Informationspflichten der Geschäftsführung bei Strukturmaßnahmen in Kapitalgesellschaften [1 ed.] 9783428534821, 9783428134823

Die Arbeit setzt sich vor dem Hintergrund neuester Rechtsentwicklungen mit den Informationspflichten auseinander, die se

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Informationspflichten der Geschäftsführung bei Strukturmaßnahmen in Kapitalgesellschaften [1 ed.]
 9783428534821, 9783428134823

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 47

Informationspflichten der Geschäftsführung bei Strukturmaßnahmen in Kapitalgesellschaften Von

Johannes Schmiegel

Duncker & Humblot · Berlin

JOHANNES SCHMIEGEL

Informationspflichten der Geschäftsführung bei Strukturmaßnahmen in Kapitalgesellschaften

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 47

Informationspflichten der Geschäftsführung bei Strukturmaßnahmen in Kapitalgesellschaften Von

Johannes Schmiegel

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Process Media Consult GmbH, Darmstadt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-13482-3 (Print) ISBN 978-3-428-53482-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-83482-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln im Wintersemester 2009/2010 als Dissertation angenommen und befindet sich auf dem Stand vom Januar 2010. Mein herzlicher Dank gilt Frau Prof. Dr. Barbara Grunewald, unter deren Anregung das Thema der Arbeit zustande gekommen ist und die den Fortschritt der Arbeit in jedem Stadium optimal unterstützt hat. Herrn Prof. Dr. Henssler danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Zudem möchte ich Herrn Prof. Dr. Fleischer für die Aufnahme in die Schriftenreihe danken. Mein Dank gilt auch der FAZIT-Stiftung für den großzügigen Beitrag zu den Druckkosten. Meinen Freunden und meiner ganzen Familie sei herzlich für die stetige Ermutigung und Unterstützung gedankt. Besondere Hilfe haben mir Christoph und meine Frau Hannah bei den Korrekturarbeiten geleistet. Letzterer danke ich darüber hinaus für ihre unermüdliche Geduld. Überdies sei Josefine gedankt, die auf besondere Weise zur Beschleunigung der Arbeit beigetragen hat. Von ganzem Herzen möchte ich schließlich meinen Eltern danken, die mich während meiner gesamten Schul- und Studiumszeit umfassend gefördert und unterstützt haben und mir dadurch eine unbeschwerte und lehrreiche Zeit ermöglicht haben. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Düsseldorf, im Januar 2011

Johannes Schmiegel

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Einleitung und Fragestellung

19

Zweiter Teil Die Holzmüller-Doktrin

22

A. Die gesetzliche Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. Der Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. Der Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 III. Die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 IV. Machtbalance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Die historische Entwicklung der Holzmüller-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Die Anschauungs- und Regelungslücke des AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II. Der Mediatisierungseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Verkürzung der Mitverwaltungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Verwässerung der Vermögensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 III. Die ersten Ansätze in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 IV. Das „Holzmüller-Urteil“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Der Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Das Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 3. Die Reaktionen aus der Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 V. Die „Gelatine-Urteile“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Die Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Die Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

8

Inhaltsverzeichnis

C. Die dogmatische Herleitung der Holzmüller-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I. Der Ansatz des BGH im Holzmüller-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 II. Die dogmatischen Begründungsansätze aus der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Einzelanalogien zu Vorschriften des AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) § 179 Abs. 1 AktG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Einzelfallabhängige Analogien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. § 121 Abs. 1, 3. Fall AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3. §§ 123 Abs. 3, 125, 13, 65 UmwG analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 a) Kein Analogieverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 b) Vergleichbare Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4. Gesamtanalogie zu Vorschriften des AktG und des UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Schutzzwecke der gesetzlichen Hauptversammlungszuständigkeiten . . . . . . 44 aa) Änderung der rechtlichen Struktur der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 44 bb) Verwässerung der Gesellschaftsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 cc) Bedeutende wirtschaftliche Auswirkungen auf die Gesellschaft . . . . . . . 45 b) Bestimmung eines allgemeinen Wertungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 c) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 aa) Unpassende Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 bb) Die rechtstechnische Vollzugsart als Anknüpfungspunkt des UmwG . . . 48 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 III. Die „offene Rechtsfortbildung“ des BGH in den Gelatine-Urteilen . . . . . . . . . . . . 49 D. Die Holzmüller-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I. Der Tatbestand der Holzmüller-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Strukturmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Mediatisierungseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3. Eingriffstiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Schwellenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Der Anwendungsbereich der Holzmüller Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Der subjektive Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . 56

Inhaltsverzeichnis

9

2. Der objektive Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . 57 a) Die höchstrichterlich anerkannten Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 aa) Ausgliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 bb) Einbringung von Beteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 cc) Konzernleitungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 dd) Kein Ausschluss durch eine Konzernklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Veräußerung wesentlicher Unternehmensbeteiligungen oder Unternehmensteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 aa) Das Meinungsspektrum vor dem „Stuttgarter Hofbräu-Beschluss“ des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 bb) Der „Stuttgarter Hofbräu-Beschluss“ des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (1) Sachverhalt und Begründung des Nichtannahmebeschlusses . . . . . . 62 (2) Interpretation des Nichtannahmebeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 cc) Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 dd) Verbleibende Hauptversammlungszuständigkeit wegen Satzungsunterschreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 c) Erwerb wesentlicher Beteiligungen und Bargründung einer Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 d) Anteilstausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 e) Börsengang und Börsenrückzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 f) Inanspruchnahme des SoFFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 aa) Sachverhalt und Urteilsbegründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 E. Ergebnisse des Zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Dritter Teil Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

73

A. Vorüberlegungen zu Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 I. Zweck und Kontext von Information im Verband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 II. Begriff und dogmatischer Ursprung von verbandsrechtlichen Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Begriff der verbandsrechtlichen Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Die Organisationsverfassung als Rechtsgrund für Informationspflichten . . . . . 76

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Inhaltsverzeichnis III. Vorüberlegungen für die Entwicklung ungeschriebener Informationspflichten in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Das formalisierte System der Informationspflichten als Hauptinstrument der Unterrichtung der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Informationspflichten als Instrument des Minderheitenschutzes . . . . . . . . . . . . 78 IV. Ausfüllungsbedürftige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 I. Die Einberufung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Inhalt der Einberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2. Modalitäten der Einberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 II. Veröffentlichung auf der Internetseite der Gesellschaft, § 124a S. 1 Nr. 3 AktG . . 82 1. „Zugänglichmachung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. „Durchgängigkeit der Zugänglichmachung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. „Alsbaldige Zugänglichmachung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 III. Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts, § 124 Abs. 2 S. 2 AktG analog . . . . . 85 1. Analoge Anwendung von § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2. Umfang der Bekanntmachungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3. Sonderfall: Freiwillige Vorlage gem. § 119 Abs. 2 AktG („unechte“ Holzmüller-Beschlüsse) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 IV. Erstellung, Auslegung und Zusendung von Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Auslegung des Vertrags und abschriftliche Übersendung des Vertrags auf Verlangen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) „Echte“ Holzmüller-Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 b) „Unechte“ Holzmüller-Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. „Holzmüller-Berichte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) Pflicht zur Erstellung eines Vorstandsberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 aa) Allgemeiner Wertungsgrundsatz der aktienrechtlichen Normen . . . . . . . 97 bb) Wertungsmäßige Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (1) § 179 AktG als Orientierungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (2) Akzentverschiebung durch die Gelatine-Urteile . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (3) Schwächeres Informationsbedürfnis der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . 101

Inhaltsverzeichnis

11

(4) Rechtsunsicherheit ungeschriebener Berichtspflichten . . . . . . . . . . . 103 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Inhalt des Berichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 d) Auslegung und abschriftliche Übersendung des Berichts . . . . . . . . . . . . . . . 106 e) Bekanntmachung des Berichts analog § 124 Abs. 2 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . 107 3. Weitere Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Pflicht zur Auslegung von Jahresabschlüssen und Lageberichten . . . . . . . . . 108 b) Pflicht zur Auslegung von Zwischen-, Einbringungs- und Eröffnungsbilanzen 109 c) Pflicht zur Auslegung von Prüfungsberichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4. Der Substitutionseffekt der elektronischen Zugänglichmachung . . . . . . . . . . . . 111 C. Informationspflichten während der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I. Zugänglichmachung der Unterlagen während der Hauptversammlung . . . . . . . . . 114 1. Pflicht zur Zugänglichmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Voraussetzungen der Zugänglichmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Zugänglichmachung über die Internetseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 b) Zugänglichmachung auf anderem Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 II. Mündliche Erläuterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 D. Behandlung von Vertragsentwürfen und nichtvertraglichen Strukturmaßnahmen . . . . 119 I. Rahmenbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Vertragsentwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 III. Strukturmaßnahmen i.e.S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 E. Grenzen der Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 I. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 II. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 III. Umfang der Geheimhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 IV. Verpflichtung des Vorstands zur Geheimhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 F. Ergebnisse des Dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

12

Inhaltsverzeichnis Vierter Teil Die Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf andere Rechtsformen

133

Fünfter Teil Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der Europäischen Aktiengesellschaft

135

A. Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die „deutsche SE“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I. Strukturelle Vergleichbarkeit der SE mit der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. Organisationsverfassung der SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Verwaltung, Art. 39 ff. SE-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Hauptversammlung, Art. 52 SE-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Weitere Gesichtspunkte für eine strukturelle Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . 137 II. Anwendbarkeit deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Verhältnis von Art. 52 S. 1 zu S. 2 SE-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Regelungslücke der SE-VO bezüglich Strukturmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Verweisung ins nationale Recht gem. Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO . . . . . . . . . . . 140 a) Eröffnung des Anwendungsbereichs von Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO . . . . . . 140 b) Verweis auf deutsches Aktienrecht gem. Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO . . . . . . 141 aa) Entbehrlichkeit der Holzmüller-Doktrin durch § 44 Abs. 2 SEAG . . . . . 141 bb) Verweis auf deutsches Richterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4. Dogmatische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 B. Informationspflichten des Leitungsorgans bei Holzmüller-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . 145 I. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Einberufung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Veröffentlichung auf der Internetseite der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Erstellung, Auslegung und Zusendung von Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 4. Substitutionseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 II. Informationspflichten während der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 III. Grenzen der Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

Inhaltsverzeichnis

13

C. Ergebnisse des Fünften Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 Sechster Teil Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

153

A. Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I. Bedürfnis nach einer Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA . . . . . . 153 1. Gesetzliche Kompetenzverteilung in der KGaA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Die Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Der Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 c) Die Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Allokation des wirtschaftlichen Risikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Einordnung der Holzmüller-Doktrin in das Regelungssystem der KGaA . . . . . . . 158 1. Das anwendbare Regelungsregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Konsequenzen der Geltung von Personengesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Differenzierung zwischen Geschäftsführungsmaßnahmen und Grundlagengeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 aa) Gewöhnliche und außergewöhnliche Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . 160 bb) Grundlagengeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Geltung des Grundsatzes der Satzungsdisposivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 c) Realtypen der KGaA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3. Einordnung der Holzmüller-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 a) Holzmüller-Maßnahmen als Teil der außerordentlichen Geschäftsführung . . 162 aa) Geltung des Grundsatzes der Satzungsdisposivität in der KGaA . . . . . . 163 bb) Die Holzmüller-Doktrin als besondere Ausgestaltung der Treuepflicht . 164 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 b) Holzmüller-Maßnahmen als Teil der Grundlagengeschäfte . . . . . . . . . . . . . . 166

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Inhaltsverzeichnis 4. Folgefragen einer Einordnung der Holzmüller-Maßnahmen als Grundlagengeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Abdingbarkeit der Hauptversammlungszuständigkeit für Grundlagengeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa) Satzungsautonomie in Bezug auf Hauptversammlungskompetenzen . . . 168 (1) Erste Auffassung: Keine Abdingbarkeit der Hauptversammlungszuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (2) Zweite Auffassung: Grundsätzliche Abdingbarkeit der Hauptversammlungszuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 bb) Der Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 cc) Die Kernbereichslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) Außenwirkung fehlender Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 c) Mehrheitserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 III. Maßnahmen mit Mediatisierungseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I. Informationsrechte der Kommanditaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Kollektiver Informationsanspruch der Kommanditaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Individuelle Informationsrechte der Kommanditaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Bewertung der individuellen Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 II. Informationspflichten der Komplementäre bei Holzmüller-Maßnahmen . . . . . . . . 178 1. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Einberufung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 c) Veröffentlichung auf der Internetseite der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 d) Erstellung, Auslegung und Zusendung von Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 aa) Der Holzmüller-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 bb) Holzmüller-Berichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 cc) Weitere Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 dd) Der Substitutionseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Informationspflichten während der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 3. Teilnahme der Komplementäre an der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . 184

Inhaltsverzeichnis

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4. Grenzen der Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 III. Ergebnisse des Sechsten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Siebter Teil Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

189

A. Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 I. Kompetenzen der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II. Kompetenzen der Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Geschriebene Geschäftsführungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Geschriebene Kompetenz für Grundlagenentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 3. Übertragung der Holzmüller-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a) Ungeschriebene Geschäftsführungskompetenzen für außergewöhnliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 aa) Dogmatische Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 bb) Inhaltliche Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 cc) Rechtsfolge einer Gesellschafterzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Einordnung der Holzmüller-Doktrin als ungeschriebene Grundlagenzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 aa) Qualitative Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (1) Inhalt der Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (2) Mehrheitserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 (3) Statuarische Disposivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (4) Auswirkungen auf das Weisungsrecht über eine vertraglich beherrschte GmbH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 bb) Begriffliche Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 cc) Dogmatische Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 c) Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 aa) Ausgliederung wesentlicher Betriebsteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 bb) Abschluss von Unternehmensverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (1) Dogmatische Herleitung einer Zuständigkeit der Gesellschafter . . . 204 (2) Kriterium des personalistischen Realtypus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (3) Außenwirkung entsprechender Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 d) Eingriffstiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

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Inhaltsverzeichnis e) Initiativrecht der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 I. Das gesetzliche System der Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. Das individuelle Informationsrecht gem. § 51a GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Informationspflichten der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 II. Informationspflichten im Vorfeld der Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . 211 1. Einberufung der Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 2. Ankündigung der Beschlussgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Inhalt der Ankündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 b) Ankündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 c) Rechtsfolgen von Ankündigungsmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 3. Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 a) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 b) Vergleichbare Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 4. Erstellung und Auslegung von Dokumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Der Holzmüller-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 b) Holzmüller-Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 c) Weitere Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 5. Besonderheiten bei Strukturmaßnahmen, die infolge von Einzelanalogien zum AktG abgeleitet werden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 a) Abschluss von Unternehmensverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 b) Veräußerungsverträge über das gesamte Gesellschaftsvermögen . . . . . . . . . 225 III. Keine Geltung des Substitutionseffekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 IV. Informationspflichten während der Gesellschafterversammlung . . . . . . . . . . . . . . 226 V. Grenzen der Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 1. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 3. Umfang der Geheimhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 4. Pflicht zur Geheimhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 VI. Ergebnisse des Siebten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

Inhaltsverzeichnis

17

Achter Teil Schlussbetrachtung

234

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

Erster Teil

Einleitung und Fragestellung „In einer global vernetzten Wirtschaftsordnung [kommt es darauf an], sich bietende Chancen umgehend zu nutzen oder aufkommenden Gefahren sogleich zu begegnen“ konstatiert der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 26. 04. 20041. Er beschreibt damit die zwei Gesichter des internationalen Wettbewerbs und das daraus resultierende Bedürfnis für Unternehmen, sich den Veränderungen des Marktes flexibel anzupassen. So zwang zuletzt die mit dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 ausgelöste Finanz- und Wirtschaftskrise viele Unternehmen zu Restrukturierungsmaßnahmen, um eine effektivere Nutzung der vorhandenen Mittel sicherzustellen. Derartige Maßnahmen können beispielsweise in der Veräußerung einzelner Geschäftssparten2, in der Reorganisation des Gesamtkonzerns, um das Übergreifen der Insolvenz einer Sparte auf den Gesamtkonzern zu verhindern3 oder in der Vorbereitung einer (Teil-)Fusion mit anderen Unternehmen liegen4. Auf der anderen Seite wurde die schwierige wirtschaftliche Phase auch für günstige Zukäufe genutzt. Derartige Transaktionen führen zum Einen regelmäßig dazu, dass das Zielunternehmen in die Konzernorganisation des Käuferunternehmens eingepasst werden oder letzteres aus kartellrechtlichen Gründen selbst einzelne Bereiche ausgliedern und veräußern muss. Auch wenn durch diese Darstellung das Spektrum möglicher Restrukturierungsmaßnahmen nur holzschnittartig wiedergegeben wird, muss seitens der Geschäftsführung der handelnden Gesellschaft sichergestellt sein, dass die Maßnahme auch von der Geschäftsführungsbefugnis gedeckt ist, da sonst eine Haftung im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft riskiert wird. Mit dem sogenannten „Holzmüller-Urteil“ hat der Bundesgerichtshof für die Aktiengesellschaft festgestellt, dass bestimmte Maßnahmen – obwohl formal von der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands erfasst – der Zustimmung der Haupt1

BGH, NJW 2004, 1860, 1864 („Gelatine II“). Beispielhaft sei hier auf die Konzerne TUI, ThyssenKrupp oder (ehemals) Arcandor verwiesen, die ganze Sparten ihres ursprünglichen Geschäfts veräußerten. 3 Dabei wird insbesondere das Anlagevermögen der Tochtergesellschaften auf eine Vermögensverwaltungsgesellschaft ausgelagert, welche die Vermögenswerte dann zurückvermietet. Dadurch soll im Falle der Insolvenz der Tochtergesellschaft das Betriebsvermögen dem Zugriff der Gläubiger entzogen werden. 4 Im Übrigen sei auf die Motive für Spaltungen verwiesen, welche anlässlich des UmwG von 1994 durch eine Umfrage in der Wirtschaftspraxis gesammelt wurden, abgedruckt in: Ganske, Umwandlungsrecht, S. 18. 2

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1. Teil: Einleitung und Fragestellung

versammlung bedürfen5. Dieses Postulat des BGH war anfangs sehr umstritten, wird jedoch in seiner Grundaussage, dass die Hauptversammlung immer dann zuständig ist, wenn eine Maßnahme „einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte und Interessen der Aktionäre“ darstellt, nicht mehr ernsthaft bestritten und kann insoweit als gesicherte Rechtserkenntnis angesehen werden. Zwar wurde der Anwendungsbereich der „Holzmüller-Doktrin“ durch die im Jahr 2004 ergangenen Gelatine-Urteile6 stark verengt. Jedoch wäre es voreilig, der Holzmüller-Doktrin aus diesem Grund keine praktische Bedeutung mehr beizumessen. Zum einen zeichnet sich bereits jetzt in Reaktion auf die Finanzkrise die Tendenz zu tiefgreifenden Umstrukturierungsvorgängen in den Unternehmen ab. Damit wird es jedoch auch verstärkt zu unternehmensinternen Konflikten kommen, die – in Gestalt von Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen – die Gerichte beschäftigen werden. Zum anderen ist in der Rechtsprechung die Tendenz zu verzeichnen, die Holzmüller-Doktrin auch für andere Kapitalgesellschaften fruchtbar zu machen. Insoweit ist die Fortentwicklung der Holzmüller-Doktrin zu einem allgemeinen verbandsrechtlichen Institut angesprochen. Für die Beratung bedeutet dies, dass die Holzmüller-Doktrin auch weiterhin nicht aus den Augen gelassen werden darf. Obschon sie vor mittlerweile 28 Jahren geschaffen wurde, ranken sich immer noch ungeklärte Fragen um die Holzmüller-Doktrin. Einen zentralen Platz nimmt dabei die Frage ein, zu welcher Information die Geschäftsführung gegenüber den Gesellschaftern im Falle einer Holzmüller-Maßnahme verpflichtet ist. Der BGH hat sich zu diesem Fragekomplex bisher nur vereinzelt geäußert, weshalb auch von der „Achillesferse“ des Holzmüller-Urteils gesprochen wird7. Virulent wird diese Rechtsunsicherheit besonders in der AG, da das formalistische AktG ein hohes Anfechtungsrisiko in sich birgt. So verwundert es nicht, dass entsprechende Fragestellungen seit geraumer Zeit von den Oberlandesgerichten behandelt werden8 – und dies auch in Zukunft tun werden9. Aufgrund der verbandsrechtlichen Dimension, die der Holzmüller-Doktrin zugesprochen wird, sind jedoch auch andere Kapitalgesellschaften von entsprechenden Rechtsunsicherheiten betroffen. Diese Fragen erfordern vor dem Hintergrund jüngster gesetzgeberischer Tätigkeit eine umfassende Behandlung. So hat der Gesetzgeber in Form des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechte-Richtlinie (ARUG)10 die Informationspflichten bei Aktiengesellschaften an das Internet-Zeitalter angepasst. Welche Folgen diese verschie5

BGHZ 83, 122 ff. („Holzmüller“). BGH, NZG 2004, 575 ff. („Gelatine I“) und BGH, NJW 2004, 1860 ff. („Gelatine II“). 7 Weißhaupt, NZG 1999, 804, 807. 8 OLG Schleswig, ZIP 2006, 421; OLG München, DZWIR 1996, 511 ff.; OLG München, AG 1995, 232 f.; OLG Frankfurt a.M., ZIP 1999, 842 ff. 9 Vgl. LG Frankfurt a.M., Urteil v. 15. 12. 2009 – 3 – 5 O 208/09 (nrkr.), AG 2010, 416 ff. 10 Das ARUG wurde am 4. 8. 2009 verkündet (BGBl. 2009 I, 2479). Es trat in weiten Teilen am 1. 9. 2009 in Kraft. Die Neuregelungen zum Recht der Hauptversammlung sind dabei erstmals auf Hauptversammlungen anzuwenden, zu denen nach dem 31. 10. 2009 einberufen wird. 6

1. Teil: Einleitung und Fragestellung

21

denen Entwicklungen auf die Ausgestaltung der Informationspflichten der Geschäftsführung in den jeweiligen Kapitalgesellschaften haben, ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.

Zweiter Teil

Die Holzmüller-Doktrin A. Die gesetzliche Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft Auch wenn die Aktiengesellschaft in quantitativer Hinsicht nicht zu den bedeutendsten Gesellschaftsformen in Deutschland zählt1, ist sie doch diejenige Gesellschaftsform, deren Rechtsverhältnisse durch Gesetz und Rechtsfortbildung am weitesten ausgestaltet sind und insoweit häufig eine Ausstrahlungswirkung für andere Gesellschaftsformen entfaltet2. Bevor auf die Holzmüller-Doktrin3 eingegangen wird, soll zunächst die gesetzliche Ausgangslage skizziert werden, welche die Richter des BGH 1982 vorfanden. Das AktG geht von einer dreigliedrige Organisationsstruktur der Aktiengesellschaft aus, innerhalb derer die Zuständigkeiten auf den Vorstand, den Aufsichtsrat und die Hauptversammlung verteilt sind, um eine Machtbalance zwischen diesen Organen herzustellen4. Diese Binnenstruktur findet ihre Absicherung in der Satzungsstrenge des § 23 Abs. 5 AktG mit der Folge, dass die Hauptversammlung die gesetzlichen Regelungen über die Zusammensetzung der Organe, deren innere Organisation und Zuständigkeitsbereiche nicht abweichend in der Satzung regeln kann5.

I. Der Vorstand Der Vorstand ist das zentrale Leitungsorgan des Unternehmens6. Er vertritt gem. § 78 Abs. 1 AktG die Gesellschaft nach außen und ist gem. § 77 Abs. 1 S. 1 AktG zur

1

Nach Bayer liegt die Anzahl der Aktiengesellschaften bei ca. 16.000, während weit über eine Million Gesellschaften mit beschränkter Haftung existieren, in: Die Aktiengesellschaft, Vorwort. 2 Wilde, ZGR 1998, 423, 426 Fn. 6. 3 Im Fortlauf dieser Arbeit wird trotz der Weiterentwicklung des Holzmüller-Urteils durch andere Urteile der begrifflichen Einfachheit halber von der „Holzmüller“-Doktrin gesprochen, auch wenn diese von Teilen der gegenwärtigen Literatur nunmehr als „Gelatine“-Doktrin bezeichnet wird. 4 Semler, in: MünchHdb AG § 34 Rn. 5. 5 Kort, in: GroßkommAktG, Vor § 76 Rn. 7 ff., 70 ff. 6 Vgl. Fleischer, NJW 2004, 2335, 2337.

A. Die gesetzliche Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft

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Geschäftsführung7 befugt. Er leitet zudem gem. § 76 Abs. 1 AktG die Gesellschaft in eigener Verantwortung, was gerade dadurch betont wird, dass Geschäftsführungsaufgaben ausdrücklich aus dem Zuständigkeitsbereich von Hauptversammlung und Aufsichtsrat ausgenommen werden, vgl. §§ 119 Abs. 2 bzw. § 111 Abs. 4 S. 1 AktG8. Durch die Ansiedlung der „Leitungsmacht“ beim Vorstand gem. § 76 Abs. 1 AktG geht der Gesetzestext über die aus dem Gesellschaftsrecht gebräuchliche Zweiteilung zwischen Vertretungsmacht und Geschäftsführungsbefugnis hinaus. Unter Leitungsmacht wird ein herausgehobener Bestandteil der Geschäftsführung verstanden, der gerade durch die Führungsfunktion des Vorstands innerhalb seiner rechtsgeschäftlichen oder tatsächlichen Tätigkeit für die Aktiengesellschaft charakterisiert wird und sich in der Festlegung der Unternehmenspolitik und der Ausübung unternehmerischer Initiative niederschlägt9. Gem. § 93 Abs. 2 AktG haftet er der Gesellschaft gegenüber verschuldensabhängig für im Rahmen seiner Geschäftsführung begangene Pflichtverletzungen. Eine solche Ersatzpflicht ist jedoch gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG ausgeschlossen, wenn die Maßnahme auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht.

II. Der Aufsichtsrat Der Aufsichtsrat bestellt den Vorstand und beruft ihn ab, § 84 Abs. 1 S. 1 AktG. Er überwacht diesen im Rahmen einer laufenden Kontrolle gem. § 111 Abs. 1 AktG. Diese Kontrolle ist jedoch inhaltlich nicht das Spiegelbild der Geschäftsführung i.S.d. § 77 AktG, da der Aufsichtsrat weder jedwede Maßnahme des Vorstands kontrollieren kann noch soll10. Die Kontrolle erstreckt sich damit nicht auf alle Zweige der Verwaltung, sondern auf die eigentlichen Leitungsmaßnahmen des Vorstands (vgl. § 76 Abs. 1 AktG) und wesentliche Einzelmaßnahmen11. Der Aufsichtsrat vertritt die Gesellschaft gegenüber dem Vorstand gem. § 112 AktG. Zusammen mit dem Vorstand bildet der Aufsichtsrat die Verwaltung der Gesellschaft12.

7 Geschäftsführung ist nach allgemeinem Verständnis jedwede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit für die Gesellschaft, vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rn. 7. Inwieweit diese recht allgemeine Begriffsdefinition präzisiert werden kann, wird unter S. 7 behandelt. 8 Wiesner, in: MünchHdb AG, § 19 Rn. 13. 9 Fleischer, ZIP 2003, 1, 3; Henze, BB 2000, 209; Kort, in: GroßkommAktG, § 76 Rn. 30; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaften, § 14 Rn. 1. 10 Hüffer, AktG, § 111 Rn. 3. 11 Lutter/Krieger, Aufsichtsrat, § 3 Rn. 63. 12 Wiesner, in: MünchHdb AG, § 19 Rn. 1.

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

III. Die Hauptversammlung Die Hauptversammlung ist gem. § 118 Abs. 1 AktG das Organ, durch welches die Aktionäre schwerpunktmäßig ihre Mitgliedschaftsrechte ausüben13. Sie entscheidet gem. § 119 Abs. 1 AktG in den im Gesetz und in der Satzung ausdrücklich bestimmten Fällen. Die gesetzlichen Zuständigkeiten sind vor allem14 im AktG15 und im UmwG16 aufgezählt. Diese abschließend geregelten Zuständigkeiten sind nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass der sowohl materielle als auch zeitliche Aufwand für die Einberufung einer Hauptversammlung beträchtlich ist und eine extensive Zuständigkeit eine erhebliche Einschränkung für den ordentlichen Geschäftsgang darstellt. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei die Satzungshoheit der Hauptversammlung, durch welche sie gem. § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG Gegenstand und Grenzen der Gesellschaftstätigkeit festlegt. Ebenfalls bedeutsam ist die Entscheidungskompetenz über die Verwendung des Bilanzgewinnes gem. § 119 Abs. 1 Nr. 2 AktG. Auch die übrigen in § 119 Abs. 1 AktG aufgeführten Fälle17 zeigen, dass die Hauptversammlung insbesondere über die grundlegenden Verhältnisse der Gesellschaft bestimmt18. Dies stimmt auch mit der Gesetzesbegründung zum AktG 1965 überein, wonach für alle Maßnahmen, die mit dem wirtschaftlichen und rechtlichen Aufbau der Gesellschaft zusammenhängen, eine Entscheidungsbefugnis der Hauptversammlung bestehen sollte19. Dies ist eine Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, die für den Fortgang der Untersuchung von großer Bedeutung ist. Gleichwohl kann aus dieser hervorgehobenen Stellung der Hauptversammlung keine ihr zukommende Allzuständigkeit für bedeutsame Angelegenheiten der Gesellschaft abgeleitet werden20. Wie der BGH unter Rückgriff auf die historischen Änderungen des AktG ausführt, ist sie für die Mitwirkung an der Leitung der Gesellschaft „in Anbetracht ihrer inhomogenen, dem Zufall ausgelieferten Zusammensetzung und ihrer Ferne zu den jeweils zu treffenden Geschäftsführungsmaßnahmen ihrer ganzen Struktur nach“ ungeeignet21. Über Fragen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung grundsätzlich nur entscheiden, wenn der Vorstand dies gem. § 119 Abs. 2 AktG verlangt.

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Semler, in: MünchHdb AG, § 34 Rn. 1. Vgl. aber auch § 33 Abs. 2 WpÜG. 15 Vgl. § 179, 179a, 293a, 319 AktG. 16 Vgl. §§ 65, 73, 125, 176, 226 ff. AktG. 17 Verwiesen sei hier auf die Entscheidung über Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und der Kapitalherabsetzung (Nr. 6) oder die Auflösung der Gesellschaft (Nr. 8). 18 Semler, in: MünchHdb AG, § 34 Rn. 4. 19 Geßler, in: FS Stimpel, S. 771, 785; vgl. auch die Begründung des RegE zu § 119 AktG, abgedruckt in: Kropff, Textausgabe AktG, S. 165. 20 Priester, ZHR 163 (1999), 187, 195 f. 21 BGH, NJW 2004, 1860, 1864 („Gelatine II“). 14

B. Die historische Entwicklung der Holzmüller-Rechtsprechung

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IV. Machtbalance Die vorigen skizzenartigen Ausführungen haben gezeigt, dass das Aktiengesetz von 1965 zunächst einmal dadurch geprägt ist, dass die Aufgaben und Zuständigkeiten jeweils einem bestimmten Organ ausdrücklich zugewiesen sind. Spiegelbildlich zu den Kompetenzzuweisungen in den §§ 76 Abs. 1, 111 und 119 Abs. 1 AktG werden dabei die anderen Organe von dem jeweiligen Aufgabenbereich ausgeschlossen, so dass die Kompetenzen klar voneinander abgegrenzt sind22. Dadurch wird eine Dezentralisierung der Entscheidungsbefugnisse erreicht. Hinsichtlich der gesetzlichen Kompetenzverteilungen befinden sich die Organe in einem System der Machtbalance23. Diese klare Aufteilung der Kompetenzen findet jedoch im AktG keine starre Handhabung. Teilweise24 wird auch eine Verzahnung der verschiedenen Organe zugelassen, so dass das Gesetz davon ausgeht, dass in bestimmten Fällen eine Kooperation der Organe sinnvoll ist25. Damit wird neben der grundsätzlichen Dezentralisierung der Entscheidungsmacht die Möglichkeit geschaffen, dass innerhalb der einzelnen Gesellschaft eine gewisse Flexibilität bei der Machtverteilung verbleibt, damit bestimmte Kompetenzen gesellschaftsindividuell ausgestaltet werden und somit eine Austarierung der Machtbalance im Einzelfall stattfinden kann. Dem aktienrechtlichen System der Machtverteilung liegt dabei der Gedanke zugrunde, dass, ungeachtet einer gewissen Grundlagenkompetenz der Hauptversammlung aufgrund ihrer Satzungshoheit, in der Gesellschaft keine Hierarchie zwischen den Organen existiert26.

B. Die historische Entwicklung der Holzmüller-Rechtsprechung Bemisst sich die Zuständigkeit der Hauptversammlung gemäß des Wortlauts des § 119 I AktG nach den im Gesetz und in der Satzung bezeichneten Fällen, so stellt die Anerkennung von ungeschriebenen Zuständigkeiten der Hauptversammlung einen Fremdkörper gegenüber der gesetzlichen Regelung dar. Schon vor der Anerkennung dieser besonderen Beschlusskompetenz durch den BGH hat es vereinzelt Bestrebungen gegeben, das fein austarierte System der Machtbalance zu modifizieren.

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Hüffer, AktG, § 76 Rn. 2, 4; § 111, Rn. 1; § 119 Rn. 1; Goette, AG 2006, 522 f. Hommelhoff, ZIP 1983, 383 f.; Goette, AG 2006, 522 f. 24 Beispielhaft genannt sei hier § 111 Abs. 4 AktG, wonach Satzung oder Aufsichtsrat festlegen können, dass bestimmte Geschäfte der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen. 25 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 866 ff. 26 Mülbert, in: GroßkommAktG Vorb. § 118 Rn. 43. 23

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

I. Die Anschauungs- und Regelungslücke des AktG Zwar ergibt sich aus den Regelungen des AktG und des UmwG, dass die Hauptversammlung in einer Reihe von grundlegenden Entscheidungen die Beschlusskompetenz hat. Gleichwohl folgt gerade aus dem in § 119 Abs. 1 AktG verankerten Enumerationsprinzip, dass die dem AktG von 1965 zugrunde liegende Auffassung einer Zuständigkeit der Hauptversammlung in allen Fragen des wirtschaftlichen und rechtlichen Aufbaus der Gesellschaft nur eine fragmentarische Ausprägung erhalten hat. Damit ist zugleich gesagt, dass nicht per se alle wesentlichen Entscheidungen der Entscheidungsgewalt der Hauptversammlung unterliegen27. Als grundlegende, nicht in die Hauptversammlungskompetenz fallende Maßnahmen kommen bestimmte Änderungen der Unternehmensstruktur28 und Maßnahmen von großer wirtschaftlicher Tragweite in Betracht29. Da es sich hinsichtlich dieser Angelegenheiten zwar der Definition nach um Geschäftsführungsmaßnahmen handelt, diese Maßnahmen jedoch aufgrund ihrer strukturverändernden Eigenschaft eine Sonderkategorie darstellen, bietet sich eine begriffliche Differenzierung zwischen Geschäftsführungsmaßnahmen und „Strukturmaßnahmen“30, d. h. Maßnahmen mit strukturveränderndem Effekt, an31. Eine genaue Konturierung dieses Begriffs wird in anderem Zusammenhang vorzunehmen sein32. Ergibt eine Gegenüberstellung zwischen den gesetzgeberischen Grundvorstellungen bezüglich der Hauptversammlungskompetenzen und dem Gesetz gewordenen Wortlaut des AktG von 1965, dass erstere nur teilweise im letzteren aufgegangen sind, so schließt sich die Frage an, ob es angesichts des in § 119 Abs. 1 verankerten Enumerationsprinzips auch ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung geben kann. Dies ist in der Vergangenheit von Teilen der Literatur verneint worden33. Auch die Gesetzesbegründung zum AktG von 1965 scheint in diese Richtung zu weisen: „In anderen als den danach zulässigen Fällen kann die Hauptversammlung nicht beschließen“34. Gleichwohl hat Hommelhoff belegt, dass § 119 Abs. 1 AktG – in Kenntnis der bis zum Erlass des AktG 1937 gängigen Praxis, wonach aus der Allgewalt der Generalversammlung auch auf ihre Zuständigkeit in Geschäftsführungsmaß27

Darin unterscheidet sich die Aktiengesellschaft vom gesetzlichen Prototyp der GmbH. Z. B. die Ausgliederung wesentlicher Vermögensgegenstände; vgl. Zweiter Teil, D. II. 2. a) aa). 29 Z. B. der Erwerb wesentlicher Beteiligungen; vgl. Zweiter Teil, D. II. 2. c). 30 Teilweise wird auch der aus dem Personengesellschaftsrecht stammende Begriff „Grundlagengeschäft“ verwandt, vgl. Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 36 ff. 31 Vgl. Lutter, in: Lutter, UmwG, Einl. I Rn. 60. 32 Vgl. Zweiter Teil, D. II. 1. 33 So etwa Sünner, AG 1983, 169, 172; Heinsius, ZGR 1984, 384, 399; vgl. aber Joost, ZHR 163 (1999), 164, 174 f. 34 Vgl. die Begründung des RegE zu § 119 AktG, abgedruckt in: Kropff, Textausgabe AktG, S. 165. 28

B. Die historische Entwicklung der Holzmüller-Rechtsprechung

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nahmen geschlossen wurde – lediglich darauf abzielt, Ähnliches für die Zuständigkeiten der Hauptversammlung zu verhindern35. Insoweit enthält § 119 Abs. 1 AktG kein generelles Analogieverbot. Auch hat der Gesetzgeber bei Verabschiedung des AktG 1965 die Kompetenzverteilung zwischen Vorstand und Hauptversammlung nicht abschließend geregelt, sondern sich auf den Schutz der außen stehenden Aktionäre einer abhängigen Gesellschaft konzentriert, während etwa die Auswirkungen der Konzernbildung auf die Aktionäre der herrschenden Gesellschaft nur punktuell gesehen und daher nicht abschließend bearbeitet wurden36. Insoweit bestand bei Schaffung des AktG eine Anschauungslücke37. Diese wurde auch durch das Gesetzgebungsverfahren zum UmwG nicht durch den Gesetzgeber gefüllt. Zwar erwog dieser, nachdem sich zunächst die Literatur und ihr anschließend auch der BGH in seinem Holzmüller-Urteil38 der Anschauungslücke angenommen hatten, die vom BGH aufgestellte „Holzmüller-Doktrin“ im UmwG zu kodifizieren. Grund dafür war die Überlegung, dass es für die Schutzbedürftigkeit der Aktionäre ohne Belang sei, ob die Ausgliederung wie bisher im Wege der Einzelrechtsnachfolge oder im Wege partieller Gesamtrechtsnachfolge vollzogen wird. Daher sah § 252 Abs. 1 des Diskussionsentwurfs39 zum UmwG eine Umgehungsklausel vor, nach der u. a. etwa Ausgliederungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge in gleicher Weise zu behandeln seien wie die im UmwG geregelten Fälle, sofern es sich nicht um solche handelte, die im Rahmen des üblichen Geschäftsbetriebs eingegangen werden40. Das Vorhaben des Gesetzgebers, die Holzmüller-Doktrin zu kodifizieren, stieß jedoch im Schrifttum auf Kritik, so dass von einer entsprechenden Regelung abgesehen wurde41. Dabei sollte die unterbliebene Kodifizierung jedoch nach Ansicht des Gesetzgebers keine abschließende Regelung dieser Thematik sein, sondern eine Aufforderung an Rechtsprechung und Literatur das Recht fortzubilden42. Auch nach Einführung des UmwG besteht diese Anschauungslücke daher fort43.

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Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 87 ff.; vgl. auch Mecke, Konzernstruktur, S. 164. 36 BGHZ 83, 122, 136 f. („Holzmüller“); Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 386; Mecke, Konzernstruktur, S. 167 ff.; Timm, ZHR 153 (1989), 60 f.; Dietz, Ausgliederung, S. 294. 37 BGH, NJW 2004, 1860, 1863 („Gelatine II“); Geßler, in: FS Stimpel, S. 771, 780; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 87 ff. 38 Dazu sogleich unter IV. 39 Vgl. auch den Diskussionsentwurf zu § 251 UmwG und den Referentenentwurf zu §§ 137, 141 UmwG, abgedruckt in: Ganske, Umwandlungsrecht, S. 170 ff. 40 Abgedruckt bei K. Schmidt, in: FS Heinsius, S. 715, 717; ebenfalls veröffentlicht als Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 214a vom 15.11.1988. 41 K. Schmidt, ZGR 1995, 675, 677; ders., in: FS Heinsius, S. 715 ff. 42 Tröger, ZIP 2001, 2029, 2034. 43 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 394; Wagner, Ungeschriebene Kompetenzen, S. 196; a.A.: Aha, AG 1997, 345, 356; Lüders/Wulf, BB 2001, 1209 f.; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 192, 197; Bungert, NZG 1998, 367 f.

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

II. Der Mediatisierungseffekt Ausgangslage für die Überlegungen zur Rechtfertigung einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit waren die Verkürzungen der Herrschaftsrechte der Aktionäre, die durch die Ausgliederung von wesentlichen Unternehmensteilen44 oder ihr vergleichbare Maßnahmen entstehen. Diese Auswirkungen wurden unter dem Schlagwort „Mediatisierungseffekt“45 zusammengefasst46. 1. Verkürzung der Mitverwaltungsrechte Die Ausgliederung eines wesentlichen Betriebsteils führt zunächst zu einer Verkürzung der Mitverwaltungsrechte der Aktionäre, da diese nicht zur Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen des nun rechtlich verselbstständigten Betriebsteils berechtigt sind. Dies hat zum Einen Auswirkungen auf das Informationsrecht der Aktionäre der (Ober-)Gesellschaft: Wollen diese Informationen über den bisherigen Betriebsteil einholen, müssen sie sich im Rahmen ihres Auskunftsrechts gem. § 131 Abs. 1 S. 1 AktG an die Obergesellschaft wenden47. Zwar umfasst das Auskunftsrecht auch die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen48. Allerdings sind die Informationsmöglichkeiten der Obergesellschaft im Konzern beschränkt, da dieser trotz der wirtschaftlichen Einheit weder eine organisationsrechtliche, noch eine datenschutzrechtliche Informationseinheit ist49. Das Auskunftsrecht der Aktionäre ist daher aufgrund der beschränkten Informationsmöglichkeit des Vorstands nicht mehr so weitreichend wie vor der Betriebsausgliederung. Ebenfalls betroffen ist das Stimmrecht der Aktionäre. Dadurch, dass sämtliche Beschlussgegenstände, die zuvor der Hauptversammlung unterstellt waren, nunmehr direkt vom Vorstand entschieden werden, haben diese in so wichtigen Fragen wie Satzungsänderungen der Tochtergesellschaft, der Entlastung des Vorstands der Tochtergesellschaft oder in unternehmerischen Grundentscheidungen wie Unternehmens44

Im Folgenden soll der Mediatisierungseffekt anhand des „Prototyps“, der Ausgliederung im Wege der Einzelrechtsnachfolge, illustriert werden. 45 Unter Mediatisierung wird herkömmlich die Aufhebung der unmittelbaren Beziehung von Territorien, Herrschaften oder Städten zu einer übergeordneten hoheitlichen Gewalt durch einen dazwischen tretenden regionalen Herrschaftsträger verstanden. Zur Zeit des Heiligen Römischen Reiches wurden insbesondere durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 und die Rheinbundakte von 1806 bis dato reichsunmittelbare Territorien in weltliche Fürstentümer verwandelt, so dass diese nicht mehr unmittelbar dem Kaiser, sondern regionalen Landesherren unterstanden. Zum Ganzen: Willoweit, in: HRG, S. 412 f. 46 BGHZ 153, 47, 54 („Macrotron“); BGH, NZG 2004, 575, 577 („Gelatine I“); BGH, NZG 2007, 234 („Stuttgarter Hofbräu“); OLG Hamm, NZG 2008, 155, 157; Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 157; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 34; Goette, AG 2006, 522, 525 f. 47 Seydel, Konzernbildungskontrolle, S. 386 f. 48 Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 66 f. 49 Schneider, ZHR 143 (1979), 485, 502.

B. Die historische Entwicklung der Holzmüller-Rechtsprechung

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verträgen, Fusionen, der Aufnahme fremder Gesellschafter oder der vollständigen Übertragung des Gesellschaftsvermögens keine Entscheidungskompetenz mehr50. Ihr Stimmrecht wird durch die Ausgliederung daher ausgehöhlt. Gleiches gilt in Ansehung der Klagerechte der Aktionäre. Schließlich verlieren die Aktionäre auch die Möglichkeit, Einfluss auf die personelle Zusammensetzung der Verwaltung der Tochtergesellschaft durch die Bestellung des Aufsichtsrats zu nehmen51.

2. Verwässerung der Vermögensrechte Über die Aushöhlung der Herrschaftsrechte hinaus, tritt durch die Ausgliederung auch eine Gefährdung der Vermögensinteressen der an der (Ober-)Gesellschaft beteiligten Aktionäre ein. Damit ist zunächst die Möglichkeit des Vorstands angesprochen, über den Bilanzgewinn der Tochtergesellschaft zu bestimmen. Grund dafür ist, dass die Muttergesellschaft im Falle der Ausgliederung eines Betriebsteils alleinige Gesellschafterin der neuen, rechtlich selbstständigen Tochtergesellschaft wird und die Gesellschafterrechte der Muttergesellschaft durch ihren Vorstand ausgeübt werden. Dadurch hat der Vorstand der Muttergesellschaft die Möglichkeit, innerhalb der nun ihm zustehenden Entscheidung über den Bilanzgewinn der Tochtergesellschaft durch die Bildung von Rücklagen den verteilungsfähigen Jahresüberschuss der Muttergesellschaft zu reduzieren. Damit wird nicht nur die Thesaurierungsschranke des § 58 Abs. 2 AktG faktisch umgangen, sondern gleichzeitig in die Gewinnverwendungskompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft eingegriffen52. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass der Vorstand der Obergesellschaft durch die rechtliche Verselbstständigung der Tochtergesellschaft seine Leitungsaufgabe und insbesondere die sorgfältige Abwägung von Chancen und Risiken in der Tochtergesellschaft nicht mehr uneingeschränkt wahrnehmen kann53. Grund dafür ist, dass mit der rechtlichen Trennung eine Verselbstständigung von Interessenkreisen einhergeht, die auch bei hundertprozentigen Tochtergesellschaften in Gestalt betrieblicher Mitbestimmung, der gem. §§ 311 ff. AktG bestehenden Einschränkungen der Einflussnahme oder dem Zwang zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen die Leitungsmacht des Vorstands einschränkt54. Damit wird jedoch die Gefahr erhöht, dass das von den Gesellschaftern der Obergesellschaft eingesetzte Kapital verwirtschaftet wird. Somit führt die Ausgliederung einer Tochtergesellschaft – selbst wenn sich diese zu 100 % im Eigentum der Obergesellschaft befindet – neben der Verkürzung von Mitverwaltungsrechten auch zu einer u. U. erheblichen Beeinträchtigung der Vermögensrechte der Aktionäre. 50 51 52 53 54

Lutter, in: FS Westermann, S. 347, 357 ff. Lutter, in: FS Westermann, S. 347, 360. Lutter, in: FS Westermann, S. 347, 352. Mecke, Konzernstruktur, S. 60. Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 44 ff.

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

III. Die ersten Ansätze in der Literatur Die Idee einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit wurde zuerst von Lutter und Schneider aufgrund konzernverfassungsrechtlicher Überlegungen entwickelt55. Lutter und Schneider entwickelten in Ansehung dieser Aushöhlung der Hauptversammlungskompetenz das Modell einer „konzernspezifischen Binnenordnung“. Danach sei der Konzern eine verbandsähnliche Organisationsform, deren Grundorgan die Hauptversammlung sei, so dass bei grundlegenden Veränderungen der Organisationsstruktur des Konzerns diese zuständig sei56. Trotz des Vorzugs, dass dieser Ansatz für die Erklärung ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten ein scheinbar stimmiges dogmatisches Konzept zur Verfügung stellt, kann ihm aus zwei Gründen nicht gefolgt werden: Erstens steht die Grundannahme der konzernspezifischen Binnenordnung, nämlich die Vergleichbarkeit des Konzerns mit anderen Verbandsformen, in Zweifel: So muss sogar Lutter einräumen, dass die in § 705 BGB verankerte Gleichordnung der Gesellschafter in der GbR für den Unterordnungskonzern nicht zutrifft57. Über die Gleichordnung hinaus fehlt es beim klassischen Unterordnungskonzern auch an der Freiwilligkeit des Zusammenschlusses, der Gemeinsamkeit des Zwecks und der grundsätzlich gleichberechtigten demokratischen Entscheidungsteilhabe aller Verbandsmitglieder, so dass letztlich die für einen Verband prägenden Charakteristika nicht erfüllt werden58. Insoweit ist dem Modell der konzernspezifischen Binnenordnung der Boden entzogen. Während der BGH in seinem „Holzmüller-Urteil“ trotz angedeuteter Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung dieses Modells59 offen ließ, ob er ihm folgen wollte, erteilte er diesem schließlich in seinen – zu späterem Zeitpunkt eingehender zu untersuchenden – „Gelatine-Urteilen“ eine klare Absage60.

IV. Das „Holzmüller-Urteil“ In seinem „Holzmüller-Urteil“ aus dem Jahr 1982 nahm der BGH zum Komplex ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten erstmals Stellung. Dabei setzte er durch dieses Urteil eine über 20 Jahre anhaltende und intensiv geführte Diskus-

55 Lutter, in: FS Westermann, S. 347 ff.; Schneider, ZHR 143 (1979), 485, 490 f.; ders., BB 1981, 249 ff.; ähnlich auch schon Kropff, in: FS Geßler, S. 111, 120 f., 124 f.; dem folgend: Timm, AG 1980, 172 ff. 56 Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 832, 844; Schneider, ZHR 143 (1979), 485, 491; ders., BB 1981, 249, 251. 57 Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 829 Fn. 29. 58 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 26. 59 BGHZ 83, 122, 138 („Holzmüller“). 60 BGH, NZG 2004, 575, 577 („Gelatine I“); BGH, NJW 2004, 1860, 1862 („Gelatine II“).

B. Die historische Entwicklung der Holzmüller-Rechtsprechung

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sion in Gang und sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, eine „ausweglos erscheinende Wüste der Unsicherheit“61 eröffnet zu haben. 1. Der Sachverhalt Dem Holzmüller-Urteil vom 25. 2. 1982 lag im Wesentlichen die Ausgliederung eines wesentlichen Unternehmensbereichs auf eine Tochtergesellschaft zugrunde: Die Hamburger Müller & Sohn AG, deren Unternehmensgegenstand laut Satzung im Betrieb einer Umschlag- und Lagerungsanlage für Holz bestand und die laut Satzung auch dazu ermächtigt war, andere Unternehmen zu errichten und diesen ihren Betrieb zu überlassen, wollte ihren „Seehafenbetrieb“ in eine neu gegründete Tochtergesellschaft in Form einer KGaA einbringen. Dabei stellte der florierende Seehafenbetrieb nach den Feststellungen des Berufungsgerichts knapp 80 % des Aktivwertes des Gesamtunternehmens dar62. Der Kläger, Aktionär der Müller & Sohn AG, war der Ansicht, dass die Ausgliederung des Seehafenbetriebs ohne Zustimmung der Hauptversammlung nicht möglich war und beantragte daher, die Nichtigkeit der Maßnahme festzustellen. Hilfsweise beantragte er insbesondere festzustellen, dass bei allen Maßnahmen der Tochtergesellschaft, für die nach dem Gesetz ein Hauptversammlungsbeschluss mit qualifizierter Mehrheit erforderlich sei, die Zustimmung der Hauptversammlung der Muttergesellschaft mit entsprechender Mehrheit einzuholen sei. 2. Das Urteil Der BGH lehnte in seiner Urteilsbegründung den Hauptantrag des Klägers mit den Feststellungen ab, dass zunächst kein Verstoß gegen § 361 AktG a.F. (§ 179a AktG) vorlag, da der Seehafenbetrieb nicht das gesamte Vermögen ausmachte und die Gesellschaft auch mit dem zurückbehaltenen Betriebsvermögen noch ausreichend in der Lage war, ihre satzungsmäßigen Unternehmensziele zu verfolgen63. Auch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf Fälle, in denen ein den Schwerpunkt bildender Betriebsteil ausgegliedert wird, lehnte der BGH unter Berufung auf die eindeutige Gesetzesfassung und etwaige Abgrenzungsschwierigkeiten ab64. Ferner verneinte der BGH auch eine Zustimmungspflicht aufgrund sog. „faktischer Satzungsänderung“, da die Satzung die Maßnahmen der Geschäftsführung ausdrücklich deckte. Gleichwohl stellte der BGH fest, dass es bestimmte grundlegende Entscheidungen gäbe, die zwar formal noch durch die Vertretungsmacht des Vorstands, seine Geschäftsführungsbefugnis und den Wortlaut der Satzung gedeckt sind, „gleichwohl aber so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum ver61 62 63 64

Heinsius, ZGR 1984, 383, 388. OLG Hamburg, ZIP 1980, 1000, 1004 f. BGHZ 83, 122, 128 („Holzmüller“). BGHZ 83, 122, 129 („Holzmüller“).

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

körpertes Vermögensinteresse eingreifen, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung treffen, ohne die Hauptversammlung zu beteiligen“65. In diesem Fall verletze der Vorstand nach Ansicht des BGH seine Sorgfaltspflicht, wenn er von der Möglichkeit einer Vorlage nach § 119 Abs. 2 AktG keinen Gebrauch macht66. Insoweit „reduziere“ sich das dem Vorstand gem. § 119 Abs. 2 AktG eingeräumte Ermessen auf Null67. Zwar sei die Ausgliederung des Seehafenbetriebs eine solche grundlegende Entscheidung. Jedoch führe eine Verletzung dieser internen Vorlagepflicht nicht zur Unwirksamkeit der Maßnahme, da die Vertretungsmacht des Vorstands gem. § 82 Abs. 1 AktG nur durch das Gesetz beschränkbar sei68. Im Ergebnis blieb der Hauptantrag somit ohne Erfolg. Im Rahmen des Hilfsantrags ergänzte der BGH die zuvor festgestellte interne Vorlageverpflichtung des Vorstands um die ungeschriebene Kompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft bei grundlegenden Entscheidungen in der Tochtergesellschaft in der gleichen Form beteiligt zu werden, als wenn es sich um eine Angelegenheit der Obergesellschaft selbst handelt69. Dies begründete der BGH mit den bereits von der Literatur festgestellten Folgen einer Ausgliederung von wesentlichen Betriebsteilen für die Aktionäre der Obergesellschaft70 und der insoweit bestehenden Lückenhaftigkeit des Aktienrechts, dem als Prinzip der Schutz der Minderheitsaktionäre vor einer Entwertung ihrer Mitgliedschaft zu Grunde läge71. Dabei stellte der BGH fest, dass nicht jede Entscheidung, die in der Tochtergesellschaft einer qualifizierten Mehrheit bedarf, automatisch zu einer Zuständigkeit der Aktionäre der Obergesellschaft führe, das Kriterium der qualifizierten Zustimmung also nicht zwangsläufig auch Indikator für eine Zuständigkeit der Hauptversammlung der Obergesellschaft sei. Der BGH begründete diese Feststellung damit, dass auch Sitzverlegungen und Firmenänderungen zwar qualifiziert zustimmungsbedürftige Maßnahmen in der Tochtergesellschaft darstellten, sich aber nicht schwerwiegend auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Obergesellschaft und die damit verbundenen Mitgliedschaftsrechte auswirken würden72. In der Konsequenz lehnte der BGH den Hilfsantrag des Klägers als zu weit gehend ab.

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Kubis weist zu Recht darauf hin, dass es sich bei dieser Formulierung um eine partielle Tautologie handelt, da auch das Vermögensinteresse im Sinne vermögensrechtlicher Positionen Ausfluss der Mitgliedschaft ist; in: MünchKommAktG, § 119 Rn. 44. 66 BGHZ 83, 122, 131 („Holzmüller“). 67 Kubis, in: MünchKommAktG, § 119 Rn. 32. 68 BGHZ 83, 122, 132 („Holzmüller“); anders noch die Vorinstanz OLG Hamburg, ZIP 1980, 1000. 69 BGHZ 83, 122, 138, 140 („Holzmüller“). 70 Vgl. Zweiter Teil, B. II. 2. 71 BGHZ 83, 122, 136, 139 („Holzmüller“). 72 BGHZ 83, 122, 136, 140 („Holzmüller“).

B. Die historische Entwicklung der Holzmüller-Rechtsprechung

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3. Die Reaktionen aus der Literatur und Rechtsprechung Diese Entscheidung des BGH fand weitgehend Einzug in die instanzgerichtliche Rechtsprechung und wurde lediglich in Bezug auf die inhaltlichen Anforderungen der vom BGH aufgestellten Grundsätze unterschiedlich beurteilt73. In der Rechtsliteratur entbrannte dagegen eine der längsten und umfangreichsten Diskussionen des Aktienrechts74. Dabei war das Meinungsspektrum in der Literatur zunächst gespalten, wobei die Entscheidung überwiegend abgelehnt wurde75. Kritisiert wurde an der Entscheidung insbesondere, dass der BGH keine allgemeingültigen quantitativen und qualitativen Vorgaben über die Bestimmung „holzmüllerpflichtiger“ Maßnahmen aufgestellt hatte76. Zudem wurde durch das Urteil eine Reihe von Folgefragen aufgeworfen, von denen insbesondere die Frage nach der dogmatischen Verankerung einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit und die für eine HolzmüllerMaßnahme zu erreichende Mehrheit verstärkt diskutiert wurden77. Auch wenn mittlerweile die befürwortenden Stimmen im Schrifttum zu Recht dominieren78, bestehen nach wie vor ungeklärte Folgefragen, zu denen auch die Informationspflichten des Vorstands vor und bei der Durchführung von Hauptversammlungen zählen.

73 Siehe nur: OLG Celle, DB 2001, 804 f.; OLG München, AG 1995, 232 f.; OLG Köln, ZIP 1993, 110, 112; LG Duisburg, AG 2003, 390 f.; LG Düsseldorf, AG 1999, 94 f.; LG Heidelberg, AG 1999, 135, 137. 74 Vgl. die umfangreichen Nachweise bei Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Fn. 163. 75 Zustimmend: Großfeld/Brondics, JZ 1982, 589, 591; Rehbinder, ZGR 1983, 92, 97; Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 843; ders., ZHR 151 (1987), 444, 452; Geßler, in: FS Stimpel, S. 771, 781 ff.; Emmerich, AG 1991, 303, 307; ablehnend: Martens, ZHR 147 (1983), 377, 404 ff.; Sünner, AG 1983, 169, 171 ff.; Heinsius, ZGR 1984, 383, 388; Beusch, in: FS Werner, S. 1, 21; Flume, JurPerson, § 8 V 4; Götz, AG 1984, 85, 90 f.; Kropff, ZGR 1984, 112, 123; Semler, BB 1983, 1566, 1573; Werner, ZHR 147 (1983), 429, 437 ff.; Westermann, ZGR 1984, 352, 380; ders., ZHR 156 (1992), 203, 214 f. 76 Semler, BB 1983, 1566, 1571; Martens, ZHR 147 (1983), 377, 381; Heinsius, ZGR 1984, 383, 396; Kubis, in: MünchKommAktG, § 119 Rn. 32. 77 Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 119 Rn. 23. 78 Lutter, in: FS Westermann, S. 347 ff.; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 179 ff.; Henze, BB 2000, 209, 211; ders., in: FS Ulmer, S. 211 ff.; Hüffer, AktG, § 119 Rn. 18; ders., in: FS Ulmer, S. 279, 284 ff.; Krieger, in: MünchHdb AG § 69 Rn. 9; Leinekugel, Ausstrahlungswirkung S. 71 ff.; Mecke, Konzernstruktur, S. 129 ff.; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 194; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 50 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 870 f.; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 33; Kubis, in: MünchKommAktG, § 119 Rn. 40; nach wie vor ablehnend: Koppensteiner, in: Kölner KommAktG, Vorb. § 291 Rn. 42 ff.; ders., Der Konzern 2004, 381, 384.

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

V. Die „Gelatine-Urteile“ Nachdem der BGH 2002 in seinem Macrotron-Urteil eine Einordnung unter die Holzmüller-Grundsätze verneint hatte, bekam er 2004 erneut die Möglichkeit, sich zum Komplex der Holzmüller-Maßnahmen zu äußern. Dabei nahm er zu einigen der durch die Literatur aufgeworfenen Problemfelder Stellung und begrenzte u. a. die bisherige Holzmüller-Rechtsprechung auf eng begrenzte Ausnahmefälle79. 1. Die Sachverhalte Den weitgehend inhaltsgleichen Urteilen vom 26. 4. 2004 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die beklagte Deutsche Gelatine-Fabriken Stoess AG, deren Unternehmensgegenstand ausweislich der Satzung u. a. in der Herstellung und im Vertrieb von Gelatineerzeugnissen bestand, die aber gleichzeitig als Konzernholding fungierte, war zu 49 % an einer KG und deren Komplementärin beteiligt, die zu knapp 44 % zum Konzernergebnis beitrug, ca. 31 % der Konzernbilanz auswies und ca. 55 % der Konzernmitarbeiter beschäftigte. In der Hauptversammlung sollte der Vorstand ermächtigt werden, die Beteiligungen an der KG und der Komplementärin in eine hundertprozentige Tochter einzubringen. Der Ermächtigungsbeschluss wurde mit einer Mehrheit von 66,4 % gefasst. Dieser Beschluss wurde von den Minderheitsaktionären mit der Begründung angefochten, dass es sich angesichts der Bedeutung der KG für den Konzern um eine nach den Grundsätzen der Holzmüller-Entscheidung zustimmungspflichtige Maßnahme gehandelt habe, so dass eine Mehrheit von Dreivierteln des vertretenen Kapitals erforderlich gewesen sei. In der zweiten Entscheidung hatte der Vorstand der Beklagten Anteile u. a. an einer schwedischen Tochtergesellschaft, die nicht unerheblich zum Konzernergebnis beitrug, im Wege der Sachkapitalerhöhung in eine deutsche Tochtergesellschaft eingebracht. Dabei war jedoch die Hauptversammlung nicht beteiligt worden, weshalb die klagenden Aktionäre vor dem LG Heidelberg zunächst die Rückgängigmachung dieser Maßnahmen anstrebten80. Dadurch sah sich die Beklagte genötigt, in der nächsten Hauptversammlung die Genehmigung der angegriffenen Maßnahmen zur Abstimmung zu stellen. Dabei wurde eine Stimmenmehrheit von knapp 70 % erreicht. Auch dieser Beschluss wurde angefochten, da nach Auffassung der Aktionäre die Einbringung der Anteile nur als Teil eines weiter reichenden Gesamtkonzepts zu einer grundlegenden Umstrukturierung des Konzerns und Umwandlung der Beklagten in eine reine Holdinggesellschaft zu qualifizieren sei. Da für diesen Fall die Grundsätze der Holzmüller-Rechtsprechung anwendbar seien, habe ein entsprechender Beschluss der Hauptversammlung ebenfalls einer qualifizierten Mehrheit des vertretenen Kapitals bedurft.

79 80

BGH, NZG 2004, 575 („Gelatine I“); BGH, NJW 2004, 1860 („Gelatine II“). LG Heidelberg (Az. 11 O 68/00 KfH).

B. Die historische Entwicklung der Holzmüller-Rechtsprechung

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2. Die Urteile Der BGH wies in beiden Fällen die Revision mit im Wesentlichen gleichlautenden Entscheidungsgründen ab81. Zunächst schloss sich der BGH der Auffassung des Berufungsgerichts an, wonach die Maßnahmen des Vorstands nicht Teil eines Gesamtkonzepts zur Umstrukturierung waren. Somit verneinte der BGH zunächst ein Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung gem. § 179 Abs. 2 AktG wegen faktischer Satzungsänderung des Unternehmensgegenstands der Holding-Gesellschaft. Anschließend bestätigte der BGH seine Holzmüller-Rechtsprechung dem Grunde nach und begründete diese damit, dass durch derartige grundlegende Entscheidungen des Vorstands die Aktionäre zum einen vor einer Mediatisierung ihres Einflusses und zum anderen vor einer nachhaltigen Schwächung des Werts ihrer Beteiligungen geschützt werden müssten82. Eine Mediatisierung sei vorliegend darin zu erblicken, dass durch die Umhängung der Tochtergesellschaften unter eine andere Tochtergesellschaft eine weitere hierarchische Zwischenstufe zu der Hauptversammlung der Obergesellschaft geschaffen werde, durch welche deren Einfluss auf die umgehängte Gesellschaft abnähme. Zudem stellte er in Übereinstimmung mit der bis dato herrschenden Auffassung in der Literatur fest, dass die unter die Holzmüller-Rechtsprechung fallenden Geschäftsführungsmaßnahmen an das Kriterium der Dreiviertel-Mehrheit des vertretenen Grundkapitals gebunden seien83. Schließlich führte er die Holzmüller-Doktrin auf Ausnahmefälle zurück, indem er die im Holzmüller-Urteil verwandte Formel des „tiefen Eingriffs in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse“ dadurch ergänzte, dass dieser Eingriff in seinen Auswirkungen an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreichen müsse84. Letzteres sei, entgegen den im Schrifttum aufgestellten deutlich niedrigeren Schwellenwerten, regelmäßig erst dann der Fall, wenn die Maßnahme in ihrer Bedeutung der dem Holzmüller-Fall zugrundeliegenden Ausgliederung entspräche85. Da der BGH diese Voraussetzung bei den zu entscheidenden Fällen nicht als erfüllt ansah, wies er die Revision ab.

81 82 83 84 85

BGH, NZG 2004, 575 („Gelatine I“); BGH, NJW 2004, 1860 („Gelatine II“). BGH, NJW 2004, 1860, 1864 („Gelatine II“). BGH, NJW 2004, 1860, 1864 („Gelatine II“). BGH, NJW 2004, 1860, 1863 f. („Gelatine II“). BGH, NZG 2004, 575, 579 („Gelatine I“); BGH, NJW 2004, 1860, 1864 („Gelatine II“).

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

C. Die dogmatische Herleitung der Holzmüller-Doktrin Auch wenn die Gelatine-Urteile in der Literatur überwiegend positive Resonanz erfuhren86, wurde die dogmatische Einordnung der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten kritisiert87. Es gilt insoweit zu klären, wie die „HolzmüllerDoktrin“ dogmatisch erklärt werden kann, wodurch zugleich eine grundlegende methodische Vorfrage für die Klärung der Reichweite von Informationspflichten des Vorstands beantwortet wird.

I. Der Ansatz des BGH im Holzmüller-Urteil In seinem Holzmüller-Urteil erörterte der BGH zunächst eine Analogie zu § 179a Abs. 1 S. 1 AktG (§ 361 AktG a.F.), lehnte diesen Ansatz aber im Ergebnis ab88. Dies begründete er zunächst mit dem Wortlaut der Vorschrift, welcher die Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens voraussetzt. Nach Ansicht des BGH ist diese Voraussetzung jedoch nicht erfüllt, solange die Gesellschaft mit dem ihr verbleibenden Vermögen noch in der Lage ist, ihren satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand zu verfolgen. Gegen eine Analogie zu § 179a AktG spricht zudem, dass die Veräußerung des gesamten Gesellschaftsvermögens nicht nur zu einer Zustimmungspflicht der Hauptversammlung nach § 179a Abs. 1 S. 1 AktG, sondern gleichzeitig auch zu einer Einschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands führt89. Diese Rechtsfolge ist jedoch mit § 82 Abs. 1 AktG nicht vereinbar, wonach die Vertretungsbefugnis des Vorstands grundsätzlich unbeschränkbar ist. Auch Gründe des Rechtsschutzes und der Verkehrssicherheit erfordern, dass eine Verletzung der Zustimmungspflicht durch den Vorstand nicht zur Unwirksamkeit der Maßnahme im Außenverhältnis führt. Daher ist dem BGH in der Ablehnung einer Heranziehung des § 179a AktG zu folgen90. Im Anschluss an diesen Exkurs machte der BGH die Zuständigkeit der Hauptversammlung an einer aus § 119 Abs. 2 AktG folgenden Vorlagepflicht des Vorstands fest91. Dabei war er ersichtlich von dem Bestreben geleitet, die Rechtsfolgen einer 86

Altmeppen, ZIP 2004, 999; Fleischer, NJW 2004, 2335, 2339; Götze, NZG 2004, 585; Weißhaupt, AG 2004, 585, 590; Liebscher, ZGR 2005, 1, 33; Reichert, AG 2005, 150, 152 f.; kritisch: Koppensteiner, Der Konzern 2004, 381; allein auf Vermögensinteressen abstellend: Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 202 ff., 416 ff. 87 Fleischer, NJW 2004, 2335, 2337; Hirte, EWiR § 179 AktG 2004, 1161 f.; Koppensteiner, Der Konzern 2004, 381, 383; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1579; Liebscher, ZGR 2005, 1, 20 f. 88 BGHZ 83, 128 („Holzmüller“). 89 BGHZ 83, 129 („Holzmüller“). 90 So auch Hüffer, AktG, § 179a Rn. 23; Westermann, ZGR 1984, 352, 360. 91 BGHZ 83, 122, 131 („Holzmüller“).

C. Die dogmatische Herleitung der Holzmüller-Doktrin

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Missachtung des Zustimmungserfordernisses auf das Innenverhältnis zu beschränken92. Diese Vermeidung einer Beeinträchtigung der Vertretungsmacht des Vorstands ist mit Rücksicht auf die Sicherheit im Rechtsverkehr auch geboten. Allerdings hat dem BGH und den ihm folgenden Instanzgerichten93 die dogmatische Herleitung dieser Rechtsfolge verbreitete Kritik aus der Literatur eingebracht: Der BGH stellte fest, dass sich unter bestimmten Umständen das in § 119 Abs. 2 AktG enthaltene Ermessen des Vorstands, über einen bestimmten Gegenstand eine Entscheidung der Hauptversammlung herbeizuführen, zu einer Vorlagepflicht verdichten könnte. Diese Konstruktion ähnelt stark der aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht bekannten Figur der „Ermessensreduzierung auf Null“. Dabei ist jedoch schon fraglich, ob eine solche Rechtsfigur, die dem Verhältnis zwischen Staat und Bürger entlehnt ist, ohne weiteres auf den Bereich zwischen gesellschaftlichen Organen übertragen werden kann94. Selbst wenn man dies bejahen sollte, müsste in Konsequenz einer solchen Übertragung auch darauf abgestellt werden, dass die in Frage stehende Ermessensvorschrift drittschützenden Charakter hat. Dies würde voraussetzen, dass § 119 Abs. 2 AktG seiner Ratio nach zumindest auch dem Schutz der Hauptversammlung zu dienen bestimmt ist. Daran bestehen jedoch erhebliche Zweifel: Die Vorschrift steht in einem engen funktionalen Zusammenhang mit § 93 Abs. 4 S. 1 AktG und dient damit in erster Linie dazu, dem Vorstand bei Geschäftsführungsmaßnahmen die Möglichkeit einer Haftungsbefreiung zu verschaffen95. Damit dient die Vorschrift dem Schutz des Vorstands, nicht aber der Hauptversammlung96. Aus § 119 Abs. 2 AktG eine haftungsverschärfende Vorlagepflicht herzuleiten, steht somit in einem unverkennbaren Widerspruch zum Sinn der Vorschrift. Darüber hinaus spricht auch der Wortlaut des § 119 Abs. 2 AktG nicht für die Möglichkeit der Begründung einer Pflicht zur Vorlage. Trotz des diesem Lösungsansatz zugute zu haltenden Vorteils, dass sich ein Verstoß gegen die Vorlagepflicht nicht in der Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands niederschlägt, ist dieser dogmatische Ansatz daher abzulehnen.

II. Die dogmatischen Begründungsansätze aus der Literatur Nachdem die überwiegende Literatur das Holzmüller-Urteil anfänglich gänzlich abgelehnt hatte, ging mit dem allmählichen Umdenken auch eine Erörterung der dog92

Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 39. Vgl. OLG Celle, DB 2001, 804; OLG München, AG 1995, 232 f.; OLG Köln, AG 1993, 86; LG Hannover, AG 2001, 150; LG Düsseldorf, AG 1999, 94; LG Hamburg, AG 1997, 238; a.A. das LG Karlsruhe, das bei einer Ausgliederung eine analoge Anwendung der §§ 123 Abs. 3, 125 S. 1, 13 Abs. 1, 65 Abs. 1 S. 1 UmwG befürwortet hatte, ZIP 1998, 385 f. 94 Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 170. 95 Martens, ZHR 147 (1983), 377, 383; Werner, ZHR 147 (1983), 429, 438 f. 96 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 39; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 169. 93

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

matischen Verankerung der Holzmüller-Doktrin einher. Dabei wurde die vom BGH vorgenommene Herleitung in der Literatur überwiegend abgelehnt97. Bevorzugt wurde in der Literatur vielmehr die Analogiebildung zu Vorschriften aus dem AktG und/oder UmwG. 1. Einzelanalogien zu Vorschriften des AktG Zunächst gibt es eine Gruppe im Schrifttum, die durch verschiedene Einzelanalogien versucht, eine dogmatische Grundlage für die ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten zu begründen. Dabei ist die Voraussetzung jedweder Analogie neben dem Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke auch die Vergleichbarkeit der in Frage stehenden Tatbestände sowie das Nichtbestehen eines Analogieverbots98. Bereits aufgezeigt wurde, dass das AktG 1965 hinsichtlich des Aktionärsschutzes bei Ausgliederungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge lückenhaft ist99. a) § 179 Abs. 1 AktG analog Zum Teil wird eine Analogie zu § 179 Abs. 1 AktG vorgeschlagen100. Dabei wird vor allem darauf verwiesen, dass die Satzungsänderung als die ultimative Strukturänderung in der Aktiengesellschaft zugleich die äußerste Grenze des autonomen Vorstandshandelns festlegt101. Gerade im Wege der Ausgliederung von Vermögensteilen würde die Kompetenzordnung in der Gesellschaft verändert und die Anlageentscheidung des Aktionärs beeinträchtigt, weshalb eine solche Maßnahme nach § 179 Abs. 1 AktG der Entscheidung der Hauptversammlung zu unterwerfen sei102. Eine Einzelanalogie zu § 179 Abs. 1 AktG hätte darüber hinaus den Vorteil, dass die Verletzung der Hauptversammlungskompetenz die Vertretungsbefugnis des Vorstands gem. § 82 Abs. 1 AktG unberührt lässt103. Auch der BGH hat sich in der Begründung seiner Gelatine-Urteile zumindest partiell an der Satzungsänderung orientiert, indem er feststellte, dass die Hauptversammlung zur Mitwirkung berufen sei, wenn eine Maßnahme so tief in die Aktionärsrechte eingreift, dass diese in ihren Auswirkungen an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreicht104. Dabei sollte dieser Rückgriff jedoch zur Veranschaulichung der vorgenommenen Eingrenzung der bis dato unkonturierten Holzmüller-Konstellationen dienen, nicht jedoch als dogmatischer Begrün97 Vgl. Heinsius, ZGR 1984, 383, 393 f.; Hübner, in: FS Stimpel, S. 791, 794 f.; Ebenroth, AG 1988, 1, 3; Altmeppen, DB 1998, 49 f. Joost, ZHR 163 (1999), 164, 169. 98 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 194, 202, 220. 99 Vgl. Zweiter Teil, B. I. 100 Kubis, in: MünchKomm AktG, § 119 Rn. 41; Mecke, Konzernstruktur, S. 183 f., 196. 101 Kubis, in: MünchKomm AktG, § 119 Rn. 41. 102 Mecke, Konzernstruktur, S. 183 f. 103 Kubis, in: MünchKomm AktG, § 119 Rn. 41; Mecke, Konzernstruktur, S. 178 ff. 104 BGH NZG 2004, 575 („Gelatine I“); BGH NJW 2004, 1860 („Gelatine II“).

C. Die dogmatische Herleitung der Holzmüller-Doktrin

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dungsansatz herhalten. Gegen einen solchen Ansatz spricht vor allem, dass durch die Anlehnung an eine bestimmte Norm zugleich auch eine Beschränkung auf einen bestimmten Aspekt der Mitgliedschaft stattfindet, so dass durch eine Einzelanalogie kein umfassender Schutz der Mitgliedschaftsrechte gegen die vielfältigen Gefährdungsmöglichkeiten erreicht werden kann105. b) Einzelfallabhängige Analogien Andere befürworten eine einzelfallabhängige Analogiebildung zu einzelnen Normen106. Dies hätte zu Folge, dass je nach Ausgestaltung der in Frage stehenden Konstellation diejenige Norm herangezogen werden könnte, welche die größte Ähnlichkeit aufweist. In dieser flexiblen Handhabung liegt jedoch zugleich auch der Nachteil dieses Ansatzes, nämlich die praktische Schwierigkeit, die Norm mit der größten Übereinstimmung aufzufinden. Die aktienrechtlichen Vorschriften, die eine Zuständigkeit der Hauptversammlung postulieren, sind aufgrund des dem AktG zugrunde liegenden Regelungskonzepts sehr spezialisiert, so dass sie für andere Konstellationen nur schwerlich fruchtbar gemacht werden können. Es bleibt festzuhalten, dass Einzelanalogien zu aktienrechtlichen Vorschriften nicht geeignet sind, um die Frage nach einer dogmatischen Grundlage für ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung überzeugend zu lösen. 2. § 121 Abs. 1, 3. Fall AktG Teilweise wird von der Literatur auch § 121 Abs. 1, 3. Fall AktG als dogmatischer Ansatzpunkt vorgeschlagen107. Dabei ist eine Hauptversammlung nicht nur in den durch Gesetz oder Satzung bestimmten Fällen einzuberufen, sondern auch dann, wenn dies das „Wohl der Gesellschaft“ erfordert. Jedoch ist auch dieser Rückgriff nicht unproblematisch. So deuten der Wortlaut und der Regelungssinn der Vorschrift daraufhin, dass diese die Kompetenz der Hauptversammlung voraussetzt und nur die Pflicht zur Einberufung der Hauptversammlung regelt108. Angesichts des mit einer Einberufung verbundenen organisatorischen und finanziellen Aufwands setzt die Vorschrift sinnvoller Weise voraus, dass die Hauptversammlung zuständig ist. Allerdings kann die Vorschrift in Ausnahmefällen auch zu einer Einberufung zu rein informatorischen Zwecken verpflichten109. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass aus der reinen Einberufungspflicht gem. § 121 Abs. 1, 3. Fall AktG nicht automatisch 105

Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 84. Kort, in: GroßkommAktG, § 76 Rn. 82; so wohl auch Timm, AG 1980, 172 ff. 107 Geßler, in: FS Stimpel, S. 771, 776 f.; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 52; Wank, ZGR 1988, 314, 360; Warschkow, Schutz der Aktionäre, S. 57 ff. 108 Hüffer, AktG, § 121 Rn. 5; Kubis, in: MünchKommAktG, § 121 Rn. 7; dagegen: Geßler, in: FS Stimpel, S. 771, 778; Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 174. 109 Hüffer, AktG, § 121 Rn. 3, § 119 Rn. 4; Zöllner, in: Kölner KommAktG, § 121 Rn. 6. 106

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

auf die Beschlusskompetenz der Hauptversammlung geschlossen werden kann110. Die Vorschrift setzt vielmehr voraus, dass die Frage nach der Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung bereits geklärt ist111. Eine Abgrenzung von Organkompetenzen wird dadurch jedoch nicht vorgenommen. Darüber hinaus ist die Formulierung „Wohl der Gesellschaft“ äußerst unkonturiert und somit zur Begründung einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit schon aus Praktikabilitäts- und Rechtssicherheitsgründen abzulehnen. 3. §§ 123 Abs. 3, 125, 13, 65 UmwG analog Die Kontroverse um die rechtliche Grundlage für ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen wurde durch die Schaffung des Umwandlungsgesetzes von 1994 neu angefacht. Grund dafür sind insbesondere die Regelungen der §§ 123 Abs. 3, 125, 13, 65 UmwG, welche für den Fall der Ausgliederung von Unternehmensteilen – dem ursprünglichen „Holzmüller“-Fall – das Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses mit qualifizierter Mehrheit vorsehen. Diese Erfordernisse betreffen jedoch nur die umwandlungsrechtliche, durch partielle Gesamtrechtsnachfolge gekennzeichnete Ausgliederung. Mit der Schaffung des UmwG bezweckte der Gesetzgeber indes nicht, die Möglichkeit der Einzelrechtsnachfolge abzuschaffen, so dass die „traditionelle“Ausgliederungstechnik der Einzelrechtsnachfolge nach wie vor besteht112. Diesbezüglich wird von Teilen des Schrifttums113 und der Judikatur114 angeführt, dass es aus Aktionärssicht keinen Unterschied macht, wie sich die Ausgliederung rechtstechnisch vollzieht. Vielmehr käme dem UmwG eine „Ausstrahlungswirkung“115 zu, in deren Konsequenz die ungeschriebenen Aktionärsrechte analog §§ 179, 179a, 182 ff., 293, 320 AktG und § 13 UmwG zu bestimmen seien116. Dies würde nicht nur die ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung per se erklären, sondern würde auch weitreichende Folgen für das einzuhaltende Verfahren bei einer Ausgliederung im Wege der Einzelrechtsnachfolge haben, da konsequenterweise die in den §§ 125, 63 UmwG enthaltenen Informationspflichten des Vorstands zur Anwendung kämen. . . 110

Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 174; Hüffer, AktG, § 121 Rn. 5. Hüffer, AktG, § 121 Rn. 5. 112 Begründung des RegE zum UmwG, abgedruckt in Ganske, Umwandlungsrecht, S. 44. 113 Leinekugel, Ausstrahlungswirkung, S. 206 ff.; Lutter, in: Lutter, UmwG, Einl. I Rn. 60; Veil, ZIP 1998, 361, 367; Feddersen/Kiem, ZIP 1994, 1078, 1086; Bungert, NZG 1998, 367 f. 114 BayObLG, ZIP 1998, 2002, 2004; LG Karlsruhe, ZIP 1998, 385, 387; LG Frankfurt, NZG 1998, 113 („Altana/Milupa“); ablehnend: LG München I, BB 2006, 1928; LG Hamburg, DB 1997, 517. 115 Begriff nach Lutter, in: Lutter, UmwG, Einl. I Rn. 56. 116 Vgl. Lutter, in: Lutter, UmwG, Einl. I Rn. 56. 111

C. Die dogmatische Herleitung der Holzmüller-Doktrin

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Wie bereits oben dargestellt, hatte der Gesetzgeber bei Schaffung des UmwG erwogen, die Zuständigkeiten der Hauptversammlung auch auf die im Wege der Einzelrechtsnachfolge vollzogene Ausgliederung zu erstrecken, letztlich jedoch davon abgesehen und die Ausgestaltung der mit ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten verbundenen Fragestellungen der Praxis überantwortet117. Insoweit besteht eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke, die nur dann durch eine Analogie zu den Regelungen des UmwG geschlossen werden kann, wenn diese analogiefähig sind und zwischen den Holzmüller-Fällen und den umwandlungsrechtlichen Strukturmaßnahmen eine vergleichbare Interessenlage besteht.

a) Kein Analogieverbot Ein auf den Regelungen des UmwG basierender Ansatz setzt voraus, dass in § 1 Abs. 2 UmwG kein Analogieverbot zum Ausdruck kommt. § 1 Abs. 2 UmwG ist das Ergebnis abschließender Spezialkodifikation. Dies bringt zunächst ein Induktionsverbot mit sich, d. h. es kann nicht ohne Weiteres vom geregelten Spezialfall auf den Allgemeinfall geschlossen werden118. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob die Wertungen des UmwG übertragbar sind119. Dabei spricht viel dafür, § 1 Abs. 2 UmwG kein Analogieverbot zu entnehmen. Vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Motive ist § 1 Abs. 2 UmwG als Klarstellung zu verstehen, dass eine partielle Gesamtrechtsnachfolge als Rechtsfolge für Umwandlungsvorgänge außerhalb des UmwG nicht in Betracht kommen sollte120. Damit geht jedoch nicht zwangsläufig auch ein Analogieverbot einher, zumal das UmwG seinem Verständnis nach kein außerhalb des HGB, AktG und GmbHG stehendes Sonderrecht ist, sondern mit diesen eine systematische Einheit bildet121. Auch kann der Entscheidung des Gesetzgebers, entgegen § 252 des ursprünglichen Diskussionsentwurfs wirtschaftliche Umwandlungsvorgänge nicht in den Anwendungsbereich des UmwG einzubeziehen, nicht die Entscheidung gegen eine Gleichbehandlung entnommen werden, sondern nur der Entschluss, deren Klärung der Judikatur und Schrifttum zu überlassen122. Ein generelles Analogieverbot ist § 1 Abs. 2 UmwG hingegen nicht zu entnehmen123. 117

Vgl. Zweiter Teil, B. I. Weißhaupt, AG 2004, 585, 588. 119 Lutter differenziert insoweit zwischen einem Analogieverbot im „engeren“ und im „weiteren“ Sinne in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 33 ff. 120 Lutter, in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 33 ff.; Kallmeyer, in: FS Lutter, S. 1245, 1248; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 191. 121 Begründundung des RegE zu Art. 1 des UmwG, abgedruckt in: Ganske, Umwandlungsrecht, S. 41; Lutter, in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 35; ders., ZGR 1998, 397 f. 122 Lutter, in: Lutter, UmwG, Einl. I Rn. 58. 123 OLG Frankfurt a.M., DB 1999, 1004 f.; Lutter, in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 33 f.; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 179 f.; Kallmeyer, in: FS Lutter, S. 1245, 1248; Koppensteiner, in: FS Zöllner, S. 295, 302; Tröger, ZIP 2001, 2029, 2033; a.A. Aha, AG 1997, 345, 356; Lüders/Wulff, BB 2001, 1209 ff.; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 192, 197; Bungert, NZG 1998, 367 f.; Kort, ZIP 2002, 685, 687. 118

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

Damit ist die Möglichkeit einer analogen Anwendung der umwandlungsrechtlichen Vorschriften eröffnet. b) Vergleichbare Interessenlage Die Regelungen, die das UmwG für Strukturmaßnahmen bereit hält, müssten mit den Holzmüller-Fällen vergleichbar sein. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die technische Art der Vermögensnachfolge – Einzelrechtsnachfolge oder partielle Gesamtrechtsnachfolge – zwar einen gewissen Unterschied darstellt, dieser jedoch nicht für die Beurteilung der Situation der Aktionäre ins Gewicht fallen kann. Grund dafür ist, dass beide Vorgänge wirtschaftlich zum selben Ergebnis führen, unabhängig davon, ob die Aktiva und Passiva uno actu oder durch eine Vielzahl von Einzelakten übergehen124. Die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erreichte unkomplizierte Überleitung von Schuldverhältnissen stellt insoweit lediglich einen Vorteil für den ausgliedernden Rechtsträger dar, mit dem jedoch kein zusätzlicher Nachteil für die Mitgliedschaft der Anteilsinhaber einher geht. Gegen eine Vergleichbarkeit könnte jedoch das Regelungssystem des UmwG sprechen. Damit ist im Wesentlichen die Eigenart des UmwG angesprochen, nicht nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Umwandlungsmaßnahme zu differenzieren, wofür insbesondere das Fehlen von Schwellenwerten und Bagatellklauseln spricht. Eine derartige Bagatellklausel war zunächst durch § 204 Abs. 1 DiskE UmwG vorgesehen125. Danach sollte bei Ausgliederungen, bei denen der Wert der insgesamt zu übertragenden Aktiva abzüglich den zu übertragenden Passiva nicht mehr als 10 % des Gesellschaftsvermögens oder des Grundkapitals beträgt, geringere gesetzliche Anforderungen bestehen126. Diese Regelung wurde wegen massiver Kritik aus dem Schrifttum nicht Gesetz. Damit stellt sich die Rechtslage so dar, dass sogar die Ausgliederung von ein paar Kugelschreibern im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf eine eigens dazu geschaffene Tochtergesellschaft zustimmungspflichtig wäre127. In diesem plakativen Fall fehlt ein wie auch immer geartetes Schutzinteresse der Aktionäre offenkundig. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass die Schutzbedürftigkeit der Aktionäre bei Schaffung des UmwG keine Rolle gespielt habe. Das Gegenteil ist der Fall, da der Verzicht auf die Normierung einer solchen Bagatellschwelle nur dadurch erklärt werden kann, dass der Gesetzgeber den Vorständen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise unterstellte: Aufgrund der Tatsache, dass das UmwG ein komplexes und aufwendiges System formalisierter Verfahrens124

Veil, ZIP 1998, 361, 368. Diskussionsentwurf „Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts“, Bundesanzeiger Nr. 214/1988 vom 14. 11. 1998, Beilage 214a. 126 Entbehrlich sollte demnach die Prüfung der Ausgliederung, die Bekanntmachung des Ausgliederungs- und Übernahmevertrags, der Ausgliederungsbericht sowie der Ausgliederungsbeschluss sein; bestehen bleiben sollte im Wesentlichen nur das Erfordernis eines Ausgliederungs- und Übernahmevertrages und die Eintragung der Ausgliederung im Register der übertragenden Gesellschaft. 127 Beispiel nach Joost, ZHR 163 (1999), 164, 181. 125

C. Die dogmatische Herleitung der Holzmüller-Doktrin

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regelungen vorsieht, das nur bei Strukturmaßnahmen wirtschaftlich sinnvoll erscheint, ging der Gesetzgeber davon aus, dass eine Ausgliederung nach dem UmwG nur für bedeutende Vermögensbestandteile gewählt würde und Kleinfälle weiterhin im Wege der Einzelrechtsnachfolge behandelt würden128. Insoweit beruht die Tatsache, dass das UmwG keine Schwellenwerte enthält, lediglich auf der wirtschaftlichen Einschätzung des Gesetzgebers, dass allein grundlegende Ausgliederungsmaßnahmen nach dem UmwG vorgenommen werden und die Aktionäre dabei durch die Verfahrensregelungen des UmwG geschützt würden. Diese wirtschaftliche Betrachtung wird in aller Regel zutreffend sein, so dass es in der Realität nicht zu einer Ausgliederung von ein paar Kugelschreibern kommen wird129. Ausgehend von der wirtschaftlichen Bedeutung der Übertragung des wertvollen Assets ist die Situation aus Aktionärssicht bei Einzel- und Gesamtrechtsnachfolge daher vergleichbar. Gegen eine vollständige Kongruenz der Interessenlagen spricht jedoch zunächst, dass die wirtschaftliche Betroffenheit der Aktionäre nicht das alleinige Motiv des Gesetzgebers dafür war, die Hauptversammlungszuständigkeiten im UmwG zu verankern. In diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache hervorzuheben, dass der Gesetzgeber seine ursprüngliche Absicht, sämtliche rechtstechnischen Gestaltungen zu erfassen, die zu umwandlungsähnlichen Ergebnissen führen, aufgegeben hat130. Vielmehr stellt das formalisierte Verfahrenssystem – und damit auch die zwingende Zuständigkeit der Hauptversammlung – nach dem gesetzgeberischen Plan das Korrelat zu der Möglichkeit einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge dar. Nur so ist die Gesetzesbegründung zu verstehen, wenn es heißt, dass „[d]ie zwingenden Vorschriften des Umwandlungsgesetzes […]nur beachtet werden [müssen], wenn sich die beteiligten Rechtsträger der Vorteile bedienen wollen, die das Gesetz und die mit ihm verbundenen steuerrechtlichen Regelungen mit sich bringen“131. Letzten Endes spricht jedoch entscheidend gegen eine pauschale Heranziehung der umwandlungsrechtlichen Verfahrensvorschriften, dass das Spektrum möglicher Holzmüller-Maßnahmen zwar auf dem Prototyp der Ausgliederung basiert, sich jedoch nicht auf diesen beschränkt und somit eine Vielzahl möglicher Konstellationen beinhaltet, die sich anhand des numerus clausus des UmwG nicht erklären lassen132. Eine pauschale Übertragung der Gesamtheit der für Strukturmaßnahmen geltenden Vorschriften des Umwandlungsgesetzes ist daher zwar abzulehnen133. Davon unbeschadet ver-

128

Tröger, ZIP 2001, 2029, 2032; Veil, ZIP 1998, 361, 367 f. Deshalb kritisch: Tröger, ZIP 2001, 2029, 2032. 130 Vgl. §§ 251 f. DiskE-UmwBerG, veröffentlicht als Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 214a vom 15.11.1988. 131 Begründung des RegE zu § 1 UmwG, abgedruckt in: Ganske, Umwandlungsrecht, S. 44. 132 Vgl. v. Rechenberg, in: FS Bezzenberger, S. 359, 365 ff.; Bungert, NZG 1998, 36 f. 133 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 52; LG Hamburg, AG 1997, 238; LG München I, ZIP 2006, 2036, 2038 f.; Bungert, NZG 1998, 367 ff.; für eine weitergehende Ausstrahlungswirkung dagegen: LG Karlsruhe, ZIP 1998, 385, 387 ff.; Fed129

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

bleibt jedoch die Möglichkeit der Heranziehung einzelner Vorschriften des UmwG, auf die in anderem Kontext zurückgekommen wird. Dies erlangt umso größere Bedeutung, als das Umwandlungsgesetz u. a. ein Schutzsystem der Aktionäre bei tiefgreifenden Maßnahmen darstellt, dem hinsichtlich weiterer Rechtsfortbildung eine Leitbildfunktion zukommt. 4. Gesamtanalogie zu Vorschriften des AktG und des UmwG Der überwiegende Teil der Literatur befürwortet eine Gesamtanalogie zu bestimmten Vorschriften aus dem AktG und UmwG134. Eine Gesamtanalogie zeichnet sich im Gegensatz zur Einzelanalogie, in der eine bestimmte Regelung auf einen wertungsmäßig vergleichbaren und planwidrig ungeregelten Sachverhalt übertragen wird, dadurch aus, dass den hinzugezogenen Vorschriften ein ihnen zugrunde liegender allgemeiner Wertungsgrundsatz entnommen wird und deren Rechtsfolge dann auf den ungeregelten Fall übertragen wird, wenn er mit diesem allgemeinen Wertungsgrundsatz übereinstimmt135. Der Vorteil eines solchen Begründungsansatzes liegt darin, dass aufgrund der herangezogenen Normen gesetzgeberische Wertungen und Kriterien für die in Frage stehenden Konstellationen abgeleitet werden können136. Als Normen werden – mit unterschiedlicher Ausprägung im Einzelfall – insbesondere die §§ 179, 179a, 186 Abs. 3, 262 Abs. 1 Nr. 2, 293, 319 AktG, §§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1, 123 UmwG herangezogen. Ihnen ist gemeinsam, dass sie die Mitgliedschaft des Aktionärs in verschiedene Richtungen absichern und vor diesem Hintergrund eine Zuständigkeit der Hauptversammlung für Strukturentscheidungen vorsehen. a) Schutzzwecke der gesetzlichen Hauptversammlungszuständigkeiten Die gesetzlich vorgesehenen Zuständigkeiten der Hauptversammlung beruhen im Wesentlichen auf drei übergeordneten Leitmotiven137. aa) Änderung der rechtlichen Struktur der Gesellschaft Das Gesetz geht zunächst davon aus, dass Maßnahmen, die zu einer Änderung der rechtlichen Struktur der Gesellschaft führen, der Zustimmung der Hauptversammdersen/Kiem, ZIP 1994, 1078 ff.; Veil, ZIP 1998, 361, 366 ff.; Leinekugel, Ausstrahlungswirkung, S. 191 ff., 222 ff. 134 Mülbert, in: GroßkommAktG, § 119 Rn. 23; Krieger, in: MünchHdb AG, § 69 Rn. 9; Altmeppen, DB 1998, 49 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 872; Lutter, in: FS Fleck, S. 169, 182; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 804, 806; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 195; Liebscher, in: Becksches Hdb AG, § 15 Rn. 49 f.; dagegen: Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 218. 135 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 204. 136 Mülbert, in: GroßkommAktG, § 119 Rn. 22. 137 Einteilung nach Zimmermann/Pentz, in: FS Welf Müller, S. 151, 161 ff.

C. Die dogmatische Herleitung der Holzmüller-Doktrin

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lung bedürfen. Dazu gehören insbesondere Satzungsänderungen (§ 179 Abs. 1 AktG) sowie die verschiedenen Umwandlungsformen nach dem UmwG (§§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1, 123 UmwG). Darüber hinaus haben auch der Abschluss eines Unternehmensvertrags durch die beherrschte Gesellschaft (§ 293 Abs. 1 AktG) sowie die Eingliederung in eine andere Gesellschaft (§ 319 Abs. 1 AktG) Einfluss auf die rechtliche Struktur der betroffenen Gesellschaft, da sich diese bezüglich der Verfolgung ihrer unternehmerischen Ziele nun der Weisungsbefugnis und dem Konzerninteresse der übergeordneten Gesellschaft unterwirft und im Falle der Eingliederung sogar ein Übergang sämtlicher Aktien auf die Hauptgesellschaft erfolgt138. Die fundamentalste Änderung der rechtlichen Struktur der Gesellschaft wird durch die Auflösung per Hauptversammlungsbeschluss gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG herbeigeführt. .

bb) Verwässerung der Gesellschaftsanteile Als weitere Schutzrichtung lässt sich die Abwehr einer möglichen Verwässerung der Mitgliedschaftsrechte ausmachen (vgl. § 186 Abs. 3)139. Durch den Ausschluss des Bezugsrechts über neue Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung werden die Herrschafts- und Vermögensrechte der betroffenen Aktionäre verwässert, weshalb entsprechende Maßnahmen der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen. cc) Bedeutende wirtschaftliche Auswirkungen auf die Gesellschaft Als letzte abstrakte Schutzrichtung sind die Maßnahmen zu nennen, die bedeutende wirtschaftliche Auswirkungen auf die Gesellschaft haben und dadurch eine potentielle Gefahr für die rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen der Aktionäre darstellen. Darunter fällt zunächst die Veräußerung des gesamten Vermögens (§ 179a Abs. 1 AktG), die gleichsam die wirtschaftliche Grundlage des Unternehmens berührt und aufgrund der mit der Vertragsgestaltung einhergehenden Gefahr einer Übervorteilung der Aktionäre nur mit deren Zustimmung erfolgen darf140. Aber auch der Abschluss eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags hat bedeutende wirtschaftliche Auswirkungen auf das herrschende Unternehmen und seine Aktionäre, da ihm das Gesetz eine Verlustausgleichpflicht auferlegt (§§ 293, 302 AktG) und dadurch die Vermögensinteressen seiner Aktionäre gefährdet sind141. Parallel dazu ist mit der Eingliederung eine gesamtschuldnerische Mithaftung der Hauptgesellschaft für Altverbindlichkeiten (§§ 302, 322 AktG) und eine Pflicht zur Verlustübernahme

138 139 140 141

Hüffer, AktG, § 319 Rn. 4. Vgl. auch Zimmermann/Pentz, in: FS Welf Müller, S. 151, 161 f. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 179. Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 178 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 202.

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

(§ 324 Abs. 3 AktG) verbunden, die ebenfalls eine mittelbare Gefährdung der wirtschaftlichen Interessen der Aktionäre zu Folge haben142.

b) Bestimmung eines allgemeinen Wertungsgrundsatzes Grundlage einer Gesamtanalogie ist die Bestimmung eines allgemeinen, alle hinzugezogenen Normen verbindenden Wertungssatzes143. Was dessen Bestimmung angeht, tauchen in der Literatur verschiedene Ansätze auf144. Teilweise wird vertreten, dass eine die Zuständigkeit der Hauptversammlung auslösende Mediatisierung der Mitgliedsrechte nur dann gegeben sei, wenn die in Frage stehende Maßnahme sowohl die Herrschaftsrechte der Aktionäre beeinträchtigt als auch deren Vermögensrechte gefährdet145. Dies wird damit begründet, dass Vermögensinteressen, im Unterschied zu den Mitverwaltungsrechten, ständig betroffen sind, da sich jede etwas gewichtigere Geschäftsführungsmaßnahme auf die Vermögensinteressen der Aktionäre auswirkt146. Andernfalls könne nicht erklärt werden, warum Maßnahmen mit großer wirtschaftlicher Auswirkung auf die Gesellschaft wie etwa die wirtschaftliche Verlagerung eines Investitionsschwerpunkts oder finanzierungsintensive Forschungs- und Entwicklungsprojekte den wirtschaftlichen Aufbau der Gesellschaft nicht ebenso beeinflussen wie die möglicherweise nur potentielle Verlustübernahmepflicht beim Beherrschungsvertrag147. Dieser Ansicht ist nicht zuzustimmen. Der logische Ausgangspunkt der Holzmüller-Doktrin ist die Mediatisierung von Mitgliedsrechten148. Diese umfassen jedoch sowohl Herrschafts- als auch Vermögensrechte. An eine Maßnahme die Anforderung zu stellen, beide Aspekte der Mitgliedschaft gleichermaßen zu beeinträchtigen, würde den Tatbestand der Holzmüllerpflichtigkeit überspannen. Eine derartige Kumulativität findet auch keine Grundlage in der Gesetzesbegründung zum AktG von 1965. Zwar heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 119 AktG, dass die Hauptversammlung „über alle mit dem wirtschaftlichen und rechtlichen Aufbau der Gesellschaft zusammenhängenden Fragen“ entscheidet149. Dabei kann das „und“ jedoch nicht im Sinne einer erforderlichen Kumulativität verstanden werden. Andernfalls wäre schwer erklärlich, warum die Hauptversammlung etwa über Satzungsänderungen bestimmen kann, da durch diese grds. nicht der wirtschaftliche Aufbau der Gesellschaft betroffen ist. Aus diesem Grund ist die gesetzgeberische Regelungsabsicht dahingehend zu verstehen, dass der Hauptversammlungskompetenz 142

Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 178 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 202. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 204. 144 Kritisch: Dietz, Ausgliederung, 348 ff.; Hüffer, in: FS Ulmer, S. 279, 287 f. 145 Dahin tendierend: Timm, Konzernspitze, S. 152 f.; Wahlers, Konzernbildungskontrolle, S. 184. 146 Vgl. Dietz, Ausgliederung, S. 351 ff. 147 Seydel, Konzernbildungskontrolle, S. 428. 148 BGH, NZG 2007, 234 („Stuttgarter Hofbräu“). 149 Vgl. die Begründung des RegE zu § 119 AktG, abgedruckt in: Kropff, Textausgabe AktG, S. 165. 143

C. Die dogmatische Herleitung der Holzmüller-Doktrin

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grundsätzlich all diejenigen Maßnahmen unterstellt werden, die entweder den rechtlichen oder den wirtschaftlichen Aufbau der Gesellschaft betreffen. In der Konsequenz dieser gesetzgeberischen Motive kann auch der vermeintliche Konflikt gelöst werden, den die vorgenannte Ansicht zwischen der wirtschaftlichen Betroffenheit der Aktionäre und der uneingeschränkten Leitungskompetenz des Vorstands sieht: Letzterer ist uneingeschränkt für riskante wirtschaftliche Geschäfte zuständig, solange es sich bei diesen nicht um Strukturmaßnahmen handelt. Daher kommt eine Mediatisierung grundsätzlich dann in Betracht, wenn durch die Strukturmaßnahme entweder die Vermögens- oder die Mitverwaltungsrechte verwässert werden150. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, mit welcher Intensität eines dieser Rechte betroffen sein muss151. c) Kritik aa) Unpassende Rechtsfolge Gegen die Konstruktion einer Gesamtanalogie wird teilweise eingewandt, dass die herangezogenen Normen von der Rechtswirkung her ungeeignet seien. Grund dafür sei, dass die gesetzlichen Regelungen – entgegen der für die Holzmüller-Maßnahmen typischen Zuständigkeiten der Hauptversammlung – bei Verletzung eine Wirkung im Außenverhältnis entfalten152. Richtig ist, dass dem deutschen Gesellschaftsrecht anders als etwa der ultra-vires-Doktrin des angloamerikanischen Rechts eine Beschränkung der Vertretungsmacht auf bestimmte Tätigkeiten fremd ist153. Daraus folgt jedoch nicht zwingend, dass die im Wege einer Gesamtanalogie herangezogenen Normen auch auf das Außenverhältnis durchschlagen müssen. Zunächst dürfte ein Großteil der einschlägigen Sachverhalte ohnehin Maßnahmen konzerninterner Art betreffen154, für die der Grundsatz der uneingeschränkten Vertretungsmacht ohnehin nur eingeschränkt zur Anwendung kommt155. Unabhängig davon ist jedoch die Frage nach der normativen Begründung der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit von der Frage zu trennen, welche Folge ein Verstoß gegen die Mitbestimmung der Hauptversammlung für die jeweilige Maßnahme nach sich zieht. Kann nämlich die Zuständigkeit der Hauptversammlung aufgrund eines allgemeinen Wertungsgrundsatzes bejaht werden, so ist aufgrund des Rechtsinstituts der Gesamtanalogie noch nichts darüber gesagt, inwieweit die jeweiligen von den herangezogenen Vorschriften vorgesehenen Rechtsfolgen übernommen werden. Grund dafür ist, dass bei der Gesamtanalogie der allgemeine Wertungsgrundsatz auf den ungeregelten Fall nur übertragen wird, soweit die entsprechenden Sachverhalte wertungsmäßig 150

So auch: Rehbinder, ZGR 1983, 92, 98, 102. Siehe dazu Zweiter Teil, D. I. 3. 152 Mülbert, in: GroßkommAktG, § 119 Rn. 22; Kubis, in: MünchKommAktG, § 119 Rn. 40 f.; Pentz, BB 2005, 1397, 1403. 153 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 214. 154 So auch der ursprüngliche Holzmüller-Fall. 155 Vgl. Habersack, in: GroßkommAktG, § 78 Rn. 18. 151

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

vergleichbar sind156. Für diese Frage der Vergleichbarkeit gibt die gesetzliche Systematik schon deutliche Anhaltspunkte her, wenn etwa § 82 Abs. 1 AktG aus Gründen der Verkehrssicherheit bestimmt, dass die Vertretungsmacht des Vorstands grundsätzlich unbeschränkbar ist157. Dieser allgemeine handelsrechtliche Grundsatz des Vorrangs der Interessen des Rechtsverkehrs gegenüber den Interessen des Vertretenen gilt solange und soweit, wie sich nicht ausdrücklich etwas Gegenteiliges aus dem Gesetz entnehmen lässt158. Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes durch ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung muss demnach von vorneherein ausscheiden. Folglich führt das Institut der Gesamtanalogie dazu, dass aufgrund der herangezogenen Vorschriften eine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung begründet werden kann, diese aber mangels wertungsmäßiger Vergleichbarkeit mit den gesetzlichen Vorschriften keine Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstands nach sich zieht159. bb) Die rechtstechnische Vollzugsart als Anknüpfungspunkt des UmwG Gegen den Ansatz der Gesamtanalogie wird zudem angeführt, dass das UmwG in seinem Anwendungsbereich nicht an eine bestimmte Gewichtigkeit der Maßnahme anknüpft, sondern allein an die rechtstechnische Vollzugsart der Maßnahme durch partielle Universalsukzession oder Formwechsel160. Unter Verweis auf die obigen Ausführungen161 ist zunächst zuzugeben, dass die Zuständigkeit der Hauptversammlung bei Umwandlungsmaßnahmen teilweise in dem formalisierten Verfahrenssystem begründet ist, das dem UmwG zugrunde liegt. Gleichwohl ist zu ergänzen, dass Schutzerwägungen zugunsten der Aktionäre eines der Hauptmotive des Gesetzgebers bei Schaffung des UmwG waren. Um die Übernahme des hohen Schutzstandards des UmwG für die Fälle der Einzelrechtsnachfolge zu rechtfertigen, ist es lediglich erforderlich, entsprechend hohe Anforderungen an das Vorliegen einer Holzmüller-Konstellation zu stellen162. Dabei reicht es aus, wenn entweder die Vermögens- oder die Mitverwaltungsrechte der Aktionäre durch die Maßnahme betroffen sind163.

156 157 158 159 160 161 162 163

Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 202 ff. Hüffer, AktG, § 82 Rn. 2. Hefermehl/Spindler, in: MünchKommAktG, § 82 Rn. 3. Liebscher, ZGR 2005, 1, 21; Weißhaupt, AG 2004, 585 f. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 197 ff., 394. Vgl. dazu: Zweiter Teil, C. II. 3. b). Dazu unter Zweiter Teil, D. I. 3. Vgl. die Ausführungen unter Zweiter Teil, C. II. 4. b).

C. Die dogmatische Herleitung der Holzmüller-Doktrin

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5. Zwischenergebnis Von den aus der Literatur vorgeschlagenen Lösungsmodellen ist der Ansatz einer Gesamtanalogie der überzeugendste. Er erlaubt hinsichtlich der Abgrenzungskriterien und Verfahrensvorschriften eine Anlehnung an die gesetzlich vorgesehenen Hauptversammlungszuständigkeiten und zeichnet so insbesondere den Rahmen der einzuhaltenden Informationspflichten vor. Zudem lässt dieser Ansatz die Möglichkeit offen, im Einzelfall auf die am besten passende Norm im Wege einer Einzelanalogie zurückzugreifen. Zwar ist dieser Weg auf Grund der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit bezüglich der anzuwendenden Vorschriften als absolute Ausnahme zu verstehen. Jedoch wird durch die theoretische Möglichkeit der Einzelanalogien zugleich die Überlegenheit des Ansatzes der Gesamtanalogie deutlich, da so gleichermaßen Flexibilität und damit Einzelfallgerechtigkeit ermöglicht werden, ohne die generelle Rechtssicherheit über Gebühr zu vernachlässigen164.

III. Die „offene Rechtsfortbildung“ des BGH in den Gelatine-Urteilen Nachdem der BGH in seinem Holzmüller-Urteil die Diskussion um die Reichweite und dogmatische Begründung der ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen initiiert, danach aber weitgehend der Literatur und den Instanzgerichten das Feld überlassen hatte, äußerte er sich erst wieder in seinen Gelatine-Entscheidungen zu diesem Themenkomplex. Darin distanzierte sich der BGH zunächst von seinem ursprünglichen Ansatz, schloss sich aber auch nicht vollständig der herrschenden, die Gesamtanalogie befürwortenden Literaturansicht an. Vielmehr zog es der BGH vor, „die zutreffenden Elemente beider Ansätze, nämlich die bloß das Innenverhältnis betreffende Wirkung einerseits und die Orientierung der in Betracht kommenden Fallgestaltungen an den gesetzlich festgelegten Mitwirkungsbefugnissen auf der anderen Seite, aufzunehmen und diese besondere Zuständigkeit der Hauptversammlung als Ergebnis einer offenen Rechtsfortbildung anzusehen“165. Dieser Ansatz des BGH zeichnet sich zunächst dadurch aus, dass er stark ergebnisorientiert ist: In dem Bestreben, eine Verletzung der Mitwirkung der Hauptversammlung unter keinen Umständen auf das Außenverhältnis durchschlagen zu lassen, vermengt der BGH seinen ursprünglichen Ansatz aus § 119 Abs. 2 AktG mit der von der Literatur befürworteten Gesamtanalogie. Diesem Ansatz kann jedoch nicht gefolgt werden. Zunächst ist er nicht erforderlich, da sich die Begrenzung der Holzmüller-Doktrin auf das Innenverhältnis schlüssig und unproblematisch aus dem Begründungsansatz der Gesamtanalogie herleiten lässt, indem einfach die Vergleichbarkeit für diesen Aspekt verneint wird. Ferner ist eine offene bzw. gesetzesübersteigende 164 165

Ähnlich auch: Grün, Informationspflichten, S. 46 f. BGH, NJW 2004, 1860, 1863 („Gelatine II“).

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

Rechtsfortbildung nur in engen Grenzen zulässig. Grund dafür ist, dass der Judikatur in erster Linie die Aufgabe zukommt, über geltendes Recht zu befinden und nicht neues Recht zu schaffen166. Nur unter engen Voraussetzungen ist auch die richterliche Rechtsfortbildung i.S.e. Rechtsschaffung zulässig. Dabei ist aufgrund des in Art. 20 Abs. 3 GG zum Ausdruck kommenden Vorrangs des Gesetzes vor dem Recht erforderlich, dass die zu beantwortende Rechtsfrage weder im Weg der einfachen Gesetzesauslegung noch einer gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung gelöst werden kann167. Dadurch, dass das AktG an vielen Stellen die Kompetenz der Hauptversammlung für grundlegende Entscheidungen nahelegt, liegt kein totales Schweigen des Gesetzes vor. Vielmehr kann die Frage der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten dogmatisch über eine Gesamtanalogie gelöst werden, wodurch eine offene Rechtsfortbildung nicht mehr in Betracht kommt. Nur durch den Ansatz der Gesamtanalogie wird der in den gesetzlichen Vorschriften zum Ausdruck gekommene gesetzgeberische Wille bestmöglich geachtet und der Gewaltenteilungsgrundsatz unproblematisch gewahrt168. Ferner fehlt der offenen Rechtsfortbildung die Permanenz, um eine Rechtsquelle darzustellen. Dies gilt umso mehr, als andere Gerichte nicht i.S.e. stare decisis an die Rechtsprechung des BGH gebunden sind und daher von seinen Entscheidungen abweichen können169. Die „offene Rechtsfortbildung“ ist somit zwar eine Ergebnisbeschreibung, aber keine tragfähige juristische Grundlage170. Demnach ist dem Ansatz der Gesamtanalogie der Vorzug zu geben. Er eröffnet überdies die Möglichkeit, die Grundaussage des Holzmüller-Urteils auch auf andere Gesellschaftsformen zu übertragen, obwohl in diesen § 119 Abs. 2 AktG keine Anwendung findet. Insoweit erlaubt der Ansatz der Gesamtanalogie eine dogmatisch stimmige – weil die Spezifika der jeweiligen Gesellschaftsformen berücksichtigende – Weiterentwicklung des Holzmüller-„Urteils“ zu einer Holzmüller-„Doktrin“.

D. Die Holzmüller-Doktrin Trotz anfänglicher Skepsis hat sich die Akzeptanz ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten mittlerweile auf breiter Front durchgesetzt171. Dennoch führen die verschiedenen Urteile des BGH und die z. T. abweichenden Formulierungen zu einer Konturlosigkeit des Tatbestands der Holzmüller-Doktrin. Daran schließt sich die Frage an, welche Maßnahmen generell geeignet sind, eine Zuständigkeit der 166 167 168

Larenz/Canaris, Methodenlehre S. 55 f. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 245 ff. Anders für die „Offene Rechtsfortbildung“: Koppensteiner, Der Konzern, 2004, 381,

384. 169

Vgl. Liebscher, ZGR 2005, 1, 21 f. Koppensteiner, Der Konzern, 2004, 381, 384. 171 Weißhaupt, AG 2004, 585; nach wie vor ablehnend: Koppensteiner, in: Kölner KommAktG Vorb. § 291 Rn. 42 ff.; ders., Der Konzern 2004, 381; mit abweichender Begründung aber ohne Unterschied in der Sache: Hüffer, AktG, § 119 Rn. 18. 170

D. Die Holzmüller-Doktrin

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Hauptversammlung aufgrund der Holzmüller-Doktrin auszulösen. Grund dafür ist auf der einen Seite, dass nach den Aussagen des BGH die ungeschriebene Kompetenz der Hauptversammlung nicht auf Konzernsachverhalte begrenzt ist, sondern ein allgemeines Instrument zum Schutze der Aktionäre vor einer Machtverschiebung in der Aktiengesellschaft darstellt172. Auf der anderen Seite stellt das wirtschaftliche Leben eine kaum auf einen Nenner zu bringende Vielzahl von Ausgangslagen bereit, in denen das Management bedeutende Maßnahmen zur Anpassung des Unternehmenskurses durchführt.

I. Der Tatbestand der Holzmüller-Doktrin Nach dem Wortlaut des Holzmüller-Urteils sollte die Hauptversammlung für „grundlegende Entscheidungen [zuständig sein], die durch die Außenvertretungsmacht des Vorstands, seine gem. § 82 Abs. 2 AktG begrenzte Geschäftsführungsbefugnis wie auch durch den Wortlaut der Satzung formal noch gedeckt sind, gleichwohl aber so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, dass der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie in ausschließlich eigener Verantwortung treffen […]173“. In dieser Formulierung kam der damalige, auf § 119 Abs. 2 AktG basierende Begründungsansatz zum Ausdruck. Dieser ist jedoch wie oben gezeigt nicht haltbar, da eine Vorlageverpflichtung des Vorstands nicht auf eine Reduzierung seines Ermessens gestützt werden kann. Konsequenterweise findet sich dieser Teil der Formel in den Gelatine-Urteilen auch nicht wieder. Stattdessen geht es nunmehr um „besondere Fallgestaltungen […, die] so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, dass diese Auswirkungen an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreichen“174. Auch diese Formulierung muss nach einem Nichtannahmebeschluss des BGH vom 20. 11. 2006 dahingehend modifiziert werden, dass es allein auf den Mediatisierungseffekt der Maßnahme und nicht mehr auch auf eine etwaige Betroffenheit des Vermögensinteresses ankommt175. Zusammenfassend legen die Formulierungen des BGH einen dreigliedrigen Tatbestand nahe, bestehend aus: 1. Einer besonderen bzw. grundlegenden Maßnahme („Strukturmaßnahme“), 2. einem daraus resultierenden Mediatisierungseffekt zu Lasten der Aktionäre und 3. einer durch den Mediatisierungseffekt verwirklichten Eingriffstiefe in die Mitgliedsrechte, die von den Auswirkungen her an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreicht. 172 BGH, NJW 2004, 1860, 1862 f. („Gelatine II“); Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 119 Rn. 29. 173 BGHZ 83, 122, 131 („Holzmüller“). 174 BGH, NJW 2004, 1860, 1862 f. („Gelatine II“). 175 BGH, NZG 2007, 234 („Stuttgarter Hofbräu“).

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

1. Strukturmaßnahme Zunächst stellt sich die Frage, ob der Formulierung „besondere Entscheidungen“ bzw. „grundlegende Fallgestaltungen“ eine eigenständige Funktion im Sinne eines Tatbestandsmerkmals zukommt. Der BGH verwendet diese beiden Formulierungen in seinen Gelatine-Urteilen gleichrangig. Diese Formulierung erlangt vor dem Hintergrund der Gesetzesbegründung des AktG von 1965, wonach die Hauptversammlung für alle Maßnahmen zuständig sein sollte176, die den rechtlichen oder wirtschaftlichen Aufbau der Gesellschaft betreffen (Strukturmaßnahmen), zumindest etwas Kontur. Anhaltspunkte, an denen sich der Kreis der in Betracht kommenden Strukturmaßnahmen eingrenzen ließe, gibt der BGH nur insoweit, wie er feststellt, dass eine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung nur dann in Betracht komme, wenn durch die Maßnahme an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, eingegriffen werde, weil sie Veränderungen nach sich ziehe, die in ihrer Intensität nahezu die einer Satzungsänderung erreichen177. Der BGH bedient sich insoweit zwar der Satzungsänderung als Leitbild für Strukturmaßnahmen. Dies schließt es jedoch nicht aus, auf die gesetzlich vorgezeichneten und im Rahmen der Gesamtanalogie herangezogenen Strukturmaßnahmen zurückzugreifen178. Eine Maßnahme ist daher unter Beachtung der aus den §§ 179, 179a, 186 Abs. 3, 262 Abs. 1 Nr. 2, 293, 319 AktG, §§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1, 123 UmwG folgenden Wertungen als strukturverändernd zu betrachten, wenn sie eine Änderung der rechtlichen oder wirtschaftlichen Struktur der betroffenen Gesellschaft bewirkt. Dabei stellt der BGH darauf ab, ob die Maßnahme den Kernbereich der Gesellschaft betrifft179. Ähnlich lautet der Ansatz, der eine Veränderung des charakteristischen Gepräges bzw. des historisch gewachsenen Bildes des Unternehmens verlangt180. Dies ist bei Maßnahmen mit vorwiegend rechtlichem Effekt der Fall, wenn entweder die innere Verfassung der Gesellschaft oder das Verhältnis zwischen den Organen untereinander oder gegenüber der Gesellschaft von Grund auf verändert wird. Bei Maßnahmen mit vorwiegend wirtschaftlichen Auswirkungen ist aufgrund der Wertungen des § 179a AktG bzw. der §§ 293 ff. AktG entweder die Gefährdung der Existenzgrundlage des Unternehmens oder eine aus der Maßnahme folgende wirtschaftliche Abhängigkeit vorauszusetzen181. Damit fallen die meisten Geschäftsführungsmaßnahmen aus dem Bereich der Strukturmaßnahmen heraus. Grenzwertig wird es dagegen bei Maßnahmen, die wirtschaftlich extrem riskant sind oder sich anderweitig grundlegend auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft niederschlagen. Diese können in Ausnahmefällen die wirtschaftliche 176 Vgl. die Begründung des RegE zu § 119 AktG, abgedruckt in: Kropff, Textausgabe AktG, S. 165. 177 BGH, NZG 2004, 575, 579 („Gelatine I“). 178 Vgl. Grün, Informationspflichten S. 51 f. 179 BGHZ 83, 122, 131 („Holzmüller“). 180 LG Duisburg, AG 2003, 390 f.; Mecke, Konzernstruktur, S. 192. 181 Vgl. die Ausführungen unter Zweiter Teil, B. II.

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Struktur der Gesellschaft betreffen. Dies ist etwa der Fall, wenn ein vom Unternehmen geschlossener Vergleichsvertrag die Bilanzsumme des eigenen Unternehmens übersteigt182. Auch konzerndimensionale Effekte wie der Grad gegenseitiger Verflechtung der Gesellschaften bzw. das Innehaben einer Schlüsselstellung für andere Gesellschaften können eine Strukturmaßnahme begründen183. Grundsätzlich kann es in Anlehnung an die gesetzlich vorgezeichneten Strukturmaßnahmen keinen Unterschied machen, ob die konkrete Maßnahme Vertragsform184 hat (sog. Strukturverträge) oder nicht (sog. Strukturmaßnahme i.e.S.)185. Auch indiziert die Tatsache, dass sich der Vorstand gem. § 119 Abs. 2 AktG zur Vorlage an die Hauptversammlung entschließt, nicht, dass die Maßnahme nach der Holzmüller-Doktrin der Zuständigkeit der Hauptversammlung unterliegt186. 2. Mediatisierungseffekt Nach den Aussagen des BGH in Sachen „Holzmüller“ und „Gelatine“ bedurfte es ferner eines bestimmten Eingriffs in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse. Einen derartigen Eingriff sah der BGH in seinen Gelatine-Urteilen als gegeben an, wenn entweder ein Fall der Mediatisierung vorliegt oder eine nachhaltige Schwächung des Werts der Beteiligung zu befürchten ist187. Ob eine derartige Alternativität188, wie sie in den Gelatine-Urteilen zum Ausdruck kam, auch vom BGH beabsichtigt war, darf bezweifelt werden. Grund dafür ist, dass der BGH in der Begründung zum „Macrotron-Urteil“ auf die Holzmüller-Doktrin verwies und in diesem Zusammenhang allein auf den sie charakterisierenden Mediatisierungseffekt abstellte189. Jedenfalls stellte der BGH in seinem Nichtannahmebeschluss im Fall Stuttgarter Hofbräu klar, dass der für die Holzmüller-Doktrin zu fordernde Eingriff allein in einer durch die Maßnahme ausgelösten Mediatisierung

182

Insoweit richtig: OLG Schleswig, ZIP 2006, 420, 425. Allerdings hätte die Zuständigkeit der Hauptversammlung mangels Vorliegen der weiteren Tatbestandsmerkmale im Ergebnis verneint werden müssen. 183 Im Urteil „Gelatine I“ wurde für maßgeblich befunden, ob die Tochter aufgrund ihrer Inhaberschaft von Grundstücken und Schutzrechten eine Schlüsselstellung besitzt, aus der eine Abhängigkeit der operativ tätigen Muttergesellschaft resultieren könnte, BGH, NZG 2004, 575, 580 („Gelatine I“). 184 Vgl. §§ 124 Abs. 2 S. 2, 2. Var., 179a, 293 AktG, §§ 13, 65 UmwG. 185 Vgl. §§ 124 Abs. 2 S. 2, 1. Var., 186 Abs. 3, 262 Abs. 1 Nr. 2, 319 AktG, § 123 UmwG. 186 A.A. OLG Schleswig, ZIP 2006, 420, 425. 187 BGH, NJW 2004, 1860, 1862 f. („Gelatine II“). 188 Gegen eine Alternativität dagegen schon damals: Habersack, AG 2005, 137, 139, 145 Fn. 75, der die Formulierung des BGH dahingehend verstand, dass es sich bei den vom BGH postulierten Vermögensschutz lediglich um einen Begleitaspekt und nicht um ein eigenständiges Aufgreifkriterium handelte; ihm folgend: Arnold, ZIP 2005, 1573 f. 189 BGHZ 153, 47, 54 („Macrotron“).

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

liegen kann190. Nun kann zweckmäßigerweise nicht jedwede Beeinträchtigung von Mitgliedsrechten als Mediatisierung aufgefasst werden. Vielmehr ist die Mediatisierung als ein Eingriff in die Mitgliedsrechte anzusehen, der sich gerade dadurch realisiert, dass der Aufbau der Gesellschaft verändert wird und in dessen Folge die Gesellschafter nicht mehr den durch ihre Teilhaberechte vermittelten Zugriff auf die Betriebsteile haben wie vor der Maßnahme. 3. Eingriffstiefe Ist eine Strukturmaßnahme festgestellt, durch welche die Mitgliedsrechte mediatisiert werden, muss sie nach den Ausführungen des BGH auch noch eine bestimmte Eingriffstiefe erreichen, also auch eine „wesentliche“ Strukturmaßnahme sein, da eine Beschlusszuständigkeit der Hauptversammlung in Geschäftsführungsangelegenheiten nur in engen Grenzen in Betracht kommt191. Dabei hat der BGH im Holzmüller-Fall darauf abgestellt, dass es sich bei dem ausgegliederten Betriebsteil um den wertvollsten Betriebszweig handelt192. Den Formulierungen des BGH ist daher zu entnehmen, dass es insoweit auf rein quantitative Maßstäbe ankommt. Im Holzmüller-Fall machte der ausgegliederte Seehafenbetrieb nach den Feststellungen des damals zuständigen Berufungsgerichts knapp 80 % der Aktivasumme des Gesamtunternehmens aus193. Den Aussagen des BGH lässt sich somit entnehmen, dass die erforderliche Quantität grundsätzlich in einer Kombination aus Schwellenwert und Parameter definiert wird. a) Schwellenwert Der BGH hat im Holzmüller-Fall eine Zustimmungspflicht bejaht, wobei der ausgegliederte Seehafenbetrieb nach den Feststellungen des damals zuständigen Berufungsgerichts knapp 80 % der Aktiva des Gesamtunternehmens ausgemacht hatte194. In der Folge waren in der Literatur und Rechtsprechung vielfache Ansätze gemacht worden, sowohl die Bezugsgröße als auch den jeweilig anzusetzenden Schwellenwert zu definieren. Dabei fand eine kreative Kombination so gut wie aller bilanziellen Kennzahlen mit z. T. gravierend voneinander abweichenden Schwellenwerten statt195. In seinen Gelatine-Urteilen erteilte der BGH diesen Ansätzen fast vollständig 190

BGH, NZG 2007, 234 („Stuttgarter Hofbräu“); zustimmend: Hofmeister, NZG 2008, 47, 49. BGH, NZG 2004, 575, 579 („Gelatine I“). 192 BGHZ 83, 122, 131 („Holzmüller“). 193 BGHZ 53, 122; OLG Hamburg, ZIP 1980, 1000, 1005. 194 BGHZ 53, 122; OLG Hamburg, ZIP 1980, 1000, 1005. 195 Für 10 % des Aktivvermögens: Seydel, Konzernbildungskontrolle, S. 434; für 20 – 25 % des Aktivvermögens oder 20 % der gemittelten Erträge der letzten 20 Jahre: Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 850; ders., in: FS Fleck, S. 169, 180; für 10 % des Grundkapitals: Geßler, in: FS Stimpel, S. 771, 787; für 25 % des Vermögens berechnet nach den steuerlichen Teilwerten gem. § 10 BewG: Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 181 mit Fn. 107 und S. 166 mit Fn. 47; 191

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eine Absage und führt die zu fordernde Eingriffstiefe auf das ursprünglich im Holzmüller-Fall geschaffene Ausmaß zurück, indem er die quantitative Schwelle als „regelmäßig“ bei 80 % der Aktiva erreicht ansah196. Damit müsste auch in Zukunft quantitativ darauf abgestellt werden, ob eine Maßnahme 80 % des Aktivvermögens der Gesellschaft betrifft. Nicht ausgeschlossen ist damit jedoch, dass die HolzmüllerDoktrin auch schon bei 75 %197 oder gar 70 %198 eingreift. Die Vorinstanz zum Holzmüller-Urteil stellte hinsichtlich des Werts des Betriebsteils darauf ab, wie viel Prozent dieser vom Gesamtunternehmen ausmachte199. Diese konzerndimensionale Betrachtung ist zu befürworten. Zudem sind bei der Berechnung des Schwellenwerts mehrere Einzelmaßnahmen zusammenzurechnen, wenn zwischen ihnen ein zeitlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht200. Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch nicht schon dann, wenn im Rahmen einer geplanten Konzernumstrukturierung auf nahezu allen Geschäftsfeldern verschiedene Optionen bedacht und geprüft werden201. In Bezug auf die zeitliche Dimension einer derartigen quantitativen Betrachtung schweigen die Urteile des BGH. Dabei ist zu beachten, dass Kennzahlen nur eine periodenbezogene Relevanz aufweisen und mitunter zum Zeitpunkt der eigentlichen Maßnahme nicht mehr die gegenwärtigen Verhältnisse widerspiegeln. Dies gilt insbesondere in besonders schwankungsanfälligen Industrien oder Geschäftsbereichen, die sich in einem Restrukturierungsprozess befinden. Dem deutschen Aktienrecht lässt sich entnehmen, dass zur besseren Einschätzbarkeit der gegenwärtigen Verhältnisse die Kennzahlen der letzten drei Jahre heranzuziehen sind202. Dies sollte auch bei der Feststellung des konkreten Schwellenwerts geschehen. Dies kann letztlich dazu führen, dass etwa ein auszugliedernder Unternehmensbereich, der in den letzten zwei Jahren stark an Wert verloren hat, dessen Wert durch die letzten Kennzahlen aber immer noch mit 70 % des Aktivvermögens des Konzerns undifferenzierend auf 20 – 25 % des Vermögens abstellend: Wollburg/Gehling, in: FS Lieberknecht, S. 133, 158 f.; 10 % des Vermögens und 50 % des Umsatzes für ausreichend erachtend: LG Frankfurt a.M., ZIP 1993, 830, 832; für 50 % des Grundkapitals: Veil, ZIP 1998, 361, 369; für 25 % des Umsatzes oder des Gesamtwertes des Gesellschaftsvermögens: Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 89; für 10 % des Gesamtwerts der Unternehmensgruppe: Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 430; auf die zu § 23 Abs. 2 Nr. 1 GWB a.F. entwickelten Abgrenzungskriterien abstellend: Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 56 f.; für 23 % der Konzernbilanzsumme und 30 % des Konzernumsatzes: LG Frankfurt a.M., ZIP 1997, 1698, 1701 („Altana/Milupa“); für die Beteiligungsveräußerung auf einen Buchwert von 50 % der Aktiva abstellend: LG Düsseldorf, AG 1999, 94 f. 196 BGH, NJW 2004, 1860, 1864 („Gelatine II“). 197 v. Falkenhausen, ZIP 2007, 24; Reichert, AG 2005, 150, 153; Liebscher, ZGR 2005, 1, 7; a.A. wohl OLG Stuttgart, ZIP 2005, 1415. 198 Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 119 Rn. 27. 199 OLG Hamburg, ZIP 1980, 1000, 1005. 200 LG Karlsruhe, NZG 1998, 393; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 47. 201 OLG Hamm, NZG 2008, 155. 202 Vgl. §§ 293 f Abs. 1 Nr. 2, 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, 327c Abs. 3 Nr. 2 AktG, § 49 Abs. 2, 63 Abs. 1 Nr. 2 UmwG.

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

ausgewiesen wird, schon den maßgeblichen Schwellenwert nicht erfüllt, da der gegenwärtige Wert aufgrund der historischen Entwicklung höchstwahrscheinlich unter der 70 %-Schwelle liegt203. Diese zeitliche Gesamtschau kann in umgekehrter Weise auch dazu führen, dass ein Unternehmensteil aufgrund eines starken Wertzuwachses in den letzten zwei Jahren auch unterhalb der 70 %-Schwelle die Holzmüller-Doktrin auslöst. b) Parameter Keine Rechtssicherheit besteht nach wie vor bei den heranzuziehenden Parametern: In Bezug auf die maßgeblichen Kennzahlen erwähnt der BGH neben der Ertragskraft und der Aktivasumme – dem im Holzmüller-Fall maßgeblichen Parametern204 – auch die Bilanzsumme, das Eigenkapital205, den Umsatz und das Vorsteuerergebnis206. Den Ausführungen des BGH ist weder eine Festlegung dahingehend zu entnehmen, ob bereits die Erreichung des quantitativen Schwellenwertes durch nur eine Kennziffer ausreicht, noch welche für diesen Fall die ausschlaggebende wäre. Zwar kommt der Ertragskraft und der Aktivasumme erkennbar eine besondere Bedeutung zu, jedoch scheint der BGH die erwähnten Kennzahlen in einer wertenden Gesamtschau zu betrachten207.

II. Der Anwendungsbereich der Holzmüller Doktrin Nachdem die tatbestandlichen Voraussetzungen der Holzmüller-Doktrin geklärt sind, steht fest, dass der BGH aufgrund der strengen quantitativen Maßstäbe, die seit den Gelatine-Urteilen anzulegen sind, ihren Bedeutungsgrad stark eingeschränkt hat. Umso erstaunlicher ist angesichts dieser Tatsache, dass ihre Anwendung in der Praxis immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen ist208. Wann die Holzmüller-Doktrin nun tatsächlich greift und wann nicht, ist dabei die Grundfrage, der sich die Gerichte in diesen Situationen ausgesetzt sehen. 1. Der subjektive Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin In subjektiver Hinsicht erfasst die Holzmüller-Doktrin grundsätzlich alle Aktiengesellschaften, d. h. unabhängig von ihrem jeweiligen Realtypus209. Umstritten ist jedoch, ob auch vertraglich beherrschte Gesellschaften vom Anwendungsbereich der 203 204 205 206 207 208 209

Vgl. Feldhaus, BB 2009, 562, 568 f. BGHZ 83, 122, 139 („Holzmüller“). So weit auch OLG Stuttgart, AG 2005, 693 („Stuttgarter Hofbräu“). BGH, NZG 2001, 405 („Altana/Milupa“); vgl. auch Reichert, AG 2005, 150, 154. Bungert, BB 2004, 1345, 1347. Vgl. etwa die Umstrukturierung von Arcandor, OLG Hamm, NZG 2008, 155 f. Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 36.

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Holzmüller-Doktrin erfasst sind, d. h. der Vorstand der Untergesellschaft zur Befolgung einer strukturverändernden Weisung eines zustimmenden Hauptversammlungsbeschlusses der Untergesellschaft bedarf210. Dies wird teilweise unter Hinweis darauf verneint, dass der Vorstand des herrschenden Unternehmens per Weisung Konzernbelange gegen den Willen des Vorstands der abhängigen Gesellschaft bis zur Grenze der Existenzgefährdung durchsetzen könne211. Auch seien die außenstehenden Aktionäre durch umfangreiche Schutz- und Exitrechte212 ausreichend gegen nachteilige Weisungen gesichert213. Dieser Ansicht ist nicht zuzustimmen, da es zur Ermittlung einer etwaigen Beteiligung der Hauptversammlung der beherrschten Gesellschaft nicht darauf ankommt, ob eine Weisung in concreto nachteilig ist, sondern ob ihr Inhalt unter den Bereich der Geschäftsführungs- oder Grundlagenmaßnahmen fällt. Per definitionem handelt es sich bei Holzmüller-Maßnahmen jedoch um Grundlagenmaßnahmen, für die ein Hauptversammlungsbeschluss zwingend ist. Zwar wird nach einem Urteil des BGH die Satzung durch einen Unternehmensvertrag überlagert214. Holzmüller-Maßnahmen spielen sich jedoch nicht auf Satzungsebene ab, sondern greifen in die gesetzlich vorgezeichnete Verfassung der Gesellschaft ein. Letztere kann aber nicht durch einen Unternehmensvertrag überlagert werden215. Für eingegliederte Gesellschaften gelten diese Ausführungen entsprechend. 2. Der objektive Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin Im Folgenden soll anhand der Aussagen des BGH und der sich diesen anschließenden Diskussion in der Literatur der objektive Anwendungsbereich der HolzmüllerDoktrin umrissen werden. Dabei wird auf der einen Seite unterstellt, dass im konkreten Einzelfall die Strukturmaßnahme die erforderliche Eingriffstiefe besitzt, so dass die folgenden Fallkonstellationen im Wesentlichen in Bezug auf die Frage untersucht werden, ob sie auch einen Mediatisierungseffekt auslösen. Auf der anderen Seite sei aufgrund der Dehnbarkeit des Begriffs „Mediatisierungseffekt“ darauf hingewiesen, dass eine Mediatisierung in vielen verschiedenen Formen auftreten kann und die folgende Auflistung deshalb keine abschließende Typologisierung darstellen kann.

210

Zwar wird die Obergesellschaft in den meisten Fällen ohnehin über die erforderliche Dreiviertel-Mehrheit verfügen. Gleichwohl besteht im Falle einer nicht gehaltenen Hauptversammlung das Risiko, dass Einzelaktionäre auf Rückgängigmachung der Maßnahme oder Schadensersatz klagen. 211 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 36; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1578; Fuhrmann, AG 2004, 339, 342. 212 Vgl. §§ 302, 304 AktG. 213 Arnold, ZIP 2005, 1573, 1578 f. 214 BGHZ 103, 1, 4 f. 215 So auch Liebscher, ZGR 2005, 1, 32; Altmeppen, in: MünchKommAktG, § 291 Rn. 84; für die GmbH: OLG Stuttgart, NZG 1998, 601 f.

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a) Die höchstrichterlich anerkannten Fälle aa) Ausgliederung Sowohl das Holzmüller-Urteil des BGH als auch die Vorarbeit aus der Literatur orientierten sich an dem Fall der Ausgliederung eines wesentlichen Unternehmensbereichs auf eine Tochtergesellschaft216. Dabei handelt es sich gleichzeitig auch um eine der in der Praxis am häufigsten vorkommenden Maßnahmen, die unter die Holzmüller-Doktrin fallen: Wie eine empirische Untersuchung zeigt, hatten 52 % der zwischen 1990 und 1999 erfassten Holzmüller-Beschlüsse die Ausgliederung von Teilbetrieben oder Assets zum Gegenstand217. Wie eingangs gezeigt, werden durch eine Ausgliederung die Mitgliedsrechte der Aktionäre mediatisiert218. bb) Einbringung von Beteiligungen In den Gelatine-Entscheidungen schloss sich der BGH den unzähligen Ausführungen aus der Literatur insoweit an, als er feststellte, dass neben Ausgliederungen auch andere Maßnahmen einen Mediatisierungseffekt hervorrufen können und daher grundsätzlich geeignet sind, die Zuständigkeit der Hauptversammlung herbeizuführen219. Dabei stellte er fest, dass die Einbringung bislang unmittelbar von der Obergesellschaft gehaltener Beteiligungen in eine Tochtergesellschaft einen „weiteren“ Mediatisierungseffekt auslöst, der zu einer Zuständigkeit der Hauptversammlung der Obergesellschaft führt220. Eine solche, durch die „Verenkelung“ einer Tochtergesellschaft ausgelöste weitere Mediatisierung muss dagegen solange ausscheiden, wie die Obergesellschaft aufgrund eines mit der jetzigen Enkelgesellschaft geschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags verbunden ist, da den Aktionären der Obergesellschaft in diesem Fall ihre Vermögens- und Mitverwaltungsrechte erhalten bleiben221. Aus den Gelatine-Urteilen kann zudem der Schluss gezogen werden, dass die horizontale konzerinterne Beteiligungsübertragung, d. h. zwischen Tochtergesellschaften oder zwischen Enkelgesellschaften, keine Strukturmaßnahme der Obergesellschaft darstellt, da die Einflussnahme der Gesellschafter der Obergesellschaft auf die umgehängte Gesellschaft nicht durch die Zwischenschaltung einer weiteren Stufe mediatisiert wird222. Dieser Gedanke muss jedoch nicht nur bei der konzerninternen Übertragung von Beteiligungen, sondern auch anderen Maßnahmen Geltung beanspruchen. Daher lösen auch horizontale Verschmelzungen, Abspaltun216 217 218 219 220

BGHZ 83, 122 („Holzmüller“); Kropff, in: FS Geßler, S. 111, 120 ff. Bernhardt, DB 2000, 1873, 1875. Vgl. Zweiten Teil, B. II. BGH, NZG 2004, 1860, 1864 („Gelatine II“). BGH, NZG 2004, 575, 578 („Gelatine I“); a.A. Koppensteiner, Der Konzern 2004, 381,

385. 221 222

Goette, AG 2006, 522, 527; Bungert, BB 2004, 1345, 1348. Goette, AG 2006, 522, 527.

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gen oder ähnliche Maßnahmen keinen weiteren Mediatisierungseffekt aus223. Fraglich ist hingegen, ob auch die Umstufung auf tiefere Konzernebenen, z. B. die Beteiligungsübertragung von Enkel auf Urenkel, zustimmungspflichtig ist. Dies ist i. d. R. mangels nennenswerter weiterer Mediatisierung abzulehnen224. cc) Konzernleitungskontrolle Ebenfalls unter die Kategorie einer „weiteren Mediatisierung“ fallen zudem bestimmte Maßnahmen in Tochtergesellschaften, für welche in der Literatur eine Zuständigkeit der Hauptversammlung der Obergesellschaft unter dem Stichwort einer Konzernleitungskontrolle225 diskutiert wird. Dabei handelt es um Maßnahmen, die zwar nicht von der Obergesellschaft, sondern von einer wesentlichen Untergesellschaft initiiert werden, gleichwohl aber zu einer nachhaltigen Veränderung der Konzernstruktur führen und die Mitglieds- und Vermögensinteressen der Aktionäre der Obergesellschaft beeinträchtigen226. Als solche Maßnahmen identifizierte bereits der BGH in seinem Holzmüller-Urteil die Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft mit Bezugsrechtsausschluss und den Abschluss von Unternehmensverträgen227. In diesen Kontext fallen jedoch auch die Veräußerung des gesamten Vermögens der Tochtergesellschaft228 und Auflösungsbeschlüsse229 sowie Umwandlungen230. Eine pauschale Übertragung des Mitwirkungserfordernisses auf alle Maßnahmen, die auf der Ebene der Tochtergesellschaft nur mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden können, ginge indes zu weit, da vom Mehrheitserfordernis nicht auf einen Mediatisierungseffekt geschlossen werden kann231. Eine Zustimmung der Aktionäre der Obergesellschaft wird dabei nicht dadurch entbehrlich, dass diese bereits der vorangehenden gruppenbildenden oder -umbildenden Maßnahme – sei es eine Ausgliederung oder anderweitigen Einbindung des Tochterunternehmens in den Konzern – zugestimmt haben. Grund dafür ist, dass zwischen dieser Maßnahme und der konkreten durch die Tochtergesellschaft initiierten Maßnahme zu differenzieren ist232. 223

So auch Bungert, BB 2004, 1345, 1348. OLG Karlsruhe, DB 2002, 1094 f. („Macrotron“); Krieger, in: MünchHdb AG § 69 Rn. 10; Hirte, Bezugsrechtsausschluss, S. 178 f.; Martens, ZGR 147 (1983), 377, 425; Lutter, AG 2000, 342 f.; Bungert, BB 2004, 1345 f. 225 Kritisch zu der terminologischen Differenzierung von Konzernleitungs- und Konzernbildungskontrolle: Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 60. 226 Habersack, AG 2005, 137, 148 f. 227 BGHZ 83, 122, 138 ff. („Holzmüller“). 228 OLG Celle, NZG 2001, 409. 229 LG Hannover, DB 2000, 1607; LG Frankfurt a.M., AG 1998, 45. 230 Liebscher, ZGR 2005, 1, 8. 231 In seinem Holzmüller-Urteil verweist der BGH insbesondere auf die Umfirmierung, die Sitzverlegung und die Bindung des Vorstands an die Zustimmung des Aufsichtsrats, BGHZ 83, 122, 140 f. 232 Habersack, AG 2005, 137, 148; offen lassend noch BGHZ 83, 122, 140 („Holzmüller“). 224

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dd) Kein Ausschluss durch eine Konzernklausel Wie gezeigt wurde, findet sich ein Großteil des Anwendungsbereichs der Holzmüller-Doktrin im Bereich der Konzernbildung und -kontrolle. In diesem Zusammenhang wird vertreten, dass den berechtigten Interessen der Aktionäre bereits dadurch genügt wird, dass sie durch eine „Konzernklausel“ innerhalb der Satzung bestimmen können, ob überhaupt die Möglichkeit für eine Konzernbildung eröffnet werden soll233. Bei Bestehen einer derartigen Klausel wird somit ein Mediatisierungseffekt abgelehnt, da die Aktionäre in eine Schwächung ihrer Mitgliedsrechte eingewilligt hätten. Diese Ansicht vernachlässigt jedoch, dass eine solche Satzungsklausel nur abstrakt die Konzernbildung ermöglicht und den Handlungsspielraum des Vorstands dahingehend erweitert, dass die AG selbst keine operativen Tätigkeiten ausüben muss. Davon ist indes die tatsächliche Wahrnehmung der Konzernbildung durch den Vorstand zu unterscheiden. Gerade die Tatsache, dass die Holzmüller-Doktrin nur noch in Extremfällen zur Anwendung gelangen kann, verstärkt das Bedürfnis der Aktionäre nach einem Schutz für den konkreten Einzelfall234. Auch der BGH hat sich gegen eine Vorablegitimation strukturverändernder Maßnahmen durch Konzernklauseln ausgesprochen235. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen. b) Veräußerung wesentlicher Unternehmensbeteiligungen oder Unternehmensteile Lange Zeit umstritten und bis heute nicht mit absoluter Sicherheit geklärt ist die Frage, ob die Veräußerung wesentlicher Unternehmensbeteiligungen oder (nicht rechtlich verselbstständigter) Unternehmensteile236 potentiell zustimmungspflichtig ist237. Diese Maßnahmen haben nach der Ausgliederung mit ca. 46 % den zweitgrößten Anteil an den zwischen 1990 und 1999 registrierten Holzmüller-Maßnahmen und sind somit von herausragender Bedeutung für den Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin238.

233 OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 21. 06. 2007 (5 U 34 /07); Lutter, in: FS Stimpel, S. 825, 846 ff.; Wiedemann, Unternehmensgruppe, S. 57; Renner, NZG 2002, 1091 ff. 234 Ähnlich auch: LG Stuttgart, AG 1992, 236 ff.; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 42; Bungert, BB 2004, 1345, 1349. 235 BGH, NJW 2004, 1860, 1864 („Gelatine II“). 236 Die Gleichbehandlung von Veräußerung einer Beteiligung und eines Unternehmensteils anerkennend: Kubis, in: MünchKommAktG § 119 Rn. 65. 237 Dafür: OLG Stuttgart, ZIP 2003, 1981, 1988; OLG Celle, ZIP 2001, 613, 615; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 230 f.; Hüffer, in: FS Ulmer, S. 279, 294 ff.; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230; Götze, NZG 2004, 585, 588; Kubis, in: MünchKommAktG § 119 Rn. 63; a.A.: BGH, ZIP 2007, 24; Goette, AG 2006, 522, 527; v. Falkenhausen, ZIP 2007, 24 f.; Habersack, AG 2005, 137, 145; Groß, AG 1994, 266, 268 ff. 238 Vgl. die empirische Studie von Bernhardt, DB 2000, 1873, 1875.

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aa) Das Meinungsspektrum vor dem „Stuttgarter Hofbräu-Beschluss“ des BGH Die Befürworter einer Zustimmungspflicht führen an, dass eine Beteiligungsveräußerung gegenüber der Ausgliederung oder der konzerninternen Umhängung die gewichtigere Maßnahme sei, da die Mitgliedsrechte nicht nur mediatisiert, sondern vollständig beendet werden. Daher müsse die Hauptversammlung erst recht für die Veräußerung von Beteiligungen zuständig sein (argumentum a fortiori)239. Ferner wird die Holzmüller-Doktrin mit dem „principle-agent-conflict“ untermauert und in ihrem Anwendungsbereich auf die Fälle ausgerichtet, in denen sich der Vorstand in einem beträchtlichen Interessenkonflikt befindet, was insbesondere im Fall der Veräußerung wesentlicher Vermögenswerte der Fall sein soll240. Dem halten die Gegner einer Zustimmungspflicht entgegen, dass durch die vollständige Veräußerung einer Beteiligung keine Mediatisierung entstehe, sondern vielmehr beendet werde241. Der aus der Veräußerung erzielte Erlös fließe zudem in das Vermögen der Gesellschaft und unterliege damit wieder der unmittelbaren Kontrolle der Hauptversammlung, so dass die Kontrollrechte der Hauptversammlung im Ergebnis sogar gestärkt würden242. Zwischen diesen Standpunkten findet sich eine Meinungsgruppe, die zwischen der vollständigen und der nur partiellen Veräußerung einer Beteiligung differenziert. Die Vertreter dieser Ansicht sehen in der teilweisen Veräußerung einer Beteiligung, die maßgeblichen Einfluss vermittelt, eine Mediatisierung, wenn infolge der Veräußerung des Beteiligungsteils ein Dritter als Mehrheitsgesellschafter beherrschenden Einfluss über die Gesellschaft erlangt243. Grund dafür soll sein, dass der bis dato mittelbar bestehende Einfluss der Aktionäre auf die andere Gesellschaft spürbar absinke und das Risiko bestehe, dass der Mehrheitsgesellschafter Entscheidungen gegen die Interessen der Aktionäre trifft. Gleiches soll in abgeschwächter Form auch für den Fall gelten, dass dem Dritten eine Sperrminorität zukommt, da insoweit eine Verwässerung des Einflusses der Aktionäre in der faktischen Kompromisspflicht zu sehen ist.

239

OLG Celle, ZIP 2001, 613, 615; LG Stuttgart, AG 1992, 236 ff.; LG Düsseldorf, AG 1999, 94 f.; LG Frankfurt a.M., AG 2001, 431, 433; Bungert, BB 2004, 1345, 1349; Götze, NZG 2004, 585, 588; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 230 f. 240 Fleischer, NJW 2004, 2335 f. 241 Arnold, ZIP 2005, 1573, 1576 f.; Habersack, AG 2005, 137, 145; Krieger, in: MünchHdb AG, § 69 Rn. 10; Liebscher, ZGR 2005, 1, 24. 242 Arnold, ZIP 2005, 1573, 1576 f.; Habersack, AG 2005, 137, 145. 243 Vgl. Liebscher, ZGR 2005, 1, 24; Reichert, AG 2005, 150, 156; a.A. jedenfalls für den Fall, dass die anteilige Beteiligung an einer Enkelgesellschaft teilweise veräußert werden soll: OLG Hamm, NZG 2008, 155, 157.

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

bb) Der „Stuttgarter Hofbräu-Beschluss“ des BGH Am 20. 11. 2006 bekam der BGH Gelegenheit sich zu der Frage zu äußern, ob die hälftige Veräußerung einer Beteiligung unter den Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin fällt244. Zwar verneinte dies der BGH. Fraglich ist jedoch darüber hinaus, ob den Aussagen des BGH entnommen werden kann, dass Beteiligungsveräußerungen unabhängig von ihrem Ausmaß nicht unter die HolzmüllerDoktrin fallen. (1) Sachverhalt und Begründung des Nichtannahmebeschlusses Dem Nichtannahmebeschluss des BGH vom 20. 11. 2006 lag der Fall zu Grunde, dass die beklagte AG, die das Stuttgarter Hofbräu betrieb, ihren Betrieb auf eine Tochter-KG ausgegliedert und später ihre Geschäftsanteile an der KG zur Hälfte veräußert hatte. Für die übrige Hälfte der KG-Anteile und sämtlicher Anteile an der Komplementär-AG war der Käuferin eine Kaufoption eingeräumt worden245. Die Zustimmung der Hauptversammlung war für diese Transaktion nicht eingeholt worden, weshalb ein Aktionär gerichtlich geltend machte, dass der Vertrag der Hauptversammlung hätte vorgelegt werden müssen. In erster und zweiter Instanz war die Klage abgewiesen worden, da die Holzmüller-Doktrin für nicht einschlägig erachtet worden war246. Dabei hatte das OLG Stuttgart noch offen gelassen, ob die Holzmüller-Doktrin überhaupt in den Fällen der Beteiligungsveräußerung einschlägig sein kann. Nachdem das OLG Stuttgart die Revision nicht zugelassen hatte, wies auch der BGH die folgende Nichtzulassungsbeschwerde zurück. Bevor er die Feststellung des Berufungsgerichts bestätigte, dass § 179a AktG nicht einschlägig sei, begründet der BGH die Nichtannahme der Revision recht sparsam damit, dass „ein Mediatisierungseffekt wie in den Fällen der so genannten ,Gelatine-Rechtsprechung […] bei der hier vorliegenden Beteiligungsveräußerung nicht gegeben [ist]“. (2) Interpretation des Nichtannahmebeschlusses Die spartanische Begründung des BGH gibt Anlass zur Spekulation, ob der BGH allgemein zu der vom OLG Stuttgart offen gelassenen Frage, ob Beteiligungsveräußerungen – unabhängig von ihrem Umfang – unter die Holzmüller-Doktrin fallen können, Stellung bezogen hat oder ob seine Aussagen allein auf die hälftige Veräußerung der Beteiligung des vorgelegten Falls bezogen waren. Einzig die Tatsache, dass für Holzmüller-Maßnahmen zwingend ein Mediatisierungseffekt zu fordern ist, lässt sich den Aussagen des BGH zweifelsfrei entnehmen. Darüber hinaus 244

BGH, NZG 2007, 234. So im Wesentlichen der Sachverhalt, wie er sich aus dem Urteil der Vorinstanz ergibt, vgl. OLG Stuttgart, AG 2005, 693. 246 OLG Stuttgart, AG 2005, 693 ff. („Stuttgarter Hofbräu“). 245

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kann der Wortlaut des Beschlusses so verstanden werden, dass lediglich die im vorgelegten Fall gegenständliche Beteiligungsveräußerung von 50 % der Anteile an der AG mangels Mediatisierungseffekt nicht unter den Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin fällt. Dafür spricht, dass der BGH sich auf die „hier vorliegende Beteiligungsveräußerung“ bezieht. Hofmeister versucht diese Auslegungsmöglichkeit mit dem Argument zu entkräften, dass der BGH – wenn es sich tatsächlich nur um einen Beschluss zur hälftigen Beteiligungsveräußerung gehandelt hätte – gar keinen Anlass gehabt hätte, zum Mediatisierungseffekt Stellung zu nehmen, da § 179a AktG von vorneherein eine Sperrwirkung bei Veräußerungsfällen auslöst und der vorliegende Fall damit bereits auf der Grundlage des § 179a AktG gelöst gewesen wäre247. Mit anderen Worten soll allein aus der Tatsache, dass der BGH die Holzmüller-Doktrin neben § 179a AktG in Betracht zieht, zu folgern sein, dass sich der BGH auch zur vollständigen Veräußerung von Beteiligungen äußern wollte. Diese Argumentation setzt stillschweigend voraus, dass der BGH für eine derartige Sperrwirkung des § 179a AktG, wie sie von bedeutenden Stimmen in der Literatur vertreten wird248, auch selbst anerkennt. Zwar hat er in seinem Holzmüller-Urteil – bevor er auf die eigentliche Holzmüller-Doktrin zu sprechen kam – auch den Anwendungsbereich des § 179a AktG ausgedehnt249, so dass es unwahrscheinlich erscheint, dass er Beteiligungsfälle sowohl durch einen erweiterten Anwendungsbereich des § 179a AktG als auch durch die Holzmüller-Doktrin erfasst sehen wollte. Insoweit scheint es zwar – auch auf dem Boden seiner eigenen Rechtsprechung – plausibel, dass der BGH § 179a AktG eine derartige Sperrwirkung zukommen lässt. Diese Rechtsansicht hat der BGH jedoch bis jetzt nicht in expressis verbis vertreten, so dass auch die Argumentation Hofmeisters letztlich auf einer Vermutung aufbaut. Zwar können die Formulierungen des BGH auch so verstanden werden, dass eine generelle Aussage zur Holzmüllerfähigkeit von Beteiligungsveräußerungen getroffen werden sollte. So erwähnt der BGH zunächst die „Fälle der Gelatine-Rechtsprechung“, um im Anschluss auf die „[hier vorliegende] Beteiligungsveräußerung“ einzugehen. Durch diese Formulierung könnte der BGH die „Fälle der Gelatine-Rechtsprechung“ den „Fällen der Beteiligungsveräußerung“ gegenüber gestellt und voneinander abgegrenzt haben250. Dennoch bleiben diesbezüglich durch die gewählte Formulierung bedingte Restzweifel. Diese Zweifel werden durch die Tatsache genährt, dass der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde u. a. mit dem Argument zurückgewiesen hat, dass dem Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung zukommt, noch 247

Hofmeister, NZG 2008, 47, 49. Arnold, ZIP 2005, 1573; Habersack, AG 2005, 137, 141, 146; Krieger, in: MünchHdb AG, § 69 Rn. 10. 249 Nach BGHZ 83, 122, 128 („Holzmüller“) werden auch diejenigen Fälle von § 179a AktG (§ 361 AktG a.F.) erfasst, in denen zwar nicht das gesamte Gesellschaftsvermögen veräußert werden soll, aber immerhin so viel, dass durch die verbleibenden Assets die Verwirklichung des satzungsmäßig festgelegten Unternehmensgegenstandes nicht mehr gewährleistet ist. 250 In diesem Sinne wohl v. Falkenhausen, ZIP 2007, 24 f. 248

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

eine Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert251. Ob damit lediglich zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass die Revision mangels Bestehens einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage – wie die Vorinstanz festgestellt hatte, waren bereits die quantitativen Schwellenwerte der Holzmüller-Doktrin nicht überschritten – nicht zulässig sein sollte, darf angesichts der allgemein gehaltenen Formulierung des BGH in Zweifel gezogen werden. Vielmehr scheint der BGH der Frage, ob Beteiligungsveräußerungen unter die Holzmüller-Doktrin fallen können, generell eine grundsätzliche Bedeutung abzusprechen. Vor diesem Hintergrund erhellt die Interpretationsvariante, dass der BGH sich in seinem Beschluss nur auf den Einzelfall bezogen hat, zumal die angesprochene Rechtsfrage in der Literatur äußerst umstritten ist und ihr in der Praxis eine – im verbleibenden Rahmen der Holzmüller-Doktrin – vergleichsweise hohe Bedeutung zukommt, wie die abweichende Rechtsprechung von Oberlandesgerichten belegt252. Auch die Vorinstanz hatte sich aus diesen Gründen detailliert mit dieser Frage auseinander gesetzt253. Diese Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Bedeutung der Thematik und der eigentlichen Behandlung durch den BGH verwundert selbst Vertreter des Schrifttums, die den Beschluss des BGH im Sinne einer allgemeinen Stellungnahme zur Holzmüllerfähigkeit von Beteiligungsveräußerungen verstehen254. Erst recht kann aus der Negativfeststellung der Gründe des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gefolgert werden, dass der BGH eine grundsätzliche Stellungnahme abgeben wollte255. Festzuhalten bleibt daher, dass der BGH durch seinen Nichtannahmebeschluss vom 20. 11. 2006 keine grundsätzliche Antwort auf die Frage gegeben hat, ob Beteiligungsveräußerungen in den Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin fallen können. Für hälftige Beteiligungsveräußerungen ist diese Rechtsfrage dagegen geklärt. Ferner ist sie auch für Anteilsübertragungen i.H.v. 51 % beantwortet worden256. cc) Eigene Stellungnahme Ungeachtet einer anderweitigen Interpretation des Hofbräu-Beschlusses fällt die Beteiligungsveräußerung nicht unter den Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin. Grund dafür ist zunächst – und insoweit ist die Formulierung des BGH unmissverständlich –, dass der Tatbestand der Holzmüller-Doktrin auf den Mediatisierungseffekt zu beschränken ist257. Gerade daran fehlt es jedoch bei einer vollständigen Beteiligungsveräußerung, da in diesem Fall der Veräußerungserlös direkt dem Vermögen der Aktiengesellschaft zufließt und damit wieder dem – über die Verwen251 252 253 254 255 256 257

BGH, NZG 2007, 234. OLG Stuttgart, ZIP 2003, 1981, 1988; OLG Celle, ZIP 2001, 613, 615. OLG Stuttgart, AG 2005, 693 ff. („Stuttgarter Hofbräu“). v. Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25 f. So aber Simon/Leuering, NJW-Spezial 2007, 124. Vgl. zur Umstrukturierung von Arcandor, OLG Hamm, NZG 2008, 155, 157. Zweiter Teil, D. II. 2. b) aa).

D. Die Holzmüller-Doktrin

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dungskompetenz über den Jahresgewinn vermittelten – Mitverwaltungsrecht der Hauptversammlung unterfällt258. Dass in den Fällen der vollständigen Beteiligungsveräußerung keine Mediatisierung erfolgt, geben sogar die Vertreter der Gegenansicht implizit zu, indem sie die vollständige Beendigung der Mitverwaltungsrechte als den gegenüber der Mediatisierung schwereren Eingriff bezeichnen259. Auch für ein Fruchtbarmachen der wirtschaftswissenschaftlichen „principle-agent-theory“ für den inhaltlichen Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin260 gibt es nach dem Nichtzulassungsbeschluss keinen Raum mehr. Auch nicht-hälftige Teilveräußerungen von Beteiligungen unterfallen nicht der Holzmüller-Doktrin. Dafür spricht zunächst, dass der Verlust des maßgeblichen Einflusses bei der teilweisen Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung in aller Regel durch eine entsprechende Prämie beim Kauf der Beteiligung monetär berücksichtigt wird261. Damit werden die Aktionäre gleichsam für die eingebüßten Mitverwaltungsrechte entschädigt. Auch ist bei Veräußerungsgeschäften aller Art – und insoweit stellen nicht-hälftige Teilveräußerungen keine Ausnahme dar – die Wertung des § 179a AktG zu beachten. Diese Vorschrift bringt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber Veräußerungsgeschäfte als Kernfeld der Leitungskompetenz des Vorstands ansah und die Hauptversammlung – mit Ausnahme von Extremfällen – aus diesem Bereich heraushalten wollte262. Eine systematische Trennung des Anwendungsbereichs der Holzmüller-Doktrin von dem des § 179a AktG muss umso mehr in den Vordergrund rücken, als die Reichweite des § 179a AktG bereits durch den BGH ausgedehnt worden ist263. Damit lässt sich festhalten, dass die Holzmüller-Doktrin auf sämtliche Fälle der Veräußerung von Beteiligungen (und auch Betriebsteilen) unanwendbar ist. dd) Verbleibende Hauptversammlungszuständigkeit wegen Satzungsunterschreitung Die Erkenntnis, dass Veräußerungsmaßnahmen nicht unter die Holzmüller-Doktrin fallen, ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der Annahme, dass eine Zuständigkeit der Hauptversammlung in Veräußerungsfällen nur über § 179a AktG begründet werden kann: Durch die Veräußerung von Beteiligungen kann die Notwendigkeit ausgelöst werden, den Unternehmensgegenstand anzupassen. Grund dafür ist, dass die Satzung gem. § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG den Gegenstand des Unternehmens bestimmen muss und der Vorstand gem. § 82 Abs. 2 AktG zur Achtung der Satzung 258

So auch das OLG Stuttgart, AG 2005, 693 ff. („Stuttgarter Hofbräu“). OLG Celle, ZIP 2001, 613, 615; LG Stuttgart, AG 1992, 236, 237 ff.; LG Düsseldorf, AG 1999, 94 f.; LG Frankfurt a.M., AG 2001, 431, 433; Bungert, BB 2004, 1345, 1349; Götze, NZG 2004, 585, 588; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 230 f. 260 Vgl. Fleischer, NJW 2004, 2335 f. 261 Hofmeister, NZG 2008, 47, 50. 262 v. Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25 f. 263 BGHZ 83, 122, 126 ff. („Holzmüller“). 259

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

verpflichtet ist. Übertragen auf den Unternehmensgegenstand bedeutet dies, dass der Vorstand in seinem Handeln für die AG durch den Unternehmensgegenstand begrenzt wird, er aber auch verpflichtet ist, diesen auszufüllen264. Sofern diese Satzungsunterschreitung nicht nur vorübergehender Natur ist, besteht damit für den Vorstand die Gefahr, pflichtwidrig zu handeln, weshalb sich eine Anpassung des Unternehmensgegenstandes empfiehlt265. Die Änderung des Unternehmensgegenstandes bedarf als Satzungsänderung gem. § 179 Abs. 2 AktG ihrerseits einer Dreiviertelmehrheit.

c) Erwerb wesentlicher Beteiligungen und Bargründung einer Tochtergesellschaft Ob der Erwerb einer wesentlichen Beteiligung einen Mediatisierungseffekt auslöst, ist umstritten. Zwar wird durch den Kauf einer Beteiligung zunächst Vermögen, das bis dahin unmittelbar der Obergesellschaft zur Verfügung stand, aus dieser abgezogen und in eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung transformiert, deren vermittelte Mitgliedsrechte wiederum vom Vorstand als gesetzlichem Vertreter der Obergesellschaft wahrgenommen werden. Fraglich ist jedoch, ob durch diese Bildung einer oder gar mehrerer Konzernstufen die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre, wie etwa der Zugriff auf die dividendenfähigen Gewinne, in gleicher Weise mediatisiert werden wie im Falle einer Ausgliederung266. Dagegen kann nicht bereits eingewandt werden, dass es sich beim Erwerb von Beteiligungen typischerweise um Investitionsentscheidungen und damit um den klassischen Fall der unter die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands fallenden Entscheidungskompetenz handelt267. Denn durch die strengen quantitativen Maßstäbe, die bei der Prüfung der Holzmüller-Pflichtigkeit anzulegen sind, wird verhindert, dass der Hauptversammlung eine allgemeine Mittelverwendungskontrolle zukommt268. Teilweise wird gegen die Annahme einer Mediatisierung vorgebracht, dass durch den Kauf einer wesentlichen Beteiligung kein Eingriff in die bereits bestehende Gesellschaftsstruktur erfolge, da durch die neue Beteiligung eine Erweiterung des Portfolios stattfindet269. Diese Ansicht lässt außer Acht, dass die Struktur des Gesellschaftsvermögens nicht nur aus Anlagevermögen wie etwa Betriebsteilen besteht, sondern auch aus Barmitteln. Ein sachlicher Grund, warum bei einer Mediatisierung 264 Zu Recht wird jedoch darauf hingewiesen, dass der reale Unternehmensgegenstand nicht mit dem satzungsmäßigen formalen Unternehmensgegenstand übereinstimmen muss, da die Satzung insoweit auch beispielhafte Tätigkeiten nennen kann, deren Ausfüllung nicht obligatorisch ist, vgl. Reichert, AG 2005, 150, 156. 265 Reichert, ZHR-Sonderheft 68 (1999), 25, 41. 266 Dafür: Kubis, in: MünchKommAktG § 119 Rn. 67; Heinsius, ZGR 1984, 383, 401 f.; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 42. 267 So aber OLG Frankfurt a.M., AG 2005, 442, 444. 268 Kubis, in: MünchKommAktG § 119 Rn. 67. 269 Vgl. auch Bungert, BB 2004, 1345, 1350.

D. Die Holzmüller-Doktrin

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zwischen „gebundenen“ Werten Barvermögen differenziert werden müsste, ist nicht ersichtlich270. Vielmehr verlieren die Aktionäre durch den Erwerb einer wesentlichen Beteiligung die unmittelbare Kontrolle über diese Mittel im Gegenzug für die Erlangung der mittelbaren Kontrolle über das in der Beteiligung gebundene Vermögen. Eine derartige Mediatisierung des Einflusses kann auch nicht etwa dadurch vermieden werden, dass zur Finanzierung des Erwerbs auf Fremdkapital zurückgegriffen wird271: Selbst wenn – wie im Regelfall üblich – die Bank der Erwerberin die Darlehenssumme direkt an die Veräußerin zahlt, wird dadurch das Vermögen der Erwerberin mediatisiert und nicht etwa das der Bank. Grund dafür ist, dass die Zahlung durch die Bank auf einer Anweisung seitens der Erwerberin basiert und damit nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich das Vermögen der Erwerberin betroffen ist. Die gleichen Erwägungen müssen konsequenterweise auch für die Bargründung einer Tochtergesellschaft gelten. . d) Anteilstausch Gerade in Zeiten, in denen die Möglichkeiten der Kreditfinanzierung begrenzt sind, gewinnen die eigenen Anteile als Währung zur Akquisitionsfinanzierung neue Attraktivität. Auch durch einen derartigen Anteilstausch können die Mitgliedsrechte der Aktionäre mediatisiert werden. Dabei ist zum einen maßgeblich, welche Mitgliedsrechte durch die bisherigen, von der eigenen Gesellschaft gehaltenen Anteile vermittelt werden und zum anderen, welche Mitgliedsrechte durch die neuen Anteile eingetauscht werden: Besitzt die eigene Gesellschaft Anteile an einer operativ tätigen Tochtergesellschaft und tauscht diese im Gegenzug für Anteile an einer Holding-Gesellschaft, kommt es aus Sicht der Aktionäre zu einer Verlagerung des Vermögens in die nachgeordnete Beteiligungsgesellschaft272. Bestehen die erhaltenen Anteile dagegen an einer ebenfalls operativ tätigen Gesellschaft, kommt ein Mediatisierungseffekt nicht in Betracht. Ebenfalls denkbar ist die Konstellation, dass die in Frage stehende Gesellschaft als Gegenleistung für die Abgabe der operativ tätigen Tochtergesellschaft Anteile an der Erwerbergesellschaft erhält273. Teilweise wird diesem Fall ebenfalls ein Mediatisierungseffekt zugeschrieben, da die vormalige Tochtergesellschaft durch Zwischenschaltung der Erwerbergesellschaft zu einer Enkelgesellschaft wird274. Diese Ansicht unterstellt zunächst richtigerweise, dass Anteile in einer Größenordnung ausgegeben werden müssen, die einen herrschenden Einfluss der Aktiengesellschaft über die Er270

In diesem Sinne: Habersack, AG 2005, 137, 144; Liebscher, ZGR 2005, 1, 23 f.; Hofmeister, NZG 2008, 47, 51; a.A. Arnold, ZIP 2005, 1573, 1577; Götze, NZG 2004, 585, 588; Krieger, in: MünchHdb AG, § 69 Rn. 10; Reichert, AG 2005, 150, 160 f. 271 So aber Wagner, DStR 2004, 141, 143. 272 Hofmeister, NZG 2008, 47, 51. 273 Hasselbach/Flesner, WuB II A, § 179a AktG 1.07, S. 279 f. 274 Hasselbach/Flesner, WuB II A, § 179a AktG 1.07, S. 279 f.

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

werbergesellschaft vermitteln. Findet dagegen keine Konzernierung statt, überwiegt die Nähe zur reinen Beteiligungsveräußerung, die nach den obigen Ausführungen grundsätzlich nicht unter die Holzmüller-Doktrin fallen kann. Gleichwohl stellt die vorgenannte Ansicht zu sehr auf die Geschicke der (vormaligen) Tochtergesellschaft ab. Zwar wird diese „verenkelt“, was nach den Gelatine-Urteilen per se auch eine „weitere“ Mediatisierung darstellt275. Allerdings – und in diesem Punkt unterscheidet sich der Fall von den Gelatine-Fällen – gelangen hier Anteile an der Erwerbergesellschaft in das Vermögen der Ausgangsgesellschaft. Die Beantwortung der Frage, ob dadurch ein Mediatisierungseffekt ausgelöst wird oder nicht, richtet sich somit danach, ob die Erwerbergesellschaft selbst operativ tätig ist oder nicht. Da Erwerbergesellschaften meist nur zu dem Zweck der Akquisition gegründet werden, kommt ihnen in aller Regel jedoch „nur“ Holdingcharakter zu, so dass in Übereinstimmung zu dem eingangs Gesagten durch den Anteilstausch ein Mediatisierungseffekt ausgelöst wird. Insoweit wird in der Praxis letztlich das gleiche Ergebnis wie in den ursprünglichen Gelatine-Fällen erzielt werden. e) Börsengang und Börsenrückzug Lange Zeit wurden in der Literatur und Rechtsprechung der Börsengang und der Börsenrückzug von Aktiengesellschaften als mögliche Holzmüller-Maßnahmen diskutiert. Diesen Diskussionen hat der BGH durch seinen Beschluss im Fall „Stuttgarter Hofbräu“ indirekt ein Ende gesetzt, da in beiden Fällen nicht der maßgebliche Mediatisierungseffekt ausgelöst wird. Eine Mediatisierung der Mitgliedsrechte tritt nicht durch den Börsengang allein ein, da damit nur eine Fungibilität der Aktien erreicht wird. Zwar findet mit dem Börsengang in aller Regel auch eine Kapitalerhöhung statt, durch welche die Mitgliedsrechte der Aktionäre u. U. geschwächt werden. Unabhängig von der Frage, ob diese Schwächung als Mediatisierung zu bezeichnen wäre, sind die Aktionäre jedoch gegen die bestehende Verwässerungsgefahr sowohl (kollektiv) durch die Zuständigkeit der Hauptversammlung gem. § 182 Abs. 1 S. 1 AktG geschützt, als auch (individuell) über das Bezugsrecht gem. § 186 Abs. 1 AktG. Mit dem Börsengang sind somit Gefahren für die Mitgliedsrechte der Aktionäre verbunden, die bereits durch das AktG entschärft werden, so dass ein Rückgriff auf die Holzmüller-Doktrin nicht in Betracht kommt. Auch die ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit, die der BGH im Fall „Macrotron“ zum regulären Delisting276 anerkannt hat und die teilweise dogmatisch 275

BGH, NJW 2004, 1860, 1864 („Gelatine II“). BGHZ 153, 47, 53 („Macrotron“); Dem Fall lag zu Grunde, dass der 98,93 % der Stammaktien haltende Großaktionär den Vorstand in der Hauptversammlung ermächtigt hatte, die Beendigung der Notierung der Aktien sowie den Widerruf ihrer Zulassung zu beantragen. Der BGH gab der Anfechtungsklage gegen den Ermächtigungsbeschluss statt, was er damit begründete, dass durch das Delisting in die von Art. 14 GG umfasste Verkehrsfähigkeit einer Aktie eingegriffen würde, dieser Eigentumsschutz wesentlicher Bestandteil zwischen Gesell276

D. Die Holzmüller-Doktrin

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als Spielart der Holzmüller-Doktrin eingeordnet wurde277, ist nach dem Hofbräu-Beschluss des BGH eindeutig als eigenständiges Rechtsinstitut zu bewerten, das unter dem Dach der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten neben die Holzmüller-Doktrin tritt. Ob der Ansatz des BGH verfängt, die Zuständigkeit der Hauptversammlung auf Art. 14 Abs. 1 GG zu stützen, darf bezweifelt werden278, ist aber für den weiteren Verlauf dieser Arbeit ohne Bedeutung. f) Inanspruchnahme des SoFFin Die durch den Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers ausgelöste Finanzkrise hat erneuten Anlass gegeben, den tradierten Katalog etwaiger Holzmüller-Maßnahmen zu überdenken. Als Reaktion auf das Beben verabschiedeten Bundestag und Bundesrat am 17. 10. 2008 in einem Eilverfahren das Finanzmarktstabilisierungsgesetz, in dessen Zug der „Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung“ (SoFFin) eingerichtet wurde, um von der Finanzkrise betroffene Finanzinstitute u. a. durch Rekapitalisierungsmaßnahmen zu stützen. Ob die Inanspruchnahme des SoFFin eine Holzmüller-Maßnahme darstellte, hatte das LG Frankfurt a.M. am 15. 12. 2009 zu entscheiden. aa) Sachverhalt und Urteilsbegründung Die Commerzbank hatte kurz vor Ausbruch der Krise mit der Allianz die Übernahme in zwei Schritten von deren Anteilen an der Dresdner Bank vereinbart. Infolge der zwischenzeitlich ausgelösten Finanzkrise musste die Commerzbank jedoch die Hilfe des SoFFin in Anspruch nehmen. Nachdem dieser zunächst am 3. 11. 2008 eine stille Einlage i.H.v. 8,2 Mrd. Euro an die Commerzbank geleistet hatte, wurde nach Erwerb der ersten Tranche der Anteile die Transaktion derart verändert, dass die Dresdner Bank nicht mehr – wie ursprünglich angedacht – auf die Commerzbank verschmolzen werden sollte, sondern letztere die ausstehenden 39,8 % der Anteile gegen Leistung einer weiteren, preislich reduzierten, Barkomponente von der Allianz übernehmen sollte. In Umsetzung dieser neuen Transaktionsstruktur stieg der Verschuldungsgrad der Commerzbank jedoch derart stark, dass sie im Januar 2009 erneut der Unterstütschaft und Aktionär sei und schließlich nicht in den Händen der Geschäftsleitung liege, so dass zwingend die Hauptversammlung zu beteiligen gewesen sei. 277 Für eine Einordnung als Holzmüller-Maßnahme insbesondere die Vorinstanzen in der Macrotron-Entscheidung, OLG München AG 2001, 364 f. und LG München I ZIP 1999, 2017 ff.; ebenso: Liebscher, ZGR 2005, 1, 29; Adolff/Tieves, BB 2003, 797, 800; Hüffer, AktG, § 119 Rn. 24; Semler, in: Semler/Volhard, Arbhdb HV, § 1 Rn. 255; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805 f.; Steck, AG 1998, 460 f.; Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 475; grundsätzlich gegen eine Hauptversammlungszuständigkeit: Bürgers, NJW 2003, 1642 f.; Krämer/Theiß, AG 2003, 225, 235. 278 Reichert schlägt zu Recht eine Analogie zu § 180 Abs. 2 AktG vor, AG 2005, 150, 155; ebenfalls an dem dogmatischen Vorgehendes BGH zweifelnd: Benecke, WM 2004, 1122 f.; Schlitt, ZIP 2004, 533, 535.

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

zung des SoFFin bedurfte und dieser dabei durch Übernahme von 25 % + einer Stammaktie größter Aktionär der Commerzbank wurde. Hierdurch mussten ferner im Rahmen der Geschäftspolitik die Vorgaben des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes nebst Begleitgesetzen beachtet werden, die u. a. das Verbot einer Dividendenausschüttung für eine bestimmte Zeit vorsahen. Mangels eingeholter Zustimmung der Hauptversammlung fochten Aktionäre der Commerzbank die Entlastungsbeschlüsse für Vorstand und Aufsichtsrat vor dem LG Frankfurt a.M. an. In dem stattgebenden Urteil nahm das erkennende Gericht eine Holzmüller-Maßnahme an. Dabei setzte es sich über den Einwand der Beklagten hinweg, dass nur ca. 40 % ihrer Bilanzsumme auf die Dresdner Bank entfiel. Vielmehr nahm es – zumindest in Bezug auf die Änderungsvereinbarung – die Zustimmungspflicht der Hauptversammlung an, da auch ohne einen Mediatisierungseffekt die wesentliche Änderung der Kapitalstruktur eine Holzmüller-Maßnahme darstelle. bb) Stellungnahme Der Auffassung des LG Frankfurt a.M. ist zu widersprechen. Zwar mag die massive Vertiefung des eigenen Verschuldungsgrads für sich gesehen eine den wirtschaftlichen Aufbau der Gesellschaft betreffende Maßnahme sein. Gleichwohl fehlte es zumindest an dem hierdurch ausgelösten – und für die Bejahung einer Holzmüller-Maßnahme zu fordernden – Mediatiesierungseffekt. Letzterer ist deshalb unverzichtbar, da die Holzmüller-Doktrin – auch wenn sie dogmatisch im AktG und UmwG angelegt ist – eine von der grundsätzlichen Kompetenzverteilung innerhalb der AG abweichende Regelung darstellt279. Vor dem Hintergrund der Rechtssicherheit muss sie insoweit auf Fälle der Mediatisierung beschränkt sein, wollte man nicht in den Rechtszustand vor den Gelatine-Urteilen zurückfallen. Zwar mag es – wie etwa im Fall Macrotron – andere ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten geben. Jedoch bedürfen diese eigener dogmatischer Begründungen. Vorliegend lag auch kein Fall einer Mediatisierung vor, da weder Mitglieds- noch Vermögensrechte der Aktionäre durch die Beteiligung des SoFFin ausgehöhlt wurden. Zum Einen wurden hierdurch die Einflussrechte der Aktionäre nicht durch eine „Vermittelbarung“ geschmälert, da sie, wie sich aus einem Umkehrschluss zu § 186 Abs. 3 AktG ergibt, nur über die Erhöhung der ausgegebenen Aktien – nicht jedoch über die personelle Zusammensetzung ihres Aktionärskreis – entscheiden. Zum Anderen lag auch keine i.S.e. Mediatisierung zu verstehenden Beeinträchtigung der Vermögensinteressen der Aktionäre vor. So fällt es bereits schwer, die Unterstützung durch den SoFFIn, die ja zu einer Stabilisierung der finanziellen Situation der Gesellschaft führte, als Beeinträchtigung von Vermögensinteressen zu begreifen. Auch soweit das LG Frankfurt a.M. darauf abstellt, dass in diesem Zusammenhang die Dividenden für die Jahre 2009 und 2010 ausgesetzt wurden, vermag dies einen Mediatisierungseffekt nicht zu begründen. Grund dafür ist, dass die Ausschüttung von Dividenden ohnehin nicht in die Zuständigkeit 279

s.o. unter Zweiter Teil, A.

E. Ergebnisse des Zweiten Teils

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der Hauptversammlung fällt. Dass die Dividenden jedoch infolge der Vorgaben des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes zwangsläufig ausgesetzt werden mussten, macht insoweit keinen Unterschied. Darüber hinaus ist zu beachten, dass sich Vermögensinteressen – die letztlich durch jede einigermaßen gewichtige Entscheidung des Vorstands beeinflusst werden – nur insoweit als qualitativ sinnvoller Ansatzpunkt eines Mediatisierungseffekts eignen, wie deren Gefährdung nachhaltiger Natur ist. Entgegen der Auffassung des Gerichts war in einer Gesamtschau auch auf die wertmäßigen Relationen abzustellen. Indem dies unterblieb, setzt sich das LG Frankfurt a.M. dem Vorwurf aus, eine allgemeine Zweckmittelkontrolle der Hauptversammlung anzuerkennen, was nicht nur dem gesetzlichen Leitbild, sondern auch jedweder praktischer und ökonomischer Vernunft widerspräche.

E. Ergebnisse des Zweiten Teils 1. Das AktG von 1965 ist von dem Prinzip geprägt, dass die Hauptversammlung für alle Maßnahmen, die mit dem wirtschaftlichen und rechtlichen Aufbau der Gesellschaft zusammenhängen, eine Entscheidungsbefugnis hat. Trotzdem kommen im AktG die Zuständigkeiten der Hauptversammlung in Bezug auf grundlegende Änderungen der Unternehmensstruktur nur punktuell zum Ausdruck. Daher kann die Kompetenzverteilung zwischen Hauptversammlung und Vorstand als nicht abschließend verstanden werden. Die in Bezug auf andere grundlegende Maßnahmen bestehende Anschauungslücke des Gesetzgebers ist insoweit ausfüllungsfähig und -bedürftig. Diese Regelungslücke besteht auch nach Einführung des Umwandlungsgesetzes, in dessen Rahmen eine lex Holzmüller zwar diskutiert, aber nicht umgesetzt wurde. 2. Die dogmatische Grundlage der ungeschriebenen Zuständigkeit der Hauptversammlung in Holzmüller-Fällen liegt entgegen der Auffassung des BGH nicht in einer „offenen Rechtsfortbildung“, sondern in einer Gesamtanalogie zu den Vorschriften des AktG und des UmwG, die eine Zuständigkeit der Hauptversammlung bei Strukturentscheidungen festsetzen. Dies sind namentlich die §§ 179, 179a, 186 Abs. 3, 262 Abs. 1 Nr. 2, 293, 319 AktG, §§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1, 123 UmwG. 3. Die Holzmüller-Doktrin findet Anwendung bei wesentlichen Strukturmaßnahmen, die sich mediatisierend auf die Mitgliedsrechte der Aktionäre auswirken. Damit gemeint sind Maßnahmen, welche sich derart auf die rechtliche oder wirtschaftliche Struktur der Gesellschaft auswirken, dass sie die Mitverwaltungs- und Vermögensrechte der Aktionäre aushöhlt. Die Wesentlichkeit einer derartigen Strukturmaßnahme wird indiziert durch die Betroffenheit von 75 % der Ertragskraft und der Aktivasumme des Unternehmens, wobei auch andere Kennzahlen im Wege einer bewertenden Gesamtschau Bedeutung erlangen können. 4. Als potentiell zustimmungspflichtige Maßnahmen kommen insbesondere in Betracht:

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2. Teil: Die Holzmüller-Doktrin

– die Ausgliederung des wesentlichen Betriebsteils, – das Einbringen bis dato von der Obergesellschaft gehaltener Anteile in eine Tochtergesellschaft, i. d. R. aber nicht das Einbringen von Anteilen, die bisher von Tochtergesellschaften gehalten wurden in Tochter- oder Enkelgesellschaften, – bestimmte Maßnahmen in Tochtergesellschaften selbst, namentlich Kapitalerhöhungen mit Bezugsrechtsausschluss, der Abschluss von Unternehmensverträgen, die Veräußerung des gesamten Vermögens, Auflösungsbeschlüsse und Umwandlungen, – der Erwerb wesentlicher Beteiligungen und Bargründungen und – der Tausch von Anteilen, sofern die erhaltenen Anteile im Gegensatz zu den begebenen Anteilen keine Mitgliedsrechte an einer operativ tätigen Gesellschaft vermitteln. 5. Keinen Mediatisierungseffekt lösen Veräußerung von Beteiligungen oder Betriebsteilen aus, und zwar unabhängig davon, ob eine vollständige oder nur teilweise Veräußerung erfolgt. Davon unberührt bleibt jedoch die Möglichkeit einer zwingenden Hauptversammlungszuständigkeit unter dem Gesichtspunkt der Satzungsunterschreitung. Auch der Börsengang und -rückzug lösen keinen Mediatisierungseffekt aus. Bei letzterem kommt eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz jedoch unter dem Gesichtspunkt der „Macrotron-Rechtsprechung“ in Betracht. Die Inanspruchnahme des SoFFin stellt mangels Mediatisierungseffekt ebenfalls keine Holzmüller-Maßnahme dar.

Dritter Teil

Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG A. Vorüberlegungen zu Informationspflichten I. Zweck und Kontext von Information im Verband Rationale Entscheidungen sind nur bei Kenntnis der einem bestimmten Sachverhalt zugrunde liegenden Tatsachen möglich1. Diese schon für alltägliche Lebenssituationen kaum überraschende Erkenntnis trifft ebenso für die Wahrnehmung von Mitgliedschaftsrechten innerhalb einer Gesellschaft zu: Die Information ist notwendige Voraussetzung dafür, dass Verbandsmitglieder die ihnen zustehenden Rechte sinnvoll ausüben können2. Gesellschafter, die nicht zur Geschäftsführung befugt sind, können sich im Regelfall3 nicht selbst über die Geschicke des Unternehmens informieren und sind folglich darauf angewiesen, dass ihnen bestimmte Informationen durch die Geschäftsführung zur Verfügung gestellt werden. Dies sicherzustellen ist der Zweck von Informationsrechten und -pflichten4. Diese basieren auf dem Grundsatz, dass Gesellschafter in dem Maße ein Recht auf Informationen haben, wie diese für die Ausübung der mitgliedschaftlichen Rechte erforderlich sind. Insoweit leisten die Informationsrechte der Gesellschafter5 auch einen wichtigen Beitrag zur Corporate Gouvernance des jeweiligen Unternehmens6. Dem Interesse der Gesellschafter an Information steht im Regelfall ein Interesse einer anderen Partei an Nichterteilung dieser Information gegenüber. So können etwa andere Gesellschafter, Gesellschaftsorgane, die Gesellschaft selbst oder ihre Vertragspartner ein Interesse an der Geheimhaltung bestimmter Tatsachen haben7. Diese Gegeninteressen können unter Umständen zu einer Einschränkung der Informationsrechte und -pflichten führen.

1

Bunte, Informationsrechte, S. 1. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 624. 3 Ein Ausnahmefall läge etwa beim von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Komplementär einer KGaA vor. 4 Auf das Verhältnis zwischen diesen beiden Begriffen wird im Folgenden eingegangen. 5 Die Informationsrechte anderer Gesellschaftsorgane, insb. Aufsichtsräte, werden nicht in dieser Arbeit untersucht. 6 Vgl. RegE ARUG, BT-Drucks. 847/08, S. 34 f. 7 Wohlleben, Informationsrechte, S. 11 ff. 2

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

II. Begriff und dogmatischer Ursprung von verbandsrechtlichen Informationspflichten 1. Begriff der verbandsrechtlichen Informationspflicht Informationsrechte im Allgemeinen untergliedern sich in (individuelle) Informationsrechte und Informationspflichten, die auch – in Bezug auf eine etwaige Anspruchsqualität missverständlich – als kollektive Informationsrechte bezeichnet werden. Diese Differenzierung ist für die rechtliche Ausgestaltung der Informationsrechte von Bedeutung8. Zwar lässt die Terminologie des Gesetzes keinen Rückschluss darauf zu, welche „Informationsrechte“ individueller Natur sind und bei welchen es sich in Wirklichkeit um Informationspflichten handelt, von denen der Gesellschafter lediglich reflexartig profitiert. Gleichwohl ist diese Differenzierung im Gesetz angelegt und wird besonders durch § 716 Abs. 1 BGB und §§ 713, 666, 1. Fall BGB zum Ausdruck gebracht, die gewissermaßen als die Archetypen der verbandsrechtlichen9 Informationsrechte bzw. Informationspflichten gelten10. Die Informationsrechte gehen auf § 716 Abs. 1 BGB zurück. Danach kann sich ein von der Geschäftsführung ausgeschlossener Gesellschafter in Angelegenheiten der Gesellschaft persönlich unterrichten, insbesondere die Geschäftsbücher der Gesellschaft einsehen. Spiegelbildlich ergibt sich für die Geschäftsführung und die übrigen Gesellschafter die Pflicht, diese eigenständige Informationsbeschaffung zu dulden11. Nur in Ausnahmefällen, d. h. wenn die erforderlichen Angaben aus den Büchern der Gesellschaft nicht ersichtlich sind, kann der Gesellschafter auch Auskunft vom Geschäftsführer verlangen12. Die Informationspflichten der Geschäftsführung finden ihren Ursprung dagegen in den §§ 713, 666, 1. Fall BGB. Danach hat der Geschäftsführer der Gesellschafterversammlung die erforderlichen Nachrichten zu geben13. Der Geschäftsführer hat also unaufgefordert so weit über den Stand des Geschäfts zu unterrichten, dass die Gesellschafterversammlung ihre Rechte wahrnehmen und eine sachgerechte Entscheidung treffen kann14.

8

Näheres unter Dritter Teil, A. II. 2. Das allgemeine Institut der Informationspflicht ist Ausdruck eines aus § 242 BGB folgenden Rechtsgrundsatzes, wonach jeder rechenschafspflichtig ist, der Angelegenheiten besorgt, die zumindest auch fremd sind, vgl. BGHZ 10, 385; BGH, NJW 1959, 1963. 10 K. Schmidt, Informationsrechte, S. 16. 11 Vgl. Sprau, in: Palandt, § 716 Rn. 1. 12 BGH, MDR 1984, 27 f. 13 Im Kontext der §§ 713, 666 BGB wird als „Auftraggeber“ aufgrund der entsprechenden Anwendung des Auftragsrechts die Gesellschaft als solche verstanden, so dass die Information gegenüber der Gesellschafterversammlung zu erfolgen hat, vgl. K. Schmidt, Informationsrechte, S. 16; Sprau, in: Palandt, § 666 Rn. 5. 14 Vgl. Sprau, in: Palandt, § 666 Rn. 5. 9

A. Vorüberlegungen zu Informationspflichten

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Zwischen diesen beiden Fällen besteht ein qualitativer Unterschied: Die Ausübung individueller Informationsrechte ist dem Gesellschafter überlassen. Übt er sie aus, entsteht eine spiegelbildliche Pflicht der Geschäftsführung zur Ermöglichung der Information15. Davon sind die Informationspflichten zu unterscheiden, die insoweit originär sind, d. h. auch ohne ein Aktivwerden des Gesellschafters entstehen und dieser daher nur reflexartig von den Informationen profitiert16. Beide Kategorien verbindet ein allgemeiner verbandsrechtlicher Grundsatz, wonach eine informatorische Maßnahme durch den ihr zugrunde liegenden Zweck zugleich legitimiert17 und begrenzt wird18. Dies bedeutet für Informationsrechte, dass das Informationsbedürfnis des Gesellschafters ein entsprechendes Informationsrecht soweit legitimiert, wie die jeweilige Information für die Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte von Bedeutung ist19. Zweck von Informationspflichten ist dagegen zum einen das Sicherstellen der ordnungsgemäßen Funktion der Gesellschaftsorgane: Gerade in Gesellschaften, in denen die Geschäftsführung institutionalisiert ist, besteht häufig ein großes Informationsgefälle gegenüber den anderen Organen. Dieses muss ausgeglichen werden, damit die übrigen Gesellschaftsorgane ihre Funktionen und Kompetenzen ausüben können. Zum anderen dienen Informationspflichten auch der Kontrolle der Geschäftsführung20 und stellen somit ein notwendiges Korrelat zu ihrer Leitungstätigkeit dar21. Die Verfolgung dieser Zwecke rechtfertigt und begrenzt ihrerseits das Bestehen und den Umfang von Informationspflichten der Leitungsorgane22.

15 Im Bereich der Körperschaften besteht das individuelle Informationsrecht häufig zugleich auch in einem Recht auf Auskunftserteilung, vgl. § 51a Abs. 1 GmbHG, teilweise sogar nur in einem Recht auf Auskunftserteilung, vgl. § 131 Abs. 1 AktG; trotz dieser unterschiedlichen Ausprägungen handelt es sich beim individuellen Informationsrecht um ein einheitliches Recht, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 627. 16 RGZ 148, 278 f.; K. Schmidt, Informationsrechte, S. 16; missverständlich insoweit der BGH, der von einem „Anspruch der Aktionäre“ spricht, NZG 2001, 405, 407 („Altana/Milupa“). 17 Dieser allgemeine verbandsrechtliche Grundsatz wird vom BGH bei Publikumskommanditgesellschaften zur Etablierung eines außergesetzlichen Auskunftsrechts herangezogen, soweit es zur sachgerechten Ausübung der Mitgliedsrechte erforderlich ist, vgl. BGH, ZIP 1983, 935 f.; BGH, BB 1992, 1024 f. 18 K. Schmidt, Informationsrechte, S. 16; Wilde, ZGR 1998, 423 f. 19 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 625; Wilde, ZGR 1998, 423 f. 20 Z. T. gehen diese Zwecke in einander über, wie etwa bei der Aktiengesellschaft, deren Organisationsverfassung den Aufsichtsrat als zwingendes Organ vorsieht und mit der Aufgabe betraut, den Vorstand zu kontrollieren. 21 K. Schmidt, Informationsrechte, S. 16. 22 Wilde, ZGR 1998, 423.

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

2. Die Organisationsverfassung als Rechtsgrund für Informationspflichten Die Differenzierung zwischen Informationsrechten und Informationspflichten der Leitungsorgane wirkt sich auf deren rechtliche Eigenschaften aus: Während Informationsrechte subjektive Rechte jedes einzelnen Gesellschafters sind und unmittelbar in der Mitgliedschaft wurzeln, z. T. sogar als „mitgliedschaftliche Grundrechte“ bezeichnet werden23, verhält sich dies bei Informationspflichten anders: Im Gegensatz zu Informationsrechten dienen sie nicht dem Individualinteresse der Gesellschafter, sondern existieren allein im Interesse der Gesellschaft an einem Funktionieren der verfassungsmäßig bestellten Organe und einer Kontrolle der institutionalisierten Geschäftsführung24. Folglich sind sie dogmatisch auch nicht als mitgliedschaftliche Grundrechte, sondern als Teil der inneren Organisationsverfassung der Gesellschaft zu verstehen25. Insoweit könnte man die Auffassung vertreten, dass die gesetzliche Kodifikation von Informationsrechten allenfalls deklaratorischen Charakter hat, ohne jedoch den eigentlichen Umfang der bestehenden Informationsrechte zwingend vorzugeben26. Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen. Zwar trifft die Beobachtung zu, dass gerade im Hinblick auf die hier zu untersuchenden Informationspflichten die Grundentscheidung über das Ausmaß bereits in der Organisationsstruktur der jeweiligen Gesellschaft angelegt ist. Damit ist jedoch allenfalls eine institutionelle Garantie, nicht jedoch eine konkrete Informationspflicht festgelegt: Die Organisationsstruktur setzt vielmehr im Sinne eines Mindeststandards bestimmte Informationspflichten fest, so dass diese nicht etwa vom Gesetzgeber abgeschafft werden könnten, ohne dass nicht auch gleichzeitig die jeweilige Organisationsstruktur der Gesellschaft verändert werden müsste. Die Organisationsstruktur der Gesellschaft ist daher zwar Rechtsgrund für bestimmte Berichtspflichten der Leitungsorgane – nicht aber auch deren Rechtsquelle27. Insoweit ist zwischen der Informationspflicht als Rechtsinstitut und der konkreten Informationspflicht zu unterscheiden. Letztere auszuformen und im Hinblick auf die oben angeführten Interessenkonflikte auszutarieren, ist Aufgabe der Gesetzgebung und richterlichen Rechtsfindung.

23 BGH, BB 1962, 899; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 374; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 624; Wohlleben, Informationsrechte, S. 45. 24 Wilde, ZGR 1998, 423. 25 Wilde, ZGR 1998, 423; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 624 f., 628; ders., Informationsrechte, S. 16. 26 In diesem Sinne: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 625. 27 Für den Bereich der individuellen Informationsrechte: Wohlleben, Informationsrechte, S. 45.

A. Vorüberlegungen zu Informationspflichten

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III. Vorüberlegungen für die Entwicklung ungeschriebener Informationspflichten in der Aktiengesellschaft 1. Das formalisierte System der Informationspflichten als Hauptinstrument der Unterrichtung der Aktionäre Während die Überwachungsfunktion nach der gesetzlichen Kompetenzverteilung in erster Linie vom Aufsichtsrat wahrgenommen wird, ist die Hauptversammlung vor allem für Entscheidungen über die grundlegenden Verhältnisse der Gesellschaft zuständig28. Auch die Wahrnehmung dieser Kompetenzen erfordert, dass die Aktionäre mit den der jeweiligen Entscheidung zugrunde liegenden Verhältnissen vertraut sind29. Diese notwendige Information kann in der Aktiengesellschaft nur stark eingeschränkt durch das individuelle Informationsrecht erreicht werden. Grund dafür ist, dass die Aktiengesellschaft ihrem Wesen nach publikumsorientiert ist, d. h. auf einen großen Kreis von Gesellschaftern ausgerichtet, um die Funktion der „Kapitalsammelstelle“ möglichst gut wahrzunehmen30. Eine Vielzahl potentieller Gesellschafter führt jedoch gleichzeitig dazu, dass deren individuelles Informationsrecht zwecks Praktikabilität der Durchführung von Hauptversammlungen eingeschränkt sein muss. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass das individuelle Informationsrecht der Aktionäre i.S.d. § 131 Abs. 1 AktG inhaltlich auf die sachgemäße Beurteilung der Tagesordnungspunkte und zeitlich auf das Stattfinden der Hauptversammlung eingegrenzt ist und zudem § 131 Abs. 3 AktG einen Katalog von Auskunftsverweigerungsgründen vorsieht, in denen teilweise der Praktikabilitätsgedanke zum Ausdruck kommt31. Schließlich schränken die vom Vorstand erteilten Informationen den Kreis der zur „sachgerechten Beurteilung erforderlichen“ Fragen i.S.d. § 131 Abs. 1 AktG ein32. Insoweit begrenzt die Erfüllung der Informationspflichten das individuelle Informationsrecht. Aus diesen Gründen kommt den individuellen Informationsrechten in der AG gegenüber dem formalisierten System von Informationspflichten des Vorstands untergeordnete Bedeutung zu. Diese im Vergleich zu anderen Gesellschaftsformen33 eingeschränkte Möglichkeit individueller Informationsbeschaffung verstärkt die Bedeutung von Informationspflichten in der Aktiengesellschaft.

28 Vgl. Zweiter Teil, A.; das heißt aber nicht, dass der Hauptversammlung als Forum der Eigentümer und damit der wirtschaftlichen Risikoträger keine Überwachungsfunktion zukommt. Vielmehr ist sie nach Noack der „watchdog of the last resort“, vgl. NZG 2004, 297 f. 29 Vgl. Dritter Teil, A. I. 30 Doralt/Diregger, in: MünchKommAktG, Einl Rn. 5. 31 Vgl. § 131 Abs. 3 Nr. 7 AktG. 32 Groß, AG 1996, 111, 118. 33 Vgl. das weitreichende Informationsrecht gem. § 51a Abs. 1 GmbHG.

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

2. Informationspflichten als Instrument des Minderheitenschutzes Bislang war die Rede von „den Aktionären“. Eine derartige Generalisierung berücksichtigt jedoch nicht, dass es sich bei den Gesellschaftern der AG um einen heterogenen Kreis natürlicher und juristischer Personen handelt, die i. d. R. eine Vielzahl verschiedener Interessen verfolgen. So verschieden wie die verfolgten Ziele sein mögen, so unterscheiden sich auch die Möglichkeiten der Aktionäre, informell auf die Geschäftsführung Einfluss zu nehmen. So haben etwa Großaktionäre aufgrund ihres Einflusses auf die personelle Besetzung des Aufsichtsrats und einer eventuellen Sperrminorität ein faktisches Gewicht, das sie vor einer dauerhaften Missachtung ihrer Interessen durch den Vorstand schützt. Teilweise reichen auch wesentlich geringere Beteiligungen aus, etwa wenn der Anteilseigner ungeachtet seiner gehaltenen Stimmrechte anderen starken Einfluss besitzt34. Derart einflussreiche Aktionäre werden regelmäßig bereits im Vorfeld wesentlicher Maßnahmen über diese informiert und wohlmöglich in den Entscheidungsprozess integriert. Auch die faktischen Regeln des Kapitalmarkts, wonach intransparente Vorgänge bei börsennotierten Aktiengesellschaften mit einem Risikoabschlag bestraft werden, bewegen den Vorstand i. d. R. zu einer bevorzugten Informationspolitik gegenüber Großaktionären und institutionellen Anlegern im Rahmen von „Investor Relations“35. Damit wird deutlich, dass Kleinaktionäre stärker auf die obligatorisch zur Verfügung gestellten Informationen vor und während der Hauptversammlung angewiesen sind, und den Informationspflichten des Vorstands somit in erster Linie die Funktion eines durch Information vermittelten Minderheitenschutzes zukommt36. Dieser ist nur dann entbehrlich, wenn alle Aktionäre gem. § 121 Abs. 6 AktG auf die Einhaltung der Informationspflichten verzichten.

IV. Ausfüllungsbedürftige Regelungslücke Steht aufgrund der Organisationsverfassung der AG im Grunde fest, dass der Vorstand zu Erteilung bestimmter Informationen verpflichtet ist, so bedarf es gleichwohl konkreter Vorschriften, um diese allgemeine Informationspflicht zu konturieren. Die für die jeweilige Beschlusskompetenz der Hauptversammlung erforderliche Informationstiefe hat der Gesetzgeber dadurch geregelt, dass er die Informationspflichten des Vorstandes in den §§ 124 Abs. S. 2, 186 Abs. 4 S. 2, 293a ff., 319 Abs. 3 und 4, 320 Abs. 3 und 4 AktG sowie den §§ 4 ff., 126 ff., 192 ff., 230 ff. UmwG direkt mit der jeweiligen Anordnung der Hauptversammlungszuständigkeit verbunden hat. Bei der 34

Zu denken wäre hier beispielsweise an Hedgefonds, die aufgrund ihrer Erfahrung und ihres Branchenwissens z. T. Interessengemeinschaften mit anderen einflussreichen Aktionären bilden, um dann Einfluss auf das operative Geschäft zu nehmen. 35 Vgl. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 154 ff.; Wilde, ZGR 1998, 423, 460. 36 Tröger, ZIP 2001, 2029 f.

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

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Zuständigkeit für Holzmüller-Maßnahmen fehlt dagegen nicht nur eine diesbezügliche Kodifizierung, sondern auch eine Kodifizierung der Informationspflichten, so dass für sämtliche ungeschriebenen Informationspflichten eine Regelungslücke besteht. Dieser Regelungskomplex ist zwar vom Gesetzgeber gesehen, aber bewusst offen gelassen worden, um der Rechtsprechung und Literatur die Weiterentwicklung der ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten zu überantworten37. Auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber den § 124 AktG in Kenntnis der Holzmüller-Doktrin mehrfach geändert hat38, ändert nichts an diesem Befund39. Grund dafür ist, dass der Gesetzgeber bei den Änderungen des § 124 AktG andere Regelungsanliegen hatte: Durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts wurde der Wortlaut des damaligen § 124 Abs. 1 AktG dahingehend verändert, dass durch Bezugnahme auf den damals ebenfalls neu eingefügten § 121 Abs. 4 AktG, die Tagesordnung dann per Einschreiben bekannt gemacht werden konnte, wenn die Aktionäre der Gesellschaft namentlich bekannt waren40. Diese Änderung betraf somit allein die Modalität der Bekanntmachung der Tagesordnung, ohne sich materiell mit der Reichweite von Informationspflichten, geschweige denn Informationspflichten bei strukturverändernden Maßnahmen auseinander zu setzen. Durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich wurden sogar nur rein redaktionelle Änderungen bezüglich der Formalia vorgenommen, die ein Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern oder Prüfern erfüllen muss41. Es ist daher zu festzuhalten, dass der Gesetzgeber die Klärung und Weiterentwicklung der Holzmüller-Doktrin gerade auch in Ansehung der damit verbundenen Informationspflichten der Rechtsprechung und Literatur überlassen und nicht in diesen Rechtsfindungsprozess eingreifen wollte42. Diesbezüglich besteht daher weiterhin eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke.

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung I. Die Einberufung der Hauptversammlung Ist die Hauptversammlung aufgrund der Holzmüller-Doktrin zuständig, so hat der Vorstand zunächst die Hauptversammlung einzuberufen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so ist eine Einberufung zum Wohle der Gesellschaft erforderlich, mit 37

Vgl. Zweiter Teil, B. I. Vgl. Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts v. 2. 8. 1994 (BGBl. 1994 I, 1961); KonTraG v. 27. 4. 1998 (BGBl. 1998 I, 786). 39 A.A.: Drinkuth, AG 2001, 256, 258. 40 Dazu: Bösert, DStR 1994, 1423 f. 41 Es wurde in § 124 Abs. 3 S. 3 vor „Beruf“ das Wort „ausgeübten“ eingefügt. 42 So auch Tröger, ZIP 2001, 2029, 2031. 38

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

der Folge, dass ersatzweise der Aufsichtsrat gem. § 111 Abs. 3 S. 1 AktG die Hauptversammlung einzuberufen hat43. Ferner kann gem. § 122 Abs. 1 S. 1 AktG auch eine Minderheit die Einberufung der Hauptversammlung verlangen, sofern sie mindestens fünf Prozent des satzungsmäßigen Grundkapitals erreicht. Nicht damit gleichzusetzen ist hingegen ein Initiativrecht im Hinblick auf Holzmüller-Maßnahmen. Ein solches besteht infolge der insoweit klaren gesetzlichen Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft nicht44. 1. Inhalt der Einberufung In der Einberufung sind gem. § 121 Abs. 3 AktG die Firma, der Sitz der Gesellschaft, Zeit und Ort der Hauptversammlung und die Tagesordnung anzugeben. Diese Verpflichtung gilt unabhängig von der Börsennotierung der Gesellschaft. Im Unterschied zu § 124 Abs. 1 AktG a.F. ist die Tagesordnung nunmehr Bestandteil der Einberufung. Die Tagesordnung wird dabei grundsätzlich von demjenigen aufgestellt, der auch die Hauptversammlung einberuft. Dies wird i. d. R. der Vorstand sein. Zudem haben die Aktionäre gem. § 122 Abs. 2 S. 1 AktG das Recht, die Tagesordnung um weitere Punkte zu ergänzen, sofern sie zusammen 5 % des satzungsmäßigen Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von EUR 500.000 stellen. Dabei muss der aufzunehmende Beschlussgegenstand auch tatsächlich in die Beschlusskompetenz der Hauptversammlung fallen45. Dadurch, dass die Aktionäre kein Initiativrecht bezüglich Holzmüller-Maßnahmen haben, können sie auch für den Fall, dass bereits eine Hauptversammlung anberaumt worden ist, grundsätzlich nicht die Aufnahme der Abstimmung über eine Holzmüller-Maßnahme in die Tagesordnung verlangen. Einzig und allein für den Fall, dass der Vorstand eine entsprechende Maßnahme bereits geplant hat und die Gefahr besteht, dass er diese ohne vorherige Befassung der Hauptversammlung umsetzt, darf die Hauptversammlung verlangen, dass eine entsprechende Abstimmung in die Tagesordnung aufgenommen wird46. Mit der Bekanntmachung der Tagesordnung soll den Aktionären die Möglichkeit eröffnet werden, sich so früh wie möglich auf die Tagesordnungspunkte vorzubereiten und über die eventuelle Entsendung eines Stimmrechtsvertreters sowie die Stellung von Gegenanträgen zu entscheiden47. Die Tagesordnung ist somit die erste materielle Information der Aktionäre. Die Tagesordnungspunkte müssen dabei grundsätzlich so konkret gefasst sein, dass der Aktionär bzw. sein Vertreter ohne Rückfragen erkennen kann, worüber verhandelt und beschlossen werden soll48. Bei Verträgen sind dazu Vertragsart und Vertragspartner in die Einberufung aufzunehmen49. Gleichwohl 43 44

Kubis, in: MünchKommAktG § 121, Rn. 14 f. Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231; a.A. wohl Mertens, in: KölnerKommAktG, § 83

Rn. 2. 45 46 47 48 49

Vgl. OLG Frankfurt a.M., AG 2005, 422. Kubis, in: MünchKommAktG § 122 Rn. 15. Kubis, in: MünchKommAktG, § 124 Rn. 1. Hüffer, AktG, § 124 Rn. 1; Groß, AG 1997, 97 f. Deilmann/Messerschmidt, NZG 2004, 977, 979.

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

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reicht eine stichpunktartige Bezeichnung des Vertrages aus, zumal die Vorschläge zur Beschlussfassung von Vorstand und Aufsichtsrat gem. § 124 Abs. 3 AktG für die Auslegung der Tagesordnungspunkte herangezogen werden können50. Die Beschlussvorschläge sollten in diesem Fall eine inhaltlich detailliertere Beschreibung des Vertrages liefern. Für börsennotierte Gesellschaften sieht § 121 Abs. 3 S. 3 AktG in den Nummern 1 – 4 weitere zwingende Angaben der Einberufung der Gesellschaft vor, welche insbesondere auf eine Information der Aktionäre über das Prozedere bei einer elektronischen Stimmabgabe oder der Bestellung eines Bevollmächtigten abzielen. In diesem Zusammenhang muss die Gesellschaft gem. § 121 Abs. 3 S. 3 Nr. 4 AktG auch die Internetseite angeben, über welche die wesentlichen Unterlagen gem. § 124a AktG zugänglich zu machen sind. Dabei reicht die Angabe der Homepage aus, so dass nicht etwa auch der genaue Pfad der Seite angegeben muss, auf dem die relevanten Informationen hinterlegt sind51. Eine derartige Regelung für nichtbörsennotierte Aktiengesellschaften sieht das AktG nicht vor. Gleichwohl wird auch für nichtbörsennotierte Gesellschaften zu fordern sein, dass sie – wenn sie ab der Einberufung die wesentlichen Unterlagen auf ihrer Internetseite veröffentlichen, im Zuge der Einberufung auch ihre Internetadresse mitteilen. Grund dafür ist, dass durch das ARUG Regelungen in das AktG eingefügt worden sind, wonach die elektronische Verfügbarkeit der wichtigen Unterlagen deren Auslegung in physischer Form vor und während der Hauptversammlung substituiert. Um den Aktionären den frühzeitigen Zugang zu den Informationen zu ermöglichen, hat die Gesellschaft in diesem Fall ihre Internetseite in der Einberufung analog § 121 Abs. 3 S. 3 Nr. 4 AktG anzugeben.

2. Modalitäten der Einberufung Die Einberufung der Hauptversammlung muss gem. § 121 Abs. 4 S. 1 AktG in den Gesellschaftsblättern bekannt gemacht werden. Damit ist gem. § 25 S. 1 AktG zugleich auch das Einrücken in den elektronischen Bundesanzeiger verbunden. Inhaltliche Änderungen zum bis dato geltenden Recht sind damit nicht verbunden. Eine Ausnahme von der Pflicht zur Bekanntmachung in den Geschäftsblättern gilt gem. § 121 Abs. 4 S. 1 AktG für Aktiengesellschaften, in denen die Gesellschafter namentlich bekannt sind. In diesem Fall kann die Einberufung auch mittels Einschreiben erfolgen. Neu eingefügt wurde die in § 121 Abs. 4a AktG statuierte Pflicht börsennotierter Gesellschaften, die Einberufung spätestens zum Zeitpunkt der Bekanntmachung solchen Medien zuzuleiten, bei denen von einer europaweiten Verbreitung ausgegangen werden kann. Diese kryptische Aussage verwundert angesichts der Tatsache, dass der elektronische Bundesanzeiger weltweit abgerufen werden kann und damit auch eine europaweite Verbreitung der entsprechenden Informationen sicherstellt52. Auch die 50 51 52

Deilmann/Messerschmidt, NZG 2004, 977, 979. Horn, ZIP 2008, 1558, 1560. Vgl. Noack, NZG 2008, 441 f.

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

Gesetzesbegründung geht davon aus, dass die Zuleitung an den elektronischen Bundesanzeiger ausreicht53. Dennoch stellt sich die Frage, ob angesichts der reinen Existenz dieser Vorschrift eine Weiterleitung auch an weitere Medienkanäle erforderlich ist, da diese Vorschrift sonst keinen eigenen Regelungsgehalt hätte. Der Begriff der „Medien-Weiterleitung“ stammt aus der Transparenzrichtlinie54 und ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass die europaweite Verbreitung durch Rückgriff auf Finanzagenturen gewährleistet wird55. Die Einschaltung von Finanzagenturen wurde durch die §§ 37vff. des Wertpapier- und Handelsgesetzes (WpHG) i.V.m. § 3a der Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisordnung (WpAIV) umgesetzt. Der Referentenentwurf zum ARUG sah ursprünglich in § 121a Abs. 4a S. 2 AktG die entsprechende Geltung des § 3a Abs. 2 und 4 der WpAIV vor. Diese Regelung ist nicht Gesetz geworden. Damit kann schon durch Zuleitung an den elektronischen Bundesanzeiger die Pflicht aus § 121 Abs. 4a AktG erfüllt werden56. Die Hauptversammlung ist gem. § 123 Abs. 1 S. 1 AktG mindestens 30 Tage vor dem Tage der Versammlung einzuberufen. Die Frist wird mit der Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern in Gang gesetzt. Gem. § 123 Abs. 1 S. 2 AktG ist der Tag der Einberufung nicht mitzurechnen.

II. Veröffentlichung auf der Internetseite der Gesellschaft, § 124a S. 1 Nr. 3 AktG § 124a S. 1 Nr. 3 AktG sieht vor, dass bei börsennotierten Gesellschaften alsbald nach der Einberufung der Hauptversammlung neben dem Inhalt der Einberufung auch die wichtigen Unterlagen zur Vorbereitung der Hauptversammlung auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich gemacht werden müssen. Damit wird die Internetseite börsennotierter Gesellschaften richtlinienbedingt zum zentralen Medium des Informationsaustauschs zwischen Gesellschaft und Aktionär57. Für die Praxis ist diese Neuerung von begrenzter Bedeutung, da bereits der Corporate Gouvernance Kodex unter Ziffer 2.3.1 S. 3 eine entsprechende Empfehlung vorsah, die auch von dem überwiegenden Teil der börsennotierten Gesellschaften befolgt wurde58. Gleich53

Vgl. RegE ARUG, BT-Drucks. 847/08, S. 41. Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG. 55 Noack, NZG 2008, 441 f. 56 Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 49; a.A. Noack, der auch in diesem Fall die alleinige Zuleitung an den elektronischen Bundesanzeiger für ausreichend hält, NZG 2008, 441 f. 57 Vgl. RegE ARUG, BT-Drucks. 847/08, S. 44. 58 Nach einer Studie des Berlin Center of Corporate Gouvernance wurde diese Empfehlung insgesamt von 96,4 % aller börsennotierten Gesellschaften befolgt, von den DAX, TecDAX und MDAX-Gesellschaften sogar ausnahmslos, vgl. v. Werner/Talaulicar, DB 2008, 825, 827. 54

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

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wohl gibt die neue Vorschrift mangels einer Definition der „alsbaldigen Zugänglichkeit“ Anlass zur näheren Untersuchung. 1. „Zugänglichmachung“ Der Ausdruck der Zugänglichmachung findet durch das ARUG weiten Einzug in das AktG. Die Gesetzesbegründung orientiert sich dabei an der Empfehlung des Corporate Gouvernance Kodex, der unter Ziffer 2.3.1 S. 3 vorsieht, dass Unterlagen „leicht zugänglich“ auf der Internetseite der Gesellschaft zu veröffentlichen sind. Diese leichte Zugänglichkeit soll bestehen, wenn die Unterlagen von einem durchschnittlichen Aktionär ohne hohen Suchaufwand sicher auf der Internetseite gefunden werden können59. Zur inhaltlichen Präzisierung trägt diese Umschreibung nicht bei, da – wie Blicke in vergleichbare Rechtskomplexe zeigen – schon ein zusätzlicher „Klick“ oder erforderliches „Scrollen“ dazu führen kann, dass der Zugang zu den Informationen nicht mehr „leicht“ ist60. Die vom Gesetzgeber an die entsprechende Regelung im Kodex angelehnte Begründung hilft daher nicht, dieses Tatbestandsmerkmal zu konturieren. Zwar zieht die Nichtbefolgung des § 124a S. 1 AktG – anders als noch im Referentenentwurf vorgesehen – nicht die Anfechtbarkeit der gefassten Beschlüsse nach sich, vgl. § 243 Abs. 3 Nr. 2 AktG. Damit hat der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren diesen Paragraphen „entschärft“. Gleichwohl ist ein Verstoß gem. § 405 Abs. 3a Nr. 2 AktG ordnungsgeldbewehrt, so dass nach wie vor das Bedürfnis besteht, diesem Tatbestandsmerkmal Konturen zu verleihen. Der Begriff der Zugänglichmachung existierte jedoch schon vor Einführung des ARUG insbesondere61 in dem durch das UMAG eingefügten § 131 Abs. 3 Nr. 7 AktG. Danach darf der Vorstand eine Auskunft verweigern, wenn die entsprechende Information mindestens sieben Tage vor Beginn der Hauptversammlung und während ihrer gesamten Dauer durchgängig zugänglich gemacht wird62. Eine derartige Zugänglichmachung soll ausweislich der Gesetzesbegründung vorliegen, wenn die Internetseite öffentlich allgemein zugänglich ist, d. h. keine geräteseitigen, anbieterseitigen oder programmseitigen Zugangsbeschränkungen aufweist. Dabei muss der interessierte Aktionär nach Aufrufen der Startseite der Gesellschaft ohne Suchen entweder direkt oder durch eindeutige Links auf die Informationen stoßen können63. Dies wird auch für das Zugäng-

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Kremer, in: Kodex-Kommentar, Rn. 303. Vgl. Micklitz, in: Recht der elektronischen Medien, § 5 TMG Rn. 16 ff., 25 ff. 61 Vgl. auch den durch das EHUG eingeführten § 175 Abs. 2 S. 4 AktG. 62 Hüffer weist darauf hin, dass es sich dogmatisch nicht um ein Auskunftsverweigerungsrecht handeln kann, da nach einer Bekanntmachung im Vorfeld der Hauptversammlung die vom Aktionär geforderte Auskunft schon nicht mehr „erforderlich“ sei und es insoweit bereits am Tatbestand des § 131 Abs. 1 S. 1 AktG fehlt; für den Fall, dass eine Vorfrage außerhalb der Hauptversammlung beantwortet worden ist, stellt die Vorschrift lediglich eine Begrenzung des Mündlichkeitsprinzips dar, in: AktG, § 131 Rn. 32b. 63 Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 34 f. 60

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

lichmachen i.S.d. § 124a S. 1 AktG zu fordern sein64. Wann eine derartige „eindeutige Verlinkung“ vorliegen soll, lässt jedoch auch die Begründung zu § 131 Abs. 3 Nr. 7 AktG offen, so dass insoweit eine Anlehnung an die „2-Klick-Rechtsprechung“ des BGH65 zu § 6 TDG und § 10 Abs. 2 MDStV a.F. geboten ist. Demnach besteht eine eindeutige Verlinkung, wenn die jeweiligen Informationen über zwei Links erreichbar sind. Diese Verlinkung muss auch leicht erkennbar sein, d. h. für den durchschnittlichen Aktionär muss sich auf der Internetseite der Gesellschaft eindeutig ergeben, unter welchem Link er Informationen zur anstehenden Hauptversammlung finden kann. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn sich der Link am Seitenanfang befindet66 und mit dem Titel „Hauptversammlung“ des entsprechenden Jahres gekennzeichnet ist67. 2. „Durchgängigkeit der Zugänglichmachung“ Der Wortlaut des § 124a S. 1 AktG sieht keine Regelungen vor, ob die Unterlagen auch durchgängig zur Verfügung stehen müssen68. Diese Formulierung kann in Anbetracht der Tatsache, dass nur eine kontinuierliche Bereitstellung der Inhalte über das Internet den gewünschten Informationszweck erfüllen kann, jedoch nicht dahingehend gedeutet werden, dass die temporäre Zugänglichmachung der Informationen im Internet ausreicht. Nur durch eine kontinuierliche Verfügbarkeit der Informationen kann zudem gewährleistet werden, dass Aktionäre, die die Hauptversammlung online verfolgen oder sich während dieser einwählen, dem Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft Weisungen erteilen oder diese abändern können69. Für dieses Verständnis spricht nicht zuletzt die Aktionärsrechterichtlinie, in der von einem „ununterbrochenen Zeitraum“ die Rede ist70. Diese Überlegungen müssen genauso für die Zugänglichmachung i.S.d. § 124a S. 1 AktG gelten. Trotz dieser Erwägungen kann an die Verpflichtung i.S.d. § 124a S. 1 AktG nicht der Anspruch einer ununterbrochenen elektronischen Zugänglichmachung gestellt werden. Schon nach der Gesetzesbegründung sollen von der Gesellschaft nicht zu vertretende vorübergehende technische Störungen oder Unterbrechungen, die der Systemwartung dienen, der Zugänglichmachung nicht entgegenstehen71. Grund dafür ist, dass die modernen Medien eine gewisse Anfälligkeit und Manipulierbarkeit mit sich bringen. Die damit verbundenen Risiken einer temporären Nichtverfügbar64

Ähnlich auch J. Schmidt, NZG 2008, 734 f. BGH, ZIP 2006, 2041. 66 Vgl. insoweit: Micklitz, in: Recht der elektronischen Medien, § 5 TMG Rn. 18. 67 Kritisch zum Titel „Investor Relations“ insoweit die Stellungnahme des DNotV zum RefE des ARUG, S. 4; abrufbar unter (www.dnotv.de/_files/Dokumente/Stellungnahmen/ STN_ARUG.pdf). 68 Anders etwa § 131 Abs. 3 Nr. 7 AktG. 69 Vgl. Begr. RegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 34. 70 Richtlinie 36/07/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 7. 2007, AblEU Nr. L 184, S. 20 (Art. 5 Abs. 4). 71 Vgl. RegE ARUG, BT-Drucks. 847/08, S. 45. 65

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

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keit liegen häufig nicht im Einflussbereich der Gesellschaft, etwa wenn (z. B. infolge von Naturereignissen) Störungen im Datennetz auftauchen oder der Server durch Hacker (z. B. mit Massen-Emails) angegriffen wird. Vorauszusetzen ist jedoch, dass die Gesellschaft dem Stand der Technik entsprechende elektronische Abwehreinrichtungen unterhält, um die Internetseite gegen manipulativen Zugriff von außen zu schützen und Systemwartungen – soweit sie überhaupt während der Einberufungsfrist des § 123 Abs. 1 S. 1 AktG stattfinden müssen – auf die Nachtzeit beschränkt. 3. „Alsbaldige Zugänglichmachung“ Ausweislich des Gesetzeswortlauts hat die Gesellschaft alsbald nach der Einberufung der Hauptversammlung die Informationen auf der Internetseite zugänglich zu machen. Diese Formulierung ist dahingehend zu deuten, dass die Informationen schnellstmöglich auf der Internetseite eingestellt werden müssen, nachdem die Einberufung über den elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht worden ist. Die Formulierung soll dabei dem Umstand Rechnung tragen, dass aufgrund betriebsinterner Abläufe und der technischen Umsetzung die Uploads eine gewisse Zeit benötigen72. Ein zeitlicher Nachlauf von maximal einem Tag erscheint dabei angemessen. Die Regelung enthält keine Angabe, wann die Informationen wieder aus der Internetseite entfernt werden dürfen. Dies muss nach dem offiziellen Ende der Hauptversammlung der Fall sein, da zu diesem Zeitpunkt kein Informationsbedürfnis der Aktionäre mehr besteht.

III. Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts, § 124 Abs. 2 S. 2 AktG analog Nach der gesetzlichen Konzeption ist die Bekanntmachung der Tagesordnung gem. § 124 Abs. 3 S. 2 AktG notwendig, aber auch ausreichend, damit sich die Aktionäre rechtzeitig ein Bild über den Beschlussgegenstand machen können73. Dadurch soll den Aktionären ermöglicht werden, bereits im Vorfeld zu entscheiden, ob sie selbst an der Hauptversammlung teilnehmen oder sich vertreten lassen und ob sie den Plänen des Vorstands zustimmen wollen oder nicht74. Eine qualifizierende Bekanntmachung in Form der Bekanntgabe des wesentlichen Vertragsinhalts oder des Wortlauts der neu zu fassenden Satzung sieht § 124 Abs. 2 S. 2 AktG vor. Diese zusätzliche Vorabinformation rechtfertigt sich dadurch, dass die Aktionäre in den Fällen von Satzungsänderungen und zustimmungsbedürftigen Verträgen ausreichend Zeit zur Bildung ihres Urteils haben sollen, was eine ad-hoc-Information in 72

Vgl. RegE ARUG, BT-Drucks. 847/08, S. 44. Vgl. zur inhaltsgleichen Vorgängerregelung § 124 Abs. 1 AktG a.F.: Weißhaupt, AG 2004, 585, 588; Mülbert, in: GroßkommAktG, Vor §§ 118 – 147, Rn. 217. 74 OLG München, AG 1995, 232 f. 73

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

der Hauptversammlung nicht gewährleisten würde75. § 124 Abs. 2 S. 2 AktG ist auf die Holzmüller-Fälle jedoch nicht direkt anwendbar. Grund dafür ist, dass durch holzmüllerpflichtige Maßnahmen weder die Satzung verändert wird76, noch die Wirksamkeit der Maßnahme von der Zustimmung der Hauptversammlung abhängen kann, da die Zustimmungsbeschlüsse zu Holzmüller-Maßnahmen keine Außenwirkung entfalten. Fraglich ist somit, ob § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AktG analog herangezogen werden kann. 1. Analoge Anwendung von § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AktG § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AktG ist analog auf die Holzmüller-Konstellationen anwendbar, wenn das Informationsbedürfnis der Aktionäre bei Holzmüller-Maßnahmen mit dem bei zustimmungsbedürftigen Verträgen wertungsmäßig vergleichbar ist77. Zustimmungsbedürftige Verträge werden anhand des § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt AktG als schwierige und komplexe Beschlussgegenstände typisiert, für deren Befassung die Aktionäre bereits frühzeitig wesentliche Informationen benötigen78. Die Komplexität allein kann jedoch nicht der Grund für die qualifizierte Bekanntmachungspflicht sein, da es auch außerhalb des Katalogs zustimmungsbedürftiger Verträge komplexe und schwierige Sachverhalte wie etwa Kapitalmaßnahmen gibt, die zwar der Zuständigkeit der Hauptversammlung unterfallen, nicht jedoch eine frühzeitige Bekanntmachung i.S.d. § 124 Abs. 2 S. 2 AktG erfordern. Insoweit bedarf es eines weiteren qualifizierenden Merkmals, um die Bekanntmachungspflicht zu rechtfertigen. Vergegenwärtigt man sich den Katalog zustimmungsbedürftiger Verträge, so fällt zunächst auf, dass diese größtenteils nachhaltige Auswirkungen auf die Struktur der Gesellschaft haben. Zu diesen Verträgen zählen Nachgründungsverträge (§ 52 AktG), Vermögensveräußerungen (§ 179a AktG), Unternehmensverträge und diesbezügliche Änderungsverträge (§§ 293, 295 AktG), Verschmelzungs- (§§ 13, 60 ff. UmwG) und Spaltungsverträge (§§ 13, 60 ff., 125 UmwG) sowie Verträge über die Vermögensübertragung im Wege der Universalsukzession (§ 176 UmwG). Insoweit ist es naheliegend, das Motiv einer Bekanntmachungspflicht gem. § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AktG darin zu erblicken, dass die in Frage stehenden Verträge strukturelle Auswirkungen auf die Gesellschaft haben und daher zu ihrer sachgerechten Beurteilung eine zeitintensive und sorgfältige Vorbereitung erforderlich ist79. Da 75

Vgl. die Begründung des RegE zu § 124 AktG, abgedruckt in: Kropff, Textausgabe AktG, S. 173 f. 76 Der BGH hat in den Gelatine-Urteilen die Strukturentscheidungen lediglich hinsichtlich ihrer Auswirkung in die Nähe zu Satzungsänderungen gerückt, vgl. BGH, NZG 2004, 575, 579 („Gelatine I“). 77 Das Bestehen einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke wurde bereits unter Dritter Teil, A. III. 1. festgestellt. 78 Tröger, ZHR 163 (2001), 593, 597. 79 Weißhaupt, AG 2004, 585, 588; Tröger, ZHR 165 (2001), 593, 597 ff.; ders., ZIP 2001, 2029 f.

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

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auch Holzmüller-Maßnahmen per definitionem eine strukturverändernde Wirkung zukommt80, wäre eine vergleichbare Interessenlage gegeben. Jedoch ergeben sich Zweifel im Hinblick auf dieses Ergebnis, da die Hauptversammlung im Rahmen von § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt AktG auch über Verzichtsund Vergleichsverträge über Ersatzansprüche der Gesellschaft (§§ 50 S. 1, 53, 93 Abs. 4, 116, 117 Abs. 4, 309 Abs. 3, 310 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG) informiert wird und diese Verträge keine nachhaltigen strukturellen Auswirkungen auf die Struktur des Verbandes haben81. Bei dieser Fallgruppe handelt es sich jedoch um einen Sonderfall, der am soeben gefundenen Ergebnis nichts ändert. Grund dafür ist, dass die Zuständigkeit der Hauptversammlung in Bezug auf Verzichts- und Vergleichsverträge der gesetzlichen Kompetenzverteilung in der Aktiengesellschaft geschuldet ist: Die Hauptversammlung ist in Fragen der Beendigung der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme der Verwaltung das einzige neutrale Organ in der Gesellschaft. Zwar ist nach der gesetzlichen Konzeption gem. § 111 Abs. 1 AktG der Aufsichtsrat das primäre Kontrollorgan, während der Hauptversammlung primär die Willensbildung zukommt82. Indes ist auch der Aufsichtsrat potentieller Adressat von Schadensersatzforderungen. Die Zuständigkeit der Hauptversammlung lässt sich somit dadurch erklären, dass nicht die haftende Verwaltung über die Haftungsfreistellung entscheiden soll, da sonst die Gefahr bestünde, dass sich die Haftenden wechselseitig von ihren Schadensersatzansprüchen befreien würden83. Dies wäre aufgrund der Tatsache, dass die Träger des wirtschaftlichen Risikos allein die Aktionäre sind, kein sachgerechtes Ergebnis. Diese Zuständigkeit der Hauptversammlung ist somit einer der Kompetenzaufteilung in der AG entspringenden Zwangslage geschuldet. Daran, dass den aus § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt AktG entspringenden Berichtspflichten der Gedanke zu Grunde liegt, dass sie eine ausführlichere Information bei wesentlichen verbandsrechtlichen Umstrukturierungen sicherstellen sollen, ändert die auch auf Verzichts- und Vergleichsverträge erstreckte Bekanntmachungspflicht somit nichts. Zwar kann es sich auch bei Verzichts- und Vergleichsverträgen um vielschichtige und komplexe wirtschaftliche und juristische Vorgänge handeln, bei denen die frühzeitige Information essentiell für eine angemessene Vorbereitung der Hauptversammlung ist. Gleichwohl macht eine Gegenüberstellung zwischen Verzichts- und Vergleichsverträgen mit den oben aufgeführten Fällen deutlich, dass die Folgen tiefgreifender Strukturmaßnahmen das prägende Motiv für die qualifizierte Bekanntmachung bei zustimmungsbedürftigen Verträgen sind. Teilweise wird eine Analogie zu § 124 Abs. 2 S. 2 AktG nur insoweit befürwortet, wie der Vertrag zumindest mittelbar vom Einverständnis der Hauptversammlung abhängig gemacht wird, sei es, dass die Zustimmung der Hauptversammlung Bedingung für die Wirksamkeit des Vertrags ist, sei es, dass der Veräußerin für den Fall 80 81 82 83

Vgl. Dritter Teil, D. Tröger, ZHR 165 (2001), 593, 598. BVerfG, AG 2000, 74 f. Tröger, ZHR 165 (2001), 593, 598.

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

einer verweigerten Zustimmung seitens der Hauptversammlung ein Rücktrittsrecht vom Vertrag zusteht84. Diese restriktive Auffassung übersieht jedoch, dass § 124 Abs. 2 S. 2 AktG nicht von dem formalen Kriterium der internen Zustimmung abhängt, sondern von dem dahinter stehenden materiellen Merkmal der Gefährdung der mitgliedschaftlichen Stellung infolge tiefgreifender struktureller Maßnahmen85. Letzteres Gefährdungsszenario trifft schon definitionsgemäß auf die HolzmüllerMaßnahmen zu, so dass eine vergleichbare Interessenlage besteht86. § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt AktG ist somit analog auf Holzmüller-Fälle anwendbar. 2. Umfang der Bekanntmachungspflicht Gem. § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt AktG ist der wesentliche Inhalt des Vertrags87 bekannt zu machen. Dabei ist die Bekanntgabe des gesamten Vertrages weder erforderlich noch ausreichend: § 124 Abs. 2 S. 2 AktG setzt wegen der „rationalen Apathie“ vieler Aktionäre eine Beschränkung auf die wesentlichen Inhalte voraus, da dies den Bedürfnissen der Aktionäre am Besten gerecht wird88. Die Rechtspraxis tut sich schwer mit einer verlässlichen Konturierung des „wesentlichen Inhalts“. Dabei bedeutet „wesentlich“ zunächst, dass nicht der gesamte Vertrag bekannt gegeben zu werden braucht89. Um den erforderlichen Inhalt sinnvoll zu definieren ist vielmehr ein Blick auf das gesamte System der beschlussvorbereitenden Informationspflichten nötig. So sehen viele aktien- und umwandlungsrechtliche Vorschriften vor, dass bei bestimmten Maßnahmen die eigentlichen Verträge ab der Einberufung der Hauptversammlung zugänglich zu machen sind, so dass den Aktionären diesbezüglich weitreichende Möglichkeiten zur detaillierten Information gegeben werden. Vor diesem Hintergrund kann die Funktion der Bekanntmachungspflicht i.S.d. § 124 Abs. 2 S. 2 AktG nur darin liegen, den Aktionären eine Entscheidung zu ermöglichen, ob sie diese weitergehenden Informationsmöglichkeiten wahrnehmen wollen90. Detailangaben sind daher im Regelfall nicht erforderlich, sofern sie nicht für das Verständnis des TOP unerlässlich sind. Inhaltlich von der Bekanntmachungspflicht umfasst sind ferner auch weitere Verträge, wenn sie in so engem inneren Zusammenhang stehen, dass die Aktionäre die Bedeutung des ihnen vorgelegten Vertrages nicht ohne die

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Deshalb gegen eine Analogie: LG Düsseldorf, AG 1999, 94. Tröger, ZIP 2001, 2029 f.; Groß, AG 1996, 111, 115. 86 So auch: OLG München, AG 1995, 232 f.; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 232; Kubis, in: MünchKommAktG § 119 Rn. 50; Tröger, ZHR 165 (2001), 593, 596 ff.; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 52; Weißhaupt, AG 2004, 585, 588. 87 Grundsätzlich zur Behandlung von Vertragsentwürfen und nichtvertraglichen Maßnahmen vgl. Dritter Teil, D. 88 Kort, AG 2006, 272, 275 f. 89 Hüffer, AktG, § 124 Rn. 10; a.A. LG Hanau, AG 1996, 184 f., das die komplette Wiedergabe der zu ändernden Satzung fordert. 90 Hüffer, AktG, § 124 Rn. 10. 85

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

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Kenntnis des wesentlichen Inhalts des anderen Vertrages zutreffend erfassen können91. 3. Sonderfall: Freiwillige Vorlage gem. § 119 Abs. 2 AktG („unechte“ Holzmüller-Beschlüsse) Ist die qualifizierte Bekanntmachungspflicht für die Holzmüller-Konstellationen festgestellt, schließt sich die Frage an, ob auch in den Fällen, in denen sich der Vorstand entschließt, gem. § 119 Abs. 2 AktG der Hauptversammlung eine Strukturmaßnahme vorzulegen – d. h. ohne dass die Kriterien der Holzmüller-Doktrin erfüllt wären – eine analoge Anwendung von § 124 Abs. 2 S. 2 AktG geboten ist. Zu dieser Konstellation äußerte sich der BGH in Sachen „Altana/Milupa“92. Dem Urteil lag die Veräußerung des gesamten Geschäftsbetriebs der Milupa AG, einer einhundertprozentigen Tochter der Altana AG, an den niederländischen Nutricia-Konzern zugrunde. Die Milupa AG trug zu etwa 30 % zum Gesamtumsatz des Konzerns bei und machte ca. 23 % seiner Bilanzsumme aus. Aufgrund der wirtschaftlichen Tragweite dieses Geschäfts und der Unsicherheit ob einer etwaigen Zustimmungspflicht der Hauptversammlung, war im Kaufvertrag ein Rücktrittsrecht zugunsten der Milupa AG vereinbart worden für den Fall, dass die Hauptversammlung der Altana AG die Zustimmung zu diesem Geschäft verweigern sollte. Vorsorglich und zur Erfüllung „etwaiger Anforderungen nach der sogenannten Holzmüller-Rechtsprechung“93 lud der Vorstand zu einer außerordentlichen Hauptversammlung. In der Ladung berichtete er lediglich kurz über Inhalt und Hintergründe des Veräußerungsvertrags, kam aber unter Berufung auf Vertraulichkeitsgründe weder einer Aufforderung zur Übersendung einer Abschrift des gesamten Vertragswerks nach, noch einer Offenlegung in den Geschäftsräumen oder in der Hauptversammlung. Der Zustimmungsbeschluss wurde in allen drei Instanzen aufgrund der festgestellten Verletzung der Informationsrechte der Aktionäre erfolgreich angefochten94. Dabei war das Urteil des BGH in seiner Begründung stark auf den zugrunde liegenden Einzelfall zugeschnitten. Insbesondere vermied es der BGH, zur Einschlägigkeit der HolzmüllerDoktrin Stellung zu beziehen95. Der BGH näherte sich der Frage nach den Informationspflichten daher allein vom Standpunkt einer freiwilligen Vorlage gem. § 119 Abs. 2 AktG und eines gewillkürten Zustimmungserfordernisses der Hauptversammlung. Dabei stellte er zunächst fest, dass, wenn der Vorstand gem. § 119 Abs. 2 AktG die Entscheidung von der Hauptversammlung verlangt, er ihr auch die Informationen zur Verfügung stellen muss, die sie für eine sachgerechte Auseinandersetzung mit

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OLG Schleswig, ZIP 2006, 421; Kort, AG 2006, 272, 274. BGH NZG, 2001, 405, 407 („Altana/Milupa“). 93 BGH NZG, 2001, 405, 407 („Altana/Milupa“). 94 Vgl. LG Frankfurt a.M., ZIP 1997, 1698; OLG Frankfurt a.M., ZIP 1999, 842. 95 Eine solche wäre gleichwohl aufgrund der obigen Erkenntnis, dass eine Beteiligungsveräußerung nicht Gegenstand einer Holzmüller-Pflichtigkeit sein kann, abzulehnen. 92

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

dem Thema benötigt96. Dabei sei eine § 124 Abs. 2 S. 2 AktG vergleichbare Interessenlage „jedenfalls dann gegeben, wenn der Vorstand sich im Vorhinein des Einverständnisses der HV zum Vertragsabschluss […] versichern will“97. Dem setzt der BGH zudem den Fall gleich, dass der Vertrag aufgrund eines vertraglich vereinbarten Zustimmungsvorbehalts mittelbar von der Hauptversammlung abhängt98. Auch ein Teil der Literatur will die Anwendung des § 124 Abs. 2 S. 2 AktG auf die Fälle der freiwilligen Vorlage i.S.d. § 119 Abs. 2 AktG ausdehnen99. Zweifelhaft sind in diesen Konstellationen jedoch das Bestehen und die etwaige Planwidrigkeit einer Regelungslücke. Schließlich ist die Zuständigkeit der Hauptversammlung aufgrund einer Vorlage gem. § 119 Abs. 2 AktG vom Gesetz vorgesehen, ohne dass der Gesetzgeber – wie sonst üblich – innerhalb der Norm auch eine bestimmte Informationspflicht normiert hätte. Vielmehr ist den Gesetzesbegründungen zu entnehmen, dass in den Fällen freiwilliger Vorlage die Vorabinformation durch die Bekanntmachung der Tagesordnung und die Unterbreitung einer Beschlussempfehlung als ausreichend erachtet wurde100. Selbst wenn man eine Regelungslücke annähme, würde eine Analogie mangels vergleichbarer Interessenlage scheitern: Der BGH sieht die Vergleichbarkeit der Interessenlagen darin, dass die Hauptversammlung, von deren Entscheidung der Bestand des Vertrages abhängt, nur in Kenntnis seiner Tragweite entscheiden kann101. Diese Aussage gilt jedoch ausnahmslos für jede Abstimmung102. Daher kann dem pauschalen Verweis auf ein informatorisches Bedürfnis keine Aussage über die Tiefe der Informationspflicht des Vorstands entnommen werden. Zudem würde eine undifferenzierte Übertragung des § 124 Abs. 2 S. 2 AktG auf sämtliche nach § 119 Abs. 2 AktG vorgelegten Fälle sich nicht nur vom eigentlichen Regelungsmotiv der qualifizierten Bekanntmachungspflicht entfernen, sondern aufgrund von Zweckmäßigkeitserwägungen das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 124 AktG ins Gegenteil verkehren. Der gesetzlichen Wertung ist aufgrund der Tatsache, dass der Aufsichtsrat – und nicht die Hauptversammlung – primäres Kontrollorgan des Vorstands ist, vielmehr der Gedanke zu entnehmen, dass besondere kollektive Informationsrechte nur dann bestehen, wenn die Hauptversammlung auch

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BGH, NZG 2001, 405, 407 („Altana/Milupa“); Hüffer, AktG, § 119 Rn. 13. BGH, NZG 2001, 405, 407 („Altana/Milupa“); a.A. Kort, ZIP 2002, 685 f.; LG München I, ZIP 2001, 1148, 1150, die in Auslegung der Entscheidung eine schuldrechtliche Bindung an die Zustimmung der Hauptversammlung verlangen. 98 BGH, NZG 2001, 405, 407 („Altana/Milupa“). 99 Schockenhoff, NZG 2001, 921 f.; Werner, in: FS Fleck, S. 401, 412; Hüffer, AktG, § 119 Rn. 13; a.A.: LG München I, ZIP 2001, 1148, 1150. 100 Vgl. die Begründung des RegE zu § 124 AktG, abgedruckt in: Kropff, Textausgabe AktG, S. 173; so auch: Wilde, ZGR 1998, 423, 446 ff. 101 BGH, NZG 2001, 405, 407 („Altana/Milupa“). 102 Wilde verweist darauf, dass der Vorstand jedoch auch wirtschaftlich irrelevante Maßnahmen der Hauptversammlung vorlegen kann, für die ein entsprechendes Informationsbedürfnis der Aktionäre demnach ausscheiden müsste, ZGR 1998, 423, 446. 97

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

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zwingend für die jeweilige Maßnahme zuständig ist103. Da es bei freiwilligen Vorlagen gem. § 119 Abs. 2 AktG an dem für § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AktG charakterisierenden Merkmal eines wesentlichen Eingriffs in die Gesellschaftsstruktur samt Auswirkung auf die mitgliedschaftlichen Positionen fehlt, muss daher auch proportional das Informationsbedürfnis der Aktionäre abnehmen, so dass eine qualifizierte Bekanntmachungspflicht analog § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt AktG für diese Fälle nicht in Betracht kommt.

IV. Erstellung, Auslegung und Zusendung von Unterlagen Neben der Einberufung der Hauptversammlung, der – für börsennotierte Gesellschaften – obligatorischen Veröffentlichung auf der Internetseite und der Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts der Maßnahme könnte der Vorstand verpflichtet sein, bestimmte Dokumente mit Bezug auf die anstehende Maßnahme ab der Einberufung der Hauptversammlung zur Einsicht auszulegen und den Aktionären auf Anfordern eine Abschrift zuzusenden. Eine entsprechende Pflicht wird von einigen aktien- und umwandlungsrechtlichen Vorschriften für bestimmte Maßnahmen vorgesehen104. Durch das ARUG werden diese Regelungen dahingehend modifiziert, dass die elektronische Zugänglichmachung einen Dispens von den Auslegungs- und Übersendungspflichten bewirkt105. Insoweit lässt der Gesetzeswortlaut darauf schließen, dass den Aktiengesellschaften die Wahlmöglichkeit zwischen physischer und elektronischer Informationserteilung zusteht. Dieser Eindruck täuscht jedoch, da börsennotierte Gesellschaften gem. § 124 S. 1 Nr. 3 AktG ohnehin zur elektronischen Veröffentlichung verpflichtet sind. Durch die Befolgung dieser Pflicht werden daher automatisch die neu eingefügten Dispensregelungen mit erfüllt. Eine Pflicht zur physischen Auslegung oder Übersendung besteht damit für börsennotierte Aktiengesellschaften faktisch nicht mehr106. Nur nicht-börsennotierte Gesellschaften kommen damit in die Situation einer Wahlmöglichkeit zwischen physischer und elektronischer Informationserteilung, da sie vom Anwendungsbereich des § 124 S. 1 Nr. 3 AktG ausgenommen sind107. Im Folgenden wird terminologisch weiterhin von Auslegungsund Übersendungspflichten ausgegangen, da diese nach der Regelungstechnik die Ausgangsform darstellen, in der sich die generelle Verpflichtung zur Zugänglichmachung niederschlägt.

103

So auch Wilde, ZGR 1998, 423, 447. Z. B.: §§ 179a Abs. 2 S. 1 und 2, 293f Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AktG sowie §§ 63 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 125 S. 1 UmwG. 105 Vgl. insoweit die Vorschrift § 175 Abs. 2 S. 4 AktG, die insoweit Pate für die durch das ARUG eingeführten Änderungen stand. 106 Vgl. RegE ARUG, BT-Drucks. 847/08, S. 34 f. 107 Vgl. RegE ARUG, BT-Drucks. 847/08, S. 34 f. 104

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

1. Auslegung des Vertrags und abschriftliche Übersendung des Vertrags auf Verlangen a) „Echte“ Holzmüller-Beschlüsse Zunächst könnte der Vorstand verpflichtet sein, den gesamten Vertragstext108 ab der Einberufung der Hauptversammlung auszulegen und den Aktionären bei entsprechendem Begehren eine Abschrift zu erteilen109. Eine solche Pflicht wird vom OLG Schleswig aufgrund von § 131 Abs. 1 AktG bejaht110. Gegen diesen Ansatz spricht jedoch, dass § 131 Abs. 1 AktG keine Informationspflicht i.S.e. kollektiven Informationsrechts, sondern das individuelle, im Rahmen der Hauptversammlung auszuübende, Informationsrecht des einzelnen Aktionärs regelt111. Als dogmatischer Anknüpfungspunkt für eine derartige Verpflichtung kommt eine Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs. 2 S. 1 und 2, 293f Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AktG und den §§ 63 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 125 S. 1 UmwG in Betracht112. Hinter diesen Vorschriften ist der allgemeine Wertungsgrundsatz zu sehen, dass bei Strukturmaßnahmen die Aktionäre für eine sachgerechte Willensbildung darauf angewiesen sind, dass sie das Vertragswerk in seiner Gesamtheit einsehen und studieren können113. Dagegen wird teilweise eingewandt, dass gerade die Pflicht zur abschriftlichen Übersendung in aller Regel mit großem Aufwand für die Gesellschaft verbunden ist114. Dieser Einwand ist aufgrund des regelmäßigen Umfangs der – häufig nach angloamerikanischem Vorbild verfassten – Vertragswerke, einschließlich weiterer Unterlagen, auf die sich die Übersendungspflicht ebenfalls erstreckt115, nicht von der Hand zu weisen116. Gleichzeitig sind nach Inkrafttreten des ARUG nur noch nichtbörsennotierte Gesellschaften potentiell von derart gravierenden Übersendungskosten betroffen. Selbst für den Fall, dass sie die ihnen zukommende Wahlmöglichkeit der elektronischen Zugänglichmachung nicht wahrnehmen, ist die Annahme einer Übersendungspflicht nicht unangemessen. Grund dafür ist, dass der BGH durch seine Gelatine-Urteile den Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin auf Ausnahmefälle eingeengt hat, für die folg108 Inwieweit eine Vorlagepflicht auch bei Strukturmaßnahmen, die keine vertragliche Ausprägung erfahren, in Betracht kommt, ist umstritten und wird unter Dritter Teil, D. näher behandelt. 109 Zur Frage, inwieweit diese Pflicht durch die Zugänglichmachung über die Internetseite substituiert werden kann, sei auf die Ausführungen unter Dritter Teil, B. IV. 4. verwiesen. 110 OLG Schleswig, ZIP 2006, 421. 111 Ähnlich auch: Kort, AG 2006, 272, 276. 112 LG Frankfurt a.M., ZIP 1997, 1698, 1702 („Altana/Milupa“); Bayer, ZIP 1997, 1613, 1625; Leinekugel, Ausstrahlungswirkung, S. 125 f.; Wilde, ZGR 1998, 423, 451; a.A. Hüffer, AktG, § 119 Rn. 18. 113 So auch: Tröger, ZIP 2001, 2029, 2032. 114 Weißhaupt, NZG 1999, 804, 808. 115 Zu den weiteren Unterlagen sogleich unter 2) und 3). 116 Vgl. insbesondere die Begründung zum RegE ARUG, wonach die Möglichkeit elektronischer Zugänglichmachung erhebliche Einsparpotentiale freisetzen soll, BT-Drucks. 847/ 08, S. 29.

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

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lich ein besonders hohes Informationsinteresse der Aktionäre anzuerkennen ist. Trotz dieses hohen Informationsinteresses hat sich der BGH in Sachen Altana/Milupa gegen eine pauschale Übernahme der Auslegungs- und Übersendungspflicht im Wege der Gesamtanalogie ausgesprochen117. Er interpretiert insoweit die Reichweite der Informationspflichten flexibel und einzelfallbezogen, wobei jedoch fraglich ist, inwieweit dies mit dem praktischen Interesse nach einem einheitlichen System der Informationspflichten zusammenpasst. Als Begründung für diesen Ansatz führt der BGH an, dass es auch zustimmungspflichtige Verträge ohne gesteigerte Informationspflichten gibt, wobei er auf die Verzichts- und Vergleichsverträge118 im Zusammenhang mit Ersatzansprüchen der Gesellschaft abstellt119. Stattdessen prüft er im Einzelfall, ob eine Vergleichbarkeit mit einer die Auslegung statuierenden Norm gegeben ist120. Dieser Ansatz findet in der Literatur teilweise Zustimmung121. Er führt jedoch mangels einer allgemeingültigen Aussage zu erheblicher Unsicherheit über die zu beachtenden Verfahrensvorschriften122. Er beruht zudem auf einer Überspannung der Anforderungen an die Rechtsfigur der Gesamtanalogie: Der BGH geht in seiner Urteilsbegründung davon aus, dass es infolge der Verzichts- und Vergleichsverträge an einer einheitlichen gesetzlichen Regelung über die weitergehenden Informationsrechte der Aktionäre für zustimmungsbedürftige Verträge fehlt und verneint daher implizit einen allgemeinen Wertungsgrundsatz der herangezogenen Vorschriften. Die Sonderrolle von Verzichts- und Vergleichsverträgen, für welche die Hauptversammlung nur deshalb zuständig ist, weil allein sie aufgrund der gesellschaftsinternen Interessenlage nicht befangen sein kann, ist bereits oben dargelegt worden123. Bei dieser Zuständigkeit der Hauptversammlung handelt es sich daher um eine – der gesetzlichen Kompetenzverteilung geschuldete – „Verlegenheitslösung“, die nicht bei der Extraktion des allgemeinen Wertungsgrundsatzes herangezogen werden darf124. Insoweit können die Bedenken des BGH ausgeräumt werden: Den obigen Vorschriften ist die Grundwertung zu entnehmen, dass bei Strukturmaßnahmen, die zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Aktionärsrechte führen können, neben der Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts auch die Auslegung und Übersendung des Vertrages vom Gesetz als notwendige zusätzliche Information betrachtet wird. Gemessen am Zweck der Auslegungspflicht, nämlich dem Aktionär zusätzliche Informationen zwecks gründlicher Vorbereitung zur Verfügung zu stellen, muss der

117

BGH, NZG 2001, 405, 407 („Altana/Milupa“). Vgl. §§ 50, 53, 93 Abs. 4, 116 S. 1, 117 Abs. 4, 309 Abs. 3, 310 Abs. 4, 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 AktG. 119 BGH, NZG 2001, 405, 407 („Altana/Milupa“). 120 BGH, NZG 2001, 405, 407 („Altana/Milupa“). 121 So auch: Kubis, in: MünchKommAktG § 119 Rn. 52; Pentz, in: Hdb Vorstandsrecht, § 17 Rn. 167. 122 Tröger, ZHR 165 (2001), 593, 600 f. 123 Vgl. die Ausführungen unter Dritter Teil, B. III. 1. 124 Tröger, ZIP 2001, 2029, 2032. 118

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

Vertrag in deutscher Sprache abgefasst sein125 und neben diesem gegebenenfalls auch weitere Dokumente ausgelegt werden, die in einem inneren Zusammenhang mit dem Vertrag stehen und ohne deren Kenntnis der Vertrag nicht verständlich ist126. Gleichzeitig wird damit der Möglichkeit der Aktionäre, erst im Rahmen der Hauptversammlung gem. § 131 Abs. 1 AktG Auskunft über die noch offenen Punkte zu verlangen, als unzureichende Informationsbeschaffung eine Absage erteilt127. Deshalb ist der Vorstand aufgrund einer Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs. 2 S. 1 und 2, 293f Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AktG und den §§ 63 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 125 S. 1 UmwG verpflichtet, den Umstrukturierungsvertrag ab der Einberufung Hauptversammlung in den Geschäftsräumen der Gesellschaft auszulegen und ihn den Aktionären auf Verlangen abschriftlich zuzusenden. . b) „Unechte“ Holzmüller-Beschlüsse Ist festzustellen, dass den Vorstand bei Holzmüller-Maßnahmen die Pflicht trifft, den jeweiligen Vertrag auszulegen, so schließt sich die Frage an, ob dies auch dann gilt, wenn es sich um eine freiwillige Vorlage i.R.d. § 119 Abs. 2 AktG handelt. Dies wird teilweise befürwortet128. Als Grund wird dabei angeführt, dass die Vorabüberprüfung unterschiedslos für sämtliche Vertragswerke bestehen müsste, da es nicht möglich sei, deren Inhalt vollumfänglich während der Hauptversammlung zur Kenntnis zu nehmen129. Zwar mag diese Beobachtung für die meisten Situationen zutreffend sein. Jedoch wird damit die gesetzgeberische Grundentscheidung, nach welcher die Verpflichtung zur Auslegung von Verträgen die Ausnahme und nicht etwa Regelfall ist, ins Gegenteil verkehrt130. Das besondere Informationsbedürfnis der Aktionäre resultiert bei den gesetzlich vorgezeichneten Fällen – ebenso wie in den „echten“ Holzmüller-Fällen – gerade daraus, dass die jeweilige Maßnahme besonders stark in die Mitgliedschaftsrechte eingreift. Das Informationsbedürfnis der Aktionäre steigt also proportional mit der Tiefe des Eingriffs in die Mitgliedsrechte. Lediglich freiwillig vorgelegten Verträgen fehlt es hingegen an der kritischen Eingriffstiefe, die eine Pflicht des Vorstands zur Auslegung und Übersendung rechtfertigt. Daran ändert auch die mit der Vorlage verbundene Haftungsfreistellung gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG nichts131. Die sachgerechte Kompetenzausübung der Hauptversammlung erfordert

125 126

Kort, AG 2006, 272, 276. OLG Schleswig, ZIP 2006, 421, 426 f.; Kort, AG 2006, 272, 276; Götze, NZG 2004, 585,

589. 127

A.A. Weißhaupt, AG 2004, 585, 591. OLG Frankfurt a.M., ZIP 1999, 842, 844; OLG München, DZWIR 1996, 511, 513; Saenger, EWiR 1997, 1109 f. 129 OLG Frankfurt a.M., ZIP 1999, 842, 844. 130 Kort, AG 2006, 272, 275. 131 Tröger, ZIP 2001, 2029, 2034. 128

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

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daher keine Auslegung des Vertrages durch den Vorstand bei freiwilligen Vorlagen i.S.d. § 119 Abs. 2 AktG132. 2. „Holzmüller-Berichte“ a) Allgemeines Für einige Fälle gesetzlich geregelter Strukturmaßnahmen sieht das Gesetz eine Pflicht des Vorstands zur Erstellung eines sog. Vorstandsberichts vor133. Vor dem Hintergrund, dass Informationspflichten des Vorstands aus der Organisationsstruktur der Gesellschaft resultieren und die sinnvolle Wahrnehmung der Kompetenzen derjenigen Organe sicher stellen, die systembedingt ein Informationsdefizit haben134, kommt dem Vorstandsbericht die Funktion zu, der Hauptversammlung die wirtschaftlichen und strategischen Hintergründe der Maßnahme zu vermitteln, damit diese die Maßnahme auf ihre Plausibilität überprüfen kann135. Teilweise wird den Vorstandsberichten auch der Zweck zugesprochen, dem Vorstand eine Selbstkontrolle zu ermöglichen136. Dem ist zu widersprechen, da Informationspflichten Ausfluss der Organisationsverfassung und damit der Kompetenzverteilung in der Gesellschaft sind. Die Kontrolle des Vorstands ist jedoch oberste Aufgabe des Aufsichtsrats. Nach dem Willen des Gesetzes sollen die Aktionäre durch den Vorstandsbericht nicht nur über den Inhalt der Maßnahme, sondern auch über die dahinter stehenden Gründe informiert werden137. Die Schwierigkeit der Bestimmung der erforderlichen Detailtiefe für den Vorstandsbericht hat in der Praxis dazu geführt, dass dieser zum Einfallstor für Anfechtungsklagen geworden ist138. Dem wurde durch den Gesetzgeber insbesondere durch das UMAG139 entgegen gewirkt. Durch den durch das UMAG eingefügten § 243 Abs. 4 S. 1 AktG ist die Anfechtbarkeit wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter Erteilung von Information möglich, wenn ein objektiv urteilender Aktionär die Information als wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung seiner Mitgliedsrechte angesehen hätte. Ob jedoch der wirtschaftliche und juristische Laie überhaupt durch den Vorstandsbericht in die Lage versetzt wird, den komplexen Umstrukturierungsvorgang auf seine Plausibilität zu überprüfen, darf be132

A.A. Saenger, EWiR 1997, 1109 f. Kapitalerhöhungen mit Bezugsrechtsausschluss (§ 186 Abs. 4 S. 2 AktG), Unternehmensverträge (§ 293a AktG), Eingliederung (§ 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 AktG) und Umwandlungsmaßnahmen (§§ 8, 127, 192 UmwG). 134 Vgl. Dritter Teil, A. I. 135 Begründung RegE zu § 8 UmwG, abgedruckt in Ganske, Umwandlungsrecht, S. 53 f.; so auch: OLG Karlsruhe, WM 1989, 1134, 1137 f.; Groß, AG 1996, 111, 116. 136 Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 127 Rn. 4; Wiedemann, in: GroßkommAktG, § 184 Rn. 17; Grün, Informationspflichten, S. 89. 137 Vgl. nur § 293a Abs. 1 AktG. 138 Wilde, ZGR 1998, 423, 438; vgl. die Zusammenstellung bei Martens, ZIP 1992, 1677 ff. 139 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts v. 22. 09. 2005 (BGBl. 2005 I. 2802). 133

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

zweifelt werden140. Insoweit ließe sich theoretisch vertreten, dass ein Vorstandsbericht nie wesentlich für die Wahrnehmung der Mitgliedsrechte sein kann. Dieses Ergebnis kann jedoch vor dem Hintergrund einer teleologischen Auslegung des gesetzlichen Informationssystems keinen Bestand haben: Informationspflichten des Vorstands sind Regeln standardisierter Informationserteilung. Diesen ist die gesetzgeberische Wertung inhärent, dass sie vom objektiven Gesellschafter für die Beurteilung des jeweiligen Sachverhalts erforderlich sind. § 243 Abs. 4 S. 1 AktG stellt vielmehr klar, dass nicht jeder Informationsfehler automatisch zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führt, sondern der Fehler eine gewisse Relevanz für die Mitgliedsrechte hat141. Diese Relevanz ist gegeben, wenn der Informationsmangel den Beschluss unter einem Legitimationsdefizit leiden lässt, das bei wertender Betrachtung die Anfechtbarkeit des Beschlusses rechtfertigt142. Auch wenn durch diese präzisierende Einschränkung das Spektrum der Anfechtbarkeit wegen Informationsfehlern tendenziell eingeschränkt wird, lässt sich aufgrund der Vielzahl möglicher Ausgangslagen und denkbarer Informationsfehler nicht eingrenzen, ab welchem Detailgrad ein Vorstandsbericht anfechtungsfest ist. Im Bestreben das daraus resultierende Risiko zu minimieren, wird i. d. R. kein Aufwand gescheut, um den Bericht „wasserdicht“ zu machen. Dies hat dazu geführt, dass die Berichte in der Praxis z. T. extrem umfangreich geworden sind143. Ob damit dem Informationsbedürfnis der Aktionäre besser Rechnung getragen wird, darf aufgrund der typischen „rationalen Apathie“ der Aktionäre stark bezweifelt werden. Jedenfalls wirken sich sorgfältig vorbereitete und umfangreiche Vorstandsberichte positiv auf die Abhaltung der Hauptversammlung aus, da bereits Erwähntes nicht mehr i.S.d. § 131 Abs. 1 S. 1 AktG zur sachgemäßen Beurteilung des Beschlussgegenstandes erforderlich ist und somit die Hauptversammlung schneller abgehalten werden kann.

b) Pflicht zur Erstellung eines Vorstandsberichts Der Vorstand könnte im Vorfeld von Holzmüller-Maßnahmen gehalten sein, einen Bericht über die entsprechende Maßnahme zu verfassen, in dem diese insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen für die Mitgliedsrechte der Aktionäre beschrieben wird, sowie die Beweggründe für die Maßnahme geschildert werden. Entsprechende Pflichten sieht das Gesetz in §§ 186 Abs. 4 S. 2 AktG, 293a Abs. 1, 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 AktG und §§ 8 Abs. 1 S. 1, 127 S. 1, 192 Abs. 1 S. 1 UmwG vor. Teilweise wird eine Analogie zu § 124 Abs. 2 S. 2 AktG bemüht144. Diese Vorschrift behandelt jedoch eine von der Berichtspflicht verschiedene Informationspflicht des Vorstands, 140

Leinekugel, Ausstrahlungswirkung, S. 201 f., der deshalb neben den Informationszweck als weiteren Zweck die Absicherung der Rechtmäßigkeit des Umwandlungsvorgangs sieht, indem bei eventuellen Informationsfehlern die Anfechtbarkeit des Beschlusses riskiert wird. 141 Hüffer, AktG, § 243 Rn. 46a. 142 Vgl. BGHZ 149, 158, 164 f.; Hüffer, AktG, § 243 Rn. 46a. 143 Der Verschmelzungsbericht im Fall Krupp/Hoesch war 262 Seiten lang. 144 Groß, AG 1997, 97, 103.

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

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die daher für die hier aufgeworfene Fragestellung nicht zielführend ist. Der Ansatz ist mithin abzulehnen. Der dogmatische Ansatzpunkt könnte in einer Gesamtanalogie zu den soeben genannten Vorschriften liegen. Der BGH hat in seinen Gelatine-Urteilen eine Gesamtanalogie zu den Vorschriften, welche die Erstattung von Strukturberichten verlangen, abgelehnt. Daraus lässt sich indes nicht der Schluss ziehen, dass der BGH das Erfordernis eines Berichts generell ablehnt145. Zwar verneinte der BGH in Sachen Macrotron das Erfordernis eines Berichts ausdrücklich für den Fall des regulären Delisting146. Dieses stellt jedoch keine potentiell holzmüllerpflichtige Maßnahme dar. Auch ist dieser Entscheidung aufgrund des vom BGH gewählten, grundlegend verschiedenen, Begründungsansatzes keine generelle Aussagekraft für die in Frage stehenden Holzmüller-Fälle zuzuschreiben.

aa) Allgemeiner Wertungsgrundsatz der aktienrechtlichen Normen Zunächst müsste den §§ 186 Abs. 4 S. 2 AktG, 293a Abs. 1, 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 AktG und §§ 8 Abs. 1 S. 1, 127 S. 1, 192 Abs. 1 S. 1 UmwG der allgemeine Wertungsgrundsatz entnommen werden können, dass bei Strukturmaßnahmen der Vorstand zur Erstellung eines Berichts verpflichtet ist. Daran ließe sich jedoch zweifeln, da eine entsprechende Pflicht nicht für Satzungsänderungen (§ 179 AktG), die Verpflichtung zur Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens (§ 179a AktG) oder für die Auflösung der Gesellschaft (§ 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG) vorgesehen ist147. Diese Zweifel wären begründet, wenn der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Normen bewusste Differenzierungen hinsichtlich der erforderlichen Information vorgenommen hätte. Dem ist zunächst für den Fall des in § 179a AktG geregelten Gesamtvermögensgeschäfts zu widersprechen. Diese Vorschrift geht auf § 361 AktG a.F. zurück, die inhaltlich das Informationsmittel „Vorstandsbericht“ noch gar nicht erfassen konnte, da dieses erst im Rahmen der europäischen Rechtsangleichung148 Eingang in das deutsche Recht fand. Durch das Umwandlungsrechtsbereinigungsgesetz von 1994 wurde der damalige § 361 AktG a.F. zum jetzigen § 179a AktG. Grund für diese Veränderung war ausweislich der Gesetzesmaterialien, dass dem Gesamtvermögensgeschäft, welches bis dato im systematischen Zusammenhang des, durch die partielle Gesamtrechtsnachfolge bzw. den Wechsel der Rechtsform gekennzeichneten Umwandlungsrechts verortet war, die systematisch korrekte Nähe als „faktische Sat145

So auch Reichert, AG 2005, 150, 158. BGHZ 153, 47, 59 („Macrotron“). 147 So der BGH in Sachen „Altana/Milupa”, NZG 2001, 405, 407; Kort, ZIP 2002, 685, 687; Kubis, in: Münch-KommAktG, § 119 Rn. 51. 148 Hingewiesen sei hier auf Art. 29 Abs. 4 S. 3 der „Zweiten Kapitalrichtlinie“ vom 13. 12. 1976 (ABl EG Nr. L 26), Art. 9, 23 Abs. 1, Art. 24 S. 2 der „Dritten Fusionsrichtlinie“ vom 17. 12. 1978 (ABl EG Nr. L 295) und Art. 7, 22 Abs. 1 S. 1 der „Sechsten Spaltungsrichtlinie“ vom 31. 12. 1982 (ABl EG Nr. L 378). 146

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

zungsänderung“ zu § 179 AktG zugewiesen werden sollte149. Inhaltliche Änderungen waren indes nicht beabsichtigt150. Insoweit handelte es sich bei der Schaffung des § 179a AktG um das Ergebnis einer rein systematischen, auf Ordnungsgesichtspunkten beruhenden, Normenverschiebung. Auch durch die eben erwähnte europäische Rechtsangleichung wurde nie der Bereich des § 361 AktG a.F. tangiert151. Obwohl der Gesetzgeber ursprünglich beabsichtigt hatte, auch für den Fall des Gesamtvermögensgeschäfts obligatorische Vorstandsberichte zu regeln152, wurde dieses Regelungsziel im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aufgegeben. Die nicht erfolgte Kodifikation einer Berichtspflicht kann daher nicht als abschließende Entscheidung des Gesetzgebers hinsichtlich der Informationspflichten bei Gesamtvermögensgeschäften gesehen werden153. Aus diesem Grund steht die nicht vorgesehene Berichtspflicht in § 179a AktG nicht der Anerkennung eines allgemeinen Wertungsgrundsatzes entgegen. Ferner liegt auch eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers hinsichtlich einer Entbehrlichkeit von Berichtspflichten bei Satzungsänderungen und Auflösungsbeschlüssen nicht vor. Zwar hat der Gesetzgeber durch die Novellierung der §§ 293 ff., 319 ff. AktG für den Bereich von Unternehmensverträgen und Eingliederungen eine Harmonisierung zu den umwandlungsrechtlichen Standards geschaffen, ohne insoweit auch Satzungsänderungen und Auflösungsbeschlüsse in diese Neuregelungen mit einzubeziehen. Insoweit ließe sich argumentieren, dass der Gesetzgeber, indem er nur bestimmte Strukturmaßnahmen des AktG an die umwandlungsrechtlichen Informationsstandards angeglichen habe, zum Ausdruck gebracht habe, dass er für die übrigen aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen eine entsprechende Regelung für nicht erforderlich erachtet habe154. Dieser Ansatz lässt jedoch die damalige Motivationslage des Gesetzgebers außer Acht: Wie in anderem Zusammenhang bereits erwähnt, hatte der Gesetzgeber bei Schaffung des Umwandlungsbereinigungsgesetzes erwogen, Ausgliederungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge mit denen der Gesamtrechtsnachfolge gleichzustellen155. Die dahinter stehende Motivation des Gesetzgebers ging sogar so weit, alle Gestaltungen zu erfassen, die umwandlungsähnliche Ergebnisse auf rechtstechnisch andere Weise hervorrufen156. Gesetzgeberischen Schwierigkeiten und Widerstand aus der Literatur geschuldet, beschränkte sich der Gesetzgeber letztlich darauf, Unternehmensverträge und Eingliederungen, die hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Konsequenzen mit den umwand149

Begründung des Fraktionsentwurfs zum UmwBerG, BT-Drucks. 12/6699, S. 177. So auch Lutter/Leinekugel, ZIP 1999, 262, 265; Tröger, ZIP 2001, 2029, 2035. 151 Daher schon damals kritisch: Timm, JZ 1982, 403, 408. 152 Vgl. §§ 235 ff. DiskE-UmwBerG. 153 Wiedemann, ZGR 1999, 857, 864. 154 So etwa: Heckschen, DB 1998, 1385, 1386. 155 Vgl. Zweiter Teil, B. I. 156 Vgl. §§ 251 ff. DiskE-UmwBerG, veröffentlicht als Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 214a vom 15. 11. 1988, sowie die §§ 137, 141 des RefE-UmwBerG, veröffentlicht als Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 112a vom 20.6.1992. 150

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lungsrechtlichen Strukturmaßnahmen besonders ähnlich sind, mit dem UmwG zu harmonisieren157. Eine abschließende Entscheidung kann der Novellierung der §§ 293 ff., 319 ff. AktG infolgedessen nicht entnommen werden158. Aufgrund der legislativen Entwicklung der letzten Jahre kann vielmehr konstatiert werden, dass sich der Vorstandsbericht als prinzipielles Informationsmittel bei Umstrukturierungen etabliert hat159. Dafür spricht nicht zuletzt auch die Schaffung des § 327c Abs. 2 S. 1 AktG160. Diese Entwicklung erlaubt es daher, den durch die Zweite161, Dritte162 und Sechste163 Gesellschaftsrechtliche EU-Richtlinie vorgezeichneten – indes regelungstechnisch nur fragmentarisch verwirklichten – Minderheitenschutz durch Vorstandsberichte als einen verallgemeinerungsfähigen Schutzstandard zu verstehen164. Anders gewendet könnte man auch formulieren, dass diejenigen Vorschriften, die in Anpassung an die europarechtlichen Richtlinien entstanden sind165, den heutigen Maßstab für eine Auslegung des aktienrechtlichen Informationssystems darstellen166. Aus diesem Grunde ist in den aktienrechtlichen Regelungen ein allgemeiner, wenn auch nur fragmentarisch zum Ausdruck kommender, Wertungsgrundsatz zu entnehmen, wonach bei Strukturmaßnahmen, die zu einer Beeinträchtigung der Mitgliedschafts- und Vermögensrechte der Aktionäre führen können, ein Vorstandsbericht zur Information der Aktionäre erforderlich ist. bb) Wertungsmäßige Vergleichbarkeit Die Gesamtanalogie gebietet bereits methodisch, dass die Ausrichtung an der geschriebenen Rechtsfolge nur so weit geht, wie die Vergleichbarkeit der Tatbestände reicht167. Insoweit müsste der obige Wertungsgrundsatz auf die hier in Frage stehenden Holzmüller-Maßnahmen wertungsmäßig übertragbar sein. Vor dem Hintergrund, dass sich Informationspflichten aus der Organisationsstruktur der Gesellschaft ableiten und funktional auf die Erfüllung der jeweiligen Organkompetenzen beschränkt sind168, wäre von einer solchen Vergleichbarkeit dann auszugehen, wenn die Hauptversammlung im Rahmen von Holzmüller-Maßnahmen in gleicher Weise auf einen 157

Lutter, in: Lutter, UmwG, Einl. I Rn. 58 f. Tröger, ZIP 2001, 2029, 2036. 159 Weißhaupt, AG 2004, 585, 589. 160 Tröger, ZIP 2001, 2029, 2036. 161 Art. 29 Abs. 3 und 4 der Kapitalrichtlinie vom 13. 12. 1976 (77/191/EWG). 162 Art. 5 – 7, 9 – 11 der Fusionsrichtlinie vom 9. 10. 1978 (78/855/EWG). 163 Art. 3, 4, 7 – 9 der Spaltungsrichtlinie vom 17. 12. 1982 (82/891/EWG). 164 Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 814; Weißhaupt, AG 2004, 585, 589; HoffmannBecking, in: Henze/Hoffmann-Becking, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2001, S. 55 ff. 165 §§ 184 Abs. 4, 293a, 319 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 AktG, sowie §§ 8, 127, 192 UmwG. 166 Lutter, in: FS Fleck, S. 169, 177. 167 Weißhaupt, AG 2004, 585 f. 168 s. o. unter Dritter Teil, A. II. 2. 158

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

Bericht durch den Vorstand angewiesen wäre wie in den gesetzlich vorgesehenen Fällen. Dabei geht mit Holzmüller-Maßnahmen schon definitionsgemäß die mögliche Beeinträchtigung von Vermögens- und Mitgliedschaftsrechten der Aktionäre durch Mediatisierung einher. Die Gleichbehandlung von Holzmüller-Fällen vor dem Hintergrund eines Berichtserfordernisses erscheint deshalb vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 3 Abs. 1 GG geboten. Dieser Folgeschluss stößt jedoch zum Teil auf Widerstand. (1) § 179 AktG als Orientierungsmaßstab Hüffer wendet ein, dass eine Berichtspflicht bereits deshalb ausscheiden müsse, weil eine Holzmüller-Maßnahme allenfalls satzungsändernden Charakter habe, aber gem. § 179 AktG kein Bericht erforderlich sei169. Dieser Einwand verfängt jedoch aus mehreren Gründen nicht: Zunächst ist eine Holzmüller Maßnahme nicht mit einer Satzungsänderung gleichzusetzen, wie den Ausführungen des BGH in Sachen „Gelatine“ zu entnehmen ist. Zwar kommt sie in ihren Auswirkungen einer solchen gleich, jedoch ist sie gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie vom satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand noch erfasst ist. Zwar mag der Ansatz Hüffers, die Satzungsänderung als schwerwiegendste Strukturmaßnahme aufzufassen und insoweit als richtungsweisend für die Bestimmung des Umfangs etwaiger Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen heranzuziehen, nachvollziehbar sein. Bei einer Satzungsänderung erlangt der Aktionär jedoch schon mit der Einberufung den Wortlaut der Satzungsänderungen. Damit ist im Regelfall sein Informationsbedürfnis befriedigt. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Information bei anderen Strukturmaßnahmen, die eine rechtliche und wirtschaftliche Komplexität aufweisen, die nicht mit einer Satzungsänderung verglichen werden kann. In derartigen Fällen besteht ein gerechtfertigtes Informationsbedürfnis des Aktionärs, die rechtliche und wirtschaftliche Tragweite der gegenständlichen Maßnahme abschätzen zu können170. Daher kann von der gesetzgeberischen Wertung im Falle der Satzungsänderung kein genereller Rückschluss auf die Reichweite der Informationspflichten bei anderen Strukturmaßnahmen gezogen werden. Jedoch wurde bereits oben dargelegt, dass aus dem reinen Wortlaut der Vorschrift keine Aussage für das Bestehen etwaiger Berichtspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen herzuleiten ist. (2) Akzentverschiebung durch die Gelatine-Urteile Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass durch den BGH, indem er die ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz in seinen „Gelatine“-Urteilen in die Nähe zur Satzungsänderung gerückt hat, eine Neuakzentuierung dergestalt erfolgt sei, dass aufgrund der nunmehr auf absolute Ausnahmefälle beschränkten Holzmüller-Doktrin nicht mehr von einer generellen Zuständigkeit der Hauptversammlung für

169 170

Hüffer, AktG, § 119 Rn. 19. Vgl. die Ausführungen unter Dritter Teil, A. II. 1.

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

101

strukturverändernde Geschäftsführungsmaßnahmen ausgegangen werden kann171. Daraus wird der Schluss gezogen, dass eine pauschale Übernahme der umstrukturierungsbezogenen Informationspflichten nicht mehr in Frage kommt, sondern die Annahme einer Berichtspflicht nunmehr einer gesonderten Rechtfertigung bedarf. Diese wird in der Frage gesehen, ob die Strukturmaßnahme bereits eine vertragliche Ausprägung erfahren hat oder nicht. Danach soll eine Berichtspflicht nur in Bezug auf Strukturmaßnahmen i.e.S.172 bestehen173. Grund dafür sei, dass bei Strukturverträgen dem Informationsinteresse der Aktionäre bereits durch die Auslegung des Vertrages Rechnung getragen würde, und – da die Auslegung bei Strukturmaßnahmen i.e.S. nicht möglich sei174 – dieses Defizit durch einen entsprechenden Bericht kompensiert werden müsste. Diesem Ansatz ist zunächst entgegen zu halten, dass der BGH in seinen Gelatine-Urteilen lediglich die Anforderungen an eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit erhöht hat. Die Tatsache, dass die Hauptversammlung über Strukturveränderungen beschließen soll, ist bereits in der Grundstruktur des AktG und des UmwG angelegt und insoweit nicht abänderbar. Gleichzeitig ist ein Bedürfnis der Aktionäre nach einer sachgerechten Information durch Vorstandsberichte mit der erhöhten Schwelle der Holzmüllerpflichtigkeit erst recht anzuerkennen, da die Maßnahmen, für welche die Hauptversammlung nunmehr zuständig ist, noch tiefer in die mitgliedschaftlichen Positionen eingreifen. Die Annahme, das Informationsbedürfnis der Aktionäre sei durch die bloße Einsicht in die Verträge befriedigt, wird dabei nicht der herausragenden Rolle gerecht, welche das europäisch beeinflusste AktG und UmwG dem Institut des Vorstandsberichts beimisst. Auch würde eine Verweisung die Aktionäre auf ihr Auskunftsrecht gem. § 131 Abs. 1 AktG nicht nur ihr berechtigtes Interesse an einer angemessenen Vorbereitung durch frühzeitige Information vernachlässigen, sondern zudem während der Hauptversammlung zu einer großen Anzahl an Auskunftsbegehren führen, welche die Durchführbarkeit der Hauptversammlung stark beeinträchtigen könnte175. Das Bedürfnis einer gesonderten Rechtfertigung für das Bestehen von Berichtspflichten ist daher abzulehnen. (3) Schwächeres Informationsbedürfnis der Aktionäre Eine Berichtspflicht wird teilweise auch deshalb abgelehnt, weil ein gleichartiges Informationsbedürfnis der Aktionäre im Bereich ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten nicht anerkannt wird. So wird es teilweise für ausreichend erachtet, wenn der in Frage stehende Vertrag seinem wesentlichen Inhalt nach analog § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AktG bekannt gemacht worden ist und die Aktionäre ergän-

171 172 173 174 175

Weißhaupt, AG 2004, 585, 589. Zur Terminologie, vgl. Dritter Teil, D. III. Weißhaupt, AG 2004, 585, 589; Götze, NZG 2004, 585, 589. Vgl. die nachfolgenden Ausführungen unter Dritter Teil, D. So Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 55.

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

zend Auskunft verlangen können176. Das OLG München hat in Sachen „Macrotron“ eine Berichtspflicht nur dann anerkannt, wenn der jeweilige Fall aufgrund seiner Komplexität eine Vorabinformation der Aktionäre erforderlich macht177. Eine derartige Ungleichbehandlung müsste jedoch vor dem Hintergrund des aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Gleichbehandlungsgebots durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein. Von den Vertretern dieser Ansicht wird dabei auf vermeintliche Bekräftigung dieses Standpunkts durch das BVerfG gesetzt. Dieses hatte in Sachen „MotoMeter“ festgestellt, dass die Vermögensinteressen der im Wege der „übertragenden Auflösung“ aus der Gesellschaft gedrängten Aktionäre entweder durch eine analoge Anwendung des Spruchverfahrens gem. § 306 AktG oder im Rahmen von Anfechtungsklagen durch richterliche Überprüfung geschützt werden müssen178. Diese Formulierung wird dahingehend verstanden, dass das BVerfG eine analoge Anwendung der für die gesetzlich geregelten Strukturmaßnahmen geltenden Verfahrensvorschriften nur für die Fälle in Betracht gezogen habe, in denen der Schutz der Aktionäre nicht auf anderem Wege erreicht werden könne179. Dabei wird jedoch übersehen, dass es sich bei den Anfechtungsklagen ebenso um Verfahrensvorschriften handelt wie bei den Regelungen zum Spruchverfahren. Damit hat das BVerfG aber gerade nicht, wie behauptet, die analoge Anwendung von Verfahrensvorschriften als subsidiär zu anderen, Aktionärsschutz vermittelnden Instrumenten gesehen. Deshalb kann den Äußerungen des BVerfG auch nicht der Schluss entnommen werden, dass die Gleichbehandlung der Aktionäre im Hinblick auf die ihnen zukommenden Informationsrechte rein ergebnisorientiert und ohne zwingenden Rückgriff auf verfahrensrechtliche Analogien zu beurteilen wäre180. Gegen diese Ansicht spricht nicht zuletzt, dass das Informationssystem in der AG stark formalisiert ist und nicht danach differenziert, welchen Wissensstand und welches Informationsbedürfnis die Aktionäre in concreto haben. Auch der Rahmen ungeschriebener Informationspflichten hat sich an diesem System zu orientieren.

176

Kort, ZIP 2002, 685, 687; ähnlich auch das LG Hamburg, AG 1997, 238, das eine Berichtspflicht für den Fall abgelehnt hat, dass die Aktionäre bereits im Vorfeld der Hauptversammlung ausreichend durch den Vorstand informiert worden sind; in die gleiche Richtung: OLG München, DB 1996, 1172; eine Berichtspflicht dagegen bejahend: LG Frankfurt a.M., ZIP 1997, 1698, 1702 („Altana/Milupa“); LG Karlsruhe, AG 1998, 99 f. („Gelatine“); Lutter, in: FS Fleck, S. 169, 176; Groß, AG 1996, 111, 116; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 52; Reichert, ZHR-Sonderheft 68 (1999), 25, 60 f.; ders., in: Semler/Volhard, Arbhdb HV, § 5 Rn. 71; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 55; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 814. 177 OLG München, ZIP 2001, 700 („Macrotron“); für eine flexible Handhabung auch: Götze, NZG 2004, 585, 589. 178 BVerfG, NJW 2001, 279, 281. 179 Kort, ZIP 2002, ZIP 2002, 685, 687. 180 Wie hier auch das OLG Frankfurt a.M., ZIP 1999, 842, 844 („Altana/Milupa“), das einen Ausschluss der Analogie im Verfahrensrecht ablehnt.

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

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(4) Rechtsunsicherheit ungeschriebener Berichtspflichten Auch die teilweise angeführte Rechtsunsicherheit, die sich aus ungeschriebenen Berichtspflichten ergäbe181, kann eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Rechtsunsicherheit würde vielmehr erst dadurch entstehen, wenn das Bestehen einer Berichtspflicht einzelfallabhängig von der Komplexität des Sachverhalts182 oder von etwaigen Informationen durch den Vorstand im Vorfeld der Hauptversammlung183 abhängig gemacht würde. (5) Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Ausgangslage der Aktionäre bei Holzmüller-Maßnahmen hinsichtlich ihres Informationsbedürfnisses mit derjenigen bei den gesetzlich vorgezeichneten Strukturmaßnahmen wertungsmäßig vergleichbar ist und keine sachlichen Rechtfertigungsgründe existieren, die eine Ablehnung ungeschriebener Berichtspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen rechtfertigen könnten. Der Vorstand ist daher aufgrund einer Gesamtanalogie zu den §§ 186 Abs. 4 S. 2 AktG, 293a Abs. 1, 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 AktG und §§ 8 Abs. 1 S. 1, 127 S. 1, 192 Abs. 1 S. 1 UmwG verpflichtet, einen „Holzmüller-Bericht“ zu erstellen, sofern nicht die Aktionäre analog §§ 8 Abs. 3 S. 1, 1. HS, 125 S. 1 UmwG auf die Erstellung eines Vorstandsberichts verzichten. c) Inhalt des Berichts Inhaltlich müssen die Aktionäre durch den Bericht mit denjenigen Informationen versorgt werden, die sie objektiv benötigen, um die jeweilige Maßnahme einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen. Damit ist zwar gesagt, dass der Vorgang nicht bis in alle Einzelheiten nachvollzogen zu werden braucht184. Gleichzeitig ist damit in der Praxis die Prognose schwierig, welche Informationen ein Aktionär, und später wohlmöglich das Gericht, für den Einzelfall für erforderlich halten wird. Insoweit stellt sich die Frage, ob gerade in Bezug auf die gesteigerten Anfechtungsrisiken und die Ungeschriebenheit der Berichtspflicht inhaltlich weniger strikte Anforderungen an einen „Holzmüller-Bericht“ zu stellen sind als einen gesetzlich vorgeschriebenen Vorstandsbericht. Dies wird vereinzelt unter Hinweis darauf vertreten, dass bei umwandlungsrechtlichen Maßnahmen in der Gestalt der Haftung nach §§ 133, 134 UmwG und der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung nach §§ 22, 125 UmwG stärker in die Vermögensrechte der Aktionäre eingegriffen würde als dies bei HolzmüllerMaßnahmen der Fall sei. Dieser Unterschied soll sich dann in einer entsprechenden Absenkung des Informationsstandards der Aktionäre bei Holzmüller-Maßnahmen

181 182 183 184

Kort, ZIP 2002, 685, 688; LG München I, ZIP 1999, 2017 („Macrotron“). OLG München, ZIP 2001, 700 („Macrotron“). LG Hamburg, AG 1997, 238. Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 8 Rn. 12 f.

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

fortsetzen185. Ein solcher stärkerer Eingriff in die Vermögensrechte der Aktionäre besteht jedoch nicht. Grund dafür ist, dass dem übertragenden Rechtsträger im Innenverhältnis ein Erstattungsanspruch in voller Höhe zusteht, weil mit der Bezeichnung des Passivvermögens im Spaltungsvertrag oder -plan gem. §§ 126 Nr. 9, 136 UmwG „etwas anderes“ i.S.d. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt wird186. Nach allgemeinen Grundsätzen folgt aus dem Ausgleichsanspruch des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB bei drohender Inanspruchnahme ein Freistellungsanspruch187. Damit führen jedoch die umwandlungsrechtlichen Gläubigerschutzregeln i. d. R. nicht zu einer schwereren Belastung der Aktionäre, die ein stärkeres Informationsbedürfnis rechtfertigen könnte188. Gegen diese Ansicht spricht auch, dass sich der Umfang der Berichtspflicht, ihrer dogmatischen Wurzel als Ausfluss der Organisationsstruktur entsprechend, an dem zu orientieren hat, was die Hauptversammlung zur sinnvollen Beschlussfassung an Informationen benötigt. Damit wird jedoch die Reichweite erforderlicher Information nicht durch die Betroffenheit der Aktionäre definiert – diese wirkt sich lediglich auf die Frage aus, ob die Hauptversammlung zuständig ist oder nicht –, sondern allein durch den Beschlussgegenstand. Das Informationsbedürfnis der Aktionäre bei Holzmüller-Maßnahmen und gesetzlich geregelten Strukturmaßnahmen ist daher grundsätzlich vergleichbar. Als Leitfaden für die Berichtspflichten kraft Gesamtanalogie lässt sich daher festhalten, dass die schriftliche Vorwegbegründung über die Darstellung des dem Beschlussgegenstand zugrundeliegenden unternehmerischen Konzepts hinausgehen muss189. Das heißt, dass sich der Vorstand in seinem Bericht nicht auf die Darstellung abstrakter Gründe beschränken kann, sondern sein Handeln durch die Erläuterung konkreter Tatsachen rechtfertigen muss190. Den Aktionären ist die geplante Maßnahme im Hinblick auf ihre Bedeutung und Tragweite für das Unternehmen bzw. den Konzern zu erklären, wobei die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ebenso berücksichtigt werden müssen wie Erwägungen zur Angemessenheit der Finanzierung191. Kommt es zu einem Anteilstausch, muss der Vorstandsbericht auch Angaben zur Bewertung der Unternehmensteile enthalten192. Aus § 192 Abs. 1 UmwG lässt sich zudem der Schluss ziehen, dass auch das Schicksal bzw. die Auswirkungen der Maßnahme auf die mitgliedschaftlichen Rechte Teil des Vorstandsberichts sein müssen. Dies gilt bei Holzmüller-Berichten umso mehr, als die Entscheidungskompetenz der Hauptversammlung gerade mit einer Mediatisierung der Mitgliedsrechte gerechtfertigt wird. Zusammengefasst muss der Aktionär die Hintergründe erfahren, 185 186 187 188 189 190 191 192

v. Rechenberg, in: FS Bezzenberger, S. 359, 372 ff. Schwab, in: Lutter, UmwG, § 133 Rn. 21 ff. RGZ 79, 288, 291; BGH, NJW 1958, 497. Tröger, ZIP 2001, 2029, 2036 f. Vgl. Lutter, in: FS Fleck, S. 169, 176. Kort, ZIP 2002, 685, 688. LG Frankfurt a.M., ZIP 1997, 1698, 1702 („Altana/Milupa“). Vgl. Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 58.

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

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die der Vorstandsentscheidung zugrunde liegen193. Dieser Pflichtenkanon ist als Vorgabe für die Praxis sehr allgemein, jedoch aufgrund der Vielgestaltigkeit der Holzmüller-Maßnahmen der kleinste gemeinsame Nenner. Ihn zu konkretisieren, mag im Einzelfall eine schwierige Aufgabe sein. Diesem erhöhten Anfechtbarkeitsrisiko wird i. d. R. durch einen radikalen Anstieg des Umfangs der Berichte entgegen gewirkt. Dadurch wird jedoch der Aktionär i. d. R. mit Informationen überschüttet, so dass der eigentliche Zweck des Vorstandsberichts konterkariert wird. Dieser Entwicklung kann nur dadurch entgegen getreten werden, dass die inhaltlichen Anforderungen sich allein an einer Plausibilitätskontrolle aus Sicht eines durchschnittlichen Aktionärs orientieren und nicht aus formalistischen Aspekten überspannt werden194. Dafür spricht auch die Existenz des individuellen Auskunftsrechts gem. § 131 Abs. 1 AktG, so dass der Bericht nicht bis ins letzte Detail zu gehen braucht, da die Aktionäre individuell Auskunft über solche Tatsachen verlangen können, die über den Inhalt des Vorstandsberichts hinaus gehen195. Ein allzu detaillierter Bericht kann letztlich nicht einmal im Interesse des „Durchschnittsaktionärs“ liegen, da dieser aufgrund seines tendenziellen informatorischen Desinteresses eher an einer Zusammenfassung der wesentlichen Motive interessiert ist als an einer epischen Rechtfertigung des Vorstandshandelns. Als Richtschnur kann insoweit festgehalten werden, dass ein Bericht über eine geplante Ausgliederung insbesondere Angaben darüber enthalten muss, welche Aktiva und welche Passiva auf welche Tochtergesellschaft übergehen sollen und welche Folgen für Bilanz und Struktur sich für die ausgliedernde Gesellschaft dadurch ergeben196. Ferner müssen die Art der Ausgliederung (Sachgründung oder Sachkapitalerhöhung), die Kapitalausstattung der aufnehmenden Gesellschaft, der Nominalbetrag der an die ausgliedernde Gesellschaft gewährten Geschäftsanteile und die übergehenden Umsatz- und Ertragsanteile beinhaltet sein197. Eine Beschreibung der Folgen für die Arbeitnehmer ist indes nicht erforderlich, da es sich bei den Holzmüllerberichten um eine organisationsrechtliche Informationspflicht gegenüber den Gesellschaftern und nicht gegenüber Gesellschaftsfremden handelt198.

193

Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 814. A.A.: Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 814, die es für erforderlich halten, dass die Aktionäre in die Lage versetzt werden, die geplante Strukturmaßnahme gegenüber anderen Lösungsalternativen abzuwägen. Dies lässt sich jedoch mit der Einschätzungsprärogative des Vorstands in Geschäftsführungsangelegenheiten nicht vereinbaren. Die Hauptversammlung hat für derartige Entscheidungen nicht die erforderliche Kompetenz, so dass das Ziel des Berichts daher nur die Überprüfung sein kann, ob die jeweilige Maßnahme plausibel i.S.v. „vertretbar“ ist, nicht aber ob ggf. bessere Alternativen zur Option stehen. 195 In diese Richtung auch Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 8 Rn. 12. 196 Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 805, 815. 197 Vgl. Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 57. 198 Bungert, NZG 1998, 367, 370; a.A.: Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 57. 194

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

d) Auslegung und abschriftliche Übersendung des Berichts Ist der Vorstand zur Erstellung eines Holzmüller-Berichts verpflichtet, so legt eine Gesamtanalogie zu den Vorschriften für Strukturmaßnahmen auch die Pflicht der Auslegung und abschriftlichen Übersendung des Berichts nahe199. Entsprechende Pflichten werden durch das Gesetz für Unternehmensverträge in § 293f Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, für Eingliederungen in § 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, S. 2 und für Umwandlungsmaßnahmen in den §§ 63 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. 8 Abs. 1 S. 1, 63 Abs. 3, 127 S. 2, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG vorgesehen200. Nur so haben die Aktionäre ausreichend Zeit, sich mit den regelmäßig komplexen Sachverhalten und Beweggründen auseinander zu setzen und gegebenenfalls fachlichen Rat zur Unterstützung einzuholen. Aufgrund der wohlmöglich weitgefächerten örtlichen Präsenz der Aktionäre kann allein durch die Auslage des Berichts in den Geschäftsräumen nicht sichergestellt werden, dass alle Aktionäre den gleichen Zugang zu der Information haben. Dies kann nur dadurch erreicht werden, dass ihnen auf Verlangen eine kostenlose Abschrift erteilt und zugesendet wird201. Bei börsennotierten Gesellschaften wird der gleiche Zugang aller Aktionäre zum Vorstandsbericht ohnehin durch die Pflicht des § 124a S. 1 Nr. 3 AktG abgesichert. Zum Zeitpunkt der Hauptversammlung muss der Bericht aktualisiert werden, wenn sich seit der Einberufung wesentliche Veränderungen ergeben haben. In diesem Fall hat der Vorstand einen Nachtragsbericht anzufertigen202 oder alle wesentlichen Veränderungen während der Hauptversammlung mündlich zu erläutern203. Es ist bereits festgestellt worden, dass das Informationsbedürfnis der Aktionäre im Rahmen von Holzmüller-Beschlüssen aufgrund der Komplexität und Tragweite der in Frage stehenden Maßnahmen in aller Regel den gesetzlich vorgesehenen Strukturmaßnahmen ebenbürtig ist204. Daher ist die Situation der Aktionäre in diesem Fall wertungsmäßig mit den gesetzlich vorgezeichneten Fällen vergleichbar, so dass den Vorstand aufgrund einer Gesamtanalogie zu den §§ 293f Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, S. 2 AktG und den §§ 63 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. 8 Abs. 1 S. 1, 63 Abs. 3, 127 S. 2, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG – primär – die Pflicht trifft, den Vorstands-

199 Auf die durch das ARUG eingeführte Möglichkeit, einen Dispens von dieser Verpflichtung durch die elektronische Zugänglichmachung des Vorstandsberichts zu erlangen, wird unter Dritter Teil, B. IV. 4. eingegangen. 200 Eine Pflicht zur „Zugänglichmachung“ des Berichts bei geplantem Bezugsrechtsausschluss hat der Gesetzgeber durch das ARUG aufgenommen und sich damit der bereits vor der Gesetzesnovelle bestehenden h.M. angeschlossen, wonach der Bericht bereits vor der Hauptversammlung zur Verfügung stehen muss, vgl. Hüffer, AktG, § 186 Rn. 23 sowie zur damaligen Rechtslage: Lutter, in: Kölner KommAktG, § 186 Rn. 57; Groß, AG 1997, 97, 101 f. 201 So auch die Begründung zum UmwG, BT-Drucks. 12/6699 S. 153. 202 Schlitt, in: Semler/Volhard, Arbhdb HV, § 12 Rn. 87. 203 Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 74. 204 Vgl. etwa unter Dritter Teil, B. III. 1.

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

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bericht von der Einberufung an in den Geschäftsräumen auszulegen und den Aktionären auf Anfrage eine kostenlose Abschrift zuzusenden205. e) Bekanntmachung des Berichts analog § 124 Abs. 2 S. 2 AktG Ist die Pflicht des Vorstands zur Erstellung eines Vorstandsberichts belegt, stellt sich die Frage, ob sein wesentlicher Inhalt schon mit der Bekanntmachung der Tagesordnung analog § 124 Abs. 2 S. 2 AktG bekannt gemacht werden muss206. Wiederum muss Ausgangspunkt die Lage bei den gesetzlich geregelten Berichtspflichten sein. Dabei ist zunächst zu beachten, dass diese nicht auf § 124 Abs. 2 S. 2 AktG verweisen. Gleichwohl ist für den Fall eines Berichts über den Bezugsrechtsausschluss die analoge Anwendung von § 124 Abs. 2 S. 2 AktG anerkannt207. Ein anderes Bild ergibt sich jedoch für die Fälle der Berichte im Rahmen von Umwandlungen: Hinsichtlich der Verschmelzungsberichte hat der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts eine Bekanntmachungspflicht in Kenntnis des Meinungsstandes nicht mit aufgenommen. Gleichzeitig hat er bei Schaffung der Berichtspflicht bei Unternehmensverträgen, der Eingliederung, der Spaltung und beim Formwechsel auf die Rechtslage bei der Verschmelzung hingewiesen. Da durch das UmwBerG jedoch gerade die Rechtsstellung von Minderheitsgesellschaftern gestärkt und Beteiligungen transparenter gemacht werden sollten, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Informationsinteressen der Aktionäre durch die Auslegung und Zusendung als erfüllt angesehen hat und eine zusätzliche Bekanntgabe daher nicht für erforderlich hielt208. Insoweit liegt für den Bereich der Bekanntmachungspflicht ein beredtes Schweigen des Gesetzgebers vor. Dieses mag nicht zuletzt auf der Erwägung beruhen, dass ein Bericht – anders als ein zustimmungspflichtiger Vertrag – bereits per definitionem auf die verständliche Unterrichtung des Durchschnittsaktionärs gerichtet ist und eine Aufbereitung seiner Information im Wege einer groben Zusammenfassung deshalb überflüssig ist209. Eine Pflicht zur Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts des Vorstandsberichts analog § 124 Abs. 2 S. 2 AktG scheidet demnach aus210.

205 Groß, AG 1996, 111, 116; Tröger, ZIP 2001, 2029, 2035; Hüffer, AktG, § 119 Rn. 19; LG Frankfurt a.M., ZIP 1997, 1698, 1702 („Altana/Milupa“); Lutter, in: FS Fleck, S. 169, 176; Weißhaupt, NZG 1999, 804, 808. 206 Dafür: Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 234; dagegen: Kort, ZIP 2002, 685, 688. 207 BGHZ 120, 141, 155 ff.; Hüffer, AktG, § 186 Rn. 23; Groß, AG 1997, 97, 101 f. 208 Groß, AG 1997, 97, 101 f.; anders noch ders., AG 1996, 111, 116, Begründung RegE zu § 192 UmwG, abgedr. in: Ganske, Umwandlungsrecht, S. 214. 209 Ähnlich auch Tröger, ZIP 2001, 2029, 2035 Fn. 57. 210 Tröger, ZIP 2001, 2029, 2035; Groß, AG 1997, 97, 102.

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

3. Weitere Unterlagen Neben den oben genannten Informationsmaßnahmen sehen das AktG und das UmwG an verschiedenen Stellen auch die Vorlage weiterer Dokumente sowie die Prüfung durch Sachverständige vor. Bei der sich anschließenden Frage, ob diese vereinzelten gesetzlichen Zusatzinformationen auf Holzmüller-Maßnahmen zu übertragen sind, ist zu bedenken, dass die Aktionäre nach den obigen Ergebnissen vor und während der Hauptversammlung Einblick in den der Maßnahme zugrunde liegenden Vertrag haben, und den Aktionären anhand der Beschlussempfehlungen durch Vorstand und Aufsichtsrat sowie eines zu erstellenden Vorstandsberichts u. a. die wirtschaftlichen Hintergründe illustriert werden. Hinsichtlich etwaiger offener Punkte können die Aktionäre zusätzlich Auskunft gem. § 131 Abs. 1 AktG verlangen. a) Pflicht zur Auslegung von Jahresabschlüssen und Lageberichten Zunächst könnte der Vorstand verpflichtet sein, ab der Einberufung der Hauptversammlung auch die Jahresabschlüsse und Lageberichte der beteiligten Gesellschaften für die letzten drei Jahre auszulegen. Diese Pflicht könnte aus einer Gesamtanalogie zu den §§ 293f Abs. 1 Nr. 2, 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AktG und den §§ 125 S. 1, 63 Abs. 1 Nr. 2 UmwG hergeleitet werden211. Die Auslegung der letzten drei Jahresabschlüsse und Lageberichte der beteiligten Rechtsträger soll eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit der beteiligten Rechtsträger ermöglichen. Die Fälle, in denen eine gesetzliche Auslegungspflicht vorgeschrieben ist, haben dabei gemeinsam, dass sie verschiedene juristische Ausgestaltungen einer wirtschaftlichen Verschmelzung darstellen212. Dabei kann es infolge dieser wirtschaftlichen Verschmelzung zu Haftungsrisiken kommen, die den Wert der Beteiligung deutlich schmälern können213. Diese Erwägungen treffen jedoch nicht für Strukturmaßnahmen zu, da es bei diesen in erster Linie um eine Umgestaltung des einzelnen Unternehmens ohne Beteiligung eines anderen Unternehmens geht. Aus diesem Grund ist eine entsprechende Auslegungspflicht auch nicht in den §§ 179 Abs. 1, 179a Abs. 1, 186 Abs. 3, 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG und § 13 Abs. 1 UmwG verankert. Dass die Auslegung von Jahresabschlüssen und Lageberichten nicht zwangsläufig an das Bestehen von Strukturmaßnahmen geknüpft ist, geht letztlich auch aus § 175 Abs. 2 S. 1 AktG hervor, der eine solche Pflicht im Rahmen der Gewinnfeststellung vorsieht, d. h. eines Verfahrens, das nicht in die Rechte der Aktionäre eingreift. Dies lässt jedenfalls den Schluss zu, dass der Gesetzgeber die in Frage stehenden Unterlagen grundsätzlich nicht als zwingende Informationsmittel im Rahmen von Strukturmaßnahmen ange211

So LG Karlsruhe, NZG 1998, 393 f.; tendenziell für den Fall, dass die interne Umstrukturierung nur Vorstufe für die Bildung eines Gemeinschaftsunternehmens ist, Lutter, in: FS Fleck, S. 169, 177 f.; kritisch: Bungert, NZG 1998, 367. 212 Hüffer, AktG, § 293f Rn. 4. 213 Vgl. Begründung des Fraktionsentwurfs zum UmwBerG, BT-Drucks. 12/6699, S. 179.

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

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sehen hat. Ein allgemeiner hinter den heranzuziehenden Vorschriften stehender Wertungsgrundsatz liegt daher nicht vor. Eine grundsätzliche Pflicht zur Auslegung und abschriftlichen Übersendung der Jahresabschlüsse und Lageberichte ist deshalb nicht anzuerkennen214. Aufgrund der Vielgestaltigkeit von Holzmüller-Maßnahmen können im konkreten Fall jedoch Einzelanalogien in Betracht kommen, aus denen sich eine entsprechende Pflicht ergeben kann. So wird insbesondere für den Fall der Ausgliederung im Wege der Einzelrechtsnachfolge eine Analogie zu den §§ 125 S. 1, 63 Abs. 1 Nr. 2 UmwG befürwortet215. Gegen ein entsprechendes Bedürfnis zur Analogie spricht indes, dass sich aus den Jahresabschlüssen der ausgliedernden Gesellschaft i. d. R. nicht entnehmen lässt, welche Assets oder welcher Teilbetrieb ausgegliedert werden sollen216. Aufgrund dieses regelmäßig niedrigen Informationsgehalts stellen die letzten drei Jahresabschlüsse der ausgliedernden Gesellschaft regelmäßig keine Information dar, die erforderlich ist, um den Aktionären eine angemessene Ausübung ihres Stimmrechts zu ermöglichen. Eine Pflicht zur Auslegung von Jahresabschlüssen und Lageberichten ist demnach bei Holzmüller-Maßnahmen nicht anzuerkennen. b) Pflicht zur Auslegung von Zwischen-, Einbringungsund Eröffnungsbilanzen Nach teilweise vertretener Ansicht soll der Vorstand auch verpflichtet sein, Zwischen- und Einbringungsbilanzen auszulegen. Das LG Karlsruhe begründet dies mit einer umfassenden Ausstrahlungswirkung des UmwG, wonach konsequenterweise auch die §§ 125 S. 1, 63 Abs. 1 Nr. 3 UmwG analog für Holzmüller-Fälle heranzuziehen sind217. Gegen diese Auffassung ist jedoch unter Verweis auf die obigen Ausführungen einzuwenden, dass eine pauschale Anwendung aller umwandlungsrechtlichen Verfahrensvorschriften abzulehnen ist. Auch aus einer Gesamtanalogie zu den §§ 179 Abs. 1, 179a Abs. 1, 186 Abs. 3, 262 Abs. 1 Nr. 2, 293 Abs. 1, Abs. 2, 319 Abs. 1 AktG und § 13 Abs. 1, 65 Abs. 1, 123 UmwG lässt sich die Pflicht zur Erstellung und Auslegung von Zwischen- und Einbringungsbilanzen nicht herleiten, da von den herangezogenen Vorschriften nur i.R.d. Auflösungsbeschlusses gem. §§ 262 Abs. 1, 270 Abs. 1 AktG eine Eröffnungsbilanz angefertigt werden soll und es insoweit an einem allgemeinen Wertungsgrundsatz fehlt. Davon unberührt bleibt zwar die Möglichkeit, die Pflicht zur Erstellung und Auslegung aufgrund von Einzelanalogien

214 So auch: Kubis, in: MünchKommAktG § 119 Rn. 51; Weißhaupt, NZG 1999, 804, 809; Groß, AG 1996, 117; in diesem Sinne wohl auch Tröger, ZIP 2001, 2029, 2037; a.A.: auch Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 52. 215 Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anh. 5 Rn. 936; Schlitt, in: Semler/ Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 70; Pentz, in: Hdb Vorstandsrecht, § 17 Rn. 168; im Ergebnis auch: OLG Hamburg, AG 2003, 441 f. 216 Reichert, ZHR-Sonderheft 68 (1999), 25, 61. 217 LG Karlsruhe, NZG 1998, 393 ff.

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

zu begründen218. So wird teilweise analog §§ 125 S. 1, 63 Abs. 1 Nr. 3 UmwG eine Pflicht zur Erstellung und Auslegung von Zwischen- bzw. Einbringungsbilanzen für die Fälle der Ausgliederung konstruiert219. Richtigerweise ist zu differenzieren: Ein Zwischenabschluss hat – ebenso wie der reguläre Jahresabschluss – nur einen beschränkten Aussagegehalt, so dass nicht davon auszugehen ist, dass dieser erforderlich ist, um eine angemessene Information der Aktionäre sicherzustellen220. Anders verhält es sich indes im Fall der Ausgliederung kraft Einzelrechtsnachfolge: In diesem Fall hilft die Erstellung einer Einbringungsbilanz dem Aktionär nachzuvollziehen, welche Vermögensgegenstände von der Ausgliederung erfasst werden221. Dadurch, dass sich diese aus Aktionärssicht nur in technischer Hinsicht von der Gesamtrechtsnachfolge unterscheidet, besteht auch eine vergleichbare Interessenlage, die für diesen Fall eine Verpflichtung zur Erstellung und Auslegung einer Einbringungsbilanz analog §§ 125 S. 1, 63 Abs. 1 Nr. 3 UmwG rechtfertigt. Im Übrigen ist eine Pflicht zur Erstellung und Auslegung von Zwischen-, Einbringungs- und Eröffnungsbilanzen abzulehnen222. c) Pflicht zur Auslegung von Prüfungsberichten Des Weiteren könnte der Vorstand verpflichtet sein, Prüfungsberichte zu erstellen und auslegen zu lassen. Eine entsprechende Verpflichtung sieht das Gesetz im Bereich der Unternehmensverträge vor, für welche eine Vertragsprüfung stattzufinden hat und entsprechenden Berichte auszulegen sind, §§ 293b Abs. 1, 293e Abs. 1, 293f Abs. 1 Nr. 3, 293g Abs. 1 AktG. Gleiches gilt für die Eingliederung aufgrund Mehrheitsbeschlusses gem. § 320 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 AktG sowie für die im UmwG geregelten Verschmelzungen, Auf- und Abspaltungen gem. §§ 60, 9 Abs. 1, 12 Abs. 1 bzw. §§ 125 S. 1 i.V.m. 60, 9 Abs. 1, 12 Abs. 1 UmwG. Die Vertragsprüfung dient dabei in erster Linie dazu, Benachteiligungen durch unzutreffende Wertansätze bei der Festlegung des Umtauschverhältnisses bzw. einer Barabfindung zu verhindern. Der Aktionär soll bei einer wirtschaftlichen Verschmelzung in Kenntnis der Wertrelationen der beteiligten Rechtsträger abstimmen223. Eine solche ist jedoch nicht charakteristisch für Holzmüller-Maßnahmen. Auch geht mit diesen nicht der Verlust der Mitgliedschaft gegen Abfindung oder der Tausch eigener Anteile gegen Anteile an einer anderen Gesellschaft einher. Mangels dieser unmittelbaren Betroffenheit der eigenen Mitgliedsrechte ist die Interessenlage daher grundsätzlich nicht mit der Aus218 Pentz, in: Hdb Vorstandsrecht, § 17 Rn. 167; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 52. 219 Reichert, ZHR-Sonderheft 68 (1999), 25, 61; tendenziell Habersack, in: Emmerich/ Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 52. 220 So auch: Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 70. 221 Reichert, ZHR-Sonderheft 68 (1999), 25, 61. 222 I. E. auch Kubis, in: MünchKommAktG, § 119 Rn. 51 m.w.N.; Weißhaupt, NZG 1999, 804, 809; Bungert, NZG 1998, 367, 370. 223 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 9 Rn. 4; Tröger, ZIP 2001, 2029, 2037.

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

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gangslage vergleichbar, für welche das Gesetz die Vertragsprüfung und Auslegung eines Prüfungsberichts anordnet224. Eine Ausnahme mag indes für den Fall des Anteilstauschs zwischen der eigenen Gesellschaft und einer anderen Gesellschaft gelten. Dabei kann unter bestimmten Umständen der Anteilstausch zu einer Mediatisierung der Mitgliedsrechte führen225. Zwar sollen in einer derartigen Konstellation nicht die vom Aktionär selbst gehaltenen Anteile umgetauscht bzw. diese abgefunden werden. Formal bleibt der Aktionär somit Gesellschafter der ursprünglichen Gesellschaft. Gleichwohl kommt angesichts der strengen quantitativen und qualitativen Anforderungen, die an das Vorliegen der Holzmüller-Doktrin zu stellen sind, eine solche Maßnahme dem inhaltlichen Austausch der Mitgliedsrechte gleich. Für diese Extremfälle ist daher auch das Bedürfnis der Aktionäre anzuerkennen, in Kenntnis der Wertrelationen und Bewertungen der Anteile über die Maßnahme zu entscheiden. 4. Der Substitutionseffekt der elektronischen Zugänglichmachung Das System der Binneninformation in der Aktiengesellschaft war und ist Gegenstand weitreichender Reformvorhaben des Gesetzgebers226. Im Jahr 2009 hat der Gesetzgeber das ARUG227 verabschiedet und damit den bereits durch das NaStraG228, TransPuG229, UMAG230 und das EHUG231 beschrittenen Weg einer Modernisierung des Aktienrechts durch den Rückgriff auf moderne Kommunikationsmittel weiter verfolgt. Durch das ARUG sind insbesondere diejenigen Regelungen betroffen, die im Rahmen einer Gesamtanalogie für die Erstellung allgemeiner Wertungsgrundsätze heranzuziehen sind. Deshalb beeinflusst deren Änderung unmittelbar auch die Ausgestaltung der im Rahmen von Holzmüller-Maßnahmen bestehenden Informationspflichten.

224

Soweit auch: Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 19; Kubis, in: MünchKommAktG, § 119 Rn. 51; Weißhaupt, NZG 1999, 804, 809; Bungert, NZG 1998, 367, 370; Zimmermann/Petz, in: FS Welf Müller, S. 151, 170 f.; a.A. LG Karlsruhe, NZG 1998, 393 f. 225 Vgl. Zweiter Teil, D. II. 2. d). 226 Noack spricht auch von einer „Aktienrechtsreform in Permanenz“, vgl. die Überschrift seines Beitrags in NZG 2008, 441. 227 Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) v. 4. 8. 2009 (BGBl. 2009 I, 2479). 228 Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (NaStraG) v. 18. 1. 2001 (BGBl. 2001 I, 123). 229 Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) v. 19. 7. 2002 (BGBl. 2002 I, 2681). 230 Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v. 22. 9. 2005 (BGBl. 2005 I, 2802). 231 Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) v. 10. 11. 2006 (BGBl. I 2006, 2553).

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

Ausgangspunkt des ARUG ist in erster Linie die Aktionärsrechterichtlinie232, durch welche eine verbesserte Information der Aktionäre börsennotierter Gesellschaften sichergestellt und die grenzüberschreitende Ausübung von Aktionärsrechten erleichtert werden soll233. Das ARUG beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Umsetzung der europarechtlich geforderten Maßnahmen, sondern enthält weitergehende Regelungen zur Modernisierung und Deregulierung im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Durchführung von Hauptversammlungen234. Diese Änderungen schlagen sich besonders deutlich darin nieder, dass die bis dato obligatorische Auslegung und Versendung von den nach Aktien- und Umwandlungsrecht beizubringenden Unterlagen nach dem Vorbild des § 175 Abs. 2 S. 4 AktG durch deren Zugänglichmachung im Internet ersetzt wird235. Insofern wurden die §§ 52 Abs. 2 S. 4, 179a Abs. 2 S. 3, 293f Abs. 3, 319 Abs. 3 S. 3, 320 Abs. 4 S. 3, 327c Abs. 5 AktG und §§ 62 Abs. 3 S. 7, 63 Abs. 4, 230 Abs. 2 S. 3 UmwG entsprechend angepasst. Zwar handelt es sich bei diesen Anpassungen rechtsdogmatisch jeweils um eine Dispenserteilung von der – weiterhin bestehenden – Pflicht zur Auslage und Übersendung. Faktisch wird dadurch jedoch die Pflicht zur physischen Auslegung und Übersendung durch die elektronische Form substituiert. Grund dafür ist zunächst, dass börsennotierte Gesellschaften neuerdings ohnehin gem. § 124a S. 1 Nr. 3 AktG verpflichtet sind, von der Einberufung der Hauptversammlung an die betreffenden Unterlagen auf der Internetseite zugänglich zu machen. Mit der Erfüllung dieser Pflicht greift dann automatisch der Dispens von der Übersendungspflicht und der Auslegungspflicht, soweit sie den Zeitraum vor der Hauptversammlung betrifft. Nicht-börsennotierte Gesellschaften sind dagegen nicht per se gem. § 124a S. 1 Nr. 3 AktG zur elektronischen Zugänglichmachung verpflichtet. Ihnen ist damit vom Gesetzgeber anheimgestellt worden, ob sie auf traditionellem Wege informieren oder über die Internetseite der Gesellschaft. Im letzteren Fall kommen auch sie in den Genuss des Dispenses. Trotz der bestehenden Wahlmöglichkeit der Gesellschaft darf erwartet werden, dass die elektronische Zugänglichmachung weiten Anklang finden wird, da die elektronische Zugänglichmachung mit einer erheblichen Kosten- und Zeitersparnis einhergeht, zumal heutzutage fast jede Aktiengesellschaft über eine eigene Internetseite verfügt und die entsprechenden Dokumente ohnehin in digitalem Format vorliegen. Damit ist festzuhalten, dass auch im Bereich nicht-börsennotierter Gesellschaften von einer weitreichenden Substitution der traditionellen Informationsverbreitung ausgegangen werden darf. Dieser Substitutionseffekt war indes nicht Bestandteil der Aktionärsrechte-Richtlinie. Der deutsche Gesetzgeber hatte vielmehr erkannt, dass – wenn börsennotierte Gesellschaften durch die Richtlinie ohnehin zu einer virtuellen Zugänglichmachung verpflichtet werden müssen – die traditionelle Informationsverbreitung im Vorfeld 232 Richtlinie 36/07/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 7. 2007, ABlEU Nr. L 184, S. 17. 233 Begründung der Aktionärsrechte-Richtlinie, ABlEU Nr. L 184, S. 18. 234 Vgl. Horn, ZIP 2008, 1558. 235 Vgl. RegE ARUG, BT-Drucks. 847/08, S. 34 f.

B. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung

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der Hauptversammlung unnötige Bürokratie darstellt236. Dieser Akt nationalen Bürokratieabbaus war jedoch europarechtlich problematisch. Grund dafür war, dass die dritte (Verschmelzungs-)Richtlinie237 und sechste (Spaltungs-)Richtlinie238 vorsahen, dass jeder Aktionär im Falle der Verschmelzung und Spaltung das Recht hat, einen Monat vor der eigentlichen Hauptversammlung am Sitz der Gesellschaft von den Unterlagen Kenntnis zu nehmen und eine kostenlose Abschrift anzufordern. Eine Zugänglichmachung mittels Internetseite konnten die in den Jahren 1978 und 1982 verfassten Richtlinien angesichts der damaligen technischen Möglichkeiten nicht vorsehen. Soweit durch das ARUG der Substitutionseffekt für Informationsvorschriften eingeführt wurde, die auf diese beiden Richtlinien zurückgehen239, wurden daher die europarechtlichen Vorgaben verletzt240. Diesem Legitimationsmangel wurde jedoch nachträglich durch eine Änderungsrichtlinie abgeholfen241. Diese änderte die dritte und sechste gesellschaftsrechtliche Richtlinie dahingehend ab, dass zum einen die Veröffentlichung der betreffenden Dokumente auf der Internetseite der Gesellschaft eine Auslegung der Unterlagen in ihren Geschäftsräumen entbehrlich macht242. Zum anderen ist nunmehr vorgesehen, dass die Aktionäre dann keine abschriftliche Übersendung der Unterlagen verlangen können, wenn ihnen durch die Veröffentlichung der Unterlagen im Internet die Möglichkeit eingeräumt wurde, die betreffenden Dokumente herunterzuladen243. Dieses Kriterium der Download-Möglichkeit enthalten die um den Substitutionseffekt angereicherten deutschen Vorschriften des AktG und UmwG jedoch nicht, da diese nur die elektronische Zugänglichmachung voraussetzen. Die entsprechenden Vorschriften sind aus diesem Grund richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass die elektronische Zugänglichmachung nur dann eine Pflicht zur physischen Übersendung der Dokumente entbehrlich macht, wenn der Aktionär sich diese von der Internetseite der Gesellschaft herunterladen kann. Für die Praxis wird es durch diese Ergänzung zu keiner Umstellung kommen,

236

Begründung zum RegE ARUG, BT-Drucks. 847/08, S. 35. Richtlinie 78/855/EWG betreffend die Verschmelzung von Aktiengesellschaften, ABlEG v. 20. 10. 1978, Nr. L 295, S. 36. 238 Richtlinie 82/891/EWG betreffend die Spaltung von Aktiengesellschaften, ABlEG v. 31. 12. 1982, Nr. L 378, S. 47. 239 § 63 Abs. 1 und 3, §§ 62 Abs. 3 S. 1 i.V.m. 63 Abs. 1, 62 Abs. 3 S. 5 und §§ 125 S. 1 i.V.m. 63 Abs. 1 und 3 UmwG. 240 J. Schmidt, NZG 2008, 734 f.; Sandhaus, NZG 2009, 41, 45; a.A.: Noack, NZG 2008, 441, 443; tendenziell ablehnend Ratschow, DStR 2007, 1402, 1404 Fn. 31. 241 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 77/ 91/EWG, 78/855/EWG und 82/891/EWG des Rates sowie der Richtlinie 2005/56/E hinsichtlich der Berichts- und Dokumentationspflicht bei Verschmelzungen und Spaltungen, Vgl. den entsprechenden Vorschlag der Kommission 2008/0182/COD. 242 Vgl. Art. 11 Abs. 4 der Verschmelzungsrichtlinie und Art. 9 Abs. 4 der Spaltungsrichtlinie. 243 Vgl. Art. 11 Abs. 3 der Verschmelzungsrichtlinie und Art. 9 Abs. 3 der Spaltungsrichtlinie. 237

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

da i. d. R. mit der elektronischen Bereithaltung der Dokumente auch deren DownloadMöglichkeit verbunden ist.

C. Informationspflichten während der Hauptversammlung I. Zugänglichmachung der Unterlagen während der Hauptversammlung Nach den Änderungen durch das ARUG enthalten das AktG244 und das UmwG245 vielerorts die Vorgabe, dass die Unterlagen, die auszulegen und ggf. abschriftlich zu übersenden sind246 während der Hauptversammlung „zugänglich“ zu machen sind. Es stellt sich somit zum einen die Frage, ob auch bei Holzmüller-Maßnahmen die betreffenden Unterlagen während der Hauptversammlung zugänglich zu machen sind und welche Anforderungen an eine „Zugänglichmachung“ zu stellen sind. 1. Pflicht zur Zugänglichmachung Der Vorstand könnte aufgrund einer Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs. 2 S. 4, 293f Abs. 1 Nr. 1, 293g Abs. 1, 319 Abs. 3 S. 4, 320 Abs. 4 S. 3 AktG und den §§ 63 Abs. 1 Nr. 1, 64 Abs. 1 S. 1, 125 S. 1 UmwG dazu verpflichtet sein, diejenigen Unterlagen, die im Vorfeld von Holzmüller-Maßnahmen zu erstellen, auszulegen und auf Anforderung an die Aktionäre zu übersenden sind, während der eigentlichen Hauptversammlung zugänglich zu machen. Zwar sind die Informationen durch den Vorstand für die Aktionäre am Wertvollsten in der Zeit zwischen Einberufung und tatsächlicher Durchführung der Hauptversammlung. Dies gilt zum Einen, weil eine sorgfältige Vorbereitung aufgrund der oft sehr umfangreichen Unterlagen zeitintensiv ist. Zum Anderen kann die Entscheidung, ob der Aktionär selbst an der Hauptversammlung teilnimmt oder einen Stimmrechtsvertreter schickt, nur in diesem Zeitraum getroffen werden. Auch ist die Zeit vor der eigentlichen Hauptversammlung besser für die Diskussion und ggf. Abstimmung unter den Aktionären geeignet247. Während der eigentlichen Hauptversammlung kann es somit informationstechnisch nicht mehr darum gehen, den unbedarften Aktionär vollumfänglich über 244 §§ 52 Abs. 2 S. 5, 176 Abs. 1 S. 1, 179a Abs. 2 S. 4, 293g Abs. 1, 319 Abs. 3 S. 4, 320 Abs. 4 S. 3, 327d S. 1 AktG. 245 §§ 64 Abs. 1 S. 1 UmwG. 246 Vgl. dazu die Ausführungen unter Dritter Teil, B. 4. 247 Dass eine derartige Kommunikation wünschenswert ist und zur Corporate Gouvernance eines Unternehmens beiträgt, hat der Gesetzgeber dadurch unterstrichen, dass er im Rahmen des UMAG den § 127a AktG eingeführt hat, der in Verbindung mit der Aktionärsforumsverordnung (AktFoVO) die rechtliche Grundlage für ein online-basiertes Aktionärsforum legt.

C. Informationspflichten während der Hauptversammlung

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die Hintergründe der anstehenden Beschlussgegenstände zu informieren. Vielmehr ist der Mehrwert für den Aktionär zum Einen in der Aktualisierung der Unterlagen zu sehen, d. h. Änderungen, die sich in der Zeit seit der Einberufung der Hauptversammlung ergeben haben, gehen markiert aus den nun bereitgestellten Unterlagen hervor248. Damit wird sogleich genau der Gegenstand abschließend definiert, über den beschlossen werden soll. Zum Anderen bietet die Verfügbarkeit der Informationen während der Hauptversammlung für die Aktionäre den Vorteil, bestimmte Punkte noch einmal nachschlagen zu können, und zwar unabhängig davon, ob sie die Unterlagen in ausgedruckter Form (oder auf ihrem Laptop o. ä.) mit zur Hauptversammlung bringen. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass die Ausgangslage der Aktionäre bei gesetzlich geregelten Strukturmaßnahmen und Holzmüller-Maßnahmen identisch ist. Aus diesem Grund ist eine Verpflichtung zur Zugänglichmachung der besagten Unterlagen während der Hauptversammlung aufgrund einer Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs. 2 S. 4, 293f Abs. 1 Nr. 1, 293g Abs. 1, 319 Abs. 3 S. 4, 320 Abs. 4 S. 3 AktG und den §§ 63 Abs. 1 Nr. 1, 64 Abs. 1 S. 1, 125 S. 1 UmwG anzuerkennen. 2. Voraussetzungen der Zugänglichmachung Der Begriff der Zugänglichmachung entfernt sich von der bis dato bestehenden Pflicht zur „Auslage in den Geschäftsräumen“, ist aber sprachlich auch nicht identisch mit der aus § 124a S. 1 Nr. 3 AktG bekannten Pflicht zur „Zugänglichmachung über die Internetseite“. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte durch diese bewusst weit gehaltene Formulierung die bisherige Medienfestlegung auf Papier aufgegeben werden und so dem Bürokratieabbau im Rahmen der Hauptversammlung Vorschub geleistet werden249. Dadurch, dass weder die Dritte noch die Sechste Gesellschaftsrechtliche Richtlinie für den Aktionär das Recht vorsehen, auch während der Hauptversammlung in die ausgelegten Unterlagen Einsicht zu nehmen, war diese Modernisierung europarechtlich unproblematisch250. Den Gesellschaften sollte es freigestellt werden zu entscheiden, welchen Mediums sie sich bei der hauptversammlungsbegleitenden Information ihrer Aktionäre bedienen251. Damit ist zunächst sichergestellt, dass die altbewährte Auslegung und Papierform in den Geschäftsräumen den Tatbestand der „Zugänglichmachung“ erfüllt. Schwierigkeiten bereitet es dagegen, die vom Gesetzgeber vollzogene Öffnung dieser Verpflichtung inhaltlich zu konturieren. 248 Wesentliche Veränderungen müssen bereits während der Dauer der Auslagepflicht vorgenommen werden. Erfolgt die Aktualisierung hingegen nicht aufgrund neuer Tatsachen, sondern weil die auszulegenden Unterlagen von Anfang an unrichtig waren, führt dies grundsätzlich zu einer Anfechtbarkeit des Beschlusses, vgl. Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, § 64 Rn. 10 – 12. 249 Vgl. RegE ARUG, BT-Drucks. 847/08, S. 35. 250 Vgl. J. Schmidt, NZG 2008, 734 f. 251 Vgl. RegE ARUG, BT-Drucks. 847/08, S. 35.

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

a) Zugänglichmachung über die Internetseite Auf den ersten Blick erscheint die Formulierung „Zugänglichmachung“ als der gegenüber der „Zugänglichmachung über die Internetseite“ generellere Begriff. Wenn dies jedoch der Fall wäre, dann würde allein dadurch, dass die betreffenden Unterlagen auch während der Hauptversammlung auf der Internetseite der Gesellschaft abrufbar sind, die Pflicht zur Zugänglichmachung während der Hauptversammlung verwirklicht. Für börsennotierte Gesellschaften, die ohnehin gem. § 124a S. 1 Nr. 3 AktG zu einer Veröffentlichung ihrer Unterlagen über die Internetseite verpflichtet sind, ergäbe sich damit nur die Notwendigkeit, die Unterlagen frühestens mit dem offiziellen Ende der Hauptversammlung aus dem Netz zu entfernen252. Auch für nicht-börsennotierte Unternehmen wäre es in den allermeisten Fällen ein kaum nennenswerter Aufwand, die Unterlagen während der Hauptversammlung auf die eigene Internetseite zu stellen. Diese Art der Zugänglichmachung wäre gegenüber der traditionellen Art, nach welcher die Gesellschaft regelmäßig eine Vielzahl von „Mappen“ vorzuhalten hatte, eine erhebliche Vereinfachung für die Durchführung der Hauptversammlung. Zwar ist ein derartiges Verständnis mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar. Es würde jedoch in Anbetracht der oben festgestellten Funktion hauptversammlungsbegleitender Information dazu führen, dass der Aktionär zur Einsicht in die Unterlagen darauf angewiesen ist, WLAN-fähige elektronische Geräte (Laptop, Smartphone) mitzubringen, durch welche er während der Hauptversammlung auf die Unterlagen Zugriff nehmen kann. Während dem weitaus größten Teil der Aktionäre unterstellt werden kann, dass er zu Hause über einen Internetanschluss verfügt, so ist der Kreis derjenigen, die einen solchen mobilen Internetanschluss zur Verfügung haben, erheblich geringer. Damit würde ein potentiell großer Kreis der Aktionäre von einer Einsichtnahme ausgeschlossen, was angesichts der Tatsache, dass die hauptversammlungsbegleitende Information den letzten Stand der Beschlussgegenstände festhält, unzumutbar wäre. Ein solches Verständnis steht überdies im Widerspruch zur Gesetzessystematik und dem Willen des Gesetzgebers. Würde die „Zugänglichmachung“ auch die Veröffentlichung über der Internetseite erfassen, so hätte der Gesetzgeber dieses Anliegen regelungstechnisch einfacher erzielen können, indem er für die Information während der Hauptversammlung – wie für die Information vor der Hauptversammlung – die Auslegung in Papierform vorsieht und von dieser Pflicht dann ebenfalls einen Dispens erteilt, wenn die Unterlagen über die Internetseite zugänglich gemacht werden. Der Gesetzgeber hat sich jedoch nicht für diesen regelungstechnischen Gleichlauf der Informationspflichten entschieden, so dass davon auszugehen ist, dass er diese auch inhaltlich verschieden ausgestalten wollte. Dies wird durch die Gesetzesbegründung unterstrichen, in welcher der Gesetzgeber das Bereitstellen von Compu252 In der Praxis werden die Unterlagen regelmäßig ohnehin nicht vor dem Ende der Hauptversammlung von der Internetseite entfernt. Vielmehr ist ein Trend zur „Online-Archivierung“ zu beobachten, da von den meisten DAX-Unternehmen auch längst vergangene Unterlagen, wie beispielsweise Jahresabschlüsse, abrufbar sind.

C. Informationspflichten während der Hauptversammlung

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terbildschirmen als probates Mittel für die Zugänglichmachung während der Hauptversammlung vorschlägt253. Festzuhalten ist damit, dass die reine Veröffentlichung über das Internet nicht den Anforderungen der hauptversammlungsbegleitenden „Zugänglichmachung“ genügt254. b) Zugänglichmachung auf anderem Weg In der Gesetzesbegründung wird exemplarisch das Aufstellen von Computerbildschirmen als probates Mittel für die Zugänglichmachung während der Hauptversammlung genannt255. Dabei lehnt sich diese Formulierung erkennbar an der Regierungsbegründung zu § 129 Abs. 4 S. 1 AktG, eingeführt durch das NaStraG256, an257: Gemäß § 129 Abs. 4 S. 1 AktG ist das Teilnehmerverzeichnis den Teilnehmern der Hauptversammlung während dieser zugänglich zu machen, wobei nach der Gesetzesbegründung die laufende Aktualisierung und Darstellung des Teilnehmerverzeichnisses über „(am besten mehrere) Bildschirme258 im Versammlungsraum259“ zu bewerkstelligen sein soll260. Aufgrund der gleichen Formulierungen bietet sich insoweit eine Orientierung an § 129 Abs. 4 S. 1 AktG an261. Gleichwohl besteht zwischen dem Teilnehmerverzeichnis und den während der Hauptversammlung zugänglich zu machenden Unterlagen ein maßgeblicher Unterschied: die Handhabbarkeit der jeweiligen Informationen. Während bei Ersterem eine alphabetische Liste ausreicht, welche ggf. durch die Monitore in bestimmten Zeitabständen „umgeblättert“ wird, ist dies bei Letzteren nicht denkbar, da der Aktionär i. d. R. etwas vor- und zurückblättern muss, ehe er die ihn interessierende Stelle gefunden hat. Da ein Bildschirm nicht die oft viele hundert Dokumentenseiten gleichzeitig in lesbarer Weise projizieren kann, muss dem Aktionär die Möglichkeit gegeben werden, Einfluss auf den Darstellungsinhalt der Bildschirme zu nehmen. Dies kann praktikablerweise dadurch geschehen, dass ganze Computer-Terminals aufgestellt werden, d. h. Arbeitsplätze, welche z. B. die jeweiligen Dokumente in schreibgeschützter Form auf dem Desktop anzeigen bzw. den Zugriff zu einer zentralen Datenbank ermöglichen und bei denen 253

Vgl. RegE ARUG, BT-Drucks. 847/08, S. 35 f. Mit gleichem Ergebnis auch J. Schmidt, NZG 2008, 734 f. 255 Vgl. RegE ARUG, BT-Drucks. 847/08, S. 35 f. 256 Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (NaStraG) v. 18. 1. 2001 (BGBl. 2001 I, 123). 257 Noack, NZG 2008, 441 f. 258 Angemerkt sei, dass es eine technische Selbstverständlichkeit ist, dass ein Monitor allein nichts darstellen kann und insoweit erforderlich ist, dass er mit einem Speichermedium verbunden ist, das zudem so ausgerüstet ist, dass es seine Inhalte grafisch darstellen kann. Dies scheint der Gesetzgeber vorauszusetzen. 259 Allerdings wird auch eine Darstellung in der übrigen Präsenzzone als ausreichend anzusehen sein, vgl. Kubis, in: MünchKommAktG, § 129 Rn. 39 Fn. 112. 260 Vgl. Begr. zum RegE NaStraG, BT-Drucks. 14/4051, S. 14 f. 261 So auch Noack, NZG 2008, 441 f.; zurückhaltend dagegen: J. Schmidt, NZG 2008, 734 f. 254

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

der einzelne Aktionär zwischen den verschiedenen Dokumenten wählen und innerhalb dieser „scrollen“ kann. Diese Terminals müssen ebenfalls im Präsenzbereich aufgestellt sein262. Dies schließt die Möglichkeit ein, diese in Vor- oder Nebenräumen unterzubringen, sofern sie deutlich gekennzeichnet und leicht aufzusuchen sind263. Auch in puncto Anzahl der Terminals bietet sich eine Orientierung zu § 129 Abs. 4 AktG an. Dabei muss die Anzahl nicht so bemessen sein, dass jeder Aktionär ohne Wartezeit auf die Dokumente zugreifen kann – dies würde i. d. R. räumliche und finanzielle Kapazitäten sprengen. Um den Zugang dennoch zeitnah zu ermöglichen, bietet es sich an, die Zugänglichkeit eines Terminals für einen Aktionär zeitlich zu begrenzen. Dabei ist bei der Bemessung der Zeit davon auszugehen, dass sich der Aktionär bereits anhand der im Vorfeld der Hauptversammlung verfügbaren Dokumente informiert hat und daher prinzipiell weiß, wonach er sucht. Insoweit sind auch entsprechende Druckmöglichkeiten bereitzuhalten, für deren Inanspruchnahme zur Vermeidung von Missbrauch auch ein marktübliches Entgelt erhoben werden kann. Soweit es dem Aktionär lediglich um eine Aktualisierung seiner Unterlagen geht, ist für den Fall einer zeitlich begrenzten Nutzungsdauer der Terminals eine synoptische Gesamtübersicht aller Veränderungen zu erstellen, die sich der Aktionär ohne großen Zeitverlust ausdrucken kann. Darüber hinaus hat die Gesellschaft durch technisch versiertes Personal dafür Sorge zu tragen, dass sich auch mit den neuen Medien nicht vertraute Aktionäre mit der Arbeitsweise an den Terminals zu Recht finden. Ob damit letztendlich diese Art der Zugänglichmachung gegenüber der traditionellen Auslegung in Papierform zu finanziellen Einsparungen führt, ist eine Frage des Einzelfalls.

II. Mündliche Erläuterung Neben der Pflicht des Vorstands durch die Zugänglichmachung diverser Unterlagen den Aktionären eine eigene Einsichtnahme zu ermöglichen, ist er darüber hinaus verpflichtet, die wesentlichen Inhalte dieser Unterlagen während der Hauptversammlung mündlich zu erläutern264. Diese Erläuterungspflicht ist aus einer Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs. 2 S. 5, 293g Abs. 2 S. 1 AktG und §§ 64 Abs. 1 S. 2, 125 S. 1 UmwG abzuleiten. Durch die mündliche Erläuterung sollen die Aktionäre über die Gründe der Strukturmaßnahme sowie die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen informiert werden265. Damit wird im Ergebnis das gleiche Ziel verfolgt wie durch die „Holzmüller-Berichte“. Praktischerweise kann und muss die mündliche Erläuterung hinter der Detailliertheit des Vorstandsberichts zurückbleiben, so dass eine zusam-

262

Vgl. zum Teilnehmerverzeichnis: Kubis, in: MünchKommAktG, § 129 Rn. 39; Hüffer, AktG, § 129 Rn. 13. 263 Vgl. Hüffer, AktG, § 129 Rn. 13. 264 Lutter, in: FS Fleck, S. 169, 180; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 52. 265 Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, § 64 Rn. 9.

D. Vertragsentwürfe und nichtvertragliche Strukturmaßnahmen

119

menfassende Ausführung ausreicht266. Gleichwohl kann nicht einfach auf den Vorstandsbericht verwiesen werden, da durch die mündliche Erläuterung insbesondere diejenigen Aktionäre informiert werden sollen, die den Bericht nicht eingesehen haben267. Auch die Verlesung des Vertrags ist allein nicht ausreichend268. Vielmehr hat der Vorstand den Bericht noch einmal grob zusammenzufassen und zu verdeutlichen, welche Überlegungen ihn zu der jeweiligen Strukturmaßnahme bewogen haben269. Dabei ist jedoch zu beachten, dass alle Aktionäre die Möglichkeit hatten, sich ab der Einberufung der Hauptversammlung selbst zu informieren. Insoweit kann die mündliche Erläuterung durch den Vorstand nur dazu dienen, uninformierten Aktionären einen kurzen Überblick über die Hintergründe der jeweiligen Maßnahme zu geben. Ferner dient die Erläuterung dazu, die Hauptversammlung in Ansehung des Berichts über etwaige Änderungen der Verhältnisse zu informieren270. Der Vorstand hat dabei insbesondere dazu Stellung zu nehmen, ob sich die wirtschaftliche Bewertung der Strukturmaßnahme seit der Erstellung des Holzmüller-Berichts verändert hat271.

D. Behandlung von Vertragsentwürfen und nichtvertraglichen Strukturmaßnahmen Nachdem die Informationspflichten des Vorstands bei vertraglichen Strukturmaßnahmen erörtert wurden, stellt sich die Frage, ob damit eine Aussage auch für diejenigen Strukturmaßnahmen getroffen ist, die sich im außer- oder vorvertraglichen Stadium abspielen.

I. Rahmenbeschlüsse Der Vorstand kann die Hauptversammlung bereits befragen, noch bevor es einen Vertragsentwurf272 oder gar Verhandlungen gibt. Während dies bei großen börsennotierten Gesellschaften aufgrund des mit der Einberufung und Durchführung der Hauptversammlung verbundenen Aufwands i. d. R. nicht vorkommen wird, kann sich dies in kleineren Aktiengesellschaften anbieten, um frühzeitig das Stimmungsbild auszuloten und Rücksichtnahme gegenüber den Aktionären auszuüben. In diesem Fall wird ein „abstrakter Zustimmungsbeschluss“, teilweise auch „Grundlagenoder Rahmenbeschluss“ genannt, gefasst. Dabei ist jedoch zu beachten, dass diese Beschlüsse keine vollwertige Vorabermächtigung darstellen, die es dem Vorstand er266 267 268 269 270 271 272

Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 64 Rn. 3. Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, § 64 Rn. 9. Vgl. Hüffer, AktG, § 179a Rn. 7, 19. Ähnlich: Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 64 Rn. 3. Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, § 64 Rn. 9. Vgl. Grunewald, in: Lutter, UmwG, § 64 Rn. 4. Dazu sogleich unter II.

120

3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

möglichten, eigenständig einen Strukturvertrag auszuhandeln und abzuschließen, ohne ihn noch einmal der Hauptversammlung vorlegen zu müssen. Grund dafür ist, dass die Aktionäre mangels Materialisierung eines Vertrages auch noch keine Kenntnis über die genauen Inhalte erlangen können und insoweit quasi „ins Blaue“ hinein beschließen. Ihr einziges Informationsmedium bleiben die individuelle Auskunft nach § 131 Abs. 1 AktG, sowie, in Maßen, die Beschlussempfehlungen von Aufsichtsrat und Vorstand. Eine erneute Vorlage ist daher erforderlich, sobald sich die Maßnahme hinreichend konkretisiert hat273. Ungeachtet dieser erneuten Pflicht zur Vorlage erfüllen solche Rahmenbeschlüsse jedoch nicht nur den Zweck, das Stimmungsbild der Aktionäre abzubilden. So geht mit ihnen gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG hinsichtlich des „Ob“ der Strukturmaßnahme auch eine Haftungsbefreiung des Vorstands einher, so dass Schadensersatzansprüche der Gesellschaft insoweit ausgeschlossen sind, wie sie darauf beruhen, dass die Strukturmaßnahme unternehmerisch verfehlt gewesen sei274.

II. Vertragsentwürfe Neben der Vorlage eines konkreten Vertrags über eine Strukturmaßnahme besteht die Möglichkeit, diesen bereits im Entwurfsstadium der Hauptversammlung zu präsentieren275. Gleiches gilt für einen fertig verhandelten, aber noch nicht abgeschlossenen Vertrag276. Durch diese frühzeitige Vorlage an die Hauptversammlung bleibt dem Vorstand nicht nur die eventuelle Peinlichkeit erspart, bei späterer Verweigerung einer Zustimmung gegenüber dem Vertragspartner das i. d. R. vereinbarte Rücktrittsrecht auszuüben277. Auch Vertragskosten (Notarkosten, evtl. auch Maklerkosten) sowie das Fälligwerden von Grunderwerbssteuer beim Vertragspartner lassen sich vermeiden, wenn eine ablehnende Hauptversammlungsentscheidung bereits vor Vertragsschluss ergeht278. Zu beachten ist nicht zuletzt, dass das Verhältnis zwischen Vorstand und Aktionären i. d. R. nicht dadurch verbessert wird, dass sie nicht direkt vom Vorstand ihrer Gesellschaft von der anstehenden Maßnahme erfahren, sondern „nur“ aufgrund einer Ad-hoc-Mitteilung – zu welcher der Vorstand u. U. gem. § 15 Abs. 1 S. 1 WpHG vor einer Beschlussfassung durch die Hauptversammlung verpflichtet wäre. Kommt es zu einer wesentlichen sachlichen Änderung zwischen Abstimmung über den Vertragsentwurf und Abschluss des eigentlichen Vertrags, ist eine erneute Abstimmung erforderlich279.

273 274 275 276

BGH, NZG 2001, 405, 407 („Altana/Milupa“); Schockenhoff, NZG 2001, 921, 925. Vgl. Schockenhoff, NZG 2001, 921, 925. Hüffer, AktG, § 179a Rn. 7, 19. Dieser Sachverhalt lag dem „Altana-Milupa“-Urteil zugrunde, vgl. BGH, NZG 2001,

405. 277 278 279

Schockenhoff, NZG 2001, 921, 924. Schockenhoff, NZG 2001, 921, 924. Vgl. Hüffer, AktG, § 179a Rn. 7.

D. Vertragsentwürfe und nichtvertragliche Strukturmaßnahmen

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Fraglich ist, ob über vorgelegte Vertragsentwürfe in derselben Weise informiert werden muss wie über geschlossene Verträge. Die gesetzlichen Informationspflichten beziehen sich größtenteils entweder auf Verträge280 oder auf nichtvertragliche Maßnahmen281. Nur im Rahmen der §§ 63 Abs. 1 Nr. 1, 64 Abs. 1 UmwG geht das Gesetz davon aus, dass sich die Vorlagepflichten gleichermaßen auf Entwürfe wie bereits abgeschlossene Verträge beziehen. Gleichwohl ist auch i.R.d. §§ 179a Abs. 293f Abs. 1 und 2 Nr. 1, 293g Abs. 1 AktG anerkannt, dass, wenn Vertragsentwürfe vorgelegt werden, für diese auch diejenigen Informationspflichten gelten wie für die eigentlichen Verträge282. Dieses Ergebnis ist Anbetracht der mit der Vorlage einhergehenden Entlastungswirkung des § 93 Abs. 4 S. 1 AktG sachgerecht und auch auf die Entwürfe von Holzmüller-Verträgen zu erweitern: Wenn der Vorstand bereits durch die Vorlage eines Vertragsentwurfs die Möglichkeit hat, eine Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen und sich gleichzeitig dadurch von einer etwaigen Haftung frei zu zeichnen, dann muss er der Hauptversammlung in dem gleichen Umfang Informationen zur Verfügung stellen, als wenn er einen bereits unterzeichneten Vertrag vorgelegt hätte283.

III. Strukturmaßnahmen i.e.S. Neben Strukturmaßnahmen, die einer vertraglichen Festhaltung zugänglich sind, stehen die Strukturmaßnahmen i.e.S., d. h. solche, die keinen vertraglichen Niederschlag gefunden haben284. Dabei handelt es sich um konzerninterne Umstrukturierungen, die zum Teil – aber nicht zwingend – als Vorbereitung für anschließende Verträge (z. B. Fusions-, Unternehmens-, Vermögensübertragungsverträge) dienen285. Eine solche nicht vertragliche Strukturmaßnahme i.e.S. liegt beispielsweise vor, wenn Vermögen in eine Tochtergesellschaft eingebracht wird, damit später ein Dritter an dieser beteiligt oder das Vermögen rechtlich verselbstständigt werden kann286. Zum Teil wird vertreten, dass solche Maßnahmen anders zu behandeln seien als Strukturverträge bzw. deren Entwürfe287. Dieser Ansicht liegen zwei Annahmen zugrunde. Erstens sei durch die Gelatine-Urteile ein Paradigmenwechsel eingetreten, der bewirken soll, dass für die Annahme einer Berichtspflicht eine besondere Rechtfertigung erforderlich ist. Diese Annahme wurde bereits oben widerlegt288. Daneben wird angenommen, dass bei Strukturmaßnahmen i.e.S. im Gegensatz zu Strukturver280 281 282 283 284 285 286 287 288

Vgl. §§ 124 Abs. 2 S. 2, 2. Fall, 179a, 293 AktG, §§ 13, 65 UmwG. Vgl. §§ 124 Abs. 2 S. 2, 1. Fall, 186 Abs. 3, 262 Abs. 1 Nr. 2, 319 AktG, § 123 UmwG. BGH, NJW 1982, 933, 936; Hüffer, AktG, § 179a Rn. 7, 19. So auch: BGH, NZG 2001, 405, 407; Schockenhoff, NZG 2001, 921, 924. Teilweise auch missverständlich „Strukturkonzepte“ genannt. Lutter, in: FS Fleck, S. 169, 176. Lutter, in: FS Fleck, S. 169, 176 ff. Weißhaupt, AG 2004, 585, 589. Vgl. Dritter Teil, B. IV. 2. b) bb) (2).

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

trägen keine Auslegung eines Vertrages erfolgen kann289. Aufgrund dieser „höheren Abstraktheit“ der nichtvertraglichen Strukturmaßnahmen bestünde daher eine Berichtspflicht, während das Informationsbedürfnis der Aktionäre bei vertraglichen Strukturmaßnahmen bzw. entsprechenden Vertragsentwürfen bereits durch die Auslegung analog § 124 Abs. 2, S. 2, 2. Alt AktG befriedigt sei290. Diese Ansicht vernachlässigt jedoch, dass allein die Tatsache, ob eine Maßnahme Gegenstand eines Vertrages sein kann, noch nichts über die Komplexität und Verständlichkeit dieser Maßnahme verrät. Auch vertragliche Strukturmaßnahmen können abstrakt sein, gerade wenn der Aktionär nur geringe wirtschaftliche und juristische Vorkenntnisse hat. Entscheidend gegen diese Ansicht spricht jedoch die Struktur des Gesetzes: Die Normenkette der Gesamtanalogie enthält mit den §§ 186 Abs. 3 und 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG auch nichtvertragliche Strukturmaßnahmen. Daraus ergibt sich, dass das Gesetz bei der Frage nach der Zuständigkeit der Hauptversammlung allein von den möglichen Auswirkungen auf die Mitgliedschaft ausgeht und die Form der jeweiligen Maßnahme als unbeachtlich ansieht291. Gleiches muss auch für den Umfang der kollektiven Informationsrechte gelten, die als Hilfsrechte der Hauptversammlung die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Kompetenzen absichern sollen. Der Umfang von Informationspflichten ist daher grundsätzlich am (materiellen) Informationsbedürfnis des durchschnittlichen Aktionärs zu messen, ohne dass diesbezüglich auf die (formelle) Rechtsnatur der Maßnahme zurückgegriffen werden kann292. Damit steht zwar fest, dass alle Strukturmaßnahmen i.w.S. in Bezug auf ihren Informationsgehalt gleich zu behandeln sind. Gleichwohl – und insoweit ist der oben genannten Ansicht zuzustimmen – tritt bei nichtvertraglichen Maßnahmen das strukturimmanente Problem auf, wie die Pflicht zur Auslegung des „Vertrags“ und der Bekanntgabe seines wesentlichen Inhalts analog § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AktG erfüllt werden kann. Um der sachgerechten Information der Aktionäre dennoch Rechnung zu tragen, ist zu fordern, dass das der nichtvertraglichen Maßnahme zugrunde liegende unternehmerische Konzept zum Zeitpunkt der Einberufung der Hauptversammlung so weit konkretisiert ist, dass die Aktionäre Art und Umfang der beabsichtigten Maßnahmen erkennen können293. Anhand des Normzwecks des § 124 Abs. 1 AktG ist dabei erforderlich, dass die wesentlichen Angaben des Unternehmenskonzeptes in der Tagesordnung widergespiegelt werden, damit die Aktionäre erkennen können, was in concreto Gegenstand der Beschlussfassung sein soll294. Im Rahmen der Bekanntmachung der Tagesordnung sind die wesentlichen Schritte der Maßnahme analog § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AktG bekannt zu geben295. 289 Kort, ZIP 2002, 685 f.; Weißhaupt, AG 2004, 585, 589 f.; ähnlich auch Hüffer, AktG, § 119 Rn. 19. 290 Weißhaupt, AG 2004, 585, 589; Kubis, in: MünchKommAktG, § 119 Rn. 51. 291 Vgl. Zweiter Teil, C. II. 4. a). 292 Vgl. Dritter Teil, A. I. 293 Groß, AG 1996, 111, 114. 294 Vgl. Grün, Informationspflichten, S. 78 f. 295 Lutter, in: FS Fleck, S. 169, 176; vgl. auch Hüffer, AktG, § 124 Rn. 11.

E. Grenzen der Informationspflicht

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E. Grenzen der Informationspflicht Ist festgestellt, dass der Vorstand im Vorfeld einer Holzmüller-Maßnahme stark formalisierte Informationspflichten zu erfüllen hat, die gerade in Ansehung der Auslegung/Übersendung des Vertragstexts sowie der Erstellung eines Berichts sehr weitgehend sind, stellt sich die Frage, ob unter Umständen ein überwiegendes Interesse der Gesellschaft an einer Geheimhaltung bestimmter Fakten besteht, in deren Folge die Informationspflicht des Vorstands einzuschränken ist. Dadurch, dass die AG eine typische Publikumsgesellschaft ist, findet die Hauptversammlung quasi in der Öffentlichkeit statt. Zudem sind infolge der Verpflichtung aus § 124a AktG wesentliche Informationen u. U. für jedermann übers Internet verfügbar, so dass die Gefahr besteht, dass sensible Informationen aus der Sphäre des Unternehmens nach draußen dringen. Als solche kommen beispielsweise Informationen in Betracht, die Einfluss auf schwebende Prozesse oder Verhandlungen haben können, sich auf die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit des Unternehmens beziehen oder Wettbewerbern aufgrund eines tiefen Einblicks in Unternehmensinterna einen Wettbewerbsvorteil verschaffen296. Der BGH hat sich grundsätzlich gegen die Möglichkeit eines schützenswerten Geheimhaltungsinteresses ausgesprochen, ohne dies jedoch zu begründen297. Ein Blick auf den dogmatischen Ursprung von Informationspflichten und das System der gesetzlichen Regelung lässt jedoch den Schluss zu, dass unter bestimmten Umständen ein Geheimhaltungsrecht der Gesellschaft besteht.

I. Rechtsgrundlage Wie eingangs dargelegt, handelt es sich bei den Informationspflichten der Geschäftsführung um einen Teil der inneren Organisationsverfassung, der sicherstellen soll, dass die verfassungsmäßig berufenen Organe ihre Funktionen sachgerecht ausüben können298. Damit bestehen Informationspflichten letztlich im Interesse der Gesellschaft299. Wenn das Interesse der Gesellschaft für die Existenz und die Ausgestaltung der Informationspflichten maßgeblich ist, dann kann eine Veränderung der Interessenlage dazu führen, dass der Umfang von Informationspflichten abnimmt. Eine solche Veränderung der Interessenlage bringt das Wirtschaftsleben mit sich, wenn die Gefahr besteht, dass durch das Bekanntwerden sensibler Informationen die Gesellschaft einen Nachteil erleidet. Insoweit besteht innerhalb der Gesellschaft ein Inter296

Ähnlich: Semler, in: MünchHdb AG, § 37 Rn. 30. BGH, NZG 2001, 405, 407 („Altana/Milupa“); dem zustimmend: Pentz, in: Hdb Vorstandsrecht, § 17 Rn. 167; Kubis, in: MünchKommAktG, § 119 Rn. 53. 298 Vgl. Dritter Teil, A. I. 299 Anders verhält es sich hingegen bei individuellen Informationsrechten, die als Teil der Mitgliedschaft dem eigenen Nutzen des Gesellschafters dienen und deren Ausübung nur durch das Gesetz und die mitgliedschaftliche Treuepflicht begrenzt wird. Vgl. zu Letzterem: BayObLGZ 1974, 208, 213; OLG Düsseldorf, OLG-Report 1997, 287 f. 297

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

essenkonflikt, den es aufzulösen gilt. Eine Lösung dieses Konflikts hat sich dabei an den gesetzlich vorgezeichneten Abwägungen zu orientieren. Zunächst kennt das Aktienrecht mit § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG eine Vorschrift, wonach der Vorstand ausnahmsweise ein Auskunftsersuchen eines Aktionärs nicht beantworten muss, soweit die Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Gleichwohl ist das individuelle Auskunftsrecht dogmatisch verschiedenen Ursprungs als die Informationspflichten der Geschäftsführung300. Ein alleiniger Rückgriff auf § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG ist daher nicht ausreichend, um ein Geheimhaltungsrecht auch für Informationspflichten zu begründen. Auch für letztere kennt das Gesetz jedoch „Schutzklauseln“: Das AktG legt solche für die Vorstandsund Prüfungsberichte im Rahmen von Unternehmensverträgen (§ 293a Abs. 2 S. 1 bzw. §§ 293e Abs. 2 i.V.m. 293a Abs. 2 S. 1 AktG) und im Rahmen von Prüfungsberichten bei Eingliederungen (§§ 320 Abs. 3 S. 3 i.V.m. 293e Abs. 2, 293a Abs. 2 S. 1 AktG) fest. Im UmwG finden sich für Vorstands- und Prüfungsberichte bei Verschmelzungen (§ 8 Abs. 2 S. 1, bzw. §§ 12 Abs. 3 i.V.m. 8 Abs. 2 S. 1) und für Vorstandsberichte bei Formwechseln (§§ 192 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 8 Abs. 2 S. 1) derartige Schutzklauseln. Diese Vorschriften sind Ausdruck dafür, dass der Gesetzgeber im Rahmen von Vorstands- und Prüfungsberichten, durch welche der Gesellschaft nicht unerhebliche Nachteile entstehen können, das Interesse der Gesellschaft an Geheimhaltung höher bewertet als das Informationsinteresse ihrer Aktionäre301. Diese gesetzliche Abwägung findet sich jedoch im Bereich der kollektiven Informationsrechte nur im Rahmen von Berichten, nicht jedoch bei anderen Informationsmitteln, wie etwa der Bekanntmachung der Tagesordnung und des wesentlichen Inhalts des Vertrags sowie der Auslegung und abschriftlichen Übersendung des Vertrags. Dies spricht jedoch nicht gegen das Bestehen eines allgemeinen, hinter diesen Regelungen stehenden Wertungsgrundsatzes. Die Schutzklauseln im Rahmen von Berichten sind in ihrem Wortlaut dem § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG nachgebildet. Sie dienen in erster Linie dazu, solche Bewertungsfaktoren zu verheimlichen, deren Offenlegung die Wettbewerbsfähigkeit der Gesellschaft beeinträchtigen könnte302. Damit sind vor allem die Mitteilung von Ertragsprognosen, die Erläuterung von Geschäftsergebnissen und das künftige Ausschüttungsverhalten angesprochen303. Neben diesen „harten Zahlen“ bestehen jedoch noch andere Informationen, die für Wettbewerber aufschlussreich sein und dem Unternehmen Nachteile zufügen können. Aus diesem Grund sind die §§ 131 Abs. 3 Nr. 2 – 6 AktG als Auslegungshilfen ergänzend heranzuziehen304. Dem Gesetz ist daher in Ansehung der dem § 131 Abs. 3 AktG nachempfundenen Schutzklauseln die Wertung zu entnehmen, dass das Unternehmen umfas300

Vgl. Dritter Teil, A. II. So auch: Wohlleben, Informationsrechte, S. 150 ff.; Grün, Informationspflichten, S. 120. 302 Altmeppen, in: MünchKommAktG, § 293a Rn. 59. 303 Bungert, DB 1995, 1384, 1389. 304 Decher, in: Lutter, UmwG, § 192 Rn. 47. 301

E. Grenzen der Informationspflicht

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send gegen Nachteile in Schutz genommen werden soll, die ihm aufgrund von Vorstands- und Prüfungsberichten entstehen können305. Vor dem Hintergrund einer derartig weit gefassten Anerkennung eines schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresses des Unternehmens muss ein Geheimhaltungsrecht auch für andere kollektive Informationsrechte angenommen werden, da es keinen Unterschied machen kann, ob Informationen in der Hauptversammlung oder beispielsweise durch Offenlegung eines Vertrages preisgegeben werden306. Zwar ist damit noch nichts über die Frage ausgesagt, ob sich dieses Geheimhaltungsrecht bei den übrigen kollektiven Informationsrechten nach denselben Kriterien richtet wie das gesetzlich kodifizierte307. Jedenfalls bleibt festzuhalten, dass sich die Reichweite der hinter den Schutzklauseln stehenden Wertung nicht in den zu erstattenden Berichten des Vorstands erschöpft, sondern sich auf sämtliche, individuelle wie kollektive, Informationsrechte erstreckt. Dieser allgemeine Wertungsgrundsatz ist auch auf Informationspflichten im Zusammenhang mit Holzmüller-Maßnahmen übertragbar, da deren Erfüllung gerade in Anbetracht des Gewichts der Holzmüller-Maßnahmen Aufschluss über sensible Informationen wie etwa Veränderungen der Unternehmenspolitik geben kann und durch eine entsprechende Kenntnisnahme von dritter Seite dem Unternehmen erhebliche Nachteile entstehen können.

II. Voraussetzungen In Gesamtanalogie zu den §§ 293a Abs. 2 S. 1, 293e Abs. 2, 320 Abs. 3 S. 3 AktG, §§ 8 Abs. 2 S. 1, 12 Abs. 3, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG muss die Preisgabe der Informationen geeignet sein, dem Unternehmen oder einem i.S.d. § 8 Abs. 2 AktG verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen308. Ein Nachteil ist neben einem Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB auch jede einigermaßen gewichtige Beeinträchtigung des Gesellschaftsinteresses309. Der Nachteil muss nicht zwingende Folge der Informationserteilung sein310. Ausreichend ist die Eignung der Offenlegung, einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen311. Diese Eignung beurteilt sich vom Standpunkt eines vernünftigen Kaufmanns zum Zeitpunkt der Informationserteilung312. Es gilt insoweit abzuwägen, ob die Offenlegung für die Gesellschaft überwiegend nachteilig ist313. Das Informationsinteresse der Aktionäre muss bei die305

Ähnlich auch: Zeidler, NZG 1998, 91, 93. Vgl. zur alten Rechtslage: BGH, AG 1990, 259, 261; ebenso: Weißhaupt, AG 2004, 585, 591; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 8 Rn. 46 f.; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, Vor § 311 Rn. 52; Henze, in: FS Ulmer, S. 211, 234; Gross, AG 1996, 116 f. 307 Dazu sogleich im Anschluss unter II. 308 Vgl. Altmeppen, in: MünchKommAktG, § 293a Rn. 59. 309 Hüffer, AktG, § 131 Rn. 24 f. 310 Hüffer, AktG, § 131 Rn. 24; LG Saarbrücken, NZG 2004, 1012 f. 311 Hüffer, AktG, § 131 Rn. 24. 312 Vgl. Hüffer, AktG, § 293a Rn. 19. 313 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 8 Rn. 46 f. 306

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3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

ser Abwägung außer Betracht bleiben, da der Gesetzgeber es für den Fall, dass die Offenlegung für die Gesellschaft überwiegend nachteilig ist, als nachrangig klassifiziert hat und insoweit bereits eine Abwägungsentscheidung getroffen hat314. Aus einem Umkehrschluss ergibt sich indes, dass geringe zu erwartende Nachteile nicht für eine Geheimhaltung ausreichen. Die Abwägung ist im vollen Umfang justiziabel315. Häufig werden bei Strukturverträgen, an denen eine weitere Partei beteiligt ist, Vertraulichkeitsabreden geschlossen. Insoweit besteht ein gewisser Marktstandard, dessen Verletzung einem Unternehmen auf lange Sicht schaden kann316. Gleichwohl besteht bei diesen Vereinbarungen das Risiko, dass der Vorstand entsprechende Vereinbarungen willkürlich abschließt, um den Aktionären Informationen vorzuenthalten oder um das Risiko einer Beschlussanfechtung aufgrund von Informationsmängeln einzudämmen. Aus diesem Grund kann allein der Abschluss einer solchen Vertraulichkeitsvereinbarung nicht die Informationspflichten des Vorstands ausschließen. Erforderlich ist insoweit, dass – in Anlehnung an die oben dargestellten Grundsätze – der Verzicht auf eine Geheimhaltungsvereinbarung geeignet ist, der Gesellschaft nicht unerhebliche Nachteile zuzufügen und somit eine objektive Notwendigkeit zur Geheimhaltung besteht317.

III. Umfang der Geheimhaltung Den Schutzklauseln des AktG und UmwG liegt der gemeinsame Sinn zugrunde, dass Informationen, deren Preisgabe geeignet ist, dem Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen, nicht vom Vorstand offenbart werden müssen. Mit dieser generellen Aussage ist zunächst einmal festgestellt, dass es grundsätzlich nicht darauf ankommen kann, zu welchem Zeitpunkt und aufgrund welcher Informationspflicht informiert wird. Im Rahmen von Vorstands- und Prüfungsberichten sowie beim individuellen Auskunftsrecht, d. h. in den gesetzlich geregelten Fällen, wurde die Wertung getroffen, dass für die Frage, wann eine etwaige Nachteilszufügung „nicht unerheblich“ ist, allein die für die Gesellschaft aus einer Offenbarung der Information entspringenden Vor- und Nachteile miteinander ins Verhältnis zu setzen sind, während übrige Aspekte auszuklammern sind318. Somit ist insbesondere der Vorteil der Information für den Aktionär kein entscheidungsrelevanter Aspekt319. 314

Vgl. Altmeppen, in: MünchKommAktG, § 293a Rn. 60. OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148, 2152; BayObLG, AG 1996, 322 f. 316 Kubis spricht sogar von „ungeschriebenen Diskretionsgesetzen“ in: MünchKommAktG, § 131 Rn. 101. 317 BayObLG, NJW-RR 1999, 1487 f.; zustimmend: Semler, in: MünchHdb AG, § 37 Rn. 30. 318 Vgl. Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 8 Rn. 46 f.; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 27; Altmeppen, in: Münch-KommAktG, § 293a Rn. 60. 319 Hüffer, AktG, § 131 Rn. 27. 315

E. Grenzen der Informationspflicht

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Diese Abwägungsmaxime lässt sich auf die übrigen kollektiven Informationsrechte nur dann unmodifiziert übertragen, wenn die Situationen wertungsmäßig vergleichbar sind. Dabei ist zu beachten, dass ein Nachteil der Gesellschaft umso unwahrscheinlicher ist, je abstrakter und genereller die Information gehalten ist. Sowohl das individuelle Auskunftsrecht als auch die Vorstands- und Prüfungsberichte weisen u. U. eine sehr große Informationstiefe auf, wodurch die potentielle Gefährdung für das Unternehmen proportional zunimmt. Gleiches gilt in besonderem Maße für die vollständige Auslegung von Vertragswerken, und mit Abstrichen auch für die Offenlegung ihres wesentlichen Inhalts. Anders verhält es sich jedoch bei der Bekanntmachung der Tagesordnung, die den Beschlussgegenstand nur sehr abstrakt darstellt und daher in aller Regel nicht nachteilsträchtig ist. Dazu kommt, dass durch eine etwaige Geheimhaltung eines Tagesordnungspunkts die Hauptversammlung diesbezüglich ihrer Aufgabe der Willensbildung nicht nachkommen kann. Ihr Beschlussrecht würde also faktisch ausgehöhlt. Eine derartige Konsequenz wäre jedoch unvereinbar mit der Organisationsverfassung der Gesellschaft, so dass die Bekanntmachung der Tagesordnung nicht durch Geheimhaltungsinteressen tangiert wird320. Aus diesem Grund ist die gesetzlich verankerte Abwägungsmaxime nur für die Auslegung des Vertrags und die Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts uneingeschränkt übertragbar. Der Vorstand hat bei Ausübung seines Geheimhaltungsrechts die Informationslücken kenntlich zu machen, da andernfalls für die Aktionäre der Eindruck einer vollständigen Information erweckt wird321. Des Weiteren unterliegt der Vorstand bei Ausübung des Geheimhaltungsrechts einer Begründungspflicht: Das Gesetz statuiert eine solche Begründungspflicht in den §§ 8 Abs. 2 S. 2, 12 Abs. 3 und 192 Abs. 1 S. 2 UmwG und deutet eine solche auch in § 131 Abs. 5 AktG an. Durch die Begründung soll der Aktionär in die Lage versetzt werden, die Gründe, welche den Vorstand zu der Geheimhaltung veranlassen, auf ihre Plausibilität zu überprüfen322. Daher reicht nicht die generelle Berufung auf die Schädlichkeit der Offenlegung323. Erforderlich ist vielmehr die konkrete Begründung, warum nähere Einzelheiten nicht mitgeteilt werden324. Dabei hat der Vorstand bei der Begründung besondere Sorgfalt anzuwenden, wenn die geheim zu haltende Information von großem Gewicht für die Entscheidung des Aktionärs ist325. Dieser Wertungsgrundsatz ist auch auf die Geheimhaltung von Informationen bei Holzmüller-Maßnahmen übertragbar.

320 321 322 323 324 325

Kubis, in: MünchKommAktG, § 124 Rn. 36. Vgl. Hüffer, AktG, § 293a Rn. 20. Vgl. BGH, WM 1990, 2073, 2075; Hüffer, AktG, § 131 Rn. 26. BGHZ 107, 296, 306. Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 8 Rn. 65. Vgl. Hüffer, AktG, § 293a Rn. 20; tendenziell a.A.: OLG Hamburg, AG 1969, 150 f.

128

3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

IV. Verpflichtung des Vorstands zur Geheimhaltung Durch die Ableitung eines Geheimhaltungsrechts aus einer Gesamtanalogie zu den §§ 293a Abs. 2 S. 1, 293e Abs. 2, 320 Abs. 3 S. 3 AktG, §§ 8 Abs. 2 S. 1, 12 Abs. 3, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG ist zunächst die Frage beantwortet, ob der Vorstand unter bestimmten Umständen die Offenbarung verweigern kann. Auch ergibt sich in Anlehnung an die Regelungssystematik des § 131 AktG, dass der Vorstand dann, wenn keine Umstände vorliegen, die ihn zu einer Verweigerung der Informationserteilung ermächtigen, und er folglich die Information zu erteilen hat, kein Verstoß gegen seine Verschwiegenheitspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG in Betracht kommen kann326. Dadurch nicht geklärt ist, ob und wann der Vorstand – das grundsätzliche Bestehen einer Verweigerungsmöglichkeit vorausgesetzt – diese auch ergreifen muss. So sieht etwa der oben herangezogene § 8 Abs. 2 UmwG nur vor, dass sensible Tatsachen nicht in den Verschmelzungsbericht aufgenommen zu werden brauchen. Das Bestehen einer etwaigen Geheimhaltungspflicht ist wiederum unter Berücksichtigung der organschaftlichen Verschwiegenheitspflicht aus § 93 Abs. 1 S. 3 AktG zu ermitteln327. Danach hat das Vorstandsmitglied über „vertrauliche Angaben und Geschäftsgeheimnisse, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse“ Stillschweigen zu bewahren. Diese Begriffe sind nicht völlig synonym und unterscheiden sich zudem in den Rechtsfolgen, da die Preisgabe einer vertraulichen Angabe – neben der Möglichkeit des Aufsichtsrats, die Bestellung des Vorstandsmitglieds aus wichtigem Grund zu widerrufen328 – rein zivilrechtliche Folgen hat, die Verletzung eines Geheimnisses dagegen gem. § 404 AktG auch zur Strafbarkeit führt329. Unter „Geheimnis“ wird eine Tatsache330 verstanden, die nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und die nach dem bekundeten oder mutmaßlichen Willen der Gesellschaft geheim gehalten werden soll, und an deren Geheimhaltung ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse besteht331. Als Richtschnur für die Bestimmung des Willens der Gesellschaft ist das objektive Unternehmensinteresse heranzuziehen332. Dieses wird jedoch durch die Festlegung der Unternehmenspolitik seitens des Vorstands erheblich konkretisiert, so dass der Vorstand letztlich „Herr der Gesellschaftsgeheim326

Vgl. Hüffer, AktG, § 131 Rn. 23; Kubis, in: MünchKommAktG, § 131 Rn. 96. Vgl. BGHZ 36, 121, 131; Kubis, in: MünchKommAktG, § 131 Rn. 96; Semler, in: MünchHdb AG § 37 Rn. 28. 328 § 84 Abs. 3 S. 1 AktG. 329 Eine Strafbarkeit kann sich zudem aus § 38 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ergeben, wenn der Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft Insiderinformationen weitergibt. 330 Beispiele nach Kubis, in: MünchKommAktG § 93 Rn. 46: Produktionsvorhaben, Fabrikationsverfahren, Erfindungsleistungen, Konstruktionen, Kalkulationen, Absatzplanung, Finanzpläne, Kundenlisten. 331 BGHZ 64, 325, 329; BGH, NJW 1997, 1985, 1987. 332 Vgl. BGHZ 64, 325, 329. 327

F. Ergebnisse des Dritten Teils

129

nisse“ ist333 und entscheidet, wann die Geheimhaltung einer bestimmten Tatsache im Interesse des Unternehmens liegt und wann nicht. „Vertrauliche Angaben“ sind dagegen Angelegenheiten, deren Mitteilung sich für die Gesellschaft als nachteilig herausstellen könnte, mögen sie auch allgemein bekannt und daher keine Geheimnisse (mehr) sein334. Sowohl Geheimnisse als auch vertrauliche Angaben haben indes gemein, dass deren Mitteilung sich für die Gesellschaft nachteilig auswirken kann. Wenn insoweit die Preisgabe der Informationen geeignet ist, der Gesellschaft einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen und aus diesem Grund ein Geheimhaltungsrecht besteht, dann wird der Vorstand aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht regelmäßig dazu verpflichtet sein, dieses im Interesse der Gesellschaft auch wahrzunehmen.

F. Ergebnisse des Dritten Teils 1.

Informationspflichten dienen in der Aktiengesellschaft vorwiegend dem beschlussbegleitenden Schutz der Minderheitsaktionäre.

2.

Mit der Bekanntmachung der Tagesordnung muss analog § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AktG auch der wesentliche Inhalt der Holzmüller-Maßnahme bekannt gemacht werden. Dies ergibt sich daraus, dass § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AktG auf schwierige und komplexe Beschlussgegenstände zugeschnitten ist und dieses Charakteristikum für Holzmüller-Maßnahmen zutrifft. Nicht maßgeblich ist indes, ob die Wirksamkeit des Vertrages z. B. durch vertraglich vereinbarte Rücktrittsrechte oder auflösende Bedingungen mittelbar vom Einverständnis der Hauptversammlung abhängig gemacht wird. Eine Bekanntmachungspflicht entsteht ferner nicht bereits dadurch, dass der Vorstand der Hauptversammlung eine Maßnahme freiwillig vorlegt i.S.d. § 119 Abs. 2 AktG.

3.

Gem. § 124a S. 1 Nr. 3 AktG ist der Vorstand einer börsennotierten AG zudem verpflichtet, alsbald nach der Einberufung der Hauptversammlung neben dem Inhalt der Einberufung auch die wichtigen Unterlagen zur Vorbereitung der Hauptversammlung auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich zu machen. Dabei liegt eine elektronische Zugänglichmachung vor, wenn die jeweiligen Informationen über zwei Links erreichbar sind. Die Verlinkung muss auch leicht erkennbar sein, was der Fall ist, wenn die Rubrik den Titel „Hauptversammlung“ trägt.

4.

Aus einer Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs. 2 S. 1 und 2, 293f Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AktG und den §§ 63 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 125 S. 1 UmwG ist der Vorstand primär dazu verpflichtet, den Holzmüller-Vertrag von der Einberufung der Hauptversammlung an in den Geschäftsräumen der Gesellschaft auszulegen und den Aktionären auf Verlangen abschriftlich zu übersenden. Keine derartigen Pflichten entstehen bei lediglich freiwilligen Vorlagen i.S.d. § 119 Abs. 2 AktG. 333 334

So BGHZ 64, 325, 329. Hefermehl/Spindler, in: MünchKommAktG, § 93 Rn. 49.

130

3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

5.

Der Vorstand ist ferner dazu verpflichtet, einen Bericht über die HolzmüllerMaßnahme zu erstellen. Dies folgt aus einer Gesamtanalogie zu den §§ 186 Abs. 4 S. 2, 293a Abs. 1, 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 AktG und §§ 8 Abs. 1 S. 1, 127 S. 1, 192 Abs. 1 S. 1 UmwG. Dabei ist nicht maßgeblich, ob die Holzmüller-Maßnahme Vertragsform hat oder eine Strukturmaßnahme i.e.S. ist. Die Gesellschafter können analog §§ 8 Abs. 3 S. 1, 1. HS, 125 S. 1 UmwG auf die Erstellung des Berichts verzichten. An den Bericht sind grundsätzlich die gleichen Anforderungen zu stellen wie an einen Verschmelzungsbericht, d. h. den Aktionären muss dadurch eine Plausibilitätskontrolle der Maßnahme ermöglicht werden. Aufgrund der Vielgestaltigkeit von Holzmüller-Maßnahmen ist eine konkrete inhaltliche Vorgabe unmöglich. Die inhaltlichen Anforderungen sind jedoch nicht aus formalistischen Aspekten zu überspannen, da dies letztlich auch den Aktionärsinteressen zuwider läuft. Der Bericht ist gem. einer Gesamtanalogie zu den §§ 186 Abs. 4 S. 2, 293f Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, S. 2 AktG und den §§ 63 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. 8 Abs. 1 S. 1, 63 Abs. 3, 127 S. 2, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG ebenfalls von der Einberufung der Hauptversammlung an auszulegen und auf Verlangen der Aktionäre zu übersenden. Eine Pflicht zur Bekanntgabe seines wesentlichen Inhalts analog § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Var. AktG existiert nicht.

6.

Eine Verpflichtung zur Auslegung der Jahresabschlüsse und Lageberichte besteht ebenso wenig wie eine generelle Pflicht zur Erstellung und Auslegung von Zwischen-, Einbringungs- oder Eröffnungsbilanzen. Einzig im Bereich der Ausgliederung im Weg der Einzelrechtsnachfolge ist analog §§ 125 S. 1, 63 Abs. 1 Nr. 3 UmwG eine Einbringungsbilanz zu erstellen, auszulegen und zu übersenden. Eine Verpflichtung zur Erstellung von Prüfungsberichten kommt nur für die seltenen Fälle in Betracht, in denen es im Rahmen einer Holzmüller-Konstellation zu einem Anteilstausch kommt, wie sich aus einer Gesamtanalogie zu den §§ 293b Abs. 1, 293e Abs. 1, 293f Abs. 1 Nr. 3, 293g Abs. 1, 320 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 AktG und §§ 60, 9 Abs. 1, 12 Abs. 1, 125 S. 1 UmwG ergibt.

7.

Der in den §§ 52 Abs. 2 S. 4, 179a Abs. 2 S. 3, 293f Abs. 3, 319 Abs. 3 S. 3, 320 Abs. 4 S. 3, 327c Abs. 5 AktG und §§ 62 Abs. 3 S. 7, 63 Abs. 4, 230 Abs. 2 S. 3 UmwG neu eingefügte Substitutionseffekt gilt auch bezüglich Informationspflichten im Rahmen von Holzmüller-Maßnahmen. Aus diesem Grund entfallen die Pflichten zur Übersendung von Unterlagen und deren Auslegung im Vorfeld der Hauptversammlung, wenn sie über den gleichen Zeitraum auf der Internetseite der Gesellschaft elektronisch zugänglich gemacht werden. Über den Wortlaut der geänderten Vorschriften hinaus ist aufgrund europäischer Vorgaben zu fordern, dass die Aktionäre sich die Unterlagen zudem herunterladen können.

8.

Analog §§ 179a Abs. 2 S. 4, 293f Abs. 1 Nr. 1, 293g Abs. 1, 319 Abs. 3 S. 4, 320 Abs. 4 S. 3 AktG und den §§ 63 Abs. 1 Nr. 1, 64 Abs. 1 S. 1, 125 S. 1 UmwG sind diejenigen Unterlagen, die im Vorfeld der Hauptversammlung zu erstellen, auszulegen, zu übersenden und im Falle von börsennotierten Gesellschaften auch

F. Ergebnisse des Dritten Teils

131

elektronisch zu veröffentlichen sind, während der Hauptversammlung zugänglich zu machen. Die Zugänglichmachung umfasst dabei die tradierte Form der Auslage der Unterlagen, ist jedoch nicht darauf beschränkt. Ebenfalls denkbar ist eine elektronische Zugänglichmachung, die jedoch über das bloße Belassen der Unterlagen auf der Internetseite der Gesellschaft hinausgehen muss. So kann etwa durch das Aufstellen von Terminals mit Druckmöglichkeit im Präsenzbereich des Veranstaltungsorts der Pflicht entsprochen werden. 9.

Der Vorstand hat in der Hauptversammlung die in deren Vorfeld erstellten Dokumente ihrem wesentlichen Inhalt nach zusammen zu fassen und für den Fall, dass sich seit deren Erstellung wesentliche Veränderungen ergeben haben, zu aktualisieren.

10. Bei Strukturkonzepten kommt ein Rahmenbeschluss der Hauptversammlung über § 119 Abs. 2 AktG in Betracht. Dieser stellt jedoch rechtlich nichts weiter als eine Vorabbefragung dar. Eine Ermächtigungswirkung ist damit nicht verbunden. Vielmehr bedarf es einer weiteren Vorlage, sobald die Maßnahme hinreichend konkret ist. 11. Ein Holzmüller-Vertrag kann bereits im Vorbereitungsstadium der Hauptversammlung vorgelegt werden. Eine Ermächtigungswirkung ist damit allerdings nur verbunden, sofern es zwischen Abstimmung über den Vertragsentwurf und Abschluss des eigentlichen Vertrags nicht zu wesentlichen sachlichen Änderungen kommt. 12. Bei Strukturmaßnahmen i. e.S., d. h. solchen, die keiner vertraglichen Fixierung zugänglich sind, ist in grundsätzlich gleicher Weise zu informieren, wie dies im Fall von Holzmüller-Verträgen der Fall ist. Dies kann dadurch sichergestellt werden, dass an die Stelle des Vertrages das unternehmerische Konzept tritt, das durch die konkrete Strukturmaßnahme realisiert werden soll. 13. Aus einer Gesamtanalogie zu den §§ 293a Abs. 2 S. 1, 293e Abs. 2 AktG, §§ 8 Abs. 2 S. 1, 12 Abs. 3, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG lässt sich ein Geheimhaltungsrecht der Gesellschaft begründen, wenn die Offenbarung der Informationen geeignet ist, dieser nicht unerhebliche Nachteile zuzufügen. Dieses Geheimhaltungsrecht besteht unabhängig von der jeweiligen Art der Informationserteilung. Das Geheimhaltungsrecht ist bei den abstrakteren und allgemeineren Informationsmitteln, namentlich der Bekanntgabe von Tagesordnung und wesentlichem Vertragsinhalt, an strengere Voraussetzungen geknüpft, als bei den übrigen Informationspflichten. Dabei sind im Rahmen der Abwägung, ob „überwiegende Nachteile“ entstehen können, auch das Informationsinteresse der Aktionäre sowie die Haftungsbefreiung gem. § 93 Abs. 4 S. 1 AktG, welche sich an eine Beschlussfassung anschließt, zu berücksichtigen. Der Vorstand hat die Ausübung des Geheimhaltungsrechts soweit kenntlich zu machen und zu begründen, wie dies ohne eine Offenlegung des Geheimnisses möglich ist. Der Vorstand ist gem. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG regelmäßig verpflichtet, von dem Geheimhaltungsrecht Gebrauch zu machen, wenn durch die Preisgabe der Information die Mög-

132

3. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der AG

lichkeit besteht, dass der Gesellschaft ein nicht unerheblicher Nachteil entstünde. Dabei kommt dem Vorstand aufgrund seiner Kompetenz zur Festlegung der Unternehmenspolitik jedoch das Recht einer Einschätzungsprärogative zu.

Vierter Teil

Die Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf andere Rechtsformen Bevor die Holzmüller-Doktrin auf andere Rechtsformen übertragen werden kann, muss zunächst sichergestellt werden, dass das Holzmüller-Urteil des BGH als rechtsformunabhängiger Beitrag zur Rechtsfortbildung begriffen werden kann und es sich somit nicht um ein aktienrechtliches Spezifikum handelt. Einige Vertreter im Schrifttum gehen davon aus, dass die Holzmüller-Doktrin in § 119 Abs. 2 AktG verwurzelt sei. Soweit diese Vorschrift nicht bei einer anderen Gesellschaft zur Anwendung komme, gelte dies somit auch für die Holzmüller-Doktrin1. Dem ist nicht nur im Hinblick auf den dogmatischen Begründungsansatz2 der Holzmüller-Doktrin zu widersprechen. Vergegenwärtigt man sich nämlich die Erwägungen, die der Holzmüller-Entscheidung zu Grunde lagen, so fällt auf, dass die vom BGH aufgezählten Maßnahmen, die zu einer Mediatisierung der Mitgliedsrechte führen können, rechtsformunabhängig sind. Es sprechen die besseren Gründe dafür, die Entscheidung dahingehend zu verstehen, dass der BGH allgemeine Rechtsgrundsätze postuliert hat, die – unter Berücksichtigung der jeweiligen Eigenheiten – auch auf andere Rechtsformen übertragen werden können3. Dies liegt darin begründet, dass die Gefahr der Mediatisierung keine aktienrechtliche Besonderheit ist. Ein entsprechender Schutz der Gesellschafter vor einer Mediatisierung ihrer Rechte ist vielmehr für alle Rechtsformen zu entwickeln, die sich dadurch auszeichnen, dass die Gesellschafter von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind4. Dabei ist jedoch vorauszusetzen, dass eine entsprechende Weiterentwicklung der Gesellschafterkompetenzen auch durch die Organisationsstruktur der jeweiligen Gesellschaft vorgezeichnet ist und der Schutz der Gesellschafter nicht etwa auf anderem Wege sichergestellt wird. Diese Fragen sind im Zusammenhang mit der jeweiligen Gesellschaftsform zu erörtern. Aus der Feststellung, dass die Holzmüller-Doktrin ihrer Grundaussage nach nicht ausschließlich AGspezifisch zu interpretieren ist, folgt zugleich eine inhaltliche Präzisierung: Aufgrund 1

Aus diesem Grund gegen eine Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA: Hoffmann-Becking/Herfs, in: FS Sigle, S. 273, 286 f.; Sethe, Kapitalgesellschaft, S. 148 Fn. 172. 2 Dazu ausführlich Zweiter Teil, C. I. 3 So im Ergebnis auch: Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, § 278 Rn. 180; K. Schmidt, in: Aktienrecht im Wandel, S. 1198 f.; Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67, 33, 65; Heermann, ZGR 2000, 61, 70; Koch, DB 2002, 1701, 1703. 4 Koch, DB 2002, 1701, 1703; vor dem Hintergrund einer allgemeinen Konzernbildungskontrolle: Emmerich, in: FS Stimpel, S. 743, 756.

134

4. Teil: Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf andere Rechtsformen

der Tatsache, dass die Holzmüller-Doktrin dem Recht der AG entlehnt ist, trägt sie in vielerlei Hinsicht eine „aktienrechtliche Handschrift“. Diese wirkt sich auf verschiedene Fragen aus, wie etwa das Mehrheitserfordernis, die statuarische Abdingbarkeit, das Initiativrecht der Hauptversammlung und die materielle Inhaltskontrolle der entsprechenden Beschlüsse. Dies – um nur einige zu nennen – sind Aspekte der Holzmüller-Doktrin, die im Zuge einer rechtsformübergreifenden Übertragung nicht notwendigerweise identisch bleiben müssen. Insoweit handelt es sich um Randaspekte der Holzmüller-Doktrin, von denen ihre eigentliche materielle Kernaussage, dass nämlich eine ungeschriebene Zuständigkeit der Gesellschafter bei schwerwiegenden Strukturmaßnahmen besteht, welche die Mitgliedsrechte zu mediatisieren drohen, zu trennen ist.

Fünfter Teil

Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der Europäischen Aktiengesellschaft Nach jahrzehntelanger Vorarbeit wurde im Jahr 2001 durch die SE-VO1 die Rechtsform der Societas Europaea geschaffen. Zeitgleich wurde die Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. 10. 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer verabschiedet2. Am 22. Dezember 2004 wurde in Deutschland das Gesetz zur Einführung der Europäischen Aktiengesellschaft (SEEG) erlassen, das einerseits Regeln zur Ausführung der SE-VO3 enthält und andererseits Regeln über die Beteiligung der Arbeitnehmer4. Seit diesem Zeitpunkt steht diese neue Rechtsform auch deutschen Unternehmen zur Verfügung. Die SE-VO soll es den Unternehmen erleichtern, sich auch jenseits ihres Heimatlandes im Gemeinsamen Markt zu betätigen5. Die Rechtsform der SE eröffnet einem Unternehmen vielfältige Vorteile, die von der Ermöglichung grenzüberschreitender Verschmelzungen6 und der Ersparnis von Transaktions- und Organisationskosten7 bis hin zum leichteren Vollzug von Sitzwechseln reichen8. Darüber hinaus kommt der „Europäischen Gesellschaft“ auch ein Marketingeffekt zugute, der nicht nur nach außen wirkt, d. h. insbesondere im Vergleich zu US-amerikanischen und asiatischen Konzernen, sondern auch nach innen, indem bei europäischen Unternehmenszusammenschlüssen nationale Eitelkeiten des „betroffenen“ Unternehmens unangetastet bleiben und die Zusammenführung der Unternehmenskulturen unter dem Dach der SE erleichtert wird9. Die SE wird von einigen Stimmen als großer gesetzgeberischer

1

Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8. 10. 2001, ABl Nr. L 294, S. 1 ff. ABl. EG L 294/22 ff. vom 10. 11. 2001 (im Folgenden SE-RL). 3 Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (SE-Ausführungsgesetz – SEAG). 4 Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SEBeteiligungsgesetz – SEBG). 5 Erwägungsgrund (1) der SE-VO. 6 Vgl. Art. 17 ff. SE-VO und Erwägungsgrund (2) der SE-VO. 7 Vgl. die Reorganisation von Holdinggesellschaften nach den Art. 32 ff. SE-VO. 8 Vgl. Erwägungsgrund (11) der SE-VO. 9 Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, SE-VO Einl. Rn. 32; vgl. auch Erwägungsgrund (3) der SE-VO, der von „psychologischen Schwierigkeiten“ bei der Verwirklichung von Umstrukturierungsmaßnahmen, an denen Unternehmen verschiedener Mitgliedsstaaten beteiligt sind, spricht. 2

136

5. Teil: Informationspflichten in der Europäischen Aktiengesellschaft

Wurf gefeiert10, von anderen als „europa- und ordnungspolitische Missgeburt“ bezeichnet11. Im Gesamtkontext des europäischen Gesellschaftsrechts ist die SE gleichwohl als Meilenstein zu betrachten12. Inwieweit sich die SE in der Praxis bewähren wird, ist derzeitig noch schwierig zu beurteilen. In Deutschland haben zum gegenwärtigen Stand von den Großunternehmen allein die Allianz, die BASF, die Porsche Holding, MAN B&W Diesel, Bilfinger Berger und – temporär – Fresenius den Schritt zur SE. Insgesamt dürfte sich die Zahl der am Markt tätigen deutschen SE auf knapp 20 belaufen13.

A. Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die „deutsche SE“ Während die Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf andere Rechtsformen aus der Perspektive ihres Schutzzwecks grundsätzlich möglich ist, kann eine konkrete Übertragung auf die einzelne Rechtsform nur dann erfolgen, wenn aus ihrer Organisationsverfassung hervorgeht, dass die Gesellschafter in grundlegenden Angelegenheiten zuständig sind und deren Zuständigkeiten nicht abschließend geregelt worden sind.

I. Strukturelle Vergleichbarkeit der SE mit der AG 1. Organisationsverfassung der SE Während das ursprüngliche Konzept auf eine umfassende und abschließende Kodifikation einer in der gesamten EG einheitlichen Rechtsform abzielte14, konnten infolge nationaler Widerstände letztlich nur fragmentarische Regelungen zur SE erlassen werden. Aus diesem Grund verweist die SE-VO vielfach in nationales Recht15. Durch diese Verweisungstechnik wird deutlich, dass die SE in wichtigen Fragen der Organisationsverfassung Parallelen zur AG aufweist. Von den Regelungen, die durch die SE-VO getroffen werden, ist Art. 38 SE-VO die grundlegende Norm für die Organisationsstruktur der SE. Er sieht vor, dass die SE als Organe neben der Hauptversammlung auch ein Leitungsorgan hat. 10 Vgl. Hopt, der vom „Flaggschiff des europäischen Gesellschaftsrechts“ spricht, ZIP 1998, 96, 99. 11 So die harsche Kritik von Wiesner, ZIP 2001, 397 f. 12 Vgl. Lutter, in: SE-Kommentar, SE-VO Einl. Rn. 44. 13 Vgl. die Erhebung von www.seeurope-network.org. 14 Vgl. die Verordnungsvorschläge der Kommission aus den Jahren 1970 (Verordnungsvorschlag über das Statut einer Societas Europaea, ABI. EG Nr. C/1 ff. vom 10. 10. 1970) und 1975 (Vorschlag einer Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft, Bulletin der EG, Beilage 4/1975, S. 1 ff.). 15 Vgl. die Verweisungen in Art. 9 Abs. 1 lit c), Art. 52 S. 2 SE-VO.

A. Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die „deutsche SE“

137

a) Verwaltung, Art. 39 ff. SE-VO Gemäß Art. 38 lit b) SE-VO steht es in der Disposition des Satzungsgebers, die Organisationsverfassung der SE dualistisch mit Leitungs- und Aufsichtsorgan oder monistisch mit nur einem Verwaltungsorgan zu gestalten. Im dualistischen System ist der Vorstand gem. Art. 39 Abs. 1 SE-VO in eigener Verantwortung zur Geschäftsführung zuständig. Er wird gemäß Art. 40 Abs. 1 SEVO vom Aufsichtsrat überwacht. Auch im monistischen System ist der Verwaltungsrat allein für die Geschäftsführung zuständig, vgl. Art. 43 Abs. 1 SE-VO. Insoweit geht die SE-VO von einer einheitlichen Leitung durch das Leitungsorgan aus, unabhängig davon, ob die SE monistisch oder dualistisch strukturiert ist16. b) Hauptversammlung, Art. 52 SE-VO Gemäß Art. 52 SE-VO beschließt die Hauptversammlung in denjenigen Angelegenheiten, für die ihr durch die SE-VO oder die SE-Ergänzungsrichtlinie die alleinige Zuständigkeit übertragen wurde17. So sieht die SE-VO Zuständigkeiten der Hauptversammlung bei diversen Gründungsarten vor18. Ferner ist die Hauptversammlung zuständig für die Sitzverlegung der SE19, die Bestellung der Organe20, Satzungsänderungen21 und nicht zuletzt für die Rückumwandlung in eine nationale Aktiengesellschaft22. Für nicht durch die SE-VO geregelte Bereiche wird gem. Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO auf das nationale Recht des Sitzstaates verwiesen. Damit lässt sich festhalten, dass bereits durch die in der SE-VO getroffenen Regelungen hinsichtlich der Organisationsstruktur eine gewisse Parallele zu den kodifizierten Grundlagenkompetenzen der Hauptversammlung in der AG besteht. 2. Weitere Gesichtspunkte für eine strukturelle Vergleichbarkeit Die Vergleichbarkeit der SE mit der AG wird nicht nur durch die Wesensmerkmale in Art. 1 SE-VO nahegelegt. Auch Erwägungsgrund 13 der SE-VO deutet darauf hin, 16

Behrens, in: Hdb EU-Wirtschaftsrecht, Teil E, Rn. 162. Angemerkt sei, dass die SE-Ergänzungsrichtlinie anders als Art. 3 Abs. 3 und Art. 4 Abs. 2 des geänderten Vorschlags für die SE-Richtlinie keine Kompetenzzuweisung an die Hauptversammlung mehr enthält, vgl. Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Ergänzung des SE-Statuts hinsichtlich der Stellung der Arbeitnehmer, ABl. EG Nr. C 138 v. 29. 5. 1991, S. 8. 18 Vgl. Art. 3 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Art. 23 Abs. 1, 32 Abs. 6 S. 1 SE-VO für die Gründung einer SE unter Beteiligung einer weiteren SE und Art. 37 Abs. 7 SE-VO für die Gründung einer SE durch Umwandlung. 19 Art. 8 SE-VO. 20 Art. 39, 40, 43 SE-VO. 21 Art. 59 SE-VO. 22 Art. 66 Abs. 6 SE-VO. 17

138

5. Teil: Informationspflichten in der Europäischen Aktiengesellschaft

dass die SE als börsenfähige Kapitalgesellschaft in Form einer nationalen AG konzipiert ist. Zudem kann gem. Art. 66 SE-VO eine Rückumwandlung der SE in eine deutsche Aktiengesellschaft erfolgen, was auf eine besondere Nähe der beiden Gesellschaftsformen schließen lässt. Zudem sind die Aktionäre der SE die wirtschaftlichen Eigentümer des Unternehmens und damit die primären Risikoträger. Überdies ist die Geschäftsführung gem. Art. 39 und 43 SE-VO ausdrücklich dem Leitungsorgan zugewiesen, so dass die Aktionäre der potentiellen Gefahr ausgesetzt sind, dass diese Maßnahmen beschließt, durch welche die Vermögens- und Mitverwaltungsrechte der Aktionäre mediatisiert werden. Insoweit besteht grundsätzliche eine strukturelle Vergleichbarkeit zwischen der nationalen und der europäischen (und in Deutschland ansässigen) Aktiengesellschaft. Die Anwendbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die deutsche SE ist damit zumindest aufgrund der Vergleichbarkeit der beiden Rechtsformen denkbar.

II. Anwendbarkeit deutschen Rechts Die Frage nach der Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin ist bei der SE nicht nur eine Frage der Vergleichbarkeit der Rechtsform mit der deutschen Aktiengesellschaft, sondern vor allem eine des anwendbaren Rechts. Dabei geht es vornehmlich um die Frage, inwieweit deutsches Aktienrecht neben den Regelungen der SE-VO zur Anwendung kommt. 1. Verhältnis von Art. 52 S. 1 zu S. 2 SE-VO Ist eine strukturelle Vergleichbarkeit mit der deutschen Aktiengesellschaft festgestellt, so muss überdies deutsches Richterrecht auf die „deutsche“ SE Anwendung finden. Zu untersuchen ist daher, auf welchem Weg in der SE die Anwendung deutschen Richterrechts begründet werden kann. Eine direkte Anwendung deutschen Rechts könnte sich zunächst aus Art. 52 SEVO, der Grundnorm für die Kompetenzzuweisung an die Hauptversammlung, ergeben. Orientiert man sich allein an ihrem Wortlaut, so könnten ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung der SE bereits deshalb existieren, weil Art. 52 S. 2 SE-VO für die Zuständigkeit der Hauptversammlung „außerdem“ auf die nationalen Rechtsvorschriften verweist. Insoweit legt der Wortlaut der Vorschrift eine Gleichrangigkeit der Sätze 1 und 2 zueinander nahe. Dieser Eindruck wird durch andere Sprachfassungen bekräftigt23. Ein solches Verständnis ist jedoch nicht mit dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts vereinbar, da das mitgliedsstaatliche Aktienrecht keine den Vorgaben der SE-VO zuwiderlaufende Kompetenzverteilung anordnen kann24. 23 Vgl. die englische („furthermore“), französische („en outre“) oder italienische Sprachfassung („inoltre“). 24 Spindler, in: SE-Kommentar, Art. 52 SE-VO Rn. 8.

A. Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die „deutsche SE“

139

Nichts anderes bringt die SE-VO in Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) zum Ausdruck. Art. 52 S. 2 SE-VO tritt damit nicht gleichrangig, sondern nur ergänzend neben Art. 52 S. 1 SEVO. Daher ist vorrangig zu prüfen, ob die SE-VO hinsichtlich der unter die Holzmüller-Doktrin fallenden Strukturmaßnahmen eine abschließende Regelung trifft25. 2. Regelungslücke der SE-VO bezüglich Strukturmaßnahmen Die SE-VO enthält keine abschließende Regelung über den Schutz der Gesellschafter bei Strukturmaßnahmen. Gem. Art. 48 Abs. 1 SE-VO kann zwar die Satzung der SE eine Auflistung derjenigen Geschäfte beinhalten, für die im dualistischen System der Aufsichtsrat und im monistischen System der Verwaltungsrat ausdrücklich zustimmen müssen. Aus dieser Regelung könnte deshalb zu schlussfolgern sein, dass in der SE bei Strukturmaßnahmen mit Mediatisierungseffekt nicht die Hauptversammlung, sondern der Aufsichts- bzw. Verwaltungsrat entscheiden soll. Dafür könnte auch Art. 48 Abs. 2 SE-VO sprechen, wonach die Mitgliedstaaten für in ihrem Hoheitsgebiet ansässige SE festlegen können, welche Arten von Geschäften auf jeden Fall in die Satzung aufzunehmen sind26. Dieser Ermächtigung könnte ebenfalls zu entnehmen sein, dass die Mitbestimmung in grundlegenden Angelegenheiten bei der SE auf den Aufsichtsrat bzw. den gesamten Verwaltungsrat delegiert ist und deshalb eine Zuständigkeit der Hauptversammlung ausscheidet27. In diesem Fall wäre keine Regelungslücke vorhanden, die durch subsidiäres nationales Recht ausgefüllt werden könnte. Dem kann zumindest für den hier interessierenden Bereich der Zustimmung durch die Hauptversammlung jedoch nicht gefolgt werden. Grund dafür ist, dass selbst in Angelegenheiten, die der Zustimmung des Aufsichts- bzw. Leitungsorgans unterworfen sind, eine Partizipation der Hauptversammlung durch die SE-VO nicht ausgeschlossen wird. So bleibt es dem Leitungsorgan unbenommen, eine Angelegenheit der Hauptversammlung gem. Art. 52 i.V.m. § 119 Abs. 2 AktG vorzulegen28. Auch kann die Verweigerung der Zustimmung durch den Aufsichtsrat in der dualistischen SE dadurch ersetzt werden, dass die Hauptversammlung der Angelegenheit zustimmt29. Eine exklusive Zuweisung der Zustimmungskompetenz an den Aufsichtsrat bzw. den gesamten Verwaltungsrat kann damit dem Art. 48 Abs. 2 SE-VO nicht entnommen werden. Überdies regelt die SE-VO die Zuständigkeiten der Hauptversammlung nur fragmentarisch30. Dies ergibt sich bereits aus der 25 Spindler, in: SE-Kommentar, Art. 52 SE-VO Rn. 9; Brandt, Die Hauptversammlung der SE, S. 121, 142. 26 Deutschland hat von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht. 27 In diese Richtung wohl Schwarz, der vertritt, dass die SE-VO hinsichtlich der Zustimmungs- und Beschlussvorbehalte abschließend ist, in: SE-VO, Art. 48 Rn. 40. 28 Schwarz, SE-VO, Art. 48 Rn. 14; Teichmann, in: SE-Kommentar, Art. 48 SE-VO Rn. 14. 29 Reichert/Brandes, in: MünchKommAktG, Art. 48 SE-VO Rn. 16; Teichmann, in: SEKommentar, Art. 48 Rn. 15; Maul, in: SE-Handbuch, § 4 Rn. 28; a.A.: Manz, in: Europäische Aktiengesellschaft, Art. 48 SE-VO Rn. 24. 30 Vgl. Teichmann, in: SE-Kommentar, Art. 38 Rn. 3.

140

5. Teil: Informationspflichten in der Europäischen Aktiengesellschaft

partiellen Generalverweisung des Art. 52 S. 2 SE-VO. Darin kommt unweigerlich das Bedürfnis zum Ausdruck, mangels eigener umfassender Regelung über die Zuständigkeiten der Hauptversammlung der SE ein vollständiges Aktienrecht zur Verfügung zu stellen und die Gesellschaft damit bezüglich der wichtigsten Rechtsfragen funktionsfähig zu machen31. Aus diesem Grund kann Art. 48 Abs. 2 SE-VO hinsichtlich der Zustimmungs- und Beschlussvorbehalte durch die Hauptversammlung nicht als abschließend angesehen werden32.

3. Verweisung ins nationale Recht gem. Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO a) Eröffnung des Anwendungsbereichs von Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO Im Falle einer Regelungslücke ist dem Wortlaut des Art. 52 S. 2 SE-VO folgend auf die nationalen Rechtsvorschriften abzustellen. Teilweise wird vertreten, dass die in Anbetracht der Hauptversammlungszuständigkeiten bestehende Regelungslücke nicht durch einen Verweis auf nationales Recht zu füllen sei. Vielmehr sei diese Lücke für alle SE einheitlich durch Auslegung der SE-VO und im Wege der Rechtsfortbildung durch den EuGH zu schließen, so dass es letztlich zu keiner Verweisung über Art. 52 S. 2 SE-VO ins nationale Recht komme33. Diese Annahme wird insbesondere darauf gegründet, dass Art. 52 SE-VO eine gemeinschaftseinheitliche Zuständigkeitsregelung für die Hauptversammlung entnommen wird34. Richtig ist zwar, dass die Vorgängerentwürfe der SE-VO aus den Jahren 1970 und 1975 darauf abzielten, die Europäische Aktiengesellschaft umfassend auf Gemeinschaftsebene zu regeln und insoweit auch eine einheitliche Organisationsstruktur beinhalteten35. So enthielten die Vorgängerentwürfe auch einen umfassenden und abschließenden Zuständigkeitskatalog36. Im Laufe der Diskussionen wurde dieser Ansatz jedoch aufgegeben. So sollte schon der Zuständigkeitskatalog des Entwurfs aus dem Jahre 1989 keinen abschließenden Charakter mehr haben37. Dieser Ansatz setzte sich in den nachfolgenden Entwürfen fort, in deren Lauf der Zuständigkeitskatalog letztlich durch die Verweisungsvorschrift des heutigen Art. 52 SE-VO ersetzt wurde38. Damit besteht zwar richtigerweise eine SE-spezifische Regelungslücke. Die SE31

Casper, in: FS Ulmer, S. 51, 69. A.A. wohl Schwarz, SE-VO, Art. 48 Rn. 40, der jedoch an anderer Stelle von der Geltung der Holzmüller-Grundsätze in der SE ausgeht, vgl. Art. 52 Rn. 35. 33 Brandt, Die Hauptversammlung der SE, S. 105, 131. 34 Brandt, Die Hauptversammlung der SE, S. 91. 35 Trojan-Limmer, RIW 1991, 1010 f. 36 Vgl. Art. 83 SE-VOV 1970 und 1975. 37 Vgl. SE-VOV 1989, Begründung, S. 33. 38 Kubis, in: MünchKommAktG, Art. 52 SE-VO Rn. 20; a.A.: Marsch-Barner, der von einer Sperrwirkung der Vorschriften der SE-VO ausgeht, in: FS Happ, S. 165, 171. 32

A. Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die „deutsche SE“

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VO basiert dabei jedoch auf dem Gedanken, dass sie selbst weder direkt noch indirekt ein konsistentes System der Hauptversammlungskompetenzen zur Verfügung stellen kann39. Dieses Selbstverständnis wird durch die bloße Existenz von Art. 52 S. 2 SEVO unterstrichen, in dem national abweichende Zuständigkeitsstrukturen aufgrund seiner Verweisungsstruktur angelegt sind. Insoweit ist davon auszugehen, dass die SE-VO allein die grundsätzliche Struktur der SE regelt und diese somit nicht durch nationalstaatliche Zuständigkeitsregelungen unterlaufen werden darf40. Damit darf der Hauptversammlung zwar nicht eine vollständige Kompetenz für die Geschäftsführung eingeräumt werden. Aus der SE-VO ergibt sich jedoch nicht, dass der Hauptversammlung in einzelnen grundlegenden Geschäftsführungsangelegenheiten ein Beschlussrecht zwingend zu verweigern ist41. Der Eröffnung des Anwendungsbereichs des Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO steht auch nicht eine auf Gemeinschaftsrecht basierende, ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz entgegen. Eine solche würde als höherrangiges Recht bereits nach allgemeinen Grundsätzen eine Geltung von nationalem Aktienrecht ausschließen. Zwar ist dem Gemeinschaftsrecht das Bestehen ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten nicht unbekannt. So ist etwa anerkannt, dass eine entsprechende Zuständigkeit besteht, wenn die betriebliche Mitbestimmung durch das Leitungs- bzw. das Verwaltungsorgan neu verhandelt wird42. Bezüglich Strukturmaßnahmen fehlt dagegen bisher eine entsprechende gemeinschaftsrechtliche Rechtsfortbildung, so dass es bei dem Bestehen einer Regelungslücke bleibt. b) Verweis auf deutsches Aktienrecht gem. Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO Aufgrund der Regelungslücke der SE-VO hinsichtlich Strukturmaßnahmen ist die Hauptversammlung der SE über Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO auch für diejenigen Angelegenheiten zuständig, die der Hauptversammlung einer dem deutschen Recht unterfallenden Aktiengesellschaft aufgrund der deutschen Rechtsvorschriften übertragen worden sind. aa) Entbehrlichkeit der Holzmüller-Doktrin durch § 44 Abs. 2 SEAG Bevor das für die deutsche Aktiengesellschaft geltende Recht herangezogen wird, ist es jedoch geboten, zunächst auf die deutschen Regeln abzustellen, die spezifisch für die SE erlassen wurden. Der Wortlaut des Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO ist daher 39

Ähnlich: Spindler, in: SE-Kommentar, Art. 52 SE-VO Rn. 9 f. Spindler, in: SE-Kommentar, Art. 52 SE-VO Rn. 9 f.; Kalss/Greda, GesRZ 2004, 91 f.; Artmann, wbl 2002, 189, 196. 41 Das Fehlen eines solchen Geschäftsführungsverbots räumt auch Brandt ein, Die Hauptversammlung der SE, S. 109. 42 Spindler, in: SE-Kommentar, Art. 52 SE-VO Rn. 22. 40

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5. Teil: Informationspflichten in der Europäischen Aktiengesellschaft

entsprechend auszulegen43. Eine Regelung der Zuständigkeit bei Strukturmaßnahmen in der monistisch verfassten SE könnte in § 44 Abs. 2 des SEAG44 gesehen werden. Danach haben die geschäftsführenden Direktoren „die Anweisungen und Beschränkungen zu beachten, die im Rahmen der für die SE geltenden Vorschriften die Satzung, der Verwaltungsrat [und] die Hauptversammlung […] für die Geschäftsführungsbefugnis getroffen haben“. Dem Wortlaut des § 44 Abs. 2 SEAG könnte entnommen werden, dass die Hauptversammlung von sich aus der Geschäftsführung Weisungen erteilen und dadurch deren Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis Grenzen unterwerfen kann. In einem solchen Fall wäre das Abstellen auf die Holzmüller-Doktrin überflüssig, da die Aktionäre es selbst in der Hand hätten, einer Mediatisierung ihrer Vermögens- und Verwaltungsrechte entgegen zu wirken. Ein derartiges Weisungsrecht würde jedoch der durch die SE-VO vorgegebenen Kompetenzverteilung zwischen Verwaltungsrat und Hauptversammlung widersprechen. Aufgrund der wortlautmäßigen Vergleichbarkeit zu § 82 Abs. 2 AktG ist vielmehr von einem deklaratorischen Charakter der Norm auszugehen45. Die Norm soll insoweit nicht die Kompetenzfelder der Hauptversammlung erweitern, sondern lediglich auf die Vorschriften hinweisen, die eine Beschränkung der Vertretungsmacht ermöglichen46. Damit ist in erster Linie die Zuständigkeit der Hauptversammlung für die satzungsmäßige Festlegung des Unternehmensgegenstands angesprochen, an der sich die Geschäftsführung zu orientieren hat47. Aufgrund des deklaratorischen Charakters von § 44 Abs. 2 SEAG ist eine SE-spezfische Regelung der Hauptversammlungskompetenzen bei Strukturmaßnahmen nicht anzuerkennen.

bb) Verweis auf deutsches Richterrecht Durch den Verweis des Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO ist zunächst einmal das kodifizierte deutsche Aktienrecht erfasst, das jedoch keine Regelung über die Hauptversammlungszuständigkeiten bei Strukturmaßnahmen enthält. Unklar ist bei der partiellen Generalverweisung des Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO, ob diese auch deutsches Richterrecht erfasst. Dabei sei an dieser Stelle daran erinnert, dass die HolzmüllerDoktrin auch wenn sie nicht das Ergebnis einer offenen Rechtsfortbildung ist, sondern dogmatisch mit einer Gesamtanalogie begründet werden muss, letztlich Richterrecht darstellt. Unter diesem Gesichtspunkt könnte eine Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die SE scheitern, da sich Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO auf Rechtsvorschriften bezieht. Damit ist jedoch dem Wortsinn nach nur geschriebenes Recht angesprochen. Dass es sich dabei lediglich um eine ungenaue Formulierung 43

Im Ergebnis wohl auch: Spindler, in: SE-Kommentar, Art. 52 SE-VO Rn. 7. Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) NR. 2157/2001 des Rates v. 8. 10. 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (SE-Ausführungsgesetz – SEAG) (BGBl. 2004 I, 3675). 45 Manz, in: Europäische Aktiengesellschaft, Art. 43 SE-VO Rn. 161. 46 Hefermehl/Spindler, in: MünchKommAktG, § 82 Rn. 23 f. 47 Teichmann, in: SE-Kommentar, Anh. Art. 43 SE-VO (§ 44 SEAG), Rn. 6. 44

A. Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die „deutsche SE“

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handeln soll, erscheint unwahrscheinlich, zumal im gleichen Satz auch der Oberbegriff des „Rechts“ verwendet wird, so dass es naheliegt, dass mit den Rechtsvorschriften ein engeres Verständnis bezweckt wird. Auch die Tatsache, dass durch die Rechtsvorschriften Zuständigkeiten der Hauptversammlung „übertragen“ sind, scheint ein auf geschriebenes Recht begrenztes Verständnis der Norm zu begünstigen48. Der Wortlaut der deutschen Version kann jedoch nicht allein zur Interpretation der Norm herangezogen werden. So stellt etwa die französische Version ab auf „la loi de cet tat membre“ und die englische Version auf „the law of that Member State“, so dass unzweifelhaft auch das Richterrecht von diesen Verweisungen erfasst wird49. Insoweit lässt sich der Wortlaut des deutschen Art. 52 S. 2 SE-VO weder als Argument für noch als Argument gegen eine Erfassung von Richterrecht verwenden. Viel wichtiger erscheint jedoch, dass sich andere europäischen Jurisdiktionen für ihre Rechtsfortbildung explizit auf case law stützen50. Gründe, warum diese Art der Rechtssetzung vor dem Hintergrund des Art. 52 S. 2 SE-VO für die „deutsche“ SE ausscheiden soll, sind nicht ersichtlich. Aus diesem Grund verfängt auch der Einwand nicht, dass durch einen Verweis auch auf das Richterrecht die Rechtsunsicherheit erhöht wird51. Auch ein ausreichender Schutz der Aktionäre durch ungeschriebene Zuständigkeiten nach der SE-VO existiert bis dato nicht, da die europäischen Gerichte keine diesbezügliche Rechtsfortbildung unternommen haben52. Damit sind letztlich nationale Gerichte in der Lage, durch Richterrecht ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung einer SE auszuformen53. Unabhängig von der Frage der rechtspolitischen Sinnhaftigkeit dieser Tatsache ist dies die konsequente Folge der in Art. 52 S. 2 SE-VO angelegten partiellen Generalverweisung, die landesverschiedene Ausprägungen der SE ermöglicht. Zudem ist aufgrund der Normenhierarchie sichergestellt, dass das von der SE-VO vorgesehene Grundkonzept der Kompetenzverteilungen nicht unterlaufen wird. Einen solchen Widerspruch zum Konzept der SE-VO stellt die Holzmüller-Doktrin gerade nicht dar. In Anbetracht der hohen Schwellen, die seit den Gelatine-Urteilen an das Vorliegen der Holzmüller-Doktrin zu stellen sind, wird durch die Zuständigkeit der Hauptversammlung in Angelegenheiten, die nur noch formal der Geschäftsführung unterfallen, nicht der von der SEVO vorgegebenen grundlegenden Kompetenzverteilung der Organe widersprochen54. Damit findet im Ergebnis die Holzmüller-Doktrin auch auf die in Deutschland ansässige SE Anwendung55.

48 Reichert/Brandes, in: MünchKommAktG, Art. 39 SE-VO Rn. 10, 17 f.; Spindler, in: SEKommentar, Art. 52 SE-VO Rn. 47; Kubis, in: MünchKommAktG, Art. 52 SE-VO Rn. 22. 49 Mayer, in: Europäische Aktiengesellschaft, Art. 52 SE-VO Rn. 10. 50 Schwarz, SE-VO, Art. 52 Rn. 35. 51 So aber Spindler, in: SE-Kommentar, Art. 52 SE-VO, Rn. 47. 52 Eberspächer, in: Spindler/Stilz, AktG, Art. 52 SE-VO Rn. 12; a.A.: Spindler, in: SEKommentar, Art. 52 SE-VO, Rn. 47. 53 Deshalb kritisch: Brandt, Die Hauptversammlung der SE, S. 131. 54 A.A.: Kubis, in: MünchKommAktG, Art. 52 SE-VO, Rn. 22.

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5. Teil: Informationspflichten in der Europäischen Aktiengesellschaft

4. Dogmatische Begründung Da die SE-VO die Zuständigkeiten der Hauptversammlung nur teilweise regelt, ist gem. Art. 52 S. 2 SE-VO ein Rückgriff auf die Kompetenznormen des deutschen Aktienrechts möglich, sofern die SE-VO keine vorrangigen Regelungen enthält. In der AG wurde die Holzmüller-Doktrin dogmatisch mit einer Gesamtanalogie zu den §§ 179, 179a, 186 Abs. 3, 262 Abs. 1 Nr. 2, 293, 319 AktG, §§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1, 123 UmwG begründet. Es stellt sich insoweit die Frage, inwieweit diese Normenkette auch innerhalb der SE herangezogen werden kann. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die SE-VO die Satzungskompetenz der Hauptversammlung selbst in Art. 59 Abs. 1 regelt. Damit kann bei der SE nicht auf § 179 AktG abgestellt werden. Keine Regelung enthält die SE-VO hingegen bezüglich Gesamtvermögensgeschäfte i.S.d. § 179a AktG56. Die Zuständigkeit der Hauptversammlung zu Kapitalerhöhungen mit Bezugsrechtsausschluss (§ 186 Abs. 3 AktG) folgt dagegen über Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO, da der Verweis des Art. 5 SE-VO nur auf die technischen Voraussetzungen der Kapitalmaßnahmen verweist, ohne die Zuständigkeit der Hauptversammlung zu adressieren57. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG ist in der SE dagegen nicht maßgeblich für die Festlegung einer Hauptversammlungskompetenz. Vielmehr enthält Art. 63, 2. HS SE-VO eine ungeschriebene gemeinschaftsrechtliche Hauptversammlungszuständigkeit: Der Wortlaut der Vorschrift verweist zwar lediglich für die Vorschriften hinsichtlich der Beschlussfassung durch die Hauptversammlung auf die Vorschriften des Sitzstaates. Darin kommt jedoch konkludent zum Ausdruck, dass der Verordnungsgeber davon ausging, dass die Hauptversammlung das für den Auflösungsbeschluss zuständige Organ ist58. Aus diesem Grund ist Art. 63, 2. HS SE-VO eine Kompetenzzuweisung zu entnehmen, die einen diesbezüglichen Rückgriff auf § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG ausschließt. Die aus den §§ 293, 319 AktG folgenden Hauptversammlungszuständigkeiten gelangen dagegen über Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO zur Anwendung in der SE59. Ferner bleibt auch ein Rückgriff auf die umwandlungsrechtlichen Vorschriften unbenommen: So sieht zwar Art. 66 SE-VO eine Regelung vor, wonach die SE ohne Auflösung wieder in eine nationale AG zurückverwandelt werden kann. Im Übrigen gilt gem. Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) jedoch nationales Umwand55 I. E. auch: Thümmel, Die Europäische Aktiengesellschaft, Teil C Rn. 258; Habersack, ZGR 2003, 724, 741; Hommelhoff, AG 1990, 422, 428 f.; Casper, in: FS Ulmer, S. 51, 63, 69; mit konzernrechtlicher Begründung: Reichert/Brandes, in: MünchKommAktG, Art. 39 SE-VO Rn. 10; Schwarz, SE-VO, Art. 52 Rn. 35; Maul, in: SE-Handbuch, § 4 Rn. 37. 56 Spindler, in: SE-Kommentar, Art. 52 Rn. 44; Baatz/Weydner, in: Jannott/Frodermann, Hdb EA, S. 210 Rn. 26. 57 Kubis, in: MünchKommAktG, Art. 52 SE-VO Rn. 17. 58 Spindler, in: SE-Kommentar, Art. 52 Rn. 23. 59 Schröder/Fuchs, in: Europäische Aktiengesellschaft, Art. 9 SE-VO Rn. 38; a.A.: Habersack, ZGR 2003, 724, 727 f., der davon ausgeht, dass aufgrund des 15. Erwägungsgrundes zur SE-VO das Konzernrecht nicht mehr zum Regelungsbereich der SE-VO zählt, gleichwohl aber die §§ 293 ff. AktG aufgrund des in Art. 10 SE-VO enthaltenen Gleichbehandlungsgebotes zur Anwendung kommen.

B. Informationspflichten des Leitungsorgans

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lungsrecht, so dass die §§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1, 123 UmwG auch in der SE zur Geltung kommen60. Insgesamt lässt sich daher die Geltung der Holzmüller-Doktrin in der SE aufgrund der Verweisung des Art. 52 S. 2 SE-VO auf eine Gesamtanalogie zu den §§ 179a, 186 Abs. 3, 293, 319 AktG, §§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1, 123 UmwG und den Art. 59 Abs. 1, 63, 2. HS SE-VO stützen. Bezüglich der Maßnahmen, die einer potentiellen Zustimmungspflicht der Hauptversammlung bedürfen, sei auf die entsprechenden Ausführungen in der AG verwiesen61.

5. Zwischenergebnis Die voranstehenden Ausführungen haben ergeben, dass die Aktionäre der „deutschen“ SE potentiell dem gleichen Mediatisierungseffekt ausgesetzt sein können wie die Aktionäre einer AG. Da die SE-VO keine diesbezügliche Regelung enthält und auch die Zustimmungserfordernisse zu Geschäftsführungsmaßnahmen keinen abschließenden Charakter haben, findet über den Verweis des Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO deutsches Recht ergänzend Anwendung. Mangels Kodifikation im SEAG findet nationales Richterrecht Anwendung mit der Folge, dass die Holzmüller-Doktrin in der SE zur Anwendung kommt. Dabei lässt sich aufgrund der ergänzend zur Anwendung kommenden Vorschriften des deutschen Aktienrechts die Holzmüller-Doktrin dogmatisch auf eine Gesamtanalogie zu den §§ 179a, 186 Abs. 3, 293, 319 AktG, §§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1, 123 UmwG stützen.

B. Informationspflichten des Leitungsorgans bei Holzmüller-Maßnahmen Steht fest, dass auch in der in Deutschland ansässigen SE die Holzmüller-Doktrin Geltung beansprucht, so schließt sich die Frage an, welche Auswirkungen dies auf die Informationspflichten des Leitungsorgans hat. Die Organisation und Durchführung der Hauptversammlung richtet sich gem. Art. 53 SE-VO nach dem jeweiligen Recht des Sitzstaates, sofern nicht die SE-VO eine eigene Regelung trifft. In zeitlicher Hinsicht erstreckt sich die „Organisation“ dabei auch auf die Vorbereitung der Hauptversammlung und deren Ablauf62. Damit umfasst der Verweis grundsätzlich sowohl hauptversammlungsvorbereitende wie auch hauptversammlungsbegleitende Informationspflichten des Leitungsorgans. Die Art. 54 – 56 SE-VO enthalten dabei Regelungen über die Häufigkeit der Hauptversammlung, deren Einberufung und die Ergänzung der Tagesordnung durch eine Aktionärsminderheit. Durch diese Vorschrif60

Vgl. Marsch-Barner, in: FS Happ, S. 165, 173, 176; Lutter, in: SE-Kommentar, SE-VO Einl. Rn. 46; Kubis, in: MünchKommAktG, Art. 52 SE-VO Rn. 18. 61 Vgl. Zweiter Teil, D. II. 62 Kubis, in: MünchKommAktG, Art. 53 SE-VO Rn. 2; Marsch-Barner, in: FS Happ, S. 165, 168.

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5. Teil: Informationspflichten in der Europäischen Aktiengesellschaft

ten werden zwar gemeinschaftseinheitlich die Teilnahme der Aktionäre und deren Einfluss auf die Tagesordnung sichergestellt. Dies gilt jedoch nicht in Anbetracht der für die sinnvolle Wahrnehmung der Aktionärsrechte erforderlichen Informationen. Nur vereinzelt enthält die SE-VO auch Angaben zu den Informationspflichten des Leitungsorgans. Im Übrigen finden damit über Art. 53 SE-VO die Regeln des AktG und des UmwG Anwendung. Dabei ist festzuhalten, dass die Aktionäre der SE ein individuelles Informationsrecht haben, das mit dem aus § 131 Abs. 1 AktG identisch ist63. Dieses individuelle Informationsrecht ist angesichts der Ausgestaltung der SE als Gesellschaft mit breitem Aktionärskreis und einer regelmäßig „großen Distanz“ zwischen der institutionalisierten Geschäftsleitung und den Gesellschaftern nicht als primäres Informationsinstrument der Gesellschafter geeignet. Diese Funktion ist deshalb wie in der AG durch ein System standardisierter Informationspflichten der Geschäftsleitung wahrzunehmen.

I. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung 1. Einberufung der Hauptversammlung Wie der Vorstand in der AG ist das Leitungsorgan der SE dazu verpflichtet, im Falle eines zu fassenden Holzmüller-Beschlusses die Hauptversammlung einzuberufen. Für den Fall, dass das Leitungsorgan dieser Verpflichtung nicht nachkommt, kann sowohl der Aufsichtsrat gem. Art. 54 Abs. 2 SE-VO i.V.m. § 121 Abs. 1 AktG die Hauptversammlung einberufen als auch eine solche über Art. 53 SE-VO i.V.m. § 122 Abs. 1 AktG von den Aktionären verlangt werden, sofern sie insgesamt mindestens fünf Prozent des Grundkapitals vertreten64. Dabei ist gem. Art. 55 Abs. 1 SE-VO zunächst ein Antrag an die Gesellschaft zu stellen. Nur wenn das Leitungsorgan dem Antrag nicht rechtzeitig Folge leistet, kann gem. Art. 55 Abs. 3 SE-VO die Einberufung durch ein Gericht oder eine Behörde erfolgen. In der Einberufung sind gem. Art. 53 SE-VO i.V.m. § 121 Abs. 3 AktG die Firma, der Sitz der Gesellschaft, Zeit und Ort der Hauptversammlung und die Tagesordnung anzugeben. Dabei haben die Aktionäre gem. Art. 53 SE-VO i.V.m. § 122 Abs. 2 S. 1 AktG das Recht, die Tagesordnung um weitere Punkte zu ergänzen, sofern sie zusammen 5 % des Grundkapitals oder den anteiligen Betrag von EUR 500.000 stellen. Eine Aufnahme der Beschlussfassung über eine Holzmüller-Maßnahme in die Tagesordnung ist dabei jedoch nur zulässig, wenn der Vorstand die Maßnahme bereits geplant hat und die konkrete Gefahr besteht, dass die Beschlusskompetenz der Hauptversammlung übergangen wird. Analog Art. 53 SE-VO i.V.m. § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AktG ist der wesentliche Inhalt der Holzmüller-Maßnahme bereits in der Einberufung der Hauptversammlung bekannt zu machen.

63 64

Vgl. Mayer, in: Europäische Aktiengesellschaft, Art. 53 Rn. 22 f. Diese Regelung wird durch Art. 55 Abs. 1 SE-VO ausdrücklich gestattet.

B. Informationspflichten des Leitungsorgans

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Die Einberufung muss gem. Art. 53 SE-VO i.V.m. § 121 Abs. 4 S. 1 AktG im elektronischen Bundesanzeiger und ggf. weiteren Geschäftsblättern bekannt gemacht werden. Die gem. Art. 53 SE-VO i.V.m. § 121 Abs. 4a AktG enthaltene Pflicht zur Weiterleitung der Bekanntmachung an elektronische Medien wird regelmäßig durch die Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger mit erfüllt werden. Börsennotierte Gesellschaften haben die zusätzlichen Angaben des § 121 Abs. 3 S. 3 AktG für die Einberufung zu beachten, die ebenfalls über Art. 53 SE-VO zur Anwendung kommen. Die Einberufungsfrist beträgt gem. Art. 53 SE-VO i.V.m. § 123 Abs. 1 S. 1 AktG dreißig Tage.

2. Veröffentlichung auf der Internetseite der Gesellschaft Die börsennotierte SE hat darüber hinaus gem. Art. 53 SE-VO i.V.m. § 124a S. 1 Nr. 3 AktG die wichtigsten Unterlagen für die Hauptversammlung auf ihrer Internetseite zugänglich zu machen65. Dies hat alsbald nach der Einberufung zu geschehen. Dabei sind die Informationen auf der Internetseite der Gesellschaft so zu platzieren, dass ein interessierter Aktionär ohne Suchen entweder direkt oder durch maximal zwei eindeutige Links auf die Informationen stoßen kann.

3. Erstellung, Auslegung und Zusendung von Unterlagen Den Normen, die gesetzliche Strukturmaßnahmen regeln und in der SE zur Anwendung kommen, ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Erstellung, Auslegung und abschriftliche Übersendung bestimmter Unterlagen als unerlässliche Voraussetzung für die Wahrnehmung der Aktionärsrechte in der Hauptversammlung ansieht. Durch eine über Art. 53 SE-VO mögliche Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs. 2 S. 1 und 2, 293f Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AktG und den §§ 63 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 125 S. 1 UmwG kann zunächst die Pflicht zur Auslegung des jeweiligen Vertrags begründet werden. Auch die Erstellung eines Berichts des Leitungsorgans über die Holzmüller-Maßnahme ist gemäß einer Gesamtanalogie zu den Art. 8 Abs. 3 S. 1, 32 Abs. 2, 37 Abs. 4 und 66 Abs. 3 SE-VO i.V.m. Art. 53 SE-VO i.V.m. §§ 186 Abs. 4 S. 2 AktG, 293a Abs. 1, 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 AktG und §§ 8 Abs. 1 S. 1, 127 S. 1, 192 Abs. 1 S. 1 UmwG zu fordern. Aus einer Gesamtanalogie zu den Art. 8 Abs. 2 S. 1 SE-VO i.V.m. Art. 53 SE-VO i.V.m. §§ 293f Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, S. 2 und §§ 63 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. 8 Abs. 1 S. 1, 63 Abs. 3, 127 S. 2, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG ergibt sich zudem, dass der Bericht ab der Einberufung der Hauptversammlung ausgelegt und den Aktionären auf Verlangen abschriftlich übersandt werden muss. Die Aktionäre können jedoch auf die Erstellung eines Berichts verzichten, wie sich aus Art. 53 SE-VO i.V.m. §§ 8 Abs. 3 S. 1, 1. HS, 125 S. 1 UmwG ergibt. 65 Zu den Anforderungen an eine „Zugänglichmachung auf der Internetseite“ vgl. die Ausführungen unter Dritter Teil, B. II.

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5. Teil: Informationspflichten in der Europäischen Aktiengesellschaft

Eine Pflicht zur Auslegung und abschriftlichen Übersendung der letzten drei Jahresabschlüsse und Lageberichte besteht aufgrund des geringen Informationsgehalts für die Beurteilung einer Holzmüller-Maßnahme nicht. Im Falle der Ausgliederung per Einzelrechtsnachfolge besteht jedoch analog Art. 53 SE-VO i.V.m. §§ 125 S. 1, 63 Abs. 1 Nr. 3 UmwG eine Verpflichtung zur Erstellung einer Einbringungsbilanz. Für den Fall des Anteilstauschs muss zudem ein Prüfungsbericht erstellt werden, wie sich über Art. 53 SE-VO i.V.m. den §§ 293b Abs. 1, 293e Abs. 1, 293f Abs. 1 Nr. 3, 293g Abs. 1, 320 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 AktG und §§ 60, 9 Abs. 1, 12 Abs. 1, 125 S. 1 UmwG ergibt. 4. Substitutionseffekt Steht fest, dass das Leitungsorgan der SE bestimmte Unterlagen auszulegen und zu übersenden hat, so stellt sich die Frage, ob die elektronische Zugänglichmachung der besagten Unterlagen samt Möglichkeit zum Herunterladen einen Dispens von diesen Pflichten bewirkt. Insoweit steht die Anwendbarkeit des Substitutionseffekts66 in Frage. Art. 53 SE-VO verweist in Bezug auf die Organisation der Hauptversammlung auf das nationale Aktienrecht, soweit die SE-VO nicht etwas anderes regelt67. Damit sind sämtliche von der SE-VO unmittelbar erfassten Regelungsbereiche von der Verweisung ausgenommen, sofern die SE-VO in diesen Spezialvorschriften nicht wiederum ausdrücklich auf das Recht der Sitzstaaten verweist68. Die Anwendung des Substitutionseffekts müsste sich damit mit dem von der SE-VO selbst geregelten System der Informationspflichten vereinbaren lassen. Die SE-VO enthält nur spärliche eigene Vorgaben über die Informationspflichten des Leitungsorgans im Vorfeld einer Hauptversammlung. Dabei besagt jedoch Art. 8 Abs. 4 SE-VO, dass für den Fall der Sitzverlegung die Aktionäre der SE mindestens einen Monat vor der Hauptversammlung, die über die Verlegung befinden soll, das Recht haben müssen, am Sitz der SE den Verlegungsplan samt Bericht des Leitungsorgans einzusehen und die unentgeltliche Aushändigung einer Abschrift zu verlangen. Ungeachtet der Formulierung als vermeidlicher kollektiver Anspruch kommt damit eine Informationspflicht des Leitungsorgans zum Ausdruck. Da Art. 8 Abs. 4 SE-VO in der SE heranzuziehen ist, soweit es um die Begründung einer Pflicht des Leitungsorgans zur Erstellung eines Holzmüller-Berichts geht, stellt sich die Frage, ob der Substitutionseffekt trotz des klaren Bekenntnisses der SE-VO für eine physische Auslegung und Übersendung Anwendung finden kann. Dies ist zu bejahen, da Art. 8 Abs. 4 SE-VO nicht als anderweitige Regelung i.S.d. Art. 53 SE-VO anzusehen ist. Dies liegt zum Einen darin begründet, dass aus der Vorschrift nicht hervorgeht, dass sie als Orientierungsmaßstab für alle Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung herangezogen werden kann. Zudem bezweckte der Richtliniengeber zum Zeitpunkt des Er66

Vgl. dazu die Ausführungen unter Dritter Teil, B. IV. 4. Inwieweit der deutsche Gesetzgeber eine derartige Anwendbarkeit der i.R.d. ARUG eingeführten Regelungen auf die SE bezweckte, ist in diesem Fall unbeachtlich, da für die Frage des anwendbaren Rechts das höherrangige europäische Recht maßgeblich ist. 68 Kubis, in: MünchKommAktG, Art. 53 SE-VO Rn. 1. 67

B. Informationspflichten des Leitungsorgans

149

lasses von Art. 8 Abs. 4 SE-VO lediglich eine Angleichung an das durch die Verschmelzungs- und Spaltungsrichtlinie eingeführte Informationssystem. Durch die Änderungsrichtlinie hat jedoch der europäische Richtliniengeber deutlich gemacht hat, dass er die elektronische Veröffentlichung von Unterlagen als adäquates Mittel für die Information der Aktionäre ansieht. Insoweit ist die wortlautmäßige Angleichung in Art. 8 Abs. 4 SE-VO zwar wünschenswert, aber aufgrund des hinter der Vorschrift stehenden Regelungsmotivs nur deklaratorisch. Für dieses Ergebnis spricht nicht zuletzt, dass Art. 53 SE-VO der Gedanke zu entnehmen ist, dass die Aktionäre nationaler und europäischer Aktiengesellschaften in Bezug auf die für die Wahrnehmung ihrer Aktionärsrechte erforderlichen Informationen gleich zu behandeln sind. Dem ist zuzustimmen, da nicht ersichtlich ist, warum ausgerechnet in Anbetracht des Berichts des Leitungsorgans für bestimmte Strukturmaßnahmen zwischen der AG und der SE differenziert werden sollte. Damit findet letztlich der Substitutionseffekt unbeschränkt auch auf die SE Anwendung. Aufgrund einer über Art. 53 SE-VO ermöglichten Gesamtanalogie zu den §§ 52 Abs. 2 S. 4, 179a Abs. 2 S. 3, 293f Abs. 3, 319 Abs. 3 S. 3, 320 Abs. 4 S. 3, 327c Abs. 5 AktG und §§ 62 Abs. 3 S. 7, 63 Abs. 4, 230 Abs. 2 S. 3 UmwG besteht demnach keine Pflicht zur Auslegung oder Übersendung der Unterlagen, wenn diese für den gleichen Zeitraum auf der Internetseite der Gesellschaft für die Aktionäre zugänglich gemacht werden und die Möglichkeit zum Download besteht.

II. Informationspflichten während der Hauptversammlung Während der Hauptversammlung hat das Leitungsorgan die Unterlagen zugänglich zu machen. Diese Verpflichtung beruht auf Art. 53 SE-VO i.V.m. §§ 176 Abs. 1 S. 1, 179a Abs. 2 S. 4, 293g Abs. 1, 319 Abs. 3 S. 4, 320 Abs. 4 S. 3, 327d S. 1 AktG, § 64 Abs. 1 S. 1 UmwG Hinsichtlich der Voraussetzungen, die mit einer Zugänglichmachung während der Hauptversammlung verbunden sind, sei auf die Ausführungen zur AG verwiesen69. Das Leitungsorgan ist darüber hinaus verpflichtet, die zu erstellenden Unterlagen zusammenfassend zu erläutern. Dies ergibt sich aus einer Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs. 2 S. 5, 293g Abs. 2 S. 1 AktG und §§ 64 Abs. 1 S. 2, 125 S. 1 UmwG.

III. Grenzen der Informationspflicht Wie schon bei der AG stellt sich auch bei der SE die Frage, unter welchen Umständen das Leitungsorgan eine Information der Aktionäre im Unternehmensinteresse unterlassen kann. Die SE-VO enthält in Art. 49 ein Verbot der Leitungsorgane, Informationen weiterzugeben, deren Verbreitung der Gesellschaft schaden könnte70. Diese 69

Vgl. Dritter Teil, C. I. Obwohl die geschäftsführenden Direktoren nicht Organe der (monistischen) SE i.S.d. Art. 38 SE-VO sind, unterliegen sie über § 40 Abs. 8 SEAG der gleichen Verpflichtung. 70

150

5. Teil: Informationspflichten in der Europäischen Aktiengesellschaft

Verschwiegenheitspflicht ist vom Gegenstand her deckungsgleich mit § 93 Abs. 1 S. 2 AktG71. Ausweislich des Art. 49, 2. HS SE-VO besteht diese Pflicht nicht, soweit eine Informationsweitergabe nach den einzelstaatlichen Bestimmungen vorgeschrieben oder zulässig oder im öffentlichen Interesse ist. Letztlich kommt damit zum Ausdruck, dass durch die SE-VO keine weitergehenden Verschwiegenheitspflichten gegenüber dem nationalen Aktienrecht eingeführt werden sollen72. Aus diesem Grund ist die Regelung des Art. 49 SE-VO auch nicht als europarechtliche Regelung zum Fragekomplex der Informationsverweigerungsgründe des Leitungsorgans der SE anzusehen. Damit kommt über die allgemeine Regel des Art. 9, 2. HS SE-VO deutsches Aktienrecht zur Anwendung. Im Ergebnis kann deshalb das Leitungsorgan in Gesamtanalogie zu den §§ 293a Abs. 2 S. 1, 293e Abs. 2, 320 Abs. 3 S. 3 AktG, §§ 8 Abs. 2 S. 1, 12 Abs. 3, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG die Offenlegung bestimmter Informationen vermeiden, wenn andernfalls dem eigenen oder einem verbundenen Unternehmen ein nicht unerheblicher Nachteil entstünde.

C. Ergebnisse des Fünften Teils 1.

Die Kernaussage der Holzmüller-Doktrin ist auf die SE übertragbar. Dies folgt aus der strukturellen Vergleichbarkeit zur AG und den Verweis auf das Organisationsrecht der AG sowie die nicht abschließende Regelung der SE-VO über den Schutz der Gesellschafter bei Strukturmaßnahmen. Ferner hat der EuGH bislang keine ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung entwickelt, die einen Rückgriff auf deutsches Recht ausschließen würde. Eine Anwendung der Holzmüller-Doktrin auf die SE ist auch nicht durch § 44 Abs. 2 SEAG ausgeschlossen. Diese Regelungslücke ist trotz des missverständlichen Wortlauts des Art. 52 S. 2, 1. Alt. SE-VO durch deutsches Richterrecht zu schließen.

2.

Dogmatisch lässt sich die Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die SE über eine durch Art. 52 S. 2 SE-VO vermittelte Gesamtanalogie zu den §§ 179a, 186 Abs. 3, 293, 319 AktG, §§ 13 Abs. 1, 65 Abs. 1, 123 UmwG und den Art. 59 Abs. 1, 63, 2. HS SE-VO begründen.

3.

Inhaltlich stimmt der Kreis potentieller Holzmüller-Maßnahmen mit dem der AG überein.

4.

Die SE-VO enthält nur vereinzelt Regelungen zu den Informationspflichten des Leitungsorgans, so dass über Art. 53 SE-VO grundsätzlich die gleichen Anforderungen zu stellen sind wie für den Vorstand einer deutschen AG. Dies gilt unabhängig davon, ob die SE monistisch oder dualistisch ausgestaltet ist.

5.

Gem. Art. 53 SE-VO i.V.m. § 124 Abs. 2 S. 2 AktG analog hat das Leitungsorgan den wesentlichen Inhalt der Maßnahme in der Einberufung bekannt zu machen. 71 72

Reichert/Brandes, in: MünchKommAktG, Art. 49 SE-VO Rn. 1. Reichert/Brandes, in: MünchKommAktG, Art. 49 SE-VO Rn. 2.

C. Ergebnisse des Fünften Teils

151

6.

Sofern die SE börsennotiert ist, sind die wesentlichen Unterlagen gem. Art. 53 SE-VO i.V.m. § 124a S. 1 Nr. 3 AktG auf der Internetseite der Gesellschaft zu veröffentlichen.

7.

Gem. Art. 53 SE-VO i.V.m. einer Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs. 2 S. 1 und 2, 293f Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AktG und den §§ 63 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3, 125 S. 1 UmwG hat das Leitungsorgan den Holzmüller-Vertrag ab Einberufung der Hauptversammlung auszulegen und den Aktionären auf Verlangen abschriftlich zu übersenden.

8.

Analog Art. 8 Abs. 3 S. 1, 32 Abs. 2, 37 Abs. 4 und 66 Abs. 3 SE-VO i.V.m. einer auf Art. 53 SE-VO gestützten Gesamtanalogie zu den §§ 186 Abs. 4 S. 2 AktG, 293a Abs. 1, 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 AktG und den §§ 8 Abs. 1 S. 1, 127 S. 1, 192 Abs. 1 S. 1 UmwG hat das Leitungsorgan einen Holzmüller-Bericht zu erstellen. Jedoch können die Aktionäre auf die Erstellung des Holzmüller-Berichts gem. Art. 53 SE-VO i.V.m. einer Analogie zu den §§ 8 Abs. 3 S. 1, 1. HS, 125 S. 1 UmwG verzichten. Geschieht dies nicht, ist der Bericht aufgrund einer Gesamtanalogie zu den Art. 8 Abs. 2 S. 1 SE-VO i.V.m. Art. 53 SE-VO i.V.m. §§ 293f Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, S. 2 AktG und §§ 63 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. 8 Abs. 1 S. 1, 63 Abs. 3, 127 S. 2, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG auszulegen und zu übersenden.

9.

Gem. Art. 53 SE-VO i.V.m.§§ 125 S. 1, 63 Abs. 1 Nr. 3 UmwG analog hat das Leitungsorgan im Falle einer Ausgliederung im Wege der Einzelrechtsnachfolge eine Einbringungsbilanz zu erstellen, die auszulegen und zu übersenden ist.

10. Gem. Art. 53 SE-VO i.V.m. einer Gesamtanalogie zu den §§ 293b Abs. 1, 293e Abs. 1, 293f Abs. 1 Nr. 3, 293g Abs. 1, 320 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 AktG und §§ 60, 9 Abs. 1, 12 Abs. 1, 125 S. 1 UmwG hat das Leitungsorgan einen Prüfungsbericht zu erstellen, sofern Bestandteil der Holzmüller-Maßnahme ein Anteilstausch ist. 11. Die Veröffentlichung der Unterlagen auf der Internetseite schließt sämtliche Pflichten zur Auslegung und Übersendung gem. Art. 53 SE-VO i.V.m. einer Gesamtanalogie zu den §§ 52 Abs. 2 S. 4, 179a Abs. 2 S. 3, 293f Abs. 3, 319 Abs. 3 S. 3, 320 Abs. 4 S. 3, 327c Abs. 5 AktG und §§ 62 Abs. 3 S. 7, 63 Abs. 4, 230 Abs. 2 S. 3 UmwG aus, sofern die Aktionäre die Möglichkeit haben, die Unterlagen auch herunterzuladen. 12. Während der Hauptversammlung sind die zu erstellenden Unterlagen der Hauptversammlung zugänglich zu machen. Dies ergibt sich aus Art. 53 SE-VO i.V.m. §§ 176 Abs. 1 S. 1, 179a Abs. 2 S. 4, 293g Abs. 1, 319 Abs. 3 S. 4, 320 Abs. 4 S. 3, 327d S. 1 AktG, § 64 Abs. 1 S. 1 UmwG analog. 13. Während der Hauptversammlung hat der Vorstand den wesentlichen Inhalt der zu erstellenden Unterlagen zusammen zu fassen. Dies ergibt sich aus einer Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs. 2 S. 5, 293g Abs. 2 S. 1 AktG und §§ 64 Abs. 1 S. 2, 125 S. 1 UmwG.

152

5. Teil: Informationspflichten in der Europäischen Aktiengesellschaft

14. In Gesamtanalogie zu den §§ 293a Abs. 2 S. 1, 293e Abs. 2, 320 Abs. 3 S. 3 AktG, §§ 8 Abs. 2 S. 1, 12 Abs. 3, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG kann das Leitungsorgan in gleicher Weise wie in der AG die Preisgabe bestimmter Informationen unterlassen, wenn deren Offenlegung dem eigenen oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen würde.

Sechster Teil

Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA Die Bedeutung der Kommanditgesellschaft auf Aktien im Wirtschaftsleben ist vergleichsweise überschaubar, gehen doch Schätzungen von einer Zahl zwischen 100 und 200 aus1. Besonderer Beliebtheit erfreut sich die KGaA dabei bei Privatbanken2 und Fußballclubs3. Gleichwohl lässt sich festhalten, dass die Prognosen derjenigen, die nach der Anerkennung von juristischen Personen als Komplementäre einer KGaA durch den wegweisenden Beschluss BGHZ 134, 392 eine Blütezeit als Rechtsform für börsenwillige Mittelständler prophezeiten4, nicht eingetreten sind. Als Grund für ihre Randexistenz wird insbesondere die Komplexität der Rechtsform angesehen5. Tatsächlich ist die KGaA als Mischform zwischen Kommanditgesellschaft und Aktiengesellschaft an der Grenze von Personengesellschafts- und Kapitalgesellschaftsrecht angesiedelt. Auch wenn sie – wie die Aktiengesellschaft – ein in Aktien untergliedertes Eigenkapital hat und im Anschluss an die AG im AktG geregelt ist, ist sie eine gegenüber dieser eigenständige Rechtsform6. Aus diesem Grund bedarf die Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA besonderer Rechtfertigung.

A. Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA I. Bedürfnis nach einer Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA Steht fest, dass die Holzmüller-Doktrin grundsätzlich auf andere Rechtsformen übertragbar ist, so ist damit noch nicht die Frage beantwortet, ob und wieweit dies in Bezug auf die KGaA der Fall sein kann. Dabei ist maßgeblich, inwieweit zwischen 1

Mertens/Cahn, in: Kölner KommAktG, Vor § 278 Rn 6. Vgl. insbesondere: Sal. Oppenheim jr. & Cie., HSBC Trinkaus & Burkhardt, M.M. Warburg, B. Metzler seel. Sohn & Co. 3 Vgl. insbesondere Borussia Dortmund, Werder Bremen, 1. FC Köln, Arminia Bielefeld, Hannover 96, MSV Duisburg, TSV 1860 München, Hertha BSC. 4 Statt vieler: Wichert, AG 2000, 268. 5 So Hüffer, AktG, § 278 Rn. 2. 6 BGHZ 134, 392, 398. 2

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

den Aktionären und den Kommanditaktionären eine vergleichbare Situation besteht. Eine Ähnlichkeit der Ausgangslagen wird dabei nahegelegt von der gesetzlichen Struktur der KGaA sowie der Allokation des wirtschaftlichen Risikos. 1. Gesetzliche Kompetenzverteilung in der KGaA Nicht nur die Tatsache, dass die KGaA im Anschluss an die AG geregelt ist, weist auf eine Verwandtschaft der beiden Kapitalgesellschaften hin7. Dass diesen eine vergleichbare gesetzliche Struktur zu Grunde liegt, wird auch durch einen Blick auf die gesetzliche Kompetenzverteilung deutlich. a) Die Geschäftsführung Die KGaA hat zwingend zwei Arten von Gesellschaftern, nämlich wenigstens einen persönlich haftenden Gesellschafter, den Komplementär, und einen oder mehrere Kommanditaktionäre. Erstere haften den Gläubigern der Gesellschaft zwingend unmittelbar, unbeschränkt und persönlich8. Auch juristische Personen können Komplementäre einer KGaA sein9. Dies führt zu Folgefragen, die sich insbesondere auf den Schutz der Kommanditaktionäre konzentrieren. Die zweite Gesellschaftergruppe stellen die Kommanditaktionäre. Sie sind am Grundkapital beteiligt10 und damit die wirtschaftlichen Eigentümer der Gesellschaft. Sie haften nicht persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Diese Differenzierung zwischen den Gesellschaftergruppen hat Auswirkungen auf die Kompetenzverteilung. Anders als in der AG liegt das Recht (und die Verpflichtung) zur Geschäftsführung und Vertretung nämlich nicht bei einem gewählten Vorstand, sondern zwingend bei den Komplementären: Diese sind geborene Geschäftsführer, d. h. bereits kraft ihrer Gesellschafterstellung Geschäftsführungsorgan gem. § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 114 – 118, 161 Abs. 2 HGB11. Bei mehreren Komplementären können wegen des abschließenden Katalogs des § 283 AktG einzelne Komplementäre von der Geschäftsführung ausgeschlossen werden, sofern wenigstens ein geschäftsführungsbefugter Komplementär verbleibt12. Die Kommanditaktionäre sind dagegen nach dem gesetzlichen Vorbild in ihrer Gesamtheit von der Geschäftsführung ausgeschlossen, vgl. § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 164 HGB. Ihnen können jedoch insbesondere durch Zustimmungsvorbehalte Geschäftsführungsbefugnisse eingeräumt werden13. 7 Aus diesem Grund wird die KGaA von Teilen des Schrifttums auch als Abart der AG betrachtet, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 972. 8 Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, § 278 Rn. 40. 9 BGHZ 134, 392 f.; Hüffer, AktG, § 278 Rn. 9a. 10 Zu beachten ist, dass sich auch Komplementäre am Unternehmen beteiligen können, sei es durch Vermögenseinlagen (§ 281 Abs. 2 AktG) oder den Erwerb eigener Aktien. 11 Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, Vor § 278 Rn. 65. 12 Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, § 278 Rn. 172. 13 Hüffer, AktG, § 278 Rn. 19.

A. Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA

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b) Der Aufsichtsrat Nach § 278 Abs. 3 i.V.m. §§ 95 ff. AktG muss die KGaA einen Aufsichtsrat haben. Er hat wie in der Aktiengesellschaft in erster Linie eine Kontrollfunktion, wie sich aus der entsprechenden Anwendung des § 111 Abs. 1 AktG ergibt. Auch kommt ihm das Informationsrecht aus § 90 AktG zu. Dennoch ist seine Stellung verglichen mit dem Aufsichtsrat einer AG schwächer ausgestaltet. Dies schlägt sich zum Einen darin nieder, dass ihm aufgrund der zwingenden Geschäftsführereigenschaft der Komplementäre keine Personalkompetenz zukommt. Zum Anderen kann er anders als sein aktienrechtliches Pendant gem. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG keinen Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte erlassen14. c) Die Hauptversammlung Das dritte Organ in der KGaA ist die Hauptversammlung gem. § 278 Abs. 3 i.V.m. §§ 118 ff. AktG. In ihr wird die Gesamtheit der Kommanditaktionäre zum Zweck der Willensbildung zusammen gefasst. Für ihre Kompetenzen ist zunächst auf § 119 AktG zu verweisen. Der Kommanditaktionär hat in der Hauptversammlung alle Rechte, die auch dem Aktionär in der AG zukommen15. 2. Allokation des wirtschaftlichen Risikos Die Kommanditaktionäre sind wie die Aktionäre in der AG die Financiers der Unternehmung16. Sie sind damit die wirtschaftlichen Eigentümer der Gesellschaft. Sie profitieren auf der einen Seite von einer Wertsteigerung der Anteile durch eine kompetente Geschäftsführung. Auf der anderen Seite sind sie jedoch auch die Primäradressaten wirtschaftlicher Risiken: Trotz der persönlichen Haftung des Komplementärs ist im Wirtschaftsleben nämlich das Gesellschaftsvermögen die wesentliche Haftungsmasse gegenüber Gesellschaftsgläubigern17. Insoweit ist bei der KGaA auffällig, dass die Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten der Kommanditaktionäre angesichts der Tatsache, dass sie faktisch die primären Risikoadressaten sind, relativ schwach ausgebildet sind: Während in der AG eine Zuständigkeit der Hauptversammlung für bestimmte grundlegende Bereiche mit dem wirtschaftlichen Risiko korrespondiert, dem die Aktionäre ausgesetzt sind, und die Hauptversammlung über den Aufsichtsrat nicht nur auf die personelle Besetzung des Vorstands Einfluss übt, sondern auch die laufende Geschäftsführung mittelbar überwacht18, ist der Einfluss der Kommanditaktionäre in der KGaA noch weiter beschränkt. Grund dafür ist 14 15 16 17 18

Kallmeyer, ZGR 1983, 57, 69. Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, § 278 Rn. 120. Jaques, NZG 2000, 401, 408. BGH, NJW 1997, 1923, 1925. Vgl. die Ausführung unter Zweiter Teil, A. III.

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

zunächst, dass üblicherweise das Zustimmungsrecht der Hauptversammlung zu außerordentlichen Geschäften (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 164 S. 1 HGB) ausgeschlossen wird. Dadurch ist die Führungskompetenz der Komplementäre mit der Leitungsmacht des Vorstands durchaus vergleichbar19. In dem Bestreben, eine Proportionalität zwischen wirtschaftlichem Risiko und Einflussnahme bzw. Kontrolle zu erhalten, müsste man vor diesem Hintergrund eigentlich von einer gegenüber dem Aufsichtsrat der AG gleichrangigen Machtposition des Aufsichtsrats der KGaA ausgehen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall, da dem Aufsichtsrat weder eine Personalkompetenz noch eine dem Kontrollrecht gem. § 111 Abs. 4 S. 2 AktG entsprechende Befugnis zusteht. Dieser Aspekt führt zum Einen dazu, dass die Komplementäre in der KGaA sogar noch größeren Entscheidungsspielraum haben, als der Vorstand in der AG. Zum Anderen kann der Aufsichtsrat die Geschäftsführung wesentlich weniger effektiv kontrollieren, als dies in der Aktiengesellschaft der Fall ist20. Insoweit bleibt zunächst festzuhalten, dass in der KGaA ein gewisses Kontrolldefizit zu Lasten der Kommanditaktionäre besteht. Mit Recht schließen sich daher die Fragen an, inwieweit dieses Kontrolldefizit rechtspolititsch gewollt ist und gewollt sein kann. Antwort auf die erste Frage liefert ein Blick auf § 278 AktG. Die in den Absätzen 2 und 3 vorgenommene Verweisungstechnik belegt, dass der Gesetzgeber die Führungsstruktur der KGaA nicht dem satzungsstrengen aktienrechltichen, sondern dem durch Privatautonomie gekennzeichneten personengesellschaftsrechtlichen Regelungsregime überantwortet hat. Insoweit ist die KGaA nicht lediglich eine Abart der AG, sondern eine eigenständige Rechtsform, an die insoweit auch eigenständige Maßstäbe anzulegen sind21. Dies heißt jedoch nicht, dass zur Beantwortung der zweiten Frage zwangsläufig die Rechtslage in der AG ausgeblendet werden muss. Gesagt ist durch die Verweisungstechnik nur, dass sich die Geltung der Holzmüller-Doktrin in der KGaA nicht bereits aus einer ipso iure angeordneten Parallelität zur AG ergibt. Da abstrakt betrachtet auch für Kommanditaktionäre die für Holzmüller-Maßnahmen typische Gefahr besteht, dass durch bestimmte Maßnahmen die Mitgliedsrechte mediatisiert werden, muss sich die Nichtgeltung der Holzmüller-Doktrin durch Besonderheiten rechtfertigen lassen, welche die KGaA von den bisher betrachteten Kapitalgesellschaften unterscheidet. Die Anwendbarkeit von Personengesellschaftsstatt Aktienrecht mag eine solche Rechtfertigung nicht zu liefern. Denn auch im Recht der Personengesellschaften ist eine Gesellschafterpartizipation an Entscheidungsvorgängen über wesentliche Maßnahmen bekannt– zu denken sei hier etwa an die sog. Grundlagengeschäfte. Dabei geht das Recht der Personenhandelsgesellschaften – ungeachtet seiner Disposivität – von seinem Leitbild sogar noch einen Schritt weiter und unterwirft sogar wesentliche Geschäftsführungsmaßnahmen einem Beschluss sämtlicher Gesellschafter (§ 116 Abs. 2 HGB). Damit wird durch die Verweisungstechnik des § 278 Abs. 2, 3 AktG die Geltung der Holzmüller-Dok19

Mertens/Cahn, in: Kölner KommAktG, § 278 Rn. 43. Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, Vor § 278 Rn. 67; Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, Vor § 278 Rn. 57. 21 BGHZ 134, 392, 398. 20

A. Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA

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trin im Grunde genommen sogar näher gelegt, als es bei einem Pauschalverweis auf das Aktienrecht der Fall gewesen wäre. Als differenzierendes Kriterium kommt insoweit nur die persönliche Haftung der Komplementäre in Betracht. Es ließe sich gegen die Übertragbarkeit der HolzmüllerDoktrin einwenden, dass die Komplementäre aufgrund ihrer unbeschränkten und persönlichen Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft einen umso größeren Einfluss auf die Geschicke einer KGaA haben müssen als der Vorstand über eine AG. In anderem Zusammenhang hat jedoch schon der BGH aufgezeigt, dass sich die selbstständigere und unabhängigere Rechtsstellung, die dem Komplementär verglichen mit dem Vorstand zukommt, nicht mit dem Element der persönlichen Haftung rechtfertigen lässt. Letztere sei gerade kein objektiver Kontrollmechanismus, da die Sorge vor persönlicher Haftung in den wenigsten Fällen dazu führe, dass der Komplementär die Geschäfte mit größerer Sorgfalt führen würde22. Genausowenig wie die persönliche Haftung das geeignete Kriterium ist, um die Machtfülle des Komplementärs zu kompensieren, kann sie diese auch legitimieren. Denn die persönliche und unbeschränkte Haftung des Komplementärs wird aufgrund der üblichen Haftungsfreistellungen lediglich im Insolvenzfalle greifen, so dass die Gefahr des Verlustes der wirtschaftlichen Existenz statuarisch minimiert ist23. Schlösse man von der persönlichen Haftung des Komplementärs auf die Notwendigkeit, ihm auch größere Entscheidungsfreiheiten als dem Vorstand einer AG zu lassen, so würde man spätestens dann in Erklärungsnotstand kommen, wenn einige Komplementäre per Satzung von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind: Unter der Prämisse, dass die persönliche Haftung Grund und Rechtfertigung für die Machtfülle der Komplementäre ist, müsste konsequenterweise den eigentlich von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Komplementären ein Minimum an Entscheidungsgewalt zugebilligt werden – was dann jedoch einer Anerkennung der Holzmüller-Doktrin „durch die Hintertür“ gleichkäme. Damit kann jedoch die persönliche und unbeschränkte Haftung der Komplementäre der Geltung der Holzmüller-Doktrin in der KGaA nicht entgegenstehen24.

3. Zwischenergebnis Aufgrund der Vergleichbarkeit der Ausgangssituationen von Aktionären und Kommanditaktionären als wirtschaftliche Eigentümer des Unternehmens und primäre Adressaten des damit verbundenen Risikos besteht in der KGaA das Bedürfnis nach einer Zuständigkeit der Hauptversammlung für strukturverändernde Maßnahmen, durch welche die Mitgliedsrechte mediatisiert werden. Dies gilt insbesondere, wenn die Geschäftsführungsbefugnis der Komplementäre aufgrund einer Abbedingung des Zustimmungsrechts der Hauptversammlung zu außerordentlichen Geschäften inhaltlich ebenso weit ausgestaltet ist wie die des Vorstands einer AG. Dabei muss 22 23 24

Vgl. BGH, NJW 1997, 1923, 1925. Vgl. BGH, NJW 1997, 1923, 1925. Zum gleichen Ergebnis für die GmbH & Co. KGaA kommt Koch, DB 2002, 1701, 1704.

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

der Umfang der Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung in der KGaA mindestens dem der aktienrechtlichen Hauptversammlung entsprechen, da die wesentlich schwächere Stellung des Aufsichtsrats durch einen entsprechenden Zuwachs der Partizipationsrechte der Kommanditaktionäre aufzufangen ist.

II. Einordnung der Holzmüller-Doktrin in das Regelungssystem der KGaA Steht fest, dass in der KGaA das grundsätzliche Bedürfnis für eine Übertragung der Holzmüller-Doktrin besteht, so ist damit nicht beantwortet, wie dies dogmatisch zu bewerkstelligen ist. Ausscheiden dürfte jedenfalls der Weg Hüffers, die Geltung der Holzmüller-Doktrin als Rechtsfortbildung auch für das Recht der KGaA zu verstehen25. Wie an anderer Stelle bereits dargelegt, kann es sich bei einer richterlichen Rechtsfortbildung nicht um eine Rechtsquelle handeln26. Die Holzmüller-Doktrin kann daher nicht unmodifiziert von der AG auf die KGaA übertragen werden. Dies gilt schon deshalb, weil nicht eindeutig ist, welche materiellrechtlichen Kernaussagen die Holzmüller-Doktrin neben der zwingenden Zuständigkeit der Gesellschafter für Strukturmaßnahmen enthält. Genannt seien dabei insbesondere die Fragen der erforderlichen Stimmenmehrheiten, die Außenwirkung der Verletzung der Holzmüller-Zuständigkeit oder das Bestehen eines etwaigen Initiativrechts der Hauptversammlung. Daher ist eine Übertragung der Holzmüller-Doktrin – angefangen mit ihrer Kernaussage – nur unter Berücksichtigung des bestehenden Regelungsrahmens in der KGaA möglich. Gleichwohl wird im vorhandenen Schrifttum – soweit die Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA überhaupt erörtert wird – in den meisten Fällen lediglich die Nicht-/Geltung der Holzmüller-Doktrin festgestellt27, ohne konkrete dogmatische Begründungsansätze zu liefern. Eine dogmatische Einordnung in das System der KGaA setzt dabei voraus, dass zunächst Klarheit über das anwendbare Recht herrscht. Dies bedarf deshalb der Erörterung, weil in der KGaA als Hybridform zwischen AG und KG neben eigenen Regelungen (§§ 279 ff. AktG) gem. § 278 Abs. 2 und 3 AktG auch aktienrechtliche und kommanditgesellschaftsrechtliche Vorschriften Anwendung finden. 1. Das anwendbare Regelungsregime Die KGaA ist auf der einen Seite Mischwesen zwischen AG und KG, auf der anderen Seite ausweislich des § 278 Abs. 1 AktG eine eigene Rechtspersönlichkeit und nach weit überwiegender Auffassung keine Spielart der einen oder anderen Rechts-

25 26 27

Hüffer, AktG, § 278 Rn. 17a. Vgl. Zweiter Teil, C. III. Statt vieler: Heermann, ZGR 2000, 61, 70 f.; Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67, 33, 64 ff.

A. Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA

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form, sondern Rechtsform sui generis28. Welches Recht für welchen Bereich gilt, wird durch die Weichenstellung der Absätze 2 und 3 des § 278 AktG geklärt. Dabei gilt gem. § 278 Abs. 2 für die Rechtsbeziehungen der Komplementäre untereinander, gegenüber den Kommanditaktionären und gegenüber Dritten das Recht der Kommanditgesellschaft und im Übrigen Aktienrecht, soweit nicht die §§ 278 ff. AktG eine abweichende Regelung treffen. Welcher Bereich durch die Holzmüller-Doktrin betroffen ist, kann nur durch einen Seitenblick auf die AG beantwortet werden: Wenn die Holzmüller-Doktrin in der AG Hauptversammlungszuständigkeiten in einem Bereich festlegt, der nach dem Wortlaut des Gesetztes eigentlich der Geschäftsführung zugewiesen ist, dann wird damit das Verhältnis zwischen Geschäftsführung und Hauptversammlung adressiert, da erstere in den Bereichen, in denen letztere ein Zustimmungsrecht hat, eine Vorlagepflicht trifft. Die Einordnung der Holzmüller-Doktrin in das Regelungsregime der KGaA muss dieser Einordnung Folge leisten29. Dabei lässt sich aus § 278 Abs. 2 AktG entnehmen, dass das Rechtsverhältnis zwischen den beiden Gesellschaftergruppen dem Recht der KG unterstellt wird. Dies führt zunächst dazu, dass aktienrechtliche Kompetenznormen für das Verhältnis zwischen Komplementär und Kommanditaktionären keine Anwendung finden. Deshalb kann eine Übertragung der Holzmüller-Doktrin auch nicht dadurch erfolgen, dass die im Rahmen der AG erarbeitete Gesamtanalogie auf die KGaA übertragen wird30. Die Einordnung der Holzmüller-Doktrin in das Regelungskonzept der KGaA richtet sich daher gem. § 278 Abs. 2 AktG nach dem Recht der Kommanditgesellschaft.

2. Konsequenzen der Geltung von Personengesellschaftsrecht Die Geltung von Personengesellschaftsrecht führt dazu, dass sich der Streit um eine Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin bei der KGaA an den personengesellschaftsrechtlichen Regeln zu orientieren hat. a) Differenzierung zwischen Geschäftsführungsmaßnahmen und Grundlagengeschäften Das Personengesellschaftsrecht zeichnet sich zunächst hinsichtlich der Reichweite der Geschäftsführungskompetenzen durch eine Differenzierung zwischen Geschäftsführungsmaßnahmen und Grundlagenmaßnahmen aus. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zur Rechtslage in der AG, wo aufgrund des Enumerationsprinzips die Zuständigkeiten der Hauptversammlung eindeutig festgelegt sind, ohne dass es weiterer Differenzierung bedarf. 28

BGHZ 134, 392, 398. A.A. Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 71 f., der das dogmatische Fundament der Holzmüller-Doktrin im Umwandlungs- und Konzernrecht erblickt, welches gem. § 278 Abs. 3 AktG direkt gilt. 30 Vgl. auch Kessler, NZG 2005, 145, 148; Fett/Förl, NZG 2004, 210 f.; Schütz/Reger, in: KGaA-Hdb, § 5 Rn. 91. 29

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

aa) Gewöhnliche und außergewöhnliche Geschäftsführung Gem. § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 114 – 118, 161 Abs. 2 HGB sind die Komplementäre zur Geschäftsführung befugt und verpflichtet. Im Gegensatz zur umfassenden Leitungsmacht des aktienrechtlichen Vorstands ist die Geschäftsführungsbefugnis nach personengesellschaftsrechtlichem Vorbild in gewöhnliche und außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen aufgeteilt. Die Befugnis zur gewöhnlichen Geschäftsführung gem. § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 116 Abs. 1 HGB umfasst diejenigen Handlungen, die der Geschäftsbetrieb gerade dieser Gesellschaft gewöhnlich mit sich bringt. Dies sind im Zweifelsfall alle Geschäfte im Handelszweig, der den Gegenstand des Unternehmens ausmacht31. Von den gewöhnlichen Geschäften sind die sog. außergewöhnlichen Geschäfte i.S.d. § 116 Abs. 2 HGB zu trennen. Davon sind Handlungen umfasst, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen und daher Ausnahmecharakter haben. Eine derartige Feststellung erfordert eine Beurteilung im Einzelfall. Jedenfalls schließt allein der Umstand, dass ein bestimmtes Geschäft noch vom Unternehmensgegenstand gedeckt ist, nicht aus, dass es dennoch außergewöhnlich ist32. Der Ausnahmecharakter des Geschäfts kann sich ergeben aus der Art des Geschäfts, seinem Inhalt, seinem Umfang oder den mit ihm verbundenen Risiken33. Vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in der Satzung bedarf eine derartige Maßnahme der Zustimmung aller Gesellschafter. Für die nicht geschäftsführenden Komplementäre folgt dies aus § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 116 Abs. 2 HGB und für die Kommanditaktionäre aus § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 164 S. 1 HGB, wobei es allgemeiner Auffassung entspricht, dass § 164 HGB über den Wortlaut hinaus auch ein Zustimmungserforderns begründet34. bb) Grundlagengeschäfte Ebenfalls der Zustimmung aller Gesellschafter unterworfen sind die sog. Grundlagengeschäfte35. Unter Grundlagengeschäften werden für gewöhnlich diejenigen Maßnahmen verstanden, die nicht mehr von der Geschäftsführungsbefugnis und der Vertretungsmacht des handelnden Organs erfasst werden36. Ferner werden zumindest diejenigen Maßnahmen als Grundlagengeschäfte eingeordnet, die ihrem Inhalt nach unmittelbar auf eine Änderung des Gesellschaftsvertrags gerichtet sind oder eine solche Änderung mittelbar dadurch bewirken, dass sie in die Rechtsbeziehungen

31

Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 116 Rn. 1. Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, § 278 Rn. 112. 33 Grunewald, in: MünchKommHGB, 164 Rn. 9; Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, § 278 Rn. 177. 34 RGZ 158, 302, 305 ff; BGHZ 76, 160, 164. 35 Für die Geltung dieser Kategorie im Bereich der KGaA siehe insbesondere OLG Stuttgart, NZG 2003, 778, 783; Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, § 278 Rn. 122. 36 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 114 Rn. 3, § 126 Rn. 3. 32

A. Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA

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der Gesellschafter untereinander eingreifen37. Darüber hinaus ist jedoch unklar und im Einzelnen höchst streitig, durch welche Merkmale ein Grundlagengeschäft charakterisiert wird und welche Maßnahmen im Einzelnen unter diese Kategorie fallen. Einigkeit besteht jedenfalls darüber, dass Satzungsänderungen sowie Geschäfte, die ihrem Inhalt nach auf eine Änderung des Gesellschaftsvertrags gerichtet sind, Grundlagengeschäfte darstellen38. Insoweit werden jedenfalls gewichtige Rechtsgeschäfte im gesellschaftsinternen Bereich umfasst39. Inwieweit auch Maßnahmen mit Außenwirkung Grundlagengeschäfte darstellen können, wird im Verlauf dieser Abhandlung zu klären sein. Aus Darstellungsgründen soll jedoch vorerst vom engen Verständnis der Grundlagenschäfte ausgegangen werden. b) Geltung des Grundsatzes der Satzungsdisposivität Ist für das Verhältnis der Gesellschaftergruppen untereinander, insbesondere für die Frage der Reichweite von Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht gem. § 278 Abs. 2 AktG das Recht der KG einschlägig, so gilt gem. § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB auch der in § 109 S. 1 HGB zum Ausdruck kommende Grundsatz der Satzungsdisposivität. Demnach können die Gesellschafter grundsätzlich privatautonom über die Ausgestaltung des Innenverhältnisses der Gesellschaft entscheiden40. Diese statuarische Flexibilität stellt einen der Vorteile dar, durch welchen die KGaA als Rechtsform charakterisiert wird. Gerade in den Fällen, in denen der Komplementär mangels Beteiligung kein Stimmrecht hat, besteht üblicherweise die Bestrebung, in weitem Umfang Kompetenzen der Hauptversammlung auf den Komplementär zu übertragen und dadurch zugleich die Flexibilität der Unternehmensführung zu stärken. Dies gilt umso mehr, als die Einberufung der Hauptversammlung nicht nur Aufwand und Kosten verursacht, sondern zudem die Geschäftsführung verlangsamt41 und überdies das Risiko der späteren Beschlussanfechtung mit sich bringt. Von dieser Ausschlussmöglichkeit wird in der Praxis weitestgehend auch Gebrauch gemacht, was nicht zuletzt durch einen Blick in die einschlägigen Formularhandbücher nahegelegt wird42.

37 Schäfer, in: GroßkommHGB, § 114 Rn. 15, § 105 Rn. 207 f.; vgl. zudem die Aufzählungen bei Baumbach/Hopt, HGB, § 126 Rn. 3. 38 Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, § 278 Rn. 123. 39 Fett/Förl, NZG 2004, 210, 212. 40 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 109 Rn. 1 f. 41 Aufgrund von § 278 Abs. 3 AktG gelten die §§ 121 ff. AktG, so dass insbesondere der § 123 Abs. 1 S. 1 AktG gilt, der eine gesetzliche Einberufungsfrist von mindestens 30 Tagen bestimmt. 42 Vgl. Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67, 33, 64 f.; Riegger/Götze, in: MünchVertragsHdb, III.3, § 5 Abs. 2.

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

c) Realtypen der KGaA Aufgrund der Satzungsautonomie besteht zudem ein weiter Spielraum, die KGaA nach den jeweiligen individuellen Bedürfnissen der Gesellschafter zu formen. So kann durch entsprechende Ausgestaltung der Satzung eine hauptversammlungs-, beirats-, aufsichtsrats- oder komplementärdominierte Gesellschaft errichtet werden43 – wobei letztere Ausprägung im Wirtschaftsleben am häufigsten anzutreffen ist. Für die Diskussion um die Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin spielen jedoch noch andere Kriterien eine Rolle und zwar zunächst, ob eine natürliche Person Komplementärin ist, die Gesellschaft also personalistisch und nicht kapitalistisch ist, sowie die Frage, ob die Gesellschaft als Publikumsgesellschaft ausgestaltet ist. Letzteres ist der Fall, wenn die Gesellschaft einen offenen und unpersönlichen Anlegerkreis besitzt und die personengesellschaftliche Beziehung der Gesellschafter von der kapitalgesellschaftlichen Beziehung der Gesellschafter als Anteilsinhaber der Gesellschaft überdeckt wird44. 3. Einordnung der Holzmüller-Doktrin Anhand der Differenzierung zwischen Geschäftsführungs- und Grundlagengeschäften ist zugleich das Terrain abgesteckt, auf dem sich die Diskussion um die Verortung von Strukturmaßnahmen im Recht der Personenhandelsgesellschaften – und damit letztlich auch in der KGaA – abspielt. Dabei lassen sich von der Diskussion im Schrifttum im Wesentlichen zwei Hauptströme erkennen, je nachdem ob die Holzmüller-Maßnahmen als außerordentliche Geschäftsführungsmaßnahmen oder als Grundlagengeschäfte eingeordnet werden. a) Holzmüller-Maßnahmen als Teil der außerordentlichen Geschäftsführung Ein Teil des Schrifttums ordnet die Holzmüller-Maßnahmen als außerordentliche Geschäftsführungsmaßnahmen ein45. Diesem Ansatz liegt das Verständnis zugrunde, dass, sobald die Gesellschaft selbst ein Geschäft tätigt, nur der Bereich der (gewöhnlichen oder außergewöhnlichen) Geschäftsführung angesprochen sein kann46. Ein Grundlagengeschäft soll demgegenüber voraussetzen, dass die Gesellschaft das Objekt der Maßnahme ist47. Sobald die Gesellschaft im Außenverhältnis in Erscheinung tritt, ist nach dieser Auffassung eine Zustimmungspflicht der Kommanditaktionäre nur über § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 164 S. 1 HGB begründbar48. 43 44 45 46 47 48

213.

Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, Vor § 278 Rn. 65, § 278 Rn. 147 ff. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1667 f. Fett/Förl, NZG 2004, 210, 212 f. Fett/Förl, NZG 2004, 210, 213. Fett/Förl, NZG 2004, 210, 212 f.; so auch: Schäfer, in: GroßkommHGB, § 114 Rn. 15. Für den Fall der Veräußerung wichtiger Unternehmensteile: Fett/Förl, NZG 2004, 210,

A. Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA

163

Diesem Ansatz ist zugute zu halten, dass aufgrund des engen Verständnisses von Grundlagengeschäften eine scharfe Abgrenzung zu den außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen möglich ist. Dies dient nicht zuletzt der Rechtssicherheit, da durch eine Einordnung als außerordentliche Geschäftsführungsmaßnahme nicht die Vertretungsmacht der Komplementäre gegenüber Dritten beeinträchtigt wird, vgl. §§ 161 Abs. 2, 126 Abs. 2 HGB, während für Grundlagengeschäfte – die schon per Definition nicht von der Geschäftsführungsbefugnis erfasst sind – konsequenterweise erst recht keine Vertretungsmacht bestehen müsste49. Dies hätte jedoch weitreichende Auswirkungen auf den Rechtsverkehr, die auch der BGH in seinem Holzmüller-Urteil vermeiden wollte50. Eine derartige Einordnung der Holzmüller-Maßnahmen muss jedoch vor allem der oben dargestellten Notwendigkeit, nämlich der Hauptversammlung eine zwingende Zuständigkeit für Strukturmaßnahmen mit Mediatisierungseffekt zu sichern51, nachkommen. Dies erscheint im Hinblick auf die personengesellschaftsrechtliche Satzungsautonomie zweifelhaft. aa) Geltung des Grundsatzes der Satzungsdisposivität in der KGaA Wie bereits dargestellt, gilt gem. § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB auch § 109 S. 1 HGB und damit der Grundsatz der Satzungsdisposivität. Während für die personalistische KGaA einhellig anerkannt ist, dass ein Ausschluss des Zustimmungsrechts der Hauptversammlung auch zulässig ist, ohne dass dieses gleichzeitig auf den Aufsichtsrat zu übertragen werden braucht52, ist dies jedoch für die kapitalistische KGaA umstritten. Stein des Anstoßes war ein obiter dictum des BGH, der in seinem wegweisenden Beschluss BGHZ 134, 392 selbst erwog „[…] Satzungsgestaltungen zu Lasten der Kommanditaktionäre nur in engeren Grenzen zuzulassen als bei der gesetzestypsischen KGaA, so etwa bei Einschränkung der ihnen nach dem Gesetz […] zustehenden Mitwirkungsbefugnisse bei außergewöhnlichen Geschäften“53. Dieser Aussage folgend befürwortet ein Teil des Schrifttums, den kompensationslosen Ausschluss des § 164 S. 1 HGB in der kapitalistischen KGaA nicht zuzulassen54. Hauptgrund für diese Erwägung ist, dass die Komplementärin in der Kapitalgesellschaft & Co. KGaA i. d. R. niedrig kapitalisiert ist und damit keine echte persönliche

49 Inwieweit bei Grundlagengeschäften eine Vertretungsmacht bei nicht bestehender Geschäftsführungsbefugnis begründet werden kann, wird unter Sechster Teil, A. II. 4. b) behandelt. 50 Vgl. BGHZ 83, 122, 129. 51 Vgl. Sechster Teil, A. I. 52 Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67, 33, 64; Hüffer, AktG, § 278 Rn. 19; Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, § 278 Rn. 113; Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, § 278 Rn. 230. 53 BGH, NJW 1997, 1923, 1925. 54 Hommelhoff, ZHR-Beiheft 67, 9, 13 ff.; Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67, 33, 64 ff.; Sethe, Kapitalgesellschaft, S. 157.

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

Haftung zu befürchten hat55. Ob jedoch gerade die persönliche Haftung einer natürlichen Person das Steuerungselement ist, das eine verschiedene Behandlung von personalistischer und kapitalistischer KGaA zu rechtfertigen vermag, darf bezweifelt werden. So stellt der BGH zu recht fest, dass die Fähigkeit, die mit dem Geschäft verbundenen Risiken und Chancen zutreffend einzuschätzen, keine Frage des Haftungsrechts ist, sondern eine Frage der unternehmerischen Qualität des Geschäftsführers56. Aus diesem Grund kann allein die Tatsache, dass bei der kapitalistischen KGaA keine natürliche Person unbeschränkt haftet, nicht zu einer gegenüber der personalistischen KGaA abweichenden Behandlung führen57. Es bleibt damit festzuhalten, dass infolge der gesetzgeberischen Grundentscheidung zugunsten einer weitreichenden Satzungsdisponibilität das Zustimmungsrecht der Kommanditaktionäre zu außergewöhnlichen Geschäften unabhängig davon abbedungen werden kann, ob es sich um eine personalistische oder kapitalistische KGaA handelt. Damit steht zugleich fest, dass das vom Gesetzgeber bereitgestellte Modell der Gesellschafterpartizipation bei bedeutsamen Maßnahmen in praxi fast nicht zum Tragen kommt und daher nicht geeignet ist, einen ausreichenden Schutz der Kommanditaktionäre sicherzustellen. bb) Die Holzmüller-Doktrin als besondere Ausgestaltung der Treuepflicht So sinnvoll die Abbedingung des aus § 164 S. 1 HGB folgenden Zustimmungsrechts auch sein mag, so führt sie dennoch dazu, dass – wenn man Holzmüller-Maßnahmen als außerordentliche Geschäftsführungsmaßnahmen qualifiziert – auch die Zuständigkeit der Hauptversammlung für Holzmüller-Maßnahmen ausscheiden müsste. Dies würde jedoch aufgrund des oben festgestellten Schutzbedürfnisses der Kommanditaktionäre zu einer Schutzlücke führen. Dies sieht auch ein Teil des Schrifttums und versucht diesem Ergebnis entgegenzuwirken, indem die Komplementäre bei Strukturentscheidungen durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gebunden sein sollen58. Diese Treuepflicht besagt, dass der Gesellschafter zur Wahrung der Interessen der Gesellschaft und zur Schonung der Interessen der Mitgesellschafter verpflichtet ist59. Von der Treuepflicht werden dabei auch die Komplementäre der KGaA erfasst, da sie – anders als der Vorstand einer AG – zwingender Weise Gesellschafter sind60. 55

Koch, DB 2002, 1701, 1704. BGH, NJW 1997, 1923, 1925. 57 Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, § 278 Rn. 369; im Ergebnis auch: Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 63. 58 Mertens/Cahn, in: Kölner KommAktG, § 278 Rn. 29; Koch, DB 2002, 1701, 1703; Fett/ Förl, NZG 2004, 210, 215; Sethe, Kapitalgesellschaft, S. 148 f.; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 63; ohne jegliche dogmatische Begründung: Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67, 33, 65 f. 59 St. Rspr., vgl. RGZ 162, 388, 394; 169, 153, 155 f.; BGHZ 30, 195, 201. 60 Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, § 278 Rn. 58 f. 56

A. Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA

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Dieser Ansatz mag jedoch nicht zu überzeugen. Grund dafür ist neben dem Inhalt der Treuepflicht und ihrem Verhältnis zu gesellschaftsvertraglichen Regelungen auch ihre vom Realtypus der Gesellschaft abhängige Ausprägung. Die Treuepflicht hat ihre Grundlage im Gesellschaftsvertrag61, wird aber auch teilweise als Ausfluss der allgemeinen von § 242 BGB umfassten Loyalitätspflicht gesehen62. Sie zielt inhaltlich auf die Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen – nicht jedoch die Interessen einer bestimmten Gesellschaftergruppe – ab. Zwar könnte man bei Strukturmaßnahmen angesichts ihrer Auswirkungen argumentieren, dass es im Gesellschaftsinteresse liegt, dass alle Gesellschafter an diesen beteiligt werden. Dies kann jedoch nur soweit gelten, wie keine anderslautende gesellschaftsvertragliche Regelung besteht, da die Treuepflicht nicht besagt, dass Gesellschafter zugunsten anderer Gesellschafter auf bestimmte Gesellschafterrechte verzichten müssen63. Aus diesem Grund ist zu widersprechen, soweit vertreten wird, dass die Treuepflichten immer im Hinblick auf die Ausübung eines formell bestehenden Rechtes wirken und sich daher nicht dadurch vermindern, dass die Satzung das Zustimmungserfordernis i.S.d. § 164 S. 1 HGB ausschließt64. Eine derartige Auffassung wäre nichts anderes als eine richterliche Inhaltskontrolle des Gesellschaftsvertrags. Für eine solche besteht jedoch außerhalb von Publikumsgesellschaften kein Bedürfnis65. Überdies würde die Rechtssicherheit gefährdet, wenn privatautonom gefundene Regelungen verstärkt der richterlichen Inhaltskontrolle überantwortet würden. Dies würde nicht zuletzt auch der Privatautonomie an sich widersprechen, da mit der Freiheit zur privatrechtlichen Gestaltung auch eine entsprechende Selbstverantwortung einhergeht. Schließlich stößt der Ansatz der Treuepflicht dort an seine Grenzen, wo die KGaA nicht personalistisch ausgestaltet, sondern einem großen und anonymen Anlegerkreis geöffnet ist. Insoweit ist nämlich anerkannt, dass die Treuepflicht abnimmt, je mehr eine Gesellschaft körperschaftlich bzw. publikumsorientiert ausgestaltet ist66. Auch der BGH greift als dogmatischen Ansatzpunkt nicht auf die Treuepflicht zurück: Zwar hat er in seinem Beschluss BGHZ 134, 392 die Treuepflicht als Grund angesehen, dass die Komplementär-GmbH einer kapitalistischen KGaA bei der Bestellung des Geschäftsführers auf die Kommanditaktionäre Rücksicht zu nehmen habe67. Er hat jedoch die ebenfalls angedachte Beschränkung der Satzungsdisposivität nicht unter dem Stichwort der Treuepflicht erörtert, sondern ohne dogmatische Be61

Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 109 Rn. 23. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 587 f. 63 BGHZ 34, 83; Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 109 Rn. 23. 64 So aber Fett/Förl, NZG 2004, 210, 215. 65 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 109 Rn. 23. 66 BGH, NJW 1985, 973 f. 67 Vgl. BGHZ 134, 392, 395 ff., der jedoch im Zusammenhang mit der Auswahl des Geschäftsführers durch die Komplementär-GmbH darauf hingewiesen hat, dass möglicherweise aufgrund der Treuepflicht Rücksicht auf die Kommanditaktionäre zu nehmen sei. 62

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

gründung gelassen68. Dass diese Differenzierung nicht nur zufälliger Natur war, wird dadurch deutlich, dass der BGH eine Begrenzung der privaten Gestaltungsfreiheit nur „durch zwingende gesetzliche Regelungen und die unabweisbaren Bedürfnisse des Rechtsverkehrs, die im wesentlichen durch die Notwendigkeiten des Gläubigerund Anlegerschutzes bestimmt werden“ anerkennt69. Hinsichtlich des Ausschlusses des § 164 S. 1 HGB kommen jedoch solche unabweisbaren Bedürfnisse des Rechtsverkehrs nicht zum Tragen, da ausschließlich die gesellschaftsinterne Entscheidungsfindung betroffen ist. cc) Zwischenergebnis Es bleibt daher festzuhalten, dass die gesellschafterliche Treuepflicht nicht geeignet ist, die Satzungsdispositvität einzugrenzen. Damit kann dem Ansatz, der die Holzmüller-Maßnahmen als satzungsfesten Bereich innerhalb der außerordentlichen Geschäftsführung ansieht, nicht zugestimmt werden. Dies führt gleichzeitig dazu, dass trotz eines nachweisbaren Bedürfnisses, der Hauptversammlung der KGaA eine ähnliche Mindestkompetenz bei mediatisierenden Strukturmaßnahmen zukommen zu lassen wie im Fall der AG, eine Schutzlücke besteht, wenn – wie regelmäßig in der Praxis – das Zustimmungsrecht des § 164 S. 1 HGB abbedungen wird. b) Holzmüller-Maßnahmen als Teil der Grundlagengeschäfte Scheidet eine Einordnung von Holzmüller-Maßnahmen als außerordentliche Geschäftsführungsmaßnahmen aus, so bleibt letztlich nur der Weg, diese als Grundlagengeschäfte einzuordnen. Gegen eine derartige Einordnung wird zwar eingewandt, dass sich Grundlagengeschäfte gerade dadurch von den Geschäftsführungsmaßnahmen unterscheiden, dass sie keine Verkehrsgeschäfte darstellen, sondern die Gesellschaft selbst Objekt der Maßnahme sei70. So griffig diese Grenzziehung auch sein mag, so kann sie schon deshalb nicht überzeugen, weil die Vertreter dieser Auffassung auch solche Maßnahmen als Grundlagengeschäfte akzeptieren, in denen die Gesellschaft nicht Objekt der Maßnahme ist und nur reflexartig betroffen wird71. Eine derart markante Differenzierung erweist sich insoweit nur auf den ersten Blick als hilfreich. Bei genauer Untersuchung muss dagegen eingeräumt werden, dass sich das weit gefasste Spektrum möglicher Grundlagengeschäfte nicht derart einfach anhand bestimmter formaler Kriterien definieren lässt. Anstelle formaler Kriterien erscheint es hilfreicher, auf die materiellen Auswirkungen der entsprechenden Maßnahmen abzustellen. Konsequenz dieser Überlegung 68

Vgl. Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, § 278 Rn. 365. BGH, NJW 1997, 1923 f. 70 Schäfer, in: GroßkommHGB, § 114 Rn. 15; Fett/Förl, NZG 2004, 210, 212. 71 Vgl. etwa die Freistellung des Komplementärs vom Wettbewerbsverbot, den Widerruf einer dem Kommanditisten erteilten Prokura oder den Entzug der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers, dem zustimmend aber: Fett/Förl, NZG 2004, 210, 213. 69

A. Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA

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ist, dass Maßnahmen, die zwar formal noch in den Bereich der (außerordentlichen) Geschäftsführung fallen, aufgrund ihrer materiellen Auswirkung in den Bereich der Grundlagengeschäfte „hereinwachsen“. Damit handelt es sich bei einer Strukturmaßnahme nicht um ein aliud zur außerordentlichen Geschäftsführungsmaßnahme, sondern um ein maius72. Vor diesem Hintergrund gewinnt erneut die Aussage des BGH an Bedeutung, wonach die Auswirkung einer Holzmüller-Maßnahme selbst an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreichen muss73. Da Satzungsänderungen unzweifelhaft in den Grundlagenbereich fallen, muss dies auch für Holzmüller-Maßnahmen gelten74. Dafür spricht nicht zuletzt, dass eine Maßnahme, die eine derartige Eingriffstiefe aufweist, allenfalls formal noch als Geschäftsführung bzw. Unternehmensleitung angesehen kann, rechtstatsächlich aber die Umgestaltung des Unternehmens darstellt75. Insoweit sind unter Grundlagengeschäften auch solche Geschäfte der Gesellschaft zu verstehen, die so schwerwiegend in die Struktur der Gesellschaft und damit in die Rechte und Pflichten der Gesellschaft eingreifen, dass sie einer Änderung des Gesellschaftsvertrags gleichstehen76. Damit unterfallen sowohl rein gesellschaftsinterne Maßnahmen als auch – in Ausnahmefällen – Maßnahmen mit Außenwirkung dem Bereich der Grundlagengeschäfte. Insoweit lassen sich die gesellschaftsinternen Maßnahmen als „Organisationsgeschäfte“ bezeichnen77, während letztere – neben der bereits verwandten Begrifflichkeit „Strukturmaßnahme“ – teils auch als „geschäftsführungsbezogene Grundlagengeschäfte“ bezeichnet werden78. 4. Folgefragen einer Einordnung der Holzmüller-Maßnahmen als Grundlagengeschäfte Diese – dem personengesellschaftsrechtlichen Einschlag der KGaA geschuldete Einordnung der Holzmüller-Doktrin – zieht eine Reihe weiterer Fragen nach sich.

72 Dieser Gedankengang liegt auch erkennbar dem Urteil des OLG Stuttgart zugrunde, das die betreffenden Maßnahmen zunächst unter § 164 S. 1, 2. HS HGB prüfte und im Anschluss als Grundlagengeschäft subsumierte, vgl. NZG 2003, 778, 783; tendenziell auch: Mertens/Cahn, in: Kölner KommAktG, § 278 Rn. 65. 73 BGH, NJW 2004, 1860, 1863 f. („Gelatine II“). 74 So auch: OLG Stuttgart, NZG 2003, 778, 783; Semler/Perlitt, in: MüchKommAktG, § 278 Rn. 180; Kessler, NZG 2005, 145, 148; Heermann, ZGR 2000, 61, 66, 70; so auch: Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, § 285 Rn. 17, Vor § 278 Rn. 102, die jedoch aufgrund dieser Differenzierung zum Ergebnis kommen, dass für die Holzmüller-Doktrin in der KGaA kein Bedarf besteht, vgl. § 278 Rn. 123. 75 Für die AG: Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230. 76 Emmerich, in: Heymann, HGB, § 114 Rn. 3; Horn, in: Heymann, HGB, § 164 Rn. 7; Krebs, in: Münch-KommHGB, § 49 Rn. 23 ff.; Jickeli, in: MünchKommHGB, § 116 Rn. 6. 77 Differenzierung nach: Priester, DStR 2007, 28 f.; ähnlich auch: K. Schmidt, in: FS Röhricht, S. 511, 524. 78 So Kessler, NZG 2005, 145, 148.

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

a) Abdingbarkeit der Hauptversammlungszuständigkeit für Grundlagengeschäfte Kann eine Einordnung der Holzmüller-Maßnahmen nur unter dem Begriff der Grundlagengeschäfte erfolgen, so schließt sich die Frage an, inwieweit entsprechende Kompetenzen der Hauptversammlung abbedungen werden können. Ein Ausschluss der Hauptversammlungskompetenzen würde in der Praxis zu einer gewissen Vereinfachung der Entscheidungsprozesse beitragen. Andererseits sind Strukturmaßnahmen Ausnahmesituationen, die in aller Regel sehr sorgfältig und mit größerem zeitlichem Vorlauf geplant werden. Jedenfalls würde ein derartiger Freiraum gewisse Haftungsrisiken nach sich ziehen, da gem. § 283 Nr. 3 AktG die aktienrechtliche Haftung des § 93 Abs. 1 AktG Anwendung findet79. aa) Satzungsautonomie in Bezug auf Hauptversammlungskompetenzen Aufgrund der Geltung des Grundsatzes der Satzungsdisposivität liegt eigentlich der Schluss nahe, dass die Zuständigkeiten der Hauptversammlung soweit abbedungen werden können, wie sie nicht gegen Gesetz oder die von Judikatur und Schrifttum entwickelten Schranken – namentlich die Kernbereichslehre – verstoßen. Gleichwohl ist umstritten, inwieweit diese personengesellschaftsrechtliche Erkenntnis unmodifiziert auf die Rechtslage in der KGaA übertragen werden kann. (1) Erste Auffassung: Keine Abdingbarkeit der Hauptversammlungszuständigkeiten Zunächst gibt es eine Literaturansicht, wonach die Zuständigkeiten der Hauptversammlung grundsätzlich als satzungsfest angesehen werden80. Dabei wird vornehmlich versucht, die §§ 278 ff. AktG vor historischem Hintergrund auszulegen und daraus eine zwingende Zuständigkeit der Hauptversammlung abzuleiten. So verweist Knur auf die Besonderheit, dass gem. § 285 Abs. S. 1 AktG die Komplementäre der Hauptversammlung zustimmen müssen, während die Vorgängervorschrift § 180g ADHGB noch davon ausging, dass die „Abänderung des Gesellschaftsvertrags nicht ohne Beschluss der Generalversammlung der Kommanditisten erfolgen kann“. Aus dieser Formulierung des § 285 Abs. 2 S. 1 AktG liest Knur, dass der Schwerpunkt der Zuständigkeitsordnung nunmehr auf die Hauptversammlung ver79

OLG München, AG 2000, 426 f. Knur, in: FS Flume, S. 173, 184 f.; zumindest für die Rechtslage in der GmbH & Co. KG: Wichert, AG 2000, 268 ff.; zum gleichen Ergebnis (allerdings ohne dogmatische Begründung) kommen auch: Ladwig/Motte, DStR 1996, 800, 805; Semler, in: Geßler/Hefermehl, AktG, § 278 Rn. 135 und Ihrig/Schlitt, ZHR-Beiheft 67, 33, 64 f.; Heermann, ZGR 2000, 61, 70 f., wobei die Vertreter dieser Ansicht größtenteils inkonsequent sind, indem sie etwa für die Aufnahme neuer Komplementäre von der zwingenden Hauptversammlungszuständigkeit absehen, vgl. nur Mertens, in: Kölner KommAktG, § 278 Rn. 22 und § 285 Rn. 17. 80

A. Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA

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legt worden sei und damit gleichzeitig auch nicht mehr dispositiv sein könne81. Diese Interpretation überspannt jedoch den Wortlaut. Dieser ist vielmehr Folge der Tatsache, dass der § 285 AktG in der gesetzestypischen KGaA auf chronologische Weise das Verfahren der Beschlussfassung wiedergibt. Danach bedürfen Beschlüsse der Hauptversammlung (Abs. 1) unter bestimmten Voraussetzungen der Zustimmung der Komplementäre (Abs. 2) und sind zudem zum Handelsregister einzureichen (Abs. 3). Eine Verlegung des Schwerpunkts der Zuständigkeitsordnung auf die Hauptversammlung kann damit nicht konstatiert werden. Zudem hat der Gesetzgeber durch den Verweis des § 278 Abs. 2 AktG deutlich gemacht, dass er die Verhältnisse zwischen den Gesellschaftergruppen einer flexiblen Handhabung unterstellen wollte. Aus diesem Grund kann nicht von einer grundsätzlichen Satzungsstrenge bezüglich Hauptversammlungszuständigkeiten in der KGaA ausgegangen werden. (2) Zweite Auffassung: Grundsätzliche Abdingbarkeit der Hauptversammlungszuständigkeiten Überwiegend wird anerkannt, dass die Gesellschafter im Grundsatz hinsichtlich der Zuständigkeiten der Hauptversammlung zu Grundlagengeschäften individuelle Regelungen treffen können82. Richtigerweise kann jedoch diese Feststellung nicht unterschiedslos auf alle Grundlagengeschäfte erstreckt werden. Im Gegensatz zur KG richtet sich nämlich in der KGaA ein Teil der Grundlagengeschäfte nicht nach Personengesellschaftsrecht, sondern nach Aktienrecht. Diese Untergliederung des Bereichs der Grundlagengeschäfte für die KGaA ist nur die konsequente Fortsetzung der durch die Weichenstellung der § 278 Abs. 2 und 3 AktG angelegten Zweiteilung83. Nach dieser Zweiteilung ist die Führungsstruktur durch das Recht der Personenhandelsgesellschaften geprägt und die Kapitalstruktur durch das Recht des Aktienrechts (und damit gem. § 278 Abs. 3 i.V.m. § 23 Abs. 5 AktG dem Grundsatz der Satzungsstrenge unterworfen)84. Damit sind das Grundkapital berührende Entscheidungen, wie etwa die Kapitalaufbringung, -erhaltung, -erhöhung und -herabsetzung einschließlich des Bezugsrechtsauschlusses und der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen dem gesellschafterlichen Gestaltungsspielraum entzogen85. Zweifelhaft ist allerdings, ob auch die Holzmüller-Maßnahmen als aktienrechtliche Grundlagengeschäfte einzuordnen sind. Hiergegen spricht, dass die Holzmüller-Doktrin kein aktienrechtliches Institut ist86 und durch die Holzmüller-Doktrin keine Fragen der Kapitalstruktur angesprochen sind. Sie berühren schwerpunktmäßig nicht die 81

Knur, in: FS Flume, S. 173, 184 f. OLG Köln, AG 1978, 17 ff.; Hüffer, AktG, § 278 Rn. 18; Mertens/Cahn, in: Kölner KommAktG, Vorb § 278 Rn. 4; Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, Vor § 278 Rn. 31 ff. 83 Heermann, ZGR 2000, 61, 66 f.; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 66; Wichert, AG 1999, 362, 366; Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, § 278 Rn. 124; Mertens/ Cahn, in: Kölner KommAktG, § 278 Rn. 87; Sethe, Kapitalgesellschaft, S. 111 ff. 84 Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG Vor § 278 Rn. 29. 85 Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 66. 86 Vgl. Vierter Teil. 82

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

stringenten und als Ausgleich zu der nur beschränkten Haftung der Kommanditaktionäre zu sehenden Gläubigerschutzregelungen, sondern die gesellschaftsinterne Kompetenzverteilung bei grundlegenden Geschäften87. Teilweise wird angeführt, dass eine Abdingbarkeit der Grundlagengeschäfte soweit auszuscheiden habe, wie in der AG die Hauptversammlung zur Entscheidung berufen sei88. Dem kann in dieser Pauschalität ebenfalls nicht gefolgt werden, da sich die KGaA gegenüber der AG gerade dadurch abhebt, dass die Führungsstruktur personengesellschaftsrechtlicher Flexibilität unterworfen ist. Auch folgt eine pauschale Unabdingbarkeit der Holzmüller-Maßnahmen nicht daraus, dass bestimmte Grundlagengeschäfte wie etwa Umwandlungsmaßnahmen und Konzernierungsmaßnahmen (§§ 291 ff., 327a AktG) der gesellschafterlichen Disposition entzogen sind, da die zwingende Zuständigkeit der Hauptversammlung insoweit gesetzlich angeordnet ist und eine entsprechende Unabdingbarkeit auch auf dem Boden einer vermeintlichen Einordnung als personengesellschaftsrechtliche Grundlagengeschäfte erklärt werden kann, da deren Abdingbarkeit ihre Grenzen in den gesetzlichen Regelungen findet89. Für eine Anwendung des Grundsatzes der Satzungsstrenge auf Holzmüller-Maßnahmen könnte viel eher die Tatsache sprechen, dass nach h.M. § 179a AktG analog bzw. über § 278 Abs. 3 AktG auf die KGaA anzuwenden ist90. Daraus folgt zwar, dass diese Zustimmungskompetenz der Hauptversammlung zwingend ist. Ob man diesem Verweis die weitergehende Aussage entnehmen kann, dass alle Strukturmaßnahmen – und zwar unabhängig davon, ob sie die Kapitalstruktur oder die Führungsstruktur betreffen – dem Grundsatz der Satzungsstrenge unterfallen, dürfte dagegen wohl abzulehnen sein. Gegen eine solche Schlussfolgerung sprechen schon generelle systematische Erwägungen. Die Zuständigkeit der Hauptversammlung für Gesamtvermögensgeschäfte ist nämlich nicht Resultat eines Verweises von § 278 Abs. 3 AktG auf § 179a AktG, sondern ergibt sich schon aus § 278 Abs. 2 AktG, da es sich beim Gesamtvermögensgeschäft um ein Grundlagengeschäft handelt, das nicht die Kapitalstruktur der Gesellschaft tangiert, sondern die Führungsstruktur der Gesellschaft91. Dies wird teilweise im Schrifttum verkannt, wenn die Geltung des § 179a AktG über § 278 Abs. 3 AktG befürwortet wird. Grund für diese Ansicht dürfte sein, dass allein auf die Beteiligung der Hauptversammlung beim Gesamtvermögensgeschäft abgestellt wird, ohne dabei den Gesichtspunkt der Satzungsstrenge bei der dogmatischen Begründung der Hautpversammlungskompetenz zu berücksichtigen92. 87

So wohl auch: Heermann, ZGR 2000, 61, 66 f. Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, Vor § 278 Rn. 30. 89 Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, § 278 Rn. 124; Bachmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 278 Rn. 66; Heermann, ZGR 2000, 61, 67, 70. 90 Koch, DB 2002, 1701, 1704; Hüffer, AktG, § 179a Rn. 22; Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, Vor § 278 Rn. 95; Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, § 278 Rn. 6. 91 Vgl. auch Priester, DStR 2007, 28 f.; Kessler, NZG 2005, 145, 148 f.; Friedrich, Anlegerschutz, S. 244. 92 Vgl. nur Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, Vor § 278 Rn. 95, die die Geltung des § 179a AktG gleichermaßen auf die Anwendbarkeit von Aktienrecht und die Kategorie der Grundlagengeschäfte zurückführen. 88

A. Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA

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(3) Zwischenergebnis Es ist festzuhalten, dass Holzmüller-Maßnahmen als personengesellschaftsrechtliche Grundlagenmaßnahmen zu qualifizieren sind. Damit gilt auch der Grundsatz der Satzungsautonomie. Da die Beschlusskompetenzen der Hauptversammlung mangels Geltung des § 278 Abs. 3 AktG nicht dem Grundsatz der Satzungsstrenge unterfallen, richten sich die Grenzen der Satzungsautonomie nach der Kernbereichslehre. bb) Der Bestimmtheitsgrundsatz Damit eine Beschlusszuständigkeit, die der Gesellschafterversammlung nach dem gesetzlichen Leitbild zukommt, abbedungen werden kann, muss die entsprechende Klausel nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zunächst bestimmt genug sein. Nach dieser unter dem Stichwort des Bestimmtheitsgrundsatzes zusammengefassten Rechtsprechung war eine Satzungsklausel ursprünglich nur dann bestimmt genug, wenn sich die Reichweite der Beschlussgegenstände unmissverständlich durch Auslegung der Satzungsklausel ergab. Dabei wurden verschieden strenge Anforderungen an die Bestimmtheit einer Klausel gestellt und zwar umso strengere Anforderungen, je seltener die Maßnahme wiederkehrt und deshalb zum Zeitpunkt der Satzungsfassung nicht in ihrer vollen Tragweite erfasst werden konnte93. Diese Rechtsprechung ist mittlerweile dahingehend gelockert worden, dass die Reichweite einer Klausel allein nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen bestimmt wird und die einzelnen Beschlussgegenstände somit nicht im Einzelnen in der Satzung aufgelistet werden müssen94. cc) Die Kernbereichslehre Neben der Bestimmtheit wird auf der zweiten Stufe anhand der sog. Kernbereichslehre überprüft, ob das jeweilige Recht des Gesellschafters abdingbar ist95. Zwar ist die Kernbereichslehre am Beispiel von sog. Mehrheitsklauseln entwickelt worden, über welche in Personengesellschaften von dem gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip abgewichen wurde. Wenn jedoch aufgrund der Kernbereichslehre bereits ein Mehrheitsbeschluss nicht ausreichend ist, um einen Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft zu rechtfertigen, dann kann ein solcher Eingriff erst recht nicht ohne jegliche Beteiligung des betroffenen Gesellschafters erfolgen, so dass auch die vollständige Abbedingung einer Hauptversammlungskompetenz anhand der Kernbereichslehre zu überprüfen ist96. Anhand der Kernbereichslehre wird unterschieden zwischen unverzichtbaren, mehrheitsfesten und stimmrechtsfesten Rechten. Dabei ist ein Entzug der Rechtsposition bei Rechten der ersten Fallgruppe überhaupt nicht zulässig, bei Rechten der 93 94 95 96

Vgl. zum Ganzen: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 454 f. Vgl. BGH, NZG 2007, 259 f.; Ulmer/Schäfer, in: MünchKommBGB, § 709 Rn. 86. BGH, NZG 2007, 259 f. A.A.: Fett/Förl, NZG 2004, 210, 215 f.

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

zweiten Fallgruppe nicht gegen den Willen des Berechtigten und bei letzter Fallgruppe nicht ohne Einflussnahmemöglichkeit des Berechtigten zulässig97. Durch diese Dreiteilung bewirkt die Kernbereichslehre eine inhaltliche Kontrolle der Satzungsklauseln und schränkt insoweit die Befugnisse der Mehrheit materiell ein. Dabei ist ein Eingriff in die Mitgliedschaft nicht per se durch den Mehrheitsbeschluss allein legitimiert, sondern erst, wenn er überdies im Gesellschaftsinteresse liegt und verhältnismäßig ist98. Eine derartige Verhältnismäßigkeit ist jedoch bei Holzmüller-Maßnahmen abzulehnen, da bei diesen schon per definitionem die Mitgliedschaft99 ausgehöhlt und damit auch substanziell in ihrem Wert bedroht wird100. Da deshalb die satzungsrechtliche Abbedingung der Zustimmungskompetenz der Hauptversammlung unweigerlich gegen den Kernbereich der Mitgliedsrechte der Kommanditaktionäre verstößt, können derartige Maßnahmen nur nach einem entsprechenden Beschluss durch die Hauptversammlung getroffen werden. dd) Zwischenergebnis Es ist festzuhalten, dass Holzmüller-Maßnahmen den Kernbereich der Mitgliedschaft antasten und aus diesem Grund Satzungsklauseln, aufgrund derer die Zuständigkeit der Hauptversammlung zu strukturändernden Maßnahmen abbedungen wird, unwirksam sind. Zwar kann die Zustimmung der Hauptversammlung bereits in der Satzung als sog. antezipierte Zustimmung erklärt werden. Dafür ist jedoch erforderlich, dass die einzelne Maßnahme bereits in ihren Einzelheiten beschrieben wird101. Dies wird in der Realität kaum vorkommen, so dass die Zustimmung der Hauptversammlung zu Strukturmaßnahmen durch einen Hauptversammlungsbeschluss herbeizuführen ist. .

b) Außenwirkung fehlender Zustimmung Bereits definitionsgemäß sind von der Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht des Geschäftsführers Grundlagengeschäfte nicht erfasst102. Eine Einordnung der Holzmüller-Maßnahmen als Strukturmaßnahmen müsste somit zu einer schwebenden Unwirksamkeit des jeweiligen Geschäfts nach den §§ 177 ff. BGB füh-

97 Vgl. BGH, NJW 1985, 974; Heermann, ZR 2000, 61, 64 f.; ausführlich: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 470 ff. 98 BGH, NJW 1995, 192, 194 f. 99 Gleiches hat daher auch für Zustimmungsrecht der nicht geschäftsführungsbefugten Komplementäre zu gelten, vgl. auch: Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, § 285 Rn. 60; Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, § 285 Rn. 85. 100 Tendenziell: OLG Stuttgart, NZG 2003, 778, 783; Giedinghagen/Fahl, DStR 2007, 1965 f.; a.A.: Schütz/Reger, in: KGaA-Hdb, § 5 Rn. 91. 101 OLG Düsseldorf, NZG 2003, 778, 783; Priester, DStR 2008, 1386, 1389. 102 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 114 Rn. 3, § 126 Rn. 3.

A. Übertragung der Holzmüller-Doktrin auf die KGaA

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ren103. Man kann sich dabei auf den Standpunkt stellen, dass aufgrund des Ausnahmecharakters derartiger Geschäfte der Rechtsverkehr in diesem Fall nicht schutzwürdig und aus diesem Grund ein Rückgriff auf die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen sachgerecht ist104. Gleichwohl sind die Maßnahmen, die unter die HolzmüllerDoktrin fallen, nicht immer zweifelsfrei bestimmbar. Dies mag im Einzelfall zu einer Rechtsunsicherheit führen, mit der eine Unwirksamkeit des Geschäfts im Außenverhältnis nicht zu vereinbaren wäre105. Anders gewendet geht mit der Anerkennung der Strukturmaßnahmen das Bedürfnis nach einem gewissen Verkehrsschutz einher. Dieser Verkehrsschutz wird für Rechtsgeschäfte mit Dritten durch die §§ 164, 116 Abs. 2 HGB vorgezeichnet. Damit ist in der KGaA der Gleichlauf zwischen Geschäftsführungs- und Vertretungsmacht nicht zwingend. Ein gangbarer Weg, durch den der Verkehrsschutz angemessen berücksichtigt wird, ist die Differenzierung zwischen der Entscheidungszuständigkeit und der Ausführungszuständigkeit bezüglich einer Maßnahme106: Erstere unterliegt grundsätzlich der Hauptversammlung107, während letztere als typische Geschäftsführungsaufgabe beim Komplementär liegt108. Durch diese Differenzierung wird folglich sicher gestellt, dass die Geschäftsführung – selbst wenn sie die Entscheidungszuständigkeit der Hauptversammlung missachtet hat – aufgrund ihrer unveränderten Ausführungszuständigkeit eine Maßnahme treffen konnte, die im Außenverhältnis wirksam wird. Eine Differenzierung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft, wie sie in § 179a AktG vorgezeichnet und teilweise auch für die KGaA vertreten wird109, ist dagegen abzulehnen, da dem Geschäftspartner zur Beurteilung der Wesentlichkeit des Geschäfts der Zuschnitt der Gesellschaft bekannt sein muss, was nicht immer der Fall ist110. c) Mehrheitserfordernis Während in der AG aufgrund der Gesamtanalogie zu den gesetzlich verankerten Strukturmaßnahmen kein Zweifel daran besteht, dass zu Holzmüller-Maßnahmen eine Dreiviertelmehrheit einzuholen ist111, gilt für die KGaA aufgrund der Anwen103 Dies übersieht das OLG Stuttgart, indem es von einem Anspruch der Gesamtheit der Kommanditaktionäre auf Rückgängigmachung des Grundlagengeschäfts ausgeht und nicht von einer Rückabwicklung nach den §§ 812 ff. BGB, NZG 2003, 778, 782. 104 Tendenziell: Krebs, in: MünchKommHGB, § 49 Rn. 23 ff. 105 Vgl. BGHZ 83, 122, 129. 106 Martens, in: Schlegelberger, HGB, § 114 Rn. 5 ff. 107 Zu beachten ist, dass auch die nicht-geschäftsführungsbefugten Komplementäre gem. § 285 Abs. 2 AktG zustimmen müssen. 108 Tendenziell auch: Grunewald, in: MünchKommHGB, § 164 Rn. 18 und Rawert, in: MünchKommHGB, § 114 Rn. 10, der davon ausgeht, dass die Ausführung von satzungsändernden Gesellschafterbeschlüssen Teil der Geschäftsführung ist. 109 Vgl. Kessler, NZG 2005, 145, 149. 110 Grunewald, in: MünchKommHGB, § 164 Rn. 18. 111 Vgl. Zweiter Teil, B. V. 2.

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

dung von Personengesellschaftsrecht gem. § 278 Abs. 2 i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 119 Abs. 1 HGB grundsätzlich das Einstimmigkeitsprinzip. Dieses ist jedoch extrem unpraktisch und wird daher in der Praxis häufig abbedungen. Dabei haben sog. Mehrheitsklauseln den Bestimmtheitsgrundsatz112 und die Kernbereichslehre113 zu beachten. Dabei ist selbst vor dem Hintergrund der Satzungsautonomie zu berücksichtigen, dass Strukturmaßnahmen tiefgreifende Handlungen sind und durch die Mediatisierung stark in die Mitgliedsrechte eingegriffen wird. In Anlehnung an § 179 Abs. 2 S. 1 AktG, der über § 278 Abs. 3 AktG gilt, ist dabei eine Mindestmehrheit von 34 des vertretenen Grundkapitals auch für die Beschlüsse zu Strukturmaßnahmen zu fordern. Dafür spricht auch die in Anbetracht der korporativen Struktur der KGaA bestehende Nähe zur AG114. Dieses Ergebnis wird durch einen Blick ins UmwG gestützt, das für die dort geregelten Strukturmaßnahmen ebenfalls von einer derartigen Mindestmehrheit ausgeht, vgl. §§ 65 Abs. 1 S. 1 i.V.m. 78 S. 1, 125 S. 1, 233 Abs. 2 S. 1, 240 Abs. 1 S. 1, 252 Abs. 3 UmwG. Da die Frage nach diesen Mindesterfordernissen dogmatisch nicht mit der Geltung des Bestimmtheitsgrundsatzes zusammenhängt und weder AktG noch UmwG hinsichtlich des Realtypus der KGaA differenzieren, gelten diese bei der KGaA uneingeschränkt.

III. Maßnahmen mit Mediatisierungseffekt Unbeschadet der Tatsache, dass Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA Teil der (personengesellschaftsrechtlich zu beurteilenden115) Grundlagengeschäfte sind, entsprechen sie grundsätzlich denjenigen Maßnahmen, die schon für die AG als mediatisierend erfasst wurden116. Abgesehen von den nachfolgenden Ausführungen ist daher eine Orientierung an den bereits im Zusammenhang mit der AG festgestellten Maßnahmen geboten. Teils wird vertreten, dass die Ausgliederung nunmehr umfassend durch das UmwG geregelt worden sei und insoweit eine Geltung der Holzmüller-Doktrin auszuscheiden habe117. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden, da nach der insoweit zweifelsfreien Gesetzesbegründung zum UmwG die Möglichkeit einer Ausgliederung im Wege der Einzelrechtsnachfolge explizit nicht abgeschafft werden sollte118. Überdies geht aus der Entstehungsgeschichte des UmwG eindeutig hervor, dass die Holzmüller-Doktrin nicht auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und somit erst recht 112

Vgl. Sechster Teil, A. II. 4. a) bb). Vgl. Sechster Teil, A. II. 4. a) cc). 114 Priester, DStR 2008, 1386, 1388; ähnlich auch: Kort, DStR 193, 438, der die KGaA als korporativ verfasste Variante der AG sieht. 115 Vgl. Sechster Teil, A. II. 3. b). 116 Vgl. Zweiter Teil, D. II. 117 Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, Vor § 278 Rn. 102. 118 Vgl. Zweiter Teil, B. II. 113

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen

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nicht abschließend durch das UmwG geregelt werden sollte119. Insoweit sind auch Ausgliederungsfälle in der KGaA von der Holzmüller-Doktrin erfasst. Teilweise wird auch das Tätigen von Geschäften, durch welche die rechtliche Selbstständigkeit der Gesellschaft berührt wird, als Grundlagengeschäft gesehen120. Darunter ist wohl in erster Linie der Abschluss von Beherrschungsverträgen zu verstehen. Durch diese wird zunächst die rechtliche Struktur der Gesellschaft verändert. Auch kommt es zu einer Mediatisierung der Mitgliedsrechte: Zwar wird gem. § 308 Abs. 1 AktG nur die Unternehmensleitung der herrschenden Gesellschaft unterstellt, während die Kompetenzen der Hauptversammlung formell unangetastet bleiben. Inhalt und Bedeutung ihrer Kompetenzen nehmen jedoch infolge der durch den Beherrschungsvertrag bewirkten Strukturveränderung gegenüber dem konzernfreien Zustand ab121. Trotz dieses Mediatisierungseffekts ist im Fall der Unternehmensverträge kein Rückgriff auf die Holzmüller-Doktrin erforderlich, da die §§ 293 ff. AktG bereits über § 278 Abs. 3 AktG direkt gelten. Insoweit handelt es sich um aktienrechtliche Grundlagengeschäfte, für die ohnehin eine zwingende Beschlusszuständigkeit der Hauptversammlung besteht. Auch im Rahmen der sog. Konzernleitungskontrolle können bestimmte Maßnahmen in einer Untergesellschaft aufgrund ihres Grundlagencharakters eine Entscheidung der Hauptversammlung erfordern. Dazu gehören insbesondere Kapitalerhöhungen mit Bezugsrechtsausschluss, der Abschluss von Unternehmensverträgen, die Veräußerung des gesamten Vermögens, Umwandlungen und Auflösungsbeschlüsse122.

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen Die Kommanditaktionäre üben wie die Aktionäre ihre Rechte grundsätzlich123 in der Hauptversammlung aus. Dabei hat der einzelne Kommanditaktionär die Rechte, die das Gesetz dem Aktionär zubilligt. Bei der Beschlussfassung steht grundsätzlich jedem Kommanditaktionär das Stimmrecht zu (§ 278 Abs. 3 i.V.m. § 133 AktG). Eine Ausnahme gilt in bestimmten Angelegenheiten für Komplementäre, die zugleich an der KGaA beteiligt sind, vgl. § 285 Abs. 1 S. 2 AktG. Voraussetzung für die sinnvolle Ausübbarkeit des Zustimmungsrechts ist wiederum eine angemessene Information über den Beschlussgegenstand. Diese kann, wie im Folgenden zu zeigen ist, nicht über individuelle Auskunftsrechte sichergestellt werden, so dass es im Ergebnis

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Vgl. Zweiter Teil, B. II. Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, Vor § 278 Fn. 243. 121 Hüffer, AktG, § 291 Rn. 10. 122 A.A. Mülbert, in: MünchKommHGB, Konzernrecht, Rn. 91 f., der die vorgenannten Maßnahmen lediglich als außerordentliche Geschäftsführungsmaßnahmen ansieht. 123 Außerhalb der Hauptversammlung kann der Kommanditaktionär ebenfalls per Individualklage seinen Unterlassungs- bzw. Wiederherstellungsanspruch bezüglich einer rechtswidrig eingeleiteten Holzmüller-Maßnahme geltend machen, vgl. BGHZ 83, 122, 134 ff. 120

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

der Erarbeitung eines formalisierten beschlussvorbereitenden und -begleitenden Informationssystems bedarf.

I. Informationsrechte der Kommanditaktionäre 1. Kollektiver Informationsanspruch der Kommanditaktionäre Mangels KGaA-spezifischer Sonderregelungen richten sich die Informationsrechte der Kommanditaktionäre gem. § 278 AktG zunächst nach den personengesellschaftsrechtlichen Regeln. Soweit sich die Rechte der Kommanditaktionäre am Recht der KG orientieren, nimmt dabei die Gesamtheit der Kommanditaktionäre124 die Stellung eines einzelnen Kommanditisten ein. Aus diesem Grund steht den Kommanditaktionären zusammen gegen die Geschäftsführung das Kontrollrecht aus § 166 HGB zu125. Von diesem Kontrollrecht umfasst sind jedoch nur die Abschrift des Jahresabschlusses sowie die Einsicht in die Bücher und Papiere der Gesellschaft zur Kontrolle des Rechnungsabschlusses126. Eine Aushändigung von Unterlagen kann dagegen nicht verlangt werden127. Ein Auskunftsrecht beinhaltet § 166 Abs. 2 HGB seinem Wortlaut nach nicht, wofür auch der systematische Zusammenhang zu § 166 Abs. 3 HGB spricht128. Das umfassendere Kontrollrecht des § 118 HGB steht dagegen nicht den Kommanditaktionären, sondern den nicht-geschäftsführenden Komplementären zu129. 2. Individuelle Informationsrechte der Kommanditaktionäre Neben dem praktisch kaum relevanten, da inhaltlich beschränkten, Kontrollrecht aus § 166 HGB130 ist allgemein anerkannt, dass den Kommanditaktionären grundsätzlich die gleichen aktienrechtlichen Informationsrechte zustehen wie den Aktionären einer AG131. Dem ist zuzustimmen, da die Kommanditaktionäre ihre Mitverwaltungsrechte vornehmlich in der Hauptversammlung ausüben und der Gesellschaft grundsätzlich ebenso nah stehen wie dies bei Aktionären der Fall ist. Daher sind die Kommanditaktionäre gem. § 278 Abs. 3 i.V.m. § 131 AktG berechtigt, während der 124

Mertens/Cahn weisen darauf hin, dass es sich bei der „Gesamtheit der Kommanditaktionäre“ nicht um einen aktiv- und passivparteifähigen Verband handelt, da diese organisatorisch in der Hauptversammlung zusammen gefasst ist, in: Kölner KommAktG, § 278 Rn. 45. 125 Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, § 278 Rn. 140; a.A.: Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, § 286 Rn. 74. 126 Vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 166 Rn. 4. 127 Grunewald, in: MünchKommHGB, § 166 Rn. 1. 128 Kritisch: OLG Stuttgart, NZG 2002, 1105 f. 129 Hüffer, AktG, § 278 Rn. 11; Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, § 278 Rn. 177. 130 Dazu: Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, § 278 Rn. 140. 131 Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, § 278 Rn. 120.

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen

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Hauptversammlung von der Geschäftsführung all diejenigen Auskünfte über Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen, die zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung erforderlich sind132. Dadurch, dass die Hauptversammlung im Gegensatz zur AG gem. § 286 Abs. 1 S. 1 AktG auch die Feststellung des Jahresabschlusses beschließt, umfasst der Auskunftsanspruch auch Informationen, die ein wirtschaftliches Bild aller Untergesellschaften der jeweiligen KGaA vermitteln. Davon umfasst ist auch die Auskunft über die Bildung stiller Reserven oder angewandter Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, die den Kommanditaktionären nicht gem. § 131 Abs. 3 Nr. 3, 4 AktG verweigert werden darf133. Ebenfalls vom individuellen Auskunftsrecht erfasst sind Angelegenheiten der Komplementärgesellschaft in der kapitalistischen KGaA134. Für den in der Praxis regelmäßig vorkommenden Fall, dass die Kommanditaktionäre zugleich Gesellschafter der KomplementärGmbH sind (sog. Einheitsgesellschaft), wird das Informationsrecht aus § 131 AktG praktischerweise durch das weiter reichende GmbH-rechtliche Auskunftsrecht aus § 51a GmbHG ersetzt135. 3. Bewertung der individuellen Informationsrechte Das Gesetz sieht zwei verschiedene Möglichkeiten der individuellen Information der Kommanditaktionäre vor. Das aus § 278 Abs. 3 i.V.m. § 131 AktG entspringende Auskunftsrecht hat zwar den Vorteil, dass es unabhängig von einem Beschluss der Kommanditaktionäre ausgeübt werden kann. Es ist jedoch in zeitlicher Hinsicht auf die Hauptversammlung beschränkt und schon aus diesem Grunde nicht geeignet, eine angemessene Information bei Strukturmaßnahmen sicherzustellen. Dies gilt letztlich auch für das § 166 HGB entspringende Kontrollrecht. Zwar ist dieses zeitlich unabhängig von der Hauptversammlung. Seine Ausübung ist jedoch aufgrund des Beschlusserfordernisses schwerfällig und unpraktisch. Es besteht zudem die Gefahr, dass die Kommanditaktionäre sich bezüglich der Ausübung dieser Rechte passiv verhalten, so dass eine reine Information auf Anforderung nicht ausreichen kann, um einen für die Stimmrechtsausübung sachgerechten Kenntnisstand zu sichern. Aus diesem Grund besteht wie in der AG das Bedürfnis, aufgrund formalisierter Informationspflichten eine beschlussvorbereitende und -begleitende Information sicherzustellen. Dies gilt jedoch nur, sofern nicht gem. § 121 Abs. 6 AktG die Gesamtheit der stimmberechtigten Gesellschafter auf die Einhaltung der Informationspflichten verzichtet.

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BayObLG, NJW-RR 1999, 1487 ff. Barz, in: GroßkommAktG, § 286 Rn. 2; Mertens, in: Kölner KommAktG, § 286 Rn 23. 134 Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, § 278 Rn. 340; Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, § 278 Rn. 83. 135 Für die GmbH & Co. KG: Weipert, DStR 1992, 1097. 133

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

II. Informationspflichten der Komplementäre bei Holzmüller-Maßnahmen Steht fest, dass eine ausreichende Information der Kommanditaktionäre nur durch formalisierte Informationspflichten sichergestellt werden kann, so stellt sich die Frage, ob bezüglich der Organisation der Hauptversammlung handelsrechtliche oder aktienrechtliche Bestimmungen zur Anwendung kommen. Da die dogmatische Begründung ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen bei der KGaA personengesellschaftsrechtlich zu erklären ist, liegt zunächst der Schluss nahe, dass dies auch für die beschlussvorbereitenden und -begleitenden Informationspflichten der Komplementäre gelten muss. Vor diesem Hintergrund könnte das Bestehen gewisser Informationspflichten als Teil des Rechtsverhältnisses zwischen den Komplementären und der Gesamtheit der Kommanditaktionäre angesehen und deshalb unter den Wortlaut des § 278 Abs. 2 AktG subsumiert werden. Der Wortlaut ist bezüglich der Informationspflichten der Komplementäre jedoch zu weit und deshalb missverständlich. Vielmehr sind vorrangig die Kompetenzen der Komplementäre von dem Verweis erfasst, wie denn auch der Wortlaut der Norm präzisierend ergänzt. Dadurch, dass die Kommanditaktionäre die Kontroll- und Mitwirkungsbefugnisse eines Kommanditisten nur im Rahmen der Hauptversammlung ausüben können, hat sich auch die Organisation und Durchführung dieser über § 278 Abs. 3 AktG nach den aktienrechtlichen Regeln zu richten136. 1. Informationspflichten im Vorfeld der Hauptversammlung a) Einberufung der Hauptversammlung Die Einberufung der Hauptversammlung erfolgt gem. § 278 Abs. 3 i.V.m. § 283 Nr. 6 AktG durch die geschäftsführungsbefugten Komplementäre137. Davon unberührt bleiben die aktienrechtlichen Einberufungsrechte des Aufsichtsrates nach § 278 Abs. 3 i.V.m. § 111 Abs. 3 S. 1 AktG und einer gerichtlich ermächtigten Aktionärsminderheit i.S.d. § 278 Abs. 3 i.V.m. § 122 Abs. 3 S. 1 AktG138. Im Übrigen sei auf die obigen Ausführungen zur AG verwiesen139. b) Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts Im Zusammenhang mit der AG wurde bereits festgestellt, dass analog § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AktG der wesentliche Inhalt der Maßnahme mit der Einberufung der

136 Mertens/Cahn, in: Kölner KommAktG, § 278 Rn. 50 ff.; Hüffer, AktG, § 278 Rn. 20; Schütz/Reger, in: KGaA-Hdb, § 5 Rn. 372 ff. 137 Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, § 285 Rn. 4. 138 Hüffer, AktG, § 111 Rn. 13; Schütz/Reger, in: KGaA-Hdb, § 5 Rn. 373. 139 Vgl. Dritter Teil, B.

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen

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Hauptversammlung bekannt zu machen ist140. Diese Pflicht wurde damit begründet, dass die Aktionäre schon mit der Einberufung der Hauptversammlung eine Zusammenfassung der in Frage stehenden Maßnahme benötigen um eine grobe Vorstellung über die Inhalte der Beschlussfassung zu bekommen. Auch sollen sie frühzeitig entscheiden können, ob sie selbst an der Hauptversammlung teilnehmen oder sich ggf. vertreten lassen. Diese Erwägungen treffen auch auf die Kommanditaktionäre zu. Diese haben zwar neben dem Auskunftsrecht nach § 131 AktG noch ihr kommanditrechtliches Kontrollrecht gem. § 166 HGB, das auch außerhalb der Hauptversammlung geltend gemacht werden kann. Einer individuellen Vorabinformation steht jedoch entgegen, dass das Kontrollrecht inhaltlich auf die Prüfung des Jahresabschlusses beschränkt ist und daher nicht ausreicht, um eine über die Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte hinausgehende Information zu gewährleisten. Insoweit sind die Kommanditaktionäre wie die Aktionäre einer AG darauf angewiesen, dass ihnen der wesentliche Inhalt der Maßnahme bereits mit der Einberufung der Hauptversammlung mitgeteilt wird. Dies wird durch eine entsprechende Pflicht gem. § 278 Abs. 3 i.V.m. § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. analog AktG sichergestellt. c) Veröffentlichung auf der Internetseite der Gesellschaft Während börsennotierte Aktiengesellschaften gem. § 124a S. 1 Nr. 3 AktG verpflichtet sind, alsbald nach der Einberufung der Hauptversammlung neben dem Inhalt der Einberufung auch die wichtigen Unterlagen zur Vorbereitung der Hauptversammlung auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich zu machen141, stellt sich die Frage, ob börsennotierte Kommanditgesellschaften auf Aktien ebenfalls von einer solchen Pflicht erfasst sind. Zwar steht im Fokus des ARUG die Modernisierung des Aktienrechts142. Nicht ausdrücklich erwähnt ist dagegen das Recht der Kommanditgesellschaften auf Aktien. Gleichwohl kann aus dieser Tatsache nicht der Schluss gezogen werden, dass die durch das ARUG eingeführten Änderungen nicht auf die KGaA zu übertragen wären. Für eine diesbezügliche Gleichbehandlung der KGaA spricht zunächst, dass der historische Gesetzgeber die KGaA der AG stark angenähert hat143. Ferner besteht kein Zweifel, dass sich insbesondere die Durchführung der Hauptversammlung einer KGaA nach Aktienrecht richtet144. Dabei gelangen über § 278 Abs. 3 AktG grundsätzlich alle geänderten Vorschriften des Ersten Buchs des AktG, die sich auf die Durchführung der Hauptversammlung beziehen, automa-

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Vgl. Dritter Teil, B. III. 1. Zu den Anforderungen an eine Zugänglichmachung auf der Internetseite i.S.d. § 124a S. 1 Nr. 3 AktG vgl. die Ausführungen unter Dritter Teil, B. II. 142 Vgl. RegE ARUG, BT-Drucks. 847/08, S. 26. 143 Im HGB v. 10. 5. 1897 wurde die KGaA als Abart der AG in den §§ 320 – 334 HGB geregelt. 144 Mertens/Cahn, in: Kölner KommAktG, § 278 Rn. 51 f.; Hüffer, AktG, § 278 Rn. 20; Schütz/Reger, in: KGaA-Hdb, § 5 Rn. 372 ff. 141

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

tisch in ihrer neuen Fassung auch in der KGaA zur Geltung145. Dass dies dem Gesetzgeber bei Verabschiedung des ARUG bekannt gewesen ist, darf daher durchaus unterstellt werden. Dafür spricht auch, dass erwiesenermaßen andere Änderungen des AktG, insbesondere das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts146, das UmwBerG147 oder das KonTraG148, ebenfalls zu einer Änderung des Rechts der KGaA geführt haben149. Es kann unterstellt werden, dass der Gesetzgeber auch bei Erlass des ARUG die Rechtslage in der KGaA auf stille Weise mit ändern wollte. Für eine solche Interpretation des gesetzgeberischen Willens spricht auch, dass die zugrunde liegende Aktionärsrechte-Richtlinie nicht von einer bestimmten Gesellschaftsform ausgeht150, sondern sich auf „börsennotierte Gesellschaften“ bezieht151. Somit besteht auch für börsennotierte Kommanditgesellschaften auf Aktien die Pflicht gem. § 278 Abs. 3 i.V.m. § 124a S. 1 Nr. 3 AktG, alsbald nach der Einberufung der Hauptversammlung neben dem Inhalt der Einberufung auch die wichtigen Unterlagen zur Vorbereitung der Hauptversammlung auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich zu machen. d) Erstellung, Auslegung und Zusendung von Unterlagen aa) Der Holzmüller-Vertrag Die kodifizierten Strukturmaßnahmen im Recht der KGaA lassen den Schluss zu, auch bei Holzmüller-Maßnahmen eine Pflicht der Komplementäre zur Auslegung und abschriftlichen Übersendung des Holzmüller-Vertrages anzuerkennen. Für diesen Schritt sprechen zunächst die ebenfalls auf die KGaA anwendbaren § 179a Abs. 2 S. 1 und 2 sowie § 293f Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AktG, die insoweit einen Gleichlauf zur Situation in der AG vorschreiben152. Diese Parallelität setzt sich in den KGaA-spezifischen Regelungen im Umwandlungsrecht fort: So gelten für die Ausgliederung bei einer KGaA gem. § 125 S. 1 UmwG grundsätzlich153 die Vorschriften des Ersten bis 145 Anderes würde nur gelten, wenn die §§ 278 ff. AktG speziellere Regelungen enthalten würden oder die Nichtanwendbarkeit bestimmter aktienrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. 146 Gesetz vom 2. 8. 1994 (BGBl. 1994 I, 1961). 147 Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsgesetzes vom 28. 10. 1994 (BGBl. 1994 I, S. 3210). 148 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. 4. 1998 (BGBl. 1998 I, 786). 149 Vgl. Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, Vor § 278 Rn. 28. 150 So aber die jeweiligen Art. 1 Abs. 1 der dritten (Verschmelzungs-)Richtlinie und der sechsten (Spaltungs-)Richtlinie. 151 Vgl. die amtliche Bezeichnung der Aktionärsrechte-Richtlinie: „Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften“, ABlEU Nr. L 184, S. 17. 152 Stein, in: MünchKommAktG, § 179a Rn. 14. 153 §§ 9 Abs. 2, 14 Abs. 2, 15, 18, 29 – 34, 54, 68 und 71 UmwG finden keine Anwendung.

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen

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Neunten Abschnitts des Zweiten Buches und damit auch § 78 S. 1 UmwG, der wiederum für Verschmelzungen unter Beteiligung einer Kapitalgesellschaft die für die AG konzipierten §§ 60 – 77 UmwG für entsprechend anwendbar erklärt. Aus dieser Normenkette ergibt sich, dass bei Ausgliederungen von Kommanditgesellschaften auf Aktien gem. § 63 Abs. 1 Nr. 1 UmwG der Vertrag in den Geschäftsräumen auszulegen und gem. Abs. 3 den Kommanditaktionären eine kostenlose Abschrift zu erteilen ist. Da es für den Kommanditaktionär wirtschaftlich gleichbedeutend ist, ob die Ausgliederung nach dem UmwG vollzogen oder im Wege der Einzelrechtsnachfolge durchgeführt wird, besteht auch ein identisches Informationsbedürfnis zur Beurteilung der Maßnahme. Daher müssen die Informationspflichten der Geschäftsführung in diesen Fällen identisch sein. Damit gilt dieser Informationsstandard auch für die übrigen Holzmüller-Maßnahmen, da diese mit der Ausgliederung das Merkmal des Mediatisierungseffekts teilen. bb) Holzmüller-Berichte Fraglich ist ferner, ob der geschäftsführungsbefugte Komplementär einen Holzmüller-Bericht anzufertigen hat. Dafür spricht, dass in Bezug auf Verschmelzungen bereits § 340a AktG a.F. für Kommanditgesellschaften auf Aktien das Erfordernis eines Vorstandsberichts vorsah, auch wenn aufgrund der Umsetzung von Art. 9 der Dritten (Verschmelzungs-)Richtlinie nur eine entsprechende Pflicht zur Berichterstattung in Bezug auf Aktiengesellschaften in das deutsche Recht einzuführen war. Insoweit ist davon auszugehen, dass der nationale Gesetzgeber in „überschießender Umsetzung“ der europäischen Vorgaben von einem grundsätzlichen Gleichlauf des Berichtserfordernisses in AG und KGaA ausgegangen ist. Für einen Gleichlauf spricht ferner, dass aufgrund der Anwendbarkeit der §§ 186 Abs. 4 S. 2 AktG, 293a Abs. 1 AktG die Berichtspflicht bei gewichtigen Maßnahmen als Bestandteil des Systems von Informationspflichten in der KGaA anzusehen ist154. Vor diesem Hintergrund ist auch der oben festgestellte und in den aktienrechtlichen Regelungen nur fragmentarisch zum Ausdruck kommende Wertungsgrundsatz, wonach bei Strukturmaßnahmen, die zu einer Beeinträchtigung der Mitgliedschafts- und Vermögensrechte der Aktionäre führen können, ein Vorstandsbericht zur Information der Aktionäre erforderlich ist, entsprechend auf die KGaA zu übertragen. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der europäischen Rechtsentwicklung, wonach sich die Erstellung eines Vorstandsberichts als allgemeines Institut der Gesellschafterinformation entwickelt hat. Gem. § 278 Abs. 3 AktG i.V.m. einer Gesamtanalogie zu § 293a Abs. 1 AktG und den §§ 78 S. 1, 8 Abs. 1 S. 1, 127 S. 1, 135 Abs. 1 S. 1, 192 Abs. 1 S. 1 UmwG sind daher die geschäftsführenden Komplementäre einer KGaA zur Erstellung von Holzmüller-Berichten verpflichtet. 154 Für die §§ 293 ff. AktG ist dies sogar explizit in den jeweiligen Vorschriften hervorgehoben; die Übertragbarkeit des § 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 AktG auf die KGaA wird dagegen überwiegend abgelehnt, vgl. Hüffer, AktG, § 319 Rn. 4; Koppensteiner, in: Kölner KommAktG, Vor § 319 Rn. 5; a.A. Habersack, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 319 Rn. 5.

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

Fraglich ist jedoch, ob eine solche Pflicht im Fall von personalistischen Gesellschaften, wie beispielsweise Familiengesellschaften, angemessen ist. Insoweit kommt zunächst eine Entbehrlichkeit analog § 41 UmwG in Betracht. § 41 UmwG liegt der Gedanke zugrunde, dass bei einer Verschmelzung unter Beteiligung einer Personenhandelsgesellschaft die Gesellschafter des Rechtsträgers nicht auf einen Verschmelzungsbericht angewiesen sind, wenn sie in ihrer Gesamtheit geschäftsführungsbefugt sind und damit die Möglichkeit haben, sich durch Mitwirkung an der Verschmelzung über die Vorgänge zu informieren155. Zwar besteht auch in der KGaA die Möglichkeit, die Mitwirkungskompetenz der Kommanditaktionäre auszudehnen, sofern dadurch nicht die Rechtsstellung des Komplementärs ausgehöhlt wird156. So ist es nicht nur denkbar, dass die Hauptversammlung die Grundsätze der Geschäftspolitik bestimmt, sondern durch eine Weisungsbefugnis in wesentlichen Geschäftsführungsangelegenheiten sogar zum obersten Organ wird157. Gleichwohl muss die Übertragbarkeit des in § 41 UmwG enthaltenen Gedanken auf die KGaA ausscheiden. Die Vorschrift ist zum Einen nur auf Personenhandelsgesellschaften zugeschnitten. So steht einer Übertragbarkeit auf andere personalistisch strukturierte Rechtsträger schon der Wortlaut der Norm entgegen158. Überdies spricht der Ausnahmecharakter der Norm gegen ihre Analogiefähigkeit: § 41 UmwG ergänzt inhaltlich § 8 Abs. 3 S. 1, 2. HS UmwG, wonach bei der Verschmelzung von im alleinigen Anteilsbesitz stehenden Konzerngesellschaften kein Verschmelzungsbericht erforderlich ist. Aufgrund der Systematik, wonach § 8 UmwG im Teil „Allgemeine Vorschriften“ steht, § 41 UmwG dagegen im Teil „Besondere Vorschriften“ ist letztere Norm als eine ausschließlich auf die Rechtslage bei Personenhandelsgesellschaften zugeschnittene Norm anzusehen. Damit ist die Norm per se nicht analogiefähig, so dass die analoge Anwendung von § 41 UmwG ausscheidet. Gleichwohl zur Anwendung kommt in der personalistischen KGaA die Möglichkeit eines Verzichts analog §§ 8 Abs. 3 S. 1, 1. HS, 125 S. 1 UmwG, für den die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist. Die zu erstellenden Berichte sind schließlich aufgrund von § 278 Abs. 3 AktG i.V.m. einer Gesamtanalogie zu § 293f Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AktG und den §§ 78 S. 1, 8 Abs. 1 S. 1, 63 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3, 127 S. 2, 135 Abs. 1 S. 1, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG auszulegen und zu übersenden. cc) Weitere Unterlagen Eine Verpflichtung zur Auslegung von Jahresabschlüssen der letzten drei Jahre und entsprechenden Lageberichten könnte sich gem. § 278 Abs. 3 i.V.m. einer Ge155

Ihrig, in: Semler/Stengel, UmwG, § 41 Rn. 1. Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, § 278 Rn. 225, 232; Assmann/Sethe, in: GroßkommAktG, Vor § 278 Rn. 65. 157 Vgl. OLG Köln, AG 1978, 17 f. 158 Ihrig, in: Semler/Stengel, UmwG, § 41 Rn. 3; a.A.: Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 8 Rn. 54. 156

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen

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samtanalogie zu den §§ 78 S. 1 i.V.m. 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 125 S. 1 UmwG ergeben159. Jedoch wurde bereits im Zusammenhang mit der AG festgestellt, dass § 293f Abs. 1 Nr. 2 AktG und § 63 Abs. 1 Nr. 2 UmwG der Gedanke zugrunde liegt, bei einer wirtschaftlichen Verschmelzung eine Vergleichbarkeit der beteiligten Rechtsträger herzustellen160. Ein entsprechendes Informationsbedürfnis ist jedoch im Rahmen von Holzmüller-Maßnahmen regelmäßig nicht anzuerkennen, da üblicherweise kein anderer Rechtsträger an der Maßnahme teilnimmt. Aus diesem Grund ist die Geschäftsführung grundsätzlich nicht verpflichtet, die letzten drei Jahresabschlüsse und Lageberichte in der Hauptversammlung auszulegen. Dagegen rechtfertigt im Fall einer Ausgliederung im Weg der Einzelrechtsnachfolge gemäß §§ 78 S. 1 i.V.m. 125 S. 1, 63 Abs. 1 Nr. 3 UmwG das Informationsbedürfnis der Kommanditaktionäre die Pflicht zur Erstellung einer Einbringungsbilanz, die auch ausgelegt und übersandt werden muss, da insoweit eine kongruente Interessenlage zu den Aktionären einer AG besteht. Eine generelle Verpflichtung zur Erstellung und Auslegung von Prüfungsberichten kann dagegen nicht anerkannt werden. Grund dafür ist, dass sich HolzmüllerMaßnahmen nicht durch eine wirtschaftliche Verschmelzung mehrerer Rechtsträger auszeichnen, sondern durch die isolierte strukturelle Änderung einer einzelnen Gesellschaft, und insoweit grundsätzlich keine Wertrelationen zwischen den beteiligten Rechtsträgern für die Ausübung des Stimmrechts der Aktionäre von Bedeutung sein können. Eine Ausnahme gilt jedoch insoweit, wie durch einen Anteilstausch eine Mediatisierung der Mitgliedsrechte bewirkt wird161. In diesem Fall kommt es zu einem inhaltlichen Austausch der Mitgliedsrechte, dessen sachgerechte Beurteilung durch die Kommanditaktionäre die Kenntnis der Wertrelationen und Anteilsbewertungen erfordert. Für diese Konstellation ist die Geschäftsführung daher zur Erstellung und Auslegung von Prüfungsberichten verpflichtet. Dies ergibt sich aus § 278 Abs. 3 i.V.m. einer Gesamtanalogie zu den §§ 293b Abs. 1, 293e Abs. 1, 293f Abs. 1 Nr. 3, 293g Abs. 1 AktG und §§ 78 S. 1, 60, 9 Abs. 1, 12 Abs. 1, 125 S. 1 UmwG. dd) Der Substitutionseffekt Während die Komplementäre in der KGaA grundsätzlich dazu verpflichtet sind, die maßgeblichen Unterlagen auszulegen und ggf. zuzusenden, stellt sich die Frage, inwieweit der in das Aktienrecht eingefügte Substitutionseffekt in der KGaA Geltung erlangt. Ausweislich der Gesetzesbegründung zielt das ARUG auf die Änderung des Rechts der Aktiengesellschaften ab162. Wie bereits in anderem Zusammenhang geklärt, ist jedoch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber durch die Änderungen 159

§ 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AktG scheidet dagegen als Rechtsgrundlage aus, da eine Eingliederung in eine KGaA nicht zulässig ist, vgl. Grunewald, in: MünchKommAktG, § 319 Rn. 1. 160 Vgl. Dritter Teil, B. IV. 3. 161 Dazu sei auf die Ausführungen unter Zweiter Teil, D. II. 2. d) verwiesen. 162 Vgl. RegE ARUG, BT-Drucks. 847/08, S. 26.

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

der aktienrechtlichen Informationspflichten des Vorstands eine gleichzeitige Änderung der Informationspflichten der geschäftsführenden Komplementäre der KGaA bezweckte163. Demnach kommen die durch das ARUG modifizierten Vorschriften uneingeschränkt auch in der KGaA zur Anwendung. Daraus folgt schließlich, dass die geschäftsführenden Komplementäre von der Pflicht zur Auslage und Übersendung der jeweiligen Unterlagen befreit sind, wenn diese ab Einberufung der Hauptversammlung auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich sind und die Kommanditaktionäre die Möglichkeit zum Download haben. Dies ergibt sich aus § 278 Abs. 3 i.V.m. einer Gesamtanalogie zu den §§ 52 Abs. 2 S. 4, 179a Abs. 2 S. 3, 293f Abs. 3 und §§ 78 S. 1, 62 Abs. 3 S. 7, 63 Abs. 4, 230 Abs. 2 S. 3 UmwG. 2. Informationspflichten während der Hauptversammlung Im Rahmen der Behandlung der AG wurde deutlich, dass die Zugänglichmachung der Unterlagen während der Hauptversammlung zum Einen sicherstellen soll, dass die Gesellschafter auch dann Zugriff auf die Unterlagen haben, wenn sie diese nicht mit in die Hauptversammlung gebracht haben. Zum Anderen werden durch die Zugänglichmachung diejenigen – unwesentlichen164 – Änderungen deutlich, die sich seit der Einberufung ergeben haben. Da insoweit die Situation für Aktionäre und Kommanditaktionäre identisch ist, hat die Geschäftsführung der KGaA auch während der Hauptversammlung die vorgenannten Unterlagen zugänglich zu machen. Dabei lässt sich diese Pflicht gem. § 278 Abs. 3 AktG i.V.m. einer Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs. 2 S. 4, 293f Abs. 1 Nr. 1, 293g Abs. 1 AktG und den §§ 78 S. 1, 64 Abs. 1 S. 1, 125 S. 1 UmwG begründen. In Bezug auf die Voraussetzungen einer Zugänglichmachung sei auf die Ausführungen zur AG verwiesen165. Aufgrund der gleich gestalteten Ausgangslagen ist die Geschäftsführung der KGaA zudem in dem oben beschriebenen Maße verpflichtet, die Unterlagen mündlich zu erläutern, was sich aus einer Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs. 2 S. 5, 293g Abs. 2 S. 1 AktG und §§ 78 S. 1, 64 Abs. 1 S. 2, 125 S. 1 UmwG ergibt. 3. Teilnahme der Komplementäre an der Hauptversammlung Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung, ob die nicht geschäftsführenden Komplementäre an der Hauptversammlung teilnehmen können, da § 283 Nr. 6 AktG die Vorschriften über die Einberufung der Hauptversammlung nur sinngemäß in der KGaA zur Anwendung bringt. Dass eine Präsenz der Komplementäre gleichwohl vom Gesetz akzeptiert wird, folgt aus dem systematischen Zusammenspiel mit

163

Vgl. die Ausführungen unter Sechster Teil, B. I. 1. Wesentliche Veränderungen müssen dagegen bereits während der Dauer der Auslagepflicht vorgenommen werden, vgl. Diekmann, in: Semler/Stengel, UmwG, § 64 Rn. 10 – 12. 165 Vgl. Dritter Teil, C. I. 164

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen

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§ 285 AktG166 : Gem. Abs. 3 dürfen Beschlüsse der Hauptversammlung erst dann zum Handelsregister eingereicht werden, wenn die Komplementäre dem Beschluss zugestimmt haben. Zwar geht daraus noch nicht zwingend hervor, dass die Komplementäre auch in der Hauptversammlung anwesend sein müssen, da sie ihre Zustimmung auch nachträglich erteilen könnten. § 285 Abs. 3 AktG ist jedoch im Zusammenhang mit § 285 Abs. 1 AktG zu sehen. Aus dieser Vorschrift lässt sich entnehmen, dass die Komplementäre in der Hauptversammlung kein Stimmrecht haben, was wiederum voraussetzt, dass sie in der Hauptversammlung teilnahmeberechtigt sind. Somit ist zunächst festzuhalten, dass alle Komplementäre teilnahmeberechtigt sind. Zur Teilnahme verpflichtet sind dagegen die geschäftsführenden Komplementäre, da diese gegenüber der Gesamtheit der Aktionäre die vorgelegten Unterlagen mündlich erläutern müssen und zudem gem. § 278 Abs. 3 i.V.m. § 131 AktG Auskunft zu geben haben167. Keine Teilnahmeverpflichtung besteht insoweit, wie die Tagesordnung Beschlussgegenstände umfasst, über die von den Kommanditaktionären autonom Beschluss gefasst werden kann168. 4. Grenzen der Informationspflicht Die Informationspflicht stößt dort an ihre Grenzen, wo das Geheimhaltungsinteresse der Gesellschaft überwiegt. Auch für die KGaA kennt das Gesetz sog. Schutzklauseln, wie sich aus den §§ 293a Abs. 2 S. 1, 293e Abs. 2 AktG und den §§ 78 S. 1 i.V.m. 8 Abs. 2 S. 1, 12 Abs. 3, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG ergibt. In gesamtanaloger Anwendung dieser Vorschriften besteht keine Verpflichtung zur Preisgabe von Informationen, wenn diese objektiv geeignet sind, dem Unternehmen oder einem i.S.d. § 8 Abs. 2 AktG verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Insoweit gelten grundsätzlich die Ausführungen zur Aktiengesellschaft entsprechend169. Abweichungen, die den Besonderheiten der KGaA geschuldet sind, ergeben sich aufgrund der Tatsache, dass die Hauptversammlung über die Feststellung des Jahresabschlusses beschließt, vgl. § 286 Abs. 1 S. 1 AktG. Aus diesem Grund können Angaben zu Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden nicht geheim gehalten werden170. Eine weitere Besonderheit kann in der KGaA entstehen, wenn sie nicht als Publikumsgesellschaft ausgestaltet ist und insoweit nicht mit der AG vergleichbar ist. In 166 Teilweise wird darauf hingewiesen, dass es sich bei dieser Vorschrift um eine deklaratorische Norm handelt, da die Zustimmungspflicht auch der Komplementäre bereits aus § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. 161 Abs. 2 HGB hervorgehe, vgl. Sethe, Kapitalgesellschaft, S. 122 f. 167 Semler/Perlitt, in: MünchKommAktG, § 285 Rn. 6. 168 Dies ist z. B. bei der Wahl von Mitgliedern des Aufsichtsrates der Fall, vgl. Semler/ Perlitt, in: MünchKomm AktG, § 285 Rn. 7. 169 Vgl. auch BayOblG, NJW-RR 1999, 1487 f. 170 Zur Nichtanwendbarkeit der § 131 Abs. 3 Nr. 3 und 4 AktG in der KGaA: Semler/Perlitt, in: MünchKomm-AktG, § 286 Rn. 74.

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

diesen Fällen findet eine Hauptversammlung nicht öffentlich statt, so dass ein weitaus geringeres Risiko besteht, dass sensible Daten in die Öffentlichkeit gelangen. Eben dieses Risiko einer Veröffentlichung der Information liegt jedoch den vorgenannten Schutzklauseln zugrunde, die sich wiederum an § 131 Abs. 3 AktG orientieren171. Bei einem überschaubaren und untereinander bekannten Gesellschafterkreis besteht jedoch nicht das Risiko, gegen das die Schutzklauseln absichern sollen. Diese sind daher teleologisch zu reduzieren, so dass regelmäßig keine Geheimhaltung gegenüber den Gesellschaftern in Betracht kommt. Im Übrigen bestehen Besonderheiten in Bezug auf die Reichweite der Auskunftsverweigerung in der Hauptversammlung. So ist bereits eingangs erwähnt worden, dass sich die Rechtsform der KGaA insbesondere bei einigen Kreditinstituten Beliebtheit erfreut172. Für diese gelten handelsrechtliche Besonderheiten, wie sich aus den §§ 340 ff. HGB ergibt. Dabei sieht § 340f Abs. 4 HGB vor, dass Angaben über die Bildung und Auflösung sog. Vorsorgereserven173 sowie über damit zusammenhängende Verrechnungen nicht im Jahresabschluss und Anhang gemacht werden müssen. Dieses Privileg zur Bildung stiller Reserven muss sich auch in einem entsprechende Recht zur Auskunftsverweigerung i.S.d. §§ 278 Abs. 3, 131 Abs. 3 AktG niederschlagen, da sonst die handelsrechtlichen Spezialvorschriften unterlaufen würden.

III. Ergebnisse des Sechsten Teils 1.

Die Holzmüller-Doktrin ist in ihrer Kernaussage auf die KGaA übertragbar.

2.

Die Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin beruht zum Einen darauf, dass die Geschäftsführungsbefugnis der Komplementäre üblicherweise der des Vorstands einer AG entspricht. Zum Anderen sind die Kommanditaktionäre die Primäradressaten des wirtschaftlichen Risikos. Schließlich bewirkt die vergleichsweise schwache Stellung des Aufsichtsrats, dass unter bestimmten Umständen ein Kontrolldefizit besteht. Dieses ist für den Bereich der Strukturmaßnahmen durch eine verstärkte Partizipation der Kommanditaktionäre auszugleichen.

3.

Die Holzmüller-Doktrin ist dogmatisch als Unterfall der Grundlagengeschäfte einzuordnen.

4.

Die in Bezug auf Holzmüller-Maßnahmen bestehende Zustimmungskompetenz der Hauptversammlung ist nicht disponibel, da derartige Maßnahmen den Kernbereich der Mitgliedschaft berühren.

5.

Die Hauptversammlung kann ihre Zustimmung zu einer Holzmüller-Maßnahme bereits in der Satzung zu erklären. Dazu muss allerdings die Maßnahme in ihren Einzelheiten beschrieben werden.

171 Vgl. Begründung RegE zu § 8 Abs. 2 UmwG, abgedruckt in: Ganske, Umwandlungsrecht, S. 54. 172 Vgl. Sechster Teil. 173 § 340f Abs. 1 AktG.

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen

187

6.

In der KGaA ist bezüglich Holzmüller-Maßnahmen zwischen der Entscheidungszuständigkeit und der Ausführungszuständigkeit zu unterscheiden. Da letztere auch bei Holzmüller-Maßnahmen bei der Geschäftsführung verbleibt, schlägt die mangelnde vorherige Zustimmung durch die Hauptversammlung nicht auf das Außenverhältnis durch.

7.

Analog §§ 65 Abs. 1 S. 1 i.V.m. 78 S. 1, 125 S. 1, 233 Abs. 2 S. 1, 240 Abs. 1 S. 1, 252 Abs. 3 UmwG ist für einen Holzmüller-Beschluss eine Mehrheit von 3 des vertretenen Grundkapitals erforderlich. 4

8.

Der Kreis potentieller Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA entspricht dem der AG.

9.

Die Einberufung der Hauptversammlung erfolgt gem. § 283 Nr. 6 AktG durch die geschäftsführungsbefugten Komplementäre.

10. Die Geschäftsführung hat mit der Einberufung der Hauptversammlung den wesentlichen Inhalt der Maßnahme gem. § 278 Abs. 2 i.V.m. § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AktG analog bekannt zu machen. 11. Gem. § 278 Abs. 3 i.V.m. § 124a S. 1 Nr. 3 AktG sind die der Hauptversammlung zugänglich zu machenden Unterlagen alsbald nach der Einberufung auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich zu machen. 12. Gem. § 278 Abs. 3 i.V.m. einer Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs. 2 S. 1 und 2, 293f Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 AktG und den §§ 125 S. 1, 78 S. 1, 63 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 UmwG haben die geschäftsführenden Komplementäre den HolzmüllerVertrag ab Einberufung in den Geschäftsräumen auszulegen und den Aktionären auf Verlangen zu übersenden. 13. Es besteht ferner eine Verpflichtung zur Erstellung eines Holzmüller-Berichts. Dies ergibt sich aus § 278 Abs. 3 AktG i.V.m. einer Gesamtanalogie zu § 293a Abs. 1 AktG und den §§ 78 S. 1, 8 Abs. 1 S. 1, 127 S. 1, 135 Abs. 1 S. 1, 192 Abs. 1 S. 1 UmwG. Die Gesellschafter können analog §§ 8 Abs. 3 S. 1, 1. HS, 125 S. 1 UmwG auf die Erstellung des Berichts verzichten. Geschieht dies nicht, ist der Bericht gem. § 278 Abs. 3 AktG i.V.m. einer Gesamtanalogie zu § 293f Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AktG und den §§ 78 S. 1, 8 Abs. 1 S. 1, 63 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3, 127 S. 2, 135 Abs. 1 S. 1, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG auszulegen und zu übersenden. 14. Die Geschäftsführung ist nicht verpflichtet, von der Einberufung der Hauptversammlung an die Jahresabschlüsse und Lageberichte auszulegen. 15. Im Falle einer Ausgliederung im Weg der Einzelrechtsnachfolge ist gemäß § 78 i.V.m. §§ 125 S. 1, 63 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 UmwG eine Einbringungsbilanz zu erstellen, auszulegen und bei Verlangen der Aktionäre zu übersenden. 16. Kommt es im Rahmen der Holzmüller-Maßnahme zu einem Anteilstausch, ist zudem ein Prüfungsbericht zu erstellen, wie sich aus § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. einer Gesamtanalogie zu den §§ 293b Abs. 1, 293e Abs. 1, 293f Abs. 1

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6. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen in der KGaA

Nr. 3, 293g Abs. 1, 320 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 AktG und § 78 i.V.m. §§ 60, 9 Abs. 1, 12 Abs. 1, 125 S. 1 UmwG ergibt. 17. Die geschäftsführenden Komplementäre sind von der Pflicht zur Auslage und Übersendung der jeweiligen Unterlagen befreit, wenn diese ab Einberufung der Hauptversammlung auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich sind und die Kommanditaktionäre die Möglichkeit zum Download haben. 18. Die geschäftsführenden Komplementäre sind verpflichtet, während der Hauptversammlung den Kommanditaktionären die wichtigen Unterlagen zugänglich zu machen. Dies folgt aus § 278 Abs. 3 AktG i.V.m. einer Gesamtanalogie zu den §§ 179a Abs. 2 S. 4, 293f Abs. 1 Nr. 1, 293g Abs. 1 AktG und den §§ 78 S. 1, 64 Abs. 1 S. 1, 125 S. 1 UmwG. 19. Die Komplementäre sind nicht zur Preisgabe von Informationen verpflichtet, wenn diese objektiv geeignet sind, dem Unternehmen oder einem i.S.d. § 8 Abs. 2 AktG verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. Dies folgt aus § 278 Abs. 3 AktG i.V.m. einer Gesamtanalogie zu den §§ 293a Abs. 2 S. 1, 293e Abs. 2 AktG und den §§ 78 S. 1, 8 Abs. 2 S. 1, 12 Abs. 3, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG. Bei einem überschaubaren und untereinander bekannten Gesellschafterkreis kommt eine Geheimhaltung gegenüber den Gesellschaftern regelmäßig nicht in Betracht.

Siebter Teil

Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH Die GmbH unterscheidet sich von der Aktiengesellschaft zunächst dadurch, dass sie nach ihrer gesetzlichen Grundkonzeption nur zwei obligatorische Organe kennt, die Geschäftsführung und die Gesellschafterversammlung. Die Errichtung eines Aufsichtsrats ist demgegenüber nur in den Fällen der Arbeitnehmermitbestimmung obligatorisch, im Übrigen gem. § 52 Abs. 1 GmbHG fakultativ. Ein weiterer gewichtiger Unterschied besteht darin, dass die Geschäftsführung der GmbH gem. § 37 Abs. 1 GmbHG von den Weisungen der Gesellschafterversammlung abhängig ist. Damit kann die Gesellschafterversammlung auch einfache Geschäftsführungsmaßnahmen an sich ziehen1. Sie ist deshalb das oberste Organ der Gesellschaft2. Ein weiterer gravierender Unterschied besteht in der weitgehenden Disposivität der Kompetenznormen: Die Gesellschafterversammlung hat aufgrund der im Bereich der GmbH anerkannten Satzungsautonomie einen weiten Gestaltungsspielraum, der von der Degradierung des Geschäftsführers zum reinen Exekutivorgan fürs Tagesgeschäft3 bis zum Ausschluss der eigenen Zuständigkeit in Geschäftsführungsangelegenheiten4 und einer damit verbundenen weitgehenden Unabhängigkeit des Managements reicht. Damit hat die Gesellschafterversammlung ein grundsätzlich unbeschränktes Letztentscheidungsrecht5. In der Praxis wird regelmäßig bereits durch den Gesellschaftsvertrag festgelegt, innerhalb welcher Grenzen der Geschäftsführer ohne die Zustimmung der Gesellschafterversammlung agieren kann. Diese Regelungen sind aufgrund der weitgehenden Disposivität des GmbHG grundsätzlich vorrangig vor den gesetzlichen Regelungen. Häufig enthalten die Satzungen einen Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte, die z. T. mit Schwellenwerten versehen werden. Gleichzeitig wird i. d. R. das entsprechende Mehrheitserfordernis im Falle einer Zustimmungspflicht geregelt. Im Folgenden soll untersucht werden, ob für den gesetzlichen Ausgangsfall der GmbH eine Holzmüller-Kompetenz der Gesellschafter in Geschäftsführungsangelegenheiten besteht. Ferner gilt es zu ermitteln, welche Auswirkungen 1

Zöllner, ZGR 1992, 173, 178. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1068. 3 Vgl. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 12. 4 Vgl. Koppensteiner, in: Rowedder, GmbHG, § 37 Rn. 18 ff. 5 Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231; zur Frage, ob ihr bezüglich grundlegender Entscheidungen auch eine unabdingbare Entscheidungspflicht zukommt, s.u. unter Siebter Teil, A. II. 3. b) aa) (3). 2

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

eine solche Kompetenz auf den statuarischen Gestaltungsspielraum der Gesellschafter hat und welche Informationspflichten sich daraus für die Geschäftsführung einer GmbH ergeben.

A. Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die GmbH I. Kompetenzen der Geschäftsführung Zwar stellt die Gesellschafterversammlung das oberste Organ der GmbH dar. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass die Gesellschafterversammlung nach der Konzeption des Gesetzes auch für alle in der Gesellschaft anfallenden Dinge zuständig ist. Vielmehr beruht die GmbH auf dem Konzept der Drittorganschaft, d. h. der Wahrnehmung der Geschäftsführung durch einen von den Gesellschaftern verschiedenen Dritten6. Damit ist zwar nicht ausgeschlossen, dass auch ein Gesellschafter die Geschäfte führen kann – gerade dies ist in der Praxis weit verbreitet –, sondern nur gesagt, dass das Gesetz davon ausgeht, dass die Geschäftsführung grundsätzlich nicht durch die Gesellschafter, sondern durch einen hauptberuflichen und fachlich versierten Geschäftsführer wahrgenommen wird. Dieses Konzept lässt sich anhand der Entstehungsgeschichte der GmbH nachvollziehen, die Ende des 19. Jahrhunderts als „kleine AG“ konzipiert wurde7. Das damalige Konzept einer stärkeren Anlehnung am Personengesellschaftsrecht setzte sich dagegen nicht durch8. Die mit der Drittorganschaft verbundene Aufgabenzuweisung kommt in § 37 Abs. 1 GmbHG zum Ausdruck. Danach ist der Geschäftsführer auf der einen Seite verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, die ihm durch die Gesellschafter in der Satzung oder durch Beschluss aufgegeben worden sind9. Aus einem Umkehrschluss zu § 37 Abs. 1 GmbHG bedeutet dies jedoch ebenso, dass der Geschäftsführer alles zu unternehmen hat, was erforderlich ist, um den Gegenstand des Unternehmens nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Geschäftsleitung fortlaufend zu verwirklichen10. Daher gehört – unbeschadet der Möglichkeit einer Rückverlagerung der Kompetenz auf die Gesellschafter – zumindest die laufende Geschäftsführung in den Aufgabenkreis des Geschäftsführers11. Diesem obliegen daher alle Führungsfunktionen, worunter insbesondere die zweckmäßige Organisation des Unternehmens, das interne Controlling, die Unternehmens6

Vgl. RegE GmbHG vom 11. 2. 1892, Reichstags-Aktenstück Nr. 660, S. 3731. Vgl. dazu Ulmer, in: GroßkommGmbHG, Einl. A 4. 8 Vgl. das Konzept Oechselhäusers eines gesamthänderischen Personenverbands mit Selbstorganschaft, abgedr. bei Schilling, in: FS Kunze, S. 189, 205 ff. 9 Ferner können die Gesellschafter auch im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers festlegen, welche Maßnahmen der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen. 10 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 3. 11 Wolff, in: MünchHdb GmbH, § 37 Rn. 58. 7

A. Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die GmbH

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planung und die Besetzung von Führungspositionen fallen12. Handelt es sich bei der GmbH um eine konzernleitende Gesellschaft, so steht auch die Konzernleitung grundsätzlich dem Geschäftsführer zu13. Vorbehaltlich der Deckung mit dem satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand und der festgelegten Unternehmenspolitik14, darf der Geschäftsführer auch Beteiligungen erwerben15. Auch die Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen und die Ausgliederung von Unternehmensteilen im Wege der Einzelrechtsnachfolge steht grundsätzlich in der Kompetenz der Geschäftsführung16.

II. Kompetenzen der Gesellschafterversammlung 1. Geschriebene Geschäftsführungskompetenzen Das Gesetz enthält in § 46 GmbHG einen Katalog wichtiger Maßnahmen, die der Gesellschafterversammlung vorbehalten sind. Dazu gehören die Feststellung des Jahresabschlusses17, die Ergebnisverwendung18, die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer19, die Bestellung von Prokuristen und Generalbevollmächtigten20 und die Geltendmachung von Ersatzansprüchen aus der Gründung oder Geschäftsführung, sowie die Prozessvertretung der Gesellschaft gegenüber der Geschäftsführung21. Bei diesen Kompetenzen handelt es sich im weitesten Sinne um Geschäftsführungsmaßnahmen, die jedoch aufgrund ihrer Tragweite der Gesellschafterversammlung als oberstem Organ der GmbH zugeordnet sind22. Dieser Zuständigkeitskatalog ist jedoch – anders als im AktG – punktuell angelegt. Das GmbHG stellt somit kein umfassendes Organisationsstatut zur Verfügung, in dem der Zuständigkeitsbereich jedes Organs abschließend bestimmt ist23.

12

Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb GmbH, § 44 Rn. 52. Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 62; OLG Koblenz, NJW-RR 1991, 487 f.; Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb GmbH, § 44 Rn. 57; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 37 Rn. 65; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 6. 14 Siehe oben. 15 Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb GmbH, § 44 Rn. 57. 16 Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 62; Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb GmbH, § 44 Rn. 57. 17 §§ 46 Nr. 1, 42a Abs. 2 GmbHG. 18 §§ 46 Nr. 1, 29 Abs. 2 GmbHG. 19 § 46 Nr. 6 GmbHG. 20 § 46 Nr. 7 GmbHG. 21 § 46 Nr. 8 GmbHG. 22 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 4; Wolff, in: MünchHdb GmbH, § 37 Rn. 12. 23 Hommelhoff, ZIP 1983, 383 f. 13

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

2. Geschriebene Kompetenz für Grundlagenentscheidungen Wie in den bisher untersuchten Gesellschaftsformen zeichnet sich auch die GmbH dadurch aus, dass den Gesellschaftern Kompetenzen in grundlegenden Entscheidungen ausdrücklich zuerkannt werden. Eine solche Zuständigkeit zeichnet das Gesetz ebenfalls nur punktuell auf, wenn es der Gesellschafterversammlung die Kompetenz für die Änderung des Gesellschaftsvertrags (§ 53 GmbHG) zuweist, sowie weitere strukturverändernde Maßnahmen wie etwa die Kapitalerhöhung und -herabsetzung (§§ 55, 58 GmbHG), Verschmelzungen, Ausgliederungen kraft partieller Gesamtrechtsnachfolge, Vermögensübertragung und Formwechsel (§§ 13 Abs. 1, 50, 125 S. 1, 176 Abs. 1, 177 Abs. 1, 193 Abs. 1, 233 Abs. 2, 240 Abs. 1 UmwG) und die Auflösung und Fortsetzung der Gesellschaft (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung unterstellt24. 3. Übertragung der Holzmüller-Doktrin Steht fest, dass das GmbHG die Kompetenzabgrenzung der Organe nur unvollständig regelt, so kommt eine Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin zumindest rechtstechnisch in Betracht. Dass eine solche Übertragung auch geboten ist, ergibt sich durch einen systematischen Vergleich der GmbH mit der AG: Wie oben dargelegt reichen die Kompetenzen der Geschäftsführung in der GmbH weniger weit als die des Vorstands einer Aktiengesellschaft. Damit darf der Kreis der Gesellschafterzuständigkeiten nicht enger gezogen werden, so dass die Holzmüller-Doktrin in der GmbH „erst recht“ zur Anwendung kommen muss25. Dagegen spricht auch nicht, dass das GmbHG insbesondere im Hinblick auf die Kompetenzen der Gesellschafterversammlung vom Grundsatz der Disposivität geprägt ist und die GmbH-Gesellschafter insoweit nicht in gleicher Weise wie Aktionäre davor geschützt werden, sich per Satzung ihrer Einfluss- und Kontrollrechte zu entledigen26. Vielmehr sieht auch das GmbHG eine zwingende Zuständigkeit der Gesellschafter für Grundlagenentscheidungen, wie beispielsweise Satzungsänderungen, vor27. Daraus ergibt sich, dass das Gesetz davon ausgeht, dass eine Zuständigkeit der Gesellschafter für grundlegende Entscheidungen besteht, auch wenn dies nur punktuell durch das GmbHG zum Ausdruck kommt. Die Grundsätze der Holzmüller-Doktrin sind damit im Kern auch für die GmbH anwendbar28. Damit ist jedoch nicht geklärt, wie diese un24

Spindler/Kepper, DStR 2005, 1738, 1742; Thümmel, DB 1995, 2461, 2463. So letztlich auch: Reichert, AG 2005, 150, 160. 26 Vgl. Reichert, der als Beispiel anführt, dass im Gegensatz zur Aktiengesellschaft in der GmbH stimmrechtslose Geschäftsanteile nicht mit der Notwendigkeit einer Begründung von Vorzügen verknüpft sein müssen, ZHR-Sonderheft 68 (1999), 25, 48 f. 27 RGZ 137, 305, 308; BGHZ 43, 261, 264. 28 Decher, in: MünchHdb GmbH, § 68 Rn. 13 ff.; Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 60; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, S. 167 ff.; ders., ZGR 2005, 1 f.; Lutter/ Leinekugel, ZIP 1998, 225, 232; Veil, ZIP 1998, 361, 366; Sonntag, Konzernbildungskontrolle, 25

A. Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die GmbH

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geschriebenen Zuständigkeiten der Gesellschafter für Strukturmaßnahmen dogmatisch im Recht der GmbH zu verorten sind. a) Ungeschriebene Geschäftsführungskompetenzen für außergewöhnliche Maßnahmen Überwiegend wird die Holzmüller-Doktrin als ungeschriebene Geschäftsführungskompetenz für außergewöhnliche Maßnahmen angesehen29. Derartige Gesellschafterkompetenzen existieren unstreitig in der GmbH, da § 46 GmbHG nicht Ausdruck einer vom Gesetz als abschließend verstandenen Zuständigkeitsaufzählung der Gesellschafter ist. Damit ist die GmbH anders als die Aktiengesellschaft nicht von einem System der Machtbalance, sondern durch eine starke Eigentümerprägung gekennzeichnet30. Aus diesem Grund existiert eine Reihe ungeschriebener Geschäftsführungskompetenzen der Gesellschafter, die stichwortartig unter dem Begriff einer Zuständigkeit für „außergewöhnliche Maßnahmen“ diskutiert wird. Inhaltlich fallen unter diese Rubrik in erster Linie die Bestimmung der Unternehmenspolitik31 sowie sog. „ungewöhnliche Geschäfte“32. aa) Dogmatische Grundlage Die Zuständigkeit der Gesellschafter für „ungewöhnliche Geschäfte“ wird nach allgemeiner Ansicht aus einem Rückschluss zu § 49 Abs. 2 GmbHG abgeleitet, wonach die Gesellschafterversammlung einzuberufen ist, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich erscheint33. Dieser dogmatische Ansatz ist jedoch, ähnlich wie die Parallelvorschrift des § 121 Abs. 1, 3. Fall AktG, nicht zur Begründung einer Organzuständigkeit geeignet, da die genannten Vorschriften eine solche bereits voraussetzen und lediglich eine Einberufungspflicht statuieren34. Vielmehr ist die Kompetenz zur Bestimmung der Unternehmenspolitik aus einer Gesamtbetrachtung der verS. 196 ff.; Halm, NZG 2001, 728, 737; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 368; a.A.: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 52; offen gelassen von: Zöllner, ZGR 1992, 173, 185 f. 29 Vgl. statt vieler: Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 11; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11; Wolff, in: MünchHdb GmbH, § 37 Rn. 60. 30 Spindler/Kepper, DStR 2005, 1738 f. 31 BGH, ZIP 1991, 509; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 22; MarschBarner/Diekmann, in: MünchHdb GmbH, § 44 Rn. 54; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 9. 32 BGH, DB 1984, 661; BGH, NJW 1995, 596; Koppensteiner, in: Rowedder, GmbHG, § 37 Rn 10; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 37 Rn. 15; Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb GmbH, § 44 Rn. 55; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11. 33 BGH, NJW 1984, 1461 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 11; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11; Wolff, in: MünchHdb GmbH, § 37 Rn. 60. 34 Vgl. Zweiter Teil, C. II. 2.; Kort, ZIP 1991, 1274, 1277.

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

schiedenen Kompetenznormen zu entnehmen35. So lässt sich beispielsweise aus der Zuständigkeit der Gesellschafter zur Feststellung der Jahresbilanz gem. § 46 Nr. 1 GmbHG auf eine ungeschriebene Kompetenz zur Festlegung der Bilanz- und Finanzpolitik schließen36. Für die dogmatische Begründung einer Kompetenz für ungewöhnliche Geschäfte ist ein Rückgriff auf die aus dem Recht der Personenhandelsgesellschaften in §§ 116 Abs. 1 und 2, 164 HGB verankerte Differenzierung zwischen gewöhnlichen und ungewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahmen zu bevorzugen37. bb) Inhaltliche Reichweite Inhaltlich fallen unter die „ungewöhnlichen Geschäfte“ solche Maßnahmen, die außerhalb der festgelegten Unternehmenspolitik liegen38 oder wegen ihrer Bedeutung, insbesondere wegen ihres wirtschaftlichen Risikos39, Ausnahmecharakter für die Gesellschaft und die Gesellschafter haben40. Auch Maßnahmen, bei deren Durchführung der Geschäftsführer Zweifel an einer Billigung durch die Gesellschafter haben muss, werden zum Bereich ungewöhnlicher Maßnahmen gezählt41. Grund dafür ist, dass der Geschäftsführer nicht gegen den mutmaßlichen Willen der Gesellschafter handeln soll42. Nicht unter diese Kategorie fallen Geschäfte, die außerhalb

35 Goette, DStR 1998, 938, 942; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 8; a.A.: Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 14; Koppensteiner, in: Rowedder, GmbHG, § 37 Rn. 8; Wolff, in: MünchHdb GmbH, § 37 Rn. 62. 36 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 21; Goette, DStR 1998, 938, 942; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 8; a.A.: Zöllner/Noack, in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 14; Koppensteiner, in: Rowedder, GmbHG, § 37 Rn. 8; Wolff, in: MünchHdb GmbH, § 37 Rn. 62; Kort, ZIP 1991, 1274, 1276 ff. 37 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 22; tendenziell OLG Frankfurt a.M., GmbHR, 1989, 254 f. 38 OLG Düsseldorf, ZIP 1984, 1476, 1479; BGH, GmbHR 1991, 197; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 37 Rn. 14. 39 Teilweise wird diese Fallgruppe in der GmbH mit dem Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin gleichgesetzt, wie etwa im Fall Springer/Kirch Sat1, in dem das OLG Koblenz, nachdem die Geschäftsführung gegen den ausdrücklichen Willen des zuständigen Gesellschaftergremiums einen Lizenzvertrag über ca. DM 755 Mio. geschlossen hatte, davon ausging dass das Geschäft über den gewöhnlichen Betrieb hinausging, und die Zuständigkeit der Gesellschafter in Anlehnung an die Holzmüller-Grundsätze feststellte, ZIP 1990, 1570, 1573 f. Diese Einordnung ist, wie im Folgenden gezeigt wird, nicht aufrechtzuerhalten. 40 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11, die allerdings ohne qualitative Differenzierung auch Grundlagenentscheidungen dem Bereich der ungeschriebenen Geschäftsführungskompetenzen zuordnen. 41 BGH, NJW 1984, 1461 f.; Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb GmbH, § 44 Rn. 54; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11; den sicheren Schluss auf einen Widerspruch der Gesellschafter fordernd: Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 10; anders: Kort, ZIP 1991, 1274, 1278, der diese Fallgruppe als Problemkreis der Geschäftsführerhaftung gem. § 43 GmbHG betrachtet. 42 BGH, NJW 1984, 1461 f.; OLG Frankfurt a.M., GmbHR, 1989, 254 f.

A. Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die GmbH

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des in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstandes liegen, da diese schlichtweg rechtswidrig sind43. Teilweise wird befürwortet, den Kreis der ungewöhnlichen Maßnahmen nicht zu weit zu ziehen, um die Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsführer nicht auszuhöhlen44. Dem ist zwar im Ergebnis zuzustimmen, aber nicht in der Begründung: Eine begrenzende Konkretisierung des unscharfen Begriffes einer „ungewöhnlichen Maßnahme“ liegt nicht nur im Interesse einer praktischen Rechtsanwendung, sondern ist durch diese auch geboten. Dagegen kann der vermeintliche Schutz einer „Rumpf-Geschäftsführungsbefugnis“ des Geschäftsführers schon deshalb nicht als entscheidendes Argument verfangen, weil es den Gesellschaftern durch entsprechende Regelungen in der Satzung oder Beschlüsse sogar möglich wäre, den Geschäftsführer – von den gesetzlichen Mindestzuständigkeiten45 einmal abgesehen – zum reinen Exekutivorgan herabzustufen46.

cc) Rechtsfolge einer Gesellschafterzuständigkeit Steht fest, dass die Geschäftsführungsmaßnahme in die Kompetenz der Gesellschafter fällt, kann der Geschäftsführer die Entscheidung im Innenverhältnis nicht ohne Herbeiführung eines Gesellschafterbeschlusses treffen47. Damit ist zunächst gesagt, dass der Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung einberufen muss. Dies gilt auch dann, wenn er bereits die Zustimmung des Mehrheitsgesellschafters eingeholt hat48. Ein förmlicher Gesellschafterbeschluss ist deshalb erforderlich, damit auch die Minderheitsgesellschafter die Möglichkeit haben, an der Entscheidung mitzuwirken49. Die Beschlüsse bedürfen der einfachen Mehrheit50. Aus § 37 Abs. 2 GmbHG folgt, dass ein Verstoß gegen die Zuständigkeit der Gesellschafter grundsätzlich keine Außenwirkung entfaltet51. 43 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 8; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 37 Rn. 13 Fn. 4. 44 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 10; Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb GmbH, § 44 Rn. 55. 45 Vgl. die Insolvenzantragspflicht (§ 64 Abs. 1 GmbHG), die Aufstellung des Jahresabschlusses (§ 264 Abs. 1 HGB), die Vertretung der Gesellschaft nach außen (§ 35 Abs. 1 GmbHG); vgl. BGHZ 31, 258, 278; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 6. 46 Vgl. Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb GmbH, § 44 Rn. 60. 47 BGH, NJW 1973, 1039; OLG Frankfurt a.M., WM 1989, 438, 440; Kleindiek, in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 10 f.; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 126; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 37 Rn. 12 f.; a.A.: Kort, ZIP 1991, 1274, 1277 f.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 7. 48 BGH, ZIP 1991, 509 f.; a.A.: OLG Frankfurt a.M., GmbHR 1989, 255. 49 Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 37 Rn. 12. 50 Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 232. 51 Es sei denn es handelt sich um einen Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht, vgl. BGH NJW 1984, 1461 f.; vgl. auch: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 38; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 49.

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

b) Einordnung der Holzmüller-Doktrin als ungeschriebene Grundlagenzuständigkeit Entgegen der überwiegenden Auffassung ist die Holzmüller-Doktrin in der GmbH als ungeschriebene Grundlagenzuständigkeit der Gesellschafter einzuordnen. aa) Qualitative Differenzierung Für eine Einordnung der Holzmüller-Doktrin als ungeschriebene Grundlagenzuständigkeit spricht zunächst das Bestehen qualitativer Unterschiede zwischen „ungewöhnlichen Geschäften“ und Strukturmaßnahmen sprechen. Derartige Unterschiede betreffen neben dem Inhalt der in Frage stehenden Maßnahmen und den für die jeweiligen Beschlüsse zu fordernden Mehrheitserfordernissen auch die Reichweite des statuarischen Gestaltungsspielraums der Gesellschafter, sowie die Weisungsbefugnis gegenüber einer vertraglich beherrschten GmbH. (1) Inhalt der Maßnahmen Zunächst zeichnen sich ungeschriebene Beschlusskompetenzen für Geschäftsführungsmaßnahmen dadurch aus, dass die zustimmungsbedürftigen Maßnahmen, wie beispielsweise bedeutsame Geschäfte, vornehmlich im Zusammenhang mit der Verfolgung des Unternehmenszwecks stehen. Zwar müssen auch HolzmüllerMaßnahmen den statuarisch festgelegten Unternehmenszweck beachten. Dass sie jedoch einen starken Aspekt unternehmenspolitischer Neuorientierung beinhalten, hat der BGH in seinen Gelatine-Urteilen deutlich gemacht, indem er die Auswirkungen entsprechender Maßnahmen mit einer Satzungsänderung verglichen hat. Grundlagenentscheidungen zeichnen sich ferner durch ihren Bezug zur Organisation und Zusammensetzung der Gesellschaft aus und weisen insoweit eine starke mitgliedschaftliche Relevanz auf52. Es geht bei ihnen daher in erster Linie nicht um die Führung des Unternehmens, sondern um dessen Umgestaltung53. Für sie ist die Änderung des rechtlichen oder wirtschaftlichen Aufbaus der Gesellschaft charakteristisch, durch welche die Mitgliedsrechte der Gesellschafter mediatisiert werden. Insoweit bestehen inhaltliche Unterschiede zwischen Geschäftsführungs- und Strukturmaßnahmen. (2) Mehrheitserfordernis Darüber hinaus unterscheiden sich die Zustimmungskompetenzen für Geschäftsführungs- und Strukturmaßnahmen auch hinsichtlich der gesetzlich vorgesehenen Mehrheitserfordernisse. Ist Beschlussgegenstand eine Grundlagenentscheidung, so ist aufgrund der Nähe zur Satzungsänderung54 ein Beschluss mit Dreiviertel-Mehrheit 52

Kort, ZIP 1991, 1274, 1276. Vgl. zur AG: Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230. 54 Vgl. zur AG: BGH, NZG 2004, 575, 579 („Gelatine I“); BGH, NJW 2004, 1860, 1864 („Gelatine II“). 53

A. Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die GmbH

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erforderlich55, während für Maßnahmen, die aufgrund ihrer Ungewöhnlichkeit vorgelegt werden müssen, ein Beschluss mit einfacher Mehrheit ausreicht56. (3) Statuarische Disposivität Ein weiterer gewichtiger Unterschied zwischen den beiden Zustimmungskompetenzen besteht darin, inwieweit sich die Gesellschafter dieser durch die Satzung entledigen können. Die GmbH zeichnet sich durch ein sehr dispositionsfreundliches Regelungsregime aus, das den Gesellschaftern die Ausprägung verschiedenster Realtypen ermöglicht57. Von dieser grundsätzlich weiten Disposivität sind jedoch die gesetzlich kodifizierten Strukturentscheidungen ausgenommen, die das Gesetz zwingend der Gesellschafterversammlung zuweist58. Insoweit differenziert das Gesetz zwischen einem Kern obligatorischer Kontroll- und Einflussrechte und anderen, dispositiven – weil nicht für die Mitgliedschaft als essentiell erachteten – Kompetenzen. Dabei muss es entgegen teilweise vertretener Ansicht unerheblich sein, ob die Satzung einen Katalog von zustimmungsbedürftigen Rechtsgeschäften vorsieht oder nicht59. Denn auch bei Bestehen eines derartigen Kataloges müssen die Grundlagenkompetenzen nicht delegationsfähig bleiben, damit nicht die gesetzgeberische Einordnung elementarer Kompetenzen unterlaufen wird60. Folglich ist ein Rückgriff auf die ungeschriebenen Grundlagenkompetenzen auch dann zuzulassen, wenn die Satzung sogar eine Autonomie der Geschäftsführung nach aktienrechtlichem Vorbild vorsieht61. Rein faktisch setzt damit die Holzmüller-Doktrin dem statuarischen Gestaltungsspielraum der Gesellschafter Grenzen62. Konsequenterweise kann damit auch die für Holzmüller-Maßnahmen zu fordernde Dreiviertel-Mehrheit nicht statuarisch herabgesetzt werden63. Eine Verschärfung des Mehrheitserfordernisses ist dagegen per Satzung möglich64.

55 Priester, ZHR 163 (1999), 187, 199 f.; Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 62; Veil, ZIP 1998, 361, 367; Reichert, AG 2005, 150, 160. 56 Vgl. Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 232. 57 So können sich die Gesellschafter beispielsweise durch abschließende Zustimmungskataloge in der Satzung des Großteils ihrer Beschlusskompetenz entledigen und insoweit ihre Gesellschaft AG-ähnlich strukturieren. 58 RGZ 137, 305, 308; BGHZ 43, 261, 264; vgl. auch: Liebscher, ZGR 2005, 1 f.; ders., Konzernbildungskontrolle, S. 168 ff.; Reichert, AG 2005, 150, 159; Decher, in: MünchHdb GmbH, § 68 Rn. 14; Emmerich, in: Scholz, Anh. § 13 Rn. 63. 59 A.A.: OLG Stuttgart, DB 2001, 854, 857; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 44; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231. 60 Vgl. RGZ 137, 305, 308; BGHZ 43, 261, 264; Zöllner, ZGR 1992, 173, 178; Liebscher, ZGR 2005, 1 f. 61 So auch: Priester, ZHR 163 (1999), 187, 198. 62 Reichert, AG 2005, 150, 159. 63 Reichert, AG 2005, 150, 160. 64 Insoweit auch: OLG Stuttgart, DB 2001, 854, 857.

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(4) Auswirkungen auf das Weisungsrecht über eine vertraglich beherrschte GmbH Die Erkenntnis von einem satzungsfesten Kernbereich der Gesellschafterzuständigkeiten führt auch beim Vertragskonzern zu Auswirkungen für die herrschende Gesellschaft. Für die vertraglich beherrschte GmbH wird das Weisungsrecht der Gesellschafter analog § 308 AktG auf das herrschende Unternehmen übertragen65. Nicht von diesem Weisungsrecht umfasst sind jedoch Zuständigkeiten, welche das Gesetz den Gesellschaftern zwingend zuschreibt66. Gleiches muss auch für Grundlagenentscheidungen gelten, so dass in der beherrschten GmbH ein „weisungsfester Kernbereich“ fortbesteht67. bb) Begriffliche Differenzierung Die soeben aufgeführten qualitativen Unterschiede zeigen, dass die ungeschriebene Grundlagenkompetenz der Gesellschafter zunächst begrifflich eine gesonderte Behandlung benötigt, die zugleich Anlass gibt, die vorherrschende Terminologie zu überdenken: Es bietet sich an, unter „Geschäftsführungsmaßnahmen i.w.S.“ alle Entscheidungen zu verstehen, die in der GmbH anfallen können. Aufgrund qualitativer Unterschiede unterteilt sich dabei dieser Bereich in „Geschäftsführungsmaßnahmen i.e.S.“, d. h. solchen, die keine Strukturveränderung beinhalten, und „Grundlagengeschäften“ bzw. „Strukturmaßnahmen“, d. h. Maßnahmen mit strukturveränderndem Effekt. Soweit diese eine Mediatisierung der Mitgliedsrechte bewirken, ist dabei auf die Holzmüller-Rechtsprechung zurückzugreifen. Unabhängig von der Frage, ob bei der GmbH von denselben qualitativen und quantitativen Anforderungen auszugehen ist wie bei der Aktiengesellschaft68, führt die prinzipielle Übertragung der Holzmüller-Rechtsprechung auf die GmbH dazu, dass es Strukturmaßnahmen gibt, die zwar einen Mediatisierungseffekt auslösen, aber mangels Wesentlichkeit eine ungeschriebene Zuständigkeit der Gesellschafter – jedenfalls nach Holzmüller-Grundsätzen – nicht begründen können. Während damit in der Aktiengesellschaft das Ergebnis bereits feststeht, dass den Aktionären keine zwingende Beschlusszuständigkeit für die Maßnahme zukommt, verhält sich dies aufgrund der unterschiedlichen Kompetenzverteilung in der GmbH anders: Auch Strukturmaßnahmen, die den Wesentlichkeitstest der Holzmüller-Doktrin nicht bestehen, können nämlich in die ungeschriebene Zustimmungskompetenz der Gesellschafterversammlung fallen. Dabei handelt es sich dann jedoch nicht um die ungeschriebene Beschlusskompetenz der Gesellschafter für Grundlagengeschäfte, sondern um die für Geschäftsführungsmaßnahmen i.w.S. Grund dafür ist, dass auch Strukturmaßnahmen unterhalb der Wesentlichkeitsschwelle in den Bereich der „Geschäftsführung 65

Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 11, Anh. § 13 Rn. 50. OLG Stuttgart, AG 1998, 585 f.; Zöllner, ZGR 1992, 173, 185 f.; Reichert, AG 2005, 150, 159; a.A. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 51 f. 67 OLG Stuttgart, AG 1998, 585 f.; Zöllner, ZGR 1992, 173, 185 f. 68 Dazu sei auf Siebter Teil, A. II. 3. d) verwiesen. 66

A. Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die GmbH

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i.w.S.“ fallen und somit „ungewöhnliche Maßnahmen“ darstellen können. Anders gewendet stellen Strukturmaßnahmen kein Aliud, sondern ein Maius zu Geschäftsführungsmaßnahmen i.e.S. dar. Somit kann es letztlich auch unterhalb der HolzmüllerDoktrin zu einer Pflicht der Geschäftsführung zur Vorlage an die Gesellschafterversammlung kommen. Da diese Pflicht jedoch „nur“ in Ansehung ungewöhnlicher Geschäftsführungsmaßnahmen besteht, kann sie im Voraus statuarisch abbedungen werden. Zudem setzt der erforderliche Beschluss nur eine einfache Stimmenmehrheit voraus, da es sich nicht um eine Grundlagenkompetenz der Gesellschafter handelt. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass in der Konsequenz dieses Konzepts theoretisch auch wesentliche Strukturmaßnahmen von der „allgemeinen“ Vorlagepflicht für ungewöhnliche Maßnahmen erfasst wären – und insoweit ist der verbreiteten Auffassung in der Literatur zuzustimmen. Nur wird diese Vorlagepflicht im Falle wesentlicher Strukturmaßnahmen von einer speziellen, sich aus der Nähe zur Satzungsänderung und anderen Strukturmaßnahmen ergebenden Vorlagepflicht überlagert. Dies stellt eine wichtige Erkenntnis dar, auf die zu späterem Zeitpunkt zurückgegriffen wird. cc) Dogmatische Begründung Die zweckmäßige Differenzierung zwischen ungeschriebenen Zuständigkeiten für Geschäftsführungsmaßnahmen und Grundlagengeschäften wirkt sich auch auf die Rechtsgrundlage aus. Während eine dogmatische Verankerung in § 49 Abs. 2 GmbHG wie gezeigt bereits aufgrund der Ratio der Vorschrift ausscheidet69, ist auf die an verschiedenen Stellen des GmbHG und des UmwG verankerte Zuständigkeit der Gesellschafter für Grundlagenentscheidungen zurückzugreifen. In den §§ 53 Abs. 1, 55 Abs. 1, 58 Abs. 1, 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG und den §§ 13 Abs. 1, 125 S. 1, 176 Abs. 1, 177 Abs. 1, 193 Abs. 1, 233 Abs. 2, 240 Abs. 1 UmwG kommt die allgemeine Wertung zum Ausdruck, dass die Gesellschafterversammlung in der GmbH zuständig ist für Änderungen des rechtlichen oder wirtschaftlichen Aufbaus der Gesellschaft, die einen wesentlichen Einfluss auf die Mitgliedschaft haben70. Eine ungeschriebene Zuständigkeit für derartige Maßnahmen folgt somit aus einer zu diesen Vorschriften begründeten Gesamtanalogie71. c) Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin Steht fest, dass die Holzmüller-Doktrin in ihrer Kernaussage auf die GmbH übertragbar ist, so ist damit gesagt, dass die Holzmüller-Doktrin im Recht der GmbH wie ihr aktienrechtliches Vorbild aus einem dreigliedrigen Tatbestand besteht. Dieser setzt eine Strukturmaßnahme voraus, durch welche die Mitgliedsrechte der Gesell69

Vgl. Siebter Teil, A. II. Vgl. Decher, in: MünchHdb GmbH, § 68 Rn. 14 m.w.N. 71 Ähnlich: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1069; Decher, in: MünchHdb GmbH, § 68 Rn. 15 m.w.N. 70

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

schafter mediatisiert werden, wobei dieser Mediatisierungseffekt von den Auswirkungen her an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreichen muss72. Einer Klärung bedarf jedoch zunächst die Frage, welche Maßnahmen die aus dem Aktienrecht „verpflanzte“ Holzmüller-Doktrin im Regelungszusammenhang der GmbH umfasst. Dabei ist zunächst auf die Aussagen zurückzugreifen, die im Zusammenhang mit der Aktiengesellschaft getroffen wurden. Diese können soweit fruchtbar gemacht werden, wie sie nicht speziell auf die Rechtsform der Aktiengesellschaft bezogen sind, d. h. allgemeine körperschaftliche Aspekte betreffen. Unter die Holzmüller-Doktrin können demnach die Einbringung bis dato selbst gehaltener wesentlicher Beteiligungen, der Erwerb wesentlicher Beteiligungen und wesentliche Bargründungen fallen. Auch gilt das zum Anteilstausch Gesagte entsprechend für die GmbH73. Ferner sind auch die Fälle der Konzernleitungskontrolle in der GmbH nicht anders zu beurteilen als in der Aktiengesellschaft74. Mangels Mediatisierungseffektes scheiden dagegen Umstrukturierungsmaßnahmen horizontaler Art und Umstufungen von Tochtergesellschaften auf tiefere Konzernebenen aus dem Kreis ungeschriebener Grundlagenkompetenzen aus75. Gleiches gilt für die Veräußerung von Beteiligungen oder Betriebsteilen. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass die Gesellschafterversammlung für die angesprochenen Maßnahmen nicht zuständig ist, da diese ggf. als „ungewöhnliche Maßnahmen“ analog §§ 116 Abs. 1 und 2, 164 HGB durch den Geschäftsführer vorgelegt werden müssen. Die Veräußerung des gesamten Gesellschaftsvermögens fällt ebenfalls nicht unter die Holzmüller-Doktrin, da die Mitgliedsrechte in Ansehung der Unternehmenssubstanz nicht mediatisiert, sondern beendet werden. Auch in diesem Fall besteht jedoch die Erforderlichkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung, da ein Gesamtvermögensgeschäft eine ungewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahme darstellt, dem die Gesellschafterversammlung grundsätzlich analog §§ 116 Abs. 1 und 2, 164 HGB zustimmen muss76. Zwar hat der BGH anerkannt, dass der Rechtsgedanke des § 179a AktG auch auf die GmbH Anwendung findet77. Dies kann jedoch nicht dahingehend verstanden werden, dass die mangelnde Zustimmung der Gesellschafterversammlung wie bei § 179a AktG zur Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts führen kann. Grund dafür ist, dass eine derartige Analogie eine Ausnahme vom in § 37 Abs. 2 GmbHG enthaltenen Grundsatz der unbeschränkten Vertretungsmacht der Ge72

Vgl. Zweiter Teil, D. I. 1. Vgl. Zweiter Teil, D. II. 2. d). 74 BGH, NJW 1989, 295 ff. („Supermarkt“); Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 37 Rn. 64; a.A.: Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 12; vgl. auch OLG Köln, das für den Fall, dass entgegen einem in der Obergesellschaft enthaltenen Vollausschüttungsgebot in den Tochtergesellschaften Gewinne thesauriert werden, die Zustimmung der Gesellschafter der Obergesellschaft mit satzungsändernder Mehrheit fordert, DB 1996, 1713 f. 75 Vgl. Zweiter Teil, D. II. 2. a) cc). 76 BGH, DB 1984, 661; BGH, NJW 1995, 596; Koppensteiner, in: Rowedder, GmbHG, § 37 Rn. 8 ff.; Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb GmbH, § 44 Rn. 55; Zöllner, ZGR 1992, 173, 185 f. 77 BGH, NJW 1995, 596. 73

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schäftsführer darstellen würde, der Gesetzgeber jedoch seit 1995 keine entsprechende Ausnahme zu § 37 Abs. 2 GmbHG übernommen hat. Überdies wäre auch fraglich, ob die analoge Anwendung von § 179a AktG vor dem Hintergrund des Art. 9 Abs. 1 S. 2 der Publizitätsrichtlinie europarechtskonform wäre. Danach können nämlich nur nationale Gesetze eine Beschränkung der Vertretungsmacht für Organe vorsehen, was bei einer auf Richterrecht basierenden Analogie nicht der Fall ist78. Zwei weitere Fälle potentiell zustimmungsbedürftiger Maßnahmen bedürfen der eingehenderen Betrachtung. aa) Ausgliederung wesentlicher Betriebsteile Zunächst ist fraglich, unter welchen Umständen die Ausgliederung eines wesentlichen Betriebsteils im Wege der Einzelrechtsnachfolge in den Bereich potentiell zustimmungspflichtiger Strukturmaßnahmen fällt. Teilweise wird dies wie in der Parallelsituation in der AG mit dem Hinweis bejaht, dass mit der Verlagerung des Gesellschaftsvermögens auf die nächst tiefere Stufe eine Mediatisierung der Mitgliedsrechte einhergeht79. Zutreffend ist, dass die Kompetenzen der Gesellschafterversammlung in der Tochtergesellschaft zunächst vom Geschäftsführer wahrgenommen werden80. Dies gilt nach der hier vertretenen Auffassung zumindest für die Geschäftsführungsmaßnahmen, die bereits kraft Gesetzes der Gesellschafterversammlung zugewiesen sind. Auch nach der Ausgliederung ist die Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft jedoch gem. § 37 Abs. 1 GmbHG berechtigt, dem Geschäftsführer Weisungen zu erteilen81. Die Gesellschafterversammlung hat daher trotz der Ausgliederung grundsätzlich die Möglichkeit, wesentliche Entscheidungen in der Tochtergesellschaft, wie beispielsweise die Frage der Gewinnverwendung, wieder an sich zu ziehen. Insoweit wird vertreten, dass – sofern im Zuge der Ausgliederung keine anderen Gesellschafter an der ausgegliederten Gesellschaft beteiligt werden – aufgrund des verbleibenden Weisungsrechts der Gesellschafter kein endgültiger Eingriff in ihre Mitgliedsrechte stattfindet82. Vielmehr sei das Erfordernis einer Zustimmung der Gesellschafterversammlung nur für die Fälle anzuerkennen, in denen sich infolge der rechtlichen Selbstständigkeit des Betriebsteils die Interessen der neuen Gesellschaft dadurch verselbstständigten, dass die Bildung eines eigenen Aufsichtsrates nach § 1

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Bredthauer, NZG 2008, 816, 819. Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 11; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 37 Rn. 64b; OLG Hamburg, GmbHR, 1992, 43, 46; so wohl auch: Veil, ZIP 1998, 361, 366; Sonntag, Konzernbildungskontrolle, S. 196 ff.; a.A.: Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb GmbH, § 44 Rn. 58. 80 Zitzmann, Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers, S. 59 f. 81 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 12; Drygala, in: Oppenländer/Trölitzsch, GmbH-Geschäftsführung, § 40 Rn. 24. 82 OLG Koblenz, ZIP 1990, 1572; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11. 79

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

Abs. 1 Nr. 3 DrittelBG83 obligatorisch wird84. Dieser Einwand trägt indes nur bedingt. Grund dafür ist, dass die „technische“ Verlagerung der Organzuständigkeit für die Wahrnehmung der Gesellschafterrechte von einer etwaigen Rückverlagerung dieser zu trennen ist: Will die Gesellschafterversammlung die Ausübung bestimmter Rechte in der Tochtergesellschaft dadurch wieder an sich ziehen, dass sie dem Geschäftsführer eine bestimmte Weisung erteilt, so ist dafür ein Gesellschafterbeschluss erforderlich85. Diesen Weisungsbeschluss kann der Geschäftsführer jedoch nicht direkt umsetzen. Vielmehr muss er hierfür erst eine Gesellschafterversammlung der Untergesellschaft einberufen, auf welcher dann der Geschäftsführer der Untergesellschaft entsprechend angewiesen wird. Auch wenn dieser kompliziert anmutende Weg in der Praxis kaum eingeschlagen wird, verlängert sich durch die Ausgliederung der rechtstechnische Weg zwischen dem Weisungsbeschluss der Gesellschafter und seiner Umsetzung. Dies ist gerade im Hinblick auf einzuhaltende Formalitäten eine spürbare Beeinträchtigung des Weisungsrechts der Gesellschafter, da u. U. so viel Zeit vergeht, dass eine Weisung der Gesellschafter, die einer schnellen Umsetzung bedarf, nicht mehr rechtzeitig verwirklicht werden kann86. Es kommt mithin zu einer Mediatisierung des Weisungsrechts87. Abgesehen von diesem Mediatisierungseffekt, dem alle Gesellschafter unterliegen, besteht speziell für die Minderheitsgesellschafter mangels Stimmgewichts das Risiko, dass ihnen eine Rückverlagerung ihrer ursprünglichen Beschlusskompetenz verwehrt bleibt. Dieses Risiko kann sich insbesondere bei der Gewinnverwendung auf schmerzliche Weise verwirklichen. Es kann auch nicht mit dem Einwand entkräftet werden, dass die Minderheitsgesellschafter – eine Gesellschafterzuständigkeit unterstellt – ihre Vorstellungen auch ohne vorangegangene Mediatisierung nicht hätten durchsetzen können, ihnen also letztlich kein Einflussverlust zugefügt würde. Ein solcher Einwand lässt außer Acht, dass die Minderheitsgesellschafter im Rahmen der Beschlussfassung die Möglichkeit hätten, auf andere Gesellschafter einzuwirken. Dass jedoch diese Art der Einflussnahme von zentraler Bedeutung und insoweit schützenswert ist, kommt an anderer Stelle dadurch zum Ausdruck, dass der Geschäftsführer einer Vorlagepflicht nicht dadurch genügt, dass er sich lediglich der Zustimmung des Mehrheitsgesellschafters versichert, sondern nur – selbst wenn die erforderliche Zustimmung absehbar sein sollte – durch die Einberufung der Gesellschafterversammlung88. Zwar haben Minderheitsgesellschafter gem. § 50 Abs. 2 83 Ehemals: § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG 1952; „Die Arbeitnehmer haben ein Mitbestimmungsrecht im Aufsichtsrat nach Maßgabe dieses Gesetzes in einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern. Die Gesellschaft hat einen Aufsichtsrat zu bilden. […]“. 84 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 11; Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb GmbH, § 44 Rn. 58. 85 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 20. 86 Vgl. Zitzmann, Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers, S. 61. 87 Decher, in: MünchHdb GmbH, § 68 Rn. 13. 88 BGH, ZIP 1991, 509; Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 232.

A. Übertragbarkeit der Holzmüller-Doktrin auf die GmbH

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GmbHG die Möglichkeit, Gegenstände zur Beschlussfassung auf die Tagesordnung setzen zu lassen. So könnte ein Minderheitsgesellschafter im Rahmen einer Beschlussfassung über die Rückverlagerung entsprechender Kompetenzen auf die Gesellschafterversammlung der Obergesellschaft inhaltlich in gleicher Weise auf die übrigen Gesellschafter einwirken, wie wenn der entsprechende Betriebsteil nicht ausgegliedert worden und die Gesellschafterversammlung ohnehin zuständig wäre. Jedoch ist eine solche Kompetenz zur Ergänzung der Tagesordnung daran gebunden, dass die Gesellschafter zusammen mindestens Geschäftsanteile von zehn Prozent des Stammkapitals halten. Minderheitsgesellschafter, die dieses Kriterium nicht erfüllen, können somit an einer Beschlussfassung nicht mitwirken. Wird diese Erkenntnis auf die mit der Ausgliederung einhergehende Verlagerung der Beschlusskompetenz von der Gesellschafterversammlung auf den Geschäftsführer übertragen, so ergibt sich, dass Minderheitsgesellschafter mit einem gemeinsamen Geschäftsanteil von weniger als zehn Prozent des Stammkapitals ihre Mitwirkungsrechte bei Entscheidungen einbüßen, für die nach dem Gesetz die Gesellschafterversammlung zuständig ist. Festzuhalten bleibt nach alldem, dass die Ausgliederung wesentlicher Betriebsteile einer potentiellen Zustimmungspflicht der Gesellschafterversammlung unterliegt89. bb) Abschluss von Unternehmensverträgen Auch der Abschluss von Unternehmensverträgen könnte eine unter die Holzmüller-Doktrin fallende Maßnahme sein. Während diese Maßnahme im Bereich der Aktiengesellschaft gem. §§ 293 ff. AktG ohnehin in den Bereich der zustimmungspflichtigen Maßnahmen fällt, enthält das GmbHG keine entsprechenden Regelungen. Gleichwohl ist anerkannt, dass auch eine GmbH einen Unternehmensvertrag abschließen kann90. Dabei entspricht es gefestigter Erkenntnis, dass in diesem Fall die Gesellschafterversammlung zwingend einzuberufen ist91. Jedoch besteht Anlass, die dogmatische Begründung dieser Gesellschafterzuständigkeit zu überdenken.

89 Im Ergebnis auch: Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 37 Rn. 64b; OLG Hamburg, GmbHR, 1992, 43, 46; Decher, in: MünchHdb GmbH, § 68 Rn. 14; vgl. auch Huber, ZHR 152 (1988), 123, 153 und Zitzmann, Vorlagepflichten des GmbH-Geschäftsführers, S. 61, die allein die Tatsache, dass sich der Bezugspunkt des Weisungsrechts von der Weisungsbefugnis zur Führung des bisher zur Gesellschaft gehörenden Betriebs zur Weisungsbefugnis im Rahmen der Beteiligungsverwaltung verändert, als Eingriff in das Weisungsrecht verstehen. 90 BGH, NJW 1989, 295 f. („Supermarkt“); BGH, NJW 1992, 1452; dies hat sogar der Gesetzgeber stillschweigend anerkannt, indem er die §§ 14, 17 KStG der Rechtsprechung des BGH angepasst hat; vgl. auch Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57; Krieger, DStR 1992, 432 ff. 91 BGH, NJW 1989, 295 f. („Supermarkt“); BGH, NJW 1992, 1452; Decher, in: MünchHdb GmbH, § 68, Rn. 8, 13 ff.; Kort, ZIP 1991, 1274, 1278.

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

(1) Dogmatische Herleitung einer Zuständigkeit der Gesellschafter Zur dogmatischen Begründung dieser Gesellschafterkompetenz wird teilweise auf § 293 AktG im Wege einer Einzelanalogie zurückgegriffen92. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass eine pauschale Übertragung aktienkonzernrechtlicher Regelungen nicht den Besonderheiten des GmbH-Rechts Rechnung trägt93. Dieser Annahme wird insbesondere dadurch Vorschub geleistet, dass bisherige Bestrebungen für eine Kodifikation eines eigenständigen GmbH-Konzernrechts gescheitert sind94. Das GmbH-Vertragskonzernrecht hat seine rechtsdogmatische Grundlage somit nicht in einer Pauschal-Analogie zu den §§ 291 ff. AktG95. Als dogmatische Begründung wird aufgrund des „materiell satzungsändernden Charakters“ die Anwendung der §§ 53, 54 GmbHG befürwortet96. Dem ist in der Begründung, aber nicht in der Schlussfolgerung beizupflichten. Richtig ist, dass für die beherrschte GmbH mit dem Unternehmensvertrag eine faktische Änderung des Gesellschaftszwecks einhergeht. Sie besteht darin, dass diese nicht mehr in eigener freier Tätigkeit ihren Unternehmensgegenstand verfolgt97. Damit wird zwar in die korporative Grundordnung der Gesellschaft eingegriffen, so dass der Schluss zu den §§ 53, 54 GmbHG nahe liegen mag. Indes bleibt die Satzung formell unverändert. Das müssen sogar die Befürworter dieses Ansatzes einräumen, indem sie von einer „Satzungsüberlagerung“ dergestalt sprechen, dass die alte Satzung latent erhalten bleibt und bei Beendigung des Unternehmensvertrages wieder in Geltung tritt98. Die Tatsache, dass ein tiefer Eingriff in die Struktur erfolgt, ohne dass die eigentliche Satzung verändert wird, spricht jedoch entscheidend gegen eine Analogie, die sich nur auf die §§ 53, 54 GmbHG beschränkt. Vielmehr ist das Augenmerk neben den Folgen eines Beherrschungsvertrags für die Gesellschaftsstruktur auch auf die Folgen zu richten, welche damit für die Mitgliedsrechte verbunden sind: Der Abschluss eines Beherrschungsvertrags wirkt sich neben der angesprochenen Änderung der Gesellschaftsstruktur in schwerwiegender Weise auf die mitgliedschaftlichen Rechte aus, da die Gesellschafter im Falle der beherrschten GmbH ihr Weisungsrecht verlieren. Wenn zum Zwecke der Erreichung einer körperschaftssteuerlichen Organschaft gleichzeitig ein Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen wird, dann büßen sie überdies ihren Gewinnan92

Vgl. Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1110; Richter/Stengel, DB 1993, 1861, 1864 ff. BGHZ 122, 123, 126 f.; BGH, NJW 1989, 295, 298 („Supermarkt“); Hoffmann-Becking, WiB 1994, 57, 59; Bungert, NJW 1995, 1118, 1120. 94 Vgl. insoweit den Reformentwurf von 1971/1973, Ref. GmbHG 1969, RegE GmbHG, 1971/1973, BT-Drucks. VI/3088. 95 Vgl. BGH, NJW 1989, 295, 298, der auf die materiell satzungsändernde Natur solcher Verträge abstellt; ebenso: Priester, in: Scholz, GmbHG, § 53 Rn. 167; ders., ZGR 1996, 189, 201 ff. 96 BGH, NJW 1989, 295, 298 („Supermarkt“); BGH, NJW 1992, 1452; Priester, in: Scholz, GmbHG, § 53 Rn. 168a; ders., ZGR 1996, 189, 201 ff.; zwischen abhängiger und herrschender Gesellschaft differenzierend: Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53 Rn. 38. 97 BGH, NJW 1989, 295 f. („Supermarkt”). 98 Vgl. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. Konzernrecht Rn. 52. 93

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spruch gem. § 29 GmbHG ein. Durch diese Veränderungen werden die Mitgliedsrechte der Gesellschafter daher mediatisiert. Aus diesem Grund ist auf eine Gesamtanalogie zu den §§ 53 Abs. 1, 55 Abs. 1, 58 Abs. 1, 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG und den §§ 13 Abs. 1, 125 S. 1, 176 Abs. 1, 177 Abs. 1, 193 Abs. 1, 233 Abs. 2, 240 Abs. 1 UmwG abzustellen. Dabei ist für einen entsprechenden Beschluss nicht, wie teilweise gefordert99, die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich, sondern, in Fortführung der gesetzlich geregelten Grundlagenentscheidungen, eine qualifizierte Mehrheit ausreichend100. Für die herrschende GmbH besteht die durch den Abschluss des Beherrschungsvertrags herbeigeführte Veränderung darin, dass sie einer § 302 AktG entsprechenden Verlustausgleichspflicht ausgesetzt ist. Darin mag für die Gesellschafter ein großes wirtschaftliches Risiko liegen. Jedoch wird durch den Beherrschungsvertrag nicht in die korporative Grundordnung der herrschenden Gesellschaft eingegriffen – geschweige denn deren Satzung (formell) verändert. Deshalb ist zunächst ein Rückgriff auf die §§ 53, 54 GmbHG abzulehnen. Jedoch scheidet auch ein Rückgriff auf die Holzmüller-Doktrin aus, da mit dem reinen wirtschaftlichen Risiko, das der Vertragsabschluss mit sich bringt, keine Mediatisierung der Mitgliedsrechte einhergeht. Gleichwohl wird man aufgrund der Identität der Interessenlage eine Analogie zu § 293 Abs. 2 S. 1 AktG heranziehen können, so dass letztlich – wenn auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Holzmüller-Doktrin – ein Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung herbeizuführen ist101. (2) Kriterium des personalistischen Realtypus Teilweise wird vertreten, dass eine Beschlusskompetenz der Gesellschafterversammlung nur dann in Betracht kommt, wenn die GmbH personalistisch geprägt ist, da eine GmbH mit kapitalistischer Realstruktur automatisch „konzernoffen“ strukturiert sei102. Eine solche Differenzierung begegnet Bedenken. Zwar hat diese – eigentlich aus dem Recht der Kommanditgesellschaft stammende Unterscheidung – auch Eingang in das Recht der GmbH gefunden103. Allerdings herrscht über die heranzuziehenden Definitionsmerkmale Unsicherheit104. Darüber hinaus sieht das Ge99 So für die abhängige GmbH: Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 293 Rn. 43a; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1192 f.; Ulmer, in: GroßkommGmbHG, § 53 Rn. 158. 100 So auch: Halm, NZG 2001, 728 ff.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 13 Anh., Rn. 50 ff., 63 ff.; Koppensteiner, in: Rowedder, GmbHG, § 52 Anh., Rn. 55. 101 BGHZ 105, 324, 333; OLG Zweibrücken, AG 1999, 328; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. Konzernrecht Rn. 52. 102 Decher, in: MünchHdb GmbH, § 68 Rn. 8. 103 BGHZ 98, 276, 279. 104 Decher greift insoweit auf den gescheiterten Vorschlag der EG-Mittelstandsrichtlinie (EG-Abl. Nr. C 287 vom 11. 11. 1988, S. 5, 6) zurück, wonach sich eine personalistische Gesellschaft dadurch auszeichnet, dass sie einen überschaubaren Kreis natürlicher Personen als Gesellschafter hat, von denen zumindest einige gleichzeitig Geschäftsführer sind, die Ge-

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

setz selbst für die Aktiengesellschaft als Archetypen einer potentiellen Konzerngesellschaft in § 293 Abs. 1 AktG die zwingende Zustimmung der Hauptversammlung vor. Insoweit können selbst für eine GmbH mit kapitalistischer Realstruktur keine niedrigeren Anforderungen gelten. (3) Außenwirkung entsprechender Beschlüsse Fraglich ist, ob die Beschlusszuständigkeit der Gesellschafter der abhängigen GmbH zugleich ein Wirksamkeitserfordernis für den Unternehmensvertrag darstellt. Eine derartige Außenwirkung würde insoweit im Gegensatz zu den Grundsätzen der Holzmüller-Doktrin stehen105. Dabei ist der Blick zunächst auf die Aktiengesellschaft zu richten, in welcher eine entsprechende Außenwirkung für den Abschluss der Unternehmensverträge in § 293 Abs. 1 AktG explizit verankert ist106. Fraglich ist, inwiefern die Rechtslage in der GmbH mit derjenigen in der Aktiengesellschaft vergleichbar ist. Unternehmensverträge sind Organisationsverträge, auf die der Grundsatz der Unbeschränkbarkeit der Vertretungsmacht nicht anwendbar ist107. Daher ist der allgemeine handelsrechtliche Grundsatz des Vorrangs der Interessen des Rechtsverkehrs gegenüber den Interessen des Vertretenen ausdrücklich vom AktG in § 293 Abs. 1 außer Kraft gesetzt. Wenn dies jedoch für die Aktiengesellschaft gilt, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Geschäftsführung eine grundsätzlich unbeschränkte Vertretungsmacht hat (§ 82 Abs. 1 AktG), dann muss dies auch für die Geschäftsführung in der GmbH gelten. Insoweit kommt der Gesellschafterzuständigkeit für den Abschluss von Unternehmensverträgen ausnahmsweise Außenwirkung zu108. Es handelt sich demnach um eine GmbH-spezifische Anpassung der HolzmüllerDoktrin. d) Eingriffstiefe Neben der Strukturveränderung und dem damit verbundenen Mediatisierungseffekt ist darüber hinaus zu fordern, dass die Maßnahme auch eine „wesentliche“ Strukturmaßnahme ist, d. h. eine gewisse Eingriffstiefe erreicht. Wie an früherer Stelle bereits dargelegt, greift der BGH diesbezüglich auf bestimmte Parameter zurück109. Fraglich ist dabei, inwiefern diese Kriterien auf die GmbH übertragbar sind. Teilweise wird vorgeschlagen, die Aufgreifkriterien für eine Holzmüllerpflichtigkeit niedriger als in der AG anzusetzen. Grund dafür sei, dass der Geschäftsführer anders als der Vorstand der AG das Unternehmen nicht in eigener, sondern von der Gesellschafterschäftsanteile vinkuliert sind und keine unternehmerischer Beteiligungsverhältnisse zu anderen Unternehmen bestehen. 105 Vgl. Zweiter Teil, C. I. 106 Vgl. Altmeppen, in: MünchKommAktG, § 293 Rn. 64. 107 Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, § 293 Rn. 40. 108 Im Ergebnis auch: BGH, NJW 1989, 295 („Supermarkt“); Ulmer, in: GroßkommGmbHG, § 53 Rn. 154; kritisch: Pache, GmbHR 1995, 90, 92. 109 s. o. unter Zweiter Teil, D. I. 3. b).

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versammlung abgeleiteter Verantwortung leitet110. Diese Auffassung beruht auf dem mit der traditionellen Terminologie einhergehenden Verständnis, dass HolzmüllerMaßnahmen „ungewöhnliche Geschäfte“ darstellen, die – je nach dogmatischer Begründung – entweder gem. § 49 Abs. 2 GmbHG oder aufgrund der Differenzierung aus den §§ 116 Abs. 1 und 2, 164 HGB der Gesellschafterversammlung vorzulegen sind. Dass dieser Ansicht nur bedingt zuzustimmen ist wurde bereits oben dargestellt111. Insoweit gebietet auch nicht die besondere Stellung der Gesellschafterversammlung, die Schwelle für eine Holzmüllerpflichtigkeit niedriger anzusetzen, da „unwesentliche“ Strukturmaßnahmen für den Fall, dass sie zugleich ungewöhnliche Maßnahmen darstellen, ohnehin der ungeschriebenen (Geschäftsführungs-)Kompetenz der Gesellschafter unterfallen. Dies vorausgeschickt, ist vor dem Hintergrund einer einheitlichen Rechtsanwendung die Übertragung der bereits für die Aktiengesellschaft festgelegten Schwellenwerte zu befürworten112. Gleiches gilt für die qualitativen Kriterien. Beim Abschluss von Unternehmensverträgen passt hingegen ein derartiger Rückgriff auf qualitative und quantitative Kriterien nicht. Ein solcher ist jedoch auch nicht nötig, da – wie soeben dargestellt – durch den Abschluss eines Unternehmensvertrags eine faktische Änderung des Gesellschaftszwecks bewirkt wird. Dabei drückt sich der Eingriff in die Rechte der Gesellschafter bei einem Beherrschungsvertrag dadurch aus, dass die Mitverwaltungsrechte ausgeschlossen werden, während bei einem Gewinnabführungsvertrag ein Eingriff in die gesellschafterlichen Vermögensrechte vorliegt. Jeder Eingriff ist dabei für sich genommen bereits von einer solchen Intensität für den Gesellschafter, dass es eines Rückgriffs auf die vom BGH aufgestellten qualitativen und quantitativen Kriterien nicht bedarf. e) Initiativrecht der Gesellschafter Im Unterschied zur Rechtslage in der Aktiengesellschaft können die Gesellschafter – soweit die Satzung nichts anderes vorsieht – Geschäftsführungsmaßnahmen an sich ziehen. Daraus folgt, dass der Gesellschafterversammlung, anders als der Hauptversammlung in der Aktiengesellschaft, ein Initiativrecht bezüglich HolzmüllerMaßnahmen zukommt113. Dieses gilt zwingend, da sich die Gesellschafter per Satzung dieser Grundlagenkompetenz auch nicht entledigen können. Unter dem Vorbehalt anderweitiger Satzungsregelung besteht daher ein Initiativrecht bzgl. Geschäftsführungsmaßnahmen i.e.S.

110 Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 6; Mertens, in: GroßkommGmbHG, § 37 Rn. 9; darüber hinaus gehend gegen die Annahme jegliche Schwellenwerte: Emmerich, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 62a. 111 Vgl. Siebter Teil, A. II. 3. b) cc). 112 Barta, GmbHR Report, R 289 f.; dies jedenfalls für den Fall bejahend, dass die GmbH durch Satzungsbestimmung einer AG angenähert ist: Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 45; tendenziell auch: Marsch-Barner/Diekmann, in: MünchHdb GmbH, § 44 Rn. 58. 113 Vgl. auch Lutter/Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231.

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen Wenn die Gesellschafter aufgrund ihrer ungeschriebenen Grundlagenkompetenz zur Entscheidung berufen sind, dann setzt die sachgerechte Ausübung dieser Entscheidungsgewalt zunächst voraus, dass die Geschäftsführung die Gesellschafter von der beabsichtigten Strukturmaßnahme benachrichtigt114. Dies ist in der Praxis nicht selbstverständlich115. Kommt es schließlich zu einer Beschlussfassung der Gesellschafter, ist der Geschäftsführer grundsätzlich verpflichtet, den Gesellschaftern diejenigen Informationen zukommen zu lassen, die erforderlich sind, damit die Gesellschafter ihre Zuständigkeit sachgerecht wahrnehmen können116. Ziel einer entsprechenden Information muss sein, dass die Gesellschafter die Bedeutung und Tragweite der vor ihnen liegenden Angelegenheit so weit wie möglich abschätzen können. In diesem Zusammenhang mögen der Jahresabschluss und der gem. § 264 Abs. 1 HGB vorgeschriebene Lagebericht, in dem gem. § 289 Abs. 1 HGB der Geschäftsverlauf und die Lage der Gesellschaft so darzustellen ist, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird, bereits einen Grundstock an Informationen über den Kontext der in Frage stehenden Maßnahme liefern. Ausreichend für die sachgerechte Ausübung der Überwachung- und Leitungsfunktionen durch die Gesellschafterversammlung sind sie indes nicht: Weder haben sie allein die Holzmüller-Maßnahme im Fokus – sie sind ja auch am Informationsbedarf gesellschaftsferner Personen orientiert117 –, noch sind sie i. d. R. zeitlich so aktuell, dass sie den letzten Informationsstand widerspiegeln. Daraus folgt, dass die Gesellschafterversammlung nicht Leitungsentscheidungen allein aufgrund der Informationen treffen soll, die zwangsweise zu publizieren sind und somit von jedermann zur Kenntnis genommen werden können118. Im Anschluss soll der Frage nachgegangen werden, wie die Informationspflichten des Vorstands inhaltlich beschaffen sind. Eine Beantwortung dieser Fragestellung kann jedoch nur erfolgen, nachdem das gesetzliche System der Informationsrechte in der GmbH eingehender betrachtet worden ist.

I. Das gesetzliche System der Informationsrechte Wie in allen Gesellschaften lässt sich auch in der GmbH zwischen individuellem und kollektivem Informationsrecht unterscheiden119.

114 Im Falle einer bestehenden Gesamtgeschäftsführung muss der einzelne Geschäftsführer auch seine Mitgeschäftsführer benachrichtigen, vgl. OLG Karlsruhe, NZG 2000, 264. 115 Vgl. OLG Koblenz, ZIP 1990, 1570 ff.; OLG Hamburg, GmbHR 1992, 43, 46. 116 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51a Rn. 56. 117 Hommelhoff, ZIP 1983, 383, 387. 118 Hommelhoff, ZIP 1983, 383, 386 ff. 119 Schiessl, in: MünchHdb GmbH, § 33 Rn. 4.

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen

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1. Das individuelle Informationsrecht gem. § 51a GmbHG Gem. § 51a GmbHG haben die Geschäftsführer jedem Gesellschafter auf dessen Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben und die Einsicht in die Bücher und Schriften zu gestatten. Damit verfügen die Gesellschafter einer GmbH im Gegensatz zu denen einer Aktiengesellschaft über ein inhaltlich sehr weites und in seiner Ausübung nicht auf die Gesellschafterversammlung beschränktes individuelles Informationsrecht. In der Folge einer konsequenten Trennung zwischen individuellem und kollektivem Informationsrecht führt der Auskunftsanspruch gem. § 51a GmbHG nicht dazu, dass der Geschäftsführer von sich aus den einzelnen Gesellschafter über Vorgänge in der Gesellschaft unterrichten muss. Insoweit hängt die Auskunftspflicht des Geschäftsführers von einem vorigen Antrag des Gesellschafters ab120. 2. Informationspflichten der Geschäftsführung Neben das individuelle Informationsrecht treten die Informationspflichten der Geschäftsführung. Dabei bleiben im Rahmen dieser Abhandlung solche Informationspflichten außer Betracht, die sich für die Geschäftsführung aufgrund des Anstellungsvertrags oder aufgrund eines Informationssystems ergeben, welches die Gesellschafter dem Geschäftsführer per Satzung oder Beschluss auferlegen121. Gegenstand der Untersuchung bilden vielmehr ungeschriebene Informationspflichten der Geschäftsführung122. Gesetzlich verankerte Informationspflichten kennt das Gesetz in §§ 242, 264 HGB und in §§ 42a Abs. 1 S. 1 und 2 und 49 Abs. 3 GmbHG. In welchem Ausmaß ungeschriebene Informationspflichten neben diese treten, wird Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sein. Rechtsdogmatisch werden die im Folgenden zu untersuchenden Informationspflichten des Geschäftsführers teilweise als „beschlussbegleitende Informationsrechte der Gesellschafter“ aus § 51a GmbHG abgeleitet123. Diesem Ansatz ist jedoch entgegenzuhalten, dass sich die Differenzierung von individuellem und kollektivem Informationsrecht auch auf die dogmatische Herleitung auswirken muss. Nichts anderes zeichnet das Gesetz in § 716 BGB auf der einen und in den §§ 713, 666 BGB auf der anderen Seite vor124. Teils wird zwar anerkannt, dass § 51a GmbHG nicht das Recht der Gesellschafter auf beschlussbegleitende Information beinhaltet, letzteres

120

Tietze, Informationsrechte, S. 7. Vgl. dazu K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 51a Rn. 4; Grunewald, ZHR 146 (1982), 211, 225 f. 122 Deren Bestehen offen lassend: Orth, in: Becksches Hdb GmbH, § 14 Rn. 698. 123 OLG Stuttgart, DB 2001, 854, 858. 124 So auch: BGH, DStR 1993, 1752 f. 121

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

wird aber gleichwohl als mitgliedschaftliches Individualrecht eingeordnet125. Auch dem ist zu widersprechen, da die Einordnung als mitgliedschaftliches Individualrecht nicht der Natur der beschlussbegleitenden Information Rechnung trägt. Grund dafür ist, dass eine solche Einordnung das Erfordernis einer individuellen Geltendmachung des jeweiligen Rechts nach sich zieht. Dies kommt in dem in § 51a Abs. 1 GmbHG verankerten Auskunftsverlangen zum Ausdruck, ohne dass ein Geschäftsführer von sich aus nicht tätig werden muss126. Eine entsprechende Einordnung müsste folglich dazu führen, dass jeder Gesellschafter, der im Vorfeld eines Beschlusses die für die Beschlussfassung erforderlichen Informationen haben möchte, sich vor einer Beschlussfassung bei den Geschäftsführern um entsprechende Informationen bemühen müsste. Dies würde nicht nur zu einer überbordenden Bürokratie in der Gesellschaft führen. Es trägt auch nicht der Tatsache Rechnung, dass die beschlussbegleitende Information vom Gesetz her als ein formalisiertes Verfahren ausgestaltet ist127. Insoweit kann nicht das mit dem Kenntnisstand des einzelnen Gesellschafters zusammenhängende individuelle Informationsbedürfnis ausschlaggebend dafür sein, ob und wie die Geschäftsführer bei Holzmüller-Maßnahmen zu informieren haben. Vielmehr wird das Informationsbedürfnis, wie sich aus den §§ 42a Abs. 1 S. 1 und 2, 49 Abs. 2 und 3 GmbHG ergibt, als kollektives Grundbedürfnis der Gesellschafter unterstellt128. Die Information steht insoweit im Gesellschaftsinteresse und kann daher nicht von einem Auskunftsverlangen der einzelnen Gesellschafter abhängen – auch wenn der Einzelne auf die Information durchaus verzichten kann. Insoweit stellt die seitens der Geschäftsführung erbrachte beschlussbegleitende Information nicht die Erfüllung eines individualrechtlichen Informationsrechts dar, sondern die Erfüllung einer gegenüber der Gesellschaft bestehenden Informationspflicht129. Ihre Rechtsgrundlage ergibt sich daraus, dass aufgrund des Kompetenzgefüges der GmbH der Gesellschafterversammlung die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Kompetenzen ermöglicht werden soll. Dadurch, dass die Gesellschafter neben ihrer zwingenden Zuständigkeit für Grundlagenentscheidungen auch für die Überwachung der Geschäftsführung zuständig sind, bestehen insoweit Informationspflichten der Geschäftsführung, die spiegelbildlich aus ihrer Organverantwortlichkeit als Leitungsor125

Wolff, in: MünchHdb GmbH, § 39 Rn. 79. Tietze, Informationsrechte, S. 7. 127 Vgl. Dritter Teil, A. III. 1. 128 In diese Richtung auch grundsätzlich Schiessl, in: MünchHdb GmbH, § 33 Rn. 5; ebenso in Bezug auf die zur Bestimmung der Unternehmenspolitik notwendigen Unterlagen: MarschBarner/Diekmann, in: MünchHdb GmbH, § 44 Rn. 54; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 9; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 37 Rn. 10; Hommelhoff, ZIP 1983, 383, 385 ff. 129 Anders wiederum Wolff, der von einer Treuepflicht der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftern spricht und dabei verkennt, dass die Gesellschaft die eigentliche Informationsberechtigte ist, obwohl die Gesellschafter an ihrer statt die Erfüllung der Informationspflicht durch die Geschäftsführung entgegennehmen, in: MünchHdb GmbH, § 39 Rn. 79; explizit von einer kollektiven Informationspflicht sprechend: Hüffer, in: GroßkommGmbHG, § 51 Rn. 21. 126

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen

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gan resultieren130. Inhaltlich sind sie dabei mit § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 4 AktG vergleichbar131.

II. Informationspflichten im Vorfeld der Gesellschafterversammlung Steht fest, dass die Geschäftsführer bei Grundlagenentscheidungen eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung herbeizuführen haben, so stellt sich nicht nur die Frage, in welchem Rahmen eine Entscheidung der Gesellschafter stattzufinden hat, sondern auch, wie eine angemessene Information der Gesellschafter sichergestellt werden kann. Dabei kann die Vollversammlung gem. § 51 Abs. 3 GmbHG auf die Einhaltung u. a. der Informationspflichten verzichten. 1. Einberufung der Gesellschafterversammlung Mit der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für Grundlagenentscheidungen ist noch nichts darüber gesagt, in welchem Rahmen die Gesellschafter ihre Beschlusszuständigkeit ausüben müssen. Dabei sieht das Gesetz neben der Einberufung der Gesellschafterversammlung in § 48 Abs. 2 GmbHG auch die Möglichkeit eines schriftlichen Beschlussverfahrens vor. Die Möglichkeit eines schriftlichen Verfahrens besteht grundsätzlich bei Beschlüssen aller Art132. Ausnahmen ordnet das Gesetz für bestimmte Strukturmaßnahmen, namentlich für Verschmelzungen (§§ 13 Abs. 1 S. 2, 50 UmwG), Spaltungen (§ 125 i.V.m. § 13 Abs. 1 S. 2 UmwG) und den Formwechsel (§ 193 Abs. 1 S. 2 UmwG)133 an sowie für den Verlust der Hälfte des Stammkapitals (§ 49 Abs. 3 GmbHG). Für die Satzungsänderung ist die Zulässigkeit eines schriftlichen Verfahrens umstritten134. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob die sachgerechte Ausübung des Stimmrechts die Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung erfordert. Angesichts der Tatsache, dass Satzungsänderungen i. d. R. nicht an die rechtliche und wirtschaftliche Komplexität von Umwandlungsmaßnahmen heranreichen, wird eine ausreichende Information der Gesellschafter regelmäßig bereits durch die Vorabinformation seitens der Geschäftsführung 130 Vgl. Grunewald, ZHR 146 (1982), 211, 225 f.; Wilde, ZGR 1998, 423 f.; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 46 Rn. 114; ders., Gesellschaftsrecht, S. 624 f., 628; ders., Informationsrechte, S. 16. 131 Vgl. Meier, der dabei § 46 Nr. 6 als Rechtsgrundlage heranzieht, DStR 1997, 1894; zweifelnd: Hüffer, in: GroßkommGmbHG § 51a Rn. 10. 132 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 48 Rn. 28. 133 Vgl. die Begründung des RegE zu § 13 UmwG, abgedruckt in: Ganske, Umwandlungsrecht, S. 61; Reichert, in: Semler/Stengel, UmwG, § 50 Rn. 4. 134 Für die Möglichkeit eines satzungsändernden Beschlusses im schriftlichen Verfahren: Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 53 Rn. 60; Priester, in: Scholz, GmbHG, § 53 Rn. 66; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 48 Rn. 21; für eine zwingende Gesellschafterversammlung dagegen: BGHZ 15, 328; Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 53 Rn. 17; Zimmermann, in: Rowedder, GmbHG, § 53 Rn. 33.

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

sowie das ergänzende weitreichende individuelle Informationsrecht der Gesellschafter sichergestellt. Zudem besteht aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses des § 48 Abs. 2 GmbHG auch nicht die Gefahr, dass Minderheitsgesellschafter oder Gesellschafter ohne Stimmrecht gegen ihren Willen um das Forum zur Diskussion in Gestalt der Gesellschafterversammlung gebracht werden. Einer zwingenden Gesellschafterversammlung bedarf es zur Sicherstellung der ausreichenden Information damit nicht. Dies stimmt auch mit dem Willen des Gesetzgebers überein, der in den Überlegungen zum Formvorschriftenanpassungsgesetz135 zum Ausdruck gekommen ist136. Es stellt sich insoweit die Frage, ob auch die Gesellschafterversammlung, in der über eine Holzmüller-Maßnahme beschlossen werden soll, durch eine präsenzlose Beschlussfassung ersetzt werden kann. Dies ist aufgrund der wirtschaftlichen Tragweite sowie der regelmäßigen rechtlichen Komplexität von Holzmüller-Maßnahmen abzulehnen. Diese Tatsache erfordert die Möglichkeit eines Dialoges und der Erörterung zwischen den Gesellschaftern. Ferner müssen diese in der Lage sein, im Falle von Unklarheiten direkt den Geschäftsführer zu befragen. Zwar bestehen mittlerweile technische Möglichkeiten, wie etwa Telefon- und Videokonferenzen, die einer traditionellen Gesellschafterversammlung nahe kommen137. Gleichwohl kann eine optimale Beschlussfassung der Gesellschafter infolge des hohen Konfliktpotentials von Grundlagenentscheidungen nur durch eine Gesellschafterversammlung sichergestellt werden. Festzuhalten bleibt demnach, dass der Geschäftsführer, sobald er eine Maßnahme treffen möchte, die in die Grundlagenkompetenz der Gesellschafter fällt, die Gesellschafterversammlung unter Beachtung der gesetzlichen Mindestfrist von einer Woche (§ 51 Abs. 1 S. 2 GmbHG) einzuberufen hat. Eine Abkürzung der Einberufungsfrist des § 51 GmbHG ist nicht möglich, wohl aber deren Verlängerung138.

2. Ankündigung der Beschlussgegenstände Gemäß § 51 Abs. 2 GmbHG soll der Versammlungszweck bei der Einberufung angekündigt werden, gem. § 51 Abs. 4 GmbHG müssen die Beschlussgegenstände spätestens drei Tage vor der Versammlung angekündigt werden. Diese beiden Regelungen beziehen sich trotz unterschiedlichen Wortlauts inhaltlich auf die Ankündigung der Beschlussgegenstände, wobei in Abgrenzung zu § 124 Abs. 1 S. 1 AktG keine sich durch eine feststehende Beschlussreihenfolge auszeichnende Tagesordnung angekündigt zu werden braucht139. Wie aus dem Zusammenspiel der Regelungen hervorgeht, ist eine gleichzeitig mit der eigentlichen Einberufung stattfindende 135

Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr, vom 18. 7. 2001 (BGBl. 2001 I, 1542). 136 Vgl. insoweit auch die Begründung des RegE zum Formvorschriftenanpassungsgesetz, BT-Drucks. 14/4987, S. 30. 137 Vgl. Zwissler, GmbHR 2000, 28. 138 OLG Naumburg, NZG 2000, 44; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51 Rn. 39. 139 K. Schmidt/Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 51 Rn. 17, 19.

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen

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Bekanntmachung der Beschlussgegenstände zwar vom Gesetz gewünscht, aber nicht als zwingend ausgestaltet. Insoweit ist deren Ankündigung auch nicht Wirksamkeitsvoraussetzung einer Einberufung i.S.v. § 51 Abs. 1 GmbHG140. Mit der Ankündigung der Beschlussgegenstände wird nach der gesetzlichen Grundkonzeption die inhaltliche Vorbereitung auf die Versammlung, in der die eigentliche Willensbildung der GmbH stattfindet, gewährleistet141. Insoweit steht die Ankündigungspflicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Teilnahmerecht. Daraus ergeben sich Folgen für die inhaltliche und zeitliche Beschaffenheit der Ankündigungspflicht. a) Inhalt der Ankündigung In Bezug auf die inhaltlichen Anforderungen, die an eine entsprechende Ankündigung zu stellen sind, schweigt das Gesetz. Aus den in § 51 Abs. 2 und 4 GmbHG gebrauchten Begriffen „Versammlungszweck“ und „Beschlussgegenstände“ folgt jedoch, dass auf der einen Seite nicht jeder konkrete Beschlussgegenstand angekündigt werden muss142. Auf der anderen Seite folgt aus dem untrennbaren Zusammenhang zwischen Teilnahmerecht und Ankündigungszweck, dass durch die Ankündigung für jeden Gesellschafter ersichtlich sein muss, was in der Versammlung behandelt werden soll143. Die inhaltlichen Anforderungen sind dabei im Grundsatz von den Umständen des Einzelfalls abhängig, beispielsweise vom Beschlussgegenstand selbst und davon, ob die Gesellschafter vorab anderweitig durch die Geschäftsführer informiert worden sind144. Der Gesellschafter darf insoweit nicht überrumpelt werden oder auch nur in die Lage gebracht werden, hinsichtlich des Gegenstands der Beschlussfassung nachfragen zu müssen. Es muss für den Gesellschafter ohne Rückfrage erkennbar werden, worüber verhandelt und beschlossen werden soll, und zwar so genau, dass ihnen eine sinnvolle Vorbereitung ermöglicht wird145. b) Ankündigungsfrist Auch in zeitlicher Hinsicht wirkt sich der hinter der Ankündigungspflicht stehende Zweck einer sachgerechten Vorbereitung der Gesellschafter aus: Die Unterrichtung hat umso früher zu erfolgen, je vielschichtiger der Beschlussgegenstand ist. Damit soll es den Gesellschaftern ermöglicht werden, die Umstände und Zusammenhänge der in Frage stehenden Maßnahmen eingehend zu studieren und eventuell Rechtsrat oder sonstige sachverständige Unterstützung heranzuziehen146. Teilweise wird des140

RG, JW 1931, 2982. K. Schmidt/Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 51 Rn. 17. 142 K. Schmidt/Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 51 Rn. 19. 143 St. Rspr., vgl. RGZ 86, 21 f.; BGH, NJW 1960, 1861; BGH, NJW 1962, 393; BGH, NZG 2003, 127, 129. 144 K. Schmidt/Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 51 Rn. 19. 145 Reichert, ZHR-Sonderheft 68 (1999), 25, 62 m.w.N. 146 Wolff, MünchHdb GmbH, § 39 Rn. 79. 141

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

halb vertreten, dass bei Maßnahmen, für welche die Gesellschafter aufgrund ungeschriebener Grundlagenzuständigkeit zuständig sind, aufgrund ihrer Tragweite eine längere Vorabinformations- und Überlegungsfrist erforderlich ist147. Richtigerweise ist dies formaljuristisch keine Frage der Ankündigungsfrist, sondern eine Frage der beschlussvorbereitenden Information bei Grundlagenbeschlüssen148. Hinsichtlich der Ankündigung der Beschlussgegenstände bleibt es somit bei § 51 Abs. 4 GmbHG. Jedoch könnte sich aus der beschlussvorbereitenden Informationspflicht der Geschäftsführung ergeben, dass zeitgleich mit der Einberufung die Ankündigung von Grundlagenbeschlüssen erforderlich ist. Eine vergleichbare Fragestellung löst das Gesetz in § 47 UmwG für die Verschmelzung und in §§ 125, 47 UmwG auch für die Spaltung und die Ausgliederung. In § 47 UmwG wird angeordnet, dass der Verschmelzungsvertrag (bzw. sein Entwurf) den Gesellschaftern spätestens mit Einberufung der Gesellschafterversammlung übersandt werden muss. Die Verschmelzung ist bereits ipso iure eine Grundlagenmaßnahme und als solche mit den Holzmüller-Maßnahmen hinsichtlich des Informations- und Schutzbedürfnisses der Gesellschafter vergleichbar. Zudem stellt die Übersendung eines in Frage stehenden Vertrages eine weiter reichende Informationsmaßnahme dar als die bloße Bekanntgabe der Beschlussgegenstände: Wer bereits einen entsprechenden Vertrag zugesandt bekommt, kann in gewisser Weise davon ausgehen, dass dieser Vertrag beschlussrelevant wird, während die alleinige Kenntnis eines entsprechenden Beschlussgegenstandes sehr wenig über den Inhalt des Vertrages aussagt. Dieser Gedanke ist auf die Ankündigung von Grundlagenbeschlüssen somit erst recht übertragbar: Das Gesetz geht in § 47 UmwG davon aus, dass die einwöchige Mindestfrist i. d. R. für den Gesellschafter ausreicht, um sich auch auf weitreichende Beschlussfassungen vorzubereiten149. Dabei wird in der Gesetzesbegründung insbesondere auf die größere Unternehmensnähe von GmbH-Gesellschaftern hingewiesen, die eine längere Frist als die für die Verschmelzung von Genossenschaften geltende Ein-Wochen-Frist (§ 46 Abs. 1 GenG) nicht rechtfertigen würde150. Gleichwohl handelt es sich bei § 47 UmwG lediglich um eine Mindestfrist, die u. U. nicht ausreicht, um eine sachgerechte Vorbereitung der Gesellschafter sicher zu stellen. Dabei ist jedoch bezüglich einer Verlängerung der Vorlaufsfrist aufgrund der gesetzlichen Wertung äußerste Zurückhaltung geboten, so dass eine solche nur bei außergewöhnlichen Umstände in Betracht kommt151. In einem solchen Fall können die Gesellschafter den gefassten Beschluss anfechten, sofern sie zuvor die Teilnahme an der Abstimmung abgelehnt haben152. Aus der Mindestfrist ergibt sich darüber hinaus, dass die Ankündigung theoretisch 147 K. Schmidt/Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 51 Rn. 22; Hüffer, in: GroßkommGmbHG, § 51 Rn. 21. 148 Ebenfalls differenzierend: Hüffer, in: GroßkommGmbHG, § 51 Rn. 21; Wolff, in: MünchHdb GmbH, § 39 Rn. 47. 149 OLG Stuttgart, DB 2001, 854, 858. 150 Begründung RegE zu § 47 UmwG, abgedruckt in: Ganske, Umwandlungsrecht, S. 98. 151 Reichert, in: Semler/Stengel, UmwG, § 47 Rn. 15. 152 Reichert, in: Semler/Stengel, UmwG, § 47 Rn. 15.

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen

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aufgespaltet werden kann mit der Folge, dass eine Ankündigung von Grundlagenbeschlüssen eine Woche vor der Gesellschafterversammlung und eine Ankündigung einfacher Beschlüsse gem. § 51 Abs. 4 GmbHG auch noch drei Tage vor der Gesellschafterversammlung möglich wäre. Eine Verkürzung der Einberufungsfrist ist nicht möglich153, ihre statuarische Verlängerung hingegen zu empfehlen. Sofern die Satzung eine längere Einberufungsfrist vorsieht, wirkt sich diese Fristverlängerung auch auf die Frist zur Bereitstellung der zusätzlichen Informationen aus154. c) Rechtsfolgen von Ankündigungsmängeln Mängel der Ankündigung zur Tagesordnung, also fehlende, unzureichende oder verspätete Ankündigungen führen zur Unzulässigkeit der Beschlussfassung155. Trotzdem gefasste Beschlüsse sind jedoch nicht nichtig, sondern nur anfechtbar156. Insoweit ist § 51 Abs. 4 GmbHG, der eine Beschlussfassung für den Fall der Vollversammlung schlechthin zuzulassen scheint, aufgrund des Zwecks des Ankündigungserfordernisses und dessen essentieller Bedeutung für die sachgerechte Ausübung der mitgliedschaftlichen Teilnahmerechte dahingehend zu verstehen, dass die anwesenden Gesellschafter sich gegebenenfalls durch Verweigerung einer Teilnahme über den entsprechenden Beschlussgegenstand oder zumindest eine Rüge des Mangels schützen müssen157. 3. Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts Nach der Konzeption des Gesetzes ist die Ankündigung der Tagesordnung für die Gesellschafter grundsätzlich ein probates und ausreichendes Mittel, um eine angemessene Vorbereitung auf die bevorstehende Gesellschafterversammlung zu gewährleisten158. Insoweit besteht eine Parallele zu § 124 Abs. 1 S. 1 AktG. Angesichts der Tragweite der zu beschließenden Maßnahmen kann jedoch vorweggenommen werden, dass das gesetzlich kodifizierte Informationssystem für die Vorbereitung von Holzmüller-Beschlüssen nicht ausreicht. Da anerkannt ist, dass die Geschäftsführer aus eigenem Antrieb den Gesellschaftern die Informationen zu vermitteln haben, die für eine sachgerechte Wahrnehmung der Gesellschafterkompetenzen erforderlich sind159, schließt sich somit die Frage an, welche weitergehenden ungeschriebenen Informationspflichten bestehen. Dabei erscheint ein Blick auf die Verhältnisse in der 153

OLG Naumburg, NZG 2000, 44; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51 Rn. 39. OLG Stuttgart, DB 2001, 854, 858. 155 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51 Rn. 37 f. 156 Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51 Rn. 37 f. 157 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 51 Rn. 34. 158 Reichert, ZHR-Sonderheft 68 (1999), 25, 63; Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 66. 159 Hommelhoff, ZGR 1983, 383, 390. 154

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

AG angebracht. Dort regelt zunächst § 124 Abs. 2 S. 2 AktG die Verpflichtung, den Wortlaut von Satzungsänderungen bzw. den wesentlichen Inhalt zustimmungsbedürftiger Verträge bekannt zu machen. Mangels entsprechender Regelung im GmbHG könnte diese Vorschrift analog anzuwenden sein. a) Planwidrige Regelungslücke Zunächst müsste die für § 51 GmbHG in Bezug auf Satzungsänderungen und zustimmungsbedürftige Verträge festgestellte Regelungslücke auch planwidrig sein. Dem historischen Gesetzgeber war bewusst, dass für die sachgerechte Ausübung der mitgliedschaftlichen Teilnahmerechte eine angemessene Vorbereitung der Gesellschafter erforderlich ist160. Gleichwohl beließ er es bei den Regelungen des § 51 GmbHG (§ 52 GmbHG i. d. F. 20. 4. 1892). Daraus ist zunächst der Schluss zu ziehen, dass der Gesetzgeber die Ankündigung der Beschlussgegenstände als ausreichendes Informationsmittel zur Beschlussvorbereitung ansah. Indes folgt daraus nicht zwangsläufig, dass der Gesetzgeber andere Informationsmittel ausschließen wollte. Im Rahmen der Konturierung der Minderheitsrechte – und zu diesen gehören letztlich auch die beschlussbegleitenden Informationspflichten – lehnte der Gesetzgeber eine Übertragung der aus dem damaligen Aktiengesetz stammenden Revisionsund Klagerechte der Minderheit161 auf die GmbH ab162. Er traf diese Regelung insbesondere vor dem Hintergrund, dass die inneren Verhältnisse der Gesellschaft durch die Gesellschafter per Satzung geregelt werden163. Eine explizite Entscheidung gegen die Übernahme einer § 124 Abs. 2 S. 2 AktG entsprechenden Bekanntmachungspflicht hat der Gesetzgeber indes nicht getroffen. Auch durch nachfolgende Reformen wurden die Informationspflichten innerhalb des GmbHG nicht weiter thematisiert. Daneben sind auch die Regelungen des UmwG hinsichtlich der Information von Gesellschaftern bei Umwandlungsmaßnahmen nicht abschließend, da der Gesetzgeber, entgegen § 252 des ursprünglichen Diskussionsentwurfs zum UmwG, die Klärung der Holzmüller-Doktrin und ihrer Implikationen Rechtsprechung und Literatur überlassen wollte. Insoweit beschränkten sich die im UmwG festgehaltenen Informationspflichten auf umwandlungsrechtliche Maßnahmen und ließen den Bereich allgemeiner Informationspflichten deshalb unangetastet. Vor diesem Hintergrund ist das Fehlen weiterführender Informationspflichten der Geschäftsführung als planwidrig zu bezeichnen.

160 Begründung zum GmbHG-RegE vom 11. 2. 1892, Reichtstags-Aktenstück Nr. 660, S. 3752 f. 161 Artikel 222a, 223, 239a des AktG vom 11.6.1870. 162 Begründung zum GmbHG-RegE vom 11. 2. 1892, Reichtstags-Aktenstück Nr. 660, S. 3751. 163 Begründung zum GmbHG-RegE vom 11. 2. 1892, Reichtstags-Aktenstück Nr. 660, S. 3732, 3751.

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen

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b) Vergleichbare Interessenlage Vor dem Hintergrund dieser planwidrigen Regelungslücke stellt sich die Frage, ob das Informationsbedürfnis der GmbH-Gesellschafter im Vorfeld einer HolzmüllerMaßnahme vergleichbar ist mit demjenigen von Aktionären bei zustimmungsbedürftigen Verträgen. § 124 Abs. 2 S. 2 AktG dient neben der Bekanntmachung der Tagesordnung als zusätzliche Information der Aktionäre, damit sich diese angemessen auf die Hauptversammlung vorbereiten und bereits im Vorfeld entscheiden können, ob sie den Plänen der Geschäftsführung zustimmen wollen oder nicht164. Gerade die Aktionäre, deren Auskunftsrecht gem. § 131 Abs. 1 S. 1 AktG auf den Zeitraum der Hauptversammlung begrenzt ist, sind in besonderem Maße darauf angewiesen, dass ihnen im Vorfeld der Hauptversammlung genügend Informationen zur Verfügung gestellt werden, da eine Unterrichtung erst während der Hauptversammlung der Tragweite der zu beschließenden Maßnahmen nicht gerecht würde165. Anders als Aktionäre können die Gesellschafter einer GmbH jedoch jederzeit gem. § 51a Abs. 1 GmbHG Auskunft und Einsicht verlangen. Auf den ersten Blick unterscheidet sich daher die Ausgangslage von Aktionären und GmbH-Gesellschaftern, so dass der Einwand nahe liegt, eine Vorabinformation der GmbH-Gesellschafter sei nicht in gleichem Maße erforderlich wie bei den Aktionären. Allerdings ist in Betracht zu ziehen, dass Strukturmaßnahmen im Regelfall komplexe juristische und wirtschaftliche Vorgänge beinhalten, deren Zusammenhänge zu verstehen einer gewissen Vorbereitungszeit bedarf. Dabei kann es ausnahmsweise vorkommen, dass die Beschreibung der Beschlussgegenstände nicht ausreichend Aussagekraft besitzt, um auf die Bedeutung der Maßnahme hinzuweisen. Gerade für die nicht geschäftsführenden Gesellschafter besteht in solchen Fällen kein Anlass, im Vorfeld der Beschlussfassung vom individuellen Informationsrecht Gebrauch zu machen. In diesen Ausnahmefällen ist das weitreichende individuelle Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters ein stumpfes Werkzeug. Das Informationsbedürfnis der GmbH-Gesellschafter ist somit mit dem der Aktionäre vergleichbar. Aus diesem Grund ist der wesentliche Inhalt von Strukturverträgen analog § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AktG bekannt zu machen166. Die Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts der Strukturmaßnahme ist zwar nur in Ausnahmefällen für den GmbH-Gesellschafter eine zwingende informationelle Vorstufe, ohne die er sein individuelles Informationsrecht nicht sinnvoll ausüben 164 OLG München, AG 1995, 232 f.; Hüffer, AktG, § 124 Rn. 10; vgl. auch die Begründung des RegE zu § 124 AktG, abgedruckt in: Kropff, Textausgabe AktG, S. 173 f. 165 Vgl. die Begründung des RegE zu § 124 AktG, abgedruckt in: Kropff, Textausgabe AktG, S. 173 f. 166 Mit demselben Ergebnis explizit für Grundlagenbeschlüsse: K. Schmidt/Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 51 Rn. 20; für Ausgliederungsverträge: Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 66; Mayer, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anh. 5 Rn. 934; für Satzungsänderungen: Vgl. OGH Wien, GesRZ 1993, 103, 107; Hüffer, in: GroßkommGmbHG, § 51 Rn. 24; für Unternehmensverträge: Hüffer, in: GmbH-Großkommentar, § 51 Rn. 26; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51 Rn. 26; K. Schmidt/Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 51 Rn. 20; grundsätzlicher: OLG Stuttgart, das auf die Erteilung der für die Entscheidung maßgeblichen Informationen abstellt, DB 2001, 854, 858.

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

kann. Angesichts des engen Kreises von Holzmüller-Maßnahmen und einer größtmöglichen Rechtssicherheit erscheint es jedoch sachgerecht, dieses Bekanntmachungserfordernis auf sämtliche Holzmüller-Maßnahmen zu erstrecken. Dabei ist, in Fortführung zu dem zum Zeitpunkt der Ankündigung Gesagten, der wesentliche Inhalt der Maßnahme ebenfalls mit Ankündigung der Beschlussgegenstände, also mindestens eine Woche vor der eigentlichen Beschlussfassung, bekannt zu machen. Der Inhalt der wesentlichen Bekanntmachung richtet sich dabei wiederum nach der zu beschließenden Maßnahme: Es ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der rationalen Apathie der Gesellschafter die vollständige Wiedergabe des Vertragstextes nicht ausreicht167. Gleichzeitig muss der Gesellschafter in die Lage gebracht werden, die Wesentlichkeit der Maßnahme zweifelsfrei zu erkennen. So ist beispielsweise im Fall eines Ausgliederungsvertrags im Wege der Einzelrechtsnachfolge zu konkretisieren, um welchen Teilbetrieb es sich handelt und zu welchen Werten er ausgegliedert werden soll168. Auch Kapitalerhöhungen müssen in der Ankündigung der Tagesordnung größenmäßig festgehalten werden169. 4. Erstellung und Auslegung von Dokumenten Neben der Einberufung der Gesellschafterversammlung, der Ankündigung der Beschlussgegenstände und der Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts der Holzmüller-Maßnahme könnte die Geschäftsführung zur Beibringung weiterer Informationen verpflichtet sein. a) Der Holzmüller-Vertrag Zunächst könnte die Geschäftsführung analog §§ 125, 47 UmwG dazu verpflichtet sein, den Gesellschaftern spätestens mit Einberufung der Gesellschafterversammlung eine Abschrift des Strukturvertrags zu übersenden. Wie bereits oben dargestellt, hat der Gesetzgeber die Konturierung der Informationspflichten der Geschäftsführung bei Holzmüller-Maßnahmen bewusst der Rechtspraxis überlassen, so dass eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke besteht. Die Vorbereitung einer Holzmüller-Maßnahme müsste wertungsmäßig mit derjenigen einer Umwandlungsmaßnahme vergleichbar sein. Bereits im Zusammenhang mit der AG wurde gezeigt, dass sich Holzmüller-Maßnahmen und Maßnahmen nach dem UmwG zwar in bestimmten Aspekten unterscheiden, hinsichtlich der Strukturwirkung der in Frage stehenden Maßnahmen einschließlich der vorwiegenden Betroffenheit der Minderheitengesellschafter jedoch vergleichbare Ausgangslagen bestehen170.

167 168 169 170

Vgl. Dritter Teil, B. III. 2. Priester, ZHR 163 (1999), 187, 198 f. K. Schmidt/Seibt, in: Scholz, GmbHG, § 51 Rn. 20. Vgl. Zweiter Teil, C. II. 3. b).

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen

219

In diesem Zusammenhang bedarf es besonderer Berücksichtigung, dass das Nebeneinander von den stark formalisierten umwandlungsrechtlichen Maßnahmen und den nicht kodifizierten Holzmüller-Maßnahmen in den Fällen zu einer Gefahr der Benachteiligung der Minderheitsgesellschafter führt, in denen der Mehrheitsgesellschafter auf über 75 % der Stimmanteile kommt, und so in der Lage ist darüber zu entscheiden, ob das Ziel einer grundlegenden Umstrukturierung auf dem rechtlichen Weg innerhalb oder außerhalb des UmwG erfolgen soll. So könnte der Mehrheitsgesellschafter beschließen, anstelle einer Verschmelzung durch Aufnahme gem. §§ 13 Abs. 1, 50 Abs. 1 UmwG den Weg einer „übertragende Auflösung“ zu gehen, wonach zuerst das Gesellschaftsvermögen als Ganzes auf den neuen Rechtsträger übertragen und die zurückbleibende „Hülle“ anschließend aufgelöst wird, § 179a AktG analog i.V.m. § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG. Im letzteren Fall würde für den Fall, dass man ein unterschiedliches beschlussbegleitendes Schutzniveau anerkennt, keine über die Ankündigung der Beschlussgegenstände und der Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts des Übertragungsvertrags hinausgehende Information der Gesellschafter erfolgen. Für das Schutzbedürfnis der Gesellschafter ist es indes unbeachtlich, auf welchem rechtstechnischen Wege sich eine Umstrukturierungsmaßnahme vollzieht. Auch greift das UmwG seinem Verständnis nach nur in wirtschaftlich bedeutsamen Fällen, was sich auch aus der Regierungsbegründung zum UmwG ergibt171. Insofern erscheint es angebracht, für die unkodifizierten Holzmüller-Maßnahmen das Schutzniveau der Gesellschafter dem umwandlungsrechtlichen Standard anzupassen und die Pflicht einer Vertragsvorlage anzuerkennen. Dafür spricht nicht zuletzt, dass der Gesetzgeber durch die Einführung des § 47 UmwG deutlich gemacht hat, dass gegenüber der alten Rechtslage, wonach eine Vertragsvorlage nur für den Fall einer übertragenden Mehrheitsumwandlung einer GmbH auf ihren Hauptgesellschafter vorgesehen war, die Übersendung des Vertrages bei gewichtigen Maßnahmen für die angemessene Information der Gesellschafter notwendig ist172. Insoweit hat der Gesetzgeber in § 47 UmwG ein gesetzliches Leitbild für die Informationspflichten der Geschäftsführung bei Strukturmaßnahmen in der GmbH geschaffen, an dem die entsprechenden Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen inhaltlich auszurichten sind173. Damit ist jedoch gleichzeitig auch gesagt, dass der Vertrag nicht ein bloßes Abbild der umwandlungsrechtlichen Vorgaben ist. Dadurch, dass durch Holzmüller-Maßnahmen in erster Linie die Rechte der Minderheitsgesellschafter betroffen werden, muss der Vertrag nicht etwa auch Angaben über die etwaige Betroffenheit der Arbeitnehmer enthalten (vgl. § 126 Abs. 1 Nr. 11 UmwG)174. Festzuhalten bleibt demnach, dass den Gesellschaftern analog §§ 125, 47 UmwG spätestens mit

171

Vgl. Zweiter Teil, C. II. 3. b). Reichert, in: Semler/Stengel, UmwG, § 47 Rn. 1. 173 Reichert, in: Semler/Stengel, UmwG, § 47 Rn. 21 f.; noch zurückhaltender ders., in: ZHR-Sonderheft 68 (1999), 25, 62, 70, 75. 174 Priester, ZHR 163 (1999), 187, 199. 172

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

der Einberufung der Gesellschafterversammlung eine Abschrift des Strukturvertrages zu übersenden ist175. b) Holzmüller-Bericht Das UmwG sieht in §§ 8 Abs. 1 S. 1, 47, 125 S. 1 vor, dass bei der GmbH im Falle von Verschmelzung, Spaltung und Ausgliederung in gleicher Weise wie bei der AG ein Bericht erstellt wird, der ebenso wie der Verschmelzungsvertrag oder sein Entwurf spätestens mit der Einberufung der Gesellschafterversammlung zu übersenden ist. Fraglich ist, ob diese Pflicht auch auf Holzmüller-Maßnahmen ausgedehnt werden kann. Das Gesetz anerkennt das Bedürfnis der GmbH-Gesellschafter an einer ausführlichen Vorabinformation bei Umwandlungen, wenn es heißt, dass „[a]n einer ausführlichen Vorabinformationspflicht […] die Anteilsinhaber eines jeden Rechtsträgers ohne Rücksicht auf dessen Rechtsform ein berechtigtes Interesse [haben und] ein solches formalisiertes Informationsrecht […] einen größeren Wert als die allgemeinen Unterrichtungs- und Einsichtsrechte [hat].“176. Damit werden Berichte grundsätzlich auch für die GmbH als probates und erforderliches Mittel anerkannt um die Gesellschafter der GmbH zu informieren177. Insoweit liegt zunächst der Schluss nahe, dass aufgrund der Vergleichbarkeit von Holzmüller-Maßnahmen und Umwandlungen auch bei ersteren entsprechende Berichtspflichten bestehen. Im Vergleich zum AktG178 ist zwar zu konstatieren, dass das GmbHG für sich keine Berichtspflichten kennt, so dass einzuräumen ist, dass sich eine Berichtspflicht nicht so harmonisch in den Regelungskontext der GmbH einfügt, wie dies bei der AG der Fall ist179. Dieses Argument kann jedoch letztlich nicht verfangen, da es das Regelungssystem der GmbH betrachtet, ohne die europäische Rechtsentwicklung zu berücksichtigen: Das Erfordernis der Berichterstattung entstand in Umsetzung der 3. Fusions-Richtlinie. Es ist in diesem Zug als Standardmittel der Gesellschafterinformation in das deutsche Recht eingeführt worden180. Damit beeinflusst es jedoch auch den Regelungskontext des GmbHG. Dieser Befund lässt sich auch der Begründung des Regierungsentwurfes in unmissverständlicher Weise entnehmen. Vor diesem Hintergrund muss der teilweise vertretenen Ansicht, dass in der GmbH grundsätzlich keine Pflicht zur Erstellung von Holzmüller-Berichten bestünde181, in ihrer Pauschalität eine Absage erteilt werden.

175

So auch: Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 72; Reichert, ZHR-Sonderheft 68 (1999), 25, 58; Mayer, in: Widmann/Mayer, UmwG, Anh. 5 Rn. 937. 176 Begründung RegE zu § 8 UmwG, abgedruckt in: Ganske, Umwandlungsrecht, S. 53. 177 Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 56. 178 Vgl. §§ 293a, 319 Abs. 3, S. 1, Nr. 3 AktG. 179 Reichert, ZHR-Sonderheft 68 (1999), 25, 62. 180 Hoffmann-Becking, in: Henze/Hoffmann-Becking, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 2001, 55 ff.; Weißhaupt, AG 2004, 585, 589. 181 Priester, ZHR 163 (1999), 187, 200 f.; im Ergebnis auch: Reichert, ZHR-Sonderheft 68 (1999), 25, 62 f.

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen

221

Damit ist jedoch nichts darüber gesagt, ob eine Differenzierung nach dem Realtypus der GmbH zielführender wäre. Die Motivlage des Gesetzgebers bestand darin, aufgrund einer formalisierten Berichtspflicht vor allem die sachgerechte Information von Gesellschaftern größerer Gesellschaften sicherzustellen182. Daher könnte man daran denken, „kleine“ und/oder „mittlere“ Gesellschaften mbH von dem Erfordernis einer Berichtspflicht auszunehmen. Der Gesetzesbegründung lag erkennbar die Annahme zugrunde, dass die Gesellschafter in größeren Gesellschaften weiter vom operativen Tagesgeschäft entfernt sind, als dies in kleineren Gesellschaften der Fall sein mag. In der Tat gibt es z. T. erhebliche Größenunterschiede zwischen Gesellschaften mbH, zumal sich vereinzelt auch Großunternehmen dieser Rechtsform bedienen183. Indes ist der Annahme, dass ein kleinerer Gesellschafterkreis automatisch zu einem geringeren Informationsbedürfnis führt, nicht vorbehaltlos zuzustimmen. So ist es durchaus denkbar, dass die zehn Familiengesellschafter einer „größeren“ GmbH unternehmensnäher sind als der Minderheitsgesellschafter in einer 2-Personen-GmbH. Jedwede Grenzziehung anhand bestimmter Kriterien wäre somit von vorneherein mit dem Makel einer gewissen Willkür behaftet. Dies anerkennt letztlich auch der Gesetzgeber, in dem er sich auf die Aussage beschränkt, dass ein anhand von Berichten formalisiertes Informationsrecht einen besonders großen Wert für Unternehmensträger mit großem Gesellschafterkreis hat184. Damit wird auf die Erstellung eines Holzmüllerberichts analog § 41 UmwG jedenfalls dann verzichtet werden können, wenn alle Gesellschafter gleichzeitig auch Geschäftsführer der GmbH sind185 oder die Gesellschafter auf die Erstellung eines Berichts analog §§ 8 Abs. 3 S. 1, 1. HS, 125 S. 1 UmwG verzichten. Festzuhalten ist somit zunächst, dass in der GmbH ein solches Informationsbedürfnis nicht nur bei Verschmelzungen, sondern auch bei Holzmüller-Maßnahmen besteht. Eine Berichtspflicht der Geschäftsführung muss umso mehr angenommen werden, als die Gesellschafter einer GmbH gegenüber denjenigen einer AG rechtsformspezifisch nicht nur viel enger, sondern auch zeitlich viel länger mit ihrer Gesellschaft verbunden sind186. Analog §§ 8 Abs. 1 S. 1, 47, 125 S. 1 UmwG hat die Geschäftsführung der GmbH somit einen Bericht zu erstellen, in dem die rechtlichen und wirtschaftlichen Hintergründe der Maßnahme erläutert werden187. Richtig dürfte jedoch der Einwand der Gegenmeinung sein, dass mit den Anforderungen, die das UmwG an einen Bericht stellt, regelmäßig in der einen überschaubaren Gesellschafterkreis aufweisenden GmbH mit „Kanonen auf Spatzen geschos182 Begründung RegE zu § 8 UmwG und § 47, abgedruckt in: Ganske, Umwandlungsrecht, S. 53, 98. 183 Vgl. die Bosch GmbH mit einem Jahresumsatz von mehr als 47 Mrd. Euro (2008). 184 Begründung RegE zu § 8 UmwG, abgedruckt in: Ganske, Umwandlungsrecht, S. 53. 185 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 8 Rn. 54. 186 Begründung zum GmbHG-RegE vom 11. 2. 1892, Reichtstags-Aktenstück Nr. 660, S. 3725 f. 187 Vgl. Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 56, 61, 72, wobei inhaltlich geringere Anforderungen gemacht werden.

222

7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

sen“ würde. Dabei ist jedoch zunächst zu vergegenwärtigen, dass analog § 8 Abs. 3 UmwG auf das Berichtserfordernis verzichtet werden kann. Ein solches dürfte bei überschaubarem Gesellschafterkreis ohnehin zum Standardrepertoire der Kautelarpraxis gehören188. Aber auch beim gesetzlichen Archetypen der GmbH ist den Spezifika der GmbH zumindest in inhaltlicher Hinsicht Rechnung zu tragen189. Daher sind die in § 8 UmwG dargelegten Anforderungen lediglich als grobe Leitlinie zu werten, an denen sich ein Geschäftsführerbericht zu orientieren hat190. Zwar muss dem Gesellschafter auch eine Plausibilitätskontrolle ermöglicht werden191. Der Bericht darf sich daher nicht in einer bloßen Darstellung der Maßnahme erschöpfen, sondern hat auch auf die Gründe und die Auswirkungen der Maßnahme einzugehen192. Jedoch dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Im Gegensatz zur AG hat der Gesellschafter in der GmbH gem. § 51a GmbHG ein weitreichendes Informationsrecht, das er bereits im Vorfeld der Gesellschafterversammlung ausüben kann193. Der Bericht ist analog § 47 UmwG spätestens mit der Einberufung der Gesellschafterversammlung zu übersenden194. Teilweise wird diese Frist als zu kurz angesehen195. Eine längere gesetzliche Frist stünde jedoch nicht nur in Widerspruch zur Rechtslage bei der Genossenschaft, deren Gesellschafter regelmäßig weiter von der Gesellschaft entfernt sind als die Gesellschafter einer GmbH196. Sie wäre auch nur im Falle einer Konzernverbundenheit der GmbH gerechtfertigt197. An der einwöchigen Mindestfrist ist deshalb festzuhalten. Sie kann statuarisch nicht verringert werden198. c) Weitere Unterlagen Die Geschäftsführung könnte ferner von der Einberufung der Gesellschafterversammlung an verpflichtet sein, analog §§ 125 S. 1, 49 Abs. 2 UmwG die Lageberichte und Jahresabschlüsse für die letzten drei Jahre auszulegen. Es stellt sich daher die 188

Priester, ZHR 163 (1999), 187, 200 f. Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 57; tendenziell auch Reichert, ZHRSonderheft 68 (1999), 25, 63. 190 Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 61; Reichert, ZHR-Sonderheft 68 (1999), 25, 63. 191 Groß, AG 1996, 111, 116. 192 Vgl. Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 57, der für den Fall der Ausgliederung im Wege der Einzelrechtsnachfolge die für den Bericht erforderlichen Inhalte aufzählt. 193 Reichert zieht daraus den Schluss, dass ein Bericht per se nicht erforderlich sei, ZHRSonderheft 68 (1999), 25, 62 f. 194 Winter, in: Lutter, UmwG, § 47 Rn. 14. 195 Vgl. Winter, in: Lutter, UmwG, § 47 Rn. 15. 196 Begründung RegE zu § 47 UmwG, abgedruckt in: Ganske, Umwandlungsrecht, S. 98. 197 Begründung RegE zu § 47 UmwG, abgedruckt in: Ganske, Umwandlungsrecht, S. 98, die auf § 24 Abs. 2 UmwG (1969) verweist. 198 Vgl. Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 72. 189

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen

223

Frage, ob daraus ein allgemeiner Wertungsgrundsatz abgeleitet werden kann. Dagegen könnte sprechen, dass für die im GmbHG kodifizierten Strukturmaßnahmen keine entsprechenden Pflichten vorgesehen sind. Zwar ist zu berücksichtigen, dass sich das GmbHG konzeptionell vom AktG unterscheidet, indem es nur eine punktuelle Regelung der Zuständigkeiten der Gesellschafter enthält und insoweit das Bestehen eines allgemeinen Wertungsgrundsatzes nicht bereits deshalb ausscheidet, weil das GmbHG keine dem AktG entsprechenden Regelungen enthält. Im Rahmen derjenigen Strukturmaßnahmen, die das GmbHG kodifiziert, spricht das Fehlen einer entsprechenden Jahresabschlusspflicht jedoch gegen einen allgemeinen Wertungsgrundsatz. Hinzu kommt, dass das GmbHG eine entsprechende Pflicht gem. § 42a Abs. 2 GmbHG auch für die Ergebnisverwendung postuliert, die jedoch keine Strukturmaßnahme darstellt. Zudem weist selbst das UmwG, das die bei gesetzlichen Strukturmaßnahmen einzuhaltenden Verfahren regelt, eine solche Pflicht nur für die Verschmelzung und die Ausgliederung, nicht aber für andere umwandlungsrechtliche Maßnahmen auf. Es existiert folglich kein allgemeiner Wertungsgrundsatz, wonach den Gesellschaftern zur Vorbereitung von Beschlüssen über Strukturmaßnahmen Jahresabschlüsse und Lageberichte zur Verfügung gestellt werden müssen. Auch eine Pflicht zur Erstellung einer Eröffnungsbilanz analog § 71 Abs. 1 GmbHG kommt nicht in Betracht. Weder kann zu einer grundsätzlichen Begründung dieser Pflicht auf einen allgemeinen Wertungsgrundsatz zurückgegriffen werden, noch würde die Übertragung einer derart formalisierten Informationspflicht dem Umstand gerecht, dass in der GmbH die Information der Gesellschafter aufgrund des weitreichenden individuellen Informationsrechts gem. § 51a GmbHG nicht der aus der AG bekannten strikten Formalisierung bedarf. Festzuhalten bleibt demnach, dass bei Holzmüller-Maßnahmen keine Pflicht zur Erstellung und Auslegung von Jahresabschlüssen, Lageberichten oder Eröffnungsbilanzen besteht199. 5. Besonderheiten bei Strukturmaßnahmen, die infolge von Einzelanalogien zum AktG abgeleitet werden Besonderheiten bei der Bestimmung der Informationspflichten ergeben sich hinsichtlich solcher Maßnahmen, für welche die Gesellschafterversammlung in Anlehnung an aktienrechtliche Vorschriften zuständig ist. Diese Normen regeln zwar den Umfang der gegenüber den Aktionären beizubringenden Informationen, jedoch stellt sich hinsichtlich der GmbH die Frage, inwieweit diese Regelungen übertragbar sind.

199 I. E. auch: Schlitt, in: Semler/Stengel, UmwG, Anh. § 173 Rn. 72; Reichert, ZHRSonderheft 68 (1999), 25, 63.

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

a) Abschluss von Unternehmensverträgen Die §§ 293a ff. AktG sehen Mechanismen vor, die eine optimale Information der Aktionäre gewährleisten sollen. Diese beinhalten – neben der Einberufung der Hauptversammlung und der Bekanntmachung der Tagesordnung sowie der Beschlussempfehlungen – die Auslage und abschriftliche Übersendung des eigentlichen Vertrages, der Jahresabschlüsse und Lageberichte der beteiligten Unternehmen für die letzten drei Geschäftsjahre sowie Berichte von Vorstand und Vertragsprüfer, vgl. § 293f Abs. 1 Nr. 1 – 3 AktG. Fraglich ist somit, ob auch die Geschäftsführung der GmbH von diesen weitergehenden Informationspflichten getroffen wird. Das Informationsbedürfnis von Gesellschaftern einer GmbH ist dabei mit demjenigen von Aktionären zunächst vergleichbar, da sie aus eigener Kraft i. d. R. nicht in der Lage sind, die Angemessenheit des Unternehmensvertrages zu beurteilen200. Zwar sind sie, abweichend von den Aktionären, aufgrund ihres Weisungsrechts (§ 37 GmbHG) und ihres weitreichenden individuellen Informationsrechts (§ 51a GmbHG) in der Lage, wesentlich auf die Vorbereitung des Unternehmensvertrags Einfluss zu nehmen. Aus diesem Grund wird ihnen teilweise ein vergleichbares Informationsbedürfnis abgesprochen201. Dieser Schluss berücksichtigt jedoch nicht hinreichend, dass die Gesellschafter im Alltag u. U. weit von der Unternehmensführung entfernt sind und mangels Hintergrundwissens allenfalls zurückhaltend in die Vertragsverhandlungen eingreifen werden. Die abstrakte Möglichkeit einer Einflussnahme kann gerade aufgrund der vielen denkbaren Ausprägungen des Verhältnisses zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführung erstere nicht zwangsläufig schutzunwürdig machen. Dieser Gedanke findet sich auch an verschiedenen Stellen im Gesetz, wenn das UmwG durch § 8 und §§ 48, 9 – 12 zum Ausdruck bringt, dass auch die mögliche Einflussnahme auf Umstrukturierungen einem weiten Informationsbedürfnis und dessen Berücksichtigung durch formalisierte Informationspflichten nicht entgegensteht202. Andererseits würde eine pauschale Übernahme der in §§ 293f, 293g AktG enthaltenen Informationspflichten jedoch dem Regelungsgedanken widersprechen, der im UmwG zum Ausdruck gekommen ist. Der Gesetzgeber hat eine zwingende Prüfung des Verschmelzungsvertrags gem. § 60 UmwG nur für die Aktiengesellschaft zwingend vorgesehen, um in Anbetracht des sehr begrenzten individuellen Auskunftsrechts der Aktionäre deren sachgerechte Information sicherzustellen203. Gem. § 48 S. 1 UmwG ist eine Prüfung des Verschmelzungsvertrags zwar auch in der GmbH denkbar, aber von einem, binnen einer Woche nach Erhalt des Verschmelzungsvertrags und des Verschmelzungsberichts zu stellenden, Antrags eines Gesellschafters abhängig. Da die Vorschriften über die Prüfung von Verschmelzungsverträgen (§§ 9 – 12 UmwG) Vorbild für die später eingefügten §§ 293a ff. AktG waren204, 200 201 202 203 204

Hommelhoff/Freytag, DStR 1996, 1409, 1413. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. Konzernrecht, Rn. 63. Humbeck, BB 1995, 1893 f. Hommelhoff/Freytag, DStR 1996, 1409, 1413. Hommelhoff/Freytag, DStR 1996, 1409, 1413.

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen

225

muss sich auch in der GmbH der Umfang der Informationspflichten bei Unternehmensverträgen an dem Maßstab messen lassen, den das UmwG für Verschmelzungen bereitstellt. Die Parallelen zum Verschmelzungsrecht stellen insoweit gleichzeitig die Grenze der Analogiefähigkeit dar. Aufgrund dieser Ausstrahlungswirkung der §§ 8, 47 UmwG hat die Geschäftsführung in jedem Fall einen Bericht über den Unternehmensvertrag zu erstellen und den Gesellschaftern analog § 293a AktG gleichzeitig mit dem eigentlichen Unternehmensvertrag bzw. dessen Entwurf zu übersenden. Die Bekanntgabe seines wesentlichen Inhalts analog § 124 Abs. 2 S. 2 AktG scheidet demnach aus, weil die formalisierten Informationspflichten gegenüber den GmbHGesellschaftern aufgrund ihres weitreichenden individuellen Informationsrechts nicht weiter gehen kann als die gegenüber den Aktionären. Dagegen ist die Geschäftsführung aufgrund der Ausstrahlungswirkung von § 49 Abs. 2 UmwG analog § 293f Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AktG dazu verpflichtet, von der Einberufung der Gesellschafterversammlung an die Jahresabschlüsse und Lageberichte der beteiligten Unternehmen für die letzten drei Geschäftsjahre in den Geschäftsräumen der Gesellschaft für die Gesellschafter zur Einsicht auszulegen. b) Veräußerungsverträge über das gesamte Gesellschaftsvermögen Während die Aktionäre bereits kraft Gesetzes gem. § 179a Abs. 1 AktG für Gesamtvermögensgeschäfte zuständig sind, fällt aufgrund der bedeutenden Tragweite dieser Strukturmaßnahme einerseits und dem Mangel einer entsprechenden Regelung im GmbHG andererseits eine solche Maßnahme in der GmbH unter die entsprechende Anwendung der Holzmüller-Doktrin. Insoweit kann zur Begründung dieser Gesellschafterkompetenz zwar auf eine Analogie zu § 179a AktG zurückgegriffen werden. Eingehender Erörterung bedarf hingegen die Frage, ob die vielgestaltigen und weitreichenden Informationspflichten, die § 179a AktG für den Vorstand vorschreibt, unverändert auf die Situation in der GmbH übertragen werden können. § 179a AktG bezweckt den Schutz der Aktionäre vor einer benachteiligenden Vertragsgestaltung205. In Anlehnung an obige Ausführungen ließe sich argumentieren, dass die Gesellschafter umso weniger vor einer Maßnahme geschützt werden müssen – was sich unmittelbar auf den für einen entsprechenden Beschluss einzuhaltenden Informationsstandard auswirken würde – wie sie diese im Vorfeld beeinflussen können. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass die Gesellschafter immer in der Lage sein werden, das Verhandlungsergebnis materiell zu beeinflussen. Dies gilt nicht nur deshalb, weil eine Beschlussfassung und eine darauf beruhende Weisung nicht zu jedem Zeitpunkt während der Verhandlungsführung möglich, geschweige denn angebracht, ist. Auch besteht häufig die Gefahr, dass das Vermögen der Gesellschaft an ihren bisherigen Mehrheitsgesellschafter übertragen werden soll206. In einer solchen Konstellation wird der Mehrheitsgesellschafter sein Stimmengewicht einbringen, wenn es darum geht, den Geschäftsführer zu einem bestimmten Verhalten per Beschluss an205 206

Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 179 f. Hüffer, AktG, § 179a Rn. 1.

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7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

zuweisen, so dass der Einfluss der (Minderheits-)Gesellschafter auf die Verhandlungsführung als beschränkt angesehen werden darf. Da es sich bei dem Gesamtvermögensgeschäft zudem, ähnlich der Auflösung der Gesellschaft, um eine Maßnahme von existentieller Bedeutung für die Gesellschaft handelt, besteht ein großes Informationsbedürfnis der Gesellschafter. Da insoweit keine gewichtigen rechtsformspezifischen Unterschiede in den Ausgangssituationen zu erkennen sind, sind die in § 179a AktG kodifizierten Informationspflichten auf die GmbH zu übertragen. Ferner hat der Vorstand analog § 124 Abs. 2 S. 2 AktG den wesentlichen Inhalt des Veräußerungsvertrages mit der Einberufung der Gesellschafterversammlung bekannt zu machen. Die Erstellung eines Berichts erscheint angesichts des weit reichenden individuellen Auskunftsrechts nicht geboten.

III. Keine Geltung des Substitutionseffekts Durch das ARUG wurde das System der beschlussvorbereitenden Information in der GmbH nicht verändert. Der rechtspolitische Sinn dieser Regelung mag zunächst bezweifelt werden. Jedoch ist die unterbliebene Modernisierung des GmbH-Rechts wohl zum Einen damit zu erklären, dass die GmbH von Haus aus keine Publikumsgesellschaft ist und sich daher im Rahmen der beschlussvorbereitenden Information keinem übertriebenen Bürokratie- und Papieraufwand ausgesetzt sieht wie so manche AG, SE oder KGaA. Wichtiger erscheint in diesem Zusammenhang jedoch der Hinweis darauf, dass die GmbH ihrer Grundstruktur nach sehr dispositionsfreundlich ist. Dies sollten sich – sofern nicht unlängst geschehen – Gesellschafter zu nutzen machen, indem sie in der Satzung verankern, dass die elektronische Vorabinformation mit der gesetzlichen Papierform gleichwertig ist.

IV. Informationspflichten während der Gesellschafterversammlung Im Gegensatz zu den Aktionären verfügen die Gesellschafter gem. 51a Abs. 1 GmbHG über ein weitreichendes individuelles Auskunftsrecht. Dieses kann auch während der Gesellschafterversammlung geltend gemacht werden und ist dabei im Gegensatz zu § 131 Abs. 1 AktG nicht auf Informationen zu den einzelnen Beschlussgegenständen beschränkt. Wie sich auch aus § 49 Abs. 3 UmwG ergibt, gestaltet sich der Ablauf einer Gesellschafterversammlung weniger formalistisch und interaktiver als in der Aktiengesellschaft. Aufgrund dieser verstärkten Partizipationsmöglichkeiten der Gesellschafter und der umfangreichen Vorabinformation besteht für den Geschäftsführer i. d. R. keine Verpflichtung, die Unterlagen noch einmal mündlich zu erläutern, es sei denn, er wird von der Gesellschafterseite dazu aufgefordert207. 207

Reichert, in: Semler/Stengel, UmwG, § 49 Rn. 11; a.A.: Priester, ZGR 1990, 420, 432 f.

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen

227

Davon unbeschadet ist eine Erläuterung der wesentlichen Punkte der Strukturmaßnahme dennoch zu empfehlen. Zur Erläuterung verpflichtet ist der Geschäftsführer nur dann, wenn es wesentliche Änderungen zwischen der Erteilung der Vorabinformation und der Gesellschafterversammlung gegeben hat. Auf diese Änderungen hat der Geschäftsführer dann von sich aus hinzuweisen208.

V. Grenzen der Informationspflicht 1. Rechtsgrundlage Der Regelungskontext der GmbH weist in § 51a Abs. 2 GmbHG einen Ausschlusstatbestand hinsichtlich des individuellen Informationsrechts und in den §§ 8 Abs. 2 S. 1, 12 Abs. 3, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG gleichartige Regelungen für die kollektiven Informationsrechte auf. Die gebotene dogmatische Differenzierung zwischen individuellen und kollektiven Informationsrechten legt es nahe, die Grenzen der Informationspflichten anhand einer Analogie zu den §§ 8 Abs. 2 S. 1, 12 Abs. 3, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG zu bestimmen. Damit würden im Ergebnis die Informationspflichten der Geschäftsführung bei Holzmüller-Maßnahmen ohne Unterschied, ob es sich bei der Gesellschaft um eine AG oder eine GmbH handelt, unter den gleichen Voraussetzungen eingeschränkt. Dies würde jedoch den rechtsformspezifischen Besonderheiten der GmbH zuwiderlaufen. Zwar sind die umwandlungsrechtlichen Schutzklauseln auch auf die GmbH anwendbar. Der Gesetzesbegründung lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass die Rechtslage in der GmbH strikt an die der AG gebunden werden sollte. Eine rechtsformunabhängige Betrachtung stellte der Gesetzgeber nur in Bezug auf das grundsätzlich anzuerkennende Informationsbedürfnis der Gesellschafter vor einem Verschmelzungsbeschluss an209. Die Ausformung des § 8 Abs. 2 UmwG – der wiederum Vorbild für alle weiteren umwandlungsrechtlichen Schutzklauseln war – orientierte sich dagegen an § 131 Abs. 3 AktG210. Dieser soll die Gesellschaft davor schützen, dass sie infolge der Veröffentlichung der Informationen Nachteile erleidet. Diese Gefahr besteht insbesondere bei Aktiengesellschaften, aber auch grundsätzlich bei Publikumsgesellschaften, da in diesen die Mitglieder anonym sind und alle auf der Hauptversammlung erteilten Informationen mit großer Wahrscheinlichkeit an die Öffentlichkeit gelangen. Insoweit liegt sowohl § 131 Abs. 3 AktG als auch den umwandlungsrechtlichen Schutzklauseln ein abstrakter Gefahrenbestand zugrunde. Die GmbH ist dagegen typischerweise keine Publikumsgesellschaft, so dass auch nicht die damit verbundene abstrakte Gefahr, die mit der Veröffentlichung sensibler Informationen einhergehen kann, in der GmbH existiert. Eine 208

Vgl. auch Winter, in: Lutter, UmwG, § 49 Rn 8. Vgl. Begründung RegE zu § 8 UmwG, abgedruckt in: Ganske, Umwandlungsrecht, S. 53 f. 210 Vgl. Begründung RegE zu § 8 Abs. 2 UmwG, abgedruckt in: Ganske, Umwandlungsrecht, S. 54. 209

228

7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

unmodifizierte Übertragung der aktienrechtlichen Situation auf die GmbH würde den rechtsformspezifischen Besonderheiten daher nicht Rechnung tragen. Teilweise wird unter Verweis auf die größere Unternehmensnähe der GmbH-Gesellschafter vertreten, dass im Rahmen der beschlussvorbereitenden Information eine Geheimhaltung nur dann in Betracht kommt, wenn der betroffene Gesellschafter vom Stimmrecht ausgeschlossen ist und mit seiner Informierung eine schwere Schadensgefahr der Gesellschaft einhergeht211. Dem ist nicht zuzustimmen, da die an verschiedener Stelle verankerten Schutzklauseln nicht danach unterscheiden, ob der Gesellschafter stimmberechtigt ist oder nicht. Weit verbreitet ist auch der Ansatz, die umwandlungs- und konzernrechtlichen Schutzklauseln voll zur Geltung kommen zu lassen, dem Gesellschafter jedoch das Recht einzuräumen, die verweigerte Information mündlich nachgeliefert zu bekommen212. Zwar mag diese Auffassung für sich in Anspruch nehmen, dass dem Wortlaut der Schutzklauseln uneingeschränkt Rechnung getragen wird. Die damit verbundene Regelung führt jedoch zum Einen dazu, dass der Gesellschafter bedeutsame Informationen nicht in schriftlicher Form erhält, was eine angemessene Vorbereitung auf den Beschlussgegenstand erschwert. Zum Anderen wird der Gesellschafter in die Lage versetzt, selbst in Bezug auf die fehlenden Informationen „nachhaken“ zu müssen. Damit geht jedoch nicht nur ein Zeitverlust einher, der gerade in Anbetracht der vergleichsweise kurzen Einberufungsfrist kritisch sein kann213. Auch besteht die Gefahr, dass der Geschäftsführer zu beschäftigt ist, um den mündlichen Nachfragen der Gesellschafter ausreichend Rechnung tragen zu können oder letztere – aus welchen Umständen auch immer – nicht in der Lage sind, selbst zum Geschäftssitz zu fahren und Einsicht in die Schriften zu nehmen. Aus diesen Gründen stellt die vorgeschlagene Kombination von Schutzklauseln und individuellem Informationsrecht keine sachgerechte Wahrnehmung der Gesellschafterinteressen dar. Eine Lösung dieses Problem hat sich an § 51a Abs. 2 GmbHG zu orientieren, da darin der Gesetzgeber in Bezug auf Informationen eine rein GmbH-spezifische Abwägung zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterinteressen vorgenommen hat. Aus diesem Grund sind die umwandlungsrechtlichen Schutzklauseln vor dem Hintergrund dieser Vorschrift auszulegen. Dies ist nur konsequent: Wenn sich nämlich die umwandlungsrechtlichen Schutzklauseln für die Aktiengesellschaft an § 131 Abs. 3 AktG orientieren, dann muss auch in der GmbH dem Auskunftsrecht eine entsprechende Leitbildfunktion zukommen. Gem. § 51a Abs. 2 GmbHG ist die Verweigerung von Auskunft und Einsicht an die mögliche Illoyalität des Gesellschafters in Bezug auf die Verwendung der Informationen geknüpft: Eine Auskunft darf nur dann verweigert werden, wenn zu besorgen ist, dass „der Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft einen nicht uner211

Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51a Rn. 57. Vgl. Altmeppen, in: MünchKommAktG, § 293a Rn. 62; Lutter, in: Lutter, UmwG, § 8 Rn. 47. 213 Vgl. zur Einberufungsfrist die Ausführungen unter Siebter Teil, B. II. 1. 212

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen

229

heblichen Nachteil zufügen wird“. Das GmbHG setzt insoweit eine konkrete Gefahr voraus und stellt daher hinsichtlich der Begrenzung von Information strengere Anforderungen als das AktG. Aufgrund dieser GmbH-spezifischen Aussage sind auch die umwandlungsrechtlichen Vorschriften dahingehend auszulegen, dass anstatt der abstrakten Missbrauchsgefahr eine konkrete, d. h. vom jeweiligen Gesellschafter abhängende Gefahr erforderlich ist. Die gesamtanaloge Anwendung der §§ 8 Abs. 2 S. 1, 12 Abs. 3, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG ist daher um eine Analogie zu § 51a Abs. 2 GmbHG zu ergänzen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass eine Verweigerung der Information nur unter der zusätzlichen Voraussetzung möglich ist, dass die konkrete Gefahr des Missbrauchs durch einen Gesellschafter wahrscheinlich ist214. 2. Voraussetzungen Analog §§ 51a Abs. 2 GmbHG, 8 Abs. 2 S. 1, 12 Abs. 3, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG besteht eine Informationspflicht dann nicht, wenn zu befürchten ist, dass ein Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird. Unter gesellschaftsfremder Verwendung ist ein Verhalten zu verstehen, dass entweder geschäftsschädlich ist oder außerhalb des ordnungsgemäßen mitgliedschaftlichen Verhaltens liegt215. Damit ist vor allem die Nutzung der erlangten Informationen zu privatem Zweck oder deren Weitergabe an Konkurrenzunternehmen erfasst216. Diese Besorgnis ist nur dann begründet, wenn auch eine entsprechende konkrete Gefahr besteht. Dies setzt voraus, dass die gesellschaftsfremde Verwendung nach objektiv vorliegenden Tatsachen wahrscheinlich ist217. Für den Fall, dass der Gesellschafter ein Konkurrenzunternehmen betreibt, ist eine solche Verwendung zu vermuten218. Eine rein kapitalistische Beteiligung reicht jedoch nicht aus, um eine derartige Vermutung zu begründen219. Für das Vorliegen eines nicht unerheblichen Nachteils werden die gleichen Maßstäbe angewandt wie im Rahmen des § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG220. Ein Gesellschafterbeschluss analog § 51a Abs. 2 S. 2 GmbHG ist für die Verweigerung seitens der Geschäftsführung nicht erforderlich221. Hier müssen sich vielmehr 214 Die Bedeutung von § 51a Abs. 2 GmbHG im Rahmen von Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen erkennt auch Wolff, in: MünchHdb GmbH, § 39 Rn. 79; in diese Richtung auch: Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 8 Rn. 46 f. 215 Schiessl, in: MünchHdb GmbH, § 33 Rn. 20. 216 OLG Stuttgart, GmbHR 1983, 184; Schiessl, in: MünchHdb GmbH, § 33 Rn. 20. 217 OLG Stuttgart, GmbHR 1983, 184; OLG Düsseldorf, WM 1990, 1823 f. 218 Vgl. das OLG Karlsruhe, das zum selben Ergebnis dadurch gelangt, dass es das Erfordernis einer konkreten Gefahr durch das einer abstrakten Gefahr austauscht, GmbHG 1985, 362 f. 219 Schiessl, in: MünchHdb GmbH, § 33 Rn. 21. 220 Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 51a Rn. 24. 221 Vgl. auch: K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 51a Rn. 42.

230

7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

die Unterschiede zwischen individuellen und kollektiven Informationsrechten durchsetzen. Letztere sind im interessierenden Bereich formalisiert und dienen der Vorabinformation bei bedeutsamen Beschlüssen. Es würde die Beschlussvorbereitung wesentlich verkomplizieren, wenn für die Verweigerung der Informationserteilung die Legitimation durch die Gesellschafterversammlung erforderlich wäre. Geheimhaltungsvereinbarungen mit Dritten können der Preisgabe von Informationen entgegenstehen, sofern sie wirksam sind und die Gesellschaft ein dringliches Interesse an der Geheimhaltung hat222. Umgehungen des kollektiven Informationsrechts durch Abreden mit Dritten sind jedoch nach §§ 134, 138 BGB oder wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht unwirksam223. Ein derartiges Geheimhaltungsbedürfnis mag zwar in Gesellschaften mit reinen Kapitalanleger-Gesellschaftern üblich sein – insbesondere, wenn sich die Gesellschaftsanteile im Streubesitz befinden. In personalistischen Gesellschaften muss jedoch der Geschäftspartner damit rechnen, dass die Gesellschafter einer GmbH über die Einzelheiten eines Vertrages Einsicht erlangen. Eine Geheimhaltungsvereinbarung ist in diesen Fällen grundsätzlich bedenklich und bedarf daher eines besonderen Grundes224.

3. Umfang der Geheimhaltung Besteht die Gefahr, dass einer der Gesellschafter die offengelegten Unternehmensdaten gesellschaftsfremd verwendet und der Gesellschaft dadurch ein nicht unerheblicher Nachteil entsteht, braucht die Geschäftsführung die betreffenden Daten nicht in ihre Vorabinformation mit aufzunehmen. Sie muss die Lücken der Offenlegung jedoch kennzeichnen und die Geheimhaltung begründen, damit für die Gesellschafter nicht der Eindruck einer vollständigen Information entsteht und sie die Plausibilität der Geheimhaltung überprüfen können225. Trotz einer Geheimhaltung im Rahmen der Vorabinformation ist es allen „loyalen“ Gesellschaftern möglich, im Wege ihres individuellen Auskunftsrechts die unter Berufung auf die Schutzklausel verschwiegenen Informationen einzuholen226. Die Geschäftsführung hat dann zumindest die verschwiegenen Informationen nachzuliefern.

4. Pflicht zur Geheimhaltung Die Geschäftsführung ist zur Verweigerung der Information im Rahmen der Beschlussvorbereitung nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, soweit Verweigerungsgründe bestehen und die Interessen der Gesellschaft für deren Geltendmachung 222 Müller, GmbHR 1987, 87, 90; ähnlich: Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51a Rn. 44. 223 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 51a Rn. 35. 224 Ähnlich: K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 51a Rn. 35. 225 Gehling, in: Semler/Stengel, UmwG, § 8 Rn. 65. 226 So auch: Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 8 Rn. 47.

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen

231

sprechen227. Dabei sind die Grundsätze der Unternehmenspolitik für die Konkretisierung des Gesellschaftsinteresses heranzuziehen. Dabei kommt den Geschäftsführern jedoch grundsätzlich keine Einschätzungsprärogative zu: Soweit die Gesellschafter ihre Kompetenz zur Festlegung der Unternehmenspolitik wahrnehmen, werden sie damit zugleich zu den Herren der Unternehmensgeheimnisse. Die Geschäftsführung hat sich dann an diesen Grundsätzen zu orientieren.

VI. Ergebnisse des Siebten Teils 1.

Das Recht der GmbH beruht historisch auf dem Konzept der Drittorganschaft, da die GmbH ursprünglich als „kleine AG“ konzipiert war.

2.

Das GmbHG enthält kein abschließendes Organisationsstatut, sondern definiert die Befugnisse von Geschäftsführung und Gesellschafterversammlung nur punktuell. Damit sind auch die von § 46 GmbHG erfassten Kompetenzen der Gesellschafterversammlung nicht abschließend.

3.

Die Holzmüller-Doktrin ist kein Unterfall der ungeschriebenen Gesellschafterzuständigkeit für „ungewöhnliche Geschäfte“. Grund dafür ist, dass sich Strukturmaßnahmen nicht nur inhaltlich von Geschäftsführungsmaßnahmen unterscheiden, sondern auch in Bezug auf das Mehrheitserfordernis. Ferner ist die Kompetenz für Grundlagenentscheidungen nicht disponibel.

4.

Das Bestehen ungeschriebener Grundlagenzuständigkeiten führt in der vertraglich beherrschten GmbH dazu, dass ein weisungsfester Kernbereich existiert, der nicht analog § 308 AktG auf das herrschende Unternehmen übertragen werden kann.

5.

Strukturmaßnahmen, die den Wesentlichkeitstest der Holzmüller-Doktrin nicht bestehen, können gleichwohl ungewöhnliche Maßnahmen darstellen und insoweit eine Zuständigkeit der Gesellschafter analog §§ 116 Abs. 1 und 2, 164 HGB herbeiführen.

6.

Die ungeschriebene Zuständigkeit der Gesellschafter für Strukturmaßnahmen ergibt sich aus einer Gesamtanalogie zu den §§ 53 Abs. 1, 55 Abs. 1, 58 Abs. 1, 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG und den §§ 13 Abs. 1, 125 S. 1, 176 Abs. 1, 177 Abs. 1, 193 Abs. 1, 233 Abs. 2, 240 Abs. 1 UmwG.

7.

Als potentiell holzmüllerpflichtige Maßnahmen kommen grundsätzlich die im Zusammenhang mit der AG erörterten Maßnahmen in Betracht. Insbesondere können auch Ausgliederungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge die Holzmüller-Doktrin auslösen, da durch sie das Weisungsrecht der Gesellschafter mediatisiert wird. Ferner fällt der Abschluss eines Beherrschungsvertrages auf Seiten der beherrschten Gesellschaft in den Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin. Dabei besteht die Besonderheit, dass die fehlende Zustimmung der Gesell227

K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 51a Rn. 31.

232

7. Teil: Informationspflichten bei Holzmüller-Beschlüssen in der GmbH

schafter Außenwirkung entfaltet. Nicht von der Holzmüller-Doktrin erfasst wird der Abschluss eines Beherrschungsvertrags durch die herrschende Gesellschaft, der aber gleichwohl eine Zustimmungspflicht der Gesellschafter gem. § 293 Abs. 2 S. 1 AktG analog auslöst. Die Zustimmungsbedürftigkeit eines Vertrages für die Veräußerung des gesamten Gesellschaftsvermögens ergibt sich durch eine Analogie zu §§ 116 Abs. 1 und 2, 164 HGB. 8.

Den Gesellschaftern kommt hinsichtlich Holzmüller-Maßnahmen ein Initiativrecht zu.

9.

Für Holzmüller-Maßnahmen kommt eine Beschlussfassung im Wege des schriftlichen Beschlussverfahrens nicht in Betracht.

10. Die Geschäftsführung hat die Gesellschafterversammlung gem. § 51 Abs. 1 S. 2 GmbHG mindestens eine Woche vor der Beschlussfassung einzuberufen. 11. Die Ankündigung der Beschlussgegenstände hat analog § 47 UmwG zeitgleich mit der Einberufung der Gesellschafterversammlung zu erfolgen. 12. Der wesentliche Inhalt von Strukturverträgen ist analog § 124 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. AktG mit der Ankündigung der Beschlussgegenstände bekannt zu machen. 13. Analog §§ 47, 125 S. 1 UmwG ist den Gesellschaftern spätestens mit der Einberufung der Gesellschafterversammlung eine Abschrift des Strukturvertrages zu übersenden. 14. Analog §§ 8 Abs. 1 S. 1, 47, 125 S. 1 UmwG hat die Geschäftsführung der GmbH einen Bericht zu erstellen, in dem die rechtlichen und wirtschaftlichen Hintergründe der Maßnahme erläutert werden. Dieser ist den Gesellschaftern spätestens mit der Einberufung der Gesellschafterversammlung zu übersenden. Angesichts des weit reichenden individuellen Informationsrechts sind an diesen Bericht inhaltlich weniger strenge Anforderungen zu stellen als an Umwandlungsberichte. Eine Pflicht zur Erstellung eines Holzmüller-Berichts entfällt, wenn alle Gesellschafter zugleich Geschäftsführer sind oder auf die Erstellung eines solchen Berichts verzichten. 15. Eine Pflicht der Geschäftsführung zur Erstellung und Auslegung von Jahresabschlüssen, Lageberichten oder Eröffnungsbilanzen besteht nicht. 16. Bei Unternehmensverträgen existieren besondere Informationspflichten der Geschäftsführung. Dort hat die Geschäftsführung der beherrschten Gesellschaft analog § 293a AktG einen Bericht zu erstellen und diesen zu übersenden. Gleiches gilt analog § 293f Abs. 1 Nr. 1 AktG für den eigentlichen Unternehmensvertrag. Eine erweiterte Bekanntmachungspflicht analog § 124 Abs. 2 S. 2 AktG besteht dagegen nicht. Dagegen ist die Geschäftsführung analog § 293f Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AktG verpflichtet, von der Einberufung der Gesellschafterversammlung an die Jahresabschlüsse und Lageberichte der beteiligten Unternehmen für die letzten drei Geschäftsjahre in den Geschäftsräumen der Gesellschaft für die Gesellschafter zur Einsicht auszulegen.

B. Informationspflichten bei Holzmüller-Maßnahmen

233

17. Soll eine Verpflichtung zur Veräußerung des gesamten Gesellschaftsvermögens eingegangen werden, ist die Geschäftsführung analog § 179a Abs. 2 S. 1 und 2 AktG verpflichtet, den Vertrag den Gesellschaftern auf Verlangen zu übersenden und diesen in den Geschäftsräumen der GmbH auszulegen. Ferner hat der Vorstand analog § 124 Abs. 2 S. 2 AktG den wesentlichen Inhalt des Veräußerungsvertrages mit der Einberufung der Gesellschafterversammlung bekannt zu machen. 18. Die durch das ARUG eingeführten Erleichterungen hinsichtlich der Informationserteilung gelten nicht für die GmbH. Über entsprechende Satzungsregelungen können die Gesellschafter jedoch selbst die Gleichwertigkeit der elektronischen Information verankern. 19. Eine Verpflichtung der Geschäftsführung, den wesentlichen Inhalt der Unterlagen während der Gesellschafterversammlung zusammen zu fassen und zu erläutern, besteht angesichts des weit reichenden individuellen Informationsrechts der Gesellschafter nicht. 20. Analog §§ 51a Abs. 2 GmbHG, 8 Abs. 2 S. 1, 12 Abs. 3, 192 Abs. 1 S. 2 UmwG besteht eine Informationspflicht dann nicht, wenn zu befürchten ist, dass ein Gesellschafter sie zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird. Wird die Vorabinformation verweigert, so können die loyalen Gesellschafter die ihnen verweigerten Informationen im Wege ihres individuellen Auskunftsrechts einholen. 21. Die Geschäftsführung ist zur Verweigerung der Informationen verpflichtet, soweit Verweigerungsgründe bestehen. Dabei ist den regelmäßig von den Gesellschaftern festgelegten Grundsätzen der Unternehmenspolitik Rechnung zu tragen. Ferner sind die Lücken der Offenlegung zu kennzeichnen und die Geheimhaltung zu begründen, damit für die Gesellschafter nicht der Eindruck einer vollständigen Information entsteht und sie die Plausibilität der Geheimhaltung überprüfen können.

Achter Teil

Schlussbetrachtung Auch nach den Gelatine-Urteilen befindet sich die Holzmüller-Doktrin noch im Zustand der Weiterentwicklung. Dies ist nicht verwunderlich, da sie auch nach 28 Jahren noch eine Vielzahl von Nebenfragen aufwirft. Von diesen Fragekomplexen hat die vorliegende Arbeit die der ungeschriebenen Informationspflichten der Geschäftsführung gegenüber den Gesellschaftern aufgegriffen. Dabei hat sich zunächst gezeigt, dass die Holzmüller-Doktrin nicht – wie vom BGH postuliert – das Ergebnis einer offenen Rechtsfortbildung sein kann. Sie ist vielmehr dogmatisch auf das Fundament einer Gesamtanalogie zu stellen, da sie sich nur so konsistent in das System einfügt, welches das AktG und das UmwG für die Hauptversammlungszuständigkeit bei Strukturentscheidungen vorsehen. Dieser dogmatische Ansatz lässt zudem bei der Ermittlung der beschlussvorbereitenden und -begleitenden Informationspflichten den gesetzlichen Wertungen eine größtmögliche Geltungskraft zukommen. Insoweit wird den gesetzgeberischen Wertungen dasjenige Gewicht beigemessen, das ihnen vor dem Hintergrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes zuzusprechen ist. Das Holzmüller-Urteil ist in seiner Kernaussage, dass bei wesentlichen Strukturmaßnahmen, die eine Mediatisierung der Mitgliedsrechte nach sich ziehen, eine Beschlusszuständigkeit der Gesellschafter vorsieht, auf alle Kapitalgesellschaften übertragbar. Damit kommt dem ursprünglich auf die AG bezogenen Holzmüller-Urteil eine Breitenwirkung bezüglich aller Kapitalgesellschaften zu. Es kann jedoch denjenigen Stimmen, die dem Holzmüller-Urteil nur noch eine überwiegend historische Bedeutung zukommen lassen wollen, nicht gefolgt werden. Vielmehr hat sich die Relevanz der Holzmüller-Doktrin verändert: Sie hat sich in Bezug auf die AG durch die Gelatine-Urteile verringert, aber im Gegenzug – und nicht erst seit „Gelatine“ – hinsichtlich der übrigen Kapitalgesellschaften vergrößert. Die Übertragung der Holzmüller-Doktrin folgt dabei wiederum aus einer Gesamtanalogie zu denjenigen Vorschriften, die eine Zuständigkeit der Gesellschafter in der jeweiligen Gesellschaftsform für Strukturmaßnahmen vorsehen. Dabei kommt dem AktG eine zentrale Bedeutung zu, da für die SE größtenteils die aktienrechtlichen Gesellschafterzuständigkeiten übernommen werden und diese z. T. im Wege von Einzelanalogien auch im Recht der GmbH Geltung erlangen. Ebenso wie den Regelungssystemen aller Kapitalgesellschaften gemein ist, dass die Gesellschafterversammlung das einzige Organ ist, das über tiefgreifende Strukturmaßnahmen entscheiden kann, so ergibt sich bereits aus ihren Organisationsstrukturen, dass mit der Zuständigkeit der Gesellschafter gewisse Informationspflichten

8. Teil: Schlussbetrachtung

235

der Geschäftsführung einhergehen. Letztere finden ihre Legitimation und Grenze in dem Bestreben, die Gesellschafter mit denjenigen Informationen zu versorgen, die für eine sachgerechte Meinungsbildung und Entscheidungsfindung über die konkrete Maßnahme erforderlich sind. Angesichts der mit einer Holzmüller-Maßnahme verbundenen Eingriffstiefe besteht objektiv ein proportional hohes Informationsinteresse der Gesellschafter. Deshalb hat sich eine Konturierung der Informationspflichten der Geschäftsführung insbesondere an den Regeln zu orientieren, die das UmwG für Verschmelzungen und Spaltungen bereit hält. Dieser grobe Leitsatz unterliegt rechtsformbedingten Änderungen, die vor allem in der Wechselwirkung zum individuellen Informationsrecht der Gesellschafter begründet sind. Dabei lässt sich allgemein festhalten, dass der Gesetzgeber die Versorgung mit Information tendenziell eher der Initiative der Gesellschafter überantwortet, wo es infolge eines überschaubaren Gesellschafterkreises der Geschäftsführung regelmäßig zumutbar ist, den individuellen Anfragen zu entsprechen. Bei publikumsorientierten Gesellschaften (AG, SE, KGaA) erfolgt die Information der Gesellschafter daher verstärkt über ein standardisiertes System der Informationserteilung, während das individuelle Auskunftsrecht von untergeordneter Bedeutung ist. Bei der GmbH ist der Kanon der Informationspflichten dagegen schwächer ausgeprägt, wenngleich nicht so schwach, wie es das starke individuelle Auskunftsrecht des § 51a Abs. 1 GmbHG vermuten ließe. Denn die mit einer solchen Maßnahme einhergehende Komplexität führt regelmäßig dazu, dass ihr Umfang und Hintergrund durch individuelle Auskünfte regelmäßig nicht vollständig erfragt und erfasst wird. Angesichts der enormen Bedeutung von HolzmüllerMaßnahmen für die Gesellschaft und die Ausprägung der Mitgliedsrechte ist dies jedoch ein Risiko, das lieber durch vergleichsweise starke und formalisierte Informationspflichten ausgeschlossen werden soll. In Anbetracht der konkreten Informationspflichten wird deutlich, dass die Regelungsmaterien der verschiedenen Kapitalgesellschaften das Muster vorzeichnen, an dem sich die ungeschriebenen Informationspflichten zu orientieren haben. Dabei kommt dem AktG wiederum eine zentrale Bedeutung zu, da das Recht der SE und der KGaA sich bezüglich der Organisation der Hauptversammlung am Recht der AG ausrichten. In der Folge erstrecken sich auch die durch das ARUG eingeführten Änderungen auf diejenigen Gesellschaften, in denen das AktG zur Anwendung gelangt. Es bleibt zu hoffen, dass sich der BGH auch zukünftig zum Themenkomplex Holzmüller äußern wird, damit auch die noch verbliebenen grauen Flecken kartographiert werden können. Dabei ist es ein zentrales Anliegen, die dogmatische Verortung der Holzmüller-Doktrin auf ein konsistentes dogmatisches Fundament zu stellen. Daneben treten vor allem Fragen in den Vordergrund, die sich aus der rechtsformspezifischen Anwendung der Holzmüller-Doktrin in anderen Gesellschaftsformen ergeben. Insoweit ist insbesondere die Entwicklung im Recht der GmbH mit Aufmerksamkeit zu verfolgen.

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. . Hinsichtlich der verwendeten Abkürzungen sei verwiesen auf: Butz, Cornelie / Büchner, Hildebert: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Auflage Berlin 2003

Sachwortregister Abdingbarkeit, KGaA 168 ff. Analogieverbot 27, 38, 41 Anteilstausch – AG 67 f., 104, 111, 130 – GmbH 200 – KGaA 183 – SE 148 ARUG – AG 20, 81 ff., 91 ff., 111 ff. – GmbH 226 – KGaA 178 ff. – SE 148 Auflösung, übertragende 219 Auflösungsbeschluss 59 – AG 98, 109 – KGaA 175 – SE 144 Aufsichtsrat – AG 23, 29, 77 ff., 87, 90, 95, 108, 120, 128 – GmbH 189, 201 – KGaA 155 ff., 163, 178 – SE 137, 139, 146 Ausführungszuständigkeit 173 Ausgliederung – AG 27 ff., 31 ff., 38 ff., 58 ff., 66, 98, 105, 109 f. – GmbH 191 f., 201 ff., 214, 218, 220, 223 – KGaA 174 f., 180 ff. – SE 148 Auskunft siehe Auskunftsrecht Auskunftsrecht 28 – AG 101, 105, 124 ff. – GmbH 217, 224, 226, 228, 230, – KGaA 175 ff. Auskunftsverweigerung – AG 77 – KGaA 186 Außenwirkung – AG 86

– KGaA 158, 161, 167, 172, 195 – GmbH 206 Bekanntmachung der Tagesordnung – AG 79 ff., 122, 124, 127 – GmbH 213, 224 Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts einer Maßnahme – AG 85 ff., 89, 91, 93, 107 – GmbH 215 ff. – KGaA 178 Berichte siehe Holzmüller-Bericht Bestimmtheitsgrundsatz 171 ff., 174 Beteiligung – Einbringung – AG 58 f. – GmbH 200 – Erwerb – AG 66 f. – GmbH 200 – Veräußerung – AG 60, 61 ff., 65, 68 – GmbH 200 Bewertungsmethode 177, 185 Bezugsrechtsausschluss 59, 107, 144, 175 Bilanzgewinn 24, 29 Börsengang 68 Börsenrückzug 68 Computer-Terminals

117

Dispens siehe Substitutionseffekt Download – AG 113, 149 – KGaA 184 Drittorganschaft 190 Dualistisches System 137 ff. Einberufung der Hauptversammlung – AG 79 ff. – GmbH 211

250

Sachwortregister

– KGaA 178 ff. – SE 146 Einbringungsbilanz – AG 109 f. – KGaA 183 – SE 148 Eingriffstiefe 51, 54 ff., 94, 167, 206, 235 Einheitsgesellschaft 177 Einstimmigkeitsprinzip 171, 174 Einzelrechtsnachfolge 27, 38, 40 ff., 48, 98, 109 f., 148, 174, 181 ff., 191, 201, 218 Entscheidungszuständigkeit 173 Enumerationsprinzip 26, 159 Erläuterung, mündliche 104, 118 f., 124, 227 Eröffnungsbilanz 109 f., 223 Geheimhaltung – AG 123 ff. – GmbH 228, 230 – KGaA 185 f. Geheimhaltungsvereinbarungen 126, 230 Gesamtvermögensgeschäft 45, 59, 97 f., 144, 170, 175, 200, 225 f. Geschäftsführungsbefugnis 19 ff., 31, 51, 66, 142, 154, 160 ff., 186, 195 Geschäftsführungsbezogene Grundlagengeschäfte 167 Geschäftsführungsmaßnahme 24 ff., 35 ff., 46, 52, 101, 145, 159 ff. Gesellschaftsvertrag 160 f., 165 ff., 189, 192 Grundlagenmaßnahme 57, 159, 171, 214 Hauptversammlung – Einberufung – AG 39, 79 ff., 85, 88, 91 ff., 100, 106 ff., 112 ff., 119, 122 – GmbH 193, 202, 211 ff. – KGaA 161, 178 ff., 184 – SE 145 ff. – Zuständigkeit – AG 23 ff., 32 ff., 38 ff., 58 ff., 65, 68 ff., 78 ff., 83 ff., 100 f., 122, 134, 136 ff. – GmbH 189, 191 ff., 202 ff., 211, 214, 223 – KGaA 155, 157 ff., 163 ff., 168 ff.

Holzmüller, Anwendungsbereich 20, 41, 48, 56 f., 60 ff., 91 ff., 140 f., 194, 199, 205 Holzmüller-Bericht – AG 76, 87, 89, 95 ff., 105, 113, 118 f., 121 ff. – GmbH 208, 220 ff. – KGaA 181 ff. – SE 147 ff. Holzmüller-Beschluss, unechter 89, 94 Holzmüller-Maßnahme – AG 20, 33 f., 43, 47, 57, 60, 62, 68 ff., 73 ff., 79 ff., 86 ff., 94, 96, 99 f., 103 ff., 108 ff., 114 f., 123, 125, 127 – GmbH 196 f., 207 ff., 214, 217 ff. – KGaA 156, 162 ff., 166 ff., 178, 180 f. – SE 145 ff., 150 f. Holzmüller-Vertrag 121, 180, 218 Informationsrechte, individuelle – AG 77 – GmbH 209, 230 – KGaA 176 f. Initiativrecht 80, 134, 158, 207 Internetseite 81 ff., 91 f., 112 ff., 147, 149, 179 ff. Jahresabschluss 108 ff., 148, 176 f., 179, 182 f., 185 f., 191, 208, 222 ff. Kapitalaufbringung 169 Kapitalerhöhung 34, 45, 59, 68, 72, 105, 144, 175, 192, 218 Kernbereich 52, 168, 171 f., 174, 198 Kommanditaktionäre 154 ff., 162 ff., 170, 172 f., 175 ff., 181 Komplementäre 153 ff., 159 f., 163 f., 168 f., 175 f., 178, 180 f., 183 Konzernklausel 60 Konzernleitungskontrolle 59, 175, 200 Lagebericht 108 f., 148, 182 f., 208, 222 ff. Leitungsmacht 23, 29, 156, 160 Leitungsorgan 22, 75 f., 136 ff., 145 ff. Macrotron 34, 53, 68, 70, 72, 97, 102 Mediatisierungseffekt 28, 51, 53, 57 ff., 62 ff., 66 ff., 70 ff., 139, 145, 163, 174 f., 181, 198, 200, 202, 206

Sachwortregister Mehrheitserfordernis 59, 134, 173, 189, 196 f. Mehrheitsklausel 171, 174 Minderheitenschutz 78, 99 Mitbestimmung, betriebliche 29, 141, 189 Mitverwaltungsrechte 28 f., 46 ff., 58, 65, 138, 176, 207 Monistisches System 137, 139, 142 Organisationsgeschäfte 167 Organisationsverfassung 76, 78, 95, 123, 127, 136 f. Prüfungsbericht 110 f., 124 ff., 130, 148, 183 Publikumsgesellschaft 123, 162, 165, 185, 226 f. Rahmenbeschlüsse 119 f. Realtypus 56, 165, 174, 205, 221 Rechtsfortbildung, offene 49 ff., 142, 234 Regelungslücke 26, 38, 41, 78 f., 90, 139 ff., 216 ff. Satzungsänderung 28, 31, 35, 38, 45 f., 51 f., 66, 85, 97 ff., 137, 161, 167, 192, 196, 199 f., 211, 216 Satzungsautonomie 162 f., 168, 171, 174, 189 Satzungsdisposivität 161, 163, 165, 168 Satzungsstrenge 22, 156, 169 ff. Satzungsunterschreitung 65 f. Schutzklauseln 124 ff., 185 f., 227 f. Schwellenwerte siehe Eingriffstiefe Sitzverlegung 32, 137, 148 Stimmrecht 28 f., 78, 80, 84, 109, 114, 161, 171, 175, 177, 183, 185, 192, 211 f., 228 Strukturkonzept 121

251

Substitutionseffekt – in der AG 111 ff. – in der GmbH 226 – in der KGaA 183 – in der SE 148 f. Treuepflicht

164 ff.

Übersendung, abschriftliche ~ 89 ff., 106, 109, 112 f., 123 f., 147 ff., 180, 184, 214, 219, 224 Umwandlungen 59, 107, 175, 220 Universalsukzession 48, 86 Unternehmensgegenstand 31, 34 ff., 63 ff., 100, 142, 160, 191, 195, 204 Unternehmenspolitik 23, 125, 128, 132, 191, 193 f., 231 Unternehmensverträge 59, 86, 98, 106 f., 110, 124, 175, 203 ff., 224 Veräußerung des gesamten Vermögens siehe Gesamtvermögensgeschäft Vermögensrechte 29, 45 f., 70, 99, 103 f., 181, 207 Vertragsentwürfe 119 ff. Vertretungsmacht 23, 31 ff., 36 ff., 47 ff., 142, 160 ff., 172 f. Vorsorgereserven 186 Wandelschuldverschreibung 169 Weisungsrecht 142, 198, 201 ff., 224 Zusendung 91, 107, 147, 180 Zustimmung, Ausschluss des Zustimmungsrecht in der kapitalistischen KGaA 163 Zustimmungspflicht 31, 34 ff., 42, 52, 54, 59 ff., 70, 89, 93, 107, 145, 162, 189, 201, 203