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German Pages 462 Year 2005
Schriften zum Steuerrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke
Band 89
Ertragsteuerliche Fragen bei der Grenzüberschreitung von Kapitalgesellschaften innerhalb der Europäischen Union Von
Nadine Müller
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
NADINE MÜLLER
Ertragsteuerliche Fragen bei der Grenzüberschreitung von Kapitalgesellschaften innerhalb der Europäischen Union
Schriften zum Steuer recht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke
Band 89
Ertragsteuerliche Fragen bei der Grenzüberschreitung von Kapitalgesellschaften innerhalb der Europäischen Union
Von
Nadine Müller
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Wintersemester 2004 / 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 703 Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 3-428-11865-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2004/2005 von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur wurden bis Dezember 2004 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Karl-Georg Loritz, der mir bei der Erstellung meiner Arbeit stets zur Seite stand und mir wertvolle Ratschläge im internationalen Steuer- und Gesellschaftsrecht gegeben hat. Zudem danke ich ihm für die Zeit, die ich als wissenschaftliche Assistentin an seinem Lehrstuhl verbringen konnte, welche sich aufgrund seines umfassenden juristischen Wirkens in Theorie und Praxis als sehr lehrreich und interessant gestaltete. Für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens danke ich Herrn Professor Dr. Lutz Michalski. Dank gebührt auch meinem Bruder, Herrn Dipl.-Kaufmann Jörg Müller, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, der trotz seiner beruflichen Inanspruchnahme und der Vorbereitung auf das Wirtschaftsprüferexamen die mühevolle Arbeit des ersten Korrekturlesens übernommen und mich mit seiner steuerlichen Fachkompetenz unterstützt hat. Des Weiteren danke ich Herrn Notarassessor Dr. Sebastian Apfelbaum, der sich neben seiner beruflichen Eingebundenheit stets die Zeit genommen hat, mir als sachkundiger und wertvoller Diskussionspartner zur Verfügung zu stehen. Vor allem bin ich schließlich meinen Eltern dankbar, die mich während der Zeit der Promotion und des Studiums, wie in jeder anderen Lebensphase auch, liebevoll unterstützt und beraten haben. Ich danke ihnen für ihren Zuspruch, ihre Motivation und ihr Verständnis. Ihnen widme ich diese Arbeit. Nadine Müller
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Teil Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund der Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit
32
A. Grenzüberschreitung von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 B. Sitztheorie versus Gründungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 C. Satzungssitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 D. Verwaltungssitz bzw. Ort der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 E. Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die steuerliche Anerkennung als Körperschaftsteuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Teil Körperschaftsteuersubjektfähigkeit der nach ausländischem Recht gegründeten grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften
73
A. Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung ins Inland unter Beibehaltung des satzungsmäßigen Sitzes im Ausland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 B. Verlegung des Satzungssitzes ins Inland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 C. Verlegung der Geschäftsleitung und des satzungsmäßigen Sitzes ins Inland . . 188 D. Rückverlegung des Ortes der Geschäftsleitung und/oder des Satzungssitzes . . 191 3. Teil Körperschaftsteuersubjekteigenschaft der nach inländischem Recht gegründeten grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften
193
A. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland unter Beibehaltung des satzungsmäßigen Sitzes im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 B. Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes ins Ausland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 C. Verlegung der Geschäftsleitung und des Satzungssitzes ins Ausland. . . . . . . . . 234
10
Inhaltsübersicht 4. Teil Die Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften anhand der gemeinschaftsrechtskonformen bzw. verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG
235
A. Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften ins Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 B. Wegzug inländischer Kapitalgesellschaften ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 5. Teil Die ertragsteuerlichen Konsequenzen der Einordnung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG
290
A. Auswirkungen auf dem Gebiet des Körperschaftsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . 290 B. Auswirkungen auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechts. . . . . . . . . . . . . . . . 298 C. Auswirkungen auf dem Gebiet des Gewerbesteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 6. Teil Die Möglichkeiten der Begründung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft für grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften
308
A. Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer ertragsteuerlichen Organschaft . . . . 308 B. Zuzug einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ins Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 C. Wegzug einer nach inländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 D. Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung vor dem Hintergrund der Rechtssache Marks & Spencer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 7. Teil Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften
364
A. Wegzugsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 B. Zuzugsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
1. Teil Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund der Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit
32
A. Grenzüberschreitung von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 B. Sitztheorie versus Gründungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Sitztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. Gründungstheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 C. Satzungssitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 D. Verwaltungssitz bzw. Ort der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gleichlauf zwischen dem Verwaltungssitz und dem Ort der Geschäftsleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Singularität des Verwaltungssitzes und des Ortes der Geschäftsleitung . . . III. Einfluss moderner Kommunikations- und Verkehrsmittel auf die Lokalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die steuerliche Anerkennung als Körperschaftsteuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Regelungen der Körperschaftsteuerrechtssubjektivität . . . . . . . II. Ausschließlicher Inlandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaften. . . . . . . . . . . 1. Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit nach der lex fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnis zwischen Zivil- und Steuerrecht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Argumente für eine lex fori Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wahrung der innerstaatlichen Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bedeutung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . dd) Beachtung steuerrechtlicher Grenzsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung des Rechtstypenvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt des Rechtstypenvergleichs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 40 45 50 51 51 52 55 56 59 60 61 62 66 67 67 68 69
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Inhaltsverzeichnis 2. Teil Körperschaftsteuersubjektfähigkeit der nach ausländischem Recht gegründeten grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften
A. Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung ins Inland unter Beibehaltung des satzungsmäßigen Sitzes im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die steuerliche Anerkennung als Körperschaftsteuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gründungsstaat ermöglicht einen identitätswahrenden Zuzug ins Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kollisions- und sachrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesellschaftsrecht des Wegzugsstaates erkennt die Rechtsfähigkeit nicht ab. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verlegung des Verwaltungssitzes nach Deutschland unter Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überseering Entscheidung des EuGH vom 05.11.2002 . . (2) Zivilrechtliche Konsequenzen der Überseering Entscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Umsetzung der Überseering Entscheidung in der deutschen Zivilrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Folgerechtsprechung des EuGH in der Inspire Art Entscheidung vom 30.09.2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Kollisionsrechtliche Folgen der EuGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Folgen für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit. . . . . . . . . . . 2. Gründungsstaat versagt einen identitätswahrenden Zuzug ins Inland . a) Anforderungen des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Meinungsspektrum zur Beurteilung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Lehre vom Rechtstypenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Lehre der Zivilrechtsakzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vermittelnde Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritische Stellungnahme zu den vermittelnden Lösungsansätzen . aa) Ansicht des BFH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rückgriff auf § 3 Abs. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einordnung als Vorgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Typologische Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Einordnung als beschränkt steuerpflichtige Körperschaftsteuersubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Abhängigkeit von der ausländischen Rechtsordnung . . . . . . . . d) Kritische Stellungnahme zur Lehre der Zivilrechtsakzessorietät . . aa) Zirkelschluss der Lehre der Zivilrechtsakzessorietät. . . . . . . . . bb) Grundsatz der Wettbewerbsneutralität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
73 75 77 78 80 81 81 83 83 88 92 98 105 105 109 111 112 113 118 118 121 122 127 128 130 131 131 133
Inhaltsverzeichnis
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cc) Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung . . . . . . . . . . . . 134 (1) Vergleich mit den inländischen Kapitalgesellschaftsformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (a) Grundrechtsträgerschaft der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (b) Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (2) Vergleich mit den beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 e) Stellungnahme zur Lehre vom Rechtstypenvergleich. . . . . . . . . . . . . 144 aa) Rückschluss durch § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG. . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 bb) Rückschluss durch Einordnung der Vorgesellschaft . . . . . . . . . . 145 cc) Systematik des Körperschaftsteuerrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 dd) Alternative Anknüpfung des § 1 Abs. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . 148 ee) Rechtssystematisches Prinzip einheitlicher Tatbestandsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 II. Steuersubjektqualifikation zugezogener Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts anhand des Rechtstypenvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Lex fori Betrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Zweistufige Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 3. Abstrakt-genereller versus individuell-konkreter Typenvergleich . . . . . 163 4. Abgrenzungskriterien und deren Gewichtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 B. Verlegung des Satzungssitzes ins Inland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 I. Kollisions- und sachrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 II. Folgen für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 III. Identitätswahrende Satzungssitzverlegung vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG . . . . . 181 a) Stellungnahme zu den im Schrifttum vertretenen Ansichten . . . . . . 181 b) Der Vorlagebeschluss des AG Heidelberg vom 03.03.2000 . . . . . . . 183 2. Anwendbarkeit des allgemeinen Diskriminierungsverbotes i. S. d. Art. 12 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3. 14. Sitzverlegungsrichtlinie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 C. Verlegung der Geschäftsleitung und des satzungsmäßigen Sitzes ins Inland . . 188 I. Zivilrechtliche Folgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 II. Folgen für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 III. Identitätswahrender Zuzug vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 D. Rückverlegung des Ortes der Geschäftsleitung und/oder des Satzungssitzes . . . 191
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Inhaltsverzeichnis 3. Teil Körperschaftsteuersubjekteigenschaft der nach inländischem Recht gegründeten grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften
A. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland unter Beibehaltung des satzungsmäßigen Sitzes im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kollisions- und sachrechtliche Folgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Sitztheorie-Staat. . . . . . . . . . a) Kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Gründungstheorie-Staat . . . a) Kollisionsrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachrechtliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einfluss der Niederlassungsfreiheit auf die zivilrechtlichen Folgen. . . . . . 1. Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Meinungsspektrum zur Frage der Reichweite der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interpretation der EuGH-Rechtsprechung in der Literatur . . . . . . . . aa) EuGH differenziert zwischen dem Zuzug und dem Wegzug . bb) Neuinterpretation von Daily Mail durch Überseering. . . . . . . . cc) Interpretation von Daily Mail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewährleistungsinhalt der Niederlassungsfreiheit losgelöst von der EuGH-Rechtsprechung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ermöglichung des Wegzugs von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . b) Reformierung des Kapitalgesellschaftsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Folgen für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Körperschaftsteuersubjektfähigkeit unter Zugrundelegung der zivilrechtlichen Wertungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise übereinstimmendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise abweichendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Argumente für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . B. Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes ins Ausland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kollisions- und sachrechtliche Folgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einfluss des Gemeinschaftsrechts auf die zivilrechtlichen Folgen . . . . . . . III. Folgen für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übereinstimmendes Ergebnis der wirtschaftlichen mit der zivilrechtlichen Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Verlegung der Geschäftsleitung und des Satzungssitzes ins Ausland . . . . . . . . 234
Inhaltsverzeichnis
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4. Teil Die Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften anhand der gemeinschaftsrechtskonformen bzw. verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG
235
A. Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften ins Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 I. Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland unter Beibehaltung des satzungsmäßigen Sitzes im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Steuerliche Einordnung aufgrund gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 a) Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 aa) Gemeinschaftsrechtliches Diskriminierungsverbot in steuerlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 bb) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 cc) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 b) Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot durch Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 aa) Steuerliche Diskriminierung im Körperschaftsteuerrecht . . . . . 248 bb) Steuerliche Diskriminierung im Einkommensteuerrecht . . . . . . 254 (1) § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (2) § 43 b EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 cc) Steuerliche Diskriminierung im Gewerbesteuerrecht . . . . . . . . . 258 dd) Steuerliche Diskriminierung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 ee) Steuerliche Diskriminierung im Umwandlungssteuerrecht . . . . 262 c) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 d) Gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 2. Steuerliche Einordnung aufgrund verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 II. Verlegung des Satzungssitzes ins Inland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 1. Steuerliche Einordnung aufgrund gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 2. Steuerliche Einordnung aufgrund verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 a) Begrenzung des Grundrechtsschutzes auf inländische juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 b) EG-rechtskonforme Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GG. . . . . . . . . . . 274 aa) Ablehnende Auffassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 bb) Argumente für eine gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
16
Inhaltsverzeichnis (1) Normenhierarchie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Prozessuale Diskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verlegung der Geschäftsleitung und des Satzungssitzes ins Inland . . . . . . 1. Steuerliche Einordnung aufgrund gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Einordnung aufgrund verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Wegzug inländischer Kapitalgesellschaften ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland unter Beibehaltung des Satzungssitzes im Inland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Steuerliche Einordnung aufgrund gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeinschaftsrechtliches Beschränkungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reichweite der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Einordnung aufgrund verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Steuerliche Einordnung aufgrund gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerliche Einordnung aufgrund verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
276 277 279 279 280 281 281 281 281 283 286 288 288 288
5. Teil Die ertragsteuerlichen Konsequenzen der Einordnung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG
290
A. Auswirkungen auf dem Gebiet des Körperschaftsteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . 290 I. Anwendbarkeit des § 8 a KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 II. Anwendbarkeit des § 8 Abs. 2 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 B. Auswirkungen auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechts. . . . . . . . . . . . . . . . I. Anwendbarkeit des Maßgeblichkeitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendbarkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendbarkeit des § 17 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
298 298 300 301
C. Auswirkungen auf dem Gebiet des Gewerbesteuerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306
Inhaltsverzeichnis
17
6. Teil Die Möglichkeiten der Begründung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft für grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften
308
A. Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer ertragsteuerlichen Organschaft . . . . . 308 B. Zuzug einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ins Inland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 I. Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland unter Beibehaltung des Satzungssitzes im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 1. Stellung als Organträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 a) Voraussetzung der Inlandsanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 aa) Gegenwärtige Gesetzeslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 bb) Behandlung der Altfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 (1) Doppelte Inlandsanbindung nach § 14 KStG a. F. . . . . . . . 313 (2) Gemeinschaftsrechtlicher Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 (a) Gemeinschaftsrechtliches Diskriminierungsverbot . . . 314 (b) Urteil des BFH vom 29.01.2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 (3) Verfassungsrechtlicher Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 b) Ergebnisabführungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 2. Stellung als Organgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 a) Kreis der tauglichen Organgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 b) Voraussetzung der Inlandsanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 aa) Doppelte Inlandsanbindung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG. . . 323 bb) Gemeinschaftsrechtskonformität des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG . 324 cc) Verfassungsrechtskonformität des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG . . 326 dd) Vorschlag de lege ferenda. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 c) Ergebnisabführungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 3. Ausschluss der doppelten Verlustnutzung gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 a) Adressatenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 b) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 aa) Teleologische Reduktion aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 bb) Begrenzung auf importierte Auslandsverluste . . . . . . . . . . . . . . . 333 cc) Begrenzung auf der deutschen Besteuerung unterliegende Auslandsverluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 dd) Negatives Einkommen des Organträgers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 ee) Verlustberücksichtigung in einem ausländischen Staat . . . . . . . 338 c) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 d) Gemeinschaftsrechtskonformität des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 II. Verlegung des Satzungssitzes ins Inland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346
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Inhaltsverzeichnis 1. Stellung als Organträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzung der Inlandsanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesetzeslage nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG . . . bb) Gemeinschaftsrechtskonformität des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Staatsvertragliche Diskriminierungsverbote. . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verfassungsrechtskonformität des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ergebnisabführungsvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellung als Organgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verlegung der Geschäftsleitung und des Satzungssitzes ins Inland . . . . . . 1. Stellung als Organträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellung als Organgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Wegzug einer nach inländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland unter Beibehaltung des Satzungssitzes im Inland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stellung als Organträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzung der Inlandsanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ergebnisabführungsvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellung als Organgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stellung als Organträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellung als Organgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verlegung der Geschäftsleitung und des Satzungssitzes ins Ausland . . . . 1. Stellung als Organträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellung als Organgesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
346 346 346 347 348 349 350 350 351 351 352 353 353 353 353 355 355 356 356 356 357 357 358
D. Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung vor dem Hintergrund der Rechtssache Marks & Spencer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359
7. Teil Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften A. Wegzugsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verlegung der Geschäftsleitung einer inländischen Kapitalgesellschaft ins Ausland unter Beibehaltung des Satzungssitzes im Inland . . . . . . . . . . 1. Wegzugsbesteuerung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschlussbesteuerung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsbereich des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkurrenzverhältnis zwischen § 11 KStG und § 12 KStG . . . . . .
364 364 364 364 366 366 367
Inhaltsverzeichnis
19
II. Verlegung der Geschäftsleitung einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft vom Inland ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 1. Wegzugsbesteuerung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . 371 a) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 b) Abgrenzung zu § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 c) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 2. Gemeinschaftsrechtskonformität der Wegzugsbesteuerung . . . . . . . . . . . 375 III. (Rück-)Verlegung des Satzungssitzes einer Kapitalgesellschaft ins Ausland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Gründungsstaat . . . . . . . 377 IV. Vollständiger Wegzug der Kapitalgesellschaft ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . 379 1. Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG bei Wechsel von der unbeschränkten zur beschränkten Körperschaftsteuerpflicht . . . . . . 380 a) Teleologische Reduktion des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG . . . . . . . . . . 381 b) Gemeinschaftsrechtskonformität der teleologischen Reduktion . . . . 384 2. Gemeinschaftsrechtskonformität der steuerlichen Wegzugsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 a) Urteil des EuGH in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant vom 11.03.2004. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 b) Lösungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 aa) Besteuerungsaufschub bis zu späterer Gewinnrealisierung . . . . 389 bb) Beseitigung der Wegzugsbeschränkung auf der Ebene der Doppelbesteuerungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 V. Steuerliche Folgen des Wegzugs einer Kapitalgesellschaft auf der Ebene des Anteilseigners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 1. Veräußerungsersatztatbestand des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG. . . . 395 2. Wegzug deutscher Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 a) Unterscheidung unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 b) Einflüsse des Gemeinschaftsrechts auf § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 c) Folgen für das Leistungsfähigkeitsprinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 d) Eintritt des Besteuerungszeitpunktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 3. Rückzug der Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . 404 B. Zuzugsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 I. Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland unter Beibehaltung des Satzungssitzes im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 1. Voraussetzungen des Besteuerungstatbestandes des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 a) Gründungsstaat erkennt Rechtsfähigkeit nicht ab . . . . . . . . . . . . . . . . 408 b) Gründungsstaat erkennt Rechtsfähigkeit ab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 aa) Meinungsspektrum zum Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 bb) Auswirkungen der Sitztheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412
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Inhaltsverzeichnis (1) Verlust der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft . . . . . . (2) Vermögensübertragung auf einen anderen Rechtsträger . . 2. Fortbestand der steuerlichen Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vereinbarkeit einer Zuzugsbesteuerung mit dem Regelungszweck des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Darstellung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rückgriff auf die Vorschriften des UmwStG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zuzugsbesteuerung bei Neugründung im Inland bzw. bei Eintragung ins Handelsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verlegung des Satzungssitzes ins Inland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Ausland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verlegung der Geschäftsleitung und des Satzungssitzes ins Inland . . . . . . IV. Steuerliche Folgen des Zuzugs einer ausländischen Kapitalgesellschaft auf der Ebene des Anteilseigners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
412 413 416 417 419 420 423 424 425 426
Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458
Abkürzungsverzeichnis ABl. EG Abs. a. F. AG
AktG Alt. Anm. AO AöR Art. AStG Az. BayObLG BayObLGZ BB BewG BFH BFHE BFH/NV BGB BGBl. BGH BGHZ BMF BMJ BStBl. BT-Drs. BVerfG BVerfGE bzw. DB
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22 DBA ders. d.h. dies. DNotZ DStJG DStR DStRE DStZ EAG EC EFG EG EGBGB EGKS EGV Einf Einl. ErbStG EStG EU EuGH EuGH, Slg. EuGRZ EuGVÜ
EuGVVO
EUV EuZW EWG EWR f., ff. FG FGG FN FR GbR gem.
Abkürzungsverzeichnis Doppelbesteuerungsabkommen derselbe das heißt dieselbe(n) Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft Deutsches Steuerrecht DStR Entscheidungs-Dienst Deutsche Steuer-Zeitung Europäische Atomgemeinschaft European Community Entscheidungen der Finanzgerichte – Europäische Gemeinschaft – Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführung Einleitung Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Einkommensteuergesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften Europäische Grundrechte-Zeitschrift Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilund Handelssachen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum folgende Finanzgericht Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Fußnote Finanz-Rundschau Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß
Abkürzungsverzeichnis GewStG GG GmbH GmbHG GmbHR GrS HGB h. M. Hrsg. i. d. F. INF IntGesR IPR IPRax IPRG i. S. d. IStR i. V. m. IWB JuS JZ KG KGaA KOM KÖSDI KStG KStR LG lit. LLC LLP Ltd. MERCOSUR n. F. NJW NJW-RR Nr. NVwZ NZG
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Gewerbesteuergesetz Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau, Gesellschafts- und Steuerrecht der GmbH und GmbH & Co. Großer Senat Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber in der Fassung Die Information über Steuer und Wirtschaft Internationales Gesellschaftsrecht Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (österreichisches) Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) im Sinn des/der Internationales Steuerrecht, Zeitschrift für europäische und internationale Steuer- und Wirtschaftsberatung in Verbindung mit Internationale Wirtschaftsbriefe Juristische Schulung Juristen-Zeitung – Kommanditgesellschaft – Kammergericht Kommanditgesellschaft auf Aktien Mitteilung der Kommission Kölner Steuerdialog Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinie Landgericht litera Limited Liability Company Limited Liability Partnership Limited Gemeinsamer Markt im südlichen Lateinamerika neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
24 OECD-MA OHG OLG PLC R RFH RFHE RGH RGZ RIW RL Rn. Rs. RStBl. S. S.A.R.L. SAS SE SE-VO sog. Sp. StuB StuW Syst. Darst. UM UmwG UmwStG UntStFG UR USA vgl. VO Vor Vorbem vs. VwGH WRV z. B. ZEV ZfRV
Abkürzungsverzeichnis Organization for Economic Cooperation and Development, Master Agreement offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Private Limited Company Report Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs Reichsgerichtshof Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft (europäische) Richtlinie Randnummer Rechtssache Reichssteuerblatt Seite Société à responsabilité limitée Société anonyme simplifiée Europäische Aktiengesellschaft Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft vom 8.10.2001 so genannten Spalte Steuer und Bilanzen Steuer und Wirtschaft Systematische Darstellung Unternehmensbewertung & Management Umwandlungsgesetz Umwandlungssteuergesetz Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts Umsatzsteuer-Rundschau Vereinigte Staaten von Amerika vergleiche (europäische) Verordnung Vorbemerkung Vorbemerkung versus Verwaltungsgerichtshof Weimarer Reichsverfassung zum Beispiel Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Rechtsvergleichung
Abkürzungsverzeichnis ZGR ZHR ZIP zit. ZSteu ZVglRWiss
Zeitschrift Zeitschrift Zeitschrift zitiert Zeitschrift Zeitschrift
für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht für Wirtschaftsrecht für Steuern und Recht für vergleichende Rechtswissenschaft
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Einleitung In Zeiten der zunehmenden Globalisierung der Märkte und der verstärkten internationalen Verflechtungen der Wirtschaft sind grenzüberschreitende Betätigungen europaweit agierender Gesellschaften keine Seltenheit. Diese fortschreitende wirtschaftliche Integration innerhalb Europas wird auch durch die Entstehung von Freihandelszonen begünstigt. Die Europäische Union umfasst mittlerweile 25 Mitgliedstaaten. Nach Art. 1 Abs. 2 EU-Vertrag stellt dieser Vertrag eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas dar. Grundlage der Europäischen Union sind gem. Art. 1 Abs. 3 Satz 1 EU-Vertrag die Europäischen Gemeinschaften. Bedeutsam ist diesbezüglich die Europäische Gemeinschaft. Die Tätigkeit der Gemeinschaft umfasst gem. Art. 3 Abs. 1 lit. c EG-Vertrag (EG) einen Binnenmarkt, der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet ist. Es handelt sich bei dem Binnenmarkt gem. Art. 14 Abs. 2 EG um einen Raum ohne Binnengrenzen. Insbesondere das Binnenmarktkonzept stellt einen wesentlichen Motor der Liberalisierung in der Europäischen Union dar1. Bedeutsame Akteure des Binnenmarktes sind die mitgliedstaatlichen Unternehmen2. Der internationalen Handlungsfähigkeit von Unternehmen kommt vor dem Hintergrund der Globalisierung von Märkten eine zentrale Bedeutung zu3. Den Gesellschaften ist unproblematisch beispielsweise die Möglichkeit eröffnet, in anderen EU-Mitgliedstaaten Tochtergesellschaften zu gründen. Diese Alternative ist gemeinschaftsrechtlich durch Art. 48 i. V. m. Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG abgesichert. Jedoch sind mit der Gründung von Tochtergesellschaften im Ausland kostspielige und zeitaufwändige Förmlichkeiten verbunden4.
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Schmidt, BB-Special 3/2004, S. 2, 3. von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Art. 6 EGV Rn. 32. 3 Kögel, DB 2004, S. 1763. 4 Pressemitteilung des BMJ vom 26.05.2004, NZG Heft 12/2004, VI. Die in Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EG geregelte Möglichkeit der Gründung einer Agentur, Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft wird als so genannte sekundäre Niederlassungsfreiheit bezeichnet, vgl. Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rn. 52; MüllerGraff, in: Streinz, Art. 48 EGV Rn. 23. 2
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Einleitung
Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Form der Entscheidungen Überseering5 und Inspire Art6 steht den Kapitalgesellschaften das Instrument der grenzüberschreitenden Sitzverlegung7 in einen anderen Mitgliedstaat zur Verfügung. Von dieser Möglichkeit der internationalen Sitzverlegung kann man unter anderem durch die Wahl einer ausländischen Gesellschaftsform Gebrauch machen. Beispielsweise ist der Fall denkbar, dass ein deutscher Unternehmer statt einer deutschen GmbH eine englische Limited in Großbritannien gründet und diese Gesellschaft später ihren Sitz ins Inland verlegt. Bevor eine Kapitalgesellschaft diesen Schritt der grenzüberschreitenden Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat unternimmt, sollten sich die Gesellschafter über die rechtlichen Folgen einer solchen Entscheidung im Klaren sein. Diese Konsequenzen können dazu führen, dass die geplante Sitzverlegung doch nicht so attraktiv erscheint, wie anfangs gedacht. Zieht eine Kapitalgesellschaft in- oder ausländischen Rechts durch Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat um, so wirft dies in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht einige, zum Teil noch ungeklärte, Fragen auf. Diese waren schon Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Abhandlungen. In Anbetracht der Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH haben sich im gesellschaftsrechtlichen Bereich allerdings viele Probleme geklärt. Weniger behandelt und daher noch weitgehend ungeklärt sind die steuerrechtlichen Konsequenzen, die eine Sitzverlegung mit sich bringt. Auf die ertragsteuerlichen Folgen der Grenzüberschreitung von Kapitalgesellschaften wird daher im Folgenden der Schwerpunkt gesetzt werden. Allerdings spielen auch die zivilrechtlichen Folgen einer Sitzverlegung als gesellschaftsrechtliche Vorfragen eine Rolle. Viele ertragsteuerlichen Fragen, die durch den Umzug einer Kapitalgesellschaft ausgelöst werden, werden von der Literatur, der Finanzrechtsprechung und Finanzverwaltung unterschiedlich behandelt. Es kann im Rahmen der grenzüberschreitenden Sitzverlegung zwischen dem Zuzug vom Aus- ins Inland und dem Wegzug vom In- ins Ausland unterschieden werden. Die Gründe für den Zu- bzw. Wegzug in einen anderen Staat sind vielfältig. Ein maßgebliches Kriterium, das verantwortlich dafür ist, den nationalen Standort zu verlassen, sind die gesellschaftsrechtlichen und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für die Gesellschaft. Staaten, in denen die Gesellschaften einer geringeren Steuerbelastung8 unterliegen als in ihrem Gründungsstaat und in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht 5
EuGH, GmbHR 2002, 1137. EuGH, EuZW 2003, 687. 7 Die Sitzverlegung einer Kapitalgesellschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen betrifft die so genannte primäre Niederlassungsfreiheit, vgl. Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 48 EGV Rn. 7. 6
Einleitung
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geringere Anforderungen gestellt werden, erfreuen sich als Immigrationsort besonderer Beliebtheit9. Neben dem Aspekt der Steuerbelastung sind die Transparenz, Verlässlichkeit und Einfachheit der Steuergesetzgebung ein bedeutsamer Standortfaktor10. Weitere Beweggründe für eine Standortentscheidung sind die Kundennähe, das Lohnkostengefälle, arbeitsrechtliche Vorschriften, die Vermeidung von Zoll- und Handelshemmnissen sowie weniger Bürokratie und Auflagen11. Ausschlaggebend für einen Wegzug nationaler Gesellschaften aus Deutschland ist häufig die hohe Belastung mit Sozialabgaben12. Daneben können auch organisatorische Gründe die Kapitalgesellschaft zu einem Umzug motivieren. Verfolgt eine international agierende Gesellschaft das Ziel einer Geschäftsausweitung im Ausland, bietet sich für sie zwar neben dem Wegzug ins Ausland auch die Gründung einer Produktions- oder Betriebsstätte an. Häufig ist allerdings zum Zwecke der Reorganisation von Konzernen, vor allem innerhalb von Holdingstrukturen, eine Umstrukturierung der Geschäftstätigkeiten notwendig. Dies ist z. B. der Fall, wenn neue Absatzmärkte erschlossen werden sollen. In diesem Zusammenhang kann dann ein Wegzug der Gesellschaft ins Ausland sinnvoll sein13. Beispielsfälle für den Wegzug gibt es bei Unternehmen aller Größenklassen. So gibt es Umzüge bei multinationalen Konzernen, die im Rahmen eines Unternehmenskaufs eine Gesellschaft in den Staat abwandern lassen, in dem diese eine öffentlich-rechtliche Konzession besitzt oder bei größeren mittelständischen Unternehmen, die mit der Sitzverlegung aller Gesellschaften an den Sitz der Muttergesellschaft die Straffung der Konzernstruktur anstreben. Ebenso kommen Grenzüberschreitungen bei personenorientierten Kapitalgesellschaften vor, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer seinen Wohnsitz unter Mitnahme der zentralen Verwaltungseinheit ins Ausland verlegt. In der Praxis kommen neben solchen bewussten Verlagerungen vor allem auch, insbesondere was den zuletzt genannten Beispielsfall betrifft, ungewollte bzw. unbewusste Umzüge der Gesellschaft vor14. Aufgrund der aktuellen EuGH-Rechtsprechung, sind, wie bereits erwähnt, auch die Fälle denkbar, dass ausländische Gesellschaftsformen nach deren Heimatrecht gegründet werden und an8
Deutschland gilt im internationalen Belastungsvergleich als ein Hochsteuerland, vgl. Endres, RIW 2003, S. 729. Siehe zur Unternehmenssteuerbelastung in Deutschland im Vergleich zur durchschnittlichen Belastung innerhalb der EU J. Hey, StuW 2004, S. 193, 206 f. und Spengel, S. 109, 112 f. und 120 f.; ders., IStR 2004, S. 615, 618, 620 und 624. 9 Krug, S. 149. 10 J. Hey, StuW 2004, S. 193, 206. 11 Endres, RIW 2003, S. 729 f. 12 Beker, DStZ 2004, S. 32. 13 Schmidt/Sedemund, DStR 1999, S. 2057, 2058. 14 Siehe zu den einzelnen Beispielsfällen Pott, S. 259, 262 f.
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Einleitung
schließend eine Sitzverlegung in das Land erfolgt, wo der bzw. die Gesellschafter ansässig sind. Der Mobilität der Kapitalgesellschaften stehen allerdings häufig die Gesellschaftsrechtsordnungen des Wegzugs- und/oder des Zuzugsstaates entgegen. Regelungen des nationalen und internationalen Gesellschaftsrechts Deutschlands als Zuzugs- bzw. Wegzugsstaat hindern mitunter die Sitzverlegung in- und ausländischer Kapitalgesellschaften vom In- ins Ausland und umgekehrt. Eine große Rolle spielen auch die steuerlichen Folgen eines Umzugs. Die Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften nach Deutschland bzw. aus dem Inland heraus wirft im Besonderen auf dem Gebiet der Ertragsteuern viele Fragen auf. Problematisch ist etwa, ob nach ausländischem Recht gegründete und ins Inland zugezogene Kapitalgesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingeordnet werden können. Diese Problematik resultiert aus dem Umstand, dass ausländische Kapitalgesellschaften im Gegensatz zu den inländischen Kapitalgesellschaften von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nicht als Körperschaftsteuersubjekte aufgezählt werden. Die steuerliche Eingruppierung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften spielt wegen verschiedener steuerlicher Regelungen, die an den ertragsteuerlichen Status i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG anknüpfen, eine große Rolle. Eine zivilrechtliche Interpretation des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG führt mitunter zu einem anderen Ergebnis als eine wirtschaftliche Auslegung der Vorschrift. Bei einer zivilrechtlichen Sichtweise müssen die kollisions- und/oder sachrechtlichen Konsequenzen einer Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften berücksichtigt werden. Es stellt sich in steuerlicher Hinsicht für die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften des Weiteren die Frage, ob ihnen das Instrument der körperschaftsteuerlichen Organschaft offensteht. Ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt, der Einfluss auf die Mobilität in- und ausländischer Gesellschaften nimmt, ist auch, ob die Grenzüberschreitung von Kapitalgesellschaften zur Aufdeckung und Besteuerung stiller Reserven führt. Im Raume steht vor allem die Frage nach der Wegzugsbesteuerung der Gesellschaften, aber auch die nach der Zuzugsbesteuerung. Solche Abschlussbesteuerungen stellen für die Kapitalgesellschaften in- oder ausländischen Rechts häufig ein Hindernis in Bezug auf eine grenzüberschreitende Sitzverlegung dar. Unabhängig von der Frage der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Besteuerung, muss für das Eingreifen des Besteuerungstatbestandes der den Regelungen zugrunde liegende Besteuerungszweck berücksichtigt werden. Die Regelungen des innerstaatliches Rechts werden im Zuzugs- und Wegzugsfall durch das europäische primäre Gemeinschaftsrecht überlagert. Bei einer Grenzüberschreitung von Kapitalgesellschaften ist – abhängig von der Konstellation der Sitzverlegung – die Niederlassungsfreiheit der Gesell-
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schaften i. S. d. Art. 43, 48 EG berührt15. In letzter Zeit sind diesbezüglich einige Entscheidungen des EuGH ergangen, die Einfluss auf die nationale Rechtsordnung in gesellschaftsrechtlicher und steuerlicher Hinsicht nehmen. Auch für die Gesetzesinterpretation müssen die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts und damit die Urteile des EuGH beachtet werden. Zwar sind die aktuellen Entscheidungen des Gerichtshofs fast ausschließlich zu Zuzugsfällen ergangen. Die Niederlassungsfreiheit hat dennoch auch Auswirkungen im steuerlichen Bereich für den Wegzug von Kapitalgesellschaften aus Deutschland. Was die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften betrifft, werden die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts einerseits dahingehend untersucht, ob durch die neuere Rechtsprechung des EuGH eine zivilrechtliche Interpretation zu einer ertragsteuerlichen Einstufung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG führt. Andererseits wird vor dem Hintergrund der an diesen steuerlichen Status anknüpfenden steuerlichen Vergünstigungen eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG aufgrund des europarechtlichen Diskriminierungsverbots bzw. Beschränkungsverbots vorgenommen. Ebenso wird die Vorschrift verfassungskonform ausgelegt. Auch die Wegzugs- und Zuzugsbesteuerung muss am Maßstab des primären Gemeinschaftsrechts überprüft werden. Dies gilt gleichfalls für die körperschaftsteuerliche Organschaft.
15 Nicht eingegangen wird im Rahmen der Sitzverlegung auf die Kapitalverkehrsfreiheit i. S. d. Art. 56 EG. Die Kapitalverkehrsfreiheit hat in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit eine Komplementärfunktion, sie findet daher Anwendung, wenn das Recht auf freie Niederlassung nicht einschlägig ist, vgl. Spengel/Golücke, RIW 2003, S. 333, 339; Kessler/Eicker/Obser, IStR 2004, S. 325, 326. Für die Frage, ob die Verlegung des Sitzes an sich aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen möglich sein muss, spielt die Kapitalverkehrsfreiheit keine Rolle. Untersuchungsgegenstand ist nämlich ausschließlich der grenzüberschreitende Umzug von Kapitalgesellschaften. Die Sitzverlegung einer Kapitalgesellschaft als Niederlassungsvorgang ist ein separater Vorgang und deutlich von eventuellen Kapitaltransfers abgrenzbar, vgl. Dietrich, S. 208 f.
1. Teil
Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund der Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit Die Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften in- oder ausländischen Rechts in einen anderen EU-Mitgliedstaat wirft in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht einige Fragen auf, die auch im Rahmen der Festlegung des ertragsteuerlichen Status von Bedeutung sind, falls die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt an die zivilrechtliche Wertung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften anknüpft. Eine Rolle spielt, ob die Gesellschaftsrechtsordnung des Zuzugs- oder des Wegzugsstaates zur Anwendung gelangt. Im Folgenden wird daher ein Überblick über die Verlegungskonstellationen gegeben und die Problematik aufgezeigt, die sich hinsichtlich der Frage, welches Gesellschaftsrecht für die grenzüberschreitende Gesellschaft gilt, ergibt. Des Weiteren werden die gesetzlichen Regeln der Körperschaftsteuerrechtssubjektivität für Kapitalgesellschaften bei einem rein inländischen Sachverhalt und bei Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, deren beschränkte Steuerpflicht im Raum steht, dargelegt. Was die Frage der Abhängigkeit der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit von der gesellschaftsrechtlichen Einordnung anbelangt, sind diese beiden im Körperschaftsteuerrecht gesetzlich geregelten Fälle der inländischen Kapitalgesellschaften und der beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften gewissermaßen Auslöser der Problematik, beinhalten gleichzeitig aber auch die Lösung im Rahmen der körperschaftsteuerlichen Einstufung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften.
A. Grenzüberschreitung von Kapitalgesellschaften Untersuchungsgegenstand ist die Grenzüberschreitung von Kapitalgesellschaften. Dabei muss zwischen den inländischen Kapitalgesellschaften und den nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften differenziert werden. In der inländischen Rechtsordnung gibt es drei Kapitalgesellschaftsformen, nämlich die Aktiengesellschaft (AG), die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Unter den Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, die für diese Arbeit im Hinblick auf die Zuzugs- und Wegzugsfolgen unter steuer-
B. Sitztheorie versus Gründungstheorie
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lichen Gesichtspunkten eine Rolle spielen, sind die den inländischen Kapitalgesellschaftsarten vergleichbaren Organisationsformen zu verstehen1. Es handelt sich bei den grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften häufig um so genannte doppelansässige Kapitalgesellschaften, auch Dual-Resident-Gesellschaft genannt. Darunter sind Konstellationen zu verstehen, in denen sich der satzungsmäßige Sitz einer Kapitalgesellschaft in einem anderen Staat befindet als der Ort der Geschäftsleitung bzw. der Verwaltungssitz2. Bezogen auf die Sitzverlegung der Kapitalgesellschaft in einen anderen EU-Mitgliedstaat bedeutet dies, dass der Geschäftsleitungsort bzw. der Verwaltungssitz und der Satzungssitz in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten lokalisiert sind. Im Rahmen des Umzugs der Kapitalgesellschaften ist eine Unterscheidung zwischen den Zuzugs- und den Wegzugsfällen erforderlich. Aus deutscher Sicht ist unter Sitzverlegung entweder die Verlegung des Verwaltungssitzes bzw. des Ortes der Geschäftsleitung oder des statutarischen Sitzes als des in der Satzung genannten Sitzes der Gesellschaft zu verstehen3. Es werden die einzelnen Konstellationen des Zuzugs vom Ausland ins Inland und von Deutschland ins Ausland untersucht. Dabei wird jeweils zwischen einer Verlegung des Verwaltungssitzes und/oder des satzungs- bzw. statutarischen Sitzes unterschieden. Es handelt sich hierbei um Begrifflichkeiten des Gesellschaftsrechts. Das Steuerrecht unterscheidet in den §§ 10 und 11 AO zwischen der Geschäftsleitung und dem Sitz einer Gesellschaft4.
B. Sitztheorie versus Gründungstheorie Die Grenzüberschreitung inländischer Kapitalgesellschaften ins Ausland und ausländischer Kapitalgesellschaften ins Inland in Form jeweils der Verlegung des Satzungs- und/oder des Verwaltungssitzes tangiert die Rechtsordnungen zweier Staaten. Fraglich ist daher, welchem Recht die zugezogene bzw. weggezogene Gesellschaft untersteht, wonach sich also ihr Gesellschaftsstatut5 bestimmt. Maßgeblich dafür, welche Gesellschaftsrechtsordnung auf die umgezogene Gesellschaft anwendbar ist, ist das nationale internationale Gesellschaftsrecht, das so genannte Gesellschaftskollisions1
Vgl. auch Dinkhoff, S. 3. Breuninger/Heimann, GmbHR 2000, S. 1037; Schmidt/Sedemund, DStR 1999, S. 2057; Eilers/Wienands, IStR 1999, S. 289, 290. 3 Pott, S. 259, 261. 4 Dötsch, DB 1989, S. 2296. 5 Nach den Grundsätzen des internationalen Privatrechts ist unter Statut diejenige Rechtsordnung zu verstehen, nach der die Rechtsfolgen zu ermitteln sind, vgl. Sedemund, S. 26. 2
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
recht6. Das deutsche internationale Gesellschaftsrecht ist allerdings gesetzlich nicht geregelt7. Die Entwicklung und Gestaltung dieses Rechtsgebietes liegt damit in den Händen von Rechtsprechung und Literatur8. Deshalb ist umstritten, an welches Element des Sachverhaltes für die Bestimmung des Gesellschaftsstatuts, auch Personalstatut, „lex societatis“ oder „statut de la société“ genannt9, anzuknüpfen ist10. Gegenwärtig werden vor allem noch zwei Möglichkeiten diskutiert. Es wird einerseits auf den Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes und andererseits auf den Ort der Gründung abgestellt. Gesellschaftsstatut ist danach entweder die Rechtsordnung des Staates, in dem sich der Verwaltungssitz befindet, oder das Recht des Staates, nach welchem die Gesellschaft gegründet wurde. In Konkurrenz zueinander stehen dementsprechend die Sitztheorie auf der einen Seite und die Gründungstheorie auf der anderen Seite11. Es handelt sich um Einheitslehren, da die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen grundsätzlich nach einem einheitlichen Recht beurteilt werden12. Dies bedeutet, dass in der Regel nur das Gesellschaftsrecht eines Staates gilt, auch wenn infolge der Grenzüberschreitung der Gesellschaft zwei unterschiedliche Rechtsordnungen, nämlich diejenige des Wegzugs- und des Zuzugsstaates, tangiert werden.
I. Sitztheorie Nach der Sitztheorie ist Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Gesellschaftsstatuts der Verwaltungssitz der Gesellschaft. Unter Geltung der Sitztheorie ist die Kapitalgesellschaft in- oder ausländischen Rechts grundsätzlich13 dem Gesellschaftsrecht desjenigen Staates unterworfen, in dem sich der Ort ihres Verwaltungssitzes befindet14. Entwickelt wurde die Sitztheorie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie ist ein Kind der Leh6
Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 1; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 1. Das deutsche internationale Gesellschaftsrecht ist formellrechtlich ein Ausschnitt des internationalen Privatrechts, vgl. Sedemund, S. 28. 7 Koch, JuS 2004, S. 755; Frowein, S. 16; Rohde, S. 6. 8 Michalski, NZG 1998, S. 762. 9 Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 258 unter Bezugnahme auf FN 326. 10 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 17 f. 11 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 18. 12 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 16; Dinkhoff, S. 8. 13 Eine Ausnahme ergibt sich bei der Verlegung des Verwaltungssitzes einer inländischen Kapitalgesellschaft in einen der Gründungstheorie folgenden Staat. Es kommt dann zu einer Rückverweisung auf das deutsche Recht, das somit weiterhin anwendbar ist. Eine ausführliche Darstellung erfolgt unten im 3. Teil A. I. 2. a. 14 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 20 und 26; Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 5 und 312.
B. Sitztheorie versus Gründungstheorie
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ren vom Nationalstaat15. Die Sitztheorie wird in vielen kontinentaleuropäischen Staaten angewendet16. Sie gilt beispielsweise in Frankreich17, Luxemburg18 und Belgien19. Deutschland gilt als ein traditioneller Vertreter der Sitztheorie20. Es wird insoweit von einem Gewohnheitsgrundsatz gesprochen21. Die zivilgerichtliche Rechtsprechung stellt seit längerem als Anknüpfungspunkt auf den Verwaltungssitz ab, sie wendet also die Sitztheorie an22. Demgegenüber war in früheren Gerichtsentscheidungen nicht klar, ob die Zivilrechtsprechung den Verwaltungssitz oder den Satzungssitz zugrunde legte. In den Entscheidungen wurde allgemein auf den Sitz abgestellt, ohne dass zwischen Verwaltungs- und Satzungssitz differenziert wurde23. In dem Urteil vom 18.06.1920 sah das Reichsgericht sogar explizit den satzungsmäßigen Sitz als maßgeblich an24. Das Schrifttum ist insoweit gespalten. Ein großer Teil der Literatur ist Anhänger der Sitztheorie25. In letzter Zeit mehren sich allerdings, nicht zuletzt unter dem starken Einfluss des Gemeinschaftsrechts und seiner Anforderungen, die Stimmen in der Literatur, welche die Gründungstheorie für Deutschland favorisieren26. Die Geltung der Sitztheorie hat zur Folge, dass Kapitalgesellschaften bezüglich aller personenrechtlichen Fragen dem Recht desjenigen Staates un15
Sandrock, RIW 1989, S. 505. Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 153; Teipel, S. 125; Hausmann, S. 13. 17 Art. 3 Loi N 66–537 du 24 juillet 1966 sur les sociétés commerciales. Eine deutsche Übersetzung diese Gesetzes findet sich bei Gravenstein, S. 42; vgl. zum französischen internationalen Gesellschaftsrecht auch Loussouarn/Bourel, S. 777 ff. 18 Art. 159 Loi du 10 août 1915 concernant les sociétés commerciales. Eine deutsche Übersetzung dieses Gesetzes findet sich bei Arendt/Georges, S. 35 und 87. 19 Art. 197 Code de commerce. Bei Dabin, S. 46 und 113, ist eine deutsche Übersetzung abgedruckt. 20 Frowein, S. 19. 21 Heiss, ZfRV 2003, S. 90; Fock, RIW 2000, S. 42. 22 BGH, BGHZ 53, 181, 183; BGH, BGHZ 97, 269, 271; BGH, GmbHR 2002, 1021; BayObLG, EuZW 1992, 548, 549; OLG Brandenburg, ZIP 2000, 1616, 1617; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 1124; OLG Hamburg, NJW 1986, 2199; OLG Frankfurt, DB 1990, 1224; LG Köln, GmbHR 1986, 314, 315. 23 RGH, RGZ 92, 73, 76; RGH, RGZ 159, 33, 46; BGH, BGHZ 51, 27, 28. 24 RGH, RGZ 99, 217, 218 f.; vgl. hierzu auch Frowein, S. 19. Vgl. generell zur Entstehungsgeschichte der Sitztheorie Meilicke, GmbHR 2003, S. 793, 794 ff. und Sedemund, S. 70 ff. 25 Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 4 ff.; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 72 ff.; Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 312 ff.; Dinkhoff, S. 64. Nachweise auf das umfangreiche Schrifttum finden sich bei Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 264 FN 343 f. 26 Siehe z. B. Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233; Dubovizkaja, GmbHR 2003, S. 694; Heiss, ZfRV 2003, 90; Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), S. 325, 342 ff.; dies., DB 1990, S. 2573, 2580 f. 16
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
terstehen, in dem sich ihr tatsächlicher Verwaltungssitz befindet. Dazu gehören beispielsweise die Rechts-, Handlungs- und Parteifähigkeit, die organschaftliche Vertretung, die innere Organisation, die Kapitalausstattung und das Haftungsregime sowie die Auflösung und die Liquidation27. Die Sitztheorie findet für Kapitalgesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland ebenso wie für Gesellschaften mit Verwaltungssitz im Ausland Anwendung28. Begründet wird die Sitztheorie damit, dass sie das Recht des Landes durchsetze, welches von der Tätigkeit der Gesellschaft normalerweise am stärksten berührt sei. Diese Betroffenheit finde in der Ansiedlung des Verwaltungssitzes ihren Niederschlag29. Mit diesem Anknüpfungsmoment werde dem Kontrollbedürfnis des Verwaltungssitzstaates Rechnung getragen30. Die Sitztheorie nimmt für sich in Anspruch, dem Schutzinteresse des am meisten betroffenen Staates Rechnung zu tragen. Durch die Anknüpfung an den Verwaltungssitz werde verhindert, dass laxere ausländische Vorschriften inländische gesellschaftsrechtliche Statuten unterliefen31. Der Schutz der Anteilseigner, Arbeitnehmer sowie der Gläubiger obliege dem Staat, dessen wirtschaftliche und politische Belange von der Gesellschaft am stärksten tangiert würden32. Die Sitztheorie verhindere Eingriffe ausländischer Gesellschaften in die inländische Arbeits-, Wirtschafts- und Sozialstruktur, indem sie neben dem subjektiven Anknüpfungsmerkmal der Gründung auf den Verwaltungssitz abstelle und dadurch an die Gesellschaft die Forderung stelle, ihren Verwaltungssitz im Gründungsstaat zu nehmen und auch zu behalten33.
II. Gründungstheorie Im Gegensatz dazu steht die Gründungstheorie, die unter anderem im angloamerikanischen Rechtskreis vertreten wird34. Sie gilt daher in England35, den Vereinigten Staaten von Amerika36 und Kanada37. Die Gründungstheo27
Heiss, ZfRV 2003, S. 90. Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 312.; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 26, Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 4 f. und 7. 29 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 21; Fock, RIW 2000, S. 42. 30 Fock, RIW 2000, S. 42. 31 Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 313 f. 32 Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 313 f.; BayObLG, EuZW 1992, 548, 549; vgl auch Frowein, S. 18. 33 Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 9. 34 Teipel, S. 125; Seibold, IStR 2003, S. 45, 46. 35 North/Fawcett, S. 175; Collier, S. 57. 36 McDougal/Felix/Whitten, S. 827 ff. 37 Castel, S. 507 ff. 28
B. Sitztheorie versus Gründungstheorie
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rie, auch Inkorporationstheorie genannt, wurde in England im 18. Jahrhundert aufgrund der wirtschaftlichen Bedürfnisse der damaligen Groß- und Kolonialmacht entwickelt38. Nach der Gründungstheorie ist Gesellschaftsstatut die Rechtsordnung, nach der die Gesellschaft gegründet und ausgestaltet worden ist39. Da somit nach dieser Theorie der Verwaltungssitz nicht der Anknüpfungspunkt ist, kann dieser in einen anderen Staat verlegt werden, ohne dass dies aus der Sicht des Wegzugsstaates ein Wechsel des Personalstatuts zur Folge hätte. Allerdings kann nach der h. M.40 eine Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes zu einer Änderung des auf die Gesellschaft anwendbaren Rechts führen. Als Vorteile der Gründungstheorie wird unter anderem angeführt, dass das Merkmal der Inkorporation als maßgebliches Anknüpfungsmoment leicht und sicher feststellbar sei. Dadurch werde dem Interesse der Rechtssicherheit und der Gesellschaftsgläubiger Rechnung getragen41. Als weiteres Argument wird die mit der Inkorporationstheorie verbundene Freiheit der internationalen Verlegung des Verwaltungssitzes genannt, der angesichts zunehmender weltwirtschaftlicher Integration besondere Bedeutung zukomme42. Neben diesen beiden Einheitslehren gibt es Modifikationen der Gründungstheorie, wonach die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zum Teil nicht mehr nach einem einheitlichen Gesellschaftsstatut beurteilt werden43. Diesen vermittelnden Ansichten liegt zwar im Grundsatz die Gründungstheorie zugrunde, mittels verschiedener Ansätze kommt jedoch gegebenenfalls das Recht einer weiteren Rechtsordnung zur Anwendung44. Diese Mischtheorien haben gegenüber den Einheitslehren, also der Sitz- bzw. Gründungstheorie, den Nachteil, dass ein nicht aufeinander abgestimmter „Normenmix“ mehrerer Rechtsordnungen gegeben ist, der zu Anpassungsschwierigkeiten, Regelungslücken sowie Wertungswidersprüchen führt. Zudem wird durch die Geltung mehrerer Rechtsordnungen die Rechtssicherheit gefährdet. Der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wird vielfach auch 38
Siehe im Einzelnen Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 265. Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 20. 40 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 650; Behrens, RIW 1986, S. 590, 591; Frowein, S. 109 f.; Schlenker, S. 23; Kruse, S. 8, 27 und 47; Grundmann, § 22 Rn. 775; Hausmann, S. 13, 31; Bungert, RIW 1999, S. 109, 112; Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 8. Anderer Ansicht ist Hoffmann, ZVglRWiss 101 (2002), S. 283 ff. 41 Grasmann, Rn. 470 und 472; Koppensteiner, S. 121 f.; Teipel, S. 125, 132. 42 Koppensteiner, S. 122. 43 Kruse, S. 9. 44 Dinkhoff, S. 36. Es handelt sich beispielsweise um die eingeschränkte Gründungstheorie, die Überlagerungstheorie, die Differenzierungstheorie und die Schwerpunktlehre, vgl. hierzu im Einzelnen den Überblick bei Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 287 ff. und Rohde, S. 33 ff. 39
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
aufgrund der im Rahmen dieser Theorien verwendeten unbestimmten Kriterien nicht ausreichend Rechnung getragen. Verschärft wird dieses Problem dadurch, dass zum Teil das anzuwendende Recht in die Disposition der betroffenen Interessenten gestellt wird45. Vorzugswürdig sind deshalb die Einheitslehren, da die Gesellschaft nur einer einheitlichen Gesellschaftsrechtsordnung eines Staates unterliegt. Steht das Gesellschaftsstatut fest, ergibt sich für die Gesellschaft selbst und auch für die von der Gesellschaft Betroffenen eine eindeutige und klare Rechtslage46. Ebenfalls nicht zur Ermittlung des Personalstatuts geeignet ist die Kontrolltheorie, die auf die Staatsangehörigkeit der hinter der Gesellschaft stehenden natürlichen Personen abstellt47. Eine gewisse Bedeutung hatte diese Theorie vor allem im Verlauf des ersten Weltkrieges, als sich die Kriegsführung zunehmend auch auf wirtschaftlicher Ebene abspielte48. Als kollisionsrechtlicher Anknüpfungspunkt ist die Kontrolltheorie abzulehnen, da ihr Anwendungsbereich auf Kriegs- und Krisensituationen sowie Sondernormen des öffentlichen Rechts begrenzt ist. Es sollen also nicht wirtschaftliche, sondern politische Spannungen geregelt werden49. Zudem sind dieser Theorie praktisch nicht lösbare Fälle immanent, wenn die Gesellschafter verschiedener Nationalität sind50. Auch ist die Kontrolltheorie nicht mit Art. 48 Abs. 1 EG vereinbar. Die darin geregelte Gleichstellung der Gesellschaften mit den natürlichen Personen ist nicht von der Staatsangehörigkeit der Kapitaleigner oder Gesellschafter abhängig51.
C. Satzungssitz Die Bestimmung des Satzungssitzes ist eine Rechtsfrage52. Seine Verlegung ist eine der möglichen Konstellationen des Zuzugs bzw. Wegzugs von in- oder ausländischen Kapitalgesellschaften. Die zivilrechtliche und steuerrechtliche Terminologie unterscheiden sich nicht voneinander. Der Satzungssitz ist einer der beiden alternativen Anknüpfungspunkte für die Begründung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 KStG. Nach § 11 AO hat eine Körperschaft, Personenvereinigung oder 45 Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 290 f., 293 ff., 298, 301 und 307; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 62 ff.; Dinkhoff, S. 36 ff. 46 Dinkhoff, S. 35. 47 Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 259. 48 Rohde, S. 37. 49 Rohde, S. 38. 50 Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 262. 51 Kruse, S. 62; Rohde, S. 38. 52 Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 14.
D. Verwaltungssitz bzw. Ort der Geschäftsleitung
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Vermögensmasse den Sitz an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt wird. Entscheidend ist damit in erster Linie der rechtsgeschäftlich bestimmte Satzungssitz53. Für die inländischen Kapitalgesellschaften bestehen hinsichtlich des Ortes des Satzungssitzes gesetzliche Regelungen, für die AG gem. § 5 AktG, für die KGaA gem. § 5 AktG i. V. m. § 278 Abs. 3 AktG und für die GmbH gem. § 4 a GmbHG54. Es handelt sich bei den gesetzlich aufgezählten Sitzmerkmalen um rechtliche Anknüpfungspunkte55. Bei den inländischen Kapitalgesellschaftsformen ist der Satzungssitz notwendiger Bestandteil für die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister56. Der Sitz muss nach Ansicht der Rechtsprechung57 und der Literatur58 im Inland liegen, da es ansonsten an einem für die Eintragung zuständigen Handelsregister fehlen würde.
D. Verwaltungssitz bzw. Ort der Geschäftsleitung Der in der Praxis häufig vorkommende Fall der Grenzüberschreitung einer Kapitalgesellschaft in einen anderen EU-Mitgliedstaat ist derjenige der Verlegung des Verwaltungssitzes bzw. des Ortes der Geschäftsleitung. Fraglich ist, ob der steuerliche Begriff der Geschäftsleitung dem gesellschaftsrechtlichen Verwaltungssitz entspricht. Nur wenn dies der Fall ist und eine Verlegung der Geschäftsleitung gleichzeitig auch eine Verlegung des Verwaltungssitzes beinhaltet, ergeben sich die unter der Geltung der Sitztheorie auftretenden Probleme im Rahmen der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit59. Bei dem Ort der Geschäftsleitung handelt es sich um ein alternatives Anknüpfungsmerkmal für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 KStG. Könnte die Geschäftsleitung ins In- bzw. Ausland verlegt werden, ohne dass gleichzeitig der Verwaltungssitz mitverlegt wird, ergäben sich keine gesellschaftsrechtlichen Schwierigkeiten. Die Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit wäre dann problemlos möglich. Mangels Wechsels des Verwaltungssitzes würde die Sitztheorie nämlich keine Auswirkungen zeitigen. 53
Rohde, S. 300. Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 Rn. 27 f.; Sauter, in: Erle/Sauter, § 1 Rn. 52. 55 Sauter, in: Erle/Sauter, § 1 Rn. 53. 56 Emmerich, in: Scholz, § 4 a Rn. 18; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 4 a Rn. 26; Heider, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, § 5 Rn. 60. 57 BGH, BGHZ 19, 102, 105 f.; BGH, BGHZ 29, 320, 328. 58 Hüffer, § 5 Rn. 5; Emmerich, in: Scholz, § 4 a Rn. 9; Dinkhoff, S. 4. 59 Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 15. 54
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
Bei dem Verwaltungssitz handelt es sich im Vergleich zum Satzungssitz um einen rein tatsächlichen Sitz60, weshalb auch des Öfteren vom tatsächlichen bzw. effektiven Verwaltungssitz die Rede ist61. Ebenso ist der Ort der Geschäftsleitung allein nach den tatsächlichen Gegebenheiten des wirtschaftlichen Sachverhalts zu bestimmen62. Im Gegensatz zum Ort der Geschäftsleitung gibt es für den Verwaltungssitz keine gesetzliche Begriffsbestimmung. Dies resultiert daraus, dass der Verwaltungssitz einer Kapitalgesellschaft im materiellen Kapitalgesellschaftsrecht keine Rolle spielt. Bedeutung erlangt er aber insofern, als er nach der Sitztheorie das maßgebliche kollisionsrechtliche Anknüpfungsmoment für die Bestimmung des Gesellschaftsstatuts ist63. Hinsichtlich der Geschäftsleitung existiert zwar in § 10 AO eine gesetzliche Legaldefinition. Geschäftsleitung ist danach der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Diese Definition geht auf ein Urteil des RFH vom 16.06.193164 zurück65. Letztendlich ist aber diese Begriffsbestimmung keine wirkliche Hilfe zur Festlegung des Ortes der Geschäftsleitung. Es wird vielmehr nur ein unbestimmter Rechtsbegriff durch einen anderen ersetzt. Der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung bedarf daher der Konkretisierung. Dies ist durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung erfolgt.
I. Gleichlauf zwischen dem Verwaltungssitz und dem Ort der Geschäftsleitung Bei Geltung der Sitztheorie im Zuzugsstaat Deutschland ist wegen des dann anwendbaren inländischen Gesellschaftsrechts von wesentlicher Bedeutung, ob die Verlegung der Geschäftsleitung zwingend auch zur Verlagerung des Verwaltungssitzes führt66. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die gesellschaftsrechtliche Wertung bei der körperschaftsteuerlichen Einstufung eine Rolle spielt. Eine Ansicht vertritt, dass die beiden Begriffe zwar grundsätzlich kongruent seien, wegen der funktionalen Unterschiede sei aber eine zwingende Übereinstimmung abzulehnen. Während der Verwaltungssitz die Aufgabe habe, die auf die Gesellschaft anwendbare Rechtsordnung festzulegen, er60
Dinkhoff, S. 5. Rohde, S. 302. 62 Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 14. 63 Dinkhoff, S. 6; Frowein, S. 26; Kruse, S. 23. 64 RFH, RStBl. 1931, 848. 65 Kessler/Müller, IStR 2003, S. 361 mit Verweisen auf RFH, RStBl 1931, 848 und BFH, BStBl. II 1995, 175, 178. 66 Vgl. Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 15. 61
D. Verwaltungssitz bzw. Ort der Geschäftsleitung
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fülle der Begriff der Geschäftsleitung den Zweck der Abgrenzung der unbeschränkten von der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht67. Es seien durchaus Ausnahmefälle denkbar, in denen die Begriffe nicht deckungsgleich seien68. In welchen Fällen allerdings unterschiedliche Ergebnisse möglich sind, wird größtenteils nicht erörtert. Nicht einmal ein fiktives Beispiel wird angeführt69. Zudem übersieht diese Ansicht, dass sowohl dem Verwaltungssitz als auch dem Ort der Geschäftsleitung ein einheitlicher Gedanke zugrunde liegt. Nach der Sitztheorie, die auf den Verwaltungssitz abstellt, soll das Recht desjenigen Staates gelten, der am meisten von der Tätigkeit der Gesellschaft betroffen ist. Von einer ähnlichen Vorstellung geht aber auch das Steuerrecht aus, wenn es an den Geschäftsleitungsort für die Begründung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht anknüpft70. Der BFH führt folgendes aus: „Durch das Merkmal der Geschäftsleitung soll unter mehreren Orten, zu dem die Kapitalgesellschaft eine Beziehung hat, der dominierende Schwerpunkt bestimmt werden, der für die Zuordnung der Kapitalgesellschaft als Ganzes zur unbeschränkten Steuerpflicht in der Bundesrepublik den Ausschlag gibt“71. Es geht also jeweils um die Feststellung des Schwerpunktes des gesellschaftlichen Wirkungskreises72. Die Frage, ob zwischen dem Ort der Geschäftsleitung und dem Verwaltungssitz ein strikter Gleichlauf besteht, kann nur anhand der jeweiligen Begriffsbestimmungen beantwortet werden. Der BGH und auch andere Zivilgerichte definieren den Verwaltungssitz als den Tätigkeitsort der Geschäftsführung und der dazu berufenen Verwaltungsorgane. Dies ist der Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäfte umgesetzt werden73. Nach der Finanzrechtsprechung ist der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung i. S. d. § 10 AO dort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird. Es kommt da67 Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 15; Eilers/Wienands, IStR 1999, S. 289, 292; Rohde, S. 302 f.; Schlenker, S. 73. Der Ort der Geschäftsleitung dient aber nicht allein der Zuordnung zur unbeschränkten Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 KStG, er ist vielmehr ein zentraler Begriff des Steuerrechts. Eine Vielzahl steuerlicher Bestimmungen knüpfen an den Ort der Geschäftsleitung an, vgl. Kessler/Müller, IStR 2003, S. 361, 362 f. 68 Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 15; Schlenker, S. 73. 69 Vgl. hierzu auch Dinkhoff, S. 72 f. Nach Eilers/Wienands, IStR 1999, 289, 292 f., können der Ort der Geschäftsleitung und der Verwaltungssitz z. B. auseinander fallen, wenn die Konzernleitungszentrale im Inland und die ausführenden Organe im Ausland sitzen. 70 Frowein, S. 29. 71 BFH, BStBl. II 1966, 207, 208. 72 Frowein, S. 29. 73 BGH, BGHZ 97, 269, 272; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 1124; KG, NJW 1989, 3100, 3101.
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
rauf an, wo nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls die für die Geschäftsführung notwendigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden74. Ohne Bedeutung ist, wo die abgegebenen Willenserklärungen wirksam werden75. Bei einer Körperschaft ist dies regelmäßig der Ort, an dem die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende laufende Geschäftsführertätigkeit entfalten, d.h. an dem sie die tatsächlichen, organisatorischen und rechtsgeschäftlichen Handlungen vornehmen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt (so genannte Tagesgeschäfte). Nicht dazu gehören die Festlegung der Grundsätze der Unternehmenspolitik und die Mitwirkung der Gesellschafter an ungewöhnlichen Maßnahmen oder an Entscheidungen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung76. Grundsätzlich sind die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft die wirklichen Geschäftsführer, weshalb es auf ihr Verhalten ankommt77. Der Ort der Geschäftsleitung befindet sich in erster Linie dort, wo die Büroräume des oder der leitenden Geschäftsführer(s) liegen78. Was das Verhältnis des gesellschaftsrechtlichen Verwaltungssitzes zum steuerlichen Ort der Geschäftsleitung anbelangt, so gibt es in der Rechtsprechung keine konkreten Aussagen79. Ob der Verwaltungssitz mit dem Ort der Geschäftsleitung identisch ist, muss anhand der Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die aus den Begriffsbestimmungen resultieren, untersucht werden80. Gemeinsames Merkmal beider Orte ist, dass ihre Bestimmung aufgrund der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls erfolgen muss. Des Weiteren befindet sich sowohl der Verwaltungssitz als auch der Ort der Geschäftsleitung in der Regel dort, wo die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft tätig sind81. Ausgehend von den Begriffsbestimmungen scheint sich auf den ersten Blick der Unterschied zu ergeben, dass die Geschäftsleitung sich dort befindet, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird und die Anordnungen erfolgen, während der Verwaltungssitz dort belegen ist, wo der von der Geschäftsführung gebildete Wille in lau74
BFH, BStBl. II 1998, 86, 87; FG Saarland, EFG 2004, 430. BFH, BFH/NV 1988, 63, 64. 76 BFH, BFH/NV 2002, 1411, 1412; FG Saarland, EFG 2004, 430. Zum Begriff des Ortes der Geschäftsleitung im Einzelnen siehe auch Kessler/Müller, IStR 2003, S. 361, 363, die einen Überblick über die Aufgaben der laufenden Geschäftsführung geben. 77 Rohde, S. 301; Kessler/Müller, IStR 2003, S. 361, 364. 78 Kessler/Müller, IStR 2003, S. 361, 364 mit Verweis auf BFH, BFH/NV1988, 64, 65. 79 Vgl. hierzu Dinkhoff, S. 71 f. 80 Siehe hierzu Dinkhoff, S. 74 ff. 81 Dinkhoff, S. 74 f. Als Gemeinsamkeit führt Dinkhoff noch an, dass für den Verwaltungssitz und die Geschäftsleitung jeweils nur ein einziger Ort in Frage kommt. Dies ist allerdings umstritten, vgl. 1. Teil D. II. 75
D. Verwaltungssitz bzw. Ort der Geschäftsleitung
43
fende Geschäftsführungsakte umgesetzt wird. Der Gedanke liegt somit nahe, dass die Geschäftsleitung als der Ort der Willensbildung von dem Verwaltungssitz als dem Ort der effektiven Umsetzung abweichen kann. Betrachtet man allerdings die Rechtsprechung des RFH, so ist lediglich in der Entscheidung vom 23.06.193882 der Ort der Willensbildung als Bestimmung des Geschäftsleitungsortes verwendet worden. In seiner bereits erwähnten Entscheidung vom 16.06.193183, auf welche die Legaldefinition des § 10 AO zurückgeht, bestimmte der RFH den Geschäftsleitungsort dahingehend, dass er sich dort befinde, wo alle großen Fragen der Geschäftsführung entschieden würden, von wo aus die Obliegenheiten eines Firmenleiters ausgeübt würden. Später führte der RFH dann aus, dass entscheidend nicht der Ort sei, an dem die Willenserklärungen der Beteiligten wirksam würden, sondern der Ort, von dem aus diese Willenserklärungen abgegeben würden. Die ältere BFH-Rechtsprechung stellte ebenso wenig auf den Ort der Willensbildung ab. In neueren Entscheidungen verweist die oberfinanzgerichtliche Rechtsprechung auf die angebliche ständige Rechtsprechung des RFH, wonach maßgebend sei, wo und von wem der maßgebende Wille gebildet werde. Jedoch existiert lediglich die RFH-Entscheidung aus dem Jahre 1938, in welcher es auf den Ort der Willensbildung ankam84. Unabhängig davon, dass sich in der aktuelleren Rechtsprechung des BFH ein Verweis auf den Ort der Willensbildung befindet, handelt es sich hierbei nur um ein subjektives Kriterium, d.h. ein reines Internum, das als solches nicht feststellbar ist. Es bedarf daher eines Rückschlusses anhand objektiver Gesichtspunkte. Entscheidend ist somit, wo nach den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles dauernd die für die Geschäftsführung erforderlichen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden. Dass letztendlich der Anordnungsort maßgeblich ist, wird auch durch eine Betrachtung der Finanzrechtsprechung bestätigt, wonach dieser Ort ausschlaggebend für den Ort der Willensbildung ist85. In seiner Entscheidung zur Festlegung des Geschäftsleitungsortes vom 03.12.2003 sprach das Finanzgericht Saarland bei der Auswertung des ihm vorliegenden Sachverhaltes ebenfalls nicht vom Willensbildungsort, sondern stellte darauf ab, ob die Tagesgeschäfte vom Inland aus betrieben, die Entscheidungen über die Tagesgeschäfte vom Inland aus getroffen und ob die wesentlichen geschäftlichen Aktivitäten im Inland entfaltet würden86. 82 83 84 85 86
RFH, RStBl. 1938, 949. RFH, RStBl. 1931, 848, 849. Vgl. ausführlich hierzu Dinkhoff S. 75 ff. Vgl. im Einzelnen Dinkhoff, S. 78 f. FG Saarland, EFG 2004, 430 f.
44
1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
Der Verwaltungssitz wird, wie bereits dargestellt, von der Rechtsprechung der Zivilgerichte als der Ort präzisiert, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden. Das Kriterium der effektiven Umsetzung, das vom BGH in seiner Entscheidung vom 21.03.198687 eingeführt worden ist, dient dazu, innerhalb von Konzernverbindungen den Verwaltungssitz bei der Tochtergesellschaft und nicht bei der Muttergesellschaft lokalisieren zu können. Zudem soll mit diesem Merkmal zum Ausdruck kommen, dass nicht der Ort der internen Willensbildung über die Geschäftsführung ausschlaggebend ist, sondern der Ort, an dem die Entscheidungen angeordnet werden. Die Willensbildung stellt ein nicht feststellbares Internum dar, weshalb maßgeblich der Ort ist, von dem aus die Gesellschaft tatsächlich geführt wird. Der Verwaltungssitz befindet sich damit in aller Regel dort, wo die Geschäftsführung einer Gesellschaft tätig ist88. Sowohl der Verwaltungssitz als auch die Geschäftsleitung befinden sich folglich an dem Ort, wo die Anordnungen der Geschäftsführung nach außen erkennbar erteilt werden. Im Ergebnis existieren innerhalb der Definitionen des Verwaltungssitzes und des Ortes der Geschäftsleitung keine Unterschiede, sondern es wird lediglich die Geschäftsführungstätigkeit unterschiedlich beschrieben. Inhaltliche Differenzen ergeben sich dadurch aber nicht, so dass nicht nur grundsätzlich, sondern stets eine Identität des Ortes der Geschäftsleitung mit dem Ort des Verwaltungssitzes gegeben ist89. Für einen strikten Gleichlauf beider Begriffe spricht zudem der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung und der Rechtssicherheit90. Verlegt somit eine grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft in- oder ausländischen Rechts ihren steuerlichen Ort der Geschäftsleitung ins In- bzw. Ausland, hat dies gleichzeitig eine Verlagerung ihres Verwaltungssitzes zur Folge. Es ist daher notwendig, die gesellschaftsrechtlichen Auswirkungen, 87
BGH, BGHZ 97, 269, 272. Vgl. ausführlich Dinkhoff, S. 80 ff. 89 Vgl. Dinkhoff, S. 82 f. Das von Eilers/Wienands, IStR 1999, S. 289, 292, gebildete Beispiel, dass sich die Konzernleitungszentrale im Inland und die ausführenden Organe im Ausland befinden, führt daher nach der hier vertretenen Ansicht, wonach hinsichtlich der Geschäftsleitung und des Verwaltungssitzes der Ort maßgeblich ist, an dem die Entscheidungen angeordnet werden, nicht zu einem Auseinanderfallen des Ortes der Geschäftsleitung und des Verwaltungssitzes. Anknüpfungspunkt ist auch bei letzterem, wie dargestellt, der Ort der Geschäftsführungstätigkeit und nicht etwa der Tätigkeitsort der Vertriebsabteilung. 90 Vgl. zu diesen Aspekten Frowein, S. 29, der allerdings trotzdem auf den Umsetzungsakt als den relevanten Anknüpfungspunkt für den Verwaltungssitz abstellt. Nicht entscheidend ist seiner Ansicht nach bezüglich des Verwaltungssitzes der Willensbildungsort und damit wohl auch nicht der Anordnungsort als das objektive Merkmal zur Lokalisierung des Ortes der Willensbildung, vgl. S. 30. 88
D. Verwaltungssitz bzw. Ort der Geschäftsleitung
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die sich eventuell aufgrund der Rechtsordnung des Zuzugs- und/oder des Wegzugsstaates ergeben, auf die Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit zu untersuchen.
II. Singularität des Verwaltungssitzes und des Ortes der Geschäftsleitung Aufgrund der zunehmenden Globalisierung und internationalen Unternehmenstätigkeit von Gesellschaften kommt es zu einer abnehmenden Lokalisierung der Unternehmen an einem einzigen Ort91. Es besteht daher Klärungsbedarf, ob es nur einen Ort der Geschäftsleitung und damit wegen des angenommenen Gleichlaufs nur einen Verwaltungssitz gibt. Für den Fall, dass mehrere Verwaltungssitze möglich sind, stellt sich die Frage, welcher Verwaltungssitz unter Geltung der Sitztheorie der maßgebliche ist. In steuerlicher Hinsicht ergibt sich bei einer Pluralität der Geschäftsleitungsorte das Problem der Besteuerungsaufteilung, wenn Doppelbesteuerungsabkommen dem Art. 4 Abs. 3 OECD-MA folgen, wonach die Gesellschaft als in dem Ort ansässig gilt, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung befindet. In der Literatur ist umstritten, ob es zwei oder mehrere tatsächliche Verwaltungssitze bzw. Orte der Geschäftsleitung geben kann. Nach einem Teil des Schrifttums kann es nur einen Ort der Geschäftsleitung und damit wegen der Deckungsgleichheit auch nur einen einzigen Verwaltungssitz geben. Dies gilt nach dieser Ansicht auch dann, wenn sich aufgrund der internationalen Integration von Gesellschaften und der daraus resultierenden internationalen Wirtschaftsbeziehungen die Lokalisierung schwieriger gestaltet. Hinsichtlich des Ortes der Geschäftsleitung wird angeführt, dass die Legaldefinition des § 10 AO, nämlich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung, für die Singularität des Ortes spreche92. Seien die laufenden Geschäftsführungsaufgaben auf verschiedene Staaten aufgeteilt, könne der wichtigste Ort durch eine Gewichtung festgestellt werden. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei anhand einer Schwerpunktbetrachtung diejenige Zentrale als Geschäftsleitung zu ermitteln, der in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht die größte Bedeutung zukomme93. Dieser Ansicht ist grundsätzlich zu folgen, da man in der Regel zu einem aussagekräftigen und sachgerechten Ergebnis gelangt. Der Ort der Geschäfts91
Seibold, IStR 2003, S. 45. Dinkhoff, S. 74; Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 14; Schlenker, S. 72. 93 Sauter, in: Erle/Sauter, § 1 Rn. 51; Rohde, S. 301; Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 14 f. 92
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
leitung kann mit der qualitativ-quantitativen Methode ausfindig gemacht werden. Dabei sind zuerst die an mehreren Orten ausgeübten geschäftsführenden Tätigkeiten nach ihrer Bedeutung für die Kapitalgesellschaft zu gewichten und anschließend ist die Anzahl der geschäftsleitenden Maßnahmen zu untersuchen94. Wird die Geschäftsführung nicht nur an verschiedenen Orten ausgeübt, sondern werden auch mehrere Geschäftsführer an diesen Orten tätig, ist zusätzlich die Rangstellung der Geschäftsführer untereinander zu beachten95. Wegen des angenommenen Gleichlaufs von Geschäftsleitung und Verwaltungssitz kann auch letzterer nach dieser Methode ermittelt werden. Für die Singularität des Verwaltungssitzes kann angeführt werden, dass es sich um das kollisionsrechtliche Anknüpfungsmoment der Sitztheorie handelt. Unter der Geltung der Sitztheorie, welche eine Einheitslehre darstellt, können keine zwei oder mehrere Verwaltungssitze existieren, da dies zur Maßgeblichkeit mehrerer Rechtsordnungen führen würde96. Der Gegenmeinung zufolge kann es zwei oder mehrere tatsächliche Verwaltungssitze sowie steuerliche Geschäftsleitungen geben97. Als Argument für die Aufgabe der Singularität wird vorgebracht, dass der Zwang zur eindeutigen Lokalisierung nicht mehr im Einklang mit den im Zeitalter der Globalisierung zunehmenden modernen, grenzüberschreitenden Unternehmensstrukturen stehe. Vom Erfordernis der Lokalisierung der Gesellschaft an einem einzigen Ort sei daher nicht mehr auszugehen98. In steuerlicher Hinsicht müsse die Gesellschaft nicht zwingend einen Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung haben, sondern sie könne vielmehr zwei oder mehrere Orte der Geschäftsleitung innehaben. Dies folge einerseits daraus, dass in vielen Fällen, vor allem bei bi- und polyzentrischen Unternehmensführungsstrukturen und divisionalisierten Unternehmen, eine zwingende Festlegung der Geschäftsleitung an einem Ort nicht mehr möglich sei. Eine solche Lokalisierung an einem Ort stehe im Widerspruch zur wirtschaftlichen Realität und führe häufig zu zufälligen Ergebnissen. Andererseits müssten die unangemessenen steuerlichen Konsequenzen, die sich durch das Erfordernis eines einzigen Geschäftsleitungsortes ergäben, vermieden werden. Angesprochen werden Unternehmensstrukturen, wie z. B. die Einführung einer Spartenstruktur, die einem großen Wandel unterworfen seien. Durch die Aufgabe der Singularität werde verhindert, dass Schwerpunktverlagerungen zur Änderung des Ortes der Geschäftsleitung mit entsprechend negativen Folgen führten99. 94 95 96 97 98
Vgl. hierzu Kessler/Müller, IStR 2003, S. 361, 365. Siehe im Einzelnen Kessler/Müller, IStR 2003, S. 361, 365. Dinkhoff, S. 74 f. Breuninger/Krüger, S. 79, 88 f., 100 f., 104 f. und 110 ff. Breuninger/Krüger, S. 79, 111 f.
D. Verwaltungssitz bzw. Ort der Geschäftsleitung
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Eine weitere Ansicht geht hinsichtlich des steuerlichen Ortes der Geschäftsleitung zwar ebenfalls davon aus, dass eine Gesellschaft mehrere solche Orte haben könne. Es sei dann allerdings eine Gewichtung der laufenden betrieblichen, rechtsgeschäftlichen und organisatorischen Tätigkeiten vorzunehmen, um den tatsächlichen Ort der Geschäftleitung zu bestimmen. Könne die Geschäftsführungszentrale dennoch nicht ermittelt werden, sei alternativ der steuerliche Wohnsitz des Geschäftsführers heranzuziehen. Werde die Gesellschaft durch mehrere Geschäftsführer mit Wohnsitz in unterschiedlichen Ländern geleitet, komme der Gesellschaftssitz zur Ansässigkeitsbestimmung in Betracht. Hierbei könnten an den Sitz als Anknüpfungskriterium weitere Voraussetzungen gekoppelt werden, wie etwa die Entfaltung einer aktiven, gewerblichen Tätigkeit100. Diese Ansicht geht somit davon aus, dass der steuerliche Ort der Geschäftsleitung letztendlich an einem bestimmten Ort zu lokalisieren ist. Auch in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht wird zum Teil vertreten, dass angesichts der immer häufiger vorkommenden Fälle eines nicht eindeutig bestimmbaren oder wechselnden Verwaltungssitzes davon ausgegangen werden müsse, dass es grundsätzlich Gesellschaften mit zwei oder mehreren effektiven Verwaltungssitzen geben könne101. 99
Breuninger/Krüger, S. 79, 100 f., 110 und 112. Allerdings wird eingeräumt, dass das Vorliegen zwei oder mehrerer Geschäftsleitungsorte eher der Ausnahmefall sei, da für die Annahme eines weiteren Ortes der Geschäftsleitung keine geringeren Anforderungen gestellt werden dürften als für die Begründung einer Geschäftsleitung, vgl. S. 111. 100 Seibold, IStR 2003, S. 45, 51. 101 Breuninger/Krüger, S. 79, 104 f. Ihrer Ansicht nach wird die Sitztheorie, die an den Verwaltungssitz anknüpft, den modernen Erscheinungsformen des mobilen oder polyzentrischen Unternehmens nicht gerecht. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung und der internationalen Integration häuften sich die Problemfälle des nicht eindeutig lokalisierbaren oder wechselnden tatsächlichen Verwaltungssitzes. Unter der Geltung der Sitztheorie komme es folglich oft zu einem Verlust der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft. Da anzuerkennen sei, dass Gesellschaften zwei oder mehrere Verwaltungssitze innehaben könnten, sei im Rahmen der Bestimmung des auf die Gesellschaft anwendbaren Personalstatuts ein modifiziertes Anknüpfungskriterium zu verwenden. Es sei weiterhin für die Bestimmung des maßgeblichen Gesellschaftsstatuts auf den tatsächlichen Sitz abzustellen, allerdings sei grundsätzlich zu vermuten, dass dieser sich am Ort des Satzungssitzes befinde, solange dort tatsächlich ein Teil der Verwaltung sitze oder eine wesentliche Unternehmenstätigkeit ausgeübt werde. Ein solches Anknüpfungsmoment führe bei internationalen Unternehmensführungen zu sachgerechten Lösungen. Dieser Ansatz erkenne an, dass eine Gesellschaft mehrere Verwaltungssitze haben könne und trage dem hinter der Sitztheorie steckenden Schutzgedanken ausreichend Rechnung, vgl. S. 88 f., 104 ff. und 112. Auch nach der Zivilrechtsprechung besteht eine widerlegbare Vermutung dahin, dass sich der Verwaltungssitz in dem Staat befinde, nach dessen Recht die Gesellschaft erkennbar organisiert sei. Vorrangig sei dabei der Sat-
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ist die Auffassung darüber, ob mehrere Geschäftsleitungsorte möglich sind, ebenfalls geteilt. Zwar herrschte in der älteren Rechtsprechung des RFH und des BFH Einigkeit darüber, dass die Geschäftsleitung nur an einem einzigen Ort lokalisiert werden kann. Allerdings ist in der neueren Rechtsprechung die Meinung gespalten. Der I. Senat des BFH hat in seinen Urteilen vom 15.10.1997102, 16.12.1998103 und 30.01.2002104 ausgeführt, dass ein Unternehmen mehrere Mittelpunkte der geschäftlichen Oberleitung haben könne. Ob sich die anderen Senate des BFH dieser Ansicht anschließen, wird die weitere Entwicklung zeigen. Gegenwärtig ist ein entsprechendes Verfahren beim IV. Senat des BFH anhängig105. Unabhängig davon, ob es aus theoretischer Sicht denkbar ist, dass eine Gesellschaft über mehrere Orte der Geschäftsleitung verfügen kann, ist die Frage in der Praxis negativ zu beantworten. Die Literatur führt zwar eine Reihe von Beispielen auf, in denen ein Unternehmen mehrere Mittelpunkte der geschäftlichen Oberleitung haben kann106. Angeführt wird etwa als denkbare Konstellation, dass bei Fusionen die Vorstände an den bisherigen Orten tätig sind, so dass zwei Mittelpunkte bestehen. Genannt wird des Weiteren das Beispiel, dass Großunternehmen über gleichberechtigte Vorstände oder Geschäftsführer verfügen, die sich mittels Datentechnik abstimmen, so dass mehrere Mittelpunkte gegeben sind. Auch wird unter anderem das Beispiel räumlich dezentralisierter Vorstände mit vollständig gleichberechtigten und gleichgewichtig tätigen Mitgliedern angeführt. Es handelt sich aber insgesamt um rein theoretische, fiktive Beispiele, die an der Realität vorbeigehen. In der Praxis kommen solche Fälle wohl zungssitz bzw. der registrierte Sitz zu berücksichtigen, wie auch die Umstände, unter denen die Gesellschaft auftrete (Bezeichnung der Rechtsform wie Limited oder ähnliches), vgl. OLG München, NJW 1986, 2197, 2198. Die Rechtsprechung geht allerdings nicht von der Möglichkeit mehrerer Verwaltungssitze aus. Für die ausländische Kapitalgesellschaft, die Partei in einem deutschen Zivilverfahren ist, besteht lediglich eine Beweiserleichterung. Es ist Sache der gegnerischen Partei, die einen abweichenden, effektiven Verwaltungssitz bzw. eine entsprechende Sitzverlegung behauptet, die dafür maßgeblichen Tatsachen voll zu beweisen, vgl. OLG München, NJW 1986, 2197, 2198. 102 BFH, BFH/NV 1998, 434, 435. 103 BFH, BStBl. II 1999, 437, 439. 104 BFH, BFH/NV 2002, 1128, 1129. 105 Az. BFH, IV R 29/02. Vorinstanz war das FG Schleswig-Holstein mit Urteil vom 27.03.2002, EFG 2002, 932, 933, nach dessen Ansicht es nur einen Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung geben kann. Eine Darstellung zur Rechtsprechung des RFH sowie des BFH hinsichtlich der Frage, ob mehrere Orte der Geschäftsleitung möglich sind, findet sich bei Kessler/Müller, IStR 2003, S. 361, 365 f. 106 Vgl. hierzu die Aufzählung von Kessler/Müller, IStR 2003, S. 361, 366.
D. Verwaltungssitz bzw. Ort der Geschäftsleitung
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eher nicht vor, da eine Gleichwertigkeit in jeglicher Hinsicht gegeben sein muss. Dies bedeutet unter anderem, dass eine Gleichrangigkeit der Geschäftsführer, ein gleicher Umfang der Tätigkeit und gleichgewichtige Geschäftsführungsaufgaben vorliegen müssen107. Eine Konstellation, in der zwei oder mehrere gleichgewichtige Geschäftsleitungsstätten existieren, muss daher als untypisch108 und somit als realitätsfern bezeichnet werden. Es handelt sich somit hinsichtlich der Frage, ob aufgrund der zunehmenden internationalen Tätigkeit der Unternehmen diese mehrere Geschäftsleitungsorte innehaben, letztendlich nur um einen theoretischen Streit, der ohne Auswirkungen auf die Praxis bleibt. Auch der I. Senat des BFH drückte sich in seinen Urteilen nur dahingehend aus, dass mehrere Mittelpunkte der geschäftlichen Oberleitung möglich seien. In den zu entscheidenden Fällen spielte diese Frage aber keine Rolle. Letztendlich gelangt man in der Praxis mit der qualitativ-quantitativen Betrachtungsweise zu voraussehbaren und sachgerechten Ergebnissen109. Zudem ist zu berücksichtigen, dass mehrere Geschäftsleitungsorte nicht unbedingt negative steuerliche Konsequenzen verhindern, sondern im Gegenteil sind aus steuersystematischer Sicht mehrere Mittelpunkte der geschäftlichen Oberleitung bei international agierenden Unternehmen unbefriedigend. Es erhöht sich nämlich die Gefahr, dass die Kapitalgesellschaft in mehreren Staaten gleichzeitig der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt. Hierdurch wird das Problem einer internationalen Doppelbesteuerung verschärft110. Der Ort der Geschäftsleitung und damit auch der Verwaltungssitz sind somit auch bei international aktiven Unternehmen an einem einzigen Ort zu lokalisieren111. 107
Kessler/Müller, IStR 2003, S. 361, 365 f. Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, führt in seiner Kommentierung zu Art. 4 OECD-MA aus, dass die Existenz zweier Geschäftsleitungsstätten für grenzüberschreitend tätige Unternehmen eher untypisch ist, vgl. Art. 4 Rn. 98. 109 Frowein, S. 31. 110 Kessler/Müller, IStR 2003, S. 361, 366. 111 Was die Ansicht von Breuninger/Krüger, S. 78, 104 ff., zur Veränderung des Anknüpfungskriteriums im Rahmen der Sitztheorie betrifft, ist anzumerken, dass dieser Lösungsansatz missbrauchsanfällig ist. Durch eine entsprechende Gestaltung kann nämlich erreicht werden, dass die Rechtsordnung des Satzungssitzstaates anwendbar ist und bleibt, wenn dort eine Verwaltungstätigkeit oder eine wesentliche Unternehmenstätigkeit ausgeübt wird. Der hinter der Sitztheorie steckenden Idee, das Recht des effektiven Verwaltungssitzes zur Anwendung zu bringen, wird dadurch nicht in einem ausreichenden Maße Rechnung getragen. Nach der Sitztheorie in ihrer jetzigen Ausgestaltung wird der zugezogenen Kapitalgesellschaft aufgrund des anwendbaren inländischen Gesellschaftsrechts die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft aberkannt, wenn diese ihren tatsächlichen Verwaltungssitz ins Inland verlagert, vgl. 1. Teil B. I. Dies ist demgegenüber nicht der Fall, d.h. ein Wechsel der geltenden Rechtsordnung findet nicht statt, wenn mit einer Vermutung gearbeitet wird, dass sich der effektive Verwaltungssitz am Ort des Satzungssitzes befindet, wenn dort tatsächlich ein Teil der Verwaltung sitzt oder eine wesentliche Unterneh108
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
III. Einfluss moderner Kommunikations- und Verkehrsmittel auf die Lokalisierung Schließlich sind noch die Auswirkungen moderner Kommunikations- und Verkehrsmittel auf die Lokalisierung der Geschäftsleitung bzw. des Verwaltungssitzes zu untersuchen. Der Einsatz moderner Dienstleistungen kann dazu führen, dass Unternehmen nur eine geringe Ortsanbindung aufweisen112. Die erhöhte Mobilität fördert beispielsweise die Tendenz, Geschäftsleitungssitzungen an ständig wechselnden Orten abzuhalten. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die Entwicklung moderner Kommunikationsmittel ebenso die Möglichkeit eröffnet, ein international agierendes Unternehmen zentral von einem Ort aus zu führen. Letztendlich wird also durch die neuen technologischen Möglichkeiten sowohl eine Zentralisierung als auch eine Dezentralisierung der Geschäftsleitung und damit auch des Verwaltungssitzes begünstigt113. Zwar wird in Einzelfällen durch diese Entwicklung die Lokalisierung des Ortes der Geschäftsleitung bzw. des Verwaltungssitzes erschwert. Allerdings ist im Allgemeinen unter Zugrundelegung der Rechtsprechung eine eindeutige Bestimmung möglich114. Eine erhebliche Reduzierung der Komplexität bei der Feststellung des Ortes der Geschäftsleitung und damit des Verwaltungssitzes erfolgt dadurch, dass international agierende Gesellschaften grundsätzlich nicht als Einheitsunternehmen organisiert sind, sondern diese in den einzelnen Staaten durch rechtlich selbständige, mit eigenen Organen der Geschäftsführung ausgestattete Tochtergesellschaften tätig werden. Für diese Tochtereinheiten ist aber separat der Ort der Geschäftsleitung und des Verwaltungssitzes zu bestimmen. Werden Entscheidungen von einem übergeordneten Gremium konzerneinheitlich und nicht von der Geschäftsführung der Tochtergesellschaften getroffen, liegt die Geschäftsleitung nur dann in den Händen des übergeordneten Gremiums, wenn laufend in die Tagespolitik der Gesellschaft eingegriffen wird. Aber selbst wenn dies der Fall sein sollte, ist der Ort der Geschäftsleitung eindeutig zu ermitteln. Er befindet sich dann am Ort der Tätigkeit des Gremiums, des so genannten faktischen menstätigkeit ausgeübt wird. Da sich diese Voraussetzung sehr leicht gestalten lässt, wird die Grundidee der Sitztheorie nicht mehr verwirklicht. Vertritt man daher die Ansicht, dass die Sitztheorie nicht mehr den Erscheinungsformen des modernen, international tätigen Unternehmens gerecht wird, ist die einzig denkbare Alternative die Aufgabe der Sitztheorie und der Übergang zur Gründungstheorie. 112 Seibold, IStR 2003, S. 45, 46 und 49. 113 Vgl. hierzu ausführlich Kessler/Müller, IStR 2003, S. 361, 367 f., welche die Auswirkungen moderner Kommunikations- und Verkehrsmittel auf die Unternehmen und ihre Führung im Einzelnen ausführen. 114 Vgl. hierzu ausführlich Kessler/Müller, IStR 2003, S. 361, 368 f.
E. Maßgeblichkeit des Zivilrechts
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Geschäftsführers115. Auch die wachsende Mobilität hat keine Auswirkungen auf die Bestimmbarkeit des Ortes der Geschäftsleitung bzw. des Verwaltungssitzes. Geschäftsführerentscheidungen auf Dienstreisen finden mangels ortsbezogener Einrichtungen und mangels Dauerhaftigkeit keine Berücksichtigung. Die Situation, dass sich die Geschäftsführer nicht mehr regelmäßig an einem bestimmten Ort aufhalten, sondern ständig unterwegs sind, ist sehr unwahrscheinlich und wird in dieser Form rein tatsächlich in der Praxis nicht auftreten. Sollte der eher fiktive Fall eintreten, dass ein Unternehmen keine oder mehrere Unternehmenszentralen hat, wird sich die Geschäftsführung dennoch mit einer gewissen Regelmäßigkeit an einem bestimmten Ort aufhalten. Zur Lokalisierung des Ortes der Geschäftsleitung und damit des Verwaltungssitzes ist dann zunächst zu ermitteln, durch welche Person tatsächlich die Geschäfte der Gesellschaft geführt werden. Anschließend ist festzustellen, an welchem Ort diese Person ihre Tätigkeit regelmäßig ausübt116. Abschließend ist anzumerken, dass ein multinational geführtes Unternehmen, um unerwünschte Folgen in Form des Eintritts oder des Austritts aus der unbeschränkten Steuerpflicht oder des Wechsels der anwendbaren Rechtsordnung aufgrund der Sitztheorie zu vermeiden, auf eine hohe Stabilität in der Gestaltungspraxis achten und bei problematischen Strukturen vor deren Umsetzung eine Absprache mit der zuständigen Finanzverwaltung halten muss117.
E. Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die steuerliche Anerkennung als Körperschaftsteuersubjekt I. Gesetzliche Regelungen der Körperschaftsteuerrechtssubjektivität Die einschlägigen Vorschriften betreffend die steuerpflichtigen Steuersubjekte i. S. d. des KStG sind die §§ 1 und 2 KStG. Nach § 1 Abs. 1 KStG sind die unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekte in sechs Gruppen eingeteilt, wobei § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG den Begriff der Kapitalgesellschaft als Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien sowie als Gesellschaft mit beschränkter Haftung bestimmt. Dass § 1 Abs. 1 KStG vor der Aufzählung der einzelnen unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Subjekte von Körperschaften, Personenvereinigungen und Ver115 116 117
Kessler/Müller, IStR 2003, S. 361, 368. Kessler/Müller, IStR 2003, S. 361, 368. Prinz, FR 2000, S. 537, 538.
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
mögensmassen spricht, hat für die Bewertung der Subjekteigenschaft keine eigenständige Bedeutung. Ausschlaggebend ist allein, dass einer der sechs Tatbestände eingreift118. Daneben ist Voraussetzung der unbeschränkten Steuerpflicht gem. § 1 KStG, dass sich die Geschäftsleitung oder der Sitz im Inland befindet. Das zuletzt genannte Erfordernis weisen die nach ausländischem Recht errichteten Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung im Inland haben, auf. Ist die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht gegeben, wird entsprechend dem Universalitätsprinzip das Welteinkommen erfasst, § 1 Abs. 2 KStG119. § 2 KStG regelt die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht. Im Gegensatz zu der expliziten Untergliederung der Steuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG, verzichtet § 2 KStG auf eine solche erschöpfende Aufzählung. Er spricht lediglich von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen. Beschränkt steuerpflichtig gem. § 2 Nr. 1 KStG sind diejenigen Gesellschaften, bei denen sich weder der Ort der Geschäftsleitung noch der Sitz im Inland befindet. Die beschränkte Steuerpflicht der Steuerausländer ist nach § 2 Nr. 1 KStG auf ihre inländischen Einkünfte i. S. d. § 49 EStG begrenzt120. Die Vorschrift des § 49 EStG findet über die allgemeine Verweisung des § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG auf das Einkommensteuerrecht Anwendung121. Fraglich ist, inwieweit die gesellschaftsrechtliche Qualifikation für die ertragsteuerliche Einstufung als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 bzw. § 2 KStG maßgebend ist. Hinsichtlich der Qualifikation als Subjekte der Körperschaftsteuer ist zwischen inländischen unbeschränkt steuerpflichtigen und ausländischen beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften zu differenzieren, da die zivilrechtlichen Vorgaben jeweils eine unterschiedliche Rolle in diesem Zusammenhang spielen.
II. Ausschließlicher Inlandsbezug Im Rahmen eines rein inländischen Sachverhalts richtet sich die körperschaftliche Anerkennung nach h. M. im Schrifttum122 und ständiger Finanz118 Streck, in: Streck, § 1 Anm. 3; Herrmann/Klempt, in: H/H/R, § 1 KStG Anm. 19. 119 Hügel, ZGR 1999, S. 71, 76. 120 Herrmann/Klempt, in: H/H/R, § 1 KStG Anm. 6; Hügel, ZGR 1999, S. 71, 77. 121 Kutt, S. 48. 122 Frotscher, S. 187; Herrmann/Klempt, in: H/H/R, § 1 KStG Anm. 19 ff.; Knobbe-Keuk, § 15 II S. 571; Streck, in: Streck, § 1 Anm. 3 f.; Rohde, S. 304; Dinkhoff, S. 163 f.; Schlenker, S. 74.
E. Maßgeblichkeit des Zivilrechts
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rechtsprechung123 ausschließlich nach den in § 1 Abs. 1 KStG bezeichneten zivilrechtlichen Rechtsformen. Es handelt sich hierbei um im Inland errichtete Gesellschaften, deren Geschäftsleitung und Satzungssitz sich in Deutschland befinden. Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung dient das Abstellen auf die zivilrechtliche Rechtsform der zuverlässigen Vorausberechnung der steuerlichen Belastung und somit der Rechtssicherheit. Der Kaufmann kann seinen Entschluss für eine bestimmte Rechtsform auf einer zuverlässigen Grundlage treffen124. Ebenso wie der Begriff der Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG heute nach Ansicht des BFH zivilrechtlich und steuerrechtlich einheitlich zu verstehen ist125, ist auch den zivilrechtlichen Begriffen in der Regelung des § 1 Abs. 1 KStG kein steuerrechtlich eigenständiges Verständnis zugrunde zu legen, was den ausschließlichen Inlandsfall anbelangt. § 1 Abs. 1 KStG knüpft bezüglich inländischer Gesellschaften die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit an die entsprechenden zivilrechtlichen Rechtsformen an. Welche inländischen Körperschaften körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaften sind, ist erschöpfend in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG bestimmt. Dieser rekurriert auf Gesellschaftsformen, welche im deutschen Handels- und Gesellschaftsrecht explizit geregelt sind. Es sind dies die AG, die KGaA und die GmbH. Diese Begriffe stellen so genannte primäre Rechtsbegriffe bzw. Nominaldefinitionen dar mit der Folge, dass sich ihre Bildung nach den Festsetzungen des jeweiligen Gesetzgebers richtet126. Diese Aufzählung des § 1 Abs. 1 KStG ist abschließend und weder einer erweiternden Auslegung zugänglich noch analogiefähig. Die Subjektqualifikation ist daher durch eine strikte Rechtsformabhängigkeit gekennzeichnet. 123 RFH, RFHE 54, 94, 96; BFH, BStBl. III 1959, 50 f.; BFH, BStBl. III 1959, 369, 371; BFH, BStBl. II 1971, 187, 188; BFH GrS, BStBl. II 1984, 751, 757 f.; BFH, BStBl. II 1987, 308, 309 f. 124 BFH, BStBl. III 1959, 50 f.; BFH, BStBl. II 1971, 187, 188. 125 BFH GrS, BStBl. II 1984, 751, 768; BFH, BStBl. II 1985, 363, 364; BFH, BStBl. II 1988, 62, 63; BFH, BStBl. II 1993, 538, 540; BFH, BStBl. II 1994, 282, 284; BFH BStBl. II 1996, 66, 67. Demgegenüber war nach der früheren Rechtsprechung des BFH ausschließlicher Bewertungsmaßstab für die Einschlägigkeit des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG das Vorliegen einer sog. Mitunternehmerschaft, unabhängig davon, ob ein Gesellschaftsverhältnis bestand, BFH, BStBl. II 1975, 498, 499; BFH, BStBl. II 1976, 332, 335. Diesbezüglich hat sich allerdings eine Änderung der Rechtsprechung vollzogen, so dass nunmehr geprüft werden muss, ob die Beteiligten zivilrechtlich als Gesellschafter zu betrachten sind. Hinsichtlich des Gesellschaftsbegriffs rekurriert der BFH auf die Vorschrift des § 705 BGB, es findet also eine zivilrechtliche Interpretation statt, BFH GrS, BStBl. II 1984, 751, 768; BFH, BStBl. II 1994, 282, 284. Eine davon abweichende Ansicht in der Literatur stellt demgegenüber allein auf das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft ab, vgl. Rohde, S. 307; Kluge, S. 279. 126 Herz, S. 175.
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
Bei einem ausschließlichen Inlandsbezug ist es dem Gesetzgeber möglich, die verschiedenen Gesellschaftstypen zum alleinigen Tatbestandsmerkmal eines Steuergesetzes zu machen. Das KStG nennt die einzelnen möglichen Steuersubjekte ausdrücklich. Ein Auslegungsbedarf bzw. eine planwidrige Regelungslücke besteht demzufolge nicht, auch wenn im Verhältnis zu den in § 1 Abs. 1 KStG genannten Organisationsformen vergleichbare Gesellschaften vorliegen127. Es ist allein die zivilrechtliche Rechtsform als Kapitalgesellschaft ausschlaggebend, weshalb sich auch die so genannte kapitalistische KG nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG subsumieren lässt. Auf vergleichbare Gesellschaften ist § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nach Ansicht der finanzgerichtlichen Rechtsprechung128 und der Literatur129 wegen der mit der abschließenden Regelung angestrebten Rechtssicherheit nicht anwendbar. Dem Gesellschaftsgründer wird dadurch die Möglichkeit der steuerlichen Vorausplanung gewährt. Es unterliegt seiner freien Entscheidung, durch die entsprechende Wahl der Organisationsform die Körperschaftsteuerpflicht der Gesellschaft auszulösen. Dem Steuerpflichtigen wird seitens des Gesetzgebers die Möglichkeit eröffnet, die ihm am vorteilhaftesten erscheinende Rechtsform zu wählen130. Die steuerliche Einordnung in den Dualismus zwischen Einkommensteuer und Körperschaftsteuer unterliegt seiner Disposition, je nachdem, ob er eine im Rahmen des § 1 Abs. 1 KStG aufgeführte bürgerlich-rechtliche Organisationsform oder den Gesellschaftstyp der Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bevorzugt. Die Auslegung des § 1 Abs. 1 KStG im Rahmen der rein inländischen Konstellation anhand der Wertungen des Privatrechts wird in den meisten Fällen zu demselben Ergebnis wie eine steuerrechtlich eigenständige, wirtschaftliche Betrachtungsweise gelangen, da dem Gesetzgeber bei der Regelung der Körperschaftsteuersubjekte die wirtschaftlich in Frage kommenden Typusmerkmale bewusst waren131. Allerdings können die wirtschaftliche und die zivilrechtliche Beurteilung divergieren, wenn im Inland neue Arten von Gesellschaften entstehen, die der Gesetzgeber im Körperschaftsteuerrecht nicht berücksichtigt hat. Auch in solchen Fällen ist mit der h. M. im Schrifttum und nach der Ansicht der Rechtsprechung im Gegensatz zu ei127 Herrmann/Klempt, in: H/H/R, § 1 KStG Anm. 19 ff.; Streck, in: Streck, § 1 Anm. 3 f. und 12; Kluge, S. 279; Grotherr, Internationales Steuerrecht, S. 139; Frotscher, S. 187; Knobbe-Keuk, § 15 II S. 571; Rohde, S. 304; Dinkhoff, S. 163 f.; BFH GrS, BStBl. II 1984, 751, 757 f. 128 BFH, BStBl. III 1959, 50 f.; BFH GrS, BStBl. II 1984, 751, 757 f. 129 Hermann/Klempt, in: H/H/R, § 1 KStG Anm. 20; Herz, S. 186; Raupach, S. 72 ff. 130 BFH, BStBl. III 1959, 50, 51. 131 Herz, S. 259 f.; Zisowski, S. 55.
E. Maßgeblichkeit des Zivilrechts
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ner hiervon abweichenden Literaturmeinung132 allein auf die abschließende Aufzählung in § 1 Abs. 1 KStG abzustellen. Andernfalls wäre die mit der erschöpfenden Benennung angestrebte Rechtssicherheit nicht mehr gewährleistet. Zudem ist in Bezug auf Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber explizit nur die inländischen Kapitalgesellschaftsformen als körperschaftsteuerfähig qualifiziert. Würde eine der inländischen Kapitalgesellschaftsarten vergleichbare Gesellschaft unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG subsumiert, würde man damit die im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG getroffene gesetzgeberische Entscheidung, an die zivilrechtliche Rechtsform anzuknüpfen, unterlaufen133. Für rein inländische Gesellschaften ist die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG auf die deutschen Kapitalgesellschaftsformen begrenzt. Demgegenüber besteht im Körperschaftsteuergesetz weder in Bezug auf die unbeschränkte noch hinsichtlich der beschränkten Steuerpflicht der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften eine ausdrückliche Regelung dahingehend, welche ausländischen Gesellschaftsformen im Einzelnen Körperschaftsteuersubjekte sein können.
III. Beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaften Erzielt eine ausländische Kapitalgesellschaft, deren Sitz und Geschäftsleitung sich im Ausland befindet, im Inland Einkünfte, so genannter InboundFall, stellt sich in ertragsteuerlicher Hinsicht die Frage, ob diese Gesellschaft als selbständiges Steuersubjekt nach dem Körperschaftsteuergesetz zu bewerten ist134. Beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaften i. S. d. § 2 Nr. 1 KStG können nur solche Gesellschaften sein, die weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland haben. Voraussetzung ist nach § 2 Nr. 1 KStG, dass es sich um eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse handelt. Im Gegensatz zu § 1 Abs. 1 KStG werden im Rahmen des § 2 Nr. 1 KStG die einzelnen in Betracht kommenden Steuersubjekte nicht explizit aufgezählt, sondern es werden lediglich Oberbegriffe genannt, die allerdings mit denen des § 1 Abs. 1 KStG übereinstimmen. Diese fehlende Einzelbezeichnung ergibt sich daraus, dass unter § 2 Nr. 1 KStG auch nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaften fallen können. Aus noch darzulegenden Gründen135 hat der Gesetzgeber die ausländischen Gesell132 133 134
Zisowski, S. 55. Vgl. BFH GrS, BStBl. II 1984, 751, 757 f. Schnittker/Lemaitre, GmbHR 2003, S. 1314.
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
schaftstypen nicht im Einzelnen ins Gesetz aufgenommen. Eine Übernahme der Begriffe des Privat- bzw. Gesellschaftsrechts der rein inländischen Konstellation auf den Fall der beschränkten Steuerpflicht kommt nicht in Betracht, da die Vorschriften der ausländischen Rechtsordnung für ihre Gesellschaftstypen naturgemäß eine andere, d.h. eine ausländische, Bezeichnung beinhalten als das innerstaatliche Recht für die inländischen Gesellschaftsrechtsformen136. Auch kann die ausländische Bezeichnung nicht als bloße Übersetzung der deutschen Bezeichnungen angesehen werden. Selbst Gesellschaftstypen, die als Grundmuster universell verbreitet sind, bieten nämlich wegen der partikularistischen Ausgestaltung kein einheitliches Bild137. Dass Kapitalgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland dennoch grundsätzlich körperschaftsteuerfähig sein müssen, wird aus der Vorschrift des § 2 Nr. 1 KStG deutlich138. Es stellt sich daher die Frage, nach welchen Kriterien ausländische Gesellschaften, die ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung im Ausland haben und im Inland geschäftsaktiv sind, steuerlich einzuordnen sind. Vorliegend sollen jedoch nur ausländische Kapitalgesellschaften näher betrachtet werden, weshalb sich die Fragestellung konkret darauf bezieht, in welchen Fällen im Ausland rechtsfähige Kapitalgesellschaften, die inländische Einkünfte erzielen, als Subjekte der deutschen Körperschaftsteuer anzuerkennen sind. 1. Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit nach der lex fori Hinsichtlich der nach inländischem Recht gegründeten und im Inland ansässigen Gesellschaften ist für körperschaftsteuerrechtliche Zwecke der Begriff der Kapitalgesellschaft abschließend in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG definiert. Diese erschöpfende Aufzählung bezieht sich aber nur auf inländische Gesellschaften. Zu der Frage, welche ausländischen Kapitalgesellschaftsformen im Inland im Einzelnen körperschaftsteuertauglich sind, schweigt der deutsche Gesetzgeber. Es kann, wie später noch zu klären sein wird, vom Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht erwartet werden, die verschiedenen ausländischen Kapitalgesellschaftstypen entsprechend der Bezeichnung ihrer Landessprache zum Tatbestandsmerkmal eines deutschen Steuergesetzes zu machen139. 135
Siehe hierzu 1. Teil E. III. 1. Herz, S. 202. 137 Pott, Kollision, S. 69. 138 Schlenker, S. 74. 139 Zisowski, S. 30 f.; Dinkhoff, S. 155 ff.; Haase, Steuer & Studium 2003, S. 198, 201; vgl. dazu 1. Teil E. III. 1. b. bb. 136
E. Maßgeblichkeit des Zivilrechts
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Die Bewertung ausländischer Kapitalgesellschaften als beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Subjekte gem. § 2 Nr. 1 KStG hat vielmehr nach absolut h. M. im Schrifttum140 und Ansicht der finanzgerichtlichen Rechtsprechung141 unter Zuhilfenahme der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG aufgeführten deutschen Kapitalgesellschaftsformen zu erfolgen. Der Gesetzgeber hatte bei der Fassung des § 1 Abs. 1 KStG nur die deutschen zivil- und handelsrechtlichen Organisationsformen vor Augen und wollte diesbezüglich aus Gründen der Rechtssicherheit eine abschließende Regelung schaffen. Ausländische Körperschaften und die vorliegend eine Rolle spielenden ausländischen Kapitalgesellschaften mussten demgegenüber von einer solchen erschöpfenden Aufzählung ausgenommen bleiben. Hinsichtlich beschränkt steuerpflichtiger ausländischer Kapitalgesellschaften wird dies durch die Regelung des § 2 Nr. 1 KStG deutlich. Wenn ausländische Gesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland nach dieser Regelung ebenfalls körperschaftsteuerfähig sein können, § 2 Nr. 1 KStG die Körperschaftsteuersubjekte im Einzelnen aber nicht nennt, sondern nur die identischen Oberbegriffe wie § 1 Abs. 1 KStG verwendet, müssen diese Oberbegriffe i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG ausgelegt werden. Der Regelungsbereich des § 2 Nr. 1 KStG bezieht sich unmittelbar nur auf die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht. Für die Beurteilung der Körperschaftsteuersubjektivität muss auf die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zurückgegriffen werden. Die Maßgeblichkeit des Zivilrechts in Form der strikten rechtsformabhängigen Besteuerung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG kann bezüglich der nach ausländischem Recht errichteten Gesellschaften, die im Inland keinen international-privatrechtlichen Anknüpfungspunkt haben, keine Rolle spielen142. Es handelt sich um ausländische Gesellschaftstypen, welche im Gegensatz zu den inländischen Rechtsformen im Körperschaftsteuergesetz nicht aufgeführt sind. Hinsichtlich solcher ausländischer Gesellschaften, welche ein ausländisches Gesellschaftsstatut besitzen, ist die Beurteilung der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit allein von der Rechtsordnung des ausländischen Staates abhängig143. Dies hat für die zivilrechtliche, international-privatrechtliche Wertung zur Folge, dass die nach ausländischem Recht verliehene Rechtsfähigkeit auch im Inland anzuerkennen ist. Es bedarf insoweit 140
Knobbe-Keuk, § 15 IV S. 574; Wassermeyer, S. 83, 88 f.; Rohde, S. 305 f.; Dinkhoff, S. 157 ff.; Grotherr, Internationales Steuerrecht, S. 139 ff. 141 RFH, RFHE 27, 73, 80. Das Gericht stellt darauf ab, ob die ausländische Gesellschaft mehr dem Typ der Personengesellschaft oder der Kapitalgesellschaft entspricht. 142 Aigner/Kofler, IStR 2003, S. 570 und 573, bezogen auf die österreichische Rechtslage; Dinkhoff, S. 157; Rohde, S. 305 f.; Wassermeyer, S. 83, 89 f.; RFH, RFHE 27, 73, 75; BFH, BStBl. II 1992, 972, 973. 143 BFH, BStBl. II 1992, 972, 973.
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
keines gesonderten Anerkennungsaktes von Kapitalgesellschaften, die im Ausland rechtsfähig sind. Sie werden ipso iure nach der deutschen Rechtsordnung als rechtsfähige Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts beurteilt144. Die Rechtspersönlichkeit von Auslandsgesellschaften wird von vornherein auf der Grundlage des für sie maßgebenden Rechts anerkannt145. Werden keine territorialen Grenzen überschritten, ist somit die Rechtsordnung des ausländischen Gründungsstaates ausschlaggebend. Fraglich ist, ob diese Anerkennung der ausländischen Kapitalgesellschaft in zivilrechtlicher Hinsicht auf ihre Qualifikation als Körperschaftsteuersubjekt durchschlägt. Diese Schlussfolgerung wird zum Teil gezogen146. Nach dieser Ansicht wäre jede im Inland als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts zu bewertende ausländische Gesellschaft, die inländische Einkünfte bezieht, ein Subjekt der deutschen Körperschaftsteuer. Diesem Ansatz kann nicht gefolgt werden. Zwar besitzen ausländische Kapitalgesellschaften ihre Rechtsfähigkeit auch im Inland, sie sind als rechtsfähige Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts ohne besondere Anerkennung zu respektieren. Unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten ist jedoch zu berücksichtigen, dass die steuerrechtsfähigen Kapitalgesellschaften durch einen Klammerzusatz in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG aufgezählt sind. Es sind dies die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Regelung des § 1 KStG betrifft die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht. Im Rahmen des § 2 Nr. 1 KStG sind dann zwar nicht diese Begrifflichkeiten, aber der jeweilige Typus der Gesellschaft maßgebend. Dies gilt zumindest dann, wenn die Körperschaftsteuerrechtssubjektivität sich nach deutschem Recht entscheidet, was der h. M. in der Literatur147 und der Ansicht der Rechtsprechung148 entspricht. Dieser Meinung ist zu folgen. Nach der so genannten lex fori Qualifikation sind ausländische Kapitalgesellschaften, die im Inland der beschränkten Steuerpflicht unterliegen können, für Zwecke der Einordnung in den Dualismus zwischen der Besteuerung der Gesellschaft selbst mit Körperschaftsteuer und der Einkommensbesteuerung der Gesellschafter nach deutschem Recht zu qualifizieren149. Lex fori bedeutet die steuerrechtliche Bewertung nach Maßgabe des eigenen innerstaatlichen Rechts. Der Gegensatz dazu bildet die lex causae Betrachtung150. 144
Zisowski, S. 34; Dinkhoff, S. 157. Zimmer, ZHR 168 (2004), S. 355, 358. 146 Hintzen, DStR 1971, S. 327, 331 ff. 147 Wurster, FR 1980, S. 588; Vogel, StuW 1982, S. 286, 288; Herrmann/Klempt, in: H/H/R, § 1 KStG Anm. 101 und 103; Wassermeyer, S. 83, 89; Zisowski, S. 34 ff.; Dinkhoff, S. 157 ff.; Kluge, S. 279 f. 148 RFH, RFHE 27, 73, 78 f.; BFH, BStBl. II 1968, 695, 696. 149 Wurster, FR 1980, S. 588; Kluge, S. 280. 145
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Die lex fori Auslegung stellt auch eine „Maxime der Doppelbesteuerungsabkommen“ dar. Dies kommt in der Regelung des Art. 3 Abs. 2 OECD-Musterabkommen zum Ausdruck. Hierdurch wird wiederum deutlich, dass die Wahrung der eigenen Souveränität im Vordergrund steht, die es auch im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen zu schützen gilt. Die nationale Finanz- und Steuerhoheit sind essentielle Bestandteile dieser Souveränität151. Nach der Gegenansicht kommt es demgegenüber für die Beurteilung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit auf die international-privatrechtliche Anerkennung als Kapitalgesellschaft an152. Als Begründung hierfür wird unter anderem § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG herangezogen, wonach der Begriff der juristischen Person bürgerlich-rechtlicher Natur und unabhängig davon sei, ob die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit durch eine inländische oder ausländische Rechtsordnung verliehen worden sei. Bestätigt sieht sich diese Auffassung, welche die im Inland anerkannten juristischen Personen des Auslands ausnahmslos nach dem Körperschaftsteuergesetz besteuern will, durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.01.1962153. a) Verhältnis zwischen Zivil- und Steuerrecht in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung vom 24.01. 1962 die enge Verbundenheit zwischen Privat- und Steuerrecht hervorgehoben, insbesondere wenn das Steuerrecht Begriffe des Privat- bzw. Gesellschaftsrechts verwendet154. Dieses Urteil hat aber nicht notwendigerweise zur Konsequenz, wie zum Teil155 allerdings angenommen wird, dass jede ausländische Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland als Körperschaftsteuersubjekt zu qualifizieren ist. Unter den Voraussetzungen einer sachlich hinreichenden Rechtfertigung schließt das Bundesverfassungsgericht156 eine vom Zivilrecht unabhängige Wertung nicht aus. In der Entscheidung vom 26.03.1969157 führte das Bundesverfassungsgericht aus, 150
Vogel, StuW 1982, S. 286, 293. Herz, S. 111 f. 152 Hintzen, DStR 1971, S. 327, 331 ff. Eine ausführliche Darstellung des Meinungsstreits findet sich bei Herz, S. 207 ff. und Dinkhoff, S. 158 ff. 153 BVerfG, BVerfGE 13, 331. 154 BVerfG, BVerfGE 13, 331, 340. 155 Hintzen, DStR 1971, S. 327, 331; Zisowski, S. 34, weist insoweit darauf hin, dass bei Zugrundelegung der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts alle ausländischen Kapitalgesellschaften als inländische Körperschaftsteuersubjekte anzusehen wären. 156 BVerfG, BVerfGE 13, 331, 340. 151
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
dass es von Verfassungs wegen nicht geboten sei, dass die Finanzgerichte unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung und der Vorhersehbarkeit der Steuerbelastung die steuerrechtlichen Begriffe und Institute stets und ausschließlich entsprechend ihrem bürgerlich-rechtlichen Gehalt auslegten. Es betont dabei auch, dass das Steuerrecht in erster Linie fiskalischen Zwecken diene. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, welche die Besonderheiten der tatsächlichen Gestaltung und den Zweck der Steuernorm beachte, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts zur vorrangigen Stellung des Zivilrechts über das Steuerrecht hat sich zudem geändert, wie insbesondere durch den Beschluss vom 27.12.1991158 deutlich wird. In dieser Entscheidung äußerte sich das Bundesverfassungsgericht dahingehend, dass selbst wenn im Rahmen einer Steuerrechtsnorm dem Zivilrecht entlehnte Tatbestandsmerkmale enthalten seien, keine Vermutung dafür bestehe, dass diese steuerrechtlichen Begriffe einheitlich mit dem Zivilrecht auszulegen seien. Das Zivilrecht und das Steuerrecht stellten nebengeordnete, gleichrangige Rechtsgebiete dar, die denselben Sachverhalt aus einer anderen Perspektive und unter anderen Wertungsgesichtspunkten beurteilten. Die Interpretation der steuerrechtlichen Tatbestandsmerkmale bestimme sich daher nach dem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Sinn und Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung. Die wissenschaftliche Diskussion innerhalb des Schrifttums hinsichtlich des Verhältnisses von Steuer- und Zivilrecht zeigt zwei grundsätzliche Tendenzen. Zum einen wird vertreten, dass das Steuerrecht den zivilrechtlichen Begriffen eine eigenständige Bedeutung beimessen dürfe, zum anderen wird von einem Primat des Zivilrechts über das Steuerrecht ausgegangen159. Nach der jetzigen h. M.160 wird allerdings nicht mehr von einer Vorrangstellung des Zivilrechts gegenüber dem Steuerrecht ausgegangen. b) Argumente für eine lex fori Qualifikation Die besseren Argumente sprechen für den Weg, den die h. M. im Schrifttum und die Rechtsprechung gehen, nämlich die steuerrechtliche Behandlung einer ausländischen Kapitalgesellschaft nach den Wertungen der deutschen Steuergesetze zu beurteilen. 157
BVerfG, BVerfGE 25, 309, 313. BVerfG, BStBl. II 1992, 212, 213 f. 159 Vgl. die Darstellung dieses Meinungsstreites bei Loritz, Rn. 41 ff.; Herz, S. 34 ff. und Schlenker, S. 83 f. 160 Tipke, S. 43 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, § 1 Rn. 19; Kirchhof, in: Kirchhof, Einleitung Rn. 57; Jakob, Rn. 38; Herz, S. 184; Schlenker, S. 83 f. 158
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aa) Wahrung der innerstaatlichen Souveränität Erzielt eine ausländische Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland inländische Einkünfte, unterliegt sie der Besteuerung durch den deutschen Fiskus. Folglich muss sich auch nach deutschem Steuerrecht entscheiden, ob die ausländische Gesellschaft beschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist oder ob die Gesellschafter der Einkommensteuer unterliegen. Die Bundesrepublik muss die Problematik, ob eine körperschaftsteuerfähige Gesellschaft oder eine Mitunternehmerschaft vorliegt, autonom nach der eigenen Rechtsordnung lösen können161. Könnte der ausländische Staat durch seine gesellschaftsrechtlichen Qualifikationen über die Art der Besteuerung im Inland bestimmen, wäre die Kompetenz der Bundesrepublik hinsichtlich der inländischen Besteuerung angegriffen. Letztlich bestimmten dann die Vorschriften der ausländischen Rechtsordnung darüber, ob ausländische Rechtsträger als Subjekte der deutschen Körperschaftsteuer zu qualifizieren sind. Dies widerspräche aber dem Souveränitätsprinzip162. Die herausragende Rolle der Besteuerungsgewalt wird dadurch deutlich, dass Staatsgewalt ohne öffentlichen Finanzen nicht möglich ist. Folglich hat die Besteuerungsgewalt keinen Selbstzweck. Sie gewährleistet vielmehr die Souveränität des Staates, verstanden als höchste Gewalt nach innen und völkerrechtliche Unabhängigkeit nach außen163. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Bundesrepublik Deutschland ein Staat ist, welcher den für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Finanzbedarf im Wesentlichen durch Steuern deckt. Daher erweist sich die Besteuerungsgewalt als ein sehr sensibles Instrument164. Bei einer unterschiedslosen ertragsteuerlichen Qualifikation ausländischer Kapitalgesellschaften als Subjekte der deutschen Körperschaftsteuer bestünde die Gefahr, dass ausländisches Gesellschaftsrecht zielgerecht dazu eingesetzt wird, ausländische öffentliche Interessen durchzusetzen. Das ausländische Gründungsrecht könnte nämlich eine entsprechende rechtliche Ausgestaltung seiner Gesellschaftstypen, d.h. die Verleihung der Rechtspersönlichkeit, vor dem Hintergrund vornehmen, um in anderen Staaten einen bestimmten steuerlichen Status seiner Gesellschaften zu erreichen. Die Entscheidung darüber, ob eine Gesellschaft, die inländische Einkünfte erzielt, in Deutschland körperschaftsteuerpflichtig ist, träfe dann der ausländische Gründungsstaat165. 161 162 163 164 165
Wassermeyer, S. 83, 89. Arendt, StuW 1959, Sp. 381, 389 f. Lehner, S. 263, 264. Lehner, S. 263, 265. Vgl. Großfeld, S. 53; Dinkhoff, S. 159 f.; Kluge, S. 280; Herz, S. 208.
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
Dieselbe Problematik bestünde auch dann, wenn nicht auf die ausländische Privatrechtsordnung, sondern auf die ausländische Steuerrechtsordnung zur Bestimmung der inländischen Körperschaftsteuerfähigkeit zurückgegriffen würde166. Da sich aus den genannten Gründen die Besteuerung der inländischen Einkünfte nach deutschem Steuerrecht richten muss, kann die ausländische steuerliche Behandlung nicht von Bedeutung sein. Für die ertragsteuerliche Qualifikation im Inland spielt es somit keine Rolle, ob die ausländische Gesellschaft in ihrem Gründungsstaat selbst mit ihren Gewinnen als Steuersubjekt der Besteuerung unterliegt oder ob die Gewinne bei den Gesellschaftern besteuert werden. Ausländische Kapitalgesellschaften sind demzufolge nicht ausnahmslos als körperschaftsteuerfähig einzuordnen, vielmehr sind die leitenden Gedanken des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts heranzuziehen. In diesem Sinne wurde bereits vom RFH in dem Venezuela Urteil167 entschieden. Der RFH bewertete eine venezolanische Personengesellschaft als nicht körperschaftsteuerfähig, sondern unterwarf ihre Gesellschafter als Mitunternehmer der deutschen Einkommensteuer, obwohl die betreffende Gesellschaft eine juristische Person nach venezolanischem Recht darstellte, die als solche privatrechtlich im Inland anerkannt war. Auch nach Ansicht des BFH ist hinsichtlich der Frage der Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit deutsches Steuerrecht anzuwenden168. Die Steuersubjektqualifikation anhand innerstaatlicher Grundsätze verletzt auch nicht die Souveränität des jeweiligen ausländischen Staates. Es besteht weder ein Territorialprinzip noch ein Verbot der Doppelbesteuerung. Völkerrechtlich erfordert die Besteuerungsgewalt lediglich einen inländischen Bezug bzw. ein Anknüpfungsmerkmal. Nur insoweit wird der Steuerhoheit eines Staates Rechnung getragen169. bb) Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung Die Einordnung der ausländischen Gesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt allein anhand der innerstaatlichen Steuerrechtsordnung entspricht auch dem Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung. Knüpfte man nämlich die ertragsteuerliche Bestimmung an die Wertungen der ausländischen 166 Vgl. Herz, S. 204 ff. Nach der Ansicht von Herrmann, RIW 2004, S. 445, 447, kann die steuerliche Behandlung der ausländischen Gesellschaft im ausländischen Staat aber als Vergleichsgrundlage herangezogen werden. Es handelt sich danach um eines von mehreren Einordnungskriterien. 167 RFH, RFHE 27, 73, 78 f. 168 BFH, BStBl. II 1968, 695, 696. 169 Herz, S. 110.
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Rechtsordnung an, sei es in Form der Privatrechtsordnung oder der Steuerrechtsordnung, bestünde die Gefahr, dass die Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft steuerlich anders als diejenige an einer inländischen Gesellschaft behandelt würde. Ausländische Kapitalgesellschaften würden dann, je nach ihrer rechtlichen Ausgestaltung im Ausland, als Subjekte der Körperschaftsteuer bewertet, auch wenn sie unter innerstaatlichen gesellschaftsrechtlichen Gesichtspunkten eher einer Personengesellschaft vergleichbar sind. Die an ihnen beteiligten Inländer erzielten dann Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, allerdings erst im Falle von Ausschüttungen. Ist derselbe Inländer demgegenüber noch daneben bzw. statt dessen an einer inländischen Personengesellschaft beteiligt, so unterliegt er als Mitunternehmer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG der Einkommensteuer. Wirtschaftlich gleiche Verhältnisse würden demzufolge steuerlich ungleich behandelt. Dies stünde in Widerspruch zum Gebot der gleichmäßigen Besteuerung170. Dieser Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung wird aus Art. 3 Abs. 1 GG hergeleitet171. Der allgemeine Gleichheitssatz spielt eine große Rolle für das Steuerrecht. In ständiger Rechtsprechung leitet das Bundesverfassungsgericht den Grundsatz der Steuergerechtigkeit aus Art. 3 Abs. 1 GG172 und aus diesem Gebot den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ab. Das im allgemeinen Gleichheitssatz verankerte Gebot der Steuergerechtigkeit verlangt nach der Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Steuerlasten auf die Steuerpflichtigen im Verhältnis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verteilt werden173. Es wird also eine so genannte Belastungsgleichheit verlangt174. Durch die Regelung in Art. 134 WRV kam der Gedanke einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung explizit in der Verfassung zum Ausdruck175. Diese Bestim170 Dinkhoff, S. 157 ff., insbesondere S. 160; Herrmann/Klempt, in: H/H/R, § 1 KStG Anm. 103; Zisowski, S. 35 f.; Wurster, FR 1980, S. 588; Kluge, S. 280. Der vom RFH, RFHE 27, 73, 78, angeführte maßgebliche Gesichtspunkt der Verwirklichung des Grundsatzes, wirtschaftlich gleiche Verhältnisse nach Möglichkeit auch steuerlich gleich zu behandeln, spielt somit auch auf der Grundlage heutigen Verfassungsrechtes unter dem Bonner Grundgesetz eine Rolle. Das Gebot der gleichmäßigen Besteuerung war zum Zeitpunkt der Entscheidung verfassungsrechtlich in Art. 134 WRV verankert, vgl. Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rn. 82. 171 Dinkhoff, S. 160. 172 BVerfG, BVerfGE 6, 55, 70; 9, 237, 244; 13, 181, 202; 13, 290, 298; 21, 12, 27; 23, 242, 253; 26, 302, 310; 35, 324, 335; 36, 321, 330; 43, 108, 118; 47, 1, 29; 49, 343, 360; 50, 386, 391; 61, 319, 343; 65, 325, 354; 66, 214, 223. 173 BVerfG, BVerfGE 8, 51, 68 f.; 43, 108, 118 ff.; 47, 1, 29; 55, 274, 302; 61, 319, 343 f.; 66, 214, 223; 68, 143, 152 f.; 82, 60, 86 f.; vgl. zum Leistungsfähigkeitsprinzip auch Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rn. 81 ff. 174 Wilk, S. 143. 175 Schön, StuW 2004, S. 62, 66.
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
mung lautete: „Alle Bürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei“176. Das Bonner Grundgesetz enthält keine solche Spezialnorm, weshalb Art. 3 Abs. 1 GG Ausgangsnorm für das Gebot einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung ist177. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt eine Verletzung des Gleichheitsgebots i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG dann vor, wenn gegen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und damit gegen die Steuergerechtigkeit verstoßen wird178. Es kann daher von dem Leistungsfähigkeitsprinzip als einem verfassungsrechtlichen Prinzip gesprochen werden179. Das Bundesverfassungsgericht umschreibt in seiner Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit der Kinderfreibeträge das Leistungsfähigkeitsprinzip dahingehend, dass in horizontaler Hinsicht darauf abgezielt werden müsse, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern180. Ergeben sich für wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte unterschiedliche Besteuerungskonsequenzen, wird ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip angenommen181. Das juristische Verständnis des Leistungsfähigkeitsprinzips lässt sich somit in der Formel „gleiche Besteuerung gleicher wirtschaftlicher Sachverhalte mit gleicher Belastungswirkung“ zusammenfassen182. Die Besteuerung durch direkte Steuern ist am Leistungsfähigkeitsprinzip auszurichten183. Es geht hierbei um die Grenzen bei den Modalitäten der Besteuerung, d.h. um das „Wie“ einer Steuer, als einem der Aspekte der verfassungsrechtlichen Grenzen der Besteuerung. Der Gesetzgeber muss unter besonderer Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes die Steuergesetze verfassungsgemäß ausgestalten. Im Rahmen der Gesetzesanwendung müssen Rechtsprechung und Verwaltung die Steuergesetze verfassungsgemäß interpretieren184. 176
Vgl. hierzu Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rn. 82. Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rn. 82; Schön, StuW 2004, S. 62, 66 f. 178 BVerfG, INF 1990, 359. 179 So z. B. Loritz, StuW 1986, S. 9, 15; List, BB 1999, S. 981, 984; Vogel, S. 361, 365; ders., in: DStJG Band 12, S. 123, 141. 180 BVerfG, BVerfGE 82, 60, 89. In vertikaler Richtung, so das Bundesverfassungsgericht, müsse die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen. 181 Schnittker, StuW 2004, S. 39, 42. 182 Vgl. Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rn. 84; in diesem Sinne auch Jachmann, S. 9, 14 f. 183 Loritz/Wagner, BB 1991, S. 2266, 2268. 184 Loritz, NJW 1986, S. 1, 2, 5 und 8. Neben dieser verfassungsrechtlichen Grenze der Besteuerung kann vor dem Hintergrund des Verfassungsrechts auch rele177
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Die lex fori Betrachtung gewährleistet, dass ausländische Sachverhalte steuerlich wie die entsprechenden inländischen Sachverhalte beurteilt werden. Diese Qualifikation trägt damit dem Grundsatz, dass wirtschaftlich vergleichbare Tatbestände gleich zu behandeln sind, Rechnung. Demgegenüber wäre bei einer Übernahme der gesellschaftsrechtlichen Wertungen der ausländischen Rechtsordnung im Rahmen der steuerlichen Beurteilung die Möglichkeit einer steuerlichen Ungleichbehandlung der Anteilseigner gegeben. Trotz der Vergleichbarkeit beispielsweise mit einer deutschen Personengesellschaft würden Beteiligte an einer ausländischen Gesellschaft, die von ihrem Heimatrecht gesellschaftsrechtlich als juristische Person qualifiziert wird, steuerliche Einkünfte einer anderen Einkunftsart als die Beteiligten an einer inländischen Personengesellschaft erzielen. Die ertragsteuerliche Einordnung ausländischer Gesellschaften mit Satzungssitz und Geschäftsleitung im Ausland muss somit wegen des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung anhand des deutschen Steuerrechts erfolgen. Diese Argumentation ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass im Bereich der ausländischen Gesellschaftsrechtsordnung besondere Schwierigkeiten auftreten können, da personalistisch strukturierte Gesellschaften häufig als juristische Personen behandelt werden. Beteiligte an solchen Gesellschaften würden dann in ertragsteuerlicher Hinsicht anders als diejenigen behandelt werden, die an von ihrer Struktur her vergleichbaren inländischen Personengesellschaften beteiligt sind. Zudem kann mit der lex fori Qualifikation im Rahmen der ausländischen Gesellschaftsformen untereinander eine Gleichbehandlung hinsichtlich der inländischen steuerlichen Beurteilung der Einkünfte der Anteilseigner sichergestellt werden. Unabhängig von der jeweiligen ausländischen Rechtsordnung und der jeweiligen Ausgestaltung der Gesellschaftstypen werden die im Inland steuerpflichtigen Einkünfte der Anteilseigner an allen Gesellschaften ausländischen Rechts in steuerlicher Hinsicht wie die Einkünfte der Beteiligten an den entsprechenden inländischen Gesellschaftsformen bewertet. Der verfassungsrechtliche Gleichheitsgedanke in Form der gleichmäßigen Besteuerung wäre ebenso in Frage gestellt, wenn nicht die ausländische Gesellschaftsrechts-, sondern die Steuerrechtsordnung des ausländischen Staates für die steuerliche Qualifikation der im Inland steuerpflichtigen Einvant sein, ob das Erheben einer bestimmten Steuer oder Abgabe überhaupt zulässig ist. Des Weiteren kann eine Rolle spielen, ob die Höhe der Steuerbelastung verfassungsgemäß ist, vgl. hierzu Loritz, NJW 1986, S. 1, 2 ff. und 9 f. Diese beiden Gesichtspunkte sind aber bei der hier im Raume stehenden Frage, ob wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte steuerlich gleich behandelt werden, nicht von Bedeutung. Es geht lediglich um die verfassungsrechtlichen Grenzen bei den Modalitäten der Besteuerung.
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
künfte herangezogen würde. Maßgebend für die ertragsteuerliche Behandlung der Einkünfte der Anteilseigner wäre dann die steuerliche Einstufung der Gesellschaft in ihrem Gründungsstaat. Im Inland steuerpflichtige Einkünfte müssen jedoch ausschließlich nach dem deutschen Steuerrecht beurteilt werden. Ob die ausländische Gesellschaft von ihrem Gründungsrecht ertragsteuerlich als selbständiges Steuersubjekt eingeordnet wird oder ob die Gewinne von den Gesellschaftern zu versteuern sind, kann demgegenüber keine Rolle spielen. Zudem ist die mögliche steuerliche Ungleichbehandlung der Anteilseigner auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass es Steuerrechtsordnungen gibt, die personalistisch strukturierten Gesellschaften die Möglichkeit eröffnen, für die Körperschaftsteuer zu optieren185. Den inländischen Personengesellschaften steht demgegenüber trotz vergleichbarer Struktur eine solche Option nicht offen. Dieser Umstand verdeutlicht, dass der Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung wirtschaftlich vergleichbarer Sachverhalte der Übernahme der ausländischen steuerlichen Behandlung entgegensteht. Abschließend ist noch anzumerken, dass auch für den Fall, dass es sich um einen ausländischen Anteilseigner handelt und dieser im Inland steuerpflichtig ist, der Gedanke der leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung eine Rolle spielt und daher gleichfalls eine Einstufung mittels des deutschen Steuerrechts zu erfolgen hat. Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist nämlich auch einem beschränkt Steuerpflichtigen gegenüber zu beachten186. cc) Bedeutung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG Die ertragsteuerliche Wertung auf der Grundlage des internationalen Privatrechts stünde auch nicht im Einklang mit der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Ausschlaggebend für das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft ist, unabhängig davon, ob es sich um eine inländische oder ausländische Gesellschaft handelt, dass eine Gesellschaft gem. § 705 BGB gegeben ist. Auch im Inland als rechtsfähig zu beurteilende Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts können somit, falls der Typenvergleich im Hinblick auf ein Körperschaftsteuersubjekt negativ ausfällt, unter die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG fallen. Würde die zivilrechtliche Anerkennung auf die Bestimmung der Körperschaftsteuerfähigkeit durchgreifen, wäre ein Widerspruch zu § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gegeben187. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG hätte dann näm185
Vgl. Herz, S. 203 ff.; Wassermeyer, S. 83, 86 f. BVerfG, BVerfGE 43, 1, 8; vgl. zum Leistungsfähigkeitsprinzip und beschränkt Steuerpflichtigen auch Vogel, S. 361, 370 f. 187 Wassermeyer, S. 83, 89. 186
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lich für die ausländischen Gesellschaften, die im Ausland als juristische Person eingestuft werden, keine Bedeutung, auch wenn sie eher dem Typ der inländischen Personengesellschaft als dem der inländischen Kapitalgesellschaft entsprächen. Durch eine entsprechende Wahl der ausländischen Gesellschaftsform, mit der inländische Einkünfte erzielt werden sollen, könnte somit die Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG für ausländische Gesellschaften außer Kraft gesetzt werden, obwohl in steuerlicher Hinsicht bei Zugrundelegung des Typenvergleichs eine Gesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und kein Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 KStG vorläge. dd) Beachtung steuerrechtlicher Grenzsetzungen Zudem ist zu berücksichtigen, dass die zivilrechtliche ipso iure Anerkennung im Inland unter anderem dem Zweck internationaler Entscheidungsharmonie dient. Entscheidend für die Bejahung der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit im Inland ist allein ein formelles Merkmal, nämlich dass der Gesellschaft im Ausland die Rechtsfähigkeit verliehen worden ist. Strukturelle Unterschiede spielen bei dieser Lehre der automatischen Anerkennung keine Rolle, sie werden im Regelfall dem Bereich privater Gestaltungsfreiheit zugeordnet. Im Bereich des Steuerrechts ist jedoch zu beachten, dass die privatrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten mehr Einschränkungen unterliegen, wie sich positivrechtlich auch aus den Vorschriften der §§ 39 ff. AO ergibt. Konsequenterweise müssen dann auch für ausländische privatrechtliche Rechtsformen und Gestaltungen dieselben steuerlichen Grundsätze gelten188. Im Einklang mit der Venezuela Entscheidung des RFH189 sind folglich aufgrund der lex fori Betrachtung die im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG genannten Kapitalgesellschaftsformen hinsichtlich der Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland als Typenbegriffe zu verstehen190. 2. Anwendung des Rechtstypenvergleichs Die Frage der Körperschaftsteuersubjektivität einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft, deren Sitz und Geschäftsleitung sich im Gründungsstaat befinden, ist, wie gerade dargestellt, durch eine inländische steuerrechtliche Würdigung, unabhängig von der Zivil- bzw. Steuer188 189 190
Großfeld, S. 51 ff.; Dinkhoff, S. 159. RFH, RFHE 27, 73. Pott, Kollision, S. 77; Kluge, S. 280.
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rechtsordnung des ausländischen Staates, zu beantworten. Die Rechtsprechung191 und nahezu das gesamte steuerrechtliche Schrifttum192 wenden den so genannten Rechtstypenvergleich an. a) Inhalt des Rechtstypenvergleichs Der Typenvergleich wurde vom RFH in der Venezuela Entscheidung193 entwickelt. Eine ausländische Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland, die inländische Einkünfte erzielt, ist hiernach gem. § 2 Nr. 1 KStG beschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie bei einer Gesamtwürdigung der ausländischen Bestimmungen nach den rechtlichen Organisationsmerkmalen und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung einem der in § 1 Abs. 1 KStG aufgezählten Körperschaftsteuersubjekte vergleichbar ist. Aufgrund dieser Heranziehung der ausländischen Rechtsordnung für den Typenvergleich wird deutlich, dass diese für die Einordnung der ausländischen Gesellschaft als inländisches Körperschaftsteuersubjekt nicht völlig bedeutungslos ist. Die ausländischen Vorschriften sind vielmehr insoweit maßgeblich, als diese den für den Vergleich erforderlichen Typus liefern194. Entspricht die ausländische Gesellschaft mehr dem Typ der Personengesellschaft, scheidet die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit aus. Es ist dann zu untersuchen, ob die Voraussetzungen für eine Mitunternehmerschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gegeben sind. Weist die ausländische Kapitalgesellschaft im Rahmen der Gesamtwürdigung nach dem Recht ihres Heimatstaates über die Organisation und Struktur eine den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG genannten Rechtsformen vergleichbare kapitalistische Organisationsstruktur auf, kann die ausländische Kapitalgesellschaft innerhalb des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingeordnet werden195. Sie ist dann als inländische körperschaftsteuerfähige Kapitalgesellschaft anzusehen, allerdings mit der Einschränkung, dass keine unbeschränkte Steuerpflicht 191
RFH, RFHE 27, 73, 78 f.; BFH, BStBl. II 1968, 695, 696. Wassermeyer, S. 83, 89 f.; Herrmann/Klempt, in: H/H/R, § 1 KStG Anm. 103; Bornheim, in: H/H/R, § 2 KStG Anm. 24; Rohde, S. 305 f.; KnobbeKeuk, § 15 IV S. 574; Zisowski, S. 35 f.; Dinkhoff, S. 162 f.; Grotherr, Internationales Steuerrecht, S. 139 f. 193 RFH, RFHE 27, 73, 78 f. 194 Herz, S. 205. 195 Rohde, S. 305 f.; Dinkhoff, S. 162 f.; Knobbe-Keuk, § 15 IV S. 574; Grotherr, Internationales Steuerrecht, S. 139 f.; Zisowski, S. 35 f.; Frotscher, S. 187 f.; RFH, RFHE 27, 73, 78 ff. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch im Ausland ansässige ausländische Personengesellschaften bei einem entsprechenden Vergleich mit einem der in § 1 Abs. 1 KStG bezeichneten Körperschaftsteuersubjekte aufgrund der steuerlich eigenständigen Beurteilung als im Inland körperschaftsteuerpflichtig gelten. 192
E. Maßgeblichkeit des Zivilrechts
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i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG, sondern nur eine beschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Nr. 1 KStG gegeben ist. Die Einordnung als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG kann auch nicht wegen der erschöpfenden Aufzählung und der Begrenzung auf die inländischen Kapitalgesellschaftsformen abgelehnt werden. Diese abschließende enumerative Aufzählung bezieht sich aus den oben genannten Gründen nur auf inländische, nicht auf ausländische Gesellschaften. Zudem wird ohnehin nur eine Vergleichbarkeit und keine Gleichheit mit den inländischen Rechtsformen verlangt, weshalb eine Subsumtion unter den Katalog des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unproblematisch erscheint196. Scheitert mangels Vergleichbarkeit mit einer deutschen Kapitalgesellschaft die Einstufung als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, besteht im Falle der Entsprechung immer noch die Möglichkeit der Körperschaftsteuertauglichkeit der ausländischen Kapitalgesellschaft gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2–5 KStG197. b) Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung Der Typenvergleich verstößt auch nicht gegen den Grundsatz, wirtschaftlich gleiche Verhältnisse nach Möglichkeit auch steuerlich gleich zu behandeln, sondern stellt diesen vielmehr, wie bereits dargestellt wurde, erst sicher198. Einer Ansicht199 zufolge wird jedoch gegen dieses Gebot verstoßen, wenn bei einer inländischen Gesellschaft auf einen solchen Typenvergleich verzichtet wird. Diese Meinung lehnt nicht den Rechtstypenvergleich bezüglich der ausländischen Kapitalgesellschaften ab, sondern möchte diesen vielmehr auf inländische Gesellschaften ebenfalls anwenden. Es wird auf den Beispielsfall einer inländischen GmbH & Co. KG verwiesen, die nicht als Körperschaftsteuersubjekt anerkannt wird. Demgegenüber würde eine aus dem Ausland stammende entsprechende Gesellschaft wegen ihrer den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG aufgeführten Kapitalgesellschaftsformen vergleichbaren kapitalistischen Organisationsstruktur als beschränkt körperschaftsteuerpflichtig eingeordnet. Wirtschaftlich gleiche Verhältnisse würden demzufolge in steuerlicher Hinsicht einer unterschiedlichen Behandlung unterliegen. Wie bereits dargestellt wurde, muss bei inländischen Gesellschaften für die Einordnung im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG allein auf die dort 196 197 198 199
Haase, Steuer & Studium 2003, S. 198, 199. Grotherr, Internationales Steuerrecht, S. 139 f. Vgl. 1. Teil E. III. 1. b. bb. Zisowski, S. 55 f.
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
genannten gesellschaftsrechtlichen Rechtsformen abgestellt werden200. Der deutsche Gesetzgeber konnte seine Entscheidung, die zivilrechtlichen Rechtsformen als Subjekte der Körperschaftsteuer einzuordnen, hinsichtlich der daraus resultierenden steuerlichen Folgen überblicken. Die einzelnen Organisationsformen waren ihm in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht geläufig201. Aus Gründen der Rechtssicherheit beschränkte er die Körperschaftsteuereigenschaft auf die in § 1 Abs. 1 KStG bezeichneten Gesellschaften. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise würde allerdings grundsätzlich zu dem identischen Ergebnis gelangen202. Wenn sich nach diesem gesetzgeberischen Akt neue Gesellschaftstypen entwickeln, die kapitalistische Züge aufweisen, so können diese dennoch nicht als Subjekte der Körperschaftsteuer qualifiziert werden. Andernfalls würde die mit der abschließenden Aufzählung angestrebte Rechtssicherheit sowie die im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG getroffene gesetzgeberische Entscheidung, an zivilrechtliche Rechtsformen anzuknüpfen, unterlaufen203. Deshalb ist bei einem Vergleich der nach inländischem Recht gegründeten und im Inland ansässigen Gesellschaften miteinander die mögliche Ungleichbesteuerung wirtschaftlich gleicher Verhältnisse gerechtfertigt. Auch bei einem Vergleich mit ausländischen Gesellschaften, die ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung im Ausland haben, ist eine bei einer wirtschaftlichen Sichtweise sich eventuell ergebende steuerliche Ungleichbehandlung gerechtfertigt. Der deutsche Gesetzgeber konnte und kann die einzelnen ausländischen Kapitalgesellschaften nicht explizit im Gesetz als Körperschaftsteuersubjekte aufzählen. Dies resultiert nicht aus dem Umstand, dass es eine große Vielfalt an ausländischen Gesellschaften gibt, die von ihrer Struktur her mit den deutschen Gesellschaften verglichen werden müssten. Es war und ist für den nationalen Gesetzgeber nicht unmöglich, für die einzelnen ausländischen Gesellschaften eine dem § 1 Abs. 1 KStG entsprechende besondere Bestimmung über deren steuerliche Behandlung zu treffen. Eine solche generelle steuerliche Zuordnung und Integration ausländischer Gesellschaften in ein deutsches Steuergesetz wäre wegen deren Vielfalt für den deutschen Gesetzgeber zwar mit praktischen Problemen verbunden. Diese praktischen Schwierigkeiten würden sich auch im Hinblick darauf verschärfen, dass die Rechtsentwicklung in den ausländischen Staaten beobachtet werden müsste. 200
Vgl. 1. Teil E. II. RFH, RFHE 27, 73, 78; Herz, S. 241 f. 202 Zisowski, S. 55; Herz, S. 260. Ausgenommen sind allerdings die Grenzfälle, wie z. B. die Einmann-Kapitalgesellschaft, die trotz ihrer personalistischen Züge vom BFH, BStBl. III 1959, 369, 371, als Körperschaftsteuersubjekt anerkannt wird, vgl. auch Herz, S. 193 ff. 203 Vgl. 1. Teil E. II. 201
E. Maßgeblichkeit des Zivilrechts
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Dennoch stellt die Aufnahme der Gesellschaften ausländischen Rechts in das Körperschaftsteuergesetz keine unlösbare Aufgabe dar204. Die ausdrückliche gesetzliche Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit der einzelnen ausländischen Gesellschaftsformen kann vielmehr deshalb nicht erfolgen, weil sie im Widerspruch zur notwendigen lex fori Betrachtung stünde. Würden bestimmte ausländische Gesellschaftstypen ins Körperschaftsteuergesetz aufgenommen werden, würde nicht mehr das deutsche Steuerrecht über die inländische Besteuerung entscheiden, sondern das ausländische Gesellschaftsrecht des Gründungsstaates der Gesellschaft. Dieser Widerspruch zur erforderlichen lex fori Beurteilung würde sich verstärken, wenn berücksichtigt wird, dass der deutsche Gesetzgeber seine Entscheidung über die Aufnahme der ausländischen Gesellschaftsformen nur anhand ihrer gesetzlichen Ausgestaltung treffen könnte, die gesetzlichen Regelungen jedoch grundsätzlich eine vom gesetzlichen Leitbild abweichende gesellschaftsvertragliche Ausgestaltung zulassen. Je nachdem, wie flexibel dieses Recht ist, kann die gesellschaftsvertragliche Vereinbarung sehr weit vom gesetzlichen Idealtypus abweichen. Trotz der Tatsache, dass für ausländische Kapitalgesellschaften eine explizite Aufzählung wegen der erforderlichen lex fori Qualifikation nicht möglich ist, müssen diese, wie sich aus § 2 Nr. 1 KStG ergibt, beschränkt körperschaftsteuerpflichtig und damit körperschaftsteuerfähig sein. Der hierbei vorzunehmende Rechtstypenvergleich stellt eine sachgerechte Kompromisslösung dar, der den unterschiedlichen in- und ausländischen Interessen gerecht wird. Wollen inländische Gesellschaftsgründer eine bestimmte steuerliche Rechtsfolge herbeiführen, können sie die Wahl der zivilrechtlichen Rechtsform ohne Unsicherheit treffen. Entweder soll die Gesellschaft selbst Körperschaftsteuersubjekt der Gewinne sein, dann muss die Entscheidung auf eine der in § 1 Abs. 1 KStG bezeichneten Gesellschaftsformen fallen oder die Gesellschafter selbst sollen der Besteuerung unterliegen. In letzterem Fall dürfen die Gesellschaftstypen des § 1 Abs. 1 KStG nicht gewählt werden. Entfaltet eine ausländische Gesellschaft im Inland Geschäftsaktivität, muss eine steuerrechtlich eigenständige Würdigung bezüglich der Steuersubjektfähigkeit erfolgen, da es keine dem § 1 Abs. 1 KStG vergleichbare Vorschrift gibt. Zusammenfassend kann hinsichtlich ausländischer Kapitalgesellschaften, die ihren Satzungssitz und ihre Geschäftsleitung im Ausland haben, festgehalten werden, dass sich die Frage der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit nach der Rechtsordnung des ausländischen Staates richtet. Die Tatsache allerdings, dass die ausländische Gesellschaft als Kapitalgesellschaft ausländi204 So argumentieren aber etwa Kluge, S. 280; Haase, Steuer & Studium, 2003, S. 198, 201 und Debatin, BB 1990, S. 1457, 1458.
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1. Teil: Gesellschaftsrechtlicher Hintergrund
schen Rechts auch im Inland zu respektieren ist, führt nicht zu einer unterschiedslos steuerlichen Behandlung als beschränkt steuerpflichtiges Körperschaftsteuersubjekt gem. § 2 Nr. 1 KStG. Vielmehr ist für jeden Einzelfall unter Zugrundelegung des Typenvergleichs zu untersuchen, ob die ausländische Gesellschaft einem Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG entspricht.
2. Teil
Körperschaftsteuersubjektfähigkeit der nach ausländischem Recht gegründeten grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften A. Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung ins Inland unter Beibehaltung des satzungsmäßigen Sitzes im Ausland Der grenzüberschreitende Umzug ausländischer Kapitalgesellschaften löst in steuerlicher Hinsicht zunächst die Frage nach ihrer Eigenschaft, Steuersubjekte i. S. d. des KStG zu sein, aus. Entweder werden sie steuerlich als Personengesellschaften eingeordnet und die Gesellschafter werden entsprechend dem Transparenzprinzip mit Einkommensteuer besteuert oder sie werden als Körperschaftsteuersubjekte anerkannt, demzufolge die Gesellschaft selbst nach dem Trennungsprinzip der Körperschaftsteuer unterliegt1. Es geht also um die Einordnung dieser grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts in den Dualismus zwischen der Besteuerung der Gesellschafter mit Einkommensteuer und der Besteuerung der Gesellschaft nach dem Körperschaftsteuergesetz. Die Eckpfeiler des dualistischen Systems der Besteuerungsformen sind § 1 KStG und § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG2. Die Frage nach der Körperschaftsteuertauglichkeit ausländischer Gesellschaften ist generell schwierig zu beantworten, da das deutsche KStG keine explizite Regelung enthält, welche ausländischen Organisationsformen als Körperschaftsteuersubjekte im Inland zu werten sind. Mangels Erwähnung der ausländischen Gesellschaftsformen im Körperschaftsteuerrecht ergibt sich für diese Gesellschaften ausländischen Rechts ein Subsumtionsproblem3. Dies gilt sowohl bezüglich der unbeschränkten als auch hinsichtlich der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Hinsichtlich der beschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekte ist seit der Venezuela Entscheidung des RFH eine Einordnung i. S. d. § 2 Nr. 1 KStG unter Anwendung 1 2 3
Frotscher, S. 186; Haase, Steuer & Studium 2003, S. 198. Pott, Kollision, S. 71. Vgl. Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 29.
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
des Rechtstypenvergleichs möglich. Der grenzüberschreitende Umzug der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften ins Inland wirft jedoch die Frage der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG auf. Ebenso wie das Einkommensteuerrecht folgt auch das Körperschaftsteuergesetz in § 1 Abs. 1 KStG dem Wohnsitzprinzip, wonach für die unbeschränkte Steuerpflicht einer Körperschaft deren Sitz und/oder Ort der Geschäftsleitung ausschlaggebend ist4. Im Hinblick auf ausländische Gesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland, deren beschränkte Steuerpflicht i. S. d. § 2 Nr. 1 KStG zur Entscheidung steht, ist die nach ausländischem Recht erlangte Rechtsfähigkeit auch im Inland anzuerkennen und es entspricht der h. M. im Schrifttum und der Ansicht der Rechtsprechung, dass sich die Frage der Körperschaftsteuersubjektivität, unabhängig von der Rechtsfähigkeit im Inland als Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts, nach dem Typenvergleich richtet5. Eine steuerliche Wertung als Körperschaftsteuersubjekt ist insofern unproblematisch, da § 2 Nr. 1 KStG keine bestimmte Gesellschaftsform als Voraussetzung für die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht nennt. Nach dem Rechtstypenvergleich muss lediglich eine entsprechende Vergleichbarkeit der ausländischen Gesellschaft mit einem der in § 1 Abs. 1 KStG aufgezählten Körperschaftsteuersubjekte gegeben sein. Demgegenüber bereiten bezüglich ausländischer Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung sowohl die Frage nach ihrer Rechtsfähigkeit als auch die Frage, nach welchen Kriterien sich die Körperschaftsteuerfähigkeit bestimmt, größere Schwierigkeiten als im Vergleich zu ausländischen Kapitalgesellschaften, deren Geschäftsleitung und Satzungssitz sich im Ausland befinden. Die steuerliche Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung wird zwar als Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erfasst. Problematisch in Bezug auf grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts ist aber, dass die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG in einem Klammerzusatz explizit als Körperschaftsteuersubjekte nur die AG, die KGaA und die GmbH nennt. Verlegt eine nach einer ausländischen Rechtsordnung gegründete Kapitalgesellschaft den Ort ihrer Geschäftsleitung nach Deutschland, erfüllt diese zumindest das räumliche Anknüpfungsmerkmal der Geschäftsleitung im Inland gem. § 1 Abs. 1 KStG. Fraglich ist daher, ob sie als Subjekt der Körperschaftsteuer zu qualifizieren ist, d.h. ob sie unter den Katalog des § 1 Abs. 1 KStG subsumiert werden kann. Insbesondere die Einordnung der zugezogenen Kapitalgesellschaft im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 4 KStG bereitet Schwierigkeiten. Gemeinsames Kennzeichen der in § 1 4 5
Crezelius, DStR 1997, S. 1712. Vgl. 1. Teil E. III. 1.
A. Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung ins Inland
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Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 KStG bezeichneten Organisationsformen ist die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit, d.h. ihre Eigenschaft als juristische Person6. Die zivilrechtliche Frage der Rechtsfähigkeit ist bei einer grenzüberschreitenden ausländischen Kapitalgesellschaft nach den Regelungen des internationalen Gesellschaftsrechts zu lösen. In steuerlicher Hinsicht stellt sich die Frage, ob sich die Körperschaftsteuertauglichkeit einer solchen grenzüberschreitenden Gesellschaft nach den zivilrechtlichen Vorgaben zu richten hat, d.h. ob die zivilrechtlichen Begriffe im Zivil- und Steuerrecht einheitlich auszulegen sind, oder ob eine vom Zivilrecht unabhängige, rein steuerrechtliche Wertung möglich ist. Unabhängig davon, ob europarechtliche Implikationen dazu führen, dass die zivilrechtliche und die steuerrechtliche, d.h. wirtschaftliche, Betrachtungsweise zu einem identischen Ergebnis gelangen, soll das problematische Verhältnis zwischen Zivil- und Steuerrecht im Rahmen der Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften geklärt werden. Aber auch der gemeinschaftsrechtliche Einfluss hinsichtlich der steuerrechtlichen Einordnung einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung soll aufgezeigt werden. Dabei kann sich das Gemeinschaftsrecht in zweifacher Weise auf die Frage der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit auswirken. Einmal sind gemeinschaftsrechtliche Einflüsse auf das Steuerrecht schon bei einer zivilrechtlichen Interpretation des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG denkbar. Zum anderen ist die Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit vor dem Hintergrund des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbotes zu untersuchen.
I. Maßgeblichkeit des Zivilrechts für die steuerliche Anerkennung als Körperschaftsteuersubjekt Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung weisen zwar das für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG erforderliche alternative Anknüpfungskriterium auf. Die Einordnung in den Dualismus zwischen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer bereitet hinsichtlich grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften aber einige Schwierigkeiten. Während ausländische Kapitalgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland unstrittig auch im Inland als rechtsfähige Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts anzuerkennen sind und lediglich darüber diskutiert wird, ob sich die körperschaftsteuerliche Subjektfähigkeit nach der deutschen oder ausländischen Rechtsordnung beurteilt, besteht bezüglich ausländischer Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung und ausländischem Satzungssitz eine andere zivil6
Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 Rn. 32.
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
rechtliche Ausgangssituation. Die steuerrechtliche Eingruppierung grenzüberschreitender ausländischer Kapitalgesellschaften muss vor dem Hintergrund ihrer zivilrechtlichen Einordnung betrachtet werden. Wie sich aus den Vorschriften der §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 278 Abs. 1 AktG, 13 Abs. 1 GmbHG ergibt, besteht das Wesen der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG aufgezählten Kapitalgesellschaftsformen darin, dass sie über eine eigene zivilrechtliche Rechtspersönlichkeit verfügen7. Die von der Person der Gesellschafter unabhängige Rechtspersönlichkeit der juristischen Person bedeutet, dass diese unbegrenzt Träger von Rechten und Pflichten sein kann8. Fraglich ist, ob auch nach ausländischem Recht errichteten Kapitalgesellschaften nach Verlegung ihrer Geschäftsleitung ins Inland eine solche Rechtspersönlichkeit zugute kommt bzw. eine solche für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit erforderlich ist. Es geht somit unter anderem um die gesellschaftsrechtliche Diskussion der Anerkennung einer ausländischen Gesellschaft als im Inland rechtsfähige Kapitalgesellschaft. Von der Beantwortung dieser Fragen hängt ab, ob grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts überhaupt unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 KStG subsumiert werden können. Von besonderem Interesse für die zugezogenen Kapitalgesellschaften ist es auch, ob sie, wie die inländischen Kapitalgesellschaftsformen, die explizit von der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erfasst sind, ertragsteuerlich unter diese Norm eingeordnet werden können. An die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG knüpfen nämlich einige steuerliche Vorteile an9. Der Verlust der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft kann daraus resultieren, dass aufgrund des angenommenen Gleichlaufs eine Verlegung der Geschäftsleitung auch gleichzeitig eine Verlegung des Verwaltungssitzes beinhaltet10. Bei einer Verlagerung des Verwaltungssitzes ins Inland müssen nämlich die Auswirkungen der Sitztheorie berücksichtigt werden11. Unter Berücksichtigung des Einflusses des europäischen Gemeinschaftsrechts muss danach differenziert werden, ob die ausländische Gesellschaft infolge der Verlegung ihrer Geschäftsleitung in ein anderes Land nach dem Recht ihres Gründungsstaates die Rechtsfähigkeit verliert. Diese Unterscheidung kann sich ebenfalls im Rahmen der Bestimmung des ertragsteuerlichen Status dieser grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts auswirken. Die Fähigkeit solcher Gesellschaften, Steuersubjekte i. S. d. Kör7
Birk, IStR 2003, S. 469. Aber auch Personengesellschaften sind in gewissem Umfang Träger von Rechten und Pflichten und insoweit rechtsfähig, vgl. Pusill-Wachtsmuth, S. 52. 9 Vgl. hierzu 4. Teil A. I. 1. b. 10 Vgl. 1. Teil D. I. 11 Eilers/Wienands, IStR 1999, S. 289, 291. 8
A. Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung ins Inland
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perschaftsteuergesetzes zu sein, hängt nämlich bei einer strengen zivilrechtlichen Sichtweise nicht mehr unbedingt von dem durch das nationale Zivilrecht vorgegebenen Ergebnis ab. Es besteht vielmehr aufgrund der Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH die Notwendigkeit, die beiden möglichen Konstellationen, nämlich dass der Gesellschaft infolge ihres Wegzugs die Rechtsfähigkeit von ihrem Gründungsstaat aberkannt wird bzw. die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft weiterhin nach der ausländischen Rechtsordnung fortbesteht, getrennt zu untersuchen. 1. Gründungsstaat ermöglicht einen identitätswahrenden Zuzug ins Inland Hinsichtlich der Frage, ob die Rechtsfähigkeit einer im EU-Ausland gegründeten Kapitalgesellschaft nach ihrem Umzug im Inland fortbesteht, spielt es unter anderem eine Rolle, nach welcher Rechtsordnung sich die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit nach einer Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland bestimmt12. Je nachdem, ob das ausländische Gesellschaftsrecht des Gründungsstaates weiterhin anwendbar ist oder ob die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften des Zuzugsstaates nach dem Umzug gelten, kann die Gesellschaft weiterhin eine rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts sein oder nicht. Es sind demnach die Grundsätze des internationalen Gesellschaftsrechts des Wegzugs- und des Zuzugsstaates heranzuziehen. Wie bereits dargelegt, stehen sich die Sitztheorie und die Gründungstheorie gegenüber13. Grundsätzlich sind bei einer Sitzverlegung immer das Kollisions- und Sachrecht des Wegzugs- und des Zuzugsstaates zu beachten14. Es ist demnach eine Differenzierung zwischen dem Kollisions- und dem Sachrecht notwendig. Das Kollisionsrecht entscheidet über das anwendbare Recht. Dagegen regelt das für anwendbar erklärte Sachrecht die Rechtsfolgen einer Sitzverlegung. Bei einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung gelangen hinsichtlich des grenzüberschreitenden Aktes als solchem sowohl das Sachrecht des Wegzugs- als auch dasjenige des Zuzugsstaates zur Anwendung. Nach dem Sachrecht des Wegzugsstaates entscheidet sich, ob der Wegzug einer Gesellschaft zu deren Auflösung führt und nach dem Sachrecht des Zuzugsstaates ist maßgeblich, ob der Zuzug eine Neugründung erforderlich macht15. Ein identitätswahrender Umzug bei einer Verlegung des Verwal12
Frotscher, S. 188 f. Vgl. 1. Teil B. 14 Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 6; Michalski, NZG 1998, S. 762, 764; Kösters, NZG 1998, S. 241, 243. 15 Grundmann, § 22 Rn. 756 f. 13
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
tungssitzes ins Ausland hängt somit von der Rechtsordnung des Emigrationsstaates und von derjenigen des Immigrationsstaates ab. Identitätswahrung bedeutet, dass die Gesellschaft trotz der Grenzüberschreitung die rechtliche Kontinuität als Kapitalgesellschaft wahrt16. a) Kollisions- und sachrechtliche Folgen Nach den Regeln der Sitztheorie beurteilt sich die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft nach der Rechtsordnung des Staates, in dem sich der Verwaltungssitz einer Gesellschaft befindet. Auch Deutschland gilt als ein Vertreter der Sitztheorie17. Voraussetzung für das Bestehen als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ist demzufolge, dass die umgezogene Gesellschaft ausländischen Rechts nach inländischem Recht diese Rechtsfähigkeit erlangt hat. Die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft muss sich, wenn sie ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt, neu gründen, um zivilrechtlich die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft zu erlangen. Diese Neugründungspflicht ergibt sich aber nur mittelbar aus der Sitztheorie. Entscheidend ist vielmehr, dass auf die ausländische Kapitalgesellschaft das nationale Gesellschaftsrecht des neuen Verwaltungssitzstaates Deutschland zur Anwendung gelangt18. Es muss somit zwischen dem Kollisionsrecht und dem Sachrecht differenziert werden. Die Sitztheorie als die kollisionsrechtliche Ebene bewirkt einen Wechsel des Personalstatuts, d.h. die Gesellschaft untersteht nun der Rechtsordnung des Zuzugsstaates, in den der Verwaltungssitz verlegt worden ist. Das Sachrecht umfasst die materiellen Normen, welche die rechtliche Behandlung ausländischer Gesellschaften regeln19. Somit führt die Sitztheorie, welche vom Zuzugsstaat Deutschland vertreten wird, zwar dazu, dass das Sachrecht des Zuzugsstaates, d.h. inländisches Gesellschaftsrecht, zur Anwendung gelangt20. Jedoch führt die Geltung der Sitztheorie nicht selbst dazu, dass der 16
Frowein, S. 11. Siehe hierzu oben 1. Teil B. I. 18 Rohde, S. 4, 9 f., 27, 44, 215 und 223; Kruse, S. 186 f. Nach der Ansicht von Behrens, RIW 1986, S. 590, 591 ff., ist, unabhängig von der Geltung der Sitztheorie in Deutschland, eine identitätswahrende Sitzverlegung ins Inland möglich. Der Fortbestand der Rechtspersönlichkeit sei von zwei Voraussetzungen abhängig. Zum einen müsse der Inhalt des Gesellschaftsvertrages bzw. der Satzung der Gesellschaft dem deutschen Gesellschaftsrecht entsprechen. Zum anderen müsse die Gesellschaft ins Handelsregister eingetragen werden. Allerdings hänge ein identitätswahrender Zuzug ins Inland auch davon ab, ob ein identitätswahrender Wegzug aus dem Emigrationsstaat möglich sei. 19 Krug, S. 151; Rohde, S. 8 f.; Kruse, S. 186. 20 Dinkhoff, S. 112; Rohde, S. 4, 9 f. und 27. 17
A. Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung ins Inland
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zugezogenen Gesellschaft im Inland die Anerkennung als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts versagt wird. Dieser Umstand resultiert unmittelbar aus den Anforderungen, welche das deutsche Gesellschaftsrecht stellt. Die inländische Gesellschaftsrechtsordnung ist vom Prinzip des numerus clausus der Gesellschaftsformen bestimmt, d.h. es können keine neuen Gesellschaftsformen im Wege privatautonomer Gestaltung geschaffen werden21. Eine ausländische Kapitalgesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz erfüllt nicht die Voraussetzungen, die in Deutschland für die Erlangung der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft erforderlich sind. Das deutsche Gesellschaftsrecht macht die Erlangung der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft von einer Registereintragung abhängig, wie sich aus den §§ 41 Abs. 1 Satz 1, 1 Abs. 1 Satz 1 AktG bzw. §§ 11 Abs. 1, 13 Abs. 1 GmbHG ergibt. Diese Registereintragung erfolgt aber nur dann, wenn die einzelnen Gründungsvoraussetzungen der inländischen Gesellschaftsrechtsordnung erfüllt worden sind. Da eine nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt hat, diesen Anforderungen des Zuzugsstaates nicht entspricht, ist sie keine rechtsfähige Kapitalgesellschaft inländischen Rechts22. Um diese Rechtsfähigkeit zu erlangen, müsste sich die zugezogene Gesellschaft in Deutschland neu gründen, wobei die Gründungsvorschriften der inländischen Kapitalgesellschaftsformen beachtet werden müssten. Die im Inland vertretene Sitztheorie führt somit nur mittelbar, nämlich dadurch, dass sie auf das Sachrecht des Zuzugsstaates Deutschland verweist, in dem sich nach der Grenzüberschreitung der Verwaltungssitz befindet, zum Erfordernis der Neugründung. Unmittelbar ergibt sich diese Konsequenz aufgrund der Anforderungen, welche das deutsche Gesellschaftsrecht an eine rechtsfähige Kapitalgesellschaft stellt23. Die Erlangung der Rechtsfähigkeit als juristische Person bedeutet somit eine Pflicht zur Neugründung im Inland unter rechtlicher Diskontinuität24. Als Ergebnis kann somit festgehalten werden, dass unter der Geltung der Sitztheorie in Deutschland die ausländische Kapitalgesellschaft, welche über einen inländischen Verwaltungssitz verfügt, aufgrund der Anforderungen des deutschen Gesellschaftsrechts keine rechtsfähige inländische Kapitalgesellschaft ist. Sie wird im Inland aber auch nicht als eine rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts respektiert. Zwar bleibt die Gesellschaft nach dem Recht des Gründungsstaates, wenn dieser die Verlegung des Verwaltungssitzes ohne den Verlust der Rechtsfähigkeit zulässt, weiter21 22 23 24
Rohde, S. 10. BGH, BGHZ 97, 269, 271 f.; Rohde, S. 10 f., 215 und 223; Dinkhoff, S. 112. Rohde, S. 4, 10, 27, 44, 215 und 223. Pott, S. 259, 261.
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
hin rechtsfähig, jedoch wird dies nicht berücksichtigt, wenn der Mitgliedstaat, in den der Verwaltungssitz verlegt wurde, der Sitztheorie folgt. Aufgrund des Statutenwechsels wird die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft dem inländischen Gesellschaftsrecht unterstellt25. b) Gesellschaftsrecht des Wegzugsstaates erkennt die Rechtsfähigkeit nicht ab Zunächst wird die Variante betrachtet, dass im Gründungsstaat, in dem sich nach wie vor der Satzungssitz befindet, keine Regelungen bestehen, die den Verlust der Rechtsfähigkeit bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland zur Folge haben. Dies ist in der Regel der Fall, wenn im Wegzugsstaat die Gründungstheorie gilt. Für die Bestimmung der Rechtsfähigkeit der ausländischen Kapitalgesellschaft im Inland ist dann ausschlaggebend, ob in Deutschland die Sitztheorie oder die Gründungstheorie Anwendung findet. Innerhalb des Schrifttums stellt die richtige gesellschaftsrechtliche Sichtweise ein großes Streitthema dar26. Die zivilgerichtliche Rechtsprechung27 wendet die Sitztheorie an, so dass die ausländische Kapitalgesellschaft ihre nach dem Recht des Gründungsstaates erworbene zivilrechtliche Rechtsfähigkeit bei einem Zuzug ins Inland aufgrund des dann anwendbaren inländischen Rechts verliert. Die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründete Gesellschaft unterliegt aufgrund des Wechsels des Gesellschaftsstatuts dem innerstaatlichen Gesellschaftsrecht. Im Gegensatz zu Österreich, in dem die Sitztheorie in § 10 IPRG explizit festgeschrieben ist, besteht in Deutschland lediglich ein inhaltsgleicher Gewohnheitsgrundsatz28. In körperschaftsteuerlicher Hinsicht stellt sich dann die Frage, ob diese im Inland fehlende zivilrechtliche Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft der Qualifikation ausländischer grenzüberschreitender Gesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte entgegensteht. Dies hängt davon ab, ob das Steuerrecht nach eigenen Kriterien unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse über die Körperschaftsteuertauglichkeit solcher Gesellschaften entscheidet oder ob körperschaftsteuerrechtlich auf die Wertungen 25
Dinkhoff, S. 112 f. Vgl. hierzu oben 1. Teil B I. 27 BGH, GmbHR 2002, 1021; BayObLG, BayObLGZ 1998 195, 197; OLG Brandenburg, ZIP 2000, 1616, 1617. Auch in seinem Urteil vom 20.01.2003, RIW 2003, 473, geht der BGH im Grundsatz von der Sitztheorie aus, weicht allerdings aufgrund des Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von den Regeln des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts ab. 28 Heiss, ZfRV 2003, S. 90. 26
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des Privatrechts zurückzugreifen ist, d.h. ob die Folgen der Sitztheorie für die steuerrechtliche Einordnung verbindlich sind. Unter Geltung der Sitztheorie im Zuzugsstaat Deutschland hat der Lösungsansatz der strengen Zivilrechtsakzessorietät unter Umständen Auswirkungen auf die Anerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Subjekteigenschaft überhaupt, zumindest aber Konsequenzen für die Subsumtion unter die verschiedenen Tatbestände des § 1 Abs. 1 KStG. aa) Verlegung des Verwaltungssitzes nach Deutschland unter Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts In der vorliegenden Konstellation, dass der Gründungsstaat den Wegzug ohne Verlust der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft ermöglicht, muss hinsichtlich der EU-Mitgliedstaaten allerdings keine Entscheidung zwischen der strikten zivilrechtlichen und der steuerrechtlich unabhängigen Betrachtung getroffen werden. Die europarechtlichen Anforderungen, wie der EuGH in seiner aktuellen Rechtsprechung entschieden hat, führen nämlich dazu, dass sich größtenteils sowohl nach der Ansicht, die hinsichtlich der Beurteilung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit an die zivilrechtlichen Vorgaben anknüpft, als auch nach der Gegenmeinung, die für eine steuerrechtlich eigenständige Entscheidung plädiert, ein identisches Ergebnis ergibt29. Bereits frühzeitig wurde auf europarechtlicher Ebene über die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Gesellschaften diskutiert. Ein diesbezügliches Abkommen der EWG30 ist allerdings mangels Ratifikation durch die Niederlande nicht wirksam geworden31. (1) Überseering Entscheidung des EuGH vom 05.11.200232 Aufgrund der aktuellen gemeinschaftsrechtlichen Entwicklung durch die Rechtsprechung des EuGH in Form des Überseering Urteils vom 05.11. 29
Haase, Steuer & Studium 2003, S. 198 f.; vgl. zu den einzelnen Ansichten 2. Teil A. I. 2. b. Pusill-Wachtsmuth, S. 214 f., geht allerdings auch unter Berücksichtigung der aktuellen EuGH-Rechtsprechung wegen der abschließenden Aufzählung des § 1 Abs. 1 KStG bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit einer deutschen Körperschaft von einer Einordnung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften unter § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG aus. 30 BGBl. II 1972, 370; vgl. auch das Zustimmungsgesetz vom 18.05.1972, BGBl. II 1972, 369. 31 Breuninger/Krüger, S. 79, 92 f.; Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), S. 325, 329 f.; dies., DB 1990, S. 2573, 2579 f. 32 EuGH, GmbHR 2002, 1137.
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200233 kommt es nunmehr bezüglich der inländischen Beurteilung der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit der ins Inland umgezogenen Kapitalgesellschaft nur darauf an, ob diese nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft die Rechtsfähigkeit erlangt hat und sie nach der heimischen Rechtsordnung trotz Wegzugs in einen anderen Staat weiterhin beibehält34. In der Rechtssache Überseering ging es um einen vor deutschen Gerichten ausgetragenen Rechtsstreit zwischen der nach niederländischem Recht gegründeten Gesellschaft Überseering BV und der Nordic Construction Company Baumanagement GmbH. Die Überseering BV machte Mängel der Malerarbeiten geltend. Das Landgericht Düsseldorf wies die Klage ab. Das OLG Düsseldorf wies die Berufung zurück. Es hielt die Klage für unzulässig, da Überseering BV aufgrund des Erwerbs ihrer Geschäftsanteile durch zwei deutsche Staatsangehörige ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt habe. Folglich sei Überseering BV als Gesellschaft niederländischen Rechts in Deutschland nicht rechtsfähig und demnach auch nicht parteifähig. Gegen dieses Urteil des OLG legte Überseering BV Revision ein35. Der EuGH hat in der Bestimmung des Art. 293 EG kein Hemmnis hinsichtlich der seiner Ansicht nach erforderlichen Anerkennung der Gesellschaft durch den Zuzugsstaat gesehen. Nach dieser Vorschrift leiten die Mitgliedstaaten untereinander Verhandlungen ein, um zugunsten ihrer Staatsangehörigen unter anderem die gegenseitige Anerkennung der Gesellschaften i. S. d. Art. 48 Abs. 2 EG sowie die Beibehaltung der Rechtspersönlichkeit bei Verlegung des Sitzes von einem Staat in einen anderen sicherzustellen. Art. 293 EG wird gemeinhin als Aufforderung verstanden, die von ihm genannten Punkte durch völkerrechtliche Abkommen zu regeln. Man könnte daher im Umkehrschluss auf den Gedanken kommen, diese angesprochenen Bereiche bis zum Wirksamwerden eines entsprechenden Abkommens als nicht von der Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG umfasst anzusehen. Wie bereits erwähnt, wurde im Jahre 1968 ein Anlauf zu einem solchem Abkommen unternommen36. In seiner Überseering Entscheidung führt der EuGH aus, dass zwar die Übereinkünfte, zu deren Abschluss Art. 293 EG anrege, die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit erleichtern könnten, das Gebrauchmachen von dieser Freiheit aber nicht vom Abschluss solcher Übereinkünfte abhänge. Die Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit, so der EuGH, setze zwingend die Anerkennung dieser Gesellschaften durch alle Mitgliedstaaten voraus, in denen sie sich niederlassen wollten. 33
EuGH, GmbHR 2002, 1137. Pott, S. 259, 273 f. 35 Vgl. hierzu die Ausführungen des EuGH, GmbHR 2002, 1137, zum Ausgangsrechtsstreit. 36 Vgl. Pott, S. 259, 264. 34
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Ein Abschluss einer Übereinkunft der Mitgliedstaaten über die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften sei daher nicht erforderlich37. (2) Zivilrechtliche Konsequenzen der Überseering Entscheidung Die Sitztheorie oder vielmehr genauer deren Auswirkungen38 lassen sich somit insofern nicht mehr aufrechterhalten. Dem Sitztheorie-Zuzugsstaat wird durch die Überseering Entscheidung des EuGH39 in zivilrechtlicher Hinsicht untersagt, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates errichtete Kapitalgesellschaft in eine Gesellschaft der deutschen Rechtsordnung umzuqualifizieren40. Die Versagung der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts, welche sich unter der Geltung der Sitztheorie bei einer Verwaltungssitzverlegung nach Deutschland ergibt, ist nach der aktuellen EuGH-Rechtsprechung als nicht vereinbar mit dem Niederlassungsrecht gem. Art. 43, 48 EG anzusehen41. Diese Auslegung des Gemeinschaftsrechts ist für die nationalen Gerichte verbindlich42. (a) Umsetzung der Überseering Entscheidung in der deutschen Zivilrechtsprechung Die Überseering Entscheidung wurde durch das vorlegende Gericht, den VII. Zivilsenat des BGH43, auch folgerichtig umgesetzt. Nach Ansicht dieses Senats behalten die Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts auch nach ihrer Verwaltungssitzverlegung ins Inland ihre Rechtspersönlichkeit und zwar ihre Rechtspersönlichkeit nach ausländischem Gründungsrecht44. Dieser Rechtsprechung des EuGH haben sich auch andere Zivilgerichte angeschlossen45. 37
EuGH, GmbHR 2002, 1137, 1142 Rn. 53 ff. Siehe hierzu unten 2. Teil A. I. 1. b. aa. (2) (c). 39 EuGH, GmbHR 2002, 1137. 40 Deininger, IStR 2003, S. 214. 41 KG, ZIP 2003, 2297, 2300. 42 KG, ZIP 2003, 2297, 2300. 43 BGH, GmbHR 2003, 527. Nach den Ausführungen in seinem Beschluss, den er dem EuGH zur Herbeiführung einer Vorabentscheidung vorlegte, wollte der VII. Zivilsenat des BGH augrund der Gefahren der Umgehung an der Sitztheorie festhalten. Der Senat sieht jedoch auch die Möglichkeit eines Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit durch die Sitztheorie, vgl. BGH, Beschluss vom 30.03.2000, GmbHR 2000, 715, 717. 44 Vgl. Merkt, RIW 2003, S. 458, 459. 45 Vgl. z. B. LG Berlin, NZG 2004, 1014, 1015; BayObLG, BayObLGZ 2002, 413, 415 f.; OLG Celle, GmbHR 2003, 532, 533; OLG Zweibrücken, ZIP 2003, 849, 850; KG, ZIP 2003, 2297, 2300. 38
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Die Umqualifizierungstheorie des II. Zivilsenats des BGH, die er in seinem Urteil vom 01.07.200246, welches nach dem Vorlagebeschluss des VII. Zivilsenats47, aber vor der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Überseering48 ergangen ist, entwickelt hat, kann nach dem Urteil des EuGH nicht auf Kapitalgesellschaften aus dem Bereich der EU angewendet werden, wenn die Rechtsfähigkeit dieser Gesellschaften nach ihrem Gründungsrecht fortbesteht. Die vorgenommene Umqualifizierung betraf eine nicht unter die Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG fallende Gesellschaft49. Nach dem Lösungsansatz des II. Senats des BGH werden die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts als rechtsfähige50 Personengesellschaften deutschen Rechts beurteilt. Der II. Zivilsenat hat in seiner Entscheidung auf der Basis der Sitztheorie entschieden und das Sachrecht entsprechend ausgelegt51. Die Entscheidung des II. Senats erscheint als ein erfolgloser Versuch der Rettung der Sitztheorie, genauer gesagt der Konsequenzen dieser Theorie, nämlich die Anwendbarkeit deutschen Gesellschaftsrechts hinsichtlich der Beurteilung der Rechtsfähigkeit sicherzustellen. Er hoffte darauf, den EuGH von einer für die Sitztheorie bzw. deren Auswirkungen verhängnisvollen Entscheidung abbringen zu können52. Zwar ist dieser Lösungsweg des II. Senats des BGH vorzugswürdig gegenüber dem von der zivilgerichtlichen Rechtsprechung teilweise eingeschlagenen Weg, die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts als nicht rechtsfähig zu behandeln. Im Prozess hat dies nämlich zur Folge, dass die klagende Gesellschaft ausländischen Rechts wegen der fehlenden Rechtsfähigkeit nicht parteifähig ist53. Nach dem Ansatz des II. Zivilsenats ist die zugezogene ausländische Kapitalgesellschaft als eine rechtsfähige inländi46 BGH, GmbHR 2002, 1021. Bezogen auf einen Drittstaat entschied das BayObLG, dass eine Gesellschaft mit ausländischem Satzungssitz und inländischem Verwaltungssitz entsprechend der Umqualifizierungstheorie des II. Zivilsenats des BGH als eine inländische Personengesellschaft zu behandeln sei, BayObLG vom 20.02.2003, DB 2003, 819 f. Existieren in einem Drittlandsfall allerdings völkerrechtliche Vereinbarungen zwischen dem Zuzugs- und dem Wegzugsstaat, kommt das Urteil des VIII. Zivilsenats des BGH vom 29.01.2003 zum Tragen, BGH, RIW 2003, 473 f. Der BGH entschied unter Bezugnahme auf das Überseering Urteil des EuGH, dass die im deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag garantierte Niederlassungsfreiheit verlange, die Rechts- und Parteifähigkeit US-amerikanischer Gesellschaften voll anzuerkennen. 47 BGH, GmbHR 2000, 715. 48 EuGH, GmbHR 2002, 1137. 49 Ebke, JZ 2003, S. 927, 929. 50 Die Rechtsfähigkeit inländischer Personengesellschaften und insbesondere der GbR wird seit der Entscheidung des II. Zivilsenats BGH vom 29.01.2001, BGHZ 146, 341, anerkannt; vgl. auch Weller, IPRax 2003, S. 520, 521. 51 Pott, S. 259, 272. 52 Henze, DB 2003, S. 2159, 2164.
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sche Personengesellschaft zu beurteilen. Als solche ist sie aktiv und passiv parteifähig, Gegenansprüche, Einreden oder Einwendungen können gegen sie erhoben werden. Ebenso kann aus einem Titel gegen sie vollstreckt werden. Des Weiteren kann sie Verträge abschließen und Eigentum erwerben54. Die Umqualifizierung in eine rechtsfähige Personengesellschaft bleibt nach der klaren Aussage des EuGH aber hinter der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung zurück, die ausländische Gesellschaft auch nach ihrem Umzug ins Inland als eine rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts anzuerkennen. Der EuGH führt explizit aus, dass für die Mitgliedstaaten aufgrund der in Art. 43, 48 EG geregelten Niederlassungsfreiheit die Verpflichtung bestehe, die Rechtsfähigkeit zu achten, die diese Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaates besitze55. Der Europäische Gerichtshof fordert die Achtung der vom Gründungsrecht verliehenen Rechts- und Parteifähigkeit. Die zugezogene Gesellschaft muss somit auch im Inland als eine solche des Rechts ihres Gründungsstaates beurteilt werden56. Diese eindeutige Feststellung des EuGH lässt sich mit dem Lösungsansatz des II. Zivilsenats des BGH nicht vereinbaren. Die von diesem gewählte Konstruktion in Form der so genannten „neuen Sitztheorie“ kann nicht auf Kapitalgesellschaften aus EU-Mitgliedstaaten übertragen werden57. Nach dem Urteil des EuGH genießen die zugezogenen Gesellschaften nach Maßgabe der Rechtsordnung des Gründungsstaates den Status ei53 Vgl. aus der Rechtsprechung BGH, BGHZ 53, 181, 183 f.; OLG Düsseldorf, JZ 2000, 203; OLG München, NJW-RR 1995, 703, 704; LG Stuttgart, IPRax 1991, 118, 119. Vgl auch Pott, S. 259, 269, der des Weiteren ausführt, dass sich in der Praxis viele Unternehmer gegen die Inanspruchnahme aus Verträgen über Bauleistungen mit dem Argument wehrten, dass es der klagenden Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts an der Rechtsfähigkeit und damit an der Parteifähigkeit, jedenfalls aber an der Aktivlegitimation fehle. Betroffen waren hauptsächlich die bei Immobilien-Investitionen gebräuchlichen Objektgesellschaften. Zahlreiche, unter anderem auch zweitinstanzliche, Urteile gaben den Unternehmern Recht. Häufig bemühte sich die gesellschaftsrechtliche Rechtsprechung, dieser Problematik auszuweichen, indem sie nicht von einem inländischen, sondern von einem ausländischen Verwaltungssitz ausging, vgl. Pott, S. 270. 54 Henze, DB 2003, S. 2159, 2164. 55 EuGH, GmbHR 2002, 1137, 1145 Rn. 95. 56 Zimmer, ZHR 168 (2004), S. 355, 360; Spindler/Berner, RIW 2003, S. 949, 950 f. 57 Ebke, JZ 2003, S. 927, 929. Die Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH ist von der Literatur vielfach kritisiert worden. Angeführt werden die kollisions-, materiell-, internationalprozess- und vollstreckungsrechtlichen Probleme, die sich angesichts der Duplizierung der Rechtspersönlichkeit der grenzüberschreitenden Gesellschaft ergeben. Die Entscheidung wird als „Rettungsversuch“ bzw. „Entlastungsmanöver“ bezeichnet, mit dem „die Sitztheorie wohl in letzter Minute vor dem Verdikt ihrer Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht bewahrt werden sollte“, vgl. Ebke, JZ 2003, S. 927, 928 mit weiteren Nachweisen.
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ner juristischen Person. Demgegenüber wird diesen Gesellschaften nach der Umqualifizierungstheorie nur der Status von Personengesellschaften des Zuzugsstaates zuerkannt. Dieser unterschiedliche Status hat zwar keine Auswirkungen auf die Rechtsfähigkeit bzw. die Parteifähigkeit der Gesellschaft im Inland, allerdings geht durch die Bewertung als Personengesellschaft der Schutz des Haftungsprivilegs der Gesellschafter von Kapitalgesellschaften verloren. Dies hat eventuell auch Konsequenzen für die Gesellschaft selbst. Zum einen können sich negative Folgen hinsichtlich der Gründungsfreudigkeit der Gesellschafter ergeben, wenn sie damit rechnen müssen, in anderen Staaten unbeschränkt persönlich haften zu müssen. Zum anderen werden möglicherweise die Aktivitäten der Gesellschaft in anderen Ländern negativ beeinflusst58. In diesem Sinne entschied auch der VII. Senat des BGH. Den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs folgend führte der VII. Zivilsenat des BGH in seiner Entscheidung vom 13.03.2003 aus, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat gegründete Kapitalgesellschaft mit ausländischem Satzungssitz und inländischer Geschäftsleitung nicht auf ihre Möglichkeiten als nach deutschem Recht anerkannte Personengesellschaft verwiesen werden könne, weil sie damit in eine andere Gesellschaftsform mit besonderen Risiken, wie z. B. Haftungsrisiken, gedrängt werde. Die Überseering Entscheidung bringe deutlich zum Ausdruck, dass auch die Umqualifizierungstheorie des II. Zivilsenats des BGH mit der Niederlassungsfreiheit unvereinbar sei59. In die gleiche Richtung wie das Urteil des II. Zivilsenats des BGH vom 01.07.200260 geht der Beschluss des LG Frankenthal vom 06.12.200261. Dieser Beschluss ist allerdings durch eine Entscheidung des OLG Zweibrücken aufgehoben worden62. Das Landgericht vertritt in seiner Entschei58
Henze, DB 2003, S. 2159, 2165. BGH, GmbHR 2003, 527, 529. 60 BGH, GmbHR 2002, 1021. 61 LG Frankenthal, BB 2003, 542. In der Entscheidung war im Gegensatz zu dem der Rechtssache Überseering vorliegenden Sachverhalt nicht die primäre, sondern die sekundäre Niederlassungsfreiheit betroffen. Allerdings ist auch insoweit das Überseering Urteil einschlägig. Es geht aus dieser Entscheidung deutlich hervor, dass die Verwaltungssitzverlegung, auch wenn sie unter dem Deckmantel der Begründung einer Zweigniederlassung geschieht, keine Änderung des Gesellschaftsstatuts nach sich zieht. Für beide Fallgruppen müssen dieselben Maßstäbe gelten, da jeweils nur der satzungsmäßige Sitz bzw. die Registereintragung im Heimatstaat fortbestehen. Zwischen der Bezeichnung der tatsächlichen Hauptverwaltung als neuen Verwaltungssitz oder als Zweigniederlassung darf nicht differenziert werden, was die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen anbelangt, vgl. Leible/Hoffmann, BB 2003, S. 543, 544. Mit Beschluss vom 14.05.2003 wendete auch das Amtsgericht Hamburg, IPRax 2003, 534, unter Bezugnahme auf die Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH die Umqualifizierungstheorie an. 62 OLG Zweibrücken, ZIP 2003, 849. 59
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dung, dass das Überseering Urteil des EuGH vom 05.11.2002 nicht als endgültige Absage an die bisher in Deutschland vorrangig vertretene Sitztheorie zu sehen sei, da zwingende Gründe des Gemeinwohls eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen könnten. Es kommt in seinem Beschluss zum Ergebnis, dass die englische Limited, um die es in dem Fall ging, nicht als beschränkt haftende Gesellschaft nach englischem Recht anzuerkennen sei. Eine Eintragungsmöglichkeit als inländische BGB-Gesellschaft im Handelsregister sei nicht gegeben. Nur in der Rechtsform der OHG bzw. KG sei die Gesellschaft allenfalls auf Wunsch eintragbar63. Das Landgericht folgt somit dem Lösungsansatz des II. Zivilsenats des BGH64. Ohne es deutlich zum Ausdruck zu bringen, greift das LG Frankenthal in seinem Beschluss ein bereits vom Schrifttum angeführtes Argument auf, welches das Ergebnis des II. Zivilsenats des BGH stützt65. Nach dieser Ansicht in der Literatur kann der in der Überseering Entscheidung verwendeten Formulierung „zu achten“ entnommen werden, dass die ausländische Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt habe, nicht notwendigerweise als Gesellschaft ausländischen Rechts respektiert werden müsse66. Diese Meinung überzeugt nicht. Der EuGH verlangt in seinem Überseering Urteil aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen eine Respektierung als Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts im Zuzugsstaat. Dies geht zum einen aus den Aussagen des EuGH zur ersten Vorlagefrage67 und zum anderen daraus hervor, dass er im Gegensatz zu der Empfehlung des Generalanwalts Colomer in seinem Schlussantrag68 auch die zweite Vorlagefrage beantwortet hat69. Somit ist es nicht ausreichend, der grenzüberschreitenden ausländischen Kapitalgesellschaft eine sich nach der Gesellschaftsrechtsordnung des Zuzugsstaates richtende Rechts- und Parteifähigkeit zuzugestehen, sondern es besteht die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Anerkennung der sich nach dem Gründungsrecht ergebenden Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft70. Der II. Zivilsenat des BGH hat mit Urteil vom 05.07.200471 seine Position geändert. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt 63 64 65 66 67 68 69 70 71
LG Frankenthal, BB 2003, 542, 543. BGH, GmbHR 2002, 1021. Vgl. Leible/Hoffmann, BB 2003, S. 543. Großerichter, DStR 2003, S. 159, 166. EuGH, GmbHR 2002, 1137, 1142 und 1144 Rn. 59 und 80 f. NZG 2002, 16, 22 Rn. 66. EuGH, GmbHR 2002, 1137, 1145 Rn. 95. Leible/Hoffmann, BB 2003, S. 543. BGH, ZIP 2004, 1549.
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ging es um eine US-amerikanische Gesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz. Der II. Senat führte aus, dass im Geltungsbereich des einschlägigen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags vom 29.10.195472 das Gesellschaftsstatut einer Gesellschaft grundsätzlich nicht an das Recht ihres Verwaltungssitzes, sondern an das am Ort ihrer Gründung geltende Recht anzuknüpfen sei. Das gelte sowohl hinsichtlich der Frage der Rechtsund Parteifähigkeit der Gesellschaft als auch in Bezug auf die ebenfalls nach dem Personalstatut zu entscheidende Frage einer Haftung der Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten. Es gelte insofern ähnliches wie im Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG. Die in einem Vertragsstaat nach dessen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft sei in einem anderen Vertragsstaat – unabhängig von dem Ort ihres Verwaltungssitzes – in der Rechtsform anzuerkennen, in der sie gegründet worden sei. Offen gelassen hat der BGH allerdings, ob anders zu entscheiden ist, wenn es sich um eine nur zur Umgehung der strengeren Vorschriften des deutschen Rechts im Ausland gegründete Briefkastenfirma handelt, die über keinerlei tatsächliche, effektive Beziehungen zum Gründungsstaat verfügt und sämtliche Aktivitäten ausschließlich in Deutschland entfaltet73. Im Ergebnis findet die Umqualifizierungstheorie des II. Zivilsenats des BGH74 somit nur dann Anwendung, wenn weder die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG noch ein bilaterales Abkommen zwischen Wegzugs- und Zuzugsstaat eingreifen. (b) Folgerechtsprechung des EuGH in der Inspire Art Entscheidung vom 30.09.200375 Die fehlende Gemeinschaftsrechtskonformität der Umqualifizierungstheorie des II. Zivilsenats des BGH wird letztendlich durch die Inspire Art Entscheidung des EuGH vom 30.09.200376 hinreichend deutlich77. Mit diesem Urteil hat der Gerichtshof seine Überseering Entscheidung78 fortgeführt. Der Inspire Art Entscheidung des EuGH lag ein Rechtsstreit zwischen der Handels- und Industriekammer Amsterdam und der Gesellschaft englischen Rechts Inspire Art Ltd. hinsichtlich der nach dem Gesetz über formal ausländische Gesellschaften bestehenden Verpflichtung der niederländischen 72 73 74 75 76 77 78
Vgl. BGBl. II 1956, 487. BGH, ZIP 2004, 1549, 1550. BGH, GmbHR 2002, 1021. EuGH, EuZW 2003, 687. EuGH, EuZW 2003, 687. Leible/Hoffmann, EuZW 2003, S. 677, 681; Horn, NJW 2004, S. 893, 896. EuGH, GmbHR 2002, 1137.
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Zweigniederlassung Inspire Art zugrunde, ihre Eintragung im niederländischen Handelsregister mit dem Zusatz formal ausländische Gesellschaft versehen zu lassen und diese Bezeichnung im Geschäftsverkehr zu führen. Die Handelskammer hielt diesen Zusatz aufgrund der ausschließlichen geschäftlichen Tätigkeit der Inspire Art in den Niederlanden für erforderlich. Des Weiteren hatte der Gerichtshof darüber zu entscheiden, ob die niederländische Regelung, wonach sich das gezeichnete Kapital einer formal ausländischen Gesellschaft mindestens auf den Betrag des Mindestkapitals belaufen muss, das für niederländische Gesellschaften mit beschränkter Haftung vorgeschrieben ist, gemeinschaftsrechtskonform ist. Die Frage der Gemeinschaftsrechtsvereinbarkeit stellte sich auch bezüglich der gesamtschuldnerischen Haftung der Geschäftsführer für den Fall, dass die Voraussetzungen des Mindestkapitals nicht erfüllt sind79. Der Gerichtshof stellte fest, dass die Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG Regelungen entgegenstehe, welche die Ausübung der Freiheit zur Errichtung einer Zweigniederlassung einer nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaft von bestimmten Voraussetzungen abhängig mache, die im nationalen Recht für die Errichtung von Gesellschaften hinsichtlich des Mindestkapitals und der Haftung vorgesehen seien80. Für die Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit spielt es nach dem EuGH keine Rolle, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat nur errichtet wurde, um sich in einem zweiten Mitgliedstaat, in dem die geschäftliche Tätigkeit im Wesentlichen oder ausschließlich ausgeübt werden soll, niederzulassen. Abgesehen von dem Fall des Betruges seien die Gründe für die Errichtung einer Gesellschaft in einem bestimmten Mitgliedstaat ohne Bedeutung. Es stelle auch keinen Missbrauchsfall dar, wenn die Gesellschaft nur deshalb in einem bestimmten Mitgliedstaat gegründet worden sei, um in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften zu gelangen, selbst wenn die betreffende Gesellschaft ihre Tätigkeiten hauptsächlich oder ausschließlich in dem zweiten Staat ausübe81. Eine Rechtfertigungsmöglichkeit sieht der EuGH nicht82. Unabhängig von der Frage der Geeignetheit der Vorschriften über das Mindestkapital für den Gläubigerschutz, so der EuGH, seien die potenziellen Gläubiger der Inspire Art durch ihr Auftreten als Gesellschaft englischen Rechts hinreichend darüber unterrichtet, dass sie anderen Rechtsvorschriften als denen unterliege, die in den Niederlanden die Gründung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung regelten83. Aufgrund der 79
Vgl. zum Sachverhalt die Ausführungen des EuGH, EuZW 2003, 687 ff. EuGH, EuZW 2003, 687, 693 Rn. 105. 81 EuGH, EuZW 2003, 687, 692 Rn. 95 f. 82 Vgl. zur Rechtfertigungsprüfung EuGH, EuZW 2003, 687, 695 Rn. 131 ff. 83 EuGH, EuZW 2003, 687, 695 Rn. 135. In der Rechtssache Centros hat der EuGH demgegenüber entschieden, dass die dänischen Regelungen über das Min80
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Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Bestimmungen über das Mindestkapital sah der Gerichtshof auch die daran anknüpfende Sanktion, nämlich die persönliche gesamtschuldnerische Haftung der Geschäftsführer, als unvereinbar mit der Niederlassungsfreiheit an84. Zwar betrifft die Überseering Entscheidung im Gegensatz zu Inspire Art die primäre Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften innerhalb der europäischen Mitgliedstaaten. Allerdings gehen die hinter beiden Urteilen stehenden tragenden Motive in die gleiche Richtung. Durch Inspire Art findet eine Bestätigung der in Überseering getroffenen Grundaussage statt, nämlich dass der Zuzug von Gesellschaften aus dem EU-Ausland nicht durch innerstaatliche Bestimmungen beschränkt werden darf85. Der Gerichtshof hat somit seine Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften fortgeführt. In der Rechtssache Inspire Art erfüllte das niederländische Recht mit der grundsätzlichen Anerkennung ausländischer Gesellschaften die Vorgaben der Überseering Entscheidung. Entscheidend war die in Überseering nicht relevante Frage des Spielraums des nationalen Gesetzgebers bei Anerkennung der Gesellschaft im Inland86. Somit sind die in einem anderen EU-Mitgliedstaat gegründeten Kapitalgesellschaften, die ihren Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen, im Zuzugsstaat vollumfänglich anzuerkennen, einschließlich der vom Gründungsrecht gewährten Haftungsprivilegien87. Die Niederlassungsfreiheit beinhaltet demnach auch die Freiheit, in einem anderen Mitgliedstaat unter Beibehaltung der ursprünglich gewählten organisationsrechtlichen Eidestkapital nicht geeignet seien, das Ziel des Gläubigerschutzes zu erreichen, da die Zweigniederlassung in Dänemark eingetragen worden wäre, wenn die Gesellschaft eine Geschäftstätigkeit im Vereinigten Königreich ausgeübt hätte, obwohl die dänischen Gläubiger in diesem Fall ebenso gefährdet wären, EuGH, DB 1999, 625, 627 Rn. 35. In seinen Schlussanträgen zur Rechtssache Inspire Art äußerte der Generalanwalt Alber Zweifel an der Wirksamkeit des Instruments eines Mindestkapitals und damit an der Geeignetheit für die Gewährleistung des Gläubigerschutzes, vgl. DB 2003, 377, 382 Rn. 141 ff. 84 EuGH, EuZW 2003, 687, 695 Rn. 141. Der Generalanwalt erblickte in seinem Schlussantrag in dieser Haftungsfolge eine diskriminierende und damit nicht gerechtfertigte Anwendung, da eine entsprechende Haftung bei einem rein inländischen Sachverhalt nicht vorgesehen sei, vgl. DB 2003, 377, 381 Rn. 128 ff. 85 Geyrhalter/Gänßler, DStR 2003, S. 2167, 2170. 86 Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 661, 662. Wie Geyrhalter/Gänßler, DStR 2003, S. 2167, 2169, richtig zum Ausdruck bringen, ist die Inspire Art Entscheidung aber nicht nur eine konsequente Fortführung des Überseering Urteils, sondern auch eine solche der Centros Entscheidung. Im Gegensatz zur Rechtssache Centros stand in der Rechtssache Inspire Art die Anerkennung der Zweigniederlassung nicht in Frage, über die niederländischen Regelungen sollten Beschränkungen in Form eines vorgeschriebenen Mindestkapitals angewendet werden. 87 Leible/Hoffmann, EuZW 2003, S. 677, 681.
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genschaften tätig werden zu können88. Infolge dieser EuGH-Rechtsprechung hält eine Entscheidung, wie sie das Amtsgericht Hamburg mit Beschluss vom 14.05.2003 gefällt hat89, den Anforderungen der Niederlassungsfreiheit nicht stand. Es ließ unter Zugrundelegung der Umqualifizierungstheorie des II. Zivilsenats die Berufung der Gesellschafter einer englischen Limited, die ihre Geschäftstätigkeit ausschließlich in Deutschland ausübte, auf die dieser Gesellschaftsform immanenten Haftungsbeschränkung nicht zu. Das Gericht führte aus, dass bereits die alleinige Tatsache der fehlenden tatsächlichen Kapitalausstattung bei gleichzeitiger Haftungsbeschränkung der Gesellschafter eines ausschließlich in Deutschland operierenden, nach ausländischem Recht gegründeten Unternehmens als Indiz für eine Rechtsmissbräuchlichkeit bzw. einen Verstoß gegen den deutschen ordre public zu werten sei90. Wie der EuGH aber zuletzt in der Rechtssache Inspire Art ausgeführt hat, stellt der Umstand, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat nur gegründet wurde, um in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften zu gelangen, keinen Missbrauch dar, selbst wenn die Gesellschaft ihre Tätigkeiten hauptsächlich oder ausschließlich in dem Staat der Niederlassung ausübt91. Für die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit in Form der Versagung der Anerkennung als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts durch den Zuzugsstaat besteht kein Rechtfertigungsgrund. Zwar sind nach der Rechtsprechung des EuGH, abhängig vom jeweiligen Einzelfall, Beeinträchtigungen des Niederlassungsrechts aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Ausgenommen ist allerdings die Nichtanerkennung der Rechtsfähigkeit92. Wird die Existenz einer in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Gesellschaft von einem anderen Mitgliedstaat nicht anerkannt, so stellt dies nicht lediglich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar, sondern nach den Ausführungen des EuGH in seinem Überseering Urteil eine Negierung der Niederlassungsfreiheit93. Wie 88
Koch, JuS 2004, S. 755. AG Hamburg, IPRax 2003, 534. 90 AG Hamburg, IPRax 2003, 534, 535. 91 EuGH, EuZW 2003, 687, 692 Rn. 96. 92 EuGH, GmbHR 2002, 1137, 1145 Rn. 92 f.; vgl. auch Heiss, ZfRV 2003, S. 90, 92. 93 Vgl. Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 661, 666. Das Erfordernis der Neugründung im Zuzugsstaat, so der EuGH, komme der Negierung der Niederlassungsfreiheit gleich, EuGH, GmbHR 2002, 1137, 1144 Rn. 81. Hinsichtlich der Rechtfertigung führt der EuGH aus, dass zwar zwingende Gründe des Gemeinwohls, wie der Schutz der Interessen der Gläubiger, der Minderheitsgesellschafter, der Arbeitnehmer oder auch des Fiskus, unter bestimmten Umständen und unter Beachtung be89
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Knobbe-Keuk bereits frühzeitig vertreten hat, ist somit die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft nur gewährleistet, wenn sie selbst unter Aufrechterhaltung ihrer rechtlichen Identität umziehen kann. Mit der Möglichkeit der Auflösung im Wegzugsstaat und der Neugründung im Zuzugsstaat wird der Gesellschaft keine Niederlassungsfreiheit vermittelt, sondern dadurch wird lediglich die Niederlassungsfreiheit der Gesellschafter angesprochen94. (c) Kollisionsrechtliche Folgen der EuGH-Rechtsprechung Im Anschluss an die Überseering Entscheidung und die Inspire Art Entscheidung ist eine Diskussion entbrannt, ob aus den Aussagen des Gerichtshofs im Hinblick auf die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Anerkennung der Kapitalgesellschaft als solche ein kollisionsrechtlicher Gehalt der Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG abgeleitet werden kann95. Uneinigkeit besteht darüber, ob bereits die Überseering Entscheidung dahingehend zu interpretieren ist, dass die Sitztheorie für den Zuzugsfall der in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Gesellschaften nunmehr durch die Gründungstheorie ersetzt werden muss oder ob eine Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts im Wege der Sitztheorie weiterhin zulässig ist und lediglich die Auswirkungen der Sitztheorie als europarechtswidrig einzustufen sind96. Diese Diskussion ist aufgrund der Vorlagefragen des VII. Zivilsenats des BGH97 und der darauf hin ergangenen Antworten des EuGH ausgelöst worden. Der für Baurecht zuständige Zivilsenat hatte dem EuGH die Vorlagefrage unterbreitet, ob die aus der Sitztheorie resultierende Versagung der Rechts- und Parteifähigkeit im Widerspruch zur Niederlassungsfreiheit stehe. Für den Fall der Bejahung dieser ersten Frage, stellte der VII. Zivilsenat die Frage, ob es die Niederlassungsfreiheit gebiete, die Rechtsfähigkeit nach dem Recht des Gründungsstaates zu beurteilen. Die erste Frage wurde vom EuGH bejaht. Im Hinblick auf die zweite Frage vermied er es, zur Sitz- bzw. Gründungstheorie Stellung zu nehmen, sonstimmter Voraussetzungen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen könnten. Eine Rechtfertigung durch diese Ziele sei aber nicht möglich, wenn einer Gesellschaft, die in einem anderen Mitgliedstaat ordnungsgemäß gegründet worden sei und dort ihren satzungsmäßigen Sitz habe, die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit abgesprochen werde. Dies komme nämlich der Negierung der den Gesellschaften in Art. 43 und 48 EG zuerkannten Niederlassungsfreiheit gleich, EuGH, GmbHR 2004, 1137, 1145 Rn. 92 f. 94 Knobbe-Keuk, StuW 1990, S. 372, 374; dies., ZHR 154 (1990), S. 325, 345; dies., DB 1990, S. 2573, 2578 f. 95 Vgl. die Darstellung bei Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159, 164 ff. 96 Vgl. hierzu die Darstellung bei Heiss, ZfRV 2003, S. 90, 93 ff. 97 BGH, GmbHR 2000, 715.
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dern wiederholte stattdessen die Entscheidung der ersten Frage in sinngemäßer Formulierung98. Zur ersten Vorlagefrage antwortete der EuGH nämlich, dass die Nichtanerkennung der Rechtsfähigkeit und damit der Parteifähigkeit durch den Mitgliedstaat, in den der Verwaltungssitz verlegt worden sei, eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit darstelle. Die zweite Vorlagefrage beantwortete der Gerichtshof dahingehend, dass der Mitgliedstaat, in dem sich nunmehr der Verwaltungssitz der Gesellschaft befinde, nach den Art. 43, 48 EG verpflichtet sei, die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit zu achten, die diese Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaates besitze99. In dogmatischer Hinsicht lässt sich die Gemeinschaftsrechtskonformität im Zuzugsfall einer Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts auch in der Weise umsetzen, dass den Mitgliedstaaten zwar nicht die Anwendung der Sitztheorie verboten wird, aber die sachrechtlichen Folgen derart geändert werden, dass die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaft nicht verletzt wird. Nicht die Sitztheorie selbst, sondern die Anwendung des Sachrechts führt dazu, dass kein identitätswahrender Umzug möglich ist100. In seinem Schlussantrag zur Rechtssache Überseering hat Generalanwalt Colomer klar zwischen dem Kollisionsrecht und dem Sachrecht differenziert. Der EGVertrag, so der Generalanwalt, enthalte keine Vorgaben zur Ausgestaltung des Kollisionsrechts, vielmehr obliege die Festlegung der Grundsätze des internationalen Privatrechts den Mitgliedstaaten selbst. Die Rechtsfolgen des Kollisionsrechts müssten aber mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sein101. Zudem muss berücksichtigt werden, dass der europäische Gerichtshof nicht das innerstaatliche Recht determinieren oder gar kodifizieren, sondern den Vorrang des Gemeinschaftsrechts sicherstellen will. Für eine Eröffnung des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit ist maßgeblich, wie sich eine mitgliedstaatliche Regelung rechtlich bzw. tatsächlich in direkter oder indirekter Weise auf die Grundfreiheit auswirkt102. Eine Interpretation der Niederlassungsfreiheit als Kollisionsnorm ist für deren Gewährleistung hinsichtlich grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften nicht notwendig. Vielmehr müssen die Rechtsfolgen, die sich aus der international-privatrechtlichen Anknüpfung ergeben, mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sein. Im Ergebnis bleibt aber rein tatsächlich von der Sitztheorie nicht mehr 98
Vgl. Wilhelm, ZHR 167 (2003), S. 520, 537 f. EuGH, GmbHR 2002, 1137, 1145 Rn. 94 f. 100 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159, 165 f. 101 ZIP 2002, 75, 79 und 82 Rn. 40, 64 und 69. 102 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159, 166; Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rn. 71 f. 99
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viel übrig, wenn man den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts gerecht werden will. So hat sich bereits Generalanwalt Colomer in seinem Schlussantrag dahingehend geäußert, dass das Gemeinschaftsrecht keinen direkten Einfluss auf die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten habe, die entsprechenden Kollisionsregeln nach ihren Vorstellungen zu gestalten, es könne nur die Einhaltung seiner Grundsätze verlangen103. Diesen Ausführungen des Generalanwalts lässt sich die Aussage entnehmen, dass indirekt die Sitztheorie obsolet wird, wenn man seinem Ergebnis folgt104. Die Vertreter der Sitztheorie mussten sich also bereits nach der Überseering Entscheidung des EuGH fragen, was von ihrer Theorie noch übrig bleibt, nachdem deren wesentliche Rechtsfolge, nämlich die Aberkennung der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts, gemeinschaftsrechtswidrig ist105. Betrachtet man die Urteile des Gerichtshofs in der Rechtssache Überseering und Inspire Art im Zusammenhang, so sind die Rechtsfragen, die zum Gesellschaftsstatut zählen, grundsätzlich106 nach dem Recht des Gründungsstaates zu beurteilen. Nach der Inspire Art Entscheidung wird erneut darüber diskutiert, inwieweit der Gerichtshof über die Geltung der Sitztheorie entschieden hat, ob also den Art. 43, 48 EG eine kollisionsrechtliche Vorgabe zur Anwendung der Gründungstheorie entnommen werden kann107. Nach einer Ansicht wird europarechtlich ein Kollisionsrecht statuiert. An das Gesellschaftsstatut anknüpfende Fragen seien daher nach dem Recht des Gründungsstaates zu be103
ZIP 2002, 75, 79 Rn. 40. Heiss, ZfRV 2003, S. 90, 93. 105 Heidenhain, NZG 2002, S. 1141, 1143. 106 Maßnahmen zur Verhinderung eines missbräuchlichen oder betrügerischen Verhaltens sind den Mitgliedstaaten gestattet. Des Weiteren ist an einen Schutz zwingender Allgemeininteressen zu denken, vgl. hierzu Eidenmüller, JZ 2004, S. 24, 26 ff. 107 Im Ergebnis dreht sich diese Diskussion in der Literatur darum, welche nationalen Schutzinstrumente, wobei es sich vor allem um sensible Problembereiche handelt, vor dem Hintergrund der aktuellen EuGH-Rechtsprechung auf zugezogene Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts noch anwendbar sind. Zur Frage der verbleibenden innerstaatlichen Schutzmechanismen vgl. aus dem umfangreichen Schrifttum Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159, 181 ff.; Eidenmüller, JZ 2004, S. 24, 25 ff.; Spindler/Berner, RIW 2004, S. 7, 11 ff.; Ulmer, NJW 2004, S. 1201, 1207 ff.; Horn, NJW 2004, S. 893, 898 ff.; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, S. 1083, 1088 f.; Altmeppen, NJW 2004, S. 97, 100 ff.; Riegger, ZGR 2004, S. 510, 517 ff.; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 661, 668 ff.; Weller, DStR 2003, S. 1800, 1803 f.; Bayer, BB 2003, S. 2357, 2364 f.; speziell zur Frage der Anwendbarkeit der unternehmerischen Mitbestimmung auf diese Gesellschaften siehe z. B. Bayer, AG 2004, S. 534 ff.; Kamp, BB 2004, S. 1496 ff.; Thüsing, ZIP 2004, S. 381 ff.; Sandrock, AG 2004, S. 57 ff.; Veit/Wichert, AG 2004, S. 14 ff.; Müller-Bonanni, GmbHR 2003, S. 1235 ff. 104
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antworten108. Einer weiteren Ansicht zufolge ergibt sich aus der Niederlassungsfreiheit, dass der Zuzug einer Kapitalgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat ohne jede weitere Gründungsprozedur ermöglicht werden müsse. Auch alle die Grundlagen dieser Gesellschaft betreffenden Angelegenheiten, wie Entstehung, Verfassung, Erlöschen und Umwandlung der Gesellschaft, unterlägen weiterhin dem Recht des Gründungsstaates. Keineswegs ergebe sich aber aus dem Niederlassungsrecht, dass Kapitalgesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten alle übrigen Verhaltensregeln missachten dürften, die das nationale Kapitalgesellschaftsrecht, zumeist aus Gründen des Gläubigerschutzes, aufgestellt habe109. Schließlich wird vertreten, dass Art. 43, 48 EG keinen spezifisch kollisionsrechtlichen Inhalt habe110. Entscheidend ist nach dieser Ansicht vielmehr, dass aufgrund des höherrangigen Gemeinschaftsrechts der Maßstab für die zulässigen rechtlichen Bestimmungen des Zuzugsstaates definiert werde111. Die gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Niederlassungsfreiheit beschränkt sich somit nach dieser Meinung darauf, die Nichtgeltung derjenigen (sach- und kollisionsrechtlichen) Regelungen der Mitgliedstaaten gegenüber zugezogenen Gesellschaften ausländischen Rechts sicherzustellen, die sich als ein nicht gerechtfertigtes Hindernis oder nicht gerechtfertigte Erschwerung der inländischen Niederlassung dieser Gesellschaften darstellen112. Da aber auch nach dieser Rechts108 Vgl. z. B. Riegger, ZGR 2004, S. 510, 517 und 522 ff.; Horn, NJW 2004, S. 893, 896. Ebenso zieht Sandrock, BB 2004, S. 897, 898, diese kollisionsrechtliche Schlussfolgerung. Kapitalgesellschaften aus einem EU-Mitgliedstaat verfügen daher seiner Ansicht nach über ein Personalstatut, das sich nach dem ausländischen Recht bestimmt, nach dem sie gegründet worden sind. Das Gründungsstatut könne aber unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben von dem Recht desjenigen Staates überlagert werden, in welchem eine solche Gesellschaft gehandelt habe (Handlungsstatut). Er spricht daher von der eingeschränkten Gründungstheorie bzw. Überlagerungstheorie, die an die Stelle der Sitztheorie getreten sei, vgl. S. 901. Auch diejenigen, die von einer Ersetzung der Sitztheorie durch die so genannte europarechtliche Gründungstheorie ausgehen, entnehmen den EuGH-Entscheidungen einen kollisionsrechtlichen Gehalt, vgl. Leible, ZGR 2004, S. 531, 534; Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925, 930 f.; dies., ZIP 2003, S. 925, 926; Geyrhalter/Gänßler, DStR 2003, S. 2167; Graf von Bernstorff, RIW 2004, S. 498, 500. 109 Altmeppen, NJW 2004, S. 97, 99 f. und 104; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, S. 1083, 1085 ff. Kritisch zur Ansicht von Altmeppen äußern sich z. B. Ulmer, NJW 2004, S. 1201, 1205 ff. und Riegger, ZGR 2004, S. 510, 524. Einen ähnlichen Lösungsansatz favorisiert Weller, DStR 2003, S. 1800, 1803. Der Gerichtshof habe bewusst auf die gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen abgestellt, die im nationalen Recht für die Gründung von Gesellschaften vorgesehen seien. Es verbleibe daher Raum für die Anwendung innerstaatlicher Vorschriften des Gesellschaftsrechts, die an die Tätigkeitsausübung der Gesellschaft anknüpften. 110 Ulmer, NJW 2004, S. 1201, 1205; Spindler/Berner, RIW 2004, S. 7, 8; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 661, 665. 111 Spindler/Berner, RIW 2004, S. 7, 8.
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auffassung für nahezu alle unter das Gesellschaftsstatut fallenden Fragen vor dem Hintergrund der Anforderungen des Gemeinschaftsrechts die Rechtsordnung des Gründungsstaates maßgebend ist, bedeutet dies de facto doch für in einem EU-Mitgliedstaat gegründete grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften im Zuzugsfall die Anwendung der Gründungstheorie113. Die zuletzt genannte Ansicht ist vorzugswürdig, da die Gefahr einer mit Unsicherheiten behafteten Einordnung in das Gesellschafts-, Delikts-, Vertrags- und Insolvenzstatut vermieden wird, um ein inländisches Schutzinstrument auch gegenüber einer zugezogenen Kapitalgesellschaft anwenden zu können. Vielmehr sind alle nationalen Kollisionsrechte am Maßstab der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu überprüfen114. Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit darf nicht auf die gesellschaftsrechtlichen Fragen beschränkt werden. Eine solche Gefahr der Begrenzung der Niederlassungsfreiheit besteht, wenn man Art. 43, 48 EG als Kollisionsnorm bezüglich des Gesellschaftsstatuts versteht. Eine Interpretation „nur“ als Kollisionsnorm erschöpft den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit nicht. Beispielsweise kann die Haftung des Gesellschafters oder Geschäftsführers nach § 826 BGB, die als deliktische Haftung einzustufen ist, erhebliche Konsequenzen auf die Gesellschaft haben, weshalb sie gegebenenfalls an der Niederlassungsfreiheit zu messen ist115. Zwar bildet die Unterscheidung zwischen Gesellschafts-, Vertrags-, Delikts- und Insolvenzrecht ein Indiz dafür, ob die jeweilige kollisionsrechtliche Anknüpfung gemeinschaftsrechtskonform ist, denn in Bezug auf gesellschaftsrechtliche Regeln des Zuzugsstaates hat die Rechtsordnung des Gründungsstaates aus Gründen der Niederlassungsfreiheit grundsätzlich den Vorrang116. Eine Anwendbarkeit inländischer Haftungstatbestände kommt aber letztendlich nur dann in Betracht, wenn sie den Anforderungen der Niederlassungsfreiheit entsprechen117. Demgegenüber gelangt die Gegenansicht teilweise pauschal zu einer Anwendbarkeit inländischer Haftungsfiguren, indem sie darauf abstellt, welcher Kollisionsnorm und damit welchem Statut eine Anspruchsgrundlage unterfällt118. Entscheidend wäre also, wie die nationalen Rechtsinstitute international-privatrechtlich einzuordnen sind. Je nachdem welche rechtliche Qualifikation eine bestimmte Pflicht aufwiese, d.h. ob sie dem Gesellschaftsrecht, 112
Ulmer, NJW 2004, S. 1201, 1205. Spindler/Berner, RIW 2004, S. 7, 8. 114 Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 661, 666. 115 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159, 166; Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rn. 72. 116 Ulmer, NJW 2004, S. 1201, 1205. 117 Ulmer, NJW 2004, S. 1201, 1208; vgl. zu den Haftungstatbeständen S. 1207 f. 118 So z. B. Weller, DStR 2003, S. 1800, 1804. 113
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dem Insolvenzrecht oder dem Deliktsrecht zuzuordnen und damit welche Kollisionsnorm – Gesellschaftsstatut, Insolvenzstatut, Deliktsstatut – maßgebend ist, könnte die inländische Regelung für die zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts angewendet werden119. Erforderlich wäre dann, die Haftungsinstrumente eindeutig etwa als gesellschaftsrechtlich oder deliktisch zu qualifizieren. Eine solche eindeutige Einordnung als deliktische, insolvenzrechtliche oder gesellschaftsrechtliche Haftungsfigur ist aber häufig nicht möglich. In der Literatur besteht vielmehr hinsichtlich der Qualifizierung einzelner Anspruchsgrundlagen Uneinigkeit120. Zudem besteht die Gefahr einer ergebnisorientierten Einteilung einzelner Haftungsfiguren, die den dogmatischen Vorgaben nicht standhält. Es wäre also eine Frage der Zeit, wann der EuGH eine solche Bewertung der Anspruchsgrundlagen als ebenfalls mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar beurteilt121. Des Weiteren spricht gegen diese Schlussfolgerung, dass die Mitgliedstaaten ansonsten mittels ihres Gesellschaftskollisionsrechts und der anderen Kollisionsnormen die Reichweite der Niederlassungsfreiheit selbst präjudizieren könnten122. Innerstaatliche Anspruchsgrundlagen haben sich daher generell an den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts zu orientieren. Infolge der expliziten Aussagen des EuGH in seiner Überseering Entscheidung steht im Ergebnis fest, dass – unter der Voraussetzung, dass die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft nach dem Recht des Gründungsstaates fortbesteht – die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit der ausländischen Kapitalgesellschaft auch nach der Verlegung des Verwaltungssitzes im Zuzugsstaat Deutschland nicht verändert wird, sondern diese ihre vom Gründungsstaat verliehene Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft beibehält. Die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit solcher Gesellschaften ist fortan also nach dem Recht des Gründungsstaates zu beurteilen. Findet keine Verlegung des Verwaltungssitzes nach Deutschland statt, übt die Kapitalgesellschaft vielmehr ihre Geschäftsaktivitäten von Anfang an nicht im Gründungsstaat, sondern im Inland aus, so ergeben sich dieselben Konsequenzen. Es kann keinen Unterschied für die Beurteilung der Rechtsfähigkeit machen, ob die ausländische Gesellschaft von vornherein ihren Verwaltungssitz außerhalb des Gründungsstaates nimmt oder ob sie ihn erst später verlegt123. 119
Zimmer, ZHR 168 (2004), S. 355, 366 f. So wird beispielsweise von einem Teil des Schrifttums der Insolvenzverschleppungs- und Existenzvernichtungshaftung eine gesellschaftsrechtliche Natur zugesprochen, vgl. Ulmer, NJW 2004, S. 1201, 1207; Spindler/Berner, RIW 2004, S. 7, 11 f.; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, S. 1083, 1088. Dagegen handelt es sich nach anderer Ansicht bei diesen beiden Haftungstatbeständen um eine deliktische Haftung, vgl. Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 661, 669 f. 121 Spindler/Berner, RIW 2003, S. 949, 955. 122 Spindler/Berner, RIW 2004, S. 7, 9. 120
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bb) Folgen für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit Der ausländischen Kapitalgesellschaft darf somit in Deutschland ihre zivilrechtliche Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft nicht abgesprochen werden, vorausgesetzt, dass die Rechtsfähigkeit nach der Rechtsordnung des Wegzugsstaates fortbestehen bleibt. Die zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts darf also nicht als Personengesellschaft deutschen Rechts qualifiziert werden. Fraglich ist, welche Folgen sich diesbezüglich in steuerlicher Hinsicht für die Einordnung der Gesellschaft ergeben. Im Rahmen eines rein inländischen Sachverhaltes, d.h. bezüglich einer nach inländischem Recht gegründeten und im Inland ansässigen Gesellschaft, knüpft die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG an die zivilrechtlichen Gesellschaftsformen an. Demgegenüber ist bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft, deren beschränkte Körperschaftsteuersubjektfähigkeit zur Frage steht, der Rechtstypenvergleich und damit eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde zu legen. Angenommen, dass auch bei einer zugezogenen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts, die eine inländische Geschäftsleitung hat, für die ertragsteuerliche Einstufung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft ausschlaggebend ist, ist eine Subsumtion unter diese Vorschrift möglich124. Dies ergibt sich aufgrund des Umstandes, dass die grenzüberschreitende Gesellschaft ihre Eigenschaft als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts im Inland beibehält. Selbst wenn also bezüglich dieser zugezogenen Kapitalgesellschaften im Rahmen der steuerlichen Beurteilung der Subjekteigenschaft nach dem Körperschaftsteuerrecht an die zivilrechtlichen Vorgaben angeknüpft wird, müssen diese Gesellschaften bei einem entsprechenden Vergleich mit einer inländischen Kapitalgesellschaft steuerlich als Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG angesehen werden. Zum Teil wird aus den Ausführungen des BFH in seinem Urteil vom 29.01.2003, in dem er einer Gesellschaft aus den USA mit inländischer Geschäftsleitung aufgrund des aus dem DBA resultierenden Diskriminierungsverbots die Organträgereigenschaft zuerkannte125, der Schluss gezogen, dass der BFH künftig ausländische Kapitalgesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einstufen werde126. 123 Leible/Hoffmann, EuZW 2003, S. 677, 682; dies., ZIP 2003, S. 925, 929; Mildner/Kleinert, GmbHR 2004, S. 119, 121. 124 Vgl. Haase, Steuer & Studium 2003, S. 198 f.; K.-R. Wagner, GmbHR 2003, S. 684, 690 f.; Wassermeyer, EuZW Heft 9/2003, Editorial; Sedemund, BB 2003, S. 1362, 1363; ders., S. 190; Birk, IStR 2003, S. 469, 473; Schnittker/Lemaitre GmbHR 2003, S. 1314, 1318; Ebert/Levedag, GmbHR 2003, S. 1337, 1344 f. 125 BFH, GmbHR 2003, 722.
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Die Feststellung, dass der Verlust der von der ausländischen Rechtsordnung verliehenen Rechtspersönlichkeit als Kapitalgesellschaft gemeinschaftsrechtswidrig ist, hat in körperschaftsteuerlicher Hinsicht somit zur Folge, dass weder nach den Vertretern einer strikten Maßgeblichkeit des Zivilrechts für das Steuerrecht noch nach den vermittelnden Ansichten127, welche die Wirkungen der Sitztheorie für eine Subsumtion ausländischer Gesellschaften unter § 1 Abs. 1 KStG berücksichtigen, die Körperschaftsteuersubjekteigenschaft generell abgelehnt werden kann. Vielmehr müssen diese Lösungsansätze nach der Überseering Entscheidung128 zu demselben Ergebnis gelangen wie derjenige Ansatz, der die Fähigkeit, Steuerrechtssubjekt zu sein, bezüglich grenzüberschreitender ausländischer Kapitalgesellschaften nach eigenständigen steuerlichen Kriterien beurteilt. Diese Vertreter einer steuerrechtlich unabhängigen Wertung haben seit jeher unter den Voraussetzungen des Rechtstypenvergleichs für eine Einordnung der zugezogenen Kapitalgesellschaften unter den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG plädiert129. Aufgrund der Entwicklung in der Rechtsprechung des EuGH ist daher unter der Voraussetzung, dass der Gründungsstaat seine weggezogene Kapitalgesellschaft weiterhin als rechtsfähig anerkennt, auch dann eine Wertung der ausländischen Gesellschaft als inländische körperschaftsteuerfähige Kapitalgesellschaft möglich, wenn man davon ausgeht, dass § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG rein zivilrechtlich zu interpretieren ist. Bereits vor der Überseering Entscheidung des EuGH130 gab es Stimmen in der Literatur131, die vor dem Hintergrund der Centros Entscheidung des EuGH vom 09.03.1999132 eine Einordnung der ausländischen Kapitalgesellschaft unter den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG als möglich erachteten. Auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung hat zum Teil bereits aus der Centros Entscheidung Rückschlüsse für das deutsche Steuerrecht gezogen. Das FG Niedersachsen hat in seinem rechtskräftigen Beschluss vom 17.11.1999133 entschieden, dass eine nach ausländischem Recht im Gemein126 Bauschatz, KÖSDI 2004, S. 14150, 14155. Auch Sedemund, S. 67, versteht diese Entscheidung des BFH dahingehend, dass der BFH im Rahmen der Niederlassungsfreiheit die Sitztheorie steuerlich nicht mehr berücksichtige. 127 Vgl. zu den einzelnen Meinungen 2. Teil A. I. 2. b. 128 EuGH, GmbHR 2002, 1137. 129 Siehe hierzu 2. Teil A. I. 2. b. aa. 130 EuGH, GmbHR 2002, 1137. 131 Eilers/Wienands, IStR 1999 S. 289, 293; Meilicke, DB 1999, S. 627, 628; Eilers/Schmidt, DStR 1999, S. 1977, 1980; Deininger, IStR 2003, S. 214, 215; Kutt, S. 121 ff., 140 und 191 f.; Streck, in Streck, § 1 Anm. 5. 132 EuGH, DB 1999, 625. 133 FG Niedersachsen, UR 2000, 283, 285.
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schaftsgebiet gegründete Gesellschaft, auf welche Art. 43, 48 EG Anwendung fänden und die ihren Verwaltungssitz in Deutschland genommen habe, das Recht habe, in Deutschland als rechtsfähig anerkannt zu werden. Sie dürfe nicht gegenüber nach deutschem Recht errichteten Gesellschaften diskriminiert werden. Dies gelte auch für das Steuerrecht. Nach Ansicht dieses Finanzgerichts hat der EuGH mit der Centros Entscheidung die Sitztheorie verworfen. Der Gerichtshof verweise für das gesamte Gemeinschaftsgebiet bezüglich der Bestimmung des Gesellschaftsstatuts auf die Gründungstheorie. Zwar erging der Beschluss zu einem das Umsatzsteuergesetz betreffenden Sachverhalt. Aufgrund der allgemein gefassten Aussagen kann die Entscheidung allerdings auch auf das Körperschafsteuerrecht übertragen werden. Auch der österreichische OGH hat die Centros Entscheidung zum Anlass genommen, den § 10 IPRG als unvereinbar mit der Niederlassungsfreiheit zu erklären134. Die Aussagen des EuGH in der Centros Entscheidung hinsichtlich der Frage, ob ein der Sitztheorie folgender Zuzugsstaat die Rechtspersönlichkeit einer ausländischen Kapitalgesellschaft, die ihr von ihrem Gründungsstaat verliehen wurde und die auch weiterhin fortbesteht, zu respektieren hat, sind jedoch unklar135. Die Vorlagefrage an den Europäischen Gerichtshof stellte sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Centros Ltd., einer in England und Wales eingetragenen Gesellschaft, und der dem dänischen Handelsministerium unterstehenden Zentralverwaltung für Handel und Gesellschaften. Letztere weigerte sich, eine Zweigniederlassung von Centros in Dänemark einzutragen. Sie lehnte die Eintragung unter anderem mit der Begründung ab, dass Centros angesichts der Tatsache, dass sie seit ihrer Gründung keine Geschäftstätigkeit im Vereinigten Königreich entfaltet habe, unter Umgehung der nationalen Vorschriften, insbesondere was die Einzahlung eines Mindestgesellschaftskapitals angehe, in Wirklichkeit nicht eine Zweigniederlassung in Dänemark, sondern vielmehr ihren Hauptsitz dort zu errichten beabsichtige136. In seinen Gründen führte der EuGH aus, dass die Gründung einer Zweigniederlassung in Dänemark durch eine britische Gesellschaft von der Niederlassungsfreiheit umfasst sei137. Es stelle für sich allein keine missbräuchliche Ausnutzung des Niederlassungsrechts dar, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates, der eine Gesellschaft errichten wolle, diese in dem 134
Vgl. Heiss, ZfRV 2003, S 90. Eine Darstellung des Streits hinsichtlich der Frage des Anwendungsbereichs der Sitztheorie nach der Centros Entscheidung findet sich bei Sedemund, S. 84 ff. 136 Vgl. zu dem Ausgangsrechtsstreit die Ausführungen des EuGH, DB 1999, 625. 137 EuGH, DB 1999, 625 Rn. 18. 135
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Mitgliedstaat gründe, dessen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften ihm die größte Freiheit ließen, und in anderen Mitgliedstaaten Zweigniederlassungen gründe138. Der Umstand, dass eine Gesellschaft im Mitgliedstaat, in dem sie ihren Sitz habe, keine geschäftlichen Tätigkeiten ausübe, sondern diese ausschließlich im Mitgliedstaat ihrer Zweigniederlassung entfalte, belege noch kein missbräuchliches und betrügerisches Verhalten, das es dem letzterem Mitgliedstaat erlauben würde, die Niederlassungsfreiheit auf diese Gesellschaft nicht anzuwenden139. Die Verweigerung der Eintragung der Zweigniederlassung sei daher im Ergebnis mit den Vorschriften der Niederlassungsfreiheit nicht zu vereinbaren140. Was die vorgebrachten Rechtfertigungsgründe anbelangt, so entschied der EuGH, dass das dänische Verhalten nicht geeignet sei, das mit ihm verfolgte Ziel des Gläubigerschutzes zu erreichen. Im Falle der Entfaltung einer geschäftlichen Aktivität im Vereinigten Königreich wäre die Zweigniederlassung nämlich in Dänemark eingetragen worden, obwohl die dänischen Gläubiger ebenso gefährdet wären. Zudem sei den Gläubigern aufgrund des Auftretens als Gesellschaft englischen Rechts bekannt, dass diese nicht dem dänischen Recht über die Errichtung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung unterliege. Außerdem seien mildere Maßnahmen möglich, welche die Grundfreiheiten weniger beeinträchtigten. Beispielsweise könnten öffentliche Gläubiger die rechtliche Möglichkeit erhalten, sich die notwendigen Sicherheiten einräumen zu lassen141. Nur insofern als der Zuzugsstaat bereits aufgrund der Centros Entscheidung der zugezogenen Gesellschaft nicht mehr die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts absprechen kann, gibt es innerhalb der verschiedenen Lösungsansätze zur Bestimmung der Steuersubjektfähigkeit keine unterschiedliche Beurteilung der Körperschaftsteuerrechtssubjektivität. Bleibt die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft trotz ihres Umzugs nach Deutschland erhalten, ist eine ertragsteuerliche Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG auch dann möglich, wenn diese Vorschrift rein zivilrechtlich ausgelegt wird. Wie bereits erwähnt, wird die Frage, inwieweit der Zuzugsstaat der grenzüberschreitenden Gesellschaft die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft nach dem Centros Urteil aberkennen kann, unterschiedlich beurteilt142. Das Centros Urteil macht somit eine Entscheidung zwischen den unterschiedlichen Ansichten, die es hinsichtlich der Anerkennung einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung als Körperschaftsteuersubjekt gibt, noch nicht entbehrlich. 138
EuGH, DB 1999, 625, 626 Rn. 27. EuGH, DB 1999, 625, 626 Rn. 29. 140 EuGH, DB 1999, 625, 626 Rn. 30. 141 Vgl. zur Rechtfertigungsprüfung insgesamt EuGH, DB 1999, 625, 626 f. Rn. 31 ff. 142 Vgl. hierzu die Darstellung bei Sedemund, S. 84 ff. 139
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Diese Unklarheiten, die nach der Centros Entscheidung aufgetreten sind, wurden durch das Überseering Urteil beseitigt. Es besteht nunmehr europarechtlich die Verpflichtung zur Anerkennung der ausländischen Rechtspersönlichkeit auch im Inland. Wird somit die steuerrechtliche Subjekteigenschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einer Ansicht zufolge auch hinsichtlich einer grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft von zivilrechtlichen Erwägungen abhängig gemacht, kann diese Gesellschaft ausländischen Rechts dennoch im Inland ein Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sein. Aufgrund der Aussagen des EuGH im Hinblick auf die Anerkennung der ausländischen Gesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts spielt es für Gesellschaften, die in einem EU-Mitgliedstaat gegründet wurden, auch keine Rolle, ob die Gründungstheorie durch bilaterale Staatsverträge vertraglich vereinbart werden kann143. Deutschland hat unter anderem mit Spanien einen solchen Vertrag geschlossen, nämlich den Niederlassungsvertrag vom 23.04.1970144. Nach Art. 15 Abs. 2 Satz 1 dieser Vereinbarung erkennen die Vertragsparteien jeweils den rechtlichen Status von Gesellschaften der anderen Vertragspartei im anderen Hoheitsgebiet an. Der BFH räumte mit Beschluss vom 13.11.1991 solchen Verträgen im Falle der Sitzverlegung keine Bedeutung ein145. Allerdings hat sich inzwischen ein Wandel der finanzgerichtlichen Rechtsprechung vollzogen. Mit Urteil vom 29.01.2003 entschied der BFH, dass eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft mit statutarischem Sitz in den USA und inländischer Geschäftsleitung Organträgerin einer inländischen Kapitalgesellschaft sein kann146. Unter Bezugnahme auf das Überseering Urteil stellte der BFH einen Verstoß gegen das im DBA-USA 1989147 festgeschriebene Diskriminierungsverbot sowie gegen den deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 29.10.1954148 fest. Der rechtliche Status einer zugezogenen US-Kapitalgesellschaft dürfe infolge des Zuzugs der Gesellschaft in den anderen Vertragsstaat nicht verloren gehen149. Der VIII. Zivilsenat des BGH entschied ebenfalls am 143 Vgl. hierzu Pache, GmbHR 2002, S. 299, 300 f. mit einer Darstellung des Streitstandes. 144 Vgl. BGBl. II 1972, 1041 ff. 145 BFH, BStBl. II 1992, 263, 264. Es ging in dieser Entscheidung um die Frage der Organträgerfähigkeit einer US-Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung. 146 BFH, GmbHR 2003, 722. 147 Vgl. BGBl. II 1991, 354. 148 Vgl. BGBl. II 1956, 487. 149 BFH, GmbHR 2003, 722, 744.
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103
29.01.2003, dass aufgrund der durch den deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag garantierten Niederlassungsfreiheit die Rechts- und Parteifähigkeit US-amerikanischer Gesellschaften voll anzuerkennen seien150. Bei Bestehen eines entsprechenden Abkommens kann somit auch bei einer aus einem Drittstaat zugezogenen Kapitalgesellschaft die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG bejaht werden, selbst wenn die Regelung rein zivilrechtlich interpretiert wird. Die Rechtspersönlichkeit als Kapitalgesellschaft bleibt nämlich trotz ihrer Grenzüberschreitung erhalten. Zwar betreffen die genannten Entscheidungen jeweils einen Drittlandsfall, sie sind jedoch auf einen entsprechenden bilateralen Vertrag Deutschlands mit EU-Mitgliedstaaten übertragbar. Allerdings ergibt sich die Anerkennung als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts durch den Zuzugsstaat Deutschland bereits aufgrund der Niederlassungsfreiheit, vorausgesetzt die Rechtsfähigkeit wird nicht vom Wegzugsstaat aberkannt. Im Ergebnis kann somit festgehalten werden, dass die Überseering Entscheidung des EuGH dazu führt, dass die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegt haben, in Deutschland als rechtsfähige Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts zu respektieren sind. Voraussetzung ist allerdings, dass die Rechtspersönlichkeit nach der Rechtsordnung des ausländischen Gründungsstaates fortbesteht. Dieser Status in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht hat auch Auswirkungen für den ertragsteuerlichen Status der zugezogenen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erfasst als Körperschaftsteuersubjekte die Kapitalgesellschaften. Zwar werden durch einen Klammerzusatz nur die inländischen Kapitalgesellschaftsformen aufgezählt. Diese abschließende Aufzählung gilt jedoch nur für den rein inländischen Sachverhalt, nicht für die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts. Deren Nichtaufzählung resultiert aus der notwendigen lex fori Betrachtung151. Selbst wenn also von einem rein zivilrechtlichen Verständnis des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ausgegangen wird, ist eine Subsumtion unter diese Vorschrift möglich. Es ist nämlich eine rechtsfähige Kapitalgesellschaft auch nach der Grenzüberschreitung gegeben152. Das Gemeinschaftsrecht hat somit über seine Vorgaben in Bezug auf das Zivilrecht auch Einfluss auf das nationale direkte Steuerrecht. Es sind jedoch Auswirkungen des Gemeinschaftrechts auf das Körperschaftsteuerrecht nicht nur 150
BGH, RIW 2003, 473 f. Vgl. zur lex fori Qualifikation 1. Teil E. III. 1. 152 Pusill-Wachtsmuth, S. 214 f., ordnet wegen des ihrer Ansicht nach abschließenden Katalogs des § 1 Abs. 1 KStG die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit einer deutschen Körperschaft unter § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG ein. 151
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
über diese Anforderungen, die die Niederlassungsfreiheit hinsichtlich der zivilrechtlichen Einordnung stellt, sondern auch aufgrund steuerlicher Konsequenzen, die mit einer Einstufung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG verbunden sind, denkbar. Dies wird an späterer Stelle ausführlich dargestellt werden. Es handelt sich hierbei um die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG153. Fraglich ist aber zunächst, ob die Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG allein nach nationalen Maßstäben dazu führt, dass die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, die ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegt haben, vom Anwendungsbereich dieser Norm erfasst sind. Wie gesehen, führt eine Interpretation des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nach nationalen Maßstäben in der vorliegend untersuchten Variante dazu, dass er auch hinsichtlich dieser zugezogenen Gesellschaften anwendbar ist. Selbst bei einem rein zivilrechtlichen Verständnis der Regelung kann die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG bejaht werden. Es stellt sich die Frage, ob hinsichtlich der Konstellation eines Gründungsstaates, welcher die Rechtsfähigkeit bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes aberkennt, eine ertragsteuerliche Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG möglich ist. Liegt eine solche Ausgangssituation vor, ist äußerst fragwürdig, ob das Urteil des EuGH in der Rechtssache Überseering eingreift. Auch in Bezug auf Drittstaaten, unabhängig davon, ob in diesen die Sitz- oder die Gründungstheorie gilt, stellt sich im Hinblick auf die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit die Frage, ob § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zivilrechtlich oder steuerrechtlich auszulegen ist, da insofern die EuGHRechtsprechung und das Gemeinschaftsrecht keine Rolle spielen. Zu einer Anerkennung der ausländischen zugezogenen Gesellschaft im Inland besteht nur ausnahmsweise die Verpflichtung, nämlich aufgrund bilateraler, völkerrechtlicher Verträge, wie z. B. aufgrund des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrages. Nach amerikanischem Recht gegründete Gesellschaften können hiernach ohne Verlust der Rechtsfähigkeit ihren effektiven Verwaltungssitz ins Inland verlegen154.
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Vgl. 4. Teil A. I. 1. Vgl. Breuninger/Krüger, S. 79, 90 f. Der BGH hat mit Urteil vom 29.01.2003, RIW 2003, 473, entschieden, dass von den Regeln des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts und damit der Sitztheorie durch Staatsverträge abgewichen werden könne. Ein solcher Staatsvertrag bestehe zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten von Amerika in Form des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags vom 29.10.1954. Die Frage der Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit von Gesellschaften richte sich daher nach dem Gründungsrecht. 154
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2. Gründungsstaat versagt einen identitätswahrenden Zuzug ins Inland In dieser Variante wird es sich in der Regel um einen Gründungsstaat handeln, in dem die Sitztheorie gilt. Fraglich ist, welche Rechtsfolgen sich in Bezug auf den körperschaftsteuerlichen Status der ins Inland zugezogenen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts ergeben, wenn dieser Gesellschaft vom Wegzugsstaat infolge der Verlegung ihres Verwaltungssitzes die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft aberkannt wird. Unabhängig von der Geltung der Sitztheorie im Zuzugsstaat Deutschland und der aufgrund des anwendbaren inländischen Gesellschaftsrechts bestehenden Neugründungspflicht zur Erlangung der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft, besitzt die grenzüberschreitende Gesellschaft bereits angesichts der Rechtsordnung des Gründungsstaates keine Rechtspersönlichkeit mehr. Erachtet man die zivilrechtliche Einordnung ausländischer Gesellschaften als maßgeblich für deren steuerliche Behandlung, so ist eine Subsumtion unter den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nicht möglich155. Diese Vorschrift setzt bei einer zivilrechtlichen Interpration als Körperschaftsteuersubjekt eine rechtsfähige Kapitalgesellschaft voraus. Infolge des Verlusts ihrer Rechtspersönlichkeit erfüllt die zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts dieses Erfordernis nicht. a) Anforderungen des Gemeinschaftsrechts Für den Gründungsstaat ist auch nach der Überseering Entscheidung des EuGH156 weiterhin die Möglichkeit eröffnet, an die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland den Verlust der Rechtsfähigkeit anzuknüpfen. Aufgrund der Ausführungen des Gerichtshofs in der Rechtssache Überseering und Inspire Art erscheint die Daily Mail Rechtsprechung derzeitig noch als „good law“157. Ein Recht auf einen identitätswahrenden Wegzug aus dem Gründungsstaat ergibt sich nach den Aussagen des EuGH in dem Daily Mail Urteil nicht158. Der Europäische Gerichtshof hat in der Überseering Entscheidung zwischen dem Zuzug und dem Wegzug von Gesellschaften differenziert159. Auch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Inspire Art160 unterscheidet zwischen dem Zuzugs- und dem Wegzugs155
Kutt, S. 123 f., allerdings bezogen auf die Centros Entscheidung des EuGH. EuGH, GmbHR 2002, 1137. 157 Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159, 177 f.; Eidenmüller, JZ 2004, S. 24, 29; Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rn. 65; vgl. zu dieser Problematik ausführlich 3. Teil A. II. 158 EuGH, NJW 1986, 2186. 159 EuGH, GmbHR 2002, 1137, 1142 f. Rn. 61 ff. 156
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
fall161. Beide Entscheidungen betreffen zwar einen Zuzugsfall. Der Gerichtshof grenzte jedoch in beiden Urteilen den jeweiligen Sachverhalt deutlich vom Sachverhalt ab, der Daily Mail zugrunde lag. In der Rechtssache Überseering führte der EuGH aus, dass die Niederlassungsfreiheit auf die ins Inland zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts anwendbar sei. Die vom Gerichtshof in der Rechtssache Daily Mail getroffene Entscheidung stehe der Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit nicht entgegen. Daily Mail, so der EuGH in der Rechtssache Überseering, betreffe die Beziehungen zwischen einer Gesellschaft und einem Mitgliedstaat, nach dessen Recht sie gegründet worden sei, in dem Fall, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz unter Wahrung der ihr in ihrem Gründungsstaat zuerkannten Rechtspersönlichkeit in einen anderen Mitgliedstaat verlegen wolle. In dem der Rechtssache Überseering zugrunde liegenden Rechtsstreit handle es sich hingegen um die Anerkennung einer nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründeten Gesellschaft durch einen anderen Mitgliedstaat162. Sinngemäß äußerte sich der Gerichtshof in der Rechtssache Inspire Art163. Durch eine entsprechende Gestaltung des materiellen Rechts ist es dem Gründungsstaat möglich, keine Rechtspersönlichkeit mehr bestehen zu lassen, die der Zuzugsstaat anerkennen müsste164. In einer solchen Situation können im Zuzugsstaat Deutschland, wie es die Aussagen des EuGH zumindest nahe legen, die Wirkungen der Sitztheorie weiterhin Geltung beanspruchen165. Die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung des Zuzugsstaates zur Anerkennung der ausländischen Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt hat, als Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts besteht somit nur insoweit, als nach der Rechtsordnung des ausländischen Mitgliedstaates, in welchem sich nach wie vor der Satzungssitz befindet, die Rechtsfähigkeit fortbesteht. Nur diesem Gründungsstaat steht vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung das Recht zu, der Gesellschaft die Rechtsfähigkeit zu verleihen oder wieder zu entziehen166. Lediglich der Zuzugsstaat, nicht aber der Gründungsstaat muss demzufolge aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben einen identitätswahrenden Umzug gestatten. Die Möglichkeit eines identitätswahrenden Zuzugs steht somit unter dem Vorbehalt, dass der Wegzugsstaat diesen zulässt167. 160 161
EuGH, EuZW 2003, 687, 693 Rn. 102 f. Geyrhalter/Gänßler, DStR 2003, S. 2167, 2170; Bayer, BB 2003, S. 2357,
2363. 162 163 164 165 166
EuGH, GmbHR 2002, 1137, 1142 f. Rn. 52 ff. EuGH, EuZW 2003, 687, 693 Rn. 102 f. Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925, 930. Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925, 930. Dautzenberg, StuB 2003, S. 405 f.
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Es besteht allerdings einerseits Uneinigkeit darüber, wie diese Ausführungen des EuGH in seinen aktuellen Entscheidungen zu den Zuzugsfällen einer ausländischen Gesellschaft zu interpretieren sind. Andererseits wird von einem Teil des Schrifttums, unabhängig davon, ob der Gerichtshof zwischen dem Zuzugs- und dem Wegzugsfall differenziert, der Wegzug ebenfalls als vom Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit erfasst angesehen168. Aufgrund dieser Unklarheiten im Rahmen der Konstellation, in welcher nach der Rechtsordnung des Emigrationsstaates die Kapitalgesellschaft bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes ins EU-Ausland ihre Rechtsfähigkeit verliert, ist die Frage, nach welchen Kriterien sich die Körperschaftsteuersubjekteigenschaft bestimmt, in dieser Variante weiterhin relevant. Selbst wenn, losgelöst von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die Niederlassungsfreiheit eingreifen sollte, ist zu berücksichtigen, dass in der untersuchten Konstellation der Wegzugsstaat die Rechtsfähigkeit aberkennt. Es geht also nicht darum, dass Deutschland die Niederlassungsfreiheit zu beachten hat, sondern darum, ob der Wegzugsstaat die Niederlassungsfreiheit verletzt. Deutschland kann den Gründungsstaat aber nicht dazu zwingen, die Anforderungen der Niederlassungsfreiheit einzuhalten. Es wird daher im Folgenden von der Prämisse ausgegangen, dass es zumindest nach der EuGH-Rechtsprechung gemeinschaftsrechtskonform ist, wenn die Verlegung des Verwaltungssitzes einer ausländischer Kapitalgesellschaft den Verlust der Rechtspersönlichkeit aufgrund der Rechtsordnung des Gründungsstaates zur Folge hat. Konsequenz ist dann, dass diese Gesellschaften zivilrechtlich im Inland nicht als rechtsfähige Kapitalgesellschaften qualifiziert werden. Nach der im Urteil vom 01.07.2002 entwickelten Umqualifizierungstheorie des II. Zivilsenats des BGH handelt es sich um rechtsfähige inländische Personengesellschaften169. Diese Entscheidung des II. Zivilsenats findet insoweit Anwendung, da für den Zuzugsstaat keine Vorgaben im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit bestehen170. Bezogen auf die Körperschaftsteuertauglichkeit dieser zugezogenen Gesellschaften ausländischen Rechts ist angesichts der fehlenden zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft die entscheidende Frage, welcher Lösungsansatz hinsichtlich der Bewertung der körperschaftsteuerrechtlichen Subjekteigenschaft zu wählen ist. Zwar wurde die Diskussion bisher, d.h. vor der Überseering Entscheidung, unter der Prämisse geführt, dass der ausländischen Gesellschaft mit der Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland infolge der Sitztheorie und des damit anwendbaren inländischen 167 168 169 170
Eidenmüller, JZ 2004, S. 24, 30. Vgl. hierzu ausführlich 3. Teil A. II. 2. BGH, GmbHR 2002, 1021. Vgl. oben 2. Teil A. I. 1. b. aa. (2) (a).
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Rechts die zivilrechtliche Anerkennung versagt wird. Keine Rolle spielte, ob dieser Gesellschaft infolge ihres Wegzugs die Rechtsfähigkeit durch ihren Gründungsstaat aberkannt wird oder nicht. Mit der Überseering Entscheidung reduziert sich diese Streitfrage grundsätzlich auf die Fälle, in denen die ausländische Kapitalgesellschaft bei Wegzug ihre Rechtspersönlichkeit durch die Regelungen ihres Gründungsstaates verliert. Ist ein solcher Sachverhalt gegeben, kann der Zuzugsstaat Deutschland die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit weiterhin – zumindest nach dem Aussagegehalt europarechtlicher Entscheidungen – ohne Einschränkungen durch das Gemeinschaftsrecht nach der inländischen Rechtsordnung beurteilen. Es muss zudem berücksichtigt werden, dass selbst bei Nichtgeltung der Sitztheorie im Inland die Rechtspersönlichkeit nach dem Recht des Gründungsstaates verloren geht und demzufolge auch bei einer Beurteilung der Rechtsfähigkeit nach der ausländischen Rechtsordnung kein anderes Ergebnis erreicht werden kann. Die Argumente, welche die verschiedenen Ansichten vorbringen, sind jedoch die gleichen, unabhängig davon, dass sowohl bei Anwendung der Sitztheorie im Inland als auch nach den Vorschriften des jeweiligen ausländischen Staates die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit als Körperschaft aberkannt wird. Es geht einzig und allein um den Gesichtspunkt der mangelnden Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft. Sollten bei einer zivilrechtlichen Interpretation des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG der Überseering Entscheidung nicht die dargestellten steuerlichen Wirkungen hinsichtlich der ertragsteuerlichen Einstufung der zugezogenen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts zuerkannt werden171, bliebe die unterschiedliche Argumentation in der Frage der Steuerrechtssubjektivität generell in allen Konstellationen von Bedeutung. Es wird vertreten, dass die im Inland zu respektierende, vom ausländischen Staat verliehene Rechtsfähigkeit einer zuziehenden Kapitalgesellschaft nicht zu einer Subsumtion unter den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG führe172. Herz zieht diese Schlussfolgerung aber nicht auf der Basis einer gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung zur Anerkennung der Rechtsfähigkeit, sondern auf der Grundlage bilateraler Staatverträge173. Eine Erfassung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft durch § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG sei vorzugswürdig174. Pusill-Wachtsmuth kommt zu diesem Ergebnis unter Berücksich171
Vgl. oben 2. Teil A. I. 1. b. bb. Herz, S. S. 333 f.; Pusill-Wachtsmuth, S. 214 f. 173 Herz, S. 333. 174 Herz, S. 334. Unter Außerachtlassung europarechtlicher Implikationen äußert sich auch Schaumburg, Rn. 6.11, dahingehend, dass nach ausländischem Recht errichtete Körperschaften mit inländischer Geschäftsleitung, die nach Maßgabe des deutschen internationalen Privatrechts als rechtsfähig anzuerkennen seien, bei einem entsprechenden Vergleich mit den inländischen Kapitalgesellschaftsformen bzw. den 172
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tigung der aktuellen Rechtsprechung des EuGH. Ihrer Ansicht nach ist wegen des auch für grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften abschließenden Charakters des § 1 Abs. 1 KStG unter der Voraussetzung einer Vergleichbarkeit mit einer deutschen Körperschaft nur eine Einordnung unter § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG möglich175. b) Meinungsspektrum zur Beurteilung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit Das Meinungsspektrum in der Literatur, Rechtsprechung und Finanzverwaltung ist dadurch gekennzeichnet, dass es grundsätzlich zwei unterschiedliche Sichtweisen hinsichtlich der Körperschaftsteuersubjekteigenschaft einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit einem inländischen Ort der Geschäftsleitung gibt. Die Verfechter einer strikten zivilrechtlichen Anknüpfung176 der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit stehen der Lehre vom Rechtstypenvergleich177, deren Vertreter für eine steuerrechtlich eigenständige Einstufung plädieren, gegenüber. Diese beiden Extrempositionen zur Subjektqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften gelangen häufig zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während nach der strengen zivilrechtlichen Betrachtungsweise eine Einordnung als Körperschaftsteuersubjekt generell ausscheiden muss, ist nach denjenigen, die eine steuerrechtlich unabhängige Entscheidung treffen, bei einem entsprechend positiven Vergleich eine solche Eingruppierung möglich. In der Mitte dieser beiden Gruppen können die so genannten vermittelnden Auffassungen178 eingeordnet werden, nach denen eine Körperschaftsteuerrechtssubjektivität zwar denkbar ist, aber die Subsumtion unter den Katalog der Körperschaftsteuersubjekte grundsätzlich anders ausfällt als bei den Verfechtern des reinen Rechtstypenvergleichs. Ausgelöst wurde die Diskussion bezüglich der ertragsteuerlichen Beurteilung grenzüberschreitender ausländischer Kapitalgesellschaften durch einen anderen von § 1 Abs. 1 KStG erfassten juristischen Personen der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG unterfielen. 175 Pusill-Wachtsmuth, S. 214 f. 176 Herz, S. 290 ff.; Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 17 f.; dies., RIW 1992, S. 998, 1011 f.; Eyles, S. 318 ff.; Oppermann, DB 1988, S. 1469 ff.; Sarrazin, FR 1985, S. 466 f. 177 Wassermeyer, S. 83, 88 ff.; Rohde, S. 306 ff.; Schlenker, S. 82 ff.; Zisowski, S. 50 ff.; Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 Rn. 44 ff.; Knobbe-Keuk, § 15 IV S. 574 ff.; dies., DB 1992, S. 2070 f.; Großfeld/Luttermann, IPRax 1993, S. 229, 230 f.; Streck, in: Streck, § 1 Anm. 5. 178 BFH, BStBl. II 1992, 972, 973 ff.; Buyer, DB 1990, S. 1682, 1693; Lehner, RIW 1988, S. 201, 212 f.; Schaumburg, Rn. 6.11 f. und 6.20.
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Erlass der Finanzbehörde Hamburg aus dem Jahre 1985 zu den so genannten britischen non-resident-limiteds179. In diesem Erlass erachtete die Finanzverwaltung konsequent die Wertungen der Zivilrechtsordnung als maßgeblich für die Beurteilung einer ausländischen Gesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG. Von Seiten der Rechtsprechung wurde zu dieser Problematik erstmalig im Rahmen einer Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf klar Stellung genommen180. Das Finanzgericht lehnte generell die Körperschaftsteuersubjekteigenschaft einer AG liechtensteinischen Rechts ab. Die Möglichkeit einer Subsumtion der Gesellschaft unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG verneinte es mit der Begründung, diesbezüglich sei allein auf die zivilrechtliche Rechtsform abzustellen. Eine Ausdehnung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG auf wegen ihrer Strukturmerkmale vergleichbare Gesellschaften habe insbesondere im Hinblick auf die mit der abschließenden Regelung angestrebten Rechtssicherheit zu unterbleiben181. Der IX. Senat des BFH hob diese Entscheidung mit Urteil vom 23.06.1992 auf182. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde die Frage, ob die zivilrechtlichen Wertungen im Rahmen der Prüfung der Körperschaftsteuersubjekteigenschaft ausländischer Kapitalgesellschaften mit inländischem Ort der Geschäftsleitung zugrunde zu legen sind, von der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung aufgegriffen. Die vorherigen Entscheidungen des BFH betrafen fast ausschließlich Fälle, in denen sich der Sitz und der Ort der Geschäftsleitung in demselben Land befanden. Angesprochen sind die Konstellationen des ausschließlichen Inlandbezugs und diejenigen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften183. Im Beschluss vom 13.11.1991 hat der BFH lediglich die steuerliche Einordnungsmöglichkeit einer ausländischen Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt hat, unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 3 Abs. 1 KStG angesprochen, ohne aber auf die Schwierigkeiten, die hinsichtlich der steuerlichen Einstufung bestehen, einzugehen184. 179
Finanzbehörde Hamburg, DB 1985, 258; vgl. auch Herz, S. 19. FG Düsseldorf, EFG 1987, 202; vgl. auch Herz, S. 19. 181 FG Düsseldorf, EFG 1987, 202 f. 182 BFH, BStBl. II 1992, 972. 183 Schlenker, S. 80 f.; Herz, S. 262. 184 BFH, BStBl. II 1992, 263, 264. Der BFH führte in diesem Beschluss, in dem es um die Frage der Organträgerfähigkeit einer US-Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung ging, aus, dass unter Anwendung der Sitztheorie eine ausländische Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlege, steuerlich gesehen unter Umständen als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5, 3 KStG zu werten sei, wenn sich die Gesellschaft im Inland nicht unter Beachtung der hiesigen Gründungsvorschriften ins zuständige Handelsregister eintragen lasse. Diese Aussagen des BFH können jedoch nur als die Mitteilung eines bestimmten Standpunktes verstanden werden. Der ertragsteuerliche Status zugezogener Kapital180
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Hinsichtlich der steuerrechtlichen Einordnung als Körperschaftsteuersubjekt im Rahmen des § 1 Abs. 1 KStG besteht bezüglich einer zugezogenen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts insofern das Problem, dass sich, wie bereits dargestellt wurde, gesellschaftsrechtlich kein einheitlicher Meinungsstand herausgebildet hat, nach welcher Rechtsordnung die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts zu behandeln ist. Das inländische Recht ist für die Vertreter der Sitztheorie maßgebend, während demgegenüber bei Geltung der Gründungstheorie die ausländische Rechtsordnung Anknüpfungspunkt bleibt185. Die Beurteilung der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit fällt je nach Sichtweise unterschiedlich aus. Aber selbst dann, wenn im Zuzugsstaat Deutschland die Gründungstheorie gälte, bestünde die nach ausländischem Recht verliehene Rechtsfähigkeit nicht fort. Der Gründungsstaat erkennt nämlich in der vorliegend untersuchten Konstellation die Rechtsfähigkeit bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland ab. Fraglich ist somit, ob, unabhängig davon, dass die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft verloren hat, diese Gesellschaft überhaupt die Körperschaftsteuertauglichkeit besitzt. Von besonderem Interesse für diese zugezogene Gesellschaft ist auch, ob wegen daran anknüpfender steuerlicher Regelungen eine Einstufung unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG möglich ist. aa) Lehre vom Rechtstypenvergleich Die Lehre vom Rechtstypenvergleich knüpft die Beurteilung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit ausländischer Kapitalgesellschaften mit inländischem Ort der Geschäftsleitung nicht an die zivilrechtlichen Vorgaben an. Nach ihrer Ansicht soll vielmehr ausschließlich der Rechtstypenvergleich über die körperschaftsteuerliche Subjekteigenschaft entscheiden186. Da diegesellschaften ausländischen Rechts wurde durch die Entscheidung dagegen nicht bestimmt, vgl. Sedemund, S. 88 f. In dem Urteil vom 17.07.1968, BStBl. II 1968, 695, 696 f., führte der BFH aus, dass es für die Frage der Körperschaftsteuerpflicht allgemein auf die Rechtsfähigkeit nicht entscheidend ankomme, da nach deutschem Körperschaftsteuerrecht auch nicht rechtsfähige Personenvereinigungen, Stiftungen und andere Zweckvermögen körperschaftsteuerpflichtig seien, wenn ihr Einkommen weder nach dem KStG noch nach dem EStG unmittelbar bei einem anderen Steuerpflichtigen zu besteuern sei (§ 1 Abs. 1 Nr. 5, §§ 2, 3 KStG). Allerdings wurde in dem Urteil nicht geklärt, ob eine unbeschränkte oder lediglich eine beschränkte Körperschaftsteuerpflicht gegeben ist. Hinsichtlich der Prüfung, ob ein inländischer Ort der Geschäftsleitung vorliegt, verwies der BFH an das Finanzgericht zurück. 185 Vgl. 1. Teil B. und 2. Teil A. I. 1. a. und b. 186 Wassermeyer, S. 83, 88 ff.; Rohde, S. 306 ff.; Schlenker, S. 82 ff.; Zisowski, S. 50 ff.; Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 Rn. 44 ff.; Knobbe-Keuk, § 15 IV
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sen Vertretern zufolge für die steuerliche Eingruppierung nicht auf die Begrifflichkeiten in § 1 Abs. 1 KStG abgestellt werden darf, sondern allein der Typus der Gesellschaftsform maßgebend ist, können die zugezogenen Gesellschaften ausländischen Rechts, deren Geschäftsleitung sich im Inland befindet, bei einem entsprechenden Vergleich mit den inländischen Kapitalgesellschaftsformen auch unter den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG subsumiert werden. bb) Lehre der Zivilrechtsakzessorietät Die andere Extremposition beurteilt die Frage der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit ausländischer Kapitalgesellschaften, die einen räumlichen Anknüpfungspunkt im Inland haben, nach einer strikten Maßgeblichkeit des Zivilrechts187. Dieser strikte Gleichlauf von Zivilrecht und Steuerrecht hat zur Konsequenz, dass bei einer Aberkennung der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft auch die Fähigkeit der zugezogenen Gesellschaft ausländischen Rechts, Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG zu sein, generell zu verneinen ist. Eine Einordnung unter einen der Tatbestände des § 1 Abs. 1 KStG scheidet dann aus. Nach der Ansicht von Herz genügen die nach einer ausländischer Rechtsordnung gegründeten Kapitalgesellschaften mit deutscher Geschäftsleitung nicht den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 KStG, weshalb ihnen die Körperschaftsteuersubjekteigenschaft abzusprechen sei. Dieses Ergebnis sei im geltenden System selbst begründet. Es wäre letztlich eine Aufgabe des nationalen Gesetzgebers, die Einordnung solcher ausländischer Gesellschaften als Subjekte der Körperschaftsteuer zu ermöglichen. Das bisherige System der Besteuerung müsste dann durch eine rechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung abgelöst werden188. Neben Vertretern im Schrifttum hatte sich auch, wie bereits erwähnt, die Finanzverwaltung Mitte der 80er Jahre dieser Rechtsauffassung angeschlossen189. Auslöser war die Gründungswelle englischer Limiteds, die von Steuerinländern für geschäftliche Aktivitäten im Inland eingesetzt wurden. Mangels inländischen Gesellschaftsvermögens waren die Zwangsvollstreckungen durch die deutsche Finanzverwaltung nicht erfolgreich. Einen Ausweg aus dieser Situation erblickte die Verwaltung darin, dass sie die zivilrechtlichen Wertungen bei der steuerlichen Einstufung der zugezogenen KapitalgesellS. 574 ff.; dies., DB 1992, S. 2070 f.; Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 32; Großfeld/Luttermann, IPRax 1993, S. 229, 230 f.; Streck, in: Streck, § 1 Anm. 5. 187 Herz, S. 290 ff.; Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 17 f.; dies., RIW 1992, S. 998, 1011 f.; Eyles, S. 318 ff.; Oppermann, DB 1988, S. 1469 ff.; Sarrazin, FR 1985, S. 466 f. 188 Herz, S. 342. 189 Vgl. oben 2. Teil A. I. 2. b.
A. Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung ins Inland
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schaft ausländischen Rechts zugrunde legte, um somit einen Durchgriff auf die Gesellschafter zu ermöglichen190. Die Finanzverwaltung wollte also nicht die grenzüberschreitende Gesellschaft als Steuersubjekt qualifizieren, sondern die Gesellschafter der Besteuerung unterwerfen. Im Rahmen des Liechtenstein-Verfahrens vor dem IX. Senat des BFH191 hatte die Finanzverwaltung diese Ansicht wieder aufgegeben und sich insoweit der Rechtsprechung des BFH angeschlossen. Die Finanzverwaltung erkannte die Gefahr, dass die grenzüberschreitende Gesellschaft dazu eingesetzt worden war, um die erzielten Verluste direkt den Gesellschaftern zuzurechnen192. Eine strenge zivilrechtliche Betrachtungsweise bezüglich der Anerkennung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 KStG vertritt, wie bereits dargestellt, auch das Finanzgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 06.11. 1986193 und lehnte demzufolge die Einstufung einer luxemburgischen Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 KStG ab. Auch im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG allein bzw. i. V. m. § 3 Abs. 1 KStG verneinte das Finanzgericht die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit der Gesellschaft194. cc) Vermittelnde Lösungsansätze Die vermittelnden Lösungsansätze, die grundsätzlich ebenfalls eine von der Rechtsform abhängige Besteuerung nach den Regeln des Körperschaftsteuergesetzes vertreten, verzichten dennoch nicht notwendigerweise auf eine Besteuerung nach diesem Gesetz. Einen solchen Mittelweg schlägt beispielsweise der BFH ein. In seinem Liechtenstein Urteil vom 23.06.1992195, mit der die bereits dargestellte Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf196 aufgehoben wurde, verneinte der BFH zwar in Übereinstimmung mit den zivilrechtlichen Vorgaben die Körperschaftsteuersubjektivität gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 4 KStG einer nach liechtensteinischem Recht errichteten Aktiengesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung. Die in Deutschland mangelnde Rechtsfähigkeit schließe jedoch nicht eine Eingruppierung als Körperschaftsteuersubjekt 190
Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 31; Hügel, ZGR 1999, S. 71, 80. BFH, BStBl. II 1992, 972. 192 Hügel, ZGR 1999, S. 71, 81; Schlenker, S. 77; Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 Rn. 40. 193 FG Düsseldorf, EFG 1987, 202. 194 FG Düsseldorf, EFG 1987, 202 f. 195 BFH, BStBl. II 1992, 972, 973 ff. 196 FG Düsseldorf, EFG 1987, 202. 191
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aus. Der BFH wendete § 1 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 3 Abs. 1 KStG an. Seiner Ansicht nach ergibt sich die Körperschaftsteuersubjekteigenschaft unmittelbar aus dem Wortlaut der § 1 Abs. 1 KStG und § 2 Nr. 1 KStG. Hiernach sei für die Fähigkeit, Körperschaftsteuersubjekt zu sein, die alternative Anknüpfung an die Geschäftsleitung oder den Sitz im Inland ausreichend. Zudem sei eine alternative Anerkennung der Steuersubjekteigenschaft bereits in der Begründung zum Entwurf des Körperschaftsteuergesetzes 1920 hervorgehoben worden. Für den Einzelfall stellt der BFH auf einen steuerrechtlichen Rechtstypenvergleich ab. Eine Körperschaftsteuertauglichkeit spricht er der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung nur zu, wenn sie dem Typ und der tatsächlichen Handhabung nach einer der i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG bezeichneten Kapitalgesellschaften oder einer der sonstigen im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 KStG aufgezählten Kategorien vergleichbar ist197. Liege eine solche Entsprechung vor, sei zusätzliche negative Voraussetzung, dass das Einkommen nicht nach den Regelungen des Einkommensteuergesetzes bzw. des Körperschaftsteuergesetzes von einem anderen Steuerpflichtigen zu versteuern sei. Im konkreten Fall bejahte der BFH die Körperschaftsteuerrechtsfähigkeit gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, da die liechtensteinische AG einer deutschen AG vergleichbar sei198. Die Auffassung des BFH hat zur Konsequenz, dass der zivilrechtliche Verlust der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft für die Frage, ob überhaupt eine Bewertung als Körperschaftsteuersubjekt möglich ist, zwar unerheblich ist. Allerdings betont der BFH die mangelnde inländische Rechtsfähigkeit hinsichtlich der Einordnung in die Kategorien des § 1 Abs. 1 KStG. Die vom BFH vorgenommene Eingruppierung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG anstatt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG hat aber insofern steuerliche Folgekonsequenzen199. Vom Ergebnis her wird die Ansicht des BFH, die zugezogene ausländische Gesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG zu beurteilen, auch zum Teil von der Literatur geteilt200. Im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 4 KStG wendet diese Meinung die Methode der strikten Rechtsformabhängigkeit an. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG stellt ihrer Rechtsauffassung nach aber eine Möglichkeit zur Anerkennung als Körperschaftsteuersubjekt dar. In dem Urteil des I. Senats des BFH vom 23.06.1993201 wird die Rechtsauffassung des IX. Senats zum Liechtenstein Urteil bestätigt. Der I. Senat 197
BFH, BStBl. II 1992, 972, 973 ff. BFH, BStBl. II 1992, 972, 975. 199 Siehe hierzu ausführlich 4. Teil A. I. 1. b. 200 Buyer, DB 1990, S. 1682, 1693. Lehner, RIW 1988, S. 201, 212 f., zieht als Rechtsgrundlage § 3 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG heran. 198
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des BFH ordnete eine Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts mit einer inländischen Geschäftsleitung aufgrund ihrer Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt gem. §§ 1 Abs. 1 Nr. 5, 3 Abs. 1 KStG ein. In der Entscheidung des I. Senats des BFH vom 01.07.1992202 wird die konkrete körperschaftsteuerliche Einstufung im Ergebnis offengelassen203. Der Senat äußerte sich zur Frage nach der Zugrundelegung der zivilrechtlichen Wertungen dahingehend, dass es steuerrechtlich auf den Streit um die Anwendung der Sitz- bzw. Gründungstheorie nicht ankomme. Nach der Gründungstheorie sei die Gesellschaft auch im Inland als eine rechtsfähige Kapitalgesellschaft schweizerischen Rechts anzuerkennen. Werde die Sitztheorie angewendet, sei die Gesellschaft zumindest nach § 3 Abs. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie im Zeitpunkt der Verlegung des Verwaltungssitzes nach Deutschland über eigenes Vermögen verfüge. Die Verlegung des Verwaltungssitzes könne dann nicht die Vollbeendigung, sondern nur die Auflösung der schweizerischen Kapitalgesellschaft auf der Grundlage der Sitztheorie bewirken. Der BFH beurteilte somit die zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts auf der Basis der Sitztheorie als Liquidationsgesellschaft204. Im Folgenden führte der BFH allerdings aus, dass auch die Voraussetzungen des Typenvergleichs erfüllt seien, falls es darauf ankomme, dass die Gesellschaft dem „Typ“ nach einer inländischen Kapitalgesellschaft entspreche. Es wird also letztendlich offengelassen, ob unter Anwendung der Sitztheorie die Gesellschaft den körperschaftsteuerlichen Status i. S. d. § 3 Abs. 1 KStG hat oder die ertragsteuerliche Einordnung mittels des Typenvergleichs zu erfolgen hat205. Da auch auf das Urteil des BFH vom 23.06.1992206 Bezug genommen wird und dessen Grundsätze alternativ angewendet werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der I. Senat des BFH mit der Entscheidung vom 01.07.1992207 eine neue ertragsteuerliche Bewertung eingeleitet hat. Dies wird dadurch bestätigt, dass derselbe Senat in einer späteren Entscheidung, nämlich in dem bereits erwähnten Urteil vom 23.06.1993208, nur auf der Grundlage des Liechtenstein Urteils den körperschaftsteuerlichen Status bestimmt hat. 201 202 203 204 205 206 207 208
BFH, BFH/NV 1994, 661, 663. BFH, BStBl. II 1993, 222, 223. So auch Dinkhoff, S. 181 f. Dinkhoff, S. 181 f. Dinkhoff, S. 182. BFH, BStBl. II 1992, 972. BFH, BStBl. II 1993, 222. BFH, BFH/NV 1994, 661.
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Sowohl im Beschluss des I. Senats vom 15.07.1998209 als auch im Urteil des I. Senats vom 16.12.1998210 führte dieser zunächst aus, dass nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland hätten, unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig seien. Anschließend stellte er fest, dass auch ausländische Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig seien. Der BFH zieht für die zugezogenen Kapitalgesellschaften aber nicht § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG als Rechtsgrundlage heran211, da er lediglich von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht spricht und nicht explizit den vorher genannten § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG auf die Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung bezieht. Zudem verweist der BFH in beiden Entscheidungen auf BFH-Entscheidungen, in denen die körperschaftsteuerliche Einordnung gem. §§ 1 Abs. 1 Nr. 5, 3 Abs. 1 KStG erfolgte. Der Umstand, dass er auch auf einen Vertreter aus der Literatur verweist, welcher der Lehre vom Rechtstypenvergleich folgt, führt ebenso wenig dazu, dass der BFH nunmehr von einer Einstufung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ausgeht. Diese Bezugnahme kann als Beleg für die generelle Anerkennung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht einer zugezogenen Kapitalgesellschaft angesehen werden. In beiden Entscheidungen hält der BFH seine Ausführungen zur Frage der Körperschaftsteuerpflicht sehr knapp. Er spricht lediglich davon, dass auch ausländische Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sein könnten212. Auf eine konkrete steuerliche Einstufung verzichtet er jedoch. Es ist somit davon auszugehen, dass der BFH an seiner ursprünglichen Rechtsprechung festhält, wonach es für eine Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 KStG auf die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit ankommt. In den neueren Entscheidungen kann kein Wendepunkt im Vergleich zur früheren Rechtsprechung gesehen werden, da der BFH auch in diesen Entscheidungen auf das Liechtenstein Urteil rekurriert. Für seine damalige Einstufung der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG hat er eine ausführliche Begründung geliefert. Für eine eventuelle anderweitige Beurteilung erfolgte in den aktuelleren Entscheidungen keine von der früheren Rechtsprechung abweichende Argumentation – was aber bei einer Änderung der Rechtsprechung 209
BFH, BFH/NV 1999, 372, 373. BFH, BStBl. II 1999, 437, 438. 211 Nach der Ansicht von Dinkhoff, S. 183 ff., zieht der BFH in seinem Beschluss vom 15.07.1998 als Rechtsgrundlage § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG heran. In dem Urteil vom 16.12.1998 bleibe offen, ob der I. Senat an seiner früheren Rechtsprechung festhalte oder abweichend davon eine ertragsteuerliche Wertung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG vornehme. 212 BFH, BStBl. II 1999, 437, 438; BFH, BFH/NV 1999, 372, 373. 210
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hätte erwartet werden können – weshalb die Rechtsauffassung des BFH in seinem Urteil vom 23.06.1992 noch als die einschlägige zu erachten ist. Allerdings ist von Seiten der finanzgerichtlichen Rechtsprechung durch das Finanzgericht des Saarlandes am 03.12.2003213 entschieden worden, dass eine liechtensteinische AG mit inländischer Geschäftsleitung ein Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sei. Das Finanzgericht führte aus, dass auch ausländische Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland – wie bereits der Gesetzestext des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erkennen lasse – unbeschränkt steuerpflichtig sein könnten. Es wurde überhaupt nicht auf die Problematik der eventuell fehlenden Rechtsfähigkeit eingegangen, sondern lediglich der Rechtstypenvergleich angewendet. Ob das Finanzgericht damit von der Linie des BFH abgewichen ist, der sowohl zivilrechtliche als auch wirtschaftliche Aspekte für die Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektivität heranzieht, kann jedoch nicht gesagt werden, da vor dem Hintergrund der Niederlassungsfreiheit der liechtensteinischen AG die Rechtsfähigkeit im Inland nicht fehlt. Der Wegzugsstaat Liechtenstein als ein Vertreter der Gründungstheorie214 lässt die Verlegung des Verwaltungssitzes ohne Aberkennung der Rechtsfähigkeit zu. Daher ist der Zuzugsstaat Deutschland, wie bereits dargestellt wurde, aufgrund der aktuellen EuGH-Rechtsprechung gemeinschaftsrechtlich verpflichtet, die zugezogene Gesellschaft als Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts zu respektieren215. Liechtenstein ist zwar nicht Mitglied der EU, aber in den Europäischen Wirtschaftsraum aufgenommen worden216. Nach dem EWR-Abkommen gelten die Grundfreiheiten des Europäischen Binnenmarkts und damit auch die Niederlassungsfreiheit gleichfalls gegenüber Gesellschaften aus Partnerstaaten im EWR217. Nach Art. 31 i. V. m. Art. 34 des EWR-Abkommens218 verfügen die nach liechtensteinischem Recht gegründeten Gesellschaften über ein dem Art. 43, 48 EG entsprechendes Niederlassungsrecht. Auch bei einer rein zivilrechtlichen Interpretation des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG käme man somit zu dem Ergebnis, dass eine nach liechtenstei213
Finanzgericht Saarland, EFG 2004, 430. Frowein, S. 20 f.; Rohde, S. 29 f. 215 Vgl. 2. Teil A. I. 1. 216 Dautzenberg, StuB 2003, S. 1126, 1127; vgl. hinsichtlich des Gesetzes zum Abkommen vom 02.05.1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen), BGBl. II 1993, 266, und bezüglich des Gesetzes zum Anpassungsprotokoll vom 17.03.1993 zum EWR-Abkommen, BGBl. II 1993, 1294. Das EWR-Abkommen ist für Liechtenstein am 01.05.1995 in Kraft getreten, vgl. BGBl. II 1995, 725. 217 Dautzenberg, StuB 2003, S. 1126, 1127 f.; Meilicke, GmbHR 2003, S. 793, 798. 218 Vgl. BGBl. II 1993, 266, 271. 214
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nischem Recht gegründete AG ein Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ist. Das Finanzgericht des Saarlandes stellte lediglich auf den Rechtstypenvergleich ab, ohne die Problematik bezüglich der ertragsteuerlichen Einordnung ausländischer Gesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung anzusprechen. Angesichts seiner knappen Ausführungen kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass von der generellen BFH-Linie hinsichtlich der Einstufung der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften Abstand genommen wurde. Im Ergebnis kann somit festgehalten werden, dass in der vorliegend untersuchten Konstellation, in welcher der Gründungsstaat die Rechtsfähigkeit infolge der Verlegung des Verwaltungssitzes aberkennt, nach der Rechtsprechung des BFH lediglich die steuerliche Eingruppierung gem. §§ 1 Abs. 1 Nr. 5, 3 Abs. 1 KStG in Betracht kommt. c) Kritische Stellungnahme zu den vermittelnden Lösungsansätzen Wie eben dargestellt, werden von der Finanzrechtsprechung sowie teilweise von der Literatur vermittelnde Lösungsansätze hinsichtlich der steuerlichen Qualifikation der Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung vertreten. aa) Ansicht des BFH Im Schrifttum ist die Entscheidung des IX. Senats des BFH vom 23.06.1992219 nicht kritiklos geblieben. Beanstandet wird zum einem, dass der Rechtstypenvergleich des BFH überflüssig sei220. Diese kritischen Stimmen wenden vielmehr die §§ 1 Abs. 1 Nr. 5, 3 Abs. 1 KStG unmittelbar an. Ein solcher Rechtstypenvergleich ist jedoch, wenn man, wie der BFH, die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften aufgrund der fehlenden Rechtsfähigkeit unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG eingruppiert, unerlässlich. Eine Übereinstimmung mit den in § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG genannten inländischen Körperschaftsteuersubjekten ist bezüglich solcher Gesellschaften nämlich gerade nicht gegeben, so dass allein der Typus der Gesellschaft entscheidend sein kann. Angreifbar ist der Typenvergleich allerdings insofern, als er in sich widersprüchlich ist. Im Rahmen des vom BFH in seiner Entscheidung vom 219
BFH, BStBl. II 1992, 972. Vgl. zu diesem Kritikpunkt die Darstellung bei Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 Rn. 43 und 44. 220
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23.06.1992 durchgeführten Typenvergleichs wurde trotz der festgestellten Ähnlichkeit mit einer inländischen AG die liechtensteinische AG als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG eingestuft221. Knobbe-Keuk formuliert dies in ihrer Anmerkung zu dem besagten Urteil folgendermaßen: „Die liechtensteinische AG ist, weil sie einer deutschen AG vergleichbar ist, als nicht rechtsfähiger Verein zu besteuern“222. Hätte der BFH den Vorwurf einer nicht widerspruchsfreien Entscheidung vermeiden wollen, wäre es – vor dem Hintergrund der Annahme, dass hinsichtlich dieser Gesellschaften ausländischen Rechts § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG die einschlägige Rechtsgrundlage ist – einzig und allein konsequent gewesen, darauf abzustellen, ob eine Vergleichbarkeit mit den in § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG genannten Körperschaftsteuersubjekten besteht223. Statt dessen wurde vom BFH eine Entsprechung mit einer deutschen AG bejaht. Die Wahl eines Vergleichsobjekts aus der Kategorie des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG hätte aber konsequenterweise zu einer Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG führen müssen. Die Entscheidung des BFH ist somit durch einen Widerspruch gekennzeichnet, da die Subsumtion unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG nicht mit dem diesbezüglich durchgeführten Typenvergleich, der auf eine Ähnlichkeit der liechtensteinischen AG mit einer deutschen Kapitalgesellschaftsform abstellt, korrespondiert. Die Rechtsprechung des BFH erscheint noch aus einem anderen Grund inkonsequent. In seinem Urteil vom 23.06.1992 führte der IX. Senat des BFH aus, dass die Sitztheorie und deren Auswirkungen in Form der Anwendbarkeit deutschen materiellen Gesellschaftsrechts auch steuerlich hinsichtlich der Bestimmung der grenzüberschreitenden ausländischen Kapitalgesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte im Rahmen des § 1 Abs. 1 KStG zu berücksichtigen seien. Er fühlt sich an die Wertungen des Privatrechts bezüglich der Einordnung in den Dualismus zwischen der Besteuerung nach dem Körperschaftsteuerrecht und dem Einkommensteuergesetz aber nur insoweit gebunden, als er eine Körperschaftsteuersubjektivität der nach ausländischem Recht errichteten Gesellschaft mit deutscher Geschäftsleitung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 KStG ablehnt224. Dieses Kriterium einer von den zivilrechtlichen Rechtsfolgen abhängigen Besteuerung wird vom BFH jedoch im Hinblick auf die Einordnung unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG nicht berücksichtigt225. Wie aus dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.06.1984 hervorgeht, erfordert auch der Be221 222 223 224 225
Haase, Steuer & Studium 2003, S. 198, 199. Knobbe-Keuk, DB 1992, S. 2070. Zisowski, S. 40 f.; Großfeld/Luttermann, IPRax 1993, S. 229, 230. BFH, BStBl. II 1992, 972, 973 f. Herz, S. 336.
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griff des nichtrechtsfähigen Vereins i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG eine Auslegung allein nach seinem zivilrechtlichen Gehalt. Die im Körperschaftsteuergesetz gewählte Begrifflichkeit ist insofern identisch mit der des § 54 BGB226. Wenn sich der BFH somit in steuerlicher Hinsicht an die zivilrechtlichen Vorgaben gebunden fühlt, hätte er konsequenterweise im Rahmen der gesamten Prüfung der Körperschaftsteuersubjekteigenschaft von einer solchen Maßgeblichkeit des Zivilrechts ausgehen müssen227. Misst der BFH dem Zivilrecht nur für die steuerliche Eingruppierung einer grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 KStG, nicht aber im Hinblick auf ihre Einstufung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG eine Bedeutung zu, hat dies eine widersprüchliche Entscheidungsfindung zur Folge. Unter Geltung der Sitztheorie, zu der sich auch der BFH in seiner Entscheidung vom 23.06.1992 bekannt hat228, kommt für die zugezogene Kapitalgesellschaft deutsches materielles Zivilrecht zur Anwendung. Der BFH, der eine solche Gesellschaft unter den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG subsumiert, hätte, da er die Grundsätze des internationalen Privatrechts für das Steuerrecht als verbindlich ansieht, an dieser Stelle prüfen müssen, ob es sich überhaupt um einen nichtrechtsfähigen Verein nach Maßgabe deutschen Gesellschaftsrechts handelt229. Eine Qualifikation der ausländischen Kapitalgesellschaft als Anstalt, Stiftung oder anderes Zweckvermögen scheidet von vornherein aus230. Es kommt daher nur eine Einordnung als inländischer nichtrechtsfähiger Verein oder als inländische Personengesellschaft bzw. (kaufmännische) Einzelperson in Betracht231. Eine solche Einstufung ist möglich. Wie die Umqualifizierungstheorie des II. Zivilsenats des BGH232 zeigt, ist auch unter Anwendung der Sitztheorie im Zuzugsstaat Deutschland die zugezogene Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt hat, nicht als rechtliches Nullum im Inland zu beurteilen233. Nach inländischem Gesellschaftsrecht ist allerdings eine Anerkennung als nichtrechtsfähiger Verein nur möglich, wenn die grenzüberschreitende ausländische Kapitalgesellschaft sich nicht wirtschaftlich betätigt234. Grundsätzlich kann aber davon 226
BFH GrS, BStBl. II 1984, 751, 759. Herz, S. 335 ff.; Rohde, S. 313. 228 BFH, BStBl. II 1992, 972, 973. 229 Herz, S. 335 ff. 230 Dinkhoff, S. 192. 231 Rohde, S. 313. 232 BGH, GmbHR 2002, 1021. 233 Vgl. auch K. Schmidt, ZGR 1999, S. 20, 24. 234 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 440; Kindler, in: Münchner Kommentar, IntGesR Rn. 351; Rohde, S. 63 f.; Müller, ZIP 1997, S. 1049, 1051; vgl. aus der Rechtsprechung BGH, BGHZ 22, 240, 244. So im Ergebnis auch K. Schmidt, 227
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ausgegangen werden, dass diese Gesellschaften im Zuzugsstaat am Wirtschaftsleben teilnehmen. Die zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts ist zivilrechtlich daher als Personengesellschaft bzw. (kaufmännische) Einzelperson einzuordnen235. In steuerlicher Hinsicht wäre dann bei einer Maßgeblichkeit des Zivilrechts das Einkommensteuergesetz und nicht das Körperschaftsteuergesetz einschlägig. Konsequenterweise hätte der BFH daher die Eingruppierung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG ablehnen müssen. bb) Rückgriff auf § 3 Abs. 1 KStG Einen Mittelweg schlägt auch die Ansicht ein, die im Hinblick auf § 1 Abs. 1 KStG die zivilrechtlichen Erwägungen und damit die Grundsätze des internationalen Privatrechts für maßgeblich erachtet. Die fehlende zivilrechtliche Rechtsfähigkeit stehe allerdings einer steuerlichen Bewertung der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte nicht entgegen. Es wird insoweit auf § 3 Abs. 1 KStG zurückgegriffen, der als eigenständiger Auffangtatbestand betrachtet wird236. Die zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts ist nach dieser Ansicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig i. S. d. § 3 Abs. 1 KStG, wenn sie körperschaftlich verfasst sei und einer inländischen Kapitalgesellschaft bzw. einem anderen der in § 1 Abs. 1 KStG aufgeführten Körperschaftsteuersubjekte entspreche237. Im Gegensatz zur oben dargestellten Ansicht wird ausschließlich § 3 Abs. 1 KStG herangezogen. Dies erscheint problematisch, da das Verhältnis von § 1 Abs. 1 Nr. 5 und § 3 Abs. 1 KStG nicht eindeutig geklärt ist238. Umstritten ist, ob es sich bei § 3 Abs. 1 KStG lediglich um eine Abgrenzungsnorm zwischen der Besteuerung nach dem Einkommensteuergesetz und dem Körperschaftsteuergesetz handelt239 oder ob er einen Auffangtatbestand darstellt240. Eine ausführliche Auseinandersetzung, warum § 3 Abs. 1 KStG unabhängig von § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG Anwendung finden kann, erfolgt nicht. Auch hätte eingehender geprüft werden müssen, ob nicht die Körperschaftsteuersubjektivität grenzüberschreitender ausländischer KapitalS. 734, der allerdings darauf abstellt, ob der nichtrechtsfähige Verband ein Unternehmen betreibt. 235 Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 348 f.; Kösters, NZG 1998, S. 241, 245; Müller, ZIP 1997, S. 1049, 1051; Bogler, DB 1991, S. 848, 850. 236 Schaumburg, Rn. 6.11 f. und 6.20. 237 Schaumburg, Rn. 6.11 und 6.20. 238 Herz, S. 182. 239 Streck, in: Streck, § 3 Anm. 1; Brezing/Herrmann, in: H/H/R, § 3 KStG Anm. 4 und 22. 240 Graffe, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 3 KStG Rn. 10.
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gesellschaften aus § 1 Abs. 1 KStG hergeleitet werden kann. Diese Forderung ergibt sich aufgrund der Tatsache, dass, selbst wenn man von einem selbständigen Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 KStG ausgeht, es sich bei dieser Regelung auf jeden Fall lediglich um einen Auffangtatbestand handelt. Auf diesen darf nur zurückgegriffen werden, wenn die Anerkennung als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG ausscheidet241. Außerdem setzt sich auch diese Ansicht dem Vorwurf der Inkonsequenz aus. Sie transformiert die Wirkungen der Sitztheorie ins Steuerrecht und lehnt demzufolge mangels inländischer zivilrechtlicher Rechtsfähigkeit die Körperschaftsteuertauglichkeit umgezogener ausländischer Kapitalgesellschaften gem. § 1 Abs. 1 KStG ab. Wenn somit bei der steuerrechtlichen Beurteilung der zivilrechtlichen Sichtweise gefolgt wird, dann kann konsequenterweise in steuerlicher Hinsicht nur der bzw. die Gesellschafter und nicht die Gesellschaft selbst der Besteuerung unterliegen. Zivilrechtlich stellt die zugezogene Kapitalgesellschaft im Inland unter Anwendung der Sitztheorie nämlich eine Personengesellschaft bzw. eine (kaufmännische) Einzelperson dar. Der oder die Gesellschafter werden dann der Einkommensteuer unterworfen. Die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 KStG, nämlich dass das Einkommen nicht entsprechend den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes bzw. Körperschaftsteuergesetzes bei einem anderen Steuerpflichtigen zu versteuern ist, ist dann nicht erfüllt. Unabhängig davon, ob die Vorschrift des § 3 Abs. 1 KStG einen eigenständigen Auffangtatbestand darstellt, kann diese Regelung daher nicht zur Begründung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit herangezogen werden. Zudem ist es widerprüchlich auf eine Vergleichbarkeit mit den in § 1 Abs. 1 KStG genannten Körperschaftsteuersubjekten abzustellen, wenn insoweit ausschließlich die Vorschrift des § 3 Abs. 1 KStG für den körperschaftsteuerlichen Status grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts zugrunde gelegt wird. cc) Einordnung als Vorgesellschaft Auch Dinkhoff stuft grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts unter bestimmten Voraussetzungen als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 3 Abs. 1 KStG ein242. Er fühlt sich an das vom Zivilrecht durch die Grundsätze des internationalen Privatrechts vorgegebene Ergebnis auch in steuerlicher Hinsicht gebunden. Da er in § 1 Abs. 1 KStG – auch was die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG betrifft – eine von der zivilrechtlichen Rechtsform abhängige Besteuerung erblickt, scheidet seiner Mei241 242
Zisowski, S. 45 f. Dinkhoff, S. 199.
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nung nach die Einordnung als Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 KStG aus243. Folgerichtig stellt er sich vor dem Hintergrund der steuerlichen Behandlung die Frage, wie eine ausländische Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung in Deutschland zivilrechtlich zu qualifizieren ist244. Er folgt insoweit der strengen zivilrechtlichen Betrachtungsweise. Als Ergebnis schlägt er vor, diese Gesellschaft ausländischen Rechts in zivilrechtlicher Hinsicht nach den Regeln über die Vorgesellschaft zu bewerten245. Als Vorgesellschaft wird das Gründungsstadium einer inländischen Kapitalgesellschaft bezeichnet, das den Zeitraum vom Abschluss des wirksamen Gesellschaftsvertrages bzw. der Satzung bis zur Handelsregistereintragung betrifft246. Es handelt sich bei der Vorgesellschaft ihrem Wesen nach um die im Entstehen begriffene Kapitalgesellschaft247. Die Vorgesellschaft stellt eine Personenvereinigung eigener Art dar, die sich keiner anderen Vereinigungsform des bürgerlichen bzw. des Handelsrechts zuordnen lässt248. Auf die Vorgesellschaft finden bereits die Regelungen des AktG bzw. des GmbHG Anwendung, es sei denn diese setzen gerade die Eintragung voraus249. Zwischen der Vorgesellschaft und der später eingetragenen Kapitalgesellschaft besteht Identität250. Wird vor Abschluss des Gründungsvertrages bereits mit vorbereitenden Tätigkeiten begonnen bzw. sogar der Geschäftsbetrieb der späteren Kapitalgesellschaft aufgenommen, dann entsteht eine BGB-Außengesellschaft oder eine OHG251. Für dieses Stadium ist die Bezeichnung als Vorgründungsgesellschaft üblich252. 243
Dinkhoff, S. 187 ff. Dinkhoff, S. 193. 245 Dinkhoff, S. 193. 246 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 11 Rn. 4; Schmidt-Leithoff, in: Schmidt-Leithoff, § 11 Rn. 4; Michalski, in: Michalski, § 11 Rn. 42; Hueck/ Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 11 Rn. 3; K. Schmidt, S. 788 und 1016; ders., in: Scholz, § 11 Rn. 21; Jäger, § 5 Rn. 1; Hüffer, § 41 Rn. 3; BGH, BGHZ 91, 149, 151. 247 BGH, BGHZ 117, 323, 327. 248 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 11 Rn. 4; Michalski, in: Michalski, § 11 Rn. 43; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 11 Rn. 6; K. Schmidt, in: Scholz, § 11 Rn. 24; vgl. aus der Rechtsprechung BGH, BGHZ 21, 242, 246; BGH, BGHZ 45, 338, 347; BGH, BGHZ 51, 30, 32; BGH, WM 1980, 955, 956; BGH, NJW 1993, 459, 460; BGH, NJW 2000, 1193, 1194. 249 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 11 Rn. 5; Michalski, in: Michalski, § 11 Rn. 44; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 11 Rn. 6; K. Schmidt, S. 789 und 1016 f.; vgl. aus der Rechtsprechung BGH, BGHZ 21, 242, 246; BGH, BGHZ 45, 338, 347; BGH, BGHZ 51, 30, 32; BGH, NJW 1993, 459, 460; BGH, NJW 2000, 1193, 1194. 250 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 11 Rn. 4; Michalski, in: Michalski, § 11 Rn. 70; K. Schmidt, S. 790 und 1028; ders., in: Scholz, § 11 Rn. 11 und 25; Jäger, § 5 Rn. 2; BGHZ 80, 129, 138. 244
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Unproblematisch ist die Vorgründungsgesellschaft, die zivilrechtlich als Personengesellschaft behandelt wird, ertragsteuerrechtlich als Mitunternehmerschaft gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen253. Trotz der noch fehlenden Rechtsfähigkeit beurteilen die h. M. im Schrifttum254 sowie die finanzgerichtliche Rechtsprechung255 die echte Vorgesellschaft, bei der die Gründung einer Kapitalgesellschaft ernsthaft beabsichtigt ist, als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Es ist allerdings Voraussetzung, dass tatsächlich später eine Registereintragung stattfindet256. Als Begründung für die steuerrechtlich identische Behandlung der Vorgesellschaft und der erst später mit der Eintragung ins Handelsregister existenten Kapitalgesellschaft führt der BFH an, dass zwischen der Vorgesellschaft und der ins Handelsregister eingetragenen Kapitalgesellschaft eine Identität gegeben sei257. Zudem werde die Vorgesellschaft zivilrechtlich weitgehend wie die künftige Kapitalgesellschaft behandelt258. Kommt es später allerdings tatsächlich nicht zur Handelsregistereintragung, unterliegt die Gesellschaft einer anderen steuerrechtlichen Wertung. Wird die Eintragung ins Handelsregister überhaupt nicht oder nicht mehr beabsichtigt, spricht man insoweit von einer unechten Vorgesellschaft259. Gesellschaftsrechtlich handelt es sich um eine Personengesellschaft260. Ertragsteuerlich wird die unechte Vorgesellschaft unter der Voraussetzung einer gewerblichen Betätigung nach überwiegender Ansicht von Beginn an als Gesellschaft gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG qualifiziert, wenn von Anfang an keine Eintragung ins Handelsregister angestrebt war261. Wird demgegenüber die Absicht der Handelsregistereintragung nicht von vornhe251 Michalski, in: Michalski, § 11 Rn. 20; K. Schmidt, in: Scholz, § 11 Rn. 14; Jäger, § 19 Rn. 3; BGH, BGHZ 91, 148, 151; BGH, NJW 1983, 2822. 252 Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 11 Rn. 2; BGH, NJW 1983, 2822. 253 Pezzer, in: Tipke/Lang, § 11 Rn. 9; Knobbe-Keuk, § 15 III S. 573; Rengers, in: Blümich, § 1 KStG Rn. 172. 254 Pezzer, in: Tipke/Lang, § 11 Rn. 9; Knobbe-Keuk, § 15 III S. 572 f.; Rengers, in: Blümich, § 1 KStG Rn. 181 ff. 255 BFH, BStBl. II 1993, 352, 354; BFH, BStBl. II 1982, 362, 363; BFH, BStBl. II 1973, 568, 569; FG Cottbus, ZIP 2004, 169, 170. 256 BFH, BStBl. II 1993, 352, 354; BFH, BStBl. II 1973, 568, 569; BFH, BStBl. III 1952, 172, 173; Rengers, in: Blümich, § 1 KStG Rn. 180 ff.; Pezzer, in: Tipke/ Lang, § 11 Rn. 9. 257 BFH, BStBl. II 1993, 352, 354; BFH, BStBl. II 1973, 568, 569. 258 BFH, BStBl. II 1973, 568, 569. 259 Schmidt-Leithoff, in: Schmidt-Leithoff, § 11 Rn. 22. 260 Michalski, in: Michalski, § 11 Rn. 81; Schmidt-Leithoff, in: Schmidt-Leithoff, § 11 Rn. 22. 261 BFH, BFH/NV 1988, 477, 478; BFH, BFH/NV 1987, 687, 688; Rengers, in: Blümich, § 1 KStG Rn. 183; Streck, BB 1972, S. 261, 266; K. Schmidt, in: Scholz, § 11 Rn. 177.
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rein, sondern erst später aufgegeben, muss einer Ansicht zufolge die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit rückwirkend aberkannt werden262. Nach der Gegenansicht entfällt die Eigenschaft der Vorgesellschaft, Körperschaftsteuersubjekt zu sein, nicht rückwirkend, sondern ex nunc zum Zeitpunkt der endgültigen Aufgabe der Eintragungsabsicht263. Dinkhoff will die steuerrechtliche Behandlung der inländischen Vorgesellschaft auf die ausländische Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung übertragen264. Er wertet die ausländische Gesellschaft zivilrechtlich ebenfalls als Vorgesellschaft. Die inländische Vorgesellschaft ordnet er allerdings entgegen der h. M. im Schrifttum und der Ansicht der Rechtsprechung als Körperschaftsteuersubjekt nach § 3 Abs. 1 KStG ein, da er konsequenterweise im Rahmen des § 1 Abs. 1 KStG der Methode der strikten zivilrechtlichen Rechtsformabhängigkeit folgt. Die Vorschrift des § 1 KStG könne für die Vorgesellschaft mangels Rechtsfähigkeit nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, da die Regelung des § 1 Abs. 1 KStG insgesamt eine abschließende Aufzählung enthalte und eine erweiternde Auslegung nicht in Betracht komme. Auch eine Subsumtion der Vorgesellschaft unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG scheide grundsätzlich wegen der in aller Regel vorliegenden wirtschaftlichen Betätigung aus265. Die Vorgesellschaft könne bis zur endgültigen Aufgabe der Eintragung ins Handelsregister Subjekt der Körperschaftsteuer nach § 3 Abs. 1 KStG bleiben. Im Rahmen der Übertragung seiner Ergebnisse bezüglich der steuerlichen Qualifikation einer inländischen Vorgesellschaft auf eine nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit deutscher Geschäftsleitung stuft er letztere unter bestimmten Voraussetzungen sowohl in zivilrechtlicher als auch in steuerrechtlicher Hinsicht als echte Vorgesellschaft ein. Erforderlich sei diesbezüglich ein den inländischen Regelungen angepasster formgerechter Gesellschaftsvertrag bzw. eine Satzung. Des Weiteren müsse die umgezogene Gesellschaft eine Eintragung ins Handelsregister betreiben. Unter Beachtung dieser Erfordernisse ergebe sich eine Körperschaftsteuersubjektivität gem. § 3 Abs. 1 KStG. Werde dagegen bereits ab dem Zeitpunkt der Verlegung der Geschäftsleitung oder erst nach dem Zuzug keine Anpassung an die deutschen Vorschriften bzw. keine Eintragung ins Handelsregister angestrebt, sei die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft ab 262 BFH, BStBl. III 1952, 172, 173; FG Brandenburg, EFG 2003, 1330, 1331 f.; FG Cottbus, ZIP 2004, 169, 170 f.; K. Schmidt, in: Scholz, § 11 Rn. 176 f.; Pezzer, in: Tipke/Lang, § 11 Rn. 9. 263 Dinkhoff, S. 197 ff.; Rengers, in: Blümich, § 1 KStG Rn. 183; Wrede, in: H/ H/R, § 27 KStG Anm. 15; Streck, BB 1972, S. 261, 263 und 265. 264 Dinkhoff, S. 199. 265 Dinkhoff, S. 195 mit Verweisen auf Wassermeyer, DStR 1991, S. 734, 735 und Wrede, in: H/H/R, § 27 KStG Anm. 15.
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dem entsprechenden Zeitpunkt als unechte Vorgesellschaft zu qualifizieren. Eine Einstufung als Körperschaftsteuersubjekt gem. § 3 Abs. 1 KStG scheide dann aus266. Der Ansatz Dinkhoffs ist zwar von seinen Prämissen her dogmatisch korrekt umgesetzt, er geht allerdings an der Realität vorbei. Eine Einordnung der ausländischen Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland als echte Vorgesellschaft kommt – wenn überhaupt – nur im seltenen Ausnahmefall in Betracht. Es fehlen grundsätzlich die für die Vorgesellschaft konstitutiven Merkmale267. Die Voraussetzung eines formgültigen Gründungsaktes für das Entstehen einer Vorgesellschaft wird bei der zugezogenen Gesellschaft ausländischen Rechts grundsätzlich nicht gegeben sein. Daneben liegen bei diesen ausländischen Gesellschaften regelmäßig die gesellschaftsrechtlichen Erfordernisse nicht vor, die eine Handelsregistereintragung im Inland als Voraussetzung beinhaltet. Es besteht somit ein Eintragungshindernis. Zudem fehlt es der zugezogenen Kapitalgesellschaft an dem der Vorgesellschaft immanenten Übergangscharakter268. Die nach der ausländischen Rechtsordnung vorgenommene Bildung der Korporation ist vielmehr bereits abgeschlossen. Der Gesellschaftszweck der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft richtet sich gerade nicht auf die Eintragung ins deutsche Handelsregister, sondern in vollem Umfang auf ihre geschäftlichen Aktivitäten. Von einem Übergangsstadium auf dem Weg zur Entstehung einer GmbH oder AG kann daher keine Rede sein269. Auch in den seltenen Fällen, in denen die Gesellschaft eine Anpassung an das deutsche Gesellschaftsrecht anstrebt, handelt es sich grundsätzlich nicht um eine Vorgesellschaft, da es in der Regel an einem notariellen Gesellschaftsvertrag fehlt270. Eine ausländische Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung muss vielmehr, wie bereits erwähnt, in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht unter Geltung der Sitztheorie im Inland als Personengesellschaft bzw. (kaufmännische) Einzelperson gewertet werden271. Eine Übertragung der ertragsteuerlichen Behandlung der inländischen Vorgesellschaft auf die zugezogene Gesellschaft ist bei Beachtung der zivilrechtlichen Vorgaben nicht möglich. 266
Dinkhoff, S. 199. Müller, ZIP 1997, S. 1049, 1050. 268 Fischer, IPRax 1991, S. 100, 101. 269 Müller, ZIP 1997, S. 1049, 1050. 270 Pusill-Wachtsmuth, S. 102 f. Anderer Ansicht ist für den Fall der Anpassung Herz, S. 96. Auch Müller, ZIP 1997, S. 1049, 1050, ordnet die ausländische Gesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz als Vorgesellschaft ein, wenn eine Anpassung des Gesellschaftsvertrages an die im Inland geltenden Vorschriften erfolgt und ernsthaft eine Eintragung als GmbH oder AG beabsichtigt sei. 271 Vg. 2. Teil A. I. 2. c. aa. 267
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dd) Typologische Lösung Einen weiteren Mittelweg schlägt Salditt mit seiner typologischen Lösung ein272. Salditt berücksichtigt grundsätzlich im Rahmen der steuerlichen Beurteilung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit die zivilrechtlichen Vorgaben273 und unterscheidet sich daher von der Lehre des Rechtstypenvergleichs274. Die ausländische Kapitalgesellschaft, die ihren Ort der Geschäftsleitung in Deutschland habe, falle nicht unter die Kategorie des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, da diese nicht mit dem in der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG bezeichneten Verein vergleichbar sei. Im System des Körperschaftsteuergesetzes nehme der Verein keine Stellung ein, die ihn als „mindere“ Kapitalgesellschaft erscheinen lasse275. Als Lösung schlägt Salditt vor, dass zwischen die Mitunternehmerschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und die rechtsfähige Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ein Drittes treten müsse, nämlich die als Typus nach dem Vorbild der Kapitalgesellschaft verwirklichte und steuerpflichtige „Organisation“. Zwar werde dadurch eine tatbestandliche Erweiterung vorgenommen, jedoch sei diese notwendig, da die Lösung über die Einordnung als Mitunternehmerschaft eine artifizielle, sinnwidrige Alternative darstelle. Diese Betrachtungsweise relativiere die Grenzen des zivilrechtlichen Begriffs der Kapitalgesellschaft, um das Steuergesetz darüber hinaus auf einen zugeordneten organisatorischen „Typus“ zu erweitern276. Als Kriterium für die steuerliche Einordnung zieht Salditt die Regelung des § 17 EStG a. F. heran. Die Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung besitze die Körperschaftsteuersubjekteigenschaft gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, es sei denn, dass die nichtrechtsfähige „Kapitalgesellschaft“ nur solchen Trägern gehöre, die Anteile von mehr als 25% hielten. Bei einer solchen Beteiligung müssten die Einkünfte den Gesellschaftern zugerechnet werden. Bei gewerblicher Betätigung liege eine Mitunternehmerschaft vor277. Diese Rechtsauffassung verlässt die gesetzlichen Grundlagen des Körperschaftsteuer- und des Einkommensteuergesetzes. Wann eine Gesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 KStG und wann sie als Mitunternehmerschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG eingeordnet werden kann, beurteilt sich ausschließlich nach diesen gesetzlichen Vorschriften des Kör272 273 274 275 276 277
Salditt, StuW Salditt, StuW Herz, S. 274. Salditt, StuW Salditt, StuW Salditt, StuW
1971, S. 191, 198 ff. 1971, S. 191, 196 ff. 1971, S. 191, 195 f. 1971, S. 191, 198. 1971, S. 191, 201 f.
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perschaftsteuer- bzw. des Einkommensteuerrechts. Für grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts kann diesbezüglich keine Ausnahme erfolgen. Ebenso wenig enthalten die Steuergesetze einen Anhaltspunkt dafür, dass § 17 EStG a. F. bei der ertragsteuerlichen Qualifikation als Subjekt der Körperschaftsteuer oder als Personengesellschaft nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG eine Rolle spielt. Ein solcher Rückgriff ist somit bei dieser Unterscheidung nicht möglich. Eine Einstufung der ausländischen Gesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG kommt nur in Betracht, wenn die Körperschaftsteuerrechtssubjektivität nach eigenen körperschaftsteuerlichen Kriterien bestimmt wird. Salditt berücksichtigt das zivilrechtlich vorgegebene Ergebnis bei der Frage der Anerkennung der Körperschaftsteuersubjekteigenschaft, weshalb er konsequenterweise eine Besteuerung nach dem Körperschaftsteuergesetz ablehnen müsste. ee) Einordnung als beschränkt steuerpflichtige Körperschaftsteuersubjekte Ebenfalls einen vermittelnden Lösungsweg in der Diskussion um die Steuerrechtsfähigkeit ausländischer Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung in Deutschland schlug Wassermeyer ein278. Mittlerweile hat er seine frühere Rechtsauffassung jedoch aufgegeben. Er hat sich nunmehr der Lehre vom Rechtstypenvergleich angeschlossen, die eine vom Zivilrecht unabhängige Wertung hinsichtlich der Bestimmung der Körperschaftsteuersubjekteigenschaft vornimmt, was grenzüberschreitende ausländische Kapitalgesellschaften anbelangt279. Seine frühere Lösungsalternative wird im Schrifttum nahezu übereinstimmend kritisch gewürdigt280. Sein Ansatz ging dahin, dass er die Einordnung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften in den Katalog des § 1 Abs. 1 KStG ablehnte. Er vertrat eine strikte Anknüpfung an die zivilrechtlichen inländischen Rechtsformen. Die Oberbegriffe des § 2 Nr. 1 KStG seien demgegenüber sehr viel weiter gefasst. Letztendlich wollte Wassermeyer ausländische Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung zwar als Körperschaftsteuersubjekte qualifizieren, ihnen aber nur die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht zuerkennen. Zu dieser Annahme der beschränkten Steuerpflicht nach dem Körperschaftsteuergesetz gelangte er aufgrund der These, dass der Verwaltungssitz und damit die Geschäftsleitung der Gesell278
Wassermeyer, DB 1990, S. 244 f. Wassermeyer, S. 83, 89 f. 280 Herz, S. 275 f.; Schlenker, S. 78 f.; Zisowski, S. 46 ff.; Dinkhoff, S. 173 f.; Debatin, GmbHR 1991, S. 164, 165; ders., BB 1990, S. 1457, 1458; Knobbe-Keuk, StuW 1990, S. 372, 375. 279
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schaft sich weiterhin im Ausland befänden. Steuerrechtlich könne die Sitzverlegung ins Inland aus Gründen einer objektiven Unmöglichkeit nicht anerkannt werden. Hierdurch glaubte Wassermeyer dem Ziel der Sitztheorie zu genügen. Auch wollte er der finanzgerichtlichen Rechtsprechung Rechnung tragen. Er räumte jedoch selbst ein, dass durch seinen Lösungsvorschlag der Begriff des Ortes der Geschäftsleitung, der in § 10 AO legaldefiniert ist, verändert werde281. Dieser frühere Ansatz Wassermeyers muss sich zum einen entgegenhalten lassen, dass die Fiktion, die nach Deutschland umgezogene Gesellschaft habe ihre Geschäftsleitung weiterhin in ihrem Gründungsstaat, an der Lebenswirklichkeit vorbeigeht. Die Problematik hinsichtlich der Bestimmung der Steuersubjektfähigkeit grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften entsteht erst dadurch, dass diesen Gesellschaften, die ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegt haben, unter Geltung der Sitztheorie die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit aberkannt wird. Hätte die ausländische Kapitalgesellschaft ihre Geschäftsleitung nach wie vor im Ausland, käme es überhaupt nicht zu den Schwierigkeiten in der Besteuerungsfrage282. Die Nichtbeachtung der tatsächlichen Gegebenheiten bereitet auch praktische Probleme. Fraglich ist nämlich unter anderem, wohin die Steuerbescheide versandt werden sollen. Im Ausland verfügt die Gesellschaft über keine Kontaktadresse mehr. Demzufolge müsste die Bekanntgabe doch im Inland an den Ort der nach Wassermeyer nicht vorhandenen Geschäftsleitung erfolgen. Oder wäre das Finanzamt dann gezwungen, die Steuerbescheide öffentlich bekanntzugeben283? Die Rechtsprechung, auf die Wassermeyer seinen Lösungsweg stützte, konnte er nicht heranziehen, da die zitierten Urteile insgesamt den ausschließlichen Inlandsbezug und nicht den grenzüberschreitenden Sachverhalt betreffen284. Kritisiert werden kann zudem – wie Wassermeyer selbst zugab – dass durch seine These der Begriff des Ortes der Geschäftsleitung verändert wird. In der Legaldefinition des § 10 AO wird er als ein rein tatsächlicher Ort umschrieben. Nach der früheren Ansicht Wassermeyers aber wäre die Geschäftsleitung danach zu ermitteln, wo der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung sich in rechtlich zulässiger Weise befindet. Mit einer solchen Interpretation werden jedoch die gesetzlichen Grundlagen des § 10 AO verlassen285. Wie Debatin richtigerweise formuliert, wird durch eine solche Modifizierung der Begriffsgehalt der tatsächlichen Geschäftslei281 282 283 284 285
Wassermeyer, DB 1990, S. 244 f. Herz, S. 276; Schlenker, S. 79; Dinkhoff, S. 174; Debatin, BB 1990, S. 1457 f. Buyer, DB 1990, S. 1682, 1692. Zisowski, S. 48. Herz, S. 276; Schlenker, S. 79; Dinkhoff, S. 174; Zisowski, S. 46 ff.
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tung denaturiert286. Eine solche Sichtweise, die eine Veränderung des Begriffs der Geschäftsleitung bedeuten würde, findet auch insofern mit der Vorschrift des § 1 Abs. 1 KStG keine Übereinstimmung. Diese knüpft die unbeschränkte Steuerpflicht alternativ an die Geschäftsleitung oder den Sitz im Inland an. Nach dem früheren Ansatz Wassermeyers würde das räumliche Anknüpfungsmerkmal der Geschäftsleitung in Bezug auf Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts zur völligen Bedeutungslosigkeit degradiert, was mit dem eindeutigen Gesetzeswortlaut der Vorschrift nicht zu vereinbaren ist287. Die Qualifikation grenzüberschreitender ausländischer Kapitalgesellschaften als Subjekte beschränkter Körperschaftsteuerpflicht stellt demzufolge keine tragfähige These dar. ff) Abhängigkeit von der ausländischen Rechtsordnung Schließlich wird noch vertreten, dass eine zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingeordnet werden könne. Eine Bindung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG an die zivilrechtliche Gesellschaftsform bestehe nur für die nach deutschem Recht gegründeten Gesellschaften, nicht aber für die nach einer ausländischen Rechtsordnung errichteten Gesellschaften. Behandle aber das ausländische Recht den Wegzug seiner Kapitalgesellschaft als Löschung derselben, müsse die grenzüberschreitende Gesellschaft im Inland als unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtiges Subjekt nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 oder § 3 KStG eingeordnet werden. Dies ergebe sich daraus, dass die Gesellschaft in keinem der beiden Staaten, d.h. Zuzugs- und Wegzugsstaat, zivilrechtlich als Kapitalgesellschaft existent sei288. Nach dieser Ansicht ist die zugezogene Gesellschaft in der hier untersuchten Konstellation, dass der Wegzugsstaat die Rechtsfähigkeit aberkennt, als Subjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 oder § 3 KStG zu bewerten. Gegen diesen Lösungsansatz kann aber vorgebracht werden, dass letztendlich nicht die deutschen Steuergesetze über die Einstufung als inländisches Körperschaftsteuersubjekt entscheiden würden. Die Bestimmung der Körperschaftsteuerfähigkeit hinge vielmehr von der ausländischen Rechtsordnung des Gründungsstaates ab. Ließe diese den Wegzug ohne Verlust der Rechtsfähigkeit zu, könnte die Gesellschaft unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG subsumiert werden, andernfalls könnte nur § 1 Abs. 1 Nr. 5 oder § 3 KStG herangezogen werden. Sämtliche Mittelwege, die sich zwar durch die Wertungen der Zivilrechtsordnung gebunden fühlen, aber dennoch die Einordnung ausländischer 286 287 288
Debatin, GmbHR 1991, S. 164, 166. Zisowski, S. 48. Dötsch, DB 1989, S. 2296, 2299.
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Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland als Körperschaftsteuersubjekte ermöglichen wollen, können nicht überzeugen. Letztendlich ist daher für die Beurteilung der ertragsteuerlichen Subjekteigenschaft ausschlaggebend, ob das Steuerrecht zu einer eigenständigen Lösung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse gelangen kann oder ob die zivilrechtlichen Erwägungen für das Steuerrecht als verbindlich betrachtet werden müssen. d) Kritische Stellungnahme zur Lehre der Zivilrechtsakzessorietät Nach der strengen zivilrechtlichen Sichtweise stellt die ausländische Gesellschaft kein eigenständiges Steuersubjekt dar, vielmehr sind die an der Gesellschaft Beteiligten die steuerpflichtigen Einkommensbezieher. aa) Zirkelschluss der Lehre der Zivilrechtsakzessorietät Begründet wird dieser Ansatz unter anderem damit, dass im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland sowohl für die inländische und im Inland ansässige als auch für die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft eine identische Ausgangsgrundlage bestehe. Hinsichtlich des rein inländischen sowie des grenzüberschreitenden Sachverhalts komme nämlich deutsches Gesellschaftsrecht zur Anwendung. Eine solche identische Grundlage spreche auch dafür, hinsichtlich der Beurteilung der Körperschaftsteuersubjektivität innerhalb der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht das jeweils gleiche Vergleichskriterium anzuwenden289. Von einem solchen Begründungsansatz geht wohl auch PusillWachtsmuth aus290. Sie führt aus, dass sich die Gesellschaft aufgrund der Auswirkungen der Sitztheorie als deutsche OHG, GbR oder als nichtrechtsfähiger Verein darstelle. Bei einer deutschen Gesellschaft sei ein Typenvergleich aber nicht notwendig. Die grenzüberschreitende Gesellschaft sei wie jede andere deutsche OHG, GbR oder wie jeder nichtrechtsfähige deutsche Verein zu besteuern. Diese Argumentation beruht jedoch auf einem Zirkelschluss. Den Vertretern der strikten zivilrechtlichen Sichtweise zufolge kann aufgrund des Umstandes, dass sowohl für inländische als auch für grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften inländisches materielles Recht anwendbar ist, auch für beide Sachverhaltskonstellationen keine unterschiedliche steuerliche Bewertung erfolgen, was die Frage der Anerkennung als Steuersubjekt anbelangt. 289 Herz, S. 291 f.; Ebenroth/Auer, RIW 1992, S. 998, 1011 f.; dies., RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 16 ff., Sarrazin, FR 1985, S. 466 f. 290 Pusill-Wachtsmuth, S. 204.
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Dieses Ergebnis wäre aber nur dann richtig, wenn sich das Steuerrecht bezüglich der Bestimmung der Steuersubjektfähigkeit auch hinsichtlich ausländischer Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung ausschließlich nach den Vorschriften des Zivilrechts zu richten hätte291. Wie sich das Steuerrecht und das Privatrecht in dieser Konstellation zueinander verhalten, bereitet allerdings gerade die Schwierigkeiten. Notwendig ist somit eine Auseinandersetzung mit dieser Problematik. Die Tatsache, dass materielles Gesellschaftsrecht Anwendung findet, ist Ausfluss der Sitztheorie, kann allerdings nichts zur Klärung der grundsätzlichen Frage der ertragsteuerlichen Beurteilung beitragen. Die Schwäche dieses Begründungsansatzes wird auch selbst eingeräumt, indem zugegeben wird, dass eine solche Argumentation alleine zu formal wäre, um eine an die Wertungen des Privatrechts gebundene Besteuerung rechtfertigen zu können292. Ebenso wenig lässt sich eine einheitliche Auslegung im Sinne eines zivilrechtlichen Verständnisses dadurch begründen, dass auch der Begriff der Gesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zivilrechtlich interpretiert wird. Eine solche Vorgehensweise würde nämlich zu einem „hermeneutischen Zirkel“ führen293. Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Begriff der Gesellschaft im Einkommensteuerrecht einem weiteren Verständnis zugänglich ist als die Begriffe im Katalog des § 1 Abs. 1 KStG, wonach die aufgeführten Rechtsformen nur unter den strengen Voraussetzungen der jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Regelungen vorliegen. Trotz zivilrechtlicher Interpretation können grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften bei einem entsprechend ausfallenden Typenvergleich Gesellschaften inländischen Rechts gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sein, da insoweit die materiellen und formellen Voraussetzungen leichter zu erfüllen sind. Es liegt folglich eine unterschiedliche Ausgangssituation vor. Hinsichtlich der Einordnung dieser ausländischen Gesellschaften unter die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ergeben sich mangels einer expliziten Aufzählung im Vergleich zu der Regelung des § 1 Abs. 1 KStG keine Schwierigkeiten. Die Anknüpfung an den Gesellschaftsbegriff des § 705 BGB im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG kann daher nicht als Argument dafür herangezogen werden, dass sich die Körperschaftsteuerqualifikation grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften nach einer strikten Rechtsformabhängigkeit zu richten hat.
291 Eine allgemeine Darstellung hinsichtlich des Verhältnisses des Steuerrechts zum Zivilrecht und der diesbezüglich vertretenen Auffassungen findet sich bei Loritz, Rn. 41 ff. 292 Herz, S. 292 f. 293 Herz, S. 176 f.
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bb) Grundsatz der Wettbewerbsneutralität Von den Vertretern der streng zivilrechtlich orientierten Betrachtungsweise wird des Weiteren angeführt, dass sich eine von der zivilrechtlichen Rechtsform abhängige Besteuerung sowohl für den rein inländischen als auch für den grenzüberschreitenden Sachverhalt als eine Folge der Forderung nach Wettbewerbsneutralität ergeben müsse. Eine wettbewerbsgerechte Besteuerung müsse im Verhältnis von grenzüberschreitenden und inländischen Kapitalgesellschaften verwirklicht werden, da beide ihren Anknüpfungspunkt in Deutschland hätten. Um dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung und damit auch dem Gleichheitssatz Genüge zu leisten, müssten die Beurteilungskriterien hinsichtlich der Körperschaftsteuerrechtsfähigkeit die gleichen sein294. Der Aspekt der Wettbewerbsgerechtigkeit ist als Komponente des Gesetzeszwecks berücksichtigungsfähig. Es handelt sich bei diesem Gesichtspunkt um eine Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG295. Bereits der RFH hatte den Gesichtspunkt des Wettbewerbs im Rahmen der steuerlichen Beurteilung berücksichtigt296. Vor dem Hintergrund der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung ist allerdings auch eine Argumentation in die entgegengesetzte Richtung möglich. Werden hinsichtlich der Bestimmung der Körperschaftsteuersubjekteigenschaft die gleichen Kriterien für in Deutschland ansässige Gesellschaften inländischen Rechts und für ausländische Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung in Deutschland haben, angewendet, werden letztere niemals im Inland als eigenständige Körperschaftsteuersubjekte anerkannt. Ausgenommen ist der Fall, dass die umgezogenen Kapitalgesellschaften im Zuzugsstaat dessen gesellschaftsrechtlichen Anforderungen für eine Neugründung als inländische Kapitalgesellschaft erfüllen. Davon abgesehen wird die Steuerrechtssubjektivität i. S. d. Körperschaftsteuerrechts jedoch abgelehnt. Da allerdings diese ausländischen Gesellschaften rein tatsächlich wie inländische rechtsfähige Kapitalgesellschaften im Inland leben, widerspricht eine solche andersartige steuerrechtliche Beurteilung aber gerade einer wettbewerbsgerechten Besteuerung. Die Wettbewerbsneutralität muss nämlich auch von einem wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet werden. Wirtschaftlich gesehen tritt die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft auf dem inländischen Markt in den Wettbewerb mit den deutschen Kapitalgesellschaften. Insoweit erscheint es nahe liegend, unter dem Aspekt des 294 295 296
Herz, S. 293 ff. Pott, Kollision, S. 72; FG Köln, EFG 2004, 1158, 1159. RFH, RFHE 42, 303, 305 f.; RFH, RStBl. 1937, 1160.
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Wettbewerbs die zugezogenen Gesellschaften derselben Besteuerung zu unterwerfen wie die inländischen Kapitalgesellschaften297. Es muss somit genügen, dass die zugezogenen Kapitalgesellschaften sich nach ihrer ausländischen Rechtsordnung konstituiert haben, d.h. die dortigen Gründungserfordernisse eingehalten haben. Um dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität im Rahmen der Besteuerung gerecht zu werden, kann von diesen ausländischen Gesellschaften nicht erwartet werden, dass sie die Voraussetzungen der inländischen Kapitalgesellschaftsformen erfüllen, um als Subjekt der Körperschaftsteuer anerkannt zu werden. Das wäre ein übertriebener Aufwand in zeitlicher und finanzieller Hinsicht. Diese Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts haben bereits in ihrem Gründungsstaat einen ähnlichen – wenn auch eventuell weniger aufwendigen – Prozess durchlaufen. Grenzüberschreitende Gesellschaften müssten demzufolge nach der strengen zivilrechtlichen Sichtweise die Erfordernisse für das Entstehen einer Kapitalgesellschaft zwei Mal erfüllen, um im Inland die Qualität als Körperschaftsteuersubjekt zu erhalten. Inländische Gesellschaften demgegenüber müssen nur die Vorschriften des nationalen Gesellschaftsrechts einhalten, um als steuerliche Kapitalgesellschaft beurteilt zu werden. Gerade diese Konsequenzen, die sich nach Ansicht derer ergeben, die für eine strikte rechtsformabhängige Besteuerung plädieren, sprechen unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerbsneutralen Besteuerung für den Lösungsansatz einer steuerrechtlich eigenständigen Entscheidung. cc) Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung Eng verbunden mit dem Aspekt der wettbewerbsneutralen Besteuerung ist das von der Lehre der strengen zivilrechtlichen Sichtweise vorgebrachte Argument, dass eine allein nach wirtschaftlichen Kriterien vorgenommene ertragsteuerliche Qualifikation eine Ungleichbehandlung zur Folge hätte. Diese wird darin gesehen, dass eine inländische Publikums-KG trotz ihrer körperschaftlichen Struktur als Personengesellschaft gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG eingestuft werde. Eine körperschaftlich strukturierte zugezogene Kapitalgesellschaft würde demgegenüber nach den Vertretern des Rechtstypenvergleichs als Körperschaftsteuersubjekt anerkannt, obwohl beiden Gesellschaften im Vergleich zueinander sowohl die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft fehle als auch die körperschaftliche Struktur immanent sei. Dies könne mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbart werden298. 297 298
Schlenker, S. 85. Herz, S. 296 ff.; Dinkhoff, S. 191 f.
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Wie bereits dargestellt wurde, wird aus dem allgemeinen Gleichheitssatz i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung abgeleitet. Das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt für wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte die gleiche steuerliche Behandlung299. Fraglich ist, ob der Gleichheitssatz für oder gegen eine zivilrechtliche Interpretation des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG spricht. Diejenigen, die eine Einordnung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte allein nach steuerlichen Kriterien vornehmen, begründen dies nämlich ihrerseits unter anderem damit, dass vergleichbare wirtschaftliche Verhältnisse auch gleich zu besteuern seien300. (1) Vergleich mit den inländischen Kapitalgesellschaftsformen Für die Feststellung, ob der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung bei einer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nach wirtschaftlichen Kriterien oder aber bei einem zivilrechtlichen Verständnis der Norm verletzt ist, muss die Situation der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft genauer betrachtet werden und mit derjenigen der inländischen Kapitalgesellschaften verglichen werden. Bei einer streng rechtsformabhängigen Besteuerung würde den Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung niemals die inländische Körperschaftsteuersubjektfähigkeit zuerkannt werden, es sei denn, sie gründen sich nach deutschem Gesellschaftsrecht neu. Verfügen diese ausländischen Gesellschaften über eine den inländischen Kapitalgesellschaften ähnliche körperschaftliche Struktur, so ist bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise aufgrund dieser ungleichen Besteuerung ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und damit gegen Art. 3 Abs. 1 GG denkbar. Zwar könnte eingewendet werden, dass unter der Geltung der Sitztheorie die zugezogene Gesellschaft zivilrechtlich gerade nicht als inländische Körperschaft, sondern als eine inländische Personengesellschaft bzw. (kaufmännische) Einzelperson zu beurteilen ist. Personengesellschaften bzw. natürliche Personen sind bei einem ausschließlichen inländischen Bezug nicht nach dem Körperschaftsteuergesetz zu besteuern. Diese auf der Grundlage der Sitztheorie sich ergebende zivilrechtliche Einordnung ist allerdings eine Folge der unterschiedlichen Gesellschaftsrechtssysteme und beruht auf dem Schutzgedanken der Sitztheorie301. Diese zivilrechtlichen Erwägungen kön299 300 301
Vgl 1. Teil E. III. 1. b. bb. Zisowski, S. 51 f.; Schlenker, S. 85; Hartmann, DB 1987, S. 122, 123 f. Schlenker, S. 85.
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nen bei der ertragsteuerlichen Qualifikation keine Rolle spielen. Das Steuerrecht als staatliches Eingriffsrecht muss vielmehr so ausgelegt werden, dass eine gleichmäßige Besteuerung gewährleistet ist302. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung als Ausprägung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG ist jedoch nur dann tangiert, wenn die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, die über eine inländische Geschäftsleitung verfügen, überhaupt Grundrechtsträger sind. (a) Grundrechtsträgerschaft der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft Fraglich ist, ob der Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung wirtschaftlich vergleichbarer Sachverhalte auch für die zugezogenen Gesellschaften ausländischen Rechts Anwendung findet. Grundsätzlich können auch Unternehmen Zuordnungssubjekt der steuerlichen Leistungsfähigkeit sein, nicht nur natürliche Personen303. Zwar spricht Art. 3 Abs. 1 GG davon, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Allerdings gelten die Grundrechte nach Art. 19 Abs. 3 GG auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Durch Art. 19 Abs. 3 GG wird eine Erweiterung des Kreises grundrechtsberechtigter Subjekte bewirkt304. „Art. 19 Abs. 3 GG stellt klar, dass die Grundrechtsinhaberschaft der juristischen Person selbst zukommt“305. Klärungsbedürftig ist zum einen die Begrifflichkeit der juristischen Person. Nach überkommenem Verständnis werden Organisationsgebilde erfasst, die in umfassender Weise Zuordnungssubjekt von Rechtsnormen, vor allem von Rechten und Pflichten, sein können306. Der Begriff der juristischen Person hat über seinen Wortlaut hinaus eine extensive Auslegung erfahren. Der Kreis der Grundrechtsträger beschränkt sich daher nicht auf die vollrechtsfähigen juristischen Personen, sondern umfasst auch die nur teilrechtsfähigen Gebilde307. Zu den grundrechtsberechtigten vollrechtsfähigen juristischen Personen des Privatrechts zählen unproblematisch die inländischen Kapitalgesellschaftsformen308. Die teilrechtsfähigen Organisationen des Privatrechts 302
Herrmann, RIW 2004, S. 445, 446. Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rn. 89 f.; Schmitt, DStZ 2004, S. 600, 602. 304 Dreier, in: Dreier, Art. 19 III Rn. 26. 305 Stern, S. 1118. 306 Dreier, in: Dreier, Art. 19 III Rn. 43. 307 Krüger/Sachs, in: Sachs, Art. 19 Rn. 58 ff.; Dreier, in: Dreier, Art. 19 III Rn. 43. 308 Dreier, in: Dreier, Art. 19 III Rn. 44 f. 303
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sind ebenfalls grundrechtsfähig309. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsrechts kommt den Personengesellschaften, also der OHG310, der KG311 und der BGB-Gesellschaft312, der Grundrechtsschutz zugute. Zum anderen bedarf das Adjektiv „inländisch“ der Klärung. Die überwiegende Ansicht in der Literatur313 und das Bundesverfassungsgericht314 stellen diesbezüglich auf den Sitz der juristischen Person ab. Darunter wird nicht der satzungsmäßige Sitz, sondern entsprechend der Sitztheorie der effektive, tatsächliche Verwaltungssitz verstanden315. Dieser muss im Inland liegen, damit es sich um eine inländische juristische Person i. S. d. Art. 19 Abs. 3 GG handelt316. Die Staatsbürgerschaft der Mitglieder spielt demgegenüber keine Rolle317. Bezogen auf eine nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung und damit inländischem Verwaltungssitz ist somit eine inländische juristische Person i. S. d. Art. 19 Abs. 3 GG gegeben. Die Inlandsqualifikation ist aufgrund des Umstandes, dass sich der Verwaltungssitz infolge des Zuzugs in Deutschland befindet, zu bejahen. Auch die Qualifikation als juristische Person ist möglich. Gesellschaften, die auf der Grundlage ausländischen Rechts gegründet wurden und ihren Verwaltungssitz im Inland haben, sind insoweit grundrechtsfähig, als die inländische Rechtsordnung ihre Existenz im nationalen Recht berücksichtigt318. Voraussetzung für die Eigenschaft als juristische Person i. S. d. Art. 19 Abs. 3 GG ist, dass den Personenvereinigungen oder Organisationseinheiten die Fähigkeit zugesprochen wird, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können319. Die Grenze ihrer Rechtsfähigkeit bildet die Grenze 309
Vgl. hierzu Krüger/Sachs, in: Sachs, Art. 19 Rn. 62 ff.; Dreier, in: Dreier, Art. 19 III Rn. 46 ff. 310 BVerfG, BVerfGE 4, 7, 12; 10, 89, 99; 23, 208, 223; 53, 1, 13. 311 BVerfG, BVerfGE 4, 7, 12; 10, 89, 99; 20, 162, 171; 42, 212, 219; 97, 67, 76; 102, 197, 212 f. 312 BVerfG, JZ 2003, 43. 313 Bethge, S. 45; Rüfner, AöR 1989, S. 261, 275; Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 3 Rn. 31; Krebs, in: Münch/Künig, Art. 19 Rn. 32; Krüger/Sachs, in: Sachs, Art. 19 Rn. 54. 314 BVerfG, BVerfGE 21, 207, 208; 23, 229, 236; BVerfG, NVwZ 2000, 1281, 1282. 315 Stern, S. 1143; Quaritsch; in: Isensee/Kirchhof § 120 Rn. 48; Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 3 Rn. 31; Krüger/Sachs, in: Sachs, Art. 19 Rn. 54; Dreier, in: Dreier, Art. 19 III Rn. 78; Krebs, in: Münch/Dürig, Art. 19 Rn. 32. 316 Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 3 Rn. 31; Krüger/Sachs, in: Sachs, Art. 19 Rn. 54. 317 BVerfG, NVwZ 2000, 1281, 1282. 318 Krüger/Sachs, in: Sachs, Art. 19 Rn. 63. 319 Krebs, in: Münch/Kunig, Art. 19 Rn. 31.
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ihrer Grundrechtsfähigkeit320. Zugezogene Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, die über einen inländischen Verwaltungssitz verfügen, sind somit juristische Personen i. S. d. Art. 19 Abs. 3 GG, wenn sie im Inland als ein rechtsfähiges Gebilde anerkannt werden. Was die Frage der Rechtsfähigkeit der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften anbelangt, muss diesbezüglich die aktuelle EuGH-Rechtsprechung und die daraufhin ergangene deutsche Zivilrechtsprechung berücksichtigt werden321. Unter dem Einfluss der jüngeren Rechtsprechung des EuGH sind ausländische Kapitalgesellschaften, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt haben, in Deutschland als rechtsfähige Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts anzuerkennen, wenn sie nach der Rechtsordnung des Wegzugsstaates die Rechtsfähigkeit nicht verlieren. In diesem Fall sind die zugezogenen Gesellschaften im Inland als vollrechtsfähige juristische Personen des Privatrechts und damit als grundrechtsfähig anzusehen. Die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften fallen aber auch dann in den Kreis der Grundrechtsberechtigten, wenn der Wegzugsstaat die Rechtsfähigkeit aberkennt. Sie sind zivilrechtlich aus der Sicht des Zuzugsstaates nicht als ein rechtliches Nullum anzusehen322, wenn sie in Deutschland geschäftlich aktiv sind. Die zugezogene Gesellschaft ist vielmehr als eine inländische Personengesellschaft oder als eine (kaufmännische) Einzelperson323 zu bewerten324. Auch die deutschen Personengesellschaften sind, wie bereits dargestellt, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundrechtsfähig. Bei dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG handelt es sich trotz seiner ausdrücklichen Bezugnahme auf natürliche Personen um ein seinem Wesen nach auf juristische Personen anwendbares Grundrecht325. Dies hat zur Folge, dass die inländischen Kapitalgesellschaften und die vergleichbaren Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung grundsätzlich in steuerlicher Hinsicht gleich zu behandeln sind. Eine Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung darf gegenüber einer rein inländischen Kapitalgesellschaft wegen des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG nicht 320
Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 3 Rn. 29; Rüfner, S. 55, 62. Vgl. hierzu 2. Teil A. I. 1. b. aa. 322 K. Schmidt, ZGR 1999, S. 20, 24. 323 In diesem Fall spielt Art. 19 Abs. 3 GG aber keine Rolle, da es sich dann um eine natürliche Person handelt, die unmittelbar den Grundrechtsschutz des Art. 3 Abs. 1 GG innehat. 324 Vgl. 2. Teil A. I. 2. c. aa. 325 Krüger/Sachs, in: Sachs, Art. 19 Rn. 71; Rüfner, S. 55, 65; vgl. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 3, 383, 391 f.; 4, 7, 12; 23, 153, 163; 41, 126, 149; 95, 267, 317. 321
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steuerlich diskriminiert werden326. Zwar kann es bei Körperschaften keine subjektive Leistungsfähigkeit geben. Sie können jedoch Zurechnungssubjekt objektiver Leistungsfähigkeit sein. Die objektive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kann den Kapitalgesellschaften nicht abgesprochen werden, da diese als rechtlich und wirtschaftlich eigenständige Glieder des Wirtschaftsverkehrs Wertschöpfung betreiben327. Keine Rolle spielt diesbezüglich, ob es sich um eine inländische Kapitalgesellschaft oder um eine zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung handelt. Es kommt darauf an, dass es sich in steuerlicher Hinsicht unter der Anwendung des Rechtstypenvergleichs um eine Kapitalgesellschaft handelt. Selbst wenn also die Rechtsprechungsgrundsätze des EuGH nicht eingreifen und die zugezogene Gesellschaft nicht als eine rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts im Inland anzuerkennen ist, kann die zugezogene Gesellschaft bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit den inländischen Kapitalgesellschaftsformen Zuordnungssubjekt der steuerlichen objektiven Leistungsfähigkeit sein. Das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt eine steuerliche Gleichbehandlung wirtschaftlich vergleichbarer Sachverhalte. Nur die den inländischen Kapitalgesellschaften entsprechenden zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts müssen somit ertragsteuerlich gleich eingestuft werden. Die Vergleichbarkeit lässt sich anhand des Rechtstypenvergleichs feststellen. Die Tatsache, dass die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften im Vergleich zu dem inländischen Vergleichsobjekt, den inländischen Kapitalgesellschaftsformen, nach ausländischem Recht gegründet wurden, diese über einen ausländischen Satzungssitz verfügen und in zivilrechtlicher Hinsicht anders qualifiziert werden, führt nicht dazu, dass wirtschaftlich unvergleichbare Sachverhalte vorliegen. Wie bereits dargestellt, ist für die Qualifikation als juristische Person i. S. d. Art. 19 Abs. 3 GG ein inländischer Verwaltungssitz Voraussetzung. Über einen solchen verfügen die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts. Auch sind sie im Inland rechtsfähig, entweder als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts oder als rechtsfähige inländische Personengesellschaft. Ebenso wenig wie die zivilrechtliche Behandlung der zugezogenen Gesellschaft im Inland für die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 3 GG von Bedeutung ist, kann diese gesellschaftsrechtliche Qualifikation im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG eine Rolle spielen328. Entsprechen die Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, die über eine inländische Geschäftsleitung verfügen, daher 326 Sedemund, S. 161. Die Frage der steuerlichen Diskriminierung wird ausführlich im 4. Teil behandelt. 327 Jachmann, S. 9, 16 ff.; dies., Steuergesetzgebung, S. 17 ff. 328 Vgl. auch Sedemund, S. 161 f.
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
unter Anwendung des Rechtstypenvergleichs den inländischen Kapitalgesellschaftsformen, liegen auch wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte vor, die in steuerlicher Hinsicht gleich behandelt werden müssen. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung greift somit ein. (b) Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgangslage Für die zugezogenen Gesellschaften und die nach inländischem Recht gegründeten Gesellschaften ergibt sich zudem eine unterschiedliche Ausgangslage, die zu berücksichtigen ist. Bei einem ausschließlichen Inlandsbezug, d.h. bei in Deutschland gegründeten und ansässigen Gesellschaften, ist die Freiheit der Rechtsformwahl gegeben. Demgegenüber besteht für grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften eine solche freie Rechtsformwahl nicht. Sie werden vielmehr unter Anwendung der Sitztheorie automatisch nach ihrem Umzug im Inland als Personengesellschaft eingestuft, wenn der Gründungsstaat die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft aberkennt. Der Einwand der Vertreter der strikten zivilrechtlichen Betrachtungsweise, dass hinsichtlich des Umzugs nach Deutschland und der damit einhergehenden Folgen eine Entschlussfreiheit bestehe329, überzeugt nicht. Einerseits erfolgt nämlich der Umzug häufig aufgrund bestimmter Erfordernisse und nicht auf der Grundlage einer freien Entscheidung, andererseits ist die freie Wahl der Rechtsform etwas anderes als der Entschluss der Verlegung der Geschäftsleitung. Beide Aspekte müssen auseinandergehalten werden. Wenn eine deutsche Personengesellschaft aufgrund einer entsprechenden Entscheidung der Gesellschafter als solche gegründet wird, stellt dies eine andere Situation als der Fall dar, dass eine solche Gesellschaft einzig und allein aus dem Grund entsteht, weil eine nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegt330. Vor dem steuerlichen Hintergrund kann eine solche Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt einer gleichmäßigen Besteuerung nicht zwingend als Mitunternehmerschaft gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG331 eingestuft werden. Wie bereits dargestellt wurde, wird bei deutschen Kapitalgesellschaften mit einem reinen Inlandsbezug hinsichtlich der Anerkennung als Körperschaftsteuersubjekt aufgrund der angestrebten Rechtssicherheit der Rechtsform die ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Auch ist die gesetzgeberische Entscheidung, an die zivilrechtliche Rechtsform anzuknüpfen, zu berücksichtigen. Diese Gründe rechtfertigen eine Parallelität der steuer329
Herz, S. 299. Meilicke, GmbHR 1998, S. 1053, 1054 f. 331 Eine solche steuerliche Einordnung ist aber nur bei einer gewerblichen Betätigung möglich, was in der Regel jedoch der Fall sein wird. 330
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rechtlichen und der zivilrechtlichen Behandlung. Es wird allerdings bei den gesetzlich geregelten Fallgruppen des § 1 Abs. 1 KStG auch eine wirtschaftliche Sichtweise berücksichtigt. Nur bezüglich der neueren Erscheinungsformen von Gesellschaften, wie etwa der Publikums-KG, die ebenfalls eine körperschaftliche Struktur aufweisen, findet keine wirtschaftliche Betrachtung statt332. Zudem besteht bei einem ausschließlich inländischen Sachverhalt die Möglichkeit, durch eine entsprechende Wahl der Rechtsform das steuerliche Ergebnis zu beeinflussen. Diese Gesichtspunkte können jedoch bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften bei der Frage der steuerlichen Eingruppierung keine Rolle spielen. Dabei ist nicht der Gesichtspunkt der Praktikabilität ausschlaggebend. Zwar ist es für den deutschen Gesetzgeber angesichts der Fülle an ausländischen Gesellschaftsrechtsformen im Vergleich zu den inländischen Gesellschaftstypen schwieriger, im Einzelnen alle ausländischen Gesellschaften aufzuzählen, wie es im Rahmen des § 1 Abs. 1 KStG hinsichtlich der inländischen Gesellschaften erfolgt ist. Eine gesetzliche Anknüpfung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht an ausländische Gesellschaftsrechtstypen kann vielmehr wegen der notwendigen lex fori Betrachtung, die auch in Bezug auf grenzüberschreitende Gesellschaften zu beachten ist, nicht erfolgen. Wie bereits dargestellt, ist maßgeblich für die steuerliche Einstufung als Körperschaftsteuersubjekt das deutsche Steuerrecht und nicht die ausländischen Rechtsordnungen333. Daraus ergibt sich, dass bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften, deren Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft aufgrund der Rechtsordnung des Wegzugsstaates infolge ihres Umzugs nicht fortbesteht, im Gegensatz zu inländischen Kapitalgesellschaften im Rahmen der ertragsteuerlichen Einstufung i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG nicht gleichzeitig die zivilrechtliche und die wirtschaftliche Betrachtung berücksichtigt werden kann. Vielmehr kann bei einem solchen grenzüberschreitenden Fall nur auf die wirtschaftliche Sichtweise abgestellt werden. Die schwierigen Abgrenzungsprobleme zwischen einer „normalen“ KG und einer „Publikums-KG“, auf die der Große Senat in seinem Beschluss vom 25.06.1984334 verweist, in dem er die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit der Publikums-KG abgelehnt hat, ergeben sich entgegen der Ansicht, die eine ausschließlich durch das Zivilrecht vorgegebene Wertung annimmt335, nicht. Richtigerweise, wie noch später dargestellt werden wird, ist bei einem Typenvergleich mit einer inländischen Kapitalgesellschaft 332 333 334 335
Vgl. 1. Teil E II. Vgl. 1. Teil E. III. 1. BFH GrS, BStBl. II 1984, 751, 760. Herz, S. 297.
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nämlich das ursprüngliche Gründungsrecht zugrunde zu legen336. Die rechtlichen Vorschriften des Zuzugsstaates sind demgegenüber entgegen dieser Ansicht337 nicht heranzuziehen. Zudem ist anzumerken, dass Abgrenzungsfragen bei jeder Einordnung auftauchen, die auf einer vergleichenden Betrachtung mit gesetzlich geregelten Fällen beruht. Auch im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften ergeben sich diese Abgrenzungsschwierigkeiten und dennoch wird eine Einstufung als Körperschaftsteuersubjekt aufgrund des Typenvergleichs vorgenommen. Es handelt sich folglich um ein generelles Problem des Typenvergleichs, weshalb die Anerkennung als Körperschaftsteuersubjekt im Falle der unbeschränkten Steuerpflicht nicht scheitern darf. Zusammenfassend ergibt sich aufgrund des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, dass ausländische Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingeordnet werden können. Nach der Methode der strikten rechtsformabhängigen Besteuerung wäre die Körperschaftsteuertauglichkeit generell zu verneinen. Dies würde jedenfalls zu einer größeren Ungleichbehandlung im Verhältnis zu den in § 1 Abs. 1 KStG genannten Körperschaftsteuersubjekten führen als die unterschiedliche steuerliche Beurteilung, wie sie sich nach der Lehre vom Rechtstypenvergleich im Verhältnis zwischen grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften und inländischen Gesellschaften, wie etwa der Publikums-KG, ergibt. Im Rahmen der steuerrechtlichen Qualifikation muss die im Vergleich zu den inländischen Gesellschaften gegebene unterschiedliche Situation der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften berücksichtigt werden. Beide müssen eine voneinander differenzierende steuerliche Behandlung erfahren, was die Frage der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit und deren Abhängigkeit von zivilrechtlichen Wertungen betrifft. Diejenigen ausländischen Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung, die einer inländischen Kapitalgesellschaft unter Anwendung des Rechtstypenvergleichs entsprechen, können demzufolge aufgrund des Grundsatzes der steuerlichen Gleichbehandlung wirtschaftlich vergleichbarer Verhältnisse gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG körperschaftsteuerfähig sein. (2) Vergleich mit den beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften Was die beschränkte Steuerpflicht ausländischer Kapitalgesellschaften anbelangt, so wird die Qualifikation als Subjekt der Körperschaftsteuer auch von denjenigen, die eine strikte rechtsformabhängige Besteuerung fordern, 336 337
Vgl. 2. Teil II. 2. Herz, S. 297.
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anhand des Typenvergleichs durchgeführt338. Hier wird von diesen Vertretern also keine Ungleichbehandlung zu den inländischen Gesellschaften, wie der Publikums-KG, angenommen. Diese Ansicht übersieht aber, dass ihr Ansatz zu einer ungleichen steuerlichen Behandlung zwischen ausländischen Kapitalgesellschaften, die sowohl Satzungssitz als auch Geschäftsleitung im Ausland haben, und Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit ausländischem Satzungssitz und inländischer Geschäftsleitung führt. Das rein formale Argument, dass die zugezogenen Kapitalgesellschaften eine größere Ähnlichkeit zu den inländischen Gesellschaften aufwiesen und folglich nicht mehr von einer ausländischen Gesellschaft gesprochen werden könne339, kann nicht als Begründung für eine solche Ungleichbehandlung angeführt werden. Die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft hat weiterhin einen Anknüpfungspunkt im Ausland. Im Zuzugsstaat wird die Gesellschaft unter Geltung der Sitztheorie als inländische Personengesellschaft deutschen Rechts bzw. als (kaufmännische) Einzelperson qualifiziert340. Die fehlende Rechtsfähigkeit als deutsche Kapitalgesellschaft stellt gerade das Problem bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften hinsichtlich der Anerkennung als selbständiges Steuersubjekt i. S. d. Körperschaftsteuergesetzes dar. Diese Schwierigkeit resultiert aus der Behandlung der nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaft als nunmehr inländische Gesellschaft. Zur Beantwortung der Frage, ob eine zivilrechtliche oder wirtschaftliche Betrachtungsweise im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG vorzugswürdig ist, trägt diese Erkenntnis aber nichts bei. Es kann somit festgestellt werden, dass die generelle Aberkennung der Körperschaftsteuersubjekteigenschaft grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften eine ungleiche steuerliche Behandlung zwischen Kapitalgesellschaften mit Satzungssitz und Geschäftsleitung im Ausland und Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung im Inland und satzungsmäßigem Sitz im Ausland zur Folge hat. Erstere werden unter den Voraussetzungen des Typenvergleichs als Körperschaftsteuersubjekte anerkannt, wenn sie inländische Einkünfte erzielen. Verlegt die nach einer ausländischen Rechtsordnung gegründete Kapitalgesellschaft ihre Geschäftsleitung nach Deutschland und besteht folglich ein intensiverer Inlandskontakt, verliert die gleiche Gesellschaft nach der Ansicht der strengen zivilrechtlichen Sichtweise ihre Körperschaftsteuersubjektfähigkeit. Mit dem Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung wirtschaftlich vergleichbarer Verhältnisse ist eine solche Konsequenz nicht zu vereinbaren341. Dieser Aspekt verdeutlicht 338 Vgl. Ebenroth/Auer, RIW 1992, S. 998, 1002 f.; dies., RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 16; Herz, S. 210 ff. 339 Herz, S. 320. 340 Vgl. 2. Teil A. I. 2. c. aa.
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somit, warum ausländische Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung unter bestimmten Voraussetzungen unter den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG subsumiert werden können. e) Stellungnahme zur Lehre vom Rechtstypenvergleich Die Lehre vom Rechtstypenvergleich interpretiert den § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG in Bezug auf eine grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung unabhängig von ihrer zivilrechtlicher Qualifikation. Sie legt vielmehr im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde. aa) Rückschluss durch § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG Als Argument für eine steuerrechtliche Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG im Hinblick auf die zugezogenen Kapitalgesellschaften wird die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, der nicht rechtsfähige Gesellschaftstypen erfasst, herangezogen. Diese Regelung belege, dass in der Frage der Steuersubjektfähigkeit nicht die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit, sondern eine steuerrechtlich eigenständige Betrachtung entscheidend sei342. Führt man diese Vorschrift als Beweis dafür an, dass es auf die Rechtsfähigkeit der ausländischen Kapitalgesellschaft im Inland nicht ankommt, um eine Einstufung in den Katalog des § 1 Abs. 1 KStG zu erreichen, kann allerdings konsequenterweise nur eine Subsumtion unter den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG erfolgen. Dies entspricht auch der Vorgehensweise des BFH in seinem Liechtenstein Urteil343. Die einzige widerspruchsfreie Begründung unter Zuhilfenahme des § 1 Abs. 1 KStG kann vielmehr nur darin gesehen werden, dass der Gesetzgeber für nach inländischem Recht gegründete und im Inland ansässige Gesellschaften bezüglich der Anerkennung als Körperschaftsteuersubjekt auf das inländische Gesellschaftsrecht zurückgegriffen hat, da er insoweit die Gesellschaftstypen überblicken konnte. Ausländische Gesellschaftsformen konnte der Gesetzgeber im Rahmen des § 1 Abs. 1 KStG dagegen wegen der notwendigen lex fori Betrachtung nicht aufzählen344. § 1 Abs. 1 KStG schließt aber deshalb grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts als Steuersubjekte nicht aus. Für diese darf dann nämlich 341
Zisowski, S. 52. Wassermeyer, S. 83, 90; Debatin, BB 1988, S. 1155, 1157; Großfeld/Luttermann, IPRax 1993, S. 229, 230; Höft, S. 102 ff. 343 BFH, BStBl. II 1992, 972. 344 Vgl. 1. Teil E. III. 1. 342
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nicht auf die in § 1 Abs. 1 KStG verwendeten Begrifflichkeiten abgestellt werden, die nur für den rein inländischen Sachverhalt gelten, sondern maßgebend kann allein der Typus der Gesellschaft sein. Mit dem Rekurs auf § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG als Beleg für die Körperschaftsteuertauglichkeit grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften werden die ausschließlich inländische und die grenzüberschreitende Variante nicht deutlich auseinander gehalten. Vor dem Hintergrund der rein inländischen Konstellation ist in Übereinstimmung mit dem zivilrechtlichen Terminus für eine Einordnung unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG etwa ein nichtrechtsfähiger Verein erforderlich. Dass auch bei inländischen und im Inland ansässigen Gesellschaften im Einzelfall die Körperschaftsteuereigenschaft trotz fehlender Rechtsfähigkeit bejaht wird, darf aber nicht als Argument herangezogen werden, um im grenzüberschreitenden Fall generell im Hinblick auf die Frage der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit auf die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft verzichten zu können. Unter Anwendung der Sitztheorie verlieren nach ausländischem Recht errichtete Gesellschaften mit dem Zuzug ins Inland ihre Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft. Es muss demnach eine Lösung im Allgemeinen gefunden werden, was die Problematik der steuerlichen Qualifikation betrifft. Keinen Erkenntniswert liefert die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG. Es handelt sich, bezogen auf den rein inländischen Sachverhalt, um einen Anwendungsfall der Anerkennung als selbständiges Steuersubjekt, während demgegenüber andere Tatbestände des § 1 Abs. 1 KStG die Rechtsfähigkeit voraussetzen. Daher ließe sich ebenso gut im Hinblick auf grenzüberschreitende Gesellschaften formulieren, dass zwar § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG auch nicht rechtsfähige Gesellschaftstypen in den Anwendungsbereich des Körperschaftsteuerrechts einbezieht, speziell für Kapitalgesellschaften und juristische Personen jedoch die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit verlangt wird. Dieser Ansatzpunkt ist, wie bereits dargelegt wurde, allerdings ebenfalls nicht vertretbar, da die diesbezüglich vorgebrachten Argumente nicht überzeugen können345. bb) Rückschluss durch Einordnung der Vorgesellschaft Ebenso wenig hilft der Gedanke weiter, dass auch die inländische Kapitalgesellschaft im Gründungsstadium, die so genannte echte Vorgesellschaft, nach h. M. im Schrifttum und nach Ansicht der Rechtsprechung346 von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erfasst wird347. Diese steuerliche Einordnung resultiert 345
Vgl. hierzu 2. Teil A. I. 2. d. Vgl. hierzu oben 2. Teil A. I. 2. c. cc. 347 So aber argumentieren Höft, S. 104; Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 Rn. 45. 346
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daraus, dass zwischen der Vorgesellschaft und der später ins Handelsregister eingetragenen Kapitalgesellschaft Identität besteht348. Zudem kann darauf abgestellt werden, dass die Vorgesellschaft zivilrechtlich weitgehend wie die künftige Kapitalgesellschaft behandelt wird349. Nicht ausschlaggebend für diese Wertung als Subjekt der Körperschaftsteuer ist allerdings die körperschaftliche Struktur der Vorgesellschaft350. Letzteres Kriterium müsste aber entscheidend sein, damit die steuerliche Behandlung der Vorgesellschaft als Argument für eine ausschließlich nach steuerlichen Maßstäben zu bewertende Körperschaftsteuertauglichkeit der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft dienen könnte. cc) Systematik des Körperschaftsteuerrechts Die Vertreter einer steuerrechtlich eigenständigen Entscheidung begründen ihre Ansicht weiterhin mit der Systematik des Steuerrechts. Bevor festgestellt werden könne, ob eine unbeschränkte Steuerpflicht vorliege, sei zunächst klärungsbedürftig, ob die fragliche Gesellschaft überhaupt als Steuersubjekt nach dem Körperschaftsteuergesetz qualifiziert werden könne. Sowohl hinsichtlich der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 KStG als auch in Bezug auf die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht i. S. d. § 2 Nr. 1 KStG gehe es um die gleiche Subjektbestimmung, beide Steuerpflichtarten griffen auf einen gemeinsamen Stamm der erfassten Subjekte zurück351. Gegen diese Trennung der Körperschaftsteuereigenschaft und der Art der Steuerpflicht wendet sich jedoch die Lehre der strikten zivilrechtlichen Sichtweise. Es wird unter anderem argumentiert, dass schon der Gesetzesaufbau, nämlich die Erfassung der Körperschaftsteuerpflicht in zwei unterschiedlichen Vorschriften, gegen eine solche Differenzierung spreche352. Dieser Einwand kann allerdings nicht überzeugen. Die Unterscheidung im Gesetzesaufbau zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht hat vielmehr ihren Grund in den jeweils unterschiedlichen Anknüpfungskriterien der Körperschaftsteuerpflicht, eine andersartige Subjektbestimmung hat dies nicht zur Folge, wie sich aus den identisch verwendeten Oberbegriffen in beiden Vorschriften ergibt. Auch wenn diese Oberbegriffe im Katalog des § 1 Abs. 1 KStG in einzelne Rechtsformen eingeteilt sind und § 2 348
BFH, BStBl. II 1993, 352, 354; BFH, BStBl. II 1973, 568, 569. BFH, BStBl. II 1973, 568, 569. 350 Herz, S. 329 f. 351 Debatin, BB 1988, S. 1155, 1158; ders., GmbHR 1991, S. 164, 165; Schlenker, S. 83. 352 Herz, S. 312 ff.; Dinkhoff, S. 188 ff. 349
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Nr. 1 KStG demgegenüber scheinbar uneingeschränkt alle Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen als mögliche Körperschaftsteuersubjekte benennt, spricht die äußere Gesetzessystematik nicht dagegen, dass zuerst über die Subjektfähigkeit zu entscheiden ist353. Der Kreis der beschränkt steuerpflichtigen Subjekte ist trotz der fehlenden Einzelbezeichnung nicht weiter gefasst als derjenige der unbeschränkt Steuerpflichtigen. Die fehlende Aufzählung durch den deutschen Gesetzgeber resultiert vielmehr aus der notwendigen lex fori Qualifikation354. Beschränkte Körperschaftsteuerpflicht bedeutet, dass sich sowohl der Sitz als auch der Ort der Geschäftsleitung im Ausland befinden, sie knüpft folglich unter anderem an ausländische Zivilrechtsformen an. Diese ausländischen Kapitalgesellschaftformen werden aber nach absolut h. M. in der Literatur und von der Rechtsprechung seit der Venezuela Entscheidung als Körperschaftsteuersubjekte anerkannt, wenn ein Vergleich mit den in § 1 Abs. 1 KStG genannten Subjekten positiv ausfällt355. Dadurch wird deutlich, dass, obwohl keine begriffliche Parallelität vorliegen muss, sondern eine Übereinstimmung mit dem Typus der Gesellschaft verlangt wird, im Prinzip keine andersartige Subjektbestimmung zwischen ausschließlichem Inlandsbezug und dem Fall der beschränkten Steuerpflicht stattfindet. Gegen die getrennt zu prüfende Steuersubjektfähigkeit wird des Weiteren vorgebracht, dass eine solche Differenzierung nur dann verwirklicht werden könnte, wenn sämtliche Gesellschaften, unabhängig von ihren örtlichen Anknüpfungsmomenten, nach einheitlichen Kriterien steuerlich auf ihre Körperschaftsteuereigenschaft hin beurteilt würden. Für inländische Gesellschaften sei aber eine von der Rechtsform abhängige Besteuerung und bezüglich Gesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland der Typenvergleich maßgebend. Letztendlich müsse zur Klärung der Frage, welches Vergleichskriterium Anwendung finde, zuerst untersucht werden, ob eine inländische oder eine ausländische Gesellschaft gegeben sei, was aber gleichbedeutend mit der Steuerpflichtartenfrage sei356. Vergleicht man ausländische Gesellschaften, die über einen Satzungssitz und eine Geschäftsleitung im Ausland verfügen, mit Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, die einen Sitz im Ausland und eine Geschäftsleitung im Inland innehaben, so steht hinsichtlich ersterer eindeutig fest, dass ihnen die Körperschaftsteuerfähigkeit zuerkannt werden kann. Letztere können, da die vermittelnden Auffassungen abzulehnen sind, nur dann Körperschaftsteuersubjekte sein, wenn man eine von den zivilrechtlichen Wertungen los353 354 355 356
So aber Herz, S. 312 ff.; Dinkhoff, S. 189. Vgl. 1. Teil E. III. 1. Vgl. 1. Teil E. III. Herz, S. 313 f.; Dinkhoff, S. 189 f.
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gelöste, steuerrechtliche Beurteilung vornimmt. Demzufolge gilt dann bei beiden Sachverhaltsvarianten, d.h. sowohl im Rahmen der unbeschränkten als auch der beschränkten Steuerpflicht, das gleiche Vergleichskriterium. Immer wenn es sich um eine nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft handelt, kann demnach die Subjektqualifikation nach dem Typenvergleich erfolgen. Wendet man die Lehre vom Typenvergleich in beiden Varianten an, kann zumindest für den Fall einer nach einer ausländischen Rechtsordnung errichteten Gesellschaft nicht von einer andersartigen Subjektbestimmung zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht gesprochen werden. Eine generelle Vorfrage dahingehend, wo die Gesellschaft ihren örtlichen Anknüpfungspunkt hat und damit welche Art der Steuerpflicht vorliegt, muss bei nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaften nicht beantwortet werden. Bezieht man den rein inländischen Fall mit ein, so lässt sich zusammenfassend feststellen, dass entweder aufgrund einer bestimmten inländischen Gesellschaftsform unproblematisch ein Körperschaftsteuersubjekt vorliegt oder es sich aufgrund der typologischen Beurteilung um eine körperschaftsteuerfähige ausländische Gesellschaft handelt, die eine Gesellschaftstypbezeichnung entsprechend der jeweiligen Landessprache erhalten hat. Der räumliche Anknüpfungspunkt spielt dabei keine Rolle, da schon aufgrund der Rechtsformbenennung der Gesellschaft klar ist, welches Vergleichskriterium Anwendung findet. Die Subjektbestimmung ist, wie bereits ausgeführt wurde, deshalb nicht andersartig, nur weil einerseits der Begriff und andererseits der Typus maßgebend ist. dd) Alternative Anknüpfung des § 1 Abs. 1 KStG Ein überzeugendes Argument der Lehre vom Rechtstypenvergleich besteht auch darin, dass nur bei einer steuerlich eigenständigen Interpretation des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG der gem. § 1 Abs. 1 KStG gesetzlich angeordneten alternativen Anknüpfung an die inländische Geschäftsleitung zur Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht in Bezug auf ausländische Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung eine Bedeutung zukommt357. Verlegt eine nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft ihre Geschäftsleitung ins Inland, hätte dies nach der Methode der strikten Rechtsformabhängigkeit demgegenüber zur Folge, dass bei einer solchen Konstellation das Anknüpfungsmerkmal der Geschäftsleitung leer liefe. Damit würde der Wortlaut des § 1 Abs. 1 KStG missachtet. Die Vertreter der streng zivilrechtlich orientierten Sichtweise führen dagegen aus, dass die alternative Anknüpfung im Rahmen des § 1 Abs. 1 357 Meilicke, GmbHR 1998, S. 1053, 1055; Zisowski, S. 53; Knobbe-Keuk, StuW 1990, S. 372, 376.
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KStG nicht zur Bedeutungslosigkeit degradiert werde358. Diejenige Ansicht, die eine grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft als inländische Vorgesellschaft einstuft, gelangt zu dieser Schlussfolgerung unter anderem dadurch, dass eine Beurteilung als Körperschaftsteuersubjekt nach § 3 Abs. 1 KStG möglich sei359. Wie bereits dargestellt wurde, kommt allerdings eine Wertung der zugezogenen Gesellschaft als Vorgesellschaft nicht in Betracht360. Selbst wenn eine solche Qualifikation möglich wäre, muss beachtet werden, dass nicht § 3 Abs. 1 KStG, sondern § 1 Abs. 1 KStG eine solche alternative Anknüpfung und zwar bezüglich aller Tatbestände vorsieht. Ebenso wenig überzeugt der Gedanke, dass § 1 Abs. 1 KStG deshalb nicht leerlaufe, weil eine inländische Kapitalgesellschaft, die ihre Geschäftsleitung in einen Gründungstheorie-Mitgliedstaat verlege, als Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einzustufen sei361. Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 KStG ist nämlich hinsichtlich des alternativen Anknüpfungsmerkmals nicht auf den Wegzugsfall beschränkt, vielmehr ist er offen formuliert und muss folglich auch bei einem Zuzugsfall Beachtung finden. Auch kommt bei dieser Variante des Wegzugs nur dem Anknüpfungskriterium des Satzungssitzes alleinige Bedeutung zu und nicht dem hier relevanten Merkmal der Geschäftsleitung. Eine Bedeutungslosigkeit des alternativen Anknüpfungsmerkmals der Geschäftsleitung bei einer Orientierung an das zivilrechtliche Ergebnis im Rahmen der ertragsteuerlichen Einordnung grenzüberschreitender Gesellschaften wird des Weiteren aufgrund des Umstandes bestritten, dass Freundschafts- oder Handelsverträge die Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland ohne den Verlust der Rechtsfähigkeit ermöglichten. Eine Qualifizierung dieser Gesellschaften als Subjekte der Körperschaftsteuer i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG sei dann denkbar362. Dieses Ergebnis, nämlich die Anerkennung der ausländischen Gesellschaft auch im Inland als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts, ergibt sich nunmehr nach der Überseering Entscheidung des EuGH363 generell für alle Zuzüge von Kapitalge358
Herz, S. 315 ff.; Dinkhoff, S. 191. Dinkhoff, S. 191. 360 Vgl. hierzu oben 2. Teil A. I. 2. c. cc. 361 Herz, S. 315 f.; Dinkhoff, S. 191. Nach Pusill-Wachtsmuth, S. 204 f., läuft die doppelte Anknüpfung im Rahmen des § 1 Abs. 1 KStG ebenfalls nicht leer. Im Falle der Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Gründungstheorie-Staat könne die Gesellschaft auch steuerrechtlich weiterhin als eine deutsche (Kapital-)Gesellschaft behandelt werden. Werde der Verwaltungssitz in einen Sitztheorie-Staat verlegt, könne die nunmehr ausländische Gesellschaft bis zur Löschung im Handelsregister aufgrund ihres inländischen Satzungssitzes als ausländische Gesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig sein, vorausgesetzt der Zuzugsstaat unterwerfe sie einer Rechtsform, die einer deutschen Körperschaft entspreche. 362 Herz, S. 316. 359
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sellschaften ins Inland, deren Gründungsstaat die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft nicht aberkennt. Aufgrund dieser gemeinschaftsrechtlichen Entwicklung wäre der Lehre der Zivilrechtsakzessorietät zufolge die Wertung als rechtsfähige Kapitalgesellschaft im Vergleich zu den bilateralen Verträgen auch nicht auf Ausnahmefälle beschränkt, so dass rein tatsächlich dem Kriterium der Geschäftsleitung im Rahmen des § 1 Abs. 1 KStG eine gewisse Bedeutung zukäme. Allerdings liefe bei dieser europarechtlichen Perspektive die Regelung bei einem Gründungsstaat leer, nach dessen Rechtsordnung die wegziehende Kapitalgesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verliert. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 KStG differenziert hinsichtlich des Anknüpfungspunktes der Geschäftsleitung aber nicht danach, welche gesellschaftsrechtlichen Regelungen im Gründungsstaat gelten, sondern nach ihrer offenen Formulierung ist ausschließlich als eine mögliche Alternative der Ort der Geschäftsleitung entscheidend. Die nationale Regelung selbst lässt die alternative Anknüpfung genügen. Dies hat zur Folge, dass der Abschluss von Verträgen zwischen dem Zuzugs- und dem Gründungsstaat oder gemeinschaftsrechtliche Verpflichtungen nicht notwendig sind, um dem Anknüpfungskriterium der Geschäftsleitung eine Bedeutung zu verschaffen. Nicht überzeugend, wie selbst eingeräumt wird364, ist der Hinweis eines Vertreters der strengen rechtsformabhängigen Besteuerung, dass bei einer nicht angenommenen Deckungsgleichheit zwischen den beiden Begriffen Geschäftsleitung und Verwaltungssitz im Falle der Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland auch bei einer strengen zivilrechtlichen Sichtweise die Fähigkeit für die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften bestehe, Steuersubjekte gem. § 1 Abs. 1 KStG zu sein. Die beiden Termini sind, wie bereits dargestellt wurde, identisch zu interpretieren365. Wie selbst zugegeben wird, würde sich, falls man doch nicht von einem strikten Gleichlauf der Begriffe Geschäftsleitung und Verwaltungssitz ausginge, ein solches Auseinanderfallen von Geschäftsleitung und Verwaltungssitz auf einige wenige Ausnahmefälle beschränken366. In der Konsequenz käme dann selbst 363
EuGH, GmbHR 2002, 1137. Herz, S. 316. 365 Siehe 1. Teil D. I. 366 Ein Auseinanderfallen des Ortes der Geschäftsleitung und des Verwaltungssitzes ist rein faktisch – wenn man nicht von einer strikten Kongruenz ausgeht – nur bei Unternehmen gegeben, die in personeller und organisatorischer Hinsicht sehr flexibel agieren können und für die keine Bindung an konkrete Örtlichkeiten besteht. Dies trifft insbesondere auf geschäftsleitende Holdinggesellschaften zu, vgl. Eilers/Wienands, IStR 1999, S. 289, 292; Schmidt/Sedemund, DStR 1999, S. 2057, 2061. Für die normale Gesellschaft allerdings, die nicht über genügend Mittel verfügt, für jede der theoretisch abgrenzbaren Funktionen verschiedene Personen einzusetzen, ist die Differenzierung zwischen dem gesellschaftsrechtlichen Verwaltungs364
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bei einem nicht angenommenen Gleichlauf der alternativen Anknüpfung an die Geschäftsleitung kein eigener Aussagewert zu. Des Weiteren argumentiert die Lehre der strikten zivilrechtlichen Betrachtung, es bestehe ein innerer Widerspruch im Rahmen des § 1 Abs. 1 KStG, der einerseits allein an Gesellschaftsrechtsformen des deutschen Rechts anknüpfe, andererseits aber die Geschäftsleitung und den Sitz im Inland jeweils für sich alleine zum Anknüpfungspunkt erhebe. Diese Unvereinbarkeit könne nur gelöst werden, indem einem der beiden Tatbestandsmerkmale der Vorrang im Hinblick auf die Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit eingeräumt werde367. Hierdurch wird aber wiederum das Ergebnis vorweggenommen, da nicht einfach dem Gesellschaftsrecht eine Vorrangstellung eingeräumt werden kann. Vielmehr muss untersucht werden, ob bei grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften eine wirtschaftliche oder zivilrechtliche Betrachtungsweise vorzunehmen ist. Die alternative Anknüpfung i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG an den Ort der Geschäftsleitung kann im Rahmen dieser Problemlösung als Argument für die Lehre vom Rechtstypenvergleich angeführt werden. Dagegen hat die These, die Beschränkung auf inländische Gesellschaftstypen i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG zeige, dass der alternativen Anknüpfung nur eine untergeordnete Bedeutung zukomme, keine tragfähige Begründung. Diese abschließende Aufzählung führt zu den Schwierigkeiten hinsichtlich der Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften. Wie bereits dargestellt wurde, soll die Beschränkung auf die deutschen Zivilrechtsformen bei einem ausschließlichen Inlandsbezug unter anderem Rechtssicherheit gewährleisten368. Ausländische Gesellschaftsformen können demgegenüber wegen der notwendigen lex fori Betrachtung nicht ins Gesetz aufgenommen werden369. Ebenso wenig aussagekräftig ist der Gedanke, die untergeordnete Rolle der alternativen Anknüpfungskriterien ergebe sich auch aufgrund der geringen Anzahl an Rechtsprechungsentscheidungen zu den Zuzug- und Wegzugsfällen370. Eine solche Bedeutungslosigkeit kann nicht anhand der bisher ergangenen Entscheidungen in der Rechtsprechung festgemacht werden. Ausschlaggebend ist vielmehr allein der Gesetzeswortlaut. Davon abgesehen gelangen viele Sachverhalte überhaupt nicht vor das Gericht. Für die These, dem Gesetzgeber habe im Gegensatz zu der beschränkten Steuerpflicht bei der Schaffung der Regelung des § 1 Abs. 1 KStG das Probsitz und dem steuerlichen Ort der Geschäftsleitung nicht praktikabel, vgl. Meilicke, GmbHR 2003, S. 793, 794. 367 Herz, S. 316 ff. 368 Vgl. 1. Teil E. II. 369 Vgl. 1. Teil E. III. 1. 370 Herz, S. 318.
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lembewusstsein bezüglich der steuerlichen Einordnung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften gefehlt371, lässt sich kein Beleg finden. Die Frage, ob die Einbeziehung ausländischer Gesellschaften in den Kreis der unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekte vom historischen Gesetzgeber gewollt war, lässt sich mangels ausdrücklicher Aussagen seitens des historischen Gesetzgebers nicht beantworten372. Für den Fall, dass sich der Gesetzgeber dieser Problematik nicht bewusst war, hätte dieser allerdings im Rahmen der verschiedenen Körperschaftsteuerreformen die Gelegenheit zu einer Änderung des Gesetzestextes des § 1 Abs. 1 KStG und damit zu einer Klarstellung ergreifen können. Die Auswirkungen der Sitztheorie dürften ihm jeweils bekannt gewesen sein. Folglich darf das die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht allein auslösende Kriterium der Geschäftsleitung im Inland nicht übergangen werden. Zwar stellt die grenzüberschreitende Gesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung keine der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG für den ausschließlichen Inlandsfall ausdrücklich genannten Rechtsformen dar. Diese Aufzählung soll aber ausländische Kapitalgesellschaften nicht ausschließen, wie unter anderem durch die alternative Anknüpfung zum Ausdruck kommt. Hinsichtlich des grenzüberschreitenden Sachverhalts stellt demzufolge nur der Typenvergleich ein sachgerechtes Kriterium für die Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit dar. ee) Rechtssystematisches Prinzip einheitlicher Tatbestandsauslegung Die Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften nach steuerlich eigenständigen Kriterien hat auch den Vorteil, dass das „rechtssystematische Prinzip einheitlicher Tatbestandsauslegung“ verwirklicht wird373. Dieser Aspekt spricht dafür, über den unmittelbaren Aussagegehalt der Überseering Entscheidung des EuGH374 hinausgehend die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unter der Voraussetzung einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaft auf alle ausländischen Kapitalgesellschaften anzuwenden, die ihre Geschäftsleitung im Inland haben. Andernfalls würde dieselbe Regelung, nämlich § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, für Kapitalgesellschaften aus Gründungsstaaten, nach deren Rechtsordnung die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft nicht fortbesteht, im Vergleich zu Gesellschaften aus Mitgliedstaaten, die einen Wegzug ohne Verlust der Rechtsfähigkeit zulassen, 371 372 373 374
Herz, S. 317 f. Pott, Kollision, S. 70. Kutt, S. 123 f.; Schmidt/Sedemund, DStR 1999, S. 2057, 2062 ff. EuGH, GmbHR 2002, 1137.
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anders interpretiert. Diese unterschiedliche Definition ein und derselben Vorschrift widerspricht aber dem rechtssystematischen Grundverständnis. Der Rechtsstaatsgedanke gebietet es, das Tatbestandsmerkmal der Kapitalgesellschaft gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einheitlich auszulegen. Eine andere Vorgehensweise steht im Widerspruch zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Diesen Ansprüchen wird für ausländische zugezogene Kapitalgesellschaften der Typenvergleich gerecht, der uneingeschränkt Anwendung finden muss375. Für alle ausländischen Gesellschaftstypen, die ihren Sitz im Ausland und ihre Geschäftsleitung im Inland haben, gilt dann bei einer rein steuerlichen Sichtweise der einheitliche Beurteilungsmaßstab des Typenvergleichs. Ansonsten käme es zu einer Zweiteilung der Subjektqualifikation, die von den Vorschriften der ausländischen Rechtsordnung abhinge. Nur wenn nach ausländischem Recht die Rechtsfähigkeit bei einem Wegzug weiterhin bestehen bleibt, ist gemeinschaftsrechtlich die Verpflichtung zur Anerkennung als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts im Inland gegeben376. Verliert die grenzüberschreitende Gesellschaft demgegenüber aufgrund der Vorschriften des ausländischen Rechts ihre Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft, wird sie unter Anwendung der Sitztheorie im Zuzugsstaat Deutschland als inländische Personengesellschaft bzw. (kaufmännische) Einzelperson betrachtet377. Ginge man bezüglich der steuerlichen Einordnung dieser Gesellschaften von einer strengen Maßgeblichkeit des Zivilrechts aus, wäre letztendlich die Rechtsordnung des ausländischen Gründungsstaates für die steuerrechtliche Subjekteigenschaft grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung im Inland haben, ausschlaggebend. Die ertragsteuerliche Qualifizierung solcher Gesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG muss aber unbeeinflusst von der ausländischen Rechtsordnung erfolgen378. Demnach kann allein der Rechtstypenvergleich hinsichtlich dieser steuerlichen Einordnung entscheidend sein, die Frage der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit muss außer Betracht bleiben. Eine steuerrechtliche Bewertung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften als Steuersubjekte gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG führt auch nicht zu einer quantitativen Erweiterung des Kreises der dort aufgeführten Gesellschaftstypen, sondern es findet aufgrund des erforderlichen positiven Ty375
Schmidt/Sedemund, DStR 1999, S. 2057, 2063 f. Vgl. 2. Teil A. I. 2. a. 377 Vgl. 2. Teil A. I. 2. c. aa. 378 Auch nach Sedemund, S. 199, darf die steuerliche Beurteilung im Ausland gegründeter Kapitalgesellschaften nicht davon abhängen, ob der Inkorporationsstaat der Gründungstheorie oder der Sitztheorie folgt. 376
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
penvergleichs lediglich eine systematische Erweiterung statt. Die ausländischen Organisationsformen werden für den Fall, dass sie den inländischen Rechtsformen entsprechen, diesen gleichgestellt379. Im Ergebnis ist somit die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG hinsichtlich grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts unter Zugrundelegung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen. Diese ist fester und gesicherter Bestandteil der steuerrechtlichen Rechtsanwendung, soweit dadurch nichts anderes als die teleologische Interpretation der steuerlichen Vorschriften zum Ausdruck gebracht wird. Der Umstand, dass die gegenwärtige Abgabenordnung die wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht mehr ausdrücklich nennt, ist daher unbeachtlich380. Die in einem Steuergesetz verwendeten Rechtsbegriffe, die im Zivilrecht eine Entsprechung finden, sind somit nicht in jedem Fall wie im Sinne des Privatrechts zu verstehen. Dem Zivilrecht darf kein Primat eingeräumt werden und das Steuerrecht nicht zwingend als ein bloßes Folgerecht verstanden werden. Vielmehr ist der Sinn und Zweck des jeweiligen Steuergesetzes zu berücksichtigen381. Aus den genannten Gründen entspricht es dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts unter der Voraussetzung einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit den inländischen Kapitalgesellschaften zu erfassen. Eine Grenze der Gesetzesauslegung setzt allerdings der eindeutige Wortlaut einer Norm382. Zwar bildet der formale Wortlaut einer Norm nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts keine Grenze383, jedoch ist ein eindeutiger Wortlaut nur durch sehr gewichtige Gegenargumente überwindbar384. Zwar ist die im Klammerzusatz im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erfolgte Aufzählung bestimmter Gesellschaftsformen ein Hinweis darauf, dass nur Gesellschaften des deutschen Rechts gemeint sein können385. Bei abstrakter Betrachtung kann diese Aufzählung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG aber als eine exemplarische Aufzählung verstanden werden, eine zwingende und abschließende Aufzählung ist durch den Klammerzusatz nicht notwendigerweise vorgegeben386. Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ist insofern nur für die inländischen Kapitalgesellschaften eindeutig, nicht aber für die ins Inland zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts. Bei 379 380 381 382 383 384 385 386
Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 Rn. 45. Papier, S. 61, 74. Papier, S. 61, 74. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Einl. Rn. 5. BVerfG, BVerfGE 35, 263, 278 f.; 97, 186, 196. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Einl. Rn. 5. Pott, Kollision, S. 69. Sedemund, S. 135.
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den in Klammer genannten Organisationsformen handelt es sich um deutsche Kapitalgesellschaftsformen. Die ausländischen Gesellschaften konnten aus den bereits genannten Gründen vom Gesetzgeber nicht explizit aufgezählt werden. Daher muss für diese ausländischen Kapitalgesellschaften auf die Begrifflichkeit der Kapitalgesellschaft und deren besondere Kennzeichen abgestellt werden. Der terminus Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG stellt einen abstrakten Oberbegriff dar, der dem Wortlaut nach auch ausländische Gesellschaften erfassen kann387. Die wortlautgetreue Auslegung führt somit, sofern man nur den Begriff der Kapitalgesellschaft an sich zugrunde legt, zu dem Ergebnis, dass die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG auch auf die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit den inländischen Kapitalgesellschaften anwendbar ist. Die in dem Klammerzusatz aufgeführten Organisationsformen sind insoweit hinsichtlich ausländischer Gesellschaften nicht maßgebend. Die zugezogenen Gesellschaften können daher unter Anwendung des Rechtstypenvergleichs unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG fallen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Rechtstypenvergleich ein sachgerechtes Kriterium zur Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit der zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, die ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegt haben, darstellt. Eine zivilrechtliche Interpretation des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ist in Bezug auf diese Gesellschaften aus den genannten Gründen abzulehnen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH würde ein solches zivilrechtliches Verständnis bei dem Zuzug einer ausländischen Kapitalgesellschaft aus einem Gründungsstaat, nach dessen Rechtsordnung die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft fortbestehen bleibt, zwar dazu führen, dass eine steuerliche Einstufung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG möglich wäre. Allerdings wäre bei einer Aberkennung der Rechtsfähigkeit durch den ausländischen Wegzugsstaat nach der strengen zivilrechtlichen Sichtweise die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit abzulehnen. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise bestimmt demgegenüber den steuerlichen Status der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft nach deutschem Steuerrecht, unabhängig von der Rechtsordnung des ausländischen Gründungsstaates. Unter Anwendung des Rechtstypenvergleichs sind die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu qualifizieren, wenn sie einer inländischen Kapitalgesellschaft entsprechen. Allerdings können auch die gemeinschaftsrechtlichen Einflüsse generell die Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit beeinflussen. Angesprochen ist die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Dies wird später ausführlich 387
Pott, Kollision, S. 69.
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
diskutiert werden388. Festzuhalten bleibt aber, dass bereits die Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nach nationalen Maßstäben zu einer Eröffnung seines Anwendungsbereichs in Bezug auf grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts führt.
II. Steuersubjektqualifikation zugezogener Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts anhand des Rechtstypenvergleichs Eine im Ausland gegründete Kapitalgesellschaft, die ihre Geschäftleitung ins Inland verlegt hat, ist für Zwecke der ertragsteuerlichen Behandlung nach dem Rechtstypenvergleich zu beurteilen. Entwickelt wurde diese Lehre vom RFH in seiner Venezuela Entscheidung vom 12.02.1930389, welche allerdings einen Fall der beschränkten Steuerpflicht betrifft. Dieser grundlegenden Entscheidung haben sich der BFH390 und die allgemeine Ansicht im Schrifttum391 angeschlossen. Ebenso wendet die Finanzverwaltung für die Zwecke der deutschen Besteuerung den Rechtstypenvergleich an392. Bei der Auswertung der Beurteilungskriterien ist zu berücksichtigen, dass keine starre Merkmalsmehrheit über die Einstufung als inländisches Körperschaftsteuersubjekt entscheidet. Vielmehr hat eine Gewichtung der unterschiedlich vorliegenden Elemente zu erfolgen. Die Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts ist, wie der RFH393 bereits zu Recht gefordert hat, in ihrer Gesamtheit zu beurteilen, weder ist eine reine Merkmalsmehrheit ausschlaggebend noch existiert ein allein maßgebliches Kriterium394. Die zivil388
Vgl. 4. Teil A. I. 1. RFH, RFHE 27, 73. 390 BFH, BStBl. II 1968, 695, 696; BFH, BStBl. II 1988, 588, 590. 391 Vgl. z. B. Hey, RIW 1992, S. 916, 920; Grotherr, Internationales Steuerrecht, S. 139 f.; Rohde, S. 305 ff.; Schlenker, S. 74 ff.; Schnittker/Lemaitre, GmbHR 2003, S. 1314 ff. 392 BMF-Schreiben vom 19.03.2004, DB 2004, 901 ff., das sich konkret zwar nur auf die steuerliche Einstufung der nach dem Recht der Bundesstaaten der USA gegründeten Limited Liability Company bezieht. Es stellt jedoch die ausführlichste Stellungnahme der Finanzverwaltung zur steuerlichen Einordnung einer ausländischen Gesellschaft dar. Daher besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Einstufung nach diesem BMF-Schreiben ein Muster für die Eingruppierung anderer ausländischer Gesellschaften wird, zumal es sich um verallgemeinerungsfähige Abgrenzungskriterien handelt, die auf Rechtsprechungsentscheidungen beruhen, vgl. Herrmann, RIW 2004, S. 445, 450. 393 RFH, RFHE 27, 73, 79. 394 Vgl. Henke/Lang, IStR 2001, S. 514, 519; Hey, RIW 1992, S. 916, 922. Anderer Ansicht ist Schnittker, StuW 2004, S. 39, 47 ff., der ein Abstellen auf die 389
A. Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung ins Inland
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bzw. steuerrechtliche Einordnung der ausländischen Gesellschaften nach der jeweiligen ausländischen Rechtsordnung ist demgegenüber nicht maßgeblich für die Fähigkeit, ein inländisches Körperschaftsteuersubjekt zu sein. Hinsichtlich ausländischer Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung, d.h. bezüglich der unbeschränkten Steuerpflicht, ist, wie ausführlich dargestellt wurde, ebenfalls der Rechtstypenvergleich zur Qualifikation als Subjekt der Körperschaftsteuer heranzuziehen.
Merkmalsmehrheit im Rahmen eines festgelegten Merkmalskatalogs, ähnlich dem bis Ende 1996 in den USA praktizierten Verfahren des corporate resemblance test, als vorzugswürdig erachtet. Auch die Finanzverwaltung legt in ihrem BMF-Schreiben vom 19.03.2004, DB 2004, 901, 902 f., bezüglich der steuerlichen Einordnung der Limited Liability Company einige maßgebende Kriterien fest, von denen zwar keinem alleine ausschlaggebende Bedeutung zukomme, aber ein eindeutiges Gesamtbild über die Zuordnung entscheiden solle. Lasse sich ein solches nicht feststellen, hätten bestimmte Merkmale, die insgesamt vorliegen müssten, die Entscheidungswirkung zugunsten einer Körperschaft. Die Gesellschaft ist nach Ansicht der Finanzverwaltung dann als eine Körperschaft einzustufen, wenn bei ihr die Mehrzahl der im BMF-Schreiben unter IV. 1. bis 5. genannten Kriterien vorhanden seien. Das unter IV. 6. aufgeführte Merkmal sei nur unter den dort genannten Voraussetzungen einzubeziehen. In diesem zweiten Prüfungsschritt, der durchzuführen sei, wenn sich kein eindeutiges Gesamtbild ergebe, spielt die Gewichtung der einzelnen Kriterien offensichtlich keine Rolle, vgl. Lemaitre/Schnittker/Siegel, GmbHR 2004, S. 618, 628. Ein solcher abschließender Merkmalskatalog, der bei einer solchen Vorgehensweise Voraussetzung ist, widerspricht zum einen der gängigen Rechtsprechung des BFH, vgl. BStBl. II 1981, 220, 222 und BStBl. II 1992, 972, 975, der immer wieder im Vergleich zu der Venezuela Entscheidung des RFH, RFHE 27, 73, welche einige typische Merkmale für inländische Personen- bzw. Kapitalgesellschaften genannt hat, neue Abgrenzungskriterien im Sinne eines offenen Typenvergleichs herangezogen hat. Einem solchen Typenvergleich, der nicht auf einige Vergleichsmerkmale beschränkt ist, ist aus Praktikabilitätsgründen der Vorzug zu geben. Hierdurch kann der Vielfalt der ausländischen Gesellschaftsarten im Wege einer flexiblen Einordnungsmethode Rechnung getragen werden, vgl. Herrmann, S. 100. Zum anderen ist eine solche Methode der Merkmalsmehrheit, wie selbst zugegeben wird, missbrauchsanfällig und erfordert einen hohen Verwaltungsaufwand, vgl. Schnittker, StuW 2004, S. 39, 47 f. Schließlich kann noch angeführt werden, dass die Finanzverwaltung, die in einem ersten Schritt prüft, ob ein eindeutiges Ergebnis des durch die Merkmale entstehenden Gesamtbildes erzielt werden kann, in ihrem BMFSchreiben vom 19.03.2004, DB 2004, 901, keinerlei Anhaltspunkte gibt, wann von einem eindeutigen Gesamtbild auszugehen ist und wann ein solches nicht mehr erkennbar ist. Die Entscheidung hängt damit von der freien Beurteilung des zuständigen Finanzbeamten ab. Unterschiedliche Ergebnisse trotz vergleichbarer Sachverhalte sind damit vorprogrammiert. Aufgrund dessen ist es erforderlich, vor der Investition in eine ausländische Gesellschaft eine verbindliche Auskunft des Finanzamtes einzuholen, vgl. Lemaitre/Schnittker/Siegel, GmbHR 2004, S. 618, 627 f. und 630.
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
1. Lex fori Betrachtung Die ertragsteuerliche Einstufung dieser ausländischen Gesellschaften hat sich am deutschen Steuerrecht zu orientieren. Es hat eine lex fori Betrachtung zu erfolgen, unabhängig davon, ob es sich um eine Konstellation der beschränkten oder der unbeschränkten Steuerpflicht handelt. Für die Begründung dieser Bestimmung der steuerlichen Subjekteigenschaft nach dem eigenen innerstaatlichen Recht wird auf die obigen Ausführungen verwiesen395. Demnach kann nicht der Auffassung gefolgt werden, die aus der Überseering Entscheidung des EuGH396 die Schlussfolgerung zieht, dass der Gesetzgeber nunmehr gezwungen sei, sämtliche in den EU-Mitgliedstaaten vorkommenden Kapitalgesellschaftsformen in den Katalog des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG aufzunehmen397. Diese Ansicht wird damit begründet, dass das Überseering Urteil im Gegensatz zur Centros Entscheidung398 den Zuzugsstaat nicht nur zur Anerkennung der Rechtsfähigkeit der ausländischen Kapitalgesellschaft, sondern auch dazu verpflichte, die Rechtsform der umziehenden Gesellschaft zu respektieren399. Zwar ist insofern richtig, dass durch den gemeinschaftsrechtlichen Einfluss in Form der Überseering Entscheidung der Zuzugsstaat die grenzüberschreitende Gesellschaft unter der Voraussetzung, dass der Gründungsstaat dieser Gesellschaft nicht die Rechtsfähigkeit aberkennt, als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts anzuerkennen hat. Doch wie bereits im Fall der beschränkten Steuerpflicht dargestellt wurde400, schlägt auch im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht die Anerkennung als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts nicht auf ihre Qualifikation als Körperschaftsteuersubjekt durch. Die Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit muss sich vielmehr nach dem deutschen Steuerrecht richten. Bei einem entsprechenden Vergleich mit einer inländischen Kapitalgesellschaft sind die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einzuordnen. Ausschlaggebend für diesen 395
Siehe 1. Teil E. III. 1. EuGH, GmbHR 2002, 1137. 397 Deininger, IStR 2003, S. 214, 215. Ebenfalls auf einen Typenvergleich verzichtet Wachter, GmbHR 2004, S. 88, 95, der ausführt, dass angesichts der aktuellen EuGH-Rechtsprechung nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften mit deutscher Geschäftsleitung den inländischen Kapitalgesellschaften in vollem Umfang gleichzustellen seien. Insoweit sei kein Typenvergleich mehr vorzunehmen. Diese erforderliche Gleichstellung sei jedoch bislang weder durch den nationalen Gesetzgeber noch durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung umgesetzt worden. 398 EuGH, DB 1999, 625. 399 Deininger, IStR 2003, S. 214, 215. 400 Vgl. 1. Teil E. III. 1. 396
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Weg der Klärung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit sind nicht die praktischen Schwierigkeiten. Zwar wäre die Gesetzesaufnahme ausländischer Gesellschaftstypen wegen deren Vielfalt eine für den Gesetzgeber schwierige, jedoch keine unlösbare Aufgabe. Der eigentliche Grund dafür, die ausländischen Gesellschaften nicht explizit im Körperschaftsteuergesetz aufzählen zu können, ist, wie gesagt, die notwendige lex fori Qualifikation. Hinsichtlich der ertragsteuerlichen Bewertung der ausländischen Gesellschaft ist allein auf das deutsche Steuerrecht abzustellen. Selbst wenn also eine ausländische Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung gegeben ist, deren Rechtsfähigkeit aufgrund der Überseering Entscheidung auch im Inland zu respektieren ist, ist die Frage der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit damit nicht geklärt, sondern muss vielmehr im Rahmen des Rechtstypenvergleichs untersucht werden401. Ebenso wenig kommt eine Einordnung ausländischer Kapitalgesellschaften anhand des steuerlichen Status in ihrem Heimatstaat in Betracht, da eine Einordnung nach den Regelungen des deutschen Steuerrechts zu erfolgen hat. Untersuchungsgegenstand ist, ob eine ausländische Kapitalgesellschaft ein deutsches Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 2 Nr. 1 KStG ist. Es geht somit um eine Klassifikation nach dem nationalen Ertragsteuerrecht. Für diese Zwecke kann aber nicht das ausländische Steuerrecht als Beurteilungsgrundlage herangezogen werden402.
401 Etwas unverständlich sind die Ausführungen von K.-R. Wagner, GmbHR 2003, S. 684, 690 f., wonach der Typenvergleich allenfalls noch dafür herangezogen werden könne, ob die ausländische Gesellschaft auf der Basis ihrer Heimatrechtsordnung eher einer Personen- oder Kapitalgesellschaft deutschen Rechts entspreche. Diese Vergleichsprüfung hat aber nicht allenfalls zu erfolgen, sondern hinsichtlich jeder ausländischen Gesellschaft, deren beschränkte bzw. unbeschränkte inländische Steuerpflicht im Raume steht. Ebenso wenig erübrigt sich daher der Rechtstypenvergleich in Bezug auf Drittstaaten, auch wenn die neuere BGH-Rechtsprechung, RIW 2003, 473, eingreift, wonach aufgrund des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 29.10.1954 eine US-corporation entsprechend der Gründungstheorie als solche anzuerkennen ist, vgl. das BMF-Schreiben vom 19.03.2004, DB 2004, 901, 902, nach dem diese BGH-Rechtsprechung das Erfordernis der Einordnung nach dem Typenvergleich nicht berührt. 402 Eine solche Steuerstatusanknüpfung bzw. die Einräumung eines entsprechenden Wahlrechts für die ausländischen Gesellschaften schlägt Schnittker, StuW 2004, S. 39, 49 f., als Alternative gegenüber dem gängigen Verfahren des Typenvergleichs vor. Als Idealmodell wird dieser Vorschlag allerdings nicht betrachtet. Zwar könnten die Abgrenzungskonflikte entschärft werden, Rechts- und Planungssicherheit geschaffen sowie der Verwaltungsaufwand verringert werden, jedoch lasse sich dieser Lösungsansatz nicht mit dem Grundsatz der rechtsformabhängigen Besteuerung vereinbaren. Außerdem bestehe die Gefahr einer steuerlichen Benachteiligung der inländischen Gesellschaftsformen gegenüber ausländischen Gesellschaften.
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
2. Zweistufige Prüfung Ausschlaggebend im Sinne der Venezuela Entscheidung des RFH ist, ob die ausländische Gesellschaft nach ihrer Gesamtheit, unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Stellung und ihres rechtlichen Aufbaus nach ausländischem Recht, eine weitgehende Übereinstimmung mit dem Aufbau und der wirtschaftlichen Bedeutung deutscher Gesellschaften aufweist403. Hinsichtlich des Rechtstypenvergleichs ist also eine zweistufige Vorgehensweise erforderlich. Zunächst ist die ausländische Kapitalgesellschaft in ihrer Gesamtheit nach den rechtlichen Organisationsmerkmalen sowie nach ihrer wirtschaftlichen Stellung in dem Gründungsstaat zu beurteilen. Auf der zweiten Stufe hat auf der Basis der auf der ersten Stufe ermittelten Merkmale eine Vergleichsprüfung mit den in § 1 Abs. 1 KStG genannten Gesellschaftstypen zu erfolgen404. Für die Bejahung der Körperschaftsteuereigenschaft der ausländischen Gesellschaft muss diese eher kapitalistisch strukturiert sein. Es ist somit darauf abzustellen, ob die Gesellschaft ausländischen Rechts eine mehr kapitalistische bzw. personalistische Struktur aufweist, d.h. ob eher eine Verbandsperson oder ein Personenverband vorliegt. Die Kriterien, an denen die Rechtsähnlichkeit einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit vergleichbaren inländischen Gesellschaftsformen gemessen wird, sind folglich anhand der Merkmale festgelegt, an denen sich eine inländische Personengesellschaft von einer inländischen Kapitalgesellschaft unterscheidet405. Im Rahmen des so genannten zweistufigen Rechtstypenvergleichs wird somit auf der ersten Stufe die sich nach dem ausländischen Gesellschaftsrecht bestimmende Struktur der ausländischen Kapitalgesellschaft gewürdigt. Ist eine Konstellation der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht gegeben, ist diese Untersuchung auf der Grundlage des ausländischen Gründungsrechts unstrittig. Eine Ansicht will die Gesellschaft ausländischen Rechts im Fall der unbeschränkten Steuerpflicht nicht auf der Basis ihrer 403
RFH, RFHE 27, 73, 79 f. Hey, RIW 1992, S. 916, 920; ders., in: Festschrift für Debatin, S. 121, 136 f.; Henke/Lang, IStR 2001, S. 514; Schnittker/Lemaitre, GmbHR 2003, S. 1314, 1315; Schnittker, StuW 2004, S. 39, 40; Schlenker, S. 74 ff.; Rohde, S. 305 f.; Zisowski, S. 57 f.; Frotscher, S. 188. 405 Henke/Lang, IStR 2001, S. 514; Hey, RIW 1992, S. 916, 920; Rohde, S. 305 f.; Zisowski, S. 36; Wassermeyer, S. 83, 86; Schlenker, S. 74. Nach Möglichkeit ist zu versuchen, eine konkrete deutsche Gesellschaftsform zum Vergleich heranzuziehen. Existiert allerdings keine vergleichbare inländische Rechtsform, hat eine abstrakte Untersuchung dahingehend zu erfolgen, ob insoweit die Typusmerkmale der Körperschaft oder der Personengesellschaft überwiegen, vgl. Pusill-Wachtsmuth, S. 176 f. und 188. 404
A. Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung ins Inland
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Stellung im ausländischen Recht untersuchen, sondern aufgrund der Grundsätze des internationalen Privatrechts innerstaatliches materielles Recht als Basis heranziehen406. Mit der Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland müsse eine Begutachtung der Gesellschaft im Hinblick auf ihren Rechtscharakter nach den Maßstäben des deutschen Gesellschaftsrechts erfolgen. Dieser Streit spielt unter Berücksichtigung des gemeinschaftsrechtlichen Einflusses dann eine Rolle, wenn der Gründungsstaat ein Anhänger der Sitztheorie ist. Ist dieser demgegenüber ein Vertreter der Gründungstheorie und existieren keine die Rechtsfähigkeit der ausländischen Kapitalgesellschaft aufhebenden Vorschriften für den Fall des Wegzugs, ist der Zuzugsstaat nach der Überseering Entscheidung des EuGH407 dazu verpflichtet, die ausländische Gesellschaft als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts zu respektieren. Aus deutscher Sicht bleibt die Gesellschaft demzufolge in ihrer ursprünglichen Verfassung erhalten408. Nur in der Konstellation, in welcher der Wegzugsstaat der Kapitalgesellschaft die Rechtsfähigkeit aberkennt, kann diese Ansicht überhaupt vorbringen, dass die Lehre des Typenvergleichs bei einem Abstellen auf das Gründungsrecht die Nichtexistenz der Gesellschaft missachte und damit ein „Phantom“ in den steuerlichen Typenvergleich einbeziehe409. Nach den Wertungen des Gemeinschaftsrechts ist die ausländische Gesellschaft demgegenüber auch nach ihrem Umzug im Zuzugsstaat unter Geltung der Sitztheorie existent, wenn die Rechtsfähigkeit nach den Regelungen des Gründungsstaats fortbestehen bleibt. Die Vertreter der wirtschaftlichen Betrachtungsweise können somit auf jeden Fall den Rechtstypenvergleich anhand des ausländischen Rechts führen. Der Einwand, die Gesellschaft bestehe aufgrund der Grundsätze des internationalen Privatrechts nicht mehr in ihrer bisherigen Form, greift hier nämlich nicht. Aber selbst wenn die ausländische Gesellschaft nach der ausländischen Rechtsordnung und unter Geltung der Sitztheorie im Zuzugsstaat aufgehört hat, in ihrer ursprünglichen Fassung zu existieren, ist eine Qualifikation als Körperschaftsteuersubjekt im Wege des Rechtstypenvergleichs auf Basis ihrer Stellung im ausländischen Recht möglich. Nimmt man bezüglich der Bewertung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften nach dem hier favorisierten Lösungsansatz eine steuerrechtlich eigenständige Betrachtung vor und schließt sich demzufolge der Lehre des Rechtstypenvergleichs an, dann darf dies nicht zur Konsequenz haben, dass das zugrunde zu legende Vergleichsobjekt von den Regelungen der auslän406 407 408 409
Herz, S. 281 ff. EuGH, GmbHR 2002, 1137. Vgl. 2. Teil A. I. 1. b. aa. Herz, S. 281 ff.
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
dischen Rechtsordnung abhängig ist. Nach der gegenteiligen Auffassung ergäbe sich jedoch eine solche Folge. Bezugspunkt für den Rechtstypenvergleich ist daher immer die nach dem ausländischen Gesellschaftsrecht vorgegebene Struktur der ausländischen Kapitalgesellschaft. Ansonsten bestimmten letztendlich die Regelungen des Heimatstaates der Gesellschaft darüber, nach welchem Recht eine Würdigung der ausländischen Kapitalgesellschaft zu erfolgen hätte. Damit würde schließlich auch die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit von der ausländischen Rechtsordnung abhängig sein. Ob auf der ersten Stufe des Rechtstypenvergleichs die Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts nach ausländischem oder nach innerstaatlichem Recht zu begutachten wäre, würde sich nach den Regelungen des Gründungsstaates richten, die dieser für eine Verlegung der Geschäftsleitung vorsieht. Ein solches Ergebnis ist allerdings nicht mit der erforderlichen lex fori Qualifikation zu vereinbaren410. Die Einordnung einer ausländischen Kapitalgesellschaft als Subjekt der inländischen Körperschaftsteuer beurteilt sich ausschließlich nach dem deutschen Steuerrecht. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Entscheidung für ein steuerlich eigenständiges Verständnis und damit für die Außerachtlassung der Wertungen der Zivilrechtsordnung auch im Rahmen des dann vorzunehmenden Typenvergleichs konsequent fortgeführt werden muss. Werden die Grundsätze und Folgen des internationalen Privatrechts für die Bestimmung der Subjekteigenschaft nicht beachtet, d.h. wird ein Rechtstypenvergleich für die steuerliche Einordnung vorgenommen, dann muss auch dieser unbeeinflusst von den zivilrechtlichen Erwägungen durchgeführt werden. Demzufolge ist die Gesellschaft bei einem Wegfall ihrer Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft auf der Grundlage ihrer ursprünglichen Stellung im ausländischen Staat zu würdigen411. Im Sinne der Venezuela Entscheidung des RFH muss für die Anerkennung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit die auf der Basis des ausländischen Rechts sich ergebende Struktur der ausländischen Gesellschaft mehr dem Typ der inländischen Kapitalgesellschaft entsprechen412. Es ist allerdings keine umfassende Vergleichsprüfung mit den in § 1 Abs. 1 KStG aufgezählten Körperschaftsteuersubjekten durchzuführen. Vielmehr müssen als inländische Vergleichstypen solche Organisationsformen von vornherein ausscheiden, mit denen die nach dem ausländischen Recht gegründete Kapitalgesellschaft keinerlei Ähnlichkeit aufweist. Ansonsten ergäbe sich, wie Hey richtigerweise zum Ausdruck bringt, ein „merkwürdiger Vergleich“, da – „bildlich gesprochen – Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen“ sind413. Dem410 411 412
Vgl. 1. Teil E. III. 1. Wassermeyer, S. 83, 91. RFH, RFHE 27, 73, 79 f.
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nach können als deutsche Vergleichstypen nur diejenigen inländischen Rechtsformen herangezogen werden, die eine vergleichbare Funktion wie die ausländische Gesellschaft wahrnehmen414. Folglich ist hinsichtlich ausländischer Erwerbsgesellschaften nur zu untersuchen, ob diese den typischen deutschen Erwerbsgesellschaften entsprechen. Letztere umfassen die Personenhandelsgesellschaften in der Form der OHG und KG sowie die Kapitalgesellschaftsformen i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Eine Vergleichsprüfung der ausländischen Erwerbsgesellschaften mit den in § 1 Abs. 1 Nr. 2– 6 KStG bezeichneten Körperschaftsteuersubjekten erübrigt sich dagegen grundsätzlich, da diese in ihrer Funktion den ausländischen Gesellschaften nach deren Rechtsordnung nicht entsprechen415. 3. Abstrakt-genereller versus individuell-konkreter Typenvergleich Vor Klärung der Frage, welche Beurteilungskriterien für die Abgrenzung des Typs der Personengesellschaft von demjenigen der Kapitalgesellschaft zugrunde zu legen sind, muss zunächst die Problematik gelöst werden, ob der Rechtstypenvergleich generell-abstrakt, d.h. auf der Grundlage der allgemein geltenden ausländischen Gesellschaftsrechtsordnung oder individuell-konkret und damit vor dem Hintergrund gesellschaftsvertraglich wirksam vereinbarter Abweichungen durchgeführt werden soll416. Das Schrifttum wendet sich überwiegend gegen einen Typenvergleich anhand des gesetzlichen Leitbildes und will die konkrete Ausgestaltung der Gesellschaft berücksichtigen417. Ebenso spricht sich die Finanzverwaltung in ihrem BMF-Schreiben vom 19.03.2004 bezüglich der steuerlichen Einordnung der nach dem Recht der Bundesstaaten der USA gegründeten Limited Liability Company (LLC) für eine Beurteilung anhand der konkreten Gestaltung nach den Gesetzesbestimmungen und den Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag aus418. Allerdings muss die Besonderheit berück413
Hey, RIW 1992, S. 916, 921. Hey, RIW 1992, S. 916, 921; ders., in: Festschrift für Debatin, S. 121, 135; Henke/Lang, IStR 2001, S. 514, 515; Schnittker/Lemaitre, FR 2003, S. 485, 486 f. 415 Hey, RIW 1992, S. 916, 921; ders., in: Festschrift für Debatin, S. 121, 135; Henke/Lang, IStR 2001, S. 514, 515; Schnittker/Lemaitre, FR 2003, S. 485, 486 f. 416 Vgl. zu dieser individuell-konkreten versus der generell-abstrakten Betrachtung Hey, RIW 1992, S. 916, 920 ff.; ders., in: Festschrift für Debatin, S. 121, 138 f.; Henke/Lang, IStR 2001, S. 514, 515 f.; Schnittker/Lemaitre, FR 2003, S. 485, 488; Schnittker, StuW 2004, S. 39, 41 f. 417 Schlenker, S. 76; Bornheim, in: H/H/R, § 2 KStG Anm. 24; Hey, in: Festschrift für Debatin, S. 121, 138 f.; Schnittker/Lemaitre, FR 2003, S. 485, 488; Schnittker, StuW 2004, S. 39, 41 f.; Lemaitre/Schnittker/Siegel, GmbHR 2004, S. 618, 621. 418 DB 2004, 901, 903. 414
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
sichtigt werden, dass die Einordnung der LLC nach dem Realtypus auf die Besonderheit des Fehlens eines Idealtypus zurückzuführen ist419. So führt die Finanzverwaltung in ihrem BMF-Schreiben aus, dass vielfältige Möglichkeiten der Ausgestaltung einer LLC gegeben seien. Infolgedessen sei es weder möglich, ein gesetzliches Leitbild der LLC aus den bundesstaatlichen Regelungen abzuleiten, noch fänden sich in der Praxis vorherrschende typische Vertragsgestaltungen einer LLC. Eine generelle Aussage über die Einordnung der LLC für deutsche Besteuerungszwecke sei nicht möglich420. Die Aussagen der Finanzverwaltung lassen somit den Rückschluss zu, dass die Einordnung nach dem Realtypus nur als Auffangregelung zu verstehen ist. Lässt sich daher im ausländischen Gesellschaftsrecht ein Idealtypus feststellen, ist dieser Grundlage des Rechtstypenvergleichs421. Welchen Ansatz die finanzgerichtliche Rechtsprechung des RFH und des BFH bevorzugt, bleibt letztendlich aufgrund der uneinheitlichen Entscheidungsfindung unklar. Die Tendenz geht wohl eher zu einer generell-abstrakten Betrachtung hin. Der RFH hat in seiner Venezuela Entscheidung nicht eindeutig Position bezogen, jedoch wird lediglich auf die ausländische Gesetzeslage abgestellt422. Der BFH entschied in seinem Urteil zur liechtensteinischen AG, dass im Rahmen des Typenvergleichs eine Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft zu erfolgen habe. Dagegen sei die Gestaltung der inneren Verhältnisse der Gesellschaft im Einzelfall nicht ausschlaggebend423. Für die Vornahme des Rechtstypenvergleichs auf der Basis der spezifischen Ausgestaltung der Gesellschaft, d.h. unter Berücksichtigung abweichender Bestimmungen vom gesetzlichen Idealtypus, wird die Wahrung des Grundsatzes, dass wirtschaftlich gleiche Verhältnisse steuerlich gleich zu behandeln sind, angeführt424. Hierbei wird auf die Venezuela Entscheidung des RFH Bezug genommen425. In diesem Urteil hat die Rechtsprechung eine unterschiedslose Einordnung sämtlicher ausländischer Kapitalgesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland als Subjekte der inländischen Körperschaftsteuer verworfen, um zu vermeiden, dass wirtschaftlich 419
Herrmann, RIW 2004, S. 445, 447. DB 2004, 901 und 903. 421 Herrmann, RIW 2004, S. 445, 447. 422 RFH, RFHE 27, 73, 79. 423 BFH, BStBl. II 1992, 972, 975; vgl. auch Hey, RIW 1992, S. 916, 920; ders., in: Festschrift für Debatin, S. 121, 138; Henke/Lang, IStR 2001, S. 514, 515; Schnittker, StuW 2004, S. 39, 41. 424 Hey, RIW 1992, S. 916, 920 f.; Henke/Lang, IStR 2001, S. 514, 515 f.; Schnittker, StuW 2004, S. 39, 42. 425 Hey, RIW 1992, S. 916, 921; ders., in: Festschrift für Debatin, S. 121, 139. 420
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gleiche Verhältnisse steuerlich ungleich behandelt werden426. Der Rechtstypenvergleich führt nach den Vertretern der individuell-konkreten Betrachtungsweise nur dann zu einem aussagekräftigen und zutreffenden Ergebnis, wenn die konkrete Gesellschaft auf der Grundlage der spezifischen Umstände begutachtet wird. Es stehe die Bewertung einer konkreten Steuerpflichtigkeit und nicht ein abstrakter Fall zur Entscheidung427. Zudem wird vorgebracht, dass die zum Teil bestehende Flexibilität und der erhebliche Spielraum durch das ausländische Gesellschaftsrecht zu einer großen Differenz zwischen dem gesetzlichen Leitbild und der konkreten Ausgestaltung der ausländischen Gesellschaft führen könnten. Da rein tatsächlich der gesetzlich geregelte Standardfall häufig individualvertraglich abgeändert werde, könne diesbezüglich von einem klaren Regel-Ausnahme-Verhältnis nicht die Rede sein428. Dieser individuell-konkrete Lösungsansatz trägt allerdings zur Rechtsund Planungsunsicherheit bei. Hey stellt aus Gründen der Vorhersehbarkeit des Ergebnisses daher die Grundregel auf, wonach „im Zweifel“ die ausländische Gesellschaft entsprechend ihrem gesetzlichen Idealtypus ertragsteuerlich einzuordnen ist429. Nur die generell-abstrakte Vorgehensweise trägt zweifellos zur Rechtsklarheit bei, da losgelöst von dem jeweiligen Einzelfall eine verbindliche Qualifizierung als Personen- oder Kapitalgesellschaft deutschen Rechts für alle Fälle möglich ist430. Wird die konkrete Gestaltung als Grundlage herangezogen, ist eine klare Abgrenzung nicht mehr möglich und eine uneinheitliche Rechtsanwendung die Folge431. Bei einer individuell-konkreten Betrachtung können nachträgliche gesellschaftsvertragliche Änderungen zur Bedeutungslosigkeit einer zuvor eingeholten verbindlichen Auskunft des zuständigen Finanzamtes führen. Vor jeder Änderung des Vertrages ist daher eine erneute verbindliche Auskunft notwendig. Dies ist mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden, der wegen des damit einhergehenden Zeitverlustes investitionshemmend wirkt, wenn schnell entschieden werden muss. Auch wird die Investitionsbereitschaft 426
Vgl. RFH, RFHE 27, 73, 78. Hey, in: Festschrift für Debatin, S. 121, 138 f. 428 Schnittker, StuW 2004, S. 39, 41 f. 429 Hey, RIW 1992, S. 916, 922, der damit den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsatz der Rechtssicherheit anspricht. 430 Henke/Lang, IStR 2001, S. 514, 516. 431 Pusill-Wachtsmuth, S. 178 ff. und 188, die sich zwar daran orientiert, wie die ausländische Rechtsform vom Gesetzgeber ausgestaltet worden ist, allerdings auch die praktische Handhabung berücksichtigt. Eine Vergleichbarkeit der Gesellschaftsformen scheidet ihrer Ansicht nach somit aus, wenn die Gestaltungsmöglichkeiten erheblich über das hinausgingen, was im Rahmen des deutschen Vergleichsobjekts zulässig sei, und davon allgemein auch Gebrauch gemacht werde (praktische Handhabung). 427
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
durch die Komplexität und die dadurch verursachten hohen Beratungskosten gebremst. Die Problematik verschärft sich, wenn man sich die Vielfalt an gesellschaftsvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten in den einzelnen Rechtsordnungen vor Augen hält, die letztendlich zu einer Vielzahl von hybriden Gesellschaftsarten führt. Dies birgt gleichzeitig die Gefahr in sich, dass die verschiedenen Finanzämter vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich qualifizieren und damit steuerlich ungleich behandeln. Vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund ist folglich auch bei einer Orientierung an den konkreten-individuellen Verhältnissen eine Verletzung des Leistungsfähigkeitsgrundsatzes zu befürchten432. Es muss daher ein Kompromiss gefunden werden. Als sachgerechte Lösung kann insofern der Ansatz von Hey433 betrachtet werden, wonach grundsätzlich das gesetzliche Leitbild über die Einstufung entscheidet. Wenn sich allerdings die konkrete, wirksam vereinbarte Ausgestaltung der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft aufgrund des erheblichen Spielraums, den die ausländische Gesellschaftsrechtsordnung insofern eröffnet, in einem auffälligen Maße vom gesetzlichen Idealtypus unterscheidet, kann eine individuell-konkrete Sichtweise herangezogen werden.
432 Schnittker, StuW 2004, S. 39, 41 f. und 46 ff., der zwar ein Vertreter der individuell-konkreten Betrachtungsweise ist, aber die damit zusammenhängenden Probleme erkennt. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der bisher praktizierte Rechtstypenvergleich zu keinem befriedigenden Ergebnis führe. Er schlägt gegenüber dem gängigen Verfahren abweichende Ansätze vor, die zum Teil bereits dargestellt wurden. Seine Alternativvorschläge bewertet er, nachdem er zuvor die Vor- und Nachteile des jeweiligen Instruments zur Lösung des Einordnungsproblems aufgeführt hat. Erörtert wird die Möglichkeit eines verbindlichen, abschließenden Kriterienkatalogs, wobei entweder eine Gewichtung der Merkmale zu erfolgen habe bzw. eine Merkmalsmehrheit ausschlaggebend sei. Vorgeschlagen wird des Weiteren die Anknüpfung an den ertragsteuerlichen Status der Gesellschaft in ihrem Heimatstaat sowie die Einführung eines Optionsmodells. Letztere Alternative bedeutet, Personengesellschaften die Option zur Besteuerung nach dem Körperschaftsteuergesetz einzuräumen. Abgesehen von den selbst eingeräumten Mängeln der Missbrauchsanfälligkeit dieses Vorschlags sowie des Verstoßes gegen den Grundsatz der Rechtsformabhängigkeit der Besteuerung, erscheint ein solches steuerliches Optionsrecht auch kaum durchsetzbar. Der Gesetzesentwurf zum Steuersenkungsgesetz, BGBl I 2000, 1433, sah eine solche Wahlmöglichkeit für Personengesellschaften vor, vgl. Kleineidam, DB 2000, S. 1289 ff. Die Option zur Körperschaftsteuer ist letztendlich aber nicht Gesetz geworden, vgl. Rödder/Schumacher, DStR 2000, S. 1453, 1455. 433 Hey, RIW 1992, S. 916, 922.
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4. Abgrenzungskriterien und deren Gewichtung Im Wege des Rechtstypenvergleichs muss untersucht werden, ob die nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft dem Typ nach eher einer inländischen Personengesellschaft oder einer Kapitalgesellschaft entspricht. Dabei stellt sich die Frage, nach welchen Maßstäben dieser Vergleich der ausländischen Erwerbsgesellschaften mit den entsprechenden inländischen Erwerbsgesellschaften vorzunehmen ist. Unter dem Einfluss der Rechtsprechung des RFH, des BFH und der Finanzverwaltung sowie der Literatur hat sich mittlerweile eine Reihe von Beurteilungskriterien herausgebildet, anhand derer die ertragsteuerliche Einordnung der ausländischen Gesellschaften erfolgen kann. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um ein starres Raster. Der Venezuela Entscheidung des RFH kommt insofern eine Leitfunktion zu. Im Rahmen der Urteilsbegründung hat der RFH einen auch heute noch aktuellen Kriterienkatalog herausgearbeitet. Nach dieser Rechtsprechung ist die Personengesellschaft deutschen Rechts vor allem dadurch gekennzeichnet, dass die Gesellschafter im Vordergrund stehen, diese die Geschäfte grundsätzlich selbst führen, eine persönliche Haftung der Gesellschafter gegeben ist und keine freie Übertragbarkeit ihrer Anteile auf Dritte besteht. Demgegenüber sind typenspezifische Merkmale einer inländischen Kapitalgesellschaft, dass die Gesellschafter ihrer Gesellschaft eher unpersönlich gegenüberstehen, eine persönliche Haftung der Gesellschafter den Gläubigern gegenüber nicht besteht, die Anteile auf Dritte frei übertragbar sind und grundsätzlich keine Beteiligung der Gesellschafter an der Geschäftsführung gegeben ist434. Durch die Finanzrechtsprechung und das Schrifttum haben sich weitere Maßstäbe hinsichtlich der ertragsteuerlichen Qualifizierung ausländischer Kapitalgesellschaften herauskristallisiert. Dieser Kriterienkatalog, der allerdings keine Vollständigkeit beansprucht, wird im Folgenden dargestellt. Dabei wird gleichzeitig auch die Geeignetheit der einzelnen Kriterien zur Abgrenzung der Personengesellschaft von der Kapitalgesellschaft untersucht. Die Abgrenzung der einzelnen Typusmerkmale macht aber auch deutlich, dass die vermeintlich typischen Strukturmerkmale der Personengesellschaften bzw. Kapitalgesellschaften durch Ausnahmen gekennzeichnet sind. Diese Ausnahmen ergeben sich zum einen aus dem Gesetz selbst sowie der gesetzgeberischen Weiterentwicklung. Zum anderen trägt die Rechtsprechung zur Herabsetzung einiger Abgrenzungsmerkmale bei435. 434 RFH, RFHE 27, 73, 80; vgl. auch Schlenker, S. 75 f.; Hey, RIW 1992, S. 916, 920; ders., in: Festschrift für Debatin, S. 121, 137; Henke/Lang, IStR 2001, S. 514, 515; Schnittker/Lemaitre, FR 2003, S. 485, 487; dies., GmbHR 2003, S. 1314, 1315. 435 Vgl. hierzu Pusill-Wachtsmuth, S. 75.
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
Kennzeichen der inländischen Kapitalgesellschaft ist die strikte Trennung zwischen den einzelnen Mitgliedern und den Angelegenheiten der Gesellschaft. Diese ist rechtlich selbständiger Zuordnungspunkt für das Gesellschaftsvermögen einschließlich der Verbindlichkeiten. Die Mitglieder haften daher nicht für die Schulden der Kapitalgesellschaft436. Diese ist selbst Schuldnerin der Gesellschaftsschulden, wie durch §§ 1 Abs. 1 Satz 2 AktG, 13 Abs. 2 GmbHG zum Ausdruck kommt. Das Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen ist bei den Kapitalgesellschaften grundsätzlich voneinander getrennt (so genanntes Trennungsprinzip)437. Die gesetzliche Ausgestaltung der Haftung der ausländischen Gesellschaft ist damit als ein zentrales Abgrenzungsmerkmal anzusehen. Der Haftungsaspekt stellt zwar kein allein ausschlaggebendes Kriterium dar, er verfügt jedoch über eine gewisse Indizwirkung. Wesentliches Merkmal einer Kapitalgesellschaft ist die fehlende persönliche Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern für Gesellschaftsschulden, demgegenüber ist bei den inländischen Personengesellschaften typischerweise diesbezüglich eine persönliche Haftung gegeben. Es existieren jedoch gesellschaftsrechtliche Mischformen, bei denen dieser Beurteilungsmaßstab an Trennschärfe verliert. Es handelt sich zum einen um das Beispiel der KGaA, bei der, obwohl sie eine Kapitalgesellschaft und somit ein Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG darstellt, eine persönliche Haftung besteht. Zum anderen handelt es sich um die GmbH & Co., bei welcher trotz ihrer Eigenschaft als Personengesellschaft die persönliche Haftung der Gesellschafter ausgeschlossen ist438. Ein weiteres bedeutungsvolles Unterscheidungskriterium ist die Regelung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis. Die deutschen Personengesellschaften sind nämlich durch den Grundsatz der Selbstorganschaft charakterisiert, während bei Kapitalgesellschaften die so genannte Fremd- oder Drittorganschaft gilt439. 436
Kübler, S. 22. Kraft/Kreutz, S. 53 und 59 f. 438 Hey, in: Fetschrift für Debatin, S. 121, 136 und 142; Henke/Lang, IStR 2001, S. 514, 516 und 519; Schnittker/Lemaitre, FR 2003, S. 485, 489; dies., GmbHR 2003, S. 1314, 1316 und 1320; Pusill-Wachtsmuth, S. 86 f. und 89; Kraft/Kreutz, S. 59 f. und 62. Die Ausgestaltung der Haftung ist ebenfalls von der Finanzverwaltung als ein Kriterium genannt worden, DB 2004, 901, 902. 439 Hey, RIW 1992, S. 916, 921; ders., in: Festschrift für Debatin, S. 121, 142; Henke/Lang, IStR 2001, S. 514, 516; Schnittker/Lemaitre, FR 2003, S. 485, 488; dies., GmbHR 2003, S. 1314, 1315 f. und 1320; Kübler, S. 21 f. und 50. Dieses Merkmal führt auch das BMF-Schreiben vom 19.03.2004, DB 2004, 901, 903, als Kriterium auf. Nach Pusill-Wachtsmuth, S. 89, ist dem Merkmal der Selbstorganschaft bzw. Fremdorganschaft dagegen lediglich eine nicht ganz unerhebliche Bedeutung beizumessen. Sie stellt auf die gesetzlichen Ausnahmen ab, vgl. S. 85 f. Die von ihr aufgeführten Körperschaften mit Selbstorganschaft sind allerdings im 437
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Eine ausreichende Trennschärfe besitzt auch das Kriterium der Kapitalaufbringung und Kapitalerhaltung. Für die GmbH und die AG ist im Gegensatz zu den Personengesellschaften deutschen Rechts ein Mindestkapital vorgeschrieben440. Als ein weiteres wichtiges Merkmal, das für eine typische inländische Personengesellschaft spricht, erweist sich der Umstand, dass es hinsichtlich des von der Gesellschaft erzielten Einkommens an einer Trennung zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern fehlt. Bei keiner der typischen Personengesellschaftsformen besteht das Erfordernis eines Ausschüttungsbeschlusses bezüglich der Zurechnung der Gesellschaftsgewinne an die Gesellschafter. Demgegenüber ist die Möglichkeit der Gesellschaft, Einkommen zu erzielen, das nicht unmittelbar Einkommen der Gesellschafter darstellt, typenspezifisch für die Kapitalgesellschaft441. Als ein bedeutungsvolles Abgrenzungskriterium wird zum Teil auch die freie bzw. fehlende Übertragbarkeit der Gesellschaftsanteile angesehen442. Im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften sind die Anteile an einer Personengesellschaft grundsätzlich nicht ohne Zustimmung der Mitgesellschafter übertragbar, da insoweit ein so genanntes Grundlagengeschäft vorliegt. Allerdings ist eine abweichende Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag möglich. Im Hinblick auf Kapitalgesellschaften sind deren Gesellschaftsanteile zwar nach der gesetzlichen Regelung gem. §§ 68 AktG, 15 GmbHG frei auf Dritte übertragbar, ohne dass es einer Zustimmung der übrigen Gesellschafter bedarf. In der Praxis ergibt sich jedoch häufig ein anderes Bild. Die freie Übertragbarkeit von GmbH-Anteilen erfährt in der Satzung regelmäßig Einschränkungen. Auch bei der AG ist eine Vinkulierungsklausel gängiger Satzungsbestandteil. Das gegensätzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis lässt sich somit nicht aufrechterhalten, weshalb es sich lediglich um ein Rahmen der Einordnung unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG grundsätzlich nicht Vergleichsobjekt. So wird auch zugegeben, dass die gesetzlichen Ausnahmen gerade bei den weniger klassischen Vertretern der jeweiligen Gruppe vorkommen. 440 Hey, RIW 1992, S. 916, 922; Henke/Lang, IStR 2001, S. 514, 516 und 519; Schnittker/Lemaitre, FR 2003, S. 485, 492 f.; dies., GmbHR 2003, S. 1314, 1319 f.; Lemaitre/Schnittker/Siegel, GmbHR 2004, S. 618, 624 f. Im BMF-Schreiben ist die Kapitalaufbringung gleichfalls als Abgrenzungskriterium aufgeführt, DB 2004, 901, 903. 441 Zisowski, S. 58; Henke/Lang, IStR 2001, S. 514, 516 und 518; Schnittker/ Lemaitre, FR 2003, S. 485, 495; dies., GmbHR 2003, S. 1314, 1317 und 1320; vgl. auch Lemaitre/Schnittker/Siegel, GmbHR 2004, S. 618, 624, die zwischen den Regelungen der Gewinnzuteilung und denjenigen bezüglich der Verfügbarkeit über den zugeteilten Gewinnanteil differenzieren. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist die Gewinnzuteilung als Abgrenzungskriterium anzusehen, DB 2004, 901, 903. 442 Hey, RIW 1992, S. 916, 921; BMF-Schreiben vom 19.03.2004, DB 2004, 901, 902 f.
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
eingeschränkt geeignetes Beurteilungskriterium im Rahmen des Typenvergleichs handelt443. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist in dem Umstand der Stimmberechtigung bzw. Stimmkraft zu sehen. Das Stimmrecht als solches steht bei beiden Gesellschaftsformen jedem Gesellschafter zu. Die Höhe seiner Einlage bzw. seines Geschäftsanteils spielt für die Existenz des Stimmrechts keine Rolle. Was die Stimmkraft einer Stimme anbelangt, ist diese nach der Gesetzeslage für beide Gesellschaftsarten unterschiedlich ausgestaltet. Hinsichtlich Personengesellschaften bemisst sich die Stimmkraft einheitlich nach Köpfen, während sie sich bei Kapitalgesellschaften im Regelfall nach der Höhe der Gesellschafterbeteiligung richtet. Die Differenzierung nach der Stimmkraft wird in der Praxis jedoch häufig dadurch schwierig, dass in der Personengesellschaft abweichend von diesem gesetzlichen Regelfall grundsätzlich die Einlage zum Maßstab für die Stimmkraft herangezogen wird. Dem Kriterium der Stimmberechtigung bzw. Stimmkraft kommt daher keine zentrale Entscheidungskraft zu444. Der Umstand der Gesellschaftsanteile pro Gesellschafter ist als ein Merkmal anzusehen, dem im Rahmen des Typenvergleichs nur eine geringe Bedeutung zukommt. Bei den inländischen Personenhandelsgesellschaften sind Mehrmitgliedschaften nach h. M. aufgrund des Prinzips der Einheit der Mitgliedschaft generell nicht möglich. Demgegenüber kann ein Aktionär oder GmbH-Gesellschafter mehrere Aktien bzw. Geschäftsanteile halten445. Ein allerdings für sich alleine genommen nur wenig geeignetes Indiz für eine mögliche Einordnung als Personengesellschaft sind die besonderen persönlichen Umstände, die ausschlaggebend für den Zusammenschluss der Gesellschafter waren. Es handelt sich hierbei um Umstände, welche die Gesellschafterbezogenheit der Personengesellschaft zum Ausdruck bringen. Als Beispiele lassen sich etwa verwandtschaftliche bzw. intensive geschäftliche Beziehungen nennen446. Ein nur wenig hilfreiches Abgrenzungskriterium ist auch die Mitgliederanzahl der ausländischen Gesellschaft447. Zum Teil wird jedoch davon aus443 K. Schmidt, S. 211; Schnittker/Lemaitre, FR 2003, S. 485, 492; dies., GmbHR 2003, S. 1314, 1317 und 1320; Lemaitre/Schnittker/Siegel, GmbHR 2004, S. 618, 624. 444 Schnittker/Lemaitre, GmbHR 2003, S. 1314, 1320. 445 Henke/Lang, IStR 2001, S. 514, 516 und 518 f.; Schnittker/Lemaitre, FR 2003, S. 485, 496. 446 Hey, RIW 1992, S. 916, 922; Schnittker/Lemaitre, FR 2003, S. 485, 496. 447 Nach der Ansicht der Finanzverwaltung eignet sich die Anzahl der Gesellschafter nicht als Merkmal für die Unterscheidung zwischen Körperschaft und Personengesellschaft, DB 2004, 901, 903.
A. Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung ins Inland
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gegangen, dass dieser Umstand in die Bewertung der ausländischen Gesellschaft mit einzufließen habe. Nach dieser Ansicht stellt ein kleiner Gesellschafterkreis ein Indiz für eine Personengesellschaft dar448. Eine konkrete Grenze der Gesellschafterzahl, die hinsichtlich der Einordnung der Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts als Personen- bzw. Kapitalgesellschaft deutschen Rechts Aufschluss geben würde, lässt sich allerdings nicht ziehen. Eine solche Obergrenze sieht das Gesetz nicht vor449. Die Abgrenzung zwischen den beiden Gesellschaftsformen anhand der Anzahl der Gesellschafter kann wegen der gesetzlich nicht festgelegten Grenze nicht erfolgen450. Diese Schlussfolgerung zieht auch der BFH in seiner Entscheidung zur Frage der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit einer Publikumspersonengesellschaft451. Zwar bezieht sich diese Rechtsprechung nur auf einen rein inländischen Sachverhalt, sie lässt sich aber, da es sich insofern um eine vergleichbare Abgrenzungsproblematik handelt, auf die inländische ertragsteuerliche Bewertung ausländischer Kapitalgesellschaften übertragen. Einen konkreten Lösungsansatz, welcher die Entscheidungsbegründung des Beschlusses des Großen Senats des BFH entkräften würde, bietet die gegenteilige Rechtsprechung des FG Düsseldorf nicht an. Berücksichtigung kann die Gesellschafteranzahl nur insoweit finden, als für die Gründung und den Betrieb einer inländischen Personengesellschaft mindestens zwei Gesellschafter erforderlich sind. Liegt somit eine ausländische Einmann-Gesellschaft vor, so geht davon eine Indizwirkung für eine Kapitalgesellschaft aus452. Eine inländische Einmann-Personengesellschaft existiert nämlich grundsätzlich nicht453. Als ein gleichfalls grundsätzlich ungeeignetes Abgrenzungskriterium kann die Abhängigkeit der Lebensdauer der ausländischen Gesellschaft von in der Person der Gesellschafter eintretender Umstände angeführt werden. Dies ergibt sich aufgrund des Handelsrechtsreformgesetzes vom 22.06. 1998454. Es besteht nunmehr, was den Fortbestand anbelangt, eine Annäherung zwischen den Personenhandelsgesellschaften und den Kapitalgesellschaften deutschen Rechts. Für den Fall allerdings, dass das ausländische 448
FG Düsseldorf, EFG 1987, 202; Hey, RIW 1992, S. 916, 921 f. Das Urteil des FG wurde in der Revisionsinstanz vom BFH aufgehoben, ohne dass dieser jedoch auf die Größe des Gesellschafterkreises eingegangen ist, vgl. BFH, BStBl. II 1992, 972. 449 Pusill-Wachtsmuth, S. 85 und 89. 450 Schnittker/Lemaitre, FR 2003, S. 489, 495 f. 451 BFH GrS, BStBl. II 1984, 760. 452 Henke/Lang, IStR 2001, S. 514, 516 und 518; Schnittker/Lemaitre, FR 2003, S. 485, 495 f. 453 K. Schmidt, S. 209. 454 Vgl. BGBl. I 1998, 1474.
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
Recht für die betreffende Gesellschaft in der Person des Gesellschafters liegende Auflösungsgründe vorsieht, kann dies im Rahmen der Abgrenzungsentscheidung als ein Hinweis für den Typ der Personengesellschaft gewertet werden, obwohl das deutsche Recht für die Personenhandelsgesellschaft keine entsprechende Regelung mehr beinhaltet. Eine solche ausländische Rechtslage würde nämlich die innere Verbundenheit unter den Gesellschaftern zum Ausdruck bringen, was für eine personengesellschaftliche Struktur der zu qualifizierenden ausländischen Gesellschaft spricht455. Grundsätzlich keine Rolle innerhalb des Rechtstypenvergleichs spielen auch die Regeln zur Gewinnverteilung. In der Praxis richtet sich nämlich häufig, abweichend von der gesetzlichen Rechtslage, die Gewinnverteilung bei inländischen Personengesellschaften nach der gesetzlichen Rechtslage der Kapitalgesellschaften, d.h. nach der Höhe der Beteiligung an der Gesellschaft. Darüber hinaus kann auch bei der Kapitalgesellschaft vom gesetzlichen Regelfall abgewichen werden456. Unerheblich für die erforderliche Grenzziehung sind im Regelfall ebenfalls die formalen Bedingungen für die Errichtung der Gesellschaft. Ist der zeitliche Anknüpfungspunkt die Entstehung der Gesellschaft „als solche“, so zeigt sich, dass die Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister nicht nur bezüglich der GmbH gem. § 11 Abs. 1 GmbHG und der AG nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AktG, sondern auch in den Fällen der §§ 2, 3, 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB bei der OHG und KG als ein konstitutiver Akt zu bewerten ist. Untersucht man den Entstehungszeitpunkt der jeweiligen Gesellschaft als eigener Rechtsträger, so lässt sich feststellen, dass dieser sowohl bei der AG und GmbH als auch bei den Personenhandelsgesellschaften vor der Eintragung ins Handelsregister liegt457. Fraglich ist, ob die Rechtsfähigkeit der jeweiligen ausländischen Gesellschaft, die sich nach ihrer ausländischen Rechtsordnung bzw. nach der 455 Henke/Lang, IStR 2001, S. 514, 516 und 518; Schnittker/Lemaitre, FR 2003, S. 485, 493; dies., GmbHR 2003, S. 1314, 1316; Lemaitre/Schnittker/Siegel, GmbHR 2004, S. 618, 625. Die Finanzverwaltung verwendet das Kriterium ebenfalls nur dann, wenn die Lebensdauer nach dem ausländischen Recht oder nach dem Gesellschaftsvertrag begrenzt ist oder wenn es sich bei der Gesellschaft nicht um eine Personenhandelsgesellschaft handelt, DB 2004, 901, 903. 456 Schnittker/Lemaitre, GmbHR 2003, S. 1314, 1317 und 1320; Lemaitre/ Schnittker/Siegel, GmbHR 2004, S. 618, 626. Demgegenüber zieht die Finanzverwaltung in ihrem BMF-Schreiben vom 19.03.2004, DB 2004, 901, 903, die Regelungen über die Gewinnverteilung als Abgrenzungskriterium heran. 457 Schnittker/Lemaitre, GmbHR 2003, S. 1314, 1319 f.; Lemaitre/Schnittker/Siegel, GmBHR 2004, S. 618, 626 f. In ihrem BMF-Schreiben vom 19.03.2004, DB 2004, 901, 903, bewertet die Finanzverwaltung dagegen die formalen Gründungskriterien als ein Merkmal zur Einordnung der ausländischen Gesellschaft.
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Rechtsordnung des Zuzugsstaates richtet, für den Typenvergleich zu berücksichtigen ist. Dies spielte in der Vergangenheit insbesondere bei den grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften mit Satzungssitz im Gründungsstaat und inländischer Geschäftsleitung eine Rolle. Vor dem gemeinschaftsrechtlichen Hintergrund in Form der Überseering Entscheidung des EuGH458 verlieren diese Gesellschaften ihre Rechtsfähigkeit selbst unter Geltung der Sitztheorie im Zuzugsstaat nicht. Sie sind im Inland als rechtsfähige Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts anzuerkennen, vorausgesetzt, dass der Gründungsstaat ihre Rechtsfähigkeit infolge des Wegzugs nicht aberkennt459. Insofern kommt dem Merkmal der Rechtsfähigkeit keine Aussagekraft bei der Abgrenzung zwischen der Personen- und Kapitalgesellschaft zu460. Lediglich in den Fällen, in denen nach dem Gründungsrecht der zu beurteilenden Gesellschaft die Rechtsfähigkeit bei einem Umzug nicht fortbesteht, bleibt die Problematik relevant. Zum Teil wird der aufgrund des Umzugs eintretende Verlust der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts bzw., unabhängig von dieser Konstellation, generell die der ausländischen Gesellschaft fehlende Rechtsfähigkeit als Körperschaft als ein Hinweis auf eine personalgesellschaftliche Struktur in den Typenvergleich einbezogen461. Dieser Ansicht kann nicht zugestimmt werden. Selbst wenn nach den Regelungen des Gründungsstaates die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft bei einem Umzug nicht aufrechterhalten bleibt, so ist die zugezogene Gesellschaft unter Anwendung der Sitztheorie im Inland als eine Personengesellschaft zu bewerten. Personengesellschaften sind ausgehend von der Definition der Rechtsfähigkeit als der Fähigkeit eines Rechtsgebildes, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, als rechtsfähig zu beurteilen. Denn ebenso wie inländische Kapitalgesellschaften können Personenhandelsgesellschaften nach 458
EuGH, GmbHR 2002, 1137. Vgl. 2. Teil A. I. 1. b. aa. 460 Vgl. Schnittker/Lemaitre, GmbHR 2003, S. 1314, 1317 f. 461 Hey, in: Festschrift für Debatin, S. 121, 136 und 142, sieht das Merkmal der Rechtsfähigkeit zwar als ein schwaches Kriterium an. Dennoch will er dieses Kriterium in die Beurteilung einfließen lassen. Nach Hintzen, DStR 1971, S. 327, 331 ff., ist das Merkmal der Rechtsfähigkeit dagegen allein maßgeblich. In seiner Rechtsprechung zur Frage der steuerlichen Beurteilung beschränkt steuerpflichtiger Körperschaften betont der BFH, dass die Entscheidung über die ertragsteuerliche Behandlung einer ausländischen juristischen Person nach den leitenden Gedanken des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts zu treffen sei, BStBl. II 1988, 588, 590. Es komme darauf an, ob das ausländische Unternehmen nach rechtlichem Aufbau und wirtschaftlicher Gestaltung einem deutschen Rechtsgebilde vergleichbar sei, BStBl. II 1981, 220, 222. In beiden Entscheidungen bringt der BFH zum Ausdruck, dass letztendlich dieser Rechtstypenvergleich ausschlaggebend für die steuerliche Behandlung ist. 459
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
der Regelung des § 124 Abs. 1 HGB unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verpflichtungen eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden. Ebenso ist die Außen-GbR nach der jetzigen Rechtsprechung des BGH462 als eine rechtsfähige Gesellschaft anzusehen. Eine Kapitalgesellschaft deutschen Rechts kann im Vergleich zu den inländischen Personengesellschaften nicht mehr Rechte wahrnehmen bzw. weitergehende Pflichten eingehen. Sie besitzt kein größeres Maß an Rechtsfähigkeit als eine Personengesellschaft. Aus dem Umstand, dass Personengesellschaften im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften über keine eigene Rechtspersönlichkeit verfügen, lässt sich nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass letztere eine „deutlichere ausgeprägte“ Rechtsfähigkeit besitzen. Dem Merkmal der Rechtspersönlichkeit kommt für die zivilrechtliche Praxis keine erkennbare Bedeutung zu, da eine Personengesellschaft im Regelfall Trägerin der gleichen Rechte und Pflichten sein kann wie eine Kapitalgesellschaft. Demnach kann der Personengesellschaft nicht eine lediglich „partielle“ oder „begrenzte“ Rechtsfähigkeit zugesprochen werden. Die Rechtsfähigkeit der jeweiligen ausländischen Gesellschaft kann daher grundsätzlich nicht als Abgrenzungskriterium herangezogen werden463. Keine Bedeutung im Rahmen des Rechtstypenvergleichs kommt der Tatsache zu, dass die ausländische Gesellschaft nach ihrer heimischen Rechtsordnung als ein Körperschaftsteuersubjekt anerkannt wird464. Zwar hatte der BFH eine solche ertragsteuerliche Einordnung im Gründungsstaat in seiner Entscheidung vom 06.11.1980 als Abgrenzungskriterium herangezogen465. In einem späteren Urteil vom 16.12.1992 führte der BFH jedoch aus, dass es unerheblich sei, ob die Personenvereinigung im Ausland als Körperschaft oder als Mitunternehmerschaft besteuert werde466. Unabhängig von dieser Änderung der Rechtsprechung kann sich die steuerliche Behandlung der zugezogenen Gesellschaft ausländischen Rechts zudem aus462
BGH, BGHZ 146, 341. Vgl. hierzu Schnittker/Lemaitre, FR 2003, S. 485, 494; dies., GmbHR 2003, S. 1314, 1317 ff. Auch die Finanzverwaltung spricht in ihrem BMF-Schreiben vom 19.03.2004, DB 2004, 901, 903, der vorhandenen oder fehlenden Rechtsfähigkeit der ausländischen Gesellschaft im Ausland keine entscheidende Bedeutung für die Einordnung zu. So im Ergebnis auch Pusill-Wachtsmuth, S. 82 f., nach deren Ansicht der Stellung als juristische Person als formales Abgrenzungskriterium eine größere Bedeutung zukommt. Allerdings wird eingeräumt, dass angesichts der Tatsache, dass in vielen Rechtsordnungen der Unterschied zwischen juristischen Personen und Gesamthandsgesellschaften unbekannt sei, dem Merkmal der Stellung als juristische Person nur eine geringe Aussagekraft zukomme, vgl. S. 187. 464 Henke/Lang, IStR 2001, S. 514, 516. 465 BFH, BStBl. II 1981, 220, 222. 466 BFH, DB 1993, 1219, 1220. 463
A. Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung ins Inland
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schließlich nach dem deutschem Recht richten. Dies ist Folge der notwendigen lex fori Betrachtung467. Der Umstand der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit der ausländischen Gesellschaft nach der Rechtsordnung ihres Gründungsstaates kann also wegen der erforderlichen lex fori Beurteilung im Rahmen der Abgrenzung keine Rolle spielen468. Nach einigen Entscheidungen der finanzgerichtlichen Rechtsprechung muss, ohne dass diese allerdings näher darauf eingeht, die wirtschaftliche Stellung der ausländischen Gesellschaft im Rahmen des Typenvergleichs berücksichtigt werden469. Welche Rolle eine ausländische Gesellschaftsform in ihrem Gründungsstaat einnimmt, kann allerdings aufgrund der Unbestimmtheit und Weite dieses Merkmals für den Rechtstypenvergleich keine Bedeutung haben. Nur konkrete Typusmerkmale sind letztlich zu einer Abgrenzung geeignet470. Entscheidend dafür, ob die ausländische Kapitalgesellschaft dem Typ nach eher einer Personen- oder einer Kapitalgesellschaft deutschen Rechts entspricht, ist, wie bereits erwähnt wurde, weder ein einzelnes Merkmal noch eine starre Merkmalsmehrheit471. Der RFH stellte in seiner zum Rechtstypenvergleich ergangenen Grundlagenentscheidung nämlich darauf ab, dass die ausländische Gesellschaft in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sei und lehnte damit eine starre Regel ab472. Die Abgrenzungskriterien lassen sich, wie ausführlich dargestellt wurde, in verschiedene Kategorien einteilen. Es können geeignete, ungeeignete und unter bestimmten Umständen geeignete Merkmale unterschieden werden. Diese Einteilung ist insbesondere dann zu beachten, wenn die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft eine so genannte Mischform darstellt, d.h. wenn sie sowohl Eigenschaften einer inländischen Personengesellschaft als auch solche einer Kapitalgesellschaft inländischen Rechts aufweist. Die Qualifizierung der ausländischen Gesellschaft ist dann anhand einer Gewichtung vorzunehmen, wobei einerseits das zahlenmäßige Überwiegen der jeweils für eine Gesellschaftsform sprechenden Punkte, andererseits vor allem die Bedeutungsschwere der einzelnen Umstände zu berücksichtigen sind473. Für die Entscheidung, welchem Typ die ausländische Gesellschaft zuzuordnen ist, 467 468 469 470 471
Vgl. 1. Teil E. III. 1. Hey, RIW 1992, S. 916, 920. So z. B. RFH, RFHE 27, 73, 79 und BFH, BStBl. II 1968, 695, 696. Pusill-Wachtsmuth, S. 27 und 188. Hey, in: Festschrift für Debatin, S. 121, 136; Henke/Lang, IStR 2001, S. 514,
515. 472 473
1320.
Hey, RIW 1992, S. 916, 922 mit Verweis auf RFH, RFHE 27, 73. Hey, RIW 1992, S. 916, 922; Schnittker/Lemaitre, GmbHR 2003, S. 1314,
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
ist keine völlige Vergleichbarkeit mit einer Gesellschaftsart notwendig, vielmehr genügt die weitgehende Ähnlichkeit474. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ist eine Festlegung der Vergleichskriterien durch eine Verwaltungsanweisung zwar von Vorteil475. Allerdings besteht dann der Nachteil, dass die Finanzverwaltung aufgrund des ihr vorgegebenen starren Rasters nicht sämtlichen ausländischen Gesellschaften in ihrer Vielzahl Rechnung tragen kann. Daher ist letztendlich im Sinne der Rechtsprechung des RFH eine Betrachtung des Gesamtbildes ausschlaggebend476, wobei die im Einzelnen beschriebenen Abgrenzungsmerkmale eine Entscheidungshilfe gewähren können.
B. Verlegung des Satzungssitzes ins Inland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Ausland Der in der Praxis selten vorkommende Fall477 des grenzüberschreitenden Umzugs ausländischer Kapitalgesellschaften durch Verlegung allein des satzungsmäßigen Sitzes ins Inland löst ebenso wie die Verlegung der Geschäftsleitung die Frage nach der inländischen Körperschaftsteuersubjektfähigkeit dieser Gesellschaften aus. Im Raume steht die Anerkennung der Steuersubjekteigenschaft in Form der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Mit dem inländischen Satzungssitz ist nämlich eines der beiden alternativen räumlichen Anknüpfungsmerkmale i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG erfüllt. Die finanzgerichtliche Rechtsprechung hat sich zu einer ertragsteuerlichen Bewertung ausländischer Gesellschaften, die ihren Satzungssitz ins Inland verlegt haben, allerdings noch nicht geäußert478. Auch die Literatur hat sich mit dieser Problematik noch nicht ausführlich beschäftigt. Wiederum ist die Antwort davon abhängig, ob die ausländische Gesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG aufgrund steuerrechtlich 474
Schlenker, S. 76. Schnittker/Lemaitre, GmbHR 2003, S. 1314, 1320. 476 Zisowski, S. 59. 477 Vgl. Kruse, S. 244 und Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 Rn. 50. Der Fall der Satzungssitzverlegung ins Inland ist rein praktisch nicht relevant. Denkbar ist eine solche Verlegung im Rahmen von vertraglichen Vereinbarungen, die in Unkenntnis des deutschen und ausländischen Rechts erfolgen. Aus systematischen Gründen werden daher die steuerlichen Folgen eines solchen eher theoretischen Umzugs dargelegt. Die Gründe für eine solche Satzungssitzverlegung können unter anderem im unternehmenspolitischen Bereich liegen. Beispielsweise ist es der Wunsch des Unternehmens im Hinblick auf eine mögliche Absatzerhöhung, seine Nationalität der Nationalität der Mehrzahl der Kunden anzupassen, vgl. Dietrich, S. 12 f. 478 Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 Rn. 56. 475
B. Verlegung des Satzungssitzes ins Inland
177
eigenständiger Wertungen, unabhängig von den zivilrechtlichen Erwägungen, zu qualifizieren ist.
I. Kollisions- und sachrechtliche Folgen Bei der Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft nach Deutschland ist hinsichtlich der kollisionsrechtlichen Folgen danach zu differenzieren, ob im Wegzugsstaat die Sitz- oder die Gründungstheorie gilt. Im Zuzugsstaat Deutschland ist nach immer noch h. M. im Schrifttum und Ansicht der Rechtsprechung die Geltung der Sitztheorie zu unterstellen479. Aus Sicht des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts ist die Verlegung des Satzungssitzes ins Inland ohne Bedeutung und hat daher keinen Statutenwechsel zur Folge480. Ist im Gründungsstaat die Sitztheorie anwendbar, bleibt die Rechtsordnung des Gründungsstaates weiterhin maßgeblich, da die Sitztheorie auf das Recht desjenigen Staates abstellt, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung befindet. Gilt im Wegzugsstaat dagegen die Gründungstheorie, so kann nach der h. M. eine Änderung des Gesellschaftsstatuts durch die Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes die Folge sein, wenn zur Gründung der jeweiligen Gesellschaft ein inländischer Satzungssitz sowie dessen Beibehaltung erforderlich sind481. Entscheidend ist vor allem aber, welche Rechtsfolgen die Satzungssitzverlegung vor dem Hintergrund des materiellen Sachrechts auslöst. Bei einer Verlegung des Satzungssitzes vom Ausland nach Deutschland ergeben sich die Rechtsfolgen nach dem internen Sachrecht des Wegzugsstaates482. Ein grenzüberschreitender Zuzug der nach ausländischem Recht errichteten Kapitalgesellschaft durch Verlegung des Satzungssitzes ist nach dem Sachrecht des Heimatstaates nur möglich, wenn dieser einen solchen Wegzug zur Disposition der Gesellschaft stellt483. Nahezu keine innereuropäische Rechtsordnung erkennt die Möglichkeit einer rechtsformwahrenden Sitzverlegung ins Ausland an. Eine Ausnahme bilden die Länder Spanien und Portugal, die jedoch verlangen, dass der Zuzugsstaat ebenfalls eine solche 479
Vgl. 1. Teil B. I. Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 8. 481 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 650; Frowein, S. 109 f.; Schlenker, S. 23; Kruse, S. 8, 27 und 47; Dietrich, S. 46; Grundmann, § 22 Rn. 775; Hausmann, S. 13, 31; Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 8. Anderer Ansicht ist Hoffmann, ZVglRWiss 101 (2002), S. 283 ff. 482 Hausmann, S. 13, 30 f. 483 Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 404 und insbesondere FN 908; Zisowski, S. 15 f.; Dinkhoff, S. 109. 480
178
2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
Möglichkeit vorsieht. Frankreich eröffnet eine solche Sitzverlegung ins Ausland auf der Basis bilateraler Verträge. Bisher ist es aber mit keinem Staat zu einem Abschluss der erforderlichen Verträge gekommen484. Zudem kann der ins Inland verlegte Satzungssitz nicht in Deutschland eingetragen werden, da keine Gründung nach Maßgabe des deutschen Gesellschaftsrechts erfolgt ist485. Kommt es aufgrund der Rechtsordnung des ausländischen Gründungsstaates zu einem Statutenwechsel, ist für die zugezogene Gesellschaft das innerstaatliche Recht anwendbar, andernfalls untersteht sie weiterhin der ausländischen Rechtsordnung. Folgt der Wegzugsstaat der Gründungstheorie, kommt es aus seiner Sicht zu einem Statutenwechsel und damit zu einer Rückverweisung auf das deutsche Recht i. S. d. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB486. Allerdings ist auch bei einer Änderung des Personalstatuts zu beachten, welche Folgen das ausländische Sachrecht an die Satzungssitzverlegung selbst knüpft. Erst nach der Verlegung ist das inländische Recht maßgeblich. Zwar ist aufgrund der Rechtsordnungen des Wegzugs- und des Zuzugsstaates ein identitätswahrender Zuzug ins Inland nicht möglich. Dennoch ist bei einem Statutenwechsel und bei einer wirtschaftlichen Tätigkeit der zugezogenen Gesellschaft im Inland diese in Deutschland nicht als ein rechtliches Nullum anzusehen. Es handelt sich dann vielmehr um eine inländische Personengesellschaft bzw. um eine (kaufmännische) Einzelperson.
II. Folgen für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit Selbst wenn sich diese zivilrechtlichen Konsequenzen nach dem ausländischen bzw. inländischen Recht für die nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften infolge ihrer Satzungssitzverlegung ergeben, beeinflusst dies nicht die Möglichkeit dieser Gesellschaften, ein Körperschaftsteuersubjekt nach innerstaatlichem Recht zu sein487. Der Verlegungsbeschluss hinsichtlich des Satzungssitzes ist daher nicht rechtsunerheblich. 484
Pache, GmbHR 2002, S. 299, 301; vgl. auch den Vorentwurf eines Richtlinienvorschlags zur Verlegung des Gesellschaftssitzes innerhalb der EU, ZGR 1999, 157 f. 485 Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rn. 138; Zisowski, S. 16; Dietrich, S. 46 f.; Großmann, S. 16, allerdings bezogen auf eine Gesellschaft aus einem Drittstaat, die ihren Satzungssitz nach Deutschland verlegt. 486 Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 387 und 404. 487 Anderer Ansicht ist z. B. Debatin, GmbHR 1991, S. 164, 168; vgl. auch die Darstellung bei Pache, GmbHR 2002, S. 299, 301. Nach dieser Gegenansicht bewirkt die Verlegung des statutarischen Sitzes vom Aus- ins Inland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Gründungsstaat nicht die Begründung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht in Deutschland. Die Bedeutung der Anknüpfung an den Inlandssitz beschränke sich auf den Fall des Wegzugs vom In- ins
B. Verlegung des Satzungssitzes ins Inland
179
Zwar ist die Eintragung eines inländischen Satzungssitzes einer ausländischen Gesellschaft ins deutsche Handelsregister nicht möglich488. Die Gesellschafter der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft haben jedoch den gesellschaftsrechtlichen Beschluss gefasst, den Satzungssitz ins Inland zu verlegen. Da der Satzungssitz rechtsgeschäftlich bestimmt wird, hat dieser Verlegungsbeschluss zur Folge, dass sich der Satzungssitz in steuerlicher Hinsicht im Inland befindet. Der Ort des Sitzes wird nämlich nach § 11 AO durch Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen oder unmittelbar durch Gesetz bestimmt489. Die Fragen der Rechtsfähigkeit oder der Eintragung des Satzungssitzes ins deutsche Handelsregister spielen für die Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG keine Rolle, da die Vorschrift im Rahmen eines grenzüberschreitenden Sachverhaltes rein wirtschaftlich zu interpretieren ist. Aufgrund der Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes ins Inland liegt ein alternatives Anknüpfungskriterium für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht vor490. Im Wege des Rechtstypenvergleichs ist wiederum zu untersuchen, ob die ausländische Gesellschaft eher einer inländischen Personen- oder einer inländischen Kapitalgesellschaft entspricht491. Andernfalls hätte die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nur einen eingeschränkten Anwendungsbereich, was den alternativen Anknüpfungspunkt des Sitzes i. S. d. § 11 AO anbelangt. Diese räumliche Anbindung hätte dann allenfalls für wegziehende inländische Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegen, Bedeutung, nicht aber für zuziehende ausländische Kapitalgesellschaften, die ihren Satzungssitz ins Inland verlegen. Für eine solche einschränkende Auslegung gibt der Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG aber nichts her. Nach der Gesetzesformulierung wird die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht alternativ an die inländische Geschäftsleitung oder den inländischen Sitz angeknüpft. Das Gesetz differenziert nicht zwischen der Variante des Zuzugs einer Gesellschaft ins Inland und des Wegzugs einer Gesellschaft ins Ausland. Entspricht die zugezogene Gesellschaft einer inländischen Kapitalgesellschaft, ist diese somit als Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu bewerten. Eine Einordnung als unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 KStG492 ist aus den bereits genannten Gründen abzulehnen493. Ausland. Die Gesellschaft sei solange an der unbeschränkten Steuerpflicht festzuhalten, wie sich ihr Satzungssitz im Inland befinde. 488 Vgl. oben 2. Teil B. I. 489 Birk, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 11 AO Rn. 16. 490 Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 Rn. 52.2, 56 f. 491 Im Ergebnis ebenso Schlenker, S. 131 f. 492 Für eine solche Einstufung plädiert Widmann, in: Widmann/Mayer, Anhang 7 Rn. 39, wenn die Gesellschaft nach dem ausländischen Gesellschaftsrecht nicht
180
2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
Anders ist die Satzungssitzverlegung ins Inland zu beurteilen, wenn es sich nur um einen so genannten fiktiven Sitz handelt. Ein solcher ist gegeben, wenn als satzungsmäßiger Sitz ein Ort bestimmt wird, an dem weder die Verwaltung geführt wird noch eine betriebliche Aktivität des Unternehmens stattfindet. Zwar kann nach der im Zivilrecht h. M. der statutarische Sitz einer juristischen Person grundsätzlich frei gewählt werden. In steuerrechtlicher Hinsicht ist der fiktive Satzungssitz allerdings als Scheingeschäft gem. § 41 Abs. 2 AO unbeachtlich. Maßgebend ist dann alleine der tatsächliche Verwaltungssitz494. In einem solchen Fall der fehlenden wirtschaftlichen Aktivität am Ort des Satzungssitzes, also im Zuzugsstaat Deutschland, ist die zugezogene Gesellschaft somit überhaupt kein Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG, da es an einer alternativen Anknüpfung fehlt.
III. Identitätswahrende Satzungssitzverlegung vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts Eine Entscheidung zwischen der zivil- und der steuerrechtlichen Betrachtungsweise ist für den Fall der Verlegung des Satzungssitzes ins Inland unter Umständen überhaupt nicht erforderlich. Dies ist der Fall, wenn eine identitätswahrende Verlegung unter Berücksichtigung gemeinschaftsrechtlicher Anforderungen zu ermöglichen ist. Eine Entscheidung des EuGH, wie sie für die Verlegung des Verwaltungssitzes (= Geschäftsleitung) ergangen ist, existiert hinsichtlich der Verlegung des Satzungssitzes nicht495. Das Überseering Urteil496 betrifft die Verlegung des tatsächlichen Hauptverwaltungssitzes, zur Verlegung des statutarischen Sitzes äußert sich der EuGH nicht497. Die Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes hat der EuGH im Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit – soweit ersichtlich – noch nie erwähnt498.
weiter bestehe und sie wie eine inländische Kapitalgesellschaft strukturiert sei. Bestehe die Gesellschaft demgegenüber weiter, handle es sich um ein unbeschränkt steuerpflichtiges Subjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG. 493 Vgl. 2. Teil A. I. 2. c. 494 Vgl. hierzu Birk, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 11 AO Rn. 25 f.; Schwedhelm/Binnewies, DB 1999, S. 1420. 495 Leible, ZGR 2004, S. 531, 535. 496 EuGH, GmbHR 2002, 1137. 497 Heiss, ZfRV 2003, S. 90, 91. 498 So auch Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2414.
B. Verlegung des Satzungssitzes ins Inland
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1. Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG Fraglich ist, ob sich eine identitätswahrende Satzungssitzverlegung einer Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts ins Inland aufgrund der Niederlassungsfreiheit ergeben muss. Diesbezüglich herrscht in der Literatur Uneinigkeit. a) Stellungnahme zu den im Schrifttum vertretenen Ansichten Nach einer Ansicht im Schrifttum fällt die isolierte Verlegung des Satzungssitzes nicht in den Anwendungsbereich der in Art. 43, 48 EG garantierten Niederlassungsfreiheit, da es um keinen niederlassungsrechtlich relevanten Vorgang gehe499. Dies erscheint zutreffend, weil es sich bei der Niederlassung im Wesentlichen um einen wirtschaftlichen Begriff handelt. Er erfordert eine tatsächliche wirtschaftliche Betätigung am Ort der Niederlassung, ein tatsächliches wirtschaftliches „Band“. Nach der Rechtsprechung des EuGH beinhaltet die Niederlassung die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit500. Entsprechend der Definition des satzungsmäßigen Sitzes und des Verwaltungssitzes fällt eine Verlagerung des ersteren ins Inland nicht in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit. Eine bloße Registrierung im Handelsregister genügt nämlich nicht, um den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit zu eröffnen. Wird alleine der Satzungssitz verlegt, verbleibt mit dem Verwaltungssitz das Zen499 Leible, ZGR 2004, S. 531, 535; Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2413 ff.; Behrens, EuZW 1992, S. 550; Krug, S. 159 und 165; Frowein, S. 127; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 4 a Rn. 22. Nicht den Gesichtspunkt der fehlenden wirtschaftlichen Tätigkeit im zugezogenen Mitgliedstaat als Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit, sondern den tiefen Einschnitt in das materielle Gesellschaftsrecht und demzufolge in die innerstaatliche Gesetzgebungszuständigkeit nennt Zimmer, BB 2000, S. 1361, 1362, als Grund dafür, dass gemeinschaftsrechtlich den Mitgliedstaaten nicht das Recht versagt werden könne, für die dem nationalen Recht unterliegenden Gesellschaften einen inländischen Satzungssitz zu fordern. Eine Entkoppelung von Gesellschaftsstatut und satzungsmäßigem Sitz wird als unpraktikabel angesehen, da die Gerichtszuständigkeit in vielen Entscheidungen beim Gericht des Satzungssitzes gegeben sei. Anderer Ansicht ist z. B. Dietrich, S. 119. 500 EuGH, EuZW 1991, 764, 765 Rn. 20. Die Niederlassungsfreiheit umfasst zum einen die Hauptniederlassungsfreiheit, d.h. die Vorgänge der Gründung und des Betreibens eines ständigen Unternehmens, welches den Mittelpunkt der wirtschaftlichen Aktivität des Selbständigen bildet, und zum anderen die Freiheit, Zweitniederlassungen zu gründen, vgl. Scheuer, in: Lenz/Borchardt, Art. 43 EGV Rn. 2 und Art. 48 EGV Rn. 3.
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
trum der wirtschaftlichen Tätigkeit im Wegzugsstaat. Es fehlt somit bei der isolierten Verlegung des Satzungssitzes an einer die Garantie des Niederlassungsrechts begründenden wirtschaftlichen Tätigkeit. Die Verlegung des Satzungssitzes kann nicht unter die Niederlassungsfreiheit subsumiert werden, da es bezüglich der isolierten Verlegung des Satzungssitzes an dem Charakteristikum einer Niederlassung mangelt501. Eine Einschränkung wird in der Literatur zum Teil gemacht, wenn der Satzungssitz, wie es in der Praxis in der Regel vorkomme, in einen Mitgliedstaat verlegt wird, in dem schon eine Betriebsstätte besteht. Diese Niederlassung stelle dann das wirtschaftliche Band zum Satzungssitz dar. Die Umregistrierung diene dann der weiteren, effektiven Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat502. Dieser Rechtsauffassung kann nicht gefolgt werden. Es muss jeder grenzüberschreitende Vorgang für sich selbst im Hinblick auf die Eröffnung der Niederlassungsfreiheit betrachtet werden. Die Frage muss dann lauten, ob durch den Vorgang der Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes, unabhängig davon, dass im Zuzugsstaat bereits eine wirtschaftliche Aktivität stattgefunden hat, das Niederlassungsrecht einschlägig ist. Dies scheitert aber daran, dass es hinsichtlich der Satzungssitzverlegung an der für die Niederlassung erforderlichen wirtschaftlichen Betätigung am Niederlassungsort fehlt. Selbst wenn im Zuzugsstaat bereits eine geschäftliche Aktivität in Form einer Betriebsstätte betrieben wird, ist der Vorgang der späteren Satzungssitzverlegung, der für sich die Frage nach der Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit aufwirft, nicht vom Schutzbereich der Grundfreiheit gedeckt. Es besteht zudem auch kein anerkennenswertes Interesse, den satzungsmäßigen Sitz unter Beibehaltung des bisherigen Statuts identitätswahrend in einen anderen Mitgliedstaat verlegen zu können503. Ziel der Niederlassungsfreiheit ist eine Ermöglichung der Verlagerung der unternehmerischen Aktivitäten in einen anderen Mitgliedstaat. Diesem Ziel ist durch die Erlaubnis einer statutenwahrenden Verwaltungssitzverlegung Genüge getan504. Die isolierte Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes dagegen erfüllt nicht die Anforderungen für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit.
501
Krug, S. 158 f.; Frowein, S. 127. Kruse, S. 67. 503 Leible, ZGR 2004, S. 531, 553; Koppensteiner, in: Festschrift für Lutter, S. 141, 147. Nach Eidenmüller, JZ 2004, S. 24, 32, sollte dagegen eine Kapitalgesellschaft, der es möglich sei, ihren Verwaltungssitz ohne Statutenwechsel zu verlegen, auch ihren Satzungssitz ohne Statutenwechsel verlegen können. Eine englische PLC, so Eidenmüller, könnte dann ihren satzungsmäßigen Sitz in Berlin nehmen, ohne ihre gesellschaftsrechtliche Identität als englische PLC zu verlieren. 504 Leible, ZGR 2004, S. 531, 553. 502
B. Verlegung des Satzungssitzes ins Inland
183
b) Der Vorlagebeschluss des AG Heidelberg vom 03.03.2000505 In seinem Vorlagebeschluss vom 03.03.2000, der jedoch eine Sitzverlegung ins Ausland und damit einen Wegzugsfall, nämlich die Verlegung des Satzungssitzes und der Hauptverwaltung506, betrifft, führte das AG Heidelberg507 aus, dass das gemeinschaftsrechtlich gewährte Niederlassungsrecht dem Verbot einer identitätswahrenden Satzungssitzverlegung entgegenstehe. Aus formellen Gründen war diese Vorlage allerdings unzulässig, so dass keine Entscheidung des EuGH in materieller Hinsicht erging. In seinem Beschluss vom 10.07.2001 begründete der Gerichtshof die Unzulässigkeit damit, dass die Entscheidung des AG Heidelberg keinen Rechtsprechungscharakter habe, da das Gericht als Registergericht eine Behördenfunktion wahrnehme508. Die vorgebrachten Argumente des AG Heidelberg genügen aber ohnehin nicht, um den in einem EU-Mitgliedstaat gegründeten Kapitalgesellschaften eine Verlegung ihres Satzungssitzes unter Beibehaltung ihrer Rechtsform in einen anderen Mitgliedstaat aufgrund der Niederlassungsfreiheit zu gewährleisten509. Unter anderem stützte das Amtsgericht510 seine Rechtsauffassung auf eine Aussage511 des Generalanwalts La Pergola im Schlussantrag zur Centros Entscheidung des EuGH512. Diese Aussage wurde vom AG Heidelberg aber missverstanden. Sie beinhaltet nicht das Recht der Kapitalgesellschaften, den Satzungssitz unter Beibehaltung der Rechtsform zu verlegen. Vielmehr bringt der Generalanwalt mit der entsprechenden Passage zum Ausdruck, dass die Gesellschaftsgründer sowohl den Staat der Hauptniederlassung als auch den Staat der Zweigniederlassung frei auswählen könnten. Sinngemäß hat auch der EuGH in der Rechtssache Centros513 entschieden514. Daneben führte das Amtsgericht aus, dass die Unzulässigkeit einer identitätswahrenden Sitzverlegung eine wettbewerbswidrige Schlechterstellung gegenüber einer entsprechenden Gesellschaft britischen oder dänischen Rechts zur Folge haben könnte515. Zum einen verlangen aber auch diese 505 506 507 508 509 510 511 512 513 514
AG Heidelberg, NZG 2000, 927. AG Heidelberg, NZG 2000, 927, 928. AG Heidelberg, NZG 2000, 927, 929. EuGH, NJW 2001, 3179 Rn. 11 ff. Vgl. hierzu die Darstellung bei Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2413 ff. AG Heidelberg, NZG 2000, 927, 929. Vgl. hierzu Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2414. EuGH, DB 1999, 625. EuGH, DB 1999, 625. Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2414.
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
Rechtsordnungen, dass sich der Satzungssitz im Inland befindet. Zum anderen gebietet es das Niederlassungsrecht nicht, dass die jeweiligen Mitgliedstaaten das nationale Recht jeweils so ausgestalten, dass Schlechterstellungen der Inländer gegenüber sonstigen Unionsbürgern in deren Heimatstaaten vermieden werden516. Zwar ist eine wettbewerbstaugliche und flexible Gesellschaftsrechtsordnung erstrebenswert. Allerdings stellt dies mangels einer europäischen Harmonisierung eine Anforderung an den nationalen Gesetzgeber und nicht an die Rechtsprechung des EuGH dar517. Zur Zeit existiert noch keine einheitliche Regelung bezüglich der Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes auf der EU-Ebene. Daher finden die unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten Anwendung, wenn ein Satzungssitz einer Kapitalgesellschaft von einem EU-Staat in einen anderen verlegt wird518. Das Centros Urteil519 interpretiert das AG in dem Sinne, dass es danach zu den grundlegenden Freiheiten der Gemeinschaftsangehörigen gehöre, das für eine Gesellschaft maßgebliche Recht frei zu wählen520. Diese Schlussfolgerung kann jedoch nicht in dieser allgemeinen Form gezogen werden. Die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Centros erging nämlich nicht zu einer Wegzugskonstellation, sondern zu einem Zuzugsfall. Zudem betrifft diese nicht die Frage der Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes, sondern der Eintragung der Zweigniederlassung in einen anderen Mitgliedstaat. Auch ist die Rechtsauffassung des AG Heidelberg, der EuGH habe mit Daily Mai521 nicht über die Frage nach der Zulässigkeit einer identitätswahrenden Sitzverlegung ins Ausland entschieden, sondern über das steuerliche Zustimmungserfordernis522, angesichts der entgegenstehenden Ausführungen des Gerichtshofs in seinem Daily Mail Urteil, unabhängig davon, ob diese Vorgehensweise kritikwürdig erscheint, abzulehnen. Zudem betrifft die Rechtssache Daily Mail lediglich die isolierte Verlegung des Verwaltungssitzes vom In- ins Ausland. Zur Problematik der identitätswahrenden Satzungssitzverlegung, sei es isoliert oder zusammen mit der Verlagerung des Verwaltungssitzes, ist bislang keine Entscheidung des EuGH ergangen523. 515
AG Heidelberg, NZG 2000, 927, 929. Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2414. 517 Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2414. 518 Kutt, S. 39. 519 EuGH, DB 1999, 625. 520 AG Heidelberg, NZG 2000, 927, 929. 521 EuGH, NJW 1989, 2186. 522 AG Heidelberg, NZG 2000, 927, 928. 523 Aus diesem Grund ist auch das Argument des AG Heidelberg, dass nach dem derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts die Entscheidung des EuGH gegenwärtig 516
B. Verlegung des Satzungssitzes ins Inland
185
Im Ergebnis kann somit festgehalten werden, dass nach den vorgetragenen Gründen die Verlegung des Satzungssitzes nicht von der Niederlassungsfreiheit umfasst ist. 2. Anwendbarkeit des allgemeinen Diskriminierungsverbotes i. S. d. Art. 12 EG Die identitätswahrende Satzungssitzverlegung ins Inland wird auch nicht vom allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG gefordert. Zwar ist Art. 12 EG auch zugunsten staatszugehöriger Gesellschaften eines Mitgliedstaates anwendbar524. Die Vorschrift des Art. 12 EG erfasst aber nur Diskriminierungen, die sich aus Rechtsvorschriften oder Verwaltungspraktiken eines einzelnen Mitgliedstaates ergeben525. Die zugezogenen Gesellschaften müssten demnach durch den Zuzugsstaat Deutschland im Vergleich zu den inländischen Gesellschaften schlechter behandelt werden. Wie bereits dargestellt wurde, stellt schon der Wegzugsstaat die Verlegung des Satzungssitzes nicht zur Disposition der Gesellschaft526. Die Möglichkeit einer rechtsformwahrenden Sitzverlegung ist durch den Wegzugsstaat nicht vorgesehen. Der Zuzugsstaat braucht daher die vom Wegzugsstaat ursprünglich verliehene Rechtsfähigkeit nicht zu achten. Ein identitätswahrender Zuzug ins Inland ist somit bereits dadurch nicht möglich, dass der Wegzugsstaat die Rechtspersönlichkeit nachträglich aberkennt. Folgt man somit der zivilrechtlichen Sichtweise, kann eine Einordnung unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG mangels Vorliegens einer rechtsfähigen Kapitalgesellschaft nicht erfolgen. Ein Verstoß gegen Art. 12 EG liegt aber nicht vor, da die ungleiche Behandlung gegenüber inländischen Kapitalgesellschaftsformen, die nach der zivilrechtlichen Betrachtung unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu subsumieren sind, nicht alleine vom Zuzugsstaat Deutschanders als zum Zeitpunkt des Daily Mail Urteils ausfallen müsse, NZG 2000, 927, 928, nicht aussagekräftig. Lediglich hinsichtlich der Verlegung des Verwaltungssitzes ins EU-Ausland kann nach dem Stand des Gemeinschaftsrechts eine andere Entscheidung erwartet werden. Gegenstand der Rechtssache Daily Mail war nur die Verlagerung des Verwaltungssitzes, nicht eine Verlegung des Satzungssitzes. Ein neuer Stand des Gemeinschaftsrechts kann zwar trotz nicht erfolgender Harmonisierung des europäischen Gesellschaftsrechts auch aufgrund der Rechtsprechung des EuGH erreicht werden, vgl. den Schlussantrag des Generalanwalts Colomer in ZIP 2002, 75, 77 Rn. 27 ff. Da aber nur im Hinblick auf die Verwaltungssitzverlegung eine Rechtsprechungsentwicklung des EuGH stattgefunden hat und zur Satzungssitzverlegung noch keine Entscheidung des Gerichtshofs ergangen ist, kann diesbezüglich nicht von einem neuen Stand des Gemeinschaftsrechts die Rede sein. 524 Geiger, Art. 12 EGV Rn. 6. 525 von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Art. 6 EGV Rn. 14. 526 Vgl. 2. Teil B. I.
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
land ausgeht, sondern vielmehr bereits dadurch gegeben ist, dass der Wegzugsstaat keinen identitätswahrenden Wegzug zulässt. 3. 14. Sitzverlegungsrichtlinie Fraglich ist, ob sich eine Änderung der Rechtslage durch die geplante 14. Sitzverlegungsrichtlinie ergibt. Der Vorentwurf für eine 14. EG-Richtlinie527 sieht eine einheitliche Regelung hinsichtlich der Verlegung des Gesellschaftssitzes innerhalb der EU vor. Der Vorschlag betrifft die Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat mit Wechsel des für die Gesellschaft maßgebenden Rechts. Ziel des Vorentwurfs ist somit eine zwar statutsändernde, aber gleichwohl identitätswahrende Sitzverlegung528. Hiernach sind alle Mitgliedstaaten zur Ermöglichung einer identitätswahrenden Sitzverlegung verpflichtet529. Die Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat erfolgt demnach ohne Auflösungszwang und Neugründungspflicht530. Allerdings sieht der Vorentwurf für die 14. EG-Richtlinie eine solche identitätswahrende Verlegung nur bei einem Wechsel des Gesellschaftsstatuts vor531. Die grenzüberschreitende Gesellschaft unterliegt der innerstaatlichen Rechtsordnung des Zuzugsstaates. Es findet somit ein Wechsel des auf die Gesellschaft anwendbaren Rechts statt532. Der Vorschlag betrifft lediglich die Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften, da hinsichtlich dieser Gesellschaftsformen ausreichend harmonisierte und homogene Regelungen in den Mitgliedstaaten bestehen. In Deutschland sind daher von diesem Richtlinienentwurf nur die AG, die KGaA und die GmbH erfasst533. Der Entwurf sieht jedoch nur bestimmte Formen der Sitzverlegung vor. Für die isolierte Verlegung des Verwaltungssitzes ist weiterhin ausschließlich die nationale Rechtsordnung der Mitgliedstaaten maßgebend. Eine Entscheidung zwischen der Sitztheorie und der Gründungstheorie hat der Richtlinienentwurf nicht getroffen534. Der Anwendungsbereich des Vor527
Der Vorentwurf der Richtlinie ist abgedruckt in ZGR 1999, 157 ff. Siehe hierzu ZGR 1999, 157, 160 und 162; vgl. auch Leible, in: Streinz, Art. 293 EGV Rn. 10. 529 Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2415. 530 Siehe Art. 3 des Vorentwurfs ZGR 1999, 157, 162; vgl. auch Rohde, S. 280 f.; Frowein, S. 202. 531 Siehe Art. 3 des Vorentwurfs ZGR 1999, 157, 162; Grundmann, § 24 Rn. 813; Zimmer, BB 2000, S. 1361, 1362. 532 Grundmann, § 24 Rn. 813 und 823; Rohde, S. 276 und 280 f. 533 Rohde, S. 275 und 278 f. 534 Vgl. ZGR 1999, 157, 159 f.; Dinkhoff, S. 48; Rohde, S. 275 und 280; Frowein, S. 203. 528
B. Verlegung des Satzungssitzes ins Inland
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schlags umfasst somit nur die gleichzeitige Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes sowie die alleinige Verlegung des Satzungssitzes535. Im Hinblick auf die zuletzt genannte Fallkonstellation ist allerdings das durch den Richtlinienentwurf dem Zuzugsstaat eingeräumte Zugeständnis zu beachten, das in Art. 11 Abs. 2536 geregelt ist. Die Mitgliedstaaten können hiernach die Eintragung der Gesellschaft verweigern, wenn nicht gleichzeitig der Verwaltungssitz mitverlegt wird. Der Immigrationsstaat hat somit die Möglichkeit, das Auseinanderfallen von statutarischem Sitz und effektivem Verwaltungssitz zu verhindern. Er kann verlangen, dass neben dem Satzungssitz auch der Verwaltungssitz in sein Hoheitsgebiet verlegt wird537. Nach der Centros Entscheidung des EuGH538 hat die Kommission die Arbeiten an der Sitzverlegungsrichtlinie zunächst eingestellt, um weitere Entscheidungen des EuGH abzuwarten. Mittlerweile wurden die Arbeiten wieder aufgenommen. Der Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der europäischen Union vom 21.05.2003539 kündigte die Vorlage eines Vorschlags für eine 14. Richtlinie über die Verlegung des Gesellschaftssitzes von einem Mitgliedstaat in einen anderen an540. Nach dem derzeitigen Stand der Kommissions-Überlegungen sind die Probleme, die sich bei einer isolierten Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes am häufigsten stellen, mit Hilfe der aktuellen EuGH-Entscheidungen zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften lösbar. Die Kommission konzentriert sich daher bei ihren Vorarbeiten zur Sitzverlegungsrichtlinie auf den Fall der Satzungssitzverlegung541. Dabei folgt die Kommission dem Konzept des Art. 7 der SE-Verordnung, was zur Folge hat, dass die Verlegung des Satzungssitzes nicht ohne Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes möglich ist542. Im Ergebnis wird somit wohl auch zukünftig auf der Grundlage des sekundären Gemeinschaftsrechts keine identitätswahrende alleinige Verlegung des Satzungssitzes möglich sein. Nach der zivilrechtlichen Sichtweise ist daher auch unter Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts keine Einordnung der Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts, die ihren Satzungssitz ins Inland verlegt hat, unter 535 536 537 538 539 540 541 542
Dinkhoff, S. 48; Frowein, S. 204. ZGR 1999, 157, 164. Dinkhoff, S. 48 f.; Rohde, S. 277, 281 und 293 f.; Frowein, S. 204. EuGH, DB 1999, 625. Vgl. Sonderbeilage zu NZG Heft 13/2003, 3, 11. Vgl. Leible, ZGR 2004, S. 531, 538. Vgl. Leible, ZGR 2004, S. 531, 546 f. Vgl. Zimmer, ZHR 168 (2004), S. 355, 367; Eidenmüller, JZ 2004, S. 24, 32.
188
2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG möglich. Allerdings führt, wie dargestellt, die wirtschaftliche Betrachtungsweise dazu, dass eine Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts, die im Inland wirtschaftlich tätig ist und ihren Satzungssitz nach Deutschland verlegt hat, als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einzustufen ist. Voraussetzung ist, dass die zugezogene Gesellschaft einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar ist.
C. Verlegung der Geschäftsleitung und des satzungsmäßigen Sitzes ins Inland Die körperschaftsteuerliche Subjektfähigkeit der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft muss schließlich auch für die Konstellation der gleichzeitigen Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung und des satzungsmäßigen Sitzes nach Deutschland geklärt werden. Da die Gesellschaften nach ihrem Umzug beide alternativen Anknüpfungskriterien i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG im Inland haben, geht es um einen möglichen Fall der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht.
I. Zivilrechtliche Folgen Hinsichtlich der zivilrechtlichen Folgen einer gleichzeitigen Verlegung des Verwaltungs- und des Satzungssitzes müssen die zivilrechtlichen Konsequenzen, die sich jeweils in Bezug auf eine Verlagerung des Verwaltungssitzes und eine Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes ergeben, kumulativ berücksichtigt werden. Nach der aktuellen gemeinschaftsrechtlichen Entwicklung ist im Rahmen der Verlegung des Verwaltungssitzes zwischen Gründungsstaaten zu unterscheiden, die eine solche Verlegung ohne Konsequenzen für die jeweilige Gesellschaft zulassen und denjenigen, welche den Gesellschaften die Rechtsfähigkeit absprechen543. Sieht der Wegzugsstaat entsprechende Regelungen vor, die zur Aberkennung der nach dem Gründungsrecht verliehenen Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft führen, ist die zugezogene Gesellschaft im Inland zivilrechtlich als Personengesellschaft oder als (kaufmännische) Einzelperson zu qualifizieren544. Im Hinblick auf die Satzungssitzverlegung ist nach keiner Rechtsordnung eines Mitgliedstaates eine rechtsformwahrende Verlegung des Satzungssitzes möglich545. Bei einer gleichzeitigen Verlegung des Satzungssitzes und 543 544
Vgl. 2. Teil A. I. Vgl. 2. Teil A. I. 2. c. aa.
C. Verlegung der Geschäftsleitung und des Sitzes ins Inland
189
des Verwaltungssitzes ist daher für die Erlangung der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft eine Neugründung nach deutschem Gesellschaftsrecht erforderlich546.
II. Folgen für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit Das zivilrechtliche Ergebnis spielt jedoch für die ertragsteuerliche Einordnung dieser Gesellschaften keine Rolle. Es ist nämlich eine eigenständige steuerliche Betrachtung vorzunehmen. Bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaft sind diese ausländischen Kapitalgesellschaften, die gleichzeitig ihren Satzungssitz und ihren Ort der Geschäftsleitung ins Inland verlegt haben, unter die Kapitalgesellschaften i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu subsumieren547.
III. Identitätswahrender Zuzug vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts Die Frage, ob eine Entscheidung zwischen einer sich nach den zivilrechtlichen Vorgaben richtenden Betrachtungsweise und einer steuerlich selbständigen Lösung aufgrund der gemeinschaftsrechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit überhaupt notwendig ist, kann nach dem aktuellen Diskussionsstand nicht eindeutig beantwortet werden. Eine Entscheidung des EuGH, welche die gleichzeitige Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes betrifft, gibt es bislang nicht. Nach einer Ansicht im Schrifttum stellt eine solche Verlegung einen einheitlichen gesellschaftsrechtlichen Organisationsakt dar, welcher in den Anwendungsbereich des Niederlassungsrechts gem. Art. 43, 48 EG fallen sollte548. Nach der Gegenansicht erfasst die Niederlassungsfreiheit nicht 545
Vgl. 2. Teil B. I. Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 405. Anderer Ansicht ist z. B. Behrens, RIW 1986, S. 590, 591 ff., der eine identitätswahrende internationale Sitzverlegung für möglich hält. Erforderlich sei zum einen, dass der Emigrationsstaat eine identitätswahrenden Wegzug zulasse. Zum anderen müssten für den Fortbestand der Rechtspersönlichkeit einer Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts zwei weitere Voraussetzungen gegeben sein. Der Inhalt des Gesellschaftsvertrages bzw. der Satzung der Gesellschaft müsse dem deutschen Gesellschaftsrecht entsprechen und die Gesellschaft müsse ins Handelsregister eingetragen werden. 547 Auch Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 KStG Rn. 56 f., geht von der Begründung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht aus. 548 Frowein, S. 127. Ebenso ist nach der Ansicht von Kruse, S. 66 f., die gleichzeitige Verlegung des Verwaltungs- und des Satzungssitzes von der Niederlassungsfreiheit umfasst. 546
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
die gleichzeitige Verlegung von Verwaltungs- und Satzungssitz549. Diese Rechtsauffassung wird damit begründet, dass, ebenso wie bei natürlichen Personen die Staatsangehörigkeit, der satzungsmäßige Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung den Zweck erfüllten, die Zugehörigkeit zur Rechtsordnung eines Mitgliedstaates zu bestimmen. Im Vergleich zur alleinigen Verlegung des Verwaltungssitzes sei es nicht möglich, den Wechsel aller Anknüpfungsmerkmale unter die Niederlassungsfreiheit zu subsumieren. Denn ebenso wenig wie der Wechsel der Staatsangehörigkeit bei natürlichen Personen falle auch der Wechsel der Rechtszugehörigkeit einer Gesellschaft unter den Schutzbereich des EG-Vertrages. Ansonsten würden die Gesellschaften, wenn die gleichzeitige Verlegung von der Garantie der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG umfasst wäre, eine Besserbehandlung gegenüber natürlichen Personen erfahren550. Ein Recht, die rechtliche Zugehörigkeit unter Wahrung der Identität zu wechseln, gebiete die Niederlassungsfreiheit nach dem EG-Vertrag aber weder bei natürlichen noch bei juristischen Personen551. Weiter wird ausgeführt, der Gesellschaft stehe kein Recht auf eine restlose Ablösung von ihrem die Rechtspersönlichkeit verleihenden Gründungsstaat zu552. Dass das nationale Sachrecht nicht gemeinschaftsrechtswidrig sei, werde auch durch den Vorentwurf zur 14. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie553 deutlich. Der Regelungsinhalt dieser Richtlinie betreffe nämlich nur die alleinige Verlegung des Satzungssitzes und die gleichzeitige Verlegung von Satzungs- und Verwaltungssitz. Daraus lasse sich die Schlussfolgerung ziehen, dass die Mitgliedstaaten nur die Verlegung des Verwaltungssitzes als durch das Niederlassungsrecht ausreichend geschützt betrachten554. Im Ergebnis kann somit für die einzelnen Zuzugsfälle festgehalten werden, dass die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit den inländischen Kapitalgesellschaftsformen als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einzustufen sind. Die wirtschaftliche Interpretation des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG hat eine Anwendbarkeit der Vorschrift auch für grenzüberschreitende Gesellschaften zur Folge. Zwar führt unter dem Einfluss des Gemeinschaftsrechts auch die zivilrechtliche Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu einer Erfassung der ausländischen Kapitalgesellschaften, wenn diese ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegen und der Wegzugsstaat die Rechtsfähig549 550 551 552 553 554
Krug, S. 157 ff. Krug, S. 157. Krug, S. 159. Krug, S. 158. Vgl. ZGR 1999, 157 ff. Krug, S. 158.
D. Rückverlegung des Ortes der Geschäftsleitung bzw. des Sitzes
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keit nicht aberkennt. Jedoch ist der wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus den genannten Gründen der Vorzug zu geben. Diese wirtschaftliche Sichtweise muss in Bezug auf die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften zugrunde gelegt werden. Der nationale Gesetzgeber sollte diese Körperschaftsteuersubjektfähigkeit der nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaften im Körperschaftsteuergesetz klarstellen und zwar dergestalt, dass diese Gesellschaften ausländischen Rechts, die den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG genannten Kapitalgesellschaften unter Anwendung des Rechtstypenvergleichs entsprechen, ebenso als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG anzusehen sind. Aber nicht nur in Bezug auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, sondern auch hinsichtlich der Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 2–5 KStG sollte eine dementsprechende Ergänzungsregelung erfolgen.
D. Rückverlegung des Ortes der Geschäftsleitung und/oder des Satzungssitzes Die bisher behandelten Fälle betrafen den Zuzug einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft nach Deutschland, sei es, dass diese ihren Ort der Geschäftsleitung, ihren satzungsmäßigen Sitz oder beides ins Inland verlegt hat. Davon zu unterscheiden ist die Konstellation der Rückverlegung. Verlegt eine solche ausländische Gesellschaft ihre inländische Geschäftsleitung oder ihren inländischen Satzungssitz bzw., wenn beide Anknüpfungspunkte sich im Inland befinden, diese gleichzeitig oder nacheinander ins Ausland zurück, so sind die ertragsteuerlichen Rechtsfolgen im Hinblick auf die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit zu klären. Verfügt die nach der ausländischen Rechtsordnung errichtete Kapitalgesellschaft nach ihrem Zuzug über eine inländische Geschäftsleitung und verlegt sie diese wieder in ihren Gründungsstaat zurück, so fehlt es für eine Qualifizierung als Körperschaftsteuersubjekt nach innerstaatlichem Recht an einem alternativen Anknüpfungskriterium i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG555. Gleichfalls mangelt es an einem räumlichen Anknüpfungsmerkmal bei einer Rückverlegung des zuvor ins Inland verlegten satzungsmäßigen Sitzes. Eine Bewertung der ausländischen Gesellschaft als körperschaftsteuerfähig gem. § 1 Abs. 1 KStG scheidet nach diesem Wegzug aus dem Inland aus. Eine Anerkennung als unbeschränkt steuerpflichtiges Körperschaftsteuersubjekt ist im Rahmen einer Rückverlegung nur möglich, wenn sich zunächst beide Anknüpfungspunkte, d.h. der Ort der Geschäftsleitung und der Satzungssitz, infolge des Zuzugs in Deutschland befinden und nur eines von beiden ins 555
Birk, IStR 2003, S. 469, 471 und 473.
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2. Teil: KSt-Subjektfähigkeit ausländischer Gesellschaften
Ausland zurückverlegt wird. Sind demgegenüber beide Anknüpfungsmerkmale vom Wegzug ins Ausland umfasst, fällt die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht weg556.
556 Denkbar ist aber, dass die Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts nach ihrem Wegzug aus Deutschland gem. § 2 Nr. 1 KStG beschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist. Dies ist etwa der Fall, wenn die Gesellschaft im Inland eine Betriebsstätte zurücklässt. Es liegen dann inländische Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 a EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG vor, die nach § 2 Nr. 1 KStG die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht begründen.
3. Teil
Körperschaftsteuersubjekteigenschaft der nach inländischem Recht gegründeten grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften Beim Wegzug inländischer Kapitalgesellschaften ist ebenso wie beim Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften zwischen den Fällen der Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung und denen der Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes bzw. der kumulativen Verlegung beider Anknüpfungspunkte ins Ausland zu unterscheiden.
A. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland unter Beibehaltung des satzungsmäßigen Sitzes im Inland Verlegt eine Kapitalgesellschaft inländischen Rechts ausschließlich ihre Geschäftsleitung und damit auch ihren Verwaltungssitz ins Ausland, ist zu prüfen, ob sie nach wie vor als Körperschaftsteuersubjekt anzuerkennen ist und wenn ja, unter welche Nummer des § 1 Abs. 1 KStG die Gesellschaft zu subsumieren ist. Da der Satzungssitz weiterhin im Inland bleibt, ist zumindest nach wie vor ein alternatives räumliches Anknüpfungsmerkmal für eine Einstufung als unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtiges Steuersubjekt gegeben. Allerdings zieht auch die Grenzüberschreitung inländischer Kapitalgesellschaften gesellschaftsrechtliche Folgen nach sich1. Diese gesellschaftsrechtliche Behandlung wird zunächst unter Außerachtlassung der Frage nach der Gemeinschaftsrechtskonformität nationaler Wegzugsbeschränkungen dargestellt.
1 Diese nachteiligen Folgen, die im Folgenden dargestellt werden, können einer Ansicht zufolge vermieden werden, wenn die Tätigkeiten im Ausland als „Zweigniederlassung oder Agentur“ i. S. d. der EuGH-Rechtsprechung eingestuft würden, da für diese das Wegzugsrecht gelte, vgl. Meilicke, GmbHR 2003, S. 793, 806.
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3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
I. Kollisions- und sachrechtliche Folgen Hinsichtlich der Verlegung des Verwaltungssitzes2 (= Geschäftsleitung) einer nach deutschem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ist danach zu unterscheiden, ob der Zuzugsstaat ein Anhänger der Sitztheorie oder der Gründungstheorie ist. Unter Geltung der Sitztheorie im Inland wird aus deutscher Sicht auf das Recht des Zuzugsstaates verwiesen, in dem nunmehr der Verwaltungssitz der inländischen Kapitalgesellschaft ist. Es handelt sich um eine so genannten Gesamtverweisung, da nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nicht nur auf das Sachrecht, sondern auch auf das Kollisionsrecht des Zuzugsstaates verwiesen wird. Wegen dieser Einbeziehung des internationalen Privatrechts des Immigrationsstaates ist eine Differenzierung dahingehend notwendig, ob im Zuzugsstaat die Sitztheorie oder die Gründungstheorie Anwendung findet3. Es ist allerdings jeweils auch eine Unterscheidung zwischen den kollisionsrechtlichen und den sachrechtlichen Folgen erforderlich. 1. Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Sitztheorie-Staat a) Kollisionsrechtliche Folgen Verlegt die inländische Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz in einen ausländischen Staat, in dem die Sitztheorie Anwendung findet, führt dies international-privatrechtlich unter der Geltung der Sitztheorie in Deutschland zu einem Wechsel des Gesellschaftsstatuts der Gesellschaft. Aus deutscher Sicht ist eine Divergenz zwischen dem Recht des inländischen Gründungsstaates und dem Recht des jetzigen für die Gesellschaft geltenden Verwaltungssitzstaates gegeben4.
2 Es wird von einer entsprechenden Beschlussfassung innerhalb der Gesellschaft ausgegangen. Der Verwaltungssitz als tatsächliches Merkmal kann jedoch auch unbewusst, also ohne eine dahingehende Willensbildung, verlegt werden, vgl. Dietrich, S. 13 und 38. 3 Kruse, S. 32; Rohde, S. 25; Krug, S. 151; Dreissig, DB 2000, S. 893; Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 6 f. 4 Kruse, S. 32 f.; Krug, S. 154; Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 6; Behrens, RIW 1986, S. 590, 591. Anderer Ansicht ist z. B. Frowein, S. 105 f., nach dessen Ansicht die Verlegung des Verwaltungssitzes keinen Statutenwechsel bewirkt. Jedoch müsse die Gesellschaft die durch das Sachrecht an den Satzungssitz gestellten Erfordernisse einhalten.
A. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland
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b) Sachrechtliche Folgen Neben den kollisionsrechtlichen Hindernissen sind die sachrechtlichen Folgen zu betrachten. Dabei ist das Sachrecht des Zuzugs- und des Wegzugsstaates von Bedeutung. Eine identitätswahrende Sitzverlegung ins Ausland ist nicht möglich, da sich das Gesellschaftsstatut nach dem Recht des Verwaltungssitzstaates richtet. Der Immigrationsstaat verlangt nämlich regelmäßig eine Neugründung der Gesellschaft, da diese nicht in Übereinstimmung mit den Gründungsbestimmungen der Rechtsordnung ihres jetzigen Verwaltungssitzes errichtet wurde. Nur bei Beachtung der Gründungsanforderungen ist eine Anerkennung als Kapitalgesellschaft nach der jeweiligen ausländischen Rechtsordnung möglich5. Zudem scheitert eine identitätswahrende Sitzverlegung nach einer Ansicht daran, dass bereits der Beschluss zur Verwaltungssitzverlegung als Auflösungsbeschluss, an den sich die Abwicklung der Gesellschaft anschließe, gewertet wird6. Weder ein entgegenstehender Wille der Gesellschafter noch eine entsprechende Satzungsbestimmung könne diese Konsequenz vermeiden7. Zur Begründung dieser Rechtsauffassung werden verschiedene Argumente vorgetragen. Unter anderem wird angeführt, die Verwaltungssitzverlegung führe dazu, dass die entsprechende Gesellschaft aus der deutschen Rechtsordnung ausscheide, von der sie ihre Rechtsfähigkeit ableite. Die Sitzverlegung sei somit ein zwingender Grund zur Auflösung der Gesellschaft im Inland und zur Neugründung im Zuzugsstaat8. Daneben wird vorgebracht, dass eine Gesellschaft im Laufe ihrer Tätigkeit zu einem Kristallationspunkt vieler Interessen werde. Sie schaffe eine Vertrauensbasis für verschiedene Betroffene, wie z. B. Anteilseigner, Arbeitnehmer oder Gläubiger, die davon ausgingen, dass die deutsche Rechtsordnung die Organisation und das kulturelle „Klima“ sicherstellten. Diese Vertrauensgrundlage werde aufgrund der Verwaltungssitzverlegung ins Ausland gestört, da die Gesellschaft fortan anderen Einflüssen ausgesetzt sei. Es handle sich wegen der zum Teil großen Abweichungen, was die rechtliche Gestaltung und das kulturelle sowie politische Umfeld betreffe, um eine wesentliche Änderung. Auch der Wechsel der Gerichts- und Behördenorganisation und des sozialen Umfeldes für die Gesellschaft werden genannt. Es wird auf eine Gefährdung der Betroffenen, nämlich der Gesellschafter, 5
Rohde, S. 24 f.; Kösters, NZG 1998, S. 241, 243; Dreissig, DB 2000, S. 893. Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 608 ff. und 664 ff.; Dinkhoff, S. 139 ff.; Kösters, NZG 1998, S. 241, 243; Michalski, NZG 1998, S. 762, 764; vgl. aus der Rechtsprechung OLG Hamm, NJW-RR 1998, 615; BayObLG, NJW-RR 1993, 43, 44. 7 Kruse, S. 34. 8 Kruse, S. 33 f.; Ebenroth/Auer, Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 6. 6
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3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
Gläubiger und Arbeitnehmer, abgestellt. Dies führe zu einem Wanken der Geschäftsgrundlage der Beziehung zur Gesellschaft9. Daneben wird der steuerrechtliche Auflösungszwang als Ergebnisstütze herangezogen10. Konstruktiv wird die Bewertung des Verlegungsbeschlusses als Auflösungsbeschluss auf §§ 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG bzw. 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG gestützt11. Eine andere Ansicht in der Literatur steht der Wertung des Beschlusses zur Verlegung des Verwaltungssitzes als Auflösungsbeschluss kritisch entgegen12. Sie wirft der Rechtsprechung und der Literatur vor, sich nicht um eine echte dogmatische Grundlage bezüglich des Auflösungsgrundes zu bemühen13. Wegen des numerus clausus der Auflösungsgründe könne von einer Auflösung nur dann ausgegangen werden, wenn ein Tatbestand für eine Auflösung gegeben sei. Ein Auflösungsgrund infolge der Verlegung des Verwaltungssitzes liege aber tatbestandlich nicht vor14. Auch könne der Verlegungsbeschluss nicht unabhängig von dem tatsächlichen Willen der Gesellschafter als Auflösungsbeschluss qualifiziert werden. Von einem entsprechenden konkludenten Willen könne nicht ohne weitere Tatsachenfeststellungen ausgegangen werden. Es liege vielmehr in ihrem Interesse, die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft wegen der haftungs- und steuerrechtlichen Auswirkungen zu vermeiden15. Zudem verhindere der Bestimmtheitsgrundsatz, der hinsichtlich des Auflösungsbeschlusses zu beachten sei, eine entsprechende Auslegung des Sitzverlegungsbeschlusses16. Auch ein Wegfall der Geschäftsgrundlage erscheine eher abwegig. Primäre Vertrauensbasis stelle für die Betroffenen, wie z. B. Gläubiger oder Anteilsinhaber, weniger das Unternehmen als Ganzes in seiner rechtlichen Verfassung, sondern vielmehr die wirtschaftliche Verfassung der Gesellschaft dar. Selbst wenn die kulturelle Verankerung des Unternehmens in der innerstaatlichen Rechtsordnung Bestandteil der Geschäftsgrundlage wäre, könnte damit noch nicht die Schlussfolgerung der Auflösung der Gesellschaft gezogen werden. Vorrangiger Prüfungspunkt wäre, ob die bei dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages maßgebliche Geschäftsgrundlage auch bei einem Wandel des politischen und kulturellen Umfeldes Bestand haben könnte17. 9
Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 617 ff.; vgl. Kruse, S. 34. Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 614 und 622; Kaligin, DB 1985, S. 1449, 1455. 11 Jaeger, S. 26. 12 Frowein, S. 40 ff.; Dietrich, S. 41 f. und 45; Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2412 f. 13 Frowein, S. 43. 14 Frowein, S. 40. 15 Frowein, S. 40 f. 16 Frowein, S. 41. 10
A. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland
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Eine Gefährdung der Gesellschafter allein durch die Verlegung des Verwaltungssitzes sei ausgeschlossen, da sich keine Konsequenzen für die Gesellschafterversammlungen, ihre Sprache etc. ergäben. Zudem müsse berücksichtigt werden, wenn alle Gesellschafter ihre Zustimmung zur Verlegung des Verwaltungssitzes erteilten18. Ebenso wenig sei eine Gefahr für die Gläubiger der Gesellschaft gegeben, wenn infolge des Wegzugs kein Wechsel des Gesellschaftsstatuts eintrete. Nach wie vor sei nämlich das vertraute deutsche Gesellschaftsrecht anwendbar. Auch der Aspekt der mangelnden Zugriffsmöglichkeiten im Ausland könne vor dem Hintergrund des Gläubigerschutzes nicht angeführt werden. Denn die Vollstreckung sei davon abhängig, in welchem Staat der Schuldner über vollstreckungsfähiges Vermögen verfüge. Der Verwaltungssitz sei demgegenüber nicht maßgeblich. Zudem sei zu berücksichtigen, dass eine deutsche Gesellschaft mit einem inländischen Verwaltungssitz ihr Vermögen ins EU-Ausland transferieren könne19. Ein Verlust des inländischen Gerichtsstands sei bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland ebenfalls nicht zu befürchten. Nach Art. 60 der seit dem 01.03.2002 in Kraft getretenen EG-Verordnung Nr. 44/2001 des Rates20 sei alternativer Anknüpfungspunkt für den inländischen Gerichtsstand bei Gesellschaften ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung21. Wenn kein Statutenwechsel stattfinde, ergäben sich des Weiteren keine Auswirkungen im Hinblick auf den Arbeitnehmerschutz, da die deutsche unternehmerische Mitbestimmung auf die deutsche Rechtsform abstelle22. Auch die Herleitung des gesellschaftsrechtlichen Auflösungszwangs wegen des steuerrechtlichen Auflösungszwangs könne nicht überzeugen. Angesichts der zweckbedingten Unterschiede in den beiden Rechtsgebieten verbiete es sich, Rückschlüsse vom Steuerrecht auf das Gesellschaftsrecht zu ziehen23. Ebenso wenig ergebe sich aus den gesetzlichen Vorschriften der §§ 5 Abs. 2 AktG, 4 a Abs. 2 GmbHG, dass sich der Verwaltungssitz notwendigerweise am selben Ort des satzungsmäßigen Sitzes befinden müsse. Werde nachträglich gegen diese Bestimmungen in dem Sinne verstoßen, dass sich keiner der in den Vorschriften relevanten Orte mehr am Satzungssitz be17
Frowein, S. 42. Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2413. 19 Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2412 f., die allerdings davon ausgehen, dass kein Statutenwechsel stattfinde. 20 ABl. EG 2001 L 12, 1. Im Verhältnis zu Dänemark gilt weiterhin die EuGVÜ, vgl. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, Vorbem EuGVVO Rn. 1; Jaeger, S. 166 FN 977. 21 Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2413. 22 Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2413. 23 Frowein, S. 43. 18
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3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
finde, ziehe dies mit Ausnahme von Rechtsmissbrauch keine weiteren Folgen nach sich24. Einer weiteren Ansicht im Schrifttum zufolge bewirken die sachrechtlichen Folgen für den Fall, dass im Zuzugsstaat die Sitztheorie gilt, keine Auflösung und Neugründung, sondern eine zivilrechtliche Neueinordnung der Gesellschaftsform. Aus der Kapitalgesellschaft, die tatsächlich ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlege, werde im Wege eines erzwungenen Formwechsels eine Personengesellschaft bzw. ein nichtrechtsfähiger Verein25. 2. Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Gründungstheorie-Staat a) Kollisionsrechtliche Folgen Folgt der Zuzugsstaat demgegenüber der Gründungstheorie, so ergeben sich bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes zumindest kollisionsrechtlich andere Auswirkungen. Ein Statutenwechsel tritt in dieser Konstellation nicht ein. Unter der Geltung der Sitztheorie in Deutschland ist zwar zunächst das Recht des Immigrationsstaates, in dem sich nunmehr der Verwaltungssitz befindet, entscheidend. Findet im Zuzugsstaat allerdings die Gründungstheorie Anwendung, wird das Personalstatut aus seiner Sicht an den Inkorporationsort Deutschland angeknüpft26. Die Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Gründungstheorie-Staat hat somit auf den Fortbestand des Gesellschaftsstatuts keinen Einfluss. Es kommt zu einer Rückverweisung des der Gründungstheorie folgenden Zuzugsstaates auf das deutsche Recht als dem Gründungsrecht. Diese Rückverweisung ist gem. Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB zu beachten. Für die inländische Kapitalgesellschaft findet somit weiterhin deutsches Gesellschaftsrecht Anwendung27. b) Sachrechtliche Folgen Der Immigrationsstaat respektiert die nach dem Wegzugsstaat verliehene Rechtsfähigkeit der inländischen Kapitalgesellschaft und verzichtet auf eine Neugründung nach seiner Rechtsordnung28. Was das Sachrecht des Weg24
Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2412 f. Krug, S. 155. 26 Dreissig, DB 2000, S. 893; Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 6 f. 27 Rohde, S. 25; Krug, S. 151 f.; Frowein, S. 106 f.; Kruse, S. 33; Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2411 f.; Michalski, NZG 1998, S. 762, 764; Kösters, NZG 1998, S. 241, 242 f.; OLG Hamm, NJW 2001, 2183. 28 Dreissig, DB 2000, S. 893. 25
A. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland
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zugsstaates Deutschland anbelangt, wird zum Teil auch für den Fall der Geltung der Gründungstheorie im Zuzugsstaat von eine Auflösung der deutschen Kapitalgesellschaft ausgegangen29. Es werden im Wesentlichen dieselben Argumente für einen sachrechtlichen Auflösungszwang vorgebracht, wie sie bereits im Rahmen der Variante eines Sitztheorie-Zuzugsstaates genannt wurden30. Daneben wird die notwendige Liquidation der umziehenden Kapitalgesellschaft damit begründet, dass andernfalls die mit der Sitztheorie bezweckten Schutzfunktionen unterlaufen würden. Zwar könne Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB für den weiteren Fortbestand der Gesellschaft nach der inländischen Rechtsordnung sprechen. Jedoch könne letztendlich keine Differenzierung dahingehend vorgenommen werden, ob im Immigrationsstaat die Sitz- oder die Gründungstheorie gelte. Die Argumente, die sich für eine Auflösung der deutschen Kapitalgesellschaft anführen ließen, seien nämlich in beiden Fällen dieselben und gleichermaßen relevant31. Es sei vertretbar, dass bereits aus dem deutschen Gesellschaftsrecht selbst ein Auflösungsgrund erwachse, da dieses die Funktionen der Sitztheorie insofern nicht unbeachtet lassen dürfe. Auch eine teleologische Reduktion des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB sei angesichts der Schutzzwecke der Sitztheorie denkbar. Vorzugswürdig sei aber die Lösung über den ordre-public-Vorbehalt nach Art. 6 Satz 1 EGBGB32. Die Gegenmeinung33 wehrt sich unter anderem mit den bereits dargestellten Gründen, die auch im Falle der Verlegung in einen Sitztheorie-Staat angeführt werden, gegen die Rechtsfolge einer gesellschaftsrechtlichen Auflösung der Gesellschaft. Darüber hinaus wird dem gesellschaftsrechtlichen Auflösungszwang in der Konstellation einer Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Staat, welcher der Gründungstheorie folgt, mit dem Grundanliegen des Gesetzgebers entgegengetreten, welches in Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB zum Ausdruck komme und dem internationalen Entscheidungseinklang Rechnung tragen wolle34. Diese gesetzgeberische Absicht werde 29
Rohde, S. 25 ff.; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 629; Ebke, ZGR 1987, S. 245, 255 f. 30 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 629. 31 Rohde, S. 26. 32 Rohde, S. 26. 33 Krug, S. 152 ff.; Kruse, S. 34 ff.; Frowein, S. 107 f. Diese Rechtsauffassung vertreten für den Fall, dass der Wegzug in einen Gründungstheorie-Staat erfolgt, unter anderem auch Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 6 f. und 19; Michalski, NZG 1998, S. 762, 764; Kösters, NZG 1998, S. 241, 242 f. und Dreissig, DB 2000, S. 893, obwohl sie in der Konstellation der Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Sitztheorie-Staat den Verlegungsbeschluss als Auflösungsbeschluss bewerten. 34 Siehe hierzu den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts, BT-Drucksache, 10/504, 1, 38.
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3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
durch die Wertung des Sitzverlegungsbeschlusses als Auflösungsbeschluss unterlaufen35. Die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland habe nicht den Verlust der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft inländischen Rechts zur Folge36. Aufgrund der Grundsätze der Rückverweisung gelte das innerstaatliche Gesellschaftsrecht fort, weshalb der Schutz der Anteilseigner, Gläubiger oder Arbeitnehmer durch das deutsche Recht nicht in Frage gestellt sei37. Auch ein Amtsauflösungsverfahren nach § 144 a Abs. 1 FGG komme im Rahmen einer Verwaltungssitzverlegung ins Ausland nicht in Betracht. Es handle sich hierbei nämlich nicht um ein Rechtsgeschäft. Eine rechtliche Grundlage für die Nichtigkeit der ursprünglich zulässigen und wirksamen Geschäftssitzbestimmung, auf die es nach § 144 a Abs. 1 FGG allein ankomme, sei nicht vorhanden38. Teilweise wird innerhalb dieser Ansicht dieses Ergebnis der Nichtauflösung der Gesellschaft an die Voraussetzung geknüpft, dass weiterhin eine Beziehung der Kapitalgesellschaft zum Satzungssitz besteht. Dieses Erfordernis sei erfüllt, wenn die Gesellschaft eine Betriebsstätte in Deutschland unterhalte oder von dieser eine sonstige geschäftliche Tätigkeit im Inland aufrechterhalten werde39. Zusammenfassend betrachtet hat in kollisionsrechtlicher Hinsicht nur der Wegzug einer deutschen Kapitalgesellschaft in einen Sitztheorie-Zuzugsstaat eine Änderung des Gesellschaftsstatuts zur Folge. Was die sachrechtlichen Konsequenzen der Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland anbelangt, so ist sowohl für den Fall, dass der Immigrationsstaat der Sitztheorie folgt als auch für die Konstellation der Geltung der Gründungstheorie im Zuzugsstaat umstritten, ob der Beschluss der Sitzverlegung zu einer Auflösung der Gesellschaft führt. Während einige den Verlegungsbeschluss als Auflösungsbeschluss bewerten, sehen andere in der Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft ins Ausland keinen Grund für eine Auflösung. Eine davon abweichende Ansicht geht für den Fall der Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Sitztheorie-Staat zwar nicht von einer Auflösung der Gesellschaft aus, zieht aber in sachrechtlicher Hinsicht die Konsequenz der zivilrechtlichen Neueinordnung der Gesellschaftsform der Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft bzw. einen nichtrechtsfähigen Verein.
35
Krug, S. 153; Frowein, S. 108; Kruse, S. 35; Kösters, NZG 1998, S. 241, 243. Frowein, S. 108. 37 Frowein, S. 107; Kruse, S. 35. 38 Krug, S. 153 f. 39 Dreissig, DB 2000, S. 893; Michalski, NZG 1998, S. 762, 764; Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 7. 36
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II. Einfluss der Niederlassungsfreiheit auf die zivilrechtlichen Folgen Es stellt sich die Frage, ob diese zivilrechtlichen Folgen der Verlegung des Verwaltungssitzes einer inländischen Kapitalgesellschaft ins Ausland mit der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG zu vereinbaren sind. 1. Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung Im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH sind insbesondere die Daily Mail Entscheidung40 und das Überseering Urteil41 hervorzuheben. In der Daily Mail Rechtssache war Sachverhaltsgegenstand das Zustimmungserfordernis durch das britische Finanzministerium bei der Verlegung des steuerlichen Sitzes (= Ort der Geschäftsleitung) einer englischen Gesellschaft in die Niederlande. Die Gesellschaft machte als Klägerin vor ihrem nationalen Gericht geltend, die Niederlassungsfreiheit gewähre ihr das Recht, den Sitz ihrer Geschäftsleitung ohne vorherige Zustimmung in einen anderen Mitgliedstaat zu übertragen oder eine solche Zustimmung ohne Bedingung zu erhalten42. In Daily Mail ging es um einen Wegzugsfall, der zwei Gründungstheorie-Staaten berührte43. Der EuGH hielt diese Beschränkung des Wegzugs unter gemeinschaftsrechtlichen Aspekten für zulässig. In seiner Entscheidung vertrat er die Auffassung, dass im Gegensatz zu natürlichen Personen Gesellschaften aufgrund einer nationalen Rechtsordnung gegründet würden. Jenseits der jeweiligen nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und Existenz regle, hätten sie keine Realität. Somit gewährten die Art. 43, 48 EG den Gesellschaften nationalen Rechts kein Recht, den Sitz ihrer Geschäftsleitung unter Bewahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaften des Mitgliedstaats ihrer Gründung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen44. In der Überseering Entscheidung des EuGH ging es demgegenüber nicht um einen Wegzugsfall, Prüfungsgegenstand waren vielmehr ausschließlich Zuzugsbeschränkungen. In der Literatur ist heftig umstritten, ob auch die 40
EuGH, NJW 1989, 2186. EuGH, GmbHR 2002, 1137. 42 EuGH, NJW 1989, 2186 f. 43 Bayer, BB 2003, S. 2357, 2360. 44 EuGH, NJW 1989, 2186, 2187 f. Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), S. 325, 333, kritisiert zu Recht die Entscheidung des Gerichtshofs. Der EuGH hatte eine ihm überhaupt nicht gestellte Frage verneint. Die Vorlagefrage betraf ausschließlich die Rechtmäßigkeit des Zustimmungsvorbehalts des Finanzministeriums zur Sitzverlegung. 41
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3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
Verlegung des Verwaltungssitzes der Gesellschaft von ihrem Gründungsstaat ins Ausland vom Schutz des Gemeinschaftsrechts i. S. d. Art. 43, 48 EG umfasst ist. 2. Meinungsspektrum zur Frage der Reichweite der Niederlassungsfreiheit a) Interpretation der EuGH-Rechtsprechung in der Literatur aa) EuGH differenziert zwischen dem Zuzug und dem Wegzug Zum Teil wird auf der Grundlage des Überseering Urteils des EuGH die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit, wenn auch häufig unter Bedauern, verneint45. Die Überseering Entscheidung46 betrifft ebenso wie die aktuelle Entscheidung des EuGH vom 30.09.2003 in der Rechtssache Inspire Art47 den umgekehrten Sachverhalt, nämlich einen Zuzugsfall. In beiden Entscheidungen wird ausgeführt, dass die abweichenden Darstellungen im Daily Mail Urteil des EuGH ausschließlich die Rechtsbeziehungen zwischen dem Herkunftsstaat und der wegziehenden Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlege, beträfen48. Der EuGH unterscheide somit dieser Ansicht zufolge zwischen der Variante des Zuzugs und derjenigen des Wegzugs und distanziere sich in seinen aktuellen Entscheidungen nicht von seinen früheren in der Rechtssache Daily Mail getroffenen Aussagen49.
45 Unzicker, S. 211 f.; Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249, 255; Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925, 932 f.; Thömmes, IWB Fach 11 a 2002, S. 631, 632; Heiss, ZfRV 2003, S. 90, 92, der allerdings angesichts der Grundfreiheiten daran zweifelt, ob der Regelungsfreiraum des Wegzugsstaates so weit gehen könne. 46 EuGH, GmbHR 2002, 1137, 1142 f. Rn. 61 ff. 47 EuGH, EuZW 2003, 687, 693 Rn. 102 f. 48 Vgl. auch Bayer, BB 2003, S. 2357, 2363. Auch der BGH hat sich bisher lediglich für den Zuzugsfall zur Verpflichtung der Anerkennung der nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung ausgesprochen, vgl. Geyrhalter/Gänßler, DStR 2003, S. 2167, 2170. 49 Unzicker, S. 211 f.; Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249, 255; Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925, 932 f.; Thömmes, IWB Fach 11 a 2002, S. 631, 632; Lutter, BB 2003, S. 7, 10.
A. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland
203
bb) Neuinterpretation von Daily Mail durch Überseering Der Gegenmeinung zufolge fällt ebenso wie der Zuzug auch der Wegzug unter die Garantie des Niederlassungsrechts50. Einerseits wird bezweifelt, ob der EuGH angesichts der ergangenen Entscheidung in der Rechtssache Überseering wirklich an seinen früheren, im Daily Mail Urteil gemachten Aussagen festhalten wolle. Der EuGH habe in der Überseering Entscheidung seine Daily Mail Rechtsprechung neu interpretiert. Zwar wiederhole der EuGH in seiner aktuellen Rechtsprechung seine zu der Rechtssache Daily Mail ergangenen Erwägungen. Der EuGH habe jedoch auf die damalige weitreichende Aussage verzichtet, nach der das Niederlassungsrecht gem. Art. 43, 48 EG den Gesellschaften nationalen Rechts kein Recht gewähre, den Sitz ihrer Geschäftsleitung unter Bewahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaften des Mitgliedstaates ihrer Gründung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen. Nunmehr lege der EuGH seine Daily Mail Entscheidung so aus, dass Beschränkungen des Gründungsstaates zwar zulässig seien, allerdings nur unter der Prämisse, dass die der grenzüberschreitenden Gesellschaft verliehene Rechtspersönlichkeit fortbestehe. Unterstützend werden die Aussagen des Generalanwalts Colomer in seinem Schlussantrag zu der Rechtssache Überseering51 herangezogen. Dieser beschränke den Anwendungsbereich des Daily Mail Urteils auf den damaligen Stand des Gemeinschaftsrechts, inzwischen habe in der Rechtsprechung des EuGH aber eine Weiterentwicklung stattgefunden52. Dass die Ausführungen des EuGH in der Rechtssache Überseering nicht in dem Sinne eines automatischen Verlustes der Rechtsfähigkeit bei Verlegung des Verwaltungssitzes zu verstehen seien, folge auch daraus, dass der EuGH in dieser Entscheidung selbst die Aberkennung der Rechtsfähigkeit als eine im Vergleich zu Beschränkungen des Niederlassungsrechts nicht zu rechtfertigende Negierung dieser Grundfreiheit betrachte. Auch habe der 50 Müller-Graff, in: Streinz, Art. 48 EGV Rn. 17 ff.; Meilicke, GmbHR 2003, S. 793, 803; Großerichter, DStR 2003, S. 159, 164; Schnitger, IStR 2002, S. 816, 818 und 824; K.-R. Wagner, GmbHR 2003, S. 684, 691 f.; Dubovizkaja, GmbHR 2003, S. 694, 696 ff. 51 ZIP 2002, 75, 77 ff. Rn. 29 ff. 52 Schnitger, IStR 2002, S. 816, 824. Der Generalanwalt Colomer lehnte die Differenzierung zwischen dem Wegzugs- und dem Zuzugsfall ab, vgl. NZG 2002, 16, 18 f. Rn. 26 und 37. Zwar habe seit der Daily Mail Entscheidung keine nennenswerte Entwicklung auf dem Gebiet der Angleichung des Europäischen Gesellschaftsrechts stattgefunden. Ein neuer Stand des Gemeinschaftsrechts sei aber aufgrund der Weiterentwicklung der Rechtsprechung des EuGH erreicht worden. Die Ausführungen des Gerichtshofs in der Rechtssache Daily Mail seien somit gegenwärtig als die damalige Sichtweise des EuGH zu bewerten, vgl. ZIP 2002, 75, 77 ff. Rn. 29 ff.
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3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
EuGH des Öfteren zum Ausdruck gebracht, dass die Garantie der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG nicht sinnentleert werden dürfe53. Des Weiteren wird angeführt, im Rahmen der Auslegung der Daily Mail Entscheidung müsse der damalige steuerliche Hintergrund berücksichtigt werden. Die betreffende Gesellschaft habe mit dem Wegzug die Besteuerung der in ihrem Heimatstaat erwirtschafteten stillen Reserven zu vermeiden versucht. Inzwischen löse der EuGH diese Problematik durch das Angebot einer Verstrickung der beim Wegzug gebildeten stillen Reserven54. cc) Interpretation von Daily Mail Andererseits wird schon die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Daily Mail selbst dahingehend interpretiert, dass bereits aufgrund dieser Entscheidung eine inländische Gesellschaft wegen der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG nicht an der Verlegung des Verwaltungssitzes gehindert werden könne. Diese Rechtsprechung sei vom EuGH in seiner Überseering Entscheidung fortgeführt worden. Die ihren Verwaltungssitz verlegende deutsche Gesellschaft verliere daher nicht ihre Rechtsfähigkeit. Daily Mail betreffe lediglich einen Zustimmungsvorbehalt, der nach dem damaligen Stand des Gemeinschaftsrechts nach der Ansicht des Gerichtshofs den Wegzug habe verhindern können. Unter Berücksichtigung der Überseering Entscheidung dürfe auch ein solcher Genehmigungsvorbehalt zu keiner Beschränkung bzw. nicht zu einem Leerlaufen des Niederlassungsrechts führen. Damit bringe der EuGH zum Ausdruck, dass im Falle des Nichtbestehens eines solchen Vorbehalts, wie es im Inland der Fall sei, die Garantie der Niederlassungsfreiheit sowohl für die Konstellation des Zuzugs als auch für diejenige des Wegzugs gelte. Das Niederlassungsrecht umfasse nicht speziell den Wegzug bzw. den Zuzug von Gesellschaften, 53 Ebke, JZ 2003, S. 927, 932, der weiterhin ausführt, es sei kaum vorstellbar, dass der EuGH im Rahmen eines Wegzugsfalles unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit heute zu einem anderen Ergebnis als in der einen Zuzugsfall betreffenden Überseering Entscheidung gelange. An frühere Entscheidungen, namentlich das Daily Mail Urteil, sei der EuGH nicht gebunden. 54 Meilicke, GmbHR 2003, S. 793, 803, mit Verweis auf EuGH IStR 2003, 23, 27 Rn. 57. In diesem Urteil des Gerichtshofs ging es um die Versagung eines Steueraufschubs für Gewinne aus der Veräußerung von Aktien bei einem bestimmten grenzüberschreitenden Sachverhalt. Diesen Auschluss vom Steueraufschub beurteilte der EuGH als nicht mit dem Gemeinschaftsrecht konform. Die Ausführungen von Meilicke sind wohl so zu verstehen, dass erst bei einer Realisation der stillen Reserven, die beim Wegzug der Kapitalgesellschaft zu erfassen sind, diese zu besteuern sind. Dann könnte die der Daily Mail Rechtssache zugrunde liegende Problematik vermieden werden.
A. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland
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sondern Gegenstand dieses Gemeinschaftsgrundrechts sei die grenzüberschreitende Tätigkeit55. dd) Stellungnahme Es scheint, dass der EuGH aufgrund seiner Aussagen in den Entscheidungen Überseering und Inspire Art seine zu Daily Mail ergangene Rechtsprechung aufrechterhält und damit zwischen dem Zuzugs- und dem Wegzugsfall einer Kapitalgesellschaft differenziert. Auch wenn Bedenken gegen die Unterscheidung zwischen dem Wegzug und dem Zuzug bestehen, ist Daily Mail nach der EuGH-Rechtsprechung zur Zeit noch als „good law“ zu betrachten56. Eine Klärung der bestehenden Unsicherheit bezüglich der Wegzugsfälle inländischer Kapitalgesellschaften durch die Entscheidung des EuGH vom 11.03.2004 in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant57 ist nicht eingetreten58. Der Rechtsstreit betrifft nämlich den Wegzug natürlicher Personen. Eine Erstreckung des Entscheidungsergebnisses auf den Wegzug von Kapitalgesellschaften ist trotz der in Art. 48 Abs. 1 EG normierten Gleichstellung nicht möglich. Auch in der Rechtssache Daily Mail hatte der EuGH auf den Einwand der Klägerin, sie dürfe als Gesellschaft keinen Wegzugsbeschränkungen unterliegen, denen natürliche Personen ebenfalls nicht ausgesetzt seien, geäußert, dass juristische Personen im Vergleich zu natürlichen Personen eben nur Produkte ihrer Rechtsordnung seien59. In dem Urteil Lasteyrie du Saillant geht es um steuerliche Vorschriften des französischen Rechts, die eine Besteuerung der natürlichen Personen für noch nicht realisierte Wertsteigerungen von Wertpapieren im Falle der Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland vorsehen. Der EuGH beurteilte eine solche Regelung als eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, da sie geeignet sei, einen Steuerpflichtigen von einem Wechsel des Wohnsitzes abzuhalten60. Damit dürfte auch die inländische Vor55
K.-R. Wagner, GmbHR 2003, S. 684, 691 f. Vgl. Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159, 175 ff.; Eidenmüller, JZ 2004, S. 24, 29; Rehm, in: Eidenmüller, § 2 Rn. 57 und 65. 57 EuGH, DB 2004, 686. 58 Nach der Ansicht von Kleinert/Probst, DB 2003, S. 2217, 2218, ist das EuGH-Urteil in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant auf den Wegzug von Kapitalgesellschaften übertragbar. Auch Mankowski, RIW 2004, S. 481, 484, ist der Ansicht, diese Entscheidung habe eine endgültige Klärung gebracht. Die Aussagen des Gerichtshofs seien nicht auf den unmittelbaren Entscheidungsanlass, das Steuerrecht, zu beschränken, sondern zu verallgemeinern. 59 EuGH, NJW 1989, 2186, 2187; vgl. auch Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2410. 56
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schrift des § 6 AStG für Fälle der Verlegung des Wohnsitzes ins EU-Ausland mit dem gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsrecht unvereinbar sein61. Was die Verlegung der Geschäftsleitung nationaler Kapitalgesellschaften ins EU-Ausland anbelangt, müssen die Aussagen des EuGH in seiner Daily Mail Entscheidung berücksichtigt werden62. Der Gerichtshof kommt in dieser Rechtssache zu dem Ergebnis, dass die Niederlassungsfreiheit den Gesellschaften nationalen Rechts kein Recht gewähre, den Sitz ihrer Geschäftsleitung unter Bewahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaften des Mitgliedstaates ihrer Gründung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen. Jedoch beschränken sich die Ausführungen des EuGH darauf, dass der identitätswahrende Wegzug von Kapitalgesellschaften nicht von der Reichweite der Niederlassungsfreiheit umfasst ist. Über die Zulässigkeit steuerlicher Wegzugsbeschränkungen hat der Gerichtshof bei einem nicht identitätswahrenden Wegzug juristischer Personen bisher noch nicht entschieden63. Der Gerichtshof hat in der Rechtssache Daily Mail, da er die ihm nicht gestellte Frage verneint hat, von der Beantwortung der eigentlichen Frage, nämlich der nach der Rechtmäßigkeit des Zustimmungsvorbehalts, abgesehen64. Durch das Urteil in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant ist nunmehr geklärt, dass steuerliche Wegzugsbeschränkungen in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit fallen. Die Entscheidung bezieht sich zwar auf natürliche Personen, sie kann aber wegen der in Art. 48 Abs. 1 EG getroffenen Gleichstellung auf Kapitalgesellschaften übertragen werden. Somit muss im Ergebnis gemeinschaftsrechtlich kein identitätswahrender Wegzug von Kapitalgesellschaften ermöglicht werden, steuerliche Wegzugsbeschränkungen müssen aber auch in Bezug auf Kapitalgesellschaften am Maßstab der Niederlassungsfreiheit überprüft werden65. Die vom Gerichtshof in seiner Daily Mail Entscheidung angesprochenen Unterschiede in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Sitz60
EuGH, DB 2004, 686 ff. Kleinert/Probst, DB 2004, S. 673, 674 f.; Wachter, GmbHR Heft 8/2004, R 161. 62 EuGH, NJW 1989, 2186 ff. 63 Kleinert/Probst, DB 2004, S. 673, 674; dies., NJW 2004, S. 2425, 2426. 64 Vgl. Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), S. 325, 333. 65 Vgl. Kleinert/Probst, DB 2004, S. 673, 674 f.; dies., NJW 2004, S. 2425, 2427. Im Ergebnis ist auch Campos Nave, NZG 2004, S. 897, 898, der Ansicht, dass das Urteil des EuGH in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant auf Gesellschaften übertragbar und eine Wegzugsbesteuerung daher von der Niederlassungsfreiheit erfasst sei. Gegenteiliger Ansicht ist Körner, IStR 2004, S. 424, 430, der vertritt, dass sich aus der Entscheidung in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant keine Rückschlüsse in Bezug auf die steuerliche Behandlung wegziehender Kapitalgesellschaften inländischen Rechts ziehen ließen. 61
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verlegung verhinderten seiner Ansicht nach eine Lösung über die Niederlassungsfreiheit66. Der EuGH spricht damit die verschiedenen kollisionsrechtlichen Anknüpfungspunkte sowie die unterschiedlichen sachrechtlichen Folgen an, die in den Mitgliedstaaten jeweils gelten. In Bezug auf steuerliche Folgen des Wegzugs gibt es jedoch keine solchen Differenzen zwischen den einzelnen Staaten. Das internationale Gesellschaftsrecht spielt diesbezüglich keine direkte Rolle. Im Vordergrund steht bei den steuerlichen Fragen vielmehr die Sicherstellung der Besteuerungsgrundlagen. Deshalb kann das Urteil des EuGH in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant wegen der in Art. 48 Abs. 1 EG angeordneten Gleichstellung auch beim Wegzug von Kapitalgesellschaften in Bezug auf steuerliche Wegzugsbeschränkungen angewendet werden. b) Gewährleistungsinhalt der Niederlassungsfreiheit losgelöst von der EuGH-Rechtsprechung Zudem wird, unabhängig davon, ob die Rechtsprechung des EuGH dahingehend auszulegen ist, dass der Wegzug nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt, der Wegzug aus einem Mitgliedstaat als von dem Recht auf freie Niederlassung umfasst angesehen. Zwar sei ein Mitgliedstaat bezüglich der Gründungsanforderungen für eine Gesellschaft nicht durch das Gemeinschaftsrecht eingeschränkt, da diesbezüglich die Garantie der Niederlassungsfreiheit nicht gelte. Die Fortexistenz der Gesellschaft sei allerdings von diesem Gemeinschaftsgrundrecht umfasst. Wie aus dem Wortlaut des Art. 48 EG hervorgehe, sei das Niederlassungsrecht ab dem Zeitpunkt der Gründung anwendbar. Der Geltungsbereich der Niederlassungsfreiheit sei somit auch auf den Wegzugsfall zu erstrecken. Es liege nicht alleine in der Entscheidungsgewalt der Herkunftsstaaten, den Wegzug zu ermöglichen, da es sich sowohl um Geschöpfe der jeweiligen Gründungsstaaten als auch um europäische Geschöpfe handle67. Die weiter reichende Regelungskompetenz des Gründungsstaates im Vergleich zum Immigrationsstaat beziehe sich also auf die Freiheit, eine Gesellschaft überhaupt ins Leben zu rufen, nicht aber darauf, an den Wegzug der Gesellschaft deren Auflösung anzuknüpfen68. Als Begründung für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit bei einem Wegzugsfall wird des Weiteren angeführt, dass ebenso wie der Verlust der Staatsangehörigkeit bei Wohnsitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat mit Art. 39, 43 EG nicht vereinbar sei, auch 66 67 68
EuGH, NJW 1989, 2186, 2188. Dubovizkaja, GmbHR 2003, S. 694, 696 ff. Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159, 177.
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3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
der Verlust der Rechtsfähigkeit einer Kapitalgesellschaft bei Wegzug in einen anderen Mitgliedstaat an dem Gemeinschaftsrecht zu messen sei69. Eine Korrektur der bestehenden Diskrepanz durch eine materiell-rechtliche Harmonisierung der grenzüberschreitenden Sitzverlegung im Wege einer 14. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie wird als eher unwahrscheinlich erachtet70. Wie bereits dargestellt wurde, soll die Sitzverlegungsrichtlinie nach dem derzeitigen Stand der Vorarbeiten der Kommission nach dem Muster der Sitzverlegung bei der SE gestaltet werden71. Die Verlegung des Satzungssitzes ist danach nicht ohne die Verlegung des Verwaltungssitzes möglich. Bleibt es dabei, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die isolierte Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes nicht regelt, verpflichtet das Sekundärrecht auch zukünftig die Mitgliedstaaten nicht zur Ermöglichung des Wegzugs in Form der bloßen Verwaltungssitzverlegung72. Gegen die Einbeziehung der Verlegung des Verwaltungssitzes in die geplante Richtlinie wird vorgebracht, dass es sich bei der Verwaltungssitzverlegung um einen tatsächlichen Vorgang handle, für den kein Regelungsbedarf durch eine Richtlinie bestehe. Nur wenn die Sitzverlegung zu einem Wechsel des geltenden Rechts führe, sei eine solche Regelung sinnvoll. Dann müssten der Schutz der Gesellschafter und Gläubiger sichergestellt sein, eine Regelung hinsichtlich der technischen Fragen der Registerlöschung und -eintragung gefunden sowie Vorsorge für die steuerlichen Interessen des Wegzugsstaates getroffen werden73. Mit diesen Fragen beschäftige sich der Entwurf der 14. Sitzverlegungsrichtlinie. Im Rahmen der Verlegung des Verwaltungssitzes müssten solche Probleme aber nicht überwunden werden, da kein Rechtswechsel angestrebt werde. Da die Richtlinie somit sinnvollerweise auf die förmliche Sitzverlegung begrenzt sei, könne die gegebene Ungleichbehandlung nicht ausgeräumt werden: Gesellschaften aus Staaten, welche der Gründungstheorie folgten, hätten das Recht, ihren Sitz sowohl förmlich als auch tatsächlich zu verlegen, während demgegenüber Gesellschaften aus Sitztheorie-Staaten nur das Recht auf förmliche Sitzverlegung eingeräumt werde. Auch führe die Aufnahme der tatsächlichen Sitzverlegung in die Richtlinie angesichts der dann unvermeidlichen Formalisierung zu einer Transformation in eine förmliche Sitzverlegung. Ein schneller und unkomplizierter Wegzug wäre dann nicht mehr möglich. Benachteiligt seien daher im Ergebnis die Gesell69
Müller-Graff, ZHR 168 (2004), S. 1, 3; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159,
177. 70 71 72 73
Dubovizkaja, GmbHR 2003, S. 694, 697. Vgl. 2. Teil B. III. 3. Zimmer, ZHR 168 (2004), S. 355, 367 f. Dubovizkaja, GmbHR 2003, S. 694, 697.
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schaften aus Staaten, in welchen die Sitztheorie gelte. Die ihnen gegenüber bestehende Ungleichbehandlung lasse sich nicht im Rahmen der Rechtssetzung durch die Richtlinie korrigieren. Notwendig sei diesbezüglich vielmehr entweder eine Änderung der Rechtsprechung des EuGH oder die Aufgabe der Sitztheorie durch die Mitgliedstaaten74. Nach einer weiteren Ansicht sind die wegzugsbeschränkenden Vorschriften des Herkunftsstaates auch unter Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung nicht von vornherein der Garantie der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG entzogen75. Eine Berufung auf das Niederlassungsrecht sei für jede wirksam gegründete Gesellschaft möglich. Beschränkungen des Wegzugs seien als Beschränkungen der Grundfreiheiten i. S. d. Art. 43, 48 EG rechtfertigungsbedürftig. Jedoch seien nicht so strenge Maßstäbe anzusetzen wie für den umgekehrten Sachverhalt, den Zuzugsfall. Dem Gründungsstaat müssten für den Wegzugsfall weitreichendere Möglichkeiten hinsichtlich der Beschränkungen des Niederlassungsrechts eingeräumt werden als dem Immigrationsstaat, da dem Herkunftsstaat auch die Entscheidung obliege, überhaupt eine bestimmte Gesellschaftsform zuzulassen. Zudem müssten sich die Gesellschaftsgründer durch die ihnen eröffnete Wahl des Herkunftsstaates und des damit einschlägigen Gründungsrechts auf die dann geltenden Wegzugsbeschränkungen einstellen. Deshalb genüge jedes legitime Interesse des Gründungsstaates für die Rechtfertigung einer bestimmten Beschränkung des Wegzugs. Des Weiteren wird unter Offenlassung des Streits hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit für die Gesellschaften im Wegzugfall von einer Beeinträchtigung des Niederlassungsrechts der Geschäftsführer deutscher Gesellschaften ausgegangen76. Die Wegzugsbeschränkung für die inländischen Kapitalgesellschaften wirke sich vornehmlich auf deren Geschäftsführer aus. Diese seien gezwungen, hauptsächlich im Inland beruflich tätig zu sein, obwohl es für sie unter Umständen, z. B. wegen der besseren Anbindung an eine ausländische Konzernzentrale, effektiver sei, die Gesellschaft vom Ausland aus zu steuern. Eine solche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sei mangels Rechtfertigung unzulässig. 74 Dubovizkaja, GmbHR 2003, S. 694, 697. Im Ergebnis ist daher infolge der EuGH-Rechtsprechung eine Ungleichbehandlung zwischen Gesellschaften aus Gründungstheorie-Staaten und solchen aus Sitztheorie-Staaten gegeben, vgl. Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925, 932 f. Die Verpflichtung, die zuziehende Kapitalgesellschaft als rechtsfähige Gesellschaft ausländischen Rechts zu respektieren, besteht praktisch nur gegenüber Gesellschaften, die aus Gründungstheorie-Staaten stammen. Dagegen umfasst die Niederlassungsfreiheit nach der Rechtsprechung des EuGH nicht den Umzug von einem Sitztheorie-Staat in einen anderen Sitztheorie-Staat. 75 Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233, 2243. 76 Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2410 f.
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3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
Der Ansicht, die der wegziehenden Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegt, die Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG zugesteht, ist zuzustimmen. Die von ihr vorgebrachten Argumente überzeugen. Als eine tragfähige Begründung erweist sich insbesondere das Wortlautargument aus Art. 48 Abs. 1 EG, wonach die Niederlassungsfreiheit ab der Gründung der Gesellschaft anwendbar ist. Der Wortlaut des Art. 48 Abs. 1 EG differenziert dabei nicht zwischen dem Zuzug und dem Wegzug einer Gesellschaft. 3. Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen a) Ermöglichung des Wegzugs von Kapitalgesellschaften Auch wenn keine Übereinstimmung dahingehend besteht, wie die aktuelle EuGH-Rechtsprechung zu interpretieren ist bzw., ob unabhängig davon wegzugsbeschränkende Regelungen der Kontrolle des Gemeinschaftsrechts unterliegen, ist sich das Schrifttum weitgehend darin einig, dass Beschränkungen des Wegzugs inländischer Kapitalgesellschaften als nicht sinnvoll erscheinen. Die Differenzierung zwischen dem Wegzug und dem Zuzug einer Gesellschaft erscheint, wie es Generalanwalt Colomer zutreffenderweise in seinem Schlussantrag in der Rechtssache Überseering zum Ausdruck gebracht hat, „eigenwillig“ und „künstlich“77. Dass nach der Rechtsprechung des EuGH eine Differenzierung zwischen dem Zuzugsfall ins Inland und dem Wegzugsfall ins Ausland notwendig ist78, wird größtenteils richtigerweise als rechtspolitisch bedenklich eingestuft79. Kapitalgesellschaften, die in Sitztheorie-Staaten gegründet wurden, wird im Vergleich zu Gesellschaften aus Gründungstheorie-Staaten der Wegzug in Form der Verlegung des Verwaltungssitzes versagt. Zu den Sitztheorie-Staaten zählt auch Deutschland80. Dies hat zur Folge, dass die grenzüberschreitende Mobilität inländischer Kapitalgesellschaften und generell aller Gesellschaften, die aus Sitztheorie-Staaten stammen, stark beeinträchtigt wird81. Diese Mobilität ist allerdings heutzutage im Zuge der fort77
NZG 2002, 16, 18 f. Rn. 26 und 37. Unterschiede zwischen dem Zuzugs- und dem Wegzugsfall bestehen vor dem Hintergrund, dass nur die Variante des Zuzugs als vom Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit erfasst angesehen wird, allerdings nur insoweit, als nach dem Recht des Gründungsstaates die Rechtsfähigkeit der nach Deutschland umziehenden ausländischen Kapitalgesellschaft fortbesteht. 79 Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925, 933; Dubovizkaja, GmbHR 2003, S. 694, 697; Bayer, BB 2003, S. 2357, 2363; ders., BB 2004, S. 1, 4; Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 4 a Rn. 20. 80 Vgl. 1. Teil B. I. 78
A. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland
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schreitenden Globalisierung wirtschaftlicher Aktivitäten wichtiger denn je. Für solche Kapitalgesellschaften sind folglich ungleiche Wettbewerbsbedingungen gegenüber Gesellschaften aus Gründungstheorie-Staaten gegeben82. Im Rahmen des Wettbewerbs der Gesellschaftsrechtsordnungen in der EU erleidet ein Sitztheorie-Staat, wie Deutschland, der hinsichtlich des Zuzugs zur Anerkennung der ausländischen Gesellschaftsform verpflichtet ist, Wettbewerbsnachteile, wenn ihm für den Wegzugsfall der „Export“ seines Gesellschaftsrechts infolge der Sitztheorie nicht möglich ist. An einem solchen „Export“ der inländischen Gesellschaftsformen besteht für jeden Mitgliedstaat ein erhebliches ökonomisches und unter Umständen auch ein kulturelles Interesse83. Potenzielle Gesellschaftsgründer außerhalb Deutschlands werden es nach Möglichkeit vermeiden, als Standort einen Mitgliedstaat für eine Gesellschaftsgründung auszuwählen, der für den Wegzugsfall an der Sitztheorie festhält. Vielmehr werden sich ausländische Unternehmer, die eine Gesellschaft außerhalb ihrer Heimat gründen wollen, für die Gesellschaftsformen entscheiden, deren Gründungsrecht eine Verlegung des Verwaltungssitzes unproblematisch zulässt84. Diese Gesellschaftsarten gewährleisten die notwendige Mobilität und sind daher für die Gesellschaftsgründer attraktiver und folglich gegenüber den Gesellschaften aus Sitztheorie-Staaten konkurrenzfähiger. Auch für die Investoren sind unter den gegebenen Umständen des Einzelfalles die Gesellschaften interessanter, die keinen Restriktionen hinsichtlich der Verwaltungssitzverlegung ausgesetzt sind85. Die Anleger werden sich dann Gesellschaftsformen aussuchen, deren Rechtsordnung den Wegzug ins EU-Ausland eröffnet. Der Wettbewerb unter den Rechtsformen in Europa ist somit zur Zeit asymmetrisch. Sitztheorie-Staaten, wie Deutschland, müssen aufgrund der EuGH-Rechtsprechung in Form der Entscheidungen Centros86, Überseering87 und Inspire Art88 den „Import“ ausländischer Gesellschaftsformen zulassen, können aber umgekehrt die eigenen Rechtsformen nicht „exportieren“89. Die für die Gesellschaften bestehenden Nachteile innerhalb des innereuropäischen Wettbewerbs der Unternehmensrechtsordnungen, denen 81 82 83 84 85 86 87 88 89
Leible/Hoffmann, RIW 2002, S. 925, 933. Dubovizkaja, GmbHR 2003, S. 694, 697; Lutter, BB Heft 1/2004, I. Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233, 2243. Vgl. auch Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249, 255. Dubovizkaja, GmbHR 2003, S. 694, 698. EuGH, DB 1999, 625. EuGH, GmbHR 2002, 1137. EuGH, EuZW 2003, 687. Ebert/Ledevag, GmbHR 2003, S. 1337, 1346.
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3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
auch die deutschen Kapitalgesellschaften ausgesetzt sind, sollten folglich unter dem Gesichtspunkt der Konkurrenzfähigkeit und der damit zusammenhängenden ökonomischen Aspekte durch die Mitgliedstaaten beseitigt werden. Dies bedeutet für Deutschland die Notwendigkeit der Abschaffung der Sitztheorie, damit deutsche Gesellschaftsformen wieder ein „Exportschlager“ werden90. Eine einheitliche Bestimmung des Gesellschaftsstatuts in Form der Gründungstheorie für den Wegzugsfall würde auch zu einer Entschärfung der Komplexität des internationalen Gesellschaftsrechts führen91. Die Aufgabe der Sitztheorie würde für Gesellschaftsgründer die Freiheit bedeuten, dasjenige (inländische oder ausländische) Personalstatut auszuwählen, das für das jeweilige Unternehmen am attraktivsten erscheint. Diese Wahlfreiheit spielt unter anderem eine Rolle, wenn es darauf ankommt, das Interesse ausländischer Investoren zu wecken (Holdings, Investorengruppen oder Fonds). Des Weiteren würden davon in grenznahen Regionen insbesondere kleinere Unternehmen profitieren, deren Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ihren ausländischen Konkurrenten aufgrund dieser Freiheit gestärkt würde92. Die Aufgabe der Sitztheorie wäre ein wichtiger Schritt für Deutschland, um den „Export“ seiner Gesellschaftsformen zu ermöglichen. Letztendlich bleibt zu hoffen, dass entweder Deutschland die Sitztheorie abschafft und den identitätswahrenden Wegzug zulässt oder der EuGH sich in einem entsprechenden Wegzugsfall gegen die aus der Rechtsordnung des Wegzugsstaates sich ergebenden Wegzugsbeschränkungen ausspricht. Hinsichtlich der zuletzt genannten Alternative bestehen gute Chancen. Der Gerichtshof hat vor allem in den letzten Jahren seine Rolle als „Motor der Integration“ verstärkt ausgeübt und sich großzügig bei der Auslegung der Grundfreiheiten gezeigt93. In seinem Daily Mail Urteil stellte der EuGH zwar auf den Stand des Gemeinschaftsrechts ab. Er sah die Unterschiede, welche die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der für ihre Gesellschaften erforderlichen Anknüpfung sowie der Möglichkeit und gegebenenfalls der Modalitäten einer Verlegung des satzungsmäßigen oder wahren Sitzes einer Gesellschaft nationalen Rechts von einem Mitgliedstaat in einen anderen aufwiesen, als Probleme, die durch die Niederlassungsfreiheit nicht gelöst seien, sondern einer Lösung im Wege der Rechtssetzung oder des Vertragsschlusses bedürften94. Mit der Wirksamkeit solcher Rechtsakte verändert sich zwar das Gemeinschaftsrecht, es ist eine neue Basis für seine 90 91 92 93 94
Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409. Eidenmüller, ZIP 2002, S. 2233, 2243. Sandrock, BB 2002, S. 1601, 1603. Sedemund, DStZ 2004, S. 372. EuGH, NJW 1989, 2186, 2187 f.
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Interpretation gegeben. Das Gemeinschaftsrecht unterliegt allerdings auch aus einer anderen Perspektive heraus der Veränderung. Mit Erreichen einer größeren Regelungsdichte kann sich die Sicht auf das Gemeinschaftsrecht auch hinsichtlich solcher Gebiete ändern, die nicht Gegenstand entsprechender Sekundärvorschriften sind. Die Interpretation des Gemeinschaftsrechts steht somit unter einem Vorbehalt der Dynamik des gesamten Gemeinschaftsrechts95. Für den Zuzug einer Kapitalgesellschaft hat der Gerichtshof in der Rechtssache Überseering entschieden, dass die Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit nicht von Übereinkünften abhängig sei, zu deren Abschluss Art. 293 EG anrege96. Es ist daher durchaus möglich, dass der EuGH bei einem ihm eines Tages vorliegenden Fall zum Wegzug einer Kapitalgesellschaft nicht mehr auf fehlende Abkommen der Mitgliedstaaten abstellt, sondern auf der Grundlage der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG das Recht der Kapitalgesellschaften ableitet, ihren Verwaltungssitz ohne die aus der Rechtsordnung ihres Gründungsstaates resultierenden Einschränkungen verlegen zu können. Wie bereits dargestellt wurde, fällt die Verlegung des Verwaltungssitzes einer deutschen Kapitalgesellschaft in einen anderen EU-Mitgliedstaat unter den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG97. b) Reformierung des Kapitalgesellschaftsrechts Zusätzlich müsste das inländische Gesellschaftsrecht generell sowohl für inländische als auch für ausländische Unternehmensgründer und Investoren attraktiver gestaltet werden. Diese Notwendigkeit resultiert aus der Inspire Art Entscheidung des EuGH98. Dieses Urteil eröffnet den innereuropäischen Standortwettbewerb der Unternehmensrechtsordnungen endgültig. Jeder Gesellschaftsgründer hat die Wahl, die Gesellschaft in demjenigen Mitgliedstaat zu errichten, dessen Gesellschaftsrecht ihm die größte Freiheit gewährt. Anschließend kann er in anderen Mitgliedstaaten Zweigniederlassungen errichten, über die er die gesamte bzw. einen wesentlichen Teil der geschäftlichen Tätigkeit abwickelt. Infolge der Überseering Entscheidung des EuGH99 ist nicht einmal mehr die Zweigniederlassungskonstruktion notwendig. Eine Sitzverlegung anstatt der Begründung einer Zweigniederlassung rechtfertigt keine unterschiedliche Behandlung. Beide Fälle sind wirtschaftlich betrachtet völlig identisch. Sie unterscheiden sich allenfalls 95 96 97 98 99
Pott, S. 259, 277. EuGH, GmbHR 2002, 1137, 1142 Rn. 53 ff. Vgl. 3. Teil A. II. 2. b. EuGH, EuZW 2003, 687. EuGH, GmbHR 2002, 1137.
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3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
durch den jeweils zugrunde liegenden Vortrag der Gesellschaft und dadurch, dass einerseits die primäre und andererseits die sekundäre Niederlassungsfreiheit einschlägig ist100. Neben der Geltung der Sitztheorie behindert vor allem das gegenwärtige GmbH-Recht101 den „Export“ und ist auch unter Umständen für Inländer ein Hinderungsgrund für die Gründung bzw. Investition in eine inländische Gesellschaft102. Zur Zeit herrschen innerhalb Europas zwar noch keine Zustände wie im angloamerikanischen Rechtskreis, wo der amerikanische Bundesstaat Delaware besonderen Zulauf genießt. Das Gesellschaftsrecht dieses Staates übt wegen seines einfachen und unbürokratischen Gesellschaftsrechts eine besondere Anziehungskraft aus103. Auch in der Europäischen Union zeichnet 100
Leible/Hoffmann, EuZW 2003, S. 677, 679 und 682. Im Gegensatz zur Rechtsform der GmbH und dieser vergleichbarer Gesellschaftsarten aus anderen Mitgliedstaaten ist in Europa für die Rechtsform der AG und dieser entsprechender Gesellschaften eine Harmonisierung der Kapitalvorschriften erfolgt. Die Kapitalrichtlinie aus dem Jahr 1976, die Zweite Richtlinie vom 13.12.1976 (77/191/EWG), abgedruckt unter anderem bei Habersack, Rn. 206, schreibt ein Mindestkapital von 25.000,00 Euro und eine Einzahlung von mindestens einem Viertel auf jede Bareinlage vor, vgl. Wachter, GmbHR Heft 19/2003, R 377, R 378; ders., GmbHR 2004, S. 88, 96. 102 Anderer Ansicht ist z. B. Kanzleiter, DNotZ 2003, S. 885 ff., der die Gefahr, dass anstatt auf inländische Gesellschaftsarten auf ausländische Rechtsformen, vor allem die englische Limited, zurückgegriffen wird, als nicht sehr groß einschätzt. Eine solche Wahl der Gesellschaftsform sei im Hinblick auf inländische Kreditgeber, Lieferanten und Kunden nicht geeignet, das notwendige Vertrauen zur Förderung der Geschäftstätigkeit aufzubauen. Zwar könne das deutsche Gesellschaftsrecht, das für eine geschäftliche Tätigkeit mit Haftungsbeschränkung eine gewisse Zugangskontrolle beinhalte, keine Insolvenzen und damit zusammenhängenden Verluste von Geschäftspartnern vermeiden, allerdings könne es die Anzahl von vornherein zum Scheitern verurteilter Aktivitäten reduzieren. Eine Handelndenhaftung bei einer Tätigkeit ohne wirtschaftliche Anfangsbasis, wie sie etwa bei der Limited anzutreffen sei, sei dagegen kein adäquater Ersatz für die inländischen Regelungen, die eine solche Tätigkeit von Anfang an verhindern könnten. Den Ausführungen Kanzleiters ist insoweit zuzustimmen, als vor einer unüberlegten und voreiligen Entscheidung zur Gründung einer Kapitalgesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat und anschließender Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland generell gewarnt werden muss. Die ausländischen Gesellschaftsformen haben nämlich nicht nur Vorteile, sondern beinhalten auch einige Nachteile und Risiken, die man nicht unterschätzen sollte. Dies gilt vor allem für die so beliebte englische Limited, vgl. generell zu den Vorteilen und Nachteilen einer englischen Limited die Darstellung bei Happ/Holler, DStR 2004, S. 730 ff.; Kallmeyer, DB 2004, S. 636 ff.; Wachter, GmbHR 2004, S. 88, 91 ff.; Graf von Bernstorff, RIW 2004, S. 498, 501 f.; Heckschen, GmbHR Heft 2/2004, R. 25 f.; Koch, JuS 2004, S. 755, 757; Hirsch/Britain, NZG 2003, S. 1100, 1102 f. 103 Vgl. Noack, NZG Heft 24/2003, VII. 101
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sich, was die Aufbringung eines Mindestkapitals anbelangt, eine vergleichbare Entwicklung ab. Bisher haben alle Mitgliedstaaten, ausgenommen die Länder des Common law, ein Mindestkapital als Haftungsfonds vorgesehen. Frankreich als klassischer Sitztheorie-Staat104 hat jedoch seine der GmbH entsprechende Rechtsform, die Société à responsabilité limitée105, durch ein Gesetz zur Förderung der Wirtschaft vom 21.07.2003 mit Wirkung zum 01.01.2004 reformiert. Mit dem Geschäftsbetrieb kann nunmehr sofort mit einer vorläufigen gerichtlichen Bescheinigung begonnen werden. Zwar ist eine S.A.R.L. ohne Stammkapital nicht erlaubt. Es genügt allerdings bereits eine Kapitalausstattung mit einem Euro. Das gesetzliche Mindestkapital wurde somit abgeschafft und auch das Gründungsverfahren wurde vereinfacht sowie beschleunigt. Damit einher gehen eine Kostensenkung und eine Zeitersparnis. Die Abschaffung des Mindestkapitals von zuletzt 7.500,00 Euro wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens damit begründet, die geringe Höhe des Haftungsfonds gewährleiste keinen effektiven Schutz der Gesellschaftsgläubiger. Des Weiteren wurde angeführt, der Rechtsverkehr sei auch bei einem Erfordernis, ein bestimmtes Mindestkapital aufzubringen, nicht vor unseriösen Marktteilnehmern sicher106. Durch Gesetz vom 01.04.2003 ermöglicht Spanien, ein weiterer Vertreter der Sitztheorie107, die Gründung einer so genannten „Blitzgesellschaft“. Es handelt sich um Sondervorschriften für die so genannte „Neue Gesellschaft“. Werden die Voraussetzungen dieser Regelungen nicht eingehalten, unterliegen die spanischen Gesellschaften den allgemeinen Normen des GmbH-Rechts. Das neue Gesetz sieht vor, dass bis zu fünf natürliche Personen eine Gesellschaft in Anlehnung an die juristische Form der GmbH mit einem Mindestkapital von 3.012,00 Euro errichten können. Innerhalb von 48 Stunden kann das Gründungsverfahren auf eine einfache, schnelle und kostengünstige Art und Weise durchgeführt werden. Ziel dieses Gesetzes ist 104
Vgl. 1. Teil B. I. Bereits vor dieser Reform hat Frankreich mit der Société anonyme simplifiée (SAS), der so genannten vereinfachten AG, eine wettbewerbsfähige Gesellschaftsart geschaffen. Kennzeichen dieser Gesellschaftsform ist die große vertragliche Gestaltungsfreiheit. Es besteht z. B. Wahlfreiheit in der Besetzung der Geschäftsführung. Auch können Hauptversammlungen vermieden werden und die Mitspracherechte des Betriebsrates deutlich eingeschränkt werden. Unter den ausländischen Investoren ist die SAS eine attraktive Rechtsformalternative. Beispielsweise haben Siemens und Mercedes-Benz ihre französischen Tochtergesellschaften in eine SAS umgewandelt, vgl. NZG Heft 21/2003, IX. 106 Vgl. zu diesem Reformprozess in Frankreich Recq/Hoffmann, GmbHR 2004, S. 1070 ff.; Wachter, GmbHR Heft 19/2003, R 377 f.; Becker, GmbHR 2003, S. 706 ff.; Noack, NZG Heft 24/2003, VII; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, S. 677, 682; Ebke, JZ 2003, S. 927, 932 f.; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 661, 671. 107 Unzicker, S. 192. 105
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es, den Mittelstand zu stärken108. Frankreich und Spanien reagieren damit auf den durch die aktuelle EuGH-Rechtsprechung eröffneten Wettbewerb der Gesellschaftsrechte innerhalb der Mitgliedstaaten109. Auch Großbritannien plant eine Vereinfachung der der GmbH vergleichbaren Gesellschaftsform der Limited110. Die englische Limited erscheint wegen des fehlenden Erfordernisses einer Kapitalaufbringung im Rahmen ihrer Gründung eine attraktive Alternative zu inländischen Gesellschaftsformen. Nach der Überseering Entscheidung des EuGH111 hat daher die Gründung dieser englischen Rechtsform rapide zugenommen. In Anbetracht der Inspire Art Entscheidung des EuGH112 werden die Gründungszahlen wohl noch weiter ansteigen113. Allerdings stellt sich nicht nur die inländische GmbH als eine insolvenzanfällige Gesellschaft dar114, sondern auch die englische Limited ist äußerst insolvenzanfällig, wie die ersten veröffentlichten Entscheidungen zu Insolvenzen, an denen eine Limited beteiligt war, zeigen115. Zudem ist anzumerken, dass Unternehmer, die nicht einmal ein Mindestkapital von 25.000,00 Euro, aufbringen können, wohl kaum eine Rolle in der Wirtschaft spielen können, und zwar weder als Arbeitgeber noch als Garanten von Umsätzen116. Neben der notwendigen Ermöglichung des Wegzugs durch Aufgabe der Sitztheorie im Inland ist somit ebenfalls vor dem Hintergrund der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Gesellschaftsrechts eine Reform unter ande108 Vgl. zu diesem Reformprozess in Spanien Vietz, GmbHR 2003, S. 26 ff.; dies., GmbHR 2003, S. 523 f.; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, S. 677, 682; Ebke, JZ 2003, S. 927, 932 f.; Schanze/Jüttner, AG 2003, S. 661, 671. 109 Leible/Hoffmann, EuZW 2003, S. 677, 682; Ebke, JZ 2003, S. 927, 932 f. 110 Noack, NZG Heft 24/2003 VII. 111 EuGH, GmbHR 2002, 1137. 112 EuGH, EuZW 2003, 687. 113 Riedemann, GmbHR 2004, S. 345, 346; Hirte, GmbHR Heft 21/2003, R 421, der als weiteren vorteilhaften Gesichtspunkt der englischen Limited das im Vergleich zu der inländischen GmbH, § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG, fehlende notarielle Beurkundungserfordernis bei der Anteilsübertragung herausstellt. Vgl. auch Borges, ZIP 2004, S. 733, 734, der als einen attraktiven Gesichtspunkt noch die geringen Gründungskosten der englischen Limited erwähnt. In Deutschland werden über Internetadressen, wie www.tschuessdeutschland.de oder www.limited24.de, Komplettlösungen für die Gründung einer englischen Limited zu einem Festpreis angeboten. In Österreich treten englische Gesellschaften vermehrt als Subunternehmer in der Baubranche auf, vgl. Bücker, NZG Heft 21/2003, V; Leible/Hoffmann, EuZW 2003, S. 677, 682. Neben der Gründung bietet diese neue Branche auch noch die laufenden Dienste an, vgl. Borges, ZIP 2004, S. 733, 734, der in den Fußnoten 13 und 14 noch zahlreiche weitere Internet-Adressen auflistet. 114 Wilhelm, ZHR 2003, S. 520, 542; Sandrock, BB 2004, S. 897, 898. 115 Vgl. Borges, ZIP 2004, S. 733, 734 mit weiteren Nachweisen. 116 Altmeppen, NJW 2004, S. 97, 103.
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rem des geltenden inländischen Kapitalgesellschaftsrechts erforderlich117. Der von der Rechtsprechung des EuGH eingeleitete Wettbewerb der Rechtsformen sollte von der inländischen Rechtsordnung berücksichtigt werden, damit vor allem die nationale GmbH gegenüber vergleichbaren ausländischen Kapitalgesellschaften konkurrenzfähig ist. Die Entscheidungen in der Rechtssache Überseering und Inspire Art ermuntern zu einem solchen Wettbewerb der Gesellschaftsrechte innerhalb Europas. Als Gesellschaftsgründer hat man nunmehr – unabhängig davon, dass die Tätigkeit sich auf einen Mitgliedstaat beschränken soll – die Möglichkeit, zwischen über hundert europäischen Gesellschaftsarten, denen das Recht der freien Niederlassung zusteht, zu wählen118.
III. Folgen für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit Angesichts der Unklarheiten, welche hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit im Rahmen von Wegzugsfällen bestehen, erfolgt die Untersuchung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit grenzüberschreitender inländischer Kapitalgesellschaften unter der Prämisse, dass die gesellschaftsrechtlichen Folgen der Verwaltungssitzverlegung auch unter gemeinschaftsrechtlichem Einfluss nicht anders zu beurteilen sind. Die Problematik, ob eine inländische Kapitalgesellschaft identitätswahrend ihren Verwaltungssitz in einen anderen EU-Mitgliedstaat verlegen kann, ist aufgrund der EuGH-Rechtsprechung keineswegs geklärt. Die Tatsache, dass aufgrund der Überseering Entscheidung des EuGH119 der Sitztheorie-Zuzugsstaat, wie bereits mehrfach erwähnt wurde, die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts zu respektieren hat, hilft nicht weiter. Dies ist nämlich, wie bereits ebenfalls dargestellt wurde, nur dann nicht der Fall, wenn der Wegzugsstaat der Kapitalgesellschaft ihre Rechtsfähigkeit infolge der Grenzüberschreitung nicht abspricht120. Auch die Zivilrechtsprechung121 geht trotz der gemeinschaftsrechtlichen Entwicklung122 nach wie vor davon aus, dass die Sitzverlegung einer Kapi117 Vgl. generell zu den Reformvorschlägen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit inländischer Gesellschaften Wachter, GmbHR 2004, S. 88, 96 ff.; Eidenmüller/ Rehm, ZGR 2004, S. 159, 186; Meilicke, GmbHR 2003, S. 793, 807 ff. 118 Frey, NZG 2004, S. 169. 119 EuGH, GmbHR 2002, 1137. 120 Vgl. 2. Teil A. I. 1. b. aa. und 2. a.; vgl. auch Birk, IStR 2003, S. 469, 473. 121 OLG Hamm, NJW 2001, 2183. 122 Es wird seitens des OLG Hamm auf das Centros Urteil und den Vorlagebeschluss des VII. Zivilsenats des BGH in der Rechtssache Überseering eingegangen. Nach Ansicht des Gerichts sind die Grundsätze von Daily Mail hinsichtlich des
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talgesellschaft vom In- ins Ausland bei einem Statutenwechsel zwingend zur Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft führe. Im Rahmen der Bestimmung des ertragsteuerlichen Status der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft inländischen Rechts stellt sich daher Frage, welche Auswirkungen sich auf die Anerkennung der Körperschaftsteuereigenschaft überhaupt bzw. auf die Einordnung unter eine der in § 1 Abs. 1 KStG genannten Gruppen bei Zugrundelegung der zivilrechtlichen Wertungen ergeben123. Es sind somit bezüglich der steuerlichen Qualifikation der weggezogenen Kapitalgesellschaften als Subjekte der deutschen Körperschaftsteuer die Ergebnisse der zivilrechtlichen Sichtweise mit dem steuerrechtlich selbständigen Lösungsansatz zu vergleichen. 1. Körperschaftsteuersubjektfähigkeit unter Zugrundelegung der zivilrechtlichen Wertungen Wie bereits dargestellt wurde, herrscht hinsichtlich der zivilrechtlichen Folgen der Verlegung des Verwaltungssitzes einer deutschen Kapitalgesellschaft Uneinigkeit124. In kollisionsrechtlicher Hinsicht führt nach h. M. der Wegzug in einen Sitztheorie-Staat zu einem Statutenwechsel. Wird der Verwaltungssitz demgegenüber in einen Staat verlegt, welcher der Gründungstheorie folgt, besteht das Gesellschaftsstatut fort. Allerdings ist bezüglich beider Fälle, was die sachrechtlichen Konsequenzen anbelangt, umstritten, ob infolge des Umzugs ein Zwang zur Auflösung der Kapitalgesellschaft besteht. Nach einer Ansicht wird bei Wegzug in einen Sitztheorie-Staat von einer zivilrechtlichen Neueinordnung der Gesellschaftsform ausgegangen. a) Mit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise übereinstimmendes Ergebnis Zunächst soll die Konstellation untersucht werden, dass der Wegzug der inländischen Kapitalgesellschaft in einen Gründungstheorie-Staat erfolgt. Einem Großteil der Literatur zufolge besteht in einem solchen Fall kein Wegzugs von Kapitalgesellschaften nach wie vor anwendbar, vgl. OLG Hamm, NJW 2001, 2183 f. 123 Anderer Ansicht ist Haase, Steuer & Studium 2003, S. 198, 202, der davon ausgeht, dass die wegziehende Gesellschaft eindeutig fortbestehe. Die Streitfrage bezüglich der Subsumtion der grenzüberschreitenden Gesellschaft unter den Katalog des § 1 Abs. 1 KStG brauche nicht mehr entschieden zu werden. Aufgrund des Überseering Urteils des EuGH greife in jedem Fall § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ein. 124 Vgl. 3. Teil A. I.
A. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland
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Auflösungszwang der Gesellschaft125. Gelangt man zu dem gesellschaftsrechtlichen Ergebnis, dass die grenzüberschreitende deutsche Kapitalgesellschaft weiterhin ihre zivilrechtliche Rechtsfähigkeit beibehält, ist auch bei einer strengen Anknüpfung an die zivilrechtlichen Vorgaben eine Einordnung der Gesellschaft unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG möglich126. Gesellschaftsrechtlich besteht die umgezogene Gesellschaft in ihrer ursprünglichen Form fort127. Es tritt kein Verlust der Rechtsfähigkeit als deutsche juristische Person ein. Folgt man der strengen zivilrechtlichen Betrachtungsweise, ergibt sich die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit der grenzüberschreitenden Gesellschaft nach wie vor aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Der Satzungssitz als ein alternatives Anknüpfungskriterium der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht liegt weiterhin im Inland. Damit das körperschaftsteuerliche Subjekt weiter existiert, muss nur ein so genannter genuine link zum besteuernden Staat bestehen128. Allerdings ist insoweit klärungsbedürftig, ob sich an diesem steuerlichen Ergebnis etwas ändert, wenn die Geschäftsleitung in einen Gründungstheorie-Staat verlegt wird und DBA-Regelungen eingreifen. Es ist daher eine Differenzierung zwischen der Verlegung der Geschäftsleitung in einem DBA-Fall und der Variante, dass keine DBA-Regelungen gegeben sind, erforderlich. In einem Nicht-DBA-Fall ergeben sich keine Schwierigkeiten, der Wegzug hat keinen Einfluss auf die ertragsteuerliche Beurteilung der nach inländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft129. Fraglich ist, welche Auswirkungen sich im Rahmen von DBA-Konstellationen ergeben. Das OECD-MA enthält in Art. 4 Abs. 3 eine Regelung, wonach eine nicht natürliche Person, die in beiden Vertragsstaaten ansässig ist, als nur in dem Staat ansässig gilt, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Eine Gleichsetzung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung gem. Art. 4 Abs. 3 OECD-MA mit dem Ort der Geschäftsleitung i. S. d. § 10 AO ist möglich130. Auf einen Fall der Verlegung der Geschäftsleitung von Deutschland in einen anderen Vertragsstaat bezogen, bedeutet diese Regelung, dass Deutschland nicht mehr den Besteuerungszugriff auf das Welteinkommen hat, vielmehr dürfen nur noch bestimmte inländische Quelleneinkünfte besteuert werden131. Eine solche Beschränkung der inländischen Besteuerungsmöglichkeiten wird zum Teil als Verlust der unbeschränkten 125
Vgl. 3. Teil A. I. 2. b. Dinkhoff, S. 253 ff.; Herz, S. 332 f. 127 Dinkhoff, S. 253 und Herz, S. 332, die jeweils beide davon ausgehen, dass die Verlegung der Geschäftsleitung in einen Gründungstheorie-Staat in sachrechtlicher Hinsicht nicht einen Auflösungs- und Abwicklungszwang zur Folge habe. 128 Haase, Steuer & Studium 2003, S. 198, 202. 129 Dinkhoff, S. 253 ff. 130 Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 40. 126
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3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
Körperschaftsteuerpflicht bewertet. Der inländischen Kapitalgesellschaft, die ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegt hat, wird somit nach dieser Ansicht aufgrund der Ansässigkeitsfiktion des Art. 4 Abs. 3 OECD-MA die Fähigkeit, ein Subjekt der deutschen Körperschaftsteuer i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG zu sein, aberkannt132. Diese Meinung ist abzulehnen. Die Ansässigkeitsfiktion des Art. 4 Abs. 3 OECD-MA gilt nur für Zwecke der Abkommensanwendung. Sie hat keine Auswirkungen auf die Beurteilung der Gesellschaft als unbeschränkt steuerpflichtiges Körperschaftsteuersubjekt. Die innerstaatliche unbeschränkte Steuerpflicht bleibt daher auch dann bestehen, wenn die Gesellschaft ihren abkommensrechtlichen Sitz im anderen Vertragsstaat hat133. Durch das Abkommen ergibt sich keine Änderung in Bezug auf die unbeschränkte Steuerpflicht. Diese wird durch das Abkommen lediglich in ihrem Umfang, nicht aber dem Grunde nach eingeschränkt134. Das innerstaatliche Körperschaftsteuergesetz und die Doppelbesteuerungsabkommen stellen unterschiedliche Rechtsebenen, nämlich einmal in Form des nationalen Rechts und zum anderen in Form eines völkerrechtlichen Vertrages135, dar136. Was die Begründung der inländischen Steueransprüche, deren Umfang und Art anbelangt, so richten sich diese ausschließlich nach dem innerstaatlichen Recht. Dagegen bilden die Doppelbesteuerungsabkommen ein eigenes Regelsystem, das die Steuertatbestände durch Zurücknahme des nationalen materiellen Steuerrechts unter den Vertragsstaaten aufteilt137. Die abkommensrechtlichen Regelungen wirken als sachliche Steuerbefreiung bzw. Steuerermäßigung138, beeinflussen aber nicht die sich nach der inländischen Rechtsordnung richtende unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht139. Auch für die Besteuerung der Quellenstaatseinkünfte im Satzungssitzstaat gelten die Vorschriften, die für unbeschränkt Steuerpflichtige Anwendung finden140. 131 Dinkhoff, S. 255; Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, Art. 4 Rn. 2; Lehner, RIW 1988, S. 201, 213. 132 Zisowski, S. 84 f.; Knobbe-Keuk, StuW 1990, S. 372, 378; dies., DB 1991, S. 298, 300. 133 Lehner, in: Vogel/Lehner, Art. 4 Rn. 105; ders., RIW 1988, S. 201, 213; Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, Art. 4 Rn. 91; Hofmeister, in: Blümich, § 12 KStG Rn. 7. 134 Großmann, S. 47; Dinkhoff, S. 255. 135 Vogel, in: Vogel/Lehner, Einl. Rn. 45. 136 Dinkhoff, S. 255 f. 137 Vogel, in: Vogel/Lehner, Einl. Rn. 70 und 72. 138 BFH, BFH/NV 1993, 156. 139 Dinkhoff, S. 256. 140 Lehner, in: Vogel/Lehner, Art. 4 Rn. 19; ders.; RIW 1988, S. 201, 213; Dinkhoff, S. 256.
A. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland
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Erachtet man die Wertungen der Zivilrechtsordnung bei der Beurteilung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit als maßgeblich, so müssen auch die steuerlichen Konsequenzen untersucht werden, die sich nach der Meinung ergeben, welche den Verlegungsbeschluss bei einem Umzug in einen Gründungstheorie-Staat als Auflösungsbeschluss qualifiziert. In zivilrechtlicher Hinsicht tritt der Verlust der Rechtsfähigkeit der inländischen Kapitalgesellschaft jedoch erst mit der Löschung im Handelsregister ein. Die Auflösung der Gesellschaft ist demnach von ihrer Beendigung zu unterscheiden. Es handelt sich um eine Abwicklungsgesellschaft, die – folgt man der strengen zivilrechtlichen Sichtweise – bis zum Abschluss der Liquidation unverändert ein unbeschränkt steuerpflichtiges Körperschaftsteuersubjekt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG bleibt141. Diese Konsequenzen hinsichtlich der ertragsteuerlichen Einordnung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften inländischen Rechts ergeben sich nach Ansicht der Vertreter der strikten Zivilrechtsakzessorietät auch, wenn die Gesellschaft in einen Sitztheorie-Staat wegzieht und gesellschaftsrechtlich von einer Auflösung der Gesellschaft ausgegangen wird. Bis zum Abschluss der Abwicklung besteht die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG der nunmehr als Liquidationsgesellschaft zu beurteilenden Gesellschaft inländischen Rechts fort142. b) Von der wirtschaftlichen Betrachtungsweise abweichendes Ergebnis Nach der Ansicht, die bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Sitztheorie-Staat von einer zivilrechtlichen Neueinordnung der Gesellschaftsform ausgeht143, verliert die nach inländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft ihre zivilrechtliche Rechtsfähigkeit als juristische Person. Bei einer strikten Übernahme der zivilrechtlichen Wertungen im Rahmen der Bestimmung des steuerlichen Status wäre nach dieser Rechtsauffassung keine ertragsteuerliche Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG mehr möglich. Diese Ansicht hätte also das Ende der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zur Folge. Wird der grenzüberschreitenden Gesellschaft deutschen Rechts die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft abgesprochen, stellt sich die Frage 141 Kutt, S. 124 f.; Dinkhoff, S. 254 f. und 257, allerdings bezogen auf den Wegzug einer deutschen Kapitalgesellschaft in einen Sitztheorie-Staat, da insofern nach Dinkhoff nur die Verlegung des Verwaltungssitzes in ein solches Land einen Auflösungs- und Abwicklungszwang mit sich bringt. 142 Dinkhoff, S. 254 f. und 257. 143 Vgl. Krug, S. 155, nach dessen Ansicht aus der inländischen Kapitalgesellschaft eine inländische Personengesellschaft oder ein nichtrechtsfähiger Verein wird.
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3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
nach der Anwendbarkeit des Liechtenstein Urteils des BFH144. Dies würde eine Subsumtion der Gesellschaft unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG bedeuten. Einige Autoren bejahen eine solche Möglichkeit der steuerlichen Einstufung der weggezogenen inländischen Kapitalgesellschaften, wenn auch zum Teil davon gesprochen wird, dass „jedenfalls“ eine Bewertung als Körperschaftsteuersubjekt nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG in Betracht komme145. Sie beziehen sich dabei jeweils auf das BFH-Urteil vom 23.06.1992146. In diesem Urteil entschied der BFH allerdings über einen Zuzugsfall. Es ging um die Bewertung einer nach liechtensteinischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung. Es ist daher fraglich, ob sich diese Entscheidung des BFH auf den Wegzugsfall einer deutschen Kapitalgesellschaft übertragen lässt. Der BFH versuchte in seinem Urteil einerseits den zivilrechtlichen Wertungen, die sich unter der Geltung der Sitztheorie im Inland ergeben, gerecht zu werden, andererseits berücksichtigte er auch die wirtschaftlichen Verhältnisse, indem er die zugezogene ausländische Kapitalgesellschaft dennoch als Körperschaftsteuersubjekt anerkannte. Er behalf sich mit der Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, woraus deutlich werde, dass es für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit auf die Rechtsfähigkeit der zugezogenen Gesellschaft nicht ankomme. Eine solche Qualifizierung ist aber bereits für den Zuzugsfall, wie bereits ausführlich dargestellt wurde, abzulehnen147. Ebenso wenig ist für die Wegzugsvariante diese Eingruppierung heranzuziehen. Es handelt sich bei den umgezogenen Kapitalgesellschaften inländischen Rechts nämlich wegen der in aller Regel vorliegenden wirtschaftlichen Tätigkeit um keine nichtrechtsfähigen Vereine i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG148. Eine Subsumtion unter diese Gruppe ist daher ausgeschlossen. Diese Schlussfolgerung ist bezüglich des Wegzugsfalls im Vergleich zum Zuzugsfall noch nahe liegender, als die inländischen Kapitalgesellschaften explizit innerhalb des Katalogs des § 1 Abs. 1 KStG benannt sind. Während die ausländischen grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften wegen der notwendigen lex fori Betrachtung nicht im Rahmen des § 1 Abs. 1 KStG ausdrücklich bezeichnet werden können, werden die deutschen Kapitalgesellschaften gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ausdrücklich aufgezählt149. Eine zivilrechtliche Betrachtungsweise hinsichtlich der steuerlichen Beurteilung inländischer Kapitalgesellschaften, die ihren Ort der Ge144
BFH, BStBl. II 1992, 972. Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 16; Krug, S. 172 f.; Birk, IStR 2003, S. 469, 471; Widmann, in: Widmann/Mayer, Anhang 7 Rn. 17. 146 BFH, BStBl. II 1992, 972. 147 Vgl. 2. Teil A. I. 2. c. aa. 148 Vgl. 2. Teil A. I. 2. c. aa. 149 Haase, Steuer & Studium 2003, S. 198, 202. 145
A. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland
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schäftsleitung ins Ausland verlegen, muss somit, wie im Rahmen des Zuzugs ausländischer Gesellschaften, in einem strikten Sinne verstanden werden. Eine ertragsteuerliche Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG scheidet daher mangels Vorliegens eines nichtrechtsfähigen Vereins aus. Das Ergebnis der steuerlichen Qualifikation der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft inländischen Rechts fällt somit bei der ausschließlichen Orientierung an zivilrechtlichen Wertungen unterschiedlich aus. Es hängt davon ab, welcher Ansicht bezüglich der sachrechtlichen Folgen einer Verwaltungssitzverlegung in einen Sitztheorie-Staat gefolgt wird. Wird demgegenüber für die Bestimmung der Körperschaftsteuereigenschaft ein rein steuerlicher, von den zivilrechtlichen Wertungen losgelöster Ansatz herangezogen, differenziert das Ergebnis der steuerlichen Einordnung der weggezogenen Kapitalgesellschaft deutschen Rechts nicht. Ein solcher steuerlich eigenständiger Lösungsweg wird von einem großen Teil des Schrifttums eingeschlagen150. 2. Argumente für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise Auch im Wegzugsfall ist eine steuerlich vom Gesellschaftsrecht unbeeinflusste Wertung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit inländischer Kapitalgesellschaften vorzugswürdig. Wegen der Grenzüberschreitung dieser Gesellschaften handelt es sich um keinen reinen Inlandsfall, dessen ertragsteuerliche Beurteilung, wie bereits dargestellt wurde, durch eine strenge Rechtsformabhängigkeit nach den zivilrechtlichen Wertungen gekennzeichnet ist151. Ebenso wie in der Konstellation des Zuzugs ausländischer Kapitalgesellschaften sprechen auch in der Variante des Wegzugs deutscher Kapitalgesellschaften die besseren Argumente für eine steuerlich unbeeinflusste Beurteilung der Körperschaftsteuereigenschaft der jeweiligen Gesellschaft. Zum einen kann für eine solche Betrachtungsweise angeführt werden, dass nach § 1 Abs. 1 KStG für die Anerkennung als Körperschaftsteuersubjekt im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht als inländischer Bezug entweder der Satzungssitz oder die Geschäftsleitung genügt152. Würde eine vom Gesellschaftsrecht abhängige steuerliche Wertung vorgenommen, hätte diese alternative Anknüpfung i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG, je nachdem in welchen ausländischen Staat der Verwaltungssitz verlegt wird und welche Mei150 Zisowski, S. 84 ff.; Knobbe-Keuk, StuW 1990, S. 372, 378; dies., DB 1991, S. 298, 300; Thiel, GmbHR 1994, S. 277, 278; Dreissig, DB 2000, S. 893 f.; Deininger, IStR 2003, S. 214, 215. 151 Vgl. 1. Teil E. II. 152 Dreissig, DB 2000, S. 893 f.; Deininger, IStR 2003, S. 214, 215.
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3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
nung in Bezug auf die Folgen eines Wegzugs vertreten wird, keinen Anwendungsbereich. Zwar würde eine sich nach den zivilrechtlichen Vorgaben richtende steuerliche Qualifikation in vielen Fällen zu einem identischen Ergebnis bei der steuerlichen Eingruppierung gelangen wie eine steuerlich selbständige Vorgehensweise. Ein solches übereinstimmendes Ergebnis ist gegeben, wenn die Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Staat erfolgt, in welchem die Gründungstheorie gilt. Selbst wenn in sachrechtlicher Hinsicht von einem Auflösungs- und Abwicklungszwang ausgegangen wird, kann die Liquidationsgesellschaft auch bei einer strikten zivilrechtlichen Anknüpfung bis zum Abschluss der Abwicklung als Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingeordnet werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Wegzug einer deutschen Kapitalgesellschaft in einen Sitztheorie-Staat einer Ansicht zufolge mit einer Aberkennung der Rechtsfähigkeit als inländische Kapitalgesellschaft verbunden ist. In diesem Falle würde der so genannte genuine link des satzungsmäßigen Sitzes, der sich bei einer isolierten Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland weiterhin in Deutschland befindet und der nach § 1 Abs. 1 KStG als räumlicher Anknüpfungspunkt für eine Anerkennung als unbeschränkt steuerpflichtiges Körperschaftsteuersubjekt genügt, zur Bedeutungslosigkeit degradiert. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 KStG macht die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht nicht davon abhängig, dass die Geschäftsleitung in einem bestimmten Staat, nämlich einem solchem, in dem die Gründungstheorie gilt, gelegen sein muss. Eine solche Einschränkung müsste in der gesetzlichen Vorschrift, welche die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit regelt, zum Ausdruck kommen. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass abgesehen von einem ausschließlichen Inlandsfall § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG die Fähigkeit, Körperschaftsteuersubjekt zu sein, nicht von dem Fortbestand der Rechtsfähigkeit als juristische Person abhängig macht. Voraussetzung ist jedoch, dass die grenzüberschreitende inländische Gesellschaft vor ihrem Umzug als eine rechtsfähige deutsche Kapitalgesellschaft existiert hat, d.h. sie muss die entsprechenden Gründungsanforderungen erfüllt haben. Bereits vor der Grenzüberschreitung muss die Gesellschaft also ein Subjekt der deutschen Körperschaftsteuer i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG gewesen sein. Verlegt die Gesellschaft dann später isoliert ihren Ort der Geschäftsleitung ins Ausland, ändert dies an der ursprünglich vorgenommenen ertragsteuerlichen Einstufung der Gesellschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nichts. Es ist nach wie vor ein inländischer Bezugspunkt gem. § 1 Abs. 1 KStG gegeben. Zum anderen spricht in Verbindung mit dem eben genannten Argument die Aufzählung der Kapitalgesellschaften als unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Subjekte in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG für eine steuerlich selbständige Wertung. Zwar sind Kapitalgesellschaften im gesellschaftsrechtlichen
A. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland
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Sinne nur solche, welche die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft besitzen. Allerdings müssen diese Definition der Kapitalgesellschaft und die Anknüpfung des Steuerrechts hieran gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG auf den rein inländischen Sachverhalt beschränkt werden. Falls der grenzüberschreitenden deutschen Gesellschaft durch die Verlegung ihres Verwaltungssitzes ins Ausland ihre Rechtsfähigkeit als inländische Kapitalgesellschaft abgesprochen wird, kann sie dennoch unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG subsumiert werden. Voraussetzung ist lediglich, dass die Gesellschaft ursprünglich als rechtsfähige Kapitalgesellschaft deutschen Rechts existiert hat. Dieser Rückschluss ist möglich, da einerseits der räumliche Bezug zum Inland in der Form des Satzungssitzes nach § 1 Abs. 1 KStG für den unveränderten Fortbestand als Körperschaftsteuersubjekt genügt und andererseits § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG die inländischen Kapitalgesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte explizit bezeichnet. Nach der hier vorgenommenen Auslegung genügt für die Wertung als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG die ursprüngliche, vor dem Umzug bestehende Rechtsfähigkeit. Andernfalls hätte, wenn insoweit der Ansicht gefolgt würde, wonach die Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Sitztheorie-Staat eine zivilrechtliche Neueinordnung zur Folge hätte, § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG in diesem Fall keinen Anwendungsbereich. Dies widerspräche aber vor allem § 1 Abs. 1 KStG, nach dem für die Anerkennung als unbeschränkt steuerpflichtiges Körperschaftsteuersubjekt auch der inländische Satzungssitz ausreicht. Des Weiteren lässt sich die steuerlich eigenständige Beurteilung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit beim Wegzug deutscher Kapitalgesellschaften mit der sich dann gegebenen Rechtssicherheit begründen. Vorteil der steuerlich unabhängigen Betrachtungsweise ist, dass das Ergebnis der Qualifikation als Subjekt der Körperschaftsteuer immer gleich ausfällt. Verlegt die grenzüberschreitende inländische Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz ins Ausland und verbleibt der Satzungssitz weiterhin in Deutschland, besteht die Körperschaftsteuereigenschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, unabhängig davon, ob der Zuzugsstaat der Gründungs- oder der Sitztheorie folgt, wegen der alternativen Anknüpfung gem. § 1 Abs. 1 KStG fort. Demgegenüber ist die konsequente Bindung der ertragsteuerlichen Einordnung an die gesellschaftsrechtliche Beurteilung mit einer Rechtsunsicherheit für die betreffenden Gesellschaften und vor allem für deren Gesellschafter behaftet. Diese Unklarheit wird durch die Fülle an unterschiedlichen Meinungen hervorgerufen, die hinsichtlich der kollisions- und sachrechtlichen Auswirkungen bestehen. Als sachrechtliche Konsequenz der Verlegung des Verwaltungssitzes wird von einem Teil der Literatur ein gesellschaftsrechtlicher Auflösungs- und Abwicklungszwang angenommen. Allerdings wird
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3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
dadurch die Existenz als rechtsfähige Kapitalgesellschaft nicht in Frage gestellt. Die Gesellschaft bleibt bis zum Abschluss der Liquidation als Abwicklungsgesellschaft bestehen. Bis dahin ist sie auch nach wie vor ein Subjekt der Körperschaftsteuer i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Nach anderer Ansicht wird aus der Kapitalgesellschaft inländischen Rechts bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Sitztheorie-Staat eine inländische Personengesellschaft bzw. ein nichtrechtsfähiger Verein. Bei einer Beachtung dieses zivilrechtlichen Ergebnisses ist die Körperschaftsteuereigenschaft zu verneinen. Im Rahmen einer zivilrechtlichen Neueinordnung kann die grenzüberschreitende Gesellschaft zwar nur als Personengesellschaft bzw. (kaufmännische) Einzelperson bewertet werden. Eine Qualifikation als nichtrechtsfähiger Verein scheidet wegen der wirtschaftlichen Betätigung aus153. Bei einer strikten zivilrechtlichen Sichtweise ist jedoch aufgrund dieser zivilrechtlichen Neueinordnung keine Körperschaftsteuersubjektfähigkeit gegeben. Für den Rechtsanwender muss allerdings klar sein, welche steuerlichen Auswirkungen die Entscheidung, den Verwaltungssitz der Gesellschaft ins Ausland zu verlegen, zur Folge hat. Diese Rechtssicherheit gewährt eine von den zivilrechtlichen Erwägungen abhängige Besteuerung nicht. Die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben lassen sich angesichts der bestehenden Uneinigkeit nämlich überhaupt nicht eindeutig festlegen. Es ist allerdings Planungssicherheit erforderlich, vor allem im Rahmen der Verlegung der Geschäftsleitung in einem Nicht-DBA-Fall. In einer solchen Konstellation existieren dann nämlich keine verlässlichen Regeln, welche i. S. d. Art. 4 Abs. 3 OECD-MA dem Ansässigkeitsstaat, in dem sich nun die Geschäftsleitung befindet, den Besteuerungszugriff auf das Welteinkommen geben. Im Rahmen der Grenzüberschreitung einer inländischen Kapitalgesellschaft besteht daher ein offenkundiges Interesse daran, dass sich die Frage nach dem unveränderten Fortbestand der Körperschaftsteuereigenschaft ohne Zweifel und in eindeutiger Weise beantworten lässt. Hierzu ist aber nur, wie aufgezeigt wurde, die steuerlich eigenständige Betrachtungsweise in der Lage. Ebenfalls ein für die steuerrechtliche, vom Gesellschaftsrecht unabhängige Vorgehensweise sprechendes Argument ist, dass allein das nationale Recht über die Fähigkeit, ein Subjekt der deutschen Körperschaftsteuer zu sein, entscheidet. Bei einer von der gesellschaftsrechtlichen Bewertung abhängigen steuerlichen Qualifizierung ist dies unter Umständen nicht der Fall. Wenn die sachrechtlichen Konsequenzen dahingehend beurteilt werden, dass bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes in einen SitztheorieStaat eine zivilrechtliche Neueinordnung der Gesellschaft stattfindet, während demgegenüber bei einem Wegzug in einen Gründungstheorie-Staat 153
Vgl. 2. Teil A. I. 2. c. aa.
A. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland
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eine rechtsfähige deutsche Kapitalgesellschaft bestehen bleibt, sind bei einer strikten zivilrechtlichen Sichtweise die ertragsteuerlichen Folgen bezüglich der Anerkennung als inländisches Körperschaftsteuersubjekt unterschiedlich. Das ertragsteuerliche Ergebnis hängt dann davon ab, ob im Zuzugsstaat die Sitz- oder die Gründungstheorie gilt. Letztendlich wäre also bei einer solchen Betrachtungsweise die Ausgestaltung des internationalen Gesellschaftsrechts des Immigrationsstaates für die nationale steuerliche Einordnung der grenzüberschreitenden deutschen Kapitalgesellschaften ausschlaggebend. Die Entscheidung, ob die grenzüberschreitende Gesellschaft weiterhin ein Subjekt der deutschen Körperschaftsteuer i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ist, muss sich aber ausschließlich nach dem deutschen Steuerrecht richten. Einer steuerlich eigenständigen Wertung ist daher der Vorzug zu geben. Die weggezogene Kapitalgesellschaft inländischen Rechts kann auch unter Anwendung des Rechtstypenvergleichs als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingeordnet werden. Wie bereits dargestellt wurde, ist im Rahmen eines Zuzugsfalles bei einem Typenvergleich mit einer inländischen Kapitalgesellschaft das ursprüngliche Gründungsrecht heranzuziehen154. Die rechtlichen Vorschriften des Zuzugsstaates sind demgegenüber nicht zugrunde zu legen. Bei der Wegzugskonstellation ergibt sich nichts anderes. Es kommt also nicht darauf an, wie der Immigrationsstaat die Gesellschaft gesellschaftsrechtlich einordnet155. Ansonsten wäre für die Frage der steuerlichen Einordnung der Gesellschaft im Inland die Rechtsordnung des ausländischen Zuzugsstaates ausschlaggebend. Der erforderliche Strukturvergleich bezieht sich daher auf die ursprüngliche Struktur. Entscheidet man sich im Rahmen der Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit für die wirtschaftliche Betrachtungsweise, dürfen die Grundsätze des internationalen Gesellschaftsrechts konsequenterweise keine Rolle spielen. Die nach inländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegt haben, sind daher unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Stellung im Zuzugsstaat als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG anzusehen. Im Rahmen des Wegzugs deutscher Kapitalgesellschaften entfällt bei einer nach steuerlichen Kriterien durchgeführten Eingruppierung im Gegensatz zum Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften ins Inland rein tatsächlich die Vornahme eines Rechtstypenvergleichs. Es handelt sich 154
Vgl. 2. Teil A. II. 2. Pusill-Wachtsmuth, S. 204 f., differenziert demgegenüber danach, ob die Gesellschaft ihren Verwaltungssitz in einen Gründungstheorie- oder einen SitztheorieStaat verlegt. Gelte im Zuzugsstaat die Sitztheorie, sei Voraussetzung der unbeschränkten Steuerpflicht, dass der neue Heimatstaat sie einer Rechtsform unterwerfe, die einer deutschen Körperschaft entspreche. 155
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3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
nämlich um jedenfalls ursprünglich rechtsfähige Kapitalgesellschaften deutschen Rechts, die nur nach einer Ansicht bei einer Verlegung der Geschäftsleitung in einen Sitztheorie-Staat ihre Rechtsfähigkeit als juristische Person verlieren.
B. Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes ins Ausland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Inland Auch die Konstellation, dass die inländische Kapitalgesellschaft alleine ihren Satzungssitz ins Ausland verlegt, kommt als eine grenzüberschreitende Fallgruppe in Betracht. Diese Variante hat zwar nur eine geringe praktische Relevanz156. Denkbar ist sie allenfalls im Rahmen von vertraglichen Vereinbarungen, die in Unkenntnis des deutschen Rechts erfolgen. Aus systematischen Gründen ist es daher erforderlich, auch diese Fallgruppe des Umzugs einer Kapitalgesellschaft ins Ausland vor dem Hintergrund der ertragsteuerlichen Folgen darzustellen. Wiederum stellt sich die Frage nach der Steuersubjektfähigkeit der grenzüberschreitenden Gesellschaft nach dem Körperschaftsteuergesetz. Wegen der alternativen Anknüpfung des § 1 Abs. 1 KStG genügt es, dass sich die Geschäftsleitung in Deutschland befindet, so dass bei einer rein steuerlichen Wertung die grenzüberschreitende inländische Kapitalgesellschaft nach wie vor ein Subjekt der deutschen Körperschaftsteuer i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG wäre. Möglicherweise ergibt sich dieses Ergebnis auch bei einer strikten zivilrechtlichen Betrachtungsweise. Ein Wertungskonflikt zwischen dem steuerlichen und dem zivilrechtlichen Lösungsansatz wäre dann nicht gegeben.
I. Kollisions- und sachrechtliche Folgen Im Hinblick auf die Verlegung des Satzungssitzes sind die kollisionsrechtlichen von den sachrechtlichen Folgen zu trennen. International-privatrechtliche Konsequenzen zieht die Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes ins Ausland unter der Geltung der Sitztheorie im Inland nicht nach sich. Der Verwaltungssitz als Anknüpfungspunkt der Sitztheorie befindet sich nach wie vor in Deutschland, eine Änderung des Gesellschaftsstatuts findet nicht statt. Für die Gesellschaft ist weiterhin das deutsche Gesellschaftsrecht maßgeblich157. 156
Debatin, GmbHR 1991, S. 164, 167. Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 399; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rn. 133; Krug, S. 156; Zisowski, S. 15; Kruse, S. 46. 157
B. Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes ins Ausland
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Was das Sachrecht anbelangt, so besteht nach ganz überwiegender Ansicht in der Literatur158 und nach der Rechtsprechung159 für eine deutsche Kapitalgesellschaft keine Möglichkeit der identitätswahrenden Satzungssitzverlegung ins Ausland. Der Satzungssitz muss vielmehr nach Ansicht der Rechtsprechung und der Literatur im Inland liegen160. Die Gesellschaft bedürfe eines in ihrer Satzung bestimmten inländischen Satzungssitzes. Begründet wird diese Rechtsaufassung mit der kompetenzbegründenden Funktion des satzungsmäßigen Sitzes und der damit einhergehenden faktischen Sicherstellung der Durchsetzbarkeit des inländischen Gesellschaftsrechts durch die deutsche Gerichts- und Behördenzuständigkeit. Gestatte man einer inländischen Kapitalgesellschaft, den Satzungssitz ins Ausland zu verlegen, so könne diese weitgehend die Kontrolle durch die innerstaatlichen Gerichte und Behörden vermeiden. Des Weiteren wird angeführt, dass der nationale satzungsmäßige Sitz für die konstitutive Registereintragung notwendig sei161. Umstritten ist innerhalb dieser Ansicht allerdings, wie der Verlegungsbeschluss auszulegen ist. Einerseits wird der zur Verlegung des Satzungssitzes gem. §§ 179 Abs. 1 Satz 1 AktG, 53 Abs. 1 GmbHG notwendige Beschluss der Hauptversammlung bzw. der Gesellschafterversammlung als Auflösungsbeschluss qualifiziert162. Das jeweils zuständige Gesellschaftsorgan sei sich darüber im Klaren, dass sich die Gesellschaft durch die Satzungssitzverlegung von der Zuständigkeit der inländischen Gerichtsbarkeit und der deutschen Verwaltungsbehörden löse. In dem Willen, den Satzungssitz ins Ausland zu verlegen, sei daher gleichzeitig auch der Wille mitenthalten, die Gesellschaft aufzulösen163. Andererseits wird der Beschluss über die Satzungssitzverlegung gem. § 241 Abs. 1 Nr. 3 AktG bzw. bei der GmbH in analoger Anwendung dieser Vorschrift als nichtig angesehen164. Dies wird als ausreichend erachtet, um die angesprochenen innerstaatlichen Interessen zu gewährleisten165. Nach dieser Meinung än158 Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 399; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 651; Heider, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, § 5 Rn. 65; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rn. 133; Hüffer, § 5 Rn. 12; Kutt, S. 39 f.; Frowein, S. 109. 159 BayObLG, BB 2004, 570, 571. 160 Vgl. 1. Teil C. 161 BayObLG, BB 2004, 570, 571; Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 399; Kutt, S. 39 f.; Frowein, S. 109. 162 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 651 ff.; Dinkhoff, S. 110 ff.; Zisowski, S. 15; Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 7. 163 Großfeld, in: Staudinger, IntGesR Rn. 656; Dinkhoff, S. 112. 164 Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 399; Frowein, S. 109; Krug, S. 156 f.; Heider, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, § 5 Rn. 65; Hüffer, § 5 Rn 12; Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rn. 133.
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dert sich an der bisherigen Satzungsbestimmung nichts. Der Satzungsänderungsbeschluss sei nicht im Handelsregister eintragungsfähig. Werde dennoch der nichtige Satzungssitz eingetragen, sei diese fehlerhaft vorgenommene Eintragung nach § 144 a FGG rückgängig zu machen166. Die einzige Möglichkeit der Gesellschafter bestehe darin, zuerst die Auflösung der inländischen Kapitalgesellschaft zu beschließen und anschließend eine Neugründung einer Gesellschaft im Immigrationsstaat in die Wege zu leiten167. Nach beiden Ansichten kann somit der Satzungssitz einer deutschen Kapitalgesellschaft nicht nachträglich in einen ausländischen Staat verlegt werden, ohne dass nach dem deutschen Gesellschaftsrecht die inländische Gesellschaft liquidiert werden müsste168.
II. Einfluss des Gemeinschaftsrechts auf die zivilrechtlichen Folgen Ob eine identitätswahrende Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland unter dem Einfluss des Gemeinschaftsrechts ermöglicht werden muss, ist noch nicht durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt worden169. Der EuGH hat noch nicht entschieden, ob die Satzungssitzverlegung einer Kapitalgesellschaft vom In- ins Ausland in den Anwendungsbereich des Niederlassungsrechts i. S. d. Art. 43, 48 EG fällt. Die aktuelle EuGH-Rechtsprechung bezieht sich nicht auf Wegzugsfälle, sondern auf Zuzugsfälle, die zudem den Verwaltungssitz und nicht den satzungsmäßigen Sitz betreffen170. Die bisherige Rechtsprechung des EuGH, die zur Grenzüberschreitung von Kapitalgesellschaften ergangen ist, hat nur für die Zuzugsfälle die Niederlassungsfreiheit als einschlägig beurteilt. Wie bereits für den umgekehrten Fall, nämlich der Verlegung des Satzungssitzes einer ausländischen Kapitalgesellschaft nach Deutschland, dargestellt wurde, gibt es zwar im Hinblick auf den Wegzug einer deutschen Kapitalgesellschaft einen Vorlagebeschluss des AG Heidelberg171. Die vom AG Heidelberg vorgebrachten Argumente 165
Leible, in: Michalski, Syst. Darst. 2 Rn. 133; Frowein, S. 109. Kindler, in: Münchener Kommentar, IntGesR Rn. 399. 167 Krug, S. 156 f.; Hüffer, § 5 Rn 12. 168 Kutt, S. 40. 169 Vgl. zur Frage der Gemeinschaftsrechtskonformität die Ausführungen im Rahmen des Zuzugs einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland im 2. Teil B. III. 170 BayObLG, BB 2004, 570, 572. Der Entscheidung des BayOblG lag zwar ein Sachverhalt zugrunde, der die kumulative Verlegung des Satzungssitzes und Verwaltungssitzes betrifft, allerdings lässt sich die Entscheidung auf die alleinige Verlegung des statutarischen Sitzes einer nach inländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ins EU-Ausland übertragen. 171 AG Heidelberg, NZG 2000, 927. 166
B. Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes ins Ausland
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überzeugen aber nicht172. Unabhängig davon, ob es sich um eine Konstellation des Zuzugs oder des Wegzugs handelt, ist der Begriff der Niederlassung im Wesentlichen wirtschaftlich geprägt, weshalb der Schutz der Niederlassungsfreiheit nicht die Möglichkeit der Satzungssitzverlegung einer inländischen Kapitalgesellschaft ins EU-Ausland unter Beibehaltung der deutschen Rechtsform umfasst173. Zwar wird vor dem Hintergrund der Gleichstellung juristischer Personen mit natürlichen Personen i. S. d. Art. 48 Abs. 1 EG in der Literatur zum Teil eine Gleichbehandlung der Kapitalgesellschaften mit den natürlichen Personen im Wegzugsfall postuliert. Da eine natürliche Person bei einem Umzug in das EU-Ausland nicht ihre Rechtsfähigkeit verliere, müsse das gleiche auch für eine wegziehende Gesellschaft gelten174. Solange sich allerdings der EuGH nicht eindeutig in diese Richtung äußert und auch die nationale Rechtsprechung ihre Ansicht nicht ändert, wird rein tatsächlich in der Praxis ein identitätswahrender Wegzug einer nach inländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft in Form einer Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes nicht ermöglicht. Der Vorentwurf für eine 14. EG-Richtlinie175 hinsichtlich der Verlegung des Gesellschaftssitzes in der EU beinhaltet für die Mitgliedstaaten eine Verpflichtung, eine identitätswahrende Satzungssitzverlegung zuzulassen176. Allerdings ist, wie bereits erwähnt, wegen der vorgesehenen Widerspruchsmöglichkeit wohl nur im Rahmen einer gleichzeitigen Verlegung des Verwaltungs- und Satzungssitzes eine Identitätswahrung unter einem Wechsel des Statuts möglich177. Da es, davon abgesehen, noch keine einheitliche EU-Regelung gibt, ist zur Zeit noch ausschließlich das Gesellschaftsrecht des jeweiligen Mitgliedstaats Anknüpfungspunkt. Im Rahmen einer Verlegung des Satzungssitzes von einem EU-Staat in einen anderen finden daher die verschiedenen mitgliedstaatlichen Gesellschaftsrechtsordnungen Anwendung178.
172 Vgl. 2. Teil B. III. 1. b. und die Darstellung von Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2413 ff. 173 Vgl. 2. Teil B. III. 1. a.; im Ergebnis ebenso BayObLG, BB 2004, 570, 572. 174 Buchbinder, IStR 2004, S. 216. 175 Der Vorentwurf ist abgedruckt in ZGR 1999, 157 ff. 176 Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2415. 177 Vgl. 2. Teil B. III. 3. 178 Kutt, S. 39. Nach einer Ansicht spielt es keine praktische Rolle, ob gemeinschaftsrechtlich eine Verpflichtung zur Ermöglichung der identitätswahrenden grenzüberschreitenden Sitzverlegung besteht. Das europarechtliche Diskriminierungsverbot verlange nämlich, die Umwandlung inländischer auf ausländische und ausländischer auf inländische Rechtsträger durch Gesamtrechtsnachfolge zu eröffnen, vgl. Meilicke, GmbHR 2003, S. 793, 806.
232
3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
III. Folgen für die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit Es stellt sich nun die Frage, welche steuerlichen Folgen sich im Hinblick auf die Anerkennung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft inländischen Rechts als selbständiges Subjekt der deutschen Körperschaftsteuer ergeben, wenn diesbezüglich die zivilrechtliche Wertung der Gesellschaft herangezogen wird. Vor ihrem Umzug war die Gesellschaft unproblematisch unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu subsumieren. 1. Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG Eine Einordnung der Gesellschaft unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, wie es zum Teil angenommen wird179, ist wiederum abzulehnen. Die Vertreter, welche eine solche Eingruppierung der weggezogenen deutschen Kapitalgesellschaft vornehmen, berufen sich auf das Liechtenstein Urteil des BFH vom 23.06.1992180. Der dieser finanzgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt betrifft allerdings zum einen den umgekehrten Fall, nämlich den Zuzug einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland. Für die Wegzugsvariante ergeben sich im Gegensatz zu einem Zuzug einer ausländischen Gesellschaft keine Probleme bezüglich der Einordnung unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Anders als die ausländischen Kapitalgesellschaften werden die inländischen Kapitalgesellschaften explizit als Körperschaftsteuersubjekte aufgeführt181. Zum anderen handelte es sich in dem Liechtenstein Urteil des BFH nicht um eine Verlegung des Satzungssitzes, sondern Inhalt der Entscheidung war, dass sich die Geschäftsleitung in einem anderen Staat als dem Gründungsstaat befand. Der satzungsmäßige Sitz war demgegenüber nach wie vor im Wegzugsstaat. Gegen die Qualifikation als Subjekt der Körperschaftsteuer gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG spricht weiterhin, dass eine Beurteilung der grenzüberschreitenden deutschen Kapitalgesellschaft als nichtrechtsfähiger Verein nicht möglich ist182. 2. Übereinstimmendes Ergebnis der wirtschaftlichen mit der zivilrechtlichen Betrachtungsweise Nach der strengen Zivilrechtsakzessorietät muss im Rahmen der Satzungssitzverlegung vom In- ins Ausland die nach inländischem Recht ge179 Wacht, in: Ernst & Young, § 12 Rn. 16; Rohde, S. 325 f.; Widmann, in: Widmann/Mayer, Anhang 7 Rn. 17 und 19. 180 BFH, BStBl. II 1992, 972. 181 Haase, Steuer & Studium 2003, S. 198, 202. 182 Dinkhoff, S. 252.
B. Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes ins Ausland
233
gründete Kapitalgesellschaft ebenso wie bei einer steuerlich selbständigen Beurteilung als Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingeordnet werden. Dies gilt bei einer strikten gesellschaftsrechtlichen Betrachtungsweise unabhängig davon, ob der Verlegungsbeschluss ins Ausland als Auflösungsbeschluss oder als nichtig zu behandeln ist. Wird von der Nichtigkeit des Beschlusses ausgegangen, verbleibt es bei der bisherigen Satzungsbestimmung. Beide alternativen Anknüpfungskriterien i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG befinden sich daher dieser Auffassung zufolge im Inland. Die Gesellschaft kann weiterhin unproblematisch unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG subsumiert werden, da durch die angenommene Nichtigkeit des Verlegungsbeschlusses die Rechtsfähigkeit als inländische Kapitalgesellschaft nicht verloren geht. Auch die Bewertung als Auflösungsbeschluss führt nicht zur Aberkennung der Körperschaftsteuersubjekteigenschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Die Gesellschaft verwandelt sich lediglich, jedoch ohne eine Identitätsänderung, von einem werbenden in ein auf Beendigung gerichtetes Unternehmen. Sie bleibt somit als Liquidationsgesellschaft weiterhin nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG körperschaftsteuerfähig. In zivilrechtlicher Hinsicht endet die Rechtsfähigkeit als deutsche Kapitalgesellschaft erst mit dem Abschluss der Abwicklung und der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister. Die Auflösung der Kapitalgesellschaft muss also insofern von ihrer Beendigung unterschieden werden183. Auch die Vertreter einer rein steuerlichen Bewertung gelangen zu einer ertragsteuerlichen Einstufung der Gesellschaft gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, da bei einer alleinigen Verlegung des Satzungssitzes die Geschäftsleitung, welche als alternatives inländisches Bezugsmerkmal i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG für eine Anerkennung als unbeschränkt steuerpflichtiges Steuersubjekt genügt, in Deutschland verbleibt184. Im Rahmen der Satzungssitzverlegung einer inländischen Kapitalgesellschaft ins Ausland stimmt somit der generell vorzugswürdige steuerlich eigenständige Ansatz vom Ergebnis her mit den steuerlichen Folgen überein, die sich nach einer strikten zivilrechtlichen Sichtweise ergeben. Zusammenfassend ergibt sich daher in Bezug auf grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften inländischen Rechts, dass diese auch nach der Verlegung ihrer Geschäftsleitung oder ihres Satzungssitzes ins Ausland als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu bewerten sind. Diese steuerliche Einordnung ist unproblematisch, wenn man die hier vertretene wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde legt. Jedoch ist auch bei einer Übernahme der zivilrechtlichen Wertungen eine Subsumtion unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG möglich, wenn entweder die weggezogene Gesellschaft 183 184
Dinkhoff, S. 251 f. und 257; Kutt, S. 125. Zisowski, S. 87; Deininger, IStR 2003, S. 214, 215.
234
3. Teil: KSt-Subjekteigenschaft inländischer Gesellschaften
zivilrechtlich unverändert als rechtsfähige Kapitalgesellschaft fortbesteht oder diese bei einer Wertung des Verlegungsbeschlusses als Auflösungsbeschluss als Liquidationsgesellschaft zu qualifizieren ist. Nur wenn die Kapitalgesellschaft inländischen Rechts infolge ihres Wegzugs zivilrechtlich neu eingeordnet wird, entfällt bei einer strikten zivilrechtlichen Betrachtungsweise die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit.
C. Verlegung der Geschäftsleitung und des Satzungssitzes ins Ausland Werden sowohl der Ort der Geschäftsleitung als auch der satzungsmäßige Sitz ins Ausland verlegt, so kann die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft inländischen Rechts nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG subsumiert werden. Nach § 1 Abs. 1 KStG ist nämlich Voraussetzung, dass sich entweder die Geschäftsleitung oder der Satzungssitz in Deutschland befindet. Diese Doppelverlegung führt somit zu einem Verlust der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit in Form der unbeschränkten Steuerpflicht. Allerdings können diese Gesellschaften nach ihrem Umzug Körperschaftsteuersubjekte gem. § 2 Nr. 1 KStG sein. Im Vergleich speziell zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sowie generell zur Vorschrift des § 1 Abs. 1 KStG beinhaltet § 2 Nr. 1 KStG keine abschließende Auflistung der möglichen Körperschaftsteuersubjekte. Voraussetzung ist nach § 2 Nr. 1 KStG lediglich, dass es sich um Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen handelt, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben. Erfasst werden von § 2 Nr. 1 KStG auch in Deutschland gegründete Kapitalgesellschaften, die weggezogen sind und für die wegen der Subsidiarität des § 2 Nr. 1 KStG eine Einordnung unter den Katalog des § 1 Abs. 1 KStG ausscheidet185. Nach § 2 Nr. 1 KStG erstreckt sich die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht auf inländische Einkünfte i. S. d. § 49 EStG. Dies ergibt sich aus dem Verweis in § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG, wonach sich nach den Vorschriften des Einkommensteuer- und des Körperschaftsteuergesetzes bestimmt, was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist186. Eine grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft deutschen Rechts, die ihren Satzungssitz und ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegt hat, ist beispielsweise dann beschränkt körperschaftsteuerpflichtig i. S. d. § 2 Nr. 1 KStG, wenn sie im Inland eine Betriebsstätte unterhält. Es liegen dann beschränkt steuerpflichtige Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 a EStG vor. 185
Bornheim, in: H/H/R, § 2 KStG Anm. 5, 10 und 20 f. Crezelius, DStR 1997, S. 1712, 1713; Bornheim, in: H/H/R, § 2 KStG Anm. 6 und 40. 186
4. Teil
Die Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften anhand der gemeinschaftsrechtskonformen bzw. verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG A. Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften ins Inland I. Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland unter Beibehaltung des satzungsmäßigen Sitzes im Ausland 1. Steuerliche Einordnung aufgrund gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Was den körperschaftsteuerlichen Status grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften unter Berücksichtigung des gemeinschaftsrechtlichen Einflusses anbelangt, wurde bisher nur darauf abgestellt, welche Folgen sich für die ertragsteuerliche Einordnung aus der Tatsache ergeben, dass aufgrund des Gemeinschaftsrechts eine ausländische Gesellschaft nunmehr auch im Inland zivilrechtlich als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts anzuerkennen ist. Ergebnis dieser Untersuchung war, dass – unter der Voraussetzung, dass nach ihrem Gründungsrecht die Rechtsfähigkeit der ausländischen Kapitalgesellschaft fortbesteht – die Gesellschaft bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaft selbst nach einer strikten zivilrechtlichen Betrachtungsweise als Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingestuft werden kann1. Unabhängig davon wurde aber dargestellt, weshalb generell der rein steuerliche Lösungsansatz vorzugswürdig ist2. Es stellt sich zusätzlich die Frage, ob die sich aufgrund der aktuellen EuGH-Rechtsprechung ergebende mittelbare steuerliche Konsequenz der 1 2
Vgl. 2. Teil A. I. 1. Vgl. 2. Teil A. I. 2.
236
4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
körperschaftsteuerlichen Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nicht auch angesichts des europarechtlichen steuerlichen Diskriminierungsverbots und damit aufgrund einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG geboten ist. Dies spielt insbesondere eine Rolle für diejenigen Kapitalgesellschaften, bei denen die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland mit einer Aberkennung der Rechtsfähigkeit durch ihren Gründungsstaat verbunden ist. Innerhalb des Schrifttums besteht Uneinigkeit, ob die Niederlassungsfreiheit auch in diesem Fall eingreift. Die aktuelle Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Überseering3 bezieht sich auf einen Zuzugsfall, in dem nach dem Recht des Gründungsstaates die Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts ihre Rechtsfähigkeit beibehält4. Zwar kommt die Lehre vom Rechtstypenvergleich auch in einem solchen Fall des Verlusts der Rechtsfähigkeit durch den Gründungsstaat zu einer Anerkennung als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Der BFH hat allerdings in seiner Liechtenstein Entscheidung5 die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit inländischem Ort der Geschäftsleitung als nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG körperschaftsteuerfähig qualifiziert. Für den Rechtsanwender besteht somit aufgrund der bestehenden Uneinigkeit innerhalb der Literatur, Finanzverwaltung und Rechtsprechung bezüglich der ertragsteuerlichen Einstufung der grenzüberschreitenden Gesellschaften6 Rechts- und Planungsunsicherheit. Klarheit könnte dadurch geschaffen werden, wenn ein aus der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG resultierendes steuerliches Diskriminierungsverbot zu einer Wertung der in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Kapitalgesellschaften mit deutschem Ort der Geschäftsleitung als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG führen würde. Es bestünde dann eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung, diese Gesellschaften, unabhängig davon, ob sie aus Sitz- oder Gründungstheorie-Staaten stammen, bei einem positiv ausfallenden Typenvergleich unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu subsumieren7. Im zweiten Teil der Arbeit wurde aufgezeigt, dass bereits die Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nach nationalen Maßstäben, nämlich nach wirtschaftlichen Kriterien, zu einer Erfassung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts führt. Die Einflüsse des Gemeinschaftsrechts auf das nationale Recht spielten in diesem Teil der Arbeit 3
EuGH, GmbHR 2002, 1137. Vgl. 2. Teil A. I. 2. a. 5 BFH, BStBl. II 1992, 972. 6 Vgl. 2. Teil A. I. 2. b. 7 Allerdings steht eine diesbezügliche Entscheidung des EuGH noch aus, so dass insoweit die Rechtsunsicherheit nicht vollständig beseitigt ist, vielmehr ist für eine endgültige Klärung ein entsprechendes Vorabentscheidungsverfahren und eine Entscheidung des Gerichtshofs notwendig. 4
A. Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften ins Inland
237
keine Rolle. Ausgenommen ist die Tatsache, dass die wirtschaftliche und zivilrechtliche Betrachtungsweise aufgrund der aktuellen EuGH-Rechtsprechung in einer bestimmten Fallkonstellation zum selben Ergebnis hinsichtlich der ertragsteuerlichen Einordnung gelangen. Nunmehr soll die körperschaftsteuerliche Einstufung generell vor dem Hintergrund der Vorgaben des Gemeinschaftsrechts, nämlich anhand des steuerlichen gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots, untersucht werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die zugezogenen Gesellschaften überhaupt als Körperschaftsteuersubjekte eingeordnet werden. Nach der Rechtsprechung des BFH, an der sich die Praxis orientiert, sind nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften trotz Verlustes ihrer Rechtsfähigkeit infolge der Verlegung ihres Verwaltungssitzes ins Inland als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG einzuordnen8. a) Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG Auf dem Gebiet der Steuern haben die Gemeinschaften nur eine sehr begrenzte Regelungszuständigkeit. Dies ist die Konsequenz des Souveränitätsvorbehalts, unter den die Mitgliedstaaten ihre Steuergesetzgebung und damit die Steuern als bedeutende Finanzierungsmittel der nationalen Haushalte gestellt haben9. Lediglich für die indirekten Steuern enthält der EGVertrag in Art. 93 eine Kompetenzregelung für die Gemeinschaft. Im Bereich der direkten Steuern verfügt die Gemeinschaft demgegenüber über keine ausdrückliche Zuständigkeit10. Zwar bringt die Kompetenzordnung des EG-Vertrages die nationale Steuersouveränität der Mitgliedstaaten zum Ausdruck, allerdings müssen auch die Anforderungen des europäischen Binnenmarktes beachtet werden11. Einzelne Vorschriften des direkten Steuerrechts können gegen Grundfreiheiten verstoßen und deshalb europarechtswidrig sein. Auch wenn keine Regelungskompetenz für die direkten Steuern besteht, müssen die einzelnen Regelungen auf dem Gebiet der direkten Steuern auf primärrechtlicher Ebene am Maßstab der Grund- oder Marktfreiheiten überprüft werden12. Denkbar ist, dass die ertragsteuerliche Ein8
BFH, BStBl. II 1992, 972, 973. Alber, S. 1, 26. 10 Alber, S. 1, 26 f.; Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 43 EGV Rn. 33; Cordewener, S. 4 ff. Das gemeinschaftsrechtliche Sekundärrecht deckt bislang nur einzelne Bereiche der direkten Steuern ab, vgl. dazu Cordewener, S. 10 ff., der von einem „nur bruchstückhaft entwickelten sekundären Gemeinschaftsrecht“ spricht. 11 Schön, IStR 2004, S. 289. 12 Cordewener, S. 15; Carlé, KÖSDI 2003, S. 13583; vgl. auch Knobbe-Keuk, EuZW 1991, S. 649, 650, die ausführt, dass auch die direkten Steuern der Verwirklichung der Grundfreiheiten entgegenstehen könnten. 9
238
4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
ordnung der zugezogenen Kapitalgesellschaften unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG13 anstelle von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG gegen die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG verstößt. Die Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG als eine Regelung des Gemeinschaftsrechts ist nach der Rechtsprechung des EuGH in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar14. Das Niederlassungsrecht zählt zu der Freiheit des Personenverkehrs15, welche eine der vier Grundfreiheiten darstellt16. Die Niederlassungsfreiheit als Bestandteil des EG-Rechts17 genießt einen Anwendungsvorrang gegenüber allen nationalen Rechtsnormen18. Im Verhältnis zum einfachgesetzlichen innerstaatlichen Steuerrecht zumindest besteht daran kein Zweifel19. Das nationale Recht ist daher im Kollisionsfalle zwar nicht ungültig, aber unanwendbar und muss gegenüber dem Gemeinschaftsrecht zurücktreten20. Zudem handelt es sich bei der Niederlassungsfreiheit um eine der grundlegenden Vorschriften des Gemeinschafts13
Vgl. 2. Teil A. I. 2. b. und c. Die Niederlassungsfreiheit ist seit Ablauf der Übergangsfrist am 31.12.1969 eine unmittelbar geltende Bestimmung, EuGH, Slg. 1974, 631, 652 f. 15 Herdegen, § 15 Rn. 281. 16 Zu den vier Grundfreiheiten gehören neben der Personenverkehrsfreiheit die Gewährleistungen des freien Warenverkehrs, des freien Dienstleistungsverkehrs und des freien Kapitalverkehrs. Eng verbunden mit diesen Grundfreiheiten ist die Sicherung des freien Zahlungsverkehrs, vgl. Streinz, § 12 Rn. 652; Herdegen, § 15 Rn. 281. 17 Gemeint ist das auf den 1957 geschlossenen Vertrag von Rom über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) zurückgehende Rechtssystem. Dieser Vertrag der Europäischen Gemeinschaft wird vom EuGH als supranationale „eigenständige Rechtsordnung“ mit eigenen, vom sonstigen Völkervertragsrecht abweichenden und sich fortentwickelnden Rechtsprinzipien angesehen. Durch den Vertrag von Maastricht im Jahr 1992 über die Europäische Union fand eine Ergänzung des Vertrags in einigen Bereichen statt. Des Weiteren wird auf die Vertragsänderungen von Amsterdam (1997) und Nizza (2001) verwiesen, die aber ebenfalls die relevante Grundstruktur unangetastet ließen, vgl. Cordewener, DStR 2004, S. 6. Terminologisch wird zwischen einem Europarecht im engen und weiten Sinn differenziert. Im weiteren Sinn beinhaltet das Europarecht alle zwischenstaatlichen Organisationen im Europäischen Raum sowie deren Vertragswerke. Im engeren Sinn bezieht sich das Europarecht auf das Europäische Gemeinschaftsrecht, d.h. das Recht der EU und der Gliedgemeinschaften (EG, EGKS, EAG), vgl. MüllerEtienne, S. 64. Ist zwischen dem innerstaatlich geltenden bzw. unmittelbar anwendbaren EG-Recht und dem nationalen Recht ein Widerspruch gegeben, kommt dem EG-Recht der Anwendungsvorrang zu. Dies gilt im Grundsatz auch gegenüber nationalem Verfassungsrecht. Der Anwendungsvorrang führt allerdings nicht zur Nichtigkeit der innerstaatlichen Regelung, sondern zur Nichtanwendbarkeit der Vorschrift insoweit, als der Konflikt mit dem EG-Recht besteht, vgl. Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Art. 23 Rn. 33 f. 18 Alber, S. 1, 10 und 14; Cordewener, DStR 2004, S. 6, 9. 19 Cordewener, DStR 2004, S. 6, 9. 14
A. Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften ins Inland
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rechts21. Die Niederlassungsfreiheit stellt eine Marktfreiheit dar, die zur Förderung der europäische Integration und der Schaffung eines funktionierenden Binnenmarktes beiträgt22. Die Grundfreiheiten werden vom EuGH sehr weit ausgelegt, was vor dem Hintergrund der Niederlassungsfreiheit in Anbetracht der Entscheidungen Centros23, Überseering24 und Inspire Art25 zu einer aktiven Mitgestaltung bezüglich der Entwicklung des europäischen Gesellschaftsrechts durch den EuGH geführt hat. Insoweit übernimmt er die Rolle eines „Motors der europäischen Gesellschaftsrechtsangleichung“26. Aber auch auf dem Gebiet der direkten Steuern der Mitgliedstaaten sind inzwischen einige bedeutsame Entscheidungen des EuGH ergangen, so dass Harmonisierungsmaßnahmen zumindest auf diesem Umweg stattfinden27. Der EG-Vertrag ist, wie die inzwischen reichhaltige Kasuistik des EuGH zeigt, von großer Bedeutung für die mitgliedstaatlichen Steuerrechtsordnungen28. Der EuGH hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Entscheidungen im Bereich der direkten Steuern erlassen. Er verfolgte dabei eine europafreundliche Linie mit der Konsequenz, dass die Interessen der Mitgliedstaaten oftmals zurückgedrängt wurden29. Angesichts der Einzelfallbezogenheit der Entscheidungen wird jedoch durch die EuGH-Rechtsprechung keine umfassende Neuordnung der Besteuerung initiiert. Die Aussagen des Gerichtshofs beschränken sich auf die Frage der Gemein20
Thömmes, IWB Fach 11 Gruppe 2 2003, S. 625, 626; Alber, S. 1, 10 f. und 14; Cordewener, DStR 2004, S. 6, 9. 21 EuGH, DB 2004, 686, 687 Rn. 40; EuGH, IStR 2001, 215, 216 Rn. 41; EuGH, Slg 1986, 273, 302 Rn. 13; dazu Kellersmann/Treisch, S. 136; Eilers/ Schmidt, DStR 1999, S. 1977, 1978. 22 Drüen/Thulfaut, IStR 2004, S. 499. 23 EuGH, DB 1999, 625. 24 EuGH, GmbHR 2002, 1137. 25 EuGH, EuZW 2003, 687. 26 Cordewener, DStR 2004, S. 6, 7; Merkt, RIW 2004, S. 1, 4. 27 Cordewener, S. 31. Der zunehmende Einfluss des primären Gemeinschaftsrechts in Form der Grundfreiheiten auf das Recht der direkten Steuern der EU-Mitgliedstaaten in den letzten Jahren ist einmal aus dieser verstärkten Überprüfung ertragsteuerlicher Regelungen der Mitgliedstaaten durch den EuGH erklärbar. Weitere Gründe sind der ansteigende innergemeinschaftliche Handel über die Grenzen sowie der Kurswechsel der Kommission im Jahr 1990, wodurch sie ihre zuvor sehr weitgehenden Harmonisierungsbestrebungen zugunsten des innergemeinschaftlichen Steuerwettbewerbs erheblich eingeschränkt hat, vgl. Reimer, S. 39. Die EG-Kommission hat sich auch vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips für eine Politik des Wettbewerbs der Steuersysteme entschieden, vgl. Lehner, S. 263, 281. 28 Müller-Etienne, S. 66 ff. und 86. 29 Lammersen, Steuer & Studium 2004, S. 196, 197; vgl. auch J. Hey, StuW 2004, S. 193, 194, nach der dem Europäischen Gerichtshof die zentrale Rolle im steuerlichen Integrationsprozess zukommt.
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
schaftsrechtskonformität steuerlicher Regelungen, Reformvorschläge können nicht von ihm ausgehen30. Die Einordnung unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ist unter dem Aspekt des gemeinschaftsrechtlich garantieren Niederlassungsrechts geboten, wenn die Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG für den hier untersuchten Sachverhalt, der Verlegung der Geschäftsleitung einer in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Kapitalgesellschaft nach Deutschland, bei einer im Vergleich zu den inländischen Kapitalgesellschaften abweichenden Bestimmung des körperschaftsteuerlichen Status der zugezogenen Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG verletzt ist. aa) Gemeinschaftsrechtliches Diskriminierungsverbot in steuerlicher Hinsicht In mehreren Entscheidungen hat sich der EuGH seit Mitte der achtziger Jahre mit der Frage der Europarechtskonformität mitgliedstaatlicher Vorschriften des direkten Steuerrechts beschäftigt. Den Anfang bildete die Avoir Fiscal Entscheidung vom 28.01.198631. Die meisten Entscheidungen betreffen jedoch die Frage nach der steuerlichen Diskriminierung beschränkt Steuerpflichtiger durch mitgliedstaatliche Regelungen. Die Garantie des Niederlassungsrechts i. S. d. Art. 43, 48 EG gilt nach der Rechtsprechung des EuGH somit auch für die direkten Steuern. In ständiger Rechtsprechung führt der EuGH aus, dass zwar die direkten Steuern in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fielen, die mitgliedstaatlichen Befugnisse in diesem Bereich aber nur unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausgeübt werden dürften32. Die Ausgestaltungsfreiheit der nationalen Steuerrechtsordnungen ist somit beschränkt durch die vom EG-Recht gestellten Anforderungen. Die Mitgliedstaaten müssen die Verpflichtungen, die ihnen das primäre Gemeinschaftsrecht auferlegt, auch für das jeweilige innerstaatliche Steuerrecht beachten33. Diese durch das Primärrecht für die nationalen Steuersysteme gesetzten Grenzen müssen die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber, die Verwaltungen und die Gerichte berücksichtigen34. Es besteht daher ein europarechtliches Diskriminierungsverbot auch in steuerli30
Lammersen, Steuer & Studium 2004, S. 196, 197. EuGH, Slg. 1986, 273; dazu Fock, RIW 2000, S. 42, 48; Kessler/Spengel, DB Beilage Nr. 5/2003, S. 1, 2; Müller-Etienne, S. 67. 32 EuGH, EuZW 1995, 177, 178 Rn. 21; EuGH, EuZW 1995, 703, 704 Rn. 16; EuGH, NJW 1996, 2921, 2922 Rn. 36; EuGH, IStR 2001, 215, 216 Rn. 37; EuGH, DB 2004, 686, 687 Rn. 44. 33 Kessler/Spengel, DB Beilage Nr. 5/2003, S. 1. 34 Cordewener, DStR 2004, S. 6, 9 f. 31
A. Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften ins Inland
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cher Hinsicht35. In einem anderen EU-Mitgliedstaat errichtete Kapitalgesellschaften mit inländischem Ort der Geschäftsleitung müssten daher, falls es die Niederlassungsfreiheit gebietet, mit im Inland gegründeten Kapitalgesellschaften steuerlich gleich behandelt werden. bb) Persönlicher Anwendungsbereich Das Niederlassungsrecht, das für natürliche Personen in Art. 43 EG geregelt ist, wird gem. Art. 48 EG auch auf Gesellschaften erweitert. Diese Einbeziehung berücksichtigt, dass viele Marktteilnehmer in Form von Gesellschaften agieren und das Binnenmarktziel i. S. d. Art. 14 Abs. 2 EG daher nur verwirklicht werden kann, wenn die Niederlassungsfreiheit auch auf diese Organisationsformen anwendbar ist36. Die Gesellschaften müssen aber die Voraussetzungen des Art. 48 EG erfüllen. Es muss sich um Gesellschaften handeln, die nach der Rechtsordnung eines Mitgliedstaates gegründet sind und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben. Es ist somit eine Gemeinschaftsverknüpfung der Gesellschaften in Form sowohl einer Gründungsverbindung als auch einer institutionellen Verbindung erforderlich37. Unter Sitz ist der satzungsmäßige Sitz zu verstehen. Die Hauptverwaltung befindet sich an dem Ort, an dem die unternehmerische Leitung erfolgt, die Hauptniederlassung ist der Ort des tatsächlichen Geschäftsschwerpunkts38. Diese Kriterien haben, wie die Staatsangehörigkeit bei natürlichen Personen, die Funktion, die Zugehörigkeit zu einem Mitgliedstaat zu bestimmen39. Daneben müssen die Anforderungen des Art. 48 Abs. 2 EG erfüllt werden. Hiernach werden Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts einschließlich der Genossenschaften und die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen und privaten Rechts mit Ausnahme derjenigen, die keinen Erwerbszweck verfolgen, erfasst. Einbezogen in den Schutzbereich sind nach dieser Formulierung unter anderem die Handelsgesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit im Sinne des Verständnisses des inländischen Rechts40. 35
De Weerth, IStR 1999, S. 628. Müller-Graff, in: Streinz, Art. 48 EGV Rn. 1. 37 Müller-Graff, in: Streinz, Art. 48 EGV Rn. 1. 38 Scheuer, in: Lenz/Borchardt, Art 48 EGV Rn. 2; Geiger, Art. 48 EGV Rn. 7 f. 39 EuGH, Slg 1986, 273, 304 Rn. 18; EuGH, IStR 1993, 371; EuGH, IStR 1999, 592, 594 Rn. 34 f.; EuGH, IStR 2001, 215, 216 Rn. 42; dazu Bröhmer, in: Calliess/ Ruffert, Art. 48 EGV Rn. 5; Koenig/Haratsch, Rn. 627; Kellersmann/Treisch, S. 142 und 152; Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159, 163. 40 Vgl. Müller-Graff, in: Streinz, Art. 48 EGV Rn. 2 ff., der eine am Normzweck orientierte allgemeingültige Definition für die erfassten Gesellschaften gibt, wonach 36
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
Diese Voraussetzungen des Art. 48 EG werden von den in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Kapitalgesellschaften mit inländischem Ort der Geschäftsleitung erfüllt. Der persönliche Schutzbereich ist damit für diese so genannten doppelansässigen Kapitalgesellschaften eröffnet. cc) Sachlicher Anwendungsbereich Die in Art. 43, 48 EG geregelte Niederlassungsfreiheit erfasst nur grenzüberschreitende Sachverhalte. Des Weiteren ist eine wirtschaftliche Tätigkeit erforderlich, die ihrer Art nach von der Niederlassungsfreiheit erfasst wird41. Nach der Rechtsprechung des EuGH stellt die Niederlassung die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit dar42. Voraussetzung der Niederlassung ist also die dauerhafte Eingliederung in das Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaates43. Eine dauerhafte Niederlassung erfordert eine stetige und dauerhafte Teilnahme am Wirtschaftsleben des Niederlassungsstaates44. Ein grenzüberschreitender Sachverhalt liegt bei der Verlegung einer Geschäftsleitung von einem anderen Mitgliedstaat nach Deutschland vor. Befindet sich die Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft im Inland, ist das Erfordernis einer dauerhaften Eingliederung in das Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaates erfüllt. Der sachliche Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit ist daher ebenfalls eröffnet. Erfasst werden von der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG nur Konstellationen innerhalb des von den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten gebildeten räumlichen Bereichs i. S. d. Art. 299 EG45. Diese Voraussetzung ist in Bezug auf die in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung nach Deutschland verlegen, unproblematisch erfüllt.
„. . . alle einen Erwerbszweck verfolgenden, rechtlich konfigurierten Marktakteure, die als solche im Rechtsverkehr auftreten, soweit sie keine Hoheitsrechte ausüben“, einbezogen sind. 41 Kellersmann/Treisch, S. 133 f. 42 EuGH, EuZW 1991, 764, 765 Rn. 20. 43 Micker, DB 2003, S. 2734, 2735. 44 Kellersmann/Treisch, S. 137. 45 Vgl. hierzu und zu dem sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich der Grundfreiheiten insgesamt Cordewener, DStR 2004, S. 6, 7 f.
A. Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften ins Inland
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b) Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot durch Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG Unabhängig davon, inwiefern die für in einem EU-Mitgliedstaat errichteten Kapitalgesellschaften gem. Art. 43, 48 EG bestehende Niederlassungsfreiheit ein allgemeines Beschränkungsverbot enthält46, ist damit jedenfalls ein Diskriminierungsverbot verbunden47. Das in der Niederlassungsfreiheit enthaltene Gebot der Inländergleichbehandlung ist eine Konkretisierung des in Art. 12 EG verankerten allgemeinen Diskriminierungsverbots48. Bei einer Nichteinordnung der aus anderen EU-Mitgliedstaaten zugezogenen Kapitalgesellschaften, die über eine inländische Geschäftsleitung verfügen, unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG geht es nicht um eine Beschränkung dieser Gesellschaften. Ist der Anwendungsbereich der Vorschrift für solche grenzüberschreitenden Sachverhalte nicht eröffnet, fallen nur die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG aufgezählten deutschen Kapitalgesellschaftsformen in ihren Regelungsbereich. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG differenziert dann zwischen in- und ausländischen Gesellschaften. Es geht daher um die Frage, ob eine Diskriminierung der doppelansässigen Kapitalgesellschaften vorliegt. Mit der Stellung als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 können nämlich steuerliche Vorteile verbunden sein, die einer grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft bei einer Einstufung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 oder § 3 Abs. 1 KStG vorenthalten würden. Das aus der Niederlassungsfreiheit abgeleitete gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot erfasst sowohl offene als auch versteckte Diskriminierungen49. Offene Diskriminierungen knüpfen ausdrücklich an das Kriterium der fremden Staatsangehörigkeit an50. Versteckte Diskriminierungen haben nicht das Anknüpfungsmerkmal der Staatsangehörigkeit zum Inhalt, ihre Unterscheidungsmerkmale, wie z. B. die Anknüpfung an den Herkunfts46 Vgl. zu dem gemeinschaftsrechtlichen Beschränkungsverbot die Darstellung im 4. Teil B. I. 1. a. Ein Beschränkungsverbot bedeutet, dass die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten nationalen Regelungen entgegenstehen, welche eine Zutrittsbehinderung zu einem nationalen Markt zur Folge haben, ohne zwischen inländischen und ausländischen Rechtssubjekten zu differenzieren, vgl. Kellersmann/ Treisch, S. 147. 47 Geiger, Art. 43 EGV Rn. 8 und Art. 48 EGV Rn. 10; Bröhmer, in: Calliess/ Ruffert, Art. 43 EGV Rn. 19 ff.; Streinz, § 12 Rn. 667; Koenig/Haratsch, Rn. 630; Fischer, § 16 Rn. 8. 48 Geiger, Art. 43 EGV Rn. 8; Scheuer, in: Lenz/Borchardt, Art. 43 EGV Rn. 5; Koenig/Haratsch, Rn. 630. 49 Streinz, § 12 Rn. 667; Fischer, § 16 Rn. 8 und 10; Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 43 EGV Rn. 20. 50 Koenig/Haratsch, Rn. 631; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 43 EGV Rn. 74.
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
ort, werden aber in der Regel von Ausländern nicht erfüllt51. Sie führen daher tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis wie die offenen Diskriminierungen52. Im Hinblick auf ausländische Gesellschaften kann eine mitgliedstaatliche Regelung, die an den Sitz der Gesellschaft anknüpft, je nach der Lage des Falles eine offene oder eine versteckte Diskriminierung beinhalten. Entspricht die Sitzanknüpfung einer Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit für natürliche Personen, ist eine offene Diskriminierung gegeben. Wenn demgegenüber die Sitzanknüpfung dem Merkmal des Wohnsitzes bei natürlichen Personen entspricht, liegt eine versteckte Diskriminierung vor53. Nach der Rechtsprechung des EuGH hat ein Differenzierungsmerkmal nach dem steuerlichen Sitz einer Gesellschaft eine versteckte Diskriminierung zur Folge54. Werden die nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften mit inländischem Ort der Geschäftsleitung nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, sondern unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG subsumiert, findet jedoch keine Differenzierung aufgrund des steuerlichen Sitzes der Gesellschaft statt, sondern es wird danach unterschieden, ob eine nach ausländischem oder inländischen Recht errichtete Gesellschaft vorliegt. Unter der Voraussetzung, dass tatsächlich aufgrund der unterschiedlichen ertragsteuerlichen Einordnung eine Ungleichbehandlung gegeben ist, stellt eine solche Auslegung des Gesetzes eine unmittelbare Diskriminierung dar55. Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt eine Diskriminierung unter anderem dann vor, wenn auf gleichartige Situationen unterschiedliche Vorschriften Anwendung finden56. Die Niederlassungsfreiheit verbietet daher, Kapitalgesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten schlechter zu stellen als die inländischen vergleichbaren Gesellschaften. Hinter diesem Benachteiligungsverbot steckt der Gedanke, den in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Kapitalgesellschaften die Möglichkeit zu eröffnen, sich nach den für inländische Gesellschaften des Aufnahmestaates geltenden Vorschriften niederlassen zu können, ohne sich zur Verhinderung rechtlicher Nachteile nach den Bestimmungen des Immigrationsstaates neu gründen zu müssen. Die zugezogenen Gesellschaften ausländischen Rechts müssen also wie die vergleichbaren inländischen Gesellschaften behandelt werden. Der Inhalt 51
Koenig/Haratsch, Rn. 633; Geiger, Art. 43 EGV Rn. 14. EuGH, IStR 1993, 371. 53 Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 48 EGV Rn. 41. 54 EuGH, IStR 1993, 371. Dies entspricht der Rechtsprechung des Gerichtshofs bezüglich natürlicher Personen, wonach die Differenzierung nach dem steuerlichen Wohnsitz einer natürlichen Person eine mittelbare Diskriminierung darstellen kann, vgl. EuGH, NJW 1996, 2921, 2922 f. Rn. 38 f. 55 Vgl. hierzu auch, jedoch in einem anderen Zusammenhang, Schlenker, S. 110. 56 EuGH, EuZW 1995, 703, 704 Rn. 17; EuGH, NJW 1996, 2921, 2923 Rn. 40. 52
A. Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften ins Inland
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der Niederlassungsfreiheit besteht in der Gewährung der Inländergleichbehandlung der Gesellschaft57. Dieser Gleichbehandlungsgrundsatz findet, wie bereits erwähnt wurde, auch für die direkten Steuern Anwendung58. Das aus Art. 43, 48 EG im Bereich der Niederlassungsfreiheit abgeleitete gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot gilt uneingeschränkt im Körperschaftsteuerrecht59. Aus der neueren Rechtsprechung des EuGH im Bereich des Gesellschaftsrechts werden auch steuerliche Konsequenzen gezogen. Namentlich sind die Entscheidungen des EuGH in der Rechtssache Überseering60 und Centros61 angesprochen. Im Hinblick auf das Centros Urteil sind die Auswirkungen dieser Entscheidung für das jeweilige mitgliedstaatliche internationale Gesellschaftsrecht unklar. Inwieweit der EuGH mit diesem Urteil der Sitztheorie eine Absage erteilte, ist umstritten62. Auch bezüglich der aktuelleren Überseering Entscheidung ist ein Streit über die Folgen dieser Rechtsprechung des EuGH für das internationale Privatrecht des jeweiligen Mitgliedstaats entbrannt63. Losgelöst von dieser Frage nach den Folgen der EuGH-Rechtsprechung für das deutsche internationale Privatrecht muss die steuerrechtliche inländische Behandlung selbst den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts genügen64. Bereits aus dem Centros Urteil des EuGH wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass steuerliche Diskriminierungen, die aus dem unterschiedlichen körperschaftsteuerlichen Status resultierten, gemeinschaftsrechtlich untersagt seien65. Auch das Finanzgericht Niedersachsen legte die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Centros in dem Sinne aus, dass ein steuerliches Gleichbehandlungsgebot der inländischen Kapitalgesellschaften mit den nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates gegründeten vergleichbaren Gesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung bestehe. Das europarechtliche Benachteiligungsverbot, so das Finanzgericht Niedersach57 Vgl. Scheuer, in: Lenz/Borchardt, Art. 48 EGV Rn. 3; Fock, RIW 2000, S. 42, 50; Eilers/Schmidt, DStR 1999, S. 1977, 1978. 58 Vgl. 4. Teil A. I. 1. a. aa. 59 Eilers/Schmidt, DStR 1999, S. 1977, 1978. 60 EuGH, GmbHR 2002, 1137. 61 EuGH, DB 1999, 625. 62 Dazu Streck/Mack/Schwedhelm, AG 2000, S. 128 und Fock, RIW 2000, S. 42, 44 f. 63 Vgl. 2. Teil A. I. 1. b. aa. (2) (c). 64 Fock, RIW 2000, S. 42, 52 f.; Prinz, FR 2000, S. 537, 542. 65 Vgl. Prinz, FR 2000, S. 537, 542 f.; Fock, RIW 2000, S. 42, 52 f.; Schmidt/ Sedemund, DStR 1999, S. 2057, 2062 und 2064; Streck/Mack/Schwedhelm, AG 2000, S. 128 f.
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
sen, gelte auch für das Steuerrecht66. Unter Bezugnahme auf das Überseering Urteil hat der BFH entschieden, dass steuerliche Benachteiligungen unzulässig seien67. Ebenso zieht die Literatur aus der Überseering Entscheidung des EuGH die Schlussfolgerung, dass der Zuzugsstaat ein ausländisches Unternehmen im Vergleich zu inländischen Gesellschaften nicht allein deshalb in steuerlicher Hinsicht schlechter behandeln dürfe, weil es sich um eine ausländische Gesellschaft handle68. Schließlich lassen auch die Entscheidungen des EuGH, die in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit beschränkt Steuerpflichtiger ergangen sind, Rückschlüsse auf die europarechtlich gebotene steuerliche Gleichbehandlung unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtiger Kapitalgesellschaften mit inländischem Ort der Geschäftsleitung zu. Wenn aufgrund der EuGH-Rechtsprechung eine in Deutschland gelegene Betriebsstätte einer beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat im Vergleich zu einer inländischen Gesellschaft steuerlich nicht benachteiligt werden darf, so gilt dieser steuerliche Gleichbehandlungsgrundsatz vor dem Hintergrund, dass der Verwaltungssitz und damit die Geschäftsleitung eine Betriebsstätte gem. § 12 AO bildet, erst Recht für die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates gegründeten Kapitalgesellschaften, die aufgrund ihrer inländischen Geschäftsleitung in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind69. Auch die Problematik hinsichtlich der Bestimmung des ertragsteuerlichen Status der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung ist daher vor dem Hintergrund des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots zu betrachten. Inländische Kapitalgesellschaften werden als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingestuft. Fraglich ist, ob aufgrund des europarechtlichen steuerlichen Diskriminierungsverbots auch die zugezogenen Gesellschaften in diesem Sinne eingeordnet werden müssen. Ist in diesem Punkt eine steuer66 FG Niedersachsen, UR 2000, 283, 285. Der rechtskräftige Beschluss erging zwar zu einem umsatzsteuerlichen Sachverhalt, die Ausführungen des Finanzgerichts zu dem gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot in steuerlicher Hinsicht sind jedoch allgemeingültig formuliert. 67 Vgl. Sedemund, BB 2003, S. 1362, 1363 mit Verweis auf das BFH-Urteil vom 29.01.2003, GmbHR 2003, 722, 723. Betroffen war in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt allerdings keine Kapitalgesellschaft aus einem EUMitgliedstaat, sondern eine Gesellschaft aus einem Drittstaat. Die Ausführungen des BFH lassen jedoch die Schlussfolgerung zu, dass die Niederlassungsfreiheit jede steuerliche Diskriminierung verbietet. 68 K.-R. Wagner, GmbHR 2003, S. 684, 687; vgl. auch Micker, DB 2003, S. 2734, 2736. 69 Eilers/Schmidt, DStR 1999, S. 1977, 1980 mit Verweis auf die Saint-Gobain Entscheidung des EuGH, IStR 1999, 592.
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liche Gleichbehandlung mit einer in Deutschland gegründeten Kapitalgesellschaft erforderlich, müssen auch die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat gegründet wurden, unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG subsumiert werden. Dies gilt allerdings nur bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit den inländischen Kapitalgesellschaftsformen70. Auch vor dem Hintergrund des gemeinschaftsrechtlichen Benachteiligungsverbots erfolgt eine Eingruppierung als körperschaftsteuerfähiges Subjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nur unter der Voraussetzung, dass nach dem Rechtstypenvergleich eine Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaft besteht71. Ein steuerliches Diskriminierungsverbot vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts ist auch dann gegeben, wenn aufgrund der ausländischen Rechtsordnung des Wegzugsstaates die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft verliert. Zwar muss die zugezogene Gesellschaft dann im Inland nicht als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts anerkannt werden. Sie nimmt aber dennoch durch die Verlegung ihres Verwaltungssitzes ins Inland die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG in Anspruch. Die Gesellschaft geht durch ihren Wegzug aus ihrem Gründungsstaat aufgrund der dortigen Rechtsordnung nicht unter, sondern sie besteht auch nach ihrem Zuzug im Inland fort. Wenn sie in Deutschland weiterhin geschäftlich aktiv ist, handelt es sich nicht um ein rechtliches Nullum72. Die zugezogene Gesellschaft ist zivilrechtlich im Inland als Personengesellschaft oder (kaufmännische) Einzelperson zu werten73. Entspricht die Gesellschaft von ihrer ursprünglichen Struktur und ihrem ursprünglichen rechtlichen Aufbau her einer inländischen Kapitalgesellschaft, so müssen für die zugezogene Gesellschaft und die inländischen Kapitalgesellschaftsformen dieselben steuerlichen Begünstigungen gelten. Die grenzüberschreitenden Gesellschaften können nicht einerseits nach der Rechtsprechung des BFH als unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG deklariert werden, ohne ihnen andererseits die steuerlichen Vorteile, die für 70
Zur Voraussetzung der vergleichbaren Position vgl. Lehner, S. 263, 268, der des Weiteren ausführt, dass es nach der Rechtsprechung des EuGH an diesem Erfordernis fehle, wenn es um das Verhältnis Gebietsansässiger und Gebietsfremder gehe. Vgl. zu der Frage der vergleichbaren Situation Gebietsansässiger und Gebietsfremder im Hinblick auf die direkten Steuern auch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Gerritse, FR 2003, 779. Bei der hier im Raume stehenden Frage der Diskriminierung zugezogener Kapitalgesellschaften im Falle einer Nichteinordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG spielt diese Problematik allerdings keine Rolle. Es handelt sich nämlich infolge der Grenzüberschreitung um eine ansässige Gesellschaft. 71 Schmidt/Sedemund, DStR 1999, S. 2057, 2062. 72 K. Schmidt, ZGR 1999, S. 20, 24. 73 Vgl. 2. Teil A. I. 2. c. aa.
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
Kapitalgesellschaften i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG gegeben sind und mit denen sie vergleichbar sind, zu gewähren. Vor dem Hintergrund, dass der aus der Niederlassungsfreiheit abgeleitete gemeinschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz auch für die direkten Steuern gilt, stellt sich somit die Frage, ob eine unterschiedliche ertragsteuerliche Einstufung der deutschen Kapitalgesellschaften im Vergleich zu den ausländischen Gesellschaften, welche den deutschen Kapitalgesellschaftsformen entsprechen und die ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegt haben, diesem steuerlichen Diskriminierungsverbot standhält. Konsequenz einer steuerlichen Benachteiligung wäre, dass die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften, unabhängig davon, ob sie aus einem Sitz- oder Gründungstheorie-Staat stammen, gleichfalls wie die entsprechenden deutschen Gesellschaftsformen unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu subsumieren sind. Eine Besteuerungsgleichheit wäre nur dann gegeben, wenn die an § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG anknüpfenden Steuervergünstigungen in gleicher Weise auch bei einer ertragsteuerlichen Einstufung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG gewährt würden. Eine steuerliche Diskriminierung aufgrund der eventuell mit der Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG verbundenen steuerlichen Vorteile kann sich also nur ergeben, wenn überhaupt von der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit der zugezogenen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts ausgegangen wird74. aa) Steuerliche Diskriminierung im Körperschaftsteuerrecht Die Notwendigkeit der körperschaftsteuerlichen Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ergibt sich bereits aus den mit dieser Einstufung verbundenen steuerlichen Vorteilen im Körperschaftsteuerrecht. Eine Vorschrift des Körperschaftsteuerrechts, deren Anwendbarkeit nicht nur von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht der Gesellschaft ab74 Es geht somit ausschließlich um die Frage, ob nach dem Ansatz des BFH und eines Teils der Literatur, nämlich der Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, bzw. nach einem Lösungsweg in der Literatur, wonach § 3 Abs. 1 KStG anwendbar ist, vgl. 2. Teil A. I. 2. b. cc. und c., eine gemeinschaftsrechtlich verbotene steuerliche Diskriminierung gegeben ist. Eine solche könnte wegen an § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG anknüpfender steuerlicher Vergünstigungen vorliegen, wenn bei einem körperschaftsteuerlichen Status i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG diese steuerlichen Vorteile der zugezogenen Gesellschaft vorenthalten würden. Es können sich aber auch noch weitere, d.h. nicht aus der körperschaftsteuerlichen Einordnung resultierende, steuerliche Benachteiligungen für diese Gesellschaften aufgrund der Geltung der Sitztheorie im Steuerrecht ergeben, vgl. diesbezüglich Sedemund, S. 120 ff., und zu den Konsequenzen aus der Unanwendbarkeit der zivilrechtlichen Sitztheorie im Steuerrecht S. 201: Es handelt sich um die Auswirkungen der Sitztheorie im Umsatzsteuerrecht und im Grunderwerbsteuerrecht.
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hing, sondern auch die Einordnung als Subjekt der Körperschaftsteuer i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG voraussetzte, war § 8 b KStG in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung75. Nicht alle körperschaftsteuerfähigen Gesellschaftsformen wurden danach steuerlich gleich behandelt. Im Hinblick auf die Vorschrift des § 8 b KStG a. F. ist es für die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts von Vorteil, in ertragsteuerlicher Hinsicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG subsumiert zu werden76. Konkret geht es um die steuerlichen Vergünstigungen des § 8 b Abs. 1 und Abs. 2 KStG. § 8 b Abs. 1 KStG gewährt ein Schachtelprivileg in Form einer steuerneutralen Weiterausschüttung von Gewinnen und § 8 b Abs. 2 KStG eine Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne von Schachtelbeteiligungen77. Sowohl § 8 b Abs. 1 als auch § 8 b Abs. 2 KStG a. F., d.h. vor der Änderung der Vorschrift durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.200078, erfassen dem Wortlaut nach nur unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Subjekte gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 oder 6 KStG79. Soweit die in einem anderen Mitgliedstaat gegründete Kapitalgesellschaft, die über einen inländischen Geschäftsleitungsort verfügt, als gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG körperschaftsteuerfähig beurteilt wird, war und ist sie folglich vom Anwendungsbereich dieser Regelung ausgeschlossen. In Bezug auf diese ursprüngliche Fassung des § 8 b KStG vertritt jedoch eine Ansicht in der Literatur, dass abweichend vom Wortlaut dieser Norm im Wege analoger Anwendung alle sonstigen Anrechnungskörperschaften i. S. d. § 43 KStG vom Regelungsbereich des § 8 b KStG umfasst seien80. Argumentiert wird dabei mit der Entstehungsgeschichte der Regelung81. Andere stellen sich unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben vom 17.11.1994 zu § 8 a KStG82 die Frage, ob für die unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG subsumierten doppelansässigen Kapitalgesellschaften mit inländischem Ort der Geschäftsleitung § 8 b KStG a. F. entsprechend anwendbar sei83. Nach die75 Thömmes, IWB Fach 11 a 2002, S. 631, 632; Meilicke, GmbHR 2003, S. 793, 803 f.; Sedemund, BB 2003, S. 1362, 1363; Streck/Mack/Schwedhelm, AG 2000, S. 128 f. 76 Vgl. Schmidt/Sedemund, DStR 1999, S. 2057, 2058. 77 Göttsche, DStR 1999, S. 1403, 1407; Prinz, FR 2000, S. 537, 443; Eilers/Wienands, IStR 1999, S. 289, 294 ff.; Sörgel, DB 1999, S. 2236 f. Eine Darstellung des von § 8 b Abs. 1 und Abs. 2 KStG erfassten Tatbestands vor und nach der Gesetzesänderung durch das Steuersenkungsgesetz findet sich bei Kutt, S. 54 ff. 78 BGBl. I 2000, 1422; dazu Kutt, S. 54 ff. 79 Dinkhoff, S. 222; Göttsche, DStR 1999, S. 1403, 1407. 80 Förster, DB 1994, S. 385. 81 Förster, DB 1994, S. 385. 82 BStBl. I 1995, 25, 26 Rn. 5. 83 Meilicke, BB Beilage 9 zu Heft 31/1995, S. 1, 5; Hey, FR 1995, S. 624, 625 FN 5.
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sem Schreiben erstreckt sich der Auffassung der Finanzverwaltung zufolge der Anwendungsbereich des § 8 a KStG auch auf diese zugezogenen Gesellschaften ausländischen Rechts84. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 8 b Abs. 1 und Abs. 2 KStG in seiner ursprünglichen Fassung kann dieser Ansicht, die von einer Anwendbarkeit des § 8 b KStG ausgeht, aber nicht gefolgt werden. Die nicht genannten unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekte können danach ohne Verstoß gegen den Wortlaut der Norm nicht miteinbezogen werden85. Auch der Verweis auf das BMF-Schreiben, welches hinsichtlich des § 8 a KStG auch die doppelansässigen Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegt haben, erfasst, kann nicht als Begründung für eine nicht wortlautgetreue Auslegung herangezogen werden. Zum einen regelt die Finanzverwaltung in ihrem Schreiben nur den Anwendungsbereich des § 8 a KStG. Eine Aussage bezüglich des Regelungsbereichs des § 8 b KStG ist daher nicht möglich. Zum anderen hatte die Finanzverwaltung in einer Richtlinie, nämlich A 41 Abs. 2 Satz 2 KStR, selbst festgelegt, dass § 8 b Abs. 1 KStG a. F. auf eine unbeschränkt steuerpflichtige ausländische Kapitalgesellschaft nicht anwendbar sei86. Diese materielle Konsequenz der Nichtanwendbarkeit des § 8 b Abs. 1 und Abs. 2 KStG a. F., falls der körperschaftsteuerliche Status einer in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Kapitalgesellschaft mit deutscher Geschäftsleitung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 oder § 3 Abs. 1 KStG und nicht gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG bestimmt wird, widerspricht dem steuerlichen Diskriminierungsverbot und damit der gemeinschaftsrechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit. Die Nachteile im Hinblick auf die für diese Gesellschaften nicht eingreifenden Steuerfreistellungen sind als gemeinschaftsrechtswidrig anzusehen. Aus der neueren Rechtsprechung des EuGH in Form des Centros Urteils87 und auch aus der Überseering Entscheidung88 wird unter anderem deutlich, dass eine solche steuerliche Ungleichbehandlung zwischen nach inländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften und aus anderen EU-Mitgliedstaaten zugezogenen Kapitalgesellschaften mit vergleichbarer Organisationsform dem europarechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz widerspricht89. Es besteht somit unter dem Aspekt des euro84
BMF-Schreiben, BStBl. I 1995, 25, 26 Rn. 5. Dinkhoff, S. 223; Göttsche, DStR 1999, S. 1403, 1407. 86 Vgl. Eilers/Wienands, IStR 1999, S. 289, 294. 87 EuGH, DB 1999, 625. 88 EuGH, GmbHR 2002, 1137. 89 Meilicke, GmbHR 2003, S. 793, 803 f.; Fock, RIW 2000, S. 42, 48, 50 und 52 f.; Prinz, FR 2000, S. 537, 542 f.; Eilers/Schmidt, DStR 1999, S. 1977, 1980; Schmidt/Sedemund, DStR 1999, S. 2057, 2062; vgl. auch Sörgel, DB 1999, 85
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parechtlichen Benachteiligungsverbots die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung, diese ausländischen Kapitalgesellschaften ebenfalls als körperschaftsteuerfähig i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu beurteilen, damit die Steuervergünstigungen des § 8 b Abs. 1 und Abs. 2 KStG a. F. auch diesen gewährt werden können. Da allerdings mittlerweile der Anwendungsbereich des § 8 b Abs. 1 und Abs. 2 KStG in dem Sinne geändert wurde, dass auch Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG unter den Anwendungsbereich der Norm fallen90, ist fraglich, ob die unterschiedliche Subsumtion unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 KStG überhaupt zu einer steuerlichen Diskriminierung zwischen inländischen und ausländischen Kapitalgesellschaften aus einem anderen Mitgliedstaat in Bezug auf § 8 b KStG führt. Eine Ansicht geht davon aus, dass sich nach der aktuellen Gesetzeslage, unabhängig von der ertragsteuerlichen Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG, keine unterschiedlichen materiellrechtlichen Folgen im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 8 b Abs. 1 und Abs. 2 KStG ergäben. Die Eingruppierung im Rahmen des § 1 Abs. 1 KStG habe keine praktische Bedeutung91. Dabei wird aber übersehen, dass § 8 b Abs. 1 und Abs. 2 KStG in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung in den noch offenen Fällen in dieser ursprünglichen Fassung auf diese Sachverhalte angewendet wird92. Dem gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz wird in diesen Fällen nur dann Rechnung getragen, wenn die zugezogenen Gesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG angesehen werden. Zudem muss auch berücksichtigt werden, dass teilweise die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit inländischem Ort der Geschäftsleitung unter § 3 Abs. 1 KStG eingeordnet werden93. Fraglich ist, ob eine solche Qualifizierung der zugezogenen Kapitalgesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt gem. § 3 Abs. 1 KStG den Regelungsbereich des § 8 b Abs. 1 und Abs. 2 KStG in seiner derzeitigen Fassung ebenfalls eröffnet. Voraussetzung ist nach § 8 b KStG, dass es sich um Körperschaften oder Personenvereinigungen handelt, deren Beteiligung beim S. 2236 ff., der allerdings die Anwendbarkeit des § 8 b KStG deshalb bejaht, weil aufgrund der Centros Entscheidung die Sitztheorie nicht mehr gelte. 90 Dies ergibt sich daraus, dass § 8 b KStG auch Bezüge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst. Die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG bezieht sich unter anderem auf Einnahmen aus Leistungen eines nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaftsteuersubjekts i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, vorausgesetzt dass eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit mit den Gewinnausschüttungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 besteht. 91 Haase, SteuerStud 2003, S. 198, 199 f. 92 Thömmes, IWB Fach 11 a 2002, S. 631, 632. 93 Vgl. 2. Teil A. I. 2. c. bb. und cc.
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
Empfänger zu Bezügen aus § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 oder 10 a EStG führt. Einnahmen aus Leistungen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 9 bzw. 10 a EStG scheiden aus, da diese zur Voraussetzung haben, dass ein Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 KStG oder i. S. d. § 4 KStG gegeben ist. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG verlangen ihrem Wortlaut nach die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG94, an einer Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft oder an einer bergbautreibenden Vereinigung. Fraglich ist, ob diese Aufzählung abschließender Natur ist. Nach einer Ansicht ist dies nicht der Fall für nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaften, die mit einer der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Gesellschaften vergleichbar sind95. Unklar ist aber, ob sich diese Einbeziehung der ausländischen Gesellschaften nur auf im Inland beschränkt steuerpflichtige Körperschaften bezieht oder ob auch Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung erfasst werden sollen. Teilweise wird nämlich nur auf die Rechtsprechung des BFH Bezug genommen, die im Ausland ansässige Gesellschaften betrifft96. Allerdings wird auch auf die Entscheidung des BFH vom 16.12.199897 verwiesen, in der sich der BFH auch zu unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung äußerte98. Ein Teil der Literatur drückt sich demgegenüber klarer aus und sieht auch nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung als von der Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG erfasst an99. Im Urteil vom 16.12.1998 führte der BFH bezüglich zugezogener Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung aus, dass sie, unabhängig davon, ob sie als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu beurteilen seien, jedenfalls unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften darstellten, deren Leistungen bei den Empfängern zu Bezügen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG führten100. Allerdings muss im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung berücksichtigt werden, dass auf der Grundlage des Liechtenstein Urteils des BFH101, auf das 94
Stuhrmann, in: Blümich, § 20 EStG Rn. 52. Stuhrmann, in: Blümich, § 20 EStG Rn. 52; von Beckerath, in: Kirchhof, § 20 Rn. 61; Geurts, in: Bordewin/Brandt, § 20 EStG Rn. 126. 96 So Stuhrmann, in: Blümich, § 20 EStG Rn. 52 und Geurts, in: Bordewin/ Brandt, § 20 EStG Rn. 126, die nur auf das Urteil des BFH vom 16.12.1992, BStBl. II 1992, 399, Bezug nehmen. 97 BFH, BStBl. II 1999, 437. 98 So von Beckerath, in: Kirchhof, § 20 Rn. 61. 99 Dinkhoff, S. 210 ff.; Ebenroth/Auer, RIW 1992, S. 998, 1010. 100 BFH, BStBl. II 1999, 437, 439. 101 BFH, BStBl. II 1992, 972. 95
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die Entscheidung vom 16.12.1998 Bezug nimmt102, die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 3 Abs. 1 KStG zu werten sind. Für diese Körperschaftsteuersubjekte ist, wie bereits dargestellt, der Anwendungsbereich des § 8 b KStG nunmehr eröffnet. Es stellt sich aber konkret die Frage, ob bei einer ausschließlichen Subsumtion unter § 3 Abs. 1 KStG die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EStG und damit die Regelung des § 8 b KStG ebenfalls einschlägig sind. Diesbezüglich finden sich in der Rechtsprechung des BFH keine Ausführungen. Die Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 EStG auch für unter § 3 Abs. 1 KStG subsumierte Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts kann daher nicht mit der Rechtsprechung des BFH begründet werden103, da der BFH bislang nicht auf die Vorschrift des § 3 Abs. 1 KStG allein abgestellt hat, sondern in erster Linie auf § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG104. Die besseren Argumente sprechen dafür, dass bei einer steuerlichen Eingruppierung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft unter § 3 Abs. 1 KStG die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG und damit auch § 8 b KStG nicht anwendbar sind. Die steuerliche Kapitalgesellschaft i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und diejenige des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sind begriffsidentisch. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG dient unter anderem für die Normen des Körperschaftsteuergesetzes als Legaldefinition der Kapitalgesellschaft. Der Begriff der Kapitalgesellschaft im steuerlichen Sinne muss aber darüber hinaus insgesamt im Hinblick auf zugezogene Kapitalgesellschaften einheitlich ausgelegt werden105. Wird die Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung, die mit einer inländischen Kapitalgesellschaftsform vergleichbar ist, unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingestuft, werden Widersprüche vermieden, da § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG dann unproblematisch Anwendung finden. Demgegenüber muss sich die Ansicht, die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften trotz einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG genannten Körperschaftsteuersubjekten einerseits unter § 3 Abs. 1 KStG einordnet, diese aber andererseits als vom Regelungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EStG erfasst ansieht, den Vorwurf der Inkonsequenz entgegenhalten lassen. Angesichts der Diskussion über die ertragsteuerliche Einordnung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft ist somit auch nach der aktuellen Gesetzesfassung die Nichtanwendbarkeit steuerlicher Privilegien in Form 102 103 104 105
BFH, BStBl. II 1999, 437, 438. So aber Dinkhoff, S. 210 ff. Vgl. 2. Teil A. I. 2. b. cc. Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 34 f., 76, 89 und 125.
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
des § 8 b Abs. 1 und Abs. 2 KStG hinsichtlich der Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung denkbar. Die daraus resultierende Folge eines gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbotes ist daher nicht nur bezogen auf die Altfälle, sondern auch für gegenwärtige Sachverhalte, nicht beseitigt. bb) Steuerliche Diskriminierung im Einkommensteuerrecht (1) § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG Des Weiteren spielt die ertragsteuerliche Wertung als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG für die Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG eine Rolle. Werden die einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbaren grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG qualifiziert, fallen sie auch unter die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Zwar eröffnen nach einer Ansicht auch die Leistungen anderer als der in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Personenvereinigungen den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG106. Die finanzgerichtliche Rechtsprechung hat für eine inländische Körperschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 KStG entschieden, dass deren Mitglieder unter bestimmten Voraussetzungen Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG haben könnten107. Ebenso hat der BFH den Anwendungsbereich für nach ausländischem Recht errichtete Personenvereinigungen als eröffnet angesehen, wenn die Beteiligung daran mit derjenigen an einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbar sei. Entscheidend sei, so der BFH, ob die ausländische Personenvereinigung wie eine juristische Person körperschaftlich strukturiert sei und ob die Beteiligung an ihr (abstrakt gesehen) das Vermögensrecht mitumfasse, an Gewinnausschüttungen und an der Auskehrung des Liquidationserlöses beteiligt zu werden108. Der Entscheidung lag jedoch ein Fall der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht zugrunde, der sich nicht ohne weiteres auf die hier untersuchte unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht ausländischer Gesellschaften übertragen lässt. Allerdings hat der BFH mit Urteil vom 16.12.1998 auch zur Problematik zugezogener Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung ausgeführt, dass sie, unabhängig davon, ob sie als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu werten seien, jedenfalls eine unbeschränkt 106 107 108
Vgl. 4. Teil A. I. 1. b. aa. BFH, BFHE 177, 86. BFH, BFHE 170, 354, 358; vgl. auch BFH, BFHE 100, 369.
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steuerpflichtige Körperschaft darstellten, deren Leistungen bei den Empfängern zu Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG führten109. Konsequenterweise müssten aber die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts auf der Grundlage des Liechtenstein Urteils des BFH110 auch von der Rechtsprechung nunmehr dem Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG zugeordnet werden111. Die Vorschrift ist mit dem Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000112 eingeführt worden. Von dieser Bestimmung werden explizit die Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG erfasst. Werden die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung als Steuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG beurteilt, ist eine erweiternde Auslegung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG angesichts der eindeutigen Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG nicht mehr notwendig. Zudem ist von einem einheitlichen Begriffsverständnis der Kapitalgesellschaft im steuerlichen Sinne auszugehen113, so dass § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nur einschlägig ist, wenn eine unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG subsumierbare Gesellschaft vorliegt. Werden die doppelansässigen Kapitalgesellschaften somit nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingeordnet, ist auch § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht anwendbar. Eine Nichtanwendbarkeit des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist aber mit einer steuerlichen Diskriminierung verbunden. Nach § 3 Nr. 40 a EStG sind Betriebsvermögensmehrungen und Einnahmen aus der Veräußerung von Anteilen an Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören, zur Hälfte steuerfreie Einnahmen, soweit diese Betriebsvermögensmehrungen und Einnahmen Einkünfte aus den Gewinneinkunftsarten i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG sind114. Der fragliche Anteil muss also zu einem gewerblichen, selbständigen oder land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehören115. Der Veräußerung gleichgestellte Vorgänge sind die Entnahme von Anteilen, die Auflösung einer Gesellschaft und die Herabsetzung von deren Nennkapital sowie eine Wertzuschreibung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG116. Steuerbegünstigt ist nach § 3 Nr. 40 b EStG 109
BFH, BStBl. II 1999, 437, 439. BFH, BStBl. II 1992, 972. 111 Sedemund, S. 116. 112 BGBl. I 2000, 1433. 113 Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 35, 76, 89 und 125. 114 von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 3 Nr. 40 Rn. B 40/90 und B 40/130; ders., in: Kirchhof, § 3 Rn. 118; Intemann, in: H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Anm. 101. 115 Intemann, in: H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Anm. 113. 110
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
auch die Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören, wenn die Übertragung im Rahmen einer Veräußerung eines Betriebs gem. § 16 EStG stattfindet117. Durch § 3 Nr. 40 b EStG wird demzufolge auch die mittelbare Beteiligungsveräußerung begünstigt118. Für das Eingreifen des § 3 Nr. 40 a und b EStG ist erforderlich, dass es sich um Anteile an Körperschaften i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG handelt119. Werden die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG subsumiert, ist, wie dargestellt, auch § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht anwendbar mit der Folge, dass den Anteilseignern die steuerlichen Vergünstigungen i. S. d. § 3 Nr. 40 a und b EStG verwehrt bleiben120. Die steuerlichen Vergünstigungen für den Anteilseigner hängen somit von einer Einstufung der zugezogenen Kapitalgesellschaft unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ab. Wird diese grenzüberschreitende Gesellschaft trotz ihrer Vergleichbarkeit mit den deutschen Kapitalgesellschaften als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 oder § 3 Abs. 1 KStG qualifiziert mit der Konsequenz, dass § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG keine Anwendung findet, hat dies negative Folgen für die Niederlassungsfreiheit der betreffenden Gesellschaft. Da in Bezug auf diese zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts § 3 Nr. 40 a und b EStG nicht anwendbar ist, ist diese Gesellschaft für die Anteilseigner 116
Intemann, in: H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Anm. 102; von Beckerath, in: Kirchhof, § 3 Rn. 119. 117 Intemann, in: H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Anm. 117. 118 von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 3 Nr. 40 Rn. B 40/149; Intemann, in: H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Anm. 117. 119 Mit der Formulierung des § 3 Nr. 40 a EStG, dass die „Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören“, wird nur der Kreis der begünstigten Anteile definiert. Das Tatbestandsmerkmal ist rein abstrakt zu verstehen, da rein tatsächlich Einkünfte aus Land- und Fortswirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit vorliegen müssen, vgl. Intemann, in: H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Anm. 104; von Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 3 Nr. 40 Rn. B 40/94. Auch im Rahmen des § 3 Nr. 40 b EStG hat dieses Tatbestandsmerkmal als Voraussetzung, dass die Körperschaft abstrakt Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG vermittelt, vgl. Intemann, in: H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Anm. 130. 120 Von § 3 Nr. 40 d EStG sind demgegenüber nicht nur Bezüge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, sondern auch Einnahmen i. S. d. 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG steuerbegünstigt. Bei einer Einstufung der zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG greift demzufolge für die Anteilseigner einer solchen Gesellschaft § 3 Nr. 40 d EStG ein. Nur wenn die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ertragsteuerlich i. S. d. § 3 Abs. 1 KStG eingeordnet werden, sind die Anteilseigner von dieser hälftigen Steuerbefreiung ausgeschlossen.
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weniger attraktiv als eine nach inländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft. Der nicht eröffnete Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, der aus einer Versagung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG resultiert, hat also negative Auswirkungen auf die ausländische Kapitalgesellschaft. Diese erscheint weniger interessant als eine vergleichbare inländische Gesellschaft. Mit der Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland hat die Gesellschaft allerdings von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch gemacht und kann daher verlangen, nicht gegenüber vergleichbaren inländischen Gesellschaften schlechter gestellt zu werden. Die zugezogene Gesellschaft muss somit als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingeordnet werden. Nur dann ist der Regelungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und damit auch derjenige des § 3 Nr. 40 a und b EStG eröffnet. (2) § 43 b EStG Weiterhin kann als Grund für eine Einstufung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG vor dem Hintergrund des gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, der auch in steuerlicher Hinsicht gilt, angeführt werden, dass andernfalls eine Benachteiligung für die in einem anderen EU-Staat gegründeten Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung durch die Nichtanwendbarkeit des § 43 b Abs. 1 EStG gegeben ist121. Hiernach wird auf Antrag die Kapitalertragsteuer für Kapitalerträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, die einer Muttergesellschaft, die weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland hat, aus Ausschüttungen einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zufließen, nicht erhoben. Die Tochtergesellschaft muss also eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sein122. Zwar erstreckt § 43 b Abs. 4 EStG die Vergünstigung des § 43 Abs. 1 EStG auch auf die Ausschüttungen anderer unbeschränkt steuerpflichtiger Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG. Voraussetzung ist allerdings, dass der Staat der Muttergesellschaft dieser für Gewinnausschüttungen eine Steuerbefreiung oder -anrechnung gewährt und auch seinerseits Gewinnausschüttungen entsprechend von der Kapitalertragsteuer befreit123. Dieses Erfordernis entfällt bei Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG124. 121 Vgl. hierzu auch Fock, RIW 2000, S. 42, 48, allerdings noch bezogen auf die alte Regelung des § 44 d EStG. 122 von Beckerath, in: Kirchhof, § 43 b Rn. 2. 123 von Beckerath, in: Kirchhof, § 43 b Rn. 11. 124 Fock, RIW 2000, S. 42, 48.
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
Die Begünstigung ist darin zu sehen, dass die Kapitalertragsteuer auf Antrag nicht erhoben wird125. Wird die zugezogene Gesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG eingeordnet, entfällt dieser steuerliche Vorteil, wenn nicht § 43 b Abs. 4 EStG eingreift. Eine steuerliche Diskriminierung ist für die zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts, die mit der Verlegung ihrer Geschäftsleitung nach Deutschland von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch gemacht hat, damit gegeben126. Keine Rolle spielt, dass nach § 44 Abs. 1 Satz 1 EStG der Gläubiger der Kapitalerträge und damit die Muttergesellschaft der Schuldner der Kapitalertragsteuer ist. Aufgrund des wirtschaftlichen Verbundes wirkt sich der Ausschluss dieses steuerlichen Vorteils auch auf die Tochtergesellschaft aus. Der innerhalb des Verbundes nicht anwendbare § 43 b Abs. 1 EStG und die deshalb geschuldete Kapitalertragsteuer führt zu einem Liquiditätsabfluss außerhalb des Verbundes. cc) Steuerliche Diskriminierung im Gewerbesteuerrecht Bei einer Einstufung der zugezogenen Kapitalgesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 oder § 3 Abs. 1 KStG ergibt sich eine weitere steuerliche Diskriminierung aufgrund der Versagung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs. Nach § 9 Nr. 2 a GewStG zählen Gewinnanteile an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft i. S. d. § 2 Abs. 2 GewStG unter bestimmten Voraussetzungen nicht zum Gewerbeertrag. Dies hat zur Folge, dass die Steuerbemessungsgrundlage und somit die effektive Steuer entsprechend geringer sind127. Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG und die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sind, was die Begrifflichkeit der Kapitalgesellschaft anbelangt, identisch. Das Tatbestandsmerkmal der steuerlichen Kapitalgesellschaft i. S. d. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG wird gleich lautend mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG definiert128. Werden die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts trotz ihrer Vergleichbarkeit mit den inländischen Kapitalgesellschaftsformen nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG subsumiert, ist angesichts der gegebenen Begriffsidentität für diese ausländischen Gesellschaften auch § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG nicht anwendbar. Die Folge ist eine gemeinschaftsrechtlich untersagte steuerliche Ungleichbehandlung der dop125
von Beckerath, in: Kirchhof, § 43 b Rn. 3. Ebenso liegt bei einer aus der Nichteinordnung als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG resultierenden Nichtanwendung des § 43 b EStG ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie, ABl. EG 1990 L 225, 6, 7, vor, vgl. Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 35. 127 Vgl. auch Sedemund, S. 119. 128 Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 34 und 89. 126
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pelansässigen Kapitalgesellschaften. Für diese greift auch nicht das Schachtelprivileg des § 9 Nr. 7 GewStG ein129, da hierfür Voraussetzung ist, dass sich die Geschäftsleitung und der Sitz im Ausland befinden. Aufgrund dieser steuerlichen Benachteiligung der zugezogenen Kapitalgesellschaft bei einer Einordnung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG muss wegen des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbotes die Gesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG bewertet werden. Erfolgt eine solche Einordnung, finden § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG130 und damit § 9 Nr. 2 a GewStG Anwendung131. dd) Steuerliche Diskriminierung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht Auch vor dem Hintergrund des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts hat eine Einordnung der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu erfolgen132. Anteile an Kapitalgesellschaften stellen nämlich unter der Voraussetzung, dass diese zum Zeitpunkt der Steuerentstehung Sitz oder Geschäftsleitung im Inland haben, im erbschaft- und schenkungsteuerlichen 129
Vgl. auch Sedemund, S. 119. Siehe zur Problematik der Eröffnung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift bezüglich zugezogener Kapitalgesellschaften 5. Teil C. 131 Im Ergebnis muss auch nach Sedemund, S. 201, § 9 Nr. 2 a GewStG ebenso für doppelansässige Kapitalgesellschaften anwendbar sein. Dies ergibt sich aber wohl aufgrund der von ihm untersuchten Konsequenzen der generellen Unanwendbarkeit der Sitztheorie im Steuerrecht. 132 Sedemund, S. 123 ff., untersucht die steuerlichen Diskriminierungen im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht nicht vor dem Hintergrund der nicht erfolgten Einordnung doppelansässiger Kapitalgesellschaften i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, sondern auf der Grundlage der Anwendung der Sitztheorie im Steuerrecht. Er kommt zu dem Ergebnis, dass unter Zugrundelegung der Sitztheorie im Erbschaftund Schenkungsteuerrecht zum einen eine haftungsrechtliche Benachteiligung der zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts gegeben sei. Während deren Gesellschafter im Falle einer erbschaftsteuerlich relevanten Zuwendung an die Gesellschaft für den vollen Betrag der Steuerschuld haften müssten, sei im Rahmen eines rein inländischen Sachverhaltes die Haftung der Kapitalgesellschaft auf das Vermögen der Gesellschaft als solcher begrenzt. Zum anderen sieht er eine Diskriminierung der doppelansässigen Kapitalgesellschaft darin, dass die gesetzlichen Besteuerungsmilderungen gem. §§ 13 a, 19 a ErbStG bei der Übertragung eines Anteils nicht gewährt würden. Diese könnten nur dann eingreifen, wenn es sich um Betriebsvermögen handle. Dies sei auf der Grundlage des Liechtenstein Urteils des BFH, der unter Anwendung der Sitztheorie eine Gleichsetzung mit einem nichtrechtsfähigen Verein vollzogen habe, zu verneinen. Nicht betrachtet wird dagegen die steuerliche Benachteilung, die daraus resultiert, dass bei Nichtanwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG auch keine steuerbegünstigte steuerliche Kapitalgesellschaft i. S. d. §§ 13 a, 19 a KStG vorliegt. 130
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Sinne begünstigtes Vermögen dar. Nach § 13 a Abs. 1, Abs. 4 Nr. 3 ErbStG wird ein Freibetrag in Höhe von 225.000,00 Euro gewährt. Anschließend wird ein 35%iger Bewertungsabschlag gem. § 13 a Abs. 2 ErbStG vorgenommen und schließlich findet noch der Entlastungsbetrag nach § 19 a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 ErbStG Anwendung133. Für diese steuerlichen Vorteile ist Voraussetzung, wie gesagt, dass eine Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland vorliegt. Über eine inländische Geschäftsleitung verfügt die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft. Eine doppelte Inlandsanbindung ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht Voraussetzung. Fraglich ist aber, ob solche Gesellschaften, die eine deutsche Geschäftsleitung haben, als Kapitalgesellschaften i. S. d. ErbStG zu bewerten sind134. Der Begriff der Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ist identisch mit demjenigen der §§ 13 a, 19 a ErbStG135. Zwar enthalten die Regelungen des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes keine Begriffsbestimmung der Kapitalgesellschaft wie § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Allerdings findet sich für das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht eine Legaldefinition der Kapitalgesellschaft in §§ 11 Abs. 2 Satz 1, 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG136. Nach diesen Vorschriften entspricht der Kreis der Kapitalgesellschaften demjenigen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Dies hat zur Folge, dass bei einer Nichteinordnung der zugezogenen, einer inländischen Kapitalgesellschaftsform entsprechenden Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG wegen der identischen Begriffsdefinition auch keine Einstufung als Kapitalgesellschaft gem. §§ 11 Abs. 2 Satz 1, 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG und damit i. S. d. §§ 13 a, 19 a ErbStG möglich 133
Schnitger, FR 2004, S. 185, 190 f. Wachter, GmbHR 2004, S. 88, 95, führt diesbezüglich aus, dass es noch nicht abschließend geklärt sei, ob die Vergünstigungen auch für die Übertragung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung gelten. Nach der Ansicht Dautzenbergs, StuB 2003, S. 405, 408, ist der Anwendungsbereich dieser Vorschriften des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts eröffnet. Die Regelungen knüpften an das Vorhandensein unbeschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften an. Um solche handle es sich bei ausländischen Kapitalgesellschaften, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt hätten. Es geht vorliegend aber nicht darum, die Folgen der Einordnung einer zugezogenen Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG auf dem Gebiet des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts darzulegen, sondern es soll dargestellt werden, dass unter Zugrundelegung des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots die Wertung als Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erfolgen muss. 135 Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 35; vgl. auch Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, § 13 a Rn. 231, nach dessen Ansicht es sich bei den Kapitalgesellschaften i. S. d. § 13 a ErbStG um die gem. § 1 Abs. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Kapitalgesellschaften handelt. 136 Hübner, in: Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, § 13 a ErbStG Rn. 64. 134
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ist. Die erbschaft- bzw. schenkungsteuerlichen Vergünstigungen knüpfen somit an eine Einstufung der Gesellschaft gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG an. Wird eine in einem ausländischem EU-Staat gegründete Kapitalgesellschaft trotz ihrer Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaftsform nicht unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG und folglich auch nicht als Kapitalgesellschaft im erbschaft- und schenkungsteuerlichen Sinn eingeordnet, hat dies Auswirkungen auf die Niederlassungsfreiheit dieser grenzüberschreitenden Gesellschaft137. Diese ist wegen der Versagung der steuerlichen Vergünstigungen und der dadurch verbundenen geringeren Attraktivität im Hinblick auf den Erwerb von Beteiligungen im Vergleich zu inländischen Kapitalgesellschaften schlechter gestellt. Eine steuerliche Gleichbehandlung bestünde nur dann, wenn sich die Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts nach den Vorgaben des deutschen Rechts neu konstituieren würden. Durch die Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland machen die Gesellschaften aber von ihrem Niederlassungsrecht Gebrauch und unterliegen dem steuerlichen Diskriminierungsverbot. Dies gilt auch in erbschaft- und schenkungsteuerlicher Hinsicht, was sich aufgrund der aktuellen Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Barbier vom 11.12.2003138 ergibt. In diesem Urteil hat der Gerichtshof erstmals darüber entschieden, dass auch das Erbschaftsteuerrecht an den Grundfreiheiten zu messen ist139. 137
Vgl. auch Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 35. EuGH, DStRE 2004, 93. 139 Höninger, INF 2004, S. 335, 336; Wachter, DStR 2004, S. 540; Schnitger, FR 2004, S. 185. Die deutsche Rechtsprechung hat die Gemeinschaftsrechtskonformität in der Regel wegen fehlender wirtschaftlicher Betätigung im Hinblick auf die Erbeinsetzung nicht in Frage gestellt, vgl. FG München, DStRE 2004, 339, 340; FG Düsseldorf, EFG 1996, 1166, 1168. Das FG Rheinland-Pfalz, ZEV 2003, 170, 171, erblickte in der Begünstigung nur des inländischen Betriebsvermögens wegen der Rechtfertigungsmöglichkeit ebenfalls keinen Gemeinschaftsrechtsverstoß. Die Frage der Eröffnung des Schutzbereichs der Grundfreiheiten sowie ihrer Verletzung im Hinblick auf Regelungen des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts ist von der Literatur in der Vergangenheit ebenfalls diskutiert worden, vgl. hiezu Müller-Etienne, S. 127 ff. und 199 ff.; Schnitger, FR 2004, S. 185, 186 ff.; Busch, IStR 2002, S. 448, 449 ff.; dies., IStR 2002, S. 475 ff.; Dautzenberg/Brüggemann, BB 1997, S. 123 ff. Mittelpunkt der Diskussion und auch des EuGH-Urteils sind aber die Grundfreiheitsberechtigung der von der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer unmittelbar Betroffenen und weniger diejenige des der Steuer unterliegenden Vermögens. Auch diesbezüglich können aber die Grundfreiheiten einschlägig sein. Im hier relevanten Fall wird von der Perspektive der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft aus die Frage der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit im Hinblick auf die Versagung der steuerlichen Begünstigungen gestellt. Auf das Halten der Anteile an einer solchen Gesellschaft wird demgegenüber nur insofern abgestellt, als infolge einer Verweigerung der Gewährung der steuerlichen Vorteile die zugezogene Kapitalgesellschaft im Vergleich zu nach inländischem Recht gegründeten Kapital138
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
ee) Steuerliche Diskriminierung im Umwandlungssteuerrecht Eine aus Gründen des europarechtlichen Diskriminierungsverbotes notwendige Eingruppierung der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung ergibt sich auch infolge der Vorschrift des § 20 UmwStG. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG kann die Rolle des aufnehmenden Rechtsträgers nur eine Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG übernehmen. § 20 Abs. 1 Satz 1 UmwStG nimmt somit ausdrücklich auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Bezug. Ein körperschaftsteuerlicher Status gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 oder § 3 Abs. 1 KStG reicht daher nicht aus, um den Anwendungsbereich des § 20 UmwStG für die Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung zu eröffnen, wenn diese als Empfängerin der Sacheinlage auftritt. Die zugezogene Kapitalgesellschaft würde daher bei einer Einstufung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG wegen der nicht gewährten Steuerneutralität steuerlich diskriminiert140.
gesellschaften weniger interessant erscheint. Verlegt eine ausländische Kapitalgesellschaft ihre Geschäftsleitung ins Inland, kann sie die Niederlassungsfreiheit geltend machen und muss wegen der gemeinschaftsrechtlich geforderten steuerlichen Gleichbehandlung dieselbe steuerliche Behandlung erfahren wie vergleichbare inländische Kapitalgesellschaften. Werden nur letztere als Kapitalgesellschaften i. S. d. §§ 13 a Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4 Nr. 3, 19 a Abs. 2 Nr. 3 ErbStG gewertet, sind die zugezogenen Kapitalgesellschaften weniger attraktiv und werden insofern auch in steuerlicher Hinsicht diskriminiert. Allerdings müsste auch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung in der Rechtsprechung des EuGH unter dem Aspekt der Kapitalverkehrsfreiheit i. S. d. Art. 56 EG, wonach im Erbschafts- bzw. Schenkungsfalle die Übertragung der Anteile an solchen zugezogenen Gesellschaften wohl ebenso wie die Übertragung der Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften zu besteuern ist, eine Einordnung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erfolgen. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Barbier vom 11.12.2003, DStRE 2004, 93, in welcher der Gerichtshof erstmals im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht die Gemeinschaftsrechtskonformität der Ungleichbehandlung nationaler und grenzüberschreitender Sachverhalte überprüfte und für den ihm vorgelegten Fall verneinte, hat nämlich auch Auswirkungen auf einige Vorschriften des innerstaatlichen Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts, vgl. generell zu den Konsequenzen Wachter, DStR 2004, S. 540, 542 f.; Schnitger, FR 2004, S. 185, 188 ff.; Höninger, INF 2004, S. 335, 336 ff. 140 Vgl. hierzu Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 124 ff.; Sedemund, S. 112 und 114 f. und Schön, IStR 2004, S. 289, 298. Wird die doppelansässige Kapitalgesellschaft steuerlich als Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG qualifiziert, kann sie auch einbringende Gesellschaft i. S. d. § 23 UmwStG sein.
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c) Rechtfertigung Fraglich ist, ob für diese genannten steuerlichen Schlechterstellungen bei Einordnung der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG nach der EuGH-Steuerrechtsprechung ein Rechtfertigungsgrund eingreift. Der Gerichtshof hat im Bereich des Steuerrechts nur in seltenen Ausnahmefällen einen Rechtfertigungsgrund angenommen141. Generell können zwei Gruppen von Rechtfertigungsgründen unterschieden werden, nämlich die im EG-Vertrag bei den jeweiligen Grundfreiheiten explizit genannten Rechtfertigungsmöglichkeiten sowie die im Vertrag nicht aufgeführten zwingenden Gründe des Allgemeininteresses142. Es stellt sich daher die Frage, wo die Trennlinie zwischen den geschriebenen und ungeschriebenen Rechtfertigungsgründen verläuft. In einigen Entscheidungen führte der EuGH aus, dass hinsichtlich nichtdiskriminierender Maßnahmen eine Rechtfertigung möglich sei, wenn diese zwingenden Gründen des Allgemeininteresses entsprächen und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz standhielten143. Allerdings überprüfte der Gerichtshof in anderen Entscheidungen diskriminierende Maßnahmen am Maßstab der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses144. Im Urteil vom 21.09.1999 in der Rechtssache Compagnie de Saint Gobain beispielsweise kombinierte der EuGH sogar die geschriebenen und ungeschriebenen Rechtfertigungsmöglichkeiten145. Aufgrund dieser uneinheitlichen EuGH-Rechtsprechung ist eine klare Differenzierung dahingehend, dass die ausdrücklich genannten Rechtfertigungsgründe bei einer Diskriminierung und die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses bei einer Beschränkung einschlägig sind, nicht möglich146. In Bezug auf die mit der ertragsteuerlichen Einordnung als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG verbundenen steuerlichen Nachteile ist daher eine Rechtfertigungsprüfung sowohl auf der Grundlage des ausdrücklich genannten Rechtfertigungsgrundes als auch am Maßstab der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses vorzunehmen. Für den Bereich der Niederlassungsfreiheit sieht Art. 46 Abs. 1 EG eine Rechtfertigungsmöglichkeit vor. Art. 46 Abs. 1 EG ist entsprechend auf Ge141
Vgl. von Thiel/Achilles, IStR 2003, S. 553, 556. Kellersmann/Treisch, S. 160. 143 EuGH, EuZW 1996, 92, 95 Rn. 37; EuGH, DB 1999, 625, 626 Rn. 34; EuGH, EuZW 2001, 282, 284 Rn. 28. 144 EuGH, EuZW 1997, 443, 444 Rn. 26; EuGH, IStR 1999, 592, 595 f. Rn. 43 und 50. 145 EuGH, IStR 1999, 592, 596 Rn. 50. 146 Koenig/Haratsch, Rn. 647; Kellersmann/Treisch, S. 161 ff. 142
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
sellschaften i. S. d. Art. 48 EG anwendbar147. Danach können Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sein148. Diese Gründe liegen aber bei einer körperschaftsteuerlichen Einstufung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG anstatt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nicht vor149. Hinsichtlich der ungeschriebenen zwingenden Gründe des Allgemeinwohls ist nach der Rechtsprechung des EuGH generell Voraussetzung für eine Rechtfertigung, dass ein legitimes Ziel verfolgt wird, das mit dem EGVertrag vereinbar ist und durch zwingende Gründe des öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist. Des Weiteren muss die Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein und darf nicht über das hierzu erforderliche Maß hinausgehen150. Bislang hat der EuGH in seiner Rechtsprechung zu den direkten Steuern nur wenige vorgetragene Argumente als zwingende Gründe des Allgemeininteresses akzeptiert151. Es handelt sich um die Missbrauchsbekämpfung, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle, die Kohärenz der steuerlichen Regelung sowie das Prinzip der Territorialität152. Was den Aspekt der Bekämpfung der Steuerhinterziehung anbelangt, so stellt dieser zwar grundsätzlich nach der Ansicht des EuGH einen tauglichen Rechtfertigungsgrund dar153. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich des direkten Steuerrechts wurde bisher allerdings noch kein einziges Mal eine Rechtfertigung auf dieser Grundlage festgestellt. Dies ist Konsequenz der strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung des EuGH154. Die generelle Einordnung unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG ist somit nach diesem Grundsatz nicht zu rechtfertigen. Eine pauschale Diskrimi147
Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 48 EGV Rn. 43. Eine Konkretisierung dieser Begriffe findet sich in der Richtlinie 64/221/ EWG vom 25.02.1964, ABl. EG 1964, 850; vgl. Strahl/Bauschatz, IStR 2004, S. 367, 370; Koenig/Haratsch, Rn. 650. 149 Die Bestimmung des Art. 46 EG kann keinen Eingriff zum Schutz des Fiskus rechtfertigen, vgl. Sandrock, BB 2003, S. 2588, 2589. 150 EuGH, EuZW 1996, 92, 95 Rn. 37; EuGH, EuZW 1997, 443, 444 Rn. 26; EuGH, EuZW 2001, 282, 284 Rn. 26. 151 Eine Aufzählung erfolglos vorgebrachter Rechtfertigungsargumente findet sich z. B. bei Körner, IStR 2004, S. 253, 261; von Thiel/Achilles, IStR 2003, S. 553, 556 f. und Kellersmann/Treisch, S. 165 f. Beispielsweise sind rein wirtschaftliche Ziele, die Vermeidung von Steuermindereinnahmen, die mangelnde Harmonisierung, Ermittlungsschwierigkeiten sowie die Unbedeutsamkeit und Vermeidbarkeit des Nachteils keine tauglichen Rechtfertigungsgründe. 152 Vgl. dazu Körner, IStR 2004, S. 253, 261 ff. 153 EuGH, IStR 2003, 23, 26 Rn. 51. 154 EuGH, IStR 2003, 23, 27 Rn. 62 f.; dazu Körner, IStR 2004, S. 253, 262; ders., IStR 2004, S. 424, 425. 148
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nierung ist unzulässig. Das deutsche Steuerrecht enthält mit der Regelung des § 42 Abs. 1 AO ein eigenständiges und effektives Instrument, um missbräuchlichen Gestaltungen steuerlicher Sachverhalte zu begegnen. Die Folgen, die sich auf der Basis dieser Bestimmung ergeben, sind weniger einschneidend als die Konsequenzen, die aus der Anwendung der Sitztheorie bei der Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit resultieren155. Das Prinzip der Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle hat der Gerichtshof bislang erst in einer Rechtssache als zur teilweisen Rechtfertigung ausreichend angesehen156. Aufgrund der strikten Voraussetzungen157 dieses Rechtfertigungsgrunds ist die generelle und damit unverhältnismäßige Einordnung zugezogener Kapitalgesellschaften unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG nicht gerechtfertigt. Äußerst zweifelhaft ist bereits, ob diese ertragsteuerliche Eingruppierung der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen dient und zur Verfolgung dieses Zwecks geeignet ist. Zudem ist die Erforderlichkeit unter anderem zu verneinen, wenn ein vorheriges Auskunftsersuchen an einen anderen Mitgliedstaat auf der Grundlage der EG-Amtshilferichtlinie vom 19.12.1977158 bzw. ein an den Steuerpflichtigen gerichtetes Auskunftsersuchen möglich ist159. Im Rahmen der Besteuerung ist zwar auch der Kohärenzgedanke ein grundsätzlich tauglicher Rechtfertigungsgrund. Allerdings hat der EuGH diesen Aspekt nur vereinzelt, namentlich in den Entscheidungen Bachmann vom 28.1.1992160 und Kommission/Belgien vom 28.1.1992161, als Rechtfertigungsgrund anerkannt. In anderen Fällen hat der Gerichtshof das häufig vorgebrachte Argument einer nicht kohärent geregelten Situation nicht gelten lassen162. Das Prinzip der steuerlichen Kohärenz stellt eine äußerst restriktiv auszulegende Ausnahme vom Kompensationsverbot dar163. Der Kohärenzgrundsatz greift vorliegend nicht ein. Den aus der körperschaftsteuerlichen Qualifizierung als Subjekt der Körperschaftsteuer i. S. d. § 1 155 156
Vgl. Sedemund, S. 162 f. und 194. EuGH, EuZW 1997, 443, 445 Rn. 31 ff.; vgl. dazu Körner, IStR 2004, S. 253,
262. 157
Vgl. dazu Körner, IStR 2004, S. 253, 262. ABl. EG 1977, L 336, 15. 159 Vgl. Körner, IStR 2004, S. 253, 262. 160 EuGH, EuZW 1992, 215, 216 f. Rn. 21 ff. 161 EuGH, EuZW 1992, 217, 219 Rn. 14 ff. 162 Frotscher, S. 39 f.; von Thiel/Achilles, IStR 2003, S. 553, 556; J. Hey, StuW 2004, S. 193, 197. 163 Körner, IStR 2004, S. 253, 263; vgl. zu den Voraussetzungen ausführlich Sedemund, S. 175 ff. und Körner, IStR 2004, S. 253, 263; ders., IStR 2004, S. 424, 425 f. 158
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Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG resultierenden steuerlichen Nachteilen steht kein Vorteil gegenüber164. Ebenso wenig kommt das Prinzip der Territorialität als Rechtfertigungsgrund in Betracht165. Aufgrund der inländischen Geschäftsleitung unterliegen die nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften, die einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar sind, auch auf der Grundlage des Liechtenstein Urteils des BFH166 der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Im Falle der unbeschränkten Steuerpflicht des von einer Maßnahme Benachteiligten greift das Territorialitätsprinzip aber nicht ein167. Im Übrigen würde eine generelle Einstufung als Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit168 nicht standhalten. d) Gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Als Ergebnis kann somit für die in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Kapitalgesellschaften festgehalten werden, dass eine Subsumtion unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG wegen der an diese Bestimmung anknüpfenden steuerlichen Vergünstigungen notwendig ist. Diese steuerlichen Vorteile werden bei einer Einordnung der zugezogenen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG nicht gewährt. Wird die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit einer solchen Gesellschaft grundsätzlich bejaht, dann muss sich angesichts des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots, das auch im steuerlichen Bereich zu beachten ist, der körperschaftsteuerliche Status einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit den inländischen Kapitalgesellschaftsformen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ergeben. Eine Ungleichbehandlung in steuerlicher Hinsicht ist dann ausgeschlossen. Die mit der Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG verbundenen steuerlichen Vorteile werden nämlich sowohl den deutschen Kapitalgesellschaften als auch den entsprechenden Kapitalgesellschaften 164 Nach Sedemund, S. 194, ist eine Rechtfertigung der diskriminierenden Wirkung der Sitztheorie im Steuerrecht aufgrund des Prinzips der steuerlichen Kohärenz generell nicht möglich, da diese nicht aus Kohärenzerwägungen heraus erfolge. Ein kompensierendes Regulativ sei gerade nicht vorgesehen. 165 Vgl. zu diesem Rechtfertigungsgrund Körner, IStR 2004, S. 253, 263; ders., IStR 2004, S. 424, 427. 166 BFH, BStBl. II 1992, 972. 167 EuGH, IStR 2001, 215, 218 Rn. 60; EuGH, IStR 2003, 666, 668 f. Rn. 39 f. 168 Vgl. hierzu Körner, IStR 2004, S. 253, 263.
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ausländischen Rechts, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt haben, gewährt. Eine Inländergleichbehandlung dieser Gesellschaften, die in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit fallen, ist gegeben. Dieser Aspekt des europarechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes stützt damit das bereits oben herausgearbeitete Ergebnis169, wonach bei einer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG nach wirtschaftlichen Kriterien unter Zuhilfenahme des Typenvergleichs eine dogmatisch folgerichtige, widerspruchsfreie Lösung erreicht wird. Die Finanzbehörden und Finanzgerichte, welche nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG dazu verpflichtet sind, bei der Ausführung und Anwendung deutschen Rechts das EG-Recht zu beachten170, müssen folglich bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit die zugezogenen Kapitalgesellschaften unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG subsumieren. Die Verwaltung und die Gerichte müssen die Vorschrift gemeinschaftsrechtskonform auslegen. Es gelten diesbezüglich die Grundsätze zur verfassungskonformen Auslegung entsprechend. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der Regelung sowie deren Sinn und Zweck mehrere Auslegungen zu, von denen (nur) eine zu einem mit dem Europarecht vereinbaren Ergebnis führt, so ist diese geboten. Allerdings ist eine solche gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung nur möglich, wenn weder einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz ein entgegengesetzter Sinn verliehen wird, der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt noch das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt wird171. Diese negativen Voraussetzungen für eine EG-rechtskonforme Auslegung sind im Hinblick auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erfüllt. Wie bereits dargelegt wurde, lassen Wortlaut und Wortsinn des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, nämlich der Terminus „Kapitalgesellschaft“, es zu, auch die den inländischen Kapitalgesellschaftsformen entsprechenden zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts zu erfassen172. Da im Ergebnis also eine gemeinschaftsrechtskonforme Normauslegung möglich ist, ist die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG auch für die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung anwendbar173.
169
Vgl. 2. Teil A. I. 2. c., d. und e. Vgl. hierzu allgemein Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 23 Rn. 40. 171 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 34 und Art. 23 Rn. 41. 172 Siehe oben 2. Teil A. II. 2. e. ee. 173 Vgl. zum Verhältnis der Normauslegung zur Nichtanwendbarkeit gemeinschaftsrechtswidrigen innerstaatlichen Rechts Wernsmann, Jura 2000, S. 657, 659. 170
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
2. Steuerliche Einordnung aufgrund verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Vor dem Hintergrund des Verfassungsrechts stellt sich des Weiteren die Frage, ob die Einstufung der zugezogenen Kapitalgesellschaften unter § 3 Abs. 1 KStG bzw. unter die Nr. 5 und nicht unter die Nr. 1 des § 1 Abs. 1 KStG der Rechtsvorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG auch einen verfassungswidrigen Inhalt gibt. Wie bereits dargestellt wurde, wird aus Art. 3 Abs. 1 GG das Gebot der gleichmäßigen Besteuerung abgeleitet. Dies beinhaltet auch eine leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung. Für wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte müssen sich demzufolge dieselben steuerlichen Konsequenzen ergeben174. Die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts sind ebenfalls ein Zuordnungssubjekt der steuerlichen Leistungsfähigkeit. Sie sind mögliche Grundrechtsträger, d.h. inländische juristische Personen i. S. d. Art. 19 Abs. 3 GG. Das Inlandsmerkmal ist nämlich bei einem inländischen Verwaltungssitz erfüllt. Auch handelt es sich um eine juristische Person und zwar entweder in Form einer vollrechtsfähigen juristischen Person des Privatrechts, wenn der Wegzugsstaat die Rechtsfähigkeit nicht aberkennt, oder um eine teilrechtsfähige Organisationseinheit175. Die zugezogenen Kapitalgesellschaften müssen daher vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG dieselbe steuerliche Behandlung erfahren wie die vergleichbaren inländischen Kapitalgesellschaftsformen. An die Eingruppierung im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG knüpfen, wie erörtert, steuerliche Vergünstigungen an176. Diese steuerlichen Vorteile werden den zugezogenen Kapitalgesellschaften bei einer Einstufung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG vorenthalten, was insoweit eine steuerlich ungleiche Behandlung zur Folge hat. Diese Ungleichbehandlung ist auch nicht gerechtfertigt. Die Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG erfolgt, wenn die Sitztheorie im Steuerrecht zugrunde gelegt wird. Zwar ist aufgrund des der Sitztheorie immanenten Schutzgedankens ein legitimer Zweck gegeben177. Allerdings ist bereits zweifelhaft, ob die steuerliche Ungleichbehandlung zur Erreichung des Zwecks geeignet ist, da sich insofern, wie bereits dargestellt wurde, die Schutzzwecke der Sitztheorie nicht ins Steuerrecht übertragen lassen178. Zudem ist die Erforderlichkeit zu verneinen, da ein milderes Mittel existiert. Durch die Anwen174 175 176 177 178
Vgl. 1. Teil E. III. 1. b. bb. Vgl. 2. Teil A. I. 2. d. cc. (1) (a). Vgl. 4. Teil A. I. 1. b. Sedemund, S. 162. Vgl. 2. Teil A. I. 2. d. cc. (1).
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dung der Sitztheorie ergibt sich, unabhängig davon, ob eine missbräuchliche Gestaltung gewählt worden ist, eine pauschale Diskriminierung. Das Steuerrecht verfügt mit § 42 Abs. 1 AO über ein eigenes Instrument, um im Einzelfall missbräuchlichen Gestaltungen steuerlicher Sachverhalte begegnen zu können179. Eine Subsumtion unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG ist also mangels Rechtfertigung verfassungswidrig. Nur die hier vertretene Rechtsauffassung der wirtschaftlichen Sichtweise führt daher zu einer verfassungskonformen Auslegung. Die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts müssen somit ebenso wie die inländischen Kapitalgesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingeordnet werden.
II. Verlegung des Satzungssitzes ins Inland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Ausland 1. Steuerliche Einordnung aufgrund gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Verlegt die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft isoliert ihren Satzungssitz ins Inland, so ist die zugezogene Gesellschaft nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise als unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtiges Subjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einzuordnen, wenn sie einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar ist180. Fraglich ist, ob sich dieses Ergebnis auch aufgrund der Vorgaben des Gemeinschaftsrechts ergibt. Mit der Subsumtion unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sind eine Reihe von Vergünstigungen verbunden, die den Gesellschaften bei einer Einstufung nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG181 verwehrt bleiben. Allerdings ist die Verlegung des Satzungssitzes ins Inland von der Reichweite der Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG aus den bereits genannten Gründen nicht umfasst182. Wenn die steuerliche Einordnung in dieser Konstellation unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG statt unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG verstößt, ist allerdings eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung auch bei einer Satzungssitzverlegung ins Inland möglich. Das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG gilt auch im Steuerrecht183. Es verbietet Diskriminierungen aus Gründen 179 180 181
Sedemund, S. 162 f. Vgl. 2. Teil B. II. Für eine solche Einstufung plädiert eine Ansicht in der Literatur, vgl. 2. Teil
B. II. 182
Vgl. 2. Teil B. III. 1. a.
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
der Staatsangehörigkeit. Auch gegenüber juristischen Personen, die den Anforderungen des Art. 48 EG entsprechen, greift Art. 12 EG ein184. Erfasst sind demnach nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründete Gesellschaften, die ihren Satzungssitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben185. Diese Voraussetzungen sind bezüglich der aus einem anderen EU-Mitgliedstaat zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, die ihren Satzungssitz ins Inland verlegt haben, erfüllt186. Auch wenn die Gesellschaft nach ihrem Umzug nicht mehr als rechtsfähige Kapitalgesellschaft beurteilt wird, handelt es sich, da sie im Gründungsstaat aufgrund des verbleibenden Verwaltungssitzes weiterhin geschäftlich aktiv ist, um einen rechtlich konfigurierten Marktakteur, der einen Erwerbszweck verfolgt und als solcher im Rechtsverkehr auftritt187. Zudem muss die zugezogene Gesellschaft auch im Inland geschäftlich aktiv sein, da es sich ansonsten nur um einen fiktiven inländischen Satzungssitz handelt188. Wie bereits dargestellt wurde, knüpfen offene Diskriminierungen bei natürlichen Personen ausdrücklich an das Kriterium der fremden Staatsangehörigkeit an. Übertragen auf eine ausländische Gesellschaft stellt eine Auslegung des Körperschaftsteuergesetzes in dem Sinne, dass die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften nicht von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, sondern von § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG erfasst werden, eine offene Diskriminierung dar, da danach differenziert wird, ob eine inländische oder eine ausländische Kapitalgesellschaft gegeben ist189. Eine steuerliche Ungleichbehandlung der zugezogenen Gesellschaften ausländischen Rechts gegenüber den vergleichbaren inländischen Kapitalgesellschaftsformen ist daher unzulässig, sofern die übrigen Voraussetzungen für das Eingreifen des Art. 12 EG gegeben sind. Das allgemeine Diskriminierungsverbot ist in solchen Fällen auch nicht subsidiär190 gegenüber den speziellen Diskriminierungsverboten der Grundfreiheiten, da diese nicht einschlägig sind. Art. 12 EG verbietet Diskriminierungen im Anwendungsbereich des Vertrages. Der Begriff des sachlichen Anwendungsbereichs wird vom EuGH sehr weit ausgelegt. Der in Rede stehende Sachverhalt darf „nicht außerhalb des Gemeinschaftsrechts“ stehen. Ein Sachverhalt mit Bezug zum Gemein183
Streinz, in: Streinz, Art. 12 EGV Rn. 25. von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Art. 6 EGV Rn. 32. 185 Streinz, in: Streinz, Art. 12 EGV Rn. 33. 186 Vgl. zu den Voraussetzungen des Art. 48 EG die Ausführungen im 4. Teil A. I. 1. a. bb. 187 Siehe hierzu Müller-Graff, in: Streinz, Art. 48 EGV Rn. 2. 188 Vgl. 2. Teil B. II. 189 Vgl. 4. Teil A. I. 1. b. 190 Vgl. hierzu Streinz, in: Streinz, Art. 12 EGV Rn. 3 und 14. 184
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schaftsrecht genügt. Selbst „Bezugspunkte mit irgendeinem der Sachverhalte, auf die das Gemeinschaftsrecht abstellt“, sind ausreichend191. Die Stellung der Norm im ersten Teil sowie das Ziel, einen möglichst umfassenden Bereich der Integration zu schaffen, sind zusätzliche Aspekte für eine weite Auslegung. Somit fallen in den Anwendungsbereich des Vertrages alle Sachverhalte, die vom Tatbestand einer Gemeinschaftsrechtsnorm in irgendeiner Weise erfasst sind. Nicht nur die expliziten materiellen primär- und sekundärvertraglichen Bestimmungen, sondern auch Sachverhalte, die angesichts einer Kompetenzbestimmung einer Regelung zugänglich sind, fallen unter den Anwendungsbereich192. Dies muss zumindest dann gelten, wenn Vorhaben auf sekundärrechtlicher Ebene konkret geplant sind. Wie bereits dargestellt wurde, existiert zur Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften bereits ein Vorentwurf der EU-Kommission193. Der Aktionsplan zur Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der europäischen Union vom 21.05.2003194 kündigte die Vorlage überarbeiteter Vorschläge unter anderem zur 14. Sitzverlegungsrichtlinie an195. Die geplante Sitzverlegungsrichtlinie lässt sich auf Art. 44 Abs. 2 lit. g EG stützen. Primär dient die Regelung der Aufhebung von Niederlassungshemmnissen. Sie umfasst aber auch weiter reichende marktintegrative Ziele. Eine Regelungsbefugnis ist daher auch für nicht von der Niederlassungsfreiheit erfasste Bereiche gegeben, wenn eine Koordinierung der Marktintegration dient196. Der sachliche Anwendungsbereich ist somit für den vorliegenden Sachverhalt, dass eine Kapitalgesellschaft ihren Satzungssitz ins Inland verlegt, eröffnet. Eine Diskriminierung kann sich aber nur dann ergeben, wenn die Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts, die ihren Satzungssitz ins Inland verlegt hat, überhaupt als unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtiges Subjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG anerkannt wird. In diesem Falle muss aufgrund der daran anknüpfenden steuerlichen Vergünstigungen eine Einordnung unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erfolgen. Eine Eingruppierung unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG hätte demgegenüber eine nachteilige, mit Art. 12 EG unvereinbare steuerliche Behandlung zur Folge.
191 192 193 194 195 196
Vgl. hierzu Streinz, in: Streinz, Art. 12 EGV Rn. 18 ff. von Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Art. 6 EGV Rn. 38. Vgl. 2. Teil B. III. 3. Vgl. Sonderbeilage zu NZG Heft 13/2003, 3, 11. Leible, ZGR 2004, S. 531, 538. Leible, ZGR 2004, S. 531, 546.
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
2. Steuerliche Einordnung aufgrund verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Für die Einstufung einer zugezogenen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts mit inländischem Satzungssitz als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift ist Voraussetzung, dass diese zugezogenen Gesellschaften zum Kreis der Grundrechtsberechtigten gehören. a) Begrenzung des Grundrechtsschutzes auf inländische juristische Personen Art. 19 Abs. 3 GG erstreckt den Grundrechtsschutz auf die inländischen juristischen Personen. Wie bereits dargestellt wurde, ist maßgeblich für den Inlandsbezug, dass der effektive, tatsächliche Sitz in Deutschland liegt. Nicht entscheidend ist demgegenüber der satzungsmäßige Sitz197. Bei einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft, die ihren satzungsmäßigen Sitz ins Inland verlegt hat, handelt es sich daher um eine ausländische Gesellschaft. Fraglich ist, ob die Grundrechtsberechtigung ausländischer juristischer Personen generell zu verneinen ist198. Da im Rahmen des Art. 19 Abs. 3 GG das Wort „nur“ vor „inländische juristische Personen“ fehlt, ist nach formaler Logik sowohl Raum für einen Umkehrschluss, was einen Ausschluss ausländischer juristischer Personen bedeutet, als auch für eine Analogie, d.h. eine Erstreckung der Grundrechte auf ausländische juristische Personen199. Nach der überwiegenden Meinung in der Literatur200 und nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts201 ist der Grundrechtsschutz durch Art. 19 Abs. 3 GG auf die inländischen juristischen Personen beschränkt. Das Bundesverfassungsgericht begründet dies folgendermaßen: „Diese Erweiterung der Grundrechte erstreckt sich jedoch kraft ausdrücklicher Verfassungsvorschrift nur auf inländische juristische Personen. Wortlaut und 197
Vgl. 2. Teil A. I. 2. d. cc. (1) (a). Die grundrechtsgleichen Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG gelten auch für die ausländischen juristischen Personen, Krüger/Sachs, in: Sachs, Art. 19 Rn. 49. 199 Drathen, S. 7; vgl. auch Stern, S. 1145. 200 Krüger/Sachs, in: Sachs, Art. 19 Rn. 51 f.; Dreier, in: Dreier, Art. 19 III Rn. 78; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, § 118 Rn. 45; Krebs, in: Münch/Kunig, Art. 19 Rn. 33; Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 3 Rn. 30 f. 201 BVerfG, BVerfGE 21, 207, 208 f. Auch die Finanzrechtsprechung lehnt die Grundrechtsberechtigung ausländischer juristischer Personen ab, vgl. BFH, NJW 2001, 2199 und FG Hamburg, DStRE 2000, 73, 74. 198
A. Zuzug ausländischer Kapitalgesellschaften ins Inland
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Sinn verbieten eine ausdehnende Auslegung auf ausländische juristische Personen“202. Des Weiteren wird der Ausschluss der ausländischen juristischen Personen mit der Entstehungsgeschichte und dem Normzweck begründet203. Durch die Ausgrenzung der ausländischen juristischen Personen aus dem Grundrechtsschutz erhalte Deutschland den erforderlichen fremdenrechtlichen Aktionsspielraum. Der Bundesrepublik würden dadurch Dispositionsmöglichkeiten gewährt, um im Wege der Gegenseitigkeit den Rechtsstandard für die im Ausland tätigen deutschen Unternehmen zu verbessern204. Diese Begrenzung wird teilweise bedauert und in rechtspolitischer Hinsicht als verfehlt beurteilt205. In der Literatur wurden von einer Gegenansicht206 unterschiedliche Versuche unternommen, die ausländischen juristischen Personen in den Kreis der Grundrechtsberechtigten aufzunehmen. Allerdings ist auch nach diesen Lösungsansätzen kein umfassender, sondern nur ein unvollkommener Grundrechtsschutz gewährleistet. Zudem ist die dogmatische Herleitung der Grundrechtsberechtigung nicht frei von Kritik geblieben, unter anderem können verfassungsrechtliche Bedenken eingewendet werden207. Nach der Interpretation des Grundgesetzes sind die ausländischen juristischen Personen somit in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung im Schrifttum und der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht grundrechtsberechtigt. Ein den inländischen juristischen Personen gewährter Grundrechtsschutz wird für die ausländischen juristischen Personen auch nicht auf der Basis bilateraler Verträge hergestellt. Ebenso wenig gelingt dies auf der Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention. Unabhängig von der Problematik, ob den durch bilaterale Verträge bzw. durch die Europäische Menschenrechtskonvention eingeräumten Rechten nur die Stellung eines einfachen Bundesrechts zukommt und diese damit in der Normenhierarchie unterhalb des Grundgesetzes stehen, wird durch bilaterale Verträge bzw. die Europäische Menschenrechtskonvention keine Gleichstellung zwischen inländischen und ausländischen juristischen Personen erreicht. Dies resultiert aus dem Umstand, dass bilaterale Verträge nur eine begrenzte Anzahl von 202
BVerfG, BVerfGE 21, 207, 208 f. Vgl. hierzu die Darstellung bei Drathen, S. 7 f. 204 Isensee, in: Isensee/Kirchhof, § 118 Rn. 45; Krüger/Sachs, in: Sachs, Art. 19 Rn. 52; FG Hamburg, DStRE 2000, 73, 74. 205 Vgl. hierzu Stern, S. 1109, der des Weiteren ausführt, dass schon der Bayerische Ergänzungsentwurf die Erstreckung der Grundrechtsberechtigung nur auf die inländischen juristischen Personen vorgesehen habe, jedoch mit der klareren Formulierung: „die im Bundesgebiet ihren Sitz haben“. 206 Steinbrück, S. 68 ff.; Rupp-v. Brünneck, S. 349, 381 ff.; Degenhart, EuGRZ 1981, S. 161, 163 ff.; Ritter, NJW 1964, S. 279, 281 f. 207 Vgl. Drathen, S. 9 ff. 203
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
Lebenssachverhalten und nicht alle Regelungsbereiche der Grundrechte erfassen. Ebenso bleiben die Gewährleistungen der Menschenrechtskonvention hinter dem Grundrechtsschutz zurück208. b) EG-rechtskonforme Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GG Fraglich ist aber, ob die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen Einfluss auf die Interpretation des Art. 19 Abs. 3 GG haben. Denkbar ist, dass das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot zu einer Verdrängung der Inländerklausel des Art. 19 Abs. 3 GG führt. Diesbezüglich herrscht innerhalb der Literatur Uneinigkeit. Das europarechtliche Diskriminierungsverbot verlangt insoweit eine Inländergleichbehandlung. Diskriminierungsverbote beinhalten die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten und Art. 12 EG209. Diese Frage der gemeinschaftsrechtlichen Einwirkung auf Art. 19 Abs. 3 GG kann sich aber nur dann stellen, wenn der Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts eröffnet ist. Wie erörtert, ist die Niederlassungsfreiheit der Art. 43, 48 EG im Falle der Verlegung des Satzungssitzes ins Inland nicht einschlägig210. Allerdings verlangt das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG insoweit eine steuerliche Gleichbehandlung in dem Sinne, dass die zugezogenen Kapitalgesellschaften ebenso wie die entsprechenden inländischen Kapitalgesellschaftsformen als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einzustufen sind211. Eine solche Eingruppierung ergäbe sich bei dessen Anwendbarkeit auch nach Art. 3 Abs. 1 GG, da hiernach wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte steuerlich gleich zu behandeln sind212. Es ist also insofern eine inhaltliche Übereinstimmung zwischen dem verweigerten Grundrechtsschutz und dem gewährleisteten Schutz nach dem Gemeinschaftsrecht gegeben. Fraglich ist somit, ob der Umstand, dass nach dem Grundgesetz die steuerliche Ungleichbehandlung infolge der Begrenzung des Art. 19 Abs. 3 GG auf inländische juristische Personen keine Auswirkungen hat, obwohl sie gemeinschaftsrechtlich verboten ist, zu einer Modifikation des Art. 19 Abs. 3 GG führen muss. Durch Art. 19 Abs. 3 GG wird eine dem Diskriminierungsverbot widersprechende Rechtsfolge angeordnet. Es liegt ein so genannter Kollisionsfall vor213, weil die Begrenzung durch Art. 19 Abs. 3 GG zu einer 208
Vgl. hierzu ausführlich Drathen, S. 16 ff. Dreier, in: Dreier, Art. 19 III Rn. 21 und 83 f., der eine gemeinschaftsrechtliche Einwirkung auf das Verständnis des Art. 19 Abs. 3 GG bejaht. 210 Vgl. 2. Teil B. III. 1. 211 Vgl. 4. Teil A. II. 1. 212 Vgl. 1. Teil E. III. 1. b. bb. 213 Vgl. hierzu Wernsmann, Jura 2000, S. 657, 661; Störmer, AöR 1998, S 541, 548. 209
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Diskriminierung der in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Gesellschaften im Anwendungsbereich des Vertrages führt. aa) Ablehnende Auffassung Nach einer Ansicht im Schrifttum sind keine Rückschlüsse auf die Interpretation des Art. 19 Abs. 3 GG durch die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen möglich214. Diese Ansicht berücksichtigt die Reichweite des gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorrangs nicht. Aus der Sicht des EuGH geht europäisches Gemeinschaftsrecht nationalem Recht vor215. Auch aus deutscher Sicht ist das Gemeinschaftsrecht gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht vorrangig. Die Verfassung weist in Art. 23 GG über sich selbst hinaus. Sie misst sich nicht mehr allumfassende Geltung zu. Auch greifen bei einer Erweiterung des nationalen Grundrechtsschutzes auf in einem anderen Mitgliedstaat gegründete Gesellschaften, die im Gründungsstaat ihren Verwaltungssitz haben, die Vorbehalte des Bundesverfassungsgerichts gegenüber einem umfassenden Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem Verfassungsrecht nicht ein216. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen bestimmte verfassungsrechtliche Erfordernisse beachtet werden. Es muss der als unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz gewährleistet sein217. Die Identität der geltenden Verfassungsordnung muss gewahrt bleiben, ein Einbruch in das Grundgefüge des Grundgesetztes ist nicht möglich218. Diese verfassungsrechtlichen Grenzen sind bei einer Erstreckung des Grundrechtsschutzes auf Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, deren Verwaltungssitz sich im Ausland befindet, gewahrt. Es findet nämlich insoweit durch das Gemeinschaftsrecht keine Verkürzung, sondern eine Erweiterung des Grundrechtsschutzes statt219. In der Literatur wird teilweise aber gerade dieser Anwendungsvorrang als Argument dafür herangezogen, dass eine Ausweitung des Grundrechtsschutzes auf ausländische juristische Personen nicht nötig ist. Einfachrechtliche Diskriminierungen ließen sich auch ohne Grundrechtsberechtigung beheben. Sei das Gemeinschaftsrecht im nationalen Raum unmittelbar anwendbar, so verschaffe es sich kraft seines Anwendungsvorrangs die materiellrechtliche Wirkung selbst220. In die gleiche Richtung geht die Ansicht, die aufgrund der Diskriminierungsverbote des Gemeinschaftsrechts nur eine materielle 214 215 216 217 218 219
Stern, S. 1146. EuGH, NJW 1964, 2371, 2372. Wernsmann, Jura 2000, S. 657, 659. BVerfG, BVerfGE 102, 147, 163 f.; 89, 155, 174 f.; 73, 339, 387. BVerfG, BVerfGE 73, 339, 375 f. Wernsmann, Jura 2000, S. 657, 659.
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
Gleichbehandlung verlangt, grundsätzlich aber nicht eine formelle Gleichbehandlung im Sinne einer Grundrechtsberechtigung fordert. Eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur formellen Gleichbehandlung auf Verfassungsebene könne allenfalls nur dann subsidiär angenommen werden, wenn ansonsten eine Diskriminierung vorliege, die auf keinem anderen Weg behoben werden könne221. Die mit dem Grundrechtsstatus eines subjektiven Rechts verbundene bedeutsame Stellung im Bereich der verfassungskonformen Auslegung führe allerdings nicht zu einer gemeinschaftsrechtswidrigen Ungleichbehandlung. Die den Grundrechten eigene verfassungsrechtliche Stellung werde im Rahmen des Gemeinschaftsrechts durch den eigenen supranationalen Charakter der gemeinschaftlichen Rechte, denen ein Anwendungsvorrang zukomme, ersetzt222. bb) Argumente für eine gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation (1) Normenhierarchie Nach anderer Auffassung ist die Vorschrift des Art. 19 Abs. 3 GG europarechtskonform auszulegen, soweit das Gemeinschaftsrecht im Gewährleistungsbereich der deutschen Grundrechte Diskriminierungsverbote normiert223. Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Die zuerst dargestellte Meinung geht offenbar davon aus, dass die Beschränkung des Grundrechtsschutzes keine materielle Diskriminierung zur Folge hat. Die einfachrechtlichen Ungleichbehandlungen würden unmittelbar aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts beseitigt224. Ein Grundrechtsschutz sei daher nicht notwendig. Dadurch wird aber etwas als Nebenordnung ausgegeben, was tatsächlich Überordnung ist225. Wenn die Normenhierarchie so gestaltet ist, 220
Störmer, AöR 1998, S. 541, 564; Krebs, in: Münch/Kunig, Art. 19 Rn. 33 c; Krüger/Sachs, in: Sachs, Art. 19 Rn. 55. 221 Drathen, S. 173 ff. 222 Drathen, S. 181 f. 223 Jachmann, Steuergesetzgebung, S. 21; Dreier, in: Dreier, Art. 19 III Rn. 20 f. und 83 f. Auch nach Wernsmann, Jura 2000, S. 657, 662, gebietet das Gemeinschaftsrecht die Gleichbehandlung bei der Anwendung der nationalen Grundrechte. Er befasst sich allerdings hauptsächlich mit den Deutschengrundrechten, wie Art. 12 GG. Die Berufung auf diese Grundrechte ist seiner Ansicht nach wegen des Anwendungsvorrangs des Europarechts vor dem innerstaatlichen Recht möglich. Eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung lehnt er angesichts des klaren Wortlauts der Deutschengrundrechte ab, vgl. S. 659 und 663. Es wird aber nicht darauf eingegangen, ob eine EG-rechtskonforme Auslegung im Rahmen des Art. 19 Abs. 3 GG ebenfalls abzulehnen ist. 224 Vgl. Störmer, AöR 1998, S. 541, 574. 225 Dreier, in: Dreier, Art. 19 III Rn. 84.
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dass dem Europarecht ein höherer Rang als dem nationalen Verfassungsrecht zukommt, ist notwendige Konsequenz, dass die niederrangige Norm dem in der höherrangigen Norm normierten Rechtssatz nicht widersprechen darf. Dies bedeutet, dass eine nach der Verfassung nur wegen der Inländerbeschränkung des Art. 19 Abs. 3 GG nicht gebotene Inländergleichbehandlung, die aber auf Gemeinschaftsrechtsebene erforderlich ist, auch auf nationaler Verfassungsebene gewährleistet werden muss. (2) Prozessuale Diskriminierung Zudem ist zu berücksichtigen, dass den ausländischen juristischen Personen ansonsten ein zusätzlicher Rechtsbehelf vorenthalten würde, der den inländischen juristischen Personen in derselben Situation zur Verfügung steht. Würde sich das Gemeinschaftsrecht nicht auf das Verständnis des Art. 19 Abs. 3 GG auswirken, wäre daher – da nur den inländischen juristischen Personen eine weitere Kontrollinstanz zur Verfügung steht – auch eine prozessuale Diskriminierung gegeben226. Gegen die verfahrensrechtliche Benachteiligung wird die besondere „Durchschlagskraft“ der gemeinschaftsrechtlichen materiellen Positionen in den Verfahren vor den nationalen Behörden und Fachgerichten und die Rolle des EuGH als Hüter des Gemeinschaftsrechts vorgebracht. Bestünden Unklarheiten über die Reichweite des Gemeinschaftsrechts, sei das Fachgericht gegebenenfalls zur Vorlage an den Gerichtshof verpflichtet227. In der Rechtspraxis ist es aber so, dass verschiedene Gerichte denselben Sachverhalt durchaus unterschiedlich würdigen und ähnliche Vorschriften durchaus unterschiedlich auslegen können228. Selbstverständlich darf man den nationalen Behörden und Gerichten keinen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht unterstellen. Allerdings wird von manchen Instanzgerichten die Bedeutung des Gemeinschaftsrechts noch nicht hinreichend erkannt und dieses mitunter nicht angewendet. Zudem muss auch das Interesse der rechtssuchenden Gesellschaften berücksichtigt werden, die Entscheidungen der Behörden und/oder der Gerichte durch einen Individualrechtsbehelf noch einmal überprüfen zu lassen. Ein solcher der Verfassungsbeschwerde vergleichbarer Individualrechtsbehelf zum EuGH existiert aber nicht. Die Möglichkeit einer auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gestützten Verfassungsbeschwerde ist nicht ausreichend, da sie nur unter der strengen Voraussetzung der willkürlichen Verletzung der Vorlagepflicht durch ein Fachgericht erfolgversprechend ist229. 226
Vgl. Dreier, in: Dreier, Art. 19 III Rn. 21; Wernsmann, Jura 2000, S. 657,
662. 227 228
Störmer, AöR 1998, S. 541, 571 f. Wernsmann, Jura 2000, S. 657, 662.
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
Auch das von der Gegenmeinung vorgebrachte Argument, dass eine etwaige verfahrensrechtliche Schlechterstellung ihren rechtlichen Grund in den prozessualen Normen des § 90 Abs. 1 BVerfGG und des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG habe230, ist abzulehnen. Die prozessuale Diskriminierung resultiert vielmehr allein aus der Beschränkung des Art. 19 Abs. 3 GG auf inländische juristische Personen. In dieser Norm selbst wird danach differenziert, ob eine inländische juristische Person vorliegt231. Im Rahmen einer europarechtskonformen Auslegung muss somit auch juristischen Personen, die ihren Verwaltungssitz außerhalb Deutschlands, aber innerhalb des Gebiets der EG haben, eine Berufung auf Art. 19 Abs. 3 EG ermöglicht werden232. Die Bestimmung des Art. 19 Abs. 3 GG ist einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung auch zugänglich. Die Inländerklausel des Art. 19 Abs. 3 GG lässt ihrem Wortlaut nach sowohl einen Umkehrschluss als auch eine Analogie zu233. Legt man Art. 19 Abs. 3 GG EGrechtskonform aus, so sind unter inländischen juristischen Personen auch diejenigen zu verstehen, deren Verwaltungssitz sich in einem anderen EUMitgliedstaat befindet234. Die Beschränkung des Art. 19 Abs. 3 GG verstößt somit gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG. Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit inländischem Satzungssitz und ausländischem Verwaltungssitz erfüllen daher wegen der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GG das Inlandskriterium. Auch eine Qualifizierung als juristische Person ist möglich. Wie bereits dargestellt wurde, sind Gesellschaften, die auf der Grundlage ausländischen Rechts gegründet wurden, insoweit grundrechtsfähig, als die inländische Rechtsordnung ihre Existenz im nationalen Recht berücksichtigt235. Tritt aus der Sicht des Wegzugsstaates infolge der Satzungssitzverlegung ins Inland ein Statuten229
Wernsmann, Jura 2000, S. 657, 662. Vgl. Störmer, AöR 1998, S. 541, 570 f. 231 Wernsmann, Jura 2000, S. 657, 662, allerdings bezogen auf die Deutschengrundrechte. 232 Dreier, in: Dreier, Art. 19 III Rn. 83. 233 Drathen, S. 209. 234 Drathen, S. 209. Eine solche Auslegung favorisiert auch Dreier, in: Dreier, Art. 19 III Rn. 83. Die europarechtskonforme Auslegung lässt sich seiner Ansicht nach aber auch durch die Nichtanwendung des Wortes „inländisch“ bei dem betreffenden Sachverhalt umsetzen, vgl. Art. 19 III Rn. 83. Ist ein Tatbestandsmerkmal wegen der Einflüsse des Gemeinschaftsrechts unanwendbar, handelt es sich jedoch nicht mehr um eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung. Eine solche ist dann wegen des eindeutigen Wortlauts nicht möglich. Es geht dann vielmehr um das Rangverhältnis verschiedener Rechtsquellen, vgl. Wernsmann, Jura 2000, S. 657, 659. 235 Vgl. 2. Teil A. I. 2. d. cc. (1) (a). 230
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wechsel ein, ist die Gesellschaft im Inland nicht als ein rechtliches Nullum zu bewerten. Aufgrund der wirtschaftlichen Aktivität im Zuzugsstaat, die erforderlich ist, damit der Satzungssitz nicht nur einen fiktiven Sitz darstellt, handelt es sich grundsätzlich um eine inländische Personengesellschaft236. Auch nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften mit inländischem Satzungssitz und ausländischer Geschäftsleitung können sich daher im Ergebnis auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG berufen. Sie sind auf der Basis des nationalen Verfassungsrechts wie die vergleichbaren inländischen Kapitalgesellschaftsformen als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einzuordnen. Die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG muss demzufolge verfassungskonform ausgelegt werden.
III. Verlegung der Geschäftsleitung und des Satzungssitzes ins Inland 1. Steuerliche Einordnung aufgrund gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Vertritt man die Ansicht, dass Gesellschaften, die kumulativ ihre Geschäftsleitung und ihren Satzungssitz ins Inland verlegt haben, nicht von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen237, ist eine EG-rechtskonforme Auslegung mangels Eröffnung des Anwendungsbereichs des Gemeinschaftsrechts nicht möglich. Die zugezogenen Kapitalgesellschaften können dann zumindest vor dem Hintergrund der Niederlassungsfreiheit unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 oder § 3 Abs. 1 KStG238 subsumiert werden, obwohl sie dadurch im Vergleich zu einer Einstufung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eine ungünstigere Behandlung erfahren. Fraglich ist aber, ob das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG eingreift. Im Rahmen des Art. 12 EG muss darauf abgestellt werden, ob nach dem Zuzug ins Inland eine steuerliche Diskriminierung vorliegt. Es kommt darauf an, ob eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit erfolgt. Wie bereits dargestellt wurde, knüpfen offene Diskriminierungen bei natürlichen Personen ausdrücklich an das Kriterium der fremden Staatsangehörigkeit an. Bei ausländischen Gesellschaften ist eine solche Diskriminierung gegeben, wenn diese im Vergleich zu nach inländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaf236
Vgl. 2. Teil B. I. und II. Siehe oben 2. Teil C. III. 238 Diese steuerliche Einstufung ergibt sich, wenn man die im Rahmen der Verlegung der Geschäftsleitung von einer Eingruppierung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG abweichenden vertretenen Meinungen auf eine Verlegung der Geschäftsleitung und des Satzungssitzes überträgt. 237
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
ten nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 1, sondern unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG eingeordnet werden. Bei einer solchen Auslegung des Körperschaftsteuergesetzes wird nämlich danach unterschieden, ob eine inländische oder eine ausländische Gesellschaft gegeben ist. Eine solche Differenzierung stellt daher wegen der steuerlichen Vorteile, die mit einem steuerlichen Status i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG verbunden sind, eine offene Diskriminierung dar, die gegen Art. 12 EG verstößt239. Es ist somit auch bei einer gleichzeitigen Verlegung des Satzungs- und des Verwaltungssitzes ins Inland eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG dahingehend erforderlich, dass er auch diese zugezogenen Kapitalgesellschaften erfasst. 2. Steuerliche Einordnung aufgrund verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Eine Einstufung der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften, die ihren Verwaltungssitz und ihren Satzungssitz ins Inland verlegt haben, i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ergibt sich auch aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung. Wie bereits mehrfach erwähnt wurde, wird aus Art. 3 Abs. 1 GG das Prinzip der leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung abgeleitet240. Entsprechen die zugezogenen Kapitalgesellschaften den inländischen Kapitalgesellschaftsformen und werden sie grundsätzlich als unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Subjekte beurteilt, muss eine Einstufung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erfolgen. Angesichts ihres inländischen Verwaltungssitzes handelt es sich nämlich um inländische juristische Personen nach Art. 19 Abs. 3 GG241. Sie sind folglich grundrechtsberechtigt.
239 Die Diskriminierung erfolgt im Anwendungsbereich des Vertrags, vgl. 4. Teil A. II. 1. Die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts entsprechen auch den Anforderungen des Art. 48 EG, vgl. hierzu 4. Teil A. I. 1. a. bb. 240 Vgl. 1. Teil E. III. 1. b. bb. 241 Vgl. zur Grundrechtsträgerschaft 2. Teil A. I. 2. d. cc. (1) (a).
B. Wegzug inländischer Kapitalgesellschaften ins Ausland
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B. Wegzug inländischer Kapitalgesellschaften ins Ausland I. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland unter Beibehaltung des Satzungssitzes im Inland 1. Steuerliche Einordnung aufgrund gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Fraglich ist, ob sich auch für nach inländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung ins EU-Ausland verlagern, aufgrund der steuerlichen Vorteile, die mit einer ertragsteuerlichen Einordnung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG verbunden sind242, auch vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts eine Körperschaftsteuersubjektfähigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ergeben muss. Voraussetzung ist aber, wie bereits erwähnt, dass sie grundsätzlich unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaftsteuersubjekte sind243. a) Gemeinschaftsrechtliches Beschränkungsverbot Zwar besteht für die Mitgliedstaaten gegenüber ihren eigenen, d.h. nach innerstaatlichem Recht gegründeten, Kapitalgesellschaften kein aus der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG resultierendes Diskriminierungsverbot244. Der EuGH nimmt bei einer aus den Regelungen des Herkunftsstaates resultierenden Ungleichbehandlung der eigenen Staatsangehörigen bzw. der nach dem eigenen Recht gegründeten Gesellschaften keine Diskriminierung der Niederlassungsfreiheit an245. Dem Wortlaut nach richtet sich die Niederlassungsfreiheit nur gegen vom Aufnahmemitgliedstaat ausgehende Behinderungen. Eine aus den Vorschriften des Herkunftsstaates sich ergebende Behinderung wird nicht vom Diskriminierungsverbot erfasst246. Bezogen auf Kapitalgesellschaften bedeutet dies, dass das Verbot ertragsteuerlicher Diskriminierung im Inland nur gegenüber nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften gilt. Allerdings könnte sich für inländische Kapitalgesellschaften ein gemeinschaftsrechtliches Gebot der Einstufung als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. 242
Vgl. 4. Teil A. I. 1. b. Vgl. 4. Teil A. I. 1. 244 Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 43 EGV Rn. 104; Krug, S. 164. 245 EuGH, NJW 1989, 2186, 2817; EuGH, IStR 2003, 23, 25 Rn. 37; EuGH, DB 2004, 686, 687 Rn. 42. 246 Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 43 EGV Rn. 104. 243
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ergeben, wenn die Niederlassungsfreiheit neben dem Gebot der Inländergleichbehandlung auch ein allgemeines Beschränkungsverbot beinhaltete. Nach der herrschenden Meinung in der Literatur ist die Niederlassungsfreiheit nicht nur als Diskriminierungsverbot, sondern auch als Beschränkungsverbot zu verstehen247. Dieser Meinung ist zuzustimmen. Durch das Verständnis der Niederlassungsfreiheit als allgemeines Beschränkungsverbot wird das Ziel eines einheitlichen Binnenmarktes gefördert. Zudem ist es für den Bereich der direkten Steuern von großer Bedeutung, dass auch Inländer von der Reichweite der Grundfreiheiten umfasst sind248. Allerdings entfaltet das Beschränkungsverbot im Rahmen der Niederlassungsfreiheit eine geringere Reichweite als die auf den Austausch und Verbrauch von Gütern angelegte Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit. Ziel der Niederlassungsfreiheit ist die Ermöglichung der Integration in eine andere mitgliedstaatliche Rechtsordnung, nicht aber die dauerhafte Privilegierung in diesem anderen Mitgliedstaat249. Ein Beschränkungsverbot gilt daher, soweit es um Regelungen geht, die den Zuzug bzw. Wegzug im Sinne einer freien Standortwahl behindern250. In der Rechtsprechung des EuGH hat sich hinsichtlich der Frage, ob die Niederlassungsfreiheit auch ein Beschränkungsverbot beinhaltet, eine Entwicklung von einem engen Verständnis zu einer großzügigeren Auslegung des Niederlassungsrechts vollzogen251. Zunächst vertrat der Gerichtshof einen restriktiven Standpunkt, wonach sich die Niederlassungsfreiheit in einem Gebot der Inländergleichbehandlung erschöpfte252. Im Urteil vom 12.07.1984 in der Rechtssache Klopp253 ist der EuGH über ein reines Diskriminierungsverbot hinausgegangen und hat damit die Entwicklung zu einer Interpretation der Niederlassungsfreiheit als Beschränkungsverbot in Gang gesetzt254. Ein weiteres wichtiges Urteil des EuGH auf dem Weg zur Entwicklung der Niederlassungsfreiheit von einem Diskriminierungsverbot 247 Scheuer, in: Lenz/Borchardt, Art. 43 EGV Rn. 7; Bröhmer, in: Calliess/ Ruffert, Art. 43 EGV Rn. 29; Streinz, § 12 Rn. 678 f.; Koenig/Haratsch, Rn. 643; Fischer, § 16 Rn. 12; Herdegen, § 17 Rn. 319; Blumenwitz, NJW 1989, S. 621, 623; Gornig, NJW 1989, S. 1120, 1121. 248 Schön, IStR 2004, S. 289, 290. 249 Streinz, § 12 Rn. 672 a. 250 Streinz, § 12 Rn. 678 f. 251 Vgl. Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 43 EGV Rn. 22 ff:; Randelzhofer/ Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 43 EGV Rn. 83 ff.; Fischer, § 16 Rn. 12 ff.; Blumenwitz, NJW 1989, S. 621, 623. 252 Vgl. aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs EuGH, NJW 1977, 2016. 253 EuGH, NJW 1985, 1275. 254 Blumenwitz, NJW 1989, S. 621, 623; Steindorff, ZHR 150 (1986), S. 687, 693; Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 43 EGV Rn. 23; Herdegen, § 17 Rn. 319; Fischer, § 16 Rn. 12.
B. Wegzug inländischer Kapitalgesellschaften ins Ausland
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zu einem Beschränkungsverbot ist die Entscheidung vom 07.05.1991 in der Rechtssache Vlassopoulou255. Auch die danach ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs zeigt, dass der EuGH die Niederlassungsfreiheit auch als Beschränkungsverbot auslegt256. Aktuelle Entscheidungen des EuGH, die eine Ungleichbehandlung der eigenen Staatsangehörigen durch den Herkunftsstaat betreffen, sind beispielsweise das Urteil in der Rechtssache der schwedischen Staatsangehörigen X und Y gegen die schwedische Steuerverwaltung vom 21.11.2002257 und das Urteil in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant vom 11.03.2004258. In beiden Entscheidungen nahm der EuGH eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit an259. Der Gerichtshof führte im Urteil in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant aus, dass zwar Art. 43 EG seinem Wortlaut nach insbesondere die Inländergleichbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern solle, er es aber auch verbiete, dass der Herkunftsmitgliedstaat die Niederlassung seiner Staatsangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat behindere260. In solchen Fällen, in denen es um eine Benachteiligung des eigenen Staatsangehörigen, der anders als die nicht benachteiligten Staatsangehörigen von seiner Niederlassungsfreiheit Gebrauch macht, durch den Heimatstaat geht, dient das Beschränkungsverbot dazu, das Fehlen einer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu überspielen261. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit gegenüber dem eigenen Staat ist aber, dass ein grenzüberschreitender Bezug in Form eines gemeinschaftsrechtlich relevanten Niederlassungssachverhalts gegeben ist262. b) Reichweite der Niederlassungsfreiheit Es stellt sich allerdings noch das Problem, ob diese Interpretation der Niederlassungsfreiheit als Beschränkungsverbot auch für den hier untersuchten Fall des Wegzugs einer inländischen Kapitalgesellschaft gilt. Auf255 EuGH, NJW 1991, 2073; vgl. Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Art. 43 EGV Rn. 24; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 43 EGV Rn. 87. 256 EuGH, NVwZ 1993, 661, 662 Rn. 32; EuGH, EuZW 1996, 92, 95 Rn. 37; EuGH, EuZW 1997, 443, 444 Rn. 24; EuGH, EuZW 2001, 282, 284 Rn. 26. 257 EuGH, IStR 2003, 23. 258 EuGH, DB 2004, 686. 259 EuGH, IStR 2003, 23, 25 Rn. 37; EuGH, DB 2004, 686, 687 Rn. 48. 260 EuGH, DB 2004, 686, 687 Rn. 42. 261 Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 43 EGV Rn. 105. 262 Koenig/Haratsch, Rn. 623; Scheuer, in: Lenz/Borchardt, Art. 43 EGV Rn. 6; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Art. 43 EGV Rn. 60; vgl. aus der Rechtsprechung EuGH, NVwZ 1993, 661, 662 Rn. 23; EuGH, IStR 2003, 23, 25 Rn. 34.
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
grund des Art. 48 EG als Verweisungsnorm auf Art. 43 EG263 ist die Annahme nahe liegend, dass auch die Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften nicht nur ein Gebot der Inländergleichbehandlung, sondern auch ein Beschränkungsverbot und zwar auch in Bezug auf einen Wegzugsfall einer inländischen Kapitalgesellschaft beinhaltet264. Bei einer Verlegung der Geschäftsleitung in einen anderen Mitgliedstaat liegt ein grenzüberschreitender und von der Niederlassungsfreiheit erfasster Sachverhalt vor, so dass der Anwendungsbereich dieser Grundfreiheit nach dieser Sichtweise eröffnet wäre. Allerdings besteht aufgrund der EuGH-Rechtsprechung, wie dargestellt, im Hinblick auf den Wegzugsfall inländischer Kapitalgesellschaften Unklarheit und innerhalb des Schrifttums Uneinigkeit265. In seiner Daily Mail Entscheidung führte der Gerichtshof aus: „Zwar sollen diese Bestimmungen ihrer Fassung nach insbesondere die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sicherstellen, sie verbieten es aber auch dem Herkunftsstaat, die Niederlassung seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten, der Definition des Art. 58 EWGV [jetzt Art. 48 EG]266 genügenden Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat zu behindern. Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, wären die in Art. 52 ff. EWGV [jetzt Art. 43 EG ff.]267 gewährten Rechte sinnentleert, wenn der Herkunftsstaat Unternehmen verbieten könnte auszuwandern, um sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen“268. Diese Aussagen des EuGH sind dahingehend zu verstehen, dass der Gerichtshof auch den Gesellschaften eine Wegzugsfreiheit zugesteht269. Allerdings vertritt der EuGH in seinen weiteren Ausführungen die Ansicht, dass Gesellschaften im Gegensatz zu natürlichen Personen beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts aufgrund einer nationalen Rechtsordnung gegründet würden. Jenseits der jeweiligen nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und ihre Existenz regelten, hätten sie keine Realität. Der EG-Vertrag betrachte die Unterschiede, welche die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der für ihre Gesellschaften erforderlichen Anknüpfung sowie der Möglichkeit und gegebenenfalls der Modalitäten einer Verlegung des satzungsmäßigen oder wahren Sitzes einer Gesellschaft na263
Dinkhoff, S. 91. Knobbe-Keuk, ZHR 154 (1990), S. 325, 353 f., vertrat bereits frühzeitig, dass Wegzugsbeschränkungen gegenüber einer deutschen Gesellschaft von der Niederlassungsfreiheit als Beschränkungsverbot umfasst seien. 265 Vgl. 3. Teil A. II. 2. 266 Die Vorschrift des Art. 48 EG wurde von der Verfasserin selbst eingefügt. 267 Die Vorschriften des Art. 43 ff. EG wurden von der Verfasserin selbst eingefügt. 268 EuGH, NJW 1989, 2186, 2187. 269 Rohde, S. 176. 264
B. Wegzug inländischer Kapitalgesellschaften ins Ausland
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tionalen Rechts von einem Mitgliedstaat in einen anderen aufwiesen, als Probleme, die durch die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nicht gelöst seien, sondern einer Lösung im Wege der Rechtssetzung oder eines Übereinkommens i. S. d. Art. 293 EG bedürften; eine solche sei noch nicht gefunden geworden. Somit gewähre die Niederlassungsfreiheit den Gesellschaften nationalen Rechts kein Recht, den Sitz ihrer Geschäftsleitung unter Bewahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaften des Mitgliedstaats ihrer Gründung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen270. Es scheint, dass der Gerichtshof diese Aussagen weiterhin aufrechterhält. In den Entscheidungen in der Rechtssache Überseering271 und Inspire Art272, die jeweils einen Zuzugsfall zum Gegenstand hatten, führte der EuGH aus, dass die abweichenden Darstellungen in dem Daily Mail Urteil ausschließlich die Rechtsbeziehungen zwischen dem Herkunftsstaat und der wegziehenden Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlege, beträfen273. Eine Klärung der bestehenden Unsicherheit im Hinblick auf die Wegzugsfälle von Kapitalgesellschaften durch das Urteil des EuGH in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant vom 11.03.2004274 ist insofern nicht erfolgt, als es um einen identitätswahrenden Wegzug geht. Im Daily Mail Urteil wurde jedoch nicht über die Zulässigkeit steuerlicher Wegzugsbeschränkungen bei einer nicht identitätswahrenden Verlegung der Geschäftsleitung entschieden. Der Aussagegehalt beschränkt sich darauf, dass ein identitätswahrender Wegzug vom Schutzbereich des Gemeinschaftsrechts nicht erfasst ist. Anstatt die konkrete Vorlagefrage zu beantworten, beurteilte der Gerichtshof die Problematik, ob die Niederlassungsfreiheit ein Wegzugsrecht für Gesellschaften beinhaltet275. Demnach kann die in der Entscheidung Lasteyrie du Saillant getroffene Aussage, dass eine ungleiche steuerliche Behandlung wegziehender und im Inland verbleibender natürlicher Personen unter die Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43 EG falle, wegen der in Art. 48 EG getroffenen Gleichstellung auf Gesellschaften übertragen werden276. 270
EuGH, NJW 1989, 2186, 2187 f. EuGH, GmbHR 2002, 1137. 272 EuGH, EuZW 2003, 687. 273 EuGH, GmbHR 2002, 1137, 1142 f. Rn. 61 ff.; EuGH, EuZW 2003, 687, 693 Rn. 102 f. 274 EuGH, DB 2004, 686. 275 Jaeger, S. 31. 276 Kleinert/Probst, DB 2004, S. 673, 674 f.; dies., NJW 2004, S. 2425, 2426 f.; Campos Nave, NZG 2004, S. 897, 898. Anderer Ansicht ist Körner, IStR 2004, S. 424, 430. Nach der Ansicht von Schön, IStR 2004, S. 289, 297, lässt die Rechtsprechung des EuGH bislang die erforderliche Eindeutigkeit fehlen. Unabhängig 271
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
Im Ergebnis hat Deutschland auch gegenüber den nach innerstaatlichem Recht gegründeten Kapitalgesellschafen – unter der Voraussetzung, dass der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit im Übrigen eröffnet ist – diese Grundfreiheit insofern zu beachten, als eine steuerliche Wegzugsbeschränkung gegeben ist. In einem solchen Fall darf die grenzüberschreitende Gesellschaft gegenüber den im Inland verbleibenden Kapitalgesellschaften nicht schlechter behandelt werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Beschränkungen alle Maßnahmen, welche die Ausübung der Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können277. Eine steuerliche Wegzugsbeschränkung liegt auch insofern vor, als nach inländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung in einen anderen Mitgliedstaat verlegen, nicht als Körperschaftsteuersubjekte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG gewertet werden. Nur bei einem solchen körperschaftsteuerlichen Status werden die an § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG anknüpfenden steuerlichen Vergünstigungen unstreitig und in jedem Fall auch einer grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft inländischen Rechts gewährt. Es wird diesbezüglich auf die Ausführungen zum Zuzugsfall einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft verwiesen278. 2. Steuerliche Einordnung aufgrund verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Nach inländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften, die unter Beibehaltung des inländischen Satzungssitzes den Ort ihrer Geschäftsleitung ins Ausland verlegen, sind infolge dieses Umzugs nach dem Verständnis des Art. 19 Abs. 3 GG nicht mehr grundrechtsberechtigt. Eine inländische juristische Person ist nämlich bei einem ausländischen Verwaltungssitz nicht mehr gegeben. Allerdings sind die gemeinschaftsrechtlichen Einwirkungen auf die Interpretation des Art. 19 Abs. 3 GG zu beachten. Die Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG greift im vorliegenden Fall ein mit der Folge, dass aus Gründen der steuerlichen Gleichbehandlung eine Einordnung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erforderlich ist. Gäbe es nicht die Inländerbeschränkung des Art. 19 Abs. 3 GG, wäre insofern ein Gleichlauf mit Art. 19 Abs. 3 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG gegeben, wonach wirtschaftvon der Rechtsprechung des Gerichtshofs vertritt er jedoch, dass nur die Entscheidung über den Zugang zur Niederlassungsfreiheit nach § 48 Abs. 2 EG in der Hand des Gründungsstaates liege. Weitergehende Niederlassungshindernisse seien am Maßstab des Gemeinschaftsrechts zu prüfen. Eine „Bereichsausnahme“ für die Kontrolle steuerlicher Wegzugshindernisse sei nicht gegeben; vgl. dazu 3. Teil A. II. 2. a. dd. 277 EuGH, EuZW 1996, 92, 95 Rn. 37; EuGH, EuZW 2001, 282, 284, Rn. 26. 278 Vgl. 4. Teil A. I. 1. b.
B. Wegzug inländischer Kapitalgesellschaften ins Ausland
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lich vergleichbare Sachverhalte steuerlich gleich zu behandeln sind279. Wie bereits ausführlich im Rahmen des Zuzugsfalls dargestellt wurde, muss die Bestimmung des Art. 19 Abs. 3 GG gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden, wenn ein gemeinschaftsrechtliches Diskriminierungsverbot einschlägig ist280. Im Wegzugsfall ist zwar kein Diskriminierungsverbot gegeben, weil man gegenüber inländischen Gesellschaften nur von einer Beschränkung sprechen kann. Inhaltlich führt das europarechtliche Beschränkungsverbot aber dazu, dass – wie bei einem Diskriminierungsverbot in Bezug auf ausländische Gesellschaften – keine steuerliche Ungleichbehandlung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften inländischen Rechts im Vergleich zu den in Deutschland verbleibenden Kapitalgesellschaften stattfinden darf. Ebenso wie im Rahmen des Zuzugs von Kapitalgesellschaften muss daher auch bei einem Wegzug inländischer Kapitalgesellschaften Art. 19 Abs. 3 GG EG-rechtskonform dahingehend ausgelegt werden, dass auch nach inländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften mit inländischem Satzungssitz und ausländischer Geschäftsleitung als inländische juristische Personen anzusehen sind. Die erforderliche Rechtsfähigkeit besteht ebenfalls. Wird der Verlegungsbeschluss als Auflösungsbeschluss bewertet, liegt eine weiterhin rechtsfähige Liquidationsgesellschaft vor. Als Personengesellschaft muss die weggezogene Gesellschaft qualifiziert werden, wenn bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Sitztheorie-Staat einer Ansicht zufolge von einer zivilrechtlichen Neueinordnung der Gesellschaftsform ausgegangen wird281. Es handelt sich dann ebenfalls um eine rechtsfähige Organisationseinheit, die ebenfalls unter den Begriff der juristischen Person i. S. d. Art. 19 Abs. 3 GG fällt282. Auch auf der Grundlage des Art. 19 Abs. 3 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG muss demzufolge die Kapitalgesellschaft inländischen Rechts, die ihre Geschäftsleitung ins EU-Ausland verlegt hat, als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingestuft werden.
279 280 281 282
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
1. Teil E. III. 1. b. bb. 4. Teil A. II. 2. b. 3. Teil A. III. 1. a und b. zur Grundrechtsträgerschaft 2. Teil A. I. 2. d. cc. (1) (a).
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4. Teil: Gemeinschaftsrechts- bzw. verfassungskonforme Auslegung
II. Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Inland 1. Steuerliche Einordnung aufgrund gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Verlegt eine nach deutschem Recht errichtete Kapitalgesellschaft isoliert ihren Satzungssitz ins Ausland, was in der Praxis selten vorkommt283, macht sie aus den bereits genannten Gründen nicht von ihrem Niederlassungsrecht Gebrauch284. Inländer und damit auch Kapitalgesellschaften inländischen Rechts können sich aber gegenüber ihrem eigenen Staat auf Art. 12 EG berufen, wenn für diese ein zwischenstaatlicher Sachverhalt gegeben ist285. Ein solcher Sachverhalt liegt vor, da die Gesellschaft nach ihrem Umzug eine inländische Geschäftsleitung und einen ausländischen Satzungssitz hat. Wird die Gesellschaft also grundsätzlich als unbeschränkt steuerpflichtiges Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG bewertet, dann muss eine Subsumtion unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG erfolgen. Andernfalls würden der Gesellschaft aufgrund der Verlegung ihres Satzungssitzes ins Ausland die an § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG anknüpfenden Vergünstigungen vorenthalten, was eine steuerliche Schlechterstellung, die von Art. 12 EG erfasst wird, zur Folge hätte. 2. Steuerliche Einordnung aufgrund verfassungskonformer Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Auch nach der verfassungskonformen Auslegung sind die Kapitalgesellschaften inländischen Rechts, die ihren Satzungssitz ins Ausland verlegt haben, als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einzustufen. Andernfalls würde dem aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleiteten Prinzip, dass wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte auch gleich zu besteuern sind286, widersprochen. Die Gesellschaft hat nach ihrem Wegzug ihre Geschäftsleitung und damit ihren Verwaltungssitz weiterhin im Inland. Sie fällt also wegen Art. 19 Abs. 3 GG unter den Grundrechtsschutz. Im Ergebnis kann somit festgehalten werden, dass die gemeinschaftsrechtskonforme und verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG dazu führt, dass auch nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung und/oder Satzungssitz 283 284 285 286
Vgl. 3. Teil B. Vgl. 3. Teil B. II. Streinz, in: Streinz, Art. 12 EGV Rn. 30. Vgl. 1. Teil E. III. 1. b. bb.
B. Wegzug inländischer Kapitalgesellschaften ins Ausland
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von dieser Vorschrift erfasst werden. Die verfassungsrechtlichen und gemeinschaftsrechtlichen Regelungen tragen damit das bereits zuvor herausgearbeitete Ergebnis, dass hinsichtlich dieser grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften eine wirtschaftliche Betrachtungsweise in Bezug auf die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG heranzuziehen ist. Ebenso wird in Bezug auf grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften inländischen Rechts durch die EG-rechtskonforme und verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG die hier vertretene wirtschaftliche Sichtweise bestätigt.
5. Teil
Die ertragsteuerlichen Konsequenzen der Einordnung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Die steuerliche Einstufung einer nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates gegründeten Kapitalgesellschaft, welche ihre Geschäftsleitung und/ oder ihren Satzungssitz ins Inland verlegt hat, muss sowohl nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise als auch nach der EG-rechtskonformen und verfassungsrechtlichen Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unter diese Vorschrift erfolgen. Ein solcher körperschaftsteuerlicher Status der zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts hat in ertragsteuerlicher Hinsicht verschiedene Auswirkungen. Diese sollen in Bezug auf das Körperschaftsteuer-, das Einkommensteuer- und das Gewerbesteuerrecht anhand einiger Beispiele erläutert werden1.
A. Auswirkungen auf dem Gebiet des Körperschaftsteuerrechts I. Anwendbarkeit des § 8 a KStG Wird die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft als ein Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG beurteilt, hat dies in körperschaftsteuerlicher Hinsicht Bedeutung für die Frage der Anwendbarkeit des § 8 a KStG. Dies gilt sowohl für die alte Fassung der Vorschrift in den noch offenen Fällen als auch für die jetzige Neuregelung des § 8 a KStG. Die Vorschrift des § 8 a KStG ist durch das Standortsicherungsgesetz vom 13.09.19932 mit Wirkung ab 1994 Bestandteil des Körperschaftsteuergesetzes geworden3. § 8 a Abs. 1 Satz 1 KStG bestimmte in der bis zum 1 Die dargestellten Konsequenzen beschränken sich auf einige wesentliche Beispiele, um die Bedeutung eines körperschaftsteuerlichen Status der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu verdeutlichen. Es handelt sich somit um keine abschließende und vollständige Darstellung. 2 BGBl. 1993, 1569, 1576.
A. Auswirkungen auf dem Gebiet des Körperschaftsteuerrechts
291
31.12.2000 geltenden Fassung, dass Vergütungen für unangemessen hohes Fremdkapital, das eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft von einem nicht zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigten, wesentlich beteiligten Anteilseigner erhält, nicht als abzugsfähige Betriebsausgaben, sondern als nicht abzugsfähige verdeckte Gewinnausschüttungen an die ausländischen Anteilseigner anzusehen sind4. Zu dieser ursprünglichen Fassung erging die Entscheidung des EuGH vom 12.12.2002 in der Rechtssache Lankhorst-Hohorst5. Die gemachte Einschränkung bewirke, so der EuGH, in Bezug auf die Besteuerung von Zinsen, die Tochtergesellschaften an ihre Muttergesellschaften als Vergütung von Fremdkapital zahlten, eine unterschiedliche Behandlung gebietsansässiger Tochtergesellschaften, je nachdem, ob ihre Muttergesellschaft ihren Sitz in Deutschland habe oder nicht. Der EuGH beurteilte diese vom Sitz der Muttergesellschaft abhängige unterschiedliche Behandlungsweise von gebietsansässigen Tochtergesellschaften als eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit6. Nach der Ansicht des EuGH werden also durch die alte Fassung des § 8 a Abs. 1 Satz 1 KStG inländische Tochtergesellschaften mit ausländischen Muttergesellschaften im Vergleich zu inländischen Tochtergesellschaften mit inländischen Muttergesellschaften schlechter gestellt, was im Widerspruch zur Niederlassungsfreiheit stehe7. Nach Ansicht der Literatur ist allerdings auch die ab dem 01.01.2001 gültige Fassung des § 8 a Abs. 1 Satz 2 KStG nicht gemeinschaftsrechtskompatibel. Die Umqualifizierung von Zinszahlungen in verdeckte Gewinnausschüttungen betrifft in dieser Fassung anstatt der nicht zur Körperschaftsteueranrechnung berechtigten Anteilseigner diejenigen, deren Vergütungen nicht im Inland im Rahmen einer Veranlagung erfasst werden. In der Regel werden aber die im Ausland ansässigen Anteilseigner nicht im Inland veranlagt, so dass die Hauptzielrichtung der Vorschrift vor allem die ausländischen Anteilseigner sind8. Die Rechtsnorm des § 8 a KStG wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22.12.20039 geändert. Nach der Neufassung der Regelung sind in Wirtschaftsjahren, die nach dem 3
Vgl. Krebs/Bödefeld, BB 2004, S. 407. Vgl. Kutt, S. 52; Dinkhoff, S. 219; Scheuerle, NJW 2003, S. 1913 ff. 5 EuGH, DB 2002, 2690. 6 EuGH, DB 2002, 2690, 2691 Rn. 27 und 32. 7 Vgl. Krebs/Bödefeld, BB 2004, S. 407. 8 Kutt, S. 52 f. und 198 f.; Kessler/Spengel, DB Beilage Nr. 5/2003, S. 1, 6; Scheuerle, NJW 2003, S. 1913, 1914 f. 9 BGBl. I 2003, 2840, 2841 f. 4
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5. Teil: Ertragsteuerliche Konsequenzen
31.12.2003 beginnen, auch inländische Anteilseigner von der Umqualifizierung betroffen10. An dieser Gesetzesänderung wird zu Recht Kritik geübt. Der Gesetzgeber muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die vermeintliche Gemeinschaftsrechtskonformität des § 8 a KStG mit möglichst geringem Aufwand herzustellen11. Es hätte auch die Möglichkeit bestanden, die Vorschrift des § 8 a KStG auf tatsächliche Missbrauchsfälle zu beschränken, was dem Regelungsziel12 der Norm eher entsprechen würde13. 10 Krebs/Bödefeld, BB 2004, S. 407 f. Ob diese Neuregelung, die auch inländische Anteilseigner in die Umqualifizierung einbezieht, nunmehr tatsächlich gemeinschaftsrechtskonform ist, ist allerdings fraglich. Eine Ansicht in der Literatur geht von der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit aus. Künftig würden Muttergesellschaften mit ausländischen Tochtergesellschaften im Vergleich zu Muttergesellschaften mit inländischen Tochtergesellschaften schlechter behandelt. Beziehe eine Muttergesellschaft von ihrer inländischen Tochtergesellschaft Zinsen, die i. S.d § 8 a KStG umqualifiziert würden, gelte für die Muttergesellschaft bezüglich der Zinsen die Steuerbefreiung des § 8 b Abs. 1 KStG. Würden demgegenüber die Zinsen durch die Muttergesellschaft von einer ausländischen Tochtergesellschaft bezogen, seien diese im Inland voll zu besteuern. Dies widerspreche aber der gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Garantie der Niederlassungsfreiheit bzw. der Kapitalverkehrsfreiheit, vgl. Krebs/Bödefeld, BB 2004, S. 407, 408; Kessler/Spengel, DB Beilage Nr. 6/2004, S. 1, 5. Einkommensteuersubjekte profitierten bei einem rein inländischen Sachverhalt gem. § 3 Nr. 40 EStG von einer 50%-igen Freistellung, vgl. Kessler/Eicker/ Obser, IStR 2004, S. 325, 328; Spengel/Golücke, RIW 2003, S. 333, 345. Nach einer anderen Ansicht lässt sich dieses Ergebnis durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung vermeiden. Auch im Hinblick auf ausländische Tochtergesellschaften greife auf der Ebene der Muttergesellschaft die Umqualifizierung in Dividenden und folglich die Freistellung gem. § 8 b Abs. 1 KStG. Ein weiterer möglicher Lösungsansatz zur Herstellung der Gemeinschaftsrechtskonformität wird in der Nichtanwendbarkeit des § 8 b Abs. 1 KStG auf verdeckte Gewinnausschüttungen gesehen, vgl. Hahn, GmbHR 2004, S. 277 ff. Des Weiteren wird, unabhängig von der Regelung des § 8 b KStG, von der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit ausgegangen. Zum einen gelte dies unter dem Gesichtspunkt des Verbots gemeinschaftsrechtlicher Beschränkungen. Durch die neue Fassung des § 8 a KStG werde die Ausübung der Niederlassungs- und der Kapitalverkehrsfreiheit weniger attraktiv gemacht, da ohne die Regelung für EU-Ausländer die Finanzierung und somit die Gründung und das Halten von Tochtergesellschaften in Deutschland einfacher wäre. Zum anderen wird eine mittelbare Diskriminierung angenommen, da § 8 a KStG n. F. faktisch in erster Linie grenzüberschreitende Sachverhalte betreffe. Im Gegensatz zu Inlandssachverhalten, bei denen die Anwendung des § 8 a KStG durch die Begründung einer Organschaft oder durch eine Verschmelzung abgewendet werden könne, seien diese Möglichkeiten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten noch nicht gegeben. Eine Diskriminierung liege daher vor, da eine solche auch dann anzunehmen sei, wenn eine Norm theoretisch gleichermaßen für Inlandssachverhalte wie grenzüberschreitende Sachverhalte gelte, jedoch aufgrund typischer Gestaltungsmaßnahmen praktisch ausschließlich oder hauptsächlich bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zur Anwendung komme, vgl. hierzu Körner, IStR 2004, S. 253, 259 ff. 11 Dannecker, DStZ 2004, S. 67, 69. 12 Vgl. hierzu Krebs/Bödefeld, BB 2004, S. 407.
A. Auswirkungen auf dem Gebiet des Körperschaftsteuerrechts
293
Durch die Neuregelung wurde der persönliche Anwendungsbereich des § 8 a KStG bezüglich der Empfänger des Fremdkapitals erweitert. Im Gegensatz zu den vorherigen Fassungen der Vorschrift, die auf eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft abstellte, spricht die neue Fassung des § 8 a KStG nur noch von Kapitalgesellschaften. Damit ist die geänderte Regelung nunmehr im Besonderen auch für nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften eröffnet, deren Geschäftsleitung sowie satzungsmäßiger Sitz sich im Ausland befindet und die mit ihren inländischen Einkünften gem. § 2 Nr. 1 KStG beschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind. Voraussetzung ist, dass diese Gesellschaften nach dem Rechtstypenvergleich einer inländischen Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG entsprechen14. Fraglich ist, ob die Rechtsnorm des § 8 a KStG auch für die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften gilt. Diese Frage stellt sich sowohl für die alten Fassungen der Vorschrift angesichts der noch offenen Fälle als auch für die jetzige Gesetzesfassung. Unabhängig davon, dass nach der früheren Gesetzeslage die Regelung im Gegensatz zur jetzigen Fassung nur die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht erfasste, war und ist der Anwendungsbereich lediglich für Kapitalgesellschaften eröffnet. Darunter sind die Kapitalgesellschaften i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu verstehen. Werden die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften nicht als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG angesehen, sondern wird der körperschaftsteuerliche Status gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG bestimmt, ist die Vorschrift des § 8 a KStG bei wortlautgetreuer Auslegung nicht anwendbar. Diese Nichtanwendbarkeit des § 8 a KStG wäre für die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften von Vorteil15. Wird die ausländische Kapitalgesellschaft im Sinne des Liechtenstein Urteils des BFH als Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG gewertet, soll nach Auffassung der Finanzverwaltung16 und einer Ansicht in der Literatur17 die Vorschrift des § 8 a KStG dennoch anwendbar sein. Bei einer Qualifizierung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG liegt jedoch keine Kapitalgesellschaft gem. § 8 a KStG im steuerlichen Sinn vor. Die Erstreckung des Regelungsbereichs des § 8 a KStG auf Körperschaftsteuersubjekte i. S.d § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG 13
Scheuerle, NJW 2003, S. 1913, 1915. Benecke/Schnitger, IStR 2004, S. 44; Brinkmann, Steuer & Studium 2004, S. 221, 222; Menck, in: Blümich, § 8 a KStG Rn. 41 und 105. 15 Fock, RIW 2000, S. 42, 48. 16 BMF-Schreiben vom 17.11.1994, BStBl. I 1995, 25, 26 Rn. 6. 17 Menck, in: Blümich, § 8 a KStG Rn. 105 unter Bezugnahme auf das BMFSchreiben. 14
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5. Teil: Ertragsteuerliche Konsequenzen
widerspricht dem eindeutigen Wortlaut des § 8 a KStG. Die Vorschrift ist daher nur für steuerliche Kapitalgesellschaften i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG anwendbar18. Die Problematik bezüglich des Anwendungsbereichs des § 8 a KStG im Hinblick auf grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften ergibt sich folglich nicht, wenn diese bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaft unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG subsumiert werden. Die Rechtsnorm des § 8 a KStG gilt dann auch für diese Gesellschaften19.
II. Anwendbarkeit des § 8 Abs. 2 KStG Fraglich ist, ob die Kategorisierung der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG dazu führt, dass § 8 Abs. 2 KStG für diese Gesellschaften gilt oder ob der körperschaftsteuerliche Status der grenzüberschreitenden ausländischen Kapitalgesellschaft diesbezüglich keine Rolle spielt. § 8 Abs. 2 KStG bestimmt, dass bei Steuerpflichtigen, die nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches zur Führung von Büchern verpflichtet sind, alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind. Es erscheint der Gedanke nahe liegend, den im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG vorgenommenen Typenvergleich auf die Vorschrift des § 8 Abs. 2 KStG zu übertragen. § 8 Abs. 2 KStG wäre dann auf die zugezogene Kapitalgesellschaft anwendbar, wenn die der ausländischen Gesellschaft entsprechende inländische Rechtsform in Deutschland buchführungspflichtig wäre20. Die Subsumtion der Gesellschaft unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG entschiede dann mittelbar auch über die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 2 KStG. Es läge gewissermaßen ein Gleichlauf beider Rechtsnormen für die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften vor. Ob diese Übertragung des in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG durchgeführten Typenvergleichs auf § 8 Abs. 2 KStG zutreffend ist, spielt in einigen der Fälle eine Rolle, in denen die ausländische Kapitalgesellschaft kein Handelsgewerbe gem. § 1 HGB betreibt, d.h. wenn kein Unternehmen vorliegt, das nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, sondern die Gesellschaft vermögensverwaltend tätig ist21. Die Buchführungspflicht i. S. d. § 8 Abs. 2 HGB richtet sich nach 18
Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 34; Dinkhoff, S. 219 f. Ebert/Ledevag, GmbHR 2003, S. 1337, 1345. 20 Eine solche Übertragung des im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG vorgenommenen Typenvergleichs auf § 8 Abs. 2 KStG vollzieht Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 48 f. 21 Vgl. Dinkhoff, S. 205. 19
A. Auswirkungen auf dem Gebiet des Körperschaftsteuerrechts
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den Vorschriften des deutschen HGB. Dies entspricht der Ansicht des BFH22 und ihm folgend der überwiegenden Meinung des Schrifttums23. Besteht mangels Handelsgewerbes keine Kaufmannseigenschaft der zugezogenen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts i. S. d. § 1 Abs. 1 HGB, ist diese auch nicht gem. § 1 Abs. 1 i. V. m. § 238 HGB buchführungspflichtig. Es stellt sich dann die Frage, ob diese Gesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung gem. § 6 HGB Formkaufleute und damit nach § 238 HGB buchführungspflichtig sind. Im Hinblich auf Kapitalgesellschaften sind die AG gem. § 3 Abs. 1 AktG, die GmbH gem. § 13 Abs. 3 GmbHG und die KGaA gem. §§ 278 Abs. 3, 3 Abs. 1 AktG, jeweils i. V. m. §§ 6, 238 HGB nach dem HGB buchführungspflichtig24. Die Handelsgesellschaften kraft Rechtsform müssen auch dann Bücher führen, wenn sie kein Handelsgewerbe betreiben, sondern vermögensverwaltend tätig sind25. Vor dem Hintergrund der Überseering Entscheidung des EuGH26 sind die zugezogenen Kapitalgesellschaften im Inland als rechtsfähige Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts anzuerkennen, vorausgesetzt der Wegzugsstaat knüpft an den Wegzug der Gesellschaft nicht den Verlust der Rechtsfähigkeit an. Aufgrund der Beibehaltung der zivilrechtlichen Rechtsform kann die zugezogene Gesellschaft bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaft als Formkaufmann i. S. d. § 6 HGB beurteilt werden27. Die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft ist dann nach § 238 HGB zur Führung von Büchern verpflichtet. Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 KStG ist folglich anwendbar mit der Konsequenz, dass alle dem deutschen Steuerrecht unterliegenden Einkünfte ohne Rücksicht auf die Art der Betätigung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu bewerten sind28. Da die grenzüberschreitende Gesellschaft aufgrund ihrer inländischen Geschäftsleitung im Inland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist, sind entsprechend dem Welteinkommensprinzip29 sämtliche Einkünfte der Gesellschaft solche aus Gewerbebetrieb. Können die zugezogenen Kapitalgesellschaften somit unter § 6 HGB subsumiert werden, gilt 22 BFH, BFH/NV 1990, 161, 162; BFH, BFH/NV 1994, 864, 865; BFH, BFH/ NV 1997, 443; BFH, BStBl. II 1998, 468, 470. 23 Lang, in: Ernst & Young, § 8 KStG Rn. 407; Geiger, in: Dötsch/Eversberg/ Jost/Pung/Witt, § 8 Abs. 2 KStG Rn. 2; Wrede, in: H/H/R, § 8 KStG Anm. 28; Schulte, in: Erle/Sauter, § 8 Rn. 31 und 49; Wassermeyer, S. 83, 92 f. und 98. 24 Geiger, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 8 Abs. 2 KStG Rn. 4. 25 Lang, in: Ernst & Young, § 8 KStG Rn. 408; Geiger, in: Dötsch/Eversberg/ Jost/Pung/Witt, § 8 Abs. 2 KStG Rn. 4. 26 EuGH, GmbHR 2002, 1137. 27 Geiger, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 8 Abs. 2 KStG Rn. 16; Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rn. 15. 28 Geiger, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 8 Abs. 2 KStG Rn. 1 und 16. 29 Vgl. Höreth/Schiegl, ZSteu 2004, S. 176.
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5. Teil: Ertragsteuerliche Konsequenzen
§ 8 Abs. 2 KStG auch bei einer vermögensverwaltenden Tätigkeit der Gesellschaft. Die Frage, ob der bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG durchgeführte Typenvergleich auch im Rahmen des § 8 Abs. 2 KStG anzuwenden ist und damit ausreichend ist, wenn die entsprechende inländische Kapitalgesellschaftsform buchführungspflichtig ist, ist demnach nicht von Bedeutung. Erkennt allerdings der ausländische Gründungsstaat der weggezogenen Kapitalgesellschaft die Rechtsfähigkeit ab, kann die grenzüberschreitende Gesellschaft im Inland nicht als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts und daher auch nicht als Formkaufmann i. S. d. § 6 HGB qualifiziert werden. Betreibt die zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts im Inland kein Handelsgewerbe gem. § 1 HGB, ist eine Buchführungspflicht nach deutschem HGB gegeben, wenn die Gesellschaft im Inland eine Zweigniederlassung i. S. d. § 13 d HGB betreibt30. Abgesehen davon, dass von der (Um)Qualifikation des § 8 Abs. 2 KStG nur die der inländischen Zweigniederlassung zuzuordnenden Einkünfte erfasst würden, dürfte der Umfang der Tätigkeit einer vermögensverwaltenden Gesellschaft häufig nicht ausreichen, um handelsrechtlich als Zweigniederlassung zu gelten31. Eine Buchführungspflicht nach dem deutschen HGB und damit eine Anwendung des § 8 Abs. 2 KStG auf dieser Grundlage scheidet somit in vielen Fällen aus. Eine analoge Anwendung des § 8 Abs. 2 KStG32, wenn eine Buchführungspflicht nach ausländischem Recht besteht, ist abzulehnen33. Ausschlaggebend für die Nichtanwendbarkeit des § 8 Abs. 2 KStG sind aber nicht die sich ansonsten ergebenden Probleme praktischer Natur, die darin bestünden, dass jeweils das einschlägige ausländische Handelsrecht zu untersuchen wäre. Diese Schwierigkeiten würden sich verschärfen, wenn die Frage der Buchführungspflicht von der ausländischen Rechtsordnung nicht im Handelsrecht selbst geregelt wäre. Auch würden Ungleichbehandlungen aufgrund des Umstandes eintreten, dass die Buchführungsverpflichtung von den ausländischen Staaten sehr unterschiedlich geregelt ist34. Diese Aspekte 30 31
Vgl. das BMF-Schreiben vom 24.12.1999, BStBl. I 1999, 1076, 1079 1.1.3.2. Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 47; Rehberg, in: Eidenmüller, § 5 Rn. 20 und
22. 32 Nach Schwedhelm, in: Streck, § 8 Anm. 25, ist § 8 Abs. 2 KStG bei beschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekten entsprechend anwendbar. Unter der Voraussetzung, dass sie nach ausländischem Recht zur Buchführung verpflichtet seien, erzielten sie – vorbehaltlich der isolierenden Betrachtungsweise – Einkünfte aus Gewerbebetrieb. 33 Rengers, in: Blümich, § 8 KStG Rn. 52; Geiger, in: Dötsch/Eversberg/Jost/ Pung/Witt, § 8 Abs. 2 KStG Rn. 13. Auch nach der Ansicht des BFH, BStBl. II 1998, 468, 470, ist es für die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 2 KStG unerheblich, wenn eine Buchführungspflicht nach ausländischem Recht besteht.
A. Auswirkungen auf dem Gebiet des Körperschaftsteuerrechts
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können im vereinten Europa nicht dazu führen, dass § 8 Abs. 2 KStG eine Buchführungspflicht nach deutschem Recht voraussetzt. Maßgeblich ist vielmehr, dass sich die inländische Besteuerung und damit die Qualifikation der Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb i. S. d. § 8 Abs. 2 KStG allein nach deutschem Steuerrecht richten muss35. Ebenso wenig wie es im Rahmen der Beurteilung der Körperschaftsteuerrechtsfähigkeit auf die zivilrechtliche bzw. steuerliche Einordnung der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft in ihrem Gründungsstaat ankommt36, spielt im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 2 KStG die Buchführungspflicht nach dem ausländischen Recht eine Rolle. Entscheidend ist allein die Vorschrift des § 8 Abs. 2 KStG, der auf die Vorschriften des deutschen Handelsgesetzbuchs verweist. Betreibt die ausländische Kapitalgesellschaft kein Handelsgewerbe i. S. d. § 1 HGB, sondern handelt es sich um eine vermögensverwaltende Gesellschaft und ist diese infolge der Aberkennung ihrer Rechtsfähigkeit durch den Wegzugsstaat nicht unter § 6 HGB subsumierbar, erzielt sie ohne die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 2 KStG Einkünfte aus Kapitalvermögen oder aus Vermietung und Verpachtung. Dies spielt eine Rolle, wenn die Kapitalgesellschaft ihr Vermögen veräußert und hierbei einen Veräußerungsgewinn erzielt37. Im Gegensatz zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb ist der Veräußerungsgewinn bei diesen Einkunftsarten, außer in den Fällen der §§ 17, 23 EStG, nicht steuerbar38. Es kommt daher für grenzüberschreitende vermögensverwaltende Kapitalgesellschaften entscheidend darauf an, ob der im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG durchgeführte Typenvergleich auch hinsichtlich des § 8 Abs. 2 KStG anwendbar ist. Während § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG auch für nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit inländischen Kapitalgesellschaften einschlägig ist, kann die Regelung des § 8 Abs. 2 KStG nicht in dem Sinne erweiternd ausgelegt werden, dass ausländische grenzüberschreitende Gesellschaften bei einem solchen positiven Vergleich ebenfalls erfasst werden. Mit der alternativen räumlichen Anknüpfung gem. § 1 Abs. 1 KStG bringt der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck, dass er nicht nur die deutschen, sondern auch die ausländischen Kapitalgesellschaften als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG an34 Diese Gesichtspunkte führt Wassermeyer, S. 83, 92, als Argumente dafür an, dass sich § 8 Abs. 2 KStG nur auf eine Buchführungsverpflichtung nach dem deutschen HGB bezieht. 35 Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 48. 36 Vgl. 1. Teil E. III. 1. 37 Dinkhoff, S. 205; Wassermeyer, S. 83, 92 f. 38 Lang, in: Tipke/Lang, § 9 Rn. 181 ff.
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5. Teil: Ertragsteuerliche Konsequenzen
sieht. Die Rechtsnorm des § 8 Abs. 2 KStG ist für diese grenzüberschreitenden Gesellschaften bei wortlautgetreuer Auslegung anwendbar, wenn ein Handelsgewerbe i. S. d. § 1 HGB gegeben ist. Handelt es sich um eine vermögensverwaltende Gesellschaft, ist § 8 Abs. 2 KStG demgegenüber, falls nicht § 6 HGB eingreift, nicht einschlägig, selbst wenn die ausländische Gesellschaft einer inländischen Kapitalgesellschaft, für die sich eine Buchführungspflicht aus den Vorschriften des HGB ergibt, entspricht. Für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 8 Abs. 2 KStG muss die Voraussetzung der Verpflichtung zur Führung von Büchern nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches für die betreffende Gesellschaft selbst erfüllt sein. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 8 Abs. 2 KStG genügt es nicht, dass die der zugezogenen Kapitalgesellschaft vergleichbare Gesellschaft inländischen Rechts nach dem HGB buchführungspflichtig ist. Die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft muss vielmehr selbst zur Führung von Büchern nach dem deutschen Handelsrecht verpflichtet sein. Zwar besteht dadurch ein Widerspruch zwischen beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtigen vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, da nur die Veräußerungsgewinne beschränkt steuerpflichtiger und vermögensverwaltender Kapitalgesellschaften gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 f EStG als Einkünfte aus Gewerbebetrieb besteuert werden39. Diese Gesetzeslücke kann allerdings durch eine entsprechende Vorschrift für die Veräußerungsgewinne aus der Vermögensverwaltung unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtiger Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts geschlossen werden. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Einstufung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG für die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 2 KStG keine Rolle spielt. Die Vorschrift ist nur einschlägig, wenn eine Buchführungspflicht nach dem deutschen Handelsgesetzbuch besteht.
B. Auswirkungen auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechts I. Anwendbarkeit des Maßgeblichkeitsgrundsatzes Der Maßgeblichkeitsgrundsatz ist in § 5 Abs. 1 EStG enthalten. Dessen Anwendungsbereich wirft in Bezug auf grenzüberschreitende ausländische Kapitalgesellschaften ähnliche Rechtsfragen auf, wie sie sich im Rahmen des § 8 Abs. 2 KStG stellen, nämlich ob eine ertragsteuerliche Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG bzw. eine Buchführungspflicht nach ausländischem Recht für die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 EStG ausreichend ist. 39
Wassermeyer, S. 83, 93 und 98.
B. Auswirkungen auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechts
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Auch auf den Maßgeblichkeitsgrundsatz kann allerdings der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG durchgeführte Rechtstypenvergleich nicht übertragen werden. Es kann nicht darauf abgestellt werden, ob die entsprechende inländische Gesellschaftsform von der Vorschrift des § 5 Abs. 1 EStG erfasst wird, sondern es kommt darauf an, ob die ausländische Gesellschaft selbst die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt. Damit hat die Einordnung der umgezogenen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG keine Folgen für die Anwendbarkeit des Maßgeblichkeitsgrundsatzes. Eine Buchführungspflicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften i. S. d. § 5 Abs. 1 EStG wird unter anderem durch die handelsrechtlichen Vorschriften gem. §§ 238 ff. HGB begründet. Sie sind nach § 140 AO auch im Interesse der Besteuerung zu erfüllen40. Nach der zustimmungswürdigen Ansicht der finanzgerichtlichen Rechtsprechung41, der ein großer Teil der Literatur folgt42, verweist § 5 Abs. 1 EStG ausschließlich auf das inländische und nicht auch auf das ausländische Bilanzrecht. Eine nach ausländischem Recht bestehende Buchführungspflicht kann demnach auch nicht über § 140 AO mittelbar auf § 5 Abs. 1 EStG durchschlagen43. Der entscheidende Gesichtspunkt ist aber nicht die Gefahr einer erheblichen Komplizierung des deutschen Steuerrechts. Auch nicht die sich aufgrund der Unterschiede im Handelsrecht der einzelnen ausländischen Staaten im Verhältnis zueinander ergebende ungleiche Behandlung der jeweiligen grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts im Inland ist letztendlich maßgeblich44. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass nicht das ausländische Recht über die Anwendbarkeit deutschen Steuerrechts, hier § 5 Abs. 1 EStG, entscheiden kann. Ansonsten würde die Bemessungsgrundlage der deutschen Körperschaftsteuer in der Hand ausländischen Bilanzrechts liegen45. Dies widerspräche aber dem Grundsatz, dass sich die inländische Besteuerung allein nach deutschem Steuerrecht zu richten hat und nicht von den Regelungen des ausländischen Wegzugsstaates abhängig sein darf. Die für die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 EStG erforderliche Buchführungsund Abschlusspflicht muss sich somit nach dem inländischen Bilanzrecht ergeben. Im Hinblick auf die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts gilt daher der Maßgeblichkeitsgrundsatz, wenn sie nach dem HGB zur Buchführung verpflichtet sind46. Daneben greift § 5 Abs. 1 EStG 40
Stobbe, in: H/H/R, § 5 EStG Anm. 27. BFH, BStBl. II 1990, 57, 59. 42 Vgl. z. B. Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 53; Baranowski, DB 1992, S. 240, 243; Stobbe, in: H/H/R, § 5 EStG Anm. 12; so wohl auch Wassermeyer, S. 83, 94. Anderer Ansicht ist z. B. Streck, BB 1973, S. 32, 34. 43 So aber Mathiak, DStR 1990, S. 255, 256. 44 So aber Wassermeyer, S. 83, 94. 45 Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 53. 41
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5. Teil: Ertragsteuerliche Konsequenzen
ein, wenn die Voraussetzungen des § 141 AO, der eine originäre steuerliche Buchführungs- und Abschlusspflicht begründet, gegeben sind47.
II. Anwendbarkeit des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG Die Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG regelt den Fall einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, d.h. einer Personengesellschaft, bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind. Der Begriff der Kapitalgesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG entspricht demjenigen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG48. Von § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG werden demzufolge die inländischen Kapitalgesellschaften, nämlich die AG, KGaA und GmbH, erfasst49. Es handelt sich bei der Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG um eine gesetzliche Begriffsbestimmung der Kapitalgesellschaft im steuerlichen Sinne50, die auch für die anderen Steuergesetze als das Körperschaftsteuergesetz von Bedeutung ist51. Die ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG, d.h. eine KG, bei der anstatt einer inländischen Kapitalgesellschaft eine nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft alleinige persönlich haftende Gesellschafterin ist, war bislang noch nicht sehr verbreitet52. Das für die ausländische Kapitalgesellschaft geltende Gründungsrecht ist in der Regel kein Hinderungsgrund für die Beteiligung als persönlich haftende Gesellschafterin an einer deutschen KG. Zwar muss das Gründungsrecht eine solche Beteiligung zulassen. Grundsätzlich wird aber das ausländische Recht zu dieser Frage schweigen53. Problematisch waren jedoch in der Vergangenheit aufgrund der Tatsache, dass sich der Verwaltungssitz der ausländischen Komplementär-Kapitalgesellschaft in der Praxis im Regelfall in Deutschland befindet54, die sich aus der Sitztheorie ergebenden haftungsrechtlichen Folgen. Nach dem Urteil des II. Zivilsenats des BGH vom 46
Vgl. hierzu 5. Teil A. II. Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 55. 48 Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 87. 49 Schmidt, in: Schmidt, § 15 Rn. 216; Reiß, in: Kirchhof, § 15 Rn. 135. 50 Wachter, GmbHR 2004, S. 88, 95. 51 Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 35, 89 und 125. 52 Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249. 53 Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249, 250; Eidenmüller, JZ 2004, S. 24, 30. Vgl. zu den generellen Anforderungen, welche die Rechtsprechung hinsichtlich der Beteiligungsfähigkeit einer ausländischen juristischen Person als Komplementärin an einer Kommanditgesellschaft deutschen Rechts stellt BayObLG, NJW 1986, 3029, 3030 ff.; OLG Saarbrücken, JZ 1989, 904, 905 f. 47
B. Auswirkungen auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechts
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01.07.200255 wird die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft zivilrechtlich in eine inländische Personengesellschaft umqualifiziert. Eine solche Beurteilung ermöglicht es zwar, jeweils die Rolle des persönlich haftenden Gesellschafters bei der KG zu übernehmen. Auch bliebe die beschränkte Haftung der Kommanditisten unberührt. Allerdings würden die Gesellschafter der nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaft unbeschränkt persönlich haften56. Nach der neueren EuGH-Rechtsprechung verliert die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz allerdings nicht ihre Existenz als rechtsfähige juristische Person ausländischen Rechts57. Die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG gebietet es, dass die Komplementär-Gesellschaft aus inländischer Sicht nach wie vor als eine Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts respektiert wird, vorausgesetzt, dass sie nach dem Recht des Gründungsstaates fortbesteht. Die hinter der ausländischen Kapitalgesellschaft stehenden natürlichen Personen werden somit auch bei einem deutschen Verwaltungssitz vor einer unbeschränkten persönlichen Haftung abgeschirmt58. In steuerlicher Hinsicht können die doppelansässigen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaft unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingeordnet werden. Fällt der Typenvergleich mit einer deutschen Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG positiv aus, findet auf die Gesellschaften ausländischen Rechts § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG Anwendung59. Motiv für die Wahl einer ausländischen Kapitalgesellschaft & Co. KG kann z. B. die Vermeidung der Mitbestimmung sein60.
III. Anwendbarkeit des § 17 EStG Nach der Regelung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb unter bestimmten Voraussetzungen auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft. Ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn kann sich gem. § 17 Abs. 4 Satz 1 54
Aus organisatorischen Gründen und wegen der Kosten befindet bei einer im Inland operativ tätigen KG die Geschäftsführung der ausländischen Kapitalgesellschaft im Inland, vgl. Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249, 251. 55 BGH, GmbHR 2002, 1021. 56 Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249, 252 f. 57 EuGH, GmbHR 2002, 1137. 58 Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249, 255. 59 Reiß, in: Kirchhof, § 15 Rn. 135; Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 87. 60 Binz/Mayer, GmbHR 2003, S. 249 f.
302
5. Teil: Ertragsteuerliche Konsequenzen
EStG unter anderem auch dann ergeben, wenn eine Kapitalgesellschaft aufgelöst wird61. Wird eine nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft, die einer deutschen Kapitalgesellschaft entspricht, unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingeordnet, gilt gleichfalls die Vorschrift des § 17 EStG in Bezug auf die Anteile an dieser Gesellschaft ausländischen Rechts, ein anfallender Veräußerungsgewinn muss versteuert werden62. Damit entscheidet der vorzunehmende Typenvergleich, der zur Subsumtion unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG führt, mittelbar auch über die Anwendbarkeit des § 17 EStG. Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG fallen unproblematisch unter die Rechtsnorm des § 17 EStG. Dort wird nämlich auf die Anteile an Kapitalgesellschaften abgestellt. Wie bereits in dem vorhergehenden Abschnitt zu § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG erwähnt wurde, handelt es sich bei der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG um eine gesetzliche Begriffsbestimmung, die auch für andere Steuergesetze außerhalb des Körperschaftsteuergesetzes gilt63. Der Begriff der Kapitalgesellschaft in § 17 EStG entspricht demjenigen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG64. Dies bedeutet für die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts aber nicht, dass eine der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG aufgezählten deutschen Kapitalgesellschaften vorliegen muss. Ebenso wie für die Einstufung unter diese Regelung genügt es, dass die ausländische Gesellschaft einer inländischen Kapitalgesellschaft entspricht. Der Typenvergleich ist daher auch entscheidend für die Anwendbarkeit des § 17 EStG. Eine Einordnung der umgezogenen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 oder § 3 Abs. 1 KStG führte dagegen dazu, dass der Regelungsbereich des § 17 EStG nicht eröffnet wäre65. § 17 spricht nämlich explizit von Kapitalgesellschaften und verweist damit eindeutig auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Demgegenüber werden Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG oder i. S. d. § 3 Abs. 1 KStG von der Vorschrift des § 17 EStG nicht genannt und können demzufolge auch nicht unter die Regelung subsumiert werden. Es handelt sich bei der Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung, 61 Problematisch ist, ob der infolge einer Sitzverlegung nach Deutschland eintretende Verlust der Rechtsfähigkeit einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit der Auflösung der Kapitalgesellschaft gleichgesetzt werden kann, vgl. Birk, IStR 2003, S. 469, 470 f. und 473. Dies wird jedoch erst im Rahmen der Zuzugsbesteuerung behandelt, vgl. 7. Teil B. IV. 62 Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 76. 63 Vgl. 5. Teil B. II. 64 Gosch, in: Kirchhof, § 17 Rn. 40; Ebling, in: Blümich, § 17 EStG Rn. 60; Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 34 und 76. 65 Großfeld/Luttermann, IPRax 1993, S. 229.
B. Auswirkungen auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechts
303
die ertragsteuerlich i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG eingestuft wird, auch nicht um eine ähnliche Beteiligung gem. § 17 Abs. 1 Satz 366. Werden die einer deutschen Kapitalgesellschaft entsprechenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG gewertet und findet damit unproblematisch § 17 EStG Anwendung, werden dadurch auch Gestaltungen vermieden, die darauf hinzielen, eine Besteuerung des Veräußerungs- bzw. Liquidationsgewinns zu verhindern. Die Gründung einer Kapitalgesellschaft im Ausland, deren Geschäftsleitung sich von Anfang an oder erst später in Deutschland befindet, führt dann nämlich bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaftsform dazu, dass § 17 EStG gilt. Zwar will auch die Gegenmeinung eine solche Umgehungspraxis verhindern, indem sie trotz der ablehnenden Einordnung unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG die Vorschrift des § 17 EStG für anwendbar erklärt67. Jedoch ist ein dogmatisch richtiges und widerspruchsfreies Ergebnis nur zu erreichen, wenn man den Anwendungsbereich des § 17 EStG für nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften davon abhängig macht, dass die Gesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG gewertet wird. Für beide Vorschriften und nicht nur hinsichtlich des § 17 EStG kommt es dann darauf an, dass eine Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaft besteht. Problematisch in Bezug auf die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften, die in einem anderen Mitgliedstaat gegründet wurden und deren Geschäftsleitung sich im Inland befindet, ist, dass ein steuerlich abzugsfähiger Verlust im Liquidations- und Insolvenzfall nach § 17 Abs. 4 EStG durch nachträgliche Anschaffungskosten eventuell ausscheidet68. Verliert 66 So wohl auch Weber-Grellet, in: Schmidt, § 17 Rn. 24, der ausführt, dass eine ertragsteuerliche Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 KStG nicht ausreiche, um den Anwendungsbereich des § 17 EStG zu eröffnen. Eine andere Ansicht vertritt, dass auch bei einer Einordnung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. § 3 Abs. 1 KStG der Anwendungsbereich des § 17 EStG bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaft eröffnet sei. Es handle sich um eine ähnliche Beteiligung gem. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG, vgl. Dinkhoff, S. 216 f. Allerdings werden die ausländischen Gesellschaften nach dieser Ansicht trotz dieser Vergleichbarkeit nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingestuft. Auch nach Hörger, in: Littmann/Bitz/Pust, § 17 Rn. 47 und Gosch, in: Kirchhof, § 17 Rn. 42, handelt es sich unter Bezugnahme auf das Liechtenstein Urteil des BFH, wonach die zugezogenen Kapitalgesellschaften unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG fallen, bei einer Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften, die ihrem Typus nach inländischen Kapitalgesellschaften entsprechen, um ähnliche Beteiligungen. 67 Dinkhoff, S. 215 ff. 68 Vgl. hierzu Ebert/Ledevag, GmbHR 2003, S. 1337, 1345 und Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 77.
304
5. Teil: Ertragsteuerliche Konsequenzen
der Gesellschafter etwa in der Insolvenz der Gesellschaft oder in ihrer Liquidation ein der Gesellschaft gewährtes Darlehen oder wird er aus einer Bürgschaftsverpflichtung für die Schulden der Gesellschaft in Anspruch genommen und ist der Regressanspruch nach § 774 BGB wertlos, kann er nachträgliche Anschaffungskosten geltend machen, wenn die Gewährung des Darlehens bzw. die Übernahme der Bürgschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist69. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis liegt vor, wenn das Darlehen und die Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter i. S. d. § 32 a GmbHG haben70. Bei einer solchen Anbindung an das deutsche Eigenkapitalersatzrecht können die Gesellschafter der zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung die entsprechenden Aufwendungen unter Umständen nicht steuerlich geltend machen. Die deutschen Regeln des Kapitalersatzrechts gelten nämlich nicht für die nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften, deren Geschäftsleitung sich in Deutschland befindet71. Voraussetzung ist allerdings, dass der Wegzugsstaat die Rechtsfähigkeit nicht aberkennt. Dies ergibt sich aufgrund der Grundsätze des Urteils des EuGH in der Rechtssache Überseering72 und Inspire Art73. Infolge dieser Entscheidungen richten sich gesellschaftsrechtliche Rechtsfragen, wozu auch die Regeln zum Eigenkapitalersatzrecht zählen, in einem solchen Fall nach dem Gründungsrecht der Gesellschaft74. Zur Lösung dieses Problems kann das rechtskräftige Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 22.06.200475 herangezogen werden. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall geht es um eine im Inland geschäftlich aktive englische Limited. Der Kläger, ein Anteilseigner an dieser Gesellschaft, machte nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 69 Eilers/R. Schmidt, in: H/H/R, § 17 EStG Anm. 201 f.; Gosch, in: Kirchhof, § 17 Rn. 220 und 230; Ebling, in: Blümich, § 17 EStG Rn. 212 und 216; WeberGrellet, in: Schmidt, § 17 Rn. 170 und 175. 70 Eilers/R. Schmidt, in: H/H/R, § 17 EStG Anm. 201 f.; Weber-Grellet, in: Schmidt, § 17 Rn. 171 und 175; Ebling, in: Blümich, § 17 EStG Rn. 212 und 216 b; BFH, BStBl. II 1985, 320, 322; BFH, BStBl. II 1999, 339, 340; BFH, BStBl. II 1999, 344, 346; BFH, BStBl. II 1999, 724, 725 f.; BFH, BStBl. II 1999, 817, 818. Der eigenkapitalersetzende Charakter von Darlehen bzw. Bürgschaften wird in verschiedenen Fallgruppen angenommen, vgl. dazu Eilers/R. Schmidt, in: H/H/R, § 17 EStG Anm. 201 f.; Weber-Grellet, in: Schmidt, § 17 Rn. 171 und 175; BFH, BStBl. II 1999, 724, 725 f.; BFH, BStBl. II 1999, 817, 818; BMF-Schreiben vom 08.06.1999, BStBl. I 1999, 545 f. 71 Ebert/Ledevag, GmbHR 2003, S. 1337, 1345. 72 EuGH, GmbHR 2002, 1137. 73 EuGH, EuZW 2003, 687; vgl. Eidenmüller/Rehm, ZGR 2004, S. 159, 181. 74 Vgl. Eidenmüller, in: Eidenmüller, § 9 Rn. 42 f. 75 FG Rheinland-Pfalz, GmbHR 2004, 1409.
B. Auswirkungen auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechts
305
EStG geltend76. Das Finanzgericht lehnte den steuerlichen Abzug der geltend gemachten Kosten ab77. Es verneinte den eigenkapitalersetzenden Charakter der Darlehenshingabe des Klägers. Die Frage, ob eine Bindung im Sinne des Eigenkapitalersatzrechts bestehe, könne nur nach dem ausländischen Gründungsrecht beantwortet werden. Der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft könne sich nicht etwa aus verschiedenen Rechtsordnungen die seinen Bedürfnissen in der jeweiligen konkreten Situation gerade besser entsprechende Vorschrift „herauspicken“. In Bezug auf das englische Gründungsrecht der Gesellschaft führte das Finanzgericht weiter aus, dass es an einer der § 32 a GmbHG vergleichbaren Vorschrift fehle. Eine Sonderbehandlung von Gesellschafterdarlehen in der Krise und im Konkurs finde nicht statt78. Nach dieser Rechtsprechung liegen im Umkehrschluss nachträgliche Anschaffungskosten i. S. d. § 17 EStG vor, wenn nach der Rechtsordnung des ausländischen Herkunftsstaates die Darlehensgewährung bzw. die Bürgschaftsübernahme eigenkapitalersetzenden Charakter hat. Dies muss im jeweiligen Fall untersucht werden. Selbst wenn das ausländische Gesellschaftsrecht kein Eigenkapitalersatzrecht kennt, ist eine steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen, die aus der Darlehenshingabe bzw. der Bürgschaftsübernahme resultieren, unter bestimmten Voraussetzungen dennoch möglich79. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz stellte in seinem Urteil vom 22.06.2004 darauf ab, dass das Darlehen, das im Rahmen des § 17 EStG Berücksichtigung finden solle, den gleichen Bindungen unterliegen müsse, wie sie der BFH für das einer deutschen GmbH überlassene Darlehen zu dessen Anerkennung als eigenkapitalersetzend fordere80. Solchen Bindungen unterliegt ein Gesellschafterdarlehen, wenn eine Bindung aufgrund gesetzlicher Regelungen ausscheidet, auch bei entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen. Diese müssen so ausgestaltet sein, dass das Darlehen den Gläubigern der Gesellschaft in deren Krise als haftendes Eigenkapital zur Verfügung steht81. Der Gesellschafter einer zugezogenen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts muss daher, wenn im ausländischen Gründungsrecht keine dem deutschen Recht vergleichbaren eigenkapitalersetzenden Regelungen existieren, den Darlehens- bzw. den Bürgschaftsvertrag dementsprechend vertraglich ausgestalten, um nachträgliche Anschaffungskosten geltend machen zu können. 76 77 78 79 80 81
Vgl. hierzu die Ausführungen des FG Rheinland-Pfalz, GmbHR 2004, 1409. FG Rheinland-Pfalz, GmbHR 2004, 1409, 1410 ff. FG Rheinland-Pfalz, GmbHR 2004, 1409, 1411 f. Wachter, GmbHR 2004, S. 1412, 1413. FG Rheinland-Pfalz, GmbHR 2004, 1409, 1411. Wachter, GmbHR 2004, S. 1412, 1413.
306
5. Teil: Ertragsteuerliche Konsequenzen
C. Auswirkungen auf dem Gebiet des Gewerbesteuerrechts Für die den inländischen Kapitalgesellschaften entsprechenden grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG stellt sich in gewerbesteuerlicher Hinsicht die Frage, ob diese schon kraft ihrer Rechtsform einen Gewerbebetrieb unterhalten82. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG bestimmt, dass als Gewerbebetrieb stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften (AG, KGaA, GmbH) gilt. Das Gewerbesteuergesetz enthält damit eine identische gesetzliche Begriffsbestimmung der Kapitalgesellschaft im steuerlichen Sinne wie das Körperschaftsteuerrecht gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG83. Stuft man die umgezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, die den deutschen Kapitalgesellschaften vergleichbar sind, unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ein, dann muss angesichts der gegebenen Begriffsidentität bei einem positiven Typenvergleich auch § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG für die ausländischen Gesellschaften anwendbar sein. Das alleinige Abstellen auf den Rechtstypenvergleich im Rahmen des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG ist aber insofern problematisch, als die ausländische Kapitalgesellschaft im Inland lediglich Vermögensverwaltung ausübt. Die Gesellschaft kann dann zwar unter die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG subsumiert werden. Es besteht allerdings eine Diskrepanz zur körperschaftsteuerlichen Behandlung. In körperschaftsteuerlicher Hinsicht erzielt die ausländische Kapitalgesellschaft unter Umständen Einkünfte aus Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung84. Diese unterschiedliche Beurteilung resultiert aus dem Umstand, dass § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG einen von § 8 Abs. 2 KStG abweichenden Wortlaut hat85. Die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gilt unabhängig von der körperschaftsteuerlichen Bewertung, d.h. der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG setzt nicht voraus, dass die Einkünfte auch im körperschaftsteuerlichen Sinne solche aus Gewerbebetrieb sind. Kapitalgesellschaften haben hiernach einen einheitlichen Gewerbebetrieb. Daraus folgt, dass vermögensverwaltende in originär gewerbliche Tätigkeiten einbezogen werden und aufgrund der Gesellschaftsform der Kapitalgesellschaft eine Umqualifizierung nichtgewerblicher in gewerbliche Einkünfte stattfindet86. Die Einbeziehung ausländischer Kapitalgesellschaften in die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG allein anhand des Typen82 83 84 85
Vgl. hierzu Wassermeyer, S. 83, 93 f. Vgl. 4. Teil A. I. 1. b. cc. Vgl. 5. Teil A. II. Wassermeyer, S. 83, 93.
C. Auswirkungen auf dem Gebiet des Gewerbesteuerrechts
307
vergleichs entspricht der Vorgehensweise im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Beide Rechtsnormen setzen lediglich voraus, dass eine Kapitalgesellschaft vorliegt. In Bezug auf nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaften bedeutet dies, dass untersucht werden muss, ob diese den deutschen Kapitalgesellschaften entsprechen. Eine unterschiedliche Vorgehensweise kommt aufgrund desselben Tatbestandsmerkmals insofern nicht in Betracht. Körperschaftsteuerlich betrachtet sind zwar wegen der Vorschrift des § 8 Abs. 2 KStG bei einer vermögensverwaltenden ausländischen Kapitalgesellschaft unter Umständen Einkünfte aus Kapitalvermögen bzw. Vermietung und Verpachtung gegeben87. Diese im Vergleich zur gewerbesteuerlichen Behandlung bestehende Diskrepanz im Körperschaftsteuerrecht kann durch eine entsprechende Gesetzesänderung des § 8 Abs. 2 KStG im Wege einer Übernahme des Wortlauts des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG behoben werden. Damit würde eine steuerliche Ungleichbehandlung in- und ausländischer Kapitalgesellschaften vermieden werden. Andernfalls besteht aufgrund der aktuellen Gesetzesformulierung des § 8 Abs. 2 KStG ein Anreiz, Kapitalgesellschaften im Ausland zu gründen, deren Verwaltungssitz sich von Anfang an oder erst später in Deutschland befindet88.
86 Güroff, in: Glanegger/Güroff/Selder/Peuker, § 2 Rn. 186; vgl. aus der Rechtsprechung BFH, BStBl. II 1977, 668, 670; BFH, BStBl. II 1985, 403, 404. 87 Vgl. 5. Teil A. II. 88 Vgl. Wassermeyer, S. 83, 93 ff.
6. Teil
Die Möglichkeiten der Begründung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft für grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften Die körperschaftsteuerliche Organschaft spielt als steuerliches Gestaltungsinstrument eine wesentliche Rolle. Es stellt sich daher die Frage, ob auch den grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften dieses Gestaltungsmittel zur Verfügung steht.
A. Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer ertragsteuerlichen Organschaft Der Begriff der Organschaft beinhaltet ein sowohl tatsächliches als auch rechtliches Unterordnungs- und Abhängigkeitsverhältnis einer Tochterkapitalgesellschaft zu einem anderen Unternehmen1. Die im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft i. S. d. §§ 14 ff. KStG einbezogenen Unternehmen sind einerseits der Organträger als Obergesellschaft und andererseits die Organgesellschaft als abhängiges Unternehmen. Man spricht insoweit vom Organkreis2. Organschaftsvoraussetzung ist des Weiteren die finanzielle Eingliederung der Organgesellschaft in den Organträger und das Bestehen eines Ergebnisabführungsvertrags3. Rechtsfolge eines organschaftlichen Verhältnisses ist gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG, dass das Einkommen der Organgesellschaft, soweit sich aus § 16 KStG nichts anderes ergibt, dem Organträger zugerechnet wird. Dies hat zur Konsequenz, dass das steuerliche Ergebnis eines rechtlich selbstän1
Erle, in: Erle/Sauter, Vor §§ 14–19 Rn. 1. Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 5. 3 Stahl/Fuhrmann, NZG 2003, S. 250, 251; Erle, in: Erle/Sauter, Vor §§ 14–19 Rn. 11. Bis zur Änderung durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000, BGBl. I 2000, 1433, verlangte § 14 Nr. 2 KStG a. F. die wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung als weitere Tatbestandsvoraussetzungen. Diese Kriterien müssen seit dem Veranlagungszeitraum 2001 für die Bejahung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft nicht mehr erfüllt werden, vgl. Stahl/Fuhrmann, NZG 2003, S. 250, 251; Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 1; Wischmann, in: H/H/R, § 14 KStG Anm. J 01-1; Olbing, in: Streck, § 14 S. 392. 2
A. Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Organschaft
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digen Rechtssubjekts, nämlich der Organgesellschaft, nicht der Besteuerung bei diesem selbst unterliegt, sondern auf einen anderen Rechtsträger, den Organträger, verlagert wird. Auf dieser Ebene wird das steuerliche Ergebnis der Organgesellschaft verrechnet mit dem eigenen Ergebnis des Organträgers und eventuell mit dem anderer Organgesellschaften versteuert. Die Organgesellschaft bleibt für die Dauer der Organschaft Körperschaftsteuersubjekt, obwohl sie wirtschaftlich betrachtet in ertragsteuerlicher Hinsicht weitgehend übergangen wird4. Wesentliche Bedeutung erlangt die körperschaftsteuerliche Organschaft durch die damit ermöglichte Ergebniskonsolidierung. Durch die Verrechnung der steuerlichen Ergebnisse innerhalb des Organkreises werden Gewinne und Verluste ansonsten selbständiger Steuerrechtssubjekte miteinander ausgeglichen. Ohne Organschaft werden positive und negative Ergebnisse verschiedener Steuerrechtssubjekte nicht mit steuerlicher Wirkung konsolidiert. Erwirtschaftete Verluste können bei dem betreffenden Steuerrechtssubjekt nur durch den Verlustausgleich in einer anderen Periode steuerlich genutzt werden. Ist demgegenüber eine Organschaft gegeben, können diese Verluste in der Entstehungsperiode sofort mit den Gewinnen anderer Unternehmen des Organkreises im selben Veranlagungszeitraum verrechnet werden. Der Aufbau steuerlicher Verlustvorträge an unterschiedlichen Stellen eines Konzerns, die erst wesentlich später genutzt werden können, wird vermieden. Falls Verlustvorträge verbleiben sollten, findet eine Konzentration an der Konzernspitze statt, wodurch ein wesentlich besserer Schutz vor der Verlustverfallvorschrift des § 8 Abs. 4 KStG besteht. Durch diesen Ausgleich von Gewinnen und Verlusten innerhalb des Organkreises ergibt sich ein Zins- und Liquiditätsvorteil5. Ein weiterer Vorteil der körperschaftsteuerlichen Organschaft besteht in der Sicherung des Betriebsausgabenabzugs von Finanzierungsaufwendungen. Dadurch erleichtert die Organschaft den Erwerb inländischer Beteiligungen. Zwar ist ab 2002 hinsichtlich der Gewinne und Verluste des Or4 Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 1; Erle, in: Erle/Sauter, Vor §§ 14–19 Rn. 12. 5 Stahl/Fuhrmann, NZG 2003, S. 250 und 258; Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 10 f.; Witt, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 14 KStG Rn. 7. Durch die Saldierung von Gewinnen und Verlusten hat die Organschaft mit dem Wegfall des Anrechnungsverfahrens an Bedeutung gewonnen. Das bisherige Anrechnungsverfahren und die als lex specialis vorgehenden Regelungen der Organschaft haben die gleiche Zielrichtung, nämlich die Doppelbelastung der Gewinne der Körperschaft mit Körperschaftsteuer und Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer des Anteilseigners zu beseitigen. Während das Anrechnungsverfahren dieses Ziel anlässlich der Ausschüttung erreicht, beseitigt die Organschaft die Doppelbelastung durch die Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft unmittelbar bei dem Organträger, vgl. Olbing, in: Streck, § 14 Anm. 1; Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 2.
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
ganträgers aus der Veräußerung seiner Beteiligung an der Organgesellschaft der Anwendungsbereich des Halbeinkünfteverfahrens gem. § 3 Nr. 40 a und b i. V. m. § 52 Abs. 4 b Nr. 2 EStG oder der Steuerfreistellung des § 8 b Abs. 2 i. V. m. § 34 Abs. 4 KStG eröffnet. Daraus folgt allerdings nicht, dass es sich bezüglich der Refinanzierungsaufwendungen aus dem Erwerb der Beteiligung an der Organgesellschaft um nicht oder nur beschränkt abzugsfähige Ausgaben i. S. d. § 3 c EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG handelt. Vielmehr sind diese Zinsaufwendungen den vom Organträger in voller Höhe zu versteuernden Ergebnisabführungen zuzurechnen, weshalb ein vollständiger Betriebsausgabenabzug möglich ist6. Auch sind die dem Organträger zugerechneten Gewinne der Organgesellschaft keine Gewinnausschüttungen, der Organträger bezieht somit keine gem. § 8 b Abs. 1 KStG steuerfreien Einnahmen von der Organgesellschaft. Das Abzugsverbot des § 3 c Abs. 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG greift daher nicht ein7. Diese aufgezeigten Aspekte der Ergebniskonsolidierung und der Abzugsfähigkeit der Betriebsausgaben machen die körperschaftsteuerliche Organschaft attraktiv8 und zwar nicht nur für inländische Unternehmen, sondern auch für nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaften. Angesichts der zunehmenden Globalisierung wirtschaftlicher Aktivitäten stellt sich daher die Frage, ob die ertragsteuerliche Organschaft auch für grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften als Gestaltungsmittel zur Verfügung steht. Dies soll sowohl für die weggezogenen Kapitalgesellschaften deutschen Rechts als auch für die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts untersucht werden. Dabei wird jeweils danach differenziert, ob sich die Geschäftsleitung und/oder der satzungsmäßige Sitz im In- bzw. Ausland befinden. Problematisch ist für diese Zuzugs- bzw. Wegzugsfälle, ob die jeweiligen Kapitalgesellschaften in- oder ausländischen Rechts als Organträger bzw. Organgesellschaft fungieren können. Diesbezüglich ist auch klärungsbedürftig, ob diese umgezogenen Gesellschaften einen Ergebnisabführungsvertrag abschließen können.
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Stahl/Fuhrmann, NZG 2003, S. 250 und 258. Stahl/Fuhrmann, NZG 2003, S. 250; Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 2; Witt, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 14 KStG Rn. 8. 8 Es dürfen aber nicht die Nachteile unberücksichtigt bleiben, die mit einem körperschaftsteuerlichen Organschaftsverhältnis verbunden sind. Ein negativer Gesichtspunkt ist unter anderem die Verpflichtung des herrschenden Unternehmens zum Ausgleich der Verluste des abhängigen Unternehmens, wodurch die Abschottungswirkung einer rechtlich selbständigen Kapitalgesellschaft völlig verloren geht, vgl. Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 15. 7
B. Zuzug einer ausländischen Gesellschaft ins Inland
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B. Zuzug einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ins Inland I. Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland unter Beibehaltung des Satzungssitzes im Ausland 1. Stellung als Organträger a) Voraussetzung der Inlandsanknüpfung aa) Gegenwärtige Gesetzeslage Fraglich ist, ob eine ausländische Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung und ausländischem Satzungssitz die Fähigkeit zur Organträgerschaft besitzt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG kann ein beliebiges anderes gewerbliches Unternehmen die Stellung als Organträger übernehmen. Eine Konkretisierung erfolgt durch § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG, wonach der Organträger eine unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Person oder eine nicht steuerbefreite Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i. S. d. § 1 KStG bzw. eine Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sein muss. Die Rechtsform des Organträgers spielt somit keine Rolle9. Die Einordnung einer doppelansässigen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ist folglich für die Anerkennung der Eigenschaft als Organträger einer körperschaftsteuerlichen Organschaft ohne Bedeutung. Voraussetzung für die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht ist nach § 1 Abs. 1 KStG, dass sich entweder der Sitz oder die Geschäftsleitung im Inland befindet. Für die Organträgerschaft dagegen ist erforderlich, dass sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft in Deutschland befindet. Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG verzichtet zwar auf einen doppelten Inlandsbezug, lässt jedoch eine alternative räumliche Anbindung nicht genügen. Bis zum Veranlagungszeitraum 2001 war allerdings auch eine einfache Inlandsanbindung in Form der deutschen Geschäftsleitung nicht ausreichend. Die Eigenschaft als Organträger war vielmehr bis zur Änderung durch das Steuersenkungsgesetz vom 23.10.200010 gem. § 14 Nr. 3 KStG und danach gem. § 14 Nr. 2 KStG von einer Geschäftsleitung und einem Sitz im Inland abhängig11. Die Voraussetzung des inländischen 9 Stahl/Fuhrmann, NZG 2003, S. 250, 251; Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 5; Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 114. 10 BGBl. I 2000, 1433.
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
Sitzes ist durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (UntStFG) vom 20.12.200112 entfallen. Mit der Aufgabe des doppelten Inlandsbezugs soll laut der Gesetzesbegründung13 der zunehmenden internationalen Verflechtung der deutschen Wirtschaft Rechnung getragen werden. Nach der aktuellen Gesetzesfassung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG kommt als Organträger somit auch eine nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit deutscher Geschäftsleitung und ausländischem Satzungssitz in Betracht. Das Erfordernis der unbeschränkten Steuerpflicht i. S. d. § 14 Abs. 1 Nr 2 Satz 1 KStG hat keine eigenständige Bedeutung. Bei einer deutschen Geschäftsleitung ist die doppelt ansässige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig14. Für diese Gesellschaften ist daher die Begründung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft nach § 14 KStG, wenn auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, möglich. Diese Ausdehnung der Organträgereigenschaft auf nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaften, die ihre Geschäftsleitung im Inland haben, ist systematisch gerechtfertigt. Dies folgt zum einem daraus, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG für natürliche Personen die Fähigkeit, Organträger zu sein, an deren unbeschränkte Steuerpflicht anknüpft. Dies ist der Fall, wenn die natürliche Person gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG i. V. m. §§ 8, 9 AO ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Demzufolge besitzen doppelansässige natürliche Personen die Organträgertauglichkeit, weshalb kein Grund besteht, doppelansässige Körperschaften anders zu behandeln. Zum anderen ergibt sich die Systemgerechtigkeit des durch das UntStFG geänderten § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG aus einem Vergleich mit der Regelung des § 18 KStG. Nach dieser Vorschrift können Unternehmen, die weder über eine Geschäftsleitung noch einen Sitz im Inland verfügen, Organträger sein. Es genügt als Inlandsbezug eine inländische Zweigniederlassung. Dieser Inlandsbezug ist bei der doppelansässigen Körperschaft aufgrund der inländischen Geschäftsleitung viel stärker ausgeprägt als im Rahmen des § 18 KStG, weshalb kein Grund ersichtlich ist, diese Gesellschaften nicht als Organträger zuzulassen15.
11 Stahl/Fuhrmann, NZG 2003, S. 250, 251; Witt, in: Dötsch/Eversberg/Jost/ Pung/Witt, § 14 KStG Rn. 31; Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 2 und 21; Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 114 f.; Olbing, in: Streck, § 14 S. 389, 391 f.; Frotscher, Der Konzern 2003, S. 98, 99. 12 BGBl. I 2001, 3858, 3864. 13 BT-Drs. 14/6882, 1, 37. 14 Frotscher, Der Konzern 2003, S. 98, 99. 15 Frotscher, Der Konzern 2003, S. 98, 99 f.
B. Zuzug einer ausländischen Gesellschaft ins Inland
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bb) Behandlung der Altfälle (1) Doppelte Inlandsanbindung nach § 14 KStG a. F. Es stellt sich allerdings die Frage, wie die noch offenen Altfälle, die unter § 14 KStG in der Fassung vor der Änderung durch das UntStFG verwirklicht wurden, hinsichtlich der ausländischen doppelansässigen Kapitalgesellschaften zu beurteilen sind. Nach dieser Gesetzeslage, die kumulativ einen inländischen Ort der Geschäftsleitung und einen inländischen Satzungssitz verlangt, müsste die Organtauglichkeit eigentlich verneint werden. Der Anwendungsbereich der alten Vorschrift des § 14 KStG ist für solche grenzüberschreitenden Organschaften bei wortlautgetreuer Auslegung der Rechtsnorm nicht eröffnet. Ebenfalls nicht einschlägig für ausländische Kapitalgesellschaften mit deutscher Geschäftsleitung ist § 18 KStG, welcher die Organträgereigenschaft nur solchen Gesellschaften ermöglicht, die weder ihren Satzungssitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland haben16. Die Vorschrift des § 18 KStG ist für Gesellschaften ausländischen Rechts mit inländischer Geschäftsleitung und damit für unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG nicht anwendbar. Sie erfasst vielmehr nur die beschränkte Steuerpflicht. Dies resultiert aus der angeordneten Rechtsfolge des § 18 KStG, wonach das Einkommen der Organgesellschaft den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften des ausländischen gewerblichen Unternehmens (Organträger) aus seiner inländischen Zweigniederlassung zuzurechnen ist17. Eine analoge Anwendung der §§ 14, 18 KStG18 ist abzulehnen, da keine für eine Analogie notwendige planwidrige Gesetzeslücke vorliegt19. Der Gesetzesgeber ist sich vielmehr bezüglich dieser Problematik bei grenzüberschreitenden Sachverhalten bereits seit der mit § 14 Nr. 3 KStG 1977 wortlautgleichen Vorgängervorschrift des § 7 a Abs. 1 Nr. 3 KStG 1969 bewusst20. Eine Einbeziehung der doppelt ansässigen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts ist bis zur Änderung des § 14 KStG durch das UntStFG nicht erfolgt. Nach der Finanzverwaltung konnten auch ausländische Gesellschaften mit deutscher Geschäftsleitung wegen des Vorliegens einer Regelungslücke Träger einer körperschaftsteuerlichen Organschaft sein. Eine entsprechende Behandlung mittels Analogieschlusses sei zumindest für solche Gesellschaften gerechtfertigt, die eine eingetragene Zweigniederlassung in Deutschland 16
Dinkhoff, S. 224 f.; Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 116. BFH, BStBl. II 1992, 263 f.; BFH, GmbHR 2003, 722. 18 Hierfür sprechen sich Ebenroth/Willburger, RIW Beilage 3 zu Heft 8/1995, S. 1, 8 f., aus. 19 BFH, GmbHR 2003, 722, 723; FG Köln, GmbHR 1991, 42, 43 f. 20 Dinkhoff, S. 225; FG Köln, GmbHR 1991, 42 f. 17
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
hätten21. Ende der achtziger Jahre setzte bei der Finanzverwaltung bezüglich der Beurteilung ausländischer Gesellschaften mit deutscher Geschäftsleitung ein Umdenken ein. Erstmals 1990 versagte sie einer solchen Gesellschaft wegen des fehlenden inländischen Satzungssitzes die Anerkennung als Organträger22. Der BFH hat diese Beurteilung der Finanzverwaltung bei einer US-Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung mit Beschluss vom 13.11.199123 im Aussetzungsverfahren gebilligt. Er hat entschieden, dass die §§ 14 und 18 KStG entsprechend ihrem Wortlaut auszulegen und anzuwenden seien. Eine dem Wortlaut der Vorschriften widersprechende Auslegung scheide aus. Allein die Möglichkeit, so die Begründung des BFH, dass nach einer in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Rechtsauffassung die Verlegung des Verwaltungssitzes ein im Inland nicht rechtsfähiges Rechtsgebilde entstehen lasse, sei ein objektiver Grund, solche Sitzverlegungen nicht durch zusätzliche steuerliche Anreize zu fördern. Deshalb habe der Ausschluss von Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nur über eine inländische Geschäftsleitung verfügten, aus dem Kreis der gesetzlich zulässigen Organträger einen vernünftigen Sinn. (2) Gemeinschaftsrechtlicher Einfluss (a) Gemeinschaftsrechtliches Diskriminierungsverbot Bereits nach der Centros Entscheidung des EuGH24 wurde von der Literatur die Gemeinschaftsrechtskonformität der alten Fassung des § 14 KStG, welche für die Organträgerschaft die doppelte Inlandsanbindung verlangte, in Frage gestellt25. Angesichts des europarechtlichen Benachteiligungsverbots, welches, wie bereits dargestellt wurde, auch auf dem Gebiet der direkten Steuern gilt26, kann das kumulative Erfordernis von Satzungssitz und Geschäftsleitung im Inland nicht aufrechterhalten werden. Vielmehr besteht gemeinschaftsrechtlich die Verpflichtung, die ausländischen Kapitalgesellschaften mit deutscher Geschäftsleitung in steuerlicher Hinsicht wie die inländischen Kapi21
Vgl. hierzu Schmidt/Sedemund, DStR 1999, S. 2057, 2059. Vgl. hierzu Meilicke, DB 2002, S. 911. 23 BFH, BStBl. II 1992, 263 f. 24 EuGH, DB 1999, 625. 25 Streck/Mack/Schwedhelm, AG 2000, S. 128; Göttsche, DStR 1999, S. 1403, 1407 f.; Sörgel, DB 1999, S. 2236, 2237 f.; Schmidt/Sedemund, DStR 1999, S. 2057, 2059 und 2062. 26 Vgl. 4. Teil A. I. 1. a. aa. und b. 22
B. Zuzug einer ausländischen Gesellschaft ins Inland
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talgesellschaften zu behandeln. Das Erfordernis der Inländergleichbehandlung der ausländischen Kapitalgesellschaft fällt seit jeher in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit. Die Ungleichbehandlung des § 14 KStG a. F. besteht darin, dass eine ausländische doppelansässige Kapitalgesellschaft die Voraussetzung des doppelten Inlandsbezugs nicht erfüllen kann. Sie kann nach der alten Gesetzesfassung nicht als Organträger fungieren, da sie nur ihre Geschäftsleitung im Inland hat, während sich ihr Satzungssitz im Ausland befindet. Ein solches Ergebnis widerspricht aber dem europarechtlichen Diskriminierungsverbot. Es liegt eine versteckte Diskriminierung vor27. Die Ungleichbehandlung zwischen inländischen Kapitalgesellschaften mit Sitz sowie Geschäftsleitung im Inland und doppelansässigen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts ist auf eine neutral formulierte Norm zurückzuführen. Das von der Vorschrift gewählte Kriterium der doppelten Inlandsanbindung bewirkt aber, dass überwiegend ausländische Gesellschaften von der nachteiligen Behandlung betroffen sind28. (b) Urteil des BFH vom 29.01.200329 Zu dieser Schlussfolgerung, dass § 14 KStG bis zur Änderung durch das UntStFG mit dem Diskriminierungsverbot nicht vereinbar ist, ist nunmehr auch der BFH in seinem Urteil vom 29.01.200330 gekommen. Allerdings stellte der BFH auf ein aus einem bilateralen Staatsvertrag resultierendes Diskriminierungsverbot ab, nämlich Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 198931. Der BFH erkannte die Organträgereigenschaft einer US-Kapitalgesellschaft mit deutscher Geschäftsleitung und statutarischem Sitz in den USA an und änderte demzufolge seine frühere Rechtsprechung32. Zwar kann die Stellung der doppelansässigen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts als Organträger nicht, wie der BFH richtigerweise ausführt, auf der Grundlage des § 14 bzw. § 18 KStG begründet werden, da insoweit der Wortlaut eindeutig ist33. Insofern ist auch bei einer Kapitalgesellschaft aus einem anderen EU-Mitgliedstaat keine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung möglich. Zu dem Ergebnis, dass auch eine ausländische Kapitalgesellschaft mit statutarischem Sitz im Ausland Organträgerin sein kann, gelangt man vielmehr dadurch, 27
Vgl. generell zur versteckten Diskriminierung Kellersmann/Treisch, S. 151 f. und 177; Kokott, S. 1, 16 f. 28 Vgl zur Abgrenzung der offenen von der versteckten Diskriminierung bei ausländischen Gesellschaften oben 4. Teil A. I. 1. b. 29 BFH, GmbHR 2003, 722. 30 BFH, GmbHR 2003, 722. 31 Vgl. BGBl. II 1991, 354, 370. 32 Vgl. den Beschluss des BFH vom 13.11.1991, BStBl. II 1992, 263. 33 BFH, GmbHR 2003, 722.
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
dass § 14 KStG a. F., soweit er einen doppelten Inlandsbezug fordert, außer Anwendung bleiben muss. Es findet insofern eine Verdrängung durch die speziellere Vorschrift des Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 1989 statt. § 14 KStG a. F. als dieser Vorschrift des DBA entgegenstehende Norm kann somit insofern nicht zur Anwendung gelangen, als die Regelung des § 14 KStG a. F. auf das zusätzliche Erfordernis eines inländischen Sitzes abstellt34. Unter Bezugnahme auf die Überseering Entscheidung des EuGH35 verstößt nach der Ansicht des BFH die Versagung der Organträgereigenschaft einer USKapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung gegen das bilaterale Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 198936. Die Rechtsprechungsänderung wird mit der Entwicklung des Gemeinschaftsrechts, namentlich mit der Überseering Entscheidung des EuGH37, begründet. Einer solchen Bezugnahme auf das Überseering Urteil bedurfte es indes nicht. Im Rahmen des Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 1989 müssen nämlich allein US-amerikanisch beherrschte deutsche Tochtergesellschaften mit deutsch beherrschten Tochtergesellschaften verglichen werden. Die Überseering Entscheidung des EuGH spielt also insofern keine Rolle. Das vom BFH gefundene Ergebnis ergibt sich aufgrund des einschlägigen Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 1989. Eine Verletzung dieser Vorschrift ist gegeben, wenn die Benachteiligung des inländischen Unternehmens ausschließlich auf der Ansässigkeit des beherrschenden Unternehmens im anderen Vertragsstaat beruht. Ebenso wenig wie eine Differenzierung nach der Ansässigkeit selbst erlaubt ist, ist auch eine Differenzierung nach ansässigkeitsbegründenden Merkmalen, wozu unter anderem der Sitz zählt, zulässig. Die Voraussetzung eines inländischen Sitzes neben einer deutschen Geschäftsleitung gem. § 14 KStG a. F. ist ein verbotenes Differenzierungskriterium und verstößt damit gegen Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 198938. Diese geänderte Rechtsprechung des BFH lässt sich generell auf alle noch ausstehenden, unter die alte Fassung des § 14 KStG fallenden Altfälle übertragen, wenn ein steuerliches Diskriminierungsverbot aufgrund bilateraler Staatsverträge bzw. aufgrund Gemeinschaftsrechts besteht. Eine ausländische Kapitalgesellschaft mit deutscher Geschäftsleitung kann demnach trotz fehlenden inländischen Satzungssitzes als Organträger fungieren, wenn mit dem Gründungsstaat ein DBA entsprechend Art. 24 OECD-MA besteht 34
BFH, GmbHR 2003, 722, 725; Rust, IStR 2003, S. 658, 660. EuGH, GmbHR 2002, 1137. 36 BFH, GmbHR 2003, 722, 723; vgl. auch Sedemund, BB 2003, S. 1362, 1363 f.; Meilicke, GmbHR 2003, S. 793; K.-R. Wagner, GmbHR 2003, S. 684, 693; Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 23 a. 37 EuGH, GmbHR 2002, 1137. 38 Rust, IStR 2003, S. 658, 659 f. 35
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bzw. Herkunftsland der Gesellschaft ein Mitgliedstaat der EG, des europäischen Wirtschaftsraums oder eines mit der EG assoziierten Staates ist39. Ebenso wie bei einem Verstoß gegen ein staatsvertragliches Diskriminierungsverbot muss auch bei einer Diskriminierung gegen die Grundfreiheiten aufgrund ihres Anwendungsvorrangs das nationale mitgliedstaatliche Recht insoweit außer Anwendung bleiben, als es diskriminierend ist40. Es ist so anzuwenden, als wenn es das diskriminierende Tatbestandsmerkmal nicht enthielte41. § 14 KStG a. F. muss folglich für die doppelansässigen Kapitalgesellschaften, für die ein Diskriminierungsverbot gilt, so interpretiert werden, dass neben der inländischen Geschäftsleitung ein Sitz im Inland nicht erforderlich ist. (3) Verfassungsrechtlicher Einfluss Dieses Ergebnis, dass der einfache Inlandsbezug in Form der inländischen Geschäftsleitung für die noch offenen, unter die Vorgängerregelung fallenden Fälle genügt, lässt sich jedoch nicht nur auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts, sondern auch auf der Basis des Verfassungsrechts begründen. Wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte sind nämlich auch in steuerlicher Hinsicht gleich zu behandeln. Dies folgt aus dem Gedanken der leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung. Bei einer Nichtbeachtung liegt eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG vor42. Auch die nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaf39 Meilicke, GmbHR 2003, S. 793, 803. Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 1989 stimmt wörtlich mit Art. 24 Abs. 5 OECD-MA überein. Jedoch unterscheidet sich Art. 4 Abs. 3 DBA-USA von Art. 4 Abs. 3 OECD-MA. Nach der Regelung des Musterabkommens gälte die US-Gesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung und Sitz im Gründungsstaat als nur in Deutschland ansässig. Infolgedessen wären die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 24 Abs. 5 OECD-MA nicht gegeben. Allerdings ist der Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 3 nicht im Rahmen des Art. 24 Abs. 5 OECD-MA eröffnet. Zweck der Regelung des Art. 4 Abs. 3 OECD-MA ist es lediglich, den Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen eindeutig festzulegen. Andernfalls wären Diskriminierungen verboten, wenn das beherrschende Unternehmen den Sitz im Inland hätte und der Ort der Geschäftsleitung sich im anderen Vertragsstaat befände, im umgekehrten Fall wären sie aber erlaubt. Ein solches Ergebnis wäre jedoch mit der Wertung der abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbote nicht vereinbar, wonach mit gesteigertem Integrationsgrad ein gesteigerter Diskriminierungsschutz einhergehen soll. Die Entscheidung des BFH kann daher auf Doppelbesteuerungsabkommen übertragen werden, die mit dem OECD-MA übereinstimmen, vgl. Rust, IStR 2003, S. 658, 660 f. 40 Vgl zum Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts 4. Teil A. I. 1. 41 Scheuer, in: Lenz/Borchhardt, Art. 43 EGV Rn. 4; Kellersmann/Treisch, S. 175. 42 Vgl. 1. Teil E. III. 1. b. bb.
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ten, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt haben, sind grundrechtsberechtigt. Es handelt sich um eine inländische juristische Person i. S. d. Art. 19 Abs. 3 GG43. Dies hat zur Folge, dass diese zugezogenen Gesellschaften die gleiche steuerliche Behandlung erfahren müssen wie die vergleichbaren inländischen Gesellschaften. b) Ergebnisabführungsvertrag Erforderlich für eine körperschaftsteuerliche Organschaft ist aber auch der Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrages. Das Bestehen eines steuerlich wirksamen Organschaftsverhältnisses setzt voraus, dass die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung einen Gewinnabführungsvertrag abschließen kann44. Ist die Organgesellschaft gem. § 14 KStG eine AG oder KGaA, muss ein Gewinnabführungsvertrag i. S. d. § 291 Abs. 1 AktG gegeben sein. Handelt es sich bei dem abhängigen Unternehmen dagegen um eine GmbH, muss der Gewinnabführungsvertrag den Voraussetzungen des § 17 KStG entsprechen45. Da neben den Gewinnen auch Verluste der Organgesellschaft betroffen sind, wird häufig auch der Begriff des Ergebnisabführungsvertrages verwendet46. Gewinnabführungsverträge sind Unternehmensverträge, durch die sich gem. § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG eine Kapitalgesellschaft verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen. Vertragspartner sind ein abhängiges, d.h. gewinnabführendes und damit verpflichtetes, Unternehmen und ein herrschendes, berechtigtes Unternehmen47. Der Vertrag muss zivilrechtlich gültig sein, um die steuerlichen Folgen des § 14 KStG auslösen zu können48. Notwendig ist daher, dass die doppelansässige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts im Inland selbst rechtsfähig ist, d.h. Rechte und Pflichten eingehen kann49. Unter der Geltung der Sitztheorie in Deutschland wird der ausländischen Kapitalgesellschaft bei einer Verlagerung des Verwaltungssitzes ins Inland ihre ursprüngliche Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts versagt. Es stellt sich somit aufgrund des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts das Problem, ob eine ausländische Kapitalgesellschaft mit deutscher Ge43
Vgl. 2. Teil A. I. 2. d. cc. (1) (a). Wischmann, in: H/H/R, § 14 KStG Anm. J 01-16. 45 Wischmann, in: H/H/R, § 14 KStG Anm. J 01-16; Olbing, in: Streck, § 14 Anm. 57. 46 Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 529; Olbing, in: Streck, § 14 Anm. 57. 47 Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 5. 48 Olbing, in: Streck, § 14 Anm. 57. 49 Kestler/Weger, GmbHR 2003, S. 156. 44
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schäftsleitung (= Verwaltungssitz) und ausländischem Satzungssitz überhaupt einen Ergebnisabführungsvertrag mit zivilrechtlicher und steuerrechtlicher Wirksamkeit abschließen kann50. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG knüpft die Organträgereigenschaft allein an die inländische Geschäftsleitung an. Nach der Gesetzesbegründung51 läuft diese Regelung für ausländische Kapitalgesellschaften mit deutscher Geschäftsleitung nicht leer, vielmehr könnten auch diese Gesellschaften wirksam einen Ergebnisabführungsvertrag abschließen. Zwischen dem steuerrechtlichen Begriff der Geschäftsleitung und dem international privatrechtlichen Begriff des Verwaltungssitzes bestehe keine Deckungsgleichheit. Die Verlegung der Geschäftsleitung nach Deutschland impliziere nicht notwendigerweise die Verlagerung des Verwaltungssitzes ins Inland, so dass Fälle denkbar seien, in denen eine doppelansässige Kapitalgesellschaft, deren Geschäftsleitung sich im Inland befinde, auch unter Berücksichtigung der Sitztheorie den wirksamen Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrages herbeiführen könne. Die Neuregelung solle einem ausländischen Rechtsträger den Abschluss eines solchen Vertrages zumindest dann ermöglichen, wenn keine zivilrechtlichen Hindernisse bestünden52. Wird der Begriff Verwaltungssitz mit dem Begriff Geschäftsleitung gleichgesetzt, läuft die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG für ausländische Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung unter der Geltung der Sitztheorie in Deutschland nach einer Ansicht praktisch leer. Ausgenommen seien Gesellschaften aus Ländern, mit denen Deutschland im Wege eines völkerrechtlichen Vertrages die Nichtanwendbarkeit der Sitztheorie vereinbart habe53. In der Rechtsprechung des BFH und des BGH zeigt ein Vergleich des Begriffsverständnisses des Ortes der Geschäftsleitung und des Verwaltungssitzes, wie bereits dargestellt wurde, dass eine inhaltliche Übereinstimmung gegeben ist54. Verlegt die Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts ihren steuerlichen Ort der Geschäftsleitung ins Inland, hat dies somit auch die Verlagerung des gesellschaftsrechtlichen Verwaltungssitzes nach Deutschland zur Folge. Nach anderer Ansicht kann eine ausländische Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung, welche gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 50 Vgl. Wischmann, in: H/H/R, § 14 KStG Anm. J 01-16; Herlinghaus, GmbHR 2001, S. 956, 960. 51 BT-Drs. 14/6882, 1, 37. 52 Vgl. Wischmann, in: H/H/R, § 14 KStG Anm. J 01-16; Witt, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 14 KStG Rn. 31; Herlinghaus, GmbHR 2001, S. 956, 960 f.; Kestler/Weger, GmbHR 2003, S. 156, 157. 53 Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 23; Löwenstein/Maier, IStR 2002, S. 185 f.; Kestler/Weger, GmbHR 2003, S. 156, 157. 54 Vgl. 1. Teil D. I.
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KStG tauglicher Organträger ist, auch unter Anwendung der Sitztheorie im Inland einen wirksamen Ergebnisabführungsvertrag abschließen55. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Unabhängig von der Frage der Rechtsfähigkeit der ausländischen Gesellschaften kann nicht nur ein inländisches, sondern auch ein ausländisches Unternehmen als herrschendes Unternehmen Vertragspartner eines Gewinnabführungsvertrages i. S. d. § 291 AktG sein. Dies folgt mittelbar aus § 305 Abs. 2 AktG, wonach für den Fall, dass das herrschende Unternehmen eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland ist, der Gewinnabführungsvertrag als Abfindung für außenstehende Aktionäre entweder – so § 305 Abs. 2 Nr. 1 AktG – die Gewährung von Aktien des herrschenden Unternehmens oder – so § 305 Abs. 2 Nr. 2 AktG – wahlweise die Gewährung eigener Aktien oder eine Barabfindung vorsehen muss. In allen anderen Fällen, womit unter anderem die Konstellation erfasst ist, dass das herrschende Unternehmen seinen Sitz im Ausland hat, muss der Vertrag gem. § 305 Abs. 2 Nr. 3 AktG eine Barabfindung vorsehen56. In Bezug auf die Problematik, ob unter Fortgeltung der Sitztheorie die ausländische doppelansässige Gesellschaft mit einer Organgesellschaft einen wirksamen Gewinnabführungsvertrag abschließen kann, muss berücksichtigt werden, dass die Sitztheorie zwar dazu führt, dass die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft nicht mehr als juristische Person ausländischen Rechts anzuerkennen ist. Eine solche Beurteilung als Kapitalgesellschaft ist für herrschende Unternehmen eines Ergebnisabführungsvertrages allerdings auch nicht notwendig, da die Stellung als herrschendes Unternehmen rechtsformunabhängig ist57. Das herrschende Unternehmen, welches steuerrechtlich der Organträger ist, ist ein Vertragspartner des Gewinnabführungsvertrages gem. § 291 AktG. Im Gegensatz zum abhängigen Unternehmen, der Organgesellschaft, bei welcher es sich um eine Kapitalgesellschaft handeln muss58, kann das herrschende Unternehmen jede beliebige Rechtsform haben. Von § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG werden nämlich keine besonderen Anforderungen an die Gesellschaftsform des herrschenden Unternehmens gestellt, das Gesetz spricht lediglich von dem „anderen Unterneh55 Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 120; Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/ 2002, S. 1, 6 ff.; Frotscher, Der Konzern 2003, S. 98, 100. 56 Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 6. 57 Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 120; Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/ 2002, S. 1, 6 ff.; Frotscher, Der Konzern 2003, S. 98, 100. 58 Nach § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG muss das abhängige Unternehmen eine AG bzw. KGaA sein. Für die GmbH gibt es keine explizite ausdrückliche Regelung, ihre Stellung als mögliches abhängiges Unternehmen wird aber steuerrechtlich mit § 17 KStG vorausgesetzt und ist auch gesellschaftsrechtlich durch die Rechtsprechung anerkannt, vgl. Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 6.
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men“. Parallel zu dieser gesellschaftsrechtlichen Rechtslage ist auch die steuerrechtliche Rechtslage ausgestaltet59. Wie bereits dargestellt wurde, ist die Anerkennung als Organträger rechtsformneutral, es kann sich um Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG sowie um Personengesellschaften oder um natürliche Personen handeln60. Die ausländische Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung ist kein rechtliches Nullum. Sie wird infolge der Anwendung der Sitztheorie nicht der inländischen Rechtsordnung unterstellt, um sie dann für unexistent zu erklären61. Sie verliert unter Geltung der Sitztheorie zwar ihren Status als Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts und wird mangels Eintragung in einem deutschen Register auch nicht als inländische Kapitalgesellschaft beurteilt. Allerdings ist auf ihre Rechtsbeziehungen und Rechtsverhältnisse das inländische Kooperationsrecht anwendbar, das ihrer jeweiligen Struktur am ehesten entspricht. Je nachdem handelt es sich um eine Personengesellschaft oder um einen Einzelunternehmer62. Dies wurde vom OLG Frankfurt durch Beschluss vom 04.12.200163 so entschieden und findet auch die Zustimmung der Literatur64. Auch der II. Zivilsenat des BGH beurteilt die zugezogene Kapitalgesellschaft unter Anwendung der Sitztheorie als eine rechtsfähige Personengesellschaft65. Die doppelansässigen Kapitalgesellschaften können nach § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG wegen der dort zum Ausdruck kommenden Rechtsformneutralität Vertragspartner als herrschende Unternehmen sein. Sie können aufgrund ihrer im Inland vorhandenen Rechtsfähigkeit als Personengesellschaft bzw. (kaufmännische) Einzelperson66 wirksam einen Ergebnisabführungsvertrag abschließen. Aufgrund des gemeinschaftsrechtlichen Einflusses durch die Rechtsprechung des EuGH muss sich jedoch nunmehr auch nach den Vertretern der anderen Ansicht ein Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG für ausländische Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung ergeben. Es besteht seit der Überseering Entscheidung des 59
Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 6. Vgl. 6. Teil B. I. 1. a. aa. 61 K. Schmidt, ZGR 1999, S. 20, 24. 62 Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 9 f. und 18. 63 OLG Frankfurt, DB 2002, 316, 317. Das BayOblG hat mit Beschluss vom 20.02.2003, DB 2003, 819, 820, in Bezug auf Drittstaaten entschieden, dass nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz als inländische Personengesellschaften zu behandeln seien. 64 Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 9 f. und 18 mit Verweis auf den Beschluss des OLG Frankfurt vom 04.12.2001; K. Schmidt, ZGR 1999, S. 20, 24. 65 BGH, GmbHR 2002, 1021. 66 Vgl. 2. Teil A. I. 2. c. aa. 60
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
EuGH67 für den Zuzugsstaat die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung, die vom Ausland verliehene Rechtsfähigkeit anzuerkennen. Die doppelansässigen Kapitalgesellschaften können damit unproblematisch einen Ergebnisabführungsvertrag abschließen68. Die Gesellschaften sind als rechtfähige Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts zu respektieren, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Gründungsstaat die Rechtsfähigkeit infolge des Wegzugs nicht aberkennt. Für die Fälle, in denen die Gesellschaft aufgrund der Regelungen des Herkunftsstaates ihre Rechtsfähigkeit verliert und damit nach der Rechtsprechung des EuGH die Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG nicht eingreift, bleibt der dargestellte Streit, ob unter Geltung der Sitztheorie ein wirksamer Abschluss durch den ausländischen Organträger möglich ist, weiterhin aktuell. Dies gilt auch dann, wenn ein Drittstaat betroffen ist und keine staatsvertraglichen Regelungen bezüglich der Nichtanwendung der Sitztheorie mit diesem bestehen. Im Hinblick auf Drittstaaten hat der BGH bei zugezogenen Gesellschaften mit inländischem Verwaltungssitz entschieden, dass bei Bestehen eines entsprechenden Staatsvertrages, durch den von den Regeln des deutschen internationalen Privatrechts abgewichen werde, diese im Inland rechtsfähig seien69. Auch diese Gesellschaften können daher unproblematisch mit zivilrechtlicher Wirksamkeit einen Gewinnabführungsvertrag als Organträger abschließen. Es kann somit als Ergebnis festgehalten werden, dass für eine nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG nicht leer läuft. Sie kann einen zivilrechtlich wirksamen Gewinnabführungsvertrag entweder unter dem Einfluss staatsvertraglicher bzw. gemeinschaftsrechtlicher Regelungen als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts oder unter der Geltung der Sitztheorie als rechtsfähige Personengesellschaft bzw. als rechtsfähige (kaufmännische) Einzelperson abschließen70.
67
EuGH, GmbHR 2002, 1137. Witt, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 14 KStG Rn. 31; Erle, in: Erle/ Sauter, § 14 Rn. 22 ff.; Aigner/Kofler, IStR 2003, S. 570, 575; Kestler/Weger, GmbHR 2003, S. 156, 157; Stahl/Fuhrmann, NZG 2003, S. 250, 251. 69 BGH, RIW 2003, 473. 70 In der Praxis ist aber zu berücksichtigen, dass für einen solchen nach ausländischem Recht gegründeten doppelansässigen Organträger die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG besteht. Daher muss bei multinationalen Konzerngesellschaften deren Weltengagement insgesamt im Rahmen der steuerlichen Analyse berücksichtigt werden. Eine Alternative besteht darin, eine neue doppelansässige Kapitalgesellschaft zu dem Zweck zu gründen, diese als Organträger zu implementieren. Dadurch wird eine deutsche steuerliche Verstrickung der ausländischen Konzernspitze vermieden, vgl. Löwenstein/Maier, IStR 2002, S. 185, 193. 68
B. Zuzug einer ausländischen Gesellschaft ins Inland
323
2. Stellung als Organgesellschaft a) Kreis der tauglichen Organgesellschaften Die Organgesellschaft muss nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG die Rechtsform einer AG oder KGaA besitzen. Durch § 17 KStG wird der Kreis der tauglichen Organgesellschaften auf alle anderen Kapitalgesellschaften erstreckt. Da neben der AG und KGaA die GmbH die einzige Kapitalgesellschaftsform ist, ist letztere ebenfalls potenzielle Organgesellschaft. Die gesonderte Erwähnung der anderen Kapitalgesellschaften in § 17 KStG ergibt sich daraus, dass der in § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG geregelte Gewinnabführungsvertrag als abhängige Unternehmen, welche einer der beiden Vertragspartner sind, nur solche mit der Rechtsform der AG bzw. KGaA vorsieht. Was die Gesellschaftsform anbelangt, können somit nur Kapitalgesellschaften Organgesellschaften sein71. Es muss sich wegen des einheitlichen Begriffsverständnisses bei der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung um eine Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG handeln72. Nach hier vertretener Auffassung können diese grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaft unter die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingeordnet werden73. b) Voraussetzung der Inlandsanknüpfung aa) Doppelte Inlandsanbindung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG Für den Status einer Organgesellschaft ist noch die weitere Voraussetzung der doppelten Inlandsanknüpfung zu beachten. Wie bereits dargestellt wurde, kann aufgrund der Änderung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG durch das UntStFG eine Gesellschaft, welche ihre Geschäftsleitung im Inland hat, als Organträger auftreten74. Nicht mehr erforderlich für die Organträgereigenschaft ist ein inländischer Sitz. Demgegenüber ist für die Organgesellschaft die doppelte Inlandsanbindung nicht aufgegeben worden, d.h. sie muss sowohl einen inländischen Sitz als auch eine inländische Geschäftsleitung haben. Diese kumulative Anbindung an einen inländischen 71 Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 55; Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 5 und 9; Witt, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 14 KStG Rn. 43; Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 10. 72 Pache, GmbHR 2002, S. 299. 73 Vgl. 2. Teil A. I. und. 4. Teil A. I. 74 Vgl. 6. Teil B. I. 1. aa.
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
Sitz und eine inländische Geschäftsleitung soll einer besseren Überprüfbarkeit der Voraussetzungen der Organschaft im Inland dienen75. bb) Gemeinschaftsrechtskonformität des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG, die einen doppelten Inlandsbezug als Voraussetzung für die Anerkennung als Organgesellschaft beinhaltet, gemeinschaftsrechtskonform ist. Nach dem Gesetzeswortlaut muss die Organgesellschaft ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung im Inland haben, weshalb für die doppelansässigen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts trotz ihrer inländischen Geschäftsleitung die Stellung als Organgesellschaft nicht in Betracht kommt. Dies könnte gegen die Niederlassungsfreiheit gem. §§ 43, 48 EG verstoßen. Das gemeinschaftsrechtlich garantierte Niederlassungsrecht untersagt, wie bereits ausgeführt wurde, auch Diskriminierungen in steuerlicher Hinsicht76. Die inländischen Kapitalgesellschaften und die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaates gegründeten vergleichbaren Gesellschaften, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt haben, müssen in steuerlicher Hinsicht gleich behandelt werden. Die Verlagerung des Verwaltungssitzes ins Inland ist mit der Verlegung der Geschäftsleitung nach Deutschland 75 Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 70; Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 10, der ausführt, dass mit diesem Erfordernis des doppelten Inlandsbezugs die deutsche Organschaftsbesteuerung z. B. hinter der österreichischen zurückbleibe, welche doppelt ansässige Gesellschaften sowohl als Organträger als auch als Organgesellschaften anerkenne. Aber auch in Österreich bestehen Bedenken im Hinblick auf die Gemeinschaftsrechtskonformität der Organschaftsbesteuerung. Das österreichische Bundesministerium der Finanzen hat unter anderem deshalb mit dem Entwurf des Steuerreformgesetztes 2005 den Ersatz der Organschaft durch ein neues System der Gruppenbesteuerung vorgeschlagen, vgl. hierzu Gassner, DB 2004, S. 841 ff. Dieser Entwurf sieht den Ersatz der Organschaft im Körperschaftsteuerrecht durch eine neue Gruppenbesteuerung vor. Ausländische Gruppenmitglieder und Zweigstellen ausländischer Körperschaften werden nach dem Gesetzesentwurf zur Gruppenbildung zugelassen, vgl. Gassner, FR 2004, S. 517 f. und Hirschler/ Schindler, IStR 2004, S. 505, 508 ff. Was die Gesetzesentwicklung in Deutschland angeht, so hatte das BMF im Rahmen des Berichts zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts eine Angleichung an die Voraussetzungen zur unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht vorgeschlagen. Der Bericht machte aber nicht deutlich, ob die Aufgabe der doppelten Inlandsanbindung nur für den Organträger oder auch für die Organgesellschaft gelten sollte. Letztendlich wurde durch das UntStFG die Vorschrift des § 14 KStG nur dahingehend geändert, dass eine inländische Geschäftsleitung für die Fähigkeit, Organträger zu sein, genügt. Eine Angleichung der Organschaftsregelungen an die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG, wonach alternativ der Sitz oder die Geschäftsleitung im Inland ausreichend ist, wurde nicht vorgenommen, vgl. Pache, GmbHR 2002, S. 299. 76 Vgl. 4. Teil A. I. 1. a. aa. und b.
B. Zuzug einer ausländischen Gesellschaft ins Inland
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gleichzusetzen. Der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ist wegen der dauerhaften Eingliederung in das Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaates eröffnet77. Eine deutsche Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland kann als taugliche Organgesellschaft im Vergleich zu einer Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts, deren Geschäftsleitung sich in Deutschland und deren Satzungssitz sich im Ausland befindet, die Vorteile der körperschaftsteuerlichen Organschaft in Anspruch nehmen. Aufgrund dieser Differenzierung ist eine steuerliche Diskriminierung der ausländischen Kapitalgesellschaft gegeben. Eine steuerliche Regelung wie § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG, die einen Vorteil deshalb verweigert, weil eine Kapitalgesellschaft mit Sitz im Ausland vorliegt, beinhaltet eine steuerliche Diskriminierung dieser Gesellschaft78. Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 29.01.200379 die alte Regelung des § 14 KStG, soweit sie für Organträger neben einer inländischen Geschäftsleitung einen inländischen Sitz verlangte, als unvereinbar mit dem Diskriminierungsverbot erklärt. Zwar ging es in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt um eine Diskriminierung i. S. d. Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 1989. Der BFH begründete seine Entscheidung jedoch unter Bezugnahme auf die Grundsätze der Überseering Entscheidung des EuGH80. Auch auf der Grundlage des gemeinschaftsrechtlichen Benachteiligungsverbots in Form der Niederlassungsfreiheit gelangt, wie bereits ausgeführt wurde, die alte Regelung des § 14 KStG insoweit nicht zur Anwendung, als sie für Organträger einen doppelten Inlandsbezug vorsieht81. Vielmehr genügt für in einem anderen Mitgliedstaat gegründete Gesellschaften die inländische Geschäftsleitung. Für die Anerkennung als Organgesellschaft können aber keine höheren Anforderungen gestellt werden als für die Organträgereigenschaft ausländischer Kapitalgesellschaften. Angesichts des europarechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ist daher in Bezug auf Kapitalgesellschaften aus anderen EU-Mitgliedstaaten für die Fähigkeit, Organgesellschaft zu sein, eine inländische Geschäftsleitung ausreichend82. Für die untersuchte Konstellation einer in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung muss demzufolge § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts83 insoweit außer Anwendung bleiben, als er neben der 77
Vgl. 4. Teil A. I. 1. a. cc. Micker, DB 2003, S. 2734, 2737; Meilicke, DB 2002, S. 911, 912; Frotscher, Der Konzern 2003, S. 98, 103; Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 71. 79 BFH, GmbHR 2003, 722. 80 Micker, DB 2003, S. 2734, 2737. 81 Vgl. 6. Teil B. I. 1. a. bb. (2). 82 Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 73, insbesondere FN 8. 78
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
inländischen Geschäftsleitung auch einen satzungsmäßigen Sitz in Deutschland verlangt. Andernfalls läge ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG vor, da die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts in steuerlicher Hinsicht schlechter gestellt wären als die vergleichbaren inländischen Kapitalgesellschaften. cc) Verfassungsrechtskonformität des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG Dasselbe Ergebnis ergibt sich auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Anforderungen, wonach sich für wirtschaftlich vergleichbare Verhältnisse dieselben Besteuerungskonsequenzen ergeben müssen. Nur dann wird dem Leistungsfähigkeitsprinzip und damit Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung getragen84. Der Grundrechtsschutz kommt über Art. 19 Abs. 3 GG auch den Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt haben, zu85. Diese Gesellschaften dürfen daher steuerlich nicht schlechter behandelt werden als die vergleichbaren inländischen Kapitalgesellschaftsformen. dd) Vorschlag de lege ferenda Abgesehen von der Gemeinschaftsrechts- und Verfassungsrechtswidrigkeit der doppelten Inlandsanbindung im Rahmen der Organgesellschaft, ist auch in rechtspolitischer Hinsicht nicht nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber die Organschaftstauglichkeit selbst bei einer inländischen Geschäftsleitung ausschließt. Da der Organträger eine doppelansässige Gesellschaft sein kann, ist nicht verständlich, warum in Bezug auf die Organgesellschaft weiterhin das Erfordernis der doppelten Inlandsanbindung besteht. Das im Regierungsentwurf zum UntStFG genannte Ziel, der zunehmenden internationalen Verflechtung der deutschen Wirtschaft Rechnung tragen zu wollen86, muss auch im Rahmen der Organgesellschaft berücksichtigt werden. In Zeiten der Globalisierung sollte der doppelte Inlandsbezug auch bei der Organgesellschaft aufgegeben werden, eine inländische Geschäftsleitung muss genügen87. Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG sollte daher 83
Vgl. zum Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts oben 4. Teil A. I. 1. a. Vgl. 1. Teil E. III. 1. b. bb. 85 Vgl. 2. Teil A. I. 2. d. cc. (1) (a). 86 BT-Drs. 14/6882, 1, 37. 87 Wischmann, in: H/H/R, § 14 KStG Anm. J 01-2; Löwenstein, IStR 2002, S. 185, 193; Frotscher, Der Konzern 2003, S. 98, 100, der des Weiteren ausführt, dass eine dem § 18 KStG entsprechende Regelung auch hinsichtlich der Organgesellschaft möglich sei. 84
B. Zuzug einer ausländischen Gesellschaft ins Inland
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dahingehend abgeändert werden, dass bereits eine inländische Geschäftsleitung für die Stellung als Organgesellschaft ausreichend ist88. c) Ergebnisabführungsvertrag Fraglich ist, ob die doppelansässigen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts überhaupt einen zivilrechtlich wirksamen Gewinnabführungsvertrag abschließen können. Ein solcher wirksamer Vertragsabschluss ist Voraussetzung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft. Die Organgesellschaft ist als abhängiges Unternehmen der Vertragspartner des herrschenden Unternehmens im Rahmen des Gewinnabführungsvertrages gem. § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG. Eine inländische Geschäftsleitung bedeutet auch einen inländischen Verwaltungssitz. Unter Geltung der Sitztheorie in Deutschland verliert eine solche grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft aufgrund der Verlagerung ihres Verwaltungssitzes ins Inland ihre Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts. Dies ergibt sich aufgrund des anwendbaren inländischen Gesellschaftsrechts. Wegen der nicht beachteten Gründungserfordernisse wird sie auch nicht als eine inländische Kapitalgesellschaft anerkannt89. Zwar wird eine solche umgezogene Gesellschaft im Inland als eine rechtsfähige Personengesellschaft bzw. als eine rechtsfähige (kaufmännische) Einzelperson behandelt90. Allerdings ist die Stellung als abhängiges Unternehmen nicht rechtsformunabhängig91. Es muss sich vielmehr zivilrechtlich um eine Kapitalgesellschaft handeln. Daher genügt es nicht, dass der Vertrag durch eine zugezogene Gesellschaft abgeschlossen wird, die gesellschaftsrechtlich als Personengesellschaft oder als (kaufmännische) Einzelperson angesehen wird. Zivilrechtlich wirksam ist der Gewinnabführungsvertrag nur dann, wenn sich i. S. d. § 291 Abs. 1 Satz 1 AktG eine Kapitalgesellschaft verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen. Allerdings ist angesichts der aktuellen EuGH-Rechtsprechung in Form des Überseering Urteils92 ein zivilrechtlich wirksamer Vertragsabschluss auch durch eine in einem anderen Mitgliedstaat gegründete Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung unter gewissen Umständen mög88 Dies gilt nicht nur hinsichtlich der Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, sondern auch in Bezug auf die deutschen Gesellschaften. Auch letztere müssen aus Gründen des Gemeinschafts- und des Verfassungsrechts für die Stellung als Organgesellschaft nur über eine inländische Geschäftsleitung verfügen, vgl. 6. Teil C. II. 2. 89 Vgl. 2. Teil A. I. 1. a. 90 Vgl. 2. Teil A. I. 2. c. aa. 91 Vgl. 6. Teil B. I. 2. a. 92 EuGH, GmbHR 2002, 1137.
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
lich. Der Zuzugsstaat ist nämlich nunmehr gemeinschaftsrechtlich in Form der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG verpflichtet, die zugezogene Gesellschaft als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts zu respektieren. Es scheint aufgrund der Ausführungen des EuGH in den Rechtssachen Überseering und Inspire Art dem Wegzugsstaat aber weiterhin möglich zu sein, der Gesellschaft infolge der Verlagerung des Verwaltungssitzes die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft abzuerkennen. Für den Wegzug gilt somit weiterhin die zur Rechtssache Daily Mail ergangene Rechtsprechung. Der Gerichtshof differenziert insofern zwischen dem Zuzugs- und dem Wegzugsfall93. Der Immigrationsstaat muss infolgedessen auch die zugezogene Gesellschaft nicht als rechtsfähige Kapitalgesellschaft bewerten, wenn diese ihre Rechtsfähigkeit bereits durch die Rechtsordnung des Emigrationsstaates verloren hat. In solchen Fällen ist ein wirksamer Abschluss eines für die körperschaftsteuerliche Organschaft erforderlichen Gewinnabführungsvertrages nicht möglich. Allerdings sieht ein Teil der Literatur, unabhängig von der Rechtsprechung des EuGH, mit überzeugenden Argumenten die Niederlassungsfreiheit als vom Schutzbereich umfasst an94. In rechtspolitischer Hinsicht ist jedenfalls eine Unterscheidung zwischen dem Zuzug und dem Wegzug von Kapitalgesellschaften wegen der dadurch gegebenen ungleichen Wettbewerbsbedingungen als nicht sinnvoll zu beurteilen95. Solange der EuGH allerdings nicht erneut zu einem Wegzug einer Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt hat, entscheidet, kann die zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts, die ihre Rechtsfähigkeit durch ihren Gründungsstaat verloren hat, keinen zivilrechtlich wirksamen Gewinnabführungsvertrag als Organgesellschaft abschließen. Die Gesellschaft hat ihre Rechtsfähigkeit durch die Rechtsordnung ihres Gründungsstaates verloren. Deutschland kann die Wegzugsstaaten nicht zwingen, die Niederlassungsfreiheit zu beachten. 3. Ausschluss der doppelten Verlustnutzung gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG Nach der Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG, welche gem. § 34 Abs. 9 Nr. 2 KStG ab dem Veranlagungszeitraum 2001 gilt und damit mit dem UntStFG rückwirkend eingefügt wurde96, bleibt ein negatives Einkommen des Organträgers bei der inländischen Besteuerung unberück93
Vgl. hierzu 2. Teil A. I. 2. a. Vgl. hierzu 3. Teil A. II. 2. b. 95 Vgl. hierzu 3. Teil A. II. 3. a. 96 Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 108; Stahl/Fuhrmann, NGZ 2003, S. 250, 252; Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 11. 94
B. Zuzug einer ausländischen Gesellschaft ins Inland
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sichtigt, soweit es in einem ausländischen Staat im Rahmen einer der deutschen Besteuerung des Organträgers entsprechenden Besteuerung berücksichtigt wird. a) Adressatenkreis Die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG steht nach den Gesetzesmaterialien in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der durch das UntStFG geänderten Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG97, wonach die einfache Inlandsanbindung in Form einer inländischen Geschäftsleitung genügt. Es besteht die Vermutung, dass Vorbild der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG die „dual consolidated loss rules“ des USSteuerrechts gewesen sind98. Nach der Regierungsbegründung99 soll es sich bei § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG um eine Sonderregelung für doppelansässige Organträger handeln. Angesprochen sind damit Organträger, die einen ausländischem Satzungssitz und eine inländische Geschäftsleitung haben, was zu einer Ansässigkeit im In- und Ausland führt100. Aufgrund der Aufgabe des doppelten Inlandsbezugs besitzen nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften mit deutscher Geschäftsleitung die Organträgereigenschaft und sind daher nach der Gesetzesbegründung von der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG betroffen, weshalb die Problematik auch innerhalb dieser Zuzugsvariante dargestellt wird. Nach der Regierungsbegründung101 soll durch § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG verhindert werden, dass bei doppelt ansässigen Gesellschaften Verluste im In- und Ausland doppelt oder aufgrund entsprechender Regelungen ausländischer Staaten (z. B. in den USA) stets zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt werden. Der von der Regierungsbegründung zuerst angesprochene Regelungszweck bezieht sich auf so genannte Douple Dip-Gestaltungen im Hinblick auf die Verlustnutzung durch einen doppelansässigen Organträger. Was die Begründung zu der anderen Fallgruppe anbelangt, so ist anzunehmen, dass diese auf einem Missverständnis der US-amerikanischen „dual consolidated loss“ Vorschriften beruht. Sie würde nämlich zu dem merkwürdigen Ergebnis gelangen, dass Verluste dann überhaupt nicht mehr berücksichtigungsfähig wären102. Verluste des 97
Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 246; Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104,
108. 98 Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 11; Frotscher, Der Konzern 2003, S. 98, 102. 99 BT-Drs. 14/6882, 1, 37. 100 Frotscher, Der Konzern 2003, S. 98, 102; Stahl/Fuhrmann, NZG 2003, S. 250, 252. 101 BT-Drs. 14/6882, 1, 37.
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
Organträgers müssen daher für den Fall, dass der ausländische Staat sie nicht einbezieht, in Deutschland Berücksichtigung finden103. Die Beschränkung auf doppelansässige Organträger ist dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG nicht zu entnehmen104, so dass fraglich ist, ob der relevante zuerst genannte Anwendungsbereich der Gesetzesbegründung, nämlich derjenige des Ausschlusses der doppelten Verlustnutzung bei doppelt ansässigen Gesellschaften, sich in dieser Weise eingrenzen lässt. Nach der Formulierung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG ist die Vorschrift auch bei inländischen Organträgern, deren Geschäftsleitung und Sitz sich im Inland befinden, anwendbar. Die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG ist für die Feststellung ihres Regelungsbereichs auszulegen. Zwar ist die Begründung zum Regierungsentwurf und damit der Wille des Gesetzgebers für die Auslegung des Gesetzes nicht verbindlich, wenn er im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden hat105. Allerdings kann dafür, dass sich der persönliche Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG auf einen speziellen Organschaftsfall, nämlich die Konstellation eines doppelt ansässigen Organträgers, bezieht, der Entstehungszusammenhang herangezogen werden. Zeitgleich mit § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG wurde § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG durch das UntStFG eingeführt, wonach der doppelte Inlandsbezug zugunsten einer einfachen Inlandsanbindung in Form einer inländischen Geschäftsleitung aufgehoben wurde. Es besteht somit ein zeitlicher Zusammenhang mit der Aufhebung der kumulativen räumlichen Anbindung im Inland, welcher es nahe legt, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG lediglich die doppelte Verlustnutzung bei doppelt ansässigen Organträgern verhindern will106. Dieser Zusammenhang wird zudem dadurch deutlich, dass beide Regelungen rückwirkend ab Beginn des Veranlagungszeitraums 2001 in Kraft getreten sind. Ohne die Verbindung mit der steuerlichen Begünstigung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG wäre angesichts der Tatsache, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG eine Steuerverschärfung beinhaltet, eine in verfassungsrechtlicher Hinsicht problematische Rückwirkung gegeben. Werden beide Vorschriften hingegen als „Paket“ verstanden, so entschärft sich die Problematik dadurch, dass bei der jeweiligen Kapitalgesellschaft die Verluste im Ausland und damit einmal berücksichtigt werden107. Der Adressaten102 Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425 f. Die Autoren führen des Weiteren aus, dass hinsichtlich der Inlandsverluste, d.h. deutscher Verluste, die Vorschrift dann einen überschießenden Charakter hätte und wohl mit allgemeinem Steuerrecht sowie gegebenenfalls mit höherrangigem Recht nicht zu vereinbaren wäre. 103 Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 19. 104 Meilicke, DB 2002, S. 911, 912. 105 Hey, BB 2002, S. 915; Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 426. 106 Hey, BB 2002, S. 915 f.; Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 435.
B. Zuzug einer ausländischen Gesellschaft ins Inland
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kreis des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG beschränkt sich somit in einschränkender Auslegung seines Gesetzeswortlautes auf doppelt ansässige Organträger108. Eine nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft, die ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegt hat und ihren satzungsmäßigen Sitz im Gründungsstaat beibehält, fällt daher als doppelt ansässiger Organträger i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG in den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG109. b) Sachlicher Anwendungsbereich Abgesehen von der schwierigen Frage des subjektiven Anwendungsbereichs ist die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG auch unklar formuliert, was den sachlichen Anwendungsbereich und die inhaltliche Reichweite anbelangt110. aa) Teleologische Reduktion aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken Die Unbestimmtheit der tatbestandlichen Voraussetzungen und der sich ergebenden Rechtsfolge111 führt zu einer Rechtsunsicherheit. Die Regelung 107
Hey, BB 2002, S. 915, 916. Hey, BB 2002, S. 915 f.; Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 435; Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 108; Kestler/Weger, GmbHR 2003, S. 156, 161; Löwenstein/Maier, IStR 2002, S. 185, 190. Neben Deutschland eröffnen auch andere Länder für doppelt ansässige Kapitalgesellschaften die Möglichkeit, an einer Gruppenbesteuerung teilzunehmen. Zu nennen sind unter anderem die Niederlande, Österreich, Australien, USA und Großbritannien. Allerdings beinhalten nur die amerikanische, britische und deutsche Rechtsordnung Vorschriften zur Verhinderung einer doppelten Verlustverrechnung in der Gruppenbesteuerung, vgl. Orth, IStR 2002, Beihefter zu Heft 9, S. 1, 13. 109 Im Gegensatz zur Verlegung der Geschäftsleitung einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ins Inland ist für die Verlegung der Geschäftsleitung einer inländischen Kapitalgesellschaft ins Ausland kein Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG gegeben. Zwar ist ein von der Vorschrift erfasster doppelt ansässiger Organträger gegeben, da der Satzungssitz sich nach wie vor im Inland befindet. Kapitalgesellschaften mit ausländischer Geschäftsleitung und inländischem Satzungssitz können nach dem Gesetzeswortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG aber keine Organträger sein und sind daher wegen des angenommenen Zusammenhangs zwischen der durch das UntStFG geänderten Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG und der durch dasselbe Gesetz eingefügten Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG von beiden Regelungen ausgenommen, vgl. Wischmann, in: H/H/R, § 14 KStG Anm. J 01-17. 110 Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 105; Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 958. 111 Frotscher, Der Konzern 2003, S. 98, 101. 108
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG wird aufgrund dessen ihren „komplexen Regelungsaufgaben, die sich im Zusammenspiel zwischen internationalem Steuer- und Gesellschaftsrecht, nationalem Organschaftsrecht, Europarecht und nicht zuletzt Verfassungsrecht ergeben“, nicht gerecht112. Angesichts der weiten und unklaren Formulierung der Vorschrift und des damit nicht abgegrenzten Anwendungsbereichs bestehen in grundgesetzlicher Hinsicht vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgebots und des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit Bedenken113. Der Bestimmtheitsgrundsatz, der sowohl demokratiestaatliche als auch rechtsstaatliche Wurzeln hat, bezieht sich auf den Tatbestand sowie die Rechtsfolge einer Norm114. Das Bundesverfassungsgericht hat hinsichtlich des Steuerrechts entschieden, dass der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips verlange, dass steuerbegründende Tatbestände so bestimmt sein müssten, dass der Steuerpflichtige die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen könne115. Die Erfordernisse der Rechtsbestimmtheit und Rechtssicherheit bedingen die Notwendigkeit einer Eingrenzung der Interpretationsmöglichkeiten sowie der Methoden der Rechtsfindung116. Das Prinzip der leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung ist insoweit berührt, als Ausfluss dieses Grundsatzes das Welteinkommensprinzip im deutschen Steuerrecht ist117. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen dann, wenn das positive Welteinkommen als steuerbar anzusehen ist, das negative Einkommen demgegenüber nicht in gleichem Maße berücksichtigt wird. Aufgrund des Welteinkommensprinzips müssen auch negative ausländische Einkünfte im Rahmen der inländischen Besteuerung miteinbezogen werden118. Infolgedessen ist eine möglichst enge Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG vorzunehmen, die den Anforderungen des nationalen und internationalen Rechts entspricht. Dies geschieht unter Zuhilfenahme der Grundsätze juristischer Methodenlehre, vor allem der teleologischen Reduktion119. Letztendlich ist der Regelungsbereich der Vorschrift, wie noch ausführlich dargestellt werden wird, auf wenige Einzelfälle beschränkt. 112
Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 244. Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 252. 114 Papier, S. 61, 63. 115 BVerfG, BVerfGE 19, 253, 267; 49, 343, 362. In der Praxis wurde jedoch noch keine steuerrechtliche Vorschrift vom Bundesverfassungsgericht wegen zu großer Unbestimmtheit für verfassungswidrig erklärt, vgl. Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rn. 168. 116 Papier, S. 61, 66. 117 Loritz/Wagner, BB 1991, S. 2266, 2267; Wilk, S. 183. 118 Vgl. ausführlich zu dieser verfassungsrechtlichen Problematik, allerdings bezogen auf § 2 a EStG, Loritz/Wagner, BB 1991, S. 2266 ff. und Wilk, S. 167 ff. 119 Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 252 f. 113
B. Zuzug einer ausländischen Gesellschaft ins Inland
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Eine Eingrenzung erfährt der Gesetzeswortlaut, wie bereits dargestellt wurde, im Hinblick auf den Adressatenkreis120. Dieser erfasst nur so genannte doppelt ansässige Gesellschaften. Für doppelansässige Kapitalgesellschaften als Organträger bestehen Gestaltungsmöglichkeiten und damit spezifische Gefahren für das inländische Besteuerungsaufkommen. Insoweit liegt es nahe, dass diese Gesellschaften im Visier der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG sind121. bb) Begrenzung auf importierte Auslandsverluste Dieser eben genannte Aspekt ist auch ausschlaggebend für eine weitere Begrenzung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG. Der Anwendungsbereich ist auf einen Ausschluss importierter Auslandsverluste beschränkt. Es handelt sich bei Auslandsverlusten um eigene Verluste des zugezogenen Organträgers aus seinem Gründungsstaat, gegebenenfalls auch aus einem Drittstaat122. Ausländische Verluste des Organträgers sind also solche Verluste, die aus der Geschäftstätigkeit im Gründungsstaat bzw. in einem anderen Staat als dem Zuzugsstaat resultieren. Ein sachgerechter Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG ist nur dann gegeben, wenn eine Gefährdung des deutschen Besteuerungssubstrats besteht. Die Gestaltungsmöglichkeiten mit doppelt ansässigen Kapitalgesellschaften müssen daher nur dann eingedämmt werden, wenn ins Inland transportierte ausländische Verluste gegen inländische Gewinne einer Organgesellschaft verrechnet werden sollen123. Der Import von Verlusten aus ausländischen Quellen durch einen doppelansässigen Organträger ist regelmäßig in der hier relevanten Fallgruppe des Zuzugs von nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften in Form der Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland gegeben124. Die Verluste des Organträgers aus ausländischen Quellen werden nämlich aufgrund seiner Doppelansässigkeit in seine unbeschränkte Steuerpflicht im Inland einbezogen125. Nach dem Welteinkommensprinzip sind bei einer unbeschränkten Steuerpflicht grund120
Vgl. 6. Teil B. I. 3. a. Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 109; Wischmann, in: H/H/R § 14 KStG Anm. J 01-17. 122 Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 437. 123 Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 109. 124 Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 109 f. Im Rahmen der Wegzugsvariante einer nach inländischem Recht errichteten Kapitalgesellschaft, die ihren Satzungssitz ins Ausland verlegt hat, wird daher auf die Problematik des Ausschlusses der doppelten Verlustnutzung i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG nicht mehr eingegangen. 125 Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 110. 121
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
sätzlich alle positiven und alle negativen Einkünfte im Rahmen der Besteuerung zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass auch ausländische Verluste die Bemessungsgrundlage der inländischen Steuer mindern126. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG scheint sich zwar der Anwendungsbereich der Vorschrift auch auf Inlandsverluste, d.h. deutsche Verluste, zu erstrecken. Es ist nämlich grundsätzlich möglich, dass ein ausländischer Staat deutsche Verluste im Rahmen seiner Besteuerung direkt bzw. indirekt berücksichtigt127. Es ist allerdings äußerst fragwürdig, warum gerade im Rahmen der Organschaft eine Einschränkung der Berücksichtigung inländischer Verluste stattfinden soll, da solche doppelte Verlustberücksichtigungen kein spezifisches Problem der Organschaft darstellen. Es kann dem deutschen Gesetzgeber gleichgültig sein, wenn Inlandsverluste im Ausland zu Lasten des ausländischen Steueraufkommens abgezogen werden128. Zudem muss in praktischer Hinsicht berücksichtigt werden, dass eine Überprüfung durch das Finanzamt, inwieweit deutsche Verluste auch im Ausland abgezogen wurden, kaum möglich ist129. Somit wird die Berücksichtigung von Inlandsverlusten bei der inländischen Besteuerung nicht i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG eingeschränkt. Vielmehr ist der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG auf den Import ausländischer Verluste durch eine doppelansässige Kapitalgesellschaft zu begrenzen130. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG hat somit zur Voraussetzung, dass Verluste aus ausländischen Quellen gegen eine inländische Bemessungsgrundlage über das Vehikel einer doppelansässigen Kapitalgesellschaft verrechnet werden131. cc) Begrenzung auf der deutschen Besteuerung unterliegende Auslandsverluste Allerdings bezieht sich das Abzugsverbot des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG nicht auf jegliche nach Deutschland transportierte Auslandsverluste, sondern es sind nur einige Ausnahmefälle von der Regelung betroffen. Der 126
Höreth/Schiegl, ZSteu 2004, S. 176 und 178. Wischmann, in: H/H/R, § 14 KStG Anm. J 01-17; Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 436. 128 Wischmann, in: H/H/R, § 14 KStG Anm. J 01-17; Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 436; Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 109. 129 Wischmann, in: H/H/R, § 14 KStG Anm. J 01-17. 130 Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 253; Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 436 f.; Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 109 f. Nach anderer Ansicht erfasst die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG nicht nur ausländische, sondern auch inländische Verluste, vgl. z. B. Frotscher, Der Konzern 2003, S. 98, 102. 131 Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 109. 127
B. Zuzug einer ausländischen Gesellschaft ins Inland
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Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst nur solche Auslandsverluste, die innerhalb der organschaftlichen Besteuerung für deutsche Besteuerungszwecke Berücksichtigung finden132. Soweit es sich um DBA-freigestellte ausländische Verluste handelt, ist eine Berücksichtigung nach der Abschaffung des § 2 a Abs. 3 EStG nicht mehr möglich. Selbst wenn eine Verlustberücksichtigungsmöglichkeit in Deutschland durch eine dem Muster des § 2 a Abs. 3 EStG a. F. entsprechende Vorschrift geschaffen würde, würde eine doppelte Verlustberücksichtigung wegen der in der Regelung selbst vorgesehenen Rückgängigmachung der Verlustberücksichtigung infolge späterer Auslandsgewinne, der so genannten Recapture-Besteuerung, vermieden. Ein Anwendungsbedarf des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG für DBA-freigestellte Verluste bestünde somit nicht133. Ist kein DBA gegeben, unterliegen die Auslandsverluste der deutschen Besteuerung. Da keine Freistellung von der deutschen Besteuerung erfolgt, ist für solche Verluste aus Nicht-DBAStaaten eine Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG – wenn die übrigen Voraussetzungen der Norm gegeben sind – möglich. Gleiches gilt für ausländische Verluste bei Bestehen eines DBA, wenn die DBA-Freistellung für die doppelansässige Kapitalgesellschaft nicht gilt. Ein Beispiel stellt das DBA USA/Deutschland dar134. Es handelt sich generell um Sachverhalte, auf die ein DBA mit Anrechnungsmethode anwendbar ist135. Jedoch ist für die beiden zuletzt genannten Fallgruppen der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG nur eröffnet, wenn die nach Deutschland importierten Auslandsverluste im Ausland gegen Gewinne ver132
Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 436 f. Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 436 f. Vor dem Hintergrund der Grundfreiheiten und des Leistungsfähigkeitsprinzips ist fraglich, ob bei einer DBAFreistellung ausländische Verluste im Inland im Rahmen einer unbeschränkten Steuerpflicht nicht zu berücksichtigen sind, vgl. Haarmann, S. 169, 176 ff.; Cordewener, DStR 2004, S. 1634 ff.; Rödder, DStR 2004, S. 1629, 1631; Höreth/Schiegl, ZSteu 2004, S. 176, 179 ff. Der österreichische VwGH hat unter Bezugnahme auf Art. 43 EG entschieden, dass trotz Freistellung ausländischer Gewinne ausländische Verluste bei der Ermittlung des Einkommens in Österreich zu berücksichtigen seien. Es müsse lediglich sichergestellt werden, dass keine doppelte „Verlustverwertung“ stattfinde, vgl. IStR 2001, 754, 755. Der BFH hat mit Beschluss vom 13.11.2002, DB 2003, 857, an den EuGH unter anderem die Vorlagefrage gestellt, ob der Nichtabzug von in einem anderen Mitgliedstaat entstandenen Verlusten im Rahmen der Einkommensermittlung einer in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen Person der Niederlassungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit widerspreche. Der vorlegende I. Senat des BFH erachtet diesen Ausschluss negativer ausländischer Einkünfte von der deutschen Bemessungsgrundlage als gemeinschaftsrechtswidrig, vgl. DB 2003, 857, 859 f. 134 Wischmann, in: H/H/R, § 14 KStG Anm. J 01-17; Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 436 f. 135 Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 254; Löwenstein/Maier, IStR 2002, S. 185, 189; Kestler/Weger, GmbHR 2003, S. 156, 159. 133
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rechnet werden, auf die Deutschland keinen Steuerzugriff hat. Werden demgegenüber die im Ausland erzielten Gewinne auch in Deutschland erfasst, besteht insoweit kein Handlungsbedarf, da eine doppelte Verlustberücksichtigung durch die zweifache Erfassung des Gewinns vermieden wird136. Wird die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG nicht in diesem Sinne ausgelegt, sind die bereits genannten verfassungsrechtlichen Bedenken gegeben. Es ist insofern der Grundsatz der Besteuerung des Welteinkommens als Ausdruck der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit berührt137. Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG findet somit nur hinsichtlich importierter Auslandsverluste, die sowohl im Ausland als auch in Deutschland doppelt berücksichtigt werden, Anwendung. Nur durch diese Einschränkungen gelangt man zu einem sachgerechten und sinnvollen Regelungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG, der auf einige Einzelfälle begrenzt ist. Wird die Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG davon abhängig gemacht, dass keine doppelte Gewinnberücksichtigung im In- und Ausland stattfindet, vermeidet man auch die gegenüber der Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG geäußerte Kritik, dass sie zu einer dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit nicht entsprechenden Überbesteuerung führt138. Eine Auslegung der Vorschrift unter teleologischen Gesichtspunkten ist daher erforderlich, um der Vorschrift einen verfassungsgemäßen Inhalt zu geben. Es ist folglich eine verfassungskonforme Auslegung notwendig. Eine solche ist möglich, da der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG dem nicht entgegensteht. Im Hinblick auf die weiteren Voraussetzungen des Ausschlusses der doppelten Verlustnutzung i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG besteht allerdings noch weiterer Klärungsbedarf. dd) Negatives Einkommen des Organträgers Schwierigkeiten bereitet unter anderem die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „negatives Einkommen des Organträgers“. Diese Formulierung trägt zur Rechtsunsicherheit bei und bietet gleichzeitig dem Rechtsanwender einen erheblichen Gestaltungsspielraum139. Der Gesetzeswortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG lässt verschiedene Auslegungen zu140. 136
Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 437. Loritz/Wagner, BB 1991, S. 2266, 2267. 138 Vgl. zu dieser Kritik Meilicke, DB 2002, S. 911, 917; Witt, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 14 KStG Rn. 168. 139 Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 244; Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 435. 140 Zu den Auslegungsvarianten im Einzelnen vgl. Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 429 ff. 137
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Umstritten ist vor allem, ob ausschließlich das eigene Einkommen des Organträgers vor Einkommenszurechnung gemeint ist oder ob sich das Tatbestandsmerkmal auf das Einkommen nach Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft bezieht. Sowohl für die eine als auch für andere Sichtweise lassen sich Argumente anführen. Die bestehende Anwendungsschwierigkeit muss daher durch eine entsprechende Handhabung der Finanzverwaltung bzw. der Finanzgerichte gelöst werden. Diejenigen Stimmen in der Literatur141, die auf das isolierte negative Einkommen des Organträgers abstellen, führen an, dass nach dem Sprachgebrauch der Organträger vom Organkreis unterschieden werden müsse142. Des Weiteren wird argumentiert, dass das Einkommen einer Organgesellschaft nur für Besteuerungszwecke i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG und nicht für Zwecke der Ermittlung seines Einkommens zugerechnet werde und nur insofern beide Einkommen eine Einheit darstellten. Es finde eine eigene und von der Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft losgelöste Einkommensermittlung auf Seiten des Organträgers statt. Für den Organträger stelle das zugerechnete Einkommen der Organgesellschaft „Fremdeinkommen“ dar143. Für ihre Auslegung, nach der das originäre Einkommen des Organträgers entscheidend sei, spreche auch die vom Finanzausschuss vorgenommene Änderung des Wortlauts des Tatbestandsmerkmals von „Einkommen der Organgesellschaft“, wie es der Regierungsentwurf vorsah, zu „Einkommen des Organträgers“144. Zudem wird darauf verwiesen, dass bei einem Abstellen auf das Gesamteinkommen des Organkreises der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, die doppelte Verlustnutzung im In- und Ausland zu verhindern, leer liefe. Der Organträger hätte dann nämlich hinsichtlich der ins Inland transportierten Auslandsverluste bis zur Höhe des ihm zuzurechnenden positiven Einkommens der Organgesellschaft eine Verrechnungsmöglichkeit. Die Wirkung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG beschränkte sich in diesem Falle auf die Begrenzung organschaftsinterner Verlustvorträge145. Die Gegenmeinung146, welche die Formulierung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG als das konsolidierte Einkommen des gesamten Organkreises 141 Wischmann, in: H/H/R, § 14 KStG Anm. J 01-17; Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 13; Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 435; Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 110. 142 Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 435. 143 Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 13. 144 Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 435. 145 Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 110; Wischmann, in: H/H/R, § 14 KStG Anm. J 01-17. 146 Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 263 f.; Löwenstein/Maier, IStR 2002, S. 185, 191; Meilicke, DB 2002, S. 911, 914.
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auslegt, begründet ihre Ansicht unter anderem damit, dass trotz der getrennten Einkommensermittlung das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger zugerechnet werde und von diesem wie eigenes Einkommen zu versteuern sei. Das Einkommen des Organträgers beinhalte somit das konsolidierte Ergebnis des Organkreises und nicht nur das Einkommen des Organträgers vor Einkommenszurechnung. Eine solche Begriffsbestimmung des „negativen Einkommens des Organträgers“ gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG entspreche daher den Rechtsfolgen der körperschaftsteuerlichen Organschaft. Auch stehe diese Interpretation mit der Einkommensermittlungsmethodik der Finanzverwaltung im Einklang147. Würde nur isoliert auf das eigene Einkommen des Organträgers abgestellt, so eröffneten sich bezogen auf den gesamten Organkreis steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zur Umgehung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG. Der Organträger könnte nämlich mit einem Null-Ergebnis abschließen, obwohl das Organkreisergebnis insgesamt negativ ist148. Nach dieser Ansicht hat § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG somit nur insofern einen Anwendungsbereich, als per Saldo ein negatives Einkommen des Organträgers besteht. ee) Verlustberücksichtigung in einem ausländischen Staat Ausländische Verluste bleiben bei der inländischen Besteuerung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG unberücksichtigt, soweit sie in einem ausländischen Staat im Rahmen einer der deutschen Besteuerung des Organträgers entsprechenden Besteuerung berücksichtigt werden. Auch diese Tatbestandsvoraussetzungen sind nicht frei von Auslegungsschwierigkeiten und bedürfen daher einer Konkretisierung in der Praxis durch die Finanzverwaltung bzw. die Finanzrechtsprechung. Die Verlustberücksichtigung in einem ausländischen Staat besagt, dass der Verlust des Organträgers tatsächlich die ausländische Bemessungsgrundlage gemindert haben muss. Nicht ausreichend ist die abstrakte Möglichkeit, dass der Verlust des Organträgers bei der ausländischen Besteuerung berücksichtigt wird149. Berücksichtigung bedeutet hierbei, dass die ausländi147
Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 263 f.; Löwenstein/Maier, IStR 2002, S. 185, 191. Nach Abschnitt 24 Abs. 1 Ziff. 11 und 14 KStR nimmt die Finanzverwaltung die Einkommenszurechnung bereits vor der Ermittlung des Einkommens des Organträgers vor. Von der Gegenansicht wird vorgebracht, dass diese Vorgehensweise der Finanzverwaltung in materieller Hinsicht nichts daran ändern könne, dass hinsichtlich der Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG das (negative) Einkommen des Organträgers so zu ermitteln sei, als ob eine Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft nicht stattfinde, vgl. Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 13; vgl. auch Kestler/Weger, GmbHR 2003, S. 156, 159. 148 Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 264.
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schen Verluste in der Einkommensermittlung des ausländischen Staates einbezogen sind. Nicht erforderlich ist allerdings ein periodengleicher Steuerminderungseffekt. Es genügt, dass die negativen Einkünfte des Organträgers im nämlichen Veranlagungszeitraum auch von der ausländischen Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Ein anschließender Verlustrücktrag oder -vortrag spielt für die Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG keine Rolle150. Umstritten ist, ob ein periodenübergreifender Belastungsvergleich stattzufinden hat. Nach einer Ansicht knüpft die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG nicht an einen Besteuerungsvergleich über mehrere Veranlagungszeiträume an151. Die Gegenmeinung hält vor dem Hintergrund der Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip eine periodenübergreifende Betrachtung für notwendig, sofern das negative Einkommen im Wege ausländischer Verlustvorträge berücksichtigt werde und dieses gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 bei der inländischen Besteuerung keine Berücksichtigung finde. Ergebe sich im nächsten Veranlagungszeitraum ein Gewinn im Inland, komme es zu einer effektiven Doppelbesteuerung. Der im Jahr 01 im Ausland berücksichtigte Verlust werde im Jahr 02 „doppelt bezahlt“. Zum einen unterliege der Gewinn der inländischen Besteuerung, zum anderen werde der aus dem Jahr 01 vorgetragene Verlust im Ausland verbraucht152. In der Tat müssen, um dem aus der Verfassung resultierenden Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gerecht werden zu können, solche periodenübergreifende Effekte bei der Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG berücksichtigt werden. Abhilfe könnte insofern eine Nachbesserung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG durch den Gesetzgeber schaffen153. Eine Korrektur dieses Ergebnisses kann aber auch durch eine Änderung des Steuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO erfolgen154. Es muss des Weiteren auch im Ausland per Saldo ein negatives Ergebnis vorliegen. Nicht ausreichend ist es nach dem Gesetzeswortlaut, wenn einzelne Positionen des nach deutschem Recht ermittelten negativen Einkommens in das insgesamt positive ausländische Ergebnis einfließen155. 149 Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 265; Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 110; Kestler/Weger, GmbHR 2003, S. 156, 160; Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/ 2002, S. 1, 14; Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 68. 150 Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 110; Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/ 2002, S. 1, 14; Kestler/Weger, GmbHR 2003, S. 156, 160. 151 Wischmann, in: H/H/R, § 14 KStG Anm. J-01-17. 152 Löwenstein/Maier, IStR 2002, S. 185, 192; vgl. auch Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 270. 153 Löwenstein/Maier, IStR 2002, S. 185, 192. 154 Stadler/Elser, DB Beilage Nr. 1 zu Heft 7/2002, S. 41, 44.
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Weiterhin ist Voraussetzung, dass zwischen dem Organträger, der im Rahmen der inländischen Besteuerung ein negatives Einkommen hat, und demjenigen, bei dem es im Ausland berücksichtigt wird, Personenidentität besteht156. Ein Ausschluss der Verlustnutzung im Rahmen der inländischen Besteuerung erfolgt nur, „soweit“ eine Verlustberücksichtigung im Ausland erfolgt. Die gesetzliche Formulierung lässt insoweit offen, ob der maßgebliche Verlust nach inländischen oder ausländischen Vorschriften zu ermitteln ist. Da auf die tatsächliche Verlustberücksichtigung im ausländischen Staat abgestellt wird, ist wohl maßgeblich, mit welchem Betrag die Verluste des Organträgers im Rahmen der ausländischen Besteuerung berücksichtigt worden sind157. Die Verluste, die im In- und Ausland geltend gemacht werden, müssen zudem deckungsgleich sein, d.h. es muss sich um „nämliche negative Einkünfte“ handeln158. Probleme bereitet auch die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „einer der deutschen Besteuerung des Organträgers entsprechenden Besteuerung“159. Zum Teil wird es bei einer Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG auf importierte Auslandsverluste als ausreichend angesehen, dass die negativen Einkünfte des Organträgers einer der deutschen Körperschaftsteuer entsprechenden Steuerart im Ausland unterliegen160. Demgegenüber wird von einer anderen Ansicht verlangt, dass der 155
Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 267; Meilicke, DB 2002, S. 911, 915 f. Meilicke, DB 2002, S. 911, 915. Aufgrund dieses Erfordernisses greift die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG nicht ein, wenn der ausländische Gesellschafter des Organträgers wegen dessen Verluste seine Beteiligung auf einen niedrigeren Teilwert abschreibt. Es handelt sich nämlich um einen Verlust des ausländischen Gesellschafters, eine doppelte Verlustberücksichtigung des Organträgers erfolgt nicht, vgl. Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 14. 157 Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 14; Kestler/Weger, GmbHR 2003, S. 156, 160. Probleme ergeben sich dann aber in der Rechtsanwendung, da sich die steuerrechtlichen Regelungen der Gewinn- bzw. Einkommensermittlung im Inland und im Ausland in der Regel voneinander unterscheiden. Als eine pragmatische Lösungsmöglichkeit wird vorgeschlagen, die tatsächlich im Ausland berücksichtigten Beträge zugrunde zu legen, allerdings „gedeckelt“ mit dem Betrag, der sich nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften als Verlust ergebe, vgl. Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 14. 158 Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 110 f., die weiterhin ausführen, dass diese Voraussetzung häufig problematisch sei, da bei doppelansässigen Kapitalgesellschaften die beteiligten Staaten jeweils die eigenen innerstaatlichen Gewinnermittlungsvorschriften heranzögen. 159 Die möglichen Auslegungsvarianten werden von Töben/Schulte-Rummel, FR 2002, S. 425, 428 f., aufgeführt. 160 Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 111. 156
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doppelansässige Organträger auch im Ausland Mitglied eines Konsolidierungskreises ist, welcher vom Grundsatz her der inländischen Organschaft entspricht. Die Einbindung in eine ausländische Gruppenbesteuerung genügt nach dieser Ansicht, der Organträger muss nicht wie im Inland das herrschende Unternehmen sein161. Allerdings muss nach einer das Tatbestandsmerkmal noch enger auslegenden Ansicht der doppelansässige Organträger auch zugleich die Spitze des ausländischen Konsolidierungskreises sein162. c) Rechtsfolge Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG gegeben, ergibt sich als Rechtsfolge, dass das negative Einkommen des Organträgers bei der inländischen Besteuerung unberücksichtigt bleibt. Dies besagt, dass Verluste des Organträgers nicht mit dem positiven Einkommen der Organgesellschaft verrechnet werden bzw. Verluste der Organgesellschaft nicht erhöht werden können. Die Gesetzesformulierung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG ist mangels anderweitiger Einschränkungen wohl als genereller Ausschluss von der inländischen Besteuerung zu verstehen, so dass kein Ausgleich mit positivem Einkommen des Organträgers im vorangegangenen oder in folgenden Veranlagungszeiträumen möglich ist163. Allerdings muss, insbesondere um dem Leistungsfähigkeitsprinzip Rechnung tragen zu können, gewährleistet sein, dass es rein tatsächlich nur zum Ausschluss einer doppelten Verlustnutzung kommt, so dass eine periodenübergreifende Berücksichtigung erforderlich ist164. Diese periodenübergreifende Betrachtung könnte der Gesetzgeber durch eine entsprechende Nachbesserung des Gesetzes einführen165. d) Gemeinschaftsrechtskonformität des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG Es stellt sich in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht die Frage, ob trotz der engen Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG durch die Beschränkung seines Anwendungsbereichs auf nach Deutschland importierte Auslandsverluste sowie der Vermeidung einer effektiven Doppelbesteuerung die 161 Wischmann, in: H/H/R, § 14 KStG Anm. J 01-17; Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 15; Kestler/Weger, GmbHR 2003, S. 156, 160. 162 Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 268. 163 Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 269 f.; Wischmann, in: H/H/R, § 14 KStG Anm. J 01-17; Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 17. 164 Löwenstein/Maier, IStR 2002, S. 185, 192 und die Ausführungen von Erle, in: Erle/Sauter, § 14 Rn. 270. 165 Vgl. 6. Teil B. I. 3. b. ee.
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
Vorschrift mit der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG vereinbar ist. Die Regelung hat, wie bereits dargestellt wurde, als Adressatenkreis ausschließlich doppelansässige Organträger und damit nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften, die unter Beibehaltung ihres Satzungssitzes im EU-Ausland ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegen166. Für diese grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts findet das Niederlassungsrecht i. S. d. Art. 43, 48 EG grundsätzlich Anwendung. Die zugezogenen Gesellschaften dürfen im Immigrationsstaat nicht steuerlich diskriminiert werden167. Bei einer Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG in dem Sinne, dass er nur für so genannte doppelansässige Gesellschaften gilt, kommt ein Verstoß gegen das gemeinschaftsrechtliche Benachteiligungsverbot in Form der Diskriminierung in Betracht, da für Gesellschaften mit Satzungssitz und Geschäftsleitung im Inland die Verlustnutzungsbeschränkung nicht greift. Zum Teil wird die Antwort auf die Frage, ob eine steuerliche Diskriminierung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts vorliegt, offen gelassen168. Einige Stimmen in der Literatur gehen wegen der Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG auf doppelansässige Gesellschaften und seiner Nichtgeltung bei einem ausschließlich nationalen Sachverhalt von einem solchen nicht zu rechtfertigenden Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus169. Die Tatsache, dass die Verluste im Ausland berücksichtigt werden, stelle keinen tauglichen Rechtfertigungsgrund dar. Es wird damit auf die Eurowings Entscheidung des EuGH vom 26.10.1999 Bezug genommen, in welcher der EuGH den Kompensationsgedanken als 166
Vgl. 6. Teil B. I. 3. a. Vgl. 4. Teil A. I. 1. a. und b. 168 Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 15, drückt sich folgendermaßen aus: „Ein Verstoß des § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG gegen das Diskriminierungsverbot des EG-Vertrags (insbes. als nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit, Art. 43 ff. EGV) könnte (nur) dann in Betracht kommen, wenn § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG lediglich auf doppelt ansässige Gesellschaften (Sitz in einem anderen EG-Mitgliedstaat und Geschäftsleitung im Inland) und nicht auf Gesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland anwendbar wäre.“ Anschließend führt er einige Entscheidungen des EuGH auf, in denen dieser bei Einschränkungen der Verlustverrechnung eine Diskriminierung angenommen hat. Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 112, stellen sich die Frage, ob die Begrenzung des persönlichen Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG letztlich in EU-Fällen gegen die europarechtlichen Grundfreiheiten (vor allem die Niederlassungsfreiheit sowie die Kapitalverkehrsfreiheit) verstoße, da eine Doppelansässigkeit im EUAusland gegenüber einem reinen Inlandsfall diskriminiert werden könnte. Sie verweisen dann darauf, dass die weitere EU-rechtliche Entwicklung abgewartet werden müsse. 169 Hey, BB 2002, S. 915, 916; Micker, DB 2003, S. 2734, 2737 f. 167
B. Zuzug einer ausländischen Gesellschaft ins Inland
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Rechtfertigungsgrund verworfen hat170. Vorteile im Ausland, wie der Abzug von Verlusten, könnten eine diskriminierende Behandlung im Inland nicht rechtfertigen171. Im Hinblick auf die Frage nach der Gemeinschaftsrechtskonformität des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG muss zunächst eine Differenzierung nach der Reichweite des Anwendungsbereichs der Vorschrift erfolgen. Wäre entgegen der hier vertretenen Ansicht der Regelungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG auch hinsichtlich der Inlandsverluste, d.h. deutscher Verluste, eröffnet, wäre jedenfalls eine Diskriminierung durch die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG gegeben. Es würden nämlich nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung und ausländischem Satzungssitz im Vergleich zu den entsprechenden inländischen Kapitalgesellschaften, die den Satzungssitz und die Geschäftsleitung in Deutschland haben, ungleich behandelt, da nur für erstere die Verlustabzugsbeschränkung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG gälte172. Bei Inlandsverlusten ist ohne die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG sowohl bei den doppelt ansässigen Organträgern ausländischen Rechts als auch bei den einfach ansässigen Kapitalgesellschaften deutschen Rechts eine doppelte Verlustberücksichtigung möglich. Dies ist bezogen auf einfach ansässige deutsche Kapitalgesellschaften der Fall, wenn im Ausland verursachte Inlandsverluste vorliegen. Es handelt sich hierbei um Gewinnminderungen auf Auslandsvermögen im Rahmen der inländischen Gewinnermittlung173. Infolge der Begrenzung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG auf doppelansässige Gesellschaften wird diesen allerdings im Gegensatz zu den deutschen Gesellschaften ein Verlustabzug in Deutschland versagt, wenn bereits im Ausland eine Verlustberücksichtigung stattgefunden hat. Dies beinhaltet eine versteckte Diskriminierung, da hinsichtlich des Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG eine Unterscheidung danach getroffen wird, ob sich beide steuerlichen Anknüpfungspunkte i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG im Inland befinden oder ob ein Merkmal im Ausland liegt174. Richtigerweise muss aber der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG auf nach Deutschland transportierte Auslandsverluste beschränkt werden. Des Weiteren kann die Vorschrift nur greifen, wenn tatsächlich eine Situation der doppelten Verlustberücksichtigung gegeben ist. 170
EuGH, DB 1999, 2246, 2247 f. Rn. 43 ff. Hey, BB 2002, S. 915, 916; Micker, DB 2003, S. 2734, 2738, der weiterhin ausführt, dass auch das Interesse, Steuerausfälle in Deutschland zu vermeiden, nicht als Rechtfertigungsgrund durchgreife. 172 Meilicke, DB 2002, S. 911, 916, allerdings bezogen auf natürliche Personen. 173 Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 105 f. 174 Vgl. zu der Abgrenzung der offenen von der versteckten Diskriminierung 4. Teil A. I. 1. b. 171
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
Dies ist nicht der Fall, wenn importierte Auslandsverluste gegen ausländische Gewinne verrechnet werden, auf die auch Deutschland einen Steuerzugriff hat. Zudem muss, um sicherstellen zu können, dass die Verluste zumindest einmal berücksichtigt werden, ein periodenübergreifender Belastungsvergleich zugrunde gelegt werden. Fraglich ist, ob eine solche Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG, die dazu führt, dass die Vorschrift nur auf wenige Fälle Anwendung findet, dem Gemeinschaftsrecht, namentlich der Niederlassungsfreiheit, standhält. Rechtsvergleichend betrachtet hat der österreichische VwGH am 25.09.2001 entschieden, dass die bisherige Rechtsprechung, wonach in Deutschland erwirtschaftete Verluste nur im Wege des negativen Progressionsvorbehalts einkommensteuerlich in Österreich zu berücksichtigen seien, auf Grund des Beitritts Österreichs zur EU im Hinblick auf Art. 43 EG nicht mehr aufrechterhalten werden könne. Eine doppelte Verlustverwertung, so der österreichische VwGH, müsse allerdings vermieden werden175. Die österreichische Rechtsprechung sieht somit den Zweck der Verhinderung der doppelten Verlustberücksichtigung als gemeinschaftsrechtskonform an. Entscheidend ist aber nicht die Beurteilung nationaler Gerichte, sondern die Ansicht des EuGH. Man kann insofern aber nur mutmaßen, wie der EuGH, der maßgeblich im Bereich der direkten Steuern die Entwicklung prägt, in einem entsprechend vorgelegten Fall entscheiden würde. Da im Vergleich zu einem rein nationalen Sachverhalt die Auslandsverluste einer doppelansässigen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG, soweit sie im ausländischen Staat berücksichtigt werden, nicht abgezogen werden können, ist eine versteckte Diskriminierung in steuerlicher Hinsicht gegeben. Auch eine nach inländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Satzungssitz im Inland kann über Auslandsverluste verfügen, die unter Umständen doppelt berücksichtigt werden. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ausländische Betriebsstättenverluste einer inländischen Kapitalgesellschaft im Quellenstaat zum Verlustabzug zugelassen werden und diese Verluste auch in Deutschland mangels DBA berücksichtigt werden176. Die zugezogenen Gesellschaf175 Österreichischer VwGH, IStR 2001, 754, 755. Im Schrifttum wird aus dieser Rechtsprechung im Zusammenspiel mit der Überseering Entscheidung des EuGH die Schlussfolgerung gezogen, dass doppelansässige EU- oder EWR-Tochtergesellschaften zur grenzüberschreitenden Verlustverrechnung eingesetzt werden könnten, vgl. Aigner/Kofler, IStR 2003, S. 570, 575 f. 176 Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 105. Allerdings ist ein Verlustabzug in Deutschland nur möglich, wenn nicht das Verrechnungsverbot des § 2 a Abs. 1 EStG eingreift, wonach bestimmte Auslandsverluste nicht mit inländischen positiven Einkünften saldiert werden dürfen, vgl. Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104,
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ten ausländischen Rechts, die als Organträger fungieren, werden durch die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG somit im Vergleich zu den inländischen Kapitalgesellschaften steuerlich schlechter gestellt. Trotz der Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG werden die doppelt ansässigen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts steuerlich diskriminiert. Die Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG ist damit tangiert. In Bezug auf Rechtfertigungsmöglichkeiten einer Diskriminierung auf dem Gebiet der direkten Steuern stellt der EuGH strenge Anforderungen177. Der rein pauschale Hinweis auf befürchtete Steuermindereinnahmen reicht keinesfalls zur Rechtfertigung aus178. Zwar ist der Kohärenzgedanke ein grundsätzlich tauglicher Rechtfertigungsgrund. Jedoch hat der EuGH diesen Gesichtspunkt nur vereinzelt, namentlich in den Entscheidungen Bachmann vom 28.1.1992179 und Kommission/Belgien vom 28.1.1992180, als Rechtfertigungsgrund anerkannt. In anderen Fällen hat der Gerichtshof das häufig vorgebrachte Argument einer nicht kohärent geregelten Situation nicht gelten lassen181. Unabhängig davon, ob die strikten Voraussetzungen dieses Rechtfertigungsgrundes gegeben sind, muss jedenfalls auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip bei der Rechtfertigungsprüfung beachtet werden. Vor diesem Hintergrund scheint eine Berücksichtigung ausländischer Verluste und eine anschließende Nachversteuerung der Gewinne den Interessen des Mitgliedstaates zu genügen182. Dieser Ansatz entspräche dann der Gesetzeslage, die für nach inländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung und inländischem Satzungssitz gilt, wenn diese Auslandsverluste erzielen, die sowohl im In- als auch im Ausland abgezogen werden können. Diese inländischen Kapitalgesellschaften können zwar Verluste aus ausländischen Einkunftsquellen doppelt, nämlich im Quellenstaat und im Inland, berücksichtigen. Dieser Zustand ist jedoch nur zeitlich befristet. Werden im Rahmen der ausländischen Einkunftsquelle in späteren Jahren Gewinne erzielt, so findet eine Nachversteuerung statt183. 105. Für negative Einkünfte aus einer in einem ausländischen Staat belegenen gewerblichen Betriebsstätte i. S. d. § 2 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gilt allerdings das Verrechnungsverbot nicht, wenn die Voraussetzungen des § 2 a Abs. 2 Satz 1 EStG gegeben sind. 177 Vgl. hierzu 4. Teil A. I. 1. c. 178 EuGH, DB 2004, 686, 688 Rn. 60; EuGH, IStR 2003, 23, 26 Rn. 50; EuGH, IStR 2001, 215, 218 Rn. 59; EuGH, IStR 1999, 592, 595 Rn. 50; vgl. hierzu Micker, DB 2003, S. 2734, 2737. 179 EuGH, EuZW 1992, 215, 216 f. Rn. 21 ff. 180 EuGH, EuZW 1992, 217, 219 Rn. 14 ff. 181 Frotscher, S. 39 f.; von Thiel/Achilles, IStR 2003, S. 553, 556; J. Hey, StuW 2004, S. 193, 197. 182 Micker, DB 2003, S. 2734, 2737 f.; Saß, BB 1999, S. 447, 450.
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
Die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG verstößt somit gegen die Niederlassungsfreiheit der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts. Es liegt daher die Vermutung nahe, dass diese Vorschrift der EuGH-Rechtsprechung nicht standhalten wird, wenn der Gerichtshof über einen ihm entsprechend vorgelegten Fall zu entscheiden hat. Der Gesetzgeber muss, wenn er nicht lediglich auf Urteile des EuGH reagieren möchte, bereits jetzt handeln. Er sollte daher die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 aufgrund ihres Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit aufheben.
II. Verlegung des Satzungssitzes ins Inland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Ausland 1. Stellung als Organträger a) Voraussetzung der Inlandsanknüpfung aa) Gesetzeslage nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG wird für den Status als Organträger ausschließlich an die inländische Geschäftsleitung angeknüpft. Der Gesetzeswortlaut spricht nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften mit inländischem Satzungssitz und ausländischer Geschäftsleitung die Organträgereigenschaft eindeutig ab. Die Fähigkeit, Organträger zu sein, kann auch nicht durch § 18 KStG begründet werden, da hierfür die beschränkte Steuerpflicht der Gesellschaft Voraussetzung ist, die grenzüberschreitende Gesellschaft jedoch wegen ihres Satzungssitzes im Inland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG ist. Mit dem alleinigen Abstellen auf die inländische Geschäftsleitung soll nach der Gesetzesbegründung184 sichergestellt werden, „. . . dass über eine Organschaft zu einer nach deutschem oder ausländischem Recht gegründeten Gesellschaft das inländische Besteuerungsrecht185 für das Organeinkommen 183
Prinz/Simon, Der Konzern 2003, S. 104, 105. BT-Drs. 14/6882, 1, 37. 185 Der Ausdruck „Besteuerungsrecht(e)“ ist in staatstheoretischer Hinsicht falsch, da die Souveränität des modernen Staates sich nicht in einzelne Rechte aufspalten lässt. Eine andere Situation bestand in der frühen Neuzeit. Die Besteuerung ist nicht als Ausfluss eines gesonderten Hoheitsrechts zu betrachten, sondern die Steuergesetzgebung ist wie die gesamte Gesetzgebung Ausfluss der einheitlichen souveränen Staatsgewalt. Auch in völkerrechtlicher Hinsicht ist die staatliche Befugnis zur Steuererhebung untrennbar mit der Souveränität des Staates verbunden. Durch Doppelbesteuerungsabkommen werden einem Staat nicht Rechte zuerkannt, die er vorher nicht gehabt hätte. Diese völkerrechtlichen Verträge setzen die staat184
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nicht verloren geht“. Diese Begründung ist vor dem Hintergrund des Art. 4 Abs. 3 OECD-MA zu sehen, wonach für den steuerlichen Zugriff auf das Welteinkommen hinsichtlich doppelansässiger Gesellschaften der Ort der Geschäftsleitung entscheidend ist186. bb) Gemeinschaftsrechtskonformität des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG Es stellt sich die Frage, ob dieser Ausschluss der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts aus dem Anwendungsbereich der körperschaftsteuerlichen Organschaft mit dem gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot in Form der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG vereinbar ist187. Eine nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaft mit inländischem Satzungssitz und ausländischer Geschäftsleitung wird zwar gegenüber einer Gesellschaft mit Geschäftsleitung in Deutschland ungleich behandelt. Für die Erlangung der Fähigkeit, Organträger zu sein, wird diese gezwungen, ihre Geschäftsleitung ins Inland zu verlegen. Auch handelt es sich um eine Gesellschaft i. S. d. Art. 48 Abs. 2 EG, die sowohl die Gründungsverbindung als auch die institutionelle Verbindung mit einem EU-Mitgliedstaat aufweist188. Allerdings greift der durch die Niederlassungsfreiheit gebotene gemeinschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz für die ausländischen Kapitalgesellschaften mit inländischem Satzungssitz wegen der bei einer Satzungssitzverlegung fehlenden dauerhaften Teilnahme am Wirtschaftsleben des Zuzugsstaates nicht ein. Wie bereits im Rahmen der Frage der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften mit Satzungssitz im Inland dargestellt wurde, verbleibt bei dem in der Praxis selten vorkommenden Fall der alleinigen Verlagerung des satzungsmäßigen Sitzes mit dem nach wie vor im Ausland gelegenen Verwaltungssitz das liche Besteuerung vielmehr voraus. Zudem ist zu berücksichtigen, dass trotz des Umstandes, dass ein DBA einen Staat dazu verpflichtet, einen bestimmten Sachverhalt nicht zu besteuern, ihm also das „Besteuerungsrecht“ versagt wird, dieser in der Lage bleibt, kraft seiner Souveränität den betreffenden Sachverhalt entgegen der ihn treffenden Verpflichtung doch zu besteuern, vgl. hierzu ausführlich Vogel, S. 361, 362 f. 186 Orth, IStR Beihefter zu Heft 9/2002, S. 1, 3; Löwenstein/Maier, IStR 2002, S. 185, 186; Frotscher, Der Konzern 2003, S. 98, 100. 187 Ein Teil des Schrifttums bejaht einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit bzw. hält die Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit für zweifelhaft, vgl. Kessler/Spengel, DB Beilage Nr. 6/2004, S. 1, 6; Herlinghaus, GmbHR 2001, S. 956, 961; Micker, DB 2003, S. 2734, 2736; Frotscher, Der Konzern 2003, S. 98, 102 f. 188 Vgl. 4. Teil A. I. 1. a. bb.
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Zentrum der wirtschaftlichen Tätigkeit im Wegzugsstaat189. Auf eine grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft, die ihren Satzungssitz ins Inland verlegt, erstreckt sich somit der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit nicht. Durch die Verlegung des Satzungssitzes ins Inland macht die Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts nicht von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch. Es greift allerdings das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG ein. Dieses verbietet eine im Vergleich zu den entsprechenden inländischen Kapitalgesellschaftsformen bestehende steuerliche Ungleichbehandlung der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften mit inländischem Satzungssitz190. Die Benachteiligung ist darin zu sehen, dass den Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts trotz ihres inländischen Satzungssitzes die Vorteile der Organschaftsbesteuerung versagt werden. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass sich ihre Geschäftsleitung nicht im Inland befindet. Es liegt somit eine mittelbare Diskriminierung vor, da § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG neben dem inländischen Satzungssitz eine inländische Geschäftsleitung für die Organträgereigenschaft voraussetzt. Dieses Differenzierungsmerkmal nach dem Sitz der Gesellschaft beinhaltet eine versteckte Diskriminierung191. Aufgrund des allgemeinen Diskriminierungsverbots des Art. 12 EG ist daher ein inländischer Satzungssitz für die Stellung als Organträger ausreichend. cc) Staatsvertragliche Diskriminierungsverbote Zudem muss berücksichtigt werden, dass der Ort der Geschäftsleitung, der sich gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG für die Organträgereigenschaft im Inland befinden muss, ein unzulässiges Differenzierungsmerkmal i. S. d. Art. 24 Abs. 5 OECD-MA darstellt192. Bei Vereinbarung eines entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommens besitzen nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften mit inländischem Satzungssitz aufgrund eines staatsvertraglichen Diskriminierungsverbots ebenfalls die Fähigkeit, Organträger zu sein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der jeweiligen DBA-Regelung vorliegen. Es muss folglich differenziert werden, ob eine entsprechende völkerrechtliche Vereinbarung vorliegt. Für Gesellschaften aus Vertragsstaaten des jeweiligen Abkommens ist die Organträgertauglichkeit bei einem inländischen Satzungssitz trotz fehlender inländischer Geschäftsleitung gegeben. Die Voraussetzungen für die Stellung 189 190 191 192
Vgl. 2. Teil B III. 1. a. Vgl. 4. Teil A. II. 1. Vgl. hierzu 4. Teil A. I. 1. b. Rust, IStR 2003, S. 658, 660.
B. Zuzug einer ausländischen Gesellschaft ins Inland
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als Organträger sind somit unterschiedlich, je nachdem aus welchem Land die Kapitalgesellschaft zuzieht. Ein derartiger gespaltener Anwendungsbereich führt allerdings zu ungleichen Behandlungen, da nur solche nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften mit inländischem Satzungssitz Organträger sein können, deren Wegzugsstaat mit dem Zuzugsstaat Deutschland einen entsprechenden bilateralen Staatsvertrag abgeschlossen hat. Allerdings ist nicht eindeutig geklärt, ob das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot überhaupt eingreift. Problematisch ist nämlich insofern die Situation, dass der Organträger im Ausland nicht mit dem Gewinn der Organgesellschaft besteuert wird, was der Fall ist, wenn die ausländische Steuerrechtsordnung der deutschen Gewinnzuordnung nicht folgt. Im Inland ist ein Besteuerungszugriff auf die Organgesellschaft wegen der Gewinnabführung nicht möglich. Eine Besteuerung des ausländischen Organträgers ist häufig aufgrund des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA ausgeschlossen, weil nicht sicher ist, dass die ausländische Gesellschaft in Deutschland eine Betriebsstätte unterhält. Nach Art. 5 Abs. 7 OECD-MA kann das abhängige Unternehmen nicht als Betriebsstätte angesehen werden. Eine Rechtfertigungsmöglichkeit ist hinsichtlich des staatsvertraglichen Diskriminierungsverbots im Vergleich zu dem gemeinschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gegeben. Jedoch ist eine teleologische Reduktion des Art. 24 Abs. 5 OECD-MA in diesen Sonderfällen denkbar. Mit der Einführung des Art. 23 A Abs. 4 OECD-MA sowie der Änderung der Auslegung des Art. 23 A Abs. 1 OECD-MA kann nämlich auch die Verhinderung der doppelten Nichtbesteuerung der Einkünfte in beiden Vertragsstaaten als ein Abkommenszweck beurteilt werden, der im Rahmen der Abkommensauslegung Berücksichtigung finden muss. Die Anwendbarkeit des Art. 24 Abs. 5 OECD-MA könnte daher verneint werden193. dd) Verfassungsrechtskonformität des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG Auch aufgrund nationalen Verfassungsrechts ist ein inländischer Satzungssitz einer Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts für die Stellung als Organträger ausreichend. Der aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit besagt, dass wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte auch steuerlich gleich zu behandeln sind194. Art. 3 Abs. 1 GG ist über Art. 19 Abs. 3 GG anwendbar, der insofern gemeinschaftsrechtskonform auszulegen ist195. 193 194
Rust, IStR 2003, S. 658, 660 f. Vgl. 1. Teil E. III. 1. b. bb.
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
Der Gesetzgeber ist daher aus Gründen des Gemeinschafts- und des Verfassungsrechts dazu aufgerufen, die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG dahingehend abzuändern, dass auch ein inländischer Satzungssitz für die Stellung als Organträger ausreichend ist196. b) Ergebnisabführungsvertrag Ungeachtet der Problematik der Organträgerfähigkeit bei fehlender inländischer Geschäftsleitung stellt sich die Frage, ob eine solche nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit deutschem Satzungssitz überhaupt den notwendigen Gewinnabführungsvertrag abschließen kann. Hierfür muss die zugezogene Gesellschaft im Inland rechtsfähig sein. Eine rechtsformwahrende Sitzverlegung ist jedoch nicht möglich. Im Inland wird die grenzüberschreitende Gesellschaft nicht als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts beurteilt. Es kommt aber bei einer geschäftlichen Tätigkeit im Inland zivilrechtlich eine Beurteilung der Gesellschaft etwa als rechtsfähige inländische Personengesellschaft in Betracht, was für den Abschluss des Gewinnabführungsvertrags auf Seiten des Organträgers genügt197. Dies ist dann der Fall, wenn es aus der Sicht des Wegzugsstaates zu einem Statutenwechsel kommt, der vom Zuzugsstaat Deutschland gem. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB angenommen wird. Auf die zugezogene Gesellschaft findet dann das inländische Gesellschaftsrecht Anwendung198. 2. Stellung als Organgesellschaft Hinsichtlich der Frage, ob eine nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit inländischem Satzungssitz und ausländischer Geschäftsleitung als Organgesellschaft fungieren kann, können die Ausführungen zur Frage nach der Organträgereigenschaft dieser Gesellschaften herangezogen werden199. Der Einfluss der Niederlassungsfreiheit auf das direkte Steuerrecht bewirkt zwar nicht, dass die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG insoweit außer Anwendung bleiben muss, als sie für den Status der Organgesellschaft neben einem inländischen Satzungssitz einen deutschen Geschäftsleitungsort verlangt. Die alleinige Verlegung des satzungsmäßigen 195
Vgl. 4. Teil A. II. 2. b. Dieser Vorschlag de lege ferenda bezieht sich auch auf inländische Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegt haben, vgl. 6. Teil C. I. 1. a. 197 Vgl. 6. Teil B. I. 1. b. 198 Vgl. 2. Teil B. I. 199 Vgl. 6. Teil B. II. 1. 196
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Sitzes ins Inland eröffnet nämlich nicht den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit200. Auch wenn die einfache Inlandsanbindung für die Stellung als Organgesellschaft aufgrund des allgemeinen Diskriminierungsverbots des Art. 12 EG bzw. aufgrund des nationalen Verfassungsrechts gem. Art. 19 Abs. 3 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG genügt, kann die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft allerdings keinen Gewinnabführungsvertrag zivilrechtlich wirksam abschließen, da ihr die Rechtsfähigkeit fehlt. Nach der gegenwärtigen internationalen Rechtslage werden diese Gesellschaften im Inland nicht als rechtsfähige Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts angesehen. Erforderlich ist im Hinblick auf die Organgesellschaft, dass sie als rechtsfähige Kapitalgesellschaft agiert. Es kommt als Vertragspartner nur eine inländische Kapitalgesellschaft oder eine vergleichbare ausländische Kapitalgesellschaft in Betracht, die trotz ihres Zuzugs ins Inland nicht ihre Stellung als rechtsfähige Kapitalgesellschaft einer ausländischen Rechtsordnung verliert201.
III. Verlegung der Geschäftsleitung und des Satzungssitzes ins Inland 1. Stellung als Organträger Eine mögliche Konstellation des Zuzugs ist auch diejenige, dass sowohl der satzungsmäßige Sitz als auch die Geschäftsleitung ins Inland verlegt werden. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG setzt die Organträgereigenschaft nur eine inländische Geschäftsleitung voraus, so dass die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft, die sogar den doppelten Inlandsbezug aufweist, unproblematisch die Fähigkeit besitzt, Organträger zu sein. Für die noch offenen Fälle, die unter Geltung des § 14 KStG vor Änderung durch das UntStFG verwirklicht wurden und damit eine doppelte Inlandsanbindung verlangen, ist die Organträgereigenschaft auch unter Außerachtlassung eines gemeinschaftsrechtlichen bzw. staatsvertraglichen Diskriminierungsverbots gegeben. Fraglich ist, ob diese Gesellschaften auch einen zivilrechtlich wirksamen Gewinnabführungsvertrag abschließen können. Ein identitätswahrender Zuzug nach Deutschland ist nach der zur Zeit bestehenden Rechtslage nicht möglich. Wie bereits dargestellt wurde, hat der EuGH diese Frage noch nicht entschieden. Innerhalb des Schrifttums ist umstritten, ob eine solche gleichzeitige Verlegung in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfrei200 Vgl. 2. Teil B. III. 1. Anderer Ansicht auch in Bezug auf die Organgesellschaft ist Micker, DB 2003, S. 2734, 2737. 201 Vgl. 6. Teil B. I. 2. c.
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
heit gem. Art. 43, 48 EG fällt202. Dies spielt aber keine Rolle. Der Organträger als einer der Vertragspartner des Gewinnabführungsvertrages muss nämlich im Inland für die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrages nicht als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts angesehen werden. Für die Wirksamkeit des Vertrages genügt es, dass der Organträger in Deutschland als rechtsfähige Personengesellschaft bzw. als natürliche Person beurteilt wird203. Die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft, die ihren Satzungssitz und ihre Geschäftsleitung nach Deutschland verlegt hat, ist im Inland nicht als ein nicht existierendes Nullum zu bewerten, sondern als eine Personengesellschaft bzw. als eine (kaufmännische) Einzelperson. 2. Stellung als Organgesellschaft Eine nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz und Geschäftsleitung im Inland kann nach dem Gesetzeswortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG als Organgesellschaft fungieren. Voraussetzung ist zusätzlich, dass die grenzüberschreitende Gesellschaft eine den inländischen Kapitalgesellschaftsformen i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG vergleichbare Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts ist204. Allerdings kann die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft im Inland keinen Gewinnabführungsvertrag zivilrechtlich wirksam abschließen. Ein identitätswahrender Zuzug ist bei einer gleichzeitigen Verlegung des Satzungssitzes und der Geschäftsleitung nicht möglich. Eine Klärung der Frage der Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit durch den EuGH steht noch aus205. Eine Behandlung in Deutschland als rechtsfähige Personengesellschaft oder als natürliche Person ist nicht ausreichend für die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertrags, da es sich bei der Organgesellschaft um eine rechtsfähige Kapitalgesellschaft handeln muss206.
202 203 204 205 206
Vgl. 2. Teil C. III. Vgl. 6. Teil B. I. 1. b. Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 56, 58 und 72. Vgl. 2. Teil C. III. Vgl. 6. Teil B. I. 2. c.
C. Wegzug einer inländischen Gesellschaft ins Ausland
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C. Wegzug einer nach inländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ins Ausland I. Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland unter Beibehaltung des Satzungssitzes im Inland 1. Stellung als Organträger a) Voraussetzung der Inlandsanknüpfung Nach dem Gesetzeswortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG kann eine solche grenzüberschreitende Gesellschaft nicht als Organträger fungieren, da die Vorschrift eine inländische Geschäftsleitung verlangt. Ob sich demgegenüber der satzungsmäßige Sitz im Inland befindet, ist mit Ausnahme der Altfälle, die noch unter die Fassung des § 14 KStG vor Änderung durch das UntStFG fallen, unerheblich. Fraglich ist aber, ob sich vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts die Organträgereigenschaft einer inländischen Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz im Inland und Geschäftsleitung im Ausland ergibt. In seiner Entscheidung Daily Mail207 hat der EuGH ausgeführt, dass die Niederlassungsfreiheit den Gesellschaften nationalen Rechts kein Recht gewähre, den Sitz ihrer Geschäftsleitung unter Bewahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaften des Mitgliedstaats ihrer Gründung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen. Wie bereits im Rahmen der Frage der Körperschaftsteuerfähigkeit dieser Gesellschaften dargestellt wurde, differenziert der EuGH in seinen aktuellen Entscheidungen in der Rechtssache Überseering208 und Inspire Art209 zwischen dem Zuzug und dem Wegzug von Gesellschaften210. In der Literatur ist es umstritten, ob die Aussagen des EuGH in seiner neueren Rechtsprechung dahingehend zu deuten sind, dass nur die Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland vom Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG umfasst ist211. Rechtspolitisch wäre es angesichts der fortschreitenden Globalisierung sinnvoll, dass auch die nach inländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften, welche ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegen, die Rolle als Organträger übernehmen könnten212. 207 208 209 210 211 212
EuGH, NJW 1989, 2186, 2188. EuGH, GmbHR 2002, 1137, 1142 f. Rn. 61 ff. EuGH, EuZW 2003, 687, 693 Rn. 102 f. Vgl. 3. Teil A. II. 2. a. dd. Vgl. 3. Teil A. II. 2. a. aa. und bb. Walter, in: Ernst & Young, § 14 Rn. 119.
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
Allerdings muss in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht unterschieden werden zwischen dem Recht auf einen identitätswahrenden Wegzug, welches nach dem Daily Mail Urteil des EuGH nicht besteht, und der Zulässigkeit steuerlicher Wegzugsbeschränkungen, welche an den Grundfreiheiten zu messen sind213. Bei der Frage der Organträgerfähigkeit einer inländischen Kapitalgesellschaft, welche ihren Ort der Geschäftsleitung ins EU-Ausland verlagert, geht es nicht um das Recht auf einen identitätswahrenden Wegzug, sondern es handelt sich um eine steuerliche Wegzugsbeschränkung, da § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG die körperschaftsteuerliche Organschaft an eine inländische Geschäftsleitung anknüpft und damit die Gesellschaften zwingt, ihre Geschäftsleitung im Inland zu behalten. Eine unterschiedliche steuerliche Behandlung wegziehender und nicht wegziehender Gesellschaften ist aufgrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant214, welche gem. Art. 48 Abs. 1 EG auf Gesellschaften übertragen werden kann, nicht gemeinschaftsrechtskonform215. Der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ist bei einer Verlegung der Geschäftsleitung, wie bereits mehrfach dargestellt wurde, eröffnet216. Unter dem Einfluss des Gemeinschaftsrechts ist § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG somit für inländische Kapitalgesellschaften mit inländischem Satzungssitz und ausländischer Geschäftsleitung dahingehend anzuwenden, dass insofern der inländische Satzungssitz, der die unbeschränkte Steuerpflicht i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG begründet, ausreichend ist. Ansonsten würde eine nach deutschem Recht gegründete Kapitalgesellschaft an der Verlegung ihrer Geschäftsleitung ins EU-Ausland gehindert217. Nach nationalem Verfassungsrecht ergibt sich ein identisches Ergebnis. Es muss das aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Leistungsfähigkeitsprinzip beachtet werden218. Dieses ist auch für nach inländischem Recht gegrün213
Siehe hierzu 3. Teil A. II. 2. a. dd. EuGH, DB 2004, 686. 215 Kleinert/Probst, DB 2004, S. 673, 674 f.; dies., NJW 2004, S. 2425, 2426 f.; Campos Nave, NZG 2004, S. 897, 898. In der Daily Mail Entscheidung hat der EuGH selbst ausgeführt, dass die Niederlassungsfreiheit es auch dem Herkunftsstaat verbiete, die Niederlassung seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten, der Definition des Art. 58 EWGV genügenden Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat zu behindern. Nur eine identitätswahrende Verlagerung der Geschäftsleitung werde gemeinschaftsrechtlich nicht verlangt, EuGH, NJW 1989, 2186, 2187 f. Anderer Ansicht ist Körner, IStR 2004, S. 424, 430. Nach der Ansicht von Schön, IStR 2004, S. 289, 297, sind steuerliche Wegzugshindernisse, unabhängig von der Rechtsprechung des EuGH, am Maßstab der Niederlassungsfreiheit zu überprüfen. 216 Vgl. 4. Teil A. I. 1. a. 217 Meilicke, DB 2002, S. 911. 218 Vgl. 1. Teil E. III. 1. b. bb. 214
C. Wegzug einer inländischen Gesellschaft ins Ausland
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dete Kapitalgesellschaften anwendbar, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt haben. Art. 19 Abs. 3 GG muss insofern gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden219. b) Ergebnisabführungsvertrag Eine solche grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft kann auch zivilrechtlich wirksam den erforderlichen Gewinnabführungsvertrag abschließen. Selbst wenn insoweit der Ansicht gefolgt wird, dass die Gesellschaft bei Wegzug in einen Sitztheorie-Staat ihre Rechtsfähigkeit als inländische Kapitalgesellschaft infolge der Verlegung des Verwaltungssitzes verliert220, ist sie kein so genanntes rechtliches Nullum. Es ist dann zumeist eine Wertung als Personengesellschaft möglich. Wird demgegenüber der Verlegungsbeschluss als Auflösungsbeschluss qualifiziert, endet die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit als deutsche Kapitalgesellschaft erst mit dem Abschluss der Abwicklung durch die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister. Sie besteht als Liquidationsgesellschaft ohne Identitätsänderung weiterhin fort221. 2. Stellung als Organgesellschaft Eine inländische Kapitalgesellschaft mit inländischem Satzungssitz und ausländischer Geschäftsleitung kann gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 KStG keine Organgesellschaft sein. Unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten und damit auch nach innerstaatlichem Verfassungsrecht kommt man zu dem Ergebnis, dass für die Eigenschaft, Organgesellschaft zu sein, ein inländischer Satzungssitz genügt222. Erforderlich ist des Weiteren, dass der Gewinnabführungsvertrag auf Seiten der Organgesellschaft durch eine rechtsfähige Kapitalgesellschaft abgeschlossen wird223. Selbst wenn man den Verlegungsbeschluss als Auflösungsbeschluss wertet, ist kein Verlust der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft gegeben. Die Gesellschaft bleibt dann als Liquidationsgesellschaft bestehen. Kein wirksamer Ergebnisabführungsvertrag kann demgegenüber abgeschlossen werden, wenn man die Ansicht zugrunde legt, wonach die Verlegung des Verwal219
Vgl. 4. Teil B. I. 2. Krug, S. 155. 221 Vgl. 3. Teil A. III. 1. a und b. 222 Micker, DB 2003, S. 2734, 2737. Durch die Verlegung der Geschäftsleitung ins EU-Ausland macht die Kapitalgesellschaft inländischen Rechts von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch. 223 Vgl. 6. Teil B. I. 2. c. 220
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
tungssitzes in einen Sitztheorie-Staat zu einer zivilrechtlichen Neueinordnung der Gesellschaftsform führt. Der Gesetzgeber sollte aufgrund der Gemeinschafts- und Verfassungswidrigkeit des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG diese gesetzliche Vorschrift dahingehend ändern, dass ein inländischer Satzungssitz für die Stellung als Organgesellschaft ausreichend ist224.
II. Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Inland 1. Stellung als Organträger Eine nach inländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit ausländischem Satzungssitz kann gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG unproblematisch als Organträger fungieren, da nur eine inländische Geschäftsleitung Voraussetzung ist. Sie kann auch zivilrechtlich wirksam einen Gewinnabführungsvertrag abschließen. Selbst wenn der Verlegungsbeschluss als Auflösungsbeschluss beurteilt wird, geht die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit als deutsche Kapitalgesellschaft erst mit dem Abschluss der Abwicklung und der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister verloren. Sie besteht als Liquidationsgesellschaft ohne Identitätsänderung weiterhin fort225. 2. Stellung als Organgesellschaft Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 kann eine inländische Kapitalgesellschaft, die lediglich ihre Geschäftsleitung im Inland hat, keine Organgesellschaft sein. Auch vor dem gemeinschaftsrechtlichen Hintergrund der Niederlassungsfreiheit ergibt sich kein anderes Ergebnis, da die Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes vom Inland ins EU-Ausland nicht in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit fällt. Allerdings greift das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG ein, das eine steuerliche Ungleichbehandlung verbietet226. Auch aufgrund nationalen Verfassungsrechts genügt gem. Art. 19 Abs. 3 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG eine inländische Geschäftslei224 Dies gilt grundsätzlich auch in Bezug auf die Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, für die aus Gründen des Gemeinschafts- und des Verfassungsrechts ein inländischer Satzungssitz für die Fähigkeit, Organgesellschaft zu sein, genügt. Allerdings kann die zugezogene Kapitalgesellschaft keinen zivilrechtlich wirksamen Ergebnisabführungsvertrag abschließen, vgl. 6. Teil B. II. 2. 225 Vgl. 3. Teil B. III. 2. 226 Vgl. 4. Teil B. II. 1.
C. Wegzug einer inländischen Gesellschaft ins Ausland
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tung227. Wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte müssen hiernach nämlich steuerlich gleich behandelt werden228. Einen zivilrechtlich wirksamen Gewinnabführungsvertrag kann ein solches grenzüberschreitendes Unternehmen ebenfalls abschließen, da in zivilrechtlicher Hinsicht die Rechtsfähigkeit als deutsche Kapitalgesellschaft selbst bei Wertung des Verlegungsbeschlusses als Auflösungsbeschluss nicht endet.
III. Verlegung der Geschäftsleitung und des Satzungssitzes ins Ausland 1. Stellung als Organträger Eine nach inländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft, die in Deutschland weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung hat, kann Organträger sein. Die Organträgereigenschaft kann aber nicht durch § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG begründet werden, da es an dem erforderlichen einfachen Inlandsbezug in Form einer inländischen Geschäftsleitung fehlt. Allerdings kann die weggezogene Kapitalgesellschaft über die Vorschrift des § 18 Satz 1 KStG die Funktion des Organträgers übernehmen. Nach dieser Rechtsnorm kommt als Organträger auch ein ausländisches gewerbliches Unternehmen, das im Inland eine im Handelsregister eingetragene Zweigniederlassung unterhält, in Betracht. Wie im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG ist auch nach § 18 KStG die Fähigkeit, Organträger zu sein, rechtsformunabhängig229. Das ausländische Unternehmen i. S. d. § 18 KStG muss durch seine Tätigkeit im Inland beschränkt steuerpflichtig sein. Der Organträger muss also mit seinen Einkünften aus der inländischen Zweigniederlassung der beschränkten Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht unterliegen. Eine grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft inländischen Rechts ist, wenn sie inländische Einkünfte i. S. d. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 49 EStG230 erzielt, beschränkt körperschaftsteuerpflichtig gem. § 2 Nr. 1 KStG. Das Tatbestandsmerkmal ausländisches Unternehmen des § 18 KStG bedeutet nämlich nicht, dass es sich um eine nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaft handeln muss, sondern dass eine beschränkt steuerpflichtige Gesellschaft vorliegen muss231. Die beschränkte 227
Vgl. 4. Teil B. II. 2. Vgl. 1. Teil E. III. 1. b. bb. 229 Olbing, in: Streck, § 18 Anm. 3; Erle, in: Erle/Sauter, § 18 Rn. 2 und 5. 230 Die Zweigniederlassung ist eine Betriebsstätte i. S. d. DBA, weshalb die beschränkte Steuerpflicht regelmäßig gegeben ist, vgl. Olbing, in: Streck, § 18 Anm. 4. Es liegen dann inländische Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 a EStG vor. 231 Erle, in: Erle/Sauter, § 18 Rn. 3 und 11; Walter, in: Ernst & Young, § 18 Rn. 7. 228
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
Steuerpflicht ist auch bei einer nach der deutschen Rechtsordnung errichteten Kapitalgesellschaft, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hat, gem. § 2 Nr. 1 KStG bei Erzielung inländischer Einkünfte gegeben232. Eine solche Gesellschaft kann somit nach § 18 KStG als Organträger fungieren. Der Gewinnabführungsvertrag muss gem. § 18 Satz 1 Nr. 1 KStG unter der Firma der Zweigniederlassung abgeschlossen werden. Zivilrechtlicher Vertragspartner ist allerdings das ausländische Unternehmen. Die Zweigniederlassung ist gesellschaftsrechtlich nur ein unselbständiger Teil des Organträgers, weshalb lediglich letzterer aus den Verträgen der Zweigniederlassung berechtigt und verpflichtet wird233. Da zivilrechtlicher Vertragspartner der Organträger ist, muss die grenzüberschreitende Gesellschaft inländischen Rechts rechtsfähig sein. Auch wenn ihr infolge der Verlegung des Verwaltungssitzes die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit als deutsche Kapitalgesellschaft aberkannt wird234, kann sie als rechtsfähige Personengesellschaft bzw. als natürliche Person zivilrechtlich wirksam einen Gewinnabführungsvertrag abschließen. Wird von einer Auflösung der Gesellschaft ausgegangen235, kann sie gleichfalls als Liquidationsgesellschaft einen zivilrechtlich wirksamen Vertrag abschließen. 2. Stellung als Organgesellschaft Nach den Vorschriften des Körperschaftsteuerrechts, welche die Organschaft regeln, kann eine nach inländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft, die sowohl ihre Geschäftsleitung als auch ihren Satzungssitz im Ausland hat, nicht Organgesellschaft sein. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG verlangt einen doppelten Inlandsbezug und eine dem § 18 KStG entsprechende Vorschrift gibt es für Organgesellschaften nicht. Fraglich ist, ob eine solche Gesellschaft aufgrund des Schutzes der Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG die Funktion der Organgesellschaft übernehmen kann236. Wie bereits dargestellt wurde, besteht innerhalb der Literatur Uneinigkeit darüber, ob sich die Reichweite der Niederlassungsfreiheit auf die kumulative Verlegung des Verwaltungs- und Satzungssitzes erstreckt237. Eine diesbezügliche Entscheidung des EuGH ist noch nicht ergangen. 232
Vgl. 3. Teil C. Erle, in: Erle/Sauter, § 18 Rn. 14. 234 Krug, S. 155 f. 235 Dinkhoff, S. 144. 236 Nach der Ansicht von Frotscher, Der Konzern 2003, S. 98, 103, erfordert es die Niederlassungsfreiheit, einer ausländischen Gesellschaft, soweit inländische gewerbliche Betriebsstätten vorhanden seien, die Eigenschaft der Organgesellschaft zukommen zu lassen. 233
D. Verlustberücksichtigung vor dem Hintergrund Marks & Spencer
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Einen zivilrechtlich wirksamen Gewinnabführungsvertrag kann die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft aber nur abschließen, wenn man nicht von einer zivilrechtlichen Neueinordnung der Gesellschaft ausgeht. Wird der Beschluss der gleichzeitigen Verlegung von Verwaltungs- und Satzungssitz als Auflösungsbeschluss gewertet, endet die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft nicht.
D. Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung vor dem Hintergrund der Rechtssache Marks & Spencer Angesichts der Rechtssache Marks & Spencer, die derzeit dem EuGH vorliegt238, muss die grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung im Rahmen der Organschaftsbesteuerung abschließend näher untersucht werden. Der High Court of Justice hat mit Beschluss vom 02.05.2003 dem EuGH die Frage der grenzüberschreitenden steuerlichen Verlustberücksichtigung vorgelegt239. In der Rechtssache Marks & Spencer geht es um die Frage, ob Verluste ausländischer Tochterkapitalgesellschaften von der englischen Muttergesellschaft berücksichtigt werden können.240 Bislang sehen lediglich Dänemark, Frankreich und seit kurzem auch Italien eine grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung innerhalb der Gruppenbesteuerung vor241. Fraglich ist, ob in Deutschland eine grenzüberschreitende Organschaft nach der gegenwärtigen nationalen Gesetzeslage möglich ist. Wie bereits ausführlich dargestellt wurde, ist für die Stellung als Organträger eine inländische Geschäftsleitung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG ausreichend242. Ein Satzungssitz im Inland ist nicht erforderlich. Erfasst sind demnach die so genannten doppelansässigen Gesellschaften mit inländischem Ort der Geschäftsleitung und ausländischem Satzungssitz. Die Voraussetzung der inländischen Geschäftsleitung führt auch bei doppelt ansässigen Kapitalgesellschaften in Übereinstimmung mit der „tiebreaker rule“ des Art. 4 Abs. 3 OECD-MA und den entsprechenden deutschen Abkom237 Vgl. 2. Teil C. III., allerdings bezogen auf den Zuzug einer auländischen Kapitalgesellschaft ins Inland. 238 Vgl. zu den Vorlagefragen in der Rechtssache C-446/03 im Rechtsstreit Marks & Spencer PLC gegen David Halsey, ABl. EG 2003 C 304, 18 f. 239 Vgl. zum Vorlagebeschluss Dörr, Der Konzern 2004, S. 15 ff. 240 Vgl. zu dem der Rechtssache zugrunde liegenden Ausgangssachverhalt sowie Verfahren Meussen, EC Tax Review 2003/3, S. 144 f.; Dörr, Der Konzern 2003, S. 604, 605 ff. 241 Dörr, IStR 2004, S. 265, 268; Hirschler/Schindler, IStR 2004, S. 505; Lüdicke/Rödel, IStR 2004, S. 549, 553. 242 Vgl. 6. Teil. B. I. 1. a. aa.
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
mensvorschriften dazu, dass die Kapitalgesellschaft für Abkommenszwecke nur im Staat der Geschäftsleitung als ansässig gilt. Demzufolge hat Deutschland die Besteuerungshoheit über das Einkommen des Organkreises. Auf der Grundlage einer solchen Abkommensnorm wäre demgegenüber das Organeinkommen der deutschen Besteuerung beim Organträger entzogen, wenn entgegen der gesetzlichen Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG alternativ der alleinige Satzungssitz für die Fähigkeit, Organträger zu sein, genügen würde. Ebenso bleibt die Zweigniederlassungsregelung des § 18 KStG in ihren Auswirkungen auf den inländischen Besteuerungssachverhalt beschränkt. Das Einkommen wird nämlich nicht der ausländischen Gesellschaft zugerechnet, sondern der inländischen Betriebsstätte des ausländischen Trägers. Entsprechend dem Verteilungskonzept der Abkommen sind die Wirkungen des § 18 KStG auf das Inland begrenzt. Ebenso wenig wie der Umstand, dass ein inländischer Geschäftsleitungsort für die Organträgereigenschaft genügt, führt die Regelung des § 18 KStG dazu, dass von einer grenzüberschreitenden Organschaft gesprochen werden kann243. Was die Stellung als Organgesellschaft anbelangt, so muss sich nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG sowohl der satzungsmäßige Sitz als auch die Geschäftsleitung im Inland befinden. Doppelt ansässige Tochtergesellschaften und ausländische Tochtergesellschaften sind daher aus dem Organkreis ausgeschlossen. Eine grenzüberschreitende Organschaft und damit eine grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung innerhalb der Organschaft ist also nicht möglich244. Ebenso wie die britische Gruppenbesteuerung kennt somit auch die deutsche Organschaft keine Verrechnung von Gewinnen der Inlandsmuttergesellschaft mit Verlusten der Auslandstochtergesellschaft. Eine zugunsten des Steuerpflichtigen Marks & Spencer ausfallende Entscheidung des Gerichtshofs hätte demzufolge auch Konsequenzen für die inländische ertragsteuerliche Organschaft245. Gerade die Nichteinbeziehung von Auslandstochtergesellschaften in den Organkreis löst letztlich nämlich die gemeinschaftsrechtliche Problematik aus, wie sie als Streitgegenstand der Rechtssache Marks & Spencer zu Grunde liegt. Wird die britische Gruppenbesteuerungsregelung, wonach eine Verrechnung der Gewinne der inländischen Muttergesellschaft mit Verlusten der Auslandstochtergesellschaft nicht stattfindet, als gemeinschaftsrechtswidrig erachtet, muss auch die deutsche Organschaftsbesteuerung letztendlich wegen der nicht ermöglichten grenzüberschreitenden Verlustberücksichtigung dem Gemeinschaftsrecht angepasst werden246. 243 244 245 246
Dörr, IStR 2004, S. 265, 268. Dörr, IStR 2004, S. 265, 268. Vgl. hierzu ausführlich Dörr, IStR 2004, S. 265 ff. Dörr, IStR 2004, S. 265, 268.
D. Verlustberücksichtigung vor dem Hintergrund Marks & Spencer
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Allerdings ist, unabhängig von der noch ergehenden EuGH-Rechtsprechung, die gegenwärtige Gesetzeslage, wonach nur bei einer doppelten Inlandsanbindung in Form eines inländischen Satzungssitzes und einer inländischen Geschäftsleitung die Stellung als Organgesellschaft übernommen werden kann, wie bereits ausführlich dargestellt wurde, gemeinschaftsrechtswidrig247. Eine grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung muss daher bereits gegenwärtig zugelassen werden. Der nationale Steuergesetzgeber sollte nicht eine Entscheidung in der Rechtssache Marks & Spencer abwarten, also keine reaktive Haltung an den Tag legen, sondern präventiv die Organschaftsregeln gemeinschaftsrechtskonform ausgestalten. Diesbezüglich trifft ihn auch angesichts des Art. 10 EG eine europarechtliche Optimierungspflicht248. Bis zu einer solchen Änderung der Organschaftsregeln müssen die Finanzverwaltung und Finanzrechtsprechung diese EG-rechtskonform anwenden. Es ist ein generelles Umdenken der EU-Mitgliedstaaten erforderlich. Die Vorgehensweise, nationale Regelungen europarechtswidrig auszugestalten bzw. auszulegen und lediglich auf Entscheidungen des EuGH zu reagieren, ist riskant, da sie ungeahnte Konsequenzen in finanzieller Hinsicht für den jeweiligen Mitgliedstaat haben kann. Entscheidet der EuGH zugunsten des Steuerpflichtigen und obsiegt dieser demzufolge auch vor dem Gericht des Mitgliedstaates, werden andere Steuerpflichtige diesem Beispiel nacheifern, was zu erheblichen Steuerausfällen führen kann. Die Mitgliedstaaten sollten sich also nicht von der falschen Hoffnung leiten lassen, dass der Gemeinschaftsrechtsverstoß entweder nicht zur Entscheidung vor den Gerichtshof gelangt249 oder die vorgelegten Steuerrechtsfälle vom EuGH zum Vorteil der jeweiligen Regierung beurteilt werden. Zum einen müssen die nationalen Gerichte ihrer Vorlagepflicht nachkommen und zum anderen hat der Gerichtshof in ca. 92% der Fälle, welche das Steuerrecht behandeln, zu Lasten der Regierung entschieden250. Um böse Überraschungen zu vermeiden, liegt es im eigenen Interesse, die zur Zeit gültigen steuerlichen Regelungen, die in einem Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehen, präventiv gemeinschaftsrechtskonform auszugestalten251. 247
Vgl. 6. Teil B. I. 2. b. bb. und II. 2. J. Hey, StuW 2004, S. 193, 208. 249 Hinsichtlich der auf dem Gebiet der direkten Steuern beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahren liegt Deutschland im Vergleich zu den anderen EUMitgliedstaaten, was die Anzahl der Verfahren betrifft, ganz vorne. Dies liegt entweder daran, dass es in den anderen Mitgliedstaaten weniger EG-rechtlich zweifelhafte steuerrechtliche Regelungen gibt oder an der besonderen Vorlagefreudigkeit der deutschen Finanzgerichte und des BFH, vgl. Lausterer, FR 2004, S. 1109, 1112. 250 Dörr, IStR 2004, S. 265, 268 f. 251 In diesem Sinne auch Dörr, IStR 2004, S. 265, 269. 248
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6. Teil: Körperschaftsteuerliche Organschaft
Es ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass Deutschland vor einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs seine Organschaftsregeln dahingehend ändern wird, dass diese dem Gemeinschaftsrecht entsprechen. Spätestens bei einer positiv für Marks & Spencer ausfallenden Entscheidung des EuGH müssen die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben allerdings Berücksichtigung finden. Dem deutschen Steuergesetzgeber stehen zur Herstellung der Europarechtskonformität zwei Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Er kann die gemeinschaftsrechtliche Diskriminierung dadurch beseitigen, dass er einerseits die bisher nur zugunsten des Steuerinländers anwendbare Vorschrift auf den Steuerausländer erweitert. Andererseits kann auch die Inländerbegünstigung gestrichen werden. Ein Beispiel für die zuletzt genannte Alternative ist die Änderung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung nach § 8 a KStG, die als Reaktion auf die Lankhorst-Hohorst Entscheidung des EuGH252 ergangen ist253. Die Abschaffung der nationalen Gruppenbesteuerungsregelung ist jedoch nicht als Lösungsmöglichkeit in Erwägung zu ziehen. Dies ergibt sich aus verfassungsrechtlichen Gründen. Die Organschaftsbesteuerung ermöglicht nämlich eine sachgerechte und dem Gedanken der Leistungsfähigkeit entsprechende Besteuerung einer Unternehmenseinheit254. Die Herstellung der Gemeinschaftsrechtskonformität muss vielmehr durch die Anpassung der nationalen Organschaftsregelungen erfolgen. Der deutsche Gesetzgeber muss die Gruppenbesteuerung EG-rechtskonform ausgestalten255. Dies hat zur Folge, dass die bislang geforderte doppelte Inlandsanbindung zumindest im Hinblick auf die EU-Tochtergesellschaften aufgegeben werden muss256. Deutschland kann jedoch der Gefahr der doppelten Verlustnutzung desselben Verlustes im In- und Ausland Rechnung tragen. Es könnte beispielsweise eine Nachversteuerungsregelung entsprechend dem früheren § 2 a Abs. 3 EStG a. F.257 im Rahmen der Organ252
EuGH, DB 2002, 2690. J. Hey, StuW 2004, S. 193, 196 f.; Dörr, IStR 2004, S. 265, 269 f. 254 Dörr, IStR 2004, S. 265, 271 f.; vgl. auch die Stellungnahme des BMF im Bericht zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts, Beilage zu FR 11/2001, 1, 16. 255 Rödder, DStR 2004, S. 1629, 1633. 256 Dass die doppelte Inlandsanknüpfung für die Stellung als Organgesellschaft in Bezug auf eine Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts nicht mit dem Gemeinschaftsrecht zu vereinbaren ist, wurde bereits oben dargestellt, vgl. 6. Teil B. I. 2. b. bb. und II. 2. 257 § 2 a Abs. 3 EStG wurde durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, BGBl. I 1999, 402, aufgehoben. Die Vorschrift des § 2 a Abs. 3 EStG bezweckte die vorübergehende Erleichterung von Auslandsinvestitionen, vgl. Probst, in: H/H/ R, § 2 a EstG Anm. 267; Mayer-Wegelin, in: Bordewin/Brandt, § 2 a Rn. 123. Aufgrund des § 2 a Abs. 3 Satz 1 und 2 EStG wurden Verluste aus einer ausländischen gewerblichen Betriebsstätte, die nach dem DBA mit dem Herkunftsstaat (= Betriebsstättenstaat) von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer zu befreien 253
D. Verlustberücksichtigung vor dem Hintergrund Marks & Spencer
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schaftsbesteuerung eingeführt werden. Denkbar ist auch der Lösungsweg, dass auf der Ebene der Inlandsmutter eine gewinnmindernde Rücklagenbildung stattfindet, die später gewinnerhöhend aufgelöst wird258. Auf sekundärrechtlicher Ebene plant die EU-Kommission neue Schritte im Hinblick auf eine grenzüberschreitende Verlustverrechnung259. Auch unter dem Gesichtspunkt des Verfassungsrechts muss eine grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung möglich sein, wenn die ausländische Tochtergesellschaft einen einfachen Inlandsbezug aufweist. Die Stellung als Organgesellschaft scheidet zwar aufgrund der gesetzlichen Regelung aus. Allerdings fordert der aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung, wonach eine dem Prinzip der Leistungsfähigkeit Rechnung tragende Besteuerung stattzufinden hat260, dass die Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, die eventuell erst aufgrund einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GG grundrechtsberechtigt sind261, in steuerlicher Hinsicht wie die vergleichbaren inländischen Kapitalgesellschaften zu behandeln sind262. Die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts, die den Untersuchungsgegenstand bilden, müssen daher aus gemeinschaftsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Gründen in den Organkreis als Tochtergesellschaften einbezogen werden. Eine grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung ist danach möglich. waren, ausgeglichen bzw. abgezogen, vgl. Probst, in: H/H/R, § 2 a EStG Anm. 230; Wied, in: Blümich, § 2 a EStG Rn. 111. Diese Verlustberücksichtigung bei der deutschen Besteuerung hatte aber grundsätzlich nur vorübergehenden Charakter. Nach § 2 a Abs. 3 Satz 3 EStG findet gem. § 52 Abs. 3 Satz 3 EStG bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2008 eine Nachversteuerung der ausgeglichenen bzw. abgezogenen Verluste statt, vgl. Probst, in: H/H/R, § 2 a EStG Anm. 267; Wied, in: Blümich, § 2 a EStG Rn. 111. Die Hinzurechnung i. S. d. § 2 a Abs. 3 Satz 3 EstG erfasst den positiven Saldo aller steuerfreien Gewinne und Verluste aus sämtlichen gewerblichen Betriebsstätten des Steuerpflichtigen, der den Verlustausgleich-/abzug in Anspruch genommen hat. Auch bezieht sich die Nachversteuerung nur auf das gewerbliche Betriebsstättenergebnis in dem DBA-Staat, aus dem die zuvor berücksichtigten Verluste stammen, vgl. Gosch, in: Kirchhof, § 2 a Rn. 92; Probst, in: H/H/R, § 2 a EStG Anm. 269. 258 Vgl. hierzu Dörr, IStR 2004, S. 265, 269 f.; ders., Der Konzern 2004, S. 15, 18 f. 259 Vgl. KOM (2003) 726 endgültig vom 24.11.2003, 2, 10 f., abrufbar unter: http://europa.eu.int/eur-lex/de/com/cnc/2003/com2003_0726de01.pdf. 260 Vgl. 1. Teil E. III. 1. b. bb. 261 Vgl. 2. Teil A. I. 2. d. cc. (1) (a) und 4. Teil A. II. 2. b. 262 Vgl. 6. Teil B. I. 2. b. cc und II. 2. Allerdings kann bei einer isolierten Verlegung des Satzungssitzes die zugezogene Kapitalgesellschaft keinen zivilrechtlich wirksamen Ergebnisabführungsvertrag als Organgesellschaft abschließen, vgl. 6. Teil B. II. 2.
7. Teil
Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften Von großem steuerlichen Interesse für die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften in- und ausländischen Rechts ist, ob der Wegzug bzw. Zuzug eine Abschlussbesteuerung der stillen Reserven auslöst. Unter Umständen wird von einem grenzüberschreitenden Umzug Abstand genommen, wenn die aus einer solchen Besteuerung resultierenden Liquiditätseinbußen zu hoch sind. Hinsichtlich des Wegzugs von Gesellschaften findet sich im Körperschaftsteuerrecht ein expliziter Besteuerungstatbestand.
A. Wegzugsbesteuerung I. Verlegung der Geschäftsleitung einer inländischen Kapitalgesellschaft ins Ausland unter Beibehaltung des Satzungssitzes im Inland 1. Wegzugsbesteuerung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG Der Wegzugsbesteuerungstatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG setzt voraus, dass eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Körperschaft oder Vermögensmasse ihre Geschäftsleitung und ihren Sitz oder eines von beiden ins Ausland verlegt und dadurch aus der unbeschränkten Steuerpflicht ausscheidet. Der Wegzugsbesteuerung des § 12 KStG liegt der Regelungszweck zugrunde, die beim Ausscheiden aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG im Hoheitsgebiet erwirtschafteten stillen Reserven im letztmöglichen Zeitpunkt aufzudecken und zu besteuern1. Stille Reserven entstehen teilweise vom Gesetzgeber gewollt aus wirtschafts- oder sozialpolitischen Gründen, teilweise aber auch ungewollt. Es handelt sich um verdeckt vorhandene Eigenkapitalteile. Stille Reserven werden gebildet entweder durch eine Überbewertung von Passiva oder durch 1
Lenz, in: Erle/Sauter, § 12 Rn. 6; Förster/Lange, RIW 2002, S. 585, 586.
A. Wegzugsbesteuerung
365
eine Unterbewertung von Aktiva. Mit ihnen wird die Differenz zwischen den einzelnen Bilanzansätzen und den entsprechenden tatsächlichen Werten ausgedrückt2. Am Ende eines Unternehmens werden die bestehenden stillen Reserven im Wege einer Schlussbesteuerung erfasst und versteuert. Erst in der Totalperiode wird somit der „volle“ Gewinn der Besteuerung unterworfen. Findet eine solche Schlussbesteuerung nicht statt, geht das Besteuerungssubstrat verloren. Scheiden die stillen Reserven aus dem deutschen Steuersystem aus, d.h. findet eine Steuerentstrickung statt, werden diese nur erfasst, wenn so genannte Ersatzrealisierungstatbestände existieren. Solche Tatbestände stellen eine Ausnahme zu dem Realisationsprinzip dar, wonach nur realisierte Gewinne der Besteuerung unterliegen3. Ein allgemeiner Entstrickungsgrundsatz wird von der herrschenden Meinung in der Literatur4 und von der Rechtsprechung5 abgelehnt. Es bedarf daher zur Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven jeweils konkreter Normen6. Für den Wegzug von Kapitalgesellschaften in Form der Verlegung der Geschäftsleitung und/oder des Satzungssitzes ins Ausland existiert der Ersatzrealisierungstatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG, der beim Verlust der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht eingreift7. Zwar findet in der untersuchten Fallkonstellation eine Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung ins Ausland statt. Allerdings bleibt die nach deutschem Recht gegründete Gesellschaft wegen der alternativen Anknüpfung gem. § 1 Abs. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, da sich ihr Satzungssitz nach wie vor in Deutschland befindet8. Die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft ist nach wie vor ein Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG9. Die vom Zivilrecht unabhängige Auslegung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ist auch auf die Wegzugsbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG zu übertragen10. Ebenso wie bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG geht es auch bei der Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG um die Frage der unbeschränk2
Wacht, in: Ernst & Young, § 11 Rn. 2; Schulz/Petersen, DStR 2002, S. 1508, 1513. 3 Schulz/Petersen, DStR 2002, S. 1508, 1513 f. 4 Knobbe-Keuk, § 7 IV S. 277 f.; dies., DB 1991, S. 298, 299; Kluge, S. 212 ff.; Heinicke, in: Schmidt, § 4 Rn. 50; Dietrich, S. 53 f.; Schulz/Petersen, DStR 2002, S. 1508, 1513 f. 5 BFH, BStBl. II 1972, 455, 457; BFH, BStBl. II 1976, 246, 247 f. 6 Schulz/Petersen, DStR 2002, S. 1508, 1513 f. 7 Schaumburg, in: Krause/Schaumburg/Wassermeyer, S. 40; Schulz/Petersen, DStR 2002, S. 1508, 1514. 8 Lenz, in: Erle/Sauter, § 12 Rn. 18; Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 16; Haase, IStR 2004, S. 232, 233. 9 Vgl. 3. Teil A. III. und 4. Teil B. I. 10 Zisowski, S. 85 f.; Schlenker, S. 106.
366
7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
ten Körperschaftsteuerpflicht. Hinsichtlich einer inländischen Kapitalgesellschaft, die ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegt hat, muss eine einheitliche und damit widerspruchsfreie Betrachtungsweise herangezogen werden11. Das Erfordernis des Wegfalls der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG ist nicht erfüllt. Hat die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft inländischen Rechts nach wie vor ihren satzungsmäßigen Sitz im Inland, findet eine Wegzugsbesteuerung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG bei einer isolierten Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland nicht statt12. 2. Abschlussbesteuerung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG Möglicherweise führt die Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland aber dazu, dass die inländische Kapitalgesellschaft mit der Liquidationsbesteuerung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG belastet wird. a) Regelungsbereich des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG Die Vorschrift des § 11 KStG soll sicherstellen, dass die in der Vergangenheit noch nicht versteuerten Gewinne, die so genannten stillen Reserven, 11 Selbst wenn man sich der strikten zivilrechtlichen Sichtweise anschließen würde, bliebe die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft weiterhin nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, vgl. Dinkhoff S. 275 f. Dies gilt aber nur dann, wenn der Verlegungsbeschluss bei Umzug in einen SitztheorieStaat als Auflösungsbeschluss gewertet wird und die Gesellschaft demzufolge als Liquidationsgesellschaft eingeordnet wird, vgl. 3. Teil A. III. 1. a. Die inländische Kapitalgesellschaft würde nicht gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG besteuert. Für die Besteuerung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG ist es auch ohne Bedeutung, ob später die Abwicklung tatsächlich erfolgt. Voraussetzung der Wegzugsbesteuerung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG ist es nämlich, dass die Gesellschaft unmittelbar durch die Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht verliert, vgl. Schlenker, S. 106. Der Tatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG greift daher nicht ein, wenn erst die Abwicklung zum Wegfall der unbeschränkten Steuerpflicht führt. Nach der Ansicht allerdings, die bei Verlegung des Verwaltungssitzes in einen Sitztheorie-Staat von einer zivilrechtlichen Neueinordnung ausgeht, ist keine Einstufung als unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtiges Subjekt mehr möglich, vgl. 3. Teil A. III. 1. b. Die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft inländischen Rechts würde ihre unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht verlieren, weshalb der Besteuerungstatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG eingreifen würde. 12 Der Besteuerungstatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG greift auch dann nicht ein, wenn aufgrund einer DBA-Vorschrift der neue Ort der Geschäftsleitung den Besteuerungszugriff auf das Welteinkommen hat. Gegenteiliger Ansicht ist beispielsweise Sedemund, S. 109. Eine solche Beschränkung der inländischen Besteuerungsmöglichkeiten hat aber aus den bereits genannten Gründen nicht den Verlust der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht zur Folge, vgl. 3. Teil A. III. 1. a.
A. Wegzugsbesteuerung
367
sowie die in der Liquidationsphase erzielten Gewinne bei der Veranlagung für den letzten Zeitraum vor dem Wegfall der subjektiven Steuerpflicht der inländischen Körperschaftsteuer unterliegen13. Der Unterschied zwischen der Abschlussbesteuerung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG und derjenigen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG besteht darin, dass erstere Anwendung findet, wenn das Steuersubjekt bestehen bleibt, aber aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausscheidet, während der zweite Besteuerungstatbestand an den Wegfall des Steuersubjekts anknüpft. Bei der Liquidationsbesteuerung i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG endet die Steuerbarkeit dadurch, dass die Körperschaft untergeht14. Die Abschlussbesteuerung des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG erfasst im Gegensatz zu der Wegzugsbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG nur bestimmte Körperschaftsteuersubjekte15. Die Kapitalgesellschaften i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zählen dazu. Der persönliche Anwendungsbereich ist daher hinsichtlich einer inländischen Kapitalgesellschaft, die ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegt hat, eröffnet. b) Konkurrenzverhältnis zwischen § 11 KStG und § 12 KStG Problematisch ist aber, ob die sachlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG erfüllt sind. Es geht um das Konkurrenzverhältnis zwischen der Wegzugsbesteuerung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG und der Liquidationsbesteuerung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG. In der Literatur ist umstritten, ob im Rahmen der Wegzugsfälle von Kapitalgesellschaften ins Ausland die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG alleinige Rechtsgrundlage für eine Abschlussbesteuerung sein kann oder ob nicht vielmehr die Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG aus Gründen der Spezialität vorrangig vor der Wegzugsbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG Anwendung finden muss. Nach einer Ansicht stellt die Bestimmung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG eine abschließende Regelung für die einzelnen Verlegungskonstellationen, nämlich die Verlegung der Geschäftsleitung und/oder des Satzungssitzes ins Ausland, dar16. Dieser Meinung zufolge wird bei einer Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland die Gesellschaft keiner Schlussbesteuerung unterworfen weder nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG, da die unbeschränkte Körper13 Wacht, in: Ernst & Young, § 11 Rn. 1; Lenz, in: Erle/Sauter, § 11 Rn. 4; Klein, in: H/H/R, § 11 KStG Anm. 5. 14 Lenz, in: Erle/Sauter, § 12 Rn. 8; Klein, in: H/H/R, § 11 KStG Anm. 17. 15 Wacht, in: Ernst & Young, § 11 Rn. 18; Klein, in: H/H/R, § 11 KStG Anm. 11 und § 12 KStG Anm. 10. 16 Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 12 KStG Rn. 25; Lenz, in: Erle/Sauter, § 12 Rn. 19; Haase, IStR 2004, S. 232 f.
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
schaftsteuerpflicht nicht entfällt, noch gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG mangels Eröffnung des Anwendungsbereichs. Begründet wird diese Ansicht unter anderem damit, dass andernfalls für die Wegzugsbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG nur ein sehr eingeschränkter Anwendungsbereich verbliebe, nämlich für die nicht von der Vorschrift des § 11 KStG erfassten Körperschaftsteuersubjekte17. Des Weiteren wird argumentiert, dass es widersinnig sei, wenn bei der Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit das Zivilrecht nicht zugrunde gelegt werde, dieses aber bei der Entscheidung zugunsten der Besteuerung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG, welche sich auf die Auflösung und Abwicklung der Kapitalgesellschaft beziehe, letztendlich dann doch zur Richtschnur gemacht werde18. Gegen die Anwendbarkeit der Liquidationsbesteuerung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG in einem Wegzugsfall wird auch angeführt, dass es typischerweise in der Konsequenz der Vorschrift des § 11 KStG liege, dass der Liquidationserlös an die Gesellschafter ausgekehrt werde. Bei einer Sitzverlegung finde eine solche Auskehrung der Liquidationsraten nicht statt, der Gewinn werde lediglich für Besteuerungszwecke fingiert19. Nach der anderen Ansicht in der Literatur handelt es sich bezüglich der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG um eine subsidiäre Vorschrift zu der Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG20. Dieser Meinung zufolge ist bei einer Sitzverlegung die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG nicht 17 Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 12 KStG Rn. 25; Haase, IStR 2004, S. 232, 233. 18 Haase, IStR 2004, S. 232 f. Zisowski geht zwar von der Subsidiarität des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG im Verhältnis zu § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG aus, verneint aber im Rahmen der Verlegung der Geschäftsleitung die Anwendung der Liquidationsbesteuerung. Lehne man das Gedankengut der Sitztheorie bei der Auslegung der §§ 1, 2 KStG ab, so verbiete sich dieses auch, soweit es um die Auslegung der §§ 11, 12 KStG gehe, vgl. Zisowski, S. 85 f. Im Rahmen der Verlegung des Satzungssitzes, die noch näher dargestellt wird, vgl. 7. Teil A. III., lassen sich nach der Ansicht Zisowskis die zivilrechtlichen Folgen der Sitzverlegung auf den Tatbestand des § 11 KStG übertragen. Der Steuertatbestand des § 11 KStG sei unmittelbar erfüllt, vgl. Zisowski, S. 87 ff. Haase geht demgegenüber davon aus, dass die zivilrechtlichen Vorgaben weder bei der Verlegung der Geschäftsleitung noch bei der Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland eine Rolle für die Entscheidung zwischen der Besteuerung nach § 11 KStG und nach § 12 KStG spielen dürften, vgl. Haase, IStR 2004, S. 232 f. Er kann sich aber im Rahmen der Satzungssitzverlegung nicht auf die Ausführungen Zisowskis berufen, da diesen die zivilrechtlichen Konsequenzen in der Konstellation der Satzungssitzverlegung dazu veranlassen, eine Schlussbesteuerung nach § 11 KStG zu bejahen. 19 Haase, IStR 2004, S. 232, 233. 20 Siehe im Einzelnen Zisowski, S. 85 und 87, der allerdings, wie bereits erwähnt, der Ansicht ist, dass bei einer Verlegung der Geschäftsleitung eine Schlussbesteuerung nach § 11 KStG nicht durchzuführen sei, da die Wertungen des Zivilrechts nicht zugrunde gelegt werden dürften; Schlenker, S. 98 f.; Dinkhoff,
A. Wegzugsbesteuerung
369
alleinige Rechtsgrundlage, vielmehr kann auch der Besteuerungstatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG eingreifen. Sind somit die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG erfüllt, kann nach dieser Ansicht die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft der Liquidationsbesteuerung des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG unterworfen werden. Die dargestellten Ansichten kommen allerdings zu einem identischen Ergebnis, wenn die Erfordernisse des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG bei einer Verlegung der Geschäftsleitung nicht erfüllt sind. Nach der einen Ansicht ist von vornherein der Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG nicht eröffnet, da bei einer Sitzverlegung die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG die einschlägige Rechtsgrundlage ist. Nach der Gegenansicht scheitert die Schlussbesteuerung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG daran, dass seine Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Der persönliche Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG ist für die inländische Kapitalgesellschaft, die ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegt hat, zwar eröffnet. Problematisch ist aber, ob die objektiven Tatbestandsmerkmale des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG gegeben sind. Die Liquidationsbesteuerung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG hat nämlich als Voraussetzung, dass die Körperschaft sowohl aufgelöst als auch abgewickelt wird. Beide Tatbestandsmerkmale müssen kumulativ erfüllt sein21. Es wird im Rahmen der Schlussbesteuerungsvorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG auf gesellschaftsrechtliche Vorgänge, nämlich den Rechtsakt der Auflösung und die tatsächlichen Vorgänge der Abwicklung, abgestellt22. Teilweise wird zwar die Verlegung des Verwaltungssitzes (= Geschäftsleitung) einer inländischen Kapitalgesellschaft ins Ausland als Auflösungsgrund beurteilt23. Dies genügt aber nicht für ein Eingreifen der Liquidationsbesteuerung i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG. Auch wenn von einer Auflösung der Körperschaft in dieser Konstellation des Wegzugs ausgegangen wird, ist des Weiteren die tatsächliche Abwicklung der Gesellschaft erforderlich24. Auf diese Voraussetzung der Abwicklung wird generell nicht verzichtet. Lediglich von Gesetzes wegen ergibt sich nach § 11 Abs. 7 KStG eine Ausnahme für den Fall des Insolvenzverfahrens25. Zwar ist es Deutschland vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH noch gestattet, bei den im S. 274 ff.; Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 19; Debatin, GmbHR 1991, S. 164, 167. 21 Wacht, in: Ernst & Young, § 11 Rn. 23; Lenz, in: Erle/Sauter, § 11 Rn. 6. 22 Klein, in: H/H/R, § 11 KStG Anm. 25; Lenz, in: Erle/Sauter, § 11 Rn. 9. 23 Vgl. 3. Teil A. I. 1. b. und 2. b. 24 Lenz, in: Erle/Sauter, § 11 Rn. 18. 25 Wacht, in: Ernst & Young, § 11 Rn. 23; Graffe, in: Dötsch/Eversberg/Jost/ Pung/Witt, § 11 KStG Rn. 13.
370
7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
Inland gegründeten Gesellschaften die Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung ins Ausland als Auflösungsgrund zu bewerten26. An die Auflösung der weggezogenen Kapitalgesellschaft muss sich aber ihre tatsächliche Abwicklung anschließen. Der zivilrechtliche Vorgang der Abwicklung bedeutet, dass die laufenden Geschäfte beendigt, Forderungen eingezogen, Vermögenswerte in Geld umgesetzt und Gläubiger befriedigt werden. Verbleibt im Anschluss ein Überschuss, das so genannte Liquidationsguthaben, wird dieser – nach Ablauf des Sperrjahres – an die Gesellschafter bzw. Mitglieder verteilt27. Ziel der Abwicklung ist die Beendigung der Tätigkeit der Körperschaft bis zu deren Erlöschen. Neue Geschäfte dürfen insoweit eingegangen werden, sofern sie dem Abwicklungszweck dienen und auch zu diesem Zweck durchgeführt werden28. Im Rahmen der Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland handelt es sich – wenn von einer Auflösung der Kapitalgesellschaft ausgegangen wird, was generell unterschiedlich beurteilt wird und vor allem von dem internationalen Gesellschaftsrecht des Zuzugsstaates abhängig gemacht wird29 – jedoch lediglich um einen fingierten Auflösungsbeschluss30. Eine Auflösung der Gesellschaft mit dem Ziel der Liquidation liegt nicht vor. Die werbende Tätigkeit der Gesellschaft wird nicht eingestellt, vielmehr wird in aller Regel der Geschäftsbetrieb unverändert fortgeführt31. Eine Abwicklung der Gesellschaft wird daher bei einer Sitzverlegung in aller Regel die Ausnahme sein32. Auch die Vertreter der Ansicht, die den Besteuerungstatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG generell für anwendbar halten, machen die Anwendung im Allgemeinen von der tatsächlichen Abwicklung der Gesellschaft abhängig33. Im Ergebnis spielt es somit keine Rolle, ob man im Rahmen eines Wegzugsfalls einer Kapitalgesellschaft im Wegzugsbesteuerungstatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG eine abschließende Regelung sieht oder ob man eine Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG grundsätzlich für möglich hält, da entweder eine Liquidationsbesteuerung 26
Dautzenberg, StuB 2003, S. 405, 407. Wacht, in: Ernst & Young, § 11 Rn. 28; Lenz, in: Erle/Sauter, § 11 Rn. 21; Klein, in: H/H/R, § 11 KStG Anm. 30; Graffe, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/ Witt, § 11 KStG Rn. 13 und 15. 28 Wacht, in: Ernst & Young, § 11 Rn. 28; Lenz, in: Erle/Sauter, § 11 Rn. 22. 29 Vgl. 3. Teil A. I. 1. b. und 2. b. 30 Rohde, S. 326 f., jedoch bezogen auf die Verlegung des Satzungssitzes. 31 Dietrich, S. 38, allerdings für den Fall einer Satzungssitzverlegung. 32 Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 12 KStG Rn. 25; Rohde, S. 326 f. 33 Dinkhoff, S. 275 f.; Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 4. Nach Schlenker, S. 107, ist dagegen eine Schlussbesteuerung nach § 11 KStG durchzuführen. Sie geht ohne weiteres davon aus, dass es im Anschluss an die Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland zur Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft komme. 27
A. Wegzugsbesteuerung
371
nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG von vornherein nicht in Betracht kommt oder dessen Tatbestandsvoraussetzungen mangels Abwicklung der Gesellschaft nicht erfüllt sind. Die Kapitalgesellschaft wird jedenfalls nicht der Schlussbesteuerung des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG unterworfen. Zusammenfassend lässt sich hinsichtlich der Konstellation, dass eine inländische Kapitalgesellschaft unter Beibehaltung ihres deutschen Satzungssitzes ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegt hat, festhalten, dass keine Wegzugs- bzw. Liquidationsbesteuerung stattfindet. Der Besteuerungstatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG ist mangels Ausscheidens der Gesellschaft aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht nicht gegeben. Eine Schlussbesteuerung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG wird ebenfalls nicht durchgeführt. Selbst wenn man in der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG eine Rechtsgrundlage für einen Wegzugsfall sieht, liegt jedenfalls das Erfordernis der Abwicklung der Körperschaft nicht vor.
II. Verlegung der Geschäftsleitung einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft vom Inland ins Ausland Diese Fallkonstellation geht von der Prämisse aus, dass der Satzungssitz der ausländischen Gesellschaft nicht nach Deutschland verlegt worden ist, sondern sich stets im Ausland befunden hat. Lediglich der Ort der Geschäftsleitung wurde ins Inland verlagert. Es stellt sich nun die Frage, welche steuerlichen Folgen eine Rückverlegung des Ortes der Geschäftsleitung ins Ausland hat. 1. Wegzugsbesteuerung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG a) Persönlicher Anwendungsbereich Unter der Anwendung des Rechtstypenvergleichs handelt es sich hinsichtlich der zugezogenen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit einer deutschen Kapitalgesellschaft um eine unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Kapitalgesellschaft gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG34. Eine entsprechende Einstufung erfolgt auch, wenn die strikte zivilrechtliche Auslegung zugrunde gelegt wird und die Grundsätze der Überseering Entscheidung des EuGH35 eingreifen, wonach die Gesellschaft im Inland unter der Voraussetzung, dass der ausländische Wegzugs34 35
Vgl. 2. Teil A. I. 2. EuGH, GmbHR 2002, 1137.
372
7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
staat die Rechtsfähigkeit nicht aberkennt, als eine rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts zu respektieren ist36. Der persönliche Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG ist aber auch dann eröffnet, wenn man den vermittelnden Auffassungen zufolge die zugezogene Gesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 3 Abs. 1 KStG beurteilt37. Verliert die Kapitalgesellschaft aufgrund der Rechtsordnung des Emigrationsstaates die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft, wird sie nach der Rechtsprechung des BFH38 – wenn man der wirtschaftlichen Betrachtung nicht folgt und eine strikte zivilrechtliche Sichtweise ablehnt – als unbeschränkt steuerpflichtiges Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 3 Abs. 1 KStG eingeordnet. Während § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG nur bestimmte Körperschaftsteuersubjekte erfasst und Subjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG vom Anwendungsbereich ausnimmt39, erfasst der Wegzugsbesteuerungstatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG alle unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG40. b) Abgrenzung zu § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG Eine Liquidationsbesteuerung gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG findet bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft, die ihre Geschäftsleitung ins Ausland rückverlegt, nicht statt. Selbst wenn man eine Schlussbesteuerung i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG als eine mögliche Rechtsgrundlage in einer Wegzugskonstellation betrachtet, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG nicht gegeben. Zwar ist die Vorschrift, was ihre Anforderungen an die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit betrifft, anwendbar, wenn man die nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt hat, als unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtiges Subjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG bewertet. Wird der ausländischen Kapitalgesellschaft von ihrem Gründungsstaat infolge der Verlegung des Verwaltungssitzes nach Deutschland die Rechtsfähigkeit aberkannt, gelangt man zu einer solchen ertragsteuerlichen Einordnung aber nur, wenn man der wirtschaftlichen Betrachtungsweise folgt bzw. das gemeinschaftliche Diskriminierungsverbot oder das Verfassungsrecht heranzieht41. 36
Vgl. 2. Teil A. I. 1. b. bb. Vgl. 2. Teil A. I. 2. b. cc. und c. aa., ff. 38 BFH, BStBl. II 1992, 972. 39 Klein, in: H/H/R, § 11 KStG Anm. 20; Wacht, in: Ernst & Young, § 11 Rn. 18; Lenz, in: Erle/Sauter, § 11 Rn. 5. 40 Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 10. 37
A. Wegzugsbesteuerung
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Die Kapitalgesellschaft ist allerdings in Deutschland nach den Grundsätzen der Überseering Entscheidung42 unter der Voraussetzung, dass nach der Rechtsordnung des Wegzugsstaates die Rechtsfähigkeit fortbestehen bleibt, als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts anzuerkennen. In einer solchen Konstellation unterliegt die Gesellschaft weiterhin der ausländischen Rechtsordnung, wie es der EuGH in der Inspire Art Entscheidung43 ausdrücklich bestimmt hat. Das Gesellschaftsstatut der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft richtet sich nach dem ausländischen Gründungsrecht. Dies gilt nicht nur für die Gründungsregeln, auch hinsichtlich der Auflösung der Gesellschaft ist das ausländische Recht anwendbar44. Eine zivilrechtliche Auflösung nach innerstaatlichem Recht, wie es § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG voraussetzt, kann somit mangels Einschlägigkeit der inländischen Rechtsordnung bei einer Rückverlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland nicht eintreten. Auch nach dem ausländischem Recht erfolgt keine Auflösung der Gesellschaft, da in dieser Konstellation der ausländische Gründungsstaat an die Verlegung des Verwaltungssitzes keine negativen zivilrechtlichen Folgen anknüpft. In anderen Varianten, in denen nach dem Recht des ausländischen Wegzugsstaates die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland den Verlust der Rechtsfähigkeit zur Folge hat und für die Gesellschaft unter der Anwendung der Sitztheorie fortan das inländische Recht gilt, fehlt es in der Praxis im Falle einer Rückverlegung an der tatsächlichen Abwicklung der Gesellschaft. Es fehlt zudem bereits an der Auflösung der Gesellschaft durch ihren Wegzug ins Ausland. Durch die Rückverlegung selbst muss es zu einer zivilrechtlichen Auflösung der Kapitalgesellschaft kommen. Dies setzt voraus, dass ein identitätswahrender Zuzug ins Inland möglich ist, was jedoch in dieser Variante zu verneinen ist. Es existiert somit bei einer späteren Rückverlegung keine Kapitalgesellschaft, die infolge der Verlegung des Verwaltungssitzes aufgelöst wird. Folgt man der strengen zivilrechtlichen Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG bzw. ordnet man die Kapitalgesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 3 Abs. 1 KStG ein, ist allerdings schon der persönliche Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG nicht eröffnet, da diese Vorschrift an eine Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG anknüpft. Aus den bereits genannten Gründen ist die zugezogene Gesellschaft aber bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaftsform unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu subsumieren45. Der persönliche Anwen41 42 43 44 45
Vgl. 2. Teil A. I. 2. und 4. Teil A. I. 1. und 2. EuGH, GmbHR 2002, 1137. EuGH, EuZW 2003, 687. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 4 a Rn. 17. Vgl. 2. Teil A. I. 2. c., d. und e. sowie 4. Teil A. I. und II.
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
dungsbereich ist daher zwar eröffnet46, die sachlichen Anwendungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG liegen aber nicht vor. c) Sachlicher Anwendungsbereich Zieht die zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts ins Ausland zurück, indem sie ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegt, scheidet sie aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG wieder aus. Die Gesellschaft hat nach ihrem Wegzug aus Deutschland keinen der alternativen Anknüpfungspunkte nach § 1 Abs. 1 KStG mehr im Inland. Der Satzungssitz war schon immer außerhalb Deutschlands belegen. Der Ort der Geschäftsleitung befindet sich wieder im Ausland. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG sind erfüllt. Die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft verliert infolge der Verlegung ihrer Geschäftsleitung ins Ausland ihre unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht47. Es kann bei dieser Konstellation der Rückverlegung des Ortes der Geschäftsleitung einer ausländischen Kapitalgesellschaft der Fall eintreten, dass eine inländische Betriebsstätte zurückbleibt. Dies hat einen Wechsel von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 KStG zu der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht nach §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 a EStG zur Folge. Auf die Problematik der Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der Vorschrift sowie der gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen wird jedoch erst im Rahmen der gleichzeitigen bzw. nacheinander erfolgenden Verlegung von Satzungssitz und Geschäftsleitung eingegangen48. Betroffen sind hierbei nämlich nicht nur ausländische Kapitalgesellschaften. Vielmehr sind mit dieser Schwierigkeit in der Praxis auch die nach inländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften tangiert.
46 Da die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts wegen ihres ertragsteuerlichen Status i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG vom persönlichen Anwendungsbereich des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG erfasst sind, kommt eine Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 16 EStG nicht in Betracht. Der Rückgriff auf § 16 EStG ist, wenn überhaupt, nur dann möglich, wenn keine Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 11 KStG vorliegen, vgl. Dietrich, S. 75, der sich in einem solchen Fall für die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 16 EStG ausspricht. 47 Schnitger, BB 2004, S. 804, 809; Birk, IStR 2003, S. 469, 471 und 473. 48 Vgl. 7. Teil A. IV.
A. Wegzugsbesteuerung
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2. Gemeinschaftsrechtskonformität der Wegzugsbesteuerung Im Rahmen der Rückverlegung der Geschäftsleitung vom In- ins Ausland einer nach ausländischem Recht errichteten Kapitalgesellschaft stellt sich in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht vor allem eine andere Frage, nämlich ob die Schlussbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG grundsätzlich mit der in Art. 43, 48 EG verankerten Niederlassungsfreiheit vereinbar ist. Eine inländische Kapitalgesellschaft, die unter Beibehaltung ihres satzungsmäßigen Sitzes in Deutschland ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlegt hat, fällt, da sie weiterhin i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist, nicht in den Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG. Demgegenüber wird die ausländische Kapitalgesellschaft, die unter Aufrechterhaltung ihres Satzungssitzes im Ausland ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegt hat, bei einem Wegzug aus Deutschland von der Wegzugsbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG erfasst, da ihre unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht endet. Es ist somit eine Ungleichbehandlung in steuerlicher Hinsicht zwischen inländischen und ausländischen Kapitalgesellschaften für den Fall gegeben, dass alleine die Geschäftsleitung vom Inins Ausland verlegt wird und der satzungsmäßige Sitz der ausländischen Gesellschaft sich zu keiner Zeit im Inland befunden hat. Die zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts kann die Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG nur vermeiden, wenn sie ihre Geschäftsleitung im Inland beibehält. Damit wird sie aber in der Ausübung ihrer Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG beeinträchtigt. Unabhängig davon, ob die Daily Mail Entscheidung49 auch in Bezug auf steuerliche Wegzugsbeschränkungen greift, findet diese jedenfalls hinsichtlich des Wegzugs von Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts keine Anwendung, da es sich hierbei nicht um „Geschöpfe“ des Wegzugsstaates, auf die der EuGH in seinem Daily Mail Urteil abstellt, handelt50. Die steuerliche Ungleichbehandlung zwischen in- und ausländischen Gesellschaften stellt zwar keine offene Diskriminierung der Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG dar, da § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG sowohl inländische als auch ausländische Gesellschaften, die unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind, erfasst51. Nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG kommt eine Besteuerung unter anderem in Betracht, wenn durch die Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht endet. Es wird nicht danach differenziert, ob die 49
EuGH, NJW 1989, 2186. Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 111. 51 Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 7. Vgl. zur Abgrenzung der offenen von der versteckten Diskriminierung 4. Teil A. I. 1. b. 50
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
Gesellschaft nach in- oder ausländischem Recht gegründet wurde. Es ist allerdings eine versteckte Diskriminierung gegeben, wenn ausländische Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegen und später wieder ins Ausland zurückverlegen, im Gegensatz zu inländischen Kapitalgesellschaften, die ebenfalls ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlagern, mit der Wegzugsbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG belastet werden52. Bei der Konstellation der alleinigen Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland führt § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG daher tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis wie eine offene Diskriminierung, da ausschließlich nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften, die zuerst die Geschäftsleitung ins Inland und anschließend wieder ins Ausland verlegen, betroffen sind. Die isolierte Verlegung der Geschäftsleitung einer deutschen Kapitalgesellschaft ins Ausland führt jedenfalls mangels Abwicklung der Gesellschaft auch nicht zu der Liquidationsbesteuerung gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG. Nach anderer Ansicht kommt, wie bereits dargestellt wurde, der Besteuerungstatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG bei einem Wegzugsfall überhaupt nicht als Rechtsgrundlage in Betracht53. Die steuerlichen Konsequenzen des geschilderten Wegzugs sind daher im Ergebnis für inländische und ausländische Kapitalgesellschaften unterschiedlich. Unter dem Aspekt des Verbots mittelbarer Diskriminierungen, das auch im steuerlichen Bereich gilt, ist somit eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit gegeben. Rechtfertigungsgründe greifen nicht ein54. Eine Wegzugsbesteuerung i. S. d. § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG darf folglich aufgrund der Vorgaben des Gemeinschaftsrechts nicht durchgeführt werden. Zwar ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG 52 Meilicke, GmbHR 2003, S. 793, 804; Kleinert/Probst, DB 2004, S. 673, 674; Schnitger, BB 2004, S. 804, 809 f., der in dem Urteil in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant eine Bestätigung dafür sieht, dass die Wegzugsbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG für nach Deutschland zugezogene Kapitalgesellschaften, die nachfolgend wieder ins Ausland zurückziehen, unter dem Einfluss des Gemeinschaftsrechts nicht anwendbar sein könne. In dieser Entscheidung des EuGH ging es allerdings um einen Fall, der das gemeinschaftsrechtliche Beschränkungsverbot betrifft und nicht um ein Diskriminierungsverbot, vgl. EuGH, DB 2004, 686, 687 Rn. 48. Nach Körner, IStR 2004, S. 424, 431, lassen sich die Grundsätze des Daily Mail Urteils nicht auf den Wegzug einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft übertragen. Des Weiteren führt er aus, dass die Niederlassungsfreiheit möglicherweise diesen Gesellschaften ein Wegzugsrecht gewähre. Es wäre dann seiner Ansicht nach zumindest ein Besteuerungsaufschub geboten. Die Niederlassungsfreiheit greift aber nicht nur eventuell, sondern aufgrund des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbotes, das auch im steuerlichen Bereich zu beachten ist, rein tatsächlich gegenüber den Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts ein. 53 Vgl. 7. Teil A. I. 2. b. 54 Vgl. zu den möglichen Rechtfertigungsgründen im Bereich der direkten Steuern 4. Teil A. I. 1. c.
A. Wegzugsbesteuerung
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keine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung möglich. Wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts muss die Vorschrift aber außer Anwendung bleiben55. Für die bereits erhobene Wegzugsbesteuerung besteht ein gemeinschaftsrechtlicher Erstattungsanspruch. Gemeinschaftsrechtswidrig entrichtete Steuern lösen generell einen gemeinschaftsrechtlichen Erstattungsanspruch aus56, weshalb auch eine der Niederlassungsfreiheit widersprechende Besteuerung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG einen solchen Anspruch nach sich zieht. Der gemeinschaftsrechtliche Erstattungsanspruch ist innerstaatlich in Form des Anspruchs aus § 37 Abs. 2 AO realisierbar. Allerdings müssen die Grenzen, die aus den Instituten der Bestandskraft und der Verjährung folgen, für einen Erstattungsanspruch beachtet werden57.
III. (Rück-)Verlegung des Satzungssitzes einer Kapitalgesellschaft ins Ausland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Gründungsstaat Bei dieser praktisch nicht relevanten Wegzugsvariante wird die inländische Kapitalgesellschaft nicht der Wegzugsbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG unterworfen. Es fehlt an der Voraussetzung des Verlustes der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht, wenn die Gesellschaft nach wie vor ihre Geschäftsleitung als einer der beiden alternativen Anknüpfungspunkte i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG in Deutschland hat58. Die Frage, ob die Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes ins Ausland den Wegfall der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht zur Folge hat, richtet sich nach § 1 Abs. 1 KStG, weshalb die Auslegung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG insoweit mit der des § 1 Abs. 1 KStG konform geht59. Die vorzugswürdige wirtschaftliche Betrachtungsweise führt bei einer Verlegung des Satzungssitzes dazu, dass es sich bei der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft weiterhin um ein unbeschränkt steuerpflichtiges Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG handelt60. 55
Vgl. zum Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts 4. Teil A. I. 1. a. Hahn, DStZ 2003, S. 489, 490. 57 Hahn, DStZ 2003, S. 489, 494 ff. 58 Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 16; Rohde, S. 325 f.; Haase, IStR 2004, S. 232. 59 Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 12 KStG Rn. 6. 60 Auch wenn man die Gesellschaft nach der Verlegung des Satzungssitzes als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG einordnet, ist der Wegzugsbesteuerungstatbestand des § 12 Abs. 1 KStG nicht gegeben. Die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht besteht nach wie vor fort, vgl. Rohde, S. 325 f. Bei Zugrundelegung der zivilrechtlichen Sichtweise und Bewertung des Verlegungsbeschlusses als Auflösungsbeschluss entfällt ebenso wenig die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht. Die weggezogene Kapitalgesellschaft ist als Liquidationsgesell56
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
Wird die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG nicht als abschließende Regelung angesehen, wie ein Teil des Schrifttums vertritt, so stellt sich wiederum die Frage nach der Liquidationsbesteuerung gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG. Auch wenn die Satzungssitzverlegung ins Ausland als sachrechtlicher Auflösungsgrund angesehen wird, fehlt es in der Praxis aber an der Voraussetzung der Abwicklung der Gesellschaft. Findet keine tatsächliche Abwicklung statt, hält auch diese Ansicht richtigerweise den Besteuerungstatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG größtenteils für nicht anwendbar61. Nach der Gegenansicht ist auch im Rahmen dieser Wegzugsvariante, der isolierten Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland, der Wegzugsbesteuerungstatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG alleinige Rechtsgrundlage62. Dieser Meinung zufolge ist der Anwendungsbereich der Liquidationsbesteuerung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG von vornherein nicht eröffnet. Verlegt eine inländische Kapitalgesellschaft ihren satzungsmäßigen Sitz ins Ausland und hat sie ihre Geschäftsleitung nach wie vor in Deutschland, wird die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft nicht mit einer Schlussbesteuerung belastet. Es findet weder eine Wegzugsbesteuerung i. S. d. § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG noch eine Liquidationsbesteuerung gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG statt. Tritt der in der Praxis selten vorkommende Fall ein, dass der satzungsmäßige Sitz einer Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts vom Ausland ins Inland verlagert und später wieder ins Ausland zurückverlegt wird, während die Geschäftsleitung sich ausschließlich im Ausland befunden hat, ist der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG eröffnet. Für die vergleichbare Konstellation, dass eine inländische Kapitalgesellschaft ihren Satzungssitz unter Beibehaltung ihrer Geschäftsleitung im Inland ins Ausland verlegt, ist die Wegzugsbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG, wie eben dargestellt, nicht eröffnet. Diese Ungleichbehandlung widerspricht dem gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG63. Wegen des schaft nach wie vor ein Körperschaftsteuersubjekt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, siehe Dinkhoff, S. 275 und 3. Teil B. III. 2. 61 Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 4; Dinkhoff, S. 275; Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 19 FN 160. Nach der Ansicht Schlenkers, die ebenfalls am Erfordernis der Auflösung und der tatsächlichen Abwicklung festhält, kommt es hingegen nach der Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland zur Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft, vgl. Schlenker S. 101 f. Nach den Ausführungen Zisowskis sind bei der Konstellation der Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes ins Ausland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Inland, ohne dass er auf das Erfordernis der Abwicklung eingeht, die Voraussetzungen des Steuertatbestandes aus § 11 KStG unmittelbar erfüllt, vgl. Zisowski, S. 87 ff. 62 Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 12 KStG Rn. 25; Haase, IStR 2004, S. 232 f.
A. Wegzugsbesteuerung
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Vorrangs des Gemeinschaftrechts muss § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG daher außer Anwendung bleiben.
IV. Vollständiger Wegzug der Kapitalgesellschaft ins Ausland In dieser Konstellation wird von der Prämisse ausgegangen, dass weder die Geschäftsleitung noch der Satzungssitz der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft im Inland zurückbleiben. Unter Berücksichtigung der Voraussetzung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG, nämlich das Ausscheiden aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht, und der alternativen Anknüpfung der unbeschränkten Steuerpflicht an die Geschäftsleitung oder den satzungsmäßigen Sitz gem. § 1 Abs. 1 KStG ist der Wegzugsbesteuerungstatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG nur in bestimmten Konstellationen denkbar. Eine Variante ist, dass die Kapitalgesellschaft sowohl ihren Ort der Geschäftsleitung als auch ihren Satzungssitz ins Ausland verlegt. Daneben kommt auch eine Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland in Betracht, wenn sich die Geschäftsleitung bereits im Ausland befindet. Umgekehrt ist auch die Fallgruppe möglich, dass die Geschäftsleitung ins Ausland verlegt wird und sich der statutarische Sitz schon im Ausland befindet64. Das gleiche gilt für eine nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft, die ihren satzungsmäßigen Sitz und ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegt hat und später diese räumlichen Anknüpfungsmerkmale i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG entweder gleichzeitig oder nacheinander ins Ausland zurückverlegt. Der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG wird in diesen Fällen nicht durch die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG verdrängt. Nach einer Ansicht in der Literatur wird zwar die Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG als subsidiäre Norm gegenüber der Vorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG angesehen, so dass bei gleichzeitiger bzw. nacheinander erfolgender Verlegung von Geschäftsleitung und Satzungssitz die Liquidationsbesteuerung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG und nicht die Wegzugsbesteuerung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG eingreift. Dies kann allerdings nur gelten, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG erfüllt sind. In der Praxis fehlt es aber in aller Regel an der tatsächlichen Abwicklung der Gesellschaft, so dass auch diese Ansicht die Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG ablehnen muss65. Nach der Gegenmeinung ist, wie bereits dargelegt, in den Wegzugsfällen die Vorschrift des § 12 63
Vgl. hierzu 4. Teil A. II. 1. und 6. Teil B. II. 1. a. bb. Knobbe-Keuk, § 25 I S. 938; dies., DB 1991, S. 298, 300; Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 16; Haase, IStR 2004, S. 232 f. 64
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
Abs. 1 Satz 1 KStG alleinige Rechtsgrundlage66. Eine Schlussbesteuerung kann daher dieser Ansicht zufolge ausschließlich nach dem Besteuerungstatbestand des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG stattfinden. Die Liquidationsbesteuerung i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG scheidet von vornherein aus. 1. Anwendungsbereich des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG bei Wechsel von der unbeschränkten zur beschränkten Körperschaftsteuerpflicht Die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG sieht eine generelle Wegzugsbesteuerung im Falle des Wegfalls der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht vor. Sie unterscheidet nicht danach, ob die stillen Reserven tatsächlich der deutschen Besteuerung infolge des Wegzugs der Kapitalgesellschaft zu entgehen drohen67. Gesetzt den häufig vorkommenden Fall, dass im Wegzugsstaat Deutschland bei einer Verlegung von Geschäftsleitung und Satzungssitz ins Ausland eine Betriebsstätte zurückbleibt, ist ein Wechsel von der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zur beschränkten Steuerpflicht nach §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 a EStG eingetreten68. Das steuerliche Zugriffsrecht Deutschlands ist hinsichtlich der im Inland verbleibenden Vermögensteile gewährleistet, das Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft bleibt im Rahmen der inländischen Betriebsstätte steuerverhaftet69. Handelt es sich um eine Betriebsstätte im DBA-rechtlichen Sinne und folgt das bilaterale Abkommen dem Musterabkommen, unterliegen die damit verbundenen stillen Reserven dem Besteuerungszugriff Deutschlands gem. Art. 7, 13 Abs. 2 OECD-MA70. 65 In diesem Sinne Wacht, in: Ernst & Young, § 12 Rn. 26; Dinkhoff, S. 276 f.; Hügel, ZGR 1999, S. 71, 97 f. Schlenker geht dagegen in den einzelnen denkbaren Konstellationen, in denen auch die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG erfüllt sind, davon aus, dass infolge der von ihr angenommenen Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft die subsidiäre Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG hinter den jeweils einschlägigen Besteuerungstatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG zurücktrete, vgl. Schlenker, S. 103 und 107 f. Nach der Ansicht Zisowskis richtet sich die durchzuführende Schlussbesteuerung im Fall der gleichzeitigen Verlegung von Geschäftsleitung und Satzungssitz sowie in der Konstellation, dass der Satzungssitz bei bereits im Ausland befindlicher Geschäftsleitung ins Ausland verlegt wird, nach § 11 KStG, vgl. Zisowski, S. 90. 66 Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 12 KStG Rn. 25; Haase, IStR 2004, S. 232 f. 67 Schulz/Petersen, DStR 2002, S. 1508, 1514. 68 Wacht, in Ernst & Young, § 12 Rn. 31; Rohde, S. 328. 69 Knobbe-Keuk, § 25 I S. 938; Jacobs, S. 242 f. 70 Bauschatz, KÖSDI 2004, S. 14150, 14158.
A. Wegzugsbesteuerung
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a) Teleologische Reduktion des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG Orientiert man sich streng am Wortlaut des Wegzugsbesteuerungstatbestandes des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG, der nur an einen Verlust der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht anknüpft, hat das Verbleiben einer Betriebsstätte in Deutschland keine Auswirkungen. Es findet eine Besteuerung der stillen Reserven im Zeitpunkt der Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht statt71. Eine solche Wortlautauslegung wird sowohl von der Finanzverwaltung72 als auch von einem Teil der Literatur vorgenommen73. Vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der Wegzugsbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG ist jedoch der Gegenansicht74 zu folgen, welche eine teleologische Reduktion der Vorschrift für den Fall vertritt, dass der inländische Besteuerungszugriff durch den Wegzug der Kapitalgesellschaft nicht gefährdet ist. Regelungsgrund des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG ist, die Besteuerung der stillen Reserven zum letztmöglichen Zeitpunkt zu gewährleisten. Das in der inländischen Betriebsstätte verbleibende Vermögen unterliegt weiterhin der Besteuerung durch den deutschen Fiskus. Der steuerliche Zugriff hinsichtlich der inländischen Betriebsstätte erfolgt entweder im Rahmen der Besteuerung der gewerblichen Einkünfte gem. §§ 15, 49 Abs. 1 Nr. 2 a EStG oder spätestens im Rahmen der Schlussbesteuerung i. S. d. § 12 Abs. 2 KStG75. Soweit also die stillen Reserven des Betriebsvermögens aufgrund der beschränkten Steuerpflicht der deutschen Betriebsstätte steuerverhaftet sind, muss der Anwendungsbereich des Wegzugsbesteuerungstatbestandes des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG im Wege der teleologischen Reduktion eingeschränkt werden. Dieser Lösungsweg stimmt im übrigen mit den Wertungen der Fusionsrichtlinie überein76. Zudem kann für diese Auslegung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG die gesetzliche Entstehungsgeschichte herangezogen werden. Die Regelung des § 15 Satz 3 KStG 1922 unterwarf die stillen Reserven, welche in dem in Deutschland 71
Zisowski, S. 93. Vgl. die Ausführungen bei Knobbe-Keuk, § 25 I S. 938; Wacht, in: Ernst & Young, § 12 Rn. 31. 73 Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 12 KStG Rn. 21; Dinkhoff, S. 278 f.; Schlenker, S. 103 f.; Haase, IStR 2004, S. 232, 233; Debatin, GmbHR 1991, S. 164, 167 f.; vgl. auch Thiel, GmbHR 1994, S. 277, 278, der allerdings die Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG im Hinblick auf das Körperschaftsteueranrechnungsverfahren favorisiert. 74 Knobbe-Keuk, § 25 I S. 937; dies., DB 1991, S. 298, 300; Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 111 und 114; Rohde, S. 327 ff.; Zisowski, S. 94 ff.; Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 17; Wacht, in: Ernst & Young, § 12 Rn. 31 f.; Schulz/Petersen, DStR 2002, S. 1508, 1514; Hügel, ZGR 1999, S. 71, 98 ff. 75 Wacht, in: Ernst & Young, § 12 Rn. 31. 76 Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 17; Rohde, S. 328. 72
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
verbliebenen Vermögen steckten, nicht der Besteuerung77. Der Abschlussbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG ist somit der ungeschriebene Gedanke bzw. das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal immanent, dass sie nur insoweit eingreift, als der inländische Besteuerungszugriff nicht gewährleistet ist. Für den Fall, dass die stillen Reserven im Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte bestehen bleiben, hat somit keine Wegzugsbesteuerung stattzufinden78. Als Methode wird einerseits vorgeschlagen, die im Inland verbleibenden Vermögensteile von der Besteuerung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG auszunehmen79. Andererseits wird dafür plädiert, die weiterhin steuerverstrickten Wirtschaftsgüter bei der Ermittlung des Verlegungs-Endvermögens nicht mit dem gemeinen Wert, sondern nur mit dem bis zum Verlegungszeitpunkt fortgeschriebenen Buchwert einzubeziehen80. Eine solche einschränkende Auslegung der Wegzugsbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG sollte auch angesichts der Einführung der seit Herbst 2004 verfügbaren Europäischen Aktiengesellschaft (SE)81 erfolgen. Es han77
Siehe hierzu im Einzelnen Zisowski, S. 94 f.; Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 17; Hügel, ZGR 1999, S. 71, 98 f. 78 Wacht, in Ernst & Young, § 12 Rn. 32; Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 17. 79 Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 17. 80 Knobbe-Keuk, § 25 I S. 938; dies., StuW 1990, S. 372, 379; dies., DB 1991, S. 298, 300; Rohde, S. 329. 81 Die Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates, ABl. EG 2001 L 294, 1, wurde nach jahrzehntelangen Bemühungen am 08.10.2001 verabschiedet und ist am 08.10.2004 in Kraft getreten. Das Statut eröffnet Gesellschaften, die in mehreren Mitgliedstaaten geschäftlich aktiv sind, die Möglichkeit, sich für eine Unternehmensverfassung nach dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden und damit insoweit innereuropäisch ihre Aktivitäten mit einer einheitlichen Geschäftsführung und einem einheitlichen Berichtssystem auszuüben. Die Gründung von Tochterunternehmen, welche der jeweiligen nationalen Rechtsordnung unterliegen, wird dann überflüssig, vgl. Montag/von Bonin, NJW 2003, S. 2712, 2715 f. Die Verordnung sieht ein gesetzliches Mindestkapital von 120.000,00 Euro vor, vgl. ABl. EG 2001, L 294, 1, 4. Ebenfalls am 08.10.2001 hat der Rat hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer einer SE die Richtlinie 2001/86/EG des Rates, ABl. EG 2001 L 294, 22, erlassen. Problematisch erscheint, dass keine einheitliche SE-Struktur existiert. Es gibt vielmehr eine SE nach deutschem Recht, nach französischem Recht etc. Zudem bietet die Verordnung zwingend die Wahl zwischen dem monistischen und dem dualistischen System an, selbst wenn die nationale Rechtsordnung ein solches Wahlrecht nicht gewährt. Schwierigkeiten bereitet auch die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, die primär im Rahmen einer Verhandlungslösung stattfinden soll. Ansonsten gilt eine innerstaatliche gesetzliche Auffangregelung, die sich nach dem höchsten bisherigen Mitbestimmungsstandard richtet, vgl. Bayer, BB 2004, S. 1, 5. Die Europäische Aktiengesellschaft gilt gem. Art. 3 Abs. 1 SE-VO als AG ihres Sitzstaates. Sie kann somit
A. Wegzugsbesteuerung
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delt sich hierbei um eine europarechtlich begründete, jedoch auf nationales Zivilrecht angewiesene und deshalb rechtlich komplexe Gesellschaftsform. An dieser besteht nunmehr durch die vom EuGH initiierte Entwicklung des Gemeinschaftsrechts, nämlich der Ermöglichung des identitätswahrenden Zuzugs in Form der Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat, ein geringeres Interesse82. Die Europäische Aktiengesellschaft ist bei einer Sitzverlegung von Deutschland ins EU-Ausland von der Schlussbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG betroffen. Die Anwendung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG ist nicht durch die SE-VO ausgeschlossen oder beschränkt. Zur Besteuerung der Europäischen Aktiengesellschaft enthält die SE-VO nämlich keine eigenen Bestimmungen, sondern verweist diesbezüglich in Art. 9 Abs. 1 c) ii)83 auf das jeweilige nationale Steuerrecht des Sitzstaates der SE84. Auch tritt der in § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG vorausgesetzte Verlust der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ein, da die Europäische Aktiengesellschaft nach Art. 7 SE-VO ihre Hauptverwaltung und damit ihre Geschäftsleitung nicht ohne ihren Satzungssitz verlegen kann85. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG ist auch bei der SE unter dem Gesichtspunkt des Sinns und Zwecks der Wegzugsbesteuerung erforderlich86. Des Weiteren kann für die berichtigende Auslegung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG der Regelungsgrund der SE angeführt werden. Mit der Schaffung der Europäischen Aktiengesellschaft streben die Mitgliedstaaten ausdrücklich das Ziel an, bestehenden Unternehmen die Möglichkeit zu eröffnen, ihr Wirtschaftspotenzial durch Konzentrations- und Fusionsmaßnahmen zusammenzufassen, gemeinschaftsweit Produktionsfaktoren zu reorganisieren und damit unter Verwirklichung des Binnenmarktes die wirtschaftliche und soziale Situation in der gesamten Gemeinschaft zu verbessern87. Erforderlich diesbezüglich ist die Schaffung eines einheitlichen rechtlichen ein Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG sein, vgl. Sauter, in: Erle/Sauter, § 1 Rn. 18; Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 Rn. 79. 82 Müller-Graff, ZHR 168 (2004), S. 1, 3. 83 ABl. EG 2001 L 294, 1, 6. 84 Lenz, in: Erle/Sauter, § 12 Rn. 19 b; Wacht, in: Ernst & Young, § 12 Rn. 32.3; Rödder, S. 1, 15; Endres, RIW 2004, S. 735, 738; Schulz/Petersen, DStR 2002, S. 1508, 1509. 85 Wacht, in: Ernst & Young, § 12 Rn. 32.2; Rödder, S. 1, 14; Thömmes, S. 17, 28 ff.; Endres, RIW 2004, S. 735, 738; Schön/Schindler, IStR 2004, S. 571, 573; Herzig/Griemla, StuW 2002, S. 55, 75. 86 Wacht, in: Ernst & Young, § 12 Rn. 32.2 ff.; Förster/Lange, RIW 2002, S. 585, 587 und 590. 87 ABl. EG 2001 L 294, 1; vgl. Wacht, in: Ernst & Young, § 12 Rn. 32.3.
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Rahmens für die Unternehmen der Mitgliedstaaten sowie die Einführung einer Gesellschaftsform, für welche die Möglichkeit einer freien Sitzverlegung in andere Mitgliedstaaten besteht88. Der Umzug der SE wird aber durch die Abschlussbesteuerung erschwert bzw. unmöglich gemacht. Die EU-Kommission will diese steuerlichen Barrieren beseitigen. Vorgeschlagen wurden von der Kommission Änderungen der Fusionsrichtlinie, um eine steuerneutrale Sitzverlegung der SE zu ermöglichen89. Der Wegzug soll also steuerneutral erfolgen, allerdings entsprechend den Grundsätzen der Fusionsrichtlinie nur insoweit, wie die Besteuerungsgrundlagen der Mitgliedstaaten sichergestellt sind90. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat diesen Vorschlag zur Änderung der Fusionsrichtlinie am 17.10.200391 vorgelegt. Dieser Entwurf enthält Regeln zur Vermeidung der aus dem jeweiligen nationalen Recht resultierenden steuerlichen Nachteile bei der Sitzverlegung einer SE92. Der persönliche Anwendungsbereich der Fusionsrichtlinie soll unter anderem durch die Aufnahme der SE erweitert werden. In sachlicher Hinsicht plant die Kommission unter anderem die Einbeziehung der Sitzverlegung der SE. Nach dem Vorschlag der Kommission wird der SE ein Steueraufschub für das Vermögen gewährt, das nach der Sitzverlegung einer Betriebsstätte in dem Mitgliedstaat zugerechnet werden kann, in dem sie vor ihrem Umzug steuerlich ansässig war93. Bei Aufrechterhaltung einer Betriebsstätte im Wegzugsstaat entsprechen somit vom Ergebnis her die geplanten Änderungen der Fusionsrichtlinie der einschränkenden Auslegung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG. b) Gemeinschaftsrechtskonformität der teleologischen Reduktion Dieses Lösungskonzept, bei einem durch den Wegzug ausgelösten Wechsel von der unbeschränkten zur beschränkten Körperschaftsteuerpflicht auf eine sofortige Besteuerung zu verzichten, ist auch im Hinblick auf die durch Art. 43, 48 EG garantierte Niederlassungsfreiheit vorzugswürdig94. 88
ABl. EG 2001 L 294, 1 und 3; vgl. Wacht, in: Ernst & Young, § 12 Rn. 32.3. Schnitger, BB 2004, S. 804, 809. 90 Herzig/Griemla, StuW 2002, S. 55, 75. 91 Der Richtlinienvorschlag ist abrufbar unter http://www.gmbhr.de/volltext.htm. 92 Haritz/Wisniewski, GmbHR 2004, S. 28 und 33 f. 93 Schön/Schindler, IStR 2004, S. 571, 573 f.; Thömmes, S. 17, 29 f. 94 Knobbe-Keuk, § 25 I S. 939; dies., StuW 1990, S. 372, 379; dies., DB 1991, S. 298, 300; Hügel, ZGR 1999, S. 71, 100; Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 111; Zisowski, S. 95 f.; Jacobs, S. 242 f. und 1143 f.; Rohde, S. 328 f.; Lenz, in: Erle/ Sauter, § 12 Rn. 19 a; Stapperfend, FR 2003, S. 165, 173. 89
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Wie bereits ausgeführt wurde, kann sich eine nach innerstaatlichem Recht gegründete Kapitalgesellschaft gegenüber ihrem Gründungsstaat zwar nicht auf das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot berufen, der Heimatstaat hat aber bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt die Niederlassungsfreiheit in Form eines gemeinschaftsrechtlichen Beschränkungsverbots zu beachten. Auch für eine nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft gilt das europarechtliche Beschränkungsverbot95. Problematisch ist allerdings, ob bei den verschiedenen in Betracht kommenden Konstellationen, in denen § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG eingreift, jeweils der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit einschlägig ist. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob das Niederlassungsrecht gem. Art. 43, 48 EG auch für die gleichzeitige Verlegung der Geschäftsleitung und des satzungsmäßigen Sitzes gilt96. Insoweit muss die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung des EuGH abgewartet werden, um endgültig Klarheit zu erlangen. In der Konstellation, dass der Satzungssitz bereits ins Ausland verlegt wurde und anschließend die Geschäftsleitung ins Ausland verlagert wird, ist das Recht auf freie Niederlassung dagegen einschlägig. In Bezug auf die später erfolgende Verlegung der Geschäftsleitung greift nämlich die Niederlassungsfreiheit hinsichtlich steuerlicher Wegzugsbeschränkungen ein97. Die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft in- oder ausländischen Rechts wird durch die aus der Wegzugsbesteuerung resultierenden finanziellen Belastungen in ihrer Niederlassungsfreiheit beschränkt98. Die Besteuerung der stillen Reserven macht den Wegzug ins EU-Ausland als Niederlassungsvorgang für die in- bzw. ausländischen Kapitalgesellschaften im Sinne der Rechtsprechung des EuGH99 weniger attraktiv bzw. hindert diese an der Grenzüberschreitung. Der steuerliche Zugriff auf die stillen Reserven erfolgt nämlich früher als bei einer Verlegung des Satzungssitzes und der Geschäftsleitung innerhalb Deutschlands. Die Folgen sind Liquiditätseinbußen infolge des Wegzugs aus Deutschland sowie negative Zins- und Zinzeszinseffekte, die zu einem größeren Barwert der Steuerlast führen100. Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ist nur dann zulässig und damit gerechtfertigt, wenn sie zwingenden Gründen des Gemeinwohls entspricht, sie geeignet ist, das mit ihr angestrebte Ziel zu 95
Vgl. zum Beschränkungsverbot 4. Teil. B. I. 1. a. Vgl. 2. Teil C. III., allerdings bezogen auf den Zuzug einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland. 97 Vgl. hinsichtlich der Eröffnung des Anwendungsbereichs bei einer Verlegung der Geschäftsleitung die Ausführungen im 4. Teil A. I. 1. a. 98 Hügel, ZGR 1999, S. 71, 100; Förster/Lange, RIW 2002, S. 585, 587, allerdings bezogen auf den Wegzug einer Europäischen Aktiengesellschaft. 99 EuGH, EuZW 1996, 92, 95 Rn. 37; EuGH, EuZW 2001, 282, 284 Rn. 26. 100 Dorenkamp, S. 240. 96
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erreichen und nicht über das zur Erreichung des Ziels Erforderliche hinausgeht101. Unabhängig davon, ob im Hinblick auf die fiskalischen Interessen des jeweiligen Mitgliedstaates ein die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigendes Allgemeininteresse gegeben ist, ist dieser Eingriff in die Niederlassungsfreiheit jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn die stillen Reserven weiterhin in der inländischen Betriebsstätte steuerverhaftet sind102. In diesem Fall ist die Wegzugsbesteuerung gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG nicht erforderlich, um die Interessen Deutschlands im Hinblick auf die Besteuerung der unter deutscher Steuerhoheit erwirtschafteten stillen Reserven sicherzustellen103. Vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Ziels der Wegzugsbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG, die im Inland gebildeten stillen Reserven sicherzustellen, sollte aus Klarstellungsgründen die gesetzliche Regelung dahingehend abgeändert werden, dass nur bei einer tatsächlichen Gefährdung der deutschen Besteuerungsgrundlage die Besteuerung infolge des Wegzugs der Kapitalgesellschaft eingreift. Dies ist, wie ausgeführt wurde, nicht der Fall, wenn nach der Verlegung der Geschäftsleitung und des Satzungssitzes die stillen Reserven im Rahmen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht gem. §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 a EStG steuerverhaftet bleiben. 2. Gemeinschaftsrechtskonformität der steuerlichen Wegzugsbeschränkungen Es stellt sich die Frage, ob mit einer solchen entsprechenden Auslegung bzw. Änderung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen bereits erfüllt sind. a) Urteil des EuGH in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant vom 11.03.2004104 Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant vom 11.03.2004105, die den Wegzug natürlicher Personen zum Gegenstand 101 EuGH, EuZW 1996, 92, 95 Rn. 37; EuGH, EuZW 1997, 443, 444 Rn. 26; EuGH, EuZW 2001, 282, 284 Rn. 26. 102 Kellersmann/Treisch, S. 197; Knobbe-Keuk, § 25 I S. 939; dies., StuW 1990, S. 372, 379; dies., DB 1991, S. 298, 300; Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 17; Wassermeyer, GmbHR 2004, S. 613, 615 f.; Saß, IWB Fach 11 Gruppe 2 2000, S. 409, 413 und 416. 103 Dietrich, S. 235 f.; Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 111. 104 EuGH, DB 2004, 686.
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hat, hat auch Auswirkungen auf den Wegzug von nach inländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften ins EU-Ausland. Es scheint zwar, dass der EuGH aufgrund seiner Aussagen in den Entscheidungen Überseering106 und Inspire Art107 seine Rechtsprechung zu Daily Mail108 aufrechterhält und damit zwischen dem Zuzugs- und Wegzugsfall differenziert109. Die Entscheidung Lasteyrie du Saillant betrifft den Wegzug natürlicher Personen. Eine Erstreckung des Entscheidungsergebnisses, nämlich der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der sofortigen Besteuerung bei Wegzug der natürlichen Person110, auf den Wegzug von Kapitalgesellschaften ist, wie bereits ausgeführt wurde, aufgrund der in Art. 48 EG normierten Gleichstellung möglich111. In der Rechtssache Daily Mail hatte der EuGH auf den Einwand der Klägerin, sie dürfe als Gesellschaft keinen Wegzugsbeschränkungen unterliegen, denen natürliche Personen ebenfalls nicht ausgesetzt seien, geäußert, dass juristische Personen im Gegensatz zu natürlichen Personen eben nur Produkte ihrer Rechtsordnung seien112. Der EuGH führte in dieser Entscheidung weiterhin aus, die Niederlassungsfreiheit gewähre den Gesellschaften nationalen Rechts kein Recht, den Sitz ihrer Geschäftsleitung unter Bewahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaften des Mitgliedstaates ihrer Gründung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen113. Zwar lag der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Daily Mail eine steuerrechtliche Fragestellung zugrunde, auf diese ging der Gerichtshof aber nicht ein, sondern löste den Fall auf gesellschaftsrechtlicher Ebene. Eine Entscheidung zugunsten der Wegzugsbesteuerung ist Daily Mail somit nicht114. Die Aussagen des Gerichtshofs in der Rechtssache Daily Mail beschränken sich darauf, dass der identitätswahrende Wegzug von Kapitalgesellschaften gemeinschaftsrechtlich nicht von der Niederlassungsfreiheit umfasst ist. Hinsichtlich der Zulässigkeit steuerlicher Wegzugsbeschränkungen bei einem nicht identitätswahrenden Wegzug juristischer Personen ist dagegen bislang keine Entscheidung des EuGH ergangen. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant hat daher wegen der in Art. 48 EG ge105
EuGH, DB 2004, 686. EuGH, GmbHR 2002, 1137, 1142 f. Rn. 61 ff. 107 EuGH, EuZW 2003, 687, 693 Rn. 102 f. 108 EuGH, NJW 1989, 2186. 109 Vgl. 3. Teil A. I. 2. a. dd. 110 Siehe hierzu im Einzelnen den Aufsatz von Schnitger, BB 2004, S. 804 ff. 111 Vgl. 3. Teil A. I. 2. a. dd. 112 EuGH, NJW 1989, 2186, 2187; vgl. auch Triebel/von Hase, BB 2003, S. 2409, 2410. 113 EuGH, NJW 1989, 2186, 2188. 114 Engert, DStR 2004, S. 664, 667 f. 106
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
troffenen Gleichstellung auch Auswirkungen auf die Besteuerung des Wegzugs von Kapitalgesellschaften115. Eine unterschiedliche steuerliche Behandlung ins Ausland wegziehender Kapitalgesellschaften inländischen Rechts und im Inland verbleibender Gesellschaften, die ihren Sitz und/oder Geschäftsleitung nur innerhalb Deutschlands verlegen, muss daher vor dem Hintergrund der gemeinschaftsrechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG vermieden werden. Ansonsten liegt ein Verstoß gegen das gemeinschaftliche Beschränkungsverbot vor116. Dieses haben die Mitgliedstaaten auch gegenüber den nach innerstaatlichem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften zu beachten117. Hinsichtlich der wegziehenden Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts gilt dieses gemeinschaftsrechtliche Beschränkungsverbot ebenfalls. Allerdings ist die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit insofern problematisch, als es sich um die gleichzeitige Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes und der Geschäftsleitung handelt. Wird demgegenüber zuerst der Satzungssitz und anschließend die Geschäftsleitung allein ins Ausland verlegt, muss die Niederlassungsfreiheit in Bezug auf steuerliche Wegzugsbeschränkungen berücksichtigt werden118. Ein Rechtfertigungsgrund für die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit greift nicht ein119.
115 Kleinert/Probst, DB 2004, S. 673, 674 f.; dies., NJW 2004, S. 2425, 2426 f.; Campos Nave, NZG 2004, S. 897, 898. Auch nach Endres, RIW 2004, S. 735, 738, spricht einiges dafür, die Grundprinzipien des Urteils des EuGH in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant, nämlich das Verbot der Besteuerung latenter Wertsteigerungen, auf § 12 KStG und damit auf Kapitalgesellschaften zu übertragen. Anderer Ansicht ist Körner, IStR 2004, S. 424, 430. Schön, IStR 2004, S. 289, 297 vertritt die Ansicht, dass steuerliche Wegzugshindernisse, unabhängig von der EuGH-Rechtsprechung, am Maßstab der Niederlassungsfreiheit zu überprüfen seien. 116 Siehe zur Begründung 7. Teil A. IV. 1. b. Anderer Ansicht ist z. B. Stapperfend, FR 2003, S. 165, 172 f. 117 Vgl. 4. Teil B. I. 1. a. 118 Vgl. 7. Teil A. IV. 1. b. 119 Ein tauglicher Rechtfertigungsgrund kommt, wenn man den vom EuGH in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant entschiedenen Fall hinsichtlich der Wegzugsbesteuerung natürlicher Personen berücksichtigt, nicht in Betracht. Zwar kann die Vermeidung der Steuerflucht von Unternehmen die Niederlassungsfreiheit einschränken, vgl. Rohde, S. 328 f., jedoch bedarf es hierfür konkreter Hinweise, eine typisierende Missbrauchsvermutung genügt nicht zur Rechtfertigung der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, siehe im Einzelnen auch zu weiteren, nicht eingreifenden Rechtfertigungsgründen das Urteil des EuGH vom 11.03.2004, DB 2004, 686, 687 f. Rn. 49 ff. sowie den Aufsatz von Schnitger, BB 2004, S. 804, 805 f.
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b) Lösungskonzepte aa) Besteuerungsaufschub bis zu späterer Gewinnrealisierung Angesichts des Umstandes, dass die Wegzugsbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG zumindest bei einer nach der Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes erfolgenden Verlegung der Geschäftsleitung gegen die Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG verstößt, muss nach einer mit dem Gemeinschaftsrecht konformen Lösungsmöglichkeit für die Besteuerung der unter deutscher Steuerhoheit gebildeten stillen Reserven gesucht werden. Diese dem Gemeinschaftsrecht entsprechende Lösung bezüglich der Besteuerung der stillen Reserven einer wegziehenden Kapitalgesellschaft kann auch auf die Konstellation übertragen werden, dass eine Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts zunächst ihre Geschäftsleitung ins Inland verlagert und anschließend wieder ins Ausland zurückverlegt. Der Satzungssitz befindet sich in dieser Konstellation demgegenüber ausschließlich im Ausland. Die Wegzugsbesteuerung gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG verstößt in diesem Fall, wie bereits dargestellt wurde, gegen die Niederlassungsfreiheit. Es greift das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot in steuerlicher Hinsicht ein120. Wird die Besteuerung der im Inland aufgebauten stillen Reserven bis zu einer späteren Gewinnrealisierung aufgeschoben121, wird unter Umständen eine Gleichbehandlung zwischen den im Inland verbleibenden und den wegziehenden Gesellschaften erreicht. Ein Lösungsweg könnte folglich darin bestehen, die stillen Reserven erst zum Zeitpunkt ihrer Realisation und nicht bereits zum Zeitpunkt des Wegzugs der Kapitalgesellschaft der Besteuerung zu unterwerfen122. Mit einem solchen Ansatz kommt das so genannte Neutralitätsprinzip zur Anwendung. Danach soll auch nach der Sitzverlegung der Wegzugsstaat die Steuerhoheit über die Gesellschaft behalten, die stillen Reserven sollen jedoch nicht schon zum Zeitpunkt des Wegzugs, sondern erst zum Zeitpunkt der tatsächlichen Realisierung zur Bemessung herangezogen werden123. 120 Vgl. 7. Teil A. II. 2. Ebenso ist eine gemeinschaftsrechtskonforme Lösung in Bezug auf die Besteuerung stiller Reserven notwendig, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft isoliert ihren Satzungssitz ins Inland verlegt und später wieder ins Ausland zurückverlegt, vgl. hierzu 7. Teil A. III. 121 Vgl. zu diesem Gedanken auch Engert, DStR 2004, S. 664, 668; ders., in: Eidenmüller, § 8 Rn. 5. 122 Diesen Lösungsweg der aufgeschobenen Besteuerung deutet auch Haase, IStR 2004, S. 232, 236, an; vgl. auch Haarmann, BB Heft 24/2004, I, und Schön, IStR 2004, S. 289, 296 f. 123 Jaeger, S. 194 f.
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
Ein generelles gemeinschaftsrechtliches Verbot der Besteuerung der unter deutscher Steuerhoheit gebildeten stillen Reserven ist aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant124 und deren Übertragung auf die Wegzugsbesteuerung von Kapitalgesellschaften nicht gegeben125. An der Besteuerung der im deutschen Hoheitsgebiet entstandenen stillen Reserven besteht ein anerkennenswertes Interesse126. Schließlich wurden die stillen Reserven auch vom Wegzugsstaat Deutschland finanziert, weshalb er nicht auf die Besteuerung dieser vor dem Wegzug unter seiner Steuerhoheit erwirtschafteten stillen Reserven verzichten muss127. Die Methode der sofortigen Besteuerung der stillen Reserven bei Wegzug der Kapitalgesellschaft ist jedoch nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Bei einer entsprechenden gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung können jedoch die in Deutschland bis zum Wegzug erwirtschafteten stillen Reserven vom deutschen Fiskus besteuert werden. Da die Versagung des Besteuerungsaufschubs bis zur tatsächlichen Realisation der Gewinne bei einem Wegzug der Gesellschaft ins EU-Ausland in bestimmten Fällen gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt128, kann nur eine Methode Anwendung finden, durch welche die im Inland verbleibenden und die ins EUAusland wegziehenden Kapitalgesellschaften gleich behandelt werden. Wenn an beide Konstellationen gleichermaßen das Realisierungsprinzip anknüpfen würde und auch ansonsten eine gleiche steuerliche Behandlung gegeben wäre, würde die Besteuerung der stillen Reserven dem gemeinschaftsrechtlichen Beschränkungsverbot standhalten129. Dies hat zur Folge, dass nur auf die tatsächlich realisierten stillen Reserven und nicht auf die zum Entstrickungszeitpunkt, d.h. dem Zeitpunkt, zu dem die Kapitalgesellschaft ins Ausland wegzieht, festgestellten stillen Reserven steuerlich zugegriffen werden darf130. Diesen Vorgaben entsprechend müssen innerstaatliche Steuergesetze eingeführt werden, nach denen die im Inland bis zum Wegzug der Kapitalgesellschaft gebildeten stillen Reserven bei späterer 124
EuGH, DB 2004, 686. Schnitger, BB 2004, S. 804, 809. 126 Jaeger, S. 195; Knobbe-Keuk, StuW 1990, S. 372, 379; Saß, IWB Fach 11 Gruppe 2 2000, S. 409, 413. 127 J. Hey, StuW 2004, S. 193, 2000. 128 In der Entscheidung in der Rechtssache der schwedischen Staatsangehörigen X und Y gegen die schwedische Steuerverwaltung vom 21.11.2002, IStR 2003, 23, beurteilte der EuGH ebenfalls die Versagung der Vergünstigung eines Steueraufschubs bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt als nicht gemeinschaftsrechtskonform. 129 Vgl. Rödder, DStR 2004, S. 1629, 1633; Schnitger, BB 2004, S. 804, 813. 130 Vgl. Rödder, DStR 2004, S. 1629, 1633; Schnitger, BB 2004, S. 804, 813. 125
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Realisation dem deutschen Besteuerungszugriff unterliegen. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem inländischen Steuersystem müssen die bis dahin erwirtschafteten stillen Reserven dann festgestellt werden, wobei es sich aber lediglich um die später maximal festsetzbare und nicht um die tatsächliche Steuer handeln kann131. Die für die nationale Finanzverwaltung nötigen Informationen über eine spätere Realisation im EU-Ausland kann diese sich beschaffen. Zwar ist der deutschen Finanzverwaltung angesichts des völkerrechtlich anerkannten Territorialitätsprinzips, wonach kein Staat außerhalb seiner Staatsgrenzen auf fremden Gebiet hoheitsrechtliche Befugnisse wahrnehmen darf, die Ermittlung steuerlicher Sachverhalte im Ausland im Grundsatz verwehrt132. Bei Auslandssachverhalten ergeben sich allerdings für denn Steuerpflichtigen erhöhte Mitwirkungspflichten. Nach § 90 Abs. 2 Satz 1 AO muss er den auslandsbezogenen Sachverhalt selber aufklären und die erforderlichen Beweise beschaffen. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann dies zur Schätzung der Besteuerungsgrundlage gem. § 162 Abs. 2 Satz 1 AO führen. Nach § 162 Abs. 2 Satz 1 AO ist insbesondere zu schätzen, wenn unter anderem die Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt wird133. Jedoch gilt auch im Rahmen von Auslandssachverhalten der Untersuchungsgrundsatz des § 88 AO. Den Steuerpflichtigen trifft lediglich eine gesteigerte Mitwirkungspflicht. Falls aber die aufzuklärenden Tatsachen allein in der Verantwortungssphäre des Steuerpflichtigen liegen, trägt dieser die Feststellungslast134. Da die dem Steuerpflichtigen auferlegten besonderen Mitwirkungspflichten nicht ausreichend sind, um eine richtige und gleichmäßige Besteuerung sicherzustellen, hilft der Finanzverwaltung bei diesem Lösungsansatz das Instrument der internationalen Steuerauskunft135. Hinsichtlich der Schwierigkeiten bei der Ermittlung, ob im Zuzugsstaat die stillen Reserven realisiert worden sind, steht dem Wegzugsstaat Deutschland innerhalb Europas die EG-Amtshilferichtlinie vom 19.12.1977136 zur Verfügung. Diese EGRichtlinie stellt nach der EuGH-Rechtsprechung ein probates Hilfsmittel zur grenzüberschreitenden Sachverhaltsermittlung dar137. Sie wurde durch 131 Dies entspricht dem Lösungsvorschlag von Schnitger, BB 2004, S. 804, 813, zur Ausgestaltung der Wegzugsbesteuerung natürlicher Personen. 132 Farnschläder, in: Maßbaum/Meyer-Scharenberg/Perlet, S. 163. 133 Fraglich ist, ob die gesteigerte Mitwirkungspflicht und die an eine Verletzung derselben anknüpfende Rechtsfolge dem Gemeinschaftsrecht standhält, vgl. hierzu Carlé, KÖSDI 2003, S. 13583, 13588. 134 Farnschläder, in: Maßbaum/Meyer-Scharenberg/Perlet, S. 164 f. 135 Farnschläder, in: Maßbaum/Meyer-Scharenberg/Perlet, S. 1045. 136 ABl. EG 1977 L 336, 15.
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
das EG-Amtshilfegesetz vom 19.12.1985 in deutsches Recht umgesetzt138. Rechtsgrundlagen des internationalen steuerlichen Auskunftsverkehrs sind daneben völkerrechtliche Vereinbarungen in Form von Doppelbesteuerungsabkommen bzw. besonderen Amts- und Rechtshilfeabkommen auf steuerlichem Gebiet sowie die nationale Regelung des § 117 AO139. Zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft soll die EGAmtshilferichtlinie einheitliche Rahmenbedingungen für den Auskunftsverkehr schaffen, weshalb sie nach der Rechtsauffassung der Kommission nach dem Grundsatz der Vorrangigkeit des Gemeinschaftsrechts die Auskunftsklauseln der Doppelbesteuerungsklauseln überlagert. Allerdings bleiben nach Art. 11 der Richtlinie weitergehende Verpflichtungen zum Auskunftsaustausch nach anderen Rechtsvorschriften von den Vorschriften der Richtlinie unberührt140. Des Weiteren hilft der Finanzverwaltung im Rahmen der grenzüberschreitenden Beitreibung von Steuerschulden entweder die EG-Beitreibungsrichtlinie vom 19.03.1976141 oder der Abschluss bilateraler Abkommen mit anderen Mitgliedstaaten142. Durch die Richtlinie 2001/44/EG des Rates vom 15.06.2001 wurde der Anwendungsbereich der Beitreibungsrichtlinie auf den Bereich der direkten Steuern ausgedehnt143. Die Umsetzung der Richtlinie erfolgte durch das EG-Beitreibungsgesetz vom 10.08.1979144. Der zeitlich aufgeschobene Besteuerungszugriff bis zur tatsächlichen Realisierung der stillen Reserven stellt somit eine mit der Niederlassungsfreiheit vereinbare Lösungsmöglichkeit dar. Die unter deutscher Steuerhoheit gebildeten stillen Reserven sind zum Zeitpunkt des Wegzugs der Kapitalgesellschaft zu erfassen, bei späterer Realisierung der stillen Reserven können diese festgestellten stillen Reserven dann der Besteuerung unterworfen werden, wobei allerdings eine Begrenzung auf den tatsächlich anfallenden Gewinn zu erfolgen hat. Zudem muss sichergestellt werden, dass der Zuzugsstaat in entsprechendem Umfang der bei Wegzug der Gesellschaft 137 EuGH, EuZW 1995, 703, 704 Rn. 26; EuGH, EuZW 1995, 177, 179 Rn. 45; EuGH, EuZW 1997, 443, 445 Rn. 41; vgl. dazu Müller-Etienne, S. 83; Jacobs, S. 206. 138 Farnschläder, in: Maßbaum/Meyer-Scharenverg/Perlet, S. 1049; Maßbaum, in: Maßbaum/Meyer-Scharenberg/Perlet, S. 1080. 139 Farnschläder, in: Maßbaum/Meyer-Scharenberg/Perlet, S. 1045 ff. 140 Farnschläder, in: Maßbaum/Meyer-Scharenberg/Perlet, S. 1049. 141 ABl. EG 1976, L 73, 18. 142 Schnitger, BB 2004, S. 804, 813; vgl. auch Haarmann, BB Heft 24/2004, I. 143 ABl. EG 2001 L 175, 17; vgl. dazu Engert, in: Eidenmüller, § 8 Rn. 13. 144 BStBl. I 1981, 564; vgl. zu diesem Gesetz die ausführliche Darstellung bei Maßbaum, in: Maßbaum/Meyer/Scharenberg/Perlet, S. 1107 ff.; siehe zur Neufassung des EG-Beitreibungsgesetzes vom 03.05.2003 BGBl. I 2003, 654.
A. Wegzugsbesteuerung
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festgestellten stillen Reserven auf eine Besteuerung verzichtet145. Im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Zuzugsstaat muss daher die steuerliche Zugriffsmöglichkeit hinsichtlich der stillen Reserven derart unter den Vertragsstaaten geregelt werden, dass der Immigrationsstaat nur die nach dem Wegzug entstandenen stillen Reserven besteuern darf. bb) Beseitigung der Wegzugsbeschränkung auf der Ebene der Doppelbesteuerungsabkommen Das Mobilitätshindernis durch die Wegzugsbesteuerung der stillen Reserven könnte aber auch auf andere Weise beseitigt werden. Der Europäische Gerichtshof hat sich in der Rechtssache der schwedischen Staatsangehörigen X und Y gegen die schwedische Steuerverwaltung vom 21.11.2002 dahingehend geäußert, dass die Wechselbeziehung zwischen dem Gewinnsteueraufschub und der endgültigen Gewinnbesteuerung im Falle eines Doppelbesteuerungsabkommens nicht mehr beim individuellen Steuerpflichtigen, sondern auf der Ebene der Gegenseitigkeit der in den Vertragsstaaten anwendbaren Vorschriften hergestellt werden solle146. Der Ausgleich von Vor- und Nachteilen durch die Abgrenzung des Besteuerungszugriffs soll demnach statisch erfolgen. Jeder Vertragspartner eines Doppelbesteuerungsabkommens muss selbst das Risiko eines Wegzugs auf sich nehmen, wie auch die andere Vertragspartei das gleiche Risiko tragen muss. Diese Aussagen des Gerichtshofs können dahingehend verstanden werden, dass er nicht mehr in jedem Fall die stillen Reserven dem Staat zuweisen will, unter dessen Steuerhoheit sie entstanden sind147. Eine weitere Möglichkeit der gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung der Besteuerung stiller Reserven besteht somit auch darin, dass für den Wegzug einer Kapitalgesellschaft überhaupt keine Regelung bezüglich des steuerlichen Zugriffs der unter deutscher Steuerhoheit gebildeten stillen Reserven auf nationaler Ebene getroffen wird. Im Rahmen der Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Zuzugsstaat kann dann entweder eine Regelung dahingehend vereinbart werden, dass jeweils der Zuzugsstaat den ausschließlichen Besteuerungszugriff hinsichtlich der stillen Reserven bei deren Realisierung hat oder es wird eine Aufteilung des Besteuerungsaufkommens entsprechend der im jeweiligen Vertragsstaat erwirtschafteten stillen Reserven festgelegt. Die zuerst genannte Alternative ist mit einem grö145 J. Hey, StuW 2004, S. 193, 200; Rödder, DStR 2004, S. 1629, 1633; Kessler, S. 119, 132. 146 EuGH, IStR 2003, 23, 26 f. Rn. 53 ff. 147 Vgl. dazu Engert, DStR 2004, S. 664, 668, mit Verweis auf das EuGH-Urteil vom 21.11.2002.
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
ßeren Risiko für den deutschen Fiskus behaftet. Je nachdem, ob Deutschland Zuzugsstaat oder Wegzugsstaat ist, kann der deutsche Fiskus die gesamten bis zur Realisierung gebildeten stillen Reserven besteuern oder er muss auf eine Besteuerung gänzlich verzichten. Vorzugswürdig ist daher die Vereinbarung einer Aufteilung des Besteuerungsvolumens, da dann die unter deutscher Steuerhoheit erwirtschafteten stillen Reserven auch in jedem Fall der deutschen Besteuerung unterliegen. Diese Methode zur gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung der Besteuerung stiller Reserven einer weggezogenen Kapitalgesellschaft entspricht dann vom Ergebnis her dem zuerst aufgezeigten Lösungsweg. Bei diesem zuvor dargestellten Lösungsansatz ist ebenfalls eine Regelung im Wege von Doppelbesteuerungsabkommen in der Art notwendig, dass der Zuzugsstaat nur die in seinem Hoheitsgebiet entstandenen stillen Reserven besteuern darf. Allerdings beinhaltet diese Lösungsmöglichkeit zusätzlich eine nationale Vorschrift, wonach die unter deutscher Steuerhoheit gebildeten stillen Reserven zum Zeitpunkt des Wegzugs festgestellt werden. Dieser Methode ist der Vorzug zu geben, da hierdurch bei Wegzug der Kapitalgesellschaft die bereits entstandenen stillen Reserven erfasst werden. Eine solche Feststellung der stillen Reserven und der anschließend bis zur Realisierung gewährte Besteuerungsaufschub hat den Vorteil, dass sich keine Ermittlungsschwierigkeiten ergeben, wenn erst Jahre später nach dem Wegzug die stillen Reserven realisiert werden. Im Ergebnis kann somit festgehalten werden, dass die im Wegzugsstaat Deutschland erwirtschafteten stillen Reserven besteuert werden dürfen. Gemeinschaftsrechtswidrig ist nur die in § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG geregelte sofortige Wegzugsbesteuerung der stillen Reserven. Bis zur tatsächlichen Realisierung der stillen Reserven ist der Besteuerungszugriff zeitlich aufzuschieben, die unter deutscher Steuerhoheit entstandenen stillen Reserven sind zum Zeitpunkt des Wegzugs der Kapitalgesellschaft zu erfassen. Der nationale Steuergesetzgeber muss die Wegzugsbesteuerung in diesem Sinne gemeinschaftsrechtskonform ausgestalten. Zwar kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, wie der EuGH bei einer entsprechenden Vorlagefrage betreffend die Wegzugsbesteuerung von Kapitalgesellschaften entscheiden wird148. Der Gesichtspunkt der in Art. 48 Abs. 1 EG normierten Gleichstellung einerseits und die Tatsache anderer148 Nach Wachter, GmbHR Heft 8/2004, R 161, R 162, spricht viel dafür, dass der Gerichtshof nach der Entscheidung in der Rechtssache Lasteyrie du Saillant nationale Regelungen, die den Wegzug einer mitgliedstaatlichen Gesellschaft ins EUAusland generell verhindern würden, inzwischen als sachlich nicht gerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit beurteilen würde. Gleiches gelte für steuerrechtliche Bestimmungen, welche den Wegzug in einen anderen Mitgliedstaat erschwerten.
A. Wegzugsbesteuerung
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seits, dass der Gerichtshof als „Motor der Integration“ die Grundfreiheiten generell weit auslegt, lassen es als nahe liegend erscheinen, dass er die derzeitige Wegzugsbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG in bestimmten Fällen149 als gemeinschaftsrechtswidrig beurteilen wird. Da die Wegzugsbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG aber den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen in bestimmten Konstellationen nicht genügt, muss diese, unabhängig von einer etwaigen Entscheidung des EuGH, entsprechend geändert werden. Die EU-Mitgliedstaaten und damit auch Deutschland sollten ihre Steuergesetze gemeinschaftsrechtskonform ausgestalten und nicht eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwarten. Den nationalen Gesetzgeber trifft nämlich angesichts des Art. 10 EG eine europarechtliche Optimierungspflicht150.
V. Steuerliche Folgen des Wegzugs einer Kapitalgesellschaft auf der Ebene des Anteilseigners Auch für die Anteilseigner können die verschiedenen Wegzugsvarianten einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft ertragsteuerliche Konsequenzen nach sich ziehen. 1. Veräußerungsersatztatbestand des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG Im Mittelpunkt steht dabei die Vorschrift des § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG, welche den Anwendungsbereich des § 17 Abs. 1 EStG, der die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften betrifft, erweitert151. Die Regelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG enthält drei Veräußerungsersatztatbestände152. Im Rahmen des Wegzugs von Kapitalgesellschaften stellt sich die Frage, ob der in § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG geregelte Tatbestand der Auflösung der Kapitalgesellschaft erfüllt wird mit der Folge, dass der Gewinn, den der Anteilseigner bei der Auflösung der Gesellschaft erzielt, steuerlich dem Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft gleichgestellt wird153. Diese Gleichstellung kann damit gerechtfertigt werden, dass bei einer Auflösung die in den Anteilen enthaltenen stillen Reserven in gleicher Weise wie bei einer Veräußerung realisiert werden154. 149
Vgl. 7. Teil A. IV. 2. b. aa. J. Hey, StuW 2004, S. 193, 198 und 208. 151 Ebling, in: Blümich, § 17 EStG Rn. 245. 152 Jäschke, in: Lademann/Söffing/Brockhoff, § 17 Anm. 290. 153 Dötsch/Pung, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 17 EStG Rn. 202; Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 17 Rn. E 10. 150
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
Es findet eine entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 1–3 EStG statt. Dies bedeutet unter anderem, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 1 EStG vorliegen müssen mit Ausnahme des Tatbestandsmerkmals der Veräußerung, das durch das Merkmal der Auflösung ersetzt wird155. Auflösungsgewinn i. S. d. § 17 Abs. 4 i. V. m. Abs. 2 EStG ist der Betrag, um den – vorbehaltlich des § 17 Abs. 4 Satz 3 EStG – der gemeine Wert des dem Anteilseigner zugeteilten bzw. zurückgezahlten Vermögens, der gem. § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG als Veräußerungspreis anzusetzen ist, die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Anteilseigner persönlich getragenen Kosten sowie seine Anschaffungskosten, einschließlich der nachträglichen Anschaffungskosten, übersteigt156. Nach dem Halbeinkünfteverfahren157 sind gem. §§ 3 Nr. 40 c Satz 2, 3 c Abs. 2 EStG jeweils nur die Hälfte der betreffenden Beträge anzusetzen158. Die Entstehung eines Auflösungsgewinns(-verlusts) ist vom Tatbestandsmerkmal der Auflösung der Kapitalgesellschaft abhängig. Unter Auflösung i. S. d. § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG ist die zivilrechtliche Auflösung zu verstehen159. Voraussetzung für das Eingreifen des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG ist somit, dass ein zivilrechtlicher Auflösungsgrund gegeben ist. Wie bereits ausführlich dargestellt wurde, besteht Uneinigkeit darüber, wie die jeweiligen Verlegungsbeschlüsse, wobei es sich um die Verlegung des Satzungssitzes und/oder des Verwaltungssitzes vom Inland ins Ausland handeln kann, zu bewerten sind. Zum Teil werden die Verlegungsbeschlüsse jeweils als ein Auflösungsbeschluss der Gesellschaft beurteilt160. 154 Dötsch/Pung, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 17 EStG Rn. 202; Hörger, in: Littmann/Bitz/Pust, § 17 Rn. 330; Zimmermann/Schwier, in: Bordewin/ Brandt, § 17 Rn. 237. 155 Dötsch/Pung, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 17 EStG Rn. 214; Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 17 Rn. E 1 und E 60; Eilers/R. Schmidt, in: H/H/R, § 17 EStG Anm. 265; Zimmermann/Schwier, in: Bordewein/ Brandt, § 17 Rn. 236. 156 Jäschke, in: Lademann/Söffing/Brockhoff, § 17 Anm. 301; Eilers/R. Schmidt, in: H/H/R § 17 EStG Anm. 266. 157 Zur erstmaligen Anwendbarkeit des Halbeinkünfteverfahrens auf Auflösungsgewinne i. S. d. § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG siehe Dötsch/Pung, in: Dötsch/ Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 17 EStG Rn. 214 a ff. 158 Jäschke, in: Lademann/Söffing/Brockhoff, § 17 Anm. 301; Ebling, in: Blümich, § 17 EStG Rn. 255; Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 17 Rn. E 65. 159 Elbing, in: Blümich, § 17 EStG Rn. 247; Jäschke, in: Lademann/Söffing/ Brockhoff, § 17 Anm. 292; Zimmermann/Schwier, in: Bordewin/Brandt, § 17 Rn. 242; vgl aus der Rechtsprechung BFH, BFH/NV 1990, 361, 362; BFH, BFH/ NV 1994, 364, 365; BFH, BStBl. II 1994, 162, 163. 160 Vgl. 3. Teil A. I. 1. b. und 2. b. sowie B. I. und 6. Teil C. III. 1.
A. Wegzugsbesteuerung
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Unter dieser Prämisse, dass hinsichtlich der einzelnen in Betracht kommenden Sitzverlegungsfälle jeweils von einem Auflösungsbeschluss der Kapitalgesellschaft ausgegangen wird, soll für die Anteilseigner die steuerliche Folge in Bezug auf § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG untersucht werden. Dabei wird zwischen im Inland ansässigen und im Ausland ansässigen Anteilseignern unterschieden. Zunächst werden die verschiedenen Wegzugsvarianten einer inländischen Kapitalgesellschaft betrachtet. 2. Wegzug deutscher Kapitalgesellschaften Für eine nach deutschem Recht gegründete Kapitalgesellschaft bestehen verschiedene Konstellationen des Wegzugs. Sie kann entweder ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz oder beide Sitze ins Ausland verlegen. Wird für diese Verlegungsfälle nach innerstaatlichem Sachrecht jeweils eine Auflösung der Kapitalgesellschaft fingiert, so ist nach dem Wortlaut § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG, der auf eine Auflösung der Kapitalgesellschaft abstellt, dieser Veräußerungsersatztatbestand gegeben161. a) Unterscheidung unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner Für unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG, d.h. natürliche Personen, die im Inland ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, tritt die Rechtsfolge der Auflösungsbesteuerung nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG ein. Im Ausland ansässige Anteilseigner sind beschränkt einkommensteuerpflichtig gem. §§ 1 Abs. 4, 49 Abs. 1 Nr. 2 e i. V. m. § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG, wenn es sich um Anteile an einer Kapitalgesellschaft handelt, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland hat. Die Rechtsfolge des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG, der über § 49 Abs. 1 Nr. 2 e EStG auch für beschränkt Steuerpflichtige gilt162, tritt ein, wenn der Verlegungsbeschluss als Auflösungsbeschluss beurteilt wird163. Beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner werden aber nur 161 Dötsch/Pung, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 17 EStG Rn. 207; Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 17 Rn. E 56; Eilers/R. Schmidt, in: H/H/R, § 17 EStG Anm. 287 f.; Jäschke, in: Lademann/Söffing/Brockhoff, § 17 Anm. 292; Strahl, in: Korn/Carlé/Stahl/Strahl, § 17 Rn. 113; Zimmermann/ Schwier, in: Bordewin/Brandt, § 17 Rn. 243; Birk, IStR 2003, S. 469, 471. Im Falle des Wegzugs einer SE aus Deutschland, welcher in Form der gleichzeitigen Verlegung von Verwaltungs- und Satzungssitz gerade ohne Auflösung der SE möglich ist, ist der Realisierungstatbestand des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG mangels Vorliegens seines Tatbestandsmerkmals allerdings nicht gegeben, vgl. Förster/Lange, RIW 2002, S. 585, 588.
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
dann der nationalen Auflösungsbesteuerung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG unterworfen, wenn der steuerliche Zugriff Deutschlands nicht durch ein DBA ausgeschlossen ist164. Zwar muss nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 e EStG die Kapitalgesellschaft ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland haben. Im Falle der Auflösung der Kapitalgesellschaft i. S. d. § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG durch Sitzverlegung ins Ausland muss allerdings auf den Zeitpunkt vor dem Wegzug ins Ausland abgestellt werden. Vor der Verlegung des Satzungs- und/oder Verwaltungssitzes ins Ausland muss die Kapitalgesellschaft alternativ über einen Anknüpfungspunkt im Inland verfügt haben. b) Einflüsse des Gemeinschaftsrechts auf § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG Welche Einflüsse das Gemeinschaftsrecht im Wegzugfall hat, ist, wie bereits ausführlich dargestellt wurde, umstritten und noch nicht abschließend geklärt. Insbesondere die Konstellation der alleinigen Satzungssitzverlegung und die Variante der gleichzeitigen Verlegung von Verwaltungs- und Satzungssitz sind in Bezug auf die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit problematisch165. Was die isolierte Verlegung des Verwaltungssitzes einer inländischen Kapitalgesellschaft ins Ausland anbelangt, so scheint der EuGH zwischen dem Wegzugsfall und dem Zuzugsfall zu differenzieren. Die vom Gerichtshof in der Rechtssache Überseering und Inspire Art getroffenen Entscheidungen betreffen jeweils einen Zuzugsfall, nämlich die Verlegung des Verwaltungssitzes vom Aus- ins Inland166. Eine Ansicht des Schrifttums unterscheidet dementsprechend zwischen dem Wegzugs- und dem Zuzugsfall167. Wird im Rahmen der Verlegung des Verwaltungssitzes vom In- ins Ausland ein Auflösungszwang der Kapitalgesellschaft vertreten, so hat dies nach einer Ansicht die Anwendbarkeit des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG zur Folge168. 162 Im Rahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 e EStG wird global auf § 17 EStG und damit auch auf die Regelung des § 17 Abs. 4 EStG verwiesen, vgl. Widmann, in: Widmann/Mayer, Anhang 7 Rn. 29. 163 Birk, IStR 2003, S. 469, 473, jedoch bezogen auf den Fall einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz von Deutschland ins Ausland rückverlegt. 164 Förster/Lange, RIW 2002, S. 585, 588. 165 Vgl. hinsichtlich der Satzungssitzverlegung einer inländischen Kapitalgesellschaft ins Ausland 3. Teil B. II. und bezüglich der gleichzeitigen Verlegung des Verwaltungs- und des Satzungssitzes 2. Teil C. III, allerdings bezogen auf den Zuzug einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland. 166 Vgl. 3. Teil A. I. 2. a. dd. 167 Vgl. 3. Teil A. I. 2. a. aa. 168 Birk, IStR 2003, S. 469, 471 und 473.
A. Wegzugsbesteuerung
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Eine andere Ansicht sieht es demgegenüber als fraglich an, ob aufgrund der bisher ergangenen Entscheidungen des EuGH bei einer Sitzverlegung der Kapitalgesellschaft ins Ausland weiterhin von der Auflösung der Gesellschaft mit der Folge der Anwendbarkeit des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG ausgegangen werden kann169. Vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wollen Eilers und R. Schmidt die Frage der Auflösung der Kapitalgesellschaft i. S. d. § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG nicht mehr von zivilrechtlichen Vorgaben, die aus der Verlegung des Verwaltungssitzes resultierten, abhängig machen. Entscheidungsgrundlage für die Frage der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz von Deutschland ins Ausland verlegt habe, sei vielmehr ein einheitlich anzuwendender Typenvergleich. Ausschlaggebend soll ihrer Ansicht nach sein, ob die nach der Sitzverlegung existente Rechtsform ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Struktur nach der bisherigen Kapitalgesellschaftsform entspreche. Sei dies der Fall, müsse die Anwendung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG ausscheiden170. Dieser Ansatz zur Vermeidung der Besteuerung gem. § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG ist jedoch verfehlt. Der Rechtstypenvergleich ist zwar zur Bestimmung der Körperschaftsteuersubjektfähigkeit heranzuziehen, nicht aber zur Vermeidung der Besteuerung des Auflösungsgewinns nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG. Dieser Tatbestand knüpft an zivilrechtliche Auflösungsgründe an. Dogmatisch korrekt kann das gewünschte Ergebnis, die Auflösungsbesteuerung nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG zu verhindern, nur dadurch umgesetzt werden, dass man an die Sitzverlegung nicht die Folge der Auflösung der Kapitalgesellschaft knüpft. Zwar scheint der EuGH gegenwärtig noch zwischen dem Zuzug und dem Wegzug einer Kapitalgesellschaft zu differenzieren171. Unabhängig von der Rechtsprechung des EuGH fällt jedoch auch die Verlegung des Verwaltungssitzes einer Kapitalgesellschaft vom In- ins Ausland unter den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit172, weshalb die sachrechtliche Folge der Auflösung der Gesellschaft gemeinschaftsrechtwidrig ist. Zudem ist in rechtspolitischer Hinsicht eine Unterscheidung zwischen dem Zuzugs- und dem Wegzugsfall nicht sinnvoll, da ansonsten die wegziehenden Kapitalgesellschaften, in deren Gründungsstaat die Sitztheorie gilt, im Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen benachteiligt werden173. Da also auch bei 169
Dötsch/Pung, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 17 EStG Rn. 207 mit einer Darstellung des Streitstandes. 170 Eilers/R. Schmidt, in: H/H/R, § 17 EStG Anm. 288. 171 Vgl. 3. Teil A. I. 2. a. dd. 172 Vgl. zur Begründung 3. Teil A. I. 2. b. 173 Vgl. 3. Teil A. I. 3. a.
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
einer Verlegung des Verwaltungssitzes einer inländischen Kapitalgesellschaft ins Ausland ein Umzug ohne Auflösung der Gesellschaft ermöglicht werden muss, kann der Veräußerungsersatztatbestand des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG mangels Auflösung nicht anwendbar sein. Im Hinblick auf die gleichzeitige Verlegung von Verwaltungs- und Satzungssitz schafft eventuell die geplante 14. Sitzverlegungsrichtlinie Abhilfe. Nach dem Entwurf ist eine solche Verlegung unter Wechsel des Gesellschaftsstatuts ohne Auflösung und Neugründung möglich174. Der Besteuerungstatbestand des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG greift dann nicht ein. Bei einer isolierten Verlegung des Satzungssitzes greift demgegenüber das Gemeinschaftsrecht nicht ein175. Wird hier entsprechend der Rechtsprechung und einem Großteil der Literatur zufolge von einer Auflösung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft inländischen Rechts ausgegangen176, so führt dies zur Anwendbarkeit des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG. c) Folgen für das Leistungsfähigkeitsprinzip Ungeachtet der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben muss vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks der Vorschrift des § 17 Abs. 4 EStG, die Besteuerung der in den Anteilen angesammelten stillen Reserven sicherzustellen, der Anwendungsbereich der Vorschrift des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG eingeschränkt werden. Dies gebietet auch das Prinzip der Leistungsfähigkeit. Wenn trotz Unternehmensfortführung und Nichtgefährdung der deutschen Besteuerungsgrundlagen eine Besteuerung i. S. d. § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG im Zeitpunkt der Sitzverlegung der Gesellschaft durchgeführt wird, liegt eine Ertragsbesteuerung aus rein formalem Anlass ohne tatsächliche Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vor177. Das Leistungsfähigkeitsprinzip kann als Begründung für die Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 17 Abs. 4 EStG herangezogen werden. Diesem und auch anderen normierten Ersatzrealisierungstatbeständen liegt immer ein bestimmter Regelungszweck zugrunde. Wird in bestimmten Situationen das von diesen Tatbeständen angestrebte gesetzgeberische Ziel nicht ver174
Vgl. 3. Teil B. II. Vgl. 3. Teil B. II. 176 Vgl. 3. Teil B. I. 177 Eilers/R. Schmidt, in: H/H/R, § 17 EStG Anm. 288. Anderer Ansicht ist Birk, IStR 2003, S. 469, 471, der diese Begründung als ein nicht zwingendes rechtsdogmatisches Argument betrachtet. Das Steuerrecht enthalte mehrere Tatbestände, die eine Aufdeckung stiller Reserven ohne entsprechenden Zahlungsfluss vorsähen. Die Liquidationsbesteuerung ließe sich nur verhindern, wenn die gesellschaftsrechtliche Folge im Körperschaftsteuerrecht nicht übernommen würde. 175
A. Wegzugsbesteuerung
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wirklicht, besteht auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Leistungsfähigkeit kein Grund, die jeweilige Vorschrift anzuwenden. Der deutsche Besteuerungszugriff hinsichtlich der Anteile an der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft ist im Hinblick auf im Inland ansässige Anteilseigner bei einer späteren Realisation in Form der Veräußerung der Anteile gewährleistet, da die mit den Mitgliedstaaten der EU abgeschlossenen deutschen Doppelbesteuerungsabkommen dem OECD-MA folgen, welches in Art. 13 Abs. 5 die Besteuerungsgrundlage dem Staat zuweist, in dem der Veräußerer ansässig ist178. Nach dem Wegzug der Kapitalgesellschaft inländischen Rechts ins Ausland ist somit § 17 Abs. 1 EStG im Falle einer späteren Veräußerung der Anteile weiterhin anwendbar. Die sofortige Besteuerung der Anteilseigner i. S. d. § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG im Zeitpunkt des Wegzugs der Kapitalgesellschaft ist daher jedenfalls nicht verhältnismäßig, da die deutsche Besteuerungsgrundlage weiterhin gesichert ist. Auch in Bezug auf im Ausland ansässige Anteilseigner bleibt der Besteuerungszugriff Deutschlands gem. §§ 1 Abs. 4, 49 Abs. 1 Nr. 2 e i. V. m. § 17 Abs. 1 EStG bei einer nach der Sitzverlegung der Kapitalgesellschaft erfolgenden Veräußerung der Anteile erhalten, wenn die Kapitalgesellschaft lediglich ihren Verwaltungssitz oder ihren Satzungssitz ins Ausland verlegt und damit einer der alternativen Anknüpfungspunkte im Inland zurückbleibt. Auch wenn durch ein DBA, das dem Art. 13 Abs. 5 OECD-MA folgt, die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen dem Ansässigkeitsstaat obliegt und damit die §§ 1 Abs. 4, 49 Abs. 1 Nr. 2 e i. V. m. § 17 Abs. 1 EStG nicht eingreifen, ist ein Besteuerungszugriff zum Zeitpunkt der Sitzverlegung der Kapitalgesellschaft ins Ausland nicht gerechtfertigt. Durch den Abschluss eines solchen Doppelbesteuerungsabkommens verzichtet Deutschland auf einen steuerlichen Zugriff zum Zeitpunkt der Veräußerung der Anteile an der Kapitalgesellschaft. Es hat also die Situation, dass zu einem späteren Zeitpunkt als demjenigen des Wegzugs der Kapitalgesellschaft ins Ausland das Besteuerungssubstrat verloren geht, selbst geschaf178 Förster/Lange, RIW 2002, S. 585, 588. Wie bereits dargestellt wurde, handelt es sich bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG um eine gesetzliche Begriffsbestimmung der Kapitalgesellschaft, vgl. 5. Teil B. II. Eine Einordnung unter diese Vorschrift führt somit dazu, dass auch der persönliche Anwendungsbereich des § 17 EStG eröffnet ist, der auf Kapitalgesellschaften abstellt. Nach der hier vertretenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise werden nach inländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften, die nur einen der alternativen Anknüpfungspunkte ins Ausland verlegen, unter Zugrundelegung des Typenvergleichs weiterhin als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingestuft. Werden die Anteile an einer solchen Kapitalgesellschaft später veräußert, ist § 17 Abs. 1 EStG – soweit auch die übrigen Voraussetzungen der Norm erfüllt sind – anwendbar.
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
fen. Dies kann aber nicht zu einer Rechtfertigung des Besteuerungszugriffs i. S. d. § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG zum Zeitpunkt der Sitzverlegung der Gesellschaft führen. Die bloß fingierte Auflösung der Kapitalgesellschaft führt nicht zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit des Anteilseigners. d) Eintritt des Besteuerungszeitpunktes Unabhängig von der sich als notwendig erweisenden Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG im Rahmen des Wegzugs inländischer Kapitalgesellschaften stellt sich bei einer Unternehmensfortführung nach der Verlegung des Satzungs- und/oder Verwaltungssitzes ins Ausland zudem die Frage, ob in diesen Fällen überhaupt der Besteuerungszeitpunkt eintritt. Wie bereits dargestellt, findet grundsätzlich keine an die fingierte Auflösung sich anschließende Abwicklung der Gesellschaft statt179. Der Zeitpunkt der zivilrechtlichen Auflösung der Kapitalgesellschaft deckt sich nicht mit dem einkommensteuerlichen Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsgewinns. Die zivilrechtliche Auflösung der Kapitalgesellschaft ist vielmehr nur Voraussetzung für den Zeitpunkt der Gewinnentstehung180. Dieser Zeitpunkt bestimmt sich nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung181. Bei einer Auflösung und daran anschließender Liquidation entsteht der Auflösungsgewinn normalerweise im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation der Kapitalgesellschaft. Erst dann steht fest, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen rechnen kann, welche nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung anfallen und welche Veräußerungskosten und Auflösungskosten der Gesellschafter persönlich zu tragen hat182. Ausnahmsweise kann der Zeitpunkt der Gewinnentstehung schon vor dem Abschluss der Liquidation liegen, nämlich wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits festgestellten Auflösungsergebnisses nicht mehr zu rechnen ist183. 179
Vgl. 7. Teil A. I. 2. b. sowie III. und IV. Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 17 Rn. E 50 und E 80 ff; Hörger, in: Littmann/Bitz/Pust, § 17 Rn. 337. 181 Dötsch/Pung, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 17 EStG Rn. 228; Eilers/R. Schmidt, in: H/H/R, § 17 EStG Anm. 275; Jäschke, in: Lademann/Söffing/ Brockhoff, § 17 Anm. 299; Hörger, in: Littmann/Bitz/Pust, § 17 Rn. 337. 182 Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 17 Rn. E 82; Eilers/R. Schmidt, in: H/H/R, § 17 EStG Anm. 276; Strahl, in: Korn/Carlé/Stahl/Strahl, § 17 Rn. 115; vgl. aus der Rechtsprechung BFH, BStBl. II 1994, 162, 163 f; BFH, BFHE 197, 394, 396; BFH, BStBl. II 2000, 343. 183 Dötsch/Pung, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 17 EStG Rn. 228 a; vgl. aus der Rechtsprechung BFH, BFHE 197, 394, 397; BFH, BStBl. II 2000, 343. 180
A. Wegzugsbesteuerung
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Bei einer inländischen Kapitalgesellschaft, die ihren Satzungs- und/oder Verwaltungssitz ins Ausland verlegt, erfolgt in der Regel keine Abwicklung der Gesellschaft. Wird der Verlegungsbeschluss als Auflösungsbeschluss bewertet, so handelt es sich nur um eine fingierte Auflösung. Das Unternehmen wird grundsätzlich fortgeführt und nicht liquidiert. Der Zeitpunkt der steuerlichen Berücksichtigung des Auflösungsgewinns tritt somit unter der Prämisse, dass der Auflösungsgewinn erst zum Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation entsteht, eigentlich nicht ein. Wenn die Sitzverlegung ins Ausland entgegen den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben als zivilrechtliche Auflösung bewertet wird und der Besteuerungstatbestand des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG entgegen den Prinzipien der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit eingreifen soll, muss demzufolge, um den eröffneten Anwendungsbereich des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG nicht leer laufen zu lassen, der Besteuerungszeitpunkt aufgrund der fehlenden Abwicklung auf den Zeitpunkt der Auflösung der Gesellschaft festgelegt werden. Die zu diesem Zeitpunkt ermittelten stillen Reserven in den Anteilen an der Kapitalgesellschaft müssen dann der Besteuerung unterworfen werden. Die Ansicht, der zufolge der Veräußerungsersatztatbestand des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG im Falle des Wegzugs einer inländischen Kapitalgesellschaft anwendbar ist, muss daher den Besteuerungszeitpunkt derart vorverlegen. Ansonsten können die in den Anteilen der Kapitalgesellschaft gebildeten stillen Reserven mangels Eintritts des Besteuerungszeitpunkts nicht besteuert werden. Als Ergebnis kann somit festgehalten werden, dass für den praktisch relevanten Fall der Verlegung des Verwaltungssitzes einer inländischen Kapitalgesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat der Besteuerungstatbestand des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG vor dem Hintergrund der Niederlassungsfreiheit schon nicht anwendbar sein kann. Es fehlt nämlich an der Auflösung der Gesellschaft. Zudem muss grundsätzlich berücksichtigt werden, dass es sich bei der sachrechtlichen Folge eines Wegzugs der inländischen Kapitalgesellschaft ins Ausland, nämlich der Auflösung der Gesellschaft, nur um einen fingierten Auflösungsbeschluss handelt. Eine Steigerung der Leistungsfähigkeit des Anteilseigners hat dies nicht zur Folge. Schließlich spricht gegen eine Besteuerung i. S. d. § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG, dass der Zeitpunkt der steuerlichen Berücksichtigung des Auflösungsgewinns aufgrund der in aller Regel nicht stattfindenden Liquidation der Gesellschaft nicht eintreten kann.
404
7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
3. Rückzug der Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts Fraglich ist, ob bei dem Rückzug der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften für die Anteilseigner die steuerliche Rechtsfolge des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG eingreift. Wie bereits dargestellt wurde, handelt es sich nach dem hier vertretenen Rechtstypenvergleich bei den zugezogenen ausländischen Kapitalgesellschaften, die den inländischen Kapitalgesellschaftsformen entsprechen, um Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG184. Die Vorschrift des § 17 EStG, die ebenfalls auf Kapitalgesellschaften abstellt, ist daher anwendbar185. In gesellschaftsrechtlicher Hinsicht ist ein identitätswahrender Zuzug vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des EuGH möglich, wenn der Verwaltungssitz einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ins Inland verlegt wird und der Wegzugsstaat die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft nicht aberkennt. Die zugezogene Gesellschaft ist im Inland als eine rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts anzuerkennen. In diesem Sinne hat inzwischen auch die zivilgerichtliche Rechtsprechung entschieden186. Die Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts untersteht weiterhin grundsätzlich dem ausländischen Heimatrecht. Dies ist im Besonderen aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs in der Rechtssache Inspire Art187 deutlich geworden. Das Gesellschaftsstatut der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft richtet sich nach dem ausländischen Gründungsrecht. Allerdings betrifft dies nicht nur die Gründungsregeln. Auch hinsichtlich der Auflösung der Gesellschaft ist das ausländische Recht weiterhin anwendbar188. Bei einer Rückverlegung des Verwaltungssitzes vom In- ins Ausland kommt es somit nicht zu einer Auflösung der Gesellschaft nach der deutschen Zivilrechtsordnung. Das inländische Gesellschaftsrecht findet keine Anwendung. Auch nach dem ausländischem Recht erfolgt keine Auflösung der Gesellschaft, da Voraussetzung in dieser Konstellation ist, dass der ausländische Gründungsstaat an die Verlegung des Verwaltungssitzes der Gesellschaft keine negativen zivilrechtlichen Konsequenzen knüpft. In dieser Variante, in dem zuerst der Verwaltungssitz vom Ausland ins Inland verlegt wird und dann wieder ins Ausland rückverlegt wird, greift somit mangels Auflösung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft die Rechtsfolge des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG nicht ein189. 184 185 186 187 188
Vgl. 2. Teil A. I. 2., B. II. und C. II. sowie 4. Teil A. I., II. und III. Vgl. 5. Teil B. III. Vgl. 2. Teil A. I. 1. b. aa. EuGH, EuZW 2003, 687. Lutter/Bayer, in: Lutter/Hommelhoff, § 4 a Rn. 17.
A. Wegzugsbesteuerung
405
Es sind allerdings auch der in der Praxis selten vorkommende Fall der Verlegung des Satzungssitzes einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ins Inland mit späterer Rückverlegung ins Ausland sowie die Konstellation denkbar, dass die ausländische Kapitalgesellschaft Verwaltungs- und Satzungssitz zuerst ins Inland verlagert und später einen oder beide Anknüpfungspunkte ins Ausland rückverlagert. Ebenso ist die Variante zu untersuchen, dass nach der Rechtsordnung des Gründungsstaates die Kapitalgesellschaft ihre Rechtsfähigkeit bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes verliert. Fraglich ist, ob bei diesen Wegzugsvarianten der Tatbestand des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG vorliegt. Zwar liegt eine Kapitalgesellschaft im steuerlichen Sinne gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG vor, wenn nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise unter Anwendung des Typenvergleichs die ausländische Gesellschaft mit einer deutschen Kapitalgesellschaftsform vergleichbar ist. Das Tatbestandsmerkmal der Kapitalgesellschaft i. S. d. § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG liegt dann vor. Allerdings muss es durch die Rückverlegung des Satzungs- und/oder Verwaltungssitzes zu der zivilrechtlichen Auflösung der Kapitalgesellschaft kommen. Dies setzt voraus, dass ein identitätswahrender Zuzug ins Inland möglich ist. Nur wenn die zugezogene Gesellschaft in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht als Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts in Deutschland angesehen wird, existiert bei einem Wegzug aus Deutschland eine Kapitalgesellschaft, deren Sitzverlegung vom In- ins Ausland zu einer zivilrechtlichen Auflösung der Gesellschaft führen kann. Die alleinige Verlegung des Satzungssitzes bzw. des Verwaltungssitzes sowie die gleichzeitige Verlegung des Satzungs- und Verwaltungssitzes ins Inland ist, wie bereits dargestellt wurde, nicht unter Wahrung der Identität der ausländischen Kapitalgesellschaftsform möglich190. Ob vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts ein identitätswahrender Zuzug ins Inland zu ermöglichen ist, ist in der Literatur umstritten191. In Bezug auf die isolierte Verlegung des Satzungssitzes ist dies 189 Nach den Ausführungen Birks, IStR 2003, S. 469, 471 und 473, hat die Rückverlegung des Verwaltungssitzes einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft vom In- ins Ausland die Anwendbarkeit des § 17 Abs. 4 EStG zur Folge. Er beruft sich darauf, dass für Wegzugsfälle die Sitztheorie weiterhin gelte. Damit wird aber übersehen, dass im Rahmen dieses Wegzugsfalles die innerstaatliche Rechtsordnung insoweit gegenüber der weiterhin anwendbaren ausländischen Rechtsordnung zurücktreten muss. Bereits im Daily Mail Urteil hat der EuGH ausgeführt, dass maßgebend für die Behandlung der Gesellschaft das Recht ihres Gründungsstaates ist, vgl. Körner, IStR 2004, S. 424, 431. Dautzenberg, StuB 2003, S. 405, 407, plädiert dafür, die Besteuerungslücke, die dadurch gegeben sei, dass Anteile eines beschränkt Steuerpflichtigen aus der Steuerverhaftung im Inland ausscheiden könnten, wenn die Beteiligung an einer Gesellschaft mit ausländischem Satzungssitz und inländischer Geschäftsleitung bestehe und die Gesellschaft ihre Geschäftsleitung ins Ausland verlege, aus systematischen Erwägungen zu schließen. 190 Vgl. 2. Teil A. I. 2. sowie B. I. und C I.
406
7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
jedenfalls abzulehnen192. Eine Entscheidung des EuGH zu diesen Zuzugsfällen fehlt bislang. Selbst wenn ein solcher identitätswahrender Zuzug in Zukunft seitens des EuGH oder auf der Grundlage des sekundären Gemeinschaftsrechts zuzulassen ist, kann ein anschließender Wegzug aus Deutschland nicht zur Auflösung der Gesellschaft führen. Der grenzüberschreitende Umzug wird dann nämlich insgesamt identitätswahrend erfolgen können. Einem Wegzug auf der einen Seite steht nämlich immer ein Zuzug auf der anderen Seite gegenüber. Nach den innerstaatlichen Rechtsordnungen der beteiligten Mitgliedstaaten kann es jedenfalls gegenwärtig in diesen Konstellationen des Zuzugs und anschließenden Wegzugs aus Deutschland nicht zu einer zivilrechtlichen Auflösung der Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts kommen, da kein identitätswahrender Zuzug ins Inland erfolgt. Der Wegzug aus Deutschland hat somit nicht die Rechtsfolge des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG zur Konsequenz.
B. Zuzugsbesteuerung Es stellt sich die Frage, ob auch für den Zuzugsfall einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ein Besteuerungstatbestand existiert. Während die Wegzugsbesteuerung explizit in § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG geregelt ist, der insoweit von einer Verlegung der Geschäftsleitung und/oder des Sitzes ins Ausland spricht, gibt es keinen ausdrücklich normierten Zuzugsbesteuerungstatbestand. Diskutiert wird allerdings, ob der Zuzug einer ausländischen Kapitalgesellschaft nach Deutschland die Besteuerung gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG auslöst, wenn die Gesellschaft schon vor ihrem Zuzug über eine inländische Betriebsstätte verfügt hat. Unstrittig löst ein Zuzug nach Deutschland keine steuerlichen Folgen aus, wenn vor der Sitzverlegung kein inländisches Betriebsvermögen vorhanden war193. Untersuchungsgegenstand ist daher, ob der Zuzug ins Inland unter der Prämisse einer bereits vor der Sitzverlegung bestehenden inländischen Betriebsstätte eine Zuzugsbesteuerung zur Folge hat. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG gilt die Regelung des § 12 Abs. 1 KStG entsprechend, wenn die inländische Betriebsstätte einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse aufgelöst oder ins Ausland verlegt wird. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG, um den es in dieser Konstellation geht, besagt, dass § 12 Abs. 2 191 192 193
Vgl. 2. Teil A. I. 2. a., B. III. 1. und C. III. Vgl. 2. Teil B. III. Schlenker, S. 117; Baranowski, IWB Fach 3 Gruppe 4 1999, S. 319, 321.
B. Zuzugsbesteuerung
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Satz 1 KStG auch gilt, wenn das Vermögen der Betriebsstätte als Ganzes auf einen anderen übertragen wird. Der Anwendungsbereich der Norm ist in der untersuchten Variante jedenfalls insoweit eröffnet, als eine beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Körperschaft, Personenvereinigung und Vermögensmasse vorliegen muss. Da eine inländische Betriebsstätte gegeben sein muss, kann es sich nur um die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht gem. § 2 Nr. 1 KStG handeln194, d.h. es darf weder eine inländische Geschäftsleitung noch ein inländischer Sitz gegeben sein. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft vor ihrer Sitzverlegung ins Inland über eine inländische Betriebsstätte verfügt hat. Vor ihrem Zuzug ins Inland ist die Gesellschaft in Deutschland bereits gem. §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 a KStG beschränkt körperschaftsteuerpflichtig gewesen. Der Begriff der Betriebsstätte richtet sich ausschließlich nach § 12 AO195, wonach jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient, eine Betriebsstätte ist. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 KStG regelt einen steuerlichen Ersatzgewinnrealisierungstatbestand196. Es handelt sich insofern um eine Ausnahme von dem der Gewinnbesteuerung zugrunde liegenden Prinzip, dass nur durch Umsatzgeschäfte auf dem Markt realisierte Gewinne der Besteuerung unterliegen197. Regelungszweck des § 12 Abs. 2 KStG ist es, die steuerliche Erfassung der in der Betriebsstätte vorhandenen stillen Reserven zu dem als letztmöglich erscheinenden Zeitpunkt sicherzustellen198. Die steuerliche Berücksichtigung der durch den bilanziellen Buchwertansatz entstandenen stillen Reserven des Betriebsstättenvermögens findet im Rahmen der Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 KStG dadurch statt, dass das Betriebsvermögen der Betriebsstätte mit dem gemeinen Wert i. S. d. § 12 Abs. 1 KStG angesetzt wird199.
194
Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 12 KStG Rn. 45. Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 41. 196 Knobbe-Keuk, StuW 1990, S. 372, 376; Zisowski, S. 74; Wacht, in: Ernst & Young, § 12 Rn. 65; Lenz, in: Erle/Sauter, § 12 Rn. 40; Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 12 KStG Rn. 43. 197 Knobbe-Keuk, StuW 1990, S. 372, 376; Zisowski, S. 74 f. 198 Knobbe-Keuk, StuW 1990, S. 372, 376; Zisowski, S. 75; Wacht, in: Ernst & Young, § 12 Rn. 65; Lenz, in: Erle/Sauter, § 12 Rn. 40; Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 12 KStG Rn. 43. 199 Rohde, S. 317. 195
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
I. Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland unter Beibehaltung des Satzungssitzes im Ausland Die Frage nach der Zuzugsbesteuerung gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG stellt sich hinsichtlich der verschiedenen Zuzugskonstellationen. Ein in der Praxis häufig vorkommender Fall ist derjenige, dass die ausländische Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz (= Geschäftsleitung) ins Inland verlegt. 1. Voraussetzungen des Besteuerungstatbestandes des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG Unter Außerachtlassung der Anforderungen des Gemeinschaftsrechts besteht die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft aufgrund des durch die Sitztheorie ausgelösten Wechsels des Gesellschaftsstatuts und des damit anwendbaren innerstaatlichen Gesellschaftsrechts im Inland zivilrechtlich nicht als Kapitalgesellschaft fort200. Nach einer Ansicht in der Literatur ist es grundsätzlich aufgrund der zivilrechtlich zu beachtenden Vorgaben zu einer Übertragung des Betriebsstättenvermögens auf einen anderen gekommen. Deshalb sei der Besteuerungstatbestand des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG erfüllt201. Der Gegenmeinung zufolge scheidet die Anwendung des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG aus202. a) Gründungsstaat erkennt Rechtsfähigkeit nicht ab Augrund der neueren Rechtsprechung des EuGH kommt es allerdings im Inland nicht zu einem Verlust der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft, wenn nach der Rechtsordnung des ausländischen Wegzugsstaates die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft fortbesteht. Die zugezogene Gesellschaft, die ihren Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt hat, ist im Inland als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts anzuerkennen203. Es 200
Vgl. 2. Teil A. I. 1. a. Oppermann, DB 1988, S. 1469, 1470 ff.; Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 20 f. 202 Knobbe-Keuk, § 25 I S. 940 f.; dies., StuW 1990, S. 372, 377 f.; dies., DB 1991, S. 298, 301; Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 52; Lenz, in: Erle/Sauter, § 12 Rn. 65 ff.; Wacht, in: Ernst & Young, § 12 Rn. 76; Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 12 KStG Rn. 52; ders., DB 1989, S. 2296, 2302; Jacobs, S. 1127 f.; Rohde, S. 317 f.; Zisowski, S. 63 ff.; Haase, IStR 2004, S. 232, 234 f.; Birk, IStR 2003, S. 469, 470 und 473; Dörrfuß, IStR 2001, S. 147, 148 f.; Sörgel, DB 1999, S. 2236, 2237; Hügel, ZGR 1999, S. 71, 83 f.; Schwedhelm/Binnewies, DB 1999, S. 1420 f.; Thiel, GmbHR 1994, S. 277, 279; Buyer, DB 1990, S. 1682, 1687 ff. 201
B. Zuzugsbesteuerung
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findet insoweit eine identitätswahrende Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland statt. Da es in dieser Konstellation in zivilrechtlicher Hinsicht ohne Zweifel nicht zu einem Rechtsträgerwechsel kommt, kann auch nach der Ansicht, die sich bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes nach Deutschland grundsätzlich für die Notwendigkeit der Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG ausspricht, eine Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG nicht stattfinden204. Die Diskussion hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland, die schon vor dem Zuzug über eine inländische Betriebsstätte verfügt hat, ist insoweit durch die ergangene EuGH-Rechtsprechung sowie der sich anschließenden Zivilrechtsprechung überholt worden. b) Gründungsstaat erkennt Rechtsfähigkeit ab Der Streit spielt somit nur dann eine Rolle, wenn die Verlegung des Verwaltungssitzes aus einem Staat erfolgt, welcher die Rechtsfähigkeit der weggezogenen Kapitalgesellschaft aberkennt. aa) Meinungsspektrum zum Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG Wie bereits erwähnt, besteht nach einer Ansicht im Schrifttum die Notwendigkeit einer Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG, wenn die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft bei bereits bestehender inländischer Betriebsstätte ihren Verwaltungssitz ins Inland ver203
Vgl. 2. Teil A. I. 2. b. aa. Kalbfleisch, in: Ernst & Young, § 1 Rn. 57; Birk, IStR 2003, S. 469, 470 und 473; Sörgel, DB 1999, S. 2236, 2238, der diese Schlussfolgerung allerdings schon aus dem Centros Urteil des EuGH zieht. Dass die Ansicht, welche die Anwendbarkeit des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG bejaht, bei einem identitätswahrenden Zuzug der ausländischen Kapitalgesellschaft eine Schlussbesteuerung ablehnt, ergibt sich auch aus den Ausführungen von Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 20 f. Zwar wird dort nicht auf die Niederlassungsfreiheit, sondern auf bilaterale Abkommen Bezug genommen. Dies ist allerdings unerheblich, entscheidend ist die Aussage, dass bei einem Fortbestand der Rechtspersönlichkeit keine Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG erfolgen könne. Aus deutscher Sicht habe lediglich ein Wechsel von der beschränkten zur unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht stattgefunden. Nach Körner, IStR 2004, S. 424, 431, ist § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG aufgrund der Überseering Entscheidung des EuGH europarechtswidrig. Die mangelnde Gemeinschaftsrechtskonformität ist jedoch zu verneinen, da in dieser Konstellation unproblematisch die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG nicht eingreifen. Von einer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit kann daher keine Rede sein. 204
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
legt205. Es wechsle der Rechtsträger der stillen Reserven in der Betriebsstätte. Die Kapitalgesellschaft verändere ihre Rechtspersönlichkeit, da der bisherige Rechtsträger mit der Sitzverlegung untergehe und das Gebilde sich zur Erlangung der Rechtsfähigkeit im Inland nach der deutschen Rechtsordnung neu gründen müsse. Diese zivilrechtlichen Auswirkungen seien auch für das Körperschaftsteuerrecht zu berücksichtigen. Zwar sei weiterhin der steuerliche Zugriff auf die stillen Reserven des Betriebsstättenvermögens möglich, Intention des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG sei es aber auch, die stillen Reserven der Betriebsstätte bei dem konkreten Steuerpflichtigen, der sie gebildet habe, zu erfassen206. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG wolle die Besteuerung der stillen Reserven bei dem Steuerpflichtigen sicherstellen, bei dem sie entstanden seien. Eine Nichtbesteuerung bei einer Sitzverlegung stelle in Bezug auf beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner einen Widerspruch zu der gesetzlichen Regelung des § 20 Abs. 3 UmwStG dar207. Argumentiert wird des Weiteren, dass der Wechsel der Steuerpflichtart auch eine veränderte Steuerbelastung mit sich bringen könne208. Auch Dinkhoff sieht im Zuzugsfall einer ausländischen Kapitalgesellschaft, die schon vor ihrem Zuzug über eine inländische Betriebsstätte verfügt hat, unter gewissen Voraussetzungen den Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG als eröffnet an209. Allerdings beurteilt er die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt, ab dem Zeitpunkt des Zuzugs als echte Vorgesellschaft, wenn sie an das deutsche Recht angepasst wird und eine Handelsregistereintragung anstrebt. In diesem Fall bleibe die ehemals ausländische Gesellschaft zivilrechtlich betrachtet Vermögensträgerin, nunmehr in Form einer inländischen Vorgesellschaft. Mit Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister gehe das Vermögen auf die mit der Vorgesellschaft identische inländische Kapitalgesellschaft über. Die Schlussbesteuerung des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG greife dann nicht210. 205 Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 20 f.; Oppermann, DB 1988, S. 1469, 1471 f.; Debatin, GmbHR 1991, S. 164, 169. 206 Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 20 f. 207 Oppermann, DB 1988, S. 1469, 1471 f., der auch ein Beispiel mit einem beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner, nämlich mit einem in der USA ansässigen Anteilseigner, bildet. Bei einer späteren Veräußerung der Anteile sei aufgrund der Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat, also der USA, zugewiesen, so dass trotz des § 49 Abs. 1 Nr. 2 e i. V. m. § 17 EStG kein steuerlicher Zugriff Deutschlands möglich sei. 208 Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 21; Debatin, GmbHR 1991, S. 164, 169. 209 Dinkhoff, S. 262 f. und 273. 210 Dinkhoff, S. 262 f. und 271 ff.
B. Zuzugsbesteuerung
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Auch vom Sinn und Zweck des § 20 Abs. 3 UmwStG sei eine Abschlussbesteuerung nicht geboten. Vor der Sitzverlegung sei der Gewinn aus der Anteilsveräußerung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft eines beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners nur dann gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 a EStG steuerpflichtig, wenn die Anteile in einem inländischen Betriebsvermögen gehalten würden. Nach dem Übergang der inländischen Betriebsstätte auf die inländische Vorgesellschaft und dem darauf folgenden Übergang auf die später entstehende inländische Kapitalgesellschaft unterliege der im Ausland ansässige Anteilseigner mit seinem Veräußerungsgewinn nicht nur der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 a EStG, sondern zusätzlich derjenigen aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 e EStG, wenn die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 EStG gegeben seien. Hinsichtlich der unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner ergäben sich durch die Sitzverlegung keine Änderungen in Bezug auf die Steuerpflichtigkeit ihrer Veräußerungsgewinne211. Sei demgegenüber die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt habe, als unechte Vorgesellschaft und damit als inländische Personengesellschaft zu werten, müsse die Zuzugsbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG aufgrund des dann eingetretenen Vermögensübergangs durchgeführt werden212. In der Praxis wird es selten vorkommen, dass eine ausländische Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt hat, eine Anpassung an das deutsche Recht bzw. eine Eintragungsabsicht verfolgt. Dinkhoff geht somit von falschen Prämissen aus. Bei realitätsgerechter Betrachtung ist nur eine Bewertung als inländische Personengesellschaft bzw. (kaufmännische) Einzelperson möglich213, für welche seiner Ansicht nach die Schlussbesteuerung gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG durchzuführen ist. Nach der Gegenansicht214 ist § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG bei Zuzug einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland bei bereits bestehender inländischer Betriebsstätte nicht anwendbar. Die Argumente dieser Meinung werden an späterer Stelle ausführlich dargestellt215. 211
Dinkhoff, S. 271 f. Dinkhoff, S. 262 f. und 273. 213 Vgl. 2. Teil A. I. 2. c. aa. und cc. 214 Knobbe-Keuk, § 25 I S. 940 f.; dies., StuW 1990, S. 372, 377 f.; dies., DB 1991, S. 298, 301; Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 52; Lenz, in: Erle/Sauter, § 12 Rn. 65 ff.; Wacht, in: Ernst & Young, § 12 Rn. 76; Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 12 KStG Rn. 52; ders., DB 1989, S. 2296, 2302 Jacobs, S. 1127 f.; Rohde, S. 317 f.; Zisowski, S. 63 ff.; Haase, IStR 2004, S. 232, 234 f.; Birk, IStR 2003, S. 469, 470 und 473; Dörrfuß, IStR 2001, S. 147, 148 f.; Sörgel, DB 1999, S. 2236, 2237; Hügel, ZGR 1999, S. 71, 83 f.; Schwedhelm/Binnewies, DB 1999, S. 1420 f.; Thiel, GmbHR 1994, S. 277, 279; Buyer, DB 1990, S. 1682, 1687 ff. 212
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
Nach der Auffassung, die im Zuzugsfall für eine Zuzugsbesteuerung der inländischen Betriebsstätte plädiert, muss im Rahmen des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG die zivilrechtliche Beurteilung zugrunde gelegt werden. Es stellt sich daher die Frage, ob bei einer Berücksichtigung der zivilrechtlichen Vorgaben tatsächlich die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG gegeben sind. bb) Auswirkungen der Sitztheorie (1) Verlust der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft Die Verlegung des Verwaltungssitzes einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland hat nicht zwangsläufig zur Folge, dass im Inland eine Neugründung einer inländischen Kapitalgesellschaft stattfindet. Die Anwendung der Sitztheorie im Zuzugsstaat Deutschland führt vielmehr nur dazu, dass die inländische Rechtsordnung für die Gesellschaft gilt. Eine ausländische Kapitalgesellschaft mit inländischem Verwaltungssitz erfüllt nicht die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen, die im Inland für die Erlangung der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft erforderlich sind. Mittelbar resultiert aus der Geltung der Sitztheorie im Inland die Aberkennung der Rechtsfähigkeit als juristische Person216. Dies ist jedoch die einzige Folge der Sitztheorie. Eine Neugründungspflicht ergibt sich aus ihrer Anwendung nicht. Zwar sollen die Anteilseigner der ausländischen Kapitalgesellschaft durch die Sitztheorie dazu motiviert werden, im Inland die Gesellschaft neu zu gründen, dazu verpflichtet werden die Anteilseigner aber nicht217. Nur wenn diese dem Anliegen der Sitztheorie Folge leisten, entsteht eine neue Kapitalgesellschaft inländischen Rechts. Werden demgegenüber die Gründungsvoraussetzungen, die für das Entstehen einer deutschen Kapitalgesellschaft zu beachten sind, nicht durchlaufen, so stellt die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt hat und in Deutschland geschäftlich aktiv ist, kein rechtliches Nullum dar. Sie ist vielmehr als eine inländische Personengesellschaft oder als eine (kaufmännische) Einzelperson einzuordnen218. Es stellt sich somit die Frage, ob der durch die Sitztheorie mittelbar ausgelöste Verlust der Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft219, ohne dass 215
Vgl. 7. Teil B. I. 2. und. 3. Vgl. 2. Teil A. I. 1. a. 217 Zisowski, S. 66 f. 218 2. Teil A. I. 2. c. aa. und cc. 219 Der Verlust der Rechtsfähigkeit tritt in dieser Konstellation bereits durch die Rechtsordnung des Gründungsstaates ein. Dies ändert aber nichts an der Problema216
B. Zuzugsbesteuerung
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eine Neugründung einer deutschen Kapitalgesellschaft erfolgt, zur Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG führt. (2) Vermögensübertragung auf einen anderen Rechtsträger Eine Bejahung der Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG aus dem Grundgedanken des § 20 Abs. 3 UmwStG heraus, wie eine Ansicht argumentiert220, ist nicht möglich. Die Anwendung des Tatbestandes des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG ist dann durch den vorgenommenen Vergleich der untersuchten Wegzugskonstellation, nämlich der Verlegung des Verwaltungssitzes einer ausländischen Kapitalgesellschaft, die schon vor ihrem Zuzug ins Inland über eine inländische Betriebsstätte verfügt hat, mit der Einbringung einer Betriebsstätte in eine inländische Tochtergesellschaft gegen Gewährung neuer Gesellschaftsanteile inspiriert. Im letzteren Fall ist die Betriebsstättenschlussbesteuerung gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG durchzuführen. Ergänzend treten die Sonderregelungen des § 20 Abs. 3, 4 UmwStG hinzu221. Zum einen besteht der angenommene Widerspruch zu § 20 Abs. 3 UmwStG im Falle einer Nichtbesteuerung des Zuzugs gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG nicht. Nach der jetzigen Fassung des § 20 Abs. 3 UmwStG ergibt sich nämlich eine Einschränkung der Realisierungspflicht insofern, als diese nur gegeben ist, wenn das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus einer Veräußerung der dem Einbringenden gewährten Gesellschaftsanteile im Zeitpunkt der Sacheinlage ausgeschlossen ist222. Die Vertreter einer Zuzugsbesteuerung übersehen zum anderen, dass hinsichtlich der Suche nach einer Rechtsgrundlage für eine Zuzugsbesteuerung die Vorschrift des § 38 AO gilt, wonach die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Das Aufzeigen gewisser Parallelen bzw. Ähnlichkeiten vermag den Steuertatbestand nicht zu ersetzen. Es müssen die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG erfüllt sein, nämlich die Übertragung des Vermögens auf einen anderen Rechtsträger. Dieses Tatbestandsmerkmal ist zwar bei dem aufgezeigten Vergleichsfall, der Übertragung der inländischen Betriebsstätte auf eine inländische Tochtergeselltik, ob bei Zugrundelegung der zivilrechtlichen Wertungen eine Schlussbesteuerung gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG zu erfolgen hat. 220 Vgl. 7. Teil B. I. 1. b. aa. 221 Knobbe-Keuk, StuW 1990, S. 372, 377. 222 Vgl. Dinkhoff, S. 268 f.
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
schaft, gegeben. Es handelt sich bei der Tochtergesellschaft um „einen anderen“ i. S. d. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG. Demgegenüber ist die Voraussetzung nicht bei der Sitzverlegung ins Inland erfüllt, wenn die ausländische Kapitalgesellschaft bereits vor ihrem Zuzug eine inländische Betriebsstätte unterhalten hat. Die grenzüberschreitende Gesellschaft besteht aufgrund des Verlustes der Rechtsfähigkeit lediglich in ihrer bisherigen Form nicht fort. Ein neuer Vermögensträger wird allerdings unter der Geltung der Sitztheorie im Zuzugsstaat Deutschland nicht geschaffen223. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung verlangt, dass der Tatbestand und die Rechtsfolge im Gesetz niedergelegt sein müssen. Dieser steuerrechtliche Gesetzesvorbehalt wird abgeleitet aus Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG und einer Ergänzung aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 GG und kommt im einfachen Gesetz in § 3 Abs. 1 und in § 38 AO zum Ausdruck224. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern bei einer Sitzverlegung der ausländischen Kapitalgesellschaft, die bereits vor ihrem Zuzug über eine inländische Betriebsstätte verfügt hat, der Tatbestand der Vermögensübertragung verwirklicht sein soll. Das Zivilrecht stellt für den Vermögenstransfer die Möglichkeit der Gesamtrechtsnachfolge und diejenige der Singularsukzession zur Verfügung225. Die abschließend geregelten Fälle der Gesamtrechtsnachfolge226 erfassen nicht die Konstellation der Verlegung des Verwaltungssitzes nach Deutschland227. Die Singularsukzession, die grundsätzlich in den §§ 398, 413, 873 ff. und 929 ff. BGB geregelt ist228, ist ebenso wenig einschlägig. Es fehlt bereits an der erforderlichen dinglichen Einigung. Im Hinblick auf Immobilien steht einer Vermögensübertragung zusätzlich die Formvorschrift des § 925 BGB entgegen229. Zudem verliert die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft aufgrund der Sitzverlegung bereits nicht die Fähigkeit, Trägerin ihres bisherigen Vermögens sein zu können230. Die weiterhin bestehende Vermö223
Zisowski, S. 67 f. Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rn. 150 ff. 225 Buyer, DB 1990, S. 1682, 1684. 226 Hierzu Buyer, DB 1990, S. 1682, 1684. 227 Zisowski, S. 66. 228 Buyer, DB 1990, S. 1682, 1684. 229 Zisowski, S. 66. 230 Buyer, DB 1990, S. 1682, 1684 ff. Zisowski diskutiert diese Frage, ob die zugezogene Kapitalgesellschaft Trägerin ihres vor dem Zuzug erworbenen Vermögens bleibt, nicht im Zusammenhang mit der Schlussbesteuerung des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG, sondern im Rahmen der Betriebsstättenschlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 KStG. Danach ist eine Besteuerung durchzuführen, wenn die inländische Betriebsstätte einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft aufgelöst wird. Auflösung bedeutet, dass die Betriebsstätte aufhört zu bestehen. Wenn die ausländische Kapitalgesellschaft, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlege und schon vor 224
B. Zuzugsbesteuerung
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gensträgerfähigkeit ergibt sich aufgrund einer Übertragung der Fallgestaltungen des deutschen Rechts, in denen es ebenfalls zu einem Verlust der Rechtsfähigkeit, nicht aber zu einem Verlust der Fähigkeit, Trägerin des bisherigen Vermögens sein zu können, kommt, auf die Sitzverlegung einer ausländischen Kapitalgesellschaft. Es sind dies namentlich die Lehre von der Restgesellschaft, der Verzicht des rechtsfähigen Vereins auf seine Rechtsfähigkeit, die nichtige sowie die gelöschte Kapitalgesellschaft. Ein Vergleich der zugezogenen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts mit diesen Fallkonstellationen des deutschen Gesellschaftsrechts ergibt, dass die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft weiterhin Trägerin ihres bereits erworbenen Vermögens bleibt231. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG sind daher bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes einer ausländischen Kapitalgesellschaft, die schon vor ihrem Zuzug eine inländische Betriebsstätte unterhalten hat, nicht erfüllt. Die zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts ist nach wie vor Trägerin ihres Vermögens, so dass auch dann, wenn man der zivilrechtlichen Betrachtungsweise im Rahmen des Körperschaftsteuerrechts folgt, der Besteuerungstatbestand des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG nicht gegeben ist. Es fehlt somit im Ergebnis an den Tatbestandsvoraussetzungen für eine Besteuerung i. S. d. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG. Eine Schlussbesteuerung ist folglich nicht durchzuführen, selbst wenn die Auswirkungen der Sitztheorie ins Steuerrecht übertragen werden. Die Ansicht, die aufgrund der Zugrundelegung der zivilrechtlichen Wertungen zu einer Anwendbarkeit des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG gelangt, ist daher abzulehnen. ihrem Zuzug eine deutsche Betriebsstätte unterhalten habe, unter Anwendung der Sitztheorie nicht nur ihre Rechtsfähigkeit verliere, sondern auch ihre Fähigkeit, Trägerin ihres bisherigen Vermögens sein zu können, so Zisowski, könnten die inländischen Wirtschaftsgüter nicht länger als Betriebsstätte der ausländischen Gesellschaft fungieren, die Betriebsstätte wäre praktisch aufgelöst. Die Behandlung dieser Frage innerhalb des steuerlichen Tatbestandes des § 12 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 KStG resultiert daraus, dass Zisowski in Bezug auf die Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG die untersuchten Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift, nämlich die Vermögensübertragung auf einen anderen Rechtsträger, infolge der Sitzverlegung ins Inland verneint. Die Vorfrage, ob die zugezogene Kapitalgesellschaft weiterhin Trägerin ihres bisherigen Vermögens bleibt, stellte sich für ihn nicht, vgl. Zisowski, S. 66 ff. Im Ergebnis spielt es aber keine Rolle, ob die Frage der Vermögensträgerfähigkeit im Rahmen des § 12 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 oder des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG diskutiert wird. Letzterer Tatbestand scheitert jedenfalls an der nicht gegebenen Tatbestandsvoraussetzung der Vermögensübertragung auf einen anderen Rechtsträger. Ebenso wenig kann, wenn man der Vorgehensweise Zisowskis folgt, eine Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 KStG erfolgen. Auch nach seiner Ansicht verliert die Gesellschaft nicht die Fähigkeit, Trägerin ihres bereits vor dem Zuzug erworbenen Vermögens sein zu können, vgl. Zisowski, S. 68 ff. 231 Siehe im Einzelnen Buyer, DB 1990, S. 1682, 1687 ff. und Zisowski, S. 68 ff.
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
2. Fortbestand der steuerlichen Identität In der fraglichen Konstellation, dass eine nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt und bereits zuvor eine inländische Betriebsstätte unterhalten hat, ist lediglich ein Wechsel von der beschränkten zur unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht eingetreten. Die Befürworter der Schlussbesteuerung führen zum Teil diese Änderung der Steuerpflichtart als Argument für die Zuzugsbesteuerung an232. Dieser Übergang von der beschränkten zur unbeschränkten Steuerpflicht stellt, wie die Ansicht, die eine Zuzugsbesteuerung ablehnt, richtigerweise argumentiert, im steuerlichen Sinn aber keine Vermögensübertragung dar233. Zwar geht unter der Geltung der Sitztheorie im Inland die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft verloren, in steuerlicher Hinsicht ist aber von der fortbestehenden Identität der grenzüberschreitenden Körperschaft auszugehen234. Die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland erfolgt somit unter der Wahrung der steuerlichen Identität, so dass der Wechsel in der Steuerpflicht nicht zu einer Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG führen kann. Eine solche wirtschaftliche Betrachtung kann auch insoweit zugrunde gelegt werden. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG spricht von einer Übertragung der Betriebsstätte auf einen anderen. Es ist ein Übertragungsgeschäft erforderlich, das sich auf die inländische Betriebsstätte insgesamt beziehen muss, wobei die Übertragung sowohl im Wege der Einzel- als auch der Gesamtrechtsnachfolge erfolgen kann235. Die Abschlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG knüpft somit zwar an zivilrechtliche Vorgänge an. Bei dem „anderen“ i. S. d. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG muss es sich um einen anderen Steuerpflichtigen handeln. In Betracht kommt jeder mit dem übertragenden Rechtsträger nicht identische Rechtsträger236. Der steuerliche Rechtsträgerwechsel muss durch ein zivilrechtliches Übertragungsgeschäft erfolgen. Die Sitztheorie kann im Zuzugsstaat Deutschland, abgesehen von den Fällen, in denen die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Anerkennung der zugezogenen Gesellschaft als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts besteht237, weiterhin zur Anwendung gelangen. Auch können die Auswirkungen der Sitztheorie bei den einzelnen 232 Ebenroth/Auer, RIW Beilage 1 zu Heft 3/1992, S. 1, 21; Debatin, GmbHR 1991, S. 164, 169. 233 Dörrfuß, IStR 2001, S. 147, 149; Dötsch, DB 1989, S. 2296, 2302. 234 Rohde, S. 318; Jacobs, S. 1227 f.; Lenz, in: Erle/Sauter, § 12 Rn. 68; Schwedhelm/Binnewies, DB 1999, S. 1420 f.; Thiel, GmbHR 1994, S. 277, 279. 235 Wacht, in: Ernst & Young, § 12 Rn. 73.1. 236 Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 12 KStG Rn. 49 und 51. 237 Vgl. 2. Teil A. I. 1. b. aa.
B. Zuzugsbesteuerung
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Besteuerungstatbeständen berücksichtigt werden, wenn der jeweilige Tatbestand an zivilrechtliche Gegebenheiten anknüpft. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG ist nur anwendbar, wenn durch einen zivilrechtlichen Vorgang ein Rechtsträgerwechsel stattgefunden hat. Letztendlich spielt es jedoch keine Rolle, dass die Auswirkungen der Sitztheorie im Rahmen der Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 berücksichtigt werden, da, wie dargestellt wurde, die zugezogene Kapitalgesellschaft weiterhin Vermögensträgerin ist, eine Vermögensübertragung auf einen anderen findet nicht statt. Es ist daher Raum für eine wirtschaftliche Sichtweise. Wirtschaftlich betrachtet liegt in der untersuchten Konstellation lediglich ein Übergang von der beschränkten zur unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht und damit steuerliche Identität vor. Eine Abschlussbesteuerung gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG ist daher nicht durchzuführen. Verfahrensrechtlich ist bereits im Jahr des Zuzugs eine einheitliche Veranlagung durchzuführen. Die im Veranlagungszeitraum, in den die Änderung der Steuerpflicht fällt, erzielten beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte werden in die Veranlagung zur unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht gem. § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG einbezogen238. 3. Vereinbarkeit einer Zuzugsbesteuerung mit dem Regelungszweck des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG Der Besteuerungstatbestand des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG kann bei einer Sitzverlegung der ausländischen Kapitalgesellschaft, die schon vor ihrem Zuzug über eine inländische Betriebsstätte verfügt hat, auch aus einem weiteren Grund nicht eingreifen. Die ratio legis der Vorschrift des § 12 Abs. 2 KStG spricht gegen die Abschlussbesteuerung239. Dem deutschen Fiskus geht in einem solche Fall bei einer Buchwertfortführung kein Steuerzugriff verloren240. Das Vermögen der Betriebsstätte ist nämlich weiterhin steuerverhaftet241. Die Steuerverhaftung wird durch den Zuzug der Gesellschaft ins Inland sogar noch stärker242. Durch den Übergang in die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht verbessern sich die Zugriffsmöglichkeiten. Vor diesem Hintergrund ist eine Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven der Betriebsstätte mit dem Sinn und Zweck des § 12 Abs. 2 KStG nicht zu vereinbaren243. 238
Schwedhelm/Binnewies, DB 1999, S. 1420, 1421. Rohde, S. 318. 240 Knobbe-Keuk, StuW 1990, S. 372, 378; dies., DB 1991, S. 298, 301; Dötsch, DB 1989, S. 2296, 2302; Schwedhelm/Binnewies, DB 1999, S. 1420, 1421. 241 Birk, IStR 2003, S. 469, 470; Hügel, ZGR 1999, S. 71, 84. 242 Buyer, DB 1990, S. 1682, 1693. 239
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
Ein Rückgriff auf die Anteilseigner als Rechtfertigung für die Schlussbesteuerung, wie ihn die Gegenansicht, die eine Anwendbarkeit des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG bejaht, vollzieht244, verbietet sich. Der Anwendungsbereich des Besteuerungstatbestandes des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG ist beschränkt auf die Ebene der Gesellschaft245. Ein möglicher Steuerausfall auf Anteilseignerebene stellt kein durch die Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG beachtenswerter Besteuerungszweck dar. Das Gesetz bietet keine gesetzliche Grundlage für eine Schlussbesteuerung bei einem etwaigen Steuerausfall auf Anteilseignerebene246. Zudem gehen keine deutschen Besteuerungsgrundlagen verloren. Das von Oppermann247 gewählte Beispiel eines in der USA ansässigen Anteilseigners, der aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der USA und Deutschland nach der Sitzverlegung der ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland hinsichtlich des Veräußerungsgewinns seiner Anteile nicht der deutschen Besteuerung unterliegt, kann nicht überzeugen. Vor dem Zuzug nach Deutschland unterlag derselbe Anteilseigner nämlich ebenso wenig im Inland der Besteuerung. Der deutsche Fiskus kann aber nur ein Interesse daran haben, dass die in der deutschen Betriebsstätte steckenden stillen Reserven dem inländischen Steuerzugriff erhalten bleiben248. Vor dem Hintergrund des Regelungszwecks des § 12 Abs. 2 KStG ist daher nur das Ergebnis sachgerecht, dass keine Abschlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG durchzuführen ist. Dadurch wird auch den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts Rechnung getragen. Die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit inländischer Betriebsstätte, die ihren Verwaltungssitz von einem anderen Mitgliedstaat ins Inland verlegt, macht von ihrer Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG Gebrauch. Eine Abschlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG würde gegen diese Grundfreiheit verstoßen. Eine Rechtfertigung kommt nicht in Betracht, da, wie gezeigt, keine Gefährdung der deutschen Besteuerungsgrundlage gegeben ist und damit kein zwingender Grund des Allgemeininteresses besteht249.
243
Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 52. Vgl. 7. Teil B. I. 1. b. aa. 245 Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 52. 246 Dötsch, DB 1989, S. 2296, 2302. 247 Oppermann, DB 1988, S. 1469, 1471. 248 Knobbe-Keuk, StuW 1990, S. 372, 378; dies., DB 1991, S. 298, 301. 249 Knobbe-Keuk, § 25 I S. 941; dies., DB 1991, S. 298, 302; Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 52; Rohde, S. 318. 244
B. Zuzugsbesteuerung
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4. Darstellung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung Das FG Rheinland Pfalz hat mit Urteil vom 12.01.1998250 unter Auseinandersetzung mit dem im Schrifttum vertretenen Meinungen zu der Frage der Betriebsstättenschlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG Stellung genommen. Es hat die Zuzugsbesteuerung auch für den Fall verneint, dass die ausländische Kapitalgesellschaft schon vor der Verlegung ihrer Geschäftsleitung ins Inland eine Betriebsstätte im Inland unterhalten hat. Argumentiert wird damit, dass der Tatbestand des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG nur die Fälle des Wechsels der Rechtszuständigkeit durch rechtsgeschäftlichen Übertragungsakt erfasse. Weiter führt das Finanzgericht aus, dass es nur zu einem Wechsel von der beschränkten zur unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht komme, die Identität des Steuersubjekts aber nicht tangiert werde. Die alte Unternehmensstruktur bestehe bei der Umwandlung einer rechtsfähigen in eine nicht rechtsfähige Körperschaft fort251. Im Revisionsverfahren hat sich der BFH mit Urteil vom 17.05.2000 der Vorinstanz angeschlossen und eine Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG sowohl in direkter als auch analoger Anwendung verneint252. Mit dieser Entscheidung hat sich der BFH – soweit ersichtlich – erstmalig zur steuerlichen Behandlung des Zuzugs einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ins Inland geäußert253. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG ist somit für den Fall einer Verwaltungssitzverlegung der ausländischen Kapitalgesellschaft, die schon vor ihrem Zuzug nach Deutschland eine inländische Betriebsstätte unterhalten hat, im Ergebnis in direkter Anwendung nicht einschlägig. Ebenso wenig kommt eine analoge Anwendung der Abschlussbesteuerung in Betracht254. Unabhängig davon, ob man überhaupt eine steuerlastschaffende Analogie als zulässig erachtet255, sind jedenfalls die konkreten Voraussetzungen für eine Analogie nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG nicht gegeben256.
250
FG Rheinland-Pfalz, EFG 1998, 664. FG Rheinland-Pfalz, EFG 1998, 664, 666. 252 BFH, BStBl. II 2000, 619, 620 f. 253 Dörrfuß, IStR 2001, S. 147 und 149; Breuninger/Heimann, GmbHR 2000, S. 1037, 1039. 254 Zisowski, S. 72 ff.; Haase, IStR 2004, S. 232, 235; BFH, BStBl. II 2000, 619, 621. 255 Eine Darstellung des Streits hinsichtlich der Analogiefähigkeit des Steuerrechts findet sich bei Lang, in: Tipke/Lang, § 4 Rn. 184 ff. 256 Siehe im Einzelnen Zisowski, S. 72 ff. 251
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
5. Rückgriff auf die Vorschriften des UmwStG Durch die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland wird, wie dargestellt wurde, keine Zuzugsbesteuerung ausgelöst. Eine Abschlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG ist nicht durchzuführen. Es ist daher nicht von Bedeutung, ob die Vorschriften des UmwStG (analog) Anwendung finden. Das Umwandlungssteuergesetz ermöglicht zwar auch eine steuerneutrale Übertragung von Vermögen257. Untersuchungsgegenstand ist aber, ob die Sitzverlegung einer ausländischen Kapitalgesellschaft, die schon zuvor über eine inländische Betriebsstätte verfügt hat, eine Zuzugsbesteuerung auslöst. Da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG nicht gegeben sind, bedarf es zum einen keines Rückgriffs auf das UmwStG. Zum anderen ist der Anwendungsbereich des zweiten bis siebten Teils des Umwandlungssteuergesetzes gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwStG auf Umwandlungen i. S. d. § 1 UmwG begrenzt. Als Arten der Umwandlung regelt § 1 Abs. 1 UmwG die Verschmelzung, Spaltung Vermögensübertragung sowie den Formwechsel. Eine Sitzverlegung einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland ist somit von diesem Anwendungsbereich des UmwStG ausgenommen. Ebenso wenig liegt bei einem Zuzug der nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ins Inland eine Einbringung gem. §§ 20 ff. UmwStG vor. Eine Aufdeckung und Besteuerung der stillen Reserven der Betriebsstätte wird bei einer Verwaltungssitzverlegung ins Inland schon dadurch verhindert, dass kein Besteuerungstatbestand gegeben ist. Eine Zuhilfenahme des ohnehin nicht einschlägigen UmwStG ist nicht erforderlich258. 257
Rohde, S. 319. Rohde, S. 319 ff., prüft dagegen hilfsweise für den Fall, dass der Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG eröffnet ist, die analoge Anwendung des Umwandlungssteuergesetzes, die richtlinienkonforme Auslegung des Umwandlungssteuergesetzes sowie die EG-vertragskonforme Auslegung des Umwandlungssteuergesetzes. Schlenker, S. 130, differenziert danach, ob die Gesellschafter der zugezogenen Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts im Inland eine neue Kapitalgesellschaft deutschen Rechts gründen oder ob die Gesellschaft im Inland als Personengesellschaft tätig wird. Im letzteren Fall sei eine Schlussbesteuerung der inländischen Betriebsstätte nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG durchzuführen, da ein Rechtsträgerwechsel stattgefunden habe. Die Besteuerung könne jedoch durch eine analoge Anwendung des § 14 Satz 1 UmwStG vermieden werden. Diese Lösung ist schon deshalb abzulehnen, da, wie bereits ausführlich dargestellt wurde, auch in den Fällen, in denen die zugezogene Gesellschaft als inländische Personengesellschaft bzw. als (kaufmännische) Einzelperson zu werten ist, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG nicht gegeben sind. Eine Neugründung als inländische Kapitalgesellschaft ist nicht notwendig, um die Besteuerung zu verhindern. Zudem sind bei einer Sitzverlegung einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ins Inland, die dazu führt, dass die Gesellschaft als inländische Gesell258
B. Zuzugsbesteuerung
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Die Frage nach der Anwendbarkeit des UmwStG stellt sich erst, wenn die Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts nach ihrem Zuzug ins Inland eine Umwandlung beabsichtigt259. Das UmwStG zählt in § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwStG die übertragenden Rechtsträger abschließend auf260. Übertragende Rechtsträger können danach Kapitalgesellschaften sein. Nach der Definition des § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG können nur die inländischen Kapitalgesellschaften übertragende Rechtsträger sein261. Aufgrund der annexartigen Verknüpfung des Umwandlungssteuerrechts mit dem Umwandlungsrecht, wie sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwStG ergibt, muss es sich auch um einen Umwandlungsvorgang i. S. d. § 1 UmwG handeln262. § 1 Abs. 1 UmwG beschränkt den Anwendungsbereich für Umwandlungen auf Rechtsträger mit Sitz im Inland. Es ist umstritten, ob darunter der satzungsmäßige Sitz oder der Verwaltungssitz zu verstehen ist263. Selbst wenn auf den Verwaltungssitz abgestellt wird, ist der Anwendungsbereich des UmwStG für nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften, die ihren Verwaltungssitz ins Inland verlegt haben, nicht eröffnet. Zwar sind sie, da sich auch der Ort der Geschäftsleitung im Inland befindet, unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig gem. § 1 Abs. 1 KStG, was nach § 1 Abs. 5 UmwStG Voraussetzung ist. Sie sind allerdings keine Kapitalgesellschaften i. S. d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG und damit auch keine Kapitalgesellschaften i. S. d. § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwStG264. Es ist fraglich, ob die Begrenzung auf inländische Kapitalgesellschaftsformen mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts vereinbar ist265. Dies soll hier aber nicht näher untersucht werden. schaft beurteilt wird, die Vorschriften des UmwStG und damit auch § 14 Satz 1 UmwStG nicht anwendbar. 259 Es handelt sich dann nicht um eine Umwandlung, an denen Gesellschaften mit Verwaltungssitzen in verschiedenen Staaten beteiligt sind. Die zugezogene Kapitalgesellschaft hat nämlich ihren Verwaltungssitz im Inland. Es muss vielmehr von einer Rechtsgrenzen überschreitenden Umstrukturierung gesprochen werden, wenn wenigstens eine der beteiligten Gesellschaften einer anderen Rechtsordnung unterliegt als die neue, angestrebte Rechtsform, vgl. Rehm/Engert, in: Eidenmüller, § 4 Rn. 55. 260 Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Jost, § 1 Rn. 7; Haritz, in: Haritz/Benkert, § 1 Rn. 21. 261 Haritz, in: Haritz/Benkert, § 1 Rn. 23; von Busekist, GmbHR 2004, S. 650, 652. § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG betrifft zwar nur die verschmelzungsfähigen Rechtsträger, in den anderen Büchern des UmwG wird aber auf die Bestimmungen über die Verschmelzung verwiesen, wie sich aus §§ 124, 176, 191 UmwG ergibt, vgl. Haritz, in: Haritz/Benkert, § 1 Rn. 23. 262 Kloster, GmbHR 2003, S. 1413; Dautzenberg, StuB 2003, S. 405, 407 f. 263 Siehe hierzu Dötsch, in: Dötsch/Patt/Pung/Jost, Einf Rn. 6; Engert, in: Eidenmüller, § 4 Rn. 76. 264 Haritz, in: Haritz/Benkert, § 1 Rn. 21 und 23; Rohde, S. 319 f. 265 Vgl. auch Haritz, in: Haritz/Benkert, § 1 Rn. 23. Was die Frage der Gemeinschaftsrechtskonformität der Beschränkung des § 1 Abs. 1 UmwG auf Rechtsträger
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
Nach dem steuerneutralen Zuzug ins Inland steht der nach ausländischem Recht gegründeten Gesellschaft aber die steuerneutrale Übertragung ihres Vermögens auf eine inländische Kapitalgesellschaft gem. § 20 UmwStG offen, wenn sie tatsächlich in das Kleid einer deutschen Kapitalgesellschaftsform schlüpfen will266. Die Einbringung ist infolge der Fortführung der Buchwerte steuerneutral. Hinsichtlich dieser Buchwertübernahme besteht ein Wahlrecht gem. § 20 Abs. 2 UmwStG267. Eine Ausnahme ist dann gegeben, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 Abs. 3 UmwStG vorliegen. Während § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwStG i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG den Anwendungsbereich des zweiten bis siebten Teils des UmwStG auf inländische Kapitalgesellschaften als übertragende Rechtsträger festlegt, ist hinsichtlich der Person des Einbringenden in § 20 Abs. 1 UmwStG, welcher zum achten Teil des UmwStG gehört, keine Regelung enthalten. Es kommen daher grundsätzlich alle natürlichen Personen, Personengesellschaften und Körperschaften in Betracht268. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass auch eine zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts Einbringender i. S.d § 20 UmwStG sein kann269. mit Sitz im Inland betrifft, so existiert eine Vorlage des LG Koblenz an den EuGH durch Beschluss vom 16.09.2003, BB 2003, 2530. Die Europarechtswidrigkeit des § 1 Abs. 1 UmwG würde auch auf die Regelung des § 1 Abs. 1 UmwStG durchschlagen, vgl. Kloster, GmbHR 2003, S. 1413, 1416. In der Literatur herrscht Uneinigkeit darüber, ob das Umwandlungsgesetz grenzüberschreitende Umwandlungen zulässt, vgl. die Darstellung bei Dorr/Stukenborg, DB 2003, S. 647 ff.; Wenglorz, BB 2004, S. 1061, 1062 f. Die Rechtsprechung hat in jüngerer Zeit zwei Verschmelzungen von ausländischen Gesellschaften auf eine deutsche Gesellschaft ins Handelsregister eingetragen, siehe hierzu die Ausführungen des LG Koblenz, BB 2003, 2530, 2531. Nur wenn eine transnationale Umwandlung nach den Regelungen des UmwG abgelehnt wird, stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit der Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG. Die Europäische Kommission hat am 18.11.2003 einen Richtlinienvorschlag zur grenzüberschreitenden Verschmelzung von Kapitalgesellschaften vorgelegt, siehe hierzu Paefgen, GmbHR 2004, S. 463, 475; Kollmann, AG-Report Heft 1/2004, R 9; Maul/Teichmann/Wenz, BB 2003, S. 2633 ff. Mit der Einführung der Europäischen Aktiengesellschaft ist zum ersten Mal eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für grenzüberschreitende Verschmelzungen gegeben, vgl. Engert, DStR 2004, S. 664 f.; Ruhwinkel, UM 2004, S. 147 f.; Thömmes, IWB Fach 11 Gruppe 2 2003, S. 625, 632. 266 Buyer, DB 1990, S. 1682, 1693. 267 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Jost, Vor § 20 Rn. 7. 268 Patt, in: Dötsch/Patt/Pung/Jost, § 20 Rn. 2; Widmann, in: Widmann/Mayer, § 20 Rn. 424 ff. 269 Als aufnehmende Rechtsträger kommen dagegen nur Kapitalgesellschaften i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG in Betracht. Grenzüberschreitende Kapitalgesellschaften sind bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit den inländischen Kapitalgesellschaftsformen als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einzuordnen und können daher auch die Rolle des aufnehmenden Rechtsträgers übernehmen, vgl. hierzu 4. Teil A. I. 1. b. ee.
B. Zuzugsbesteuerung
423
6. Zuzugsbesteuerung bei Neugründung im Inland bzw. bei Eintragung ins Handelsregister Fraglich ist noch, ob eine Schlussbesteuerung gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG stattzufinden hat, wenn sich die nach ausländischem Recht errichtete Gesellschaft nach ihrem Zuzug ins Inland einer Neugründung unterzieht. Haase lehnt eine solche Besteuerung mit dem Argument ab, dass es an einem Rechtsträgerwechsel fehle. Die Gesellschaft sei steuerrechtlich vor und nach der Sitzverlegung identisch270. Zisowski untersucht die Frage nach der Schlussbesteuerung auch für den Fall, dass die ausländische Gesellschaft nicht nur ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegt, sondern auch die Eintragung ins inländische Handelsregister betreibt271. Entscheidend sei, ob aus deutscher Sicht der Eintragung ins inländische Register gerade nicht die Qualität einer Neugründung beigemessen werde, sondern der Umzug unter Wahrung der Identität der Gesellschaft möglich sei272. Die deutsche Rechtsordnung stehe seiner Ansicht nach einem Zuzug unter Wahrung der Identität nicht im Wege. Eine Abhängigkeit von der Rechtsordnung des ausländischen Wegzugsstaates hinsichtlich der Frage, ob die im Ausland gegründete Gesellschaft ihre ursprüngliche Identität beibehält, vermeidet er, indem er die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG aufgrund der von ihm angenommenen Regelungslücke teleologisch reduziert. Die Entscheidung über die Schlussbesteuerung dürfe nämlich nicht in der Hand des ausländischen Staates liegen. Ansonsten würden nicht mehr die deutschen Steuergesetze, sondern der Zufall über eine Besteuerung entscheiden. Es würde an einer gleichmäßigen Besteuerung vergleichbarer Sachverhalte fehlen. Die Wertungen der ausländischen Rechtsordnung seien daher außer Acht zu lassen273. Nach Zisowski ist somit, da ein identitätswahrender Zuzug möglich sei, eine Schlussbesteuerung gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG auch beim Zuzug einer ausländischen Kapitalgesellschaft bei Eintragung ins inländische Handelsregister nicht durchzuführen. Selbst wenn sich die nach ausländischem Recht gegründete Gesellschaft nach ihrem Zuzug entscheiden sollte, sich in Deutschland als inländische Kapitalgesellschaft neu zu gründen, kann der Besteuerungstatbestand des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG nicht einschlägig sein. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG erfasst nämlich nur beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen 270 271 272 273
Haase, IStR 2004, S. 232, 235. Siehe im Einzelnen Zisowski, S. 78 ff. Zisowski, S. 78 f. Zisowski, S. 79 ff.
424
7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
gem. § 2 Nr. 1 KStG, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben274. Mit der Verwaltungssitzverlegung und damit der Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland werden die ausländischen Kapitalgesellschaften im Inland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG. Nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise handelt es sich bei einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit den deutschen Kapitalgesellschaftsformen um Körperschaftsteuersubjekte gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Nach der Rechtsprechung des BFH275 ist die zugezogene Gesellschaft nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 3 Abs. 1 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig. Das von § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG vorausgesetzte Tatbestandsmerkmal der beschränkten Steuerpflicht des übertragenden Rechtsträgers liegt somit ab dem Zeitpunkt des Zuzugs nach Deutschland nicht mehr vor. Somit kann bei einer späteren, d.h. nach der Sitzverlegung erfolgenden, Neugründung eine Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG nicht mehr stattfinden.
II. Verlegung des Satzungssitzes ins Inland unter Beibehaltung der Geschäftsleitung im Ausland Denkbar ist auch die allerdings selten vorkommende Zuzugskonstellation der Verlegung des Satzungssitzes ins Inland. Für den Fall, dass die zugezogene Gesellschaft bereits vor ihrem Zuzug über eine inländische Betriebsstätte verfügt hat, können hinsichtlich der Frage nach einer Zuzugsbesteuerung die bereits im Rahmen der Verwaltungssitzverlegung gemachten Ausführungen und Argumente herangezogen werden. Es kommt folglich nicht zu einer Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG276. 274 Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 40; Lenz, in: Erle/Sauter, § 12 Rn. 39; Dötsch, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 12 KStG Rn. 45. 275 BFH, BStBl. II 1992, 972. 276 Im Ergebnis ebenso Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 52. Dinkhoff, S. 259 f., lehnt von vornherein eine Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG ab, da die Handelsregistereintragung des Satzungssitzes einer nach ausländischem Recht errichteten Kapitalgesellschaft auch bei nachträglicher Verlegung ins Inland sachrechtlich ausgeschlossen sei. Allerdings ist die zugezogene Gesellschaft, wenn sie im Inland geschäftlich tätig ist, kein rechtliches Nullum. Sie verliert zwar ihre Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft, muss aber im Inland bei einem Statutenwechsel als Personengesellschaft oder (kaufmännische) Einzelperson angesehen werden, vgl. 2. Teil B. I. Für eine Abschlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG fehlt es an der Tatbestandsvoraussetzung der Vermögensübertragung auf einen anderen, vgl. 7. Teil B. I. 1. b. bb. (2). Zudem kann wiederum die hinter der Schlussbesteuerung des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG stehende ratio legis als Argument gegen eine Zuzugsbesteuerung angeführt werden, vgl. 7. Teil B. I. 3. Auch würde eine Besteuerung gegen Art. 12 EG verstoßen, vgl. hierzu 4. Teil A. II. 1. und 6. Teil B. II. 1. a. bb.
B. Zuzugsbesteuerung
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III. Verlegung der Geschäftsleitung und des Satzungssitzes ins Inland Ebenso wenig ist eine Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG mangels Vermögensübertragung auf einen anderen durchzuführen, wenn sowohl der Satzungssitz als auch der Verwaltungssitz einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland verlegt werden277. Verlegt die Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts bei bereits bestehender inländischer Geschäftsleitung ihren Satzungssitz ins Inland, so wird durch die Verlegung des Satzungssitzes keine Schlussbesteuerung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG ausgelöst. Bereits vor dieser Verlegung ist die Gesellschaft aufgrund ihrer inländischen Geschäftsleitung unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG gewesen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG sind demnach nicht gegeben278. Ebenso wenig kommt eine Abschlussbesteuerung der inländischen Betriebsstätte nach § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG infolge der Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland in Betracht, wenn die Gesellschaft schon zuvor ihren Satzungssitz nach Deutschland verlegt hatte. Nach der favorisierten wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft mit der Verlagerung ihres Satzungssitzes unter der Voraussetzung einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaft ein unbeschränkt steuerpflichtiges Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG geworden279. Die nachfolgende Verlegung der Geschäftsleitung 277 Im Ergebnis ebenso Kolbe, in: H/H/R, § 12 KStG Anm. 52; Dörrfuß, IStR 2001, S. 147, 149. Bei der Europäischen Aktiengesellschaft, die unter Erhaltung ihrer Rechtspersönlichkeit ihren satzungsmäßigen Sitz und ihren Verwaltungssitz verlegen kann, findet unproblematisch keine Besteuerung gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG statt. Der Streit hinsichtlich der Anwendbarkeit dieser Vorschrift im Zuzugsfall, wenn schon vor der Sitzverlegung eine inländische Betriebsstätte vorhanden war, spielt bei der SE überhaupt keine Rolle. Das Betriebsstättenvermögen wird nicht auf eine andere Person übertragen. Die Buchwerte der Wirtschaftsgüter sind daher fortzuführen, vgl. Förster/Lange, RIW 2002, S. 585, 589. 278 Widmann, in: Widmann/Mayer, Anhang 7 Rn. 47. Nach der Ansicht von Eilers/Wienands, IStR 1999, S. 289, 296, stellt sich die Frage, ob die im Inland steuerverhafteten stillen Reserven mit dem Zuzug zu realisieren sind, ebenso, wenn die Gesellschaft bereits vor der Verlegung ihres Satzungssitzes ins Inland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig war. Im Ergebnis lehnen sie zwar eine Zuzugsbesteuerung ab, allerdings mit denselben Argumenten, mit denen auch eine Abschlussbesteuerung beim Wechsel von der beschränkten zur unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht abgelehnt wird. Dem kann nicht gefolgt werden. Der gesetzliche Besteuerungstatbestand des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG greift deshalb nicht ein, weil im Moment der Verlegung des Satzungssitzes ins Inland keine beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Gesellschaft gegeben ist, wie es § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG voraussetzt.
426
7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
ins Inland kann somit nicht zur Anwendung des Besteuerungstatbestandes des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG führen. Im Ergebnis kann somit festgehalten werden, dass in sämtlichen Zuzugsfällen einer Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts, die vor ihrem Zuzug nach Deutschland über eine inländische Betriebsstätte verfügt hat, eine Betriebsstättenschlussbesteuerung ausscheidet. Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG greift bereits mangels Erfüllung ihrer Tatbestandsvoraussetzungen nicht ein.
IV. Steuerliche Folgen des Zuzugs einer ausländischen Kapitalgesellschaft auf der Ebene des Anteilseigners Klärungsbedürftig hinsichtlich des Zuzugs einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland ist noch, ob sich auf der Ebene der Anteilseigner steuerliche Folgen ergeben. Betroffen sein können nicht nur unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner, sondern auch im Ausland ansässige Beteiligte an der Kapitalgesellschaft, wie sich aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 e i. V. m. § 17 EStG ergibt. Im Rahmen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 e wird global auf § 17 EStG und damit auch auf die Regelung des § 17 Abs. 4 EStG verwiesen280. Es ist somit fraglich, ob der Zuzug einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland den Besteuerungstatbestand des § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG auslöst. Auch Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft können solche i. S. d. § 17 Abs. 4 EStG sein281. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 17 EStG ist es daher unerheblich, ob es sich um eine Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft handelt. Zusätzliche Voraussetzung ist aber, dass es sich bei der ausländischen Gesellschaft um eine steuerliche Kapitalgesellschaft handelt. Unter Anwendung des Rechtstypenvergleichs muss also eine den inländischen Kapitalgesellschaftsformen vergleichbare Gesellschaftsform gegeben sein. Löst die Sitzverlegung einer nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaft ins Inland die Auflösung der Gesellschaft aus, ist nach einer Ansicht der Besteuerungstatbestand des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG anwendbar282. Demzufolge muss danach unterschieden werden, ob der Gründungsstaat der ausländischen Kapitalgesellschaft deren Wegzug ohne negative zivilrechtliche Konsequenzen zulässt. In einem solchen Fall ist der 279 280 281 282
Vgl. 2. Teil B. II. und 4. Teil A. II. Widmann, in: Widmann/Mayer, Anhang 7 Rn. 29. Dötsch/Pung, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 17 EStG Rn. 207. Dötsch/Pung, in: Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, § 17 EStG Rn. 207.
B. Zuzugsbesteuerung
427
Zuzugsstaat Deutschland vor dem Hintergrund der Anforderungen des Gemeinschaftsrechts verpflichtet, die zugezogene Gesellschaft als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts, die weiterhin der ausländischen Rechtsordnung untersteht, anzusehen283. Die Verlegung des Verwaltungssitzes ins Inland führt daher in diesen Zuzugskonstellationen nicht zur Auflösung der ausländischen Kapitalgesellschaft, die Tatbestandsvoraussetzung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG ist in diesem Fall nicht erfüllt. Fraglich ist, ob eine Liquidationsbesteuerung nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG durchzuführen ist, wenn der zugezogenen Gesellschaft von ihrem Gründungsstaat die Rechtsfähigkeit als Kapitalgesellschaft aberkannt wird. Im Inland wird die Gesellschaft dann als Personengesellschaft bzw. (kaufmännische) Einzelperson qualifiziert284. Die Besteuerung nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG hat als Voraussetzungen die Auflösung und Abwicklung einer Gesellschaft. Eine Liquidation i. S. d. § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG liegt nur vor, wenn die nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft infolge des Zuzugs nach Deutschland nach ihrem Gründungsrecht liquidiert wird285. Trotz ihrer zivilrechtlichen Einordnung als Personengesellschaft bzw. als natürliche Person wird die zugezogene Gesellschaft in steuerlicher Hinsicht unter der Voraussetzung einer entsprechenden Vergleichbarkeit mit einer inländischen Kapitalgesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingeordnet. Mit dieser steuerlichen Beurteilung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft steht es nicht im Einklang, im Zeitpunkt des Zuzugs eine tatsächlich nicht vollzogene Liquidation zu fingieren und die in der Beteiligung steckenden stillen Reserven in diesem Zeitpunkt auf Anteilseignerebene der Besteuerung zu unterwerfen286. Die zugezogene Gesellschaft ist in aller Regel weiterhin geschäftlich aktiv. Erfolgt keine Liquidation der Gesellschaft, kann eine Besteuerung gem. § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG auch mangels Eintritts des Besteuerungszeitpunkt nicht stattfinden287. Es kommt zudem bei einer bloß fingierten Auflösung der Gesellschaft nicht zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit des Anteilseigners. Die hinter dem Besteuerungstatbestand des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG stehende ratio legis greift nicht ein288. 283 284 285 286 287 288
Vgl. 2. Teil A. I. 1. b. aa. Vgl. 2. Teil A. I. 2. c. aa. Schwedhelm/Binnewies, DB 1999, S. 1420, 1422 f. Schwedhelm/Binnewies, DB 1999, S. 1420, 1423 f. Vgl. 7. Teil A. V. 2. d. Vgl. 7. Teil A. V. 2. c.
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7. Teil: Zuzugs- und Wegzugsbesteuerung
Wird die Gesellschaft dagegen im Wegzugsstaat infolge der Grenzüberschreitung tatsächlich liquidiert, kann eine Besteuerung gem. § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG durchgeführt werden289. Es kann somit im Ergebnis für die Zuzugsfälle einer Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts festgehalten werden, dass keine Betriebsstättenschlussbesteuerung durchzuführen ist. Auf der Ebene des Anteilseigners findet ebenfalls grundsätzlich keine durch den Zuzug der Kapitalgesellschaft ins Inland ausgelöste Besteuerung statt.
289
Schwedhelm/Binnewies, DB 1999, S. 1420, 1424.
Zusammenfassung Die Kapitalgesellschaften in- oder ausländischen Rechts sind bedeutsame Akteure in der Europäischen Union. Grenzüberschreitende Sitzverlegungen im Binnenmarkt sind angesichts der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft keine Seltenheit. Die ertragsteuerlichen Konsequenzen, die sich infolge eines Zuzugs oder Wegzugs einer Kapitalgesellschaft in- bzw. ausländischen Rechts ergeben, sind für diese Gesellschaften von großer Bedeutung und stellen einen maßgeblichen Entscheidungsfaktor im Hinblick auf eine Sitzverlegung dar. 1. Die grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften in- und ausländischen Rechts sind Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, wenn sich aufgrund ihres Umzugs nach oder aus Deutschland ein alternatives Anknüpfungskriterium in Form des satzungsmäßigen Sitzes oder der Geschäftsleitung gem. § 1 Abs. 1 KStG im Inland befindet. Dieser körperschaftsteuerliche Status ergibt sich in allen Verlegungskonstellationen, d.h. der Verlegung des Satzungssitzes und/oder der Geschäftsleitung, bereits aufgrund der hier vertretenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Die zugezogenen Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts sind ertragsteuerlich i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG einzuordnen, wenn unter Anwendung des Rechtstypenvergleichs eine entsprechende Vergleichbarkeit mit den inländischen Kapitalgesellschaften gegeben ist. Der nationale Gesetzgeber sollte die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit der zugezogenen Gesellschaften im Körperschaftsteuergesetz entsprechend klarstellen. Dies könnte durch eine Änderung des § 1 Abs. 1 KStG insgesamt geschehen, indem durch einen Zusatz explizit in Bezug auf die Gesellschaften ausländischen Rechts zum Ausdruck gebracht wird, dass diese die Körperschaftsteuersubjekteigenschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG besitzen, wenn sie den im Rahmen des § 1 Abs. 1 KStG genannten Körperschaftsteuersubjekten vergleichbar sind. 2. Ausländische Kapitalgesellschaften, die ihren Verwaltungssitz und damit ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegt haben, können auch bei einer strikten zivilrechtlichen Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG unter diese Vorschrift subsumiert werden, wenn der Wegzugsstaat ihnen nicht die Rechtsfähigkeit infolge ihres Umzugs aberkennt. Dies ergibt sich aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des EuGH, wonach diese Gesellschaften im Inland als rechtsfähige Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts anzuerkennen sind.
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Zusammenfassung
3. Die integrationsfreundliche Auslegung der Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG durch den EuGH hat enorme Auswirkungen auf die innerstaatlichen Regelungen im Bereich der direkten Steuern. Auf dem Gebiet der direkten Steuern sind bereits einige Entscheidungen des EuGH ergangen. Die Anforderungen der Niederlassungsfreiheit müssen aber grundsätzlich, unabhängig von der bereits ergangenen EuGH-Rechtsprechung, von den EU-Mitgliedstaaten beachtet werden. Diese Grundfreiheit hat im Hinblick auf die ertragsteuerliche Behandlung grenzüberschreitender Kapitalgesellschaften in- oder ausländischen Rechts zahlreiche Folgen. Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts dürfen nicht im Vergleich zu den ihnen entsprechenden inländischen Kapitalgesellschaften steuerlich benachteiligt werden. In Bezug auf diese zugezogenen Gesellschaften ausländischen Rechts besteht ein gemeinschaftsrechtliches Diskriminierungsverbot in steuerlicher Hinsicht. Ebenso muss im Rahmen der steuerlichen Behandlung der ausländischen Kapitalgesellschaften ein gemeinschaftsrechtliches Beschränkungsverbot beachtet werden. Letzteres gilt auch gegenüber den wegziehenden Kapitalgesellschaften inländischen Rechts. Diese dürfen gegenüber den im Inland verbleibenden Kapitalgesellschaften nicht schlechter gestellt werden. Verstoßen steuerliche Vorschriften gegen die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, müssen die entsprechenden Regelungen aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts außer Anwendung bleiben, es sei denn sie können gemeinschaftsrechtskonform ausgelegt werden. Kommen bei einer steuerlichen Regelung verschiedene Auslegungen in Betracht, von denen nur eine mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, müssen die Finanzrechtsprechung und die Finanzverwaltung diese gemeinschaftsrechtskonform auslegen. 4. In allen Zuzugs- und Wegzugsfällen inländischer oder ausländischer Kapitalgesellschaften müssen diese daher auch aufgrund des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots bzw. Beschränkungsverbots als Körperschaftsteuersubjekte i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG eingestuft werden, wenn sich ein alternatives Anknüpfungskriterium i. S. d. § 1 Abs. 1 KStG im Inland befindet. Die gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG resultiert aus dem Umstand, dass an diesen körperschaftsteuerlichen Status verschiedene Vergünstigungen anknüpfen, die den grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften nicht vorenthalten werden dürfen. Verlegt die ausländische Gesellschaft ihre Geschäftsleitung ins Inland, führt die Niederlassungsfreiheit zu dieser EG-rechtskonformen Auslegung und bei einer Verlegung des Satzungssitzes ins Inland ist Art. 12 EG ausschlaggebend. Im Falle einer gleichzeitigen Verlegung des Satzungssitzes und der Geschäftsleitung ins Inland greift ebenfalls das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG ein. Hinsichtlich des Wegzugs einer inländischen Kapitalgesellschaft ist eine gemeinschaftsrechtskonforme Ausle-
Zusammenfassung
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gung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ebenfalls erforderlich. Bei einer Verlegung der Geschäftsleitung ins Ausland ergibt sich dies aus Art. 43, 48 EG, während demgegenüber bei der Verlegung des Satzungssitzes Art. 12 EG maßgebend ist. Zu einer ertragsteuerlichen Einstufung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG gelangt man zudem in sämtlichen Fällen des Zuzugs und des Wegzugs aufgrund einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG. Nach Art. 19 Abs. 3 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG müssen den weggezogenen bzw. zugezogenen Gesellschaften die an § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG anknüpfenden steuerlichen Vorteile zugute kommen. Art. 19 Abs. 3 GG findet auch bei einer Verlegung des Satzungssitzes einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland und bei einer Verlegung der Geschäftsleitung einer inländischen Kapitalgesellschaft ins Ausland aufgrund einer EG-rechtskonformen Auslegung des Art. 19 Abs. 3 GG Anwendung. 5. Die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, der eine gesetzliche Begriffsbestimmung der Kapitalgesellschaft im steuerlichen Sinne beinhaltet, hat neben den mit diesem steuerlichen Status verbundenen Vorteilen weitere Auswirkungen ertragsteuerlicher Art. In Bezug auf das Körperschaftsteuerrecht gilt beispielsweise § 8 a KStG auch für die zugezogenen Kapitalgesellschaften. Keinen Einfluss hat die steuerliche Einordnung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG allerdings auf die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 2 KStG, da dieser nur auf eine Buchführungspflicht nach den Vorschriften des deutschen Handelsgesetzbuches abstellt. Auf dem Gebiet des Einkommensteuerrechts führt die ertragsteuerliche Eingruppierung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG dazu, dass § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG anwendbar ist. Die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft kann persönlich haftende Gesellschafterin einer deutschen KG i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG sein. Für die Anteilseigner einer solchen Kapitalgesellschaft hat der körperschaftsteuerliche Status i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG die Anwendbarkeit des § 17 EStG zur Folge. Der Maßgeblichkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 EStG gilt dagegen nur, wenn eine Buchführungs- und Abschlusspflicht nach deutschem Recht besteht, die steuerliche Einstufung der Gesellschaft ist nicht maßgeblich. Im Bereich des Gewerbesteuerrechts ist aufgrund der Einordnung als steuerliche Kapitalgesellschaft i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG auch § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG anwendbar. 6. Den grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften steht das Gestaltungsmittel der Organschaft zur Verfügung. Verlegt eine Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts ihre Geschäftsleitung ins Inland, so kann diese nach der jetzigen Gesetzeslage gem. § 14
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Zusammenfassung
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG die Stellung als Organträger übernehmen. Vor der Änderung der Vorschrift durch das UntStFG war diesbezüglich eine doppelte Inlandsanbindung in Form eines inländischen Satzungssitzes und einer inländischen Geschäftsleitung erforderlich. Für die noch offenen Altfälle genügt sowohl aufgrund des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbotes in Form der Niederlassungsfreiheit als auch aufgrund Verfassungsrechts gem. Art. 19 Abs. 3 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG eine inländische Geschäftsleitung. Die ausländische Kapitalgesellschaft mit inländischer Geschäftsleitung kann auch einen zivilrechtlich wirksamen Ergebnisabführungsvertrag abschließen und zwar entweder als rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts oder als rechtsfähige Personengesellschaft bzw. als natürliche Person. Für diese zugezogenen Gesellschaften, die als Organträger fungieren, findet § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG Anwendung. Diese Vorschrift verstößt trotz des engen Anwendungsbereichs auf ins Inland importierte Auslandsverluste, die für deutsche Besteuerungszwecke Berücksichtigung finden und die gegen Gewinne verrechnet werden, auf die Deutschland keinen Steuerzugriff hat, wegen der Begrenzung des Anwendungsbereichs auf nach ausländischem Recht gegründete Kapitalgesellschaften mit inländischer Geschäftsleitung gegen die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG. Der Gesetzgeber sollte die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG daher wieder aufheben. Eine Berücksichtigung ausländischer Verluste und eine anschließende Nachversteuerung der Gewinne ist ausreichend, um die Interessen des Mitgliedstaates zu wahren. Die nach ausländischem Recht gegründeten Kapitalgesellschaften, die ihre Geschäftsleitung ins Inland verlegt haben, können aufgrund der Niederlassungsfreiheit bzw. des nationalen Verfassungsrechts entgegen dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG auch Organgesellschaften sein. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Marks & Spencer muss insoweit, um grenzüberschreitende Verluste berücksichtigen zu können, nicht abgewartet werden. Bei einer isolierten Verlegung des Satzungssitzes ins Inland besitzt die zugezogene Kapitalgesellschaft angesichts des allgemeinen Diskriminierungsverbots gem. Art. 12 EG und des Verfassungsrechts gem. Art. 19 Abs. 3 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls die Fähigkeit, Organträger zu sein. Den erforderlichen Gewinnabführungsvertrag kann sie zivilrechtlich wirksam abschließen. Vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts und des Verfassungsrechts kann sie zwar auch als Organgesellschaft fungieren, ein zivilrechtlich wirksamer Vertragsabschluss ist in diesem Fall aber nicht möglich. Werden der Satzungssitz und die Geschäftsleitung ins Inland verlegt, kann die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft sowohl die Stellung als Organträger als auch diejenige der Organgesellschaft übernehmen. Sie kann
Zusammenfassung
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jedoch als Organgesellschaft keinen zivilrechtlich wirksamen Ergebnisabführungsvertrag abschließen. Verlegt eine deutsche Kapitalgesellschaft ihre Geschäftsleitung ins Ausland, kann diese aufgrund der Niederlassungsfreiheit, die steuerliche Wegzugsbeschränkungen verbietet, und aufgrund Verfassungsrechts als Organträger sowie als Organgesellschaft fungieren. Ein zivilrechtlich wirksamer Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrages ist möglich. In Bezug auf die Organgesellschaft ist der Vertragsabschluss aber nur dann wirksam, wenn nicht von einer zivilrechtlichen Neueinordnung der Gesellschaftsform ausgegangen wird. Hinsichtlich der Verlegung des Satzungssitzes ins Ausland kann die grenzüberschreitende Kapitalgesellschaft inländischen Rechts sowohl die Rolle als Organträger als auch die als Organgesellschaft übernehmen. Ein zivilrechtlich wirksamer Ergebnisabführungsvertrag kann jeweils abgeschlossen werden. Werden sowohl der Satzungssitz als auch die Geschäftsleitung ins Ausland verlegt, besitzt die Kapitalgesellschaft inländischen Rechts gem. § 18 KStG die Organträgereigenschaft. Hinsichtlich der Stellung als Organgesellschaft existiert keine dem § 18 KStG vergleichbare Regelung. Der Gesetzgeber sollte aus Gründen des Gemeinschafts- und Verfassungsrechts sowie aus rechtspolitischen Erwägungen heraus die Vorschrift des § 14 KStG dahingehend abändern, dass alternativ eine inländische Geschäftsleitung oder ein inländischer Satzungssitz für die Stellung als Organträger bzw. Organgesellschaft genügt. Die Regelung hinsichtlich der Begründung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft entspräche dann der Regelung des § 1 Abs. 1 KStG, der für die Begründung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht alternativ eine inländische Geschäftsleitung oder einen satzungsmäßigen Sitz im Inland verlangt. 7. Im Hinblick auf die Schlussbesteuerung der grenzüberschreitenden Kapitalgesellschaften muss zwischen dem Wegzug und dem Zuzug differenziert werden. Die isolierte Verlegung der Geschäftsleitung bzw. die alleinige Verlegung des Satzungssitzes einer inländischen Kapitalgesellschaft ins Ausland löst keine Abschlussbesteuerung der unter deutscher Steuerhoheit gebildeten stillen Reserven aus. Es greift weder die Wegzugsbesteuerung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG noch die Liquidationsbesteuerung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 KStG ein. Verlegt eine zugezogene Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts, deren Satzungssitz sich stets im Gründungsstaat befunden hat, ihre zuvor ins Inland verlegte Geschäftsleitung ins Ausland zurück, findet der nach dem Wortlaut des Gesetzes einschlägige Wegzugsbesteuerungstatbestand des
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§ 12 Abs. 1 Satz 1 KStG wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts keine Anwendung. Eine solche diskriminierende Schlussbesteuerung verletzt die Gesellschaften in ihrer Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43, 48 EG. Für den Fall eines vollständigen Wegzugs einer Kapitalgesellschaft inoder ausländischen Rechts, die sowohl ihre Geschäftsleitung als auch ihren Satzungssitz gleichzeitig bzw. nacheinander ins Ausland verlegt und eine inländische Betriebsstätte zurücklässt, kann § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG in Bezug auf das in der inländischen Betriebsstätte verbleibende Vermögen bereits wegen des nicht eingreifenden Regelungszwecks nicht anwendbar sein. Der Wegzugsbesteuerungstatbestand ist wegen der Nichtgefährdung der deutschen Besteuerungsgrundlage teleologisch zu reduzieren. Wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts kann § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG zumindest in bestimmten Wegzugskonstellationen allerdings insgesamt nicht eingreifen. Wird zuerst der Satzungssitz und anschließend die Geschäftsleitung ins Ausland verlegt, beschränkt die Wegzugsbesteuerung des § 12 Abs. 1 Satz 1 KStG die Niederlassungsfreiheit der Kapitalgesellschaft. Die Besteuerung der unter deutscher Steuerhoheit bis zum vollständigen Wegzug der Kapitalgesellschaft gebildeten stillen Reserven kann allerdings gemeinschaftsrechtskonform ausgestaltet werden. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem inländischen Steuersystem müssen die stillen Reserven festgestellt werden. Bei späterer Realisation können diese erfassten stillen Reserven der deutschen Besteuerung unterworfen werden, wobei allerdings eine Begrenzung auf den tatsächlich anfallenden Gewinn zu erfolgen hat. Im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Immigrationsstaat müssen die Besteuerungsgrundlagen derart aufgeteilt werden, dass der Zuzugsstaat keinen steuerlichen Zugriff auf die vor dem Wegzug entstandenen stillen Reserven hat. Auf der Ebene des Anteilseigners löst der Wegzug einer Kapitalgesellschaft ins Ausland nicht den Veräußerungsersatztatbestand des § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG aus. Beim Wegzug einer deutschen Kapitalgesellschaft ist bezüglich der Verlegung des Verwaltungssitzes vor dem Hintergrund der Niederlassungsfreiheit i. S. d. Art. 43, 48 EG bereits das Tatbestandsmerkmal der Auflösung nicht erfüllt. Zudem wird dadurch, dass eine deutsche Kapitalgesellschaft ins Ausland wegzieht, nicht die Leistungsfähigkeit des Anteilseigners gesteigert. Darüber hinaus kann eine Besteuerung gem. § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG mangels Abwicklung der Gesellschaft und damit mangels Eintritts des Besteuerungszeitpunktes nicht stattfinden. Bei einem Rückzug einer Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts aus Deutschland greift § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG ebenfalls nicht ein. Durch den Wegzug aus Deutschland wird die Gesellschaft nicht aufgelöst. Richtet sich die
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Frage der Auflösung vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des EuGH nach dem ausländischen Gründungsrecht, dann ist die Konstellation gegeben, dass nach der Rechtsordnung des ausländischen Gründungsstaates der grenzüberschreitende Umzug keine Auflösung zur Folge hat. In den Verlegungsfällen, in denen demgegenüber kein identitätswahrender Zuzug nach Deutschland möglich ist, kann es bei dem sich anschließenden Wegzug aus Deutschland nicht mehr zu einer zivilrechtlichen Auflösung der Gesellschaft kommen. Im Falle des Zuzugs einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland bei bereits bestehender inländischer Betriebsstätte ist keine Betriebsstättenschlussbesteuerung gem. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG durchzuführen. In sämtlichen Zuzugsfällen fehlt es bereits an den Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG. Zudem spricht der hinter § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG stehende Regelungszweck gegen eine solche Abschlussbesteuerung. Das Vermögen der Betriebsstätte bleibt steuerverhaftet, dem deutschen Fiskus gehen keine Besteuerungsgrundlagen verloren. Auch würde eine Besteuerung im Falle der Verlegung der Geschäftsleitung ins Inland gegen Art. 43, 48 EG und im Falle der Verlegung des Satzungssitzes gegen Art. 12 EG verstoßen. Für die Anteilseigner greift § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG häufig nicht ein. Wenn der ausländische Gründungsstaat den Wegzug der Kapitalgesellschaft ohne Auflösung der Gesellschaft zulässt, fehlt es an der Tatbestandsvoraussetzung der Auflösung i. S. d. § 17 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 EStG. In den anderen Fällen, in denen nach der Rechtsordnung des ausländischen Wegzugsstaates der Umzug der Kapitalgesellschaft deren Auflösung zur Folge hat, kommt es vielfach nicht zu einer Liquidation der Gesellschaft. Es kann infolgedessen auch der Besteuerungszeitpunkt nicht eintreten. Zudem ist in diesen Fällen durch den Zuzug der Kapitalgesellschaft ins Inland keine Steigerung der Leistungsfähigkeit der Anteilseigner gegeben.
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Sachverzeichnis Abschlussbesteuerung 30, 364 ff. Abzugsverbot 310, 334 Anrechnungsmethode 335 Ansässigkeitsfiktion 220 Anwendungsvorrang 238, 275 ff., 317, 325 f., 377, 430, 434 Auflösungsbesteuerung 397 ff. Auflösungsgewinn(-verlust) 396 ff. Auslandsverluste 333 ff., 432 Belastungsvergleich 29, 339, 344 Beschränkungsverbot 31, 243, 281 ff., 376, 385, 388, 390, 430 Bestandskraft 377 Besteuerungsaufschub 376, 389 ff., 394 Besteuerungsrecht 346 f., 410, 413 Besteuerungszeitpunkt 402 f., 427, 434 f. Bestimmtheitsgrundsatz 196, 332 Betriebsstätte 29, 182, 192, 200, 234, 246, 344 f., 349, 357 ff., 362 f., 374, 380 ff., 406 ff., 434 f. Betriebsstättenschlussbesteuerung 413 f., 419, 426, 428, 435 Betriebsstättenverlust 344 Blitzgesellschaft 215 Buchführungspflicht 294 ff., 298 ff., 431 Buchwert 382, 407, 422, 425 Buchwertfortführung 417 Buchwertübernahme 422 DBA-Freistellung 335 Diskriminierungsverbot 31, 75, 98, 102, 185 f., 231, 236 f., 240 ff., 243 ff., 269 f., 274 ff., 279 f., 281 ff.,
314 ff., 324 ff., 341 ff., 347 ff., 351, 356, 372, 375 ff., 378, 385, 389, 430 ff. doppelansässige Kapitalgesellschaft 33, 242 f., 249, 255, 262, 301, 311 ff., 323 ff., 328 ff., 347, 359 Doppelbesteuerung 49, 62, 339, 341 Doppelbesteuerungsabkommen 45, 59, 220, 317, 346 f., 392 ff., 410, 418, 434 doppelte Verlustnutzung 328 ff., 362 Douple Dip-Gestaltungen 329 Drittorganschaft siehe Fremdorganschaft dual consolidated loss rules 329 Dual-Resident-Gesellschaft siehe doppelansässige Kapitalgesellschaft eigenkapitalersetzender Charakter 304 f. einheitlicher Gewerbebetrieb 306 Ergebnisabführungsvertrag siehe Gewinnabführungsvertrag Ergebniskonsolidierung 309 f. Ersatzrealisierungstatbestände 365, 400 Europäische Aktiengesellschaft 382 ff., 422, 425 fiktiver Sitz 180, 270, 279 Formwechsel 198, 420 Fremdeinkommen 337 Fremdorganschaft 168 gemeiner Wert 382, 396, 407 Gemeinschaftsrecht 27, 30 f., 35, 75 f., 81 ff., 105 ff., 117, 150, 153, 158, 161, 173, 180 ff., 189 ff., 193,
Sachverzeichnis 201 ff., 230 ff., 235 ff., 291 f., 314 ff., 324 ff., 341 ff., 347 f., 349, 351, 353 ff., 359 ff., 374, 375 ff., 384 f., 386 ff., 398 ff., 408 f., 418, 421, 427, 430 ff. gemeinschaftsrechtlicher Erstattungsanspruch 377 gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung 31, 104, 155 f., 235 ff., 315, 355, 377, 430 f. Gesamtrechtsnachfolge 231, 414, 416 Geschäftsleitung siehe Verwaltungssitz Gesellschafter-Fremdfinanzierung 362 Gesellschaftsstatut 33 ff., 57, 78 ff., 177 f., 181, 186, 194 ff., 212, 218, 228, 373, 400, 404, 408 gewerblich geprägte Personengesellschaft 300 f. Gewinnabführungsvertrag 308, 310, 318 ff., 323, 327 f., 349, 350 ff., 355 ff., 363, 432 f. Gleichbehandlungsgrundsatz (europäischer) 245 ff., 267, 325, 347 ff. Gleichheitssatz (Art. 3 GG) 63 ff., 133 ff., 279, 317 Gründungstheorie 36 ff., 50, 77, 80, 92 ff., 111, 149, 159, 161, 177 f., 186, 194, 198 ff., 208 ff., 218 ff., 236, 248 Grundfreiheit 93, 101, 117, 182, 202 ff., 209, 212, 237 ff., 261 ff., 270, 274, 282 ff., 317, 335, 342, 354, 395, 418, 430 Grundlagengeschäft 169 Grundrechtsträgerschaft 136 ff., 268, 272 ff., 280, 286 ff., 318, 363 Gruppenbesteuerung 324, 331, 341, 359 ff. Halbeinkünfteverfahren 310, 396 Hauptniederlassung 181, 183, 190, 197, 241, 270 Hauptverwaltung 86, 180, 183, 190, 197, 241, 270, 383
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Inländergleichbehandlung 243, 245, 267, 274, 277, 282 ff., 315 inländische Einkünfte 52, 55 ff., 61 ff., 143, 192, 234, 344, 357 ff., 397 ff., 417 internationales Gesellschaftsrecht 30, 33 ff., 75, 77, 80, 104, 177, 207, 212, 227, 245, 318, 332, 370 internationales Privatrecht 33 f., 57 ff., 93, 96, 108, 120 ff., 161 f., 194, 199, 228, 245, 319, 322 Körperschaftsteuersubjekt siehe Körperschaftsteuersubjektfähigkeit Körperschaftsteuersubjektfähigkeit 30 f., 32, 39, 45, 51 ff., 73 ff., 193 ff., 235 ff., 290 ff., 309, 311, 313, 347, 365, 367 f., 372 ff., 399, 401, 404, 422, 424 ff., 429 ff. Kohärenzgrundsatz 265 Kollisionsfall 238, 274 Kollisionsrecht 38, 40, 46, 77 f., 92 ff., 177 f., 194 ff., 207, 218, 228 ff. Kompensationsverbot 265 konsolidiertes Einkommen 309, 337 f. Konsolidierungskreis 341 Leistungsfähigkeit 63 ff., 135 ff., 166, 268, 280, 317, 326, 332, 335 ff., 349, 354, 362 f., 400 ff., 427, 434 f. lex causae 58 lex fori 56 ff., 71, 103, 141, 144, 147, 151, 158 f., 162, 175, 222 Liquidation 36, 115, 196, 199, 221, 224, 226, 233 f., 254, 287, 303 f., 355 ff., 366 ff., 377, 402 f., 427, 435 Liquidationsbesteuerung 366 ff., 400, 427, 433 Liquidationsgesellschaft 115, 221, 224, 233 f., 287, 355 ff., 366, 377 f. Liquidationsguthaben 370 Maßgeblichkeitsgrundsatz 298 ff., 431 Mindestkapital 89 f., 169, 214 ff., 382
460
Sachverzeichnis
Mitbestimmung 94, 197, 301, 382 Mitunternehmerschaft 53, 61, 66 ff., 124, 127, 140, 174 Mitwirkungspflicht 391 Muttergesellschaft 29, 44, 257 f., 291 f., 359 ff. nachträgliche Anschaffungskosten 304 f., 396, 402 Nachversteuerung 345, 362 f., 432 negatives Einkommen 328, 332 ff., 336 ff. Neutralitätsprinzip 389 Niederlassungsfreiheit 27 ff., 81 ff., 105 ff., 180 ff., 189 ff., 201 ff., 217, 230 f., 236, 237 ff., 269 ff., 279, 281 ff., 291 f., 301, 315, 322, 324 ff., 328, 335, 342 ff., 347 f., 350 ff., 354 ff., 375 ff., 384 ff., 398 f., 403, 409, 418, 422, 430 ff. Obergesellschaft siehe Organträger Organgesellschaft 308 ff., 313, 318 ff., 323 ff., 333, 337 f., 341, 349, 350 f., 352, 355 f., 356 f., 358 f., 360 ff., 432 f. Organschaft 30 f., 292, 308 ff., 431, 433 Organschaftsbesteuerung 308 ff. Organträger 98, 102, 110, 308 ff., 311 ff., 323 ff., 328 ff., 346 ff., 351 f., 353 ff., 356, 357 f., 359 f., 432 f. Ort der Geschäftsleitung siehe Verwaltungssitz Personalstatut siehe Gesellschaftsstatut Primärrecht 28, 30 f., 86, 90, 214, 237, 239 f., 271 Quelleneinkünfte 219 Realisationsprinzip 365 Recapture-Besteuerung 335
rechtliches Nullum 120, 138, 178, 247, 279, 321, 352, 355, 412, 424 Rechtsfähigkeit 47, 49, 57 ff., 66 f., 71, 74 ff., 105 ff., 158 ff., 179, 185, 188 ff., 195, 198 ff., 203 ff., 217 ff., 231 ff., 235 ff., 295 ff., 318 ff., 327 f., 351 f., 355 ff., 372 f., 404 f., 408 ff. Rechtssicherheit 37, 44, 53 ff., 57, 70, 110, 140, 151, 153, 165, 176, 225 f., 332 Rechtsstaatsprinzip 165, 332 Rechtstypenvergleich 67 ff., 74, 98 f., 109, 111, 114 ff., 127 f., 134, 139 ff., 144 ff., 156 ff., 179, 191, 227, 236, 247, 293, 299, 306, 371, 399, 404, 426, 429 Restgesellschaft 415 Rückverweisung 34, 178, 198, 200 Sachrecht 30, 77, 78 f., 84, 93, 177 f., 190, 194 ff., 207, 218 f., 223 ff., 228 ff., 378, 397, 399, 403, 424 satzungsmäßiger Sitz siehe Satzungssitz Satzungssitz 33, 35, 38 ff., 73 ff., 176 ff., 188 ff., 191 f., 193, 228 ff., 234, 235, 269 ff., 279 f., 281, 286 f., 288, 290, 311 ff., 346 ff., 351 f., 353 ff., 356 f., 357 ff., 359 ff., 364 ff., 377 ff., 408, 424, 425, 429 ff. Schachtelbeteiligung 249 Schachtelprivileg 249, 258 f. Scheingeschäft 180 Schlussbesteuerung 30, 364 ff. SE siehe Europäische Aktiengesellschaft Sekundärrecht 27, 86, 187, 208, 213 f., 237, 271, 363, 406 Selbstorganschaft 168 Singularsukzession 414 Sitztheorie 33 ff., 39 ff., 76 ff., 105 ff., 161, 173, 177, 186, 194, 198 ff., 208 ff., 217 ff., 228, 245, 248, 251, 259, 265 f., 268 f., 287,
Sachverzeichnis 300, 318 ff., 355 f., 366, 368, 373, 399, 405, 408, 412 ff., 416 f. Sitzverlegungsrichtlinie 186 ff., 208, 271, 400 Souveränität 59, 61 f., 237, 346 f. Spaltung 420 statutarischer Sitz siehe Satzungssitz Statutenwechsel 80, 177 f., 182, 194, 197 f., 218, 350, 424 Steuerauskunft 391 Steuerentstrickung 365 Steuerfreistellung 250, 310 steuerlastschaffende Analogie 419 Steuerminderungseffekt 339 Steuerneutralität 262 stille Reserven 30, 204, 364 ff. Subsidiaritätsprinzip 234, 239, 368
verdeckte 291 f., 364
teleologische Reduktion 154, 199, 331 ff., 336, 349, 381 ff., 384 ff., 423, 434 Territorialitätsprinzip 264, 266, 391 Tochtergesellschaft 27, 44, 50, 215, 257 f., 291 f., 316, 344, 360, 362 f., 413 f. Trennungsprinzip 73, 168 Typenvergleich siehe Rechtstypenvergleich
Vorgesellschaft 410 f.
461 Gewinnausschüttungen
verfassungskonforme Auslegung 31, 268 f., 272 ff., 280, 286 f., 288 f., 336, 431 Verhältnismäßigkeit 263 ff., 345, 386, 401 Verlustrücktrag 339 Vermögensübertragung 413 ff., 416 f., 420, 424, 425 Verrechnungsverbot 344 f. Verschmelzung 292, 420 ff. Verwaltungssitz 33, 39 ff., 73 188 ff., 191 f., 193 ff., 234, 235 279 f., 281 ff., 311 ff., 351 f., 353 357 ff., 364 ff., 371 ff., 408 425 f., 429 ff.
ff., ff., ff., ff.,
122 ff., 145 f., 149,
Wegzugsbesteuerung 364 ff., 433 f.
30 f.,
206,
Welteinkommensprinzip 52, 219, 226, 295, 332 f., 336, 347, 366 Wettbewerbsneutralität 133 f. Zuzugsbesteuerung 30 f., 302, 406 ff.
Umqualifizierungstheorie 84, 86, 88, 91, 107, 120 Untersuchungsgrundsatz 391
Zweigniederlassung 27, 86, 89 f., 100 f., 183 f., 193, 213, 296, 312 f., 357 f.