreter sind bei der W a h r n e h m u n g i h r e r Aufgaben n u r insoweit Repräsentanten i h r e r G e b i e t s v e r b ä n d e , als sie E n t s c h e i d u n g e n z u A n g e l e g e n e h e i t e n t r e f f e n , m i t d e n e n sich i h r e G l i e d e r u n g n i c h t abschließend befaßt h a t 7 7 . 75 Nach dem P a r t G ist „den Vertretern der Gebiets verbände der beiden nächstniedrigen Stufen ein Antragsrecht einzuräumen". Die Gliederungseinheiten selbst haben organisatorisch keinen K o n t a k t zu den Parteitagen, ihre Rechte nehmen die gewählten Delegierten wahr. 76 Vgl. dazu G. Stuby, Staat 1969, S. 321; V. Müller, Willensbildung, S. 106, 141, wonach die Stärkung plebiszitären Einflusses i n der Parteiwillensbildung das imperative Mandat bedinge, daß diese Frage jedoch „ v o n den Parteien autonom entschieden werden" könne; während W. Henke i n der Kommentierung des A r t . 21, Rdnr. 38 des Bonner Kommentars sowie i n der 1. A u f l . seines Buches, Das Recht der politischen Parteien, 1964, S. 47, das imperative innerparteiliche Mandat noch f ü r zulässig erachtete, lehnt er es i n der 2. A u f l . 1972, S. 71 ab. Der S t r u k t u r der bestehenden Parteien entspreche allein das freie Mandat. D a m i t erhebt er die Faktizität zur N o r m u n d argumentiert nicht von A r t . 21 I 3 G G aus; R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 69 f. u. passim, sieht i n der unmittelbaren innerparteilichen Demokratie eine „pseudoplebiszitäre Demokratie"; der CDU-Vorsitzende H. Kohl meint, der Delegierte sei m i t u n d ohne Beschluß der Parteibasis frei u n d werde entsprechend handeln, zit. nach H. J. Noack, FR v o m 14. 5.1971, S. 7. F ü r das „freie Mandat" der Parteidelegierten plädiert auch B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 72, der allerdings i n Anerkennung der „Fraktionsdisziplin" der Delegierten nach der Marschroute des Ortsverbandes ein f a k tisches imperatives Mandat zugesteht (S. 79); f ü r „weisungsfreie Delegierte" ist auch R. Wolfrum, ebd., S. 73. 77 F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 92, versucht eine Differenzierung, indem er „ein politisch gebundenes Mandat" f ü r solche I n n o v a tionsentscheidungen befürwortet, „bei denen n u r eine Alternative gegeben ist". Während er f ü r solche „ m i t einer Vielfalt von Wahlmöglichkeiten" den Delegierten einen größeren eigenen Entscheidungsspielraum belassen w i l l , „ u m Prozesse der Gruppendynamik m i t der Chance der K o m p r o m i ß b i l d u n g zu ermöglichen". Dieser Vorschlag ist jedoch praktisch nicht realisierbar,

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3. Willensbildung

Sie sind also grundsätzlich weisungsgebundene derungsstufe 78 .

Vertreter

ihrer Glie-

Für das imperative Delegiertenmandat spricht auch § 8 I 3 PartG, wonach Landesparteien ohne Gebietsverbände die Mitgliederversammlung durch eine Vertreterversammlung ersetzen dürfen, wenn sie mehr als 250 Mitglieder haben. Wenn demnach von einer bestimmten Größenordnung an nicht mehr alle Mitglieder persönlich an der Willensbildung beteiligt werden können, sondern i m Interesse einer „angemessenen M i t w i r k u n g " der einzelnen Mitglieder an der Willensbildung der Partei ( § 7 1 2 PartG) eine organisatorische Zwischenstufe eingeschaltet wird, so muß die — i n § 8 I 3 PartG alternativ zur Mitgliederversammlung genannte — Vertreterversammlung in ihrer Teilhabe Vermittlung von gleicher Qualität bei veränderter Quantität sein, sie wäre sonst keine Alternative. Daraus folgt, daß die Delegierten an die Ergebnisse der Willensbildung der sie entsendenden Organe gebunden sind; denn nur so hat die mitgliedschaftliche Partizipation die gleiche Qualität wie bei der Mitgliederversammlung. Dies ist rechtlich nur i n Form des imperativen Delegiertenmandats möglich. Mißverständlich ist die Regelung des § 15 I I I 3 PartG, wonach bei Wahlen und Abstimmungen eine Bindung an Beschlüsse anderer Organe unzulässig ist. Damit ist jedoch nicht die Entbindung der Delegierten von den Beschlüssen ihrer Entsender gemeint 7 9 , sondern die „Versammlungen höherer Gebietsverbände" (S. 2) insgesamt sollen oberstes Entscheidungsgremium i m Sinne des § 9 I 1 PartG sein und nicht i n ihrer Entscheidungskompetenz durch andere Organe gebunden werden können. Dies kennzeichnet die Suprematie der höheren Vertreterversammlungen gegenüber anderen Parteiorganen, d. h. auch unda es auf eine klare Ausgestaltung des Delegiertenstatus ankommt* Was sich f ü r eine Untergliederung als Entweder-Oder-Entscheidung darstellt, k a n n f ü r andere mehrere Lösungsmöglichkeiten beinhalten (ebenso die K r i t i k v o n W. Jäger , Innerparteiliche Demokratie u n d Repräsentation, S. 145 A n m . 85). Es k o m m t auch mehr auf gruppendynamische Prozesse an der Parteibasis an, als bei der V e r m i t t l u n g des politischen Willens der P a r teibürger. 78 So auch der Begriff i m PartG. Vgl. §§ 8 I, 9 I, I I , 13, 15 I I (Vertreterversammlung), §§ 9 I V , 10 I I , 13, 15 I I , I I I (Vertreter). Der Vertreter einer Gliederungsstufe soll i n der Vertreterversammlung i m Rahmen der i h m erteilten Vollmacht, die konkrete Weisungen enthalten kann, an der Willensbildung der Partei unmittelbar f ü r den von i h m vertretenen (so der Grundsatz der rechtsgeschäftlichen Vertretung i n § 164 I BGB) Gebietsverband partizipieren. Seine Handlungen gelten als unmittelbare Teilhabe der vertretenen Parteimitglieder. 79 So aber W. Henke , Das Recht der politischen Parteien, S. 71. Träfe dies zu, so wäre die innerparteiliche Willensbildung über die Vertreterversammlungen qua A n t r a g unmöglich, denn die Delegierten könnten j a nicht v e r pflichtet werden, die Anträge ihrer Gliederungseinheit einzubringen — w i e es § 15 I I I 2 P a r t G vorsieht — u n d zu erörtern, so § 15 I I I 1 PartG.

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2. Teil, I I . Parteiinterna

teren Vertreter- und Mitgliederversammlungen. Die i m Gegensatz dazu notwendige Bindung der einzelnen Vertreter an die Ergebnisse der politischen Willensbildung ihrer Ebene ist Konsequenz der plebiszitären innerparteilichen Willensbildung. Ein freies Mandat, wie es beispielsweise A r t . 38 I 2 GG für den repräsentativ staatlichen Bereich des Parlaments normiert, wäre bei der grundsätzlich plebiszitären innerparteilichen Willensbildung systemwidrig 8 0 . Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sieht das PartG nur für die Mitglieder der Parteischiedsgerichte vor. Sie sind nach § 14 I I 3 „unabhängig und an Weisungen nicht gebunden". Daraus folgt i m Umkehrschluß, ein zusätzliches Argument dafür, daß die Vertreter der Parteimitglieder auf den Vertreterversammlungen eben gerade nicht unabhängig, sondern an Weisungen i n Form von Anträgen und Beschlüssen gebunden sind. Auch i n der partizipatorischen innerparteilichen Demokratie sind repräsentative Kompetenzen der Parteiorgane erforderlich. A m offensichtlichsten ist dieses Bedürfnis hinsichtlich der Arbeit des Vorstandes, der die laufenden Geschäfte des jeweiligen Gebietsverbandes auch dann führen muß, wenn keine entsprechenden Beschlüsse der Mitglieder vorliegen 8 1 . Doch nehmen die i n der inneren Ordnung der Parteien notwendigen repräsentativen Strukturen oft mehr Raum ein, als dies nach der subsidiären Funktion innerparteilicher Repräsentation erforderlich ist. Es läßt sich eine nach ihrer Intensität abgestufte Skala der Partizipationsinstrumente aufstellen. Von der passiven Form der teilhabenden Information 62 über die aktiven Formen der politischen Kommunikation 83 und der Beteiligung an der Dezission 84. Über ein verfassungsrechtlich gebotenes 85 mehrdimensionales Zusammenspiel der ver80 Eine undifferenzierte Gleichsetzung von Bundestags- u n d Delegiertenmandat u n d deshalb die Bejahung auch eines innerparteilichen freien M a n dats v e r t r i t t A. Rapp, F A Z v o m 3. 6.1971, S. 2. 81 Z u den „ i h m übergeordneten Organen" i m Sinne des § 11 I I I 1 PartG, die durch ihre Beschlüsse die Vorstände der verschiedenen Gliederungsstufen binden können, gehören auch auf der gleichen Gliederungsstufe die Mitglieder- u n d Vertreterversammlungen. Sie sind als partizipatives „oberstes" Organ ( § 9 1 1 PartG) dem repräsentativen Vorstand funktionell-rechtlich übergeordnet. 82 Z u r Realisierung der Information gehören Öffentlichkeit, Berichterstattung, Rechenschaftspflicht etc. 83 Die innerparteiliche K o m m u n i k a t i o n lebt v o m Rede- u n d Antragsrecht. 84 Z u r Teilhabe an den Entscheidungen sind Abstimmungskompetenz u n d innerparteiliches Wahlrecht Voraussetzung. 85 Vgl. z. B. zum Verfassungsgebot der Parteiöffentlichkeit innerparteilicher Meinungs- u n d Willensbildung: W. Martens, ö f f e n t l i c h als Rechtsbegriff, S. 157, m i t weiteren Nachw.; H.-U. Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive u n d Informationsrecht der Presse, S. 61 f.; s. aber auch G. Dux, DVB1. 1966, S. 556: „Eine auf die Parteimitglieder begrenzte Öffentlichkeit gibt es nicht."

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schiedenen Formen verläuft der Prozeß innerparteilicher Willensbildung. Die öffentliche Abstimmung beispielsweise ist Entscheidung und Meinungsäußerung der Abstimmenden und zugleich Information für die nicht an der Entscheidung Beteiligten. Durch die innerparteilichen Partizipationsrechte w i r d die Rechtsstellung des Parteibürgers i n partizipatorischer Hinsicht gegenüber dem allgemeinen bürgerschaftlichen Status unmittelbar aufgewertet: Seine allgemeine Informationsfreiheit nach A r t . 5 1 1 GG w i r d u m die besondere Komponente innerparteilicher Informationsrechte ergänzt 8 6 ; die allgemeine Meinungsfreiheit des A r t . 5 1 1 GG w i r d zum innerparteilichen Rederecht m i t erhöhtem partizipatorischem Gehalt, da so verfahrensmäßig auf die verfassungsrechtlich privilegierte innerparteiliche Willensbildung eingewirkt w i r d ; schließlich kommen zum allgemeinen Wahl- und Abstimmungsrecht nach A r t . 20 I I 2, 38, 29 GG die besonderen innerparteilichen Wahlund Abstimmungskompetenzen. Der grundrechtliche status activus processualis (P. Häberle) w i r d durch A r t . 21 GG verstärkt zu einer seiner politisch intensivsten Formen, dem status activus processualis des Parteibürgers . Die innerparteiliche Meinungsfreiheit beispielsweise richtet sich nicht gegen die Partei 8 7 , sondern dient der Partizipation des Bürgers i n der Partei. I n dem Maße, wie die Parteibürger von ihren Mitspracherechten Gebrauch machen, w i r d die Meinungsdominanz der Parteioligarchien reduziert. Daher kennzeichnet nicht der Beeinträchtigungen abwehrende status negativus die innerparteiliche Meinungsfreiheit, sondern der auf politische Teilhabe gerichtete status activus processualis. Der Gebrauch der Meinungsfreiheit i m innerparteilichen Willensbildungsverfahren effektiviert das Grundrecht und die innerparteiliche Demokratie gleichermaßen. Die besondere Form der Meinungsäußerung innerhalb der Parteien soll nach einer Meinung jeweils nur so lange legitim sein, bis von dem zuständigen Parteiorgan ein Beschluß i n der betreffenden Angelegenheit gefaßt wurde 8 8 . Begründet w i r d dies — wenn überhaupt — m i t dem Interesse der Partei an der Festlegung einer gemeinsamen Parteilinie und dem geschlossenen Auftreten nach außen 89 . Diese Begründung hält jedoch einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht stand. G. Dux hat zu Recht darauf hingewiesen, daß der Maulkorb eines innerparteilichen Beschlusses für den Parteibürger 86 z. B. die aus der Partei öffentlichkeit resultierenden Informationen, w i e etwa den Tätigkeitsbericht des Vorstandes (§ 9 V 1 PartG). 87 So aber G. Dux, DVB1. 1966, S. 554 f. 88 G. Rabus, AöR 78 (1952/53), S. 182; K. Hesse, W D S t R L 17 (1959), S. 33; W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien, S. 106; ders., DVB1. 1962, S. 168 f. 89 Vgl. W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien, S. 106; ders., DVB1. 1962, S. 168.

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2. Teil, I I . Parteiinterna

anderer Meinung „eine i m tiefsten Sinne undemokratische Vergewaltigung der Person" bedeutet 90 . Wie sollte jemals eine — nach § 9 I I I PartG selbstverständliche — Programmänderung zustande kommen, wie sollte die innerparteiliche Minderheit die Chance haben, zum Wechsel der Mehrheit zu werben 9 1 und selbst jemals die Mehrheit erringen können 9 2 wenn eine so rigorose Bindungswirkung von Parteibeschlüssen besteht? Die Partei würde sich m i t jedem Beschluß den Handlungsspielraum für zukünftige Gestaltungen weiter einengen, da praktisch-politisch eine Revision unmöglich wäre. Natürlich haben die Parteiorgane und jedes Mitglied — auch die Mandatsträger i n ihrer Eigenschaft als Parteibürger 9 3 — einen Beschluß als sanktionierten Parteiwillen zu respektieren und sich, soweit sie von seinem Regelungsgehalt unmittelbar betroffen sind, auch daran zu halten 9 4 . Doch können sie weiter i m innerparteilichen Willensbildungsprozeß ihre gegenteilige Meinung vertreten und Anträge zur förmlichen Abänderung des betreffenden Beschlusses stellen 95 . „ I n der parteiinternen Diskussion ist dem Prinzip der Veränderbarkeit weitgehend Rechnung zu tragen 0 6 ." Nur so kann demokratische Politik gemacht werden, die A l ternativen entwickelt 9 7 und Raum für freie Entscheidungen beläßt. Die Meinungsäußerung des Parteibürgers dient der unmittelbaren Partizipation im Rahmen der innerparteilichen Kommunikation. Grundsätzlich offen zur persönlichen Mitarbeit aller Parteimitglieder sind jedoch i n der Regel nur die untersten territorialen Gliederungseinheiten, die soziostrukturell abgegrenzten Sonderorganisationen und 90

I n : DVB1. 1966, S. 555. „Eine Voraussetzung f ü r die Chance zum Wechsel der Mehrheit ist aber die Chance zur Werbung u m Mehrheit", H. J. Varain, ZfP 1964, S. 246. 92 Vgl. zu diesem Grundsatz, m i t dessen Realisierung die Mehrheitsentscheidung erst volle demokratische L e g i t i m i t ä t erlangt: K. Hesse, Grundzüge, S. 58. 93 P. v. Oertzen, Grundlagenpapier, i n : FR v o m 26.1.1974, S. 6. 94 s. auch den v o n H. Ehmke / B. Friedrich / P. v. Oertzen / H. Vogel ausgearbeiteten E n t w u r f einer Entschließung des SPD-Parteivorstandes. Dort heißt es unter 3. über die Parteitagsbeschlüsse, daß sie „ f ü r alle Mitglieder der Partei gleichmäßig verbindlich" sind, zit. nach FR v o m 9.2.1974, S. 4. — Bei der SPD ist die Bereitschaft zu erkennen, aus der sozialdemokratischen Entwicklung zur Volkspartei positive Konsequenzen f ü r die innerparteiliche Diskussionsfreiheit zu ziehen, s. dazu auch die Analyse von drei K o n f l i k t fällen bei K . Günther, A r c h i v f ü r Sozialgeschichte, Bd. 13 (1973), S. 23 ff. 96 Dazu heißt es i n dem genannten Entschließungsentwurf unter 1.: „ i n n e r halb der Partei k a n n das einzelne Parteimitglied auch v o m Programm abweichende Auffassungen vertreten u n d f ü r Änderungen des Programms eintret e n " ; ähnlich E. Lengers, Rechtsprobleme bei Parteiausschlüssen, S. 105, 118; R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 141. 96 D. Hahn, Innerparteiliche Demokratie, S. 49. 97 Vgl. F. Erler, auf dem SPD-Parteitag i n H a m b u r g 1950, Protokoll, S. 56 f. 91

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die informellen Zirkel der spontanen innerparteilichen Gruppenbildung. Wer nicht i n ein Parteiorgan (Vertreterversammlung, Vorstand etc.) gewählt w i r d und dort auch eigene Initiativen entfaltet, ist hinsichtlich der Partizipation an den weiteren Abläufen der Parteiwillensbildung darauf angewiesen, m i t anderen zusammen i n der Form eines Antrags sein politisches Wollen zu fixieren, und es somit förmlich als Diskussionsgrundlage einzubringen. Nach der Annahme eines Antrages haben die Entsender auf das weitere Schicksal der Initiative kaum mehr Einfluß, sie w i r d zur Befassimg den nächst zuständigen Parteiorganen überantwortet, i n denen die Antragsteller nur als Minderheit vertreten sind. Wichtig ist daher, daß der Gebietsverband egalitär — entsprechend der Zahl der i n i h m zusammengeschlossenen Mitglieder — auf den höheren Ebenen der Parteiwillensbildung präsent ist. Damit stellt sich die Frage nach dem „demokratischen DelegiertenschlüsselDas PartG bestimmt i n § 13 S. 2, daß die Delegiertenquoten „ i n erster Linie" nach den Mitgliederzahlen zu bemessen sind; die Zahl der für die Partei abgegebenen Wählerstimmen kann jedoch auch als Bemessungsgrundlage für höchstens die Hälfte der Delegierten herangezogen werden — eine Konzession an Wählerparteien 9 8 . Problematisch ist Satz 4 dieser Vorschrift, wonach die Ausübung des Stimmrechts von der Erfüllung der Beitragspflicht des Gebietsverbandes abhängig gemacht werden kann . Er bedeutet nicht, daß sich die Delegiertenzahl eines Gebietsverbandes nach dessen Beitragszahlungen bemißt 9 9 . Es muß immer die nach dem tatsächlichen Mitgliederstand zu ermittelnde Delegiertenzahl geladen werden. Ausstehende Beitragszahlungen können höchstens Auswirkungen auf die Abstimmungsbefugnis haben, nicht aber auf das Recht, an der innerparteilichen Meinungsbildung m i t Anträgen und Diskussionsbeiträgen teilzunehmen. Doch läßt sich diese Möglichkeit des § 13 S. 4 PartG schwerlich m i t den Anforderungen an eine demokratische innerparteiliche Willensbildung i n Einklang bringen 1 0 0 . Die Verknüpfung von Geld und politischen Mitwirkungsrechten — i n einer 98

Kritisch dazu R. Wolfrum , Parteiengesetz, S. 101 ff. Diesen Anforderungen des P a r t G widerspricht § 15 I Nr. 1 des SPDOrganisationsstatuts, der zwar zutreffend auf die Mitgliederzahl abstellt, jedoch bei der Verteilung der Mandate n u r die Mitglieder berücksichtigen w i l l , f ü r die die Pflichtbeiträge an den Parteivorstand abgeführt wurden. Wie leicht k a n n hier durch Nachlässigkeit oder unverschuldeten Verzug eines Kassierers die Partizipation ganzer Parteigliederungen an der politischen Willensbildung ausgeschlossen werden. Nach dem P a r t G müssen aber alle Mitglieder — gleich ob sie ihren Beitrag bezahlt haben oder i m Rückstand sind — Berechnungsgrundlage f ü r die Mandats Verteilung bilden. Es ist allenfalls zulässig, aber nicht unbedenklich, den Delegierten die beitragsrückständige Mitglieder vertreten n u r beratende Stimme ohne Stimmrecht auf den Parteitagen zu geben. 100 Anders R. Wolfrum , Parteiengesetz, S. 124 f. 99

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ähnlichen Kann-Vorschrift auch i n § 10 I I 2 PartG —, berücksichtigt zu einseitig das Interesse der Parteimanager an pünktlichen und vollständigen Beitragszahlungen. Ohne Zweifel ist eine Partei zur Wahrnehmung gerade auch ihrer partizipationsvermittelnden Funktionen auf Geld angewiesen. Doch ist der Mitgliederbeitrag nur ein Posten des gesamten Finanzaufkommens einer Partei 1 0 1 , und die Wichtigkeit dieser Einnahmequelle w i r d durch staatliche Parteienfinanzierung und private Parteispenden erheblich relativiert. Eine demokratische Partei sollte nicht zum Inkassounternehmen werden und ihre Partizipationsmöglichkeiten nur an Barzahler vergeben, sondern ihren Mitgliedern, die auch ihre Wähler und Werber sind, ein Mindestmaß an politischem Kredit einräumen 1 0 2 . I n der politischen Praxis w i r d von der Basis aus kaum versucht, über Anträge zu den höheren Vertreterversammlungen auf die „große Politik" einzuwirken 1 0 3 . Ein Parteitag, dem jedoch weder ein Antrag noch eine kritische Wortmeldung vorliegt 1 0 4 , erfüllt nicht seine Funktion als Partizipationsinstrument und ist ein Indiz dafür, daß plebiszitäre innerparteiliche Willensbildung nicht stattfindet. I m Gegensatz dazu haben vor allem die Landes- und noch mehr die Bundesparteitage der SPD oft eine riesige Antragsflut zu bewältigen, die aus den mittleren Gliederungsstufen und von den Vorständen entspringt 1 0 5 . Doch ist eine große Zahl

von Anträgen

zu den Parteitagen

bei ihrem

gegenwärtigen

Ablauf ambivalent: Einerseits dokumentiert sie — soweit es sich nicht u m Anträge des Vorstandes handelt — das positive Volumen politischer Partizipationsbestrebungen; auf der anderen Seite ist es den Parteitagen aus Zeitgründen unmöglich, alle Anträge zu diskutieren und 101 So standen die Mitgliederbeiträge der großen Parteien nach dem Rechenschaftsbericht 1968 (Bundesanzeiger Nr. 196 v o m 21.10.1969, S. 2 ff.) i n folgenden Relationen zu den Gesamteinnahmen: C D U 1 zu 5; SPD 1 zu 2,5; F.D.P. 1 zu 8,3. 102 So z. B. die Finanz- u n d Beitragsordnung der CDU, Stand 17.11.1969, i n § 4 I I , wonach der Kreisverband i n besonderen Fällen Beiträge stunden kann, ohne daß f ü r das M i t g l i e d Nachteile erwachsen. los N u r i n der SPD haben die Ortsvereine unter Umgehung der Zwischenstufen ein Antragsrecht d i r e k t zu den Bundesparteitagen. Von diesem Recht macht n u r jeder 300. Orts verein Gebrauch, H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 530, A n m . 152; B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 72. 104 So auf dem Parteitag der hessischen CDU 1972, vgl. dazu den Bericht von B. Jasper, FR v o m 31.1.1972, S. 8. 105 s. dazu näher J. Dittberner, PVS 1970, S. 264 ff. — Die Antragszahlen zu den SPD-Bundesparteitagen betrugen: 95 (1962), 167 (1964), 281 (1966), 951 (1968), Zahlen nach Spiegel Nr. 12/1968, S. 36. 1970 etwa 900 Anträge, so H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 530, A n m . 151, 1973 waren es 977 Anträge. Bei den Bundesparteitagen der CDU u n d der F.D.P. sind mehr als zwei Dutzend Anträge schon die Ausnahme, so V. Hoffmann, FR v o m 7. 4.1973, S. 3.

3. Willensbildung

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darüber zu entscheiden. „Soviel Demokratie ist i n Gefahr sich selbst zu blockieren" 1 0 6 , wenn nicht über neue Verfahrensregelungen aus der Quantität der Teilhabebegehren eine Qualität i n der Teilhabe selbst wird. Einen Ausweg aus diesem Dilemma sollen Antrags - und Redaktionskommissionen bringen 1 0 7 , deren Aufgabe es ist, die Anträge vor der Entscheidung des Plenums bewertend zusammenzufassen. Praktisch sorgen sie oft dafür, daß von der Führungslinie abweichende Formulierungen i n den Anträgen durch eine Fassimg ersetzt werden, die allgemeine Zustimmung findet und die Parteiführung nicht so festlegt, wie die ursprünglich von den Antragstellern gewählte Formulierung 1 0 8 . Viele Anträge werden durch Erledigungserklärung schon vor der Abstimmung des Plenums aus der Willensbildung eliminiert 1 0 9 . Dies zeigt, daß jene Kommissionen bei den Parteitagen einen enormen Einfluß auf den innerparteilichen Willensbildungsprozeß haben. Eine Kontrolle ihrer Tätigkeit durch den Parteitag ist schon deshalb illusorisch, w e i l er eben die Antragsmassen nicht selbst bewältigen kann. So ist derzeit eine allzu große Antragszahl geeignet, die Position des Vorstandes sogar zu stärken, die Kontrollmöglichkeiten des Parteitages zu verschlechtern 110 und der freien politischen Willensbildung der Partei gerade nicht zu dienen. Doch sind Erhaltung und Förderung des A n tragsaufkommens zu den Parteitagen und die gleichzeitige angemessene Behandlung dieser Partizipationsbegehren auf den innerparteilichen Vertreterversammlungen nicht unmöglich 1 1 1 . 108 So der Kommentar des CSU-Bayernkurier z u m Nürnberger SPD-Parteitag 1968, zit. nach V. Hoffmann , FR v o m 7.4.1973, S. 3. 107 s. § 19 Organisationsstatut der SPD. los v g i # dazu die Darstellung der A r b e i t der Redaktionskommission auf dem SPD-Programmparteitag i n Godesberg 1959 bei U. Müller , Willensbildung, S. 85, 87 ff. sowie den Bericht der Parteienrechtskommission, S. 48. 109 v g l dazu die Tabelle bei H. Kaack , Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 528, die ausweist, daß auf dem SPD-Parteitag 1966 von 251 Anträgen der Untergliederungen 161 durch Anträge des Parteivorstandes oder der Redaktionskommission f ü r erledigt erklärt wurden. J. Dittberner, PVS 1970, S. 265, nennt die Z a h l von 40 °/o der auf SPD Parteitagen als erledigt betrachteten Anträge; s. auch U. Müller , Willensbildung, S. 85; B. Zeuner , Innerparteiliche Demokratie, S. 80. — Noch bedenklicher als die Erledigungserklärung ist, daß bei dem a. o. SPD-Bundesparteitag i n Godesberg 1971, zu dem ein fertiges Konzept einer v o m Partei vorstand initiierten Reformkommission vorlag, die v o m Bundesvorstand „benannten" Mitglieder der Reformkommission m i t den von i h m ebenfalls „benannten" Mitgliedern der Antragskommission zu 50°/o identisch waren, vgl. dazu die Mitgliederaufstellung i m Protokoll des genannten Parteitages, hrsg. v o m Vorstand der SPD, S. 422 f. 110 H. Kaack , Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 5271; J. Dittberner, PVS 1970, S. 265; R. Leicht, Frankfurter Hefte, 1972, S. 101. 111 Interessant ist i n diesem Zusammenhang der auf H. Wehner zurückgehende Vorschlag von B. Friedrich, Die neue Gesellschaft 1972, S. 94, w o -

17 T r a u t m - a n n

258

2. Teil, I I . Parteiinterna

K e i n e s f a l l s k ö n n e n deshalb die K o n s e q u e n z e n aus der H i l f l o s i g k e i t d e r P a r t e i t a g e g e g e n ü b e r d e n A n t r a g s f l u t e n d a r i n liegen, das A n tragsrecht z u b e s c h n e i d e n 1 1 2 . Z u n ä c h s t ist es n o t w e n d i g , die Aufgaben der Antragskommission a u f d i e r e i n technische B ü n d e l u n g sachverw a n d t e r A n t r ä g e u n d N e b e n e i n a n d e r s t e l l u n g v o n A l t e r n a t i v e n ohne j e g l i c h e eigene W e r t u n g z u beschränken 113. W e i t e r s i n d die P a r t e i t a g e v o n d e n f ü r die anstehenden E n t s c h e i d u n g e n n i c h t u n m i t t e l b a r r e l e v a n t e n z e i t r a u b e n d e n I n f o r m a t i o n s v e r m i t t l u n g e n — Referate p r o f i l süchtiger P o l i t i k e r — z u e n t l a s t e n 1 1 4 , d a m i t mehr Zeit für die Antragsberatung u n d d i e W i l l e n s b i l d u n g v e r b l e i b t . Schließlich s i n d mehr Parnach bei der SPD der Parteirat i n Öffentlicher Sitzung Anträge aus den Gliederungen behandeln soll. D a m i t wäre aber dem Parteitag als oberstem O r gan die Entscheidung aktueller Fragen weitgehend entzogen und es entstünden neue Probleme, z. B. w i e durch die A r b e i t des Parteirates das Prinzip der unmittelbaren innerparteilichen Willensbildung eingehalten werden kann, — Einen ähnlich „kurzgeschlossenen Weg" zur Erledigung der auf den Parteitagen aus Zeitgründen nicht behandelten Anträge hat m a n i m SPDUnterbezirk F r a n k f u r t beschritten (vgl. dazu den Bericht der FR v o m 3. 7. 1973, S. 14): A l l e Anträge die nicht entschieden werden konnten, gehen an die Stadtverordnetenfraktion. Entschließt sich die F r a k t i o n einem A n t r a g zu entsprechen, so ist dies ohne Parteitagsbeschluß möglich. Andernfalls beraten Fraktions- u n d Unterbezirksvorstand m i t den Antragstellern u n d versuchen eine Einigung. K o m m t es nicht dazu, soll der Unterbezirksbeirat m i t der Sache befaßt werden, u n d erst w e n n auch hier keine Lösung gefunden w i r d , gelangt der A n t r a g zum nächsten Parteitag. Dieser „Kehraus" liegengebliebener Anträge, zu dem neuerdings der Parteitagsbrauch kommt, zu Anfang eine Sammelliste der nach Meinung der Antragskommission u n wesentlichen Anträge zu beschließen, die ohne Befassung an die zuständigen Gremien verwiesen werden (vgl. K. Voigt, i n : R. A r n d t / K . Voigt, Die neue Gesellschaft 1974, S. 218), ist ambivalent: A u f der einen Seite bietet dieses Verfahren die Möglichkeit optimaler Berücksichtigung aller Partizipationsbegehren u n d somit einer Verstärkung der plebiszitären Teilhabe der A n tragsteller. Andererseits w i r d damit jedoch die allein dem Parteitag als oberstem Willensbildungsorgan der Partei zustehende Kompetenz zur Annahme aber auch Ablehnung u n d Abänderung von Anträgen, gemäß dem W i l l e n der die Parteibürger unmittelbar vertretenden Delegierten, auf andere u n d zwar repräsentative Organe verlagert. Plebiszitäre innerparteiliche Willensb i l d u n g i n einer Volkspartei heißt auch Verwerfung u n d Veränderung von I n i t i a t i v e n eines Teils der Basis durch unmittelbare Teilhabe der gesamten Basis. Andernfalls könnten über diesen verkürzten Weg Partialbegehren realisiert werden, die nicht dem W i l l e n der Parteimehrheit entsprechen. Die genannten Verfahren sind daher keine Alternative zur Willensbildung durch die Parteitage. 112 D a r u m ging es i n vielen Anträgen zu dem a. o. SPD-Bundesparteitag 1971: die Arbeitsfähigkeit der Parteitage sollte durch Reduzierung des A n tragsaufkommens gesichert werden, vgl. F A Z v o m 18.12.1971, S. 6. 113 So auch K. Voigt auf dem SPD-Bundesparteitag 1970, zit. nach H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 523. 114 Das politische Referat m i t anschließender Diskussion bietet k a u m P a r t i zipationschancen, vgl. B. Zeuner, innerparteiliche Demokratie, S. 71. — Die innerparteiliche Information muß — auch aus Gründen der Gleichheit aller Mitglieder — i n der Regel über das technisch-mediale Kommunikationsnetz der Parteien (gedruckte Informationen) laufen u n d darf nicht n u r dem k l e i nen Kreis der Delegierten v e r m i t t e l t werden.

3. Willensbildung

259

teitage zur kontinuierlichen Bewältigung einer ständig stattfindenden innerparteilichen Willensbildung funktional i m Sinne einer effektiven innerparteilichen Demokratie. Der i n § 9 13 PartG genannte zweijährige Turnus ist als Mindestbestimmung die äußerste Grenze, u m die Partei überhaupt politisch am Leben zu halten. Schließlich darf sich die innerparteiliche Willensbildung nicht allein m i t der Beschlußfassung über einen Antrag begnügen. Partizipationsmotivierend ist ein späterer Bericht über die weitere Behandlung und Resonanz der verabschiedeten Anträge. Den Parteibürgern muß offengelegt werden, was aus ihren Vorschlägen geworden ist 1 1 5 . Die notwendig plebiszitäre Willensbildung der periodisch zusammentretenden Parteitage w i r d durch einen zweiten, gewichtigeren Mangel beeinträchtigt: Organisation und Ablauf, Aufstellung der Tagesordnung, Handhabung der Geschäftsordnung, Referate und Berichte, Informationsvorsprung sowie gezielte Informationsselektion, Überforderung der Delegierten und taktische Routine ermöglichen es den kontinuierlich tagenden Vorständen, die Parteitage so vorzubereiten, daß sie ihre politischen Zielsetzungen i n der Regel realisieren können 1 1 6 . Hinzu kommt, daß Parteitage auf oberster Ebene meist nur Grundsatzfragen behandeln, programmatische Entschließungen verabschieden sowie die innerparteiliche Rechtsetzung betreiben (§ 9 I I I PartG) und den Vorständen die aktuelle (Partei-)Tagespolitik überlassen bleibt, so daß eine Partizipation der Minderheiten an der Austragung aktueller Probleme und Gegensätze kaum möglich ist. U m dies zu erreichen, müssen die Parteitage auch Plattform zur Diskussion und Entscheidung aktueller Kontroversen sein 1 1 7 . Gegenwärtig sind sowohl die Versuche der Einflußnahme als auch der tatsächliche Einfluß der Mitglieder auf die innerparteiliche Willensbildung noch gering 1 1 8 . Die Funktion der Vorstände nach dem PartG, den Gebietsverband zu leiten ( § 1 1 I I I 1), hat i n exzessiver politischer Praxis dazu geführt, daß die jeweiligen Parteispitzen alle Entscheidungen an sich reißen, die nicht ausdrücklich und unabdingbar einem anderen Organ vorbehalten sind 1 1 9 .

115

So hat der Bezirksparteitag der südhess. SPD 1970 beschlossen, daß zu den Anträgen jeweils ein Bericht des Bezirksvorstands über den Stand der Erledigung gegeben w i r d . Dem hat der Bezirksvorstand durch die Vorlage eines gedruckten Berichts erstmals zum Bezirksparteitag 1971 entsprochen. 116 H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 521 ff.; B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 81. 117 So auch R. Leicht, Frankfurter Hefte 1972, S. 97. 118 So die seit Beginn der Parteienrechtsdiskussion unveränderte Feststellung, vgl. den Bericht der Parteienrechtskommission, S. 59; U. Müller, Willensbildung, S. 92; B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 74. 119 U. Müller, Willensbildung, S. 70.

17*

260

2. Teil, I I . Parteiinterna

Die Vorstände sind aufgrund ihres immensen tatsächlichen Einflusses die eigentlichen Willensträger der Parteien 1 2 0 . Bei dieser Führungselite handelt es sich nicht einmal immer u m den gesamten Vorstand, sondern u m einen kleineren, aktionsfähigeren Kern (Präsidium, § 11 I V PartG) 1 2 1 , der durch seine personelle Identität mit Angehörigen der Bundesregierung und den Fraktionsführungen im Bundestag gekennzeichnet ist 1 2 2 . Nach überwiegender Ansicht verläuft heute die politische Willensbildung i n den Parteien von „oben nach unten" 1 2 3 . Die Parteiführungen bestimmen durch ihr politisches Übergewicht gegenüber den Delegierten aus den Organisationsgliederungen 124 die Parteipolitik faktisch autonom 1 2 5 . Die Parteitage legitimieren die Vorstandsaktivitäten durch Personal- und Sachentscheidungen; hier hätte eine Gegenstrategie anzusetzen. Es besteht eine Interdependenz von Personalund Sachfragen 126. Die Wahl bestimmter Personen i n den Vorstand ist meist ein Präjudiz für ihre Sachentscheidungen, da regelmäßig der politische Standort der Kandidaten bekannt ist oder durch Personalund Sachdebatten ausgelotet werden kann. So hat der Parteitag i n doppelter Hinsicht Möglichkeiten zur Bestimmung der zukünftigen Parteipolitik: Seine Sachentscheidungen als oberstes Parteiorgan verpflichten den Vorstand zu deren Realisierung u n d durch die Wahl der Vorstandsmitglieder w i r d mittelbar darüber entschieden, wie der Vorstand auf zukünftige Fragen reagiert. Dieser Anleitung der Vorstandspolitik durch den Parteitag folgt die Kontrolle der Einhaltung seiner Direktiven durch Diskussion und Beschluß über Tätigkeitsberichte (§ 9 V I PartG). Die Effektivität dieser Kontrollen ist ein K r i t e r i u m für 120 ü . Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, S. 84; B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 74. 121 1970 gehörten dem Präsidium der SPD 10, dem der C D U 11 u n d dem der F.D.P. 9 Vorstandsmitglieder an, Zahlen nach B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 59. 122 U. Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, S. 82. — I n diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, daß bei der CDU die politische E n t scheidung regelmäßig bereits i n Regierung u n d F r a k t i o n getroffen waren, ehe sie i n der Partei zur Sprache kamen, vgl. U. Müller, Willensbildung, S. 77. 123 Vgl. den Bericht der Parteienrechtskommission, S. 48, 58 f.; U. Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, S. 42; U. Müller, Willensbildung, S. 90. 124 J. Dittberner, Die Parteitage von CDU u n d SPD, S. 83. 125 H. Lang, Das repräsentative Prinzip i m Parteienstaat, S. 57. 126 Dieser Zusammenhang besteht z. B. auch bei der Kandidatenaufstellung zu staatlichen Wahlen. So glaubt B. Zeuner, Wahlen ohne A u s w a h l — Die Kandidatenaufstellung z u m Bundestag, S. 184, eine „Tendenz zu einem die Ebene isolierter Personalentscheidungen transzendierenden, auf politische Richtungsbestimmung zielenden Auswahlsystem" zu erkennen. — D a m i t sollen nicht die verschiedenen S t r u k t u r e n der Entscheidungsformen Personal« u n d Sachentscheidung, auf die H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 527, hingewiesen hat, nivelliert werden. Sachentscheidungen müssen nicht m i t einem Ja oder Nein getroffen werden, sie lassen sich nuanciert modifizieren.

3. Willensbildung

261

das Funktionieren der innerparteilichen Demokratie 1 2 7 . Die i n einer Volkspartei bestehenden und sich auf den Parteitagen widerspiegelnden Interessenkonflikte sind gute Voraussetzungen effektiver Kontrollen 1 2 8 der Parteiführung durch die Delegierten und der verschiedenen innerparteilichen Gruppen untereinander. Als Instrument zur unmittelbaren Einflußnahme der Parteitage auf die zukünftige Politik der Parteiführungen kommt eine antizipierte Kontrolle i n Form eines Berichts des Vorstandes über seine geplanten Aktivitäten mit anschließender Beratung und Beschlußfassung darüber in Betracht. Diese vorgängige Kontrolle gehört zu der Kompetenz des Parteitages nach § 9 V 1 PartG; denn unter „Tätigkeitsbericht" ist nicht nur die Information über vergangene und abgeschlossene Tätigkeiten zu verstehen, sondern gerade auch die über zukünftige. Die Kontrolle der Vorstandstätigkeit ist sowohl retrospektiv als auch prospektiv. Die triviale Erkenntnis, daß die Führungseliten die Parteien beherrschen, ist also grundsätzlich kein Argument gegen unmittelbare M i t gliederpartizipation. Die Forderung nach plebiszitärer Parteiwillensbildung geht gerade von jener Feststellung aus 1 2 9 , um sie zu revidieren. Ein Vorstand hat u m so mehr politische Macht und Einfluß auf die Partei, je weniger Mitglieder bereit sind, sich parteipolitisch zu engagieren. Es liegt also auch an der Partizipationsmotivation, wie intensiv die Parteibasis über die Parteitage die Vorstandspolitik durch Sachentscheidungen, Personalauswahl und Kontrollen bestimmt und damit ihre Teilnahme an der Parteipolitik insgesamt stärkt. Beschneidungen der den Vorständen zugefallenen oder angemaßten faktischen Kompetenzen,

Rückkoppelungs -

u n d Kontrollmechanismen

s i n d geeignet, die

Verselbständigung des Vorstandes zu verhindern und die Parteimitglieder unmittelbar an der Parteiwillensbildung zu beteiligen 1 8 0 . Die plebiszitäre innerparteiliche Willensbildung ist i n hohem Maße abhängig von der Partizipationsmotivation der Parteimitglieder 1 3 1 . „Der funktionale Sinn von Organisationsformen kann prinzipiell immer wieder durch das Verhalten der Agierenden überspielt werden 1 3 2 ." Ebenso wie bei den innerparteilichen Personalentscheidungen ist bei Sachent127

M. Hättich, Innerparteiliche Demokratie, S. 32. Ders., ebd. 129 J. Dittberner , PVS 1970, S. 237. 130 U. Müller, Willensbildung, S. 122: „die jetzige Stellung der Mitglieder und ihrer Delegierten zu stärken auf Kosten der Befugnisse der Parteiführungsgruppe." 131 H.-O. Mühleisen , Organisationstheorie u n d Parteienforschung, S. 75 ff.; W. Jäger, Innerparteiliche Demokratie u n d Repräsentation, S. 128 f., spricht von einem „Aktivierungsdilemma". 132 M. Hättich, Innerparteiliche Demokratie, S. 32. 128

262

2. Teil, I I . Parteiintern

Scheidungen zu beobachten, daß ein großer Teil der Parteimitglieder die vorhandenen Partizipationsmöglichkeiten nicht ausnutzt 1 3 3 . So agiert die Parteiführung formell nie gegen den Willen der Mitglieder; diese bestätigen sogar regelmäßig ihre Politik und erneuern ihre Legitimation. Trotzdem kann schwerlich von einer plebiszitären innerparteilichen Willensbildung gesprochen werden 1 3 4 . Der mangelnde Wille zur innerparteilichen Mitbestimmung, zum Teil ein Reflex der allgemeinen Konsumentenhaltung i m politischen Bereich 1 3 5 , auf die auch die Wahlwerbung der Parteien zielt, w i r d damit zum Kernproblem der juristischen Bewältigung innerparteilicher Willensbildungsvorgänge 136 ; denn „kein politisches Recht vermag zu bestehen, wo der Wille fehlt, es auszuüben" 137 . Individuelle politische A k t i v i t ä t e n sind je nach der Schichtenzugehörigkeit häufig oder selten 1 3 8 . Selbst der Entscheidungsprozeß i n Versammlungen der Parteibasis hat oft nicht egalitären, sondern elitären Charakter 1 3 9 . Aber auch bei denjenigen Bürgern aus der Mittelund Oberschicht, die zu politischer Partizipation bereit und i n der Lage wären, steht diese Betätigungsmöglichkeit i n Konkurrenz m i t einer Anzahl „privater", aber möglicherweise wirksamerer Gestaltungschancen 1 4 0 . Politische A k t i v i t ä t ist keine Projektion menschlicher „Grund183 B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 37; ders., Wahlen ohne Ausw a h l — Die Kandidatenaufstellung zum Bundestag, S. 165. 134 Es handelt sich hierbei u m manipulierte „Pseudo-Beteiligung", vgl. F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 67. 185 Als eine Ursache k a n n „die Anziehungskraft u n d A k t u a l i t ä t der Massenmedien, besonders des Fernsehens, viele politisch Interessierte v o n der aktiven Parteiarbeit fernhalten u n d dazu verführen, sich zu passiven Beobachtern des politischen Geschehens zu machen", so H. See, Volkspartei i m Klassenstaat, S. 59; vgl. auch U. Lohmar, Innerparteiliche Demokratie, S. 24. 136 Dagegen glaubt D. Hahn, Innerparteiliche Demokratie, S. 2, die Frage ob die Parteimitglieder ihre Teilhabechancen nutzen, könne nicht Gegenstand einer juristischen Untersuchung sein. 187

H. J. Varain, ZfP 1964, S. 250. Vgl. dazu H. See, Völkspartei i m Klassenstaat, S. 60 ff. — Auch für Parteimitglieder läßt sich allgemein sagen, daß sie i m Durchschnitt höhere Berufspositionen einnehmen, als es der Gesamtbevölkerung entspricht, vgl. dazu N. Diederich, Mitgliederstruktur, S. 41 f. ; A. Meyer, Parteiaktivitäten u n d Einstellungen von C D U u n d SPD Mitgliedern, S. 57. Auch innerparteilich läßt sich eine ungleiche A u f t e i l u n g der A k t i v i t ä t e n je nach Schichtenzugehörigkeit feststellen (ebd., S. 77), das hat zur Folge, daß der innerparteiliche Elitenselektionsmechanismus Angehörige unterer Sozial- u n d B i l dungsschichten d i s k r i m i n i e r t (vgl. D. Herzog, Professionalisierung, S. 126). 189 M. Schwonke, Die Zeit Nr. 41/1973, S. 9. 140 F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 62 f., der daraus den Schluß zieht, „daß v o m Standpunkt des einzelnen Bürgers aus die M o t i v a t i o n zu aktiver politischer Beteiligung keineswegs selbstverständlich u n d universell vorausgesetzt werden k a n n " ; vgl. auch B. Friedrich, Der sozialdemokratische Ortsverein, S. 60. 188

3. Willensbildung

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bedürfnisse", sondern bildet sich aus Erfahrungen i n Sozialisationsprozessen 141 . Der Mangel an quantitativen innerparteilichen M i t w i r kungsbestrebungen ist erklärbar m i t dem „fatalen Erlebnis der Ohnmacht" 1 4 2 . Die Parteibürger versuchen gar nicht effektiv zu partizipieren und so ihren politischen Willen gegen Oligarchien durchzusetzen, weil sie irgendwann erlebt haben oder glauben nichts ausrichten zu können. Damit begeben sie sich gleichzeitig jeder Chance effektive plebiszitäre Willensbildungsverfahren zu erzwingen. Dies spricht jedoch nicht generell gegen eine Intensivierung innerparteilicher Partizipation; denn was ist hier Ursache, was ist Folge? Das Apathieproblem ist wenigstens zum Teil auch eine Variable der konkreten Willensbildungsverfahren, deren Dysfunktionalitäten Mitwirkungsansätze erstickt, d. h. zu apathischen Verhaltensweisen auf Seiten der Mitglieder f ü h r t 1 4 3 . Umgekehrt ist die Erfahrung tatsächlich möglicher Einflußnahmen der Basis auf die Entscheidungen der Organisation — z. B. über Bezugsgruppen — geeignet, die individuelle politische Partizipation zu fördern, Gesichtspunkte der Gratifikation 1 4 4 und Selbstbestätigung kommen ins Spiel 1 4 5 . Die verfahrensmäßige Ausgestaltung innerparteilicher Vorgänge muß Durchlässigkeit, Informationen, Alternativen und darauf aufbauend effektive M i t w i r k u n g für die Partizipationsbereiten garantieren. Damit w i r d nicht die — i n Freiheit w o h l irreale 1 4 6 — gleiche M i t w i r kung aller Parteibürger an den politischen Entscheidungen als Ziel angestrebt, sondern die grundsätzliche Möglichkeit für alle Parteimitglieder, sich durch aktives Engagement auch tatsächlich mit gleichen Chancen 147 an der Bildung des Parteiwillens beteiligen zu können. Diese am Grundsatz plebiszitärer Teilhabe orientierte freie Meinungs141 N. Diederich, Mitgliederstruktur, S. 37. — Anderer Ansicht: z.B. U. v. Alemann, PVS 1972, S. 182, der politische A k t i v i t ä t als menschliches G r u n d bedürfnis qualifiziert, dessen Fehlen (Apathie) auf das W i r k e n manipulativer Faktoren schließen lasse. Es k o m m t auch nach dieser — i m Ergebnis ähnlichen — Meinung wesentlich auf die Bedingungen des Sozialisationsprozesses an. 142 H. See, Volkspartei i m Klassenstaat, S. 59. 148 F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 67; H. Bilstein, Gewerkschaftliche Monatshefte 1970, S. 347. 144 F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 14, sieht i n der „Belohnung" politischer A k t i v i t ä t die Möglichkeit, diese bis zu einem bestimmten Grad zu verstärken; vgl. auch S. 68 f. „Internalisierung v o n Organisationszielen als wichtigstes Beteiligungsmotiv"; vgl. auch N. Diederich, M i t g l i e derstruktur, S. 37, „ E r m u n t e r u n g " u n d „Enttäuschung" als S t i m u l i der politischen A k t i v i t ä t . 145 R. Eckert, Politische Partizipation u n d Bürgerinitiative, S. 34. 146 So F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie u n d Anpassung, S. 63. 147 Vgl. zum Gleichheitssatz bei der innerparteilichen Willensbildung: ü . Müller, Willensbildung, S. 112 ff.

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2. Teil, I I . Parteiinterna

und Willensbildung bei den unteren Gliederungen kennzeichnet den Status aller Parteibürger. Z u i h m gehört weiter die reale Chance, innerparteiliche Funktionen zu erlangen, um noch effektiver partizipieren zu können. Personalentscheidungen sind für die Gewählten die Legitimation zu intensiverer Partizipation, ohne dadurch die M i t w i r kungsrechte der Basis zu usurpieren. Es geht u m die optimale Grenzziehung zwischen dem zu verbreiternden Mitwirkungsbereich aller und der Reduzierung der Führungskompetenz der gewählten Parteibürger 1 4 8 . 4. Entscheidungsmechanismen Das Ende eines innerparteilichen Willensbildungsverfahrens ist die auf der Meinungsbildung aufbauende Entscheidungsfindung, der Parteiwille. Das PartG sieht verschiedene Mechanismen zur demokratischen Entscheidungsfindung v o r 1 4 9 . Gemeinsam haben alle expressis verbis 1 5 0 oder implizit das Mehrheitsprinzip als K r i t e r i u m zur Feststellung des Entscheidungsergebnisses. M i t dem Mehrheitsprinzip w i r d auf den i n einer Volkspartei höchst selten und nur unter Verlust an Entscheidungseffizienz 151 zu erzielenden Konsens aller Beteiligten verzichtet 1 5 2 . Es ist als Konsequenz von Interessenpluralismus einerseits und dem Zwang zur Entscheidung andererseits dem Inhalt der demokratischen Ordnung angemessen 158 . A n der Entscheidung selbst haben alle Votierenden teil (formelle Partizipation), an der letztlich verbindlichen Mehrheitsmeinung partizipieren nur die Vertreter dieser Meinung, ihre Willensrichtung w i r d zum Parteiwillen (materielle Partizi148 A u f die Schwierigkeit dieser Abgrenzung hat bereits 17. Müller, ebd., S. 70 f. hingewiesen. 149 z. B. die Urabstimmung der Mitglieder (§ 6 I I Nr. 11), die geheime u n d offene Personenwahl (§ 15 II), den Beschluß (§§ 9 I I I , 15 I) oder die Abstimmung ( § 1 5 I I I 2) bei Sachentscheidungen; ebenso die Unterscheidung von W a h l u n d A b s t i m m u n g bei D. Hahn, Innerparteiliche Demokratie, S. 61. Das P a r t G ist i n seiner Terminologie widersprüchlich: I n § 15 I I 2 heißt es z. B., daß bei Wahlen abgestimmt w i r d ; danach müßten W a h l u n d A b s t i m m u n g synonyme Begriffe sein. Doch w i r d i n Abs. 3 S. 3 derselben Vorschrift von einer Unterschiedlichkeit beider Begriffe ausgegangen, da von „Wahlen u n d Abstimmungen" die Rede ist. Diese Begriffsvermischung w u r d e z. T. i n die Parteisatzungen übernommen: vgl. § 4 I GeschO zur F.D.P.-Bundessatzung; § 43 I C D U - S t a t u t ; n u r § 3 I der SPD-Wahlordnung bleibt bei einheitlicher Terminologie. I m Folgenden w i r d bei Personalentscheidungen der Begriff W a h l verwandt u n d bei Sächentscheidungen die nach dem P a r t G w o h l synonymen Begriffe Beschluß u n d Abstimmung. F ü r eine Differenzierung der Begriffe spricht auch A r t . 20 I I 2 GG: „Wahlen u n d Abstimmungen" u n d A r t . 38 1 1 GG, wonach die Abgeordneten „gewählt" werden. 160 z. B. § 15 I PartG. 151 W. Rudolf, W D S t R L 29 (1971), S. 110. 152 Einstimmige Entscheidungen i n einer Volkspartei sind oft ein Indiz f ü r manipulierte Willensbildung. 153 H. J. Varain, ZfP 1964, S. 246.

4. Entscheidungsmechanismen

265

pation). Die materielle Teilhabe der unterlegenen Minderheit w i r d durch das Mehrheitsprinzip also gerade verhindert. Trotzdem bleibt es ein unverzichtbares Ordnungskriterium, wenn die schweigende B i l l i gung der Nichtabstimmenden vorausgesetzt werden kann 1 5 4 , wenn hinsichtlich der Minderheit auch deren Zustimmung besteht, daß die Mehrheit den Ausschlag geben soll und für die Minderheit die real gleiche Chance gegeben ist, i n einem anderen Fall die Mehrheit zu gewinnen 1 5 5 . I h r Gehalt als demokratisches

Ordnungsprinzip

besteht bei der M e h r -

heitsentscheidung darin, daß sie politische Teilhabe i n Freiheit und Gleichheit optimal verknüpft 1 5 6 . Sie entspricht der Dynamik des politischen Prozesses 157 und kommt unter Einhaltung verfahrensökonomischer Anforderungen i n relativ kurzer Zeit zu Entscheidungen, was die Anzahl der innerhalb eines begrenzten Zeitbudgets möglichen Partizipationsbegehren erhöht. Das Freiheitsprinzip w i r d zwar nicht v o l l eingelöst — wie etwa i m Falle der Einstimmigkeit, wo sich kein Beteiligter einer Regelung unterwerfen muß, die nicht seinem Willen entspricht — doch beinhaltet auch das Majoritätsprinzip diese Wirkungen „zu einem wesentlichen T e i l " 1 6 8 , für die Anhänger der Mehrheitsmeinung nämlich. Während also hinsichtlich der Realisierung partizipatorischer Freiheit Einschränkungen zu verzeichnen sind, w i r d das Gleichheitsprinzip v o l l eingelöst, ja es erlangt erst bei egalitärer Bewertung voneinander abweichender Voten seine Bedeutung: es soll „auf die wirklich oder vermeintlich bessere Einsicht der Dissentierenden nicht ankommen" 1 5 9 . Insgesamt 164

Ders., ebd., S. 243. Vgl. dazu K . Hesse, Grundzüge, S. 58. 156 H. J. Varain, ZfP 1964, S. 246: „Durch die Mehrheitsentscheidung w i r d wesentliche Inhaltsverwirklichung — Teilnahme, Gleichheit, Freiheit — i n größter Annäherung an das erreichbare Maß möglich." 157 Viele Mehrheiten sind n u r Zweck- oder zeitlich begrenzte Bündnisse einer Summe innerparteilicher Minderheiten, denen die Möglichkeit des Lösens u n d Verbindens zu neuen Mehrheiten offensteht. „So ist i n der Mehrheitsentscheidung eine anschmiegsame F o r m des Willensausdrucks gefunden, die diesen lebendigen Prozeß des Wechsels nicht i n starre Formen zwingt", H. J. Varain, ebd., S. 247; s. auch K . Hesse, AöR 77 (1951/52), S. 193: »„Prinzip der Rotation', nach dem Mehrheit u n d Minderheit als nicht gleichbleibende Größen sich bald aus diesen, bald aus jenen Gruppen zusammensetzen." 158 K . Hesse, Grundzüge, S. 58; s. auch AöR 77 (1951/52), S. 193; vgl. auch H. Kelsen, V o m Wesen u n d Wert der Demokratie, S. 9: Mehrheitsprinzip als „die relativ größte Annäherung an die Idee der Freiheit"; K. Eichenberger, W D S t R L 29 (1971), S. 91: „die Freiheit wenigstens der Mehrheit nach ihrem Gesetz zu leben." 159 K . Hesse, Grundzüge, S. 58; vgl. auch G. Leibholz, W D S t R L 29 (1971), S. 104: „ B e i einer solchen, auf die möglichst weitgehende V e r w i r k l i c h u n g der Gleichheit gerichteten demokratischen Mehrheitsentscheidung k a n n es daher nicht . . . auf die inhaltliche Qualität, d. h. sachliche Richtigkeit der Entscheidung ankommen." 165

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2. Teil, I I . Parteiinterna

ist das Mehrheitsprinzip die dem demokratischen Prozeß politischer Partizipation inhaltlich am besten entsprechende Entscheidungsform 160 . Die Grenzen für die mehrheitliche Gestaltung der inneren Parteiordnung setzt A r t . 21 I 3 GG, konkretisiert durch die Regelungen des PartG. Die demokratischen Mitwirkungsrechte der Parteimitglieder, von Gebietsverbänden und sonstigen Minderheitsgruppen sind „mehrheitsfest". M i t Hilfe des Majoritätsprinzips können nicht andere demokratische Strukturen der inneren Parteiordnung abgeändert werden. Der m i t Mehrheitsentscheidungen auszufüllende Spielraum betrifft überwiegend den Bereich der Parteipolitik und weniger den der -organisation. Das Mehrheitsprinzip findet bei allen Entscheidungstypen des PartG Anwendung. Den quantitativ größten Teilhabegehalt aller Entscheidungsmechanismen hat die sogenannte Urwahl oder Urabstimmung 161, alle Mitglieder sind unmittelbar stimmberechtigt Das PartG sieht neben den Kompetenzen aller Mitglieder i n den Mitgliederversammlungen (§ 9 I) die Urabstimmung ausdrücklich nur i n § 6 I I Nr. 11 für die Fälle der A u f lösung der Partei oder ihrer Verschmelzung m i t einer oder mehreren anderen Parteien vor. N u r die Satzung der SPD regelt für diese Fälle das nähere Verfahren der Urabstimmung 1 6 2 , die Satzungen von CDU und F.D.P. enthalten keine entsprechenden Vorschriften. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, daß solche Verfahren außer i n den ausdrücklich vorgesehenen Fällen unzulässig sind. „Es entspricht vielmehr dem Demokratiegebot des A r t . 21 I S. 3 GG u n d der Aufgabe der Parteien, ihren Mitgliedern Gelegenheit zu politischen Entscheidungen zu bieten, daß den Mitgliedern garantiert ist, sich i n besonders wichtigen Fragen i n einer Urabstimmung äußern zu können 1 6 8 ." Technisch ist sie auch i n Massenparteien möglich, wie die Urabstimmungen der Gewerkschaften beweisen 164 . 180 Differenzierungen nach dem bei den verschiedenen Entscheidungstypen und -gegenständen notwendigen Bedürfnis an Einheitsbildung u n d M i n d e r heitenschutz sind möglich, da die Mehrheit nicht a p r i o r i definiert ist, sondern jeweils festgelegt werden k a n n als einfache, absolute, qualifizierte Mehrheit der Abstimmenden, Stimmberechtigten etc. 191 H. Bilstein, Gewerkschaftliche Monatshefte, S. 346. 162 Vgl. die §§ 36 - 39 der Bundessatzung sowie den Bericht über Urabstimmungsmöglichkeiten u n d -praxis der Berliner SPD bei G. Rabus, AöR 78 (1952/53), S. 168; s. dazu auch die von O. K . Flechtheim hrsg. Dokumente zur parteipolitischen E n t w i c k l u n g i n Deutschland seit 1945, 1. Bd., S. 197 u n d den Text der Berliner-Satzung, S. 476 f. 183 U. Müller, Willensbildung, S. 124f.; s. auch K . Sontheimer, Demokratischer Prozeß, S. 89; ders. u. a., D Ö V 1967, S. 257; U. v. Alemann, PVS 1972, S. 193; D. Hahn, Innerparteiliche Demokratie, S. 63. 164 B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 100.

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Neue Formen der Urbeteiligung aller Parteimitglieder an der Entscheidung innerparteilicher Grundsatzfragen stünden i m Einklang m i t der verfassungsrechtlich gebotenen Funktion der innerparteilichen Demokratie, plebiszitäre Willensbildung zu ermöglichen. § 9 I 1 PartG, der bestimmt, daß die Mitglieder- oder Vertreterversammlungen das oberste Organ des jeweiligen Gebietsverbandes sind, spricht für diese Auffassung, denn bei einer Urabstimmung entscheiden alle Mitglieder innerhalb des ihnen i n der Mitgliederversammlung ohnehin zustehenden universellen Kompetenzbereichs. I n diesem Rahmen können alle Parteimitglieder über alle Angelegenheiten Beschlüsse fassen. Es können auch alle Mitgliederversammlungen synchron über wichtige Fragen 1 6 5 i n besonders dafür vorgesehenen Verfahren beschließen. Diese Abstimmungen sind dann als Kompetenzen der Mitgliederversammlung nur organisatorisch ausgegliedert und vereinheitlicht, es bedarf weder einer Änderung der Parteisatzungen noch des PartG 1 6 6 , sondern nur einer anderen Handhabung der innerparteilichen Praxis und eventuell Ergänzung bestehender Verfahrensordnungen. I n der parteienstaatlichen Wirklichkeit wurden wiederholt von verschiedenen innerparteilichen Gruppierungen Vorstöße unternommen, die Teilhabe der Basis durch Urabstimmungen zu effektivieren 1 6 7 . Urabstimmungen sind plebiszitäre Aktion. Es ist nach einheitlichen Kriterien festzulegen, wann und unter welchen Voraussetzungen alle Mitglieder an der Parteipolitik partizipieren sollen. Die Durchführung muß unter Wahrung der Anforderungen an eine freie Willensbildung i n den Händen gewählter Kommissionen liegen, die kein Interesse daran haben dürfen, die Votierenden für eine bestimmte Meinung zu gewinnen. 186 G. Rabus, AöR 78 (1952/53), S. 168, nennt beispielhaft außer den Fällen des § 6 I I Nr. 11 P a r t G Fragen w i e : Bestätigung des Parteiprogramms, Beteiligung an der Regierung oder Opposition. 166 Ä h n l i c h die Vorstellungen von R. Arndt über eine U r w a h l der Delegierten u n d Vorstände (vgl. FR v o m 3.3.1973, S. 14): „ I n einem ersten T e i l der Jahreshauptversammlung sollten sich alle Kandidaten vorstellen. Die anderen Mitglieder könnten dann m i t ihnen diskutieren, u m sich eine M e i nung bilden zu können. Acht oder vierzehn Tage später sollten dann alle stimmberechtigten Mitglieder möglichst an einem Sonntag i n ganztätig geöffneten »Wahllokalen 1 i n einer A r t U r w a h l abstimmen . . . Niemand k a n n die Mitglieder eines Ortsvereins daran hindern diesen »Wahltag 4 als T e i l der Jahreshauptversammlung zu erklären." 187 Als Negativbeispiel sei die P r i v a t a k t i o n einer Gruppe von Parteimitgliedern genannt, denen ein Beschluß der Mitgliederversammlung der Frankfurter F.D.P. mißfiel, u n d die daraufhin an alle Mitglieder der Parteigliederung Stimmzettel m i t der Suggestivfrage versandten: „ I c h lehne den Beschluß, G r u n d u n d Boden zu sozialisieren, ab — ja/nein." A u f den S t i m m zetteln sollten die Befragten Namen u n d Adressen angeben u n d sie an einen der privaten Initiatoren der A k t i o n zurück schicken (vgl. dazu den Bericht der FR v o m 15. 4.1971, S. 13). A n dieser I n i t i a t i v e sind sowohl die A r t der

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2. Teil, I I . Parteiinterna

Positiv i n diesem S i n n e s i n d die 1971 b e i der C D U abgehaltenen „ U r w a h l e n " des K a n z l e r k a n d i d a t e n u n d P a r t e i v o r s i t z e n d e n zu b e w e r t e n , w o sich der angestaute D r u c k einer bisher i n Personalfragen g r u n d sätzlich ü b e r g a n g e n e n P a r t e i b a s i s 1 6 8 ü b e r das V e n t i l der u n m i t t e l b a r p l e b i s z i t ä r e n Personalentscheidung e n t l u d 1 6 9 . Doch h a n d e l t e es sich h i e r b e i u m k e i n e „echte" U r w a h l , d e n n es w a r k e i n e u n m i t t e l b a r v e r b i n d l i c h e E n t s c h e i d u n g ü b e r die K a n d i d a t e n f r a g e g e p l a n t 1 7 0 . S o l l e i n P a r t e i a m t p e r U r w a h l besetzt w e r d e n , so ist das Ergebnis des m e h r h e i t l i c h e n B a s i s w i l l e n s die e n d g ü l t i g e Entscheidung. Alle Parteimitglieder müssen zum gleichen Termin zur Stimmabgabe aufgerufen sein, a n d e r n f a l l s s i n d die d e m o k r a t i s c h e n W a h l g r u n d s ä t z e der A l l g e m e i n h e i t u n d G l e i c h h e i t n i c h t eingehalten, die auch f ü r i n n e r p a r t e i l i c h e W a h l e n gelten171. U r a b s t i m m u n g e n u n d - w ä h l e n s i n d e i n geeignetes I n s t r u m e n t p l e biszitärer innerparteilicher Entscheidungsfindung 172. Vorformen v o n gewissem T r a i n i n g s w e r t u n d durchaus p l e b i s z i t ä r e m G e h a l t s i n d B e f r a g u n g e n der P a r t e i m i t g l i e d e r z u m Z w e c k e der F e s t l e g u n g der H a i Fragestellung zu bemängeln, als auch die Tatsache, daß nach einem Beschluß von der unterlegenen Minderheit das V o t u m aller Mitglieder eingeholt werden sollte. 168 R. Leicht, Frankfurter Hefte 1972, S. 100: „ E i n N o v u m i n personeller Hinsicht brachte zweifellos der Saarbrücker Parteitag i m Herbst 1971, eigens zu diesem Zweck einberufen, m i t der Entscheidung über den Parteivorsitz. Bislang gewohnt, die Inthronisierung des vorgesehenen Kanzlers zum Parteivorsitzenden formal zu ratifizieren, hatten diesmal die Delegierten die Wahl angesichts einer konkreten Alternative . . . I n der Union fielen die personellen Spitzenentscheidungen früher innerhalb der Bundesfraktion und gewisser informeller Parteikreise." 169 Mindestens zwei Dutzend Kreisverbände (so die FR vom 19.5.1971, S. 4) — der Kreisverband ist die „kleinste selbständige organisatorische Einheit der CDU" (§ 18 I I Statut der CDU) — forderten alle ihre Mitglieder i n einer Fragebogenaktion auf, sich zwischen verschiedenen alphabetisch aufgeführten oder einem von ihnen zu benennenden Kandidaten zu entscheiden. Vgl. zum I n h a l t des Fragebogens, der neben der Kandidatenliste sechs w e i tere Fragen enthielt, F A Z v o m 2. 4.1971, S. 4. 170 partizipationsbereite Parteimitglieder inszenierten die lokalen A k t i o nen, u m m i t dem so ermittelten politischen W i l l e n der Gliederungseinheit „Einfluß auf die Delegierten . . . nehmen zu können". So der Sprecher des CDU-Bundesvorstandes W. Weiskirch, zit. nach V. Hoffmann, FR v o m 7. 5. 1971, S. 1. Es handelte sich also nicht u m eine Urwahl, aber auch nicht n u r u m eine „ v ö l l i g unverbindliche demoskopische Umfrage ohne W i r k u n g " , wie der Vorsitzende des eine Umfrage veranstaltenden CDU-Kreisverbandes Rhein-Sieg K . Lamers meint (zit. nach H.-J. Noack, FR v o m 14. 5.1971, S. 3). Aber so unverbindlich hielt er die A k t i o n w o h l selbst nicht, sonst hätte er nicht angekündigt, sein Delegiertenmandat zum Bundesparteitag niederzulegen, wenn die Umfrage Kandidaten favorisieren sollte, die er m i t seinem V o t u m nicht stützen w i l l (ebd.). Er geht also von einer — zumindest f a k t i schen — Bindung der Delegierten durch die Basisumfrage aus. 171

W. Henke, Bonner Kommentar, A r t . 21 Rdnr. 38. Anderer Ansicht W. Luthmann, Die innere Ordnung der S. 96 f. 172

Parteien,

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tung ihrer Delegierten auf den Parteitagen. Das politische Wollen der Basis kommt — über ihre Vertreter — zur Wirkung. Solche Vorstufen echter Urentscheidungen sind, wegen der durch sie vermittelten Erfahrung effektiver Teihabe, geeignet, die Partizipationsbereitschaft der Parteimitglieder insgesamt zu erhöhen 1 7 3 und schaffen somit die Voraussetzungen zur Intensivierung plebiszitärer Parteiwillensbildung durch echte Urentscheidungen aller Mitglieder. Obwohl das PartG außer den Entscheidungen der Mitgliederversammlung (§ 9 I) und dem besonderen Fall des § 6 I I Nr. 11 keine weiteren Urentscheidungen vorsieht, sind diese funktional i m Sinne der plebiszitären innerparteilichen Willensbildung nach A r t . 21 I 3 GG und daher verfassungsrechtlich sogar geboten. Wesentlich beim Entscheidungsverfahren ist die Geheimhaltung oder Öffentlichkeit der einzelnen Voten. Das PartG geht i n § 15 I I 1 vom Grundsatz der geheimen Wahlen der Vorstandsmitglieder, der Delegierten zu den Parteitagen, der Vertreter zu anderen Organen höherer Gebietsverbände und der Bewerber für die Parlamentswahlen (§ 17) aus. I m übrigen kann „offen abgestimmt werden, wenn sich auf Befragen kein Widerspruch erhebt" (§ 15 I I 2). Bald nach Erlaß des PartG wurde gefordert, die geheime Wahl von Vorstandsmitgliedern und Delegierten nur noch für höhere Gebietsverbände obligatorisch vorzusehen 174 . Begründet wurde diese Differenzierung der Verfahrensgrundsätze an der Parteibasis gegenüber denen bei höheren Gebietsverbänden m i t dem Argument, bei kleinen Mitgliederzahlen sei die geheime Wahl „unnötiger Formalismus" 1 7 5 . Eine Bewertung dieser Forderung macht die Klärung der Vorfrage nach Sinn und Zweck des geheimen Stimmrechts notwendig. Die verschiedenen Standpunkte i n der Diskussion u m die geheime oder offene Stimmabgabe gehen jeweils von einem bestimmten Menschenbild aus. Einer der geistigen Väter der modernen Demokratien Europas, J. J. Rousseau, postulierte die sittliche Bürgerpflicht jedes Stimmberechtigten, sich unerschrocken zu seiner Überzeugung zu bekennen, auch wenn i h m dies Nachteile b r i n g t 1 7 6 . Diesem idealistisch 173

N. Diederich, Mitgliederstruktur, S. 55. Bei den Vorstandsmitgliedern — nicht beim Vorsitzenden — unterer Organisationsebenen m i t weniger als fünfzig Mitgliedern sollte die geheime W a h l n u r noch bei Widerspruch gegen die offene Stimmabgabe vorgesehen werden. Vgl. dazu die Berichte von V. Hoffmann i n FR v o m 24. 9.1970 u n d 8. 7.1971, S. 1, sowie A r t i k e l der F A Z v o m 30. 7.1971, S. 1 u n d des Spiegel Nr. 34/1971, S. 26. 175 So die offizielle Begründung einer SPD Arbeitsgruppe zur Reform des Parteiengesetzes unter dem Vorsitz von ff. Schmitt-Vockenhausen, zit. nach Spiegel Nr. 34/1971, S. 26. 176 Vgl. dazu die Darstellung der Entwicklung zum geheimen Stimmrecht bei E. Jacobi, Z u m geheimen Stimmrecht, S. 142 ff. 174

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überhöhten Ansatz stellte R. v. Mohl seinen Befund vom „wirklichen Leben" gegenüber, wonach eben nicht alle Bürger eine solche Festigkeit haben; deshalb sei das Verfahren so einzurichten, daß man die wahre Meinung der Befragten auch von denen erhält, die nicht den M u t haben, sich öffentlich zu ihr zu bekennen 177 . Geht man von dieser realistischen Erkenntnis menschlicher Unzulänglichkeit und Manipulierbarkeit und weiter davon aus, daß Demokratie als Selbstbestimmung dem Bürger die Chance garantieren muß, m i t seinem politischen Wollen zu partizipieren, so dient letztlich die geheime Stimmabgabe der freien Selbstbestimmung des Votierenden; er soll seine Stimme ohne Rücksichtnahme auf Andersdenkende abgeben können. A u f dieser Grundlage erscheint das geheime Stimmrecht der untersten Parteistufen 178 keineswegs als „unnötiger Formalismus". Es ist konstitutiv für die freie Partizipation der Parteibasis und deshalb gerade dort zwingend vorzuschreiben. Besonders i n den überschaubaren Verhältnissen, wo jeder jeden kennt und auch anderweitige Kontakte und Abhängigkeiten der Parteimitglieder untereinander bestehen, ist es am schwierigsten, konsequent an der eigenen Meinung andern gegenüber offen festzuhalten oder auch nur den M u t aufzubringen, die geheime Stimmabgabe zu verlangen, wenn sie nicht die gesetzlich vorgeschriebene Regel ist. Grundsätzlich ist also für unmittelbare Entscheidungen der Parteibasis an geheimen Voten festzuhalten 179. Etwas anderes könnte allenfalls für höhere Gliederungsstufen gelten. Plebiszitäre innerparteiliche Willensbildung über Vertreter impliziert die Kontrolle des Verhaltens der Delegierten durch ihre Entsender. Die Parteimitglieder haben einen Anspruch darauf, „die Entscheidungen der von ihnen entsandten Delegierten zu kennen und zu beeinflussen" 1 8 0 . Diese Kontrolle bedingt Öffentlichkeit auch hinsichtlich des Wahl- und Abstimmungsverhaltens. Die Parteimitglieder müssen überprüfen können, ob sich ihre Delegierten bei Wahlen und Abstimmungen auf den Parteitagen an die beschlossenen Direktiven halten. Voraussetzung hierfür ist deren Pflicht zur offenen Stimmabgabe auf den Delegiertenversammlungen 181. Die Gründe, die für ein geheimes Stimm177

I n : Staatsrecht, Völkerrecht u n d Politik, Bd. 2, S. 300. U. v. Alemann, PVS 1972, S. 193, betont die Schutzfunktion der geheimen Stimmabgabe gerade i n diesen Parteieinheiten. 179 Die Parteienrechtskommission forderte i n ihrem Bericht, S. 167: „ f ü r alle Wahlen u n d Entscheidungen grundsätzlicher A r t geheime A b s t i m m u n g " ; ebenso W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien, S. 95 f.; R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 132. 180 U. Müller, Willensbildung, S. 139. 181 Z u undifferenziert daher der Bericht der Parteienrechtskommission, S. 167, die „ f ü r alle Wahlen u n d Entscheidungen grundsätzlicher A r t " ein geheimes V o t u m empfiehlt; ebenso T. Maunz, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, GG, 178

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recht der Mitgliederversammlung sprachen, gelten hier gerade nicht; denn soweit zu den anstehenden Fragen Entscheidungen der Parteibasis vorliegen, handeln die Delegierten nicht i n freier Selbstbestimmung, sondern i n Realisierung plebiszitärer Parteiwillensbildung, und Garant hierfür ist das offene Votum. Die Delegierten sollen sich nicht durch „Flucht i n die geheime Abstimmung" der Kontrolle und K r i t i k der Parteimitglieder entziehen können 1 8 2 . Die Meinung, daß auch für die Delegierten ein geheimes Stimmrecht Schutz gegenüber dem bestimmenden Einfluß der Parteiführung impliziere u n d eine Kontrolle durch die Basis erst i n zweiter Linie i n Betracht komme 1 8 3 , begründet eine den Verlauf plebiszitärer Willensbildung unterbrechende Ebene der unkontrollierbaren Entscheidungen. Die Unabhängigkeit der Delegierten gegenüber der Parteiführung w i r d gerade durch die konsequente Bejahung ihrer öffentlichen Stimmpflicht erreicht. Sie können sich gegenüber Manipulationen „von oben" auf das politische Wollen der hinter ihnen stehenden Basis stützen, d . h . sie stehen nicht als politische Einzelkämpfer auf verlorenem Posten gegenüber der Phalanx der Parteielite, sondern sind die Speerspitze i n den bestimmenden Händen der partizipierenden Parteimitglieder. Auf der Delegiertenstufe gilt daher das offene Votum. Die öffentliche Funktion des offenen Stimmrechts auf höheren Parteigliederungsebenen intensiviert die Abhängigkeit der Delegierten von ihren Entsendern und gibt ihnen zugleich Unabhängigkeit gegenüber manipulierenden Oligarchien. Ein bei Personalentscheidungen häufig praktiziertes Verfahren ist die Blockwahl. Nachdem der B G H als Revisionsinstanz das strikte Blockwahlsystem für rechtswidrig erklärt hat 1 8 4 , verfahren die Parteien weiter nach dem als zulässig betrachteten modifizierten (abgemilderten) Blockwahlsystem 185. Beide Verfahren unterscheiden sich darin, daß bei der strikten Variante von einer vorgelegten Kandidatenliste soviel Personen gewählt werden müssen, wie gleichartige Ämter

Rdnr. 73 zu A r t . 21; nicht konsequent ist U. Müller, Willensbildung, S. 140, die „die wichtigen Wahlen auf allen Organisationsstufen zwingend geheim" sehen w i l l , während bei Abstimmungen „das Bedürfnis nach Kontrolle durch die Parteimitglieder von unten den Ausschlag . . . f ü r eine grundsätzlich offene A b s t i m m u n g " geben soll. 182 G. Rabus, AöR 78 (1952/53), S. 169. 183 So U. Müller, Willensbildung, S. 140, hinsichtlich der v o n den Delegierten vorzunehmenden Wahlen. 184 B G H N J W 1973, S. 183 ff. 185 Vgl. § 8 I 2 Wahlordnung der SPD; § 43 I I 3 Statut der C D U ; zum Blockwahlverfahren der CSU s. den Bericht von A. Mintzel, ZParl. 1972, S. 314 ff. — U n k l a r § 4 I I 3 der GeschO zur Bundessatzung der F.D.P., wonach bei Blockwahlen „teilweise Stimmenthaltung zulässig" ist; muß mindestens ein Kandidat oder eine bestimmte A n z a h l von Bewerbern gewählt werden?

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zu besetzen sind, soll die Stimmabgabe nicht ungültig sein 1 8 6 ; bei der modifizierten Form ist es dagegen zulässig, weniger Namen anzukreuzen, als Ämter vergeben werden, allerdings muß sich das Votum auch hier i m Rahmen einer vorgeschriebenen Zahl von Mindest- und Höchststimmen halten. Es steht dem innerparteilichen Wähler also auch beim modifizierten Blockwahlsystem nicht frei, nur so viele (so wenige) Kandidaten zu wählen, wie er für richtig hält. Vielmehr muß er, u m die vorgeschriebene Mindestzahl zu erreichen, u. U. auch Kandidaten seine Stimme geben, die er ablehnt, damit seine Wahl insgesamt gültig ist. Bei jeder Variante des Blockwahlsystems hat also der Wähler für einen zahlenmäßig festgelegten „Block" von Kandidaten zu stimmen, andernfalls ist sein Votum ungültig. Das unter der positiv klingenden Verschleierungsformel „Prinzip der vollen Stimmausnutzung" praktizierte Blockwahlsystem ist ein „manipulatives Stabilisationsinstrument der Mehrheitsfraktion" 187. Die Mitglieder innerparteilicher Minderheiten, die nicht selbst über genügend Kandidaten verfügen, tragen mit ihrer Wahl regelmäßig noch zur Stützung und Zementierung der bestehenden Mehrheit bei, denn ihre Stimmzettel sind eben nur gültig, wenn auf ihnen die vorgeschriebene Zahl von Kandidaten angekreuzt ist. Die Angehörigen der M i n derheit müssen also Kandidaten der Mehrheit gegen ihren W i l l e n 1 8 8 mitwählen 1 8 9 , stärken damit ihre innerparteilichen politischen Gegner und verringern damit selbst ihre Chance jemals zur Mehrheit zu werden 1 9 0 . Es ist daher die Funktion des Blockwahlsystems, über den reinen 186 E. Küchenhoff bezeichnet dies i n seinem Gutachten m i t dem unschönen Begriff des „Funktionenbesetzungswahlzwangs", S. 23 u. passim. 187 s. dazu R. Schmidt / M. Bärlein / H. Bonin, Das Blockwahlsystem i n der SPD, S. 12 f.; J. Linck, ZParl. 1971, S. 298. 188 D a r i n sieht K . - H . Seifert, DÖV 1972, S. 335, keine Beeinträchtigung der Wahlrechtsfreiheit, da „jede W a h l nach gebundenen Listen . . . dazu zwingt, auch unerwünschte Bewerber mitzuwählen". Dabei w i r d jedoch übersehen, daß es sich bei den hier vorliegenden Listen u m sog. freie Listen handelt, bei denen der Wähler — auch nach dem Blockwahlsystem — gerade die Möglichkeit haben soll, i h m genehme Kandidaten auszuwählen. I m übrigen geht jeder W a h l nach gebundenen Listen deren Aufstellung voraus, die notwendig auf freien Einzelwahlgängen beruht. N u r aus verfahrensökonomischen Gründen können diese Einerwahlen zusammengefaßt werden; dadurch darf jedoch nicht die Möglichkeit zur freien A u s w a h l verloren gehen. Seifert vergleicht zu undifferenziert unvergleichbare Verfahren. Ä h n l i c h auch die K r i t i k von J. Linck, D Ö V 1974, S. 277, Seifert verkenne „den grundlegenden Unterschied zwischen einer Personen- u n d Listenwahl". 189 Näher dazu E. Küchenhoff, Gutachten, S. 34ff.; J. Seifert, Gutachten, S. 41, 44; ders. y Kritische Justiz 1969, S. 285; J. Linck, D Ö V 1972, S. 333. 190 Vgl. P. Häberle, AöR 99 (1974), S. 461: Die Demokratie lebt von Wahlen, diese ermöglichen Alternativen. Die Minderheit k a n n zur Mehrheit werden; demokratische Opposition ist die Alternative! Entsprechendes gilt für die innerparteiliche Demokratie i. S. des A r t . 21 GG, die das „Prinzip A l t e r n a t i v e " i m Parteiwesen verfaßt. — Sicher hat H. Meyer, Wahlsystem u n d V e r -

4. Entscheidungsmechanismen

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Bestellungsvorgang hinaus, die vorhandene Machtverteilung gegen den durch dieses Verfahren verfälschten Willen der Minderheiten zu stabilisieren 1 9 1 . Bereits wegen dieser Dysfunktionalitäten i m Sinne demokratischer Entscheidungsfindung, die gerade den wahren Willen der Partizipierenden ermitteln soll und auch der Minderheit reale Chancen sichern muß, einmal die Mehrheit zu erlangen, sind alle Vorschriften über Mindeststimmabgaben bei innerparteilichen Sammelwahlverfahren rechtswidrig 192. Nicht nur die Analyse der durch Blockwahlen hervorgebrachten Ergebnisse, sondern bereits die der technischen Grundannahmen solcher Bestellungsvorgänge zeigt, daß hier aktive Statusrechte des Parteimitglieds 198 mißachtet werden. Das aktive Wahlrecht gibt dem Wähler die Freiheit, einem Bewerber seine Stimme zu geben, i h n abzulehnen, oder sich der Stimme zu enthalten. Wenn dagegen der Parteibürger durch das Blockwahlsystem gezwungen ist, eine bestimmte Zahl von Kandidaten zu wählen, so ist er grundsätzlich nicht frei, bei den von i h m abgelehnten Bewerbern Nein zu sagen u n d sich beliebig oft der Stimme zu enthalten 1 9 4 . Aber nur dies käme seinem Recht bei separaten Einzelwahlen gleich. Da es sich jedoch bei der Blockwahl technisch u m nichts anderes als die verfahrensmäßige Verbindung mehrerer sonst selbständiger Wahlakte handelt, bei denen der Wähler i m Einzelfall unstreitig m i t Ja, Nein oder Enthaltung votieren kann, dürfen bei der Zusammenfassung von Einzelwahlgängen nicht plötzlich diese Möglichkeiten wegfallen. Sind sie aber nicht mehr gegeben, so ist die Wahlfreiheit i n ihren elementaren Voraussetzungen verletzt 1 9 5 . Das Blockwahlsystem macht das demokratische Wahlrecht zur Technik pseudodemokratischer Machtbestätigung. Dem Wahlberechtigten, der nur eine Stimme abgeben w i l l , w i r d die „volle Ausnutzung" der vorgeschriebenen Stimmen zur Pflicht gemacht 196 . Grundsätzlich ist gegen eine Zusammenfassung von Einzelwahlen zu mehreren gleichartigen Funktionen nichts einzuwenden. Solche Grupfassungsordnung, S. 253, i n der Regel recht, w e n n er ausführt, daß bei einer Freigabe der Z a h l der anzukreuzenden Kandidaten sich keine anderen M e h r heiten ergeben. Doch wären dann die Angehörigen von innerparteilichen Minderheiten nicht gezwungen, m i t ihrer Stimme den Mehrheitskandidaten zu noch größerer Mehrheit zu verhelfen, einer Mehrheit, auf die sie sich real nicht stützen können. 191 J. Linck, ZParl. 1971, S. 302. 192 A . A . H. Meyer, Wahlsystem u n d Verfassungsordnung, S. 254, der f ü r eine „Gewichtung der Stimmenzahl i m Verhältnis zu den zu besetzenden Positionen" plädiert. 193 J. Seifert, Gutachten, S. 43 f. 194 Ebenso: R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 129 f. 195 E. Küchenhof f, Gutachten, S. 28 ff.; J. Linck, D Ö V 1972, S. 332 f. 196 J. Seifert, Gutachten, S. 41; ders., Kritische Justiz 1969, S. 285. 18 T r a u t m a n n

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2. Teil, I I . Parteiinterna

p e n w a h l e n d i e n e n d e m i n der p r a x i s o r i e n t i e r t e n D e m o k r a t i e t h e o r i e i m m e r w i c h t i g e r w e r d e n d e n G e s i c h t s p u n k t der Verfahrensökonomie 197, sie b r i n g e n V e r f a h r e n s v e r e i n f a c h u n g u n d Z e i t e r s p a r n i s 1 0 8 . D o c h m u ß die G r u p p e n w a h l als technische Z u s a m m e n f a s s u n g m e h r e r e r E i n z e l w a h l e n z u e i n e m e i n z i g e n W a h l g a n g dieselben A b s t i m m u n g s r e c h t e gar a n t i e r e n , w i e sie b e i j e w e i l s e i n z e l n e n W a h l g ä n g e n gegeben w ä r e n 1 0 9 . N i c h t n u r das v o m B G H f ü r r e c h t s w i d r i g e r k l ä r t e s t r i k t e B l o c k w a h l system, s o n d e r n auch alle modifizierten Blockwahlverfahren, d i e sich nach w i e v o r i n d e n S t a t u t e n d e r verschiedenen P a r t e i e n f i n d e n , sind rechtswidrig 20°, d e n n sie m o d i f i z i e r e n e b e n n u r U n f r e i h e i t u n d U n t e r d r ü c k u n g v o n M i n d e r h e i t e n ohne sie aufzuheben. 5. Ä m t e r h ä u f u n g D i e K u m u l a t i o n v o n P a r t e i - oder v o n P a r t e i - u n d S t a a t s ä m t e r n a u f e i n e n f a k t i s c h geschlossenen P e r s o n e n k r e i s i s t schon f r ü h als P r o b l e m der politischen W i l l e n s b i l d u n g e r k a n n t w o r d e n 2 0 1 . I h r e negativen A u s w i r k u n g e n l i e g e n einerseits i n d e r d a d u r c h b e g ü n s t i g t e n O l i g a r chiebildung — wenige Spitzenpolitiker konzentrieren i m m e r mehr 197

Vgl. F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 57: „Jeder Versuch einer neuen Demokratietheorie f ü r Organisationen muß v o n diesem G r u n d problem, das durch die Faktoren Zeit u n d Größe der Organisation b e w i r k t w i r d , ausgehen." 198 E. Küchenhoff, Gutachten, S. 24, 29; J. Seifert, Gutachten, S. 40; ders., Kritische Justiz 1969, S. 285; J. Linck, ZParl. 1971, S. 298; ders., D Ö V 1972, S. 331. — Ebenso K . - H . Seifert, D Ö V 1972, S. 336, der allerdings die Begründung dafür schuldig bleibt, w a r u m bei der zeitsparenden Zusammenfassung von Einerwahlen n u n plötzlich auch ein ganzer Block von Kandidaten gew ä h l t werden muß, damit die Stimme g ü l t i g ist. 199 J. Seifert, Gutachten, S. 40. 200 J. Seifert, Gutachten, S. 112 A n m . 20. — A . A . K . - H . Seifert, D Ö V 1972, S. 336, der sogar das strikte Blockwahlsystem n u r als „unerfreulichen" u n d „tendenziösen" A k t gegen die Minderheiten qualifiziert, es aber als m i t dem P a r t G u n d G G vereinbar ansieht. I m Ergebnis ebenso das W P r ü f G Berlin, D Ö V 1972, S. 352 ff., das bei einer der Pflicht zur Abgabe einer festgelegten Stimmenzahl korrespondierenden Nominierungsfreiheit der Wählenden keinen Zwang mehr feststellen kann, da j a jeder genügend Kandidaten seines Vertrauens vorschlagen könne. Die gleiche Begründung findet sich bei D. Hahn, Innerparteiliche Demokratie, S. 59. Vgl. gegen diese faktisch u n d rechtlich fragwürdige Verknüpfung von Nominierungsfreiheit u n d Wahlzwang J. Linck, D Ö V 1972, S. 332 f. Das Gericht sieht i m übrigen einen Verstoß gegen die Wahlrechtsfreiheit n u r darin, „ggf. einem Bewerber, den m a n ablehnt, seine Stimme geben zu müssen", stellt jedoch einen solchen V e r stoß beim Blockwahlsystem nicht fest, w e i l der Wähler nicht durch angedrohte Sanktionen gezwungen ist, an der W a h l durch Stimmabgabe teilzunehmen (S. 353). Doch wäre selbst bei dieser Prämisse zu fragen, ob die bei zu wenig abgegebenen Stimmen angedrohte Ungültigkeit des gesamten Votums nicht eine solche Sanktion ist, die den Wähler zwingt, mehr K a n d i daten zu wählen als er eigentlich w i l l . 201 s. z.B. E. Forsthoff, Parteien, S. 24; G. Leibholz, DVB1. 1951, S. 7; K . Hesse, W D S t R L 17 (1959), S. 24.

5. Ämterhäufung

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politische Macht auf ihren Z i r k e l und vergrößern damit die Statusunterschiede zur Parteibasis — und andererseits i n der faktischen Einschränkung der Chance aller Parteibürger, in politische Funktionen gewählt zu werden. Das PartG enthält keine immittelbare Regelung dieser Probleme. Wenn § 14 I I für die Mitglieder der Parteischiedsgerichte bestimmt, daß nur sie „nicht Mitglied eines Vorstandes der Partei" sein dürfen, so folgt aus dieser Vorschrift sowie den §§ 11 II, 12 II, daß die gleichzeitige Wahrnehmung mehrerer Parteiämter oder von Partei- und Staatsämtern grundsätzlich zulässig ist. Häufig genügt die demokratische Wahl i n ein A m t und automatisch wachsen — je nach der konkreten Parteisatzung — weitere Funktionen zu 2 0 2 . Diese ex-off icioÄmter sind also m i t anderen staatlichen oder parteilichen Wahlämtern derart gekoppelt 2 0 3 , daß sie i m Grunde zu den Kompetenzen des Wahlamtes zu rechnen — Kumulation von Funktionen — und nicht als selbständiges A m t anzusehen sind. Z u fragen wäre hier allerdings, inwieweit eine Verselbständigung solcher ex-officio-Ämter zu originären Wahlämtern möglich ist, u m die politische Macht des einzelnen Amtsträgers zu reduzieren und die Rekrutierungsbasis für politische Funktionen insgesamt zu verbreitern. Das Problem der Ämterkumulation ist mangels konkreter einfachgesetzlicher Regelungen m i t Hilfe der aus der Verfassung gewonnenen Grundsätze der politischen Willensbildung des Volkes und besonders der innerparteilichen Demokratie näher zu konturieren. Danach ist die Funktionalität der bei Abgeordneten, Regierungsmitgliedern und politischen Beamten festgestellten Personalunion von Partei- und Staatsamt i n bezug auf die Transformation der Parteipolitik i n die Staatspolitik m i t i n Ansatz zu bringen 2 0 4 . U m die Beschlüsse innerparteilicher Willensbildung authentisch zu transformieren, ist es sinnvoll, daß daran Personen beteiligt sind, die als Parteifunktionäre an dieser Willensbildung teilnehmen, sie umfassend kennen und nicht nur gelegentlich und verspätet von wichtigen Beschlüssen Kenntnis erlangen. Sicher bringt die Kumulation von Partei- und Staatsamt Machtzuwachs für die betreffenden Politiker; doch ist er i m Interesse einer die innerparteiliche Willensbildung berücksichtigenden und somit die Partizipation der Parteibürger realisierenden Koordinierung von Partei-, Parlaments-, Regierungs- und Oppositionspolitik unvermeidbar, ja unter 202

G. Schulz, ZfP 1956, S. 154. Vgl. zum ex-officio-Amtserwerb: U. Müller, Willensbildung, S. 27 ff. 204 Vgl. J. Mühlen, Parteienunabhängigkeit v o m Staat, S. 77: „Die Parteien besitzen hier die Möglichkeit . . . ihre politischen Zielsetzungen u n d Machtvorstellungen zu verwirklichen." 203

18»

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2. Teil, I I . Parteiinterna

parteienstaatlichem Aspekt sogar geboten 205 . Gerade bei intensivierter innerparteilicher Demokratie ist keine „wachsende Rollendifferenzierung" von Partei- u n d Regierungsrollen angebracht 206 , denn die funktionale Influenzierung der Staatsorgane durch die Parteien bedarf weniger der Trennung als vielmehr der personellen Identität. Bereits praktizierte Inkompatibilitäten von Regierungs- und Parteiämtern 2 0 7 sind zwar geeignet, die politische Macht der betreffenden Personen zu beschneiden, doch werden damit zugleich die Verbindungen zwischen Partei- und Regierungspolitik gelockert. Deshalb w i r d eine grundsätzliche Inkompatibilität von Partei- und Staatsamt zum Nadelöhr i m Verlauf der politischen Willensbildung des Volkes und erschwert die permanente influenzierende Partizipation der Parteibürger an der Ausübung der Staatsgewalt. Der Zielkonflikt zwischen Abbau von Oligarchien und der Transformation der Partizipation ist zugunsten letzterer zu entscheiden, denn ohne sie ist demokratische Parteiwillensbildung Selbstzweck ohne weitere Relevanz. Anders liegen die Dinge bei der Häufung von Parteiämtern. Sie ist nicht durch das Erfordernis der Koordination beim Zusammenspiel organisatorisch verschiedener Sphären zu legitimieren, denn es geht nur um den Parteibereich. Abgesehen von den seltenen Fällen der Überorganisation einer Parteigliederung, bei der mehr Funktionen zu besetzen sind, als partizipationsbereite Mitglieder zur Verfügung stehen, stellt die Kumulation von Parteiämtern regelmäßig eine Verringerung der Rekrutierungsbasis für Parteifunktionäre dar. Die Chance aller Parteibürger, i n eine Funktion m i t höherem Partizipationsgehalt gewählt zu werden, ihr passives innerparteiliches Wahlrecht, w i r d durch den exzessiven Gebrauch dieses Rechts durch die Parteieliten eingeschränkt. Diese Beeinträchtigung wäre dann gerechtfertigt, wenn bei innerparteilichen Personalentscheidungen eine Chancengleichheit 205 G. Leibholz, DVB1. 1951, S. 7; ders., K o n t r o l l f u n k t i o n , S. 299; O. Kirchheimer, AöR 79 (1953/54), S. 318; W. Henke, Das Recht der politischen Parteien, S. 144f.; K . v. Beyme, Die politische Elite i n der BRD, S. 103, hält aus diesen Gründen n u r eine Personalunion der Parteivorsitzenden i n Parteiu n d Staatsamt f ü r ausreichend; während E. Forsthoff, Parteien, S. 24, für eine I n k o m p a t i b i l i t ä t von Parteiamt u n d parlamentarischem Mandat eint r i t t ; i m Ergebnis ebenso G. Stuby, Staat 1969, S. 324; f ü r I n k o m p a t i b i l i t ä t von Parteiamt u n d Ministerposten F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 92. 206 So aber K . v. Beyme, Die politische Elite i n der BRD, S. 102. 207 So der Beschluß des SPD Unterbezirks Bremen, der den Bremer B ü r germeister H. Koschnick zur Rücknahme seiner aussichtsreichen K a n d i d a t u r f ü r den Landesvorsitz zwang, vgl. L. Weinsheimer, FR v o m 6. 3.1972, S. 1 und v o m 7. 3.1972, S. 4; W. Heyen, F A Z v o m 11. 3.1972, S. 6. — I n der Diskussion u m den Kanzlerkandidaten der C D U f ü r die 7. Legislaturperiode w u r d e von verschiedenen Seiten eine Personalunion v o n Parteivorsitz u n d Kanzlerkandidatur abgelehnt, vgl. dazu FR v o m 26. 6.1971, S. 2; H . J. Noack, F R v o m 30. 6.1971, S. 1; Welt v o m 19. 7.1971, S. 2.

5. Ämterhäufung

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für alle Bewerber gegeben wäre. Der innerparteiliche Selektionsprozeß verläuft jedoch nicht allein nach formalen, für alle gleichen Normen, sondern vollzieht sich primär nach den sozialen und politischen Kontextbedingungen 2 0 8 . I n der Praxis sieht es so aus, daß ein personell begrenzter Zirkel von Funktionären sich gegenseitig durch geschicktes Taktieren die Ämter zuspielt. Der Grund für die Erstarrung des Selektionsmechanismus liegt wesentlich i n der seit M. Weber 209 bekannten Professionalisierung der Politik. „Je mehr die Politik zum Beruf wird, desto eher bilden sich innerhalb der Parteien, aber auch zwischen den etablierten Parteiführungsgruppen Machtkartelle heraus, die sich gemeinsam gegen einen personellen Veränderungsdruck möglichst abzuschirmen versuchen 210 ." Regelmäßige Voraussetzung parteipolitischer Karriere ist die langfristige Bindung an politische Funktionen 2 1 1 , d. h. die Absicherung durch Ämterkumulation 2 1 2 . Beim Aufrücken i n höhere Führungspositionen werden die bisherigen Positionen als „Hausmacht" beibehalten 213 . Die Verfestigung von Parteikarrieren zu Positionssequenzen hat zu bestimmten parteipolitischen „Laufbahnen" geführt, die auf Dauer eine Distanzierung vom privaten Beruf erfordern. Der damit einhergehende Fortsetzungszwang der politischen Karriere macht die Führungsämter zu einer A r t „closed shop" (D. Herzog) für diejenigen, die nur Politik betreiben 2 1 4 . Aufgrund dieser Entwicklung ist die Ämterkumulation i n den Parteien i n den letzten Jahren deutlich angestiegen 215 . Eine rechtliche Einschränkung jener innerparteilichen Ämterhäufung hat zwischen vertikalen und horizontalen Kumulationen zu unterscheiden 216 . Bei der vertikalen Ämterkumulation handelt es sich u m die Besetzung von Funktionen auf verschiedenen Parteigliederungsebenen, meist zum Zwecke der Karriereabsicherung 217 , während bei der Ämterhäufung i n horizontaler Hinsicht mehrere Parteiämter einer Gliederungsstufe von einer Person ausgeübt werden. Eine Inkompatibilitätsbestimmung müßte sich primär gegen die horizontale Ämterhäufung richten, da es gerade für Machtansammlungen und Oligarchisierungen innerhalb bestimmter Gliederungseinheiten keine Rechtfertigung gibt; wogegen sich vertikale Kumulationen m i t den Gesichtspunkten der 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217

R.-P. Lange, Auslesestrukturen, S. 167. I n : P o l i t i k als Beruf. D. Herzog, Professionalisierung, S. 118. Ders., ebd., S. 109, 117. R.-P. Lange, Auslesestrukturen, S. 147. M. Hättich, Innerparteiliche Demokratie, S. 36. s. dazu D. Herzog, Professionalisierung, S. 109 ff., 117, 131. R.-P. Lange, Auslesestrukturen, S. 151. Vgl. M. Hättich, Innerparteiliche Demokratie, S. 36. D. Herzog, Professionalisierung, S. 120.

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2. Teil, I I . Parteiinterna

kontinuierlichen Kommunikation zwischen den verschiedenen Parteieinheiten und des Willensbildungsablaufs über Gliederungsgrenzen hinweg noch legitimieren lassen. Eine Inkompatibilitätsregel, die die gleichzeitige Ausübung mehrerer Parteiämter einer Gliederungseinheit durch eine Person verbietet, schränkt zwar das passive Wahlrecht des betroffenen Amtsinhabers ein, doch sie dient letztlich der Herstellung materieller Gleichheit des passiven Wahlrechts aller Parteibürger, da bereits ein A m t ausübende Kandidaten die daraus resultierenden Vorteile nicht mehr gegen „einfache" Mitbewerber ausspielen können. Durch die Inkompatibilität der Ausübung bestimmter Parteiämter w i r d die Chance aller Parteibürger zur effektiven M i t w i r k u n g größer 2 1 8 . Sie haben tatsächlich größere Möglichkeiten i n eine Funktion gewählt zu werden; denn erstens sind die Ämter auf mehr Personen zu verteilen, zweitens werden die Chancen der Bewerber angeglichen und schließlich entstehen dadurch auch echte personelle Alternativen, eine faktische Aufwertung des aktiven Wahlrechts der Parteibürger. Die quantitative Beschränkung des innerparteilichen passiven Wahlrechts durch eine Inkompatibilitätsbestimmung ist eine von der Funktion der Parteien her gerechtfertigte Konkretisierung des Parteibürgerstatus: jeder hat die Chance i n einer Gliederungseinheit i n eine Funktion gewählt zu werden. Eine Kandidatur für ein zweites Parteiamt auf der betreffenden Ebene kann von dem Kandidaten aus Inkompatibilitätsgründen abgelehnt werden; läßt er sich wählen, so hat er unverzüglich eine Funktion aufzugeben, die alsbald i n demokratischer Wahl m i t einer anderen Person zu besetzen ist. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen eine solche Inkompatibilitätsbestimmung i m Parteienrecht, auch die Unvereinbarkeitsgesetze i m staatlichen Bereich, m i t dem Ziel, punktuelle Machtanhäufung zu unterbinden 2 1 0 , sind zulässig. Bei der am besten — w e i l für alle Parteien verbindlich — durch eine Novellierung des PartG anzustrebenden Inkompatibilitätsbestimmung für Parteiämter einer Gliederungseinheit kann es nur um Ämter der Gesamtpartei gehen. Die Personalunion eines Amtes der Partei und eines ihrer Sonder Organisationen auf der gleichen Ebene sollte dagegen zulässig sein. Die Rechtfertigung dieser Funktionskumulation folgt aus einem ähnlichen Grund wie die Zulässigkeit der Kumulation von Partei- und Staatsämtern oder der vertikalen innerparteilichen Ämterhäufung: solche Doppelfunktionen einer Person garantieren bei der Willensbildung eine enge Verbindung zwischen Partei u n d Staat, zwischen Parteieinheiten der verschiedenen Gliederungsstufen sowie 218 219

M. Hättich, Innerparteiliche Demokratie, S. 36. U. Thaysen, ZParl. 1970, S. 200 f.

6. Kandidatenaufstellung

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zwischen der Partei und ihren Sonderorganisationen. Sicher wäre bei einem reibungslos ausgebauten Kommunikationsnetz zwischen den genannten Bereichen eine derart begründete Ämterkumulation nicht mehr notwendig, die politische Koordination könnte allein über Kommunikation erzielt werden und es bedürfte nicht der Hilfskonstruktion von „Doppelfunktionären". Solange jedoch kein optimales Kommunikationssystem besteht, ist eine rigorose Inkompatibilität abzulehnen, da ihre negativen Auswirkungen größer wären als ihr Nutzen. Als weiteres Instrument gegen die Ämterhäufung wurde die zeitliche Limitierung der Mandatsdauer von Funktionsträgern, eine modifizierte Form des Rotationsprinzips für Führungspositionen vorgeschlagen 220 . Mindestens ein Teil der zu vergebenden Funktionen soll von Parteimitgliedern besetzt werden, die noch keine Ämter ausüben. Eine solche Bestimmung könnte, gekoppelt m i t der Inkompatibilitätsregelung, das angestrebte Ziel einer Verbreiterung der Basis effektiver Partizipation bei gleichzeitiger Verhinderung von Oligarchien noch näher bringen. Organisationssoziologisch sind die Chancen für den ein offenes demokratisches System kennzeichnenden „Wechsel i n den politischen Führungspositionen" u m so größer, je geringer die Statusdifferenz zwischen den Positionen der einfachen Organisationsmitglieder und denen der Funktionäre ist 2 2 1 . Durch Abbau von Ämterhäufung und Rotation i n der Funktionsbesetzung werden jene Statusunterschiede verringert, die politische Macht verteilt und gleichzeitig die Chancen für einen innerparteilichen Machtwechsel erhöht. 6. Kandidatenaufstellung Aus verfahrensökonomischen Gründen ist es notwendig, bei großen Wahlkörpern wie z. B. der Wählerschaft zu den Bundes- und Landtagswahlen, die Wahlgewalt zu teilen, i n die Befugnis zur Nominierung von Kandidaten und die Befugnis zur verbindlichen Entscheidung über die Wahlvorschläge 222 . Die Kandidatenaufstellung zu den Parlamenten ist i n der politischen Praxis — trotz der §§ 19 I, 21 I I I BWahlG — ausschließliche Domäne der politischen Parteien. Durch die Aufstellung von Parteikandidaten i n „sicheren" Wahlkreisen w i r d praktisch das Abgeordnetenmandat bereits vergeben, die Wahl hat nur noch deklaratorische Bedeutung 2 2 3 ; dies gilt auch für die „sicheren" Listenplätze. 220 ]? Naschold, PVS 1972, S. 201. 221

Organisation u n d Demokratie, S. 92 f.; U. v.

Alemann,

Vgl. F. Naschold, Organisation u n d Demokratie, S. 35, 37. Vgl. dazu D. Sternberg er, Nicht alle Staatsgewalt geht v o m Volke aus, S. 121 ff. 228 H. J. Schröder, Kandidatenaufstellung, S. 78; R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 179 ff. 222

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2. Teil, I I . Parteiinterna

Angesichts der i n der Kandidatenaufstellung liegenden faktischen Wahlentscheidung 224 und Einengung der Entscheidungsalternativen des Wählers 225, muß dieser innerparteiliche Vorgang als Nahtstelle von Parteien- und Wahlrecht verstärkt i n die juristische Betrachtung einbezogen werden. Denn was nützt eine noch so demokratische Wahl, wenn ihre Vorbereitung auf undemokratischen Verfahren oder doch dysfunktionalen Einflüssen beruht. Zur Analyse dieser Zusammenhänge sind die empirischen Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Untersuchungen dieses Komplexes einzubeziehen 226 . Als unbefriedigend am Verfahren der Bestellung von Parteikandidaten wurde wiederholt bemängelt, daß nur ein geringer Prozentsatz der ohnehin i m Verhältnis zur Wählerschaft sehr kleinen Zahl der Parteibürger das Recht hat, über die Kandidatennominierung die Wahlentscheidung zu präjudizieren 2 2 7 . Die Diskussion um primaries nach amerikanischem Vorbild 228 erhält dadurch neue Impulse 2 2 9 . Eine Alternative dazu ist jedoch zunächst die innerparteiliche Verbreiterung der Legitimationsbasis der Parteikandidaten und die funktionale Einbettung ihrer Nominierung i n die Zusammenhänge demokratischer Parteiwillensbildung durch Partizipation zum Zwecke der Influenzierung der Staatsgewalt. Nach § 22 I BWahlG können die Parteikandidaten zur Bundestagswahl entweder i n einer Versammlung aller Parteimitglieder i m Wahlbezirk oder einer Versammlung ihrer Delegierten nominiert werden. I n der politischen Praxis ist die Mitgliederversammlung jedoch die 224 Bevor bei einer Bundestagswahl der erste Stimmzettel i n eine Urne geworfen w i r d , stehen 6 0 - 7 0 % der Bundestagsabgeordneten bereits fest, vgl. B. Zeuner, Wahlen ohne Auswahl, S. 165. Nach ff. Kaack, Wahlkreisgeographie u n d Kandidatenauslese, S. 66, wußten 1965 gut 7 5 % der Abgeordneten bereits vor der Wahl, daß sie dem neuen Bundestag angehören, s. dazu auch C. Geisler, ZParl. 1973, S. 476. 225 „Zwangslage der Wähler", so ff. Peters, Z u r Kandidatenaufstellung f ü r freie demokratische Wahlen, S. 341. 226 Vgl. bes.: B. Zeuner, Kandidatenaufstellung zur Bundestagswahl 1965; ders. f Wahlen ohne Auswahl, S. 165ff.; ff. Kaack, Wahlkreisgeographie u n d Kandidatenauslese; ders., Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 566 ff.; P. HaungSy ZParl. 1971, S. 504 ff. 227 V o n den ca. 3 % der Wähler, die Parteimitglieder sind, beträgt der innerparteilich aktive Personenkreis etwa 20 %. 228 v g l dazu ff. Peters, Z u r Kandidatenaufstellung f ü r freie demokratische Wahlen, S. 353 ff.; W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien nach dem GG u n d ihre Ausführung durch das PartG, S. 121 f.; S. Magiera, Die V o r wahlen (Primaries) i n den Vereinigten Staaten; U. Müller-Wigley, PrimaryWahlen i n der Bundesrepublik?, PolSt. 1971, S. 337 ff.; R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 186 ff. 229 Primaries als Instrumente zur A k t i v i e r u n g der Bürger, die (noch) nicht bereit sind, sich i n einer Partei zu organisieren. Sie bedeuten eine tendenzielle Öffnung der Parteien gegenüber Umwelteinflüssen i n einem wichtigen Bereich der Partei(personal)politik.

6. Kandidatenaufstellung

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Ausnahme, und die Vertreterversammlung stellt die Regel dar 2 3 0 . Von der i m Vergleich zu den Wählern ohnehin geringen Zahl der Parteibürger dürfen nur etwa 3 % unmittelbar an der Kandidatenaufstellung partizipieren 2 3 1 . Diese Einengung der Partizipationsmöglichkeiten aller Parteimitglieder kann u. U. durch deren große Zahl bedingt sein. Doch ist die faktische Verlagerung der wichtigen Wahl-Vor-Entscheidungskompetenz auf wenige Promille der Wählerschaft nicht mehr vertretbar 2 3 2 , da allein durch die Kandidatenaufstellung weit über die Hälfte der Bundestagsmandate praktisch bereits vergeben wird. Zunächst hat daher vor jeder Erweiterung des Kreises der zur Kandidatenaufstellung berechtigten Bürger nach Primary-Vorbild die Eröffnung dieser Kompetenz der unmittelbaren Entscheidung über die Parteibewerber zumindest für alle Parteibürger zu erfolgen. Falls sachliche Hindernisse eine Versammlung aller Parteimitglieder zur Kandidatenauswahl unmöglich machen 233 , so ist als Alternative keine Delegiertenwahl angebracht, solange es andere Möglichkeiten der unmittelbaren Beteiligung aller Parteimitglieder an der Kandidatenaufstellung gibt. Zu denken ist hier beispielsweise an den Vorschlag von G. Willms 234, nicht unbedingt an der Form der Versammlung festzuhalten, sondern — wie auch bei allgemeinen Wahlen — verschiedene Wahllokale i n den Ortsgruppen der Wahlkreise zu errichten, wo innerhalb eines bestimmten Zeitraumes abgestimmt werden kann oder die Kandidaten durch Briefwahl aller Parteimitglieder zu nominieren 2 3 5 . Ohne Verstoß gegen § 22 BWahlG wäre es zulässig, daß die M i t gliederversammlung nach der Vorstellung der Kandidaten und einer 280 H. J. Schröder, Kandidatenaufstellung, S. 83; W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien nach dem G G u n d ihre Ausführung durch das PartG, S. 123; Bericht der Parteienrechtskommission, S. 61 f. 231 Nach H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 596, waren bei der Kandidatenaufstellung zur Bundestagswahl 1969 von den SPD-Mitgliedern etwa 23 500 u n d v o n den CDU/CSU-Mitgliedern etwa 13 500 beteiligt. 282 B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 9: „Die Mitbestimmung des Wählers setzt die Mitbestimmung einer breiten Schicht von Parteimitgliedern i n den Parteien voraus"; W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien nach dem GG u n d ihre Ausführung durch das PartG, S. 121: „gerade beim Verfahren der Kandidatenaufstellung eine möglichst breite demokratische Basis". 238 z. B. T e r m i n - oder Raumschwierigkeiten. 234 I n : JZ 1958, S. 266, A n m . 3. — Zustimmend auch W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien nach dem G G u n d ihre Ausführung durch das PartG, S. 132. 235 Dies ist z. B. auch i n Holland möglich, vgl. B. Zeuner, Wahlen ohne A u s wahl, S. 166. — F ü r eine „ U r w a h l " der Wahlkreiskandidaten auch i n F o r m der B r i e f w a h l sprach sich die Frankfurter Junge U n i o n aus, vgl. FR v o m 13. 3.1973, S. 14.

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2. Teil, I I . Parteiinterna

anschließenden Personal- und Sachdebatte 236 vertagt würde und ihre Fortsetzung m i t der Kandidatenwahl einige Zeit später i n verschiedenen Parteiwahllokalen stattfände, wo alle Parteimitglieder abstimmungsberechtigt sind 2 3 7 . Bei der Kandidatenaufstellung zum Bundestag ist zu unterscheiden i n die Erstellung von Landeslisten (§ 28 BWahlG) und die Nominierung von Wahlkreiskandidaten (§ 22 BWahlG). Letztere erfolgt durch die unteren Parteigliederungen. Von dem Vetorecht nach § 22 I V BWahlG gegen deren Entscheidungen, das durch eine erneute Abstimmung aufgehoben werden kann, machen die zentralen Parteiinstanzen fast niemals offiziell Gebrauch 238 . Selbst „Empfehlungen" einzelner Bewerber durch prominente Parteiführer sind selten und bewirken dann meist das Gegenteil 2 3 9 . Bei der Aufstellung der Landeslisten treten die „innerparteiliche Struktur und die Stellung der Interessenverbände innerhalb der Partei i n den Vordergrund" 2 4 0 . Hier verlieren die Parteibürger oft den Überblick, wenn sie viele Kandidaten nicht oder nur flüchtig kennen und trotzdem eine Entscheidung über den Listenplatz des Bewerbers treffen sollen. „Listenstrategen" regionaler Oligarchien 2 4 1 gelingt es dann häufig, die Zusammensetzung des Wahlvorschlags zu manipulieren und z. B. Verbandsvertreter 242 aussichtsreich zu plazieren. Es bleibt dann nur die Form der Listenaufstellung demokratisch; tat236 Fragen nach der Bereitschaft des Kandidaten, sich an die Parteibeschlüsse zu halten, seine Funktionen i n Vereinen u n d Verbänden, seinen A k t i v i t ä t e n bei Arbeitskämpfen, Bürgerinitiativen u n d Mieteraktionen sind hier angebracht u n d nicht „inquisitorisch", w i e H. Kühn das diese Punkte enthaltende Juso-Papier „ K r i t e r i e n u n d Prüfsteine f ü r die Kandidatenaufstellung zur K o m m u n a l - u n d Landtagswahl 1975" i n Nordrh.-Westf. bezeichnete, vgl. dazu FR v o m 7.2.1974, S. 1. — Ä h n l i c h bereits die Juso-Broschüre zur Aufstellung der SPD-Kandidaten zum Bundestag, i n Auszügen: FR vom 30. 6.1972, S. 16. 237 Ähnlich der Vorschlag von R. Arndt, die W a h l des Parteivorstandes sowie der Delegierten auf einer breiteren Basis vorzunehmen u n d so zu verfahren, s. dazu oben Entscheidungsmechanismen A n m . 166. 238 B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 110; B. Vogel / D. Nohlen / R.-O. Schultze, Wahlen i n Deutschland, S. 200; H. Kaack, Geschichte und S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 595; H. J. Schröder, Kandidatenaufstellung, S. 85. 289 s. dazu die Beispiele bei H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 596, A n m . 3; B. Zeuner, Wahlen ohne Auswahl, S. 178; s. auch ders., Innerparteiliche Demokratie, S. 110. 240 B. Vogel / D . Nohlen / R.-O. Schultze, Wahlen i n Deutschland, S. 201; ebenso W. Piepenstock, Politische Vereinigungen unter dem GG, S. 81. 241 Es handelt sich also u m keine „zentrale Steuerung", w i e sie G. Rabus, AöR 78 (1952 - 53), S. 176 ff., befürwortet: der von der lokalen Parteiorganisat i o n gewählte Kandidat soll von einer übergeordneten Parteiinstanz bestätigt werden. 242 M i t den entsprechenden Verbänden sind meist bereits vorher Absprachen über Wahlhilfen oder Geldspenden getroffen; zum Kandidatenkauf durch gesellschaftliche Gruppen, vgl. 17. Dübber, Geld u n d Politik, S. 39.

6. Kandidatenaufstellung

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sächlich handelt es sich jedoch u m eine Akklamation uninformierter Parteibürger, die nicht i n der Lage sind die Bewerber zu beurteilen und deshalb von ihrem Bestimmungsrecht keinen Gebrauch machen können. A u f solche A r t nominierte Abgeordnete werden sich kaum an Beschlüsse der Parteigremien orientieren, sondern primär die Partialinteressen ihrer finanzkräftigen Auftraggeber vertreten. Sowohl ihre Bestellung als auch ihre Tätigkeit widersprechen den auf effektive M i t w i r k u n g der Parteibürger abzielenden Grundsätzen der innerparteilichen Demokratie. I n seiner Analyse der Kandidatenaufstellung für den Bundestag hat B. Zeuner festgestellt, daß die Personalentscheidung kaum m i t einer politischen Richtungsentscheidung verbunden ist. Die Wahl der Kandidaten erfolgt weniger nach Gesichtspunkten der politischen Richtung, als vielmehr nach persönlichen Kriterien, vor allem psychischer A r t 2 4 3 . Doch glaubt er eine „Tendenz zu einem die Ebene isolierter Personalentscheidungen transzendierenden, auf politische Richtungsbestimmung zielenden Auswahlsystem" erkennen zu können 2 4 4 . Politische Kandidatenaufstellung i n Verstärkung dieser Tendenz, ist zugleich Partizipation der Parteibürger an zukünftigen Sachentscheidungen. Die Bewerber haben ihre politischen Vorstellungen offenzulegen, die bisherigen Mandatsträger einen Rechenschaftsbericht über geleistete und geplante Parlamentstätigkeit sowie ihr Abstimmungsverhalten zu geben. So müssen die Kandidaten auf dem Nominierungsparteitag Farbe bekennen, ob sie sich i m Parlament nach Parteitags- oder eher nach Fraktionsdirektiven richten, sollten diese kontrovers sein. Über die Austragung dieses „Orientierungskonflikts zwischen Partei und Frakt i o n " 2 4 5 bei der Aufstellung von Parlamentskandidaten sind sowohl die Richtungskontrolle als auch die Influenzierung der Abgeordneten durch die Parteipolitik zu verstärken. I n diesem Sinne dient die politische Kandidatenaufstellung aus der Sicht der Parteibürger nicht nur der Partizipation an Personal- sondern damit auch an Sachentscheidungen. Als Fortschritt i n diese Richtung sind die vermehrten Gegenkandidaturen gegen Mandatsträger zu sehen 246 . Wenn auch das Prestige des 243 I n : Wahlen ohne Auswahl, S. 170 ff.; s. auch ders., Innerparteiliche Demokratie, S. 93. 244 Ders., Wahlen ohne Auswahl, S. 184. — Ansatzweise Formulierungen politischer K r i t e r i e n zur Kandidatenauswahl finden sich z. B. i n den L e i t sätzen der CDU-Rheinland-Pfalz zur Kandidatenauswahl (vgl. ff. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 605 ff.; P. Haungs, ZParl. 1970, S. 403 ff.) sowie i n den Richtlinien des SPD-Parteivorstandes (vgl. ff. Kaack, ebd., S. 611 ff.). 245 W. Jäger, Innerparteiliche Demokratie u n d Repräsentation, S. 136 f. 248 I n der SPD k a m es bei der Aufstellung v o n Wahlkreiskandidaten 1965 zu 23 u n d 1969 zu 74 Gegenkandidaturen (so die Juso-Broschüre zur Aufstell u n g der SPD-Kandidaten zum Bundestag, i n Auszügen: FR v o m 30. 6.1972,

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2. Teil, I I . Parteiinterna

innegehabten Mandats der wichtigste Auswahlgesichtspunkt bei der Wahlkreisnominierung i s t 2 4 7 u n d Gegenkandidaten sich gegen die „eingefahrenen Mechanismen der Wiederwahl ,Bewährter'" bislang kaum durchsetzen 248 , deutet die Konkurrenz auf eine positive Entwicklung verkümmerter Strukturen innerparteilicher Demokratie. Selbst wo sie nicht i n einer Kampfabstimmung kulminierte, ist zu vermuten, daß sich zumindest Ansätze einer innerparteilichen Konkurrenz entwickeln 2 4 9 . Personelle Alternativen sind ein Zeichen für personelle Reserven und somit die Stärke einer Partei; sie hat genügend Substanz, u m die M i t glieder auch tatsächlich Personalentscheidung treffen zu lassen. Die politische Kandidatenaufstellung ist auch eine Lösung der aus aktuellem A n l a ß 2 6 0 i n den letzten Jahren vornehmlich unter dem Gesichtspunkt des Abgeordnetenstatus behandelten 2 5 1 Frage nach dem Schicksal des Mandats bei Partei- oder Fraktionsaustritt des Abgeordneten. Denn selbst wenn man einen automatischen Verlust des Mandats i n diesen Fällen für theoretisch zulässig hält, ändert sich praktisch nichts. Die dissentierenden Abgeordneten würden dann formal i n Partei und Fraktion verbleiben, aber z. B. bei einem konstruktiven Mißtrauensvotum oder sonstigen entscheidenden Fragen gegen S. 16). s. auch die Tabelle der Kampfabstimmungen bei der Kandidatennominierung zur Bundestagswahl 1969 bei H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 615 f. Bei der Kandidatenaufstellung zur Bundestagswahl 1972 k a m es bei der SPD häufig zu Gegenkandidaten aus den Reihen der Jungsozialisten, s. dazu G. Ziegler, Die Zeit v o m 28. 7.1972, S. 8; FR v o m 19. 8.1972, S. 4; F A Z v o m 19. 8.1972, S. 4; R. Dinges, D E v o m 21. 8.1972, S. 6. 247 B. Zeuner, Kandidatenaufstellung zur Bundestagswahl 1965, S. 91. 248 So die Juso-Broschüre zur Aufstellung von SPD-Kandidaten, s. Anm. 246. — Gegen die aus F r a n k f u r t nach Offenbach verzogene Abgeordnete ff. Timm konnte sich ausnahmsweise der Jungsozialist M. Coppik durchsetzen, vgl. FR v o m 3.11.1972, S. 16. F r a u T i m m wurde jedoch auf Platz 3 der Landesliste übernommen u n d k a m so i n den Bundestag. 249

P. Haungs, ZParl. 1971, S. 505. I m 6. Bundestag wurde die knappe Mehrheit der sozialliberalen K o a l i t i o n durch zur Opposition übertretende Abgeordnete soweit reduziert, daß es die Opposition auf ein spektakuläres — allerdings gescheitertes — M i ß trauensvotum i m M a i 1972 ankommen ließ. Vgl. dazu auch die Dokumentation der Fraktions- u n d Parteiwechsler i m Bundestag bei ff. Kaack, ZParl. 1972, S. 3 ff. 250

251 Vgl. aus der Diskussion: M. Kriele, ZRP 1969, S. 241 f.; W D S t R L 29 (1971), S. 71 f., 97, 112, 116, 124 f.; ZRP 1971, S. 99 ff.; ff. Trautmann, JZ 1970, S. 405 ff.; ff. Säcker, DVB1. 1970, S. 567 ff.; DVB1. 1971, S. 642 ff.; ZParl. 1972, S. 347 ff.; F.-F. Siegfried, ZRP 1971, S. 9 ff.; H.-J. Schröder, DVB1. 1971, S. 132 ff.; ZRP 1971, S. 97 ff.; D. Tsatsos, D Ö V 1971, S. 253 ff.; G. Trautmann, ZParl. 1971, S. 54ff.; U. D. Adam, PVS 1972, S. 300ff.; A. Azzola, JuS 1972, S. 561 ff.; K. Loewenstein, J Z 1972, S. 352 f.; W. Henke, DVB1. 1973, S. 553 ff.; ff. Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, S. 184 ff., 201; J. Henkel, D Ö V 1974, S. 181 ff.

6. Kandidatenaufstellung

285

ihre Partei stimmen 2 5 2 . Abhilfe aus diesem Dilemma bringt nur eine sorgfältigere Auswahl der Kandidaten 2 5 3 . Ihre Befragung und die Diskussion m i t ihnen macht den politischen Standpunkt und das i m Parlament zu erwartende Verhalten für das Nominierungsgremium transparent. Es kann eine sachlich motivierte Personalentscheidung getroffen werden. Überraschungen, wie z.B. ein Abrücken des Mandatsträgers von der Parteilinie bald nach der Wahl oder gar ein Parteiwechsel sind dadurch weitgehend ausgeschlossen. Eine wesentliche Voraussetzung für politische Kontrolle und Richtungsbestimmung der Mandatsträger über die Aufstellung hinaus ist die Kontinuität des Nominationsorgans. Da jedoch die Wahlkreise selten m i t territorialen Parteigliederungen identisch sind, treten die Versammlungen zur Kandidatennominierung nur einmal pro Legislaturperiode zu diesem Zweck zusammen. Es fehlt ihnen an Organkontinuität, u m die Arbeit der Abgeordneten kritisch zu verfolgen und zu influenzieren. Diese Funktion w i r d auch kaum von den permanenten Organen der Orts- und Kreisverbände wahrgenommen; es fehlt ihnen an Motivation hierfür, w e i l sie keine Kompetenz zur Kandidatenaufstellung haben, sondern daran nur beteiligt sind. Die Kandidatenwahlversammlungen verfügen daher als Organ über wenig relevante I n formationen und keine Zeit zur notwendigen Kommunikation hierüber, um ihre Aufgabe i m Sinne echter Partizipation zu erfüllen. Diese Dysfunktionalitäten begünstigen sowohl die Verselbständigung der Mandatsträger als auch die Manipulierbarkeit der Nominierungsversammlung durch „Listenstrategen" der Führungsgruppe. Eine funktionale Eingliederung der Kandidatenaufstellung in die normale Parteiwillensbildung ist auch organisatorisch erforderlich, u m die Kandidatenaufstellung „als stärkste Bastion der innerparteilichen Demokra252 So ff. Trautmann, J Z 1970, S. 407. — Die Abgeordneten Kühlmann und Kienbaum haben beim konstruktiven Mißtrauensvotum i m M a i 1972 nach eigenem Bekunden als Mitglieder einer der die Regierung tragenden K o a l i tionsfraktionen f ü r den Oppositionsführer gestimmt, ohne daß sie beim förmlichen Fraktionswechsel einen Mandatsverlust hätten befürchten müssen. Wäre dies jedoch die Konsequenz des Partei- oder Fraktionswechsels, so bestünde geradezu ein Anreiz f ü r „individuelle H i n t e r b ä n k l e r " (A. Azzola, ebd., S. 562), als formelle Fraktionsmitglieder Dolchstöße zu führen. Daher ist ein automatischer Mandatsverlust i n diesen Fällen keine praktikable Lösung, so auch C. Böckenförde, R u G 1972, S. 201; W. Kewenig, Problematik des A r t i k e l s 38 GG, S. 111 f.; ff. Dichgans, Bericht, S. 107. 253 C. Böckenförde, R u G 1972, S. 201; E.-W. Böckenförde, Thesen zu A r t . 38 GG, S. 125: „Die Folgen für Großzügigkeit oder Nachlässigkeit bei der Kandidatenaufstellung müssen (und sollen) sie (sc. die Parteien) allerdings selbst tragen; A b h i l f e darf hier nicht an falscher Stelle gesucht werden." Nach K. Loewenstein, J Z 1972, S. 352, sind die i m 6. Bundestag erfolgten „Desertionen bei der SPD auf parteitaktischen Opportunismus bei der Kandidatenaufstellung zurückzuführen".

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2. Teil, I I . Parteiinterna

tie" (P. Haungs) 254 i n den Partizipationsvorgang einzubeziehen, und sie nicht beziehungslos neben die die Ausübung der Staatsgewalt influenzierende sachliche Parteipolitik zu stellen 2 5 5 . Die Kandidatenaufstellung ist dann ein Teilhabeinstrument für die Parteibürger, „wenn sie als letzte Sanktion i n einen permanenten Prozeß der Richtungskontrolle von unten eingebaut i s t " 2 5 6 . 7. Schiedsverfahren § 14 PartG enthält nähere Regelungen über die Pflicht der Parteien Schiedsorgane zu konstituieren; weitere Bestimmungen hierüber finden sich i n den §§ 9 I I I , 10 V und 16 I I I PartG sowie i n den Schiedsordnungen der Parteien 2 6 7 . Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit solcher Parteiorgane ergibt sich aus Art. 21 I 3 GG; sie sind als Konkretisierung der gebotenen demokratischen inneren Parteiordnung zu verstehen. Die Diskussion u m Parteischiedsorgane ist auf diesen ihren verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt zurückzuführen 2 5 8 . Es kann keine von den verfassungsrechtlichen Funktionen der Parteien losgelöste Parteigerichtsbarkeit geben. Innerparteiliche Demokratie erfordert weder private Schiedsgerichtsbarkeit noch staatliche Gerichtsbarkeit, ja nicht einmal gerichtsförmiges Verfahren i m strengen Sinn. Weder die Schiedsorgane noch ihre Kompetenzen müssen den staatlichen Gerichten nachgebildet werden 2 5 9 , u m Schlichtungsfunktionen i m Sinne des A r t . 21 I 3 GG zu erfüllen. Die Bezeichnung Partei- oder Schieds-,,Gerichte" ist daher irreführend, richtiger wäre es, von Schiedsorganen und -verfahren zu sprechen. Trotz — oder gerade wegen — der primär politischen Aufgabe der Schiedsorgane, muß das Verfahren auch rechtsstaatlichen 254

I n : ZParl. 1973, S. 511. Der H a u p t g r u n d f ü r die A b w a h l (Nichtwiederaufstellung) eines bisherigen Abgeordneten muß i n dessen (Fehl-)Verhalten i m Parlament liegen u n d nicht — w i e üblich (vgl. B. Zeuner, Wahlen ohne Auswahl, S. 186; ähnlich H. Kaack, Geschichte u n d S t r u k t u r des deutschen Parteiensystems, S. 607) — i n zu geringer Wahlkreisaktivität. 256 B. Zeuner, Wahlen ohne Auswahl, S. 185. 257 Vgl. Schiedsordnung der SPD v o m 18.12.1971; Parteigerichtsordnung der CDU v o m 5.10.1971; Schiedsordnung der F.D.P. v o m 30.1.1968. 258 Dagegen w i r d z. B. die i n diesem Zusammenhang vielfach erörterte Frage, ob die Parteischiedsstellen Schiedsgerichte i m Sinne der ZPO sind (vgl. dazu E. Lengers, Rechtsprobleme bei Parteiausschlüssen, S. 189 ff.; G. Roellecke, D R i Z 1968, S. 119 f.; W. Henke, DVB1. 1967, S. 942 ff.; OLG Oldenburg, DVB1. 1967, S. 941 f.; O L G Frankfurt, DVB1. 1971, S. 75 ff.), oft rein prozeßrechtlich u n d ohne verfassungsrechtlichen Bezug behandelt. 259 Dagegen spricht § 14 P a r t G von „Schiedsgerichten"; nach den Schiedsordnungen von C D U (§§ 3 I I , 4 I I , 5 I I ) u n d F.D.P. (§ 1 I I ) , müssen die Vorsitzenden u n d ein T e i l der Beisitzer sogar die Befähigung zum Richteramt haben. 255

7. Schiedsverfahren

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Minimalanforderungen genügen 260 . Der Zusammenhang von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie 2 6 1 läßt unter den komplexen Strukturen innerparteilicher Demokratie rechtsstaatliche Elemente zum Tragen kommen. Jedoch nicht i m Sinne einer reinen Gerichtsbarkeit, sondern durch die Übernahme bestimmter Verfahrensanforderungen i n den politischen Ablauf der Konfliktlösung. Ein solches Verständnis der innerparteilichen Schiedsverfahren erschließt neue Dimensionen, die nach der Vorstellung vom „Gericht" verschlossen sind. Schlichtungsorgane sind die letzte Instanz im demokratischen innerparteilichen Prozeß. Ist die politische Willensbildung gestört, sind bei verhärteten Fronten die normalen Willensbildungsmechanismen festgefahren und ist m i t anderen demokratischen M i t t e l n keine Einigung mehr möglich, so sind auf Antrag die Schlichtungsstellen aufgerufen, das politische Verfahren wieder zu öffnen und offen zu halten. Das Schiedsverfahren hat vermittelnd weiterzuführen und eine neue Chance zur Toleranz gegenüber abweichenden Meinungen innerhalb der Partei zu eröffnen, als letzte Möglichkeit von Minderheiten, intern zumindest toleriert zu werden und sich vielleicht auf lange Sicht durchzusetzen. Aufgabe der Schiedsstellen ist es, primär auf eine gütliche Beilegung der Streitigkeiten hinzuwirken 2 6 2 , u m als letzte vermittelnde Instanz der Einheitsbildung zu dienen. Dies erfordert politisches Geschick der Schiedsmänner, die juristischen Anforderungen beschränken sich auf Kenntnis und Einhaltung der Satzungs- und Verfahrensvorschriften. Das Verfahren ist so zu gestalten, daß die materiell politischen 263 Ziele der Schlichtung realisiert werden können 2 6 4 . Den politischen Charakter 260

O. K . Flechtheim, ZfP 1962, S. 103. Vgl. dazu R. Bäumlin, Die rechtsstaatliche Demokratie. 262 Nach § 14 P a r t G steht die Schlichtung von Streitigkeiten vor ihrer E n t scheidung. Ebenso bestimmt § 10 der SPD-Schiedsordnung: „Die Schiedskommission hat i n geeigneten Fällen auf eine gütliche Beilegung des Streites h i n z u w i r k e n " ; ähnlich § 28 I I CDU-Parteigerichtsordnung. 263 z. B. ist auch beim Parteiausschluß trotz E r f ü l l u n g aller Tatbestandsvoraussetzungen die Entscheidung, ob ausgeschlossen werden soll oder nicht (vgl. § 10 I V PartG: „kann") eine Frage politischen Ermessens. — D a gegen k o m m t D. Hahn, Innerparteiliche Demokratie, S. 79, der unreflektiert von der F u n k t i o n einer Gerichtsbarkeit ausgeht, zu dem Ergebnis, „daß die Schiedsgerichte n u r zur A h n d u n g von Rechtsverstößen zuständig sind. Es ist nicht Aufgabe einer Parteigerichtsbarkeit, politische Fragen zu entscheiden." Auch R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 155, glaubt, i m Schiedsverfahren könne kein Kompromiß zwischen den widerstreitenden Meinungen erarbeitet werden. — Ä h n l i c h auch B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 63: „Das Parteigericht hat n u r nach rechtlichen Normen zu entscheiden." Auch die CDU-Parteigerichtsordnung betont die Kompetenz zur Entscheidung allein „rechtlicher" Angelegenheiten, vgl. §§ 111,13 1,14 I. 261

264 Dem dient auch die K a n n - B e s t i m m u n g des § 14 I I I PartG, wonach gegebenenfalls die Beisitzer „ v o n den Streitteilen paritätisch benannt werden" können.

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2. Teil, I I . Parteiinterna

des Schiedsverfahrens verdeutlicht bereits die Verfahrenseinleitung. Sie ist eine Opportunitätsentscheidung der an einem konkreten Streitfall Beteiligten 2 6 5 , die ihre Anträge auch nach Verfahrenseröffnung wieder zurückziehen und so das Schlichtungsverfahren nach Belieben beenden können 2 6 6 . Die Mitglieder der Schiedsorgane werden zwar von den Parteitagen gewählt, genießen das Vertrauen der Mehrheit und sind als deren Repräsentanten nicht unparteiisch 2 6 7 ; doch haben sie einen weisungsfreien Status, der sie von konkreten Wünschen und Einflußnahmen auf ihre Tätigkeit unabhängig macht. U m einer faktischen Einschränkung der Handlungsfreiheit von Schiedsmännern durch Karriererücksichten vorzubeugen, bestimmt § 14 I I 2 PartG, daß die Mitglieder der „Schiedsgerichte" nicht Mitglied irgend eines Vorstandes der Partei sein, i n keinem Dienstverhältnis zu ihr stehen oder von ihr regelmäßig Einkünfte beziehen dürfen 2 6 8 . Als „einfache" Parteimitglieder ohne weitere Funktionen sind sie i n den vorgelegten aktuellen Kontroversen nicht führend beteiligt 2 6 9 und daher eher i n der Lage, auf einen beide Seiten berücksichtigenden Kompromiß hinzuwirken. Als Verfahrensgrundsätze sind nach § 14 I V PartG die unter dem Stichwort „gerechtes Verfahren" zu nennenden Formen des rechtlichen Gehörs und der Ablehnung eines Schiedsmannes wegen Befangenheit gewährleistet. Das „rechtliche" Gehör ist eine i m Prozeß der politischen Schlichtung etwas irreführende Bezeichnung, die nur aus der Entwicklung jenes Grundsatzes als ein aus der Menschenwürde resultierendes Meinungsäußerungsrecht des Betroffenen zunächst i m Gerichtsverfahren und später i m Verwaltungsverfahren 2 7 0 zu begründen ist. Das Recht aller Beteiligten, gehört zu werden, hat sich zu einem allge285 So hat z. B. die nordrhein-westf. F.D.P. kein Parteiverfahren gegen i h r M i t g l i e d Kienbaum eingeleitet, obwohl dieser i m Bundestag beim konstrukt i v e n Mißtrauensvotum gegen den von SPD u n d F.D.P. getragenen Bundeskanzler stimmte, vgl. F A Z v o m 10. 5.1972, S. 3. 266 i m F a l l des SPD-Mitgliedes u n d Vizepräsidenten der F U - B e r l i n , U. Wesel, gegen den ein Parteiausschlußverfahren angestrengt wurde, das nach Zurückziehung des Ausschlußantrags durch den Charlottenburger SPD-Kreis vor sitzenden ff. Ristock eingestellt wurde. Vgl. dazu Spiegel Nr. 11/1971, S. 34; A. Doherr, FR v o m 15. 3.1972, S. 11. 287 So auch O L G Oldenburg, DVB1. 1967, S. 942. 288 Diese f ü r die Aufgaben des Schiedsorgans förderliche Regelung sollte nach den Vorstellungen einer SPD-Kommission geändert werden, daß „ein Vorstandsamt m i t dem A m t eines Parteirichters nicht mehr grundsätzlich unvereinbar ist", so Spiegel Nr. 40/1970, S. 46; vgl. auch V. Hoff mann, FR v o m 24.9.1970; FR v o m 8.7.1971, S. 1. — A l s G r u n d werden erhebliche praktische Schwierigkeiten bei der adäquaten Besetzung der Schiedsorgane angeführt, vgl. F A Z v o m 30. 7.1971, S. 6. 269 Die „erforderliche Distanz zu den einzelnen Streitsachen u n d beteiligten Personen" betont auch W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien nach dem GG u n d ihre Ausführung nach dem PartG, S. 116. 270 G. Dürig, i n : Maunz / D ü r i g / Herzog, GG, Rdnr. 93 zu A r t . 103 GG, m. weiteren Nachw.

7. Schiedsverfahren

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meinen Verfahrensgrundsatz entwickelt; wesentlich ist weniger der rechtliche als der verfahrensrechtliche Aspekt. Wo mehrere Beteiligte zu einem bestimmten Zweck zusammenwirken, ist Kommunikation unabdingbar. Gerade i m demokratischen Willensbildungsprozeß ist die Kommunikation Grundvoraussetzung. Wo ein faires politisches Gehör nicht mehr gewährleistet ist, soll das rechtlich garantierte Gehör — die Kommunikation — i m Schlichtungsverfahren den Standpunkt der Minderheit zum Tragen bringen. Es ist daher nicht erforderlich, eine immittelbare Geltung des A r t . 103 I GG anzunehmen 271 ; das Recht auf Meinungsäußerung umfaßt als Grundrecht auch i n der demokratischen inneren Parteiordnung die Befugnis der Beteiligten, i m Verfahren vor den Schiedsorganen den eigenen Standpunkt darzulegen und zu verteidigen. Der Kompromißfindimg dient auch die Mehrstufigkeit des Schiedsverfahrens. Ist eine allseits befriedigende Lösung auf der ersten Stufe nicht geglückt, so kann die unterlegene Seite die nächste Schiedsinstanz anrufen, m i t der Chance, daß ihre Interessen hier besser berücksichtigt werden 2 7 2 . So dient der Instanzenzug i m Schiedsverfahren der rationalisierten, optimalen Konfliktlösung. Die Offenhaltung des politischen Prozesses durch Schlichtung und Entscheidung von Kontroversen m i t Hilfe von PartG und Satzung i m Schiedsverfahren bedeutet aus der Sicht des einzelnen Parteimitglieds oder für Minderheiten die Sicherung ihrer satzungsmäßigen Rechte 273. Sie erhalten dadurch die Möglichkeit, ihre Teilhabeansprüche i m konkreten F a l l gegenüber ihren politischen Gegnern verfahrensmäßig zu realisieren; dies bedeutet Schutz und Handlungsfreiheit gegenüber Mehrheiten und Oligarchien. Das als Instrument der innerparteilichen Demokratie verstandene Schiedsverfahren ist die letzte demokratische Sicherung der Toleranz i m Meinungsspektrum der Partei, dieser Funktion haben auch die Schiedsordnungen zu entsprechen. Sollte es i m Schiedsverfahren nicht zu einer alle Seiten befriedigenden Lösung kommen, so ist die Überprüfung der Entscheidung durch staatliche Gerichte möglich 2 7 4 . 271

Was E. Lengers, Rechtsprobleme bei Parteiausschlüssen, S. 159 ff., wegen des Wortlauts v o n A r t . 103 G G ablehnt (S. 161); gegen eine u n m i t t e l bare Geltung auch H. Lenz / C. Sasse, J Z 1962, S. 239 A n m . 86. 272 Die Bundesschiedskommission der SPD hat beispielsweise eine E n t scheidung der Hamburger Schiedskommission aufgehoben, wonach sechs Hamburger Jungsozialisten aus der Partei ausgeschlossen wurden. I n der zweiten Instanz verhängte m a n ein zweijähriges Funktionsverbot. Vgl. dazu D. Stäcker, FR v o m 23. 7.1971, S. 4 (zum Beschluß der Hamburger Landesschiedskommission) u n d FR v o m 3.11.1971, S. 4 (zum Beschluß der Bundesschiedskommission) . 273 B. Zeuner, Innerparteiliche Demokratie, S. 63. 274 Vgl. zum Rechtsweg näher: R. Wolfrum, Parteiengesetz, S. 170 ff., m i t weiteren Nachweisen. 19 T r a u t m a n n

I I I . Verfassungspolitische Folgerungen Wie gezeigt, ist das Verfassungsgebot innerparteilicher Demokratie keineswegs optimal realisiert. Die Ergebnisse der Untersuchung reichen von verfassungswidrigen 1 über dysfunktionale 2 bis zu unzureichenden3 Normierungen i m PartG sowie i n den Parteisatzungen. Der Negativbefund an innerparteilicher Demokratie i n rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ist daher zum Ausgangspunkt positiver Ansätze eines juristischen Beitrages für „mehr Demokratie" am Nerv des demokratischen Gemeinwesens, der inneren Parteienordnung, zu machen. Es geht um Strategien zur Ausschöpfung des Demokratisierungspotentials komplexer Parteiorganisationen i m Systemzielmodell des demokratischen Parteienstaats nach dem GG. Eine ist die Novellierung des PartG. Das aufgrund eines interfraktionellen Entwurfs verabschiedete PartG von 1967, stellt einen Minimalkonsens der beteiligten Parteien dar, der ihren Interessen nicht entgegenstand. Entsprechend ist das Verfassungsgebot des A r t . 21 I 3 GG nur minimal erfüllt. Bezeichnend ist weiter, daß alle Novellierungsvorschläge der Parteien nach Erlaß des PartG — bewußt oder unbewußt — darauf abzielten, den normativen Minimumstandart an innerparteilicher Demokratie noch zu demontieren: sei es durch Abschaffung des geheimen Stimmrechts auf den unteren Gliederungsstufen, durch Erleichterung des Parteiausschlusses oder durch Abbau der Funktionsvoraussetzungen der Schiedsstellen 4 . Die Parteisatzungen wurden nach Erlaß des PartG zunächst m i t dessen Vorschriften i n Einklang gebracht. Anträge zu Satzungsbestimmungen beschäftigen aber zunehmend die Parteitage 5 . M i t dem PartG ist 1

z. B. § 10 11, 2 PartG, s. dazu oben unter 2. Teil I. 3. z. B. § 10 I I 1 P a r t G — f u n k t i o n a l begründbar ist vielmehr ein geheimes Stimmrecht n u r auf der Ebene der Mitgliederversammlung s. dazu oben unter 2. T e i l I I . 4. 3 z. B. die vielen Kann-Bestimmungen i m PartG (§§ 8 I 2 - 4; 9 I I 1; 11 I V ; 12 I, I I ; 13 S. 3, 4; 14 I I I ; 15 I I 2), bei denen es den Parteien überlassen bleibt, zu bestimmen w i e demokratisch sie sein wollen. 4 Vgl. zu diesen Vorschlägen die Berichte: V. Hoff mann, FR v o m 24.9.1970; ders., FR v o m 8. 7.1971; F A Z v o m 30. 7.1971, S. 1, 6; Spiegel Nr. 40/1970, S. 46 und Nr. 34/1971, S. 26. 5 Soweit sie angenommen wurden, zeigt sich dies i n den häufigen Satzungsänderungen. Die SPD widmete einen außerordentlichen Bundesparteitag 1971 (Godesberg) Fragen der Reform der Parteiorganisation. 2

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die Normierung der inneren Parteiordnung also keineswegs abgeschlossen; man ist auf der Suche nach tauglicheren Organisations- und Verfahrensformen. I n Richtung auf „mehr innerparteiliche Demokratie" ist die Entwicklung anzustoßen und offenzuhalten. Die Zurückhaltung des Gesetzgebers bei der Regelung der Parteiinterna steht i m Einklang m i t einer Meinimg, die unter Berufung auf das „Eigenleben" 6 oder die „Eigengesetzlichkeit" 7 der Parteien diesen einen Freiraum zur selbständigen Ausgestaltung ihrer inneren Ordnung zu sichern sucht. Doch nehmen die systemtheoretischen Erkenntnisse über System-Umwelt-Beziehungen und die organisationstheoretischen Demokratiemodelle für komplexe Organisationen den Parteien weitgehend den „irrationalen Spielraum" 8 , der nur deshalb irrational, w e i l methodisch nicht faßbar war. I m Ansatz zeigt sich eine komplexe Demokratietheorie (F. Scharpf) für komplexe Organisationen. Sie ist auf die Parteien zu transformieren und fortzuentwickeln; so werden innerparteiliche Prozesse normativ faß- und regelbar. Die Realisierung des Verfassungsgebotes der innerparteilichen Demokratie, die finale Regelung der innerparteilichen Abläufe durch Steuerungs-, Organisations- und Verfahrensnormen 0 , ist dadurch möglich geworden. Nach der theoretischen Begründung liegt es nun am Gesetzgeber, praktisch tätig zu werden. Er ist durch A r t . 21 I I I , 20, 28, 38 GG sowie die demokratierelevanten Grundrechte verpflichtet, m i t leistungsrechtlicher Erfüllung des Verfassungsauftrags nach A r t . 21 I 3 G G 1 0 die innerparteiliche Demokratie zu effektivieren. Individuelle und minderheitliche Partizipation ist durch Verstärkung des grundrechtlich und demokratisch begründeten status activus processualis (P. Häberle) des Parteibürgers zu fördern. Die Nachteile aus einer Überschätzung der Leistungsfähigkeit des Rechts sind für den demokratischen innerparteilichen Prozeß geringer, als die normativer Abstinenz. Wesentlich ist die Existenz von Bestimmungen, auf die sich die Parteimitglieder gegenüber den Oligarchien berufen, deren Einhaltung sie fordern können 1 1 . Sicher bringt eine 6

K . Hesse, W D S t R L 17 (1959), S. 31. G. Radbruch, Die politischen Parteien i m System des deutschen Verfassungsrechts, S. 294; W. Luthmann, Die innere Ordnung der Parteien nach dem GG u n d ihre Ausführung nach dem PartG, S. 48 f.; vgl. auch K. Hesse, Normative K r a f t , S. 20, nach dem die Parteien „einer rechtlichen Normierung offenbar wesensmäßig nicht ohne weiteres zugänglich sind". 8 K. Hesse, W D S t R L 17 (1959), S. 35. 9 Vgl. zu diesen Normtypen P. Häberle, W D S t R L 30 (1972), S. 51 f.; ders., „Leistungsrecht" i m sozialen Rechtsstaat, S. 462 ff. 10 Der m i t Erlaß des P a r t G nicht v o l l erfüllt ist, so E. Menzel, D Ö V 1970, S. 434. 11 E. Friesenhahn, Parteien, S. 17. 7

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Rechtsnorm selbst noch keine Demokratie hervor, sie kann sie aber ermöglichen und fördern 1 2 . Versteht man Demokratie i m Sinne des GG als Ordnung des politischen Prozesses 13, Ausrichtung des Verfahrens an bestimmten Werten, so ist die Realisierung demokratischer Egalität und öffentlicher Freiheiten über Verfahren — Verfahrensrecht — der Schlüssel zur Demokratisierung auch der Parteiordnung. Was nützt eine postulierte gleiche Partizipationschance, wenn es an Verfahren mangelt, sie einzulösen? Die m i t dem Parteienrecht angestrebte Organisation eines zentralen Faktors der politischen Willensbildung des Volkes, die demokratische Ordnung eines dynamischen Vorganges also, bedarf primär Verfahrensregelungen, u m demokratische Werte praktisch verwertbar werden zu lassen. Das Parteienrecht als Partizipationsrecht hat seine Schwerpunkte — auch aus Gründen der Offenheit des politischen Prozesses — i n Verfahrensregelungen. Der „freie politische Prozeß" stellt keine Grenze für prozessuale Regelungen dar 1 4 , vielmehr bedarf er ihrer, damit die Politik tatsächlich frei und offen i m Sinne demokratischer Wertvorstellungen verläuft. Die innerparteiliche Demokratie ist eine abhängige Variable von Organisationsgrad und Willensbildung einer Partei und damit von Organisations- und Verfahrensregeln. Aus alledem folgt, daß hier kein geschlossenes System optimaler demokratieeffektivierender Normierungen angeboten werden kann. Die Offenheit des demokratischen Prozesses erfordert auch innovationsoffene normative Grundlagen, die nicht zu einem System verfestigt werden dürfen. Es wurden mangelhafte oder gar verfassungswidrige Einzelbestimmungen benannt und aufgezeigt, i n welche Richtung eine Änderung zu erfolgen hat. Eine detailliertere Regelung des Parteienrechts ist notwendig und unter Berücksichtigung sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse auch möglich. Gesetzestechnisch könnte die Experimentierklausel des § 8 I I PartG Vorbild für weitere offene Normierungen sein. Sie hat ein klar definiertes Ziel — der demokratischen W i l lensbildung zu dienen — und beläßt den Parteien zugleich einen Spielraum, hierfür taugliche Organe zu errichten. Die kritisierten KannBestimmungen des PartG 1 5 müßten an dem normativen Ziel des A r t . 21 I 3 GG ausgerichtete gleichwertige Alternativen anbieten. Gestaltungsfreiräume für die Parteien können nur zulässig sein, wenn m i t ihrer Ausfüllung ein „Mehr an innerparteilicher Demokratie" i m Sinne von mehr Partizipation der Parteibürger intendiert ist oder experimentelle 12

Ä h n l i c h W. v. Simson, V V D S t R L 29 (1971), S. 35. Vgl. dazu K . Hesse, Grundzüge, S. 55. 14 Anders M. Weber, Parlament u n d Regierung i m neugeordneten Deutschland, S. 326, nach dem die Tatsache, daß die Parteien auf freier Werbung beruhende Gebilde sind, ihrer Reglementierung i m Wege steht. 15 s. oben A n m . 3. 13

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Formen i n ihrem demokratischen Gehalt zumindest nicht hinter dem allgemeinen Standart zurückbleiben. Wesentliche verfassungspolitische Aufgabe ist es, die Vielfalt parteienrechtlicher Bestimmungen zu durchforsten, u m die von externen Einflüssen und Parteioligarchien überwucherten Ansätze mitgliedschaftlicher Partizipationsrechte zur Entfaltung zu bringen. Damit ist zugleich die Tendenz juristischer Demokratisierungshilfe durch Novellierungen i m Parteienrecht angedeutet: Die rechtlichen u n d faktisch okkupierten Kompetenzen der Parteieliten sind zugunsten einer umfassenden politischen Teilhabe der Parteibürger zu beschneiden. Soll der Bürger i n das parteienstaatliche Gemeinwesen integriert werden, muß er über seine parteibürgerlichen Aktivrechte an der Staatsgewalt teilhaben können. Nur so werden das politische Wollen von Bürgern und Staatsorganen verbunden. Jene „ständige lebendige Verbindung" (§ 1 I I PartG) bedingt eine effektive innerparteiliche Demokratie als wesentliche Voraussetzung der Demokratie i n der res publica.

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Sachregister A b s t i m m u n g 34 f., 41, 150 ff., 223 — als Ausübung der Staatsgewalt 158 — als Schlüsselbegriff der innerparteilichen Demokratie 35 Ämterhäufung 274 ff. — bei Parteiämtern 276 — vertikale u n d horizontale 277 f. — u n d Rotationsprinzip 279 s. auch Personalunion Ämterpatronage 78 Antragsrecht 226, 248 ff., 250, 256 ff. Apathie, politische 109 ff., 132, 187, 263 — schichtenspezifische 164 Ausländer als Parteimitglieder 204 ff. Beamte — Eignung des Bewerbers 83 — u n d Leistungsprinzip 78 — u n d L o y a l i t ä t 75 f. — u n d „ N e u t r a l i t ä t " 74 ff. — parteipolitische Tätigkeit 73 — u n d pluralistische Parteilichkeit 77 Beitrag der Parteimitglieder 256 — Zahlungsverweigerung als Ausschlußgrund 213 — Zahlungsverweigerung u n d Stimmrechtsentzug 214 f. — i n Sonderorganisationen 243 Blockwahlsystem 271 ff. — modifiziertes 271 f., 274 — striktes 271 — u n d Verfahrensökonomie 274 Bürgerinitiativen 47, 118 f., 125, 228 f. Chancengleichheit — der Bewerber 227 — der Parteien 49, 92, 171, 173 — der Parteibürger 275 Delegiertenschlüssel 255 Demokratie — i n der komplexen Theorie 169, 231, 248, 291 — Mischform 34, 169 — plebiszitäre, unmittelbare 33 f., 96, 154, 160, 247 — repräsentative 32, 33 f., 96, 147, 247 — utopische 39 21 T r a u t m a n n

demokratische Grundsätze 146,170 ff., 180 f. Entscheidungsqualität 166, 264 ex-officio-Ämter 275 Experimentierklausel 174 F r a k t i o n 55 ff. — u n d Partei 103 f. — als Parteifraktion 104 Fraktionsbildung, innerparteiliche 115, 131 f., 134 — s. auch Gruppenbildung, innerparteiliche Fraktionsdisziplin 103 Gewaltenteilung 57, 67, 79, 166 — als Gewaltverteilung 58 Gliederung der Parteien 231 ff. — entsprechend dem Staatsaufbau 232 f. — Gliederungsdichte 235 — horizontale u n d vertikale 234 Gruppenbildung, innerparteiliche 236 f., 254 f. — als Demokratisierungsmittel 239 — als Partizipationsvehikel 246 — i n Sonderorganisationen 239 ff. — m i t Sonderwillensbildung 243 — als Subsystembildung 245 — s. auch Fraktionsbildung, innerparteiliche Inkompatibilität — von A m t u n d Mandat 79 — bei Parteimitgliedschaft 203 — von Regierungs- u n d Parteiämtern 276 Inkompatibilitätsbeschlüsse 203, 214, 216 ff. Inkompatibilitätsklausel 205, 277 f. innerparteiliche Demokratie — als conditio sine qua non des Parteienstaats 16 — als Grundrechtsproblem 19 — als Verfassungsgebot 13, 19 — als Voraussetzung der Demokratie i m Gemeinwesen 15, 20

322

Sachregister

Interessen 29, 110 — individuelle 29, 121 ff. — kollektive 115, 121 ff. — organisationsfähige 122 Interessenidentität von Parlamentsmehrheit u n d Regierung 59 Interessenparallelität 124 Interessenpartei 50, 115, 129 f., 136, 201 Interessenpluralismus 125 — s. auch Pluralismus Kandidatenaufstellung 168,226,279 ff. — als A k k l a m a t i o n 283 — durch Ausländer 206 f. — Gegenkandidaturen 283 f. — durch alle Parteibürger 281 — als Parteiwillensbildung 285 — als faktische Wahlentscheidung 280 Klassen 128 Koalitionsvereinbarungen 105 Kontrolle 62, 64, 71 — antizipierte 65, 261 — bedingt Öffentlichkeit 270 — durch die Opposition 57, 63 — der Parteifinanzen 145 Mandat — freies 96, 101 f. — imperatives 96, 250 f. — influenzierendes 99 ff., 104 — des parteigebundenen Abgeordneten 98 Mehrheitsprinzip 148, 217, 264 ff. — Grenzen 266 Meinungsfreiheit 101, 162, 184 f., 187, 253 ff. Minderheitenschutz 212, 228, 266, 272 f., 289 Mitgliederpartei 108 offene innerparteiliche Diskussion 17 f., 52 Offenheit des politischen Prozesses 28 Offenheit der Parteien 219 — u n d öffentliche Parteienfinanzier u n g 196 öffentliche Freiheit 186 — der Parteien 94 — der Parteimitglieder 91, 183 f., 189 öffentliche Meinung 17, 45, 51, 158 ff. — als Orientierungsdaten 160 — innerparteilich 161, 179 öffentlicher Dienst 68 ff. — u n d Extremisten 81 ff. — parteienstaatliche Orientierung 80 — s. auch Beamte u n d politische Beamte

Öffentlichkeit — innerparteilich 223 — materiale 46 — als M e d i u m 49 — Staat u n d Gesellschaft v e r m i t telnd 15 Oligarchie 135, 138, 178, 220, 233, 240, 276, 279, 289 Parlamentarismus — Funktionswandel 56 ff. — Krise 19 Parlamentarismus Verständnis 19, 57 Partei — u n d individuelle Partizipation 18, 29 f. — als I n s t i t u t i o n des parlamentarischen Systems 20 — als Kreationsorgan 48 — als multifunktionales Element der Demokratie 22 — als Subsystem 55 Parteiausschluß 207 ff. — Ausschlußverfahren 207, 214 f. — kein Dauertatbestand 204 — bei schwerem Schaden 211 Parteiautonomie 171, 173, 198 Parteienfinanzierung 138 ff. — Beitragsaufkommen 256 — als bundesstaatliche Gemeinschaftsaufgabe 139 f. — als leistungsstaatliche Pflicht 140 — öffentliche Rechenschaftslegung 222 — u n d Parteizugang 196 — Verteilungsschlüssel 141 ff. Parteienstaat 23 ff., 55 — u n d Gesellschaft 24 — u n d repräsentativer Parlamentarismus 26 — als Rechtsbegriff 95 Parteienverantwortlichkeit 62 Parteienhaushaltsplan 145 Parteischiedsgerichte 237 — Mitglieder 252 — s. auch Schiedsverfahren Parteitag 232, 256, 259, 288 — Antragsbehandlung 256 ff. — zuständig f ü r Inkompatibilitätsbeschlüsse 218 — als „oberstes Organ" 237 — als P l a t t f o r m f ü r Diskussionen 259 Parteizugang 193 ff. — Beitrittsfreiheit 198 — Beitrittsverfahren 200 — u n d passives Wahlrecht 197 — Zugangsanspruch 198 f., 201

Sachregister Partizipation, politische Teilhabe 51 f., 117 ff., 149 — formelle u n d materielle 264 f. — individuelle u n d kollektive 163 — innerparteilich 68 — durch Gruppen 123 — als Kriterium demokratischer Selbstbestimmung 118 — der Parteimitglieder 54, 106 — durch Spezialisierung 134 — utopisches u n d reduziertes Modell 155, 165 Personalunion — von Partei- u n d Staatsämtern 275 — von Partei- u n d Verbandsämtern 221 Planung, politische 60 ff. — Ergänzungsverhältnis von staatlicher u n d parteipolitischer 67 — als Kooperation von Regierung u n d Parlament 60 — als parteienstaatliche Gemeinschaftsaufgabe 67 — parteipolitische 66 f. Plebiszit 154 — der Wähler 63 Pluralismus — als funktionale P l u r a l i t ä t 165 — konkurrierender Eliten 164, 234 — auf kollektiver Ebene 164 — parteiintern 49, 240 — s. auch Interessenpluralismus politische Beamte 68 ff. — als parteiorientierte Beamte 69 — i n Parteienverantwortlichkeit 72 politische Willensbildung des Volkes 41 ff. — M i t w i r k u n g der Parteien 40 ff., 46 ff., 50 — als Rechtsbegriff 41 — Vorformung 42, 52 Recht u n d P o l i t i k 19, 87 f. Rechtsprechung 84 ff. — u n d Entscheidungsspielraum 87 — als Gemein w o h lj u d i k a t u r 87 Rechtsstaatsprinzip 120 Repräsentation 152, 156, 175, 177 — als eigenständiger Aktionsbereich 176 — durch gewählte Organe 248 f. — durch Schiedsorgane 288 Richter — am Bundesverfassungsgericht 86 f. — u n d Legitimation 88

— parteipolitische Befangenheit 85 f. — parteipolitische Tätigkeit 84 ff. Sozialstaatsprinzip 120 Schiedsverfahren 286 f. — als politische Instanz 287 — Mehrstufigkeit 289 — s. auch Parteischiedsgerichte Staat u n d Gesellschaft 14 status activus processualis 185 f., 188 f., 199 ff., 207, 253, 291 Status des öffentlichen 95, 181 f. Status der Parteien 19, 22, 25 f., 27, 181 f., 190 Status der Parteimitglieder 26, 181 ff., 190, 253 — bei Ausländern 206 f. — als innere Parteifreiheit 181 ff. — als Status der Gleichheit 181, 263 f. — als Verdichtung allgemeiner Grundrechtspositionen 19, 183 ünanimitätsprinzip 148 Universalkompetenz der Parteibürger 177 Unterwanderung, politische 201 f. Urabstimmung 245 f., 249, 266 ff. — als plebiszitäre A k t i o n 267, 269 U r w a h l 268 Verbände 47, 115, 117, 123 ff., 133, 220 ff., 226, 230, 282 — proporz 227 Verfassung u n d W i r k l i c h k e i t 13 f., 36 ff., 127 Volkspartei 107 ff., 240 — Begriff 107 f. — interessendiffuse 132 — u n d Kompromißfindung 129 f., 136 — u n d Parteibeitritt 195, 202 — Synthese repräsentativer u n d plebiszitärer Elemente 137 — als m u l t i f u n k t i o n a l e r Zweckverband 135 Vorstand 238, 245, 259 f. W a h l 27, 281, 32 f., 43, 53, 149, 154, 158 — geheime 269 ff. Wahlempfehlungen 227 Wählerinitiativen 229 Wählerpartei 108, 255 Wahlkampf 47, 53 f., 229