Schiedsgerichtlicher Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union: Die Implikationen der »Achmea«-Entscheidung des EuGH [1 ed.] 9783428585588, 9783428185580

Das Verhältnis zwischen der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit innerhalb der Europäischen Union und dem Rechtssystem

119 47 6MB

German Pages 424 [425] Year 2022

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Schiedsgerichtlicher Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union: Die Implikationen der »Achmea«-Entscheidung des EuGH [1 ed.]
 9783428585588, 9783428185580

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Schriften zum Europäischen Recht Band 210

Schiedsgerichtlicher Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union Die Implikationen der „Achmea“-Entscheidung des EuGH

Von Maximilian van der Beck

Duncker & Humblot · Berlin

MAXIMILIAN VAN DER BECK

Schiedsgerichtlicher Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 210

Schiedsgerichtlicher Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union Die Implikationen der „Achmea“-Entscheidung des EuGH

Von Maximilian van der Beck

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. hat diese Arbeit im Jahr 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 25 Alle Rechte vorbehalten © 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-18558-0 (Print) ISBN 978-3-428-58558-8 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Juni 2021 abgeschlossen und von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau angenommen. Ihr liegt der Stand von Rechtsprechung und Literatur bis zum 1. September 2021 zugrunde. Besonders danken will ich anlässlich dessen zunächst Frau Professorin Dr. Yuanshi Bu, LL. M. (Harvard) für die hervorragende Betreuung. Ohne ihre stets konstruktiven Ratschläge und Anregungen wäre mir diese Dissertation nicht gelungen. Herrn Professor Dr. Hanno Merkt, LL. M. (Univ. of Chicago) danke ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Ebenso bedanke ich mich bei Prof. Dr. Siegfried Magiera, Prof. Dr. Dr. Detlef Merten, Prof. Dr. Matthias Niedobitek sowie bei Prof. Dr. Dr. h. c. Karl-Peter Sommermann für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe „Schriften zum Europäischen Recht“. Herzlich danke ich schließlich meinen Eltern, Susanne und Gerhard van der Beck, die mich stets in jeder erdenklichen Hinsicht bedingungslos gefördert haben. Für ihr Vorbild und ihre Fürsorge bin ich sehr dankbar. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Mailand, im Dezember 2021

Maximilian van der Beck

Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 C. Wesentliche Rechtsquellen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Intra-EU-BIT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Vertrag über die Energiecharta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Unionsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die ICSID-Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Januar-Deklarationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 26 28 29 30 30 31

D. Stand des Diskurses und Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 E. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Kapitel I Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

38

A. Sachverhalt und Verfahrensgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 I. Der Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 II. Überblick über den prozessualen Gang des gesamten Verfahrens . . . . . . . . . . . . 41 B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung . . . . . . . . . . . . I. Der Zwischenentscheid des Tribunals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Schiedsspruch des Tribunals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Aufhebungsgesuch der Slowakischen Republik gegen den Zwischenentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Das Aufhebungsgesuch der Slowakischen Republik gegen den Schiedsspruch . . V. Die Anhörungsrüge beim BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Der Antrag auf einstweilige Anordnung vor dem BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44 44 68

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Inhalt der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93 94 98 148

71 81 90 91 92

8

Inhaltsübersicht Kapitel II Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

150

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen . . . . . . . . I. Die Bedeutung der Entscheidung für Intra-EU-BIT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Exkurs: Die Bedeutung der Entscheidung für Extra-EU-BIT . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Bedeutung der Entscheidung für den ECT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Bedeutung der Entscheidung für Investor-Staat-Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

150 151 160 165 184 186

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren und Aufhebungssowie Durchsetzungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Achmea-Objection vor Schiedsgerichten auf Grundlage von Intra-EU-BIT . III. Die Achmea-Objection vor Schiedsgerichten auf Grundlage des ECT . . . . . . . . . IV. Durchsetzungs- und Aufhebungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

187 187 198 225 250 270

Kapitel III Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

274

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Präambel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriffsbestimmungen (Abschnitt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bestimmungen zur Beendigung der Intra-EU-BIT (Abschnitt 2) . . . . . . . . . . . . . IV. Bestimmungen zur Anspruchsdurchsetzung (Abschnitt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Schlussbestimmungen (Abschnitt 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

277 277 279 281 284 304 307

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einordnung des Beendigungsübereinkommens in die schiedsgerichtliche Praxis . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

309 310 344 363

D. Praktische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Betroffene Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Treaty Shopping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

363 364 366 373 390

Schlussbetrachtung und zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Verzeichnis zitierter Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 C. Wesentliche Rechtsquellen der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Intra-EU-BIT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 II.

Der Vertrag über die Energiecharta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

III. Die Unionsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 IV. Das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 V.

Die ICSID-Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

VI. Die Januar-Deklarationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 D. Stand des Diskurses und Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 E. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Kapitel I Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

38

A. Sachverhalt und Verfahrensgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 I. Der Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 II.

Überblick über den prozessualen Gang des gesamten Verfahrens . . . . . . . . . . . . 41

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung . . . . . . . . . . . . 44 I.

Der Zwischenentscheid des Tribunals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Die Argumente der Slowakischen Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Die Beendigung des BIT nach Art. 59 VCLT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 b) Die Anwendbarkeit des BIT nach Art. 30 VCLT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Entgegenstehendes Unionsrecht sowie deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Die Argumente der Achmea B. V. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Die Beendigung des BIT nach Art. 59 VCLT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 b) Die Anwendbarkeit des BIT nach Art. 30 VCLT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c) Entgegenstehendes Unionsrecht sowie deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Die Bemerkungen der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

10

Inhaltsverzeichnis 4. Die Entscheidung des Tribunals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Die Beendigung des BIT nach Art. 59 VCLT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 b) Die Anwendbarkeit des BIT nach Art. 30 VCLT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 c) Entgegenstehendes Unionsrecht sowie deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . 56 5. Stellungnahme zur Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 a) Stellungnahme zu Art. 59 VCLT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 b) Stellungnahme zu Art. 30 VCLT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 c) Stellungnahme zum potentiell entgegenstehenden Unionsrecht und deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 II.

Der Schiedsspruch des Tribunals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Das anwendbare Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2. Die Verletzung des BIT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 III. Das Aufhebungsgesuch der Slowakischen Republik gegen den Zwischenentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main (26 SchH 11/10) . . . . . . . . . . 71 a) Wirksamkeit der Schiedsklausel nach nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . . 71 b) Vereinbarkeit der Schiedsklausel mit Art. 344 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 c) Auslegungsmonopol des EuGH in unionsrechtlichen Fragen . . . . . . . . . . . 73 d) Wirksamkeit der Schiedsklausel nach Art. 30 Abs. 3 VCLT . . . . . . . . . . . . 74 e) Verstoß gegen Art. 18 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 f) Verstoß gegen das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens in die Gerichte der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 g) Unwirksamkeit der Schiedsklausel aus prozessökonomischen Gründen . . . 75 h) Die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 i) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Die Entscheidungen des BGH (III ZB 37/12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Die Entscheidung vom 19. September 2013 (III ZB 37/12) . . . . . . . . . . . . . 76 b) Die Entscheidung vom 30. April 2014 (III ZB 37/12) . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3. Stellungnahme zu den Entscheidungen des OLG Frankfurt am Main und des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 IV. Das Aufhebungsgesuch der Slowakischen Republik gegen den Schiedsspruch 81 1. Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main (26 Sch 3/13) . . . . . . . . . . . . . 81 a) Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 82 c) Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) ZPO . . . . . . . . . . . . . . . 83 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2. Die Entscheidungen des BGH (I ZB 2/15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Die Entscheidung des BGH vom 3. März 2016 (I ZB 2/15) . . . . . . . . . . . . 84 b) Die Entscheidung des BGH vom 31. Oktober 2018 (I ZB 2/15) . . . . . . . . . 85

Inhaltsverzeichnis

11

c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3. Stellungnahme zu den Entscheidungen des OLG Frankfurt am Main und des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 V.

Die Anhörungsrüge beim BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90

VI. Der Antrag auf einstweilige Anordnung vor dem BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 VII. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 I.

Inhalt der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Auslegung und Anwendung des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Investitionsschiedsgerichte als Teil des Gerichtssystems der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

II.

3. Gewährleistung der Kontrolle durch mitgliedstaatliche Gerichte . . . . . . . . . . . 97 Rechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 1. Die Auslegung des Art. 344 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Unvereinbarkeit mit derartiger Schiedsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) Normbezogene Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 bb) Auslegung hinsichtlich der Autonomie des Unionsrechts . . . . . . . . . . . 102 b) Vereinbarkeit mit derartiger Schiedsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 aa) Normbezogene Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Auslegung hinsichtlich der Autonomie des Unionsrechts . . . . . . . . . . . 112 c) Stellungnahme zur Auslegung von Art. 344 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 aa) Normbezogene Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Auslegung hinsichtlich der Autonomie des Unionsrechts . . . . . . . . . . . 123 2. Die Auslegung des Art. 267 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Investitionsschiedsgerichte als vorlageberechtigte „Gerichte“ i. S. d. Art. 267 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 b) Auswirkung einer derartigen Feststellung auf die Autonomie des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 4. Die Auslegung des Art. 18 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 5. Die Auslegung des Art. 351 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

Kapitel II Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

150

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen . . . . . . . . 150 I.

Die Bedeutung der Entscheidung für Intra-EU-BIT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. BIT ohne Regelung zur unmittelbaren Unionsrechtsanwendung . . . . . . . . . . . 152

12

Inhaltsverzeichnis 2. Klauseln mit Bezugnahmen auf andere Schiedsinstitutionen . . . . . . . . . . . . . . 157 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 II. Exkurs: Die Bedeutung der Entscheidung für Extra-EU-BIT . . . . . . . . . . . . . . . . 160 III. Die Bedeutung der Entscheidung für den ECT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Rechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. Unionsrechtskonformität als Auslegungsfrage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 3. Tatsächliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 4. Implikationen des Art. 351 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 5. Die Auffassung von EuGH-Generalanwalt Maciej Szpunar . . . . . . . . . . . . . . . 181 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 IV. Die Bedeutung der Entscheidung für Investor-Staat-Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . 184 V.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren und Aufhebungssowie Durchsetzungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 I. Rechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Die Behandlung des Art. 26 ECT im intra-unionalen Kontext . . . . . . . . . . . . . 191 a) Unanwendbarkeit des Art. 26 ECT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Anwendbarkeit des Art. 26 ECT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 II.

3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Die Achmea-Objection vor Schiedsgerichten auf Grundlage von Intra-EU-BIT 198 1. Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. UP (formerly Le Chèque Déjeuner) and C.D Holding Internationale v. Hungary . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 3. United Utilities B. V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia . . . 202 4. Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary . . . . . . 205 5. Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus . . . . . . . . . . . . . 208 a) Entscheidung des Tribunals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Das Unionsrecht als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) Der Normenkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b) Dissenting Opinion von Marcelo G. Kohen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 6. A. M. F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic 215 7. Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia . . . . . . . . . . . 218 8. Raiffeisen Bank International AG and Raiffeisenbank Austria d. d. v. Republic of Croatia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 9. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

III. Die Achmea-Objection vor Schiedsgerichten auf Grundlage des ECT . . . . . . . . . 225 1. Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany . . . . . . . . . . . . . . . . 226 a) Das anwendbare Recht für die Beurteilung der Zuständigkeit . . . . . . . . . . . 226 b) Die Auslegung des ECT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

Inhaltsverzeichnis

13

c) Der Konflikt mit Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 d) Die Durchsetzbarkeit des Schiedsspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 2. Foresight Luxembourg Solar 1 S. a` r. l., et al. v. Kingdom of Spain . . . . . . . . . 233 3. Eskosol S. p. A. v. Italian Republic . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 a) Die Entwicklung des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Die Implikationen der Achmea-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 c) Die Januar-Deklaration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 4. Rockhopper Italia S. p. A., Rockhopper Mediterranean Ltd, and Rockhopper Exploration Plc v. Italian Republic . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 IV. Durchsetzungs- und Aufhebungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 1. Durchsetzungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 aa) Verfahren in Mitgliedstaaten der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . 252 bb) Verfahren in Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 b) ICSID-Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 2. Aufhebungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 3. Einblick in die Praxis – das Micula-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 a) Der Einfluss der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Der Aufhebungsantrag vor dem Ad hoc-Ausschuss des ICSID . . . . . . . . . . 264 c) Das Anerkennungsverfahren in Rumänien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 d) Das Anerkennungsverfahren in Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 e) Das Anerkennungsverfahren in den Vereinigten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . 266 f) Das Anerkennungsverfahren im Vereinigten Königreich . . . . . . . . . . . . . . . 268 g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 V.

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

Kapitel III Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

274

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 I. II.

Die Präambel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Begriffsbestimmungen (Abschnitt 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

III. Bestimmungen zur Beendigung der Intra-EU-BIT (Abschnitt 2) . . . . . . . . . . . . . 281 IV. Bestimmungen zur Anspruchsdurchsetzung (Abschnitt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 1. Die Behandlung abgeschlossener und neuer Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . 284

14

Inhaltsverzeichnis 2. Die Behandlung anhängiger Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 a) Strukturierter Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 aa) Die Einleitung des strukturierten Dialogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 bb) Das Verfahren im strukturierten Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 b) Zugang zu nationalen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 V.

c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Schlussbestimmungen (Abschnitt 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

2. Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 I.

Rechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 1. Die Kündigung der sunset clauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 2. Die retroaktive Wirkung des Beendigungsübereinkommens . . . . . . . . . . . . . . 320 a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 b) Geäußerte Zweifel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 aa) Die VCLT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 bb) Die Europäische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 cc) Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . 327 dd) Allgemeine völkerrechtliche Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 3. Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 a) Das Übereinkommen als Ausdruck loyaler Zusammenarbeit i. S. v. Art. 4 Abs. 3 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 b) Anmerkungen zur EMRK und der EU-GR-Charta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342

II.

4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 Einordnung des Beendigungsübereinkommens in die schiedsgerichtliche Praxis 344 1. Art. 59 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 3 VCLT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 a) Bedeutungsverlust von Art. 59 Abs. 1 VCLT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 b) Art. 30 Abs. 3 VCLT als in Schiedsverfahren zentrale Norm? . . . . . . . . . . . 348 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 2. Art. 31 VCLT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 3. Verteidigungsmöglichkeiten für Investoren in Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . 357 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 D. Praktische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 I. Betroffene Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 II.

Treaty Shopping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366

Inhaltsverzeichnis

15

III. Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 1. Handlungsbedarf für die Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 2. Handlungsmöglichkeiten für die Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 a) Verpasste Chance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 b) Begrüßenswertes Maßnahmenpaket . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 Schlussbetrachtung und zusammenfassende Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391

Verzeichnis zitierter Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. E. ActScandJurisGent AEUV AIFC AJEE AmRevIntlArb ArbIntl AVR BB BeckEuRS BeckOKBVerfGG BeckOKZPO BeckRS BGH BIT BTWR BÜ BVerfG BVerfGG BYIL CAAJ CETA ChineseJIL CMLRev ColumJEurL ColumJTransnatlL CYELS CYIL DIFC DRI DVBl ECB LWPS ECLIC ECT EG EG-Vertrag EGMR EILA Rev. EJIL

andere Ansicht am Ende Nordic Journal of International Law (Acta scandinavica juris gentium) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Astana International Financial Centre Access to Justice in Eastern Europe American Review of International Arbitration Arbitration International Archiv des Völkerrechts Betriebs-Berater Beck-EU-Rechtsprechung Beck’scher Online-Kommentar BVerfGG Beck’scher Online-Kommentar ZPO Beck-Rechtsprechung Bundesgerichtshof Bilateral Investment Treaty/Bilateral Investment Treaties (Bilaterale(s) Investitionsschutzabkommen) Beitra¨ ge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht Beendigungsübereinkommen Bundesverfassungsgericht Bundesverfassungsgerichtsgesetz British Yearbook of International Law Contemporary Asia Arbitration Journal Comprehensive Economic and Trade Agreement Chinese Journal of International Law Common Market Law Review Columbia Journal of European Law Columbia Journal of Transnational Law Cambridge Yearbook of European Legal Studies Czech Yearbook of International Law Dubai International Financial Centre Dispute Resolution International Das Deutsche Verwaltungsblatt European Central Bank Legal Working Paper Series EU and Comparative Law Issues and Challenges Series Energy Charter Treaty (Vertrag über die Energiecharta) Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäische Gerichtshof für Menschenrechte European Investment Law and Arbitration Review European Journal of International Law

Abkürzungsverzeichnis EJRR EL Rev. ELJ ELR EMRK engl. EnWZ EP ErfK ESIL EStAL et al. EU EU-GR-Charta EuConst EuG EuGH EUR EuR EUV EuZW EWiR EWS Extra-EU-BIT EZB/ECB f. FAZ ff. Fn. Fortg. franz. FS GATS GG GLJ GoJIL GPR GRUR GRUR Int. GWashIntlLRev GYIL HagueYIL HBLJ Hervorh. d. Verf. HJLS Hrsg. i. e. S.

17

European Journal of Risk Regulation European Law Review European Law Journal European Law Reporter Europäische Menschenrechtskonvention englisch Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft European Papers Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht European Society of International Law European State Aid Law Quarterly et alii (und andere) Europäische Union Charta der Grundrechte der Europäischen Union European Constitutional Law Review Gericht der Europäischen Union Europäischer Gerichtshof Euro Zeitschrift Europarecht Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht BIT zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat Europäische Zentralbank/European Central Bank und die folgende (Seite/Randnummer/Ziffer etc.) Frankfurter Allgemeine Zeitung und die folgenden (Seiten/Randnummern/Ziffern etc.) Fußnote Fortgesetzt französisch Festschrift General Agreement on Trade in Services Grundgesetz German Law Journal Goettingen Journal of International Law Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht International George Washington International Law Review German Yearbook of International Law Hague Yearbook of International Law Hastings Business Law Journal Hervorhebung durch den Verfasser Hungarian Journal of Legal Studies Herausgeber im eigentlichen Sinne

18 i. V. m. IACEELP

Abkürzungsverzeichnis

In Verbindung mit Investment Arbitration in Central and Eastern Europe: Law and Practice Ibid. Ibidem (ebenda) ICC International Chamber of Commerce ICLQ International and Comparative Law Quarterly ICSID International Centre for Settlement of Investment Disputes ICSID Rev. ICSID Review ICSID-Konvention Convention on the Settlement of Investment Disputes between States ad Nationals of the Other States IGH Internationale Gerichtshof ILM International Legal Materials Int. ALR International Arbitration Law Review Intra-EU-BIT BIT zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union IntTLR International Trade Law & Regulation IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IStR Internationales Steuerrecht ital. italienisch IWRZ Zeitschrift für Internationales Wirtschaftsrecht JIDS Journal of International Dispute Settlement JIEL Journal of International Economic Law JIntlArb Journal of International Arbitration jM juris-Die Monatszeitschrift jurisPR-BGHZivilR juris PraxisReport BGH-Zivilrecht jurisPR-IWR juris PraxisReport Internationales Wirtschaftsrecht JuS Juristische Schulung JWIT The Journal of World Investment & Trade JZ JuristenZeitung Kap. Kapitel LCIA London Court of International Arbitration LIEI Legal Issues of Economic Integration lit. littera LMK Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier Möhring LPICT The Law and Practice of International Courts and Tribunals m. w. N. mit weiteren Nachweisen MIC Multilateral Investment Court MJDR McGill Journal of Dispute Resolution MüKoZPO Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung NAFTA North American Free Trade Agreement New York Convention The Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards (Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche) NJOZ Neue Juristische Online-Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift Nr./ No. Nummer/ Number NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NYUJIntlL&Pol New York University Journal of International Law and Politics NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

Abkürzungsverzeichnis OLG PCA PJIA PolishYIL RDE REDP RGDIP RIW Rn. RON Rs. SCC SchiedsVZ SCJIL SICC span. SRIEL StudZR TEL TL&D TTIP u. a. UNCITRAL v. VCLT VCLTIO

Vol. VwGO WTO YIA ZaöRV ZEuP ZEuS Ziff. ZP1-EMRK ZPO ZUR

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Oberlandesgericht Permanent Court of Arbitration Paris Journal of International Arbitration (Cahiers de l’arbitrage) Polish Yearbook of International Law Revista Derecho del Estado Revista Eletroˆ nica de Direito Processual Revue generale de droit international public Recht der Internationalen Wirtschaft Randnummer Rumänischer Leu Rechtssache Stockholm Chamber of Commerce Zeitschrift für Schiedsverfahren Santa Clara Journal of International Law Singapore International Commercial Court spanisch Swiss Review of International and European Law Studentische Zeitschrift für Rechtswissenschaft Transnational Environmental Law Trade, Law and Development Transatlantic Trade and Investment Partnership und andere United Nations Commission on International Trade Law versus Vienna Convention on the Law of Treaties (Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge) Vienna Convention on the Law of Treaties between States and International Organizations or between International Organizations (Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen) Volume Verwaltungsgerichtsordnung World Trade Organization Yearbook on International Arbitration Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Ziffer Erstes Zusatzprotokoll der EMRK Zivilprozessordnung Zeitschrift für Umweltrecht

Einführung Seit langem ist das internationale Investitionsschutzrecht Gegenstand weltweit geführter, immer lauter werdender Debatten vielschichtiger Natur. Im Zentrum dieser steht die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Staaten und ausländischen Investoren durch eigens hierzu eingerichtete Schiedsgerichte, die auf Basis von Investitionsschutzabkommen zwischen zwei oder mehreren Staaten angerufen werden. Diese Schiedsgerichte sind insbesondere der – oftmals politisch motivierten – Kritik mangelnder Unparteilichkeit, mangelnder Transparenz und mangelnder Kohärenz in ihren Schiedssprüchen ausgesetzt.1 Derartige Bedenken gewinnen an Boden, wenn ein solches Schiedsgericht, dessen Richter keinerlei demokratische Legitimation genießen, einem Staat aufträgt, Investoren rund 50 Milliarden USDollar Schadensersatz zu zahlen.2 Auf einer rechtlichen Ebene problematisch sind daneben jedoch zuvörderst die Investitionsschutzabkommen, die diesen Schiedsgerichten und entsprechenden Schiedssprüchen zugrunde liegen. Besonders deutlich wird dies mit Blick auf die Europäische Union, deren Mitgliedstaaten zahlreiche solcher Abkommen abgeschlossen haben. Vor allem die Europäische Kommission betonte in jüngerer Vergangenheit vermehrt, dass sie diese bilateralen Investitionsschutzabkommen zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Fremdkörper im Unionsrechtssystem betrachte.3 Dem ist zuzugestehen, dass es prima facie tatsächlich zweifelhaft anmutet, innerhalb dieses differenzierten Rechtssystems ein paralleles, weitgehend selbständiges Konstrukt völkerrechtlicher Verträge mit eigenem Streitbeilegungsmechanismus aufrecht zu erhalten. Vor diesem Hintergrund keimten zahlreiche Argumente unions- sowie völkerrechtlichen Charakters, welche entweder die Anwendbarkeit und Gültigkeit dieser Verträge unterstreichen oder widerlegen sollten. Mit diesen setzte man sich in Literatur,4 staatsgerichtlicher 1

Siehe Charris-Benedetti, RDE 2019, 83 (90 ff.) und Uzelac, AJEE 2019, 6 (17 f.) m. w. N. Siehe Hulley Enterprises Limited v. The Russian Federation, UNCITRAL, PCA Case No. 2005-03/AA226, (Final Award, 18. Juli 2014); Yukos Universal Limited v. The Russian Federation, UNCITRAL, PCA Case No. 2005-04/AA227, (Final Award, 18. Juli 2014); Veteran Petroleum Limited v. The Russian Federation, UNCITRAL, PCA Case No. 2005-05/ AA228, (Final Award, 18. Juli 2014); vgl. Escher/Sliskovic, RIW 2016, 190 (199). 3 Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final, S. 2; Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension, 26. Oktober 2010), Rn. 177 („anomaly within the EU internal market“); OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (120). 4 Siehe insb. Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht; Basener, Investment Protection in the European Union; Thörle, Der Konflikt zwischen Investitionsschutzabkommen und dem 2

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Rechtsprechung,5 schiedsgerichtlicher Rechtsprechung6 und auch auf politischer Bühne7 eingehend auseinander. Flankiert wurde dies stets durch das Misstrauen gegenüber dem Rechtssystem der Europäischen Union auf der einen und dem schiedsgerichtlichen Investitionsschutz auf der anderen Seite. Diese Debatte um das intra-unionale Investitionsschutzrecht wurde am 6. März 2018 durch die sog. Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs8 in ihren Grundfesten erschüttert, jedoch keineswegs beendet. Vielmehr hebt der Europäische Gerichtshof sie auf ein neues Fundament, welches auch den Ausgangspunkt der hiesigen Untersuchung bildet. Im Wesentlichen dreht sich all dies sowie auch die vorliegende Dissertation um eine Kollision von Vertragswerken und wie sie gelöst wird sowie zu lösen ist. Diese Problematik erlangt in zwischenstaatlichen Verhältnissen besondere – auch politische – Brisanz. Bereits vor rund 150 Jahren ließ Richard Wagner im Rheingold am Vorabend des Ring des Nibelungen verlauten: „Verträgen halte Treu’! Was du bist, bist du nur durch Verträge“9. Diesen Aphorismus vor Augen hätte der im Übereinkommen zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzvertra¨ ge zwischen den Mitgliedstaaten der Europa¨ ischen Union vom 5. Mai 202010 kulminierende Streit zwischen dem Europäischen Gerichtshof, der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten auf der einen und Schiedsgerichten sowie Investoren auf der anderen Seite vermieden werden können.

Recht der Europäischen Union; Ahner, Investor-Staat-Schiedsverfahren nach Europäischem Unionsrecht. 5 Siehe bspw. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 26 Sch 3/ 13, in: BeckRS 2015, 6323; BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328. 6 Siehe bspw. Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic (SCC Case No. 088/2004), (Partial Award, 27. März 2007), Rn. 142 ff.; Rupert Joseph Binder v. Czech Republic, UNCITRAL, (Award on Jurisdiction, 6. Juni 2007), Rn. 59 ff.; Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 57 ff.; European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic, UNCITRAL (Award on Jurisdiction, 22. Oktober 2012), Rn. 55 ff. 7 Siehe bspw. Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 18. Juni 2015, in: EuZW 2015, 492; Non-paper from Austria, Finland, France, Germany and the Netherlands on Intra-EU Investment Treaties vom 7. April 2016 (abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/EN/ Downloads/intra-eu-investment-treaties.pdf?__blob=publicationFile&v=2, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 8 EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158. 9 Wagner, Das Rheingold – Vorabend zur Trilogie Der Ring des Nibelungen, 2. Szene, S. 25. 10 ¨ Ubereinkommen zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzvertra¨ ge zwischen den Mitgliedstaaten der Europa¨ ischen Union (5. Mai 2020), Amtsblatt der Europa¨ ischen Union L 169/1.

A. Ausgangssituation

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A. Ausgangssituation Für ein besseres Verständnis des Konflikts zwischen Investitionsschutzabkommen und Unionsrecht sind sich zunächst die Grundzüge des internationalen Investitionsschutzrechts auf der einen und des Unionsrechtssystems auf der anderen Seite zu vergegenwärtigen. Ersteres ist geprägt durch völkerrechtliche Verträge zum Schutze grenzüberschreitend tätiger Investoren.11 Weltweit bestehen derzeit rund 3.000 bilaterale und über 400 multilaterale Völkerverträge dieser Art.12 Bei den multilateralen Verträgen handelt es sich oftmals um Handelsabkommen, welche umfangreiche Bestimmungen zum Investitionsschutz enthalten.13 Hierzu gehören beispielsweise das North American Free Trade Agreement (NAFTA), das Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) sowie auch das vorerst gescheiterte Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP). Im Kern der hiesigen Untersuchung stehen indes bilaterale Investitionsschutzabkommen (engl.: Bilateral Investment Treaties; im Folgenden: BIT). Diese sind als die wichtigste Quelle des zeitgenössischen internationalen Investitionsschutzrechts anzusehen.14 Neben materiellen Schutzbestimmungen enthalten BIT grundsätzlich Klauseln zur Streitbeilegung.15 Diese beziehen sich oftmals zum einen auf die Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Vertragsstaaten16 und zum anderen auf die Beilegung von Streitigkeiten zwischen einem Vertragsstaat und einem Investor des anderen Vertragsstaats.17 Letztere sind Gegenstand besagter, hier relevanter Diskussion. Diese Schiedsklauseln enthalten eine Einwilligung bzw. ein Angebot des Gaststaates einer Investition zur Einleitung eines Schiedsverfahrens.18 Diese bzw. dieses kann ein Investor nunmehr – auch konkludent durch Einleitung eines Schiedsverfahrens19 – annehmen, sodass eine Schiedsvereinbarung zwischen Investor und Gaststaat zustande kommt.20 Eine solche bildet die 11

Siehe zur historischen Entwicklung Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S. 1 ff. 12 Siehe für einen Überblick https://investmentpolicy.unctad.org/international-investmentagreements (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 13 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 23 Rn. 8. 14 Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S. 13. 15 Siehe exemplarisch das Model-BIT der Bundesrepublik Deutschland von 2008 (abrufbar unter https://investmentpolicy.unctad.org/international-investment-agreements/treaty-files/2865 /download, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 16 Siehe bspw. Art. 9 des Model-BIT der Bundesrepublik Deutschland (2008). 17 Siehe bspw. Art. 10 des Model-BIT der Bundesrepublik Deutschland (2008). 18 BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328 (329 f. Rn. 7, 17); Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Waibel, International Investment Law, S. 1212 (1226 Rn. 50 f.); Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S. 254, 257 ff.; siehe erläuternd auch Happ, IStR 2006, 649 (650 f.). 19 BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2019, 46 (48 Rn. 17). 20 Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S. 257 ff.; Markert, Streitschlichtungsklauseln in Investitionsschutzabkommen, S. 120.

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Grundlage für ein schiedsgerichtliches Verfahren.21 Bei diesen handelt es sich um solche vor dem durch die Weltbank organisierten International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) oder um andere Verfahren (wie bspw. nach den Schiedsregeln der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL-Schiedsregeln), den Schiedsregeln der International Chamber of Commerce (ICC-Schiedsregeln), den Schiedsregeln des London Court of International Arbitration (LCIA-Schiedsregeln) oder den Schiedsregeln des Arbitration Institute of the Stockholm Chamber of Commerce (SCC-Schiedsregeln).22 Da solche BIT auch zwischen Staaten abgeschlossen wurden, die nunmehr – insbesondere nach der sog. Osterweiterung der Europäischen Union ab dem Jahre 200423 – beide Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, wird ein rechtliches Konfliktpotential erkennbar.24 Immerhin sieht das Rechtssystem der Europäischen Union bereits investitionsschützende Bestimmungen vor. Hierzu gehören insbesondere die Grundfreiheiten aus den Unionsverträgen, die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, allgemeine Grundprinzipien des Unionsrechts und das entsprechende Sekundärrecht sowie sektorspezifische Rechtsvorschriften.25 Der Durchsetzung dieser Rechte dient ein ausdifferenziertes Konstrukt staatlicher Gerichte, in welchem stets die theoretische Möglichkeit besteht, neben nationalen Rechtsbehelfsgerichten auch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit unionsrechtlichen Fragen zu befassen. Es ist unmittelbar einleuchtend, dass dieses Unionsrechtssystem mit dem System der schiedsgerichtlichen Streitbeilegung auf Basis von Investitionsschutzabkommen sowohl auf rechtlicher als auch auf politischer Ebene konfligieren kann und dies schließlich auch tut.

21 Siehe auch Art. 25 Abs. 1 ICSID-Konvention und § 1029 ZPO; siehe allg. zu diesem „consent to arbitration“ Muchlinski/Ortino/Schreuer/Schreuer, The Oxford Handbook of International Investment Law, S. 830 (S. 830 ff.) und Dugan/Wallace/Rubins/Sabahi, InvestorState Arbitration, S. 219 ff. 22 Vgl. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 23 Rn. 89; siehe auch Art. 10 Abs. 2 Nr. 1-5 des Model-BIT der Bundesrepublik Deutschland (2008); siehe für einen Überblick über die verschiedenen Schiedsordnungen Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, Kapitel II. bis XV. 23 Siehe allg. hierzu Bergmann, Handlexikon der Europäischen Union, Osterweiterung der EU; siehe auch Basener, Investment Protection in the European Union, S. 26 f. 24 Siehe auch Johannsen, BTWR 90/2009, S. 27 f. 25 Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final, S. 3; Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_ finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 2.

B. Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

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B. Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs Am 6. März 2018 nutzte der EuGH die Gelegenheit, sich im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 267 AEUV zur Unionsrechtskonformität besagter Schiedsklauseln26 in Investitionsschutzabkommen zu äußern.27 Die Entscheidung stellt einen Meilenstein in der Diskussion um den Konflikt zwischen Unionsrecht und Investitionsvölkerrecht dar. Wie es überhaupt hierzu kommen konnte, ist Gegenstand des ersten Kapitels der hiesigen Untersuchung. Da das Urteil Ausfluss einer Streitigkeit zwischen der Slowakischen Republik und der niederländischen Achmea B. V. ist, soll auf sie hier – wie auch im Schrifttum – als „AchmeaEntscheidung“ Bezug genommen werden. Die EuGH-Richter sind im Ergebnis der Auffassung, besagte Schiedsklauseln in BIT zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (sog. Intra-EU-BIT) lassen sich nicht mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) – namentlich Art. 267 und 344 AEUV – vereinbaren und sind daher unionsrechtswidrig. So lautet der Tenor der Entscheidung: „Die Art. 267 und 344 AEUV [sind] dahin auszulegen […], dass sie einer Bestimmung in einer internationalen Übereinkunft zwischen den Mitgliedstaaten wie Art. 8 des BIT entgegenstehen, nach der ein Investor eines dieser Mitgliedstaaten im Fall einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Mitgliedstaat gegen diesen ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten darf, dessen Gerichtsbarkeit sich dieser Mitgliedstaat unterworfen hat.“28

Die Entscheidung hat für einige Aufmerksamkeit gesorgt und diese auch verdient. Schließlich legte der EuGH damit den Grundstein für das Ende des intra-unionalen Investitionsschutzrechts durch bilaterale und wohl auch multilaterale Investitionsschutzabkommen (wie bspw. den Vertrag über die Energiecharta; engl. Energy Charter Treaty; im Folgenden: ECT). Nahezu alle Mitgliedstaaten unterzeichneten am 5. Mai 2020 das Übereinkommen zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzvertra¨ ge zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (im Folgenden: Beendigungsübereinkommen, BÜ, Übereinkommen),29 in welchem sie infolge der Achmea-Entscheidung knapp 130 der bis dahin bestehenden Intra-EU-BIT einvernehmlich beendeten.30 Dies ist als die wesentlichste und gleichzeitig in vielerlei Hinsicht bedenklichste Folge besagter Entscheidung anzusehen. 26

Konkret ging es um Art. 8 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik (Agreement on encouragement and reciprocal protection of investments between the Kingdom of the Netherlands and the Czech and Slovak Federal Republic (Inkrafttreten 1. Oktober 1992)). 27 EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158. 28 Ibid. Rn. 60. 29 ¨ Ubereinkommen zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzvertra¨ ge zwischen den Mitgliedstaaten der Europa¨ ischen Union (5. Mai 2020), Amtsblatt der Europa¨ ischen Union L 169/1. 30 Siehe Anhang A und B des Beendigungsübereinkommens.

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C. Wesentliche Rechtsquellen der Untersuchung Der folgenden Analyse liegen Rechtsquellen (im weitesten Sinne) verschiedenen Charakters zugrunde. Besonders relevant sind dabei – neben der Achmea-Entscheidung inklusive dem dieser zugrundeliegenden Prozess sowie dem Beendigungsübereinkommen selbst – die Intra-EU-BIT, der Vertrag über die Energiecharta, die Unionsverträge AEUV und EUV, das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, die ICSID-Konvention und die Januar-Deklarationen.

I. Intra-EU-BIT Wie bereits gesehen, liegt die Basis schiedsgerichtlichen Investitionsschutzes innerhalb der Europäischen Union – jedenfalls außerhalb des Energiesektors (siehe sogleich) – maßgeblich in den zahlreichen bilateralen Investitionsschutzabkommen, welche die Mitgliedstaaten der Europäischen Union untereinander abgeschlossen haben – den sog. Intra-EU-BIT. Es handelt sich bei diesen ausschließlich um solche, die geschlossen wurden, bevor beide Vertragsstaaten Mitgliedstaaten der Europäischen Union geworden sind.31 Anhang A des Beendigungsübereinkommens gibt einen Überblick über die bis Mitte 2020 bestehenden Intra-EU-BIT. Nicht in diesem Anhang genannt sind die 32 Intra-EU-BIT der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden, welche das Beendigungsübereinkommen nicht erfasst, sowie zwölf BIT, welche das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland (im Folgenden: Vereinigtes Königreich) mit Mitgliedstaaten der Europäischen Union abgeschlossen hat.32 Zentraler Anknüpfungspunkt der rechtlichen Kritik an diesen BIT sind besagte Investor-Staat-Schiedsklauseln.33 Das dem Achmea-Fall zugrunde liegende BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik34 enthielt eine solche Klausel in Art. 8. Diese Vorschrift prägte entscheidend die Erwägungen der EuGH-Richter wie auch die zahlreichen Versuche in der Literatur, der Achmea-Entscheidung eine tatsächliche Aussage für 31

Berger, EuZW 2021, 342 (343) nennt sie deshalb ein „reines Beitrittspha¨ nomen“. Vgl. Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (202); Bray/Kapoor, Agreement on the Termination of Intra-EU BITs: Sunset in Stone?, Kluwer Arbitration Blog, 4. November 2020, http://arbitrati onblog.kluwerarbitration.com/2020/11/04/agreement-on-the-termination-of-intra-eu-bits-sun set-in-stone/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021) gehen hingegen davon aus, dass das Vereinigte Königreich lediglich neun BIT mit Mitgliedstaaten der Europäischen Union abgeschlossen hat; aus https://investmentpolicy.unctad.org/international-investment-agreements/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021) ergeben sich indes 13 solcher BIT. 33 Siehe für einen Überblick über den sonstigen Regelungsgehalt von BIT Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, 13 ff., 98 ff., 130 ff. und Kronke/Melis/Kuhn/ Dolzer/Tietje/Wackernagel, Wirtschaftsrecht, Teil J, Rn. 70 ff. 34 Agreement on encouragement and reciprocal protection of investments between the Kingdom of the Netherlands and the Czech and Slovak Federal Republic (Inkrafttreten 1. Oktober 1992). 32

C. Wesentliche Rechtsquellen der Untersuchung

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das gesamte intra-unionale Investitionsschutzrecht abzusprechen.35 Deshalb soll sie hier in voller Länge zitiert werden. Besondere Beachtung ist dabei dem sechsten Absatz zu widmen. „Article 8 1) All disputes between one Contracting Party and an investor of the other Contracting Party concerning an investment of the latter shall if possible, be settled amicably. 2) Each Contracting Party hereby consents to submit a dispute referred to in paragraph (1) of this Article, to an arbitral tribunal, if the dispute has not been settled amicably within a period of six months from the date either party to the dispute requested amicable settlement. 3) The arbitral tribunal referred to in paragraph (2) of this Article will be constituted for each individual case in the following way: each party to the dispute appoints one member of the tribunal and the two members thus appointed shall select a national of a third State as Chairman of the tribunal. Each party to the dispute shall appoint its member of the tribunal within two months, and the Chairman shall be appointed within three months from the date on which the investor has notified the other Contracting Party of his decision to submit the dispute to the arbitral tribunal. 4) If the appointments have not been made in the above mentioned periods, either party to the dispute may invite the President of the Arbitration Institute of the Chamber of Commerce of Stockholm to make the necessary appointments. If the President is a nation al of either Contracting Party or if he is otherwise prevented from discharging the said function, the Vice-President shall be invited to make the necessary appointments. If the Vice-President is a national of either Contracting Party or if he too is prevented from discharging the said function, the most senior member of the Arbitration Institute who is not a national of either Contracting Party shall be invited to make the necessary appointments. 5) The arbitration tribunal shall determine its own procedure applying the arbitration rules of the United Nations Commission for International Trade Law (UNCITRAL). 6) The arbitral tribunal shall decide on the basis of the law, taking into account in particular though not exclusively: – the law in force of the Contracting Party concerned; – the provisions of this Agreement, and other relevant Agreements between the – Contracting Parties; – the provisions of special agreements relating to the investment; – the general principles of international law. 7) The tribunal takes its decision by majority of votes; such decision shall be final and binding upon the parties to the dispute.“

35 Siehe insb. Nagy/Nagy, Investment Arbitration in Central and Eastern Europe, S. 1 (3); Nagy, GLJ 2018, 981 (993 f.); Kainer, EuZW 2018, 659 (659 f.); Wuschka, ZEuS 2018, 25 (40 f.); siehe ausführlich hierzu Kapitel II A.

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Einführung

II. Der Vertrag über die Energiecharta Der 1998 in Kraft getretene36 ECT schafft gem. Art. 2 ECT „den rechtlichen Rahmen fu¨ r die Fo¨ rderung langfristiger Zusammenarbeit im Energiebereich auf der Grundlage der gegenseitigen Erga¨ nzung und des gegenseitigen Nutzens im Einklang mit den Zielen und Grundsa¨ tzen der Charta“. Er enthält in Teil III (Art. 10 – 17 ECT) Bestimmungen zum Investitionsschutz,37 welche über Teil V (Art. 26 – 28 ECT) durch Streitbeilegungsvorschriften ergänzt werden. Dementsprechend handelt es sich bei dem ECT zumindest partiell um ein multilaterales Investitionsschutzabkommen.38 Der ECT enthält in Art. 26 ECT eine mit dem bereits zitierten Art. 8 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik vergleichbare Schiedsklausel. Da die Inanspruchnahme schiedsgerichtlichen Rechtsschutzes im Rahmen des ECT nicht generell die Anrufung nationalstaatlicher bzw. europäischer Gerichte ausschließt, wird jener auch als „doppelt investorenfreundlich“ bezeichnet.39 Alle Mitgliedstaaten – bis auf die Italienische Republik – und die Europäische Union selbst sowie einige Drittstaaten sind Vertragsparteien.40 Der ECT wird daher auch als „gemischtes Übereinkommen“ bzw. „mixed agreement“ bezeichnet.41 Die Bedeutung desselben für den Investitionsschutz im Energiesektor zeigt sich auch durch zahlreiche prominente Schiedsverfahren, die auf der Schiedsklausel in Art. 26 ECT fußen.42

36 Tietje, Internationales Wirtschaftsrecht, § 18, F., III.; siehe zur Entwicklung des Vertrags Hobér, JIDS 2010, 153 (155 ff.). 37 Siehe für einen Überblick über diese Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Happ, International Investment Law, S. 240 (246 ff. Rn. 20 ff.). 38 Theobald/Kühling/Gundel, Energierecht, Kap. 12, Rn. 91 Fn. 5; Damjanovic/Quirico, ColumJEurL 1/2019, 102 (115); Kronke/Melis/Kuhn/Dolzer/Tietje/Wackernagel, Wirtschaftsrecht, Teil J, Rn. 137 bezeichnen den ECT hingegen als „plurilaterale[s]“ Übereinkommen. 39 Escher/Sliskovic, RIW 2016, 190 (198). 40 Siehe für eine Übersicht https://www.energycharter.org/process/energy-charter-treaty-1 994/energy-charter-treaty/signatories-contracting-parties/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 41 So bspw. Roe/Happold/Dingemans, Settlement of Investment Disputes under the Energy Charter Treaty, S. 89; Behrens, RIW 2018, 701 (705); de Sadeleer, EJRR 2018, 355 (356). 42 Siehe bspw. Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12; Strabag and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/19/29; Hulley Enterprises Limited v. The Russian Federation, UNCITRAL, PCA Case No. 2005-03/ AA226; Yukos Universal Limited v. The Russian Federation, UNCITRAL, PCA Case No. 200504/AA227; Veteran Petroleum Limited v. The Russian Federation, UNCITRAL, PCA Case No. 2005-05/AA228; siehe auch Basedow, JIEL 2020, 271 (271 ff.) und Gundel, EWS 2018, 124 (127 f.).

C. Wesentliche Rechtsquellen der Untersuchung

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III. Die Unionsverträge Die Unionsverträge sind der Vertrag über die Europäische Union (EUV) sowie der bereits bezeichnete AEUV, welche gem. Art. 1 Abs. 3 EUV die „Grundlage“ der Europäischen Union bilden. Die mit einer Schiedsklausel wie Art. 8 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik aus Sicht des EuGH konfligierenden Normen des Unionsrechts sind Art. 267 und 344 AEUV. Diese lauten in deutscher Sprache: „Art. 267 [Vorabentscheidungsverfahren] 1) Der Gerichtshof der Europäischen Union entscheidet im Wege der Vorabentscheidung (a) über die Auslegung der Verträge, (b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union. 2) Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen. 3) Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet. 4) Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren, das eine inhaftierte Person betrifft, bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, so entscheidet der Gerichtshof innerhalb kürzester Zeit.“ „Artikel 344 [Exklusivität der unionsrechtlichen Streitbeilegungsmechanismen] Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Verträge nicht anders als hierin vorgesehen zu regeln.“

Inwieweit eine Klausel „wie Art. 8“43 des soeben zitierten BIT gegen diese Normen verstieße, ist allein mit Blick auf den Wortlaut jener nicht unmittelbar ersichtlich. Dies ist wohl auch Grund dafür, dass die Entscheidung des EuGH einige Stimmen in der Literatur überraschte.44 Umso wichtiger ist es, die hinter dem Urteil und der darin statuierten Auslegung stehenden Erwägungen nachzuvollziehen.45

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EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 60. Siehe Prütting/Gehrlein/Raeschke-Kessler, ZPO, § 1059 Rn. 37; Höfling, SchiedsVZ 2019, 86 (87); Kläger, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, SchiedsVZ 2018, 186 (191); Nagy, GLJ 2018, 981 (992); Lübke, GPR 2018, 149 (149). 45 Siehe dazu Kapitel I B. und C. 44

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IV. Das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Ein für das Völkerrecht elementaren Normenkomplex stellt auch das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (engl.: Vienna Convention on the Law of Treaties; im Folgenden: VCLT) dar.46 Die am 23. Mai 1969 im Rahmen der UN abgeschlossene und am 27. Oktober 1980 in Kraft getretene VCLT enthält insbesondere Vorschriften über das Zustandekommen und die Auslegung von Völkerverträgen.47 Das ergänzende Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen (Vienna Convention on the Law of Treaties between States and International Organizations or between International Organizations) ist bislang nicht in Kraft getreten.48 Anwendung findet die VCLT gem. Art. 1 VCLT auf „Verträge zwischen Staaten“. Zu beachten ist, dass nicht alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch Signatarstaaten der VCLT sind. Neben der Europäischen Union selbst sind auch die Französische Republik und Rumänien keine Vertragsparteien.49 Gleichwohl sind die Regelungen der VCLT auch auf Intra-EU-BIT anzuwenden, deren Parteien die Französische Republik oder Rumänien sind, da deren Normen Völkergewohnheitsrecht widerspiegeln.50 Für die hiesige Untersuchung erlangen insbesondere Art. 30, Art. 31 und Art. 59 VCLT Relevanz.

V. Die ICSID-Konvention Das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID, s. o.) wurde durch den Abschluss der sog. Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of other States (im Folgenden: ICSIDKonvention) vom 18. März 1965 geschaffen.51 Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bis auf die Republik Polen sind Signatarstaaten.52 Das der Weltbankgruppe zuzuordnende ICSID ist eine eingeständige internationale Organisation mit 46

Siehe allg. dazu Schmitt, GRUR Int. 1970, 361 (361 ff.). Bergmann, Handlexikon der Europäischen Union, Wiener Übereinkommen (Vertragsrechtskonvention). 48 Ibid.; siehe dazu Bothe, NJW 1991, 2169 (2169 ff.). 49 Deutscher Bundestag, Ausarbeitung – Die Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) und ihre Bedeutung im EU-Recht nach der Rechtsprechung des Europa¨ ischen Gerichtshofs (EuGH) vom 7. Januar 2019, PE 6-3000-164/18, S. 5; siehe für eine Übersicht über die Signatarstaaten https://treaties.un.org/Pages/ViewDetailsIII.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=XXIII-1&chap ter=23&Temp=mtdsg3&clang=_en, zuletzt abgerufen am 1. September 2021. 50 Vgl. Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 44 f. m. w. N.; Binder/Kriebaum/ Reinisch/Wittich/Simma/Kill, International Investment Law for the 21st Century, S. 678 (691). 51 BGBl. 1969 II S. 371; siehe allg. dazu Schreuer/Malintoppi/Reinisch/Sinclair, The ICSID Convention. 52 Eine Übersicht der Signatarstaaten ist abrufbar unter https://icsid.worldbank.org/about/ member-states/database-of-member-states, zuletzt abgerufen am 1. September 2021. 47

C. Wesentliche Rechtsquellen der Untersuchung

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Sitz in Washington DC.53 Während das ICSID als ständige Einrichtung zur Verwaltung von Investor-Staat-Streitigkeiten dient, enthält die ICSID-Konvention entsprechende Verfahrensregeln.54 Im Falle einer solchen Streitigkeit wird ad hoc eine Vergleichskommission oder in aller Regel ein Schiedsgericht nach den Vorschriften der ICSID-Konvention bestellt.55 Es ist davon auszugehen, dass bereits die bloße Möglichkeit eines ICSID-Verfahrens dazu beiträgt, dass sich die Parteien vertragstreu verhalten.56 Ziel der ICSID-Konvention ist der Schutz sowohl von Investoren als auch von Gaststaaten einer Investition.57 Die bislang meisten Schiedsverfahren zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten wurden vor dem ICSID durchgeführt.58 Zentrale Bestimmung der ICSID-Konvention ist Art. 25 Abs. 1. Dieser lautet in englischer Sprache: „Article 25 (2) The jurisdiction of the Centre shall extend to any legal dispute arising directly out of an investment, between a Contracting State (or any constituent subdivision or agency of a Contracting State designated to the Centre by that State) and a national of another Contracting State, which the parties to the dispute consent in writing to submit to the Centre. When the parties have given their consent, no party may withdraw its consent unilaterally.“59

Bereits mit Blick auf diesen Wortlaut wird deutlich, dass es problematisch sein könnte, wenn ein Staat die in der Schiedsklausel eines Intra-EU-BIT enthaltene Zustimmung zur Einleitung eines solchen Verfahrens zurücknehmen wollte. Unterstrichen wird diese Problematik freilich dadurch, dass der EuGH am 6. März 2018 feststellte, dass diese Schiedsklauseln unionsrechtswidrig sind (s. o.) und Mitgliedstaaten gem. Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV grundsätzlich dazu verpflichtet sind, alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der sich aus den Verträgen ergebenden Verpflichtungen zu ergreifen.

VI. Die Januar-Deklarationen Die letzte hier ausdrücklich herauszustellende Rechtsquelle der vorliegenden Untersuchung sind die Deklarationen, die die Mitgliedstaaten der Europäischen Union am 15. und 16. Januar 2019 als Resultat der Achmea-Entscheidung unter53

Tietje, Internationales Wirtschaftsrecht, § 18, F., II.; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Athen/ Dörr, EUV/AEUV, Art. 344 AEUV Rn. 11. 54 Kronke/Melis/Kuhn/Schreuer, Wirtschaftsrecht, Teil P, Rn. 1125. 55 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Athen/Dörr, EUV/AEUV, Art. 344 AEUV Rn. 11. 56 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 23 Rn. 97. 57 Amco Asia Corporation and others v. Republic of Indonesia, ICSID Case No. ARB/81/1, (Decision on Jurisdiction, 25. September 1983), Rn. 23. 58 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 23 Rn. 89, siehe auch https://investmentpo licy.unctad.org/investment-dispute-settlement (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 59 Hervorh. d. Verf.

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Einführung

zeichneten (im Folgenden: Januar-Deklarationen).60 In dieser Hinsicht waren sich die Mitgliedstaaten indes nicht einig, sodass es zu drei unterschiedlichen Deklarationen kam. Während sich die Mehrheit der Mitgliedstaaten – insgesamt 22 – der Deklaration vom 15. Januar 2019 anschlossen,61 unterzeichneten die Republik Finnland, das Großherzogtum Luxemburg, die Republik Malta, die Republik Slowenien und das Königreich Schweden am 16. Januar 2019 eine anderslautende,62 während Ungarn alleine eine dritte Version aufstellte.63 Die wesentlichen Unterschiede der Deklarationen liegen dabei in der Behandlung des ECT infolge der Achmea-Entscheidung.64 Einig waren sich die Mitgliedstaaten demgegenüber darin, dass Investor-Staat-Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT entsprechend der Auslegung des EuGH allesamt unionsrechtswidrig und somit unanwendbar seien.

D. Stand des Diskurses und Gegenstand der Untersuchung Die hiesige Untersuchung soll einen Beitrag zur verbreitet geführten Diskussion um das Verhältnis von Unionsrecht und Investitionsvölkerrecht leisten. In der Vergangenheit und insbesondere bis zum 6. März 2018 – dem Tag des Ergehens der Achmea-Entscheidung – stand im Zentrum des Diskurses, ob und inwieweit 60 Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_ finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Governments of the Member States of 16 January 2019 on the enforcement of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://www.regeringen.se/48ee19/contentassets/ d759689c0c804a9ea7af6b2de7320128/achmea-declaration.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Government of Hungary of 16 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://2015-2019.kormany.hu/download/5/1b/81000/ Hungarys%20Declaration%20on%20Achmea.pdf#!DocumentBrowse, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe allg. dazu Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (236 ff.). 61 Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_ finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 62 Declaration of the Governments of the Member States of 16 January 2019 on the enforcement of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://www.regeringen.se/48ee19/contentassets/d759689c0c8 04a9ea7af6b2de7320128/achmea-declaration.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 63 Declaration of the Government of Hungary of 16 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://2015-2019.kormany.hu/download/5/1b/81000/Hungarys%20De claration%20on%20Achmea.pdf#!DocumentBrowse, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 64 Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (236).

D. Stand des Diskurses und Gegenstand der Untersuchung

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Schiedsklauseln in intra-unionalen Investitionsschutzabkommen unionsrechtskonform sind und welche Folgen eine potentielle Unionsrechtswidrigkeit auch aus völkerrechtlicher Sicht hätte.65 Dieser Konflikt ließ und lässt sich stets aus einer unions- wie auch völkerrechtlichen Perspektive beurteilen. Dementsprechend fokussierte man sich in Literatur und Schiedspraxis zur Lösung der Problematik mitunter stets auf die Auslegung der Art. 30 und 59 VCLT. In diesem Sinne resümiert Boknik treffend den Meinungsstand um den Konflikt sowohl aus unions- wie auch völkerrechtlicher Perspektive auf Basis der Achmea-Entscheidung.66 Es bereitet jedoch Schwierigkeiten dieser seit Jahren geführten Diskussion einen tatsächlichen Erkenntnisgewinn zuzusprechen, da sich hinsichtlich einzelner Fragestellungen – die für das Ergebnis der Bewertung des Konflikts entscheidende Bedeutung haben – keine erkennbar herrschenden Meinungsströmungen entwickelt haben. Neben der scheinbar unlösbaren Frage nach der (Un-)Vereinbarkeit von Intra-EU-BIT mit Unionsrecht wurde auch das Beziehen auf denselben Gegenstand („relating to the same subject matter“) i. S. d. Art. 30 Abs. 1 und Art. 59 Abs. 1 VCLT stets unterschiedlich gewürdigt. In dieser Hinsicht haben sich nun drei wesentliche Entwicklungen aufgetan. Die Achmea-Entscheidung scheint die Frage der Unvereinbarkeit gelöst zu haben. In der nach dem Ergehen der Achmea-Entscheidung florierenden Schiedspraxis scheint eine wohl „ständige“ Rechtsprechung zur Lösung des Konflikts gefunden worden zu sein. Endlich unterzeichneten nahezu alle Mitgliedstaaten das Beendigungsübereinkommen. All dies hebt die Problematik auf eine neue Ebene und wirft eine Vielzahl bislang kaum erörterter Fragen auf.67 Die besondere Relevanz dieser unterstreichen die seit dem 6. März 2018 in dieser Hinsicht ergangenen Entscheidungen in Schiedsverfahren, die auf Basis von Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT sowie Art. 26 ECT eingeleitet wurden.68 Darüber hinaus werden zunehmend auch mitgliedstaatliche sowie drittstaatliche Gerichte in Anerkennungs- und Vollstreckungs-, aber auch in Aufhebungsverfahren mit dieser Thematik konfrontiert.69 Eine nicht unerhebliche Rolle spielen im Rahmen dieser auch die Entscheidungen der Europäischen Kommission.70 All das bildet das Fundament für die Entstehung rechtlicher, tatsächlicher und politischer Probleme, die im Rahmen verschiedener Jurisdiktionen unterschiedlichen Lösungen zugeführt werden. 65

Siehe aus der deutsch- und englischsprachigen Literatur insb. Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht; Basener, Investment Protection in the European Union; Thörle, Der Konflikt zwischen Investitionsschutzabkommen und dem Recht der Europäischen Union; Ahner, Investor-Staat-Schiedsverfahren nach Europäischem Unionsrecht. 66 Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 78 ff. 67 Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (62) konstatieren gar, die Entscheidung werfe mehr Fragen auf, als sie beantworte. 68 Siehe hierzu Kapitel II B. II., III. 69 Siehe hierzu Kapitel II B. IV. 70 Siehe hierzu insb. Kapitel II B. IV. 3. a).

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Einführung

Veranschaulichen lässt sich dies anhand folgenden – fiktiven71 – Verfahrens: Investor A, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union (X) ist, investiert seit Jahrzehnten in einem anderen Mitgliedstaat (Y). Unterstellt werden soll, dass diese Investition dem persönlichen und sachlichen Schutzbereich eines BIT zwischen diesen beiden Mitgliedstaaten unterfällt. Nun nimmt Y Änderungen in seiner Rechtsordnung vor, sodass A im Rahmen seiner Investition erhebliche Verluste entstehen. A leitet im Jahre 2017 auf Grundlage einer Schiedsklausel in besagtem BIT ein Schiedsverfahren gegen Y ein. Am 6. März 2018 entscheidet der EuGH in der Achmea-Entscheidung, dass die Schiedsklausel des BIT zwischen X und Y unionsrechtswidrig ist. X und Y unterzeichnen daher eine Deklaration, in der sie die Unanwendbarkeit der Klausel feststellen. Das angerufene Schiedsgericht hält sich gleichwohl für zuständig und spricht A – entgegen der Argumentation von Y – Schadensersatz zu. Einen Antrag zur Vollstreckung dieses Anspruchs reicht A nun bei mitgliedstaatlichen und drittstaatlichen Gerichten ein. Die mitgliedstaatlichen Gerichte versagen die Vollstreckung aufgrund besagter Entscheidung des EuGH. Die drittstaatlichen Gerichte helfen dem Antrag von A demgegenüber ab. Bevor es zu einer Zahlung der vom Schiedsgericht festgestellten Schadenssumme durch Y kommt, beschließt die Europäischen Kommission, dass eine entsprechende Zahlung eine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen würde und kündigt ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Y an, sollte tatsächlich gezahlt werden.

Die völkerrechtliche Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz in Kombination mit der unionsrechtlichen Verpflichtung zur Nichtleistung kann Gaststaaten in derartigen Fällen in „geradezu kafkaesk[e]“72 Situationen versetzen. Doch auch Investoren sind vor diesem Hintergrund mit einer nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit konfrontiert, wenn es um die Durchsetzung ihrer Rechte geht. Ihnen dürfte sich die Frage aufdrängen, ob sie sich darauf beschränken sollten, alleine auf die investitionsschützenden Bestimmungen des Unionsrechts vor mitgliedstaatlichen Gerichten zurückzugreifen oder ob sie ihre Investition womöglich von vornherein über ein in einem Drittstaat ansässiges Investitionsvehikel strukturieren sollten bzw. hätten sollen. Dies hängt entscheidend damit zusammen, welches Gewicht der Achmea-Entscheidung des EuGH beizumessen ist. In diese Lücke soll sich die vorliegende Untersuchung fügen. Gegenstand dieser Dissertation ist deshalb die Analyse der Auswirkungen der Achmea-Entscheidung des EuGH auf das intra-unionale Investitionsschutzrechtssystem. Es soll ein Beitrag zu der Diskussion geleistet werden, die sich in den mittlerweile drei Jahren nach Ergehen der Achmea-Entscheidung entwickelt hat.73 Dargestellt wird daher zunächst der inzwischen umfangreiche Meinungsstand zur unionsrechtlichen Würdigung der Achmea-Entscheidung selbst.74 Ein wesentlicher Schwerpunkt der hiesigen Untersuchung liegt dann jedoch auf der prozessualen 71 Der Sachverhalt entspricht vereinfacht in Grundzügen dem sog. Micula-Verfahren, s. u. Kapitel II B. IV. 3. 72 So Kerkemeyer, EuZW 2016, 10 (15). 73 Vgl. jüngst umfangreich Berger, International Investment Protection in Europe. 74 Siehe hierzu Kapitel I C.

E. Gang der Untersuchung

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Behandlung der Entscheidung. Dahingehend wurden in der Literatur bislang lediglich einzelne Schiedssprüche analysiert und kontextualisiert.75 Hier soll hingegen eine umfassende Anschauung der mittlerweile wohl „ständigen“ Rechtsprechung der Schiedsgerichte zur Behandlung des Konflikts zwischen Intra-EU-BIT und Unionsrecht auf Basis der Achmea-Entscheidung gegeben werden. Diese fungiert als unerlässliche Basis für das Verständnis der zu erwartenden Schiedspraxis hinsichtlich des Beendigungsübereinkommens. Diesem wird vorliegend letztlich ebenso maßgebliche Bedeutung beigemessen. Es soll hier – soweit ersichtlich – erstmals eine wirklich grundlegende Erörterung des Regelungsgehalts dargeboten werden. Überdies wird ein umfassender Beitrag zu dem sich im vordringen befindlichen Diskurs um die rechtliche Bewertung des Übereinkommens geleistet. In dieser Hinsicht sind bislang nur vereinzelt Stimmen laut geworden.76 Die Analyse dieser leitbildlichen Problematik der Implikation der Achmea-Entscheidung in das bisherige Investitionsschutzsystem innerhalb der Europäischen Union gewährleistet nicht nur einen Überblick über den Status quo, sondern bildet die Grundlage für einen Blick in die Zukunft. Außer Frage steht, dass in dieser aus Sicht der Mitgliedstaaten und der Investoren ein als gelungen anzusehendes Investitionsschutzrechtssystem funktionieren sollte.

E. Gang der Untersuchung Wesentlich für das Verständnis des Verhältnisses von Schiedsgerichten, staatlichen Gerichten und dem EuGH ist nachzuvollziehen, wie es überhaupt zu einer derartigen Feststellung des EuGH kommen konnte. Schließlich entscheidet dieser im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 267 Abs. 1 lit. a) AEUV lediglich über die Auslegung der Unionsverträge – was er in der Achmea-Entscheidung auch tat. Deshalb wird im ersten Kapitel das Achmea-Verfahren als Grundlage der entsprechenden EuGH-Entscheidung erörtert (Kapitel I A., B.). Dieser umfangreiche Prozess veranschaulicht eindrucksvoll das Zusammenspiel vom Schiedsgerichten und nationalen Gerichten auf dem Weg zur tatsächlichen Erfüllung eines potentiell zugesprochenen Schadensersatzanspruches. Überdies ließen sich die Bedenken der EuGH-Richter ohne eine entsprechende Auseinandersetzung mit dem konkret maßgeblichen Investitionsschutzabkommen und dem darauf fußenden Schiedsverfahren kaum nachvollziehen. Der Prozess ist darüber hinaus geeignet, den bis zum Ergehen der Entscheidung in Literatur und schiedsgerichtlicher Rechtsprechung geführten Streit um den Konflikt zwischen Unions75 Siehe bspw. Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 388 ff.; Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (240 ff.); Baltag/Stanicˇ / Baltag/Dudas¸, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 23 (S. 30 ff.). 76 Siehe insb. Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/Wackernagel, EU External Action in International Economic Law, S. 153 und Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197.

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Einführung

recht und Investitionsvölkerrecht praxisnah darzustellen. Deshalb werden die zwei Entscheidungen des Schiedsgerichts selbst sowie die darauf jeweils folgenden Verfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt, dem Bundesgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht dargestellt und bewertet. Dies bildet die Grundlage für die sich daran anschließende Analyse der Achmea-Entscheidung selbst und eine eingehende Stellungnahme zu den Erwägungen des EuGH (Kapitel I C.). Vor dem Hintergrund der dabei gewonnenen Erkenntnisse widmet sich das zweite Kapitel den unmittelbaren Auswirkungen der Entscheidung für Investitionsschutzabkommen, Schiedsverfahren sowie Aufhebungs- und Durchsetzungsprozesse vor staatlichen Gerichten. Erläutert wird in diesem Rahmen also, ob die Entscheidung Bedeutung für sämtliche Intra-EU-BIT entfaltet und inwieweit auch Schiedsklauseln in Extra-EU-BIT, Art. 26 ECT sowie Schiedsvereinbarungen in Investor-StaatVerträgen von den Erwägungen der Richter berührt werden (Kapitel II A.), bevor die vom Verfasser getroffenen Aussagen mit in dieser Hinsicht ergangenen Schiedssprüchen verglichen werden (Kapitel II B. II., III.). Die umfangreiche Untersuchung verschiedener Schiedssprüche, die auf Basis von Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT und Art. 26 ECT gesprochen wurden, offenbart die Komplexität des Verhältnisses von EuGH und Investitionsschiedsgerichten. Wie bereits angedeutet, lassen sich letztere von den Erwägungen des EuGH im Ergebnis nämlich kaum beeindrucken. Mit der daraus resultierenden Rechtsunsicherheit werden in der Folge staatliche Gerichte im Rahmen von Durchsetzungs- und Aufhebungsprozessen konfrontiert. Auch hinsichtlich der Urteile und Beschlüsse dieser soll ein kursorischer Überblick über die Rechtslage im Lichte der Achmea-Entscheidung gegeben werden, bevor im Einzelnen auf das besonders aufschlussreiche und spannende Micula-Verfahren eingegangen wird (Kapitel II B. IV.). Im Zentrum des dritten und abschließenden Kapitels steht besagtes Übereinkommen zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzverträge zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 5. Mai 2020. Dieses birgt zahlreiche Unklarheiten und lädt überdies dazu ein, missverstanden zu werden. Deshalb wird in einem ersten Schritt zunächst dessen Regelungsgehalt festgestellt (Kapitel III B.). Auch aufgrund der mitunter diffusen Systematik des Übereinkommens keimen in Bezug auf dieses verschiedene Bedenken rechtlicher und tatsächlicher Natur. Diese sollen zunächst dargelegt und bewertet werden (Kapitel III C. I. 1., 2.). Daran schließt sich ein eigener Ansatz des Verfassers zur völkerrechtlichen Behandlung des Beendigungsübereinkommens an (Kapitel III C. I. 3.). Mangels entsprechender schiedsgerichtlicher Judikatur zur Behandlung des Übereinkommens, kann darüber hinaus lediglich eine Einordnung in die schiedsgerichtliche Praxis auf Basis bereits ergangener Entscheidungen zur Achmea-Entscheidung erfolgen (Kapitel III C. II.). Der abschließende Abschnitt des dritten Kapitels sowie der hiesigen Dissertation behandelt die praktischen Konsequenzen des Beendigungsübereinkommens (Kapitel III D.). Neben von diesem adressierten Verfahren ist es insbesondere von politischer Brisanz, ob und inwieweit ein sog. treaty shopping denkbar ist. In diesem Zusam-

E. Gang der Untersuchung

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menhang werden ein entsprechender Handlungsbedarf und verschiedene Handlungsmöglichkeiten der Europäischen Union erörtert. Schließlich werden die gewonnenen Erkenntnisse in ein gesamtwürdigendes Endergebnis überführt und demgemäß elf zusammenfassende Thesen formuliert.

Kapitel I

Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs A. Sachverhalt und Verfahrensgang Um nachvollziehen zu können, wie es zur Achmea-Entscheidung des EuGH77 kommen konnte, bedarf es eines genauen Blicks auf die umfangreiche prozessuale Entwicklung des Falles – welche im Angesicht einer noch anhängigen Verfassungsbeschwerde78 noch nicht abgeschlossen ist – und den zugrunde liegenden Sachverhalt.

I. Der Sachverhalt Der Achmea-Entscheidung und dem gesamten Verlauf des Prozesses liegt im Überblick folgender Sachverhalt zugrunde. Die Achmea B. V.79 ist eine international tätige Versicherungsgesellschaft mit Sitz in der Niederlande. Im Zeitpunkt der für den Sachverhalt maßgeblichen Geschehnisse nannte sich die Gesellschaft noch Eureko B. V., bevor jene am 18. November 2011 mit der Achmea Holding N. V.80 fusionierte und hieraus die Achmea B. V. entstand.81 Um sich langfristig Marktanteile im Versicherungsmarkt der Slowakischen Republik zu erschließen, erwarb die Achmea B. V. im Jahre 1997 Anteile an einer slowakischen Versicherungsgesellschaft (Union poistˇovnˇ a, a. s.82). Am 9. März 2006 gründete die Achmea B. V. darüber hinaus eine Tochtergesellschaft (Union zdravotna´

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EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158. BVerfG – 2 BvR 557/19 (anha¨ ngig). 79 B. V. steht für Besloten Vennootschap und ist das niederländische Pendant zur deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung. 80 N. V. steht für Naamloze Vennootschap und ist das niederländische Pendant zur deutschen Aktiengesellschaft. 81 Der Klarheit halber wird das Unternehmen im Folgenden ausschließlich Achmea B. V. genannt, auch wenn es in den genannten Zeiträumen teilweise unter Eureko B. V. firmierte. 82 A. s. steht für akciová spolocˇ nostˇ und ist das slowakische Pendant zur deutschen Aktiengesellschaft. 78

A. Sachverhalt und Verfahrensgang

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poistˇovnˇ a, a. s.) mit Sitz in der Slowakischen Republik.83 Ziel der Union zdravotna´ poistˇovnˇ a, a. s. war der Vertrieb privater Krankenversicherungen im slowakischen Markt. Ermöglicht wurde dies durch eine Liberalisierung des Krankenversicherungssystems in der Slowakischen Republik im Jahre 2004, durch welche im Wesentlichen die Möglichkeit für private Krankenversicherungsunternehmen geschaffen wurde, im dortigen Krankenversicherungswesen wirtschaftlich selbständig tätig zu werden.84 Im Laufe des Jahres 2006 brachte die Achmea B. V. nach eigenen Angaben etwa 72.000.000,00 EUR als Bareinlage in die Union zdravotna´ poistˇovnˇ a, a. s. ein,85 welche bis zum 1. Januar 2007 einen Marktanteil in Höhe von 8,5 % des slowakischen Krankenversicherungsmarkts erwarb.86 Währenddessen begann die slowakische Regierung Ende des Jahres 2006, den gesetzlichen Rahmen des Krankenversicherungswesens erneut zu reformieren.87 In diesem Zuge wurde in den Jahren 2006 bis 2009 unter anderem eine Obergrenze für Betriebskosten erlassen,88 die Einschaltung von Maklern zum Vertrieb der Versicherungen verboten,89 das freie Kontrahieren mit Dienstleistern im Gesundheitswesen eingeschränkt,90 im Wesentlichen vorgeschrieben, dass alle Gewinne im Geschäft mit Krankenversicherungen für Zwecke des Gesundheitswesens eingesetzt werden müssen91 und verboten, die Versicherungsportfolios an andere Krankenversicherungsunternehmen zu veräußern.92 Aus Sicht von Achmea B. V. wurde die Investition in den slowakischen Krankenversicherungsmarkt maßgeblich durch die Liberalisierung des Krankenversicherungswesens veranlasst. Die Rückgängigmachung der Liberalisierung seit 2006 soll nun dieser Investition die Grundlage und deren Wert entzogen haben, sodass dem Unternehmen ein Schaden in Höhe von 100.000.000,00 EUR zuzüglich Verfahrensund Beratungskosten entstanden sei.93 83 Siehe Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award, 7. Dezember 2012), Rn. 2, 90. 84 Siehe ibid. Rn. 87 ff.; im Rahmen der Reform galten für die Entscheidung des Tribunals Gesetz Nr. 580/2004 und Gesetz Nr. 581/2004 als entscheidend. 85 Siehe BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2019, 46 (47). 86 Siehe Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award), Rn. 90. 87 Siehe ibid. Rn. 91. 88 Gesetz Nr. 522/2006 und Gesetz Nr. 530/2007. 89 Gesetz Nr. 12/2007. 90 Dekret 504/2007 und Dekret 640/2008. 91 Gesetz Nr. 530/2007 und Gesetz Nr. 594/2007; in BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328 (329) wird der Regelungsgehalt als „Verbot von Gewinnausschüttungen“ bezeichnet. 92 Gesetz Nr. 192/2009; siehe zur Zusammenstellung der Gesetzgebungsakte umfassend und kommentierend Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award), Rn. 91-99. 93 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension),

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Achmea B. V. reichte im Zuge dieser Entwicklungen im Februar 2008 Beschwerde bei der Europäischen Kommission ein, woraufhin diese gem. Art. 258 AEUV ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Slowakische Republik wegen Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit aus Art. 63 AEUV durch Gesetz Nr. 581/ 2004 (s. o.) einleitete.94 Da ein solches indessen nicht zur Entschädigung eines potentiell Geschädigten führen kann, sah sich die Achmea B. V. im Oktober 2008 „gezwungen“95, ein Schiedsverfahren gegen die Slowakische Republik einzuleiten. Die Möglichkeit hierzu bestand, da das Königreich der Niederlande und die Tschechische und Slowakische Föderative Republik am 24. April 1991 ein BIT96 abschlossen, welches am 1. Oktober 1992 in Kraft trat. Am 1. Januar 1993 trat die Slowakische Republik als Rechtsnachfolgerin der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik in deren Rechte und Pflichten aus dem Abkommen ein.97 Nach Art. 8 Abs. 2 und 5 des BIT besteht im Falle eines Disputs hinsichtlich einer Investition zwischen dem Investor und dem Gaststaat der Investition für den Investor die Möglichkeit, ein Schiedsverfahren vor einem unabhängigen Schiedsgericht nach den UNCITRAL-Schiedsregeln einzuleiten. Parallel hierzu reichten im Juni 2008 Mitglieder des Slowakischen Parlaments gem. Art. 125 Abs. 1 lit. a) der Verfassung der Slowakischen Republik (Ústava Slovenskej republiky98) einen Antrag beim Verfassungsgericht der Slowakischen Republik (Ústavny´ súd Slovenskej republiky) ein, um hinsichtlich besagter Einschränkungen bei der Gewinnverwendung (s. o.)99 eine Unvereinbarkeit mit der Verfassung der Slowakischen Republik, dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag)100 und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) feststellen zu lassen.101 Im Urteil des Verfassungsgerichts vom 26. Januar 2011 wird tatsächlich – ohne Prüfung des Unionsrechts – eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 1 der Verfassung der Slowakischen

Rn. 7; in Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award), Rn. 7 ist hingegen nur noch von ungefähr 65.000.000,00 EUR die Rede („compensation in the vicinity of E65 million“). 94 Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2008/4268; siehe auch Europäische Kommission, 2. Juli 2013, COM(2013) 4042 final, S. 4, Rn. 16. 95 „[F]orced“, Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award), Rn. 114. 96 Agreement on encouragement and reciprocal protection of investments between the Kingdom of the Netherlands and the Czech and Slovak Federal Republic (Inkrafttreten 1. Oktober 1992). 97 Siehe EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 6. 98 Im amtlichen Gesetzblatt veröffentlicht als Nr. 460/1992. 99 Gesetz Nr. 530/2007 und Gesetz Nr. 594/2007. 100 Dem heutigen AEUV, Maunz/Dürig/Scholz, GG, Art. 23. Rn. 16. 101 Siehe Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award), Rn. 115.

A. Sachverhalt und Verfahrensgang

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Republik festgestellt,102 weshalb die Einschränkungen zu der Gewinnverwendung von der Slowakischen Republik mit Gesetz vom 1. August 2011 wieder zugelassen wurden.103

II. Überblick über den prozessualen Gang des gesamten Verfahrens Den Beginn der Prozesse rund um das Achmea-Urteil des EuGH markiert besagtes Verfahren vor dem UNCITRAL-Ad hoc-Schiedsgericht. Die Klägerin Achmea B. V. leitet das Verfahren gem. Art. 3 Abs. 1 der UNCITRAL-Schiedsregeln mit einer Einleitungsanzeige am 1. Oktober 2008 ein. Diese geht der Beklagten Slowakischen Republik am 3. Oktober 2008 zu.104 Am 16. Juni 2009 reicht die Klägerin die Klageschrift ein, welcher am 30. Oktober 2009 durch die Klageerwiderung begegnet wird.105 Die Parteien vereinbaren als Ort des Schiedsverfahrens Frankfurt am Main, Deutschland.106 Am 26. Oktober 2010 ergeht die Zwischenentscheidung zur Zusta¨ ndigkeit, Schiedsfa¨ higkeit und Aussetzung zugunsten der Klägerin.107 Wesentlicher Inhalt dieser Entscheidung ist die Zurückweisung des Einwands der Beklagten, das Tribunal sei für eine derartige Intra-EU-Streitigkeit nicht zuständig, da das hier anzuwendende BIT durch den Beitritt der Slowakischen Republik zur Europäischen Union vom 1. Mai 2004 unanwendbar geworden sei (sog. „Intra-EU Jurisdictional Objection“).108 Daraufhin beantragt die Slowakische Republik gem. § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO eine gerichtliche Entscheidung zur Aufhebung des Zwischenentscheids und zur Feststellung der Unzuständigkeit des Tribunals. Das hierfür gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zuständige Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main erklärt mit Beschluss vom 10. Mai 2012 die Anträge der Slowakischen Republik zwar für zulässig, allerdings für sachlich unbegründet und weist sie daher zurück.109 Hiergegen richtet 102

Verfassungsgericht der Slowakischen Republik, v. 26 Januar 2011, Nr. Pl. ÚS 3/09, veröffentlicht in Nr. 79/2011; siehe für eine englische Übersetzung der Leitsätze https://www.us tavnysud.sk/documents/10182/992328/3_11a.pdf/f27c17ef-a122-431d-aae6-8d7679fdb778 (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 103 Siehe Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award), Rn. 115 f., 119; siehe auch BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2019, 46 (47 Rn. 5). 104 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award), Rn. 12. 105 Ibid. Rn. 17 f. 106 Ibid. Rn. 16. 107 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension). 108 Ibid. Rn. 293; siehe hierzu ausführlich unten Kapitel I B. I. 109 OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (121 f.).

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

sich die Slowakische Republik mit einer gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 1065 Abs. 1 S. 1 ZPO statthaften Rechtsbeschwerde vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Diese weist der BGH indes mit Beschluss vom 19. September 2013 zurück.110 Begründet wird die Entscheidung mit dem Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses der Antragstellerin aufgrund des zwischenzeitlich am 7. Dezember 2012 ergangenen Schiedsspruchs des UNCITRAL-Schiedsgerichts111 (siehe sogleich). Die weiterhin von der Antragstellerin aufrechterhaltene Rechtsbeschwerde sowie ein Hilfsantrag zur Feststellung der Zulässigkeit und Begründetheit des ursprünglichen Antrags auf Aufhebung des Zwischenentscheids bis zum Erlass des Schiedsspruchs über die Hauptsache werden vom BGH als unzulässig (geworden) zurückgewiesen.112 In der besagten Entscheidung des UNCITRAL-Schiedsgerichts vom 7. Dezember 2012 wird der Achmea B. V. ein Anspruch gegen die Slowakische Republik auf Zahlung von 22.100.000,00 EUR zuzüglich Zinsen für den Zeitraum zwischen dem 1. August 2011 bis zum Zahlungsdatum und der während des Verfahrens entstandenen Kosten i. H. v. 220.772,74 EUR und der Rechtsanwalts- und Beratungskosten i. H. v. 2.905.350,94 EUR aufgrund der Verletzung von Art. 3 und 4 des BIT durch Teile der genannten staatlichen Regulierungsmaßnahmen zugesprochen.113 Diese Entscheidung bildet nun den Gegenstand eines Aufhebungsgesuchs der Slowakischen Republik gem. § 1059 ZPO vor dem gem. § 1062 I Nr. 4 ZPO hierfür zuständigen OLG Frankfurt am Main. Hilfsweise wird eine Vorlage maßgeblicher Fragestellungen zur Auslegung von Art. 344, 267 und 18 AEUV an den EuGH gem. Art. 267 AEUV angeregt. Das OLG Frankfurt am Main beschließt am 18. Dezember 2014 unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Beschluss vom 10. Mai 2012114 und unter Verweis auf die sog. „acte-claire-Doctrin“115 hinsichtlich der Anregung zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens, dass kein Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) ZPO vorliegt und weist den Antrag daher vollumfänglich zurück.116 Zur Weiterverfolgung des Aufhebungsgesuchs erhebt die Beklagte nunmehr eine gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 1065 Abs. 1 S. 1 ZPO statthafte

110

BGH, Beschluss vom 19. September 2013 – III ZB 37/12, in: SchiedsVZ 2013, 333. Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award). 112 BGH, Beschluss vom 30. April 2014 – III ZB 37/12, in: NJOZ 2014, 1341. 113 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award), Rn. 352. 114 OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (121 f.). 115 Siehe hierzu erläuternd Broberg/Fenger, EuR 2010, 835. 116 OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 26 Sch 3/13, in: BeckRS 2015, 6323. 111

A. Sachverhalt und Verfahrensgang

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Rechtsbeschwerde beim BGH, welcher mit Beschluss vom 3. März 2016117 den Weg für die Achmea-Entscheidung des EuGH und damit für eine historisch folgenschwere Veränderung des internationalen Investitionsrechts der Mitgliedstaaten der Europäischen Union ebnet. Der BGH macht den Erfolg der Rechtsbeschwerde der Slowakischen Republik von der Auslegung der Art. 344, 267 und 18 Abs. 1 AEUV abhängig, setzt das Verfahren aus und legt die Frage der Vereinbarkeit der Schiedsklausel in Art. 8 Abs. 2 des BIT mit Art. 344, 267 und 18 Abs. 1 AEUV – von welcher er selbst ausgeht – dem EuGH gem. Art. 267 Abs. 1 lit. a) und Abs. 3 AEUV zur Vorabentscheidung vor.118 Der EuGH entscheidet am 6. Ma¨ rz 2018 in der richtungsweisenden AchmeaEntscheidung119 über die ihm vorgelegten Fragen. Im Wesentlichen kommt er zu dem Ergebnis, dass eine Bestimmung in einem Investitionsschutzabkommen mit dem Inhalt von Art. 8 des hier relevanten Abkommens gegen Art. 267 und 344 AEUV verstößt.120 Auf eine Vereinbarkeit mit Art. 18 AEUV geht der EuGH nicht ein.121 Infolgedessen beschließt der BGH am 31. Oktober 2018, den Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 18. Dezember 2014 aufzuheben.122 Zudem wird gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) ZPO der Schiedsspruch des UNCITRAL-Tribunals vom 7. Dezember 2012 aufgehoben.123 Daneben sieht der BGH keinen Grund zur Vorlage der Entscheidung des EuGH an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 oder Abs. 2 GG, um sie für unanwendbar erklären zu lassen.124 Eine daraufhin gem. § 321a ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig von der Achmea B. V. erhobene Anhörungsrüge wird vom BGH mit Beschluss vom 24. Januar 2019 als unbegründet zurückgewiesen.125 Hiergegen erhebt sie Verfassungsbeschwerde beim BVerfG.126 Eine Entscheidung steht noch aus. Weiterhin beantragt die Achmea B. V. vor dem BVerfG den Erlass einer einstweiligen Anordnung unter anderem auf vorläufige Außerkraftsetzung des Tenors des Beschlusses des BGH vom 31. Oktober 2018127 sowie des Schiedsspruchs des UNCITRAL-Tribunals vom 7. Dezember 2012128 (Ziff. 3)129. Das BVerfG be117

BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328. Ibid. (329 Rn. 9 ff.). 119 EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158. 120 Eingehend hierzu Kapitel I C. 121 EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 62. 122 BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2019, 46. 123 Ibid. 124 Ibid. (51 f.). 125 BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 – I ZB 2/15, in: BeckRS 2019, 1863. 126 BVerfG – 2 BvR 557/19 (anha¨ ngig). 127 BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2019, 46. 128 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award). 118

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

schließt gem. § 32 Abs. 1 i. V. m. § 93d Abs. 2 BVerfGG am 23. März 2020 den Antrag abzulehnen, da ansonsten die Hauptsache vorweggenommen würde.130

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung Den Grundstein für die bereits angesprochenen, aktuell brisanten Entwicklungen im internationalen Investitionsrecht bildet das Verfahren der Achmea B. V. gegen die Slowakische Republik vor dem UNCITRAL-Tribunal. Bereits in diesem Stadium wurden Bedenken zur Anwendbarkeit des einschlägigen BIT und der Zuständigkeit des Tribunals angesichts dessen erhoben, dass es sich bei dem Disput um eine sog. Intra-EU-Streitigkeit handelt. Eine Intra-EU-Streitigkeit im internationalen Investitionsrecht kennzeichnet sich dadurch, dass sowohl der Gaststaat der Investition als auch der Heimatstaat des Investors Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind (s. o.). Besagte Bedenken und materiell-rechtliche Gesichtspunkte der Entscheidungen des Tribunals und der staatsgerichtlichen Entscheidungen um das Aufhebungsgesuch der Slowakischen Republik sind im Folgenden zu beleuchten.

I. Der Zwischenentscheid des Tribunals Die erste Entscheidung des Tribunals ergeht am 26. Oktober 2010.131 Es handelt sich dabei um den Zwischenentscheid zur Zusta¨ ndigkeit, Schiedsfa¨ higkeit und Aussetzung. Im Einvernehmen mit den Parteien behandelt das Tribunal in diesem Zwischenentscheid ausschließlich die bereits erwähnte sog. Intra-EU Jurisdictional Objection der Slowakischen Republik.132 Im Kern wird dabei argumentiert, das Schiedsgericht sei für die vorliegende Streitigkeit gar nicht zuständig, da das hier anzuwendende BIT durch den Beitritt der Slowakischen Republik zur Europäischen Union im Jahre 2004 beendigt oder jedenfalls hier unanwendbar wurde. Nachfolgend sollen vor der Darstellung der Zwischenentscheidung des Tribunals und deren rechtlicher Bewertung die jeweiligen Positionen der Parteien und der Europäischen Kommission dargelegt werden. Die hier vertretenen Auffassungen behalten die Parteien über den gesamten Prozessverlauf weitgehend bei. 129 Ziffer 1 und 2 des Antrags beziehen sich auf besagtes Beendigungsübereinkommen. Siehe hierzu Kapitel III. 130 BVerfG, Beschluss vom 23. Ma¨ rz 2020 – 2 BvQ 6/20, in: EuZW 2020, 427; die Vorwegnahme der Hauptsache ist lediglich die Begründung bezüglich Ziffer 3. 131 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension). 132 Ibid. Rn. 9.

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung

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1. Die Argumente der Slowakischen Republik Die Beklagte argumentiert im Wesentlichen auf drei Ebenen.133 Das BIT sei aufgrund von Art. 59 VCLT mit dem Beitritt der Slowakischen Republik zur Europäischen Union im Jahre 2004 beendigt worden (a)). Jedenfalls sei das BIT aber nach Art. 30 VCLT hier aufgrund des Unionsbeitritts nicht mehr anwendbar (b)). Außerdem stehe das Recht der Europäischen Union und das Recht der Bundesrepublik Deutschland der Anwendbarkeit des BIT entgegen (c)). a) Die Beendigung des BIT nach Art. 59 VCLT Der hier maßgebliche Art. 59 VCLT lautet in authentischer englischer Sprache134: „Art. 59 – Termination or suspension of the operation of a treaty implied by conclusion of a later treaty (1) A treaty shall be considered as terminated if all the parties to it conclude a later treaty relating to the same subject matter and: a) it appears from the later treaty or is otherwise established that the parties intended that the matter should be governed by that treaty; or b) the provisions of the later treaty are so far incompatible with those of the earlier one that the two treaties are not capable of being applied at the same time. (2) The earlier treaty shall be considered as only suspended in operation if it appears from the later treaty or is otherwise established that such was the intention of the parties.“

Der Beklagten zufolge beziehen sich das BIT und der EG-Vertrag (der heutige AEUV) auf „denselben Gegenstand“ („relating to the same subject matter“) i. S. v. Art. 59 Abs. 1 VCLT.135 Hinsichtlich des Investorenbegriffs seien Art. 1 lit. (b) des BIT und Art. 48 Abs. 1 EG-Vertrag (heute Art. 54 Abs. 1 AEUV) vergleichbar. Daneben decke sich auch das Verständnis des Investitionsbegriffs aus Art. 1 lit. (a) des BIT im Wesentlichen mit dem des EG-Vertrags, wie sich aus der Richtlinie 88/361/EWG in Verbindung mit der Nomenklatur im Anhang136 und Entscheidungen des EuGH137 ergebe. Außerdem seien auch die Schutzstandards der beiden Verträge die gleichen. Der Regelungsgehalt von Art. 2 des BIT sei mit Art. 2 und 3 EG-Vertrag und Art. 56 EG-Vertrag (heute Art. 63 AEUV) vergleichbar. Hinsichtlich Gleichbehandlung und Antidis133

Ibid. Rn. 59. Siehe Art. 85 VCLT. 135 Siehe hierzu Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 65-77. 136 Siehe RL 88/361/EWG, Amtsblatt der Europäischen Union, Nr. L 178/5 (178/8 ff.). 137 Siehe EuGH, Urteil vom 2. Juni 2005, Rs. C 174/04, Kommission/Italien, ECLI:EU:C: 2005:350, Rn. 27 ff.; EuGH, Urteil vom 28. September 2006, verbundene Rs. C-282/04 u. C283/04, Kommission/Niederlande, ECLI:EU:C:2006:608, Rn. 19. 134

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

kriminierung nennt die Slowakische Republik Art. 3 Abs. 1 des BIT und Art. 12 EGVertrag (Art. 18 AEUV) sowie Art. 43 EG-Vertrag (Art. 49 AEUV) und hinsichtlich der Kapitalverkehrsfreiheit stellt sie Art. 4 des BIT und Art. 56 EG-Vertrag (Art. 63 AEUV) als „identisch“138 gegenüber. Auch dem in Art. 3 Abs. 2 des BIT niedergelegten Grundsatz von vollem Schutz und Sicherheit werde durch den EG-Vertrag aufgrund der Regeln des Binnenmarktes Rechnung getragen.139 Die Bestimmung zur Enteignung im BIT (Art. 5 des BIT) finde sein Pendant unter anderem in der Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EG-Vertrag (Art. 49 AEUV). Darüber hinaus sei auch das System der Rechtsbehelfe zu beiden Vertragswerken das „gleiche“140, wenn eine Investition durch staatliches Handeln oder Unterlassen beeinträchtigt wird. Im Recht der Europäischen Union hat ein Investor Verfahren vor nationalen Gerichten einzuleiten, wobei die Möglichkeit der Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH besteht. Nach dem Recht des BIT entscheidet ein schiedsgerichtlicher Spruchkörper. Beide Mechanismen dienen dem Schutz der Investition und ermöglichen den Ersatz entstandener Schäden.141 Letztlich zeige auch die Tatsache, dass kein BIT je zwischen zwei Mitgliedstaaten der Europäischen Union – also nach deren Beitritt oder als Gründungsmitglieder – geschlossen wurde, dass sich Unionsrecht und die Regelungen in BIT auf denselben Gegenstand beziehen. Die Beklagte macht weiterhin geltend, die Vertragsparteien haben auch beabsichtigt, besagten Gegenstand durch den EG-Vertrag zu regeln („the parties intended that the matter should be governed by that treaty“), vgl. Art. 59 Abs. 1 lit. a) VCLT.142 Basis dieser Annahme ist der Gedanke, dass das BIT vor dem Unionseintritt der Slowakischen Republik in erster Linie dem Ziel galt, eine „Handelsplattform“143 zu schaffen, durch welche Angehörige der Mitgliedstaaten ohne Bedenken hinsichtlich rechtlicher Unsicherheiten in der Slowakischen Republik investieren können. Diese „Handelsplattform“ habe indes mit dem Eintritt in die Europäische Union seine Bedeutung verloren, da die Beziehungen zwischen dem Königreich der Niederlande und der Beklagten nunmehr allein durch Unionsrecht beherrscht sein sollen. Insofern 138 „[I]dentical“, Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 69. 139 Siehe auch EuGH Urteil vom 19. Mai 2009, Rs. C-531/06, Kommission/Italien, ECLI: EU:C:2009:315, Rn. 49. 140 „[T]he same“, Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 71. 141 Siehe für den von der Beklagten hierbei für das Unionsrecht angesprochenen unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch EuGH, Urteil vom 19. November 1991, verbundene Rs. C6/90 u. 9/90, Francovich, ECLI:EU:C:1991:428. 142 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 86 – 96. 143 „[T]rading platform“, ibid. Rn. 86.

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung

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stehe die Absicht, den Vertragsgegenstand durch den späteren Vertrag zu regeln „anderweitig fest“ („it […] is otherwise established“) i. S. d. Art. 59 Abs. 1 lit. a) VCLT. Auch Art. 3 Abs. 5 des BIT lasse dahingehend jedenfalls deshalb keine andere Bewertung zu, da diese Regelung ebenso gem. Art. 59 VCLT im Zuge des Unionsbeitritts beendet wurde. Das gleiche gilt für die sog. „sunset clause“144 in Art. 13 Abs. 3 des BIT, welche vorsieht, dass eine Investition, welche vor Beendigung des BIT initiiert wird, weitere 15 Jahre Schutz genießt. Schließlich forcierte die Achmea B. V. die Investition erst nach dem Unionsbeitritt und damit nach der vermeintlichen Beendigung des BIT. Jedenfalls aber liege ein Fall des Art. 59 Abs. 1 lit. b) VCLT vor, da die Regelungen des EG-Vertrags mit denen des BIT in einem solchen Maße unvereinbar seien, dass eine gleichzeitige Anwendung von beiden Verträgen nicht zugelassen werde („the provisions of the later treaty are so far incompatible with those of the earlier one that the two treaties are not capable of being applied at the same time“).145 Aus Sicht der Beklagten ergebe sich dies daraus, dass die Bestimmungen in Art. 4 des BIT zur freien Kapitalbewegung und Art. 3 Abs. 2 des BIT zu Schutz und Sicherheit von Investitionen nicht mit Art. 58 EG-Vertrag (Art. 65 AEUV) vereinbar seien, welcher Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit in bestimmten Bereichen gestattet. Insofern könnte eine Investition das BIT verletzen, während der EGVertrag jene nach Art. 58 billigt. Gleiche Kollisionen seien durch die Enteignungsklausel in Art. 5 des BIT mit dem unionalen Enteignungsrecht denkbar. Außerdem verletze Art. 5 des BIT auch Art. 10 EG-Vertrag (heute Art. 4 Abs. 3 EUV). Hier werden nun auch erstmals Bedenken der Beklagten hinsichtlich der Vereinbarkeit der Schiedsklausel in Art. 8 des BIT mit dem Unionsrecht laut, welche letztlich auch den EuGH in der Achmea-Entscheidung beschäftigten.146 Zwei Gründe für die Unvereinbarkeit der Schiedsklausel mit dem EG-Vertrag werden angeführt. An erster Stelle verletze Art. 8 des BIT die „ausschließliche Zuständigkeit“147 des EuGH zur Unionsrechtsauslegung insbesondere, da bei Schiedsgerichten in Gegensatz zu nationalen Gerichten nicht die Möglichkeit der Vorlage zum EuGH gem. Art. 234 EG-Vertrag (Art. 267 AEUV) bestehe. Da das Tribunal auch Unionsrecht anzuwenden habe oder dies jedenfalls könnte, stünde die einheitliche Anwendung 144

I. 1.

Siehe ausführlich zu sunset clauses in Investitionsschutzabkommen unten Kapitel III C.

145 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 109 – 119. 146 Siehe ausführlich dazu unten Kapitel I C. 147 „[E]xclusive competence“, Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 113; siehe zur Frage, ob dem EuGH die ausschließliche Zuständigkeit zur Unionsrechtsauslegung zusteht Schröder, JuS 2004, 180 (181) und Clasmeier, StudZR 2013, 183 (190).

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

jenes auf dem Spiel. Allein die Möglichkeit der Aufhebung und Vollstreckung der Schiedssprüche vor nationalen Gerichten ändere hieran nichts, vor allem da derartige Verfahren auch außerhalb der Europäischen Union durchgeführt werden können, wo dann weder die Pflicht noch die Möglichkeit besagter Vorabentscheidungsverfahren bestehe. Zweitens diskriminiere die Schiedsklausel Mitgliedstaaten, die keine BIT mit der Slowakischen Republik geschlossen haben. Die Tatsache, dass nur ausgewählte Investoren – die, deren Heimatstaat Partei eines BIT mit der Slowakischen Republik ist – den investitionsvertraglichen Schutz genießen, verstoße gegen Art. 12 EG-Vertrag (Art. 18 AEUV). b) Die Anwendbarkeit des BIT nach Art. 30 VCLT Hilfsweise argumentiert die Beklagte damit, dass wenn schon kein Fall des Art. 59 VCLT vorliege, jedenfalls eine Unanwendbarkeit des BIT gem. Art. 30 VCLT gegeben sei.148 Die maßgeblichen Absätze der Bestimmung lauten in authentischer englischer Sprache149: „Art. 30 – Application of successive treaties relating to the same subject matter (1) Subject to Article 103 of the Charter of the United Nations, the rights and obligations of States Parties to successive treaties relating to the same subject matter shall be determined in accordance with the following paragraphs. (2) When a treaty specifies that it is subject to, or that it is not to be considered as incompatible with, an earlier or later treaty, the provisions of that other treaty prevail. (3) When all the parties to the earlier treaty are parties also to the later treaty but the earlier treaty is not terminated or suspended in operation under article 59, the earlier treaty applies only to the extent that its provisions are compatible with those of the later treaty. […]“

Der Beklagten zufolge ist hier ein Fall des Art. 30 Abs. 3 VCLT gegeben, da Art. 3 Abs. 1, 2, Art. 4 und Art. 5 des BIT – die Bestimmungen, die die Beklagte schadensersatzbegründend verletzt haben soll – mit dem EG-Vertrag unvereinbar („[not] compatible“) sind (s. o.). Wenn aber diese Bestimmungen nach Art. 30 Abs. 3 VCLT unangewendet bleiben müssen, bliebe für das Tribunal lediglich die Heranziehung des Unionsrechts, wofür es aber keine Kompetenz habe (s. o.). Insofern sei Art. 8 des BIT jedenfalls unanwendbar und das Tribunal für den hiesigen Fall unzuständig.

148

Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 127 f. 149 Siehe Art. 85 VCLT.

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung

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c) Entgegenstehendes Unionsrecht sowie deutsches Recht Unabhängig von einer etwaigen Beendigung oder Unanwendbarkeit des BIT bzw. der Schiedsklausel in Art. 8 des BIT gemäß der VCLT ist die Slowakische Republik der Auffassung, das Tribunal sei allein aufgrund von Unionsrecht unzuständig.150 Grund hierfür sei, dass Art. 8 Abs. 6 des BIT als maßgeblich anzuwendendes Recht unter anderem das Recht des betroffenen Vertragsstaates151 nennt und hierzu bei Mitgliedstaaten wie der Slowakischen Republik auch das Unionsrecht zähle. Da nun aber der EuGH das Interpretationsmonopol über Art. 220 EG-Vertrag und Art. 234 EG-Vertrag (Art. 267 AEUV) habe und dem Schiedsgericht die Vorlegungskompetenz nach Art. 234 EG-Vertrag (Art. 267 AEUV) fehle, sei das Schiedsgericht für einen unter das Unionsrecht fallenden Disput nicht zuständig. Auch deutsches Recht als das lex loci arbitri stehe der Zuständigkeit des Schiedsgerichts entgegen.152 Nach dem sog. lex loci arbitri-Grundsatz richtet sich das Verfahrensrecht im Schiedsverfahren nach dem Sitz des Schiedsgerichtes.153 Da die Parteien – wie bereits gesehen – als Ort des Verfahrens Frankfurt am Main festgelegt haben, finde insoweit deutsches Recht154 Anwendung. Die Beklagte macht nun geltend, § 1030 Abs. 3 ZPO stehe der Schiedsfähigkeit der Streitigkeit entgegen, da das Unionsrecht integraler Teil der deutschen Rechtsordnung sei und im Bereich des Investitionsschutzes die Bestimmungen im BIT weitgehend überlagere (s. o.). Indem nun das Tribunal potentiell eine Verletzung des BIT annehmen würde, entschiede es zwangsläufig auch über einen Verstoß gegen das Unionsrecht. Da ein solches Ergebnis nicht mit der Rolle des EuGH in der Europäischen Union vereinbar sei (s. o.), fehle dem Tribunal auch gem. 1030 Abs. 3 ZPO die Zuständigkeit. 2. Die Argumente der Achmea B. V. Auch die Klägerin weiß um die Relevanz der Intra-EU Jurisdictional Objection für das Verfahren. Bereits an dieser Stelle des Verfahrens macht sie geltend, dass das Verständnis der Slowakischen Republik das Ende der Investitionsschiedsgerichts-

150

Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 132-138. 151 „[T]he law in force of the Contracting Party concerned“. 152 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 143-145. 153 Siehe hierzu die Normierung in § 1025 Abs. 1 ZPO; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (122); Zöller/Geimer, ZPO, § 1025 Rn. 3; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, § 1025 Rn. 1; siehe zum lex loci arbitri-Grundsatz in der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit allg. Park, ICLQ 1983, 21. 154 Hier also das 10. Buch der ZPO (§§ 1025-1066 ZPO).

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

barkeit innerhalb der Europäischen Union bedeuten würde.155 Allein die Tatsache, dass sich so künftig jedes Tribunal, welches mit unionsrechtlichen Fragestellungen konfrontiert wird, für unzuständig zu erklären hätte, weckt Bedenken gegenüber der Position der Beklagten. a) Die Beendigung des BIT nach Art. 59 VCLT Hinsichtlich einer potentiellen Beendigung des BIT gem. Art. 59 VCLT führt die Klägerin zunächst an, EG-Vertrag und BIT beziehen sich nicht auf denselben Gegenstand i. S. d. Art. 59 Abs. 1 VCLT.156 Der EG-Vertrag regele vielmehr die Möglichkeit der Einleitung einer Investition, während das BIT bereits initiierte Investitionen zu schützen sucht. Die Vorschriften über Kapitalverkehrsfreiheit oder Niederlassungsfreiheit für Unternehmen verpflichten die Mitgliedstaaten auch nicht zu „fair and equitable treatment“ (Art. 3 Abs. 1 des BIT), „full security and protection“ (Art. 3 Abs. 2 des BIT) oder der Ermöglichung der Streitbelegung durch Schiedsgerichte (Art. 8 Abs. 2 des BIT). Des Weiteren sei Art. 59 VCLT eng auszulegen und nicht anzuwenden, wenn ein allgemeiner Vertrag später in spezielle Vorschriften früherer Verträge eingreift. Schließlich machten die Vorschriften zum Investitionsschutz im EG-Vertrag nur einen Randbereich des gesamten Vertragswerkes aus, während andere den Kerngehalt des BIT prägten. Die Klägerin führt darüber hinaus zwei Schiedssprüche an, in welchen das Tribunal die Intra-EU Jurisdictional Objection ablehnte. In Eastern Sugar B. V. v. Czech Republic157 nahm das Schiedsgericht an, dass der Beitritt der Tschechischen Republik in die Europäische Union – dies allerdings erst nach Initiierung der Investition158 – nicht zu einer Beendigung des BIT159 gem. Art. 59 VCLT führt.160 Das Tribunal in Rupert Joseph Binder v. Czech Republic161 ging zwar nicht auf die von den Parteien angeführten Positionen hinsichtlich Art. 59 VCLT ein, nahm aber eine Vereinbarkeit des hier anwendbaren BIT 155

„[M]mark the end of arbitration“, Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 62. 156 Ibid. Rn. 78-85. 157 Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic (SCC Case No. 088/2004), (Partial Award). 158 Dies wird von der Beklagten als entscheidend für das unberücksichtigt Lassen der Entscheidungen angemerkt, Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 74. 159 Das BIT ist identisch mit dem im Achmea-Fall anzuwendenden BIT, da das Königreich der Niederlande das ursprüngliche Abkommen mit der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik schloss und die Tschechische Republik und die Slowakische Republik seit der Auflösung der Föderation zum 1. Januar 1993 als Einzelstaaten jeweils in das Abkommen als Rechtsnachfolger eintraten. 160 Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award), Rn. 159 ff. 161 Rupert Joseph Binder v. Czech Republic, UNCITRAL, (Award on Jurisdiction).

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung

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zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik162 mit dem EG-Vertrag an und bejahte so seine Zuständigkeit.163 Darüber hinaus argumentiert die Klägerin mit dem Schiedsspruch im Fall Austrian Airlines v. The Slovak Republic164. Hier habe die Beklagte Slowakische Republik neben verschiedenen Einwänden gegen die Zuständigkeit des Tribunals nicht die Intra-EU Jurisdictional Objection bemüht, sondern allein das dort maßgebliche BIT zwischen der Republik Österreich und der Slowakischen Republik165 zur Begründung herangezogen. Dies zeige die tatsächliche Haltung der Slowakischen Republik zur Intra-EU Jurisdictional Objection und dass diese hier genutzt werde, um das Verfahren zu verzögern. Auch fehlt es aus Sicht der Achmea B. V. an der Absicht der Vertragsparteien den Gegenstand durch den EG-Vertrag zu regeln.166 Vielmehr sollen das BIT und der EGVertrag nebeneinander gelten. Dies zeige bereits Art. 8 Abs. 6 des BIT, der als das für das Tribunal maßgebliche Recht auch „other relevant Agreements between the Contracting Parties“ nennt. Den Vertragsparteien wäre also bewusst, dass es nach und neben dem BIT weitere Verträge der Parteien geben könnte und werde, ohne dass diese das BIT außer Kraft setzten. Selbige Wertung sei zudem Art. 3 Abs. 5 des BIT zu entnehmen, in welchem es unter anderem heißt: „If the […] obligations under international law existing at present or established hereafter between the Contracting Parties in addition to the present Agreement contain rules […] entitling […] to a treatment more favourable than is provided for by the present Agreement, such rules shall to the extent that they are more favourable prevail over the present Agreement.“

Darüber hinaus sei die vermeintliche Absicht der Beendigung des BIT unter alleiniger Fortgeltung des EG-Vertrags weder aus dem EG-Vertrag noch aufgrund anderweitiger Umstände erkennbar. Auch eine Beendigung des BIT gem. Art. 59 Abs. 1 lit. b) VCLT liegt nach Auffassung der Klägerin nicht vor.167 Erforderlich sei nämlich eine derart schwerwiegende Unvereinbarkeit, dass davon auszugehen ist, die Vertragsparteien hätten die Aufhebung des älteren Vertrages beabsichtigt. Unvereinbarkeit i. S. d. Art. 59 Abs. 1 lit. b) VCLT („incompatible“) sei mithin so zu verstehen, dass es schlicht nicht 162 Treaty between the Federal Republic of Germany and the Czech and Slovak Federative Republic regarding the Promotion and Mutual Protection of Investments (Inkrafttreten 2. August 1992). 163 Rupert Joseph Binder v. Czech Republic, UNCITRAL, (Award on Jurisdiction), Rn. 59 ff. 164 Austrian Airlines v. The Slovak Republic, UNCITRAL, (Final Award, 9. Oktober 2009). 165 Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über die Förderung und den Schutz von Investitionen (Inkrafttreten 1. Oktober 1991). 166 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 97 – 108. 167 Ibid. Rn. 120 – 126.

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

möglich sein dürfe, beide Verträge gleichzeitig anzuwenden. Eine derartige Unvereinbarkeit bestehe schon deshalb nicht, da nationale Gerichte die einheitliche Anwendung des Unionsrechts im Rahmen von Aufhebungs- oder Vollstreckungsverfahren unter Heranziehung von Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH sicherstellen könnten. Diese Sichtweise legten auch die Tribunale in Eastern Sugar B. V. v. Czech Republic und Rupert Joseph Binder v. Czech Republic ihrer Entscheidung zugrunde.168 b) Die Anwendbarkeit des BIT nach Art. 30 VCLT Hinsichtlich der Unanwendbarkeit des BIT gem. Art. 30 Abs. 3 VCLT beruft sich die Klägerin auf das bereits zu den Fragen, ob die Verträge sich auf denselben Gegenstand beziehen und ob Art. 8 des BIT mit dem EG-Vertrag vereinbar ist, angeführte (s. o.). Außerdem vertrete das Tribunal in Eastern Sugar B. V. v. Czech Republic hinsichtlich Art. 30 Abs. 3 VCLT die gleiche Ansicht.169 c) Entgegenstehendes Unionsrecht sowie deutsches Recht Auch das Recht der Europäischen Union stehe der Zuständigkeit des Schiedsgerichts nicht entgegen.170 Die Beklagte missverstehe Art. 8 Abs. 6 des BIT, da dieser dem Tribunal ausdrücklich erlaube „the law in force of the Contracting Party concerned“ und „the provisions of this Agreement, and other relevant Agreements between the Contracting Parties“ parallel anzuwenden. Darüber hinaus sei das BIT als Teil des internationalen Rechts nicht dem Unionsrecht untergeordnet, sodass jenes automatisch unanwendbar würde. Allenfalls könnte ein Mitgliedstaat verpflichtet sein, ein derartiges Vertragswerk zu kündigen. Solange dies indes nicht geschieht, bliebe ein solches Abkommen in Kraft. Aus deutschem Recht ergebe sich aus Sicht der Achmea B. V. kein anderes Ergebnis.171 Zum einen verpflichte Art. 8 Abs. 6 des BIT das Tribunal zur Anwendung von Unionsrecht und zum anderen könne der Umstand, dass das Tribunal nicht vorlageberechtigt ist, nicht die Schiedsvereinbarung unwirksam machen.

168

Siehe Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award), Rn. 168 ff.; Rupert Joseph Binder v. Czech Republic, UNCITRAL, (Award on Jurisdiction), Rn. 65 f. 169 Siehe Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award), Rn. 180; Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 130. 170 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 139 – 142. 171 Ibid. Rn. 146 f.

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung

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3. Die Bemerkungen der Europäischen Kommission Die Europäische Kommission reicht am 7. Juli 2010 als sog. „amicus curiae“ eine Stellungnahme zur Intra-EU Jurisdictional Objection beim Tribunal ein.172 Die Stellung eines amicus curiae kann ein nicht am Verfahren Beteiligter „Freund des Gerichtes“ einnehmen, wenn das Tribunal dies zulässt, um weitere Informationen zu generieren oder auch nur Transparenz zu schaffen.173 Die Kommission macht zunächst deutlich, dass sich Intra-EU-BIT zumindest partiell mit dem geltenden Unionsrecht überschneiden und so eine „anomaly within the EU internal market“174 darstellen. Unter Verweis auf ein Urteil des EuGH175 stellt die Kommission klar, dass aus Sicht des EuGH dieser die ausschließliche Zuständigkeit für Streitigkeiten zweier Mitgliedstaaten hat, für welche jedenfalls teilweise Unionsrecht maßgeblich ist. Infolgedessen verstießen Mitgliedstaaten gegen Art. 344 AEUV176, wenn sie aufgrund eines Intra-EU-BIT auf die darin vorgesehene Möglichkeit eines zwischenstaatlichen Schiedsverfahrens zurückgriffen.177 Im Falle von Investor-Staat-Streitigkeiten müssten betroffene Investoren den Disput vor nationalen Gerichten – mit Möglichkeit der Vorlage gem. Art. 267 AEUV – austragen oder alternativ ein Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 258 AEUV anregen. Außerdem sei es ständige Rechtsprechung des EuGH, dass das Unionsrecht auch Vorrang vor bilateralen Abkommen zwischen Mitgliedstaaten hat.178 Insofern könne sich ein Investor nicht auf Vorschriften eines BIT berufen, welche mit dem Unionsrecht unvereinbar sind. Bereits in diesem Stadium macht die Kommission zudem geltend, dass deshalb früher oder später ohnehin alle Intra-EU-BIT zu beenden seien. Auch vertritt die Kommission die Auffassung, dass ein gravierendes, mit Unionsrecht nicht zu vereinbarendes Diskriminierungspotential zwischen Investoren der Mitgliedstaaten bestehe, welche teilweise in den Genuss des Schutzes von BIT kommen und teilweise nicht. Lösen ließe sich dieses Problem allerdings nicht mit der 172 173

217.

Siehe ibid. 175 ff. Siehe erläuternd dazu Stumpe, SchiedsVZ 2008, 125 und Tams/Zoellner, AVR 2007,

174 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 177. 175 EuGH, Urteil vom 30. Mai 2006, Rs. C-459/03, Kommission/Irland, ECLI:EU:C:2006: 345. 176 Da am 1. Dezember 2009 der Vertrag von Lissabon in Kraft trat, durch welchen unter anderem der EG-Vertrag zum AEUV wurde (s. o.), referiert die Europäische Kommission hier nicht mehr unter Bezugnahme auf den EG-Vertrag, sondern den AEUV; siehe zu dieser grundlegenden Entwicklung im Unionsrecht Pache/Rösch, NVwZ 2008, 473. 177 Siehe zu dieser Möglichkeit Art. 10 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik. 178 Siehe EuGH, Urteil vom 27. Februar 1962, Rs. C-10/61, Kommission/Italien, ECLI:EU: C:1962:2; EuGH, Urteil vom 27. September 1988, Rs. C-235/87, Matteucci/Communauté française de Belgique, ECLI:EU:C:1988:460.

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Eröffnung der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit für alle Investoren der Europäischen Union, da so das internationale Recht nur weiter fragmentiert würde, konkurrierende Verfahrensmechanismen gefördert würden und ein sog. „forum shopping“179 floriere. Gleichwohl räumt die Kommission ein, dass das BIT vorliegend durch den Eintritt der Slowakischen Republik in die Europäische Union nicht gem. Art. 59 VCLT implizit beendet oder suspendiert wurde. Trotzdem sei Unionsrecht vorrangig, sodass sich Investoren nicht auf gegen Unionsrecht verstoßende Bestimmungen im BIT berufen können. Nun sei vorliegend auch Art. 30 Abs. 3 VCLT einschlägig, da sich das BIT und der AEUV auf denselben Gegenstand bezögen. Die Kommission zieht für die Begründung hierfür ebenso wie die Beklagte eine weite Auslegung der VCLT vor. Während zwar keine Unvereinbarkeit („incompatible“) i. S. d. Art. 59 Abs. 1 lit. b) VCLT zwischen AEUV und dem gesamten BIT anzunehmen sei, sei dennoch eine Vereinbarkeit („compatible“) i. S. d. Art. 30 Abs. 3 VCLT hinsichtlich einzelner Bestimmungen abzulehnen. Zu diesen Bestimmungen gehörten insbesondere Art. 8 des BIT, welcher Investor-Staat-Schiedsverfahren ermöglicht und Art. 10 des BIT, welcher dies für zwischenstaatliche Schiedsverfahren regelt. Demzufolge regt die Kommission an, das Verfahren an dieser Stelle auszusetzen, um sich widersprechende Entscheidungen des Tribunals, der Kommission – welche zu dieser Zeit auch mit dem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Slowakische Republik beschäftigt ist (s. o.)180 – oder gar dem EuGH zu vermeiden. 4. Die Entscheidung des Tribunals Die dargelegten Positionen der Parteien und der Europäischen Kommission bilden nun die Grundlage für die umfangreiche Zwischenentscheidung des Tribunals hinsichtlich der Intra-EU Jurisdictional Objection.181 Der Tenor der Entscheidung besteht im Wesentlichen aus der Zurückweisung der Intra-EU Jurisdictional Objection und der damit einhergehenden Bejahung der Zuständigkeit für die Streitentscheidung.182 Zunächst stellt das Tribunal das zweistufige System zur Einleitung eines Schiedsverfahrens vor (s. o.), bevor es darlegt, dass es sich im vorliegenden Fall – aufgrund der Festlegung von Frankfurt am Main als Schiedsort gem. Art. 16 der UNCITRAL-Schiedsregeln und § 1043 ZPO – um ein deutsches Ad hoc-Schieds179

Siehe hierzu ausführlich Kapitel III D. II. Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2008/4268. 181 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 217-293. 182 Ibid. Rn. 293. 180

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verfahren handelt, für welches deutsches Verfahrensrecht und damit als Bestandteil dessen auch Unionsrecht gilt (lex loci arbitri, s. o.). a) Die Beendigung des BIT nach Art. 59 VCLT Da beide Parteien die grundsätzliche Anwendbarkeit der VCLT nicht beanstandeten, sei diese hier auch nicht in Frage zu stellen. Gleichwohl scheidet eine Beendigung des BIT gem. Art. 59 VCLT aus Sicht des Tribunals im Wesentlich in dreierlei Hinsicht aus.183 An erster Stelle gelte für eine Beendigung im Wege des Art. 59 VCLT die Verfahrensnorm des Art. 65 VCLT. Gem. Art. 65 Abs. 1 VCLT bedarf es zu einer Anfechtung, einer Beendigung, einem Rücktritt oder einer Suspendierung eines Vertrages einer „Notifikation“ („must notify the other parties“). Eine solche sei nicht erfolgt. Zweitens sei das Erfordernis des Beziehens der Verträge auf denselben Gegenstand („relating to the same subject matter“) i. S. d. Art. 59 Abs. 1 VCLT nicht erfüllt. Wichtig sei zunächst zu bemerken, dass Art. 59 VCLT eine breitere Überschneidung der Verträge fordere als Art. 30 VCLT und demnach die Bedeutung von „denselben Gegenstand“ nicht kongruent ist. Für die Einschlägigkeit des Art. 59 VCLT bedürfe es mithin mehr als nur einer kleinen, nebensächlichen Überschneidung der Verträge. Darüber hinaus sei auch weder eine Absicht i. S. d. Art. 59 Abs. 1 lit. a) VCLT zur Regelung der Materie durch den EG-Vertrag noch eine Unvereinbarkeit der Vertragswerke i. S. d. Art. 59 Abs. 1 lit. b) erkennbar. Zwar sei annehmbar, dass eine teilweise inhaltliche Kongruenz zwischen der Kapitalverkehrsfreiheit aus dem EGVertrag und den einzelnen diesbezüglichen Bestimmungen aus dem BIT bestehe. Dieser Umstand könne indes nicht zur Unzuständigkeit des Tribunals führen, zumal andere Bestimmungen im BIT – insbesondere Art. 8 – hiervon nicht betroffen seien. Beispielsweise sei ein Pendant zu Art. 3 Abs. 1 des BIT („fair and equitable treatment“) im Unionsrecht nicht – auch nicht im Diskriminierungsverbot – zu finden.184 Das gleiche gelte für Art. 3 Abs. 2 des BIT („full security and protection“) im Vergleich zur Niederlassungsfreiheit185 und Art. 5 des BIT im Vergleich zu Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.186 Im Hinblick auf diese Regelungskomplexe gibt es nach Auffassung der Tribunals Bereiche, in welchen die Bestimmungen im BIT für Investoren schützend eingreifen, während das Unionsrecht keine einschlägigen Regelungen enthält. Indem nun aber Vorschriften aufrechterhalten werden, die im Vergleich zum Unionsrecht zusätzlichen Schutz bieten, sei eine Verletzung jenes nicht anzunehmen. 183 184 185 186

Ibid. Rn. 231–267. Ibid. Rn. 250 ff. Ibid. Rn. 260. Ibid. Rn. 261.

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Letztlich könne der Umstand, dass das BIT für Investoren der Vertragsparteien günstigere Bestimmungen als das Unionsrecht enthalte und damit potentiell Investoren aus anderen Mitgliedstaaten diskriminiere nicht dazu führen, dass das Tribunal seine Zuständigkeit für eine Streitigkeit um eine potentielle BIT-Verletzung durch einen Vertragsstaat abzulehnen hätte. Die Lösung sei hier vielmehr in einer Extension der Rechte zu suchen, nicht in einer Reduktion. b) Die Anwendbarkeit des BIT nach Art. 30 VCLT Auch Art. 30 Abs. 3 VCLT ändere an der Zuständigkeit des Tribunals nichts.187 Zum einen gehen die Bestimmungen im BIT zwar teilweise über das vom Unionsrecht gewährte hinaus, dies stelle indessen noch keine Unvereinbarkeit i. S. d. Art. 30 Abs. 3 VCLT dar. Entscheidend sei, dass allenfalls eine Unvereinbarkeit des zuständigkeitsbegründenden Art. 8 des BIT mit Unionsrecht dem Tribunal die Zuständigkeit entziehen könne. Potentielle Unvereinbarkeiten der sonstigen BIT-Bestimmungen mit dem Unionsrecht spielen erst auf Ebene der Begründetheit und dem dabei anwendbaren Recht eine Rolle. Gleichwohl sei für das Schiedsgericht keine Norm des Unionsrechts ersichtlich, die Investor-Staat-Schiedsverfahren, wie Art. 8 des BIT sie vorsieht, explizit verbiete. Daran ändere auch die Möglichkeit der Beschreitung des Instanzenzugs nationaler Gerichte vor dem Hintergrund der Francovich-Entscheidung188 des EuGH nichts, da Art. 8 des BIT einen alternativen Streitbeilegungsmechanismus vorsehe. Art. 344 AEUV gelte überdies nur in zwischenstaatlichen Streitigkeiten und könne daher nur hinsichtlich Art. 10 des BIT Bedeutung entfalten.189 c) Entgegenstehendes Unionsrecht sowie deutsches Recht Das Tribunal erkennt an, dass Unionsrecht gem. Art. 8 Abs. 6 des BIT (aufgrund von „the law in force of the Contracting Party concerned“, „the provisions of […] other relevant Agreements between the Contracting Parties“ und „the general principles of international law“) und als Teil des deutschen Rechts als das lex loci arbitri vorliegend Anwendung findet. Wie bereits deutlich wurde, sieht es den Komplex der Rolle des Unionsrechts im vorliegenden Fall aber als einen solchen der

187

Ibid. Rn. 268–277. EuGH, Urteil vom 19. November 1991, verbundene Rs. C-6/90 u. 9/90, Francovich, ECLI:EU:C:1991:428. 189 Um diese Thematik geht es auch in der Entscheidung EuGH, Urteil vom 30. Mai 2006, Rs. C-459/03, Kommission/Irland, ECLI:EU:C:2006:345, welche hierfür nach Auffassung des Tribunals deshalb keine Relevanz erlangt. 188

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Begründetheit an.190 Die Zuständigkeit bleibe hiervon unberührt. Dass der EuGH ein „Interpretationsmonopol“191 hinsichtlich des Unionsrechts habe, sei abzulehnen, da nationale Gerichte und Schiedsgerichte täglich jenes anwenden und auslegen. Dem EuGH komme lediglich eine Letztentscheidungskompetenz in unionsrechtlichen Fragestellungen zu. Dies gelte auch für vermeintlich entgegenstehendes deutsches Recht als das lex loci arbitri mitsamt des hierin erfassten Unionsrechts. Aus diesen Gründen weist das Tribunal die Intra-EU Jurisdictional Objection zurück und bejaht die eigene Zuständigkeit. Des Weiteren lehnt es auch das Gesuch der Beklagten ab, das Verfahren bis zu einer Entscheidung der Europäischen Kommission oder des EuGH auszusetzen. 5. Stellungnahme zur Entscheidung Die Zwischenentscheidung zur Zusta¨ ndigkeit, Schiedsfa¨ higkeit und Aussetzung gibt eine eindeutige Antwort auf die Intra-EU Jurisdictional Objection. Das Schiedsgericht bleibt auch für den hiesigen Intra-EU-Sachverhalt zuständig. Ohne dem Tribunal oder gar den einzelnen Schiedsrichtern Voreingenommenheit zu unterstellen, war dieses Ergebnis der schiedsgerichtlichen Würdigungen durchaus erwartbar. Schließlich stand für das Tribunal nicht nur die eigene Zuständigkeit auf dem Spiel, sondern hätte es bei einer konträren Entscheidung womöglich einen Präzedenzfall192 für die Nichtanwendung von Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT geschaffen. Diese enthielten dann zwar gleichwohl weiterhin Bestimmungen zum Schutz von Auslandsinvestitionen. Ohne einen entsprechenden Durchsetzungsmechanismus könnten die zu diesem Zeitpunkt rund 176193 bestehenden Intra-EU-BIT indes zu „zahnlosen Tigern“ verkommen.194 190 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 278 ff. 191 „[I]nterpretative monopoly“, ibid. Rn. 282. 192 Siehe allg. zu „Präzedenzfällen“ in der internationalen Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit Fitzmaurice/Olufemi/Merkouris/Schreuer, Treaty Interpretation and the Vienna Convention on the Law of Treaties: 30 Years on, S. 129 (S. 139 ff.). 193 Jahresbericht des EU Wirtschafts- und Finanzausschusses vom 13. Dezember 2011, 18451/11 (http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-18451-2011-INIT/en/pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), unter Verweis auf den Stand von Februar 2011; im Oktober 2008 geht Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (223) noch von 191 Intra-EU-BITs aus, siehe hierauf verweisend auch Johannsen, BTWR 90/2009, S. 28. 194 Schäfer/Gaffney, SchiedsVZ 2013, 68 (77); vgl. Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (366); vgl. in diese Richtung auch Ludwigs/Remien/Wiedmann, Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S. 225 (236) und die Auffassung der Achmea B. V. in Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension),

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Unabhängig von einer irgendwie gearteten Motivation des Tribunals halten dessen Ausführungen angesichts des damaligen Meinungsstandes auch weitgehend einer rechtlichen Würdigung stand. a) Stellungnahme zu Art. 59 VCLT Die Prüfung des Art. 59 VCLT vor jener des Art. 30 VCLT entspricht der lex specialis-Natur ersteren gegenüber letzterem.195 Es ist durchaus vertretbar eine Beendigung des BIT gem. Art. 59 VCLT abzulehnen. Zunächst ist der Ansicht des Schiedsgerichts, eine gem. Art. 65 Abs. 1 VCLT erforderliche Notifikation der Slowakischen Republik habe gefehlt, beizupflichten. Zwar schweigt der Wortlaut des Art. 59 VCLT hinsichtlich einer irgendwie gearteten Mitteilungspflicht, sodass auf den ersten Blick eine „automatische“ Beendigung des BIT möglich erscheint.196 Indes ist die Norm unter Berücksichtigung der Systematik der VCLT in Verbindung mit Art. 65 VCLT zu verstehen.197 Da eine entsprechende Notifikation der Beklagten fehlt,198 scheidet eine Anwendung des Art. 59 VCLT ohnehin aus. Richtigerweise ist davon auszugehen, dass es sich bei den Unionsverträgen um die späteren Verträge („later treaty“) i. S. d. Art. 59 VCLT im Vergleich zu dem BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik handelt. Schließlich unterzeichneten die Vertragsparteien das BIT am 29. April 1991 (Inkrafttreten am 1. Oktober 1992) und trat die Slowakische Republik der Europäischen Union erst am 1. Mai 2004 bei. Dieser dem zugrunde liegende Beitrittsvertrag hat zur Anwendbarkeit der Unionsverträge geführt, welche somit als die späteren Verträge in diesem Sinne anzusehen sind.199 Das Tribunal lehnt das Vorliegen von dem Beziehen der Verträge auf „denselben Gegenstand“ i. S. d. Art. 59 Abs. 1 VCLT ab. Die Beurteilung, ob ein Beziehen auf

Rn. 210; dies relativierend BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328 (335 Rn. 74). 195 Siehe den Wortlaut des Art. 30 Abs. 3 VCLT; vgl. auch Pauwelyn, Conflict of Norms in Public International Law, S. 285 verweisend auf Vierdag, BYIL 1988, 75 (92). 196 So auch die Auffassung der Slowakischen Republik, Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 94. 197 Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 60; Binder, JWIT 2016, 964 (968 f.); Reinisch, LIEI 2012, 157 (163 f.); siehe ausführlich hierzu Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 334 ff. 198 Siehe Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 94. 199 Vgl. ebenso allg. Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 339 f.

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denselben Gegenstand vorliegt, richtet sich nach Art. 31 bis 33 VCLT.200 Diese Problematik im Verhältnis zwischen den Unionsverträgen und Intra-EU-BIT ist bereits Gegenstand umfangreicher Abhandlungen201 und soll daher im Folgenden nur skizziert werden. Insbesondere entscheidend ist hier, dass sich das Tribunal auf der Linie bereits ergangener Entscheidungen202 bewegt und sich diese schiedsgerichtliche Rechtsprechung auch fortgesetzt hat203. Dass sich die Vertragswerke des BIT und des EG-Vertrages teilweise überschneiden und teilweise über die Vorschriften des anderen Vertrages hinausgehen, wurde bereits dargelegt (s. o.).204 Maßgeblich ist vielmehr, ob der Wortlaut des Art. 59 VCLT derart weit auszulegen ist, dass die vorliegenden Verträge (BIT und EG-Vertrag/AEUV) von Art. 59 Abs. 1 VCLT erfasst werden. Das Schiedsgericht geht von einer engen Auslegung des Begriffs aus und macht zudem deutlich, dass diese noch enger als jene im Rahmen des Art. 30 Abs. 1, 3 VCLT zu ziehen sei.205 Das gesamte BIT kann demnach nur durch Abschluss des Beitrittsvertrags – der zur Anwendung des EG-Vertrags geführt hat – beendet worden sein, wenn der EG-Vertrag auch den Gegenstand des gesamten BIT regelt und sich die Verträge nicht bloß nebensächlich überschneiden.206 Diese Sichtweise lässt sich mit Stimmen in der Literatur zur potentiell weiter auszulegenden Bestimmung von „denselben Gegenstand“ in Art. 30 Abs. 1 VCLT untermauern, welche ebenfalls eine enge Auslegung bevorzugen.207 Zwar wird dem auch

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Dörr/Schmalenbach/Giegerich, VCLT, Art. 59 Rn. 11. Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 61 ff.; Basener, Investment Protection in the European Union, S. 232 ff.; Thörle, Der Konflikt zwischen Investitionsschutzabkommen und dem Recht der Europäischen Union, S. 129 ff.; Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 340 ff. 202 Siehe Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award), Rn. 159 ff.; vgl. auch ohne darauf explizit einzugehen Rupert Joseph Binder v. Czech Republic, UNCITRAL, (Award on Jurisdiction), Rn. 45, 59 ff. 203 Siehe bspw. European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic, UNCITRAL (Award on Jurisdiction), Rn. 155 ff., 185; Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/13/27, (Award), Rn. 584 ff.; Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/15/49, (Decision on Jurisdiction), Rn. 168 ff.; A. M. F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic, PCA Case No. 2017-15, (Final Award), Rn. 357 ff. 204 Siehe Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 65 ff.; für einen umfassenden Vergleich von BIT-Schutzstandards mit den entsprechenden Bestimmungen des Unionsrechts siehe Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 63 ff. 205 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 239 ff. 206 Ibid. Rn. 240, 242. 207 Aust, Modern Treaty Law and Practice, S. 183; Sinclair, The Vienna Convention on the Law of Treaties, S. 98; Shan/Zhang, EJIL 2010, 1049 (1071), erforderlich sei die Abdeckung des „exakt“ selben Vertragsgegenstandes („exactly the same subject matter“); Borgen, 201

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teilweise mit dem Argument widersprochen, die Verträge müssen nicht die exakt selbe Materie regeln.208 Allerdings verdient die Herangehensweise des Tribunals hier Zustimmung.209 Es überzeugt, mit Blick auf die brisante Rechtsfolge der vollständigen Beendigung des früheren Vertrags, die wortgleichen Begriffe in Art. 30 und 59 VCLT nicht identisch auszulegen, sondern bezüglich letzterem schärfere Maßstäbe heranzuziehen.210 Auch wenn man also für Art. 30 VCLT eine vergleichsweise weite Auslegung befürworten sollte,211 hat dies keine definite Bedeutung für die Auslegung des Art. 59 VCLT. Der spezielle Charakter des BIT mit seinem schiedsgerichtlichen Streitbeilegungsmechanismus im Vergleich zu den besonders weitreichenden Normkomplexen des EG-Vertrags bzw. des AEUV sowie des EUV lässt nunmehr unter Heranziehung eines engeren Verständnisses des Art. 59 Abs. 1 VCLT die Ablehnung des Beziehens auf „denselben Gegenstand“ zu.212 Insbesondere mit Blick auf den soeben dargelegten Unterschied der beiden – auf der einen Seite sehr spezifischen und auf der anderen Seite breit anwendbaren – Vertragswerke ist hier ein Vorrang des lex specialis-Grundsatzes gegenüber dem lex posterior-Grundsatz zu befürworten.213 Hierfür streitet auch, dass das BIT in Art. 8 Abs. 2 die Möglichkeit der schiedsgerichtlichen Streitbeilegung eröffnet, während das Unionsrecht hierzu keine Bestimmungen enthält.214 Letztlich sprechen auch die unterschiedlichen Schutzzwecke – die Kreierung und Liberalisierung des Binnenmarktes auf Seiten des EC-Vertrags und die Förderung des grenzüberschreitenden Investitionsgeschehens durch Schutznormen für Investoren auf Seiten des BIT – für eine derartige Auslegung.215 GwashIntlLRev. 2005, 573 (603 f.); vgl. auch Pauwelyn, Conflict of Norms in Public International Law, S. 364 f. m. w. N. 208 Oppenheim’s International Law, Vol. 1, S. 1212, Fn. 2; Ramanujan, TL&D 2009, 171 (177); vgl. auch Study Group of the International Law Commission (United Nations), Fragmentation of International Law: Difficulties Arising from the Diversification and Expansion of International Law, vom 13. April 2006, A/CN.4/L.682, S. 17 f. (Rn. 21 ff.), 129 ff. (Rn. 253 ff.); Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (226) bezeichnet eine in diese Richtung gehende Argumentationslinie als „durchaus vertretbar“; Vierdag, BYIL 1988, 75 (100) setzt für eine sichere Bestimmung des Beziehens auf „denselben Gegenstand“ sogar eine Unvereinbarkeit der Verträge voraus und verwischt damit die Grenzen der Tatbestandsmerkmale in Art. 59 Abs. 1 VCLT. 209 Für eine enge Auslegung des Tatbestandsmerkmals auch Corten/Klein/Dubuisson, VCLT, Art. 59 Rn. 25. 210 So auch Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 80; Reinisch, LIEI 2012, 157 (166); a. A. Basener, Investment Protection in the European Union, S. 235. 211 Siehe Fn. 208. 212 So im Ergebnis auch Dörr/Schmalenbach/Giegerich, VCLT, Art. 59 Rn. 11 und Friedrich, ZEuS 2010, 295 (300 f.). 213 Siehe allg. zum Verhältnis des lex specialis-Grundsatzes zum lex posterior-Grundsatz auch mit Blick auf die VCLT Vranes, ZaöRV 2005, 391. 214 So auch die Argumentation in Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award), Rn. 165. 215 European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic, UNCITRAL (Award on Jurisdiction), Rn. 178; vgl. auch Friedrich, ZEuS 2010, 295 (300 f.).

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Des Weiteren lehnt das Schiedsgericht das Vorbringen der Beklagten ab, aus dem Vertrag ginge hervor (Var. 1) bzw. es stünde anderweitig fest (Var. 2), dass die Vertragsparteien beabsichtigt hätten, den Gegenstand des BIT durch den EG-Vertrag zu regeln, vgl. Art. 59 Abs. 1 lit. a) VCLT. Hinsichtlich der ersten Variante kann ausschließlich der Vertrag maßgeblich sein, welcher sich i. S. d. Art. 59 Abs. 1 VCLT potentiell auf „denselben Gegenstand“ bezieht. Dies sind hier der durch den Beitrittsvertrag anwendbar gewordene EGVertrag bzw. der spätere AEUV sowie der EUV. Aus diesen geht nicht ersichtlich unmittelbar die Absicht der Regelung des Gegenstands des BIT hervor.216 Entscheidender ist indes, dass besagte Absicht „anderweitig feststehen“ könnte („otherwise established“). Aus den EU-Beitrittsverträgen oder dem sonstigen Unionsrecht sowie den travaux préparatoires217 ergibt sich allerdings ebenfalls keine unmittelbar dahingehende Absicht.218 Der Wortlaut des Art. 59 Abs. 1 lit. a) VCLT fordert nun aber auch nicht, dass die Absicht explizit in Erscheinung zu treten habe. Es ließe sich also annehmen, dass die Vertragsparteien mit dem Beitritt der Slowakischen Republik in die Europäische Union davon ausgingen, dass als notwendige Konsequenz Unionsrecht die Beziehung der Staaten nunmehr alleine regele.219 Dem ist jedoch entscheidend entgegenzuhalten, dass die Absicht gleichwohl „festzustehen habe“ („established“). Art. 59 Abs. 1 lit. a) VCLT ist erst als erfüllt anzusehen, wenn die Absicht zweifelsfrei festgestellt werden kann.220 Dem insoweit engen Wortlaut ist also nicht bereits genüge getan, wenn den Vertragsparteien Absichten unterstellt werden. Das tatsächliche Feststehen einer dahingehenden Absicht beider Vertragsparteien wurde von der Beklagten Slowakischen Republik nicht hinlänglich dargetan.221 Darüber hinaus ließe sich eine feststehende Absicht schwerlich mit der 216 So auch Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 357 f.; Eilmansberger, CMLRev 2009, 383 (401); Reinisch, LIEI 2012, 157 (172 f.); Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 244. 217 Vgl. Villiger, 1969 VCLT, Art. 59 Rn. 10. 218 So auch Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 82; Reinisch, LIEI 2012, 157 (172 f.); Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 244. 219 So die Argumentation der Slowakischen Republik in Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 92. 220 Dörr/Schmalenbach/Giegerich, VCLT, Art. 59 Rn. 25 („clearly established beyond reasonable doubt“). 221 Vgl. Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 86 ff., 244; jedoch gehen die Begründungsbemühungen weit über die der Tschechischen Republik in Rupert Joseph Binder v. Czech Republic, UNCITRAL, (Award on Jurisdiction), Rn. 19 hinaus.

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Einordnung des BIT als lex specialis gegenüber dem EG-Vertrag vereinbaren.222 Auch die mit dem Vertrag von Lissabon in Art. 207 AEUVetablierte ausschließliche Regelungskompetenz der Union für ausländische Direktinvestitionen ändert am Fehlen des Feststehens jener Absicht nichts.223 Letztlich ist also das Bestehen der Absicht oder jedenfalls das dahingehende Feststehen i. S. d. Art. 59 Abs. 1 lit. a) VCLT abzulehnen.224 Auch Art. 59 Abs. 1 lit. b) VCLT ist nach Auffassung des Tribunals nicht verwirklicht. Voraussetzung hierfür ist, dass die Bestimmungen des EG-Vertrags mit denen des BIT in solchem Maße unvereinbar sind, dass die beiden Verträge eine gleichzeitige Anwendung nicht zulassen. Erforderlich ist also, dass eine gleichzeitige Anwendung der Verträge keinesfalls möglich ist.225 Das kann nur heißen, dass – nicht wie der Wortlaut zunächst zu suggerieren scheint – nicht sämtliche Bestimmungen der Vertragswerke vollständig miteinander unvereinbar zu sein haben.226 Es genügt eine Unvereinbarkeit einzelner Bestimmungen, welche sodann aber ein solches Maß erreicht, dass eine gleichzeitige Anwendung der gesamten Vertragswerke nicht zuzulassen ist.227 In diesem Umstand liegt der tatbestandliche Unter222

Vgl. Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (226). Shan/Zhang, EJIL 2010, 1049 (1067); vgl. auch Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 82 f. 224 So auch Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 82 ff.; zum gleichen Ergebnis aber bezüglich BIT im Allgemeinen kommen u. a.: Tietje, BTWR 104/2011, S. 14; Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (73); Friedrich, ZEuS 2010, 295 (301); Shan/Zhang, EJIL 2010, 1049 (1067); Eilmansberger, CMLRev 2009, 383 (401); a. A. Poulain, RGDIP 2007, 803 (812, 815). 225 Villiger, 1969 VCLT, Art. 59 Rn. 11 („Only if simultaneous application is not at all possible“); Corten/Klein/Dubuisson, VCLT, Art. 59 Rn. 38 f.; Reinisch, LIEI 2012, 157 (173). 226 Vgl. hierzu Expert Consultant Sir Humphrey Waldock in UN Conference on the Law of Treaties, 1. Runde, 60. Sitzung, A/CONF.39/C.1/SR.60, S. 352, Rn. 55 (abrufbar unter https://le gal.un.org/diplomaticconferences/1968_lot/docs/english/sess_1/a_conf39_c1_sr60.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); a. A. wohl Dörr/Schmalenbach/Giegerich, VCLT, Art. 59 Rn. 31; ebenso ohne Begründung Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 84 („Unvereinbarkeit bezieht sich dabei […] nicht auf die Unvereinbarkeit einzelner Klauseln, sondern auf die Unvereinbarkeit des gesamten Abkommens“), verweisend auf Hindelang, LIEI 2012, 179 (186), welcher nur davon ausgeht, dass Art. 59 VCLT die Unvereinbarkeit des Vertrags als ganzen adressiert und Art. 30 VCLT auf die Unvereinbarkeit einzelner Bestimmungen beschränkt ist. Ob aber die Unvereinbarkeit des ganzen Vertrags auch durch die Unvereinbarkeit nur einzelner Bestimmungen ausgelöst werden kann, bleibt unkommentiert; aufschlussreich zum Ganzen ist auch der nicht übernommene Änderungsvorschlag von Kanada zum damaligen Art. 56 VCLT (heute Art. 59 VCLT) in UN Conference on the Law of Treaties, 1. und 2. Runde, A/CONF.39/11/Add.2, S. 180, Rn. 514 (i) (b) mit Verweis auf A/CONF.39/C.l/L.285 (abrufbar unter https://treaties.un.org/doc/source/docs/A_CONF.39_11_Add.2-E.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), der heutige Art. 59 Abs. 1 lit. b) VCLT sollte demnach wie folgt gefasst werden: „[…] the provisions of the later treaty are so far incompatible with those of the earlier one that not all of the provisions of the two treaties are capable of being applied at the same time.“ 227 Siehe Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 85, der hier wiederum schreibt: „Insofern sind die Bedingungen fu¨ r die Feststellung einer Unvereinbarkeit hoch anzusetzen.“ 223

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schied zwischen Art. 59 Abs. 1 lit. b) VCLT und Art. 30 Abs. 3 VCLT. Ein anderes Verständnis ließe sich mit dem Wortlaut nicht vereinbaren. Wenn eine vollständige Unvereinbarkeit sämtlicher Bestimmungen zu fordern wäre, wäre ein irgendwie geartetes Maß dieser Unvereinbarkeit nicht festzustellen – der Grad einer vollumfänglichen, objektiven Unvereinbarkeit lässt sich kaum messen. Es überzeugt daher, im Rahmen des Art. 59 Abs. 1 lit. b) VCLT die Unvereinbarkeit einzelner Bestimmungen genügen zu lassen, wenn diese die gleichzeitige Anwendbarkeit beider Verträge gänzlich unmöglich macht. In Anbetracht der unterschiedlich schwerwiegenden Rechtsfolgen der Normen erscheint es freilich zweifelhaft, die jeweilige Anwendbarkeit von der Unterscheidung zwischen „Vereinbarkeit“ („compatible“) der Verträge (Art. 30 Abs. 3 VCLT) und „Unvereinbarkeit“ in einem besonderen Maße („so far incompatible“) (Art. 59 Abs. 1 lit. b) VCLT) abhängig zu machen, sollte eine solche überhaupt feststellbar sein. Es ließe sich durchaus vertreten, dass eine Unvereinbarkeit auch nur einer Norm des früheren Vertrages mit dem späteren Vertrag eine derartige Unvereinbarkeit bedeute, dass eine gleichzeitige Anwendbarkeit der gesamten Verträge nicht zuzulassen sei.228 Die tatbestandlichen Unterschiede zwischen Art. 30 Abs. 3 VCLT und Art. 59 Abs. 1 lit. b) VCLT können in Einzelfällen diesbezüglich nach dieser – hier vertretenen – Lesart verschwindend gering, wenn gar vorhanden sein. „Unvereinbarkeit“ lässt sich schließlich erst dann annehmen, wenn einer der Verträge etwas als verpflichtend vorschreibt, während der andere genau dies verbietet.229 Notwendig ist somit eine Unmöglichkeit der gleichzeitigen Anwendung (s. o.).230 Die Schutzstandards des BIT in Art. 3 Abs. 1 („fair and equitable treatment“), Art. 3 Abs. 2 („full security and protection“), Art. 4 („guarantee that payments related to an investment may be transferred“) und Art. 5 („Expropriation“) haben – wie bereits gesehen – einige Überschneidungspunkte mit den Bestimmungen des Unionsrechts aus Art. 56 EG-Vertrag (Art. 63 AEUV), Art. 43 EG-Vertrag (Art. 49 AEUV), Art. 56 EG-Vertrag (Art. 63 AEUV) und Art. 43 EG-Vertrag (Art. 49 AEUV). Unabhängig davon, welche dieser Schutzstandards für die Investoren vorteilhafter sind, ist nicht ersichtlich, wieso eine parallele Anwendung der Regime im Hinblick auf die Schutznormen unmöglich sein soll.231 Hierfür spricht 228 So die Slowakische Republik in Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 109 ff. 229 European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic (Award on Jurisdiction), Rn. 216. 230 „[M]ere difficulties“ sollen dabei nicht ausreichen, Redaktionsausschuss der VCLT, UN Conference on the Law of Treaties, 2. Runde, 91. Sitzung, A/CONF.39/C.1/SR.91, S. 253, Rn. 37 (abrufbar unter https://legal.un.org/diplomaticconferences/1968_lot/docs/english/sess_2/ a_conf39_c1_sr91.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe hierzu umfassend auch Nagy, GLJ 2018, 981 (1002 ff.). 231 Die schiedsgerichtliche Rechtsprechung insoweit einheitlich, European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic (Award on Jurisdiction), Rn. 228; Rupert Joseph Binder v. Czech Republic, UNCITRAL, (Award on Jurisdiction), Rn. 63; Achmea B. V. v.

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auch Art. 3 Abs. 5 des BIT, welcher vorsieht, dass günstigere Bestimmungen der Vertragsparteien – also auch des Unionsrechts – Vorrang vor den Regelungen des BIT haben sollen.232 Eine kumulative Anwendung erscheint insoweit möglich. Nunmehr bestehen noch zwei weitere Anhaltspunkte für eine Unvereinbarkeit. Zum einen könnte sich eine Unvereinbarkeit mit dem Diskriminierungsverbot in Art. 12 EG-Vertrag (Art. 18 AEUV) dadurch ergeben, dass nicht alle Investoren aus Mitgliedstaaten in den Genuss des Schutzes durch derartige BIT kommen.233 Hiergegen lässt sich indes einwenden, dass im Falle einer möglichen Unvereinbarkeit zwar eine Pflicht der Mitgliedstaaten zur Kündigung annehmbar wäre, diese Unvereinbarkeit aber keine solche wäre, die potentiell eine gleichzeitige Anwendung der Verträge nicht zuließe. Zum anderen könnte Art. 8 des BIT insoweit mit dem EG-Vertrag bzw. dem AEUV unvereinbar sein, als dass jener mit der Stellung des EuGH in der Union kollidiert. Insbesondere die Tatsache, dass ein Schiedsgericht nach Art. 8 Abs. 6 des BIT über Unionsrecht entscheiden kann, und weder das Tribunal234, noch ein außerhalb der Europäischen Union ansässiges staatliches Gericht im Rahmen der Aufhebung bzw. der Vollstreckung gem. Art. 234 EG-Vertrag bzw. Art. 267 AEUV ein Vorabentscheidungsverfahren einleiten kann, weckt erhebliche Bedenken an der Vereinbarkeit mit einer möglichen Letztentscheidungskompetenz des EuGH in unionsrechtlichen Fragen.235 Diese rechtlichen Bedenken beschäftigten zuvörderst auch den EuGH im Achmea-Fall236 und lassen sich nicht schlicht mit tatsächlichen Erwägungen um den Sinn von Schiedsverfahren gegenüber staatlichen Gerichtsverfahren entkräften.237 Insbesondere hinkt der Verweis238 auf die acte clair-Doktrin The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 245, 263; Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award), Rn. 169. 232 Vgl. die Auffassung der Achmea B. V. in Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 98. 233 Zur Begründung der Zurückweisung dieses Einwands siehe ibid. Rn. 266. 234 Private Schiedsgerichte sind nach herrschender Auffassung hierzu nicht berechtigt, EuGH, Urteil vom 23. März 1982, Rs. 102/81, Nordsee, ECLI:EU:C:1982:107; EuGH, Urteil vom 27. Januar 2005, Rs. C 125/04, Guy Denuit & Betty Cordenier/Transorient, ECLI:EU:C: 2005:69; Streinz/Ehricke, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 33 m. w. N.; Wieczorek/Schütze/ Schütze, ZPO, § 1051 Rn. 71 m. w. N.; siehe ausführlich hierzu unten Kapitel I C. II. 2. 235 Diese räumt sogar das Tribunal in Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 282 ein; siehe umfassend hierzu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158; siehe ausführlich hierzu unten Kapitel I C. 236 Siehe dazu unten Kapitel II C. 237 So aber Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 264. 238 Ibid. Rn. 282.

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als Begründung dafür, dass Unionsrecht ohnehin regelmäßig ohne Beteiligung des EuGH ausgelegt wird. Die acte clair-Doktrin greift nämlich nur dann, wenn „die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig [ist], dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel“239 bleibt. Die Verletzung dieses Grundsatzes durch ein letztinstanzliches Gericht kann in Deutschland gar eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG darstellen, welche das BVerfG im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde feststellen kann.240 Gänzlich unberücksichtigt lässt das Tribunal, dass § 1050 ZPO das Fehlen der Vorlageberechtigung nach Art. 267 AEUV ausgleichen könnte.241 Immerhin wird ein Antrag nach § 1050 ZPO auch für möglich gehalten, wenn das Schiedsgericht eine Vorlage an den EuGH oder an das BVerfG für geboten hält.242 Wobei diesbezüglich anzumerken ist, dass es an einer mit Art. 267 Abs. 3 AEUV vergleichbaren Pflicht fehlt und eine Ermessensreduktion im Rahmen der Entscheidung nach Art. 267 Abs. 2 AEUV engen Grenzen unterliegt.243 Die Ablehnung der „Unvereinbarkeit“ durch das Tribunal ist also durchaus rechtlichen Bedenken ausgesetzt.244 Allerdings wurde in der Literatur245 und der schiedsgerichtlichen Rechtsprechung246 bis zur Achmea-Entscheidung des EuGH247 vielfach ein ähnlicher Weg gewählt und eine Beendigung über Art. 59 Abs. 1 lit. b) VCLT ebenfalls abgelehnt. Die Würdigung des Schiedsgerichts ist – auch in Anbetracht der ohnehin fehlenden Notifikation i. S. d. Art. 65 VCLT – aus damaliger Sicht also als noch vertretbar einzuordnen. Freilich hat die Achmea-Entscheidung die 239

EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, Rs. 283/81, CILFIT, ECLI:EU:C:1982:335, Rn. 16. BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 1986 – 2 BvR 197/83, in: NJW 1987, 577 (578); vgl. auch Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 3 Rn. 94 und Kühling/Drechsler NJW 2017, 2950 (2951) m. w. N. 241 Dies ebenso kommentarlos verkennend Engel, SchiedsVZ 2015, 218 (222); dies aber berücksichtigend OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (125) (s. u.); die Möglichkeit der Anwendung ablehnend BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328 (333). 242 MüKoZPO/Münch, § 1050 Rn. 11 m. w. N.; BeckOKZPO/Wilske/Markert, § 1050 Rn. 6 m. w. N.; vgl. auch Schütze, SchiedsVZ 2007, 121. 243 Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Januar 2006, Rs. C-344/04, International Air Transport Association u. a., ECLI:EU:C:2006:10, Rn. 30 und Grabitz/Hilf/Nettesheim/Karpenstein, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 61 ff. m. w. N. 244 Die Stellungnahme zur Vereinbarkeit von Art. 8 des BIT mit dem EG-Vertrag/AEUV und dem BIT im Allgemeinen mit Art. 12 EG-Vertrag (18 AEUV) soll hier nicht bereits vorweggenommen werden. Siehe deshalb hierzu ausführlich unten Kapitel I C. 245 Basener, Investment Protection in the European Union, S. 243 f.; Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 84 ff.; Reinisch, LIEI 2012, 157 (174); Tietje, BTWR 104/2011, S. 14 f.; Friedrich, ZEuS 2010, 295 (301 f.); Eilmansberger, CMLRev 2009, 383 (401); Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (228 ff.); vgl. auch Binder, JWIT 2016, 964 (970) zu Art. 59 VCLT im Allgemeinen. 246 European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic (Award on Jurisdiction), Rn. 218 ff.; Rupert Joseph Binder v. Czech Republic, UNCITRAL, (Award on Jurisdiction), Rn. 59 ff.; Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award), Rn. 168 ff. 247 Siehe dazu unten Kapitel I C. 240

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Diskussion um eine mögliche „Unvereinbarkeit“ von Intra-EU-BIT mit Unionsrecht auf eine andere Ebene gehoben.248 b) Stellungnahme zu Art. 30 VCLT Zur Bestimmung von „denselben Gegenstand“ i. S. d. Art. 30 Abs. 1, 3 VCLT lässt sich in Anbetracht der im Vergleich zu Art. 59 VCLT milden Rechtsfolge durchaus annehmen, dass der lex posterior-Grundsatz hier den lex specialis-Grundsatz verdrängen könnte. Daneben wird dieses Kriterium im Rahmen des Art. 30 VCLT sogar teilweise als für dessen Anwendbarkeit nicht entscheidend angesehen.249 Dem ist zuzugestehen, dass eine Unvereinbarkeit i. S. d. Art. 30 Abs. 3 VCLT notwendig voraussetzt, dass sich die Vertragswerke in irgend einer Form, wenn auch nur vereinzelt auf denselben Gegenstand beziehen. Vor allem aber mutet es zweifelhaft an, die Bestimmung eines früheren Vertrags, welche mit einer solchen aus einem späteren Vertrag unvereinbar ist, nur deshalb weiterhin anzuwenden, da das Beziehen auf denselben Gegenstand der gesamten Vertragswerke verneint wurde. Zum einen ist das Beziehen auf „denselben Gegenstand“ ein durchaus deutungsoffenes Tatbestandsmerkmal. Zum anderen lässt sich eine Unvereinbarkeit wohl nicht feststellen, ohne dass sich die maßgeblichen Bestimmungen selbst auf denselben Gegenstand beziehen. Dies sollte ein entscheidender Indikator sein. Das Tribunal lässt dies hier offen und verneint direkt die Unanwendbarkeit von Bestimmungen im BIT gem. Art. 30 Abs. 3 VCLT, da jene mit dem EG-Vertrag vereinbar seien und dies ohnehin erst auf Ebene der Begründetheit eine Rolle spiele. Allerdings erkennt das Tribunal ausdrücklich eine Ausnahme an.250 Sofern Art. 8 des BIT mit Unionsrecht unvereinbar wäre, könnte dies tatsächlich die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts bedeuten.251 Wie noch zu zeigen sein wird, stellte der EuGH in der Achmea-Entscheidung schließlich tatsächlich eine dahingehende Unvereinbarkeit fest. Es mutet schier ironisch an, dass gerade das Tribunal im Achmea-Fall dies ausdrücklich so erwog. Auch hier genießt das Ergebnis der Auffassung des Tribunals zu Art. 30 Abs. 3 VCLT aber Zustimmung in Rechtsprechung252 und Literatur253. 248

Siehe dazu unten Kapitel I C. Georgaki/Papanastasiou, PolishYIL 2019, 209 (219); vgl. auch Dörr/Schmalenbach/ von der Decken, VCLT, Art. 30 Rn. 12 f. m. w. N. 250 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 273. 251 Ibid. 252 Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award), Rn. 178 f.; Rupert Joseph Binder v. Czech Republic, UNCITRAL, (Award on Jurisdiction), Rn. 59 ff.; European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic (Award on Jurisdiction), Rn. 246 ff.; vgl. auch Raiffeisen Bank International AG and Raiffeisenbank 249

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Da für Art. 30 VCLT nicht die Vorschrift des Art. 65 VCLT gilt254 wäre bereits hier abschließend die Vereinbarkeit von Art. 8 des BIT mit dem EG-Vertrag bzw. dem AEUV zu klären. Da dies aber erst unten255 schwerpunktmäßig behandelt wird, soll zunächst die Anmerkung genügen, dass das Tribunal wohl nicht alle maßgeblichen rechtlichen Aspekte in Betracht gezogen hat, gleichwohl mit der Entscheidung in Anbetracht anderer Schiedssprüche256 aber eine vertretbare Lösung gewählt hat. c) Stellungnahme zum potentiell entgegenstehenden Unionsrecht und deutschen Recht Wie bereits gesehen, kommt das Schiedsgericht auch hinsichtlich der Frage des entgegenstehenden Unionsrechts bzw. des entgegenstehenden Unionsrechts als Teil des deutschen Rechts (lex loci arbitri) zu dem Ergebnis, dass die Zuständigkeit hiervon nicht berührt wird. Ob und inwieweit das Tribunal Unionsrecht anzuwenden hat bzw. anwenden darf, mag tatsächlich eine Frage der Begründetheit sein. Allerdings gilt diese Erwägung nicht für Art. 8 des BIT, da dieser die zentrale Norm für die Zuständigkeit des Schiedsgerichts ist.257 Hier würde sich vielmehr die Frage stellen, ob ein Tribunal – ungeachtet der Art. 30 und 59 VCLT – seine Zuständigkeit auf eine potentiell unionsrechtswidrige Norm stützen kann. Dazu ist bemerkenswert, dass das Tribunal selbst eine Unvereinbarkeit von Art. 8 des BIT mit Unionsrecht feststellen müsste und dabei unausweichlich selbst Unionsrecht auszulegen hätte. Solange der EuGH aber eine solche Auslegung – zur Unvereinbarkeit von Art. 8 des BIT mit Unionsrecht – nicht statuiert hat (was damals der Fall war), scheint es aus Sicht des Tribunals auch vertretbar, eine solche Unvereinbarkeit nicht selbst festzustellen und damit die Rechtsschutzmöglichkeiten des Investors womöglich erheblich zu schmälern.258 Austria d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/34, (Decision on Respondent’s Jurisdictional Objections, 30. September 2020), Rn. 357 ff. 253 Reinisch, LIEI 2012, 157 (175 f.); Tietje, BTWR 104/2011, S. 14; Friedrich, ZEuS 2010, 295 (305); Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (226 f.); a. A. u. a. Hindelang, LIEI 2012, 179 (205) und Clodfelter, SCJIL 2014, 159 (178). 254 Art. 65 VCLT gilt laut Überschrift zwar für das Verfahren bei Ungültigkeit, Beendigung oder Suspendierung eines Vertrages bzw. bei Rücktritt von einem Vertrag, nicht aber für die Unanwendbarkeit einzelner Bestimmungen gem. Art. 30 Abs. 3 VCLT. 255 Siehe Kapitel I C. 256 Jedenfalls Rupert Joseph Binder v. Czech Republic, UNCITRAL, (Award on Jurisdiction) und Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award) ergingen zeitlich vor Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension) und standen dem Tribunal mithin bei der Entscheidung zur Verfügung. 257 So auch von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1051 f.). 258 Aus Sicht der Achmea B. V. in Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 84 entstünde ein „enormous gap“ im Schutz der Intra-EUInvestoren.

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Auch hier ist die Auffassung des Tribunals also noch vertretbar. 6. Zwischenergebnis Das Tribunal hat sich eingehend mit den Ansichten der Klägerin und der Beklagten auseinandergesetzt und ist schließlich zu einer schlüssigen Entscheidung gekommen. Teilweise geht die rechtliche Würdigung nicht weit über bloß tatsächliche Erwägungen hinaus, was aber in Anbetracht der Unsicherheiten in diesem Gebiet nachvollziehbar ist. Jedenfalls im Ergebnis ist die Bejahung der Zuständigkeit vertretbar. Das Tribunal hält sich so die Möglichkeit offen, im Rahmen der Begründetheit festzustellen, dass eine Entscheidung ohne Unionsrechtsverstöße nicht denkbar und deshalb eine Entscheidung zugunsten der Klägerin nicht möglich sei. Die Entscheidung durfte Intra-EU-Investoren zunächst also positiv stimmen. Mit Rupert Joseph Binder v. Czech Republic und Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic und anschließend noch European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic konnte man zu diesem Zeitpunkt nahezu von „gefestigter schiedsgerichtlicher Rechtsprechung“ hinsichtlich der Intra-EU Jurisdictional Objection ausgehen.

II. Der Schiedsspruch des Tribunals Am 7. Dezember 2012 ergeht der Schiedsspruch des Tribunals. Der Klägerin wird ein Anspruch gegen die Beklagte i. H. v. 22.100.000,00 EUR zuzüglich Zinsen für den Zeitraum zwischen dem 1. August 2011 bis zum Zahlungsdatum und der während des Verfahrens entstandenen Kosten i. H. v. 220.772,74 EUR und der Rechtsanwalts- und Beratungskosten i. H. v. 2.905.350,94 EUR zugesprochen.259 Dabei spielt die Frage des Einflusses des Unionsrechts für die Entscheidung hier erwartungsgemäß nur noch eine untergeordnete Rolle. Zwar erhebt die Beklagte erneut einen Einwand hinsichtlich der Vereinbarkeit des BIT mit Unionsrecht.260 Das Tribunal geht hierauf aber kaum ein, da es sich gem. Art. 32 Abs. 2 der UNCITRALSchiedsregeln dahingehend ohnehin an den Zwischenentscheid gebunden sieht.261

259 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award), Rn. 352. 260 Ibid. Rn. 147 ff. 261 Achmea B.V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B.V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008 – 13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 154.

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung

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1. Das anwendbare Recht Zunächst geht das Schiedsgericht auf das anwendbare Recht für die Entscheidung ein. Bemerkenswert ist hier, dass es davon ausgeht, Unionsrecht spiele für die Entscheidung trotz Art. 8 Abs. 6 des BIT und der darin enthaltenen Möglichkeit zur Unionsrechtsanwendung („the law in force of the Contracting Party concerned“ und „the provisions of this Agreement, and other relevant Agreements between the Contracting Parties, s. o.) keine Rolle. Die Streitigkeit sei alleine durch die Anwendung des BIT zu entscheiden, ohne dass dabei auch nur implizit eine Aussage über eine etwaige Konformität oder einen etwaigen Verstoß gegen Unionsrecht getroffen würde.262 Damit räumt das Tribunal vermeintlich die größten Bedenken der Vereinbarkeit des BIT mit Unionsrecht aus. Solange das Schiedsgericht nämlich Unionsrecht gänzlich unberührt lässt, erledigte sich womöglich ein Konflikt mit dem EuGH und seiner Stellung in Bezug auf das Unionsrecht. Es verbliebe somit ein alternatives Streitbeilegungssystem mit eigenen, speziellen Vorschriften im Investitionsrecht, welches neben dem Rechtssystem der Europäischen Union besteht und lediglich zusätzlichen Schutz für grenzüberschreitende Investitionen bietet. Etwaigen Bedenken hinsichtlich Diskriminierung ließe sich durch Kündigung der BIT begegnen. Derartige Erwägungen werden dem Schiedsspruch wohl zugrunde liegen. Jedenfalls kommt das Tribunal zu dem Ergebnis, dass die maßgeblichen Bestimmungen, die die Beklagte hier verletzt haben könnte, allein Art. 3, 4 und 5 des BIT sind. 2. Die Verletzung des BIT Zunächst wird festgestellt, dass die Achmea B. V. Investor i. S. d. Art. 1 lit. b) (ii) des BIT und das Halten der gesamten Anteile an Union zdravotna´ poistˇovnˇ a, a.s eine Investition i. S. d. Art. 1 lit. a) des BIT der Achmea B. V. ist.263 Weiterhin nimmt das Tribunal eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 des BITan.264 Die gesetzlichen Regelungen zum Verbot der freien Gewinnausschüttung265 in Verbindung mit dem Verbot der Veräußerung des Versicherungsportfolios an andere Krankenversicherungsunternehmen266 haben der Investition jegliche wirtschaftliche Grundlage entzogen. Die Investition könne so weder zur Gewinngenerierung aufrechterhalten noch veräußert werden. Da dies essentielle Faktoren für die Initiierung der Investition der Klägerin seien, verstoßen besagte Gesetzgebungsakte gegen den

262 Achmea B.V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B.V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008 – 13, (Award), Rn. 276. 263 Ibid. Rn. 271. 264 Ibid. Rn. 278 ff. 265 Gesetz Nr. 530/2007 und Gesetz Nr. 594/2007. 266 Gesetz Nr. 192/2009.

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fair and equitable treatment-Grundsatz des Art. 3 Abs. 1 des BIT. Darüber hinaus sei die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 2 des BIT entbehrlich. Aus den gleichen Gründen liegt hier nach Auffassung des Tribunals auch ein Verstoß gegen Art. 4 des BIT vor („Each Contracting Party shall guarantee that payments related to an investment may be transferred“).267 Ein Verstoß gegen Art. 5 des BIT sei indessen nicht festzustellen.268 Aufgrund des Urteils des slowakischen Verfassungsgerichts vom 26. Januar 2011,269 welches eine Verletzung der Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Art. 35 Abs. 1 der Verfassung der Slowakischen Republik feststellte, wurden die Einschränkungen zu der Gewinnverwendung mit Gesetz vom 1. August 2011 wieder zugelassen (s. o.).270 Insofern kann nicht von einem endgültigen271 Entzug („depriving“) der Investition i. S. d. Art. 5 des BIT ausgegangen werden. Einer rechtlichen Bewertung dieser insoweit rein völkerrechtlichen Entscheidung bedarf es in Anbetracht des hiesigen Schwerpunktes nicht. 3. Zwischenergebnis Aufgrund der soeben dargelegten Verletzungen des BIT kommt das Tribunal zu einem Schadensersatzanspruch der Achmea B. V. i. H. v. 22.100.000,00 EUR zuzüglich Zinsen und der während des Verfahrens entstandenen Kosten i. H. v. 220.772,74 EUR und der Rechtsanwalts- und Beratungskosten i. H. v. 2.905.350,94 EUR (s. o.).272 Neben dem Zwischenentscheid zur Zusta¨ ndigkeit, Schiedsfa¨ higkeit und Aussetzung vom 26. Oktober 2010 ergeht also auch der Schiedsspruch vom 7. Dezember 2012 mithin weitgehend zugunsten der Klägerin. Sowohl hinsichtlich des Zwischenentscheids als auch des Schiedsspruchs beantragt die Slowakische Republik deshalb Aufhebung vor dem OLG Frankfurt am Main. Die daraufhin ergehenden

267 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award), Rn. 285 f. 268 Ibid. Rn 287 ff. 269 Verfassungsgericht der Slowakischen Republik, v. 26 Januar 2011, Nr. Pl. ÚS 3/09, veröffentlicht in Nr. 79/2011. 270 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award), Rn. 115 f., 119. 271 Siehe zum Endgültigkeitserfordernis auch Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. The United Mexican States, ICSID Case No. ARB (AF)/00/2, (Award, 29. Mai 2003), Rn. 116; LG&E Energy Corp., LG&E Capital Corp., and LG&E International, Inc .v. Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/02/1, (Decision on Liability, 3. Oktober 2006), Rn. 193. 272 Zur Begründung der Höhe des Schadens und der Kosten siehe Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award), Rn. 319 ff., 337 ff.

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung

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Entscheidungen des OLG Frankfurt am Main und des BGH sollen im Folgenden beleuchtet werden.

III. Das Aufhebungsgesuch der Slowakischen Republik gegen den Zwischenentscheid 1. Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main (26 SchH 11/10) Vor dem OLG Frankfurt am Main beantragt die Slowakische Republik nach Ergehen des Zwischenentscheids vom 26. Oktober 2010 eine gerichtliche Entscheidung gem. § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO. Das OLG Frankfurt am Main ist hierfür gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zuständig. Konkret beantragt die Antragstellerin die Aufhebung besagten Zwischenentscheids, die Feststellung der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts sowie die beantragte Nebenintervention des Königreichs der Niederlande zurückzuweisen.273 Daneben regt sie zusätzlich die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 267 AEUV an.274 Am 10. Mai 2012 ergeht die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main durch Beschluss.275 Die zulässigen Anträge sind zwar zulässig276, aber sachlich unbegründet277. Die Nebenintervention des Königreichs der Niederlande wird zugelassen.278 Das OLG Frankfurt am Main weist alle sieben Einwände der Antragstellerin und die Anregung der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahren zurück. Die Erwägungen des Gerichts werden im Folgenden beleuchtet. a) Wirksamkeit der Schiedsklausel nach nationalem Recht Erstmalig geht das OLG Frankfurt am Main hier auf eine Vereinbarkeit der Schiedsvereinbarung auf Basis des Art. 8 Abs. 2 des BIT mit deutschem Recht als dem lex loci arbitri (s. o.) ein, ohne dabei das hierin enthaltene Unionsrecht zu adressieren.279 Wie bereits dargelegt, finden hier gem. § 1025 Abs. 1 ZPO die Vorschriften des Zehnten Buches der ZPO Anwendung. Das Gericht bejaht zunächst, dass auf Basis der Schiedsklausel im BIT eine Schiedsvereinbarung im Sinne des 273 OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (120 f.). 274 Ibid. (120). 275 Ibid.; siehe zusammenfand auch Hartwig, ZaöRV 2017, 471. 276 OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (121 f.). 277 Ibid. (122 ff.). 278 Ibid. (121). 279 Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu ibid. (122).

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deutschen Rechts nach § 1029 Abs. 1 ZPO zwischen der Achmea B. V. und der Slowakischen Republik durch Einleitung des Schiedsverfahrens zustande gekommen ist.280 Diese sei auch formgemäß i. S. d. § 1031 Abs. 1 ZPO. Deren Wirksamkeit stehe nicht entgegen, dass die Vereinbarung vom Gast- und Heimatstaat der späteren Investition abgeschlossen wurde, Partei des Verfahrens aber letztlich ein Investor als natürliche oder juristische Person ist. Derartige Schiedsvereinbarungen zugunsten Dritter werden als zulässig anerkannt, da es schließlich die Entscheidung des Investors sei, ob er auf dieser Grundlage ein Schiedsverfahren einleitet oder sich an ordentliche Gerichte wendet.281 Aus Sicht des Gerichtes ist die Schiedsvereinbarung mithin nach deutschem Recht wirksam. b) Vereinbarkeit der Schiedsklausel mit Art. 344 AEUV Die Frage nach der Vereinbarkeit von Art. 8 des BIT mit Art. 344 AEUV nimmt zweifelsohne die größte Bedeutung im Beschluss des OLG Frankfurt am Main ein.282 Letztlich kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Schiedsklausel nicht gegen Art. 344 AEUV verstößt. Wie bereits vom UNCITRAL-Tribunal im Zwischenentscheid dargelegt,283 gilt auch aus Sicht des OLG Frankfurt am Main Art. 344 AEUV nur für Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten und nicht für Dispute zwischen Staaten und natürlichen oder juristischen Personen.284 Auch die Ausführungen der Kommission enthielten dahingehend keine anderweitigen Erkenntnisse.285 Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der sog. „MOX-Plant-Entscheidung“286 des EuGH, da es auch hier um eine zwischenstaatliche Streitigkeit geht. 280 Siehe hierzu auch MüKoZPO/Münch, § 1029 Rn. 85; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, § 1029 Rn. 29. 281 Siehe auch Zöller/Geimer, ZPO, § 1031 Rn. 13 m. w. N. 282 Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (122 ff.). 283 Achmea B. V. in Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 276. 284 Siehe hierzu auch Callies/Ruffert/Wegener, EUV/AEUV, Art. 344 AEUV Rn. 1; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Athen/Dörr, EUV/AEUV, Art. 344 AEUV Rn. 1; Streinz/Herrmann, EUV/AEUV, Art. 344 AEUV Rn. 1; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (123) m. w. N. zu dieser „ganz herrschenden Meinung“; siehe eingehend hierzu unten Kapitel I C. II. 1. 285 Siehe Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 175 ff., in Rn. 178 wird Art. 344 AEUV zudem alleine hinsichtlich „inter-State arbitration“ genannt. 286 EuGH, Urteil vom 30. Mai 2006, Rs. C-459/03, Kommission/Irland, ECLI:EU:C:2006: 345.

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung

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Das Problem, dass Schiedsgerichte mit Unionsrecht nicht zu vereinbarende Entscheidungen treffen können und nicht die Möglichkeit zur Einleitung von Vorabentscheidungsverfahren haben, vermöge keine Verletzung des Art. 344 AEUV zu begründen. Dies zumal die Schiedssprüche der Kontrolle nationaler Gerichte unterliegen, welche wiederum die Möglichkeit hätten, gem. Art. 267 AEUV den EuGH anzurufen. Maßgeblich ist aus Sicht des OLG Frankfurt am Main auch, dass selbst der EuGH die Unvereinbarkeit von Art. 344 AEUV mit Schiedsklauseln in BIT noch nicht angenommen habe. Vielmehr ergebe sich gegenteiliges aus einem Gutachten des EuGH vom 8. März 2011287 , da dort die Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems ausdrücklich für mit Art. 344 AEUV vereinbar erklärt werde: „Die Schaffung des PG kann auch nicht gegen Art. 344 AEUV verstoßen, da dieser Artikel sich darauf beschränkt, den Mitgliedstaaten zu verbieten, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Verträge anders als in den Verträgen vorgesehen zu regeln. Die Zuständigkeiten, die nach dem Übereinkommensentwurf dem PG übertragen werden sollen, betreffen jedoch ausschließlich Streitigkeiten zwischen Einzelnen im Zusammenhang mit Patenten.“288

Letztlich habe die Europäische Union auch durch die Unterzeichnung des ECT ihre grundsätzliche Zustimmung zu Investitionsschiedsverfahren auch innerhalb der Union zum Ausdruck gebracht.289 Mithin sei keine Unvereinbarkeit zwischen Art. 8 des BIT und Art. 344 AEUV festzustellen. c) Auslegungsmonopol des EuGH in unionsrechtlichen Fragen Ein von der Antragstellerin mehrfach dargelegtes290 Auslegungsmonopol des EuGH für unionsrechtliche Fragen kann das OLG Frankfurt am Main nicht anerkennen.291 Zwar obliege dem EuGH die endgültige und maßgebliche Auslegung des Unionsrechts. Indessen entziehe dies den nationalen Gerichten nicht die Befugnis jenes anzuwenden und auszulegen. Immerhin sei es auch im Rahmen des Art. 267 Abs. 1 lit. a) AEUV nur Aufgabe des EuGH, die Auslegung einer Norm der Verträge vorzugeben. Die Anwendung der Norm, hinsichtlich welcher der EuGH eine Auslegung vorgegeben hat, verbleibe stets bei den mitgliedstaatlichen Gerichten. Hier 287 EuGH, Gutachten vom 8. März 2011, Nr. 1/09, Einheitliches europäisches Patentgerichtssystem, ECLI:EU:C:2011:123. 288 Ibid. Rn. 63. 289 Siehe Art. 26 Abs. 3 ECT. 290 Siehe Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 113, 134. 291 Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (124 f.).

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

wäre es also insbesondere nicht Aufgabe des EuGH das Investitionsschutzabkommen auszulegen.292 Auch diese Erwägungen der Slowakischen Republik können also aus Sicht des OLG Frankfurt am Main nicht zu einer Unvereinbarkeit der Schiedsklausel mit dem Unionsrecht führen. d) Wirksamkeit der Schiedsklausel nach Art. 30 Abs. 3 VCLT Hinsichtlich einer etwaigen Unanwendbarkeit der Schiedsklausel gem. Art. 30 Abs. 3 VCLT überträgt das OLG Frankfurt am Main die zu Art. 344 AEUV angestellten Erwägungen.293 Mangels Unvereinbarkeit der Schiedsklausel mit Art. 344 AEUV – andere Normen habe die Antragstellerin insoweit nicht benannt – scheide Art. 30 Abs. 3 VCLT hier als Anknüpfungspunkt ohnehin aus. Art. 59 VCLT wird hier bewusst nicht thematisiert, da die Antragstellerin geltend gemacht habe, sie berufe sich ausdrücklich nicht mehr auf eine mögliche Beendigung nach Art. 59 VCLT. Insoweit kann das Gericht auch keine Unwirksamkeit von Art. 8 des BITaufgrund der VCLT feststellen. e) Verstoß gegen Art. 18 AEUV Ebenso wie das Tribunal294 kommt auch das OLG Frankfurt am Main295 zu dem Schluss, dass eine Schiedsklausel wie Art. 8 des BIT zwar möglicherweise das in Art. 18 AEUV niedergelegte Diskriminierungsverbot verletzen könnte. Die Schlussfolgerung hieraus könne indessen nicht sein, dass die hiesige Schiedsklausel vorliegend nicht anwendbar sei, sondern nur, dass Investoren aus anderen Mitgliedstaaten die gleichen Rechte zuzustehen hätten. Immerhin haben sich Investoren bei ihrer Investitionsentscheidung auf die Geltung des BIT verlassen. Auch Art. 18 AEUV könne daher an der Wirksamkeit der Schiedsklausel nichts ändern. f) Verstoß gegen das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens in die Gerichte der Mitgliedstaaten Ohne dies an eine Norm in den Unionsverträgen zu knüpfen, moniert die Antragstellerin, die Schiedsklausel bringe ein deutliches Misstrauen der Parteien des 292

Siehe hierzu auch EuGH, Urteil vom 15. September 2011, Rs. C-264/09, Kommission/ Slowakische Republik, ECLI:EU:C:2011:580. 293 Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (125). 294 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 266. 295 Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (125).

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BIT gegenüber den Gerichten der Mitgliedstaaten zum Ausdruck. Dies verletze das aus Sicht des EuGH unabdingbare Grundprinzip des „[g]egenseitige[n] Vertrauen[s] in die Rechtspflege innerhalb der EU.“296 Dem widerspricht das Gericht mit Hinweis darauf, dass Schiedsgerichtsverfahren ein unionsweit anerkanntes Mittel zur Streitbeilegung darstellen.297 Auch hier verweist das OLG Frankfurt am Main auf den ECT, in welchem die Europäische Union gem. Art. 26 Abs. 3 ECT ihre uneingeschränkte Zustimmung erteilt, eine Streitigkeit einem internationalen Schieds- oder Vergleichsverfahren zu unterwerfen. Des Weiteren habe sich die Slowakische Republik durch Abschluss des BIT selbst der Gerichtsbarkeit eines Schiedsgerichts unterworfen und könne hieraus nun keine Folgen zu Lasten der Achmea B. V. ableiten. g) Unwirksamkeit der Schiedsklausel aus prozessökonomischen Gründen Auch aus Gründen der Prozessökonomie ergebe sich vorliegend kein anderes Bild.298 Allein die Tatsache, dass das Tribunal nicht nach Art. 267 AEUV zur Vorlage berechtigt ist genügt nicht für eine Verneinung der Zuständigkeit des Tribunals. Schließlich beschränke sich die Untersuchung des Gerichts in diesem Rahmen (§ 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO) auf die Prüfung von §§ 1029 ff. ZPO. Darüber hinaus führt das OLG Frankfurt am Main hier erstmals an, dass auch § 1050 ZPO über die fehlende Vorlageberechtigung des Tribunals nach Art. 267 AEUV hinweghelfen könne.299 Jedenfalls ändere sich nichts an der Zuständigkeit des Tribunals aus prozessökonomischen Gründen. h) Die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens Letztlich widmet sich das OLG Frankfurt am Main der Anregung der Antragstellerin, ein Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 267 AEUV vor dem EuGH einzuleiten.300 Gem. Art. 267 Abs. 2 AEUV bestünde für das OLG Frankfurt am 296 OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (120); siehe hierzu auch von Danwitz, EuR 2020, 61 und Europa¨ ische Kommission, Förderung des Vertrauens in eine EU-weite Rechtspflege, eine neue Dimension der Justizstellen Aus- und Fortbildung auf europäischer Ebene, 13. September 2011, COM(2011) 551 final. 297 Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (125); siehe insofern das zehnte Buch der ZPO (§§ 1025-1066); siehe auch EuGH, Urteil vom 1. Juni 1999, Rs. C-126/97, Eco Swiss China Time Ltd/Benetton International NV, ECLI:EU:C:1999:269. 298 Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (125). 299 Siehe auch Fn. 241, 242. 300 Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (125 f.).

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Main als ordentliches Gericht eines Mitgliedstaates grundsätzlich die Möglichkeit der Vorlage.301 Da für die hiesige Entscheidung des OLG Frankfurt am Main allerdings gem. § 1065 ZPO noch die Möglichkeit von Rechtsmitteln bestehe, greife diesbezüglich nicht die Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV. Vor diesem Hintergrund lehnt das Gericht eine Vorlage an den EuGH ab. Da dem EuGH gemäß Art. 267 Abs. 1 lit. a) AEUV nur eine Vorabentscheidung über die Auslegung der Verträge302 zustehe, könne keine derart konkrete – also so, wie die Antragstellerin es formuliert habe – Frage zur Wirksamkeit einer ganz spezifischen Vertragsklausel geklärt werden. Außerdem ergeben sich keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung des Art. 344 AEUV. i) Zwischenergebnis Das OLG Frankfurt am Main bestätigt mit dem Beschluss den Zwischenentscheid des Tribunals und entscheidet sich gegen eine Vorlage einer irgendwie gearteten Frage zur Auslegung des Unionsrechts gem. Art. 267 Abs. 1, 2 AEUVan den EuGH. Dies mag zwar aus tatsächlichen Gründen – insbesondere im Hinblick auf Rechtssicherheit – zu kritisieren sein. Einer rechtlichen Würdigung hält der Beschluss indes insoweit stand, da für die Feststellung der Erforderlichkeit alleine die Einschätzung des OLG Frankfurt am Main maßgeblich ist.303 Eine eingehende Stellungnahme zu diesem Beschluss soll allerdings gebündelt mit einer solchen zu den Entscheidungen des BGH vom 19. September 2013304 und vom 30. April 2014305 erfolgen. Grundzüge letzterer werden zunächst im Folgenden erörtert. 2. Die Entscheidungen des BGH (III ZB 37/12) a) Die Entscheidung vom 19. September 2013 (III ZB 37/12) Zum Beschluss des BGH vom 19. September 2013306 kommt es, da die Slowakische Republik nach Ergehen des erörterten Beschlusses des OLG Frankfurt am Main gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 1065 Abs. 1 S. 1 ZPO gegen diesen eine Rechtsbeschwerde erhebt. Rechtsbeschwerdegericht ist gem. § 133 GVG der BGH. 301

Siehe auch Callies/Ruffert/Wegener, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 19. Gemeint sind die Verträge des Unionsrechts, ErfK/Wißmann/Schlachter, Art. 267 AEUV Rn. 4. 303 Vgl. EuGH, Urteil vom 18. März 2010, verbundene Rs. C-317/08, 318/08, 319/08, 320/ 08, Alassini u. a., ECLI:EU:C:2010:146, Rn. 25; Rengeling/Middeke/Gellermann/Middeke, § 10 Rn. 53 m. w. N. 304 BGH, Beschluss vom 19. September 2013 – III ZB 37/12, in: SchiedsVZ 2013, 333. 305 BGH, Beschluss vom 30. April 2014 – III ZB 37/12, in: NJOZ 2014, 1341. 306 Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu BGH, Beschluss vom 19. September 2013 – III ZB 37/12, in: SchiedsVZ 2013, 333 (333 ff.). 302

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung

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Der BGH beschließt nun die Zurückweisung des Antrags, da das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin aufgrund des zwischenzeitlich am 7. Dezember 2012 ergangenen Schiedsspruchs307 des Tribunals entfallen sei. Dies führe zur Unzulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gem. § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO. Da gesetzlich nicht vorgesehen sei, dass ein Schiedsspruch aufhebbar oder nichtig wird, wenn gem. § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO nachfolgend die Unzuständigkeit des Tribunals festgestellt wird, sei dies die einzige mit Belangen der Rechtssicherheit und §§ 1025 ff. ZPO zu vereinbarende Lösung. Ein das Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO „überholender“308 Schiedsspruch müsse vielmehr gesondert gem. § 1059 Abs. 1, 2 Nr. 1 ZPO aufgehoben werden. Würde das unterlassen, umginge dies zudem die Fristenregelung in § 1059 Abs. 3 ZPO. Da das Verfahren nach § 1059 Abs. 1, 2 ZPO auch die Fragen zur Zuständigkeit des Tribunals erfasse und damit umfangreicher als das Zwischenverfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO sei, bestehe für letzteres kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. b) Die Entscheidung vom 30. April 2014 (III ZB 37/12) Die Antragstellerin erhält ihre Rechtsbeschwerde indessen aufrecht und beantragt zusätzlich hilfsweise festzustellen, dass der gegen den Zwischenentscheid gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung bis zum Erlass des Schiedsspruchs über die Hauptsache zulässig und begründet gewesen sei.309 Der BGH weist die ursprünglich statthafte und zulässige Rechtsbeschwerde zurück, da sowohl der Hauptantrag als auch der Hilfsantrag unzulässig geworden seien. Aus obigen Gründen sei für den Hauptantrag das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Die von der Antragstellerin hierzu aufgeführte BGH-Rechtsprechung des VII. Zivilsenats310, dass ein anhängiges gerichtliches Verfahren über die Ablehnung eines Schiedsrichters auch dann fortzusetzen sei, wenn zwischenzeitlich in der Hauptsache ein Schiedsspruch ergangen ist, überzeugt die BGH-Richter nicht, im vorliegenden Fall von ihrer Meinung abzurücken. Weitere von der Antragstellerin vorgebrachte Einwände werden gem. § 577 Abs. 6 S. 3 ZPO ohne Begründung abgelehnt. Der Hilfsantrag wird als unzulässig zurückgewiesen. Die beantragte Feststellung der Zulässigkeit und Begründetheit des gegen den Zwischenentscheid gerichteten Antrags auf gerichtliche Entscheidung bis zum Erlass des Schiedsspruchs über die 307 S. o., Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award). 308 BGH, Beschluss vom 19. September 2013 – III ZB 37/12, in: SchiedsVZ 2013, 333 (334). 309 Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu BGH, Beschluss vom 30. April 2014 – III ZB 37/12, in: NJOZ 2014, 1341 (1341 f.). 310 BGH, Urteil vom 12. Dezember 1963 – VII ZR 23/62, in: NJW 1964, 593.

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Hauptsache sei als eine sog. einseitige Erledigungserklärung311 auszulegen. Eine solche Erledigungserklärung diene regelmäßig der günstigeren Kostenfolge analog § 91a ZPO. Eine solche sei mit einer bloß hilfsweise vorgebrachten Erledigungserklärung indes nicht zu erreichen, weil im Rahmen der Kostenentscheidung stets zu berücksichtigen sei, dass die Klage mit dem Hauptantrag abgewiesen worden ist. Somit bleibt das Aufhebungsgesuch der antragsstellenden Slowakischen Republik sowohl vor dem OLG Frankfurt am Main als auch vor dem BGH zunächst erfolglos. 3. Stellungnahme zu den Entscheidungen des OLG Frankfurt am Main und des BGH Die soeben vorgestellten Beschlüsse ergehen allesamt zulasten der Antragstellerin. Allerdings gehen die Fragen, mit welchen sich die Gerichte zu befassen hatten, weit auseinander. Das OLG Frankfurt am Main wurde mit nahezu allen Argumenten der Slowakischen Republik zur Intra-EU Jurisdictional Objection konfrontiert, während der BGH diese Thematik in Anbetracht des zwischenzeitlich ergangenen Schiedsspruchs vollständig ausblenden konnte. Ebenso wie das Schiedsgericht kommt auch das OLG Frankfurt am Main hierbei zu einem vertretbaren Ergebnis. Die erstmals erwogenen Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit von Art. 8 des BIT aufgrund deutschen Rechts werden vom Gericht schlüssig abgetan. Eine Unvereinbarkeit des BIT mit den Vorschriften des Zehnten Buches der ZPO ist nicht anzunehmen. Der Wirksamkeit des BIT steht auch nicht entgegen, dass sie zugunsten eines Dritten abgeschlossen wurde, da es in dessen Belieben steht, sich an ein Schiedsgericht oder ein nationales Gericht zu wenden.312 Auch die Ausführungen des OLG Frankfurt am Main hinsichtlich Art. 344 AEUV und Art. 18 AEUV bewegen sich weitgehend auf der auch vom Tribunal vertretenen Linie. Ohne selbst bereits hier umfassend hierzu Stellung zu nehmen,313 sind die Erwägungen des Gerichts ebenso wie die des Schiedsgerichts sowohl zu Art. 344 AEUV314 als auch zu Art. 18 AEUV315 jedenfalls schlüssig. Konsequenterweise wird dementsprechend auch eine Unanwendbarkeit der Schiedsklausel gem. Art. 30 Abs. 3 VCLT verneint. 311

Siehe hierzu erläuternd MüKOZPO/Schulz, § 91a Rn. 76 ff. und Huber, JuS 2013, 977. Vgl. Zöller/Geimer, ZPO, § 1031 Rn. 13 m. w. N. 313 Siehe dazu unten Kapitel I C. II. 314 So auch European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic (Award on Jurisdiction), Rn. 248 ff.; vgl. auch Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award), Rn. 142 ff.; Reinisch, LIEI 2012, 157 (177); Tietje, BTWR 104/ 2011, S. 17; Söderlund, JIntlArb 2007, 455 (459 f.). 315 So auch European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic (Award on Jurisdiction), Rn. 279; Wehland, SchiedsVZ 2008, 229. 312

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung

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Überzeugend sind aus damaliger Sicht darüber hinaus die Erwägungen zum vermeintlichen Verstoß gegen das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens in die Gerichte der Mitgliedstaaten. Immerhin basieren die §§ 1025 ff. ZPO auf der Möglichkeit solcher Schiedsverfahren. Dass die Europäische Union selbst den ECT mit seiner Regelung in Art. 26 Abs. 3 ECT unterzeichnet hat, spricht ebenso gegen einen derartigen Verstoß. Bedenklich sind aber die Darstellungen des OLG Frankfurt am Main zu einer möglichen Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens und dem vermeintlichen Auslegungsmonopol des EuGH.316 Die Erörterungen zur Stellung des EuGH hinsichtlich der einheitlichen Unionsrechtsauslegung bewegen sich im Wesentlichen auf der Linie des Tribunals im Zwischenentscheid. Die hierzu bereits hervorgebrachten Bedenken gerade hinsichtlich des Verweises auf die acte clair-Doktrin gelten hier ebenso (s. o.). Allerdings geht es hier nicht mehr nur um die Frage der Vereinbarkeit der Schiedsklausel mit dem Unionsrecht, sondern insbesondere auch, ob man diese Frage nicht gem. Art. 267 AEUV dem EuGH vorlegt. Das OLG Frankfurt am Main hat hierzu gem. Art. 267 Abs. 2 AEUV erstmalig in diesem Verfahren als staatliches Gericht die Möglichkeit. Dass es nicht möglich sei, eine derart konkrete Frage hinsichtlich der Schiedsklausel dem EuGH vorzulegen, widerlegt die nachfolgende Entscheidung des BGH vom 3. März 2016317 (s. u.). Die hierzu vom OLG Frankfurt zitierten Quellen318 besagen zwar, dass der EuGH nach Art. 267 Abs. 1 lit. a) AEUV ausschließlich über Fragen zur Auslegung des Unionsrechts befinden darf. Allerdings geht es im vorliegenden Fall auch nicht um die Auslegung der Schiedsklausel, sondern darum, ob die Verträge und insbesondere der AEUV dahingehend auszulegen sind, dass sie einer derartigen Bestimmung entgegenstehen.319 Dies ist eine Frage zur Auslegung der Verträge. Letztlich besteht aber – wie bereits dargelegt – für das OLG Frankfurt am Main keine Vorlagepflicht i. S. d. Art. 267 Abs. 3.320 Zudem hat das Gericht erkannt, dass auch § 1050 ZPO das Fehlen der Vorlageberechtigung nach Art. 267 AEUV ausgleichen könnte. Somit liegt das Schiedsverfahren auch nicht völlig außerhalb des institutionellen und richterlichen Rahmens der Europäischen Union.321 Allerdings wäre in Anbetracht der ausführlichen, rechtlich teilweise vertretbaren Erwägungen der Slowakischen Republik und auch der ausführlichen Würdigung 316

So auch von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1062). BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328. 318 Callies/Ruffert/Wegener, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 3 und Streinz/Ehricke, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 14, (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (126)). 319 Siehe zur Formulierung einer Vorlagefrage EuGH, Hinweise zur Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen durch die nationalen Gerichte vom 5. Dezember 2009, 2009/C 297/01; Dauses/Ludwigs/Kaufmann, EU-Wirtschaftsrecht, P. II. Rn. 173 ff. 320 Siehe auch von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1063). 321 So auch OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (124). 317

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

sowohl durch das Tribunal als auch durch das OLG Frankfurt am Main zur Vereinbarkeit der Schiedsklausel mit Art. 344, 18 und auch 267 AEUVeine Vorlage nach Art. 267 Abs. 2 AEUV zu begrüßen gewesen. Das OLG Frankfurt am Main durfte zum Zeitpunkt des soeben dargelegten Beschlusses noch davon ausgehen, dass der BGH im Falle einer gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 1065 Abs. 1 S. 1 ZPO statthaften Rechtsbeschwerde der Antragstellerin ohnehin gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV über eine mögliche Vorlagepflicht zu befinden habe. Für die Beurteilung der „Erforderlichkeit“ i. S. d. Art. 267 Abs. 2 AEUV hätte es ansonsten womöglich andere Maßstäbe angelegt. Nun erging aber – wie bereits gesehen – am 7. Dezember 2012 der Schiedsspruch des Tribunals, weswegen sich dem BGH im Rahmen des Rechtsbeschwerdeverfahrens die Fragen über die Auslegung des Unionsrechts im Hinblick auf Schiedsklauseln in BIT gar nicht mehr stellten. Hier ging es vielmehr um einen potentiellen Entfall des Rechtsschutzbedürfnisses, nachdem der durch § 1040 Abs. 3 S. 3 ZPO vorgesehene Fall des zwischenzeitlichen Erlasses eines Schiedsspruchs eintrat. Die Erwägungen des BGH zum Entfall des Rechtsschutzbedürfnisses (s. o.) erscheinen zunächst plausibel, ihnen ist gleichwohl aber eine Absage zu erteilen.322 Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung verliert nämlich das Zwischenverfahren aus § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO weitgehend an Bedeutung. In den Fällen, in welchen bis zur letztinstanzlichen Entscheidung nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO der Schiedsspruch ergeht, geht so der gesamte Prozessfortschritt verloren. Um aber einer Präklusion hinsichtlich der Zuständigkeitsfragen zu entgehen, ist so „vorsorglich“ stets ein Aufhebungsantrag nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO zu stellen.323 Die Bedenken des BGH ließen sich damit ausräumen, dass man der Entscheidung nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO Vorgreiflichkeit für das Verfahren gem. § 1059 ZPO zuspricht.324 Dies wäre auch aus prozessökonomischer Sicht vorzugswürdig.325 In diesem Sinne änderte der BGH seine Rechtsprechung mit Beschluss vom 9. August 2016326. Demnach lässt der Erlass eines Schiedsspruchs das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag gem. § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht entfallen. Diese Entscheidung gründet auf dem den Fristen zugrunde liegenden Gedanken der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit327 und ist mithin zu begrüßen. 322

So auch Griebel, IPRax 2015, 324 (325 f.) und Pörnbacher/Gebert, Anmerkungen zu BGH, Beschluss vom 30. April 2014 – III ZB 37/12, SchiedsVZ 2014, 200 (202). 323 Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, § 1040 Rn. 21; vgl. auch Griebel, IPRax 2015, 324 (325 f.). 324 Pörnbacher/Gebert, Anmerkungen zu BGH, Beschluss vom 30. April 2014 – III ZB 37/ 12, SchiedsVZ 2014, 200 (202); vgl. auch Musielak/Voit/Voit, ZPO, § 1040 Rn. 12; insoweit ablehnend OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 26 Sch 3/13, in: BeckRS 2015, 6323 Rn. 48. 325 So auch Griebel, IPRax 2015, 324 (326). 326 BGH, Beschluss vom 9. August 2016 – I ZB 1/15, in: SchiedsVZ 2017, 103. 327 Vgl. Wilske/Krapfl, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 9. August 2016 – I ZB 1/15, LMK 2016, 382306.

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung

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Allerdings ist den Ausführungen des BGH im Beschluss vom 30. April 2014 zum Hilfsantrag328 beizupflichten. Der Antragstellerin ist es nicht möglich, das Ziel einer Erledigungsfeststellung anstelle der Abweisung des Hauptantrages zu erreichen, da das Gericht bei nur hilfsweiser Antragsstellung den Hauptantrag prüfen und bei Erledigung notwendig zurückweisen muss.329 Das Konstrukt einer hilfsweisen einseitigen Erledigungserklärung ist mithin abzulehnen.330

IV. Das Aufhebungsgesuch der Slowakischen Republik gegen den Schiedsspruch Da weder das OLG Frankfurt am Main noch der BGH dem Aufhebungsgesuch der Slowakischen Republik hinsichtlich des Zwischenentscheids abgeholfen haben, bleibt der Beklagten in Anbetracht der bis dahin noch geltenden BGH-Rechtsprechung331 lediglich der Weg eines fristgerechten Aufhebungsantrags nach § 1059 ZPO im Hinblick auf den zwischenzeitlich ergangenen Schiedsspruch. Diesen Weg beginnt die Beklagte nunmehr erneut vor dem OLG Frankfurt am Main zu beschreiten – diesmal aber letztlich erfolgreich. 1. Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main (26 Sch 3/13) Am 1. Februar 2013 geht beim gem. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO hierfür zuständigen OLG Frankfurt am Main der Antrag der Slowakischen Republik auf gerichtliche Aufhebung des Schiedsspruchs vom 7. Dezember 2012 gem. § 1059 Abs. 1, 2 ZPO ein. Hilfsweise regt die Antragstellerin ein Vorabentscheidungsverfahren hinsichtlich der Auslegung von Art. 344, 267 und 18 AEUV an. Die Entscheidung ergeht am 18. Dezember 2014 durch Beschluss.332 Der Antrag der Slowakischen Republik ist fristgemäß i. S. d. § 1059 Abs. 3 S. 1 ZPO eingereicht worden und auch ansonsten zulässig. Allerdings hält das OLG Frankfurt am Main ihn für sachlich unbegründet und weist ihn daher zurück. Weder § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a), noch Abs. 2 Nr. 1 lit. c), noch Abs. 2 Nr. 2 lit. b) ZPO seien hier einschlägig. 328

BGH, Beschluss vom 30. April 2014 – III ZB 37/12, in: NJOZ 2014, 1341 (1341 f. Rn. 9 ff.). 329 Zöller/Althammer, ZPO, § 91a Rn. 35. 330 BGH, Urteil und Teilversäumnisurteil vom 8. Februar 2011 @ II ZR 206/08, in: NJW-RR 2011, 618 (621); BGH, Beschluss vom 16. August 2010 – II ZR 105/09 in AG 2010, 749 (749 f.). 331 S. o., BGH, Beschluss vom 19. September 2013 – III ZB 37/12, in: SchiedsVZ 2013, 333; BGH, Beschluss vom 30. April 2014 – III ZB 37/12, in: NJOZ 2014, 1341. 332 OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 26 Sch 3/13, in: BeckRS 2015, 6323.

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

a) Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) ZPO Eine zu einem Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) ZPO führende Ungültigkeit der vorliegenden Schiedsvereinbarung sei nicht anzunehmen.333 In Übereinstimmung mit dem bereits im Beschluss vom 10. Mai 2012334 Vorgetragenen stehe der Wirksamkeit von Art. 8 Abs. 2 des BIT weder Art. 344 noch Art. 267 oder Art. 18 AEUV entgegen. Das OLG Frankfurt am Main hält an der Lesart des Art. 344 AEUV fest, dass dieser Investor-Staat-Streitigkeiten nicht erfasse. Da es an von den Verträgen vorgesehenen Verfahren für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen einem Mitgliedstaat und einer natürlichen oder juristischen Person fehle, können die Mitgliedstaaten hiervon auch nicht „abweichen“. Dies stimme auch mit der Sichtweise des EuGH überein.335 Auch ein Verstoß gegen Art. 267 AEUV sei nicht feststellbar. Das OLG Frankfurt am Main bleibt seiner Argumentation somit auch diesbezüglich treu. Aus der Rechtsprechung des EuGH336 ergebe sich kein anderes Bild. Ebenso sei eine Unvereinbarkeit mit Art. 18 AEUV zu verneinen, insbesondere da die Ausdehnung der Schiedsklausel auf Investoren aus anderen Mitgliedstaaten denkbar sei. b) Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) ZPO Auch sei dem Vortrag der Antragstellerin zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) ZPO nicht zuzustimmen.337 Die Streitigkeit falle vorliegend unter die Bestimmung der Schiedsklausel. Art. 8 Abs. 2 des BIT umfasst – über den Verweis auf Abs. 1 – Streitigkeiten zwischen Investoren und Gaststaaten hinsichtlich einer Investition. Keine Bedeutung habe dementsprechend die von der Antragstellerin geltend gemachte vermeintliche Unrechtmäßigkeit der Investition der Achmea B. V.. Selbst wenn also die Bareinlage in der Union zdravotna´ poistˇovnˇ a, a. s. gegen das slowakische Vergabegesetz, das slowakische Handelsgesetzbuch und gegen die Gesetze über öffentliche Krankenversicherungsgesellschaften (s. o.) verstieße, be333

Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu ibid. Rn. 50 ff. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119. 335 Siehe EuGH, Gutachten vom 8. März 2011, Nr. 1/09, Einheitliches europäisches Patentgerichtssystem, ECLI:EU:C:2011:123. 336 Siehe EuGH, Urteil vom 1. Juni 1999, Rs. C-126/97, Eco Swiss China Time Ltd/Benetton International NV, ECLI:EU:C:1999:269; EuGH, Urteil vom 23. März 1982, Rs. 102/81, Nordsee, ECLI:EU:C:1982:107; auch EuGH, Gutachten vom 8. März 2011, Nr. 1/09, Einheitliches europäisches Patentgerichtssystem, ECLI:EU:C:2011:123 wecke insoweit keine Zweifel. 337 Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 26 Sch 3/13, in: BeckRS 2015, 6323 Rn. 60. 334

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung

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träfe dies nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, sondern allenfalls die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen. Neben dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 1, 2 des BIT sprechen also auch Sinn und Zweck gegen die Annahme der Voraussetzungen des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) ZPO. c) Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) ZPO Letztlich macht die Slowakische Republik noch § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) ZPO als Aufhebungsgrund geltend. Aus Sicht des OLG Frankfurt am Main führt die Anerkennung des Schiedsspruchs nicht zu einem Ergebnis, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht.338 Ein ordre public-Verstoß sei zunächst nicht in einer Verletzung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts zu erkennen. Wie bereits gesehen, stützt das Tribunal seinen Schiedsspruch materiell-rechtlich auf die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 des BIT. Ein Verstoß von Art. 3 Abs. 1 des BIT gegen Unionsrecht und dabei insbesondere gegen Art. 63 ff. AEUV wurde nicht vorgetragen und sei auch sonst nicht ersichtlich. Ungeachtet dessen, dass das Tribunal sich für die Schadensfeststellung nur auf die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 des BIT gestützt habe, sei auch ohnehin eine Unvereinbarkeit von Art. 4 des BIT mit Unionsrecht abzulehnen. Die von der Antragstellerin für eine Unvereinbarkeit vorgetragene Rechtsprechung des EuGH339 sei hierfür unbeachtlich, da die Entscheidungen jeweils BIT mit Drittstaaten betreffen. Unbeachtlich sei in dieser Hinsicht auch Art. 168 Abs. 7 AEUV. Ein Verstoß hiergegen durch das BIT sei nicht feststellbar. Auch der Grundsatz des rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG kann nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main die Voraussetzungen des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) ZPO nicht begründen. Über § 1042 Abs. 1 S. 2 ZPO findet dieser zwar grundsätzlich auch im Schiedsverfahren Anwendung. Eine Verletzung durch das Tribunal sei indes hinsichtlich keiner der von der Antragstellerin angeführten Gründe340 ersichtlich. d) Zwischenergebnis Auch im Rahmen des Aufhebungsantrags nach § 1059 Abs. 1, 2, Nr. 1 lit. a), c), Nr. 2 lit. b) ZPO bleibt die Slowakische Republik vor dem OLG Frankfurt am Main also zunächst erfolglos. Wie bereits im Verfahren nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO zieht 338

Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu ibid. Rn. 61 ff. Siehe EuGH, Urteil vom 3. März 2009, Rs. C-205/06, Kommission/Österreich, ECLI: EU:C:2009:118; EuGH, Urteil vom 3. März 2009, Rs. C-249/06, Kommission/Schweden, ECLI:EU:C:2009:119; EuGH, Urteil vom 19. November 2009, Rs. C-118/07, Kommission/ Finnland, ECLI:EU:C:2009:715. 340 Siehe OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 26 Sch 3/13, in: BeckRS 2015, 6323, Rn. 34. 339

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das Gericht trotz einiger unionsrechtlicher Unwägbarkeiten eine Vorlage gem. Art. 267 Abs. 1, 2 AEUV nicht in Betracht. 2. Die Entscheidungen des BGH (I ZB 2/15) a) Die Entscheidung des BGH vom 3. März 2016 (I ZB 2/15) Zur Weiterverfolgung ihres Anliegens erhebt die Slowakische Republik nunmehr eine gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 1065 Abs. 1 S. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde beim BGH. Dieser entscheidet durch Beschluss am 3. März 2016341, dass der Erfolg der zulässigen Rechtsbeschwerde der Antragstellerin von der Auslegung der Art. 344, 267 und 18 Abs. 1 AEUV abhängt und deshalb das Verfahren auszusetzen ist, bis der EuGH gem. Art. 267 Abs. 1 lit. a), Abs. 3 AEUV über folgende Fragen entschieden hat: „1. „Steht Art. 344 AEUV der Anwendung einer Regelung in einem bilateralen Investitionsschutzabkommen zwischen Mitgliedstaaten der Union (einem sogenannten unionsinternen BIT) entgegen, nach der ein Investor eines Vertragsstaats bei einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Vertragsstaat gegen letzteren ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten darf, wenn das Investitionsschutzabkommen vor dem Beitritt eines der Vertragsstaaten zur Union abgeschlossen worden ist, das Schiedsgerichtsverfahren aber erst danach eingeleitet werden soll? Falls Frage 1 zu verneinen ist: 2. Steht Art. 267 AEUV der Anwendung einer solchen Regelung entgegen? Falls die Fragen 1 und 2 zu verneinen sind: 3. Steht Art. 18 Abs. 1 AEUV unter den in Frage 1 beschriebenen Umständen der Anwendung einer solchen Regelung entgegen?“342

Zunächst kommt der BGH zu dem Schluss, dass jedenfalls § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) ZPO hier nicht in der Lage sei, eine Aufhebung des Schiedsspruchs zu rechtfertigen. Entscheidend sei vielmehr, dass ein Abkommen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat nach Beitritt letzterem zur Europäischen Union keine Anwendung mehr finden könne, wenn es dem Unionsrecht widerspricht.343 Es komme mithin hier nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) ZPO darauf an, ob eine Schiedsklausel in einem Intra-EU-BIT mit Art. 344, 267 und 18 Abs. 1 AEUV vereinbar ist. Die Rechtsprechung des EuGH sei insofern nicht ausreichend eindeutig. 341 Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328 (328 ff.). 342 Ibid. (328). 343 Siehe insoweit EuGH, Urteil vom 10. November 1992, Rs. C-3/91, Exportur/LOR & Confiserie du Tech, ECLI:EU:C:1992:420, Rn. 8; EuGH, Urteil vom 8. September 2009, Rs. C478/07, American Bud II, ECLI:EU:C:2009:521, Rn. 98; EuGH, Urteil vom 21. Januar 2010, Rs. C-546/07, Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2010:25, Rn. 44.

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung

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Der BGH legt zunächst ausführlich dar, dass er die Auffassung des OLG Frankfurt am Main hinsichtlich der Vereinbarkeit der Schiedsklausel mit Art. 344 AEUV für zutreffend hält. Sollte der EuGH in diesem Sinne die erste Vorlagefrage verneinen, komme es auf die Beantwortung der zweiten Frage an. Auch hier teilt der BGH aber im Angesicht der bisherigen Rechtsprechung des EuGH im Ergebnis die Auffassung des OLG Frankfurt am Main. Der in Art. 8 Abs. 2 des BIT vorgesehene Streitbeilegungsmechanismus sei mit Art. 267 AEUV vereinbar. Wenn die Würdigung des EuGH im Ergebnis wiederum hiermit übereinstimmen sollte, käme es auf die Auslegung von Art. 18 Abs. 1 AEUV an. Eine potentielle Unvereinbarkeit der Schiedsklausel mit Art. 18 Abs. 1 AEUV habe aus Sicht des BGH jedenfalls aber nicht zur Folge, dass sich die Achmea B. V. nicht auf die Schiedsklausel berufen kann. Der BGH kommt nun zu dem Ergebnis, dass die soeben angesprochenen Fragen um die Vereinbarkeit der Schiedsklausel mit Art. 344, 267 und 18 Abs. 1 AEUV entscheidungserheblich344 seien, da im Falle einer Bejahung einer der Fragen ein Aufhebungsgrund gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) ZPO bestünde. Indem der BGH somit das Verfahren aussetzt und bezeichnete Fragen dem EuGH zur Auslegung vorlegt, ist dieser erstmals mit einer konkreten Fragestellung zur Vereinbarkeit von Intra-EU-BIT mit Unionsrecht befasst. Bereits hier ist klar, dass die folgende Entscheidung des EuGH für den vorliegenden Disput und darüber hinaus von wegweisender Bedeutung sein wird. b) Die Entscheidung des BGH vom 31. Oktober 2018 (I ZB 2/15) Am 6. März 2018 ergeht besagte Achmea-Entscheidung des EuGH über die vorgelegten Fragestellungen.345 An dieser Stelle sollen nicht bereits die Erwägungen des EuGH dargestellt werden.346 Gleichwohl werden im Folgenden vorgreiflich die Grundzüge der daraufhin ergangenen Entscheidung des BGH vom 31. Oktober 2018347 erörtert, um den Instanzenzug der Slowakischen Republik zur Aufhebung des Schiedsspruchs vollständig darzustellen. Der EuGH kommt hinsichtlich der ersten und zweiten Vorlagefrage zu folgendem Schluss: „Die Art. 267 und 344 AEUV [sind] dahin auszulegen […], dass sie einer Bestimmung in einer internationalen Übereinkunft zwischen den Mitgliedstaaten wie Art. 8 des BIT ent344

Siehe erläuternd Grabitz/Hilf/Nettesheim/Karpenstein, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 25 ff. 345 EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158. 346 Siehe sogleich Kapitel I C. I. 347 Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2019, 46 (46 ff.).

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs gegenstehen, nach der ein Investor eines dieser Mitgliedstaaten im Fall einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Mitgliedstaat gegen diesen ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten darf, dessen Gerichtsbarkeit sich dieser Mitgliedstaat unterworfen hat.“348

Die dritte Frage lässt der EuGH unbeantwortet.349 Auf Basis dieser Auslegung des EuGH kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass die Rechtsbeschwerde gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) ZPO begründet ist. Dementsprechend wird sowohl der Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 18. Dezember 2014 als auch der Schiedsspruch des Tribunals vom 7. Dezember 2012 aufgehoben. Indem im Sinne des EuGH die Unionsrechtswidrigkeit von Art. 8 Abs. 2 des BIT angenommen wird, mangelt es aus Sicht des BGH an einer Schiedsvereinbarung. Eine solche komme gewöhnlich so zustande, dass eine Bestimmung wie Art. 8 Abs. 2 des BIT ein Angebot auf Abschluss einer solchen Schiedsvereinbarung durch beide Vertragsstaaten enthalte, welche die jeweiligen Investoren aus dem anderen Vertragsstaat ausdrücklich oder konkludent annehmen können (s. o.). Widerspricht nun aber Art. 8 Abs. 2 des BIT den Art. 267 und 344 AEUV, so sei diese Klausel nicht anwendbar und es fehle an besagtem Angebot. Da kein anderweitiges Angebot der Slowakischen Republik ersichtlich ist, konnte eine Schiedsvereinbarung demnach nicht durch Einleitung des Schiedsverfahrens durch die Achmea B. V. abgeschlossen werden. Das Fehlen einer Schiedsvereinbarung stehe ihrer Ungültigkeit i. S. d. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) ZPO gleich. Die von der Achmea B. V. hiergegen geltend gemachten Einwände haben keinen Erfolg. Weder die Beanstandung von Art. 8 Abs. 6 des BIT durch den EuGH noch die Tatsache, dass das Tribunal tatsächlich gar kein Unionsrecht angewendet habe und anwenden musste, stehen der Unwirksamkeit von Art. 8 Abs. 2 des BIT entgegen. Außerdem überzeugen den BGH die Erwägungen nicht, der Achmea-Entscheidung des EuGH liege ein fehlerhaftes Verständnis des deutschen Schiedsverfahrensrechts zugrunde. Auch spiele § 134 BGB hier keine Rolle, da es mangels Schiedsvereinbarung an einem Rechtsgeschäft i. S. d. § 134 BGB fehle. Die Behauptungen der Achmea B. V., die Schiedsvereinbarung hätte privatrechtliche Natur und das Schiedsgericht habe ein Handelsschiedsverfahren durchgeführt, überzeugen den BGH ebenso wenig wie Annahme, die Achmea-Entscheidung lasse die völkerrechtliche Wirksamkeit des BIT unberührt, sodass jenes wirksam geblieben sei. Des Weiteren sei die Slowakische Republik auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) daran gehindert, sich auf besagte Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung zu berufen. Selbst wenn unterstellt würde, der Treu und Glauben-Grundsatz finde hier jedenfalls als Teil des verfahrensrechtlichen ordre public Anwendung, könne weder die Schaffung eines Vertrauenstatbestandes durch die Slowakische Republik noch ein hinreichend widersprüchliches Verhalten oder ein rechtsmissbräuchlicher Erwerb der Rechtsposition letzterer angenommen werden. Schließlich werde der 348 349

EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 60. Ibid. Rn. 61.

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung

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Achmea B. V. in Anbetracht der Rechtsschutzmöglichkeiten vor slowakischen Gerichten durch die Achmea-Entscheidung auch nicht effektiver Rechtsschutz verwehrt. Weiterhin lehnt der BGH es ab, dem BVerfG die Achmea-Entscheidung nach Art. 100 Abs. 1 GG oder Abs. 2 GG vorzulegen, um sie für unanwendbar erklären zu lassen. Selbst wenn Art. 100 Abs. 1 GG analog für eine sog. ultra vires-Kontrolle350 in Betracht gezogen würde, wären deren Voraussetzungen hinsichtlich der jedenfalls nicht willkürlichen Auslegung des EuGH zu Art. 267 und 344 AEUV im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht erfüllt. Auch sei ein EuGH-Urteil keine allgemeine Regel des Völkerrechts i. S. d. Art. 100 Abs. 2 GG. c) Zwischenergebnis In letzter Instanz und über acht Jahre nach dem Ergehen des Zwischenentscheids vom 26. Oktober 2010 ist das Aufhebungsgesuch der Slowakischen Republik mithin vor dem BGH erfolgreich. Ergebnis dieses nach der Einleitungsanzeige der Klägerin vom 1. Oktober 2008 über zehn Jahre dauernden Verfahrens ist, dass der Achmea B. V. keine Ansprüche gegen die Slowakische Republik zustehen und erstere gem. § 91 Abs. 1 ZPO als unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens trägt. 3. Stellungnahme zu den Entscheidungen des OLG Frankfurt am Main und des BGH Das OLG Frankfurt am Main bleibt mit seinem Beschluss vom 18. Dezember 2014 der eigenen Linie treu. Es werden weitgehend die Ausführungen, die bereits die Begründung des Beschlusses vom 10. Mai 2012 zur Aufhebung des Zwischenentscheids gem. § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO prägten, übernommen und vertieft. Letztlich halten diese Erwägungen, wie bereits mehrfach dargelegt und auch vom BGH im Beschluss vom 3. März 2016 teilweise bestätigt, in weiten Teilen einer rechtlichen Würdigung aus damaliger Sicht stand. Aus genannten Gründen ist jedoch die Handhabung der Vorlagemöglichkeit gem. Art. 267 Abs. 2 AEUV durch das OLG Frankfurt am Main nicht unerheblichen rechtlichen Bedenken ausgesetzt. Diesen entspricht sowohl der EuGH351 und diesem folgend auch der BGH352 zutreffend mit der Anmerkung, dass die Überprüfung des Schiedsspruchs über § 1059 ZPO – und damit auch die Vorlage an den EuGH – nur möglich war, weil man Frankfurt am Main als Schiedsort festlegte. 350

Siehe erläuternd Maunz/Dürig/Callies, GG, Art. 24 Rn. 201 ff. und Ludwigs, NVwZ 2015, 537. 351 EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 52 f. 352 BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2019, 46 (50 Rn. 35).

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Letztlich erlangt die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main und die darin enthaltene Nicht-Vorlage gem. Art. 267 AEUV im Angesicht des darauffolgenden Beschlusses des BGH vom 3. März 2016 im Ergebnis keine wesentliche Bedeutung. Auch wenn der BGH in diesem Rahmen die Ausführungen des OLG Frankfurt am Main in nahezu allen Punkten teilt und dessen Begründung vertieft, ist es als begrüßenswert hervorzuheben, dass er sich gem. Art. 267 Abs. 1 lit. a), Abs. 3 AEUV trotz der auch vom OLG Frankfurt am Main angeführten Rechtsprechung des EuGH353 und der teilweise erwähnten „Scheu nationaler Gerichte [vor Vorabentscheidungsverfahren]“354 in einer Vorlagepflicht gesehen hat. Schlüssig ist zudem die Ablehnung der Aussetzung des Verfahrens entsprechend § 148 ZPO, weil die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Slowakische Republik und das Königreich der Niederlande wegen deren Weigerung zur Beendigung des BIT betreibt. Die Kommission hat zu diesem Zeitpunkt nämlich noch kein Verfahren vor dem EuGH gem. Art. 258 Abs. 2 AEUV eingeleitet. Bedenklich ist indessen die Annahme des BGH, das Schiedsgericht habe dem Unionsrecht im Kollisionsfall Vorrang vor den Regelungen des BIT einzuräumen.355 Zwar ist innerhalb der Unionsrechtsordnung ein solcher Vorrang anzunehmen.356 Sofern das Unionsrecht vom Schiedsgericht nun aber als Teil des Rechts des Gaststaates – der Slowakischen Republik – anzuwenden ist, dann sollte das Verhältnis zu einem außerhalb der Unionsrechtsordnung stehenden BIT von Art. 27 VCLT determiniert sein.357 Dies erlangt jedoch keine weitergehende Relevanz, da der EuGH die Ausführungen des BGH hierzu sieht, aber nicht kommentiert.358 Auch die Ausführungen des BGH im Beschluss vom 31. Oktober 2018 können angesichts der Achmea-Entscheidung des EuGH überzeugen.359 Ungeachtet dessen, wie die Achmea-Entscheidung und die hierfür bemühten Erwägungen des EuGH zu

353 OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (123, 124, 125); siehe auch Kottmann, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, EuZW 2016, 512 (519 f.). 354 Streinz/Ehricke, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 47; vgl. auch Schoch/Schneider/ Marsch, VwGO, Art. 267 AEUV, Rn. 42. 355 Siehe BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328 (333 Rn. 46). 356 EuGH, Urteil vom 15. Juli 1964, Rs. 6/64, Costa/ENEL, ECLI:EU:C:1964:66; Streinz/ Streinz, EUV/AEUV, Art. 4 EUV, Rn. 35; Kottmann, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, EuZW 2016, 512 (519). 357 Kottmann, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, EuZW 2016, 512 (519). 358 Siehe insoweit nur EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU: C:2018:158, Rn. 13, 19. 359 Schott, jurisPR-BGHZivilR 5/2019 Anm. 5 hält Entscheidung des BGH gar für eine „unabweisbar [mit der Achmea-Entscheidung] verbundene Konsequenz“; so auch Kröll, NJW 2020, 1417 (1420), „[…] und der BGH daraufhin den Schiedsspruch aufheben musste“; vgl. auch Cranshaw, jurisPR-IWR 2/2018 Anm. 1 (D.II.); siehe aber Wuschka, ZEuS 2018, 25 (40).

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung

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bewerten sind,360 ändert der BGH seine Auffassung konsequent unter Heranziehung der vom EuGH vorgegebenen Auslegung von Art. 267 und 344 AEUV. Insbesondere aus tatsächlichen Gründen zu befürworten ist diesbezüglich auch die Ablehnung der von der Achmea B. V. angeregten Vorlage der Achmea-Entscheidung zum BVerfG gemäß oder entsprechend Art. 100 Abs. 1 GG. Die Einordnung einer derartigen klärenden – wenn auch rechtlich möglicherweise zu kritisierenden – Entscheidung des EuGH als ausbrechenden ultra vires-Rechtsakt könnte die Stellung des EuGH in der Europäischen Union untergraben und zur einer nicht zu unterschätzenden Rechtsunsicherheit führen.361 Zuvörderst wäre fraglich, wie andere Mitgliedstaaten, deren Gerichte aber auch Tribunale anhängiger Verfahren mit der Tatsache umzugehen hätten, dass das deutsche Bundesverfassungsgericht die Achmea-Entscheidung für mit der deutschen Verfassung unvereinbar hielte und deshalb unangewendet ließe. Dies Fragen stellen sich nunmehr im Rahmen besagter anhängigen Verfassungsbeschwerde (s. o.).362 Des Weiteren überzeugt die einleitende Feststellung des BGH, dass das Fehlen einer Schiedsvereinbarung deren Ungültigkeit i. S. d. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) ZPO gleichsteht.363 Bemerkenswert ist, dass der BGH sowohl im Beschluss vom 3. März 2016 als auch im Beschluss vom 31. Oktober 2018 von der Bedeutungslosigkeit der Anwendung von § 1050 S.1 ZPO ausgeht. Während der BGH im ersten Beschluss noch eine Unanwendbarkeit der Norm aufgrund Art. 8 Abs. 5 des BIT i. V. m. Art. 27 des UNCITRAL-Modellgesetzes annimmt,364 erkennt er nach einem Hinweis der Achmea B. V. im zweiten Beschluss den Unterschied zwischen den UNCITRALSchiedsregeln365 und dem UNCITRAL-Modellgesetz.366 Nun verweist Art. 8 Abs. 5 des BIT auf die „arbitration rules of the UNCITRAL“ und damit wohl am ehesten auf die in englischer Sprache genau so bezeichneten UNCITRAL-Schiedsregeln. Diese enthalten aber keine mit Art. 27 des UNCITRAL-Modellgesetzes vergleichbare Regelung, welche die Unterstützung des Schiedsgerichts durch staatliche Gerichte lediglich bei der Beweisaufnahme ermöglichen würde. Dass insofern eine Anwen360

Siehe dazu Kapitel I C. II. Siehe insoweit jüngst kritisch zu BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2020 – 2 BvR 859/15, in: NJW 2020, 1647: Meier-Beck, EuZW 2020, 519 und die abweichenden Meinungen der Richterin Lübbe-Wolff und des Richters Gerhardt in BeckRS 2014, 46922. 362 BVerfG – 2 BvR 557/19 (anha¨ ngig). 363 So auch Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, K. 24, Rn. 7. 364 BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328 (333 Rn. 50 ff.). 365 Abrufbar unter https://www.uncitral.org/pdf/english/texts/arbitration/arb-rules-revised/ arb-rules-revised-2010-e.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021; siehe auch Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, K. 41, Rn. 10. 366 Abrufbar unter https://www.uncitral.org/pdf/english/texts/arbitration/ml-arb/07-86998_ Ebook.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021; siehe auch Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, K. 41, Rn. 7. 361

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

dung von § 1050 S. 1 ZPO sogar in Frage kommen könnte, hält der BGH aber für bedeutungslos.367 Diese Ausführungen muten im Angesicht der ursprünglichen Haltung des BGH zur Vereinbarkeit der Schiedsklausel mit Art. 267 AEUV etwas widersprüchlich an. Es soll im Rahmen der einheitlichen Auslegung des Unionsrechts eine Rolle spielen, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte im Gegensatz zu Schiedsgerichten die Möglichkeit der Vorlage nach Art. 267 AEUV haben (s. o.), nicht aber dass diese Vorlagemöglichkeit bereits weit vor einem Aufhebungs- oder Durchsetzungsverfahren vor nationalen Gerichten über § 1050 S. 1 i. V. m. § 1062 Abs. 4 ZPO möglich sein könnte. Letztlich entscheidet der BGH aber am 31. Oktober 2018 im Sinne der Auslegung des EuGH und spricht der Achmea B. V. sämtliche Ansprüche ab (s. o.). Was angesichts einer einheitlichen Unionsrechtsauslegung und der Markierung der Kompetenzen des EuGH als vorzugswürdig erscheinen mag, wirkt mit Blick auf einen gelungenen Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union fragwürdig. Gerade für Gaststaaten, in welchen das Vertrauen von investierenden Drittstaatsangehörigen in die nationalen Gerichte gering ist, gaben die Streitbeilegungsmechanismen in BIT die für die Investitionsentscheidung womöglich maßgebliche Sicherheit.368 Diese Sicherheit dürfte spätestens seit der Achmea-Entscheidung erschüttert sein.369

V. Die Anhörungsrüge beim BGH Gegen den Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2018 erhebt nun die Achmea B. V. eine gem. § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge, welche der BGH aber am 24. Januar 2019 als unbegründet zurückweist.370 Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG sei durch genannten Beschluss nicht verletzt. Der Senat habe sich mit dem Vortrag zur Versagung effektiven Rechtsschutzes sowie zum Vertrauensschutz ausreichend auseinandergesetzt und den Vortrag zur Staatenimmunität des Königreichs der Niederlande nicht 367 BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2019, 46 (49 f. Rn. 34). 368 Vgl. Stöbener de Mora, Anmerkung zu BVerfG, Beschluss vom 23. Ma¨ rz 2020 – 2 BvQ 6/20, EuZW 2020, 427 (431); Bermann/Gaffney, Columbia FDI Perspectives Nr. 266, 2. Dezember 2019, S. 2 („[…] investors’ historic aversion to litigating in host state courts.“); Brauneck, EuR 2018, 429 (432); Kleinheisterkamp, JIEL 2012, 85 (101); Kröll, NJW 2020, 1417 (1421); siehe zu konkreten Handlungsempfehlung an die Kommission hinsichtlich dieser Unsicherheit Wilske/Bräuninger, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/ 16, IWRZ 2018, 126 (128 Rn. 3 f.); Wilske/Markert/Bräuninger, SchiedsVZ 2018, 134 (155) statuieren sogar, dass Investitionsschiedsverfahren in bestimmten Staaten die „einzig effektive[n]“ Rechtsschutzmöglichkeit für Investoren seien. 369 So auch Brauneck, EuR 2018, 429 (432). 370 BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 – I ZB 2/15, in: BeckRS 2019, 1863.

B. Die Entscheidungen des UNCITRAL-Tribunals und deren Aufhebung

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übergangen, sondern lediglich für unerheblich erachtet.371 Außerdem wurde der Vortrag zur Qualität von BIT als Völkergewohnheitsrecht nicht außer Acht gelassen.372 Durch diesen Beschluss des BGH ist der ordentliche Rechtsweg vor deutschen Gerichten für die Achmea B. V. erschöpft. Lediglich das BVerfG kann sich ab diesem Zeitpunkt noch mit den Anliegen jener befassen. Von dieser Möglichkeit wird sie auch Gebrauch machen.

VI. Der Antrag auf einstweilige Anordnung vor dem BVerfG Gegen den Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2018 wendet sich die Achmea B. V. nun auch vor dem BVerfG mit einem Antrag auf einstweilige Anordnung gem. § 32 Abs. 1 i. V. m. § 93d Abs. 2 BVerfGG. Im Kern geht es in diesem Antrag in Ziffern 1 und 2 um das Beendigungsübereinkommen vom 5. Mai 2020 und der Unterlassung der dahingehenden Ratifizierung.373 Darauf soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.374 Im Fokus steht hier vielmehr Ziffer 3 des Antrags. Die Antragstellerin begehrt damit den Tenor des Beschlusses des BGH vom 31. Oktober 2018, soweit er den Schiedsspruch des Tribunals aufhebt, vorläufig außer Kraft zu setzen.375 Dies sei erforderlich, um zu verhindern, dass europäische Gerichte den hiesigen Sachverhalt als „abgeschlossenes Verfahren“ i. S. v. Art. 1 Nr. 4 und Art. 6 des Beendigungsübereinkommens betrachteten.376 Während, die Bundesregierung den Antrag zu Ziffer 3 als unbegründet einschätzt,377 hält das BVerfG diesen bereits für unzulässig, da er auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet sei.378 Die Entscheidungen des BGH sind Gegenstand einer von der Antragstellerin erhobenen Verfassungsbeschwerde im Hauptsacheverfahren 2 BvR 557/19. Dementsprechend würde mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des Antrags zu Ziffer 3 diese Hauptsache in unzulässiger Weise vorweggenommen, da beide Verfahren auf dasselbe Rechtsschutzziel gerichtet seien.379 Diese Ausführungen des BVerfG verdienen Zustimmung. Der Antrag der Achmea B. V., der Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2018 solle vorläufig außer Kraft gesetzt 371

Ibid. Rn. 2, 3. Ibid. Rn. 4 ff. 373 BVerfG, Beschluss vom 23. Ma¨ rz 2020 – 2 BvQ 6/20, in: EuZW 2020, 427; siehe hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2021 – 2 BvQ 97/20, in: BeckRS 2021, 996. 374 Siehe abschließend dazu BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2021 – 2 BvQ 97/20, in: BeckRS 2021, 996. 375 BVerfG, Beschluss vom 23. Ma¨ rz 2020 – 2 BvQ 6/20, in: EuZW 2020, 427. 376 Ibid. (428). 377 Ibid. (428 Rn. 16). 378 Ibid. (428 f.). 379 Ibid. (429). 372

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

werden, liefe darauf hinaus, dass sich im Erfolgsfall der Zustand verwirklichte, der durch die zeitlich spätere Entscheidung in der Hauptsache hergestellt werden sollte – die „Wiederherstellung“380 des Schiedsspruchs vom 7. Dezember 2012. Bei diesem Begehren geht es lediglich um eine eilige Entscheidung über die im Hauptsacheverfahren angegriffenen Maßnahmen. Ein solches liefe aber auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinaus,381 welche auch nicht deshalb ausnahmsweise zulässig ist, da eine Entscheidung in der Hauptsache möglicherweise zu spät käme und dem Antragsteller in anderer Weise ausreichender Rechtsschutz nicht gewährt werden könnte oder ihm ein schwerer, nicht wiedergutzumachender Nachteil entstünde.382 Es gilt also die Entscheidung des BVerfG im Verfahren 2 BvR 557/19 abzuwarten.383 Diese ist noch im Jahre 2021 zu erwarten.384

VII. Zwischenergebnis Das Achmea-Verfahren veranschaulicht eindrucksvoll die verschiedenen Hürden, die ein Investor im Rahmen eines Disputs mit dem Gaststaat bewältigen muss, wenn er sich für die Streitbeilegung durch ein Schiedsgericht entscheidet. Die Zwischenentscheidung zur Zuständigkeit, Schiedsfa¨ higkeit und Aussetzung durch das Achmea-Tribunal vom 26. Oktober 2010 knüpft unmittelbar an bereits ergangene Entscheidungen hinsichtlich der sog. Intra-EU Jurisdictional Objection an. Im Ergebnis halten sich die Schiedsrichter zur Streitbeilegung für zuständig. Daran könne Unionsrecht nichts ändern. Mit Rupert Joseph Binder v. Czech Republic und Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic und anschließend noch European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic konnte nahezu von 380

Ibid. (429 Rn. 27). Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. März 1961 – 2 BvQ 3/60, in: NJW 1961, 867; BVerfG, Beschluss vom 9. November 1962 – 1 BvR 586/62, in: BeckRS 9998, 115156, Rn. 5; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2017 – 2 BvR 859/15, 2 BvR 980/16, 2 BvR 1651/15, 2 BvR 2006/ 15, in: EuZW 2017, 870 (871 Rn. 11 ff.); Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge/Graßhof, BVerfGG, § 32 Rn. 48. 382 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 1972 – 2 BvR 820/72, in: BeckRS 1972, 480 Rn. 12; BVerfG, Beschluss vom 25. März 2003 – 2 BvQ 18/03, in: NJW 2003, 2373 (2374); BVerfG, Beschluss vom 15. Juni 2005 – 2 BvQ 18/05, in: NJW 2005, 2537 (2538 f.); BVerfG, Beschluss vom 14. März 2012 – 2 BvQ 16/12, in: BeckRS 2012, 51058 Rn. 7; BVerfG Urteil vom 15. April 2019 – 2 BvQ 22/19, in: BeckRS 2019, 12506 Rn. 21; BVerfG, Beschluss vom 21. April 2020 – 2 BvQ 21/20, in: BeckRS 2020, 6722 Rn. 2; BeckOKBVerfGG/Walter, § 32 Rn. 27 m. w. N. 383 Siehe hierzu Lavranos, The CJEU – German Constitutional Court Debate and Impact on Achmea and the Termination Agreement, Kluwer Arbitration Blog, 21. Mai 2020, http://arbitra tionblog.kluwerarbitration.com/2020/05/21/the-cjeu-german-constitutional-court-debate-andimpact-on-achmea-and-the-termination-agreement/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 384 Siehe die Jahresvorschau 2021 des BVerfG, (abrufbar unter https://www.bundesverfas sungsgericht.de/DE/Verfahren/Jahresvorausschau/vs_2021/vorausschau_2021_node.html, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 381

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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„gefestigter schiedsgerichtlicher Rechtsprechung“ in dieser Hinsicht ausgegangen werden. In der Folge entschied das Tribunal am 7. Dezember 2012 auch zugunsten der Klägerin und sprach ihr einen Anspruch gegen die Beklagte i. H. v. 22.100.000,00 EUR zuzüglich Zinsen und der während des Verfahrens entstandenen Kosten i. H. v. 220.772,74 EUR und der Rechtsanwalts- und Beratungskosten i. H. v. 2.905.350,94 EUR zu. Sowohl hinsichtlich des Zwischenentscheids als auch der Entscheidung beantragte die Slowakische Republik deshalb Aufhebung vor dem OLG Frankfurt am Main. Weder dieses noch der BGH halfen dem Aufhebungsgesuch der Slowakischen Republik hinsichtlich des Zwischenentscheids ab. Auch der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs blieb vor dem OLG Frankfurt am Main erfolglos. Der BGH legte indes die Frage der Vereinbarkeit der Schiedsklausel mit Art. 344, Art. 267 und Art. 18 Abs. 1 AEUV im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens dem EuGH vor. Nachdem dieser in besagter Achmea-Entscheidung feststellte, dass eine solche Schiedsklausel nicht mit Art. 267 und 344 AEUV vereinbar sei, hebt der BGH sowohl den Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 18. Dezember 2014 als auch den Schiedsspruch vom 7. Dezember 2012 auf. In letzter Instanz und über acht Jahre nach dem Ergehen des Zwischenentscheids vom 26. Oktober 2010 ist das Aufhebungsgesuch der Slowakischen Republik mithin vor dem BGH erfolgreich. Im Ergebnis stehen der Achmea B. V. keine Ansprüche gegen die Slowakische Republik zu. Daran änderten in der Folge auch weder eine Anhörungsrüge beim BGH noch ein Antrag auf einstweilige Anordnung vor dem BVerfG etwas. Lediglich die ebenfalls erhobene, noch anhängige Verfassungsbeschwerde im Verfahren 2 BvR 557/19 birgt ein – wenn auch untergeordnetes –Potential, dass sich die Rechtslage um Ansprüche der Achmea B. V. gegen die Slowakische Republik doch noch ändert.

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung) Am 6. März 2018 ergeht die mit Spannung erwartete Achmea-Entscheidung385 des EuGH. Während das Auslegungsergebnis manche überraschen durfte,386 erwarteten einige diesen Ausgang.387 Nichtsdestotrotz hat die Entscheidung in der Literatur eine 385

EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158. Siehe Prütting/Gehrlein/Raeschke-Kessler, ZPO, § 1059 Rn. 37; Höfling, SchiedsVZ 2019, 86 (87); Kläger, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, SchiedsVZ 2018, 186 (191); Nagy, GLJ 2018, 981 (992); Lübke, GPR 2018, 149 (149); Kottmann, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, EuZW 2016, 512 (520); Fölsing, EWiR 2016, 419 (420). 387 Siehe Andenas/Contartese, CMLRev 2019, 157 (190); imaginärer Professor des Unionsrechts „Van Gend en Loos“ in Damjanovic/de Sadeleer, EP 2019, 19 (58); Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (364, 370) m. w. N.; Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, JZ 2018, 511 (514); Kainer, EuZW 2018, 659; Bücheler/Vasiljevic´, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (336). 386

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

breite Resonanz erfahren und wurde in diesem Zuge auch Opfer mehr oder weniger geglückter Metaphorik.388 Die Erwägungen des EuGH und deren Kritik im rechtswissenschaftlichen Diskurs werden im Folgenden dargestellt und bewertet, bevor auf die Folgen der Entscheidung für Intra-EU-BIT, Extra-EU-BIT, den ECT, InvestorStaat-Verträge, Schiedsverfahren und staatsgerichtliche Aufhebungs- und Vollstreckungsverfahren eingegangen wird. Für diese Zwecke sollen zunächst noch das Beendigungsübereinkommen vom 5. Mai 2020 und dessen Folgen außer Betracht bleiben,389 um anschließend anschaulich die Frage beantworten zu können, inwiefern jenes eine geeignete Lösung darstellt, der nach Ansicht des EuGH bestehenden Unionsrechtswidrigkeit der Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT zu begegnen.

I. Inhalt der Entscheidung Wie bereits gesehen wurden dem EuGH durch den BGH folgende Vorlagefragen gestellt: „1. Steht Art. 344 AEUV der Anwendung einer Regelung in einem bilateralen Investitionsschutzabkommen zwischen Mitgliedstaaten der Union (einem sogenannten unionsinternen BIT) entgegen, nach der ein Investor eines Vertragsstaats bei einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Vertragsstaat gegen letzteren ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten darf, wenn das Investitionsschutzabkommen vor dem Beitritt eines der Vertragsstaaten zur Union abgeschlossen worden ist, das Schiedsgerichtsverfahren aber erst danach eingeleitet werden soll? Falls Frage 1 zu verneinen ist: 2. Steht Art. 267 AEUV der Anwendung einer solchen Regelung entgegen? Falls die Fragen 1 und 2 zu verneinen sind: 3. Steht Art. 18 Abs. 1 AEUV unter den in Frage 1 beschriebenen Umständen der Anwendung einer solchen Regelung entgegen?“390

Der EuGH lässt in seiner Entscheidung vom 6. März 2018 die dritte Frage unbeantwortet391 und geht auf die ersten beiden Fragen gemeinsam ein. Hierbei kommt er so zu folgendem Auslegungsergebnis:

388 Signorelli, ESIL 23/2019, S. 7 spricht der Entscheidung eine Wirkung ähnlich des Speers Parsifals aus der Oper Parsifal von Richard Wagner zu, ohne dabei den Verweis auf dieses überaus ambivalente Motiv zu erläutern; Wernicke, NJW 2018, 1644 (1644) sagt der Entscheidung eine Präzision des europarechtlichen Dekalogs nach Exodus 20:3 („Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“) nach; gelungener insoweit Bischoff, IPRax 2018, 588 (591), der für denkbar hielt, dass das Urteil trotz der anfänglichen Aufregung „ein reiner Sturm im Wasserglas“ bleiben könnte. 389 Siehe dazu Kapitel III. 390 BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328. 391 EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 61.

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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„Die Art. 267 und 344 AEUV [sind] dahin auszulegen […], dass sie einer Bestimmung in einer internationalen Übereinkunft zwischen den Mitgliedstaaten wie Art. 8 des BIT entgegenstehen, nach der ein Investor eines dieser Mitgliedstaaten im Fall einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Mitgliedstaat gegen diesen ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten darf, dessen Gerichtsbarkeit sich dieser Mitgliedstaat unterworfen hat.“392

Hierfür stellt der EuGH zunächst allgemeine Erwägungen393 an, um auf dieser Basis anschließend die Antwort auf die Vorlagefragen zu begründen394. Zunächst sei es ständige Rechtsprechung des EuGH, dass in Art. 344 AEUV verankert sei, ein internationales Abkommen dürfe die in den Verträgen festgelegte Zuständigkeitsordnung und damit die Autonomie des Unionsrechtssystems, deren Wahrung der Gerichtshof sichert, nicht beeinträchtigen.395 Ebenso bestehe eine ständige Rechtsprechung des EuGH hinsichtlich der Autonomie des Unionsrechts, und dem darauf basierenden, die Union selbst und die Mitliedstaaten untereinander bindenden, strukturierten Netz von miteinander verflochtenen Grundätzen, Regeln und Rechtsbeziehungen.396 Das Bestehen gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten bei der Achtung der in Art. 2 EUV genannten Werte und somit auch die Befolgung des Unionsrechts gründe auf der Prämisse, dass jeder Mitgliedstaat mit allen anderen Mitgliedstaaten jene Werte teile und anerkenne, dass sie sie mit ihm teilen. In diesem Sinne wirke auch Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV.397 Dies Sicherzustellen sei Aufgabe des durch die Verträge geschaffenen Gerichtsystems innerhalb der Europäischen Union, vgl. Art. 19 EUV.398 „Schlüsselelement“399 dieses System sei nun Art. 267 AEUV mit der darin vorgesehenen Dialogs-Möglichkeit zwischen nationalen Gerichten und dem EuGH.400 392

Ibid. Rn. 60. Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu ibid. Rn. 32 ff. 394 Siehe für die gesamten Ausführungen hierzu ibid. Rn. 38 ff. 395 Siehe insoweit EuGH, Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13, EMRK, ECLI:EU: C:2014:2454, Rn. 201 m. w. N.; EuGH, Urteil vom 30. Mai 2006, Rs. C-459/03, Kommission/ Irland, ECLI:EU:C:2006:345, Rn. 123. 396 Siehe insoweit EuGH, Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13, EMRK, ECLI:EU: C:2014:2454, Rn. 165 ff. m. w. N.; EuGH, Urteil vom 15. Juli 1964, Rs. 6/64, Costa/ENEL, ECLI:EU:C:1964:66, S. 1269 f.; EuGH, Urteil vom 5. Februar 1963, Rs. 26/62, van Gend & Loos, ECLI:EU:C:1963:1, S. 25. 397 Siehe EuGH, Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13, EMRK, ECLI:EU:C:2014: 2454, Rn. 168, 173; vgl. auch EuGH, Gutachten vom 8. März 2011, Nr. 1/09, Einheitliches europäisches Patentgerichtssystem, ECLI:EU:C:2011:123, Rn. 68. 398 Siehe EuGH, Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13, EMRK, ECLI:EU:C:2014: 2454, Rn. 175; vgl. auch EuGH, Gutachten vom 8. März 2011, Nr. 1/09, Einheitliches europäisches Patentgerichtssystem, ECLI:EU:C:2011:123, Rn. 68 m. w. N. 399 EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 37; ebenso EuGH, Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13, EMRK, ECLI:EU:C:2014:2454, Rn. 176. 400 Siehe EuGH, Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13, EMRK, ECLI:EU:C:2014: 2454, Rn. 176 m. w. N. 393

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Dies vorausgesetzt widmet sich der EuGH der ersten und zweiten Vorlagefrage gemeinsam in drei Schritten. Zunächst sei festzustellen, ob sich die von Schiedsgerichten i. S. v. Art. 8 des BIT zu entscheidenden Streitigkeiten auf die Auslegung und Anwendung von Unionsrecht beziehen können (1.).401 Zweitens sei maßgeblich, ob derartige Schiedsgerichte zum Gerichtssystem der Europäischen Union gehörten und insbesondere ob sie „Gericht[e] eines Mitgliedstaats“ i. S. d. Art. 267 Abs. 2 AEUV seien (2.).402 Schließlich sei insbesondere mit Blick auf Art. 19 EUV zu klären, inwieweit ein Schiedsspruch durch ein solches Schiedsgericht der mitgliedstaatsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, welches potentiell die Möglichkeit der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens hätte (3.).403 1. Auslegung und Anwendung des Unionsrechts Art. 8 Abs. 6 des BIT sieht vor, dass das Tribunal den Disput unter anderem unter Anwendung des Rechts der jeweiligen Vertragsparteien („the law in force of the Contracting Party concerned“) und aller erheblichen Übereinkommen zwischen den Vertragsparteien („[…] other relevant Agreements between the Contracting Parties“) zu entscheiden habe. Mit Blick auf die oben dargelegten allgemeinen Erwägungen kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass das über Art. 8 Abs. 2 des BIT anrufbare Schiedsgericht folglich gegebenenfalls Unionsrecht auszulegen oder gar anzuwenden hätte. Daran ändere auch die Auffassung der Achmea B. V. nichts, das Tribunal habe nur über einen möglichen Verstoß gegen das BIT zu befinden. Die von Schiedsgerichten i. S. v. Art. 8 des BIT zu entscheidenden Streitigkeiten können sich aus Sicht des EuGH somit auf die Auslegung und Anwendung von Unionsrecht beziehen. 2. Investitionsschiedsgerichte als Teil des Gerichtssystems der Europäischen Union Ein über Art. 8 des BIT konstituierbares Schiedsgericht würde nur dann dem Gerichtssystem der Europäischen Union angehören, wenn dessen Entscheidungen geeigneten Mechanismen zur Gewährleistung der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts unterliegen.404 Hierfür entscheidend sei insbesondere die Einstufung als „Gericht eines Mitgliedstaats“ i. S. d. Art. 267 Abs. 2 AEUV. Das hier in Rede stehende UNCITRAL-Schiedsgericht sei jedoch nicht mit dem portugiesischen sog.

401

Siehe für die Ausführungen hierzu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 39 ff. 402 Siehe für die Ausführungen hierzu ibid. Rn. 43 ff. 403 Siehe für die Ausführungen hierzu ibid. Rn. 50 ff. 404 Siehe auch EuGH, Gutachten vom 8. März 2011, Nr. 1/09, Einheitliches europäisches Patentgerichtssystem, ECLI:EU:C:2011:123, Rn. 82.

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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Tribunal Arbitral Tributário (Schiedsgericht für Steuerangelegenheiten)405 oder dem sog. Benelux-Gerichtshof406 vergleichbar. Es sei als Schiedsgericht mit „Ausnahmecharakter“407 weder Teil des Gerichtsystems des Königreichs der Niederlande oder der Slowakischen Republik – so wie das Tribunal Arbitral Tributário in Portugal gem. Art. 209 der Verfassung der Portugiesischen Republik – noch ein mehreren Mitgliedstaaten gemeinsames Gericht – wie der Benelux-Gerichtshof für die drei Beneluxstaaten. Daraus folgert der EuGH insbesondere auch mit Blick auf den Ausnahmecharakter der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit, dass ein Schiedsgericht, wie ein solches gem. Art. 8 des BIT, nicht zum Gerichtssystem der Europäischen Union gehört und somit nicht vorlageberechtigt i. S. d. Art. 267 AEUV ist. 3. Gewährleistung der Kontrolle durch mitgliedstaatliche Gerichte Schließlich ist aus Sicht des EuGH noch zu prüfen, ob ein Schiedsspruch durch ein solches Schiedsgericht im Einklang mit Art. 19 EUV der mitgliedstaatsgerichtlichen Kontrolle über die potentielle Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens unterliegt. Zum einen verweist der EuGH hierfür auf die gem. Art. 8 Abs. 7 des BIT eigentlich bestehende Endgültigkeit des Schiedsspruchs. Ungeachtet dessen habe es an der Wahl von Frankfurt am Main als Schiedsort gelegen, dass eine Überprüfung des Schiedsspruchs über deutsches Recht gem. § 1059 ZPO überhaupt in Frage kam. Das Bestehen dieser Möglichkeit sei also eine Frage des anwendbaren nationalen Verfahrensrechts. Hinzu komme, dass § 1059 Abs. 2 ZPO lediglich eine eingeschränkte Überprüfung gestatte. Dies ließe sich auch nicht durch einen Verweis auf die ebenfalls nur einer eingeschränkten Kontrolle unterliegenden Entscheidungen in Sachen der Handelsschiedsgerichtsbarkeit408 relativieren, da diese nicht auf einem Vertrag der Mitgliedstaaten basierten, der den Mitgliedstaaten den Entzug der Zuständigkeit eigener Gerichte in Sachen des Unionsrecht vorschreibe. Des Weiteren mag zwar ein internationales Abkommen, welches die Schaffung eines mit der Auslegung der Regelungen dieses Abkommens betrauten Gerichts vorsieht, nicht per se mit dem Unionsrecht unvereinbar sein, sofern die Autonomie der Europäischen Union und ihrer Rechtsordnung gewahrt bleibt.409 Vorliegend sei 405 Siehe insoweit EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014, Rs. C-377/13, Ascendi, ECLI:EU:C: 2014:1754, Rn. 22 ff. 406 Siehe insoweit EuGH, Urteil vom 4. November 1997, Rs. C-337/95, Parfums Christian Dior/Evora, ECLI:EU:C:1997:517, Rn. 21; EuGH, Urteil vom 14. Juni 2011, Rs. C-196/09, Miles u. a., ECLI:EU:C:2011:388, Rn. 40. 407 EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 45. 408 Siehe insoweit EuGH, Urteil vom 1. Juni 1999, Rs. C-126/97, Eco Swiss China Time Ltd/ Benetton International NV, ECLI:EU:C:1999:269, Rn. 35 ff. 409 Siehe insoweit EuGH, Gutachten vom 14. Dezember 1991, Nr. 1/91, Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraums, ECLI:EU:C:1991:490, Rn. 40, 70; EuGH, Gutachten vom 8. März 2011, Nr. 1/09, Einheitliches europäisches Patentgerichtssystem, ECLI:EU:C:2011:

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

allerdings nicht die Europäische Union selbst Partei des Abkommens und habe das Schiedsgericht – wie bereits gesehen – neben den Bestimmungen des BIT unter anderem auch Unionsrechtsnormen auszulegen und anzuwenden. Der EuGH hält in Anbetracht dessen fest, dass Mitgliedstaaten mit dem Abschluss eines derartigen BIT einen Streitbeilegungsmechanismus schaffen, in welchem ohne eine volle Wirksamkeitskontrolle über Fragen des Unionsrechts entschieden werden kann. Dies stelle den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten in Frage, sei mit der Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit unvereinbar und beeinträchtige die Autonomie des Unionsrechts. Deshalb sei entsprechend (s. o.) auf die erste und zweite Frage zu antworten.

II. Rechtliche Bewertung Der EuGH hält die Begründung seiner Entscheidung auffallend knapp. Daher mag es zunächst so wirken, als seien die Schlussfolgerungen des Gerichts eine unmittelbar evidente Folge des geltenden Rechts.410 Es wird aber im Folgenden zu zeigen sein, dass die Auffassung des EuGH sowohl aus rechtlichen als auch aus tatsächlichen Gründen erheblichen Gegenwind erfahren hat. Dies nicht zuletzt auch deshalb, da der Generalanwalt Melchior Wathelet in seinen Schlussanträgen vom 19. September 2017 eine divergierende Lösung befürwortete.411 Zudem bewegt sich die Argumentation des EuGH vergleichsweise weit entfernt von den hier zur Auslegung vorgelegten Art. 344, 267 und 18 Abs. 1 AEUV und deren Wortlaut. Nun finden sich neben den ablehnenden Stimmen in der Literatur auch solche, die das Ergebnis des Gerichts befürworten und mit zusätzlichen Argumenten unterstützen. Dieses Meinungsspektrum soll im Folgenden abgebildet werden (1., 2.) und schließlich Grundlage und Ausgangspunkt eigener Stellungnahmen bilden. Zusätzlich bedarf es der Beleuchtung einer potentiellen Unvereinbarkeit des BIT mit Art. 18 Abs. 1 AEUV sowie der potentiellen Anwendbarkeit von Art. 351 AEUV, welche der EuGH gänzlich unberücksichtigt ließ (4., 5.). 1. Die Auslegung des Art. 344 AEUV Für die Bewertung der Auslegung von Art. 344 AEUV soll zunächst ein Überblick über die Argumente für eine Unvereinbarkeit mit einer derartigen Schiedsklausel (a)) 123, Rn. 74, 76; EuGH, Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13, EMRK, ECLI:EU:C:2014:2454, Rn. 182 f. 410 So auch Lang, EuR 2018, 525 (526), „apodiktische[] Urteilsbegründung“; diese Formulierung ebenso verwendend: Germelmann, EuR 2020, 375 (385); Bodenheimer/Eller, RIW 2018, 786 (786); Bischoff, IPRax 2018, 588 (590); Gundel, EWS 2018, 124 (125). 411 Schlussanträge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699.

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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und anschließend ein solcher hinsichtlich der Argumente für eine Vereinbarkeit (b)) gegeben werden. a) Unvereinbarkeit mit derartiger Schiedsklausel Auch wenn sich der EuGH zur Auslegung des Art. 344 AEUV kaum äußert, kommt er doch zu dem Ergebnis, dass die Norm so auszulegen ist, dass sie einer Schiedsklausel wie der vorliegenden entgegensteht. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass der EuGH Art. 344 AEUV als sedes materiae der Autonomie des Unionsrechts ansieht.412 Insofern ist für die rechtliche Würdigung dieser Erwägungen zwischen einer normorientierten Auslegung der Vorschrift in Bezug auf die Schiedsklausel (aa)) und einer allgemeineren, auf die Autonomie des Unionsrechts bezogenen Auslegung (bb)) zu unterscheiden. Im Rahmen der normorientierten Auslegung soll insbesondere auf den Wortlaut des Art. 344 AEUV und die Systematik des AEUVeingegangen werden. Zudem spielen auch hier Sinn und Zweck der Norm im Rahmen einer Telos-Auslegung eine Rolle. Zwar verschwimmen die Grenzen zwischen einer Telos-orientierten Auslegung und einer Auslegung hinsichtlich der Autonomie des Unionsrechts. Da allerdings die Gewährleistung der Autonomie des Unionsrechtsystems nicht der einzige Zweck des Art. 344 AEUV sein könnte, soll an dieser Unterscheidung auch insoweit festgehalten werden. aa) Normbezogene Auslegung Wie bereits gesehen, lautet der hier in Rede stehende Art. 344 AEUV: „Art. 344 AEUV Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Verträge nicht anders als hierin vorgesehen zu regeln.“

Wie noch zu zeigen sein wird, wird weitgehend davon ausgegangen, die Norm beziehe sich ausschließlich auf Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten und nicht auf solche, zwischen Mitgliedstaaten und Privaten („Die Mitgliedstaaten verpflichten sich […]“).413 Dem wird angesichts der restriktiven Rechtsprechung des EuGH zu Art. 19 EUV und zum primärrechtlichen Rechtsschutz vereinzelt widersprochen und eine weite Auslegung des Art. 344 AEUV dahingehend bevorzugt, dass auch Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten und Privaten erfasst sein sollen.414 Ein anderes Ergebnis ergebe sich auch nicht zwingend aus dem vergleichsweise unspezifischen Wort-

412

Vgl. Wernicke NJW 2018, 1644 (1645). S. u. Kapitel I C. II. 1. b) aa). 414 Jaeger, EuR 2016, 203 (225); Hindelang, LIEI 2012, 179 (199 Fn. 82); vgl. in diese Richtung auch Clodfelter, SCJIL 2014, 159 (179). 413

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

laut.415Allein aufgrund dieser weiten Auslegung des Wortlauts seien daher Schiedsgerichte für Intra-EU-BIT mit Art. 344 AEUV unvereinbar.416 Auch der BGH räumt in seinem Beschluss vom 3. März 2016 ein, dass der Wortlaut des Art. 344 AEUV insoweit nicht eindeutig sei.417 Schließlich wäre es für den Normgeber möglich gewesen, den Wortlaut entsprechend Art. 273 AEUV („Streitigkeit zwischen Mitgliedstaaten“) eindeutig einzugrenzen.418 Daneben führt auch die Slowakische Republik im Rahmen des Aufhebungsverfahrens nach § 1059 ZPO vor dem OLG Frankfurt am Main an, dass der Wortlaut von Art. 344 AEUV generell alle Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Verträge erfasse, an denen zumindest ein Mitgliedstaat beteiligt ist.419 Außerdem steht Art. 344 AEUV im siebten Abschnitt des AEUV („Allgemeine und Schlussbestimmungen“), was dafür spreche, dass sich die Norm nicht auf eine bestimmte Verfahrensart beschränke sondern als „allgemeine Kompetenzabsicherungsregel für den EuGH“ zu verstehen sei.420 Selbst wenn man nun aber den Wortlaut nicht in diesem Sinne weit auslegen möchte – und deshalb eine Regelung durch Art. 344 AEUV nur für zwischenstaatliche Streitigkeiten annimmt –, ließen sich Intra-EU-Schiedsverfahren aufgrund Intra-EU-BIT doch unter die Norm subsumieren. Dies würde dadurch ermöglicht, dass man eine derartige Streitigkeit als solche zwischen dem Heimatstaat des Investors und dem Gaststaat der Investition ansieht.421 Letztlich gehe es bei einem Disput primär um die Verletzung des BIT, welches zwischen jenen beiden Staaten geschlossen wurde.422 Im Rahmen eines solchen Verständnisses komme mithin eine Verletzung von Art. 344 AEUV i. V. m. Art. 259 AEUV in Betracht.423 Den Wortlaut von Art. 344 AEUV vernachlässigend wird teilweise für eine Unvereinbarkeit auch auf die bereits erwähnte MOX-Plant-Entscheidung424 des 415 Bücheler/Vasiljevic´, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (337); Clodfelter, SCJIL 2014, 159 (179); Hindelang, LIEI 2012, 179 (199 Fn. 82); vgl. auch Carducci, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/ 15, IWRZ 2016, 180 (182); hierzu umfassend auch von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1052 ff.), welche auf S. 1053 Fn. 61 auch für eine weite Auslegung plädiert. 416 Jaeger, EuR 2016, 203 (225); dies im Ergebnis aber offenlassend Clodfelter, SCJIL 2014, 159 (179) und von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1054). 417 BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328 (331 Rn. 29). 418 Ibid. 419 OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 26 Sch 3/13, in: BeckRS 2015, 6323 Rn. 29. 420 Ibid. 421 Hindelang, LIEI 2012, 179 (200); vgl. ebenso die Auffassung der Kommission, auf die in den Schlussantra¨ gen des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 154 ff. Bezug genommen wird. 422 Hindelang, LIEI 2012, 179 (200). 423 Ibid. (199 f.). 424 EuGH, Urteil vom 30. Mai 2006, Rs. C-459/03, Kommission/Irland, ECLI:EU:C:2006: 345.

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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EuGH verwiesen, in welcher der EuGH feststellte, dass er die ausschließliche Zuständigkeit für die Beilegung eines Disputs zwischen zwei Mitgliedstaaten habe, der auch nur partiell unter Unionsrecht fällt.425 Hierzu wird angeführt, dass der EuGH in diesem Fall die Anwendung des Art. 344 AEUV als „offenkundig“426 ansah, was dafür sprechen könnte, dass er ausdrücklich davon ausging, dass dies nicht der einzige Anwendungsbereich der Norm sein solle.427 Nun wird weiterhin insbesondere von der Slowakischen Republik und der Kommission geltend gemacht, der Wortlaut von Art. 344 AEUV sei auch hinsichtlich der „Auslegung oder Anwendung der Verträge“ im Rahmen der hier fraglichen Konstellationen erfüllt.428 Die Auslegung oder Anwendung der Verträge meine hierbei jede Rechtsanwendung im Einzelfall,429 sodass auch diesem Erfordernis über die Möglichkeit der Anwendung des Unionsrechts nach Art. 8 Abs. 6 des BIT hier genüge getan sei.430 Hieran können auch Erwägungen dahingehend nichts ändern, ob Schiedsgerichte aufgrund von BIT häufig oder doch nur ausnahmsweise Unionsrecht anwenden.431 Schließlich entspreche es auch dem Sinn und Zweck von Art. 344 AEUV, die ausschließliche Zuständigkeit des EuGH zur Wahrung der Effektivität und der einheitlichen Unionsrechtsauslegung sicherzustellen, dass die Norm nicht auf Verfahren zwischen Mitgliedstaaten beschränkt sei, sondern insbesondere auch auf Vorabentscheidungsverfahren Anwendung finde.432 425 So die Beklagte in Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 203, 276; vgl. auch OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (124); die Kommission verweist mit Blick auf die MOX-Plant-Entscheidung auf Art. 10 des BIT, Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 178 ff. 426 EuGH, Urteil vom 30. Mai 2006, Rs. C-459/03, Kommission/Irland, ECLI:EU:C:2006: 345, Rn. 128 (engl. „clearly“). 427 Vgl. Basener, Investment Protection in the European Union, S. 266; vgl. auch Bücheler/ Vasiljevic´, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (337). 428 Siehe European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic (Award on Jurisdiction), Rn. 241 ff.; BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328 (331 Rn. 31); OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 26 Sch 3/13, in: BeckRS 2015, 6323 Rn. 29. 429 Siehe insoweit Grabitz/Hilf/Nettesheim/Athen/Dörr, EUV/AEUV, Art. 344 AEUV Rn. 28. 430 Siehe BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328 (331 Rn. 31); Lübke, GPR 2018, 149 (150); in diese Richtung auch Classen, EuR 2018, 361 (364). 431 Lübke, GPR 2018, 149 (150). 432 So die Slowakische Republik in OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 26 Sch 3/13, in: BeckRS 2015, 6323 Rn. 29; vgl. auch Jaeger, EuR 2018, 611 (632).

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

bb) Auslegung hinsichtlich der Autonomie des Unionsrechts Nun lässt der EuGH die Frage nach der Auslegung des Wortlauts und der Systematik von Art. 344 AEUV aber unbeantwortet und stützt seine Erwägungen – wie bereits gesehen – auf den in der Norm womöglich verankerten Grundsatz der Autonomie des Unionsrechts.433 Der Grundsatz der Autonomie des Unionsrechts basiert auf dem Anliegen zur Wahrung der verfassungsrechtlichen Strukturmerkmale sowie des institutionellen Gleichgewichts der Europäischen Union.434 Deshalb charakterisiert sich die Autonomie des Unionsrechts durch die Vorranggeltung vor dem Recht der Mitgliedstaaten sowie die unmittelbare Wirkung vieler für ihre Staatsangehörigen und für sie selbst geltender Bestimmungen.435 Hierüber wachen gem. Art. 19 Abs. 1 EUV die mitgliedstaatlichen Gerichte und der EuGH, während es Sache letzteren ist, die Autonomie dieser Ordnung zu wahren.436 Dementsprechend hält der EuGH in diesem Rahmen nach eigener Auffassung das „Monopol für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Gemeinschaftsorgane“437 – er habe also die Letztentscheidungskompetenz in unionsrechtlichen Fragen auch für Maßnahmen der Mitgliedstaaten.438 In diesem Sinne wird auch ein gegenseitiges Vertrauen der Mitgliedstaaten bei der Beachtung des Unionsrechts angenommen.439 Ein Verstoß gegen dieses Grundverständnis ließe sich nun insbesondere dann annehmen, wenn ein internationales Gericht die Möglichkeit hätte, verbindlich Unionsrecht auszulegen.440 Denkbar wäre eine solche Prüfung durch ein Schiedsgericht zur unionsrechtlichen Rechtsmäßigkeit sowohl hinsichtlich der Handlungen der Organe der Europäischen Union als auch der Handlungen der Mitgliedstaaten.441 433

Die Möglichkeit einer vom Wortlaut der Norm abgekoppelten, eher zweckorientierten Auslegung von Art. 344 AEUV erkannten bereits Schäfer/Gaffney, SchiedsVZ 2013, 68 (77). 434 Lang, BTWR 138/2015, S. 8; siehe für einen umfassenden Überblick zum Verhältnis von Investitionsschiedsgerichten mit der Autonomie des Unionsrechts Kerkemeyer, EuZW 2016, 10 (12 ff.) und Bungenberg/Herrmann/Hindelang, Handelspolitik der EU, S. 12 f. 435 Vgl. EuGH, Gutachten vom 14. Dezember 1991, Nr. 1/91, Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraums, ECLI:EU:C:1991:490, Rn. 21; EuGH, Gutachten vom 8. März 2011, Nr. 1/ 09, Einheitliches europäisches Patentgerichtssystem, ECLI:EU:C:2011:123, Rn. 65; vgl. auch Basener, Investment Protection in the European Union, S. 270. 436 Vgl. EuGH, Gutachten vom 14. Dezember 1991, Nr. 1/91, Schaffung des Europäischen Wirtschaftsraums, ECLI:EU:C:1991:490, Rn. 35; EuGH, Gutachten vom 8. März 2011, Nr. 1/ 09, Einheitliches europäisches Patentgerichtssystem, ECLI:EU:C:2011:123, Rn. 66 ff. 437 EuGH, Gutachten vom 18. April 2002, Nr. 1/00, Schaffung eines gemeinsamen europäischen Luftverkehrsraums, ECLI:EU:C:2002:231, Rn. 24. 438 Vgl. Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 132 und Germelmann, EuR 2020, 375 (386). 439 EuGH, Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13, EMRK, ECLI:EU:C:2014:2454, Rn. 168, 191. 440 Lang, BTWR 138/2015, S. 9 ff.; eine gute Übersicht der Kriterien zur Feststellung eines Verstoßes gegen die Autonomie des Unionsrechts aus der Rechtsprechung des EuGH in Basener, Investment Protection in the European Union, S. 277 ff. m. w. N. 441 Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 132 f.

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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In diesem Fall wäre die autonome Auslegung des Unionsrechts unter Umgehung der Letztentscheidungskompetenz des EuGH nicht sichergestellt.442 Zu beachten gilt hier, dass der EuGH bewusst die erste und zweite Frage gemeinsam beantwortete, um zu verdeutlichen, dass er eine Beeinträchtigung der Autonomie des Unionsrechts gerade im Zusammenspiel von Art. 267 und Art. 344 AEUV aber auch Art. 19 und Art. 4 Abs. 3 EUV sieht.443 Gleichwohl soll bereits an dieser Stelle (und ebenda im Rahmen der Darstellung der Auffassungen zur Vereinbarkeit des BIT mit Unionsrecht, b) aa), bb)) umfassend auf die Thematik der Beeinträchtigung der Unionsrechtsautonomie eingegangen werden, auch wenn jene Erwägungen in Literatur und Rechtsprechung teilweise erst im Rahmen der Erörterung der Auslegung von Art. 267 AEUV angeführt werden. Die teilweise auch angeführte Erwägung, ein Schiedsgericht könne vorlageberechtigt i. S. d. Art. 267 AEUV sein – und deshalb eine Beeinträchtigung der Unionsrechtsautonomie deshalb von vornherein ausscheiden –, wird erst im Rahmen der Erörterung der Auslegung des Art. 267 behandelt und bis dahin im Folgenden als nicht gegeben unterstellt.444 Sowohl hinsichtlich der Frage, ob der Grundsatz der Autonomie des Unionsrechts in Art. 344 AEUV zu verorten ist als auch mit Blick auf eine mögliche Verletzung dieses Grundsatzes durch eine derartige Schiedsklausel, steht der EuGH nicht alleine da. Zunächst ergibt sich bereits aus früherer Rechtsprechung des EuGH, dass der Grundsatz der Autonomie des Rechtssystems der Europäischen Union seine Grundlage in Art. 344 AEUV bzw. Art. 292 EG-Vertrag finde.445 Daraus folgte der EuGH schon vor der Achmea-Entscheidung – wie bereits gesehen –, dass es im Rahmen des Gerichtssystems der Europäischen Union Aufgabe der nationalen Gerichte und des EuGH sei, die volle Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten und den Schutz der Rechte zu gewährleisten.446

442 Kerkemeyer, EuZW 2016, 10 (14 f.); Basener, Investment Protection in the European Union, S. 283. 443 Siehe hierzu auch von der Groeben/Schwarze/Hatje/Dittert, Europäisches Unionsrecht, Art. 344 AEUV, Rn. 2 f., der in diesem Zusammenhang noch zusätzlich auf Art. 258, 259, 263, 265, 273 und 274 AEUV verweist. 444 Siehe ausführlich hierzu unten Kapitel I C. II. 2. 445 EuGH, Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13, EMRK, ECLI:EU:C:2014:2454, Rn. 201 m. w. N.; EuGH, Urteil vom 30. Mai 2006, Rs. C-459/03, Kommission/Irland, ECLI: EU:C:2006:345, Rn. 123; dem zustimmend auch von der Groeben/Schwarze/Hatje/Dittert, Europäisches Unionsrecht, Art. 344 AEUV, Rn. 1 ff. m. w. N. (mit zusätzlichem Verweis auf Art. 258, 259, 263, 265, 267 Abs. 3, 273 und 274 AEUV sowie Art. 19 und 4 Abs. 3 EUV (s. o.)); Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (233), Semmelmann, ELR 2006, 234 (239 f.); Basener, Investment Protection in the European Union, S. 262, 268 f. m. w. N.; siehe auch Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (86). 446 EuGH, Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13, EMRK, ECLI:EU:C:2014:2454, Rn. 174 f.; EuGH, Gutachten vom 8. März 2011, Nr. 1/09, Einheitliches europäisches Patentgerichtssystem, ECLI:EU:C:2011:123, Rn. 68 m. w. N.; vgl. insoweit auch mit anderer

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Vorausgesetzt also, Art. 344 AEUV umfasse bzw. normiere unter anderem den Grundsatz der Autonomie des Unionsrechts, wird auch dessen Verletzung durch Schiedsklauseln wie der vorliegenden befürwortet. Zunächst einmal wird dem EuGH insoweit gefolgt, als dass Art. 267 AEUV Ausdruck dieser Unionsrechtsautonomie sei und daher die Tatsache, dass Art. 267 AEUV dem EuGH das Auslegungsmonopol für Unionsrecht zuschreibe,447 auch für Art. 344 AEUV Relevanz erlange.448 Die Frage, auf die es für diese Stimmen letztlich insbesondere ankommt, ist, ob es dem Auslegungsmonopol des EuGH – als Teil des Grundsatzes der Autonomie des Unionsrechts – widerspricht, wenn ein über eine Schiedsklausel wie Art. 8 des BIT anrufbares Schiedsgericht über Fragen des Unionsrechts entscheidet.449 Hierzu wird angemerkt, dass in Anbetracht der Autonomie des Unionsrechts aus Art. 344 AEUV hervorgehe, dass mitgliedstaatliche Gerichte nur insoweit Unionsrecht direkt anwenden können, als dies innerhalb des von den Verträgen grundgelegten Rechtsschutzsystems erfolgt.450 Da das einzige „prozedurale Vehikel“ hierfür Art. 267 AEUV sei, komme eine Unionsrechtsanwendung nur durch „Gerichte“ i. S. d. Art. 267 AEUV in Betracht.451 Die Prämisse zugrunde gelegt, Investitionsschiedsgerichte wie das vorliegend über Art. 8 des BIT konstituierte, seien keine „Gerichte“ i. S. d. Art. 267 AEUV,452 ließe sich somit ein Verstoß gegen Art. 344 AEUV annehmen, wenn jene Schiedsgerichte Unionsrecht anwenden können.453 Diese Möglichkeit besteht – wie bereits gesehen – gem. Art. 8 Abs. 6 des BIT. Somit wäre es Schiedsrichtern möglich, Unionsrecht in einem anderen Sinne auszulegen, als dies der EuGH verbindlich bereits entschieden haben kann.454 Es spiele hierbei keine Rolle, ob ein Schiedsgericht in einem konkreten Verfahren tatsächlich Unionsrecht für seine materiell-rechtlichen Erwägungen zugrunde lege, da alleine die Möglichkeit hierzu die Autonomie des Unionsrechts verletze.455 Keinen Unterschied könne es insofern angesichts des weiten Schutzzwecks von Art. 344 AEUV auch machen, ob bei einer solchen, jedenfalls mittelbaren UnionsTerminologie Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 131 ff. (der eine Verletzung des „Rechtsprechungsmonopol[s] des EuGH“ untersucht). 447 Siehe insoweit Streinz/Ehricke, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 6. 448 Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 130 f.; vgl. auch Hindelang, LIEI 2012, 179 (199 Fn. 82) und Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (86). 449 Dies mit umfassender Begründung im Ergebnis bejahend Basener, Investment Protection in the European Union, S. 280 ff, 295. 450 Jaeger, EuR 2018, 611 (643 f.). 451 Ibid. (644). 452 Siehe Fn. 234. 453 So bereits die Slowakische Republik in Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 114, 134; ebenso Jaeger, EuR 2016, 203 (225). 454 Kerkemeyer, EuZW 2016, 10 (14 f.); siehe auch Basener, Investment Protection in the European Union, S. 283 ff. mit Beispielen aus der Praxis. 455 Lübke, GPR 2018, 149 (150).

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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rechtsanwendung das BIT dies als Rechtsauslegung oder Tatsachenbeurteilung klassifiziert.456 Hierdurch resultiere auch die Gefahr von „de facto“-Präzedenzfällen in der investitionsschiedsgerichtlichen Praxis, welche der Unionsrechtsauslegung des EuGH widersprechen, da Tribunale sich bei der Entscheidungsfindung oftmals an bereits ergangenen Schiedssprüchen orientierten.457 Ebenso problematisch seien in diesem Zusammenhang sog. „spill over effects“, also Auswirkungen eines Schiedsspruchs auf die Auslegung originärer Unionsrechtsnormen.458 Die hiergegen vom OLG Frankfurt am Main459 und vom BGH460 vorgetragene Möglichkeit der Vorlage durch das mit der Aufhebung bzw. der Durchsetzung befasste staatliche Gericht vermöge hieran aus zwei Gründen nichts ändern. Zum ersten resultiere die Möglichkeit der Vorabentscheidung gem. Art. 267 AEUV durch das OLG Frankfurt am Main bzw. den BGH im vorliegenden Verfahren alleine aus der Wahl des Schiedsortes innerhalb der Europäischen Union.461 Sofern nun aber ein Ort außerhalb der Europäischen Union gewählt würde, bestünde für die dortigen staatlichen Gerichte ebenfalls keine Vorlagemöglichkeit gem. Art. 267 AEUV.462 Daneben könnte dieses drittstaatliche Gericht nach Art. 27 VCLT gehindert sein, im Rahmen eines Aufhebungsantrags Unionsrecht als das innerstaatliche Recht der Vertragsparteien des BIT überhaupt in Betracht zu ziehen.463 Außerdem gelte eine mitgliedstaatliche Kontrolle jedenfalls nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) ZPO nicht für außerhalb des ordre public liegende Uni456 Ruddigkeit, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, ZUR 2018, 415 (420). 457 Basener, Investment Protection in the European Union, S. 285 m. w. N. 458 Bungenberg/Herrmann/Hindelang, Handelspolitik der EU, S. 14; Kerkemeyer, EuZW 2016, 10 (15); umfassend auch Hindelang, AVR 2015, 68 (74 ff.); vgl. auch Basener, Investment Protection in the European Union, S. 283 m. w. N. 459 OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (123); OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 26 Sch 3/13, in: BeckRS 2015, 6323 Rn. 55. 460 BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328 (333 Rn. 53 ff.). 461 Nagy/Nagy, Investment Arbitration in Central and Eastern Europe, S. 1 (4); Tietje, IPRax 2013, 64 (66); von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1061 f.); siehe auch Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (488 f.), die dies neben den UNCITRAL-Schiedsregeln noch für die SCC-Schiedsgerichtsbarkeit und der ICC-Schiedsgerichtsbarkeit darlegen und insoweit von der ICSIDSchiedsgerichtsbarkeit abgrenzen. 462 Damjanovic/Quirico, ColumJEurL 2019, 102 (123); Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (488 f.); Lübke, GPR 2018, 149 (150 f.); m. w. N.; von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1061 f.); Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (88); vgl. auch Parish, EJIL 2012, 141 (142 f.); Hindelang, LIEI 2012, 179 (198); Ruddigkeit, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/ 16, ZUR 2018, 415 (420); European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic, UNCITRAL (Award on Jurisdiction), Rn. 251. 463 Müller/Simon, NJOZ 2018, 961 (963).

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

onsrechtsverstöße.464 Darüber hinaus bestehe stets das Risiko, dass mitgliedstaatliche Gerichte ihre Vorlagemöglichkeiten- und pflichten aus Art. 267 AEUV gerade auch im Hinblick auf die acte clair-Doktrin verkennen.465 Letztlich dürfe auch nicht außer Acht gelassen werden, dass es freilich im Belieben der Parteien liege, über einen Aufhebungsantrag oder über ein Vollstreckungsverfahren überhaupt nationale Gerichte mit der Streitigkeit zu befassen.466 Zweitens bestehe eine derartige Vorlagemöglichkeit nicht im Nachgang von Schiedsverfahren auf Grundlage solcher BIT, welche nicht auf die UNCITRALSchiedsregeln, sondern die ICSID-Konvention verweisen.467 Nach Art. 53 ICSIDKonvention ist ein Schiedsspruch nämlich bindend und nicht mit mehr angreifbar, was gem. Art. 54 ICSID-Konvention zudem für die Vollstreckung des Schiedsspruchs gilt.468 In diesen Fällen könnte mithin – dem Sinn und Zweck der ICSIDKonvention entsprechend – keine praktische Möglichkeit der mitgliedstaatsgerichtlichen Intervention bestehen.469 Gerade diese Abschottung unterminiere die Autonomie des Unionsrechts.470 An dieser Problematik könne zudem nicht alleine die Möglichkeit der Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 258 ff. AEUVetwas ändern, da diese nur für mitgliedstaatliche Vertragsverstöße gelten471 und Handlungen eines Schiedsge-

464 Bücheler/Vasiljevic´, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (338). 465 von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1064). 466 Ibid. (1057). 467 Siehe bspw. Art. 9 Abs. 2 lit. a) des Agreement between the Government of Republic of Slovenia and the Government of the Kingdom of Denmark concerning the promotion and reciprocal protection of investments (Inkrafttreten 30. März 2002); Art. 9 Abs. 3 lit. c) des Agreement between the Government of the Italian Republic and the Government of the Republic of Slovenia on the promotion and protection of investments (Inkrafttreten 11. August 2003; Außerkrafttreten 1. September 2008); Art. 7 Abs. 2 des Agreement between the Government of the Kingdom of Sweden and the Government of Romania on the Promotion and Reciprocal Protection of Investments (Inkrafttreten 1. April 2003); vgl. auch Art. 26 Abs. 4 ECT. 468 Tietje, IPRax 2013, 64 (66); Classen, EuR 2012, 611 (621). 469 Nathan, The ICSID Convention, S. 61; Schreuer/Malintoppi/Reinisch/Sinclair, The ICSID Convention, Art. 54 Rn. 40, 42 ff.; Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (489); von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1058); Classen, EuR 2012, 611 (621); Hindelang, LIEI 2012, 179 (198); Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (87 f.); vgl. umfassend Bertolini, Die Durchsetzung von ISDSEntscheidungen in Deutschland, S. 216 f. m. w. N. insbesondere dahingehend, dass Art. 54 Abs. 3 ICSID-Konvention nicht die Möglichkeit einer ordre public-Kontrolle nationaler Gerichte ermöglicht; siehe eingehend hierzu unten Kapitel II B. IV. 1. b). 470 Ruddigkeit, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, ZUR 2018, 415 (420); umfassend zu den Unzulänglichkeiten der mitgliedstaatsgerichtlichen Kontrolle von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1057 ff.). 471 Siehe auch Grabitz/Hilf/Nettesheim/Karpenstein, EUV/AEUV, Art. 258 AEUV Rn. 61.

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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richts schwerlich einem Mitgliedstaat zugerechnet werden könnten.472 Darüber hinaus können auch Vertragsverletzungsverfahren gegen die einen solchen, potentiell unionsrechtswidrig ergangenen Schiedsspruch erfüllenden Mitgliedstaaten alleine nichts an der strukturellen Unvereinbarkeit der aus den BIT folgenden Streitbeilegungsmechanismen mit Unionsrecht ändern.473 Weiterhin greife auch das Gegenargument nicht durch, ein Schiedsgericht entscheide nur über Verletzungen des BIT, während das Unionsrecht nur als Auslegungsmaßstab diesbezüglich diene. Es bestehen durch die Zulassung der InvestorStaat-Schiedsverfahren innerhalb der Europäischen Union nämlich womöglich keine förmlichen, dafür aber erhebliche faktische Beeinträchtigungen.474 Beispielsweise könnte ein Schiedsgericht die Rückforderung von europarechtswidrigen Beihilfen für mit dem BIT unvereinbar erklären und damit einem konkreten Investor eine vorteilhafte Stellung gegenüber seinen – nicht unter das BIT fallenden – Wettbewerbern ermöglichen.475 Grundsätzlich als problematisch angesehen wird daher, dass ein Investor im Rahmen eines Schiedsverfahrens vom Gaststaat verlangen kann, dass dieser sich im Einklang mit einem BIT zu verhalten habe, was die direkte Anwendbarkeit des AEUV umgehen und damit die Autonomie des Rechtssystems beeinträchtigen könnte.476 Darüber hinaus erkennen auch die Achmea-Entscheidung des EuGH kritisierende Stimmen, dass das „uneinheitliche Flickenwerk“ der bis dahin bestehenden Intra-EU-BIT mit Blick auf die vielen materiell-rechtlichen Überschneidungen mit den Unionsverträgen nur schwerlich mit dem in Art. 26 Abs. 1 AEUV normierten Ziel der Verwirklichung des Binnenmarktes vereinbar sei.477 Unterstützung erfährt der EuGH daneben auch von Kritikern hinsichtlich der Unterscheidung von Investitionsschutz- und Handelsschiedsverfahren, da letztere auf privatautonomer Grundlage basiere.478 Der Unterschied der beiden Systeme liege in der strengen Rechtsbindung, der die Mitgliedstaaten im Unterschied zu privaten Personen unterliegen.479 Private unterliegen schließlich hinsichtlich ihrer Streitbeilegung nicht der Verpflichtung nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV.480

472 Basener, Investment Protection in the European Union, S. 290 f. m. w. N.; Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (286); vgl. auch Hindelang, AVR 2015, 68 (77 Fn. 39); a. A. Lübke, GPR 2018, 149 (151). 473 Hindelang, LIEI 2012, 179 (198). 474 Bungenberg/Herrmann/Hindelang, Handelspolitik der EU, S. 21 ff. 475 Ibid. S. 21 f.; vgl. in diese Richtung auch Eilmansberger, CMLRev 2009, 383 (406). 476 Vgl. Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (80, 89), der aber im Folgenden (89 f.) auch erkennt, dass diese Problematik durch das zumindest stellenweise höhere Schutzniveau von BIT gegenüber den Unionsverträgen teilweise entschärft wird. 477 Lang, EuR 2018, 525 (535). 478 Scholtka, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, EuZW 2018, 239 (244). 479 Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, JZ 2018, 511 (515).

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Auch der bereits bezeichnete Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten könnte durch die Anwendung von Unionsrecht durch ein Tribunal unterlaufen werden. Zwar entscheide ein Investitionsschiedsgericht womöglich nur über die Verletzung des BIT in vermeintlich unionsrechtskonformer Auslegung.481 Dabei könnte es dennoch beurteilen, inwieweit sich der Gaststaat der Investition bei seinen Maßnahmen an Unionsrecht gehalten habe, wofür indes grundsätzlich der EuGH zuständig sein sollte.482 Hier sei jedenfalls für zwischenstaatliche Schiedsverfahren483 ein grundsätzliches Misstrauen in die Objektivität der nationalen Gerichte des Gaststaates zu erblicken.484 Abschließend soll auf die von der Slowakischen Republik im Rahmen des Verfahrens nach § 1040 Abs. 3 S. 2 ZPO vor dem OLG Frankfurt am Main geltend gemachten Ausführungen verwiesen werden, welche die Kernaussage der Auffassungen zur Beeinträchtigung der Autonomie des Unionsrechts teilweise zusammenfasst: Mit Blick auf das Gutachten des EuGH vom 8. März 2011485 sei eindeutig festzustellen, dass das hiesige Schiedsgericht kein solches eines Mitgliedstaats der Europäischen Union sei, sondern vielmehr ein „paralleler, sich völlig außerhalb des institutionellen und richterlichen Rahmens der EU befindlicher Streitbeilegungsmechanismus“, welcher den mitgliedstaatlichen Gerichten die unionsrechtliche Auslegungs- und Anwendungskompetenz entziehe.486 b) Vereinbarkeit mit derartiger Schiedsklausel Hinsichtlich einer konträren Auslegung des Art. 344 AEUV ist zunächst zu bemerken, dass sie breite Zustimmung in der schiedsgerichtlichen487 wie auch in der staatsgerichtlichen488 Rechtsprechung erfahren hat. Diese Erwägungen haben zeit480 Ibid.; umfassend zum Vergleich der Handels- mit der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit auch von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1058 ff.), die im Ergebnis auch eine Differenzierung befürwortet. 481 Siehe hierzu Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (364 f.). 482 Basener, Investment Protection in the European Union, S. 292 f. 483 Worum es vorliegend und auch in den Ausführungen von Basener jedoch gar nicht geht. 484 Basener, Investment Protection in the European Union, S. 294 m. w. N.; a. A. insoweit Cranshaw, jurisPR-IWR 2/2018 Anm. 1 (C.III.). 485 EuGH, Gutachten vom 8. März 2011, Nr. 1/09, Einheitliches europäisches Patentgerichtssystem, ECLI:EU:C:2011:123. 486 OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (120). 487 Siehe Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 276; European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic, UNCITRAL (Award on Jurisdiction), Rn. 248 ff.; implizit auch Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award), Rn. 168 ff. 488 Siehe BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328 (330 ff. Rn. 23 ff.); OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 26 Sch 3/13, in:

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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lich vor und insbesondere nach der Achmea-Entscheidung auch in der Literatur Anklang gefunden. aa) Normbezogene Auslegung Im Rahmen einer Wortlautauslegung zu Art. 344 AEUV vertritt die ganz überwiegende Meinung, dass die Norm unmittelbar nur für Verfahren zwischen Mitgliedstaaten gilt.489 Die Norm beschränke sich darauf, den Mitgliedstaaten vorzuschreiben, Streitigkeiten mit anderen Mitgliedstaaten und der Union vor dem EuGH auszufechten, während eine Streitigkeit mit einem Investor von der Norm nicht umfasst sei.490 Auch hier wird sich deshalb auf die MOX-Plant-Entscheidung berufen, um zu verdeutlichen, dass die dort angestellten Erwägungen gerade nicht für einen Disput zwischen einem Mitgliedstaat und einem Investor gelten.491 Hinzu komme, dass der EuGH im Anschluss an die MOX-Plant-Entscheidung den Anwendungsbereich ausdrücklich auf Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten untereinander sowie Mitgliedstaaten und der Europäischen Union beschränkt492 und in BeckRS 2015, 6323 Rn. 52; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (123 ff.). 489 BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (513) (dies sei die „einhellige[] Ansicht im deutschen Schrifttum“); OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 26 Sch 3/13, in: BeckRS 2015, 6323 Rn. 52; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (123); von der Groeben/Schwarze/Hatje/Dittert, Europäisches Unionsrecht, Art. 344 AEUV, Rn. 4; Grabitz/ Hilf/Nettesheim/Athen/Dörr, EUV/AEUV, Art. 344 AEUV Rn. 25; Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 126; Bartlett Castellá, IntTLR 2020, 139 (148 f.); Signorelli, ESIL, Conference Paper Nr. 23/2019, S. 10; Gundel, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, NVwZ 2018, 723 (727); Gundel, EWS 2018, 124 (125); Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (365); Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, JZ 2018, 511 (515); Kottmann, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, EuZW 2016, 512 (519); Schill, JWIT 2015, 379 (384); Kaddous, SRIEL 2013, 3 (5); Tietje, IPRax 2013, 64 (66); Tietje, BTWR 104/2011, S. 17; Tietje, BTWR 78/2008, S. 17; Burgstaller, LIEI 2012, 207 (217); Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (86 f.); Müller, EuZW 2010, 851 (853); Eilmansberger, CMLRev 2009, 383 (404); Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (223); Söderlund, JIntlArb 2007, 455 (459); Charanne and Construction Investments v. Spain, SCC Case No. V 062/2012 (Award, 21. Januar 2016), Rn. 444; European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic, (Award on Jurisdiction), Rn. 254 f.; Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 276; vgl. auch Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C: 2017:699, Rn. 147 ff., 153; gute Darstellung der möglichen Auslegungen und sich im Ergebnis dieser Meinung anschließend Basener, Investment Protection in the European Union, S. 264 ff. 490 Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (363 f.); Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 147 ff. 491 Vgl. European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic, UNCITRAL (Award on Jurisdiction), Rn. 254 f. 492 Siehe EuGH, Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13, EMRK, ECLI:EU:C:2014: 2454, Rn. 204 ff.

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

einem weiteren Gutachten Streitigkeiten ausschließlich zwischen Privaten von der Norm nicht als erfasst angesehen habe493.494 Sollte man nun hier eine von dieser Rechtsprechung offen gelassene Lücke sehen wollen,495 wird gleichwohl angenommen, dass Art. 344 AEUV den vorliegenden Fall nicht erfasse.496 Die oben genannte Erwägung, Investor-Staat-Schiedsverfahren seien eigentlich Streitigkeiten zwischen dem Gaststaat der Investition und dem Heimatstaat des Investors, da diese schließlich das BIT abgeschlossen haben, wird ebenfalls abgelehnt, da Art. 344 AEUV nur vorgebe, dass die Streitigkeit zwischen Mitgliedstaaten erfolgen müsse, nicht aber dass der dieser zugrunde liegende Vertrag zwischen jenen geschlossen werden musste.497 Schließlich gebe das BIT jedenfalls über Art. 3 des BIT ausdrücklich den Investoren der Vertragsparteien Ansprüche und nicht den Vertragsparteien selbst.498 Außerdem unterscheide das BIT durch Art. 8 Abs. 6 und Art. 10 Abs. 7 zwischen dem anwendbaren Recht im Rahmen von Investor-StaatStreitigkeiten und zwischenstaatlichen Streitigkeiten.499 Sofern jedoch die Anwendung der Norm auch für Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten und Privaten befürwortet werden sollte, wird vielfach das Erfordernis der „Auslegung oder Anwendung der Verträge“ i. S. d. Art. 344 AEUV für die hier in Rede stehenden Investitionsschiedsverfahren für nicht gegeben erachtet. Ein Verstoß gegen Art. 344 AEUV könne dementsprechend erst dann vorliegen, wenn Gegenstand der Entscheidung des Tribunals die Auslegung und Anwendung unionsrechtlicher Vorschriften selbst sei.500 Dies könne jedoch nicht angenommen werden, wenn ein Schiedsgericht unionsrechtliche Bestimmungen lediglich bei der Ausle-

493 Siehe EuGH, Gutachten vom 8. März 2011, Nr. 1/09, Einheitliches europäisches Patentgerichtssystem, ECLI:EU:C:2011:123, Rn. 63. 494 Basener, Investment Protection in the European Union, S. 267; vgl. auch Bücheler/ Vasiljevic´, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (337). 495 So BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (513 Rn. 28); Basener, Investment Protection in the European Union, S. 267. 496 Basener, Investment Protection in the European Union, S. 267; insoweit a. A. BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (513 Rn. 29). 497 Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 128 f.; Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, JZ 2018, 511 (515); vgl. mit umfassender Begründung auch Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 123 ff.; vgl. auch Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 154 ff. 498 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 157. 499 Ibid. Rn. 158. 500 BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (514 Rn. 32) m. w. N.; dem zustimmend Bücheler/Vasiljevic´, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (337).

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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gung und Anwendung eines BIT berücksichtige501 oder ohnehin nur einzelne unionsrechtliche Fragen erörtere.502 Immerhin beschäftigten sich auch bereits der Internationale Gerichtshof (IGH), der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), das Streitbeilegungsgremium der World Trade Organization (WTO) und das sog. „Administrative Tribunal“ der International Labour Organization mit Unionsrecht.503 Generalanwalt Wathelet bestätigt diese Auffassung in seinen Schlussanträgen mit einer ausführlichen Begründung.504 Unionsrecht spiele für das Schiedsgericht im Achmea-Fall neben Art. 8 Abs. 6 des BIT auch aufgrund des potentiell anwendbaren Art. 3 Abs. 5 des BIT und ohnehin über Art. 31 Abs. 3 lit. a) und c) VCLT eine Rolle.505 Allerdings beziehe sich die vorliegende Streitigkeit aus zwei Gründen nicht auf die Auslegung und Anwendung von Unionsrecht. Zum einen beschränke sich die Zuständigkeit des Tribunals auf die Möglichkeit zur Feststellung von BIT-Verstößen, was das Tribunal im Achmea-Fall auch erkannte und deshalb Unionsrecht außer Acht ließ.506 Zum anderen sei der Anwendungsbereich des BIT nicht identisch mit dem von EUV und AEUV.507 Letzteres sei darauf zurückzuführen, dass der Anwendungsbereich des genannten BIT weiter sei als der der Unionsverträge508, dass Normen des BIT teilweise kein Pendant im Unionsrecht finden und mit diesem auch nicht unvereinbar seien509 sowie dass einige Normen des BIT eine partielle Über-

501 Bücheler/Vasiljevic´, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (337); vgl. auch Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (365). 502 Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 129; in diese Richtung auch Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (233). 503 Bücheler/Vasiljevic´, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (337) m. w. N.; vgl. auch Parish, EJIL 2012, 141 (142 f.) m. w. N. 504 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 162 ff. 505 Ibid. Rn. 171 f.; ebenso Müller, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C284/16, RIW 2018, 200 (205). 506 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 173 ff.; siehe Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 290, 279. 507 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 173, 179 ff. 508 Ibid. Rn. 181, 183 ff.; als Beispiele für den weiteren Anwendungsbereich des BIT werden der Stabilitätsmechanismus der Eurozone, das Strafrecht und die direkten Steuern genannt. 509 Ibid. Rn. 181, 199 ff.; diese Normen seien die Meistbegünstigungsklausel in Art. 3 Abs. 2 des BIT, die Schirmklausel in Art. 3 Abs. 5 des BIT die „sunset clause“ in Art. 13 Abs. 3 des BIT und Art. 8 des BIT, welcher internationale Schiedsverfahren als ISDS-Mechanismus ermöglicht.

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

schneidung mit dem Unionsrecht aufweisen, ohne diesem jedoch im Ergebnis zuwider zu laufen.510 Letztlich wird auch das Vorliegen der Voraussetzungen für das Tatbestandsmerkmal „nicht anders als hierin vorgesehen“ in Art. 344 AEUV verneint. Die Norm schütze nicht die allumfassende Entscheidungskompetenz des EuGH, sondern verpflichte lediglich die Mitgliedstaaten, die durch EUV und AEUV zu Verfügung gestellten Verfahren vor dem EuGH im Streitfall in Anspruch zu nehmen.511 Da die Verträge aber kein Verfahren vorsehen, das eine Klage Privater gegen Mitgliedstaaten vor dem EuGH ermöglichen würde, greife Art. 344 AEUV für die vorliegende Konstellation auch aus diesem Grund nicht.512 Hierzu ist jedoch anzumerken, dass verschiedene Auslegungen dieser Passage auch ihren Grund in den unterschiedlichen Wortlauten der jeweiligen Übersetzungen haben. Immerhin haben zum Beispiel „anders als hierin vorgesehen zu regeln“, „to any method of settlement other than“ und „à un mode de règlement autre que“ nicht eindeutig dieselbe Bedeutung.513 bb) Auslegung hinsichtlich der Autonomie des Unionsrechts Sollten jedoch diese Bedenken hinsichtlich der grundsätzlichen Anwendbarkeit von Art. 344 AEUV außer Acht zu lassen sein, stellte sich dennoch die Frage, ob – wie vom EuGH angenommen – die Autonomie des Unionsrechts durch das hier in Rede stehende BIT beeinträchtigt ist. In diesem Rahmen ließe sich zunächst bezweifeln, in Art. 344 AEUV sei der Grundsatz der Autonomie des Unionsrechts kodifiziert, sodass eine Auslegung, wie sie der EuGH angenommen hat, überhaupt denkbar sein könnte.514 510

Ibid. Rn. 181, 210 ff.; diese Gewährleistungen seien „full protection and security“ in Art. 3 Abs. 2 des BIT, „fair and equitable treatment“ in Art. 3 Abs. 1 des BIT und „expropriation“ in Art. 5 des BIT. 511 Bücheler/Vasiljevic´, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (337); siehe auch EuGH, Urteil vom 30. Mai 2006, Rs. C-459/03, Kommission/Irland, ECLI:EU:C:2006:345, Rn. 152; BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (514 f. Rn. 38); OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 26 Sch 3/13, in: BeckRS 2015, 6323 Rn. 52. 512 BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (514 f. Rn. 34 f., 38); Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (365); Bücheler/Vasiljevic´, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (337); Tietje, IPRax 2013, 64 (66); Tietje, BTWR 104/2011, S. 17; Burgstaller, LIEI 2012, 207 (217); Söderlund, JIntlArb 2007, 455 (459); vgl. auch Basener, Investment Protection in the European Union, S. 267 f. und Behrens, RIW 2018, 701 (710). 513 Carducci, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, IWRZ 2016, 180 (183). 514 Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, JZ 2018, 511 (515) geht davon aus, dass der EuGH die Frage zu Art. 344 AEUV aufgrund dessen offensichtlicher Nicht-Anwendbarkeit im vorliegenden Fall unbeantwortet lässt. Seine Argumentation sei vielmehr rein institutioneller Natur; vgl. in diesem Zusammenhang auch Miller,

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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Darüber hinaus wird indessen zudem eine Beeinträchtigung der Autonomie des Unionsrechts – auch abgekoppelt von der Regelung in Art. 344 AEUV – abgelehnt.515 Bemerkenswert ist dabei, dass Generalanwalt Wathelet die nahezu identischen allgemeinen Erwägungen zur Autonomie des Unionsrechtssystems unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des EuGH anstellt, wie der EuGH in der Achmea-Entscheidung516,517 um dann aber zu einer grundlegend anderen Schlussfolgerung zu kommen: die Schiedsklausel im hier relevanten BIT verstoße weder gegen die Zuständigkeitsordnung von EUV und AEUV noch gegen die Autonomie des Unionsrechtssystems.518 Dies liege daran, dass ein Schiedsspruch stets im Rahmen eines Aufhebungsantrags oder eines Einspruchs gegen einen Antrag auf Anerkennung und Vollstreckung der Kontrolle staatlicher Gerichte unterliege.519 Dass es in diesem Rahmen Sache dieser Gerichte ist, für Auslegungsfragen zum Unionsrecht ein Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 267 AEUV zu bemühen, sei ständige Rechtsprechung des EuGH.520 Dies zeige, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten und der Union die Einheitlichkeit der Unionsrechtsanwendung – gerade auch in der vorliegenden Rechtssache – sicherstellen können.521 Dem diene für die Vollstreckung eines Schiedsspruchs der für alle Mitgliedstaaten als Signatarstaaten anwendbare Art. V des Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (The Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards; im Folgenden: New York Convention)522.523 Auch bei Schiedsverfahren, in welchen das Tribunal seinen Sitz in EuZW 2018, 357 (360), der statuiert, der EuGH wäre „ehrlicher“ gewesen, wenn er die Autonomie des Unionsrechts als allgemeinen Grundsatz angeführt hätte. 515 Umfassend hierzu Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 229 ff. 516 Siehe insoweit EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C: 2018:158, Rn. 32 ff. 517 Wobei vielmehr davon auszugehen ist, dass der EuGH insoweit die Erwägungen, wie sie der Generalanwalt anstellte, übernommen hat. Beides wiederum basiert wie gezeigt großteils auf EuGH, Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13, EMRK, ECLI:EU:C:2014:2454; vgl. insoweit auch Lang, EuR 2018, 525 (531 f.), der das Gutachten Nr. 2/13 als „Blaupause für den Maßstabsteil“ in den Erwägungen des EuGH ansieht. 518 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 237, die Prämisse zugrunde legend, dass eine Vorlagemöglichkeit gem. Art. 267 AEUV durch ein Investitionsschiedsgericht vom EuGH verneint würde. 519 Ibid. Rn. 238 f. 520 Ibid. Rn. 241 ff.; siehe EuGH, Urteil vom 1. Juni 1999, Rs. C-126/97, Eco Swiss China Time Ltd/Benetton International NV, ECLI:EU:C:1999:269, Rn. 33 m. w. N.; hierzu scheinbar aussagekräftig schweigend EuGH, Urteil vom 13. Mai 2015, Rs. C-536/13, Gazprom/Litauen, ECLI:EU:C:2015:316 und EuGH, Urteil vom 7. Juli 2016, Rs. C-567/14, Genentech/Hoechst u. a., ECLI:EU:C:2016:526. 521 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 244 f. 522 Abrufbar unter http://www.newyorkconvention.org/11165/web/files/original/1/5/15432. pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021.

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Drittstaaten hat, könne es nach Stimmen in der Literatur über die ordre publicKlausel gem. Art. V Abs. 2 lit. b) New York Convention zu mitgliedstaatsgerichtlicher Unionsrechtskontrolle kommen.524 Gegen Mitgliedstaaten bliebe insofern bei Missachtung dieser Grundsätze die Möglichkeit des Vorgehens der Kommission gem. Art. 258 und 260 AEUV.525 Diese Sicht werde auch durch die Toleranz des EuGH in Sachen der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit untermalt.526 Auch bei letzteren könne es zur Auslegung und Anwendung von Unionsrecht kommen.527 Ebenso sei eine Verletzung des gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten nicht erkennbar, da das Schiedsverfahren nicht bedeute, dass das Königreich der Niederlande oder die Slowakische Republik an der Achtung des Unionsrechts zweifelten.528 Diesen Erwägungen des Generalanwalts zustimmend, ließe sich bereits bezweifeln, ob durch ein Investitionsschiedsgericht wie dem vorliegenden überhaupt Unionsrecht in einer die Monopolstellung des EuGH unterlaufenden Weise angewendet wird.529 Schließlich wäre annehmbar, ein solches Tribunal beurteile die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Organe der Europäischen Union sowie der Mitgliedstaaten nur nach dem BIT, während Unionsrecht und nationales Recht nur als Auslegungshilfe bei der Feststellung eines BIT-Verstoßes dienen könne.530 Die Heranziehung des Unionsrechts als bloße Erkenntnisquelle bei der Beurteilung eines Verstoßes gegen ein BIT solle jedoch die Autonomie des Unionsrechts nicht ver523

Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 248; vgl. auch Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 160 f. 524 Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, JZ 2018, 511 (516); siehe ausführlich hierzu unten Kapitel II B. IV. 1. a). 525 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 255; vgl. insoweit auch Electrabel S. A. v. Republic of Hungary, ICSID Case No. ARB/07/19 (Decision on Jurisdiction, Applicable Law and Liability, 30. November 2012), Rn. 4.159 ff. 526 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 258 f.; vgl. EuGH, Urteil vom 1. Juni 1999, Rs. C-126/ 97, Eco Swiss China Time Ltd/Benetton International NV, ECLI:EU:C:1999:269; vgl. insoweit auch Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (333); siehe zur unterschiedlichen Behandlung von Investitions- und Handelsschiedsgerichtsbarkeit Gundel, EWS 2018, 124 (126 f.). 527 Kläger, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, SchiedsVZ 2018, 186 (192); vgl. auch Gundel, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/ 16, NVwZ 2018, 723 (727). 528 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 261 ff.; Söderlund, JIntlArb 2007, 455 (465) bezeichnete den Grundsatz des Gegenseitigen Vertrauens im Jahre 2007 noch als „soft-law principle“, welches die Wirksamkeit eines BIT nicht berühren könne. 529 Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 133 f. 530 Vgl. ibid.; Lang, EuR 2018, 525 (533); Bodenheimer/Eller, RIW 2018, 786 (789); so auch bereits die Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 173 ff. zum Tatbestandsmerkmal „Auslegung und Anwendung der Verträge“ i. S. d. Art. 344 AEUV.

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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letzen.531 Dieses Verständnis entspreche auch dem Sinn und Zweck von Art. 8 Abs. 6 des BIT, welcher insbesondere dazu diene die fraglichen Handlungen des Gaststaats in ihren rechtlichen Kontext zu setzen und völkerrechtlichen Pflichtenkollisionen auch über eine mögliche europarechtskonforme Auslegung des BIT vorzubeugen.532 Außerdem müssten diesbezüglich die gleichen Bedenken auch hinsichtlich ExtraEU-BIT gelten, da auch hier in dieser Form Unionsrecht ausgelegt oder angewendet werden könne.533 Insoweit ähneln sich die hierzu vorgetragenen Argumente mit jenen hinsichtlich der Ablehnung des Vorliegens des Tatbestandsmerkmals der „Auslegung oder Anwendung der Verträge“ i. S. d. Art. 344 AEUV (s. o.). Dem Hinweis der Gegenauffassung, eine mitgliedstaatsgerichtliche Kontrolle könne bei ICSID-Schiedsverfahren aufgrund von Art. 53 und 54 ICSID-Konvention nicht gewährleistet werden, wird vereinzelt mit dem Hinweis entgegengetreten Art. 54 Abs. 3 ICSID-Konvention ermögliche den mitgliedstaatlichen Gerichten eine solche Kontrolle hinsichtlich Unionsrecht.534 Zudem zeige der Beschluss der Europäischen Kommission in der Beihilfesache Micula/Rumänien535, dass auch ein ICSID-Schiedsspruch536 jedenfalls einer mittelbaren unionsrechtlichen Kontrolle unterliege, da angeordnet wurde, dass die Erfüllung des Schiedsspruchs als unionsrechtswidrige staatliche Beihilfe i. S. d. Art. 107 Abs. 1 AEUVeinzustellen sei.537 Gegen ein derartiges Vorgehen bestünde wiederum für Investor und Mitgliedstaat die Möglichkeit der Nichtigkeitsklage vor dem EuGH.538 Der Zugang zum Gerichtssystem der Europäischen Union sei mithin auch bei ICSID-Schiedssprüchen gewahrt.539 531 Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 137; Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (365); vgl. auch Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (333). 532 Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (364 f.). 533 Bischoff, IPRax 2018, 588 (591). 534 Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (228); diesem unmittelbar widersprechend Hindelang, LIEI 2012, 179 (198 Fn. 80) und von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1060); in die Richtung von Wehland auch Eilmansberger, CMLRev 2009, 383 (427 f.) und Pérez Nogales, The Role of the European Union in Intra-EU Investment Arbitration, S. 51; siehe zum Ganzen auch Bertolini, Die Durchsetzung von ISDS-Entscheidungen in Deutschland, S. 216 ff. m. w. N., der diese Erwägungen jedoch im Ergebnis ablehnt; siehe eingehend hierzu unten Kapitel II B. IV. 1. b). 535 Europäische Kommission, Beschluss vom 26. Mai 2014, COM(2014) 3192 final, SA.38517 (2014/NN). 536 Ioan Micula, Viorel Micula, S. C. European Food S. A, S. C. Starmill S. R. L. and S. C. Multipack S. R. L. v. Romania [I], ICSID Case No. ARB/05/20, (Final Award, 11. Dezember 2013). 537 Vgl. Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 162 f.; siehe dazu auch die darauffolgende Klage der Kläger gegen die Kommission vor dem EuG vom 2. September 2014, Rs. T646/14 (2014/C 439/40); siehe einen Überblick über die sog. Micula-Konstellation gebend Germelmann, EuR 2020, 375 (398 ff.) und Wehland, JWIT 2016, 942 (942 ff.); eine derartige Konstellation wurde bereits von Eilmansberger, CMLRev 2009, 383 (406, 427) als Argument gegen eine Verletzung des Auslegungsmonopols des EuGH durch Intra-EU-BIT angeführt. 538 Gundel, EWS 2018, 124 (129). 539 Ibid.

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Der Erwägung des EuGH, selbst die mitgliedstaatsgerichtliche Kontrolle eines UNCITRAL-Schiedsspruchs in Deutschland sei über § 1059 Abs. 2 ZPO nur zu begrenzt unter anderem über den ordre public möglich,540 wird zudem entgegenhalten, man hätte aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV das Gebot ableiten können, einen ordre public-Verstoß i. S. d. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) ZPO stets dann annehmen zu können, wenn Unionsrecht durch das Tribunal falsch ausgelegt oder angewandt wurde.541 Darüber hinaus scheine es widersprüchlich, dass der EuGH gerade aufgrund des Funktionierens des Rechtssystems der Europäischen Union, nämlich über eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens nach nationalem Recht in diesem Sinne entscheiden konnte.542 Daneben bestehe auch die vom EuGH543 und vom BGH544 erwähnte Möglichkeit von Zwischenverfahren, in welchen ein staatliches Gericht einem Schiedsgericht über eine Anrufung des EuGH Hilfe leistet (s. o.).545 Dass es durch die Anwendung von Unionsrecht durch Schiedsgerichte zu „de facto“-Präzedenzfällen im Sinne einer etablierten schiedsgerichtlichen Interpretationspraxis kommen könnte – wie dies die Gegenauffassung moniert – sei außerdem in Anbetracht des fragmentarischen Charakters der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit nur schwer vorstellbar.546 Ein Argument eher faktischer Natur ist daneben, dass – ganz unabhängig von der erwähnten acte clair-Doktrin (s. o.) oder der acte éclairé-Doktrin547 – gerade unterinstanzliche nationale Gerichte täglich Bestimmungen des Unionsrechts anwenden, ohne dass die daraufhin ergehenden Entscheidungen mangels Einlegung von Rechtsmitteln auch nur in die Nähe eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH gem. Art. 267 AEUV kommen würden.548 Wie oft darüber hinaus gegen die Vorlagepflicht aus Art. 267 Abs. 3 AEUV verstoßen wird, wisse auch niemand.549 Hinzu komme, dass auch nationalstaatliche Behörden trotz der Möglichkeit zur Unionsrechtsanwendung nicht vorlageberechtigt sind.550 Dagegen ließe sich auch nicht anführen, dass behördliche Entscheidungen Gegenstand von mitgliedstaats540 541 542

(451). 543

EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 53. Miller, EuZW 2018, 357 (361). Vgl. Hess, REDP 2018, 114 (124); in diese Richtung auch Brauneck, EuR 2018, 429

EuGH, Urteil vom 23. März 1982, Rs. 102/81, Nordsee, ECLI:EU:C:1982:107, Rn. 14. BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (516 Rn. 51). 545 Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (365). 546 Lang, EuR 2018, 525 (526); in diese Richtung auch Bodenheimer/Eller, RIW 2018, 786 (789) („abseits strenger Präjudizienwirkung“); vgl. auch Signorelli, ESIL 23/2019, S. 7, die hierfür anmerkt: „arbitration decisions […] bind only the parties of the arbitration proceeding and […] no decision arbitrarily interprets or extends the acquis communautaire.“ 547 Siehe hierzu Grabitz/Hilf/Nettesheim/Karpenstein, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 56. 548 Miller, EuZW 2018, 357 (363); vgl. auch von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1063 f.). 549 Miller, EuZW 2018, 357 (363). 550 Gundel, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, NVwZ 2018, 723 (727). 544

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gerichtlichen Verfahren werden können, wo Art. 267 AEUV wiederum greife, da es hierzu mangels Klagen nicht stets komme.551 In diesem Zusammenhang könne ein tatsächlicher Schaden an der europäischen Rechtsgemeinschaft durch InvestorStaat-Schiedsverfahren innerhalb der Europäischen Union bezweifelt werden.552 Jedoch reichen dem EuGH offenbar die – angesichts der zumindest regelmäßig gewährleisteten Kontrollmöglichkeit durch den EuGH im Rahmen von Aufhebungsoder Durchsetzungsverfahren überschaubaren – Lücken im autonomen Rechtssystem der Europäischen Union aus, um die Investor-Staat-Schiedsverfahren für grundsätzlich unvereinbar mit der Unionsrechtsautonomie zu erklären.553 Die minimale Gefährdung der einheitlichen Unionsrechtsauslegung unterliege hier der maximalen Sicherung der rechtlichen Interpretationshoheit.554 Dieses Verständnis des EuGH hinsichtlich einer derart weit verstandenen Monopolisierung der Rechtsauslegung und -anwendung sei abzulehnen.555 Hinsichtlich der vom Generalanwalt angesprochenen Toleranz des EuGH in Sachen der Handelsschiedsgerichtsbarkeit ließe sich auch nicht vertreten dass die Grundsätze, die für die Handelsschiedsgerichtsbarkeit gelten, mangels Parteiautonomie nicht auch für Investitionsschiedsverfahren gelten sollen.556 Dies überzeuge deshalb nicht, da auch letztere auf einer Schiedsabrede zwischen Investor und Gaststaat beruhe, welche Ausfluss der Parteiautonomie sei.557 Unabhängig von der Argumentation des EuGH zur Autonomie des Unionsrechts wird in der Literatur letztlich moniert, er höhle durch die Heranziehung des Art. 19 EUV für diese Ausführungen die Systematik der vom BGH gestellten Vorlagefragen aus.558 c) Stellungnahme zur Auslegung von Art. 344 AEUV Bevor in einem nächsten Schritt auf die Auslegung des Art. 267 AEUV und die damit einhergehende potentielle Möglichkeit einer Vorlage nach Art. 267 AEUV 551

Ibid. Miller, EuZW 2018, 357 (363). 553 Lang, EuR 2018, 525 (534). 554 Ibid.; vgl. in diese Richtung auch Nagy, GLJ 2018, 981 (992 f.). 555 Bodenheimer/Eller, RIW 2018, 786 (789). 556 Bischoff, IPRax 2018, 588 (591). 557 Ibid.; Pinna, PJIA 2018, 73 (78 f.); Bodenheimer/Eller, RIW 2018, 786 (790) sieht sogar eine ähnliche Autonomie bei den BIT-Vertragsstaaten im Rahmen der Vereinbarung einer Schiedsklausel an; vgl. in diese Richtung auch Nagy, GLJ 2018, 981 (992) und Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (501); siehe zum Ganzen auch von Bogdandy/Bogdanowicz/Canor/Grabenwarter/Taborowski/Schmidt/Sadowski, Defending Checks and Balances in EU Member States, 333 (345 ff.). 558 Scholtka, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, EuZW 2018, 239 (244); Miller, EuZW 2018, 357 (359) spricht gar von einer Änderung der Vorlagefragen durch den EuGH. 552

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

durch ein Investitionsschiedsgericht eingegangen wird, soll zunächst zur Auslegung des Art. 344 AEUVund der darin womöglich fußenden Autonomie des Unionsrechts Stellung genommen werden. Auch für diese Zwecke soll zwischen einer normbezogenen Auslegung auf Basis von Wortlaut, Systematik und Telos und einer Auslegung hinsichtlich der Autonomie des Unionsrechts unterschieden werden. aa) Normbezogene Auslegung Nach der ersten Vorlagefrage des BGH ist fraglich, ob Art. 344 AEUV so auszulegen ist, dass er einer Regelung wie Art. 8 Abs. 2 des BIT entgegensteht. Für eine mögliche Unvereinbarkeit ist also alleine besagte Schiedsklausel maßgeblich. Ob Art. 344 AEUV für die hier relevante Schiedsklausel überhaupt eine Aussage trifft, hängt zunächst von einer Wortlautauslegung ab. Im Rahmen dieser ist zunächst zu untersuchen, ob Art. 344 AEUV – wie von der oben bezeichneten überwiegenden Meinung – derart eindeutig zu lesen ist, dass er Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten und Privaten allein vom Wortlaut her nicht erfasse (Anwendungsbereich ratione personae). Dies ist im Ergebnis insbesondere angesichts der unterschiedlichen Sprachfassungen abzulehnen. Unabhängig davon, ob dies dem Zweck der Regelung entspricht, ist zunächst eine Lesart des Art. 344 AEUV denkbar, welche auch Investor-Staat-Schiedsverfahren erfasst. Schließlich „verpflichten sich“ die Mitgliedstaaten nach dem Wortlaut des Art. 344 AEUV „Streitigkeiten […] nicht anders als hierin vorgesehen zu regeln“. Da es um „Streitigkeiten“ geht und nicht um „Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten“559 ist der Wortlaut nicht insofern bereits eindeutig, als er von „Die Mitgliedstaaten“ im Plural ausgeht. Dies ist auch in dem Sinne auslegbar, dass die Mitgliedstaaten durch Art. 344 AEUV jeweils einzeln verpflichtend angesprochen sein sollen.560 Ebendieses gilt auch für die anderssprachigen Fassungen des Art. 344 AEUV (vgl. exemplarisch „Member States […] a dispute […]“ (engl.) / „Les E´tats membres […] un diffe´rend […]“ (franz.) / „Los Estados miembros […] las controversias […]“ (span.) / „Gli Stati membri […] una controversia […]“ (ital.)). Angesichts dessen wäre eine allen Sprachfassungen entsprechende, mögliche Auslegung von Art. 344 AEUV (zur Veranschaulichung im Englischen): „Each Member State undertakes not to submit a dispute [between Member States, between Member States and the European Union and between Member States and private parties] concerning the interpretation or application of the Treaties to any method of settlement other than those provided for therein.“561 559

Siehe insofern bspw. Art. 273 AEUV. Im Sinne von: „Jeder einzelne Mitgliedstaat verpflichtet sich […]“. 561 Die Geltung des Art. 344 AEUV für Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten und der Europäischen Union hat der EuGH in EuGH, Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13, EMRK, ECLI:EU:C:2014:2454, Rn. 204 ff. bereits festgestellt. Dass Art. 344 AEUV nicht für Streitigkeiten zwischen Privaten gilt, hat der EuGH in EuGH, Gutachten vom 8. März 2011, 560

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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Alleine diese Ausführungen zeigen, dass der Wortlaut des Art. 344 AEUV jedenfalls nicht eindeutig explizit Investor-Staat-Verfahren ausschließt. Für die Beantwortung der Frage, welche personellen Disput-Konstellationen Art. 344 AEUV erfasst, werden die Unterschiede der jeweiligen Sprachfassungen aber hinsichtlich eines anderen Tatbestandsmerkmals bedeutungsvoll. Die Formulierung, die im Rahmen der deutschsprachigen Fassung von den anderssprachigen Fassungen entscheidend abweichend auslegbar wäre, ist nämlich vielmehr: „zu regeln“. Die Mitgliedstaaten verpflichten sich nicht, Streitigkeiten nicht anders als hierin vorgesehen „beizulegen“, sondern eben „zu regeln“. Diese Ausdrucksweise könnte darauf schließen lassen, dass es bei Art. 344 AEUV nicht um eine Verpflichtung hinsichtlich der gegenseitigen Streitbeilegung geht, sondern um eine Verpflichtung, keine Regelungen („zu regeln“) zu treffen, die eine solche möglicherweise gewährleisten. Von dieser Erwägung bleibt unberührt, ob es in Investitionsschiedsverfahren um die „Auslegung oder Anwendung der Verträge“ geht oder ob das Tatbestandsmerkmal „anders als hierin vorgesehen“ erfüllt ist. Es wäre nach diesem Verständnis lediglich zu erkennen, dass Mitgliedstaaten, indem sie ein BIT abschließen, welches für Investor-Staat-Streitigkeiten ein Streitbeilegungsmechanismus anders als in den Unionsverträgen vorgesehen bereitstellt, dieser Verpflichtung nicht entsprechen, da sie einen möglicherweise von den Verträgen nicht erfassten Streitbeilegungsmechanismus ermöglichen. Nicht zu verwechseln ist ein derartiges Normverständnis mit der bereits genannten, teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung, Streitigkeiten aufgrund von Schiedsklauseln wie der vorliegenden seien solche zwischen den Vertragsstaaten, da um die Verletzung eines BIT gestritten würde, welches zwei Mitgliedstaaten schlossen.562 Das hier erwogene Auslegungsverständnis geht sehr wohl von einer Investor-Staat-Streitigkeit aus, welche jedoch durch die Regelung („zu regeln“) eines Mitgliedstaates ermöglicht wird. Allerdings lassen beispielsweise der englische oder französische Wortlaut des Art. 344 AEUV eine derartige Auslegung nur schwerlich zu. Diese lauten vollständig: „Member States undertake not to submit a dispute concerning the interpretation or application of the Treaties to any method of settlement other than those provided for therein.“563 „Les E´tats membres s’engagent a` ne pas soumettre un diffe´rend relatif a` l’interpre´tation ou a` l’application des traite´s a` un mode de re`glement autre que ceux pre´vus par ceux-ci.“564

Nr. 1/09, Einheitliches europäisches Patentgerichtssystem, ECLI:EU:C:2011:123, Rn. 63 bereits festgestellt; siehe für ein ähnliches Auslegungsverständnis auch den Vorschlag in Bücheler/Vasiljevic´, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (337). 562 S. o. Fn. 421. 563 Hervorh. d. Verf. 564 Hervorh. d. Verf.

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

In dieser Ausdrucksweise wirkt es offenkundig, dass Art. 344 AEUV die Mitgliedstaaten daran hindere eine Streitigkeit, an der sie zumindest auf einer Seite beteiligt sind, einem nicht in den Verträgen vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismus zu unterwerfen („submit“ bzw. „soumettre“). Insofern scheint der Ausschluss von Streitigkeiten ausschließlich zwischen Privaten vom Anwendungsbereich des Art. 344 AEUV nach dieser Formulierung zwingend. Diese Formulierungen suggerieren überdies, dass Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art. 344 AEUV die Unterwerfung einer Streitigkeit, an dem ein Mitgliedstaat zumindest auf einer Seite Partei ist, durch diesen Mitgliedstaat ist. Dies widerspricht dem oben skizzierten Verständnis von „zu regeln“ und spricht dafür, diese Formulierung auch im Deutschen doch im Sinne von „beizulegen“ auszulegen. Sofern Art. 344 AEUV also unter Heranziehung des englischen Wortlautes tatsächlich so zu verstehen wäre, dass er die „Beilegung“ solcher Streitigkeiten anspricht, käme es wiederum auf die Eingangsformulierung „Die Mitgliedstaaten“, „Member States“, „Les E´tats membres“ usw. an, wofür bereits kein eindeutiges Auslegungsergebnis festgestellt wurde. Diese Interpretationsversuche zeigen, dass – auch in Anbetracht der verschiedensprachigen Formulierungen des Art. 344 AEUV565 – eine Wortlautauslegung jedenfalls hinsichtlich der von der Norm potentiell erfassten personellen DisputKonstellationen keine eindeutigen Ergebnisse bietet. Auch der EuGH hat diese Frage weder im Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13566 noch im Gutachten vom 8. März 2011, Nr. 1/09567, noch in der MOX-Plant-Entscheidung568 eindeutig beantwortet. Es bleibt also festzuhalten, dass der Wortlaut hinsichtlich der erfassten personellen Disput-Konstellationen schweigt und nicht zielführend auslegbar ist. Entgegen vieler geht es mithin im Rahmen der Wortlautauslegung des Art. 344 AEUV nicht um dieses vermeintliche Tatbestandsmerkmal, sondern vielmehr um die Formulierungen „Auslegung oder Anwendung der Verträge“ und „anders als hierin vorgesehen“. Das Erfordernis der „Auslegung oder Anwendung der Verträge“ ist als eine Bezugnahme auf das gesamte Unionsrecht zu verstehen.569 Erfasst ist dabei jede Rechtsanwendung im Einzelfall.570 Hier ist deshalb entscheidend, dass ein Investitionsschiedsgericht über eine Schiedsklausel wie Art. 8 Abs. 2 des BIT in Verbin565

sind. 566

Welche gem. Art. 358 AEUV i. V. m. Art. 55 Abs. 1 EUV gleichermaßen verbindlich

EuGH, Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13, EMRK, ECLI:EU:C:2014:2454. EuGH, Gutachten vom 8. März 2011, Nr. 1/09, Einheitliches europäisches Patentgerichtssystem, ECLI:EU:C:2011:123. 568 EuGH, Urteil vom 30. Mai 2006, Rs. C-459/03, Kommission/Irland, ECLI:EU:C:2006: 345. 569 von der Groeben/Schwarze/Hatje/Dittert, Europäisches Unionsrecht, Art. 344 AEUV, Rn. 6. 570 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Athen/Dörr, EUV/AEUV, Art. 344 AEUV Rn. 28. 567

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dung mit Art. 8 Abs. 6 des BIT für die Entscheidung Unionsrecht zum einen als Recht der Vertragsparteien („the law in force of the Contracting Party concerned“) und zum anderen als relevantes Abkommen der Vertragsparteien („other relevant Agreements between the Contracting Parties“) anwenden kann. Sowohl für den Fall, dass ein solches Schiedsgericht den Disput unter alleiniger oder maßgeblicher Anwendung von Unionsrecht entscheide, als auch für den Fall, dass jenes Unionsrecht nur für die Feststellung eines Verstoßes gegen das BIT auslegend heranzieht, wäre eine Anwendung oder Auslegung der Verträge alleine vom Wortlaut her nicht zwingend ausgeschlossen. Allerdings scheint der Wortlaut prima facie zu erfordern („über“), dass Art. 344 AEUV nur für eine tatsächlich streitentscheidende Unionsrechtsauslegung oder -anwendung gelte und nicht bloß für eine Prüfung des BIT unter Berücksichtigung womöglich nur der Wertungen des Unionsrechts.571 Letztlich kommt es aber nicht darauf an, wie das Tribunal im Achmea-Fall Art. 8 Abs. 6 des BIT verstand, sondern lediglich, wie eine Norm mit dem Inhalt von Art. 8 Abs. 6 des BIT, welche über eine Norm, wie Art. 8 Abs. 2 des BIT Bedeutung erlangt, allgemein von einem Schiedsgericht verstanden werden kann. Art. 8 Abs. 6 des BIT ist jedoch ohne weiteres so auslegbar, dass eine Entscheidung streitentscheidend alleine oder mitunter aufgrund einer Unionsrechtsverletzung erfolgt. Der Wortlaut von Art. 8 Abs. 6 des BIT („The arbitral tribunal shall decide on the basis of the law, taking into account in particular though not exclusively.“) ist insofern offen. Eine derartige Entscheidung erginge freilich über die Auslegung und die Anwendung der Verträge. Eine Klausel mit dem Inhalt von Art. 8 Abs. 2 des BIT im Kontext des restlichen BIT fällt mithin unter das Erfordernis der „Auslegung oder Anwendung der Verträge“ i. S. d. Art. 344 AEUV. Letztlich fordert der Wortlaut des Art. 344 AEUV noch, dass die Mitgliedstaaten besagte Streitigkeiten „nicht anders als hierin vorgesehen zu regeln“ haben. Auch hier geben die verschiedensprachigen Wortlaute Raum für unterschiedliche Auslegungen. Die Formulierung „anders als hierin vorgesehen zu regeln“ ließe sich beispielsweise weiter auslegen als „to any method of settlement other than“ oder „à un mode de règlement autre que“.572 Jedoch lässt sich angesichts einer Gesamtschau der Normfassungen annehmen, dass Art. 344 AEUV insofern keine allumfassende Entscheidungskompetenz des EuGH für jede Streitigkeit im Binnenbereich der Europäischen Union statuieren will. Es geht lediglich um eine Entscheidungskompetenz hinsichtlich der in den Verträgen dem EuGH zugewiesenen Verfahren.573 Zu berücksichtigen ist zwar, dass die Art. 258 ff. AEUV und insbesondere Art. 259 AEUV ebenfalls eine Möglichkeit bieten, durch die der Heimatstaat eines Investors eine Maßnahme des Gaststaats der 571 Vgl. auch ibid. Rn. 29, die zudem eine Notwendigkeit der Unionsrechtsauslegung oder -anwendung für die Entscheidung in der Sache fordern. 572 Vgl. auch Carducci, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, IWRZ 2016, 180 (183). 573 So auch Bücheler/Vasiljevic´, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (338).

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Investition durch den EuGH kontrollieren lassen kann. Allerdings geht es dabei nicht um eine Entschädigung des Investors, sodass dies nicht mit der Rechtsschutzmöglichkeit jenes über ein Investitionsschiedsgericht vergleichbar ist. Ein anderes Verständnis gebietet insoweit auch die Möglichkeit der Beschreitung des Instanzenzugs nationaler Gerichte vor dem Hintergrund der Francovich-Rechtsprechung574 des EuGH nicht, da jene nicht in den Unionsverträgen vorgesehen ist. In Anbetracht dessen, dass die Wortlautauslegung grundsätzlich die äußerste Grenze auch einer Telos-Auslegung markiert,575 ist festzuhalten, dass sich die originäre Bedeutung von Art. 344 AEUV in den in den Verträgen tatsächlich vorgesehenen Verfahren, also insbesondere hinsichtlich des Vertragsverletzungsverfahren aus Art. 259 AEUV, erschöpft.576 Auch der Sinn und Zweck des Art. 344 AEUV ermöglicht mithin nicht, aus der Norm alleine eine Unionsrechtswidrigkeit der vorliegenden Schiedsklausel herzuleiten. Letztlich wird durch eine solche Klausel kein Verfahren vorgesehen, dass die Unionsverträge regeln würden.577 Es bleibt also festzuhalten, dass die Auslegung nur des Art. 344 AEUV nicht bereits eine Unionsrechtswidrigkeit einer Schiedsklausel wie der vorliegenden bedeutet. Dies hat jedoch auch der EuGH nicht festgestellt. Wohl bewusst gingen die Richter nicht auf die Tatbestandsmerkmale im Wortlaut des Art. 344 AEUV ein, sondern prüften Art. 267 und 344 AEUV gemeinsam als Ausdruck der Autonomie des Unionsrechts. Es ist also zu statuieren, dass es durchaus kritikwürdig ist, dass der EuGH nicht explizit auf die in der Literatur und Rechtsprechung seit langem schwelende Diskussion um den personellen Anwendungsbereich des Art. 344 AEUV einging.578 Insoweit bestand eine Lücke in der Rechtsprechung des EuGH.579 Die dahingehende Rechtsunsicherheit bleibt mithin bestehen.580 Allerdings können die Ausführungen des EuGH hierzu auch nicht als rechtlich fehlerhaft oder unver574 EuGH, Urteil vom 19. November 1991, verbundene Rs. C-6/90 u. 9/90, Francovich, ECLI:EU:C:1991:428. 575 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 143. 576 Vgl. auch von der Groeben/Schwarze/Hatje/Dittert, Europäisches Unionsrecht, Art. 344 AEUV, Rn. 15. 577 Vgl. insoweit auch BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (514 f. Rn. 34 f., 38); Basener, Investment Protection in the European Union, S. 267 f.; Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (365); Behrens, RIW 2018, 701 (710); Bücheler/Vasiljevic´, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (337); Tietje, IPRax 2013, 64 (66); Tietje, BTWR 104/2011, S. 17; Burgstaller, LIEI 2012, 207 (217); Söderlund, JIntlArb 2007, 455 (459); kritisch hierzu Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 113 ff. 578 So bspw. auch Scholtka, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, EuZW 2018, 239 (244). 579 Vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (513 Rn. 28); Basener, Investment Protection in the European Union, S. 267. 580 Vgl. aber Restrepo Amariles/Farhadi/Van Waeyenberge, ICLQ 2020, 907 (925 f.) und Gáspár-Szilágyi, EP 2018, 357 (365) welche die Lücke in der Rechtsprechung des EuGH als geschlossen ansehen.

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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tretbar eingeordnet werden, da sie sich schlicht nicht – wie hier – alleine auf die Norm des Art. 344 AEUV im Einzelnen beziehen. bb) Auslegung hinsichtlich der Autonomie des Unionsrechts Wie bereits gesehen, stützt der EuGH seine Erwägungen zur Autonomie des Unionsrechts auf eine gemeinsame Prüfung der Art. 267 und 344 AEUV. Zu statuieren ist vorab, dass ein Verständnis der Unionsrechtsautonomie, wie der EuGH es heranzog, nicht bereits deshalb ausgeschlossen ist, da alleine Art. 344 AEUV nach der hier vertretenen Auffassung im Rahmen von Investor-Staat-Schiedsverfahren nicht greift.581 Schließlich stellt der EuGH nicht primär eine Verletzung von Art. 344 AEUV fest, sondern, dass auf einer Gesamtschau von Art. 267 und 344 AEUV in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 3 EUV die Autonomie des Unionsrecht gründe, und dass diese Normen gemeinsam so auszulegen sind, dass sie einer Schiedsklausel wie der vorliegenden entgegenstehen. Der entgegenstehende Wortlaut des Art. 344 AEUV vermag hieran nicht zwingend etwas zu ändern. Auch die teilweise vorgetragene Kritik, der EuGH hätte die Vorlagefragen geändert582 oder würde sie aushöhlen583 verkennt die grundlegenden Gedanken der Richter, unabhängig davon, ob diese einer rechtlichen Würdigung standhalten. Der EuGH sieht nämlich offenbar in Investor-Staat-Schiedsverfahren auf Grundlage von Schiedsklauseln wie der vorliegenden eine Verletzung der Autonomie des Rechtssystems der Europäischen Union. Dies vorausgesetzt, gehen beim EuGH besagte Vorlagefragen durch den BGH gem. Art. 267 Abs. 3 AEUVein. Nun hätte der EuGH die Möglichkeit gehabt, festzustellen, dass Art. 344 AEUV vorliegend alleine vom Wortlaut her nicht greife und dass Art. 267 AEUV als Verfahrensvorschrift überhaupt keine Auslegung ermögliche, die einer Klausel wie Art. 8 Abs. 2 des BIT entgegenstehen kann.584 Dann wäre es auf die Auslegung von Art. 18 Abs. 1 AEUV angekommen. Es erscheint widersinnig anzunehmen, dass es beim BGH gelegen haben müsste, die Vorlagefragen offener dahingehend zu formulieren, ob die Normen Art. 258, 259, 263, 265, 267, 273, 274 und 344 AEUV in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 3 EUV585 als Grundlage des Grundsatzes der Autonomie des Unionsrechts so auszulegen seien, dass sie einer solchen Schiedsklausel entgegenstehen. Die Erwägungen des EuGH zur Unionsrechtsautonomie könnten genauso auf diese Fragestellung umgemünzt werden. Es ist mithin zu begrüßen, dass der EuGH – angesichts dessen, dass er von einer Verletzung der Unionsrechtsautonomie ausgeht – die Vorlagefragen des BGH in diesem Sinne offen verstanden hat. 581

In diese Richtung auch Basener, Investment Protection in the European Union, S. 269 f. Miller, EuZW 2018, 357 (359). 583 Scholtka, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, EuZW 2018, 239 (244). 584 Siehe zu Art. 267 AEUV sogleich Kapitel I C. II. 2. 585 Siehe zur Zusammenstellung dieser Normen von der Groeben/Schwarze/Hatje/Dittert, Europäisches Unionsrecht, Art. 344 AEUV, Rn. 1 ff. 582

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Eine andere Frage ist jedoch, ob – wie der EuGH annahm – tatsächlich die Autonomie des Unionsrechtssystems von einer derartigen Schiedsklausel beeinträchtigt ist. Erneut ist hier zu bemerken, dass die folgenden Erwägungen auf der Prämisse beruhen, dass ein Investitionsschiedsgericht – wie vom EuGH auch angenommen – nicht vorlageberechtigt i. S. d. Art. 267 AEUV ist. Diese Thematik soll vielmehr sogleich (2.) erörtert werden. Überzeugend sind zunächst die Erwägungen des EuGH zum Wesen des autonomen Rechtssystems der Europäischen Union unter mehrmaligem Verweis vor allem auf das Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13586. Der EuGH kommt somit zu dem schlüssigen Ergebnis, dass eine Beeinträchtigung der Autonomie des Unionsrechts jedenfalls in Betracht kommt, wenn ein Investitionsschiedsgericht Unionsrecht auslegen und anwenden kann, dies für die Parteien des Verfahrens verbindlich ist und für den EuGH nicht zumindest die Möglichkeit einer Kontrolle besteht. Bezüglich der Auslegung oder Anwendung von Unionsrecht wurde bereits festgestellt, dass ein Schiedsgericht, welches über eine Norm wie Art. 8 Abs. 2 des BIT konstituiert wurde über eine Norm wie Art. 8 Abs. 6 des BIT Unionsrecht zumindest möglicherweise streitentscheidend heranziehen kann (s. o.). Ob dies ein Tribunal im konkreten Fall nicht tut, so wie das hiesige Tribunal, spielt insofern keine Rolle.587 Art. 8 Abs. 2 i. V. m. Art. 8 Abs. 6 des BIT ermöglichen die Unionsrechtsauslegung bzw. -anwendung durch ein Schiedsgericht. Die Frage, die sich dem EuGH konsequenterweise gestellt hat, war, ob im Rahmen dieser potentiellen Unionsrechtsanwendung des Schiedsgerichts die hinreichende Möglichkeit der Kontrolle durch den EuGH besteht. Grund hierfür ist, dass auch nationale Gerichte und nationale Behörden (mit anschließend möglicher mitgliedstaatsgerichtlichen Kontrolle) täglich Unionsrecht auszulegen und anzuwenden haben. Über die Vorlagepflicht an den EuGH gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV für Auslegungsfragen hinsichtlich des Unionsrechts für letztinstanzliche Gerichte und die Vorlagemöglichkeit nach Art. 267 Abs. 2 AEUV wird in der Theorie sichergestellt, dass das Unionsrecht insgesamt einer autonom einheitlichen Auslegung zugeführt wird. Dieses „prozedurale Vehikel“588 ist mithin – wie auch vom EuGH erkannt – ein Schlüsselelement der Autonomie des Rechtssystems der Europäischen Union. Gegen eine potentielle Verletzung der Vorlagepflicht des Art. 267 Abs. 3 AEUV ist letztlich die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Kommission gem. Art. 258 AEUV denkbar.589 586

EuGH, Gutachten vom 18. Dezember 2014, Nr. 2/13, EMRK, ECLI:EU:C:2014:2454. So auch Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, JZ 2018, 511 (515). 588 Jaeger, EuR 2018, 611 (644). 589 Auch wenn es hierzu bisher kaum kam, vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim/Karpenstein, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 72 m. w. N. und Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 178 Fn. 621. 587

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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Durch einen Schiedsspruch von einem Investitionsschiedsgericht dürfte dieses System nun nicht beeinträchtigt sein. Unter der Prämisse, dass ein Schiedsgericht selbst nicht vorlageberechtigt i. S. d. Art. 267 Abs. 2 AEUVoder gar vorlagepflichtig i. S. d. Art. 267 Abs. 3 AEUV ist (siehe hierzu sogleich), stellt sich mithin die Frage, ob und inwieweit eine hinreichende Kontrolle der einheitlichen Unionsrechtsanwendung durch den EuGH sichergestellt werden kann. Dies ist vor allem aus folgenden Gründen zweifelhaft: – Eine mitgliedstaatsgerichtliche Kontrolle im Nachgang eines Schiedsverfahrens nach den UNCITRAL-Schiedsregeln, das der Administration durch den Permanent Court of Arbitration (PCA), der International Chamber of Commerce (ICC), dem Arbitration Institute of the Stockholm Chamber of Commerce (SCC) oder etwa dem London Court of International Arbitration (LCIA) (s. o.) unterlag, ist im Rahmen eines Aufhebungs- bzw. Vollstreckungsgesuchs stets an die vorgegebene Kontrollbefugnis gebunden.590 Wie sich exemplarisch an § 1059 ZPO zeigen lässt, wäre nicht jede fehlerhafte Anwendung des Unionsrechts durch das Tribunal ein Aufhebungsgrund für das zuständige Gericht. Insbesondere kann nicht jede fehlerhafte Unionsrechtsanwendung einen ordre public-Verstoß i. S. d. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) ZPO bedeuten. Allein dies hindert eine volle Gewährleistung der Letztentscheidungskompetenz des EuGH.591 Dies gilt ebenso für die Anwendung von Art. V New York Convention im Rahmen von Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren. Sofern der Sitz des Schiedsgerichts außerhalb der Europäischen Union liegt, kann es zudem ohnehin nicht zu einer Kontrolle über den EuGH kommen, da diese staatlichen Gerichte (außerhalb der Europäischen Union) nicht vorlageberechtigt i. S. d. Art. 267 AEUV sind. Ebenso ist auch für die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs außerhalb der Europäischen Union keine Vorlagemöglichkeit nach Art. 267 AEUV gegeben. Für die Fälle, in welchen die staatsgerichtliche Kontrolle im Rahmen von Aufhebungoder Vollstreckungsverfahren im Ausland außerhalb der Europäischen Union erfolgt, ist mithin grundsätzlich eine Letztentscheidungskompetenz des EuGH nicht gewährleistet. – Im Rahmen von Schiedsverfahren auf Grundlage der ICSID-Konvention wurde bereits gezeigt, dass eine mitgliedstaatsgerichtliche Kontrolle über Art. 53 und 54 ICSID-Konvention als ausgeschlossen angesehen wird.592 An den damit einhergehenden Bedenken könnten im Grundsatz auch keine Überlegungen hinsichtlich einer ausnahmsweise potentiell möglichen Kontrolle über Art. 54 Abs. 3 ICSIDKonvention etwas ändern. Die Besorgnis hinsichtlich der ICSID-Schiedsge590

Vgl. Hess, REDP 2018, 114 (127); Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (488 f.). So auch BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (333 f. Rn. 56); Bücheler/Vasiljevic´, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (338). 592 Vgl. umfassend hierzu Bertolini, Die Durchsetzung von ISDS-Entscheidungen in Deutschland, S. 216 ff., 234 f. 591

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richtsbarkeit innerhalb der Europäischen Union sind vor diesem Hintergrund auch nicht deshalb nur „rein hypothetisch“, da das hier in Rede stehende BIT nicht das ICSID als Sekretariat des Schiedsgerichts nennt.593 Es geht nämlich bei der Entscheidung des EuGH nicht um ein konkret „in Rede stehendes“ BIT. Die Vorlagefragen hat der BGH richtigerweise insoweit offen formuliert und sich bloß auf eine Regelung in BIT bezogen, die Investor-Staat-Streitigkeiten ermöglicht. Der EuGH bezog sich deshalb in seinen Ausführungen konsequent auch nur auf eine Bestimmung „wie“ Art. 8 des BIT. – Wenig Beachtung594 hat in Rechtsprechung und Literatur die Möglichkeit von Zwischenverfahren vor Ergehen eines Schiedsspruchs erfahren. Nach deutschem Schiedsverfahrensrecht besteht diese Möglichkeit gem. § 1050 ZPO. Wie bereits festgestellt, wird ein Antrag nach § 1050 S. 1 ZPO auch für möglich gehalten, wenn das Schiedsgericht eine Vorlage an den EuGH oder an das BVerfG für geboten hält.595 Eine Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV kommt jedoch im deutschen Recht auch nur deshalb in Betracht, da das gem. § 1062 Abs. 4 ZPO hierfür zuständige Amtsgericht ein mitgliedstaatliches Gericht mit Vorlageberechtigung ist. Für ein Schiedsverfahren in einem Drittstaat gilt deutsches Recht ohnehin nicht, wenn dies nicht von den Parteien explizit vereinbart sein sollte. Unabhängig von der Zulässigkeit einer solchen Verfahrensrechtsvereinbarung und der damit möglicherweise einhergehenden Möglichkeit, trotz des Sitzes eines Schiedsgerichts außerhalb der Europäischen Union, ein Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 267 Abs. 2 AEUV über ein insofern potentiell zuständiges deutsches Amtsgericht einzuleiten, fehlte es jedenfalls an einer mit Art. 267 Abs. 3 AEUV vergleichbaren Pflicht. Die in Art. 267 Abs. 3 AEUV statuierte Vorlagepflicht prägt jedoch die Sicherstellung der Unionsrechtsautonomie durch den EuGH maßgeblich. – Letztlich ist auch denkbar, dass ein unionsrechtswidrig ergangener Schiedsspruch unter streitentscheidender Anwendung von Unionsrecht ergeht, der Gaststaat der Investition als Beklagter unterliegt, dieser kein Aufhebungsgesuch vor nationalstaatlichen Gerichten anstrengt und den fälligen Anspruch ohne die vorherige Einleitung eines Anerkennungs- bzw. Vollstreckungsverfahrens durch den Kläger begleicht. Allen diesen Lücken im autonomen Rechtssystem der Europäischen Union ließe sich nun entgegenhalten, dass gegen Mitgliedstaaten, welche einen solchen uni593 So aber Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 253; vgl. dem unmittelbar widersprechend Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (286). 594 Siehe aber u. a. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/ 10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (125); Classen, EuR 2012, 611 (617) m. w. N.; Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (365); umfassend auch Basedow, FS Klamaris, S. 63 ff. und Basedow, JIntlArb 2015, 367 (374 ff.). 595 S. o., MüKoZPO/Münch, § 1050 Rn. 11 m. w. N.; BeckOKZPO/Wilske/Markert, § 1050 Rn. 6 m. w. N.; vgl. auch Schütze, SchiedsVZ 2007, 121.

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onsrechtswidrig ergangenen Schiedsspruch – unabhängig von der diesem zugrundeliegenden Schiedsordnung – erfüllen, ein Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 258 ff. AEUV eingeleitet werden kann. Dies lässt sich insbesondere anhand der bereits beschriebenen Micula-Konstellation (s. o.)596 veranschaulichen. Nun wäre es allerdings überaus misslich, eine Schiedsklausel wie die vorliegende alleine deshalb für mit der Autonomie des Unionsrechts vereinbar zu erklären, da im Falle von Schiedssprüchen, welche unter fehlerhafter Auslegung oder Anwendung von Unionsrecht ergehen, über Vertragsverletzungsverfahren deren Durchsetzung verhindert würde. Dies liefe letztlich auf eine Aushöhlung des eigentlichen Sinns der Investitionsschiedsverfahren hinaus. Außerdem bedeutete dies, dass eine Norm wie Art. 8 Abs. 6 des BIT entgegen ihrem Wortlaut von den Schiedsgerichten nur so verstanden werden könnte, dass Unionsrecht nicht heranzuziehen ist, damit tatsächlich eine sichere Möglichkeit der Anspruchsdurchsetzung bestünde. Die Folge dessen wäre jedoch eine schiedsgerichtliche Praxis unter vollkommener Ausblendung des Unionsrechts. Mit Blick auf das Rechtssystem der Europäischen Union wäre es aber zumindest ebenso zweifelhaft, wenn Schiedsgerichte wegen BITVerstößen Ansprüche von Investoren gegen Mitgliedstaaten feststellen, welche nach materiellem Unionsrecht nicht bestünden. Auch hier wären wiederum Vertragsverletzungsverfahren gegen den erfüllenden Staat denkbar. Konsequenterweise kann also die Möglichkeit der Vertragsverletzungsverfahren nichts an den Konflikten ändern, die sich durch Investitionsschiedsverfahren mit der Stellung des EuGH in der Europäischen Union ergeben.597 Es stellt sich mithin die abschließende Frage, ob der EuGH zutreffend annahm, dass diese – wie gezeigt – tatsächlich bestehenden Konflikte mit der Unionsrechtsautonomie ausreichen, um im Ergebnis die vorliegende Schiedsklausel für mit dem Unionsrecht unvereinbar zu erklären. Es ist nämlich zu statuieren, dass auch an anderen Stellen im Rechtssystem der Europäischen Union Unionsrecht ohne Beteiligung des EuGH ausgelegt und angewandt wird. So wenden Gerichte und Behörden unionsweit täglich Unionsrecht an, ohne dass es zu einer Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV oder Art. 267 Abs. 2 AEUV im Falle einer Ermessensreduktion kommen würde (s. o.). Dass bislang – wie bereits dargelegt – noch kaum ein Vertragsverletzungsverfahren durch die Kommission gegen ein die Vorlagepflicht womöglich missachtendes Gericht eingeleitet wurde,598 macht deutlich, dass die Einheitlichkeit der Unionsrechtsauslegung im Rechtssystem 596 Siehe Europäische Kommission, Beschluss vom 26. Mai 2014, COM(2014) 3192 final, SA.38517 (2014/NN). 597 So im Ergebnis auch Hindelang, LIEI 2012, 179 (198) und Hindelang, EL Rev. 2019, 383 (399); vgl. auch von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1075). 598 Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim/Karpenstein, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 72 m. w. N. und Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 178 Fn. 621.

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der Europäischen Union ohnehin nicht vollumfänglich gesichert ist. Auch die Handhabung besagter acte clair-Doktrin und acte éclairé-Doktrin durch die Gerichte kann mit Unsicherheiten behaftet sein. Letztlich steht es auch grundsätzlich mitunter im Belieben der Parteien, ob ein Gerichtsverfahren überhaupt bis in die letzte Instanz gelangt und im Belieben des Betroffenen, ob eine behördliche Maßnahme überhaupt der gerichtlichen Kontrolle zugeführt wird. Auch im Rahmen der Handelsschiedsgerichtbarkeit kann es schließlich zu mit dem Unionsrecht nicht zu vereinbarenden Entscheidungen kommen.599 Trotz dessen stellt der EuGH deren Gültigkeit nicht in Frage.600 Allerdings lässt sich dem EuGH schwerlich vorwerfen, die tatsächlich von der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit ausgehende Beeinträchtigung sei nicht schwerwiegend genug, um eine derartige Auslegung von Art. 344 AEUV (i. V. m. Art. 267 AEUV) anzunehmen. Es ist mithin nicht geboten oder gar zwingend, eine dahingehende Beeinträchtigung nur deshalb abzulehnen, da an anderen Stellen bereits Lücken im autonomen Rechtssystem der Europäischen Union bestehen. Insbesondere die Haltung des EuGH zur Handelsschiedsgerichtsbarkeit mag zwar indizielle, jedoch keineswegs zwingende Bedeutung für die Behandlung der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit erlangen. Es kommt letztlich vielmehr alleine auf die nicht unbeträchtlichen Lücken in der mitgliedstaatsgerichtlichen Kontrolle von Schiedssprüchen aus Investor-Staat-Schiedsverfahren an, welchen Unionsrechts zugrunde liegen kann. Dass der EuGH diese derart gewichtet, dass sie eine Beeinträchtigung der Autonomie des Rechtssystems der Europäischen Union bedeuten, ist trotz dargelegter Kritik nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Investitions- und Handelsschiedsgerichtsbarkeit führte EuGH-Generalanwalt Maciej Szpunar zudem jüngst zutreffend aus: „Zwischen diesen beiden Mechanismen besteht nämlich ein grundlegender Unterschied. Ein Handelsschiedsverfahren setzt voraus, dass jede Partei ihre Autonomie ausübt. Es beinhaltet den Abschluss einer Schiedsvereinbarung, sei es gleichzeitig mit dem Abschluss des Vertrags, für den die sich darauf beziehenden Streitigkeiten dem Schiedsverfahren unterworfen werden sollen, sei es nach Entstehung der Streitigkeit. Anders ausgedrückt ergibt sich die Zuständigkeit eines Gerichts im Handelsschiedsverfahren immer aus einer Schiedsvereinbarung, die sich auf eine in dieser Vereinbarung genau definierte Streitigkeit bezieht. Man kann nicht davon ausgehen, dass die Zuständigkeit eines solchen Schiedsgerichts unter das System des staatlich gewährten gerichtlichen Rechtsschutzes fällt. Sie resultiert vielmehr aus der Autonomie der einzelnen im Handel aktiven Parteien. Es ist nämlich diese Autonomie, aufgrund der sich die Parteien dafür entscheiden können, Streitigkeiten durch einen Rückgriff auf das Handelsschiedsverfahren beizulegen. Dagegen folgt der in einem internationalen Abkommen enthaltene Streitbeilegungsmechanismus einer anderen Logik. Ausgehend von der vorstehenden Annahme stellt er ein 599 Vgl. Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 258 und Nagy, GLJ 2018, 981 (992). 600 Siehe EuGH, Urteil vom 1. Juni 1999, Rs. C-126/97, Eco Swiss China Time Ltd/Benetton International NV, ECLI:EU:C:1999:269; Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 258.

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allgemeines und ständiges Schiedsangebot dar, das die Gegenpartei annehmen oder ablehnen kann. Mit anderen Worten verzichtet der Staat mit diesem Mechanismus auf die Möglichkeit, eine Streitigkeit zwischen ihm und einem Investor eines anderen Mitgliedstaats, die in den Anwendungsbereich des genannten Abkommens fällt, von den staatlichen Gerichten entscheiden zu lassen. Der Verzicht hat dabei systemischen Charakter, da er alle Streitigkeiten betreffen kann, die in den Anwendungsbereich des Abkommens fallen. Damit schafft der Staat einen gerichtlichen Rechtsschutzmechanismus außerhalb des von ihm bereitgestellten Gerichtssystems. Genau auf diesen Aspekt der in Abkommen zwischen Mitgliedstaaten vorgesehenen Schiedsmechanismen in Investitionsstreitigkeiten stellt der Gerichtshof im Urteil Achmea ab: Es ist nämlich nicht zulässig, wenn die Mitgliedstaaten dem Gerichtssystem der Union über eine internationale Verpflichtung systematisch eine Reihe von Streitigkeiten entziehen können, die sich auf die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts beziehen.“601

Schließlich wird weiterhin teilweise moniert, die Achmea-Entscheidung folge tendenziell eher einer politischen Doktrin als einer rechtlichen Würdigung.602 Dem ist angesichts des bis dahin noch ausstehenden CETA-Gutachtens603, den bis dahin bestehenden Unklarheiten im Zusammenhang mit dem Micula-Verfahren (s. o.), dem Streitbeilegungsmechanismus im bis dahin noch geplanten Austrittsabkommen mit dem Vereinigten Königreich604 und der grundsätzlich geäußerten Kritik zu InvestorStaat-Schiedsverfahren hinsichtlich Rechtsstaatlichkeit und Demokratie605 nicht per se zu widersprechen. Jedoch halten die Erwägungen des EuGH – wie dargelegt – im Ergebnis einer rechtlichen Würdigung stand, sodass eine potentiell dahinter stehende Agenda von zweitrangiger Bedeutung ist.

2. Die Auslegung des Art. 267 AEUV Wie bereits gesehen, hat der EuGH Art. 267 und 344 AEUV gemeinsam im Sinne der Autonomie des Unionsrechts ausgelegt. Insofern sind die vom EuGH angestellten Erwägungen zu Art. 267 AEUV als „Schlüsselelement“ des autonomen Unionsrechtssystems bereits in die obige Erörterung eingeflossen. An dieser Stelle soll, angelehnt an die Struktur der Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet,606 auf die Frage eingegangen werden, ob ein Investitionsschiedsgericht als vorlageberechtigtes 601 Schlussanträge des Generalanwalts Maciej Szpunar, 3. März 2021, Rs. C-741/19, Komstroy, ECLI:EU:C:2021:164, Rn. 60 ff.; Hervorh. d. Verf. 602 Vgl. Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (365); so auch bereits die Slowakische Republik in Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 205. 603 EuGH, Gutachten vom 30. April 2019, Nr. 1/17, Avis, ECLI:EU:C:2019:341. 604 Siehe insgesamt zu den Faktoren Bodenheimer/Eller, RIW 2018, 786 (791), welche besagte drei Faktoren mit „Three Elephants in the Courtroom“ vergleichen. 605 Siehe einen Überblick hierüber gebend Dederer, RIW 2019, 397 (399 ff.) m. w. N. 606 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 84 ff.

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Gericht i. S. d. Art. 267 AEUV angesehen werden kann (a)) und ob eine derartige Feststellung etwas an der Beeinträchtigung der Unionsrechtsautonomie ändern könnte (b)). a) Investitionsschiedsgerichte als vorlageberechtigte „Gerichte“ i. S. d. Art. 267 AEUV Bereits bevor der EuGH in der Achmea-Entscheidung die Vorlageberechtigung eines Investitionsschiedsgerichts als „Gericht eines Mitgliedstaates“ i. S. d. Art. 267 Abs. 2 AEUV oder als „einzelstaatliches Gericht“ i. S. d. Art. 267 Abs. 3 AEUV ablehnte,607 wurde dies so mehrheitlich zu privaten Schiedsgerichten im Allgemeinen608 aber auch zu Investitionsschiedsgerichten im speziellen vertreten.609 Begründend wurde dabei häufig auf bereits ergangene Entscheidungen des EuGH zur Verneinung der Vorlageberechtigung privater Schiedsgerichte verwiesen.610 Der EuGH beschränkt seine Erwägungen – wie gezeigt – nicht auf diese Verweise, sondern begründet sein Ergebnis unter Bezugnahme auf die Unterschiede von In607 EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 43 ff. 608 Streinz/Ehricke, EUV/AEUV (2. Auflage 2012), Art. 267 AEUV Rn. 33; von der Groeben/Schwarze/Hatje/Gaitanides, Europäisches Unionsrecht, Art. 267 AEUV Rn. 45; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Karpenstein, EUV/AEUV, (63. EL 2017), Art. 267 AEUV Rn. 18; Callies/Ruffert/Wegener, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 20; Schoch/Schneider/Bier/ Marsch, VwGO, (33. EL 2017) Art. 267 AEUV, Rn. 15; Heussen/Hamm/Karpenstein/Sangi, Beck’sches Rechtsanwalts-Handbuch, § 14 Rn. 46; Rengeling/Middeke/Gellermann/Middeke, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, § 10 Rn. 24; Broberg/Fenger, Das Vorabentscheidungsverfahren, S. 87 ff.; Wiedemann/Ollerdißen, Kartellrecht, § 60 Rn. 38. 609 Bungenberg/Griebel/Hindelang/Burgstaller, Internationaler Investitionsschutz und Europarecht, S. 113 (136); Basener, Investment Protection in the European Union, S. 286; Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (284); Bücheler/Vasiljevic´, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (338); Jaeger, EuR 2016, 203 (225 f.); Clodfelter, SCJIL 2014, 159 (180); Miron, ELJ 2014, 332 (333); Tietje, IPRax 2013, 64 (66); Hindelang, LIEI 2012, 179 (181); Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (87); Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (224); siehe auch BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328 (333, 48 ff.) m. w. N.; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (123, 125); OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014 – 26 Sch 3/13, in: BeckRS 2015, 6323 Rn. 63; Burgstaller, LIEI 2012, 207 (219 f.); Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award), Rn. 131 ff; siehe auch die Auffassung der Slowakischen Republik in Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 114 und die der Tschechischen Republik in European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic, UNCITRAL (Award on Jurisdiction, 22. Oktober 2012), Rn. 124. 610 Siehe EuGH, Urteil vom 23. März 1982, Rs. 102/81, Nordsee, ECLI:EU:C:1982:107; EuGH, Urteil vom 1. Juni 1999, Rs. C-126/97, Eco Swiss China Time Ltd/Benetton International NV, ECLI:EU:C:1999:269; EuGH, Urteil vom 27. Januar 2005, Rs. C 125/04, Guy Denuit & Betty Cordenier/Transorient, ECLI:EU:C:2005:69; EuGH, Urteil vom 14. Juni 2011, Rs. C-196/09, Miles u. a., ECLI:EU:C:2011:388; EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014, Rs. C-377/ 13, Ascendi, ECLI:EU:C:2014:1754.

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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vestitionsschiedsgerichten mit dem portugiesischen Tribunal Arbitral Tributário611 und dem Benelux-Gerichtshof612. Vor der Achmea-Entscheidung ging der EuGH von einem eher materiellen Begriffsverständnis von „Gerichten“ i. S. d. Art. 267 AEUV aus.613 Demnach seien als Kriterien insbesondere erforderlich: gesetzliche Grundlage der Einrichtung, ständiger Charakter, obligatorische Gerichtsbarkeit, streitiges Verfahren, Anwendung von Rechtsnormen und Unabhängigkeit.614 Hinsichtlich des Kriteriums des „streitigen Verfahrens“ ist die Rechtsprechung des EuGH nicht eindeutig, da das Kriterium in früherer Rechtsprechung explizit ausgeschlossen wurde,615 dann festgestellt wurde, dass dies bloß kein absolutes Kriterium sei616 und es anschließend wieder als „Merkmal“ für den Gerichtsbegriff genannt wird617.618 Der EuGH nimmt nun in der Achmea-Entscheidung eine implizite Bedeutungsverschiebung von diesem Begriffsverständnis von „Gerichten“ i. S. d. Art. 267 AEUV vor und stellt vielmehr auf den Ausnahmecharakter des außerhalb des geschlossenen Gerichtssystems der Europäischen Union stehenden Schiedsgerichts ab.619 Begründet wird dieses Ergebnis zusätzlich im Wesentlichen damit, dass der Wortlaut von Art. 267 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV als vorlageberechtigt nur ein „Gericht eines Mitgliedstaates“ bzw. ein „einzelstaatliches Gericht“ nennt.620 Außerdem bestünde für die Parteien des Schiedsverfahren ohne eine Schiedsvereinbarung weder eine rechtliche noch eine tatsächliche Verpflichtung zur Einleitung 611

Siehe insoweit EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014, Rs. C-377/13, Ascendi, ECLI:EU:C: 2014:1754. 612 Siehe insoweit EuGH, Urteil vom 4. November 1997, Rs. C-337/95, Parfums Christian Dior/Evora, ECLI:EU:C:1997:517. 613 Vgl. Bodenheimer/Eller, RIW 2018, 786 (790). 614 EuGH, Urteil vom 14. Juni 2011, Rs. C-196/09, Miles u. a., ECLI:EU:C:2011:388, Rn. 37 und EuGH, Urteil vom 31. Januar 2013, Rs. C-394/11, Belov, ECLI:EU:C:2013:48, Rn. 38 sowie EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014, Rs. C-377/13, Ascendi, ECLI:EU:C:2014:1754, Rn. 23 nennen dies „ständige[] Rechtsprechung“; Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 184, 201 ff. nennt in Bezug auf diese Rechtsprechung als zusätzliches Merkmal dieses „klassischen Septetts“ noch „die Ausübung einer Tätigkeit mit Rechtsprechungscharakter“. 615 Siehe EuGH, Urteil vom 17. Mai 1994, Rs. C-18/93, Corsica Ferries/Corpo dei piloti del porto di Genova, ECLI:EU:C:1994:195, Rn. 12; EuGH, Urteil vom 19. Oktober 1995, Rs. C111/94, Job Centre, ECLI:EU:C:1995:340, Rn. 9. 616 Siehe EuGH, Urteil vom 29. November 2001, Rs. C-17/00, De Coster, ECLI:EU:C: 2001:651, Rn. 14. 617 Siehe Fn. 614. 618 Siehe zum Ganzen auch Streinz/Ehricke, EUV/AEUV, Art. 267 AEUV Rn. 29. 619 Bodenheimer/Eller, RIW 2018, 786 (790), vgl. auch Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (484); Miller, EuZW 2018, 357 (360 f.); Behrens, EuZW 2018, 49 (50); Paschalidis, ArbIntl 2017, 663 (676 ff.) m. w. N. zu dieser Rechtsprechung; siehe Brauneck, EuR 2018, 429 (449) zur Entwicklung der dahingehenden Rechtsprechung des EuGH; kritisch zum Argument des EuGH Classen, EuR 2018, 361 (366). 620 Schoch/Schneider/Marsch, VwGO, Art. 267 AEUV, Rn. 15, Fn. 65; vgl. auch Ruffert, JuS 2018, 725 (727); Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (87).

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

eines Schiedsverfahrens.621 Die öffentliche Gewalt der Vertragsparteien des BIT sei zudem in die Entscheidung, den Weg der Schiedsgerichtsbarkeit zu wählen, nicht einbezogen und könne auch nicht von Amts wegen in den Ablauf des Verfahrens vor dem Schiedsrichter eingreifen.622 Des Weiteren spreche auch die Natur von Schiedsgerichten, die nach dem Willen der Parteien regelmäßig schnell und gegebenenfalls vertraulich entscheiden sollen – was im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht möglich wäre – gegen eine Vorlageberechtigung von privaten Schiedsgerichten.623 Angesichts dessen wurde vorgeschlagen, dass wenn die Beeinträchtigung der Unionsrechtsautonomie über Art. 267 AEUV ausgeräumt werden soll, Art. 267 AEUV dahingehend zu ändern sei, dass er Investitionsschiedsgerichten ausdrücklich die Vorlage an den EuGH ermöglicht und die BIT dahingehend zu ändern seien, dass sie eine Vorlage an den EuGH durch die Schiedsrichter ausdrücklich gestatten.624 Dahingehende Änderungen sind jedoch nicht erfolgt. Dem wird nun teilweise widersprochen. Bereits vor der Achmea-Entscheidung kursierten Überlegungen, ob man eine mögliche Unvereinbarkeit der Intra-EU-BIT mit Unionsrecht durch eine Auslegung des Art. 267 AEUV dahingehend, dass Investitionsschiedsgerichten die Berechtigung zur Vorlage zugesprochen wird, vermeiden könnte.625 Auch nach der Entscheidung wurde jene angesichts dessen kritisiert.626

621 EuGH, Urteil vom 23. März 1982, Rs. 102/81, Nordsee, ECLI:EU:C:1982:107, Rn. 11; vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328 (333 Rn. 48) m. w. N.; Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (87). 622 EuGH, Urteil vom 23. März 1982, Rs. 102/81, Nordsee, ECLI:EU:C:1982:107, Rn. 12; vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2016, 328 (333 Rn. 48 f.) m. w. N. 623 Schoch/Schneider/Marsch, VwGO, Art. 267 AEUV, Rn. 15, Fn. 65. 624 Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (91 Fn. 98); vgl. in diese Richtung auch Miron, ELJ 2014, 332 (343). 625 Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 156 ff., 160; Basedow, JIntlArb 2015, 367 (378 ff., 380 f.); Oli´k/Fyrbach CYIL 2011, 191 (198 ff. Rn. 10.25 ff., 202 Rn. 10.32); Friedrich, ZEuS 2010, 295 (304, 311 ff.); Eilmansberger, CMLRev 2009, 383 (426); vgl. auch Hindelang, LIEI 2012, 179 (201 ff.) unter eingehender Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EuGH; umfassend von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1066 ff.); Behrens, EuZW 2018, 49 (50), der vor Ergehen der Achmea-Entscheidung die Ausführungen des Generalanwalts befürwortete; Paschalidis, ArbIntl 2017, 663 (675 ff.), der insbesondere auf S. 678 f. veranschaulicht, inwieweit eine Vorlagebefugnis des Tribunals im Micula-Fall (s. o.) sinnvoll gewesen wäre; siehe allg. auch Ferrari/Basedow, The Impact of EU Law on International Commercial Arbitration, S. 125 (135 ff.). 626 Bodenheimer/Eller, RIW 2018, 786 (790); vgl. Kläger, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, SchiedsVZ 2018, 186 (192); Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (365); Lübke, GPR 2018, 149 (151).

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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Insbesondere Wathelet propagierte in seinen Schlussanträgen eine derartige Auslegung.627 Dessen Ausführungen sollen im Folgenden zur Veranschaulichung ergänzt durch Literaturstimmen skizziert werden. Zunächst verweist er auf die bereits erwähnte „ständige Rechtsprechung“ des EuGH, dass sich ein „Gericht“ i. S. d. Art. 267 AEUV dadurch charakterisiert, dass die Einrichtung auf einer gesetzlichen Grundlage basiert, es ständigen Charakter hat, es zur obligatorischen Gerichtsbarkeit gehört, das Verfahren vor dem Gericht streitigen Charakter hat, es Rechtsnormen anwendet und es unabhängig ist (s. o.).628 Der Generalanwalt bejaht alle diese Voraussetzungen insbesondere unter mehrmaligem Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH zum portugiesischen Tribunal Arbitral Tributário629 und in der Rechtssache Merck Canada Inc.630. Das Schiedsgericht basiere zunächst auf Art. 8 des BIT, eine Klausel eines völkerrechtlichen Vertrags, die insofern auch Gegenstand des niederländischen und tschechoslowakischen Zustimmungsgesetzes zum BIT ist, und somit auf einer gesetzlichen Grundlage.631 Weiterhin habe das Schiedsgericht auch ständigen Charakter, da sich dieses Kriterium auf die Schiedseinrichtung beziehe, die das Schiedsverfahren verwaltet, und nicht auf das Schiedsgericht selbst, dessen Zusammensetzung von kurzer Dauer ist.632 Das hier in Rede stehende Tribunal er627 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 84 ff.; Ludwigs/Remien/Ludwigs/Remien, Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S. 11 (20) nennen die dahingehenden Erwägungen des Generalanwalts eine „bedeutende, aber nicht unproblematische Innovation“; Bischoff, IPRax 2018, 588 (590) bezeichnet sie als „progressiv“; bereits zu EuGH, Urteil vom 7. Juli 2016, Rs. C-567/14, Genentech, ECLI:EU:C:2016:526 vertrat der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen dieses Auslegungsergebnis, vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 17. März 2016, Rs. C-567/14, Genentech/Hoechst u. a., ECLI: EU:C:2016:177, Rn. 59 Fn. 34. 628 Siehe Fn. 614. 629 Siehe EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014, Rs. C-377/13, Ascendi, ECLI:EU:C:2014:1754, Rn. 22 ff. 630 Siehe EuGH, Beschluss vom 13. Februar 2014, Rs. C-555/13, Merck Canada, ECLI:EU: C:2014:92. 631 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 96.; dem zustimmend Brauneck, EuR 2018, 429 (450); Basedow, JIntlArb 2015, 367 (378); Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (284) nennt diese Ausführungen des Generalanwalts „convincing[]“; vgl. auch Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 156 f.; Paschalidis, ArbIntl 2017, 663 (677 f.); Hindelang, LIEI 2012, 179 (201 Fn. 88); Classen, EuR 2012, 611 (617); Friedrich, ZEuS 2010, 295 (315); von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1067 ff.) m. w. N. hinsichtlich anderer Herangehensweisen zur Bestimmung, ob ein Investitionsschiedsgericht „established by law“ ist; a. A. Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 221 f. 632 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 101 verweisend auf EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014, Rs. C-377/13, Ascendi, ECLI:EU:C:2014:1754, Rn. 25 f. und EuGH, Beschluss vom 13. Februar 2014, Rs. C-555/13, Merck Canada, ECLI:EU:C:2014:92, Rn. 24; in diese Richtung auch Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 157 f. und Friedrich, ZEuS 2010, 295 (318); siehe von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1072) mit alternativer Begründung zum Kriterium der „Permanence“ insb. unter Verweis auf ICSID-Schiedsverfahren; in die Richtung von von Papp

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

fülle dieses Kriterium, da Art. 8 Abs. 4 des BIT der SCC die Befugnis zur Ernennung der Schiedsrichter zuweist, Art. 8 Abs. 5 des BIT die UNCITRAL-Schiedsregeln für Anwendbar erklärt und der PCA mit Sitz in Den Haag mit der Wahrnehmung der Sekretariatsaufgaben betraut wurde.633 Auch das Kriterium der obligatorischen Gerichtsbarkeit sei durch einen Vergleich mit dem ebenfalls vorlageberechtigten Tribunal Arbitral Tributário zu bejahen.634 Schließlich habe die Slowakische Republik durch das BIT auch im Voraus der Schiedsgerichtsbarkeit zugestimmt.635 Dass es sich bei dem Schiedsverfahren vor dem UNCITRAL-Tribunal um ein Verfahren mit streitigem Charakter handelt, zeige insbesondere Art. 17 Abs. 1 der gültigen UNCITRAL-Schiedsregeln.636 Dem Erfordernis der Anwendung von Rechtsnormen werde durch Art. 8 Abs. 6 des BIT genüge getan.637 Auch werde das Kriterium der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter insbesondere über Art. 11 gehen auch die Ausführungen von Basedow, JIntlArb 2015, 367 (379); a. A. Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 222 f. 633 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 107 f.; vgl. in diese Richtung auch Hindelang, LIEI 2012, 179 (201 Fn. 88) und Paschalidis, ArbIntl 2017, 663 (684); siehe zu den verschiedenen administrativen Institutionen Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 157 f.; a. A. insoweit Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (285) unter Bezugnahme darauf, dass der ständige Charakter wohl für den vorliegenden Fall, nicht aber generell für Ad hoc-Investitionsschiedsgerichte gegeben sei. 634 Siehe EuGH, Urteil vom 12. Juni 2014, Rs. C-377/13, Ascendi, ECLI:EU:C:2014:1754, Rn. 29; Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 112 ff.; siehe auch Friedrich, ZEuS 2010, 295 (318); mit umfassender Begründung hierzu auch Basedow, JIntlArb 2015, 367 (380); siehe auch Paschalidis, ArbIntl 2017, 663 (681 ff.) differenzierend hinsichtlich verschiedener Streitbeilegungsklauseln in BIT; Broberg/Fenger, Das Vorabentscheidungsverfahren, S. 72 f. statuieren, dass für das Kriterium der obligatorischen Gerichtsbarkeit erforderlich sei, dass die Entscheidung für die Parteien verbindlich sein muss, dass die Parteien keinen Einfluss auf die Befassung des Schiedsgerichts mit dem Disput haben und dass die Parteien den Streit nicht durch einen anderen Spruchkörper beilegen können; diese Kriterien umfassend auf Investitionsschiedsgerichte anwendend von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1069 ff.); dieses Kriterium für Investitionsschiedsgerichte aufgrund der Wahlmöglichkeit des Investors, welchem Gerichtsweg er beschreiten will, verneinend Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 159. Für Rösch sei das Verfahren aber jdf. für den Gaststaat der Investition obligatorisch; siehe in die Richtung von Rösch gehend auch Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (285) und Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 222. 635 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 118. 636 Ibid. Rn. 120 ff.; in Rn. 122 nennt der Generalanwalt in diesem Zusammenhang zusätzlich Art. 20, 21, 22, 24, 28, 31 der geltenden UNCITRAL-Schiedsregeln; vgl. auch Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 218 und Friedrich, ZEuS 2010, 295 (321). 637 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 123; so auch Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 218; vgl. auch Basedow, JIntlArb 2015, 367 (380) und Friedrich, ZEuS 2010, 295 (322).

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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bis 13 der UNCITRAL-Schiedsregeln gewährleistet.638 Letztlich handele es sich auch um ein Gericht „eines Mitgliedstaates“, was der Generalanwalt aus einem Vergleich mit dem vom EuGH als mitgliedstaatliches Gericht eingestuften BeneluxGerichtshof639 herleitet.640 Ein aufgrund von Art. 8 des BIT gebildetes Schiedsgericht sei schließlich ein Streitbeilegungsmechanismus zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik und damit ein Gericht der Mitgliedstaaten i. S. d. Art. 267 AEUV.641 b) Auswirkung einer derartigen Feststellung auf die Autonomie des Unionsrechts Sollten im Sinne des Generalanwalts – nicht wie in der späteren Achmea-Entscheidung – Investitionsschiedsgerichte als vorlageberechtigt anzusehen sein, stellte sich noch die Frage, ob dies etwas an der vom EuGH festgestellten Beeinträchtigung der Unionsrechtsautonomie ändern könnte bzw. hätte ändern können. Wäre die Entscheidung des EuGH also konträr ausgefallen, wenn er eine Vorlageberechtigung der über Art. 8 Abs. 2 des BIT konstituierbaren Schiedsgerichte angenommen hätte? Wathelet geht in seinen Schlussanträgen davon aus, dass die Befugnis eines Schiedsgerichts, den EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens anzurufen, „automatisch“ bedeute, dass keine Unvereinbarkeit mit Art. 344 AEUV bestehe.642 Jedenfalls aber könnte eine Vorlageberechtigung zu mehr Rechtssicherheit und einer Steigerung der Prozessökonomie führen, da ansonsten stets das Risiko bestünde, dass ein Schiedsspruch vor den nationalen Gerichten zu Fall gebracht wird.643 So würde sich des über der Endgültigkeit von Schiedssprüchen schwebenden 638 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 125; vgl. im Ergebnis ebenso mit abweichender Begründung Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 218 f.; siehe zur Unabhängigkeit der Schiedsrichter auch Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 158; Basedow, JIntlArb 2015, 367 (380); Friedrich, ZEuS 2010, 295 (322). 639 Siehe insoweit EuGH, Urteil vom 4. November 1997, Rs. C-337/95, Parfums Christian Dior/Evora, ECLI:EU:C:1997:517, Rn. 21. 640 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 128 ff.; so auch Paschalidis, ArbIntl 2017, 663 (678); in diese Richtung auch von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1072 f.); mit abweichender Begründung auch Lübke, GPR 2018, 149 (151) und Friedrich, ZEuS 2010, 295 (322 f.); a. A. insoweit Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (285). 641 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 130 f.; im Ergebnis ebenso Paschalidis, ArbIntl 2017, 663 (678) mit zusätzlichem Verweis darauf, dass das Schiedsgericht angerufen wurde, um das Verhalten eines Mitgliedstaats zu überprüfen. 642 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 85; vgl. auch Bodenheimer/Eller, RIW 2018, 786 (790), die davon ausgehen, dass eine Vorlageberechtigung die Problematik jedenfalls „entschärfen“ würde. 643 von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1074 f.).

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

„Damoklesschwerts“ entledigt.644 Da Schiedsgerichte regelmäßig ohne Berufungsmöglichkeit und somit letztinstanzlich entscheiden, könnte mit einer Einstufung als mitgliedstaatliches Gericht i. S. d. Art. 267 AEUV auch regelmäßig eine Vorlagepflicht gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV anzunehmen sein.645 Sofern jedoch ein Investitionsschiedsgericht bei der entscheidungserheblichen Anwendung und Auslegung von Unionsrecht stets – mit Ausnahme der Fälle, die unter die acte clair-Doktrin oder die acte éclairé-Doktrin fallen – den EuGH über ein Vorabentscheidungsverfahren anrufen müsste, hätten sie im Rechtssystem der Europäischen Union eine mit den nationalen mitgliedstaatlichen Gerichten vergleichbare Stellung. Bei einem solchen Verständnis des Art. 267 Abs. 3 AEUV ließe sich tatsächlich die Vereinbarkeit einer Klausel wie Art. 8 Abs. 2 des BIT und der hieraus resultierenden Investitionsschiedsgerichtsbarkeit mit der Autonomie des Unionsrechts erwägen. Insofern könnten Investitionsschiedsverfahrensrecht und Unionsrecht tatsächlich harmonisch koexistieren.646 Dem lässt sich jedoch entgegenhalten, dass die Annahme einer Vorlagepflicht gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Wesen des Investitionsschutzrechts widerspricht.647 Diese würde die wesentlichen Vorteile der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit, nämlich die Schnelligkeit und insbesondere die Unabhängigkeit von den nationalen Rechtssystemen untergraben.648 Auch der Kosten-Vorteil würde zunichte gemacht.649 Des Weiteren würde dieses Verständnis bedeuten, dass Schiedsgerichte im Falle der Bejahung der Vorlagebefugnis mangels eröffneter Rechtsmittel stets vorlagepflichtig wären.650 Das zwingende Zusammenfallen von Vorlageberechtigung und Vorlagepflicht entspricht aber nicht dem insoweit klar differenzierenden Wortlaut von Art. 267 Abs. 2 und 3 AEUV. Neben diesem Wortlautargument wird in der Literatur zudem angeführt, dass Art. 267 Abs. 2 und 3 AEUV auch verschiedene Zwecke verfolgen.651 Während Art. 267 Abs. 2 AEUV der einheitlichen Anwendung von Unionsrecht zu dienen bestimmt sei, stelle Art. 267 Abs. 3 AEUV eine Ausprägung subjektiven Rechtsschutzes dar.652 644

Ibid. (1076) („Damocles sword“). So Paschalidis, ArbIntl 2017, 663 (684 f.) Classen, EuR 2012, 611 (618); Eilmansberger, CMLRev 2009, 383 (426); vgl. auch Classen, EuR 2018, 361 (366); a. A. Friedrich, ZEuS 2010, 295 (327 ff., 331). 646 Vgl. Paschalidis, ArbIntl 2017, 663 (685). 647 Ruddigkeit, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, ZUR 2018, 415 (420); vgl. auch de Abreu Duarte, EJIL 2020, 1187 (1208 f.) m. w. N. („[…] that would be inconsistent with the general purpose of a speedy and decentralized procedure“). 648 Ruddigkeit, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, ZUR 2018, 415 (420); Classen, EuR 2012, 611 (618 f.); siehe allg. zu den Vorteilen der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit Brodlija/Sˇ imunovic´, ECLIC 2020, 815 (819 ff.). 649 Zobel, Schiedsgerichtsbarkeit und Gemeinschaftsrecht, S. 193. 650 Ibid. S. 192. 651 Friedrich, ZEuS 2010, 295 (330). 652 Ibid. 645

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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Eine generelle Vorlagepflicht gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV ist mithin abzulehnen.653 Die Letztentscheidungskompetenz des EuGH lebt jedoch gerade von dieser Verpflichtung.654 Wenn im Rahmen von Investitionsschiedsverfahren eine Vorlage an den EuGH durch ein Tribunal von dessen freien – wohl kaum kontrollierbaren655 – Ermessen abhinge, würde dies auch nicht genügen, um die bereits dargelegten Unstimmigkeiten zwischen der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit und der Autonomie des Unionsrechts zu beseitigen. Schließlich hinge die einheitliche Anwendung von Unionsrecht maßgeblich von der Akzeptanz der Schiedsrichter gegenüber dem Vorrang des Unionsrechts und der Letztentscheidungskompetenz des EuGH in unionsrechtlichen Fragen ab.656 Selbst wenn also ein Investitionsschiedsgericht vom EuGH als Gericht eines Mitgliedstaates i. S. d. Art. 267 AEUV eingeordnet worden wäre, hätte dies nichts an der Beeinträchtigung der Autonomie des Unionsrechtssystems geändert. Schließlich ist eine Vorlagepflicht i. S. d. Art. 267 Abs. 3 AEUV abzulehnen und reicht eine Berechtigung i. S. d. Art. 267 Abs. 2 AEUV nicht aus, um die bestehenden Bedenken auszuräumen. 3. Zwischenergebnis Die Ausführungen des EuGH zu Art. 344 AEUV i. V. m. Art. 267 AEUV als Ausdruck der Unionsrechtsautonomie und zu einer möglichen Vorlageberechtigung oder -verpflichtung i. S. d. Art. 267 AEUV halten im Ergebnis einer rechtlichen Würdigung stand. Auch ist dem EuGH insoweit zuzustimmen, als dass es auf die Beantwortung der dritten Vorlagefrage hinsichtlich der Auslegung von Art. 18 Abs. 1 AEUV nicht mehr ankam. Schließlich hat der BGH diese unter dem Vorbehalt gestellt, dass die ersten beiden Fragen zu verneinen seien („Falls die Fragen 1 und 2 zu verneinen sind: […]“). Da der EuGH die ersten beiden Fragen gemeinsam positiv beantwortete, ist es konsequent, dass er die letzte Frage unbeantwortet lässt. Der Vollständigkeit halber soll hier freilich sogleich auf die Auslegung des Art. 18 Abs. 1 AEUV in Rechtsprechung und Literatur hinsichtlich der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit eingegangen werden (4.). Ebendieses gilt auch für die 653 So auch Zobel, Schiedsgerichtsbarkeit und Gemeinschaftsrecht, S. 192 f.; Ruddigkeit, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, ZUR 2018, 415 (420); Friedrich, ZEuS 2010, 295 (327 ff.); vgl. auch Lang, EuR 2018, 525 (534) und Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (286). 654 Classen, EuR 2012, 611 (618). 655 Vgl. auch Pohl, EuConst 2018, 767 (782). 656 Eilmansberger, CMLRev 2009, 383 (426 f.); Signorelli, ESIL 23/2019, S. 10 geht noch weiter: „Even if such tribunals were considered as jurisdictions, the specific procedural law governing arbitration would not allow them to refer to other jurisdictions the interpretation of applicable law.“

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Auslegung des vom EuGH gänzlich unberücksichtigt gelassenen Art. 351 AEUV (5.). 4. Die Auslegung des Art. 18 Abs. 1 AEUV Die hier maßgebliche Vorlagefrage des BGH bezieht sich darauf, ob Art. 18 Abs. 1 AEUV so auszulegen ist, dass die Norm der Anwendung einer Klausel wie Art. 8 Abs. 2 des BIT entgegensteht. Art. 18 Abs. 1 AEUV lautet: „Art. 18 AEUV (1) Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.“

Für die Frage nach der Auslegung von Art. 18 Abs. 1 AEUV kommt es maßgeblich darauf an, ob und inwieweit Investitionsschiedsverfahren sowohl prozessual als auch aus einer materiell-rechtlichen Betrachtung für Investoren gegenüber den Gewährleistungen im Rechtssystem der Europäischen Union günstiger sind. Da dieser Themenkomplex schwerpunktmäßig unten657 behandelt wird, soll im Folgenden bloß ein kursorischer Überblick über das Verständnis in Literatur und Rechtsprechung zur einer möglichen Diskriminierung durch Investor-StaatSchiedsverfahren innerhalb der Europäischen Union gegeben werden. Eine in Art. 18 Abs. 1 AEUV beschriebene Diskriminierung durch eine Klausel wie Art. 8 Abs. 2 des BIT kommt grundsätzlich in Betracht, da einige Investoren hinsichtlich ihrer Investition innerhalb der Europäischen Union den Schutz eines BIT mit dem dort vorgesehenen Streitbeilegungsmechanismus genießen und andere nicht.658 Unabhängig davon, ob ein BIT mithin für den Investor gegenüber dem Unionsrecht auch materiell-rechtlich günstigere Bestimmungen enthielte,659 könnte alleine die zusätzliche Möglichkeit des in einem BIT vorgesehenen Streitbeile-

657

Siehe Kapitel III D. Vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (517 Rn. 69, 74); umfassend zum Ganzen Nagy, GLJ 2018, 981 (1006 ff.); Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (229 ff.) differenziert umfassend zwischen einer Diskriminierung des Heimatstaats des Investors von Investoren dritter Mitgliedstaaten gegenüber den „eigenen“ Investoren (sog. „Export“-Perspektive) und einer Diskriminierung des Gaststaats der Investition von Investoren dritter Mitgliedstaaten gegenüber jenen aus dem anderen Unterzeichnerstaat (sog. „Import“Perspektive); so differenzieren bspw. auch Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 116 ff.; Basener, Investment Protection in the European Union, S. 307 ff.; Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (80 ff.) und Tietje, BTWR 104/2011, S. 15 ff; Eilmansberger, CMLRev 2009, 383 (402 f., 407 f.) differenziert zwischen einer möglichen Diskriminierung durch „jurisdictional provisions“ oder „substantive provisions“ in BIT; umfassend zur (hier nicht maßgeblichen) Diskriminierung nationaler Investoren durch Investitionsschiedsverfahren Riffel, GLJ 2020, 197. 659 Dafür bspw. Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (80). 658

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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gungsmechanismus einen Vorteil von ersteren gegenüber letzteren bedeuten, welche somit diskriminiert würden.660 Bei diesen Gedanken bleibt aber weitgehend unberücksichtigt, dass die möglicherweise diskriminierende Wirkung von Art. 8 Abs. 2 des BIT nicht zwangsläufig dessen Anwendbarkeit entgegensteht.661 Um gerade diese Frage der Anwendbarkeit geht es aber bei der dritten Vorlagefrage des BGH. Gegen die Unanwendbarkeit solcher Schiedsklauseln könnten zunächst Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes sprechen.662 Zudem ließe sich aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH schließen, dass im Falle einer diskriminierenden Bestimmung eines Vertrags die Angehörigen der hierdurch benachteiligten Gruppe Anspruch auf die gleiche Behandlung und auf Anwendung der gleichen Regelung wie die bevorzugte Gruppe haben, nicht aber, dass die Rechte der bevorzugten Gruppe entsprechend der Rechte der benachteiligten Gruppe zu mindern sind.663 Die Durchsetzung dieser – den womöglich benachteiligten Drittstaatsangehörigen vermeintlich zustehenden – Rechte könnte nun als Aufgabe dieser Drittstaatsangehörigen angesehen werden.664 Dem wird indes insbesondere von der Europäischen 660 So die Auffassung der Europäischen Kommission in Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 183; so auch Lübke, GPR 2018, 149 (152) und Clodfelter, SCJIL 2014, 159 (181); in diese Richtung auch Kokott/Sobotta, CYELS 2016, 3 (9 f.); auch das Tribunal im Achmea-Fall schloss dies nicht aus (Rn. 266), sah darin aber keinen Grund, der Achmea B. V. die Berufung auf das BIT zu versagen bzw. die eigene Zuständigkeit zu verneinen; vgl. im Sinne der Ausführungen des Tribunals auch BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (517 f. Rn. 72 ff.) und OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (125); kritisch zu dieser Annahme des BGH Kottmann, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, EuZW 2016, 512 (520); Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (286 f.) schreibt, die Nachteile für Investoren, die nicht unter den Schutz eines BIT fallen „seem to be uncontested“. 661 Vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (518 Rn. 75 ff.). 662 So OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (125) und Friedrich, ZEuS 2010, 295 (304); a. A. insoweit BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (518 Rn. 76), da in casu die Investition erst nach dem Beitritt der Slowakischen Republik zur Europäischen Union initiiert wurde und die Achmea B. V. mithin erwogen haben muss, dass Unionsrecht vorrangig anzuwenden sein könnte. 663 Siehe EuGH, Urteil vom 13. Dezember 1989, Rs. C-102/88, Ruzius-Wilbrink/Bedrijfsvereniging voor Overheidsdiensten, ECLI:EU:C:1989:639, Rn. 20; EuGH, Urteil vom 27. Juni 1990, Rs. C-33/89, Kowalska/Freie und Hansestadt Hamburg, ECLI:EU:C:1990:265, Rn. 19; EuGH, Urteil vom 7. Februar 1991, Rs. C-184/89, Nimz/Freie und Hansestadt Hamburg, ECLI:EU:C:1991:50, Rn. 18; EuGH, Urteil vom 27. September 1988, Rs. 235/87, Matteucci/Communauté française de Belgium, ECLI:EU:C:1988:460, Rn. 23; vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (518 Rn. 77) m. w. N.; vgl. auch Nagy, GLJ 2018, 981 (1012); Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (82 ff., 85); Friedrich, ZEuS 2010, 295 (304); Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (233 Fn. 99). 664 European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic (Award on Jurisdiction), Rn. 271 ff., zutreffend insoweit verweisend auf Eastern Sugar B. V. v. The Czech

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Kommission entgegengehalten, dass eine Ausweitung der Regelungen der BIT auf alle Investoren in der Europäischen Union aus unionsrechtlicher Perspektive unakzeptabel sei.665 Vor Allem begründen die Grundfreiheiten keine Meistbegünstigungspflicht im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander hinsichtlich bilateraler völkerrechtlicher Verträge.666 Bedenklich wirkte überdies die Erstreckung von gem. Art. 267 und 344 AEUV unionsrechtswidrigen Begünstigungen über Art. 18 Abs. 1 AEUV.667 Schlussfolgern ließe sich deshalb, dass eine potentielle Verletzung des Art. 18 Abs. 1 AEUV durch Schiedsklauseln wie Art. 8 Abs. 2 des BIT keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit eines völkerrechtlichen Vertrags hat,668 sondern allenfalls in eine Sanktionierung der Mitgliedstaaten münden könnte, welche derartige BIT aufrecht erhalten.669 Ein ähnliches Verständnis legt auch Generalanwalt Wathelet in seinen Schlussanträgen zugrunde. Für das im Achmea-Fall konkret zur Debatte stehende BIT merkt er zutreffend an, dass insofern eine Diskriminierung nur gegenüber Angehörigen von Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award), Rn. 170 und Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 267; vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (518 Rn. 77 f.) m. w. N. und OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (125); dem zustimmend Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (84) und Eilmansberger, CMLRev 2009, 383 (402) sowie Friedrich, ZEuS 2010, 295 (304); vgl. auch Basener, Investment Protection in the European Union, S. 306 m. w. N. hierzu in Fn. 1112 und 1164. 665 So die Europäische Kommission im Achmea-Verfahren, vgl. Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 184; vgl. auch Clodfelter, SCJIL 2014, 159 (181 f.), der (neben der Feststellung der rechtlichen und tatsächlichen Hürden einer solchen Ausweitung) moniert: „the extension of dispute settlement mechanisms would certainly aggravate the concerns regarding the preservation of the nature of EU law.“; vgl. auch Basener, Investment Protection in the European Union, S. 321 („EU law cannot extend illegal benefits based on a discrimination argument.“); Miron, ELJ 2014, 332 (338) („a provision breaching the Treaties cannot be ’neutralised’ by concluding a series of similar provisions.“); auch Kottmann, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, EuZW 2016, 512 (520) kritisiert eine solche Ausweitung als „nicht ganz einfach“, erkannt als vorstellbar aber „eine unionsrechtliche Pflicht der Mitgliedstaaten, sich ad hoc einer Investitionsschiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen“ an. 666 Vgl. Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 124 f.; Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (287); Tietje, IPRax 2013, 64 (68) und Tietje, BTWR 104/2011, S. 16 (verweisend auf EuGH, Urteil vom 5. Juli 2005, Rs. C-376/03, D./Inspecteur van de Belastingdienst, ECLI:EU:C:2005: 424, Rn. 61 ff.; siehe auch Basener, Investment Protection in the European Union, S. 320 f. mit weiteren Argumenten gegen eine solche Ausweitung der BIT-Rechte. 667 Ebenso Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 275. 668 Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (82); vgl. auch Schäfer/Gaffney, SchiedsVZ 2013, 68 (76). 669 Vgl. European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic (Award on Jurisdiction), Rn. 270 unter Verweis auf die Expert Opinion von August Reinisch; vgl. auch Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (287) unter Bezugnahme auf die Schlussfolgerungen der Europäischen Kommission.

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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Staaten in Frage komme, welche mit der hier beklagten Slowakischen Republik kein BIT geschlossen haben.670 Er ist jedoch der Auffassung, dass eine solche hier nicht vorliege, was er insbesondere mit einem Vergleich zur Rechtsprechung des EuGH671 hinsichtlich des Doppelbesteuerungsabkommens672 zwischen dem Königreich Belgien und dem Königreich der Niederlande begründet.673 Dort stellte der EuGH fest, dass es keine Diskriminierung i. S. v. Art. 56 und 58 EG-Vertrag (heute Art. 63 und 65 AEUV) bedeute, wenn eine Vorschrift eines bilateralen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht auf den Staatsangehörigen eines nicht an diesem Abkommen beteiligten Mitgliedstaats erstreckt wird.674 Die Tatsache, dass die Rechte und Pflichten besagten Abkommens nur für Personen gelten, die in einem der Vertragsstaaten wohnen, sei eine Konsequenz, die sich aus dem Wesen derartiger bilateraler Abkommen ergebe.675 Der in diesem Fall maßgebliche Art. 25 Abs. 3 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen dem Königreich Belgien und dem Königreich der Niederlande lasse sich als integraler Bestandteil des Abkommens aus Sicht des EuGH nicht als vom übrigen Abkommen loslösbare Vergünstigung an670 Dies sind italienische, tschechische, estnische, irische, zyprische und litauische Investoren, welche nicht im Anwendungsbereich des ECT investieren, Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2017: 699, Rn. 63 f. 671 EuGH, Urteil vom 5. Juli 2005, Rs. C-376/03, D./Inspecteur van de Belastingdienst, ECLI:EU:C:2005:424. 672 Siehe allg. zu Doppelbesteuerungsabkommen im Völkerrecht Kessler/Kröner/Köhler/ Lehner/Reichold/Faber/Schwenk, Konzernsteuerrecht, § 6 Rn. 3 ff. 673 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 65 ff., es bestehe eine „vollkommene Analogie“ zwischen den Rechtssachen (Rn. 73); eine a. A. vertritt insofern die Europäische Kommission (Rn. 78 Fn. 69); vgl. aber auch European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic (Award on Jurisdiction), Rn. 274 ff., 278, wo das Tribunal mit Blick auf besagte EuGH-Rechtsprechung zum belgisch-niederländischen Doppelbesteuerungsabkommen zum Ergebnis kommt: „It seems to the Tribunal that the exact same reasoning can be followed for the BITs which are based on reciprocal rights and obligations, with the result that the situation of the different investors cannot be compared.“; vgl. ebenso Nagy, GLJ 2018, 981 (1008 ff.); Gundel, EWS 2018, 124 (125); Gundel, EnWZ 2016, 243 (246 Fn. 60); Kottmann, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, EuZW 2016, 512 (520) (mit zusätzlichem Verweis auf die EuGH-Rechtsprechung zu Abkommen im Sozialversicherungsrecht (EuGH, Urteil vom 22. Januar 2015, verbundene Rs. C-401/13 u. C-432/13, Balazs, ECLI:EU:C:2015:26, Rn. 28 ff.)); Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (232 f.); vgl. auch Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 123 ff. und Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (365 Fn. 24); dies einräumend Kokott/Sobotta, CYELS 2016, 3 (9 f.), die im Ergebnis aber der Ungleichbehandlung von Investoren der Mitgliedstaaten durch BIT kritisch gegenüberstehen; kritisch hierzu Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 260 ff. 674 EuGH, Urteil vom 5. Juli 2005, Rs. C-376/03, D./Inspecteur van de Belastingdienst, ECLI:EU:C:2005:424, Rn. 63. 675 Ibid. Rn. 61; vgl. auch BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (518 Rn. 73); kritisch zur Übertragung dieses Verständnisses auf Intra-EU-BIT Z˙ mij, ZEuP 2019, 535 (545).

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

sehen.676 Ebendieses gelte für den Generalanwalt auch hinsichtlich Art. 8 des BIT.677 Er schlussfolgert somit, dass „keine Diskriminierung vorliegt, wenn ein Mitgliedstaat den Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats nicht die Behandlung gewährt, die er aufgrund eines Abkommens den Staatsangehörigen eines dritten Mitgliedstaats gewährt“.678 In diesem Sinne diskriminiere ein BIT wie das vorliegende nicht Investoren, die nicht Angehörige der Vertragsstaaten sind.679 Art. 18 Abs. 1 AEUV ist somit angesichts der obigen Ausführungen unter Ergänzung der Erwägungen des Generalanwalts so auszulegen, dass er der Anwendung einer Norm wie Art. 8 des BIT nicht entgegensteht.680 Während der Generalanwalt bereits keine Diskriminierung annahm, wird dies hier im Ergebnis bewusst offen gelassen.681 Festzuhalten ist lediglich, dass trotz einer nicht auszuschließenden diskriminierenden Wirkung derartiger Schiedsklauseln, Art. 18 Abs. 1 AEUV jedenfalls nicht so auszulegen ist, dass er einer Anwendung jener in casu entgegensteht. Angemerkt soll hier noch sein, dass es dem EuGH im hiesigen Vorabentscheidungsverfahren möglich gewesen wäre, trotz der insoweit eingeschränkten Formulierung des BGH („Falls die Fragen 1 und 2 zu verneinen sind: […]“) gleichwohl auf die dritte Vorlagefrage einzugehen, wenn er diese Umdeutung oder Umformulierung hinsichtlich einer „sachdienliche[n]“ Antwort für geboten erachtet hätte.682 Eine Änderung des Wesens der Vorlagefrage wäre damit nicht einhergegangen.683 Eine Klarstellung der Fragen um die potentiell diskriminierende Wirkung von IntraEU-BIT und deren Folgen wäre durchaus zu begrüßen gewesen und hätte womöglich die teilweise harte Kritik an der Begründung des EuGH entschärft.

676 EuGH, Urteil vom 5. Juli 2005, Rs. C-376/03, D./Inspecteur van de Belastingdienst, ECLI:EU:C:2005:424, Rn. 62. 677 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 76 f.; a. A. Z˙ mij, ZEuP 2019, 535 (545). 678 Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/ 16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 71. 679 Ibid. Rn. 75 ff., 82; kritisch zur Argumentation des Generalanwalts Behrens, RIW 2018, 701 (710). 680 Kritisch zu diesem Auslegungsergebnis Kokott/Sobotta, CYELS 2016, 3 (9 f.). 681 Siehe für eine umfassende Auseinandersetzung hiermit Basener, Investment Protection in the European Union, S. 307 ff. m. w. N., der im Ergebnis eine Diskriminierung bejaht; so auch Glinski, ZEuS 2018, 47 (53) und Clodfelter, SCJIL 2014, 159 (181); eine Diskriminierung ablehnend Kottmann, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, EuZW 2016, 512 (520) und Söderlund, JIntlArb 2007, 455 (462). 682 Ständige Rechtsprechung des EuGH, siehe EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002, Rs. C-62/ 00, Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2002:435, Rn. 32 m. w. N.; siehe auch Latzel/Streinz, NJOZ 2013, 97 (104). 683 So die Grenze des Spielraums des EuGH, siehe EuGH, Urteil vom 20. März 1997, Rs. C352/95, Phytheron International/Bourdon, ECLI:EU:C:1997:170, Rn. 14.

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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Allerdings ist das dahingehende Schweigen des EuGH neben Erwägungen der Prozessökonomie684 noch aus einer anderen Perspektive nachvollziehbar. Die Europäische Kommission hat sich in den vergangenen Jahren das Ziel gesetzt, Intra-EUBIT abzuschaffen.685 Die Auffassung der Unionsrechtswidrigkeit dieser BIT propagierte sie dabei insbesondere mehrfach in amicus curiae-Stellungnahmen686 zu Investitionsschiedsverfahren, im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren gegen fünf Mitgliedstaaten687 mit dem Ziel der Kündigung dieser Abkommen (s. o.)688 und über den Beschluss im Micula-Verfahren (s. o.).689 Diese Bemühungen der Kommission stehen in direktem Zusammenhang mit der Mitteilung der Kommission vom 19. Juli 2018690, in welcher sie hervorhebt, dass Investitionen innerhalb der Europäischen Union durch das Binnenmarktrecht umfassend und ausreichend geschützt seien.691 Hätte nun aber der EuGH in der Achmea-Entscheidung statuiert, dass das Fehlen des Schutzes von Intra-EU-BIT für innerhalb der Europäischen Union tätige Investoren, welche nicht im Schutzbereich eines BIT agieren, eine Diskriminierung i. S. d. Art. 18 Abs. 1 AEUV darstellte, wäre er wohl nicht umhingekommen, zu prüfen, ob die fraglichen BIT gegenüber dem entsprechenden Unionsrecht vorzugswürdige oder jedenfalls zusätzliche materiell-rechtliche oder prozessuale Bestimmungen zum Investitionsschutz enthielten. Allein aufgrund der fair and equitable treatment-Bestimmung in Art. 3 Abs. 1 des BIT hätte der EuGH womöglich auch einen über das Unionsrecht hinausgehenden materiellen Schutzgehalt solcher BIT annehmen können (s. o.). Ein so festgestelltes materiell-rechtliches Mehr an Rechten durch Intra-EU-BIT hätte der Kommission jedoch die Annahme, dass jene angesichts des Unionsrechtssystems „nicht länger notwendig“692 seien mit Blick auf die außerhalb der Europäischen Union weiterhin florierende Investitionsschiedsgerichtsbarkeit wohl nicht unerheblich erschwert. Womöglich ist auch insofern das Schweigen des EuGH zu dieser Fragestellung – deren Beantwortung im Ergebnis für das Urteil ohnehin keine konstitutive Bedeutung zukommt – zu verstehen. 684

Vgl. Glinski, ZEuS 2018, 47 (64) m. w. N. Siehe Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 18. Juni 2015, in: EuZW 2015, 492; siehe auch Kainer, EuZW 2018, 659; siehe Reuter, ZaöRV 2020, 379 (390 ff.) für einen Überblick zu den Bedenken der Kommission hinsichtlich Investitionsschiedsverfahren innerhalb der Europäischen Union. 686 Siehe für einen Überblick über diese Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 108 f. 687 Das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, Rumänien, das Königreich Schweden und die Slowakische Republik. 688 Siehe Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 18. Juni 2015, in: EuZW 2015, 492; siehe für einen Überblick hierüber auch Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 112 ff. 689 Vgl. Lang, EuR 2018, 525 (528 f.) m. w. N.; siehe zum Ganzen umfassend Kent, GoJIL 2016, 2 ff. und Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 105 ff. 690 Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final. 691 Siehe auch Kainer, EuZW 2018, 659. 692 Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final, S. 30. 685

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Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

5. Die Auslegung des Art. 351 AEUV Im gesamten Prozessverlauf des Achmea-Falls spielt Art. 351 AEUV nahezu keine Rolle. Lediglich im Zwischenentscheid vom 26. Oktober 2010 stellt das Tribunal ohne Begründung fest, dass Art. 307 EG-Vertrag (heute Art. 351 AEUV) für Intra-EU-BIT keine Relevanz erlange.693 Auch wenn der BGH dem EuGH keine dahingehende Auslegungsfrage gem. Art. 267 AEUV gestellt hat, bestehen diesbezüglich einige Unklarheiten, die – je nach Auslegung – auch für den Achmea-Fall bedeutungsvoll sind bzw. Bedeutung hätten erlangen können. Immerhin könnte Folge der möglichen Anwendbarkeit von Art. 351 AEUV für das hier maßgebliche BIT sein, dass letzteres gegen Unionsrecht verstoßen „darf“ und so lange vorrangig anwendbar ist, wie es nicht nach Art. 351 Abs. 2 AEUV angepasst wird.694 Umso bemerkenswerter ist, dass der EuGH diese Thematik in seiner Entscheidung unberührt gelassen hat. Ausdrücklich ausgenommen wird im Folgenden die Frage der (analogen) Anwendbarkeit des Art. 351 AEUV auf den ECT, welche unten erörtert wird.695 Art. 351 AEUV lautet: „Art. 351 AEUV (1) Die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor dem 1. Januar 1958 oder, im Falle später beigetretener Staaten, vor dem Zeitpunkt ihres Beitritts zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren dritten Ländern andererseits geschlossen wurden, werden durch die Verträge nicht berührt. (2) Soweit diese Übereinkünfte mit den Verträgen nicht vereinbar sind, wenden der oder die betreffenden Mitgliedstaaten alle geeigneten Mittel an, um die festgestellten Unvereinbarkeiten zu beheben. Erforderlichenfalls leisten die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck einander Hilfe; sie nehmen gegebenenfalls eine gemeinsame Haltung ein. (3) […]“

Art. 351 AEUV ist primärrechtliche Ausprägung des allgemein im Völkerrecht geltenden und in Art. 26 VCLT niedergelegten pacta sunt servanda-Grundsatzes.696 Die Regelung stellt eine Beschränkung des allgemeinen Anwendungsvorrangs des Unionsrechts dar und ist mithin rechtstechnisch als Einrede gegen diesen Vorrang zu klassifizieren.697

693 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 84. 694 So Brauneck, EuR 2018, 429 (446, 448, 454); vgl. auch Grabitz/Hilf/Nettesheim/Lorenzmeier, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 20 ff. 695 Siehe Kapitel II A. III. 4. 696 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Lorenzmeier, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 2. 697 Lang, EuR 2018, 525 (542) m. w. N.

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

145

Bereits nach seinem Wortlaut gilt Art. 351 AEUV aber nicht für Übereinkünfte zwischen Mitgliedstaaten ohne Drittstaatsbeteiligung („Übereinkünften […] zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren dritten Ländern andererseits […]“698).699 Für diese inter se-Abkommen gilt im Kollisionsfall der Anwendungsvorrang der Unionsverträge (vgl. als allgemeine völkerrechtliche Kollisionsregeln auch Art. 30 Abs. 3 und Art. 59 Abs. 1 lit. b) VCLT (s. o.)).700 Dies gilt jedoch nicht ohne weiteres auch für das im Achmea-Fall maßgebliche BIT. Die Slowakische Republik trat wie bereits gesehen am 1. Januar 1993 als Rechtsnachfolgerin in das BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik ein und anschließend am 1. Mai 2004 der Europäischen Union bei. Vor dem Unionsbeitritt handelte es sich bei dem BIT mithin um ein Abkommen zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittstaat, wobei es sich durch besagten Beitritt in ein solches zwischen zwei Mitgliedstaaten wandelte. Es ließe sich nun annehmen, dass Art. 351 Abs. 1 AEUV („geschlossen“) so zu verstehen sei, dass es für dessen Geltung genüge, wenn ein Mitgliedstaat – hier das Königreich der Niederlande – mit einem Drittstaat – hier der Slowakischen Republik – ein BIT schließt und der Drittstaat im Nachgang hierzu der Union beitritt.701 Diesem Verständnis zufolge wären ausschließlich zwischen Mitgliedstaaten in ihrer Stellung als Mitgliedstaaten geschlossene Übereinkommen von Art. 351 AEUV nicht erfasste sog. inter se-Abkommen.702 Art. 351 Abs. 1 AEUV sei schließlich insoweit offen formuliert, als dass er nicht vorgebe, ob es sich bei dem später beigetretenen Staat um den Mitgliedstaat oder den Drittstaat handeln müsse.703 Das BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik fiele nach diesem Verständnis in den Anwendungsbereich des Art. 351 AEUV.704 698

Hervorh. d. Verf. EuGH, Urteil vom 27. September 1988, Rs. C-235/87, Matteucci/Communauté française de Belgique, ECLI:EU:C:1988:460, Rn. 21; Klabbers, Treaty Conflict and the European Union, S. 125 f. m. w. N.; Callies/Ruffert/Schmalenbach, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 9; Streinz/Kokott, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 2; Lang, EuR 2018, 525 (542 f.) m. w. N. zu dieser „ständige[n] Rechtsprechung des EuGH“; Johannsen, BTWR 90/2009, S. 28 m. w. N.; Pache/Bielitz, EuR 2006, 316 (326 f.) m. w. N. („einhellige Auffassung“). 700 Callies/Ruffert/Schmalenbach, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 9; vgl. auch Johannsen, BTWR 90/2009, S. 28. 701 Brauneck, EuR 2018, 429 (444), „Das BIT Niederlande/Slowakei ist 1991 bzw. 1993, also ’vor dem Zeitpunkt ihres Beitritts [der Slowakei 2004] zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten [Niederlande] einerseits und einem oder mehreren dritten Ländern [Slowakei] andererseits geschlossen’“; in diese Richtung (jedenfalls über eine analoge Anwendung der Norm) auch Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (350). 702 Brauneck, EuR 2018, 429 (443 f.). 703 Ibid. (444) unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 18. November 2003, Rs. C-216/01, Budeˇ jovicky´ Budvar, ECLI:EU:C:2003:618, Rn. 173. 704 Zu den Folgen dieses Verständnisses, siehe sogleich. 699

146

Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Allerdings ist ebenso denkbar, dass das BIT im Augenblick des Unionsbeitritts der Slowakischen Republik zu einem inter se-Abkommen wurde und mithin nicht mehr der Regelung durch Art. 351 AEUV unterliegt.705 Teilweise wird dies auch unabhängig vom „Augenblick des Unionsbeitritts“ allein unter Verweis auf die (nunmehr) intra-unionale Natur solcher Abkommen angenommen.706 Hierzu scheint auch der EuGH zu neigen, indem er hinsichtlich eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik entschied, dass der nach Vertragsschluss erfolgte Unionsbeitritt der Tschechischen Republik bedeute, dass Art. 351 AEUV keine Anwendung (mehr) finde.707 Zuvor entschied er bereits, dass der heutige Art. 351 AEUV es den Mitgliedstaaten erlaube, ihre Verpflichtungen aus vor dem EWG-Vertrag geschlossenen internationalen Übereinkünften gegenüber Drittstaaten einzuhalten, die Norm sie jedoch nicht ermächtige, Rechte aus solchen Übereinkünften in den innergemeinschaftlichen Beziehungen geltend zu machen.708 Hierfür spricht daneben das Schweigen des EuGH in der Achmea-Entscheidung. Auch Sinn und Zweck von Art. 351 AEUV, Drittstaaten im Einklang mit dem Völkerrecht zu schützen,709 streitet für ein solches Auslegungsergebnis. Schließlich ist für sie der (spätere) Konflikt mit unionsrechtlichen Normen bei Vertragsschluss nicht unmittelbar ersichtlich.710 Demgegenüber nehmen der Europäischen Union als Mitgliedstaaten beitretende Staaten die Aufgabe ihrer Rechte aus einem völkerrechtlichen Vertrag in Kauf.711 705 So Callies/Ruffert/Schmalenbach, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 9; Bungenberg/ Griebel/Hobe/Reinisch/Bungenberg/Hobe, International Investment Law, S. 1602 (1622 Rn. 48); Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 46. 706 Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 227 (vgl. auch S. 240) verweisend auf EuGH, Urteil vom 2. Juli 1996, Rs. C-473/93, Kommission/Luxemburg, ECLI:EU:C:1996:263, Rn. 40; Basener, Investment Protection in the European Union, S. 246 f. m. w. N.; Schwarze/ Terhechte, EU-Kommentar, Art. 351 Rn. 3; Burger, YIA 2019, 121 (133, 142, 144); Signorelli, ESIL 23/2019, S. 13 f.; Scholtka, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/ 16, EuZW 2018, 239 (244); Lang, EuR 2018, 525 (542 f.); Gundel, EWS 2018, 124 (126 Fn. 42); Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (70) verweisend auf EuGH, Urteil vom 27. September 1988, Rs. C-235/87, Matteucci/Communauté française de Belgique, ECLI:EU:C:1988:460, Rn. 21; Johannsen, BTWR 90/2009, S. 28; so implizit auch Bungenberg/Griebel/Hindelang/ Burgstaller, Internationaler Investitionsschutz und Europarecht, S. 113 (137 Fn. 98); Nagy, GLJ 2018, 981 (1002 f.); Eilmansberger, CMLRev 2009, 383 (421 f.). 707 EuGH, Urteil vom 8. September 2009, Rs. C-478/07, Budeˇ jovicky´ Budvar, ECLI:EU:C: 2009:521, Rn. 98 f.; hierauf Bezug nehmend auch Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 46 in Fn. 50; kritisch hierzu Brauneck, EuR 2018, 429 (443). 708 EuGH, Urteil vom 2. Juli 1996, Rs. C-473/93, Kommission/Luxemburg, ECLI:EU:C: 1996:263, Rn. 40 m. w. N. 709 Streinz/Kokott, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 2; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Lorenzmeier, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 4; Lang, EuR 2018, 525 (542). 710 Vgl. Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 241 verweisend auf Johannsen, BTWR 90/2009, S. 25. 711 Lang, EuR 2018, 525 (543).

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

147

Art. 351 Abs. 1 AEUV ist folglich richtigerweise so auszulegen, dass er unmittelbar nicht auf BIT Anwendung findet, die von einem Mitgliedstaat mit einem Drittstaat geschlossen wurden und dieser Drittstaat anschließend Mitgliedstaat wird. Auf dieser Linie bewegt sich auch Alexander Schaub (als damaliger Director General, Internal Market and Services der Europäischen Kommission) in einem Brief vom 13. Januar 2006 an den damaligen stellvertretenden Finanzminister der Tschechischen Republik, in dem er die Anwendung des heutigen Art. 351 AEUV verneint, sobald alle Parteien einer Übereinkunft Mitglieder der Europäischen Union wurden.712 Für das hier maßgebliche BIT kommt somit allenfalls eine analoge Anwendung des Art. 351 AEUV in Betracht.713 Hierfür wären entsprechend der allgemeinen Anforderungen eine vergleichbare Interessenlage und eine planwidrige Regelungslücke erforderlich.714 Wie bereits gesehen ist allerdings die Interessenlage der Staaten, die mit einem Staat ein BIT abschließen, welcher anschließend der Europäischen Union als Mitgliedstaat beitritt eine andere, als von Staaten, die mit Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor ihrem eigenen Beitritt ein BIT abschließen. Für letztere ist die Schutzwürdigkeit aufgrund des offenkundig möglichen Konflikts des BIT mit Unionsrechts zumindest erheblich gemindert. Während also zwei Staaten ohne jeglichen unionalen Bezug bei Vertragsschluss ein berechtigtes Interesse am Schutz des Art. 351 AEUV haben, ist diese Interessenlage für Staaten nicht vergleichbar, bei welchen eine Partei im Zeitpunkt des Abschlusses eines BIT bereits Mitgliedstaat war.715 Ebenso ist das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke zu verneinen. Maßgeblich ist hierfür jedoch nicht alleine, dass Art. 351 AEUV inter se-Abkommen wie das vorliegende BIT unmittelbar nicht erfasst (s. o.) und Art. 350 AEUV gerade eine Regelung für inter se-Abkommen trifft, der Anwendungsbereich freilich aber auf die Wirtschaftsunion der Benelux-Staaten begrenzt ist.716 Schließlich gilt Art. 350 AEUV nicht für inter se-Abkommen im Allgemeinen, sondern eben bloß 712

Volltext dieses Briefes abgedruckt in Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award), Rn. 119; siehe auf diesen Bezug nehmend auch Reinisch, LIEI 2012, 157 (161 f.). 713 Eine solche befürwortend Brauneck, EuR 2018, 429 (445) und Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (350); eine andere, in der Literatur aber weitaus populärere Diskussion kreist um die Möglichkeit einer analogen Anwendung des Art. 351 AEUV auf nach 1958 bzw. nach dem Unionsbeitritt jedoch vor Entstehung der Unionszuständigkeit (Art. 207 AEUV) geschlossene Verträge mit Drittstaaten, vgl. hierzu von der Groeben/Schwarze/Hatje/Lavranos, Europäisches Unionsrecht, Art. 351 AEUV, Rn. 6 und Bungenberg/Griebel/Hindelang/Terhechte, Internationaler Investitionsschutz und Europarecht, S. 139 (145) sowie Terhechte, EuR 2010, 517 (522 f.) m. w. N. 714 Vgl. Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 241 m. w. N.; vgl. aber Johannsen, BTWR 90/2009, S. 24 f. mit dem zusätzlichen Erfordernis der „Rechtliche[n] Intendierung“. 715 So auch Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 241. 716 So aber ibid. S. 241 f.

148

Kap. I: Die Achmea-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

speziell für den Zusammenschluss der Benelux-Staaten. Auch wenn dem europäischen Gesetzgeber das Spannungsverhältnis mitgliedstaatlicher Übereinkünfte somit bekannt gewesen war, gibt dies keinen unmittelbaren Aufschluss auf dessen Bewusstsein auch hinsichtlich der speziellen Konstellation, dass ein BIT von einem Mitgliedstaat und einem zukünftig der Union beitretenden Drittstaat geschlossen wird. Eine Regelungslücke ist nach der hier vertretenen Auslegung somit zwar gegeben. Es ist jedoch zwingend weder feststellbar, dass die vorliegende Konstellation vom europäischen Gesetzgeber bewusst nicht geregelt wurde, noch dass eine Regelung unbewusst unterblieb. Es fehlt somit im Ergebnis an einer eindeutig feststellbaren Planwidrigkeit der Regelungslücke. Auch eine analoge Anwendung des Art. 351 Abs. 1 AEUV scheidet für die vorliegende Konstellation mithin aus.717 Mangels unmittelbarer oder analoger Anwendbarkeit des Art. 351 Abs. 1 AEUV für inter se-Abkommen wie dem vorliegenden BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik ergeben sich aus den vorstehenden Ausführungen keine Änderungen hinsichtlich der rechtlichen Bewertung der Achmea-Entscheidung. Der EuGH hätte allerdings unter Anknüpfung an die (knappen) Ausführungen des Generalanwalts zumindest dessen Sichtweise klarstellend bestätigen können. Freilich fügt sich das dahingehende Schweigen des EuGH aber in das bisherige, überwiegende Verständnis der Norm im rechtswissenschaftlichen Diskurs ein. Intra-EU-BIT sind mithin, unabhängig davon, ob einer der Vertragsstaaten bei Vertragsschluss noch Drittstaat war, nicht vom Anwendungsbereich des Art. 351 AEUV erfasst. Es bleibt mithin für die Konstellation im Achmea-Fall und grundsätzlich für Intra-EU-BIT bei den – ohnehin bisher zugrunde gelegten – allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Unionsrechts und des Völkerrechts, welche der EuGH auch seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.718

III. Zwischenergebnis Die EuGH-Richter stellten am 6. März 2018 fest, dass Klauseln wie Art. 8 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik – also Klauseln, die die Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten durch Schiedsgerichte ermöglichen – nicht mit Art. 267 und 344 AEUV vereinbar sind. Im Kern der Würdigung der Richter steht dabei die in diesen Normen zum Ausdruck kommende

717 So im Ergebnis neben Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 241 f. auch Johannsen, BTWR 90/2009, S. 28; kritisch hierzu Brauneck, EuR 2018, 429 (445). 718 Siehe zu diesen BGH, Beschluss vom 3. März 2016 – I ZB 2/15, in: EuZW 2016, 512 (518 f. Rn. 84 f.). m. w. N.; von der Groeben/Schwarze/Hatje/Lavranos, Europäisches Unionsrecht, Art. 351 AEUV, Rn. 7.

C. Die Entscheidung des EuGH (Achmea-Entscheidung)

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Autonomie des Unionsrechts.719 Diese sei beeinträchtigt. Wie bereits gesehen, schloss sich der BGH dem im Achmea-Verfahren an.720 Die Achmea-Entscheidung vermag trotz einzelner kritikwürdiger Aspekte und der außerordentlich kurzen Urteilsbegründung aus einer rechtlichen Betrachtungsweise im Ergebnis zu überzeugen. Auch wenn es der Tenor der Entscheidung zunächst suggeriert, kommt es den Richtern nicht entscheidend auf die Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV selbst an. Richtigerweise haben weder Art. 344 AEUV noch Art. 267 AEUV für sich betrachtet einen originären Regelungsgehalt, der der Anwendbarkeit einer Schiedsklausel in einem Intra-EU-BIT entgegenstehen könnte. Maßgeblich ist für die Richter vielmehr eine Gesamtschau der Art. 267 und 344 AEUV in Verbindung mit Art. 19 Abs. 1 und 4 Abs. 3 EUV als Ausdruck der Autonomie des Unionsrechts. Dabei ist jedoch nicht bereits festgestellt, ob das nunmehr für das geltende Unionsrecht zugrunde zu legende Auslegungsverständnis des EuGH hinsichtlich Art. 267 und 344 AEUVauch aus tatsächlicher Sicht mit Blick auf einen gelungenen Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union zu begrüßen ist. Maßgeblich dafür ist vielmehr, welche Auswirkungen die Achmea-Entscheidung auf das intraunionale Investitionsschutzrecht hat. Immerhin stellte der EuGH „lediglich“ fest, dass einer Bestimmung wie Art. 8 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik Unionsrecht entgegensteht. Die Handhabung dieser Auslegung des Unionsrechts obliegt nun den Investitionsschiedsgerichten, welche dahingehend bereits Entscheidungen fällten (siehe sogleich). Unabhängig davon lässt sich aber feststellen, dass der EuGH mit der Entscheidung den Weg für das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT geebnet hat.

719

Siehe zum in EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C: 2018:158, Rn. 58 ebenfalls in Bezug genommenen Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten sowie der Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 290 ff. 720 BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2019, 46.

Kapitel II

Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung Die Achmea-Entscheidung hat den Konflikt zwischen dem autonomen Rechtssystem der Europäischen Union und intra-unionalen Investitionsschiedsverfahren kaum entschärft und keineswegs beigelegt. Die Richter haben lediglich Fragen zum geltenden Unionsrecht geklärt. Gerade da sie aber im Wesentlichen aus einer unionsrechtlichen Perspektive argumentierten, ist umso bedeutender, wie Tribunale von bis dahin bereits anhängigen Investitionsschiedsverfahren – welche richtigerweise nicht unmittelbar an Unionsrecht gebunden sind (siehe sogleich)721 – mit der Entscheidung und der daraus resultierenden sog. „Achmea-Objection“ umgehen und bereits umgegangen sind. Zuvor ist aber im Folgenden die Bedeutung der Entscheidung für sämtliche Intra-EU-BIT, aber auch Extra-EU-BIT sowie InvestorStaat-Verträge und insbesondere den ECT zu beleuchten. Hinsichtlich Intra-EU-BIT hebt das Übereinkommen zur Beendigung dieser die Diskussion auf eine andere Ebene. Maßgeblich für das Verständnis des Übereinkommens und insbesondere auch des intra-unionalen Investitionsschutzrechts nach Inkrafttreten des Übereinkommens ist gleichwohl die Rechtslage, wie sie im Zeitpunkt der Unterzeichnung bestand. Die Relevanz dieser Analyse beschränkt sich jedoch nicht auf diesen Zeitabschnitt – von gut zwei Jahren –, der zwischen der Achmea-Entscheidung und dem Beendigungsübereinkommen verstrich. Vielmehr wirkt die vom EuGH in der Achmea-Entscheidung geschaffene Rechtslage für das Investitionsrecht innerhalb der Europäischen Union bis heute fort und bedarf daher der Analyse auch gesondert von einer solchen angesichts des Beendigungsübereinkommens.

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen Die Beantwortung der Frage, welche Bedeutung der Entscheidung für – ungeachtet des Beendigungsübereinkommens – bis dahin bestehende Investitionsschutzabkommen beizumessen ist, hängt maßgeblich vom Entscheidungstenor ab. Wie bereits gezeigt, lautet dieser: „Die Art. 267 und 344 AEUV [sind] dahin auszulegen […], dass sie einer Bestimmung in einer internationalen Übereinkunft zwischen den Mitgliedstaaten wie Art. 8 des BIT ent721

Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (366); a. A. Friedrich, ZEuS 2010, 295 (307 f.).

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen

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gegenstehen, nach der ein Investor eines dieser Mitgliedstaaten im Fall einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Mitgliedstaat gegen diesen ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten darf, dessen Gerichtsbarkeit sich dieser Mitgliedstaat unterworfen hat.“722

Dabei ist zunächst zu bemerken, dass sich die Auslegung von Art. 267 und 344 AEUV lediglich auf eine „Bestimmung […] wie Art. 8 des BIT“723 bezieht. Daraus ergibt sich zum einen, dass nicht allein dieses konkrete BIT (zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik) angesprochen wird724 und zum anderen, dass keine Aussage über die Unionsrechtskonformität der materiellrechtlichen Bestimmungen derartiger BIT getroffen werden soll.725 Außerdem hat die Entscheidung keine Bedeutung für Intra-EU-BIT ohne Streitbeilegungsklauseln.726 Unklar ist indessen, ob die Auslegung nur für wortgleiche oder auch für anderslautende Streitbeilegungsklauseln in Intra-EU-BIT gilt. Darüber hinaus ist fraglich, ob aus der Formulierung „zwischen den Mitgliedstaaten“ unmittelbar hervorgeht, dass Extra-EU-BIT von der Auslegung unberührt bleiben. Dies ist schließlich ebenso relevant für Investor-Staat-Verträge und den ECT.

I. Die Bedeutung der Entscheidung für Intra-EU-BIT Wie soeben festgestellt, erschöpft sich die Bedeutung der Achmea-Entscheidung nicht darin, die Streitbeilegungsklausel im BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik für mit dem Unionsrecht für unvereinbar zu erklären. Der EuGH wird die Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV bewusst im oben beschriebenen Sinne offen formuliert haben, um eine verallgemeinerungsfähige Aussage über Investitionsschiedsverfahren innerhalb der Europäischen Union zu treffen. Zum Verständnis dessen ist sich erneut die erste Vorlagefrage des BGH in Erinnerung zu rufen: „1. Steht Art. 344 AEUV der Anwendung einer Regelung in einem bilateralen Investitionsschutzabkommen zwischen Mitgliedstaaten der Union (einem sogenannten unionsinternen BIT) entgegen, nach der ein Investor eines Vertragsstaats bei einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Vertragsstaat gegen letzteren ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten darf, wenn das Investitionsschutzabkommen vor dem Beitritt eines der Vertragsstaaten zur Union abgeschlossen worden ist, das Schiedsgerichtsverfahren aber erst danach eingeleitet werden soll?“ 722

EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 60. Hervorh. d. Verf. 724 So aber Janssen/Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (122), die die Erwägungen des EuGH jedoch auch für andere Intra-EU-BIT anwendbar halten. 725 So u. a. auch Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (365); Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (350); Lang, EuR 2018, 525 (535). 726 Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (288 Fn. 72). 723

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Der EuGH hat sich nicht – wie dies vom BGH vorgelegt wurde – auf die Auslegung des Unionsrechts hinsichtlich einer Schiedsklausel in einem BIT beschränkt, „das […] vor dem Beitritt eines der Vertragsstaaten zur Union abgeschlossen worden ist“. Allein, dass der EuGH diese Einschränkung im Rahmen seiner Befugnisse727 nicht aufrecht erhielt, zeigt, dass es den Richtern nicht bloß um die Klärung des in Rede stehenden Einzelfalls ging, sondern darum, eine sachdienliche, möglichst weitreichende Aussage in diesem, von Rechtsunsicherheit geprägten Bereich zu treffen.728 Die Entscheidung statuiert vielmehr, dass jedes Intra-EU-BIT mit einer Klausel „wie Art. 8 des BIT“ gegen Art. 267 und 344 AEUV verstößt. Offen bleibt somit zunächst, ob diese Auslegung des Unionsrechts für alle Intra-EU-BIT mit Streitbeilegungsklauseln gilt – „Bestimmung […] wie Art. 8 des BIT“ also bloß stellvertretend für irgendwie geartete Schiedsklauseln zu verstehen ist – oder ob diese Auslegung nur für BIT mit wörtlich identischer bzw. vergleichbarer Schiedsklausel gilt, wie dies der Entscheidungstenor zunächst vermuten lässt. Eine Einschränkung könnte sich dahingehend in zweifacher Weise ergeben. Zum einen könnten Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT, die anders lauten und insbesondere nicht entsprechend Art. 8 Abs. 6 des BIT die unmittelbare Anwendung des Unionsrechts ermöglichen (s. o.) nicht erfasst sein (1.). Zum anderen ermöglicht Art. 8 des BIT lediglich ein Ad hoc-Schiedsverfahren nach den UNCITRAL-Schiedsregeln (s. o.). Auch Schiedsklauseln mit Verweis auf andere Schiedsordnungen (insbesondere die ICSID-Konvention) könnten von der Entscheidung nicht betroffen sein (2.). 1. BIT ohne Regelung zur unmittelbaren Unionsrechtsanwendung Die Entscheidung des EuGH fußt im Wesentlichen auf der Annahme, dass es einem Schiedsgericht über Art. 8 Abs. 6 des BIT möglich sei, Unionsrecht unmittelbar anzuwenden und auszulegen. Dies trifft nach hier vertretener Auffassung auch zu (vgl. „the law in force of the Contracting Party concerned; the provisions of […] other relevant Agreements between the Contracting Parties;“ (s. o.)). Da nun aber einige Intra-EU-BIT hinsichtlich des anwendbaren Rechts eine nicht mit Art. 8 Abs. 6 des BIT identische Klausel enthalten und Unionsrecht somit unanwendbar sein könnte, wäre annehmbar, dass die Achmea-Entscheidung hinsichtlich dieser BIT schweigt und jene deshalb mit Unionsrecht weiterhin als vereinbar anzusehen sind. Dies wird in der Literatur teilweise vertreten.729 Schließlich beinhaltete die Vorla727

S. o. Fn. 682, 683. Nacimiento/Bauer, BB 2018, 1347 (1348) monieren, dass die Entscheidung jene Rechtsunsicherheit erst herbeigeführt habe. 729 Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 44 ff., 51 f.); Bertolini, Die Durchsetzung von ISDS-Entscheidungen in Deutschland, S. 156; Kainer, EuZW 2018, 659 (659 f.); Wuschka, ZEuS 2018, 25 (40 f.); vgl. in diese Richtung auch Dederer, RIW 2019, 397 (398 f. Fn. 32); Scholtka, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, EuZW 2018, 239 (244) statuiert dies nur hinsichtlich 728

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen

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gefrage des BGH diese vermeintliche Einschränkung („wie Art. 8 des BIT“) noch nicht.730 Als ein hinsichtlich des anwendbaren Rechts nicht mit dem hiesigen BIT identisches Abkommen ist exemplarisch das BIT zwischen der Republik Österreich und Rumänien731 zu nennen, in dem Art. 9 Abs. 6 zum anwendbaren Recht statuiert: „Das Schiedsgericht entscheidet auf Grund dieses Abkommens sowie auf Grund der allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes. […]“732

Vergleiche außerdem Art. 9 Abs. 4 des BIT zwischen der Republik Kroatien und der Hellenischen Republik (im Folgenden: Griechenland)733 : „The arbitral tribunal shall decide the dispute in accordance with the provisions of this Agreement and the applicable rules and principles of international law.“

Vergleiche außerdem Art. 8 Abs. 3 des BIT zwischen der Republik Kroatien und der Republik Ungarn734 : „The arbitration award shall be base[d] on, -the provisions of this Agreement, -the rules and the universally accepted principles of international law.“

Anders als Art. 8 Abs. 6 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik verweisen diese Bestimmungen für das anwendbare Recht nicht auf das nationale Recht der Vertragsparteien.735 Wenn man also allein solcher Schiedsklauseln, die mit der Vorliegenden „vergleichbar“ sind, ohne dies zu spezifizieren; kritisch zu dieser Auffassung neben vielen (siehe Fn. 764) Lang, EuR 2018, 525 (536 ff.), der u. a. moniert, dass dieses Verständnis bedeute, dass „die Frage der Vereinbarkeit von Intra-EU-BITs mit dem Unionsrecht […] keine Frage des Prinzips [wäre], sondern eine Frage der Vertragsgestaltung.“ (537). 730 So auch Rockhopper Italia S. p. A., Rockhopper Mediterranean Ltd, and Rockhopper Exploration Plc v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/17/14, (Decision on the Intra-EU Jurisdictional Objection, 29. Juni 2019), Rn. 157. 731 Abkommen zwischen der Republik Österreich und Rumänien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen (Inkrafttreten 1. Juli 1997). 732 So wortgleich auch Art. 9 Abs. 6 des Abkommens zwischen der Republik Osterreich und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über die Förderung und den Schutz von Investitionen (Inkrafttreten 1. Oktober 1991). 733 Agreement between the Government of the Republic of Croatia and the Government of the Hellenic Republic on the promotion and reciprocal protection of investments (Inkrafttreten 21. Oktober 1998). 734 Agreement between the Republic of Croatia and the Republic of Hungary for the promotion and reciprocal protection of investments (Inkrafttreten 1. März 2002). 735 Siehe ebenso auf das nationale Recht der Vertragsparteien verweisend aber bspw. Art. 8 Abs. 4 des Agreement between the Government of the Republic of Bulgaria and the Government of the Slovak Republic for the promotion and reciprocal protection of investments (Inkrafttreten 9. März 1995); Art. 8 Abs. 3 des Agreement between the Republic of Croatia and the Czech Republic for the promotion and reciprocal protection of investments (Inkrafttreten Februar 1997); Art. XI Abs. 3 des Agreement between the Republic of Croatia and the Kingdom

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

hierin den Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit des Unionsrechts sehen will,736 wäre nach diesen Klauseln für ein Schiedsgericht nicht die Möglichkeit gegeben, unmittelbar Unionsrecht anzuwenden und auszulegen. Sofern das Unionsrecht jedoch auch zu den „rules and principles of international law“ gehören sollte,737 wäre jenes wiederum anwendbar und auslegbar. Weitere Intra-EU-BIT enthalten schließlich gar keine Bestimmungen, die dem Tribunal – jedenfalls hinsichtlich Investor-Staat-Schiedsverfahren – das anwendbare Recht unmittelbar vorgeben würden.738 Unabhängig von solchen Bestimmungen enthalten zahlreiche BIT aber eine sog. Schirmklausel (engl. umbrella clause)739 wie sie auch in Art. 3 Abs. 5 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik enthalten ist. Dieser lautet: „If the provisions of law of either Contracting Party or obligations under international law existing at present or established hereafter between the Contracting Parties in addition to the present Agreement contain rules, whether general or specific, entitling investments by investors of the other Contracting Party to a treatment more favourable than is provided for by the present Agreement, such rules shall to the extent that they are more favourable prevail over the present Agreement.“

Eine wortgleiche Bestimmung findet sich beispielsweise auch in Art. 10 des BIT zwischen der Republik Kroatien und der Slowakischen Republik.740 Über derartige Bestimmungen können Unionsrechtsnormen – als potentiell vorteilhafter – zur Anwendung kommen, obgleich hinsichtlich des für Investor-Staat-Schiedsverfahren of Spain on the promotion and reciprocal protection of investments (Inkrafttreten 17. September 1998); Art. 7 Abs. 3 des Agreement between the Republic of Croatia and the Republic of Poland on the promotion and reciprocal protection of investments (Inkrafttreten 4. Oktober 1995; Außerkrafttreten 18. Oktober 2019). 736 So wohl Bertolini, Die Durchsetzung von ISDS-Entscheidungen in Deutschland, S. 154 f. 737 So bspw. das Tribunal in Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 289; vgl. auch Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue, 31. August 2018), Rn. 150; Andenas/Contartese, CMLRev 2019, 157 (181 f.); Friedrich, ZEuS 2010, 295 (305 f.); Burgstaller, JIntlArb 2009, 181 (192). 738 Siehe bspw. das Agreement between the Government of Sweden and the Government of the Socialist Federal Republic of Yugoslavia (Rechtsnachfolger u. a. Serbien) on the mutual protection of investments (Inkrafttreten 21. November 1979); siehe auch den Vertrag zwischen der Republik Kroatien und der Bundesrepublik Deutschland über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Inkrafttreten 28. September 2000); dies unberücksichtigt lassend Müller/Simon, NJOZ 2018, 961 (963). 739 Siehe allg. zu Schirmklauseln in BIT Schramke, SchiedsVZ 2006, 249. 740 Agreement between the Government of the Slovak Republic and the Government of the Republic of Croatia on the promotion and reciprocal protection of investments (Inkrafttreten 6. Februar 1997); siehe ähnlich auch Art. 7 Abs. 1 des Model-BIT der Bundesrepublik Deutschland (2008).

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen

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anwendbaren Rechts keine Regelung getroffen wird.741 So ist es in besagtem BIT zwischen der Republik Kroatien und der Slowakischen Republik der Fall. Das Schweigen eines BIT zum anwendbaren Recht lässt mithin keineswegs stets einen definiten Schluss auf die Unmöglichkeit der Unionsrechtsanwendung zu. Vielmehr überlässt das dahingehende Schweigen dem zuständigen Schiedsgericht einen breiten Deutungsspielraum, welcher auch die Anwendung und Auslegung von Unionsrecht ermöglicht.742 An dieser Stelle spielen nämlich Bestimmungen in den maßgeblichen Schiedsregeln zum anwendbaren Recht (z. B. Art. 35 Abs. 1 S. 2 UNCITRAL-Schiedsregeln; Art. 42 Abs. 1 S. 2 ICSID-Konvention; Art. 27 Abs. 1 SCC-Schiedsregeln; Art. 21 Abs. 1 ICC-Schiedsregeln) eine Rolle.743 Sowohl Art. 35 Abs. 1 S. 2 UNCITRAL-Schiedsregeln als auch Art. 42 Abs. 1 S. 2 ICSID-Konvention, Art. 27 Abs. 1 SCC-Schiedsregeln und Art. 21 Abs. 1 ICC-Schiedsregeln ermöglichen eine Unionsrechtsanwendung.744 Schließlich ist hier auch die Heranziehung des Unionsrechts als Teil des nationalen Rechts des Gaststaats als für die Entscheidung maßgebliche Tatsache denkbar.745 Teilweise wird sogar vertreten, dass die Achmea-Entscheidung unabhängig von der Möglichkeit zur Anwendung von Unionsrecht durch ein Tribunal für sämtliche Intra-EU-BIT gelten müsse.746 Ein anderes Verständnis ließe sich als zu formalistisch nicht mit den Bedenken des EuGH vereinbaren.747 Andere Stimmen in der Literatur lassen hierfür bei Fehlen einer Klausel zur Anwendbarkeit des Unionsrechts die mittelbare Heranziehung des Unionsrechts als Auslegungsmaßstab durch ein Schiedsgericht genügen.748 Wieder andere halten die Unionsrechtsanwendung intra741 Vgl. Müller, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, RIW 2018, 200 (205). 742 Siehe allg. zur Bestimmung des anwendbaren Rechts durch Schiedsrichter bei Fehlen einer Vereinbarung Yannaca-Small/Banifatemi, Arbitration under International Investment Agreements, I., S. 191 (200 ff.). 743 Vgl. Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (483) und Schreuer, MJDR 2014, 1 (11 ff.) insb. bzgl. Art. 42 Abs. 1 ICSID-Konvention. 744 Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (483); vgl. Kläger, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, SchiedsVZ 2018, 186 (193 Fn. 21); Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, JZ 2018, 511 (517) hält Art. 42 Abs. 1 ICSID-Konvention infolge der Achmea-Entscheidung gar für unionsrechtswidrig. 745 Electrabel S. A. v. Republic of Hungary, ICSID Case No. ARB/07/19, (Decision on Jurisdiction, Applicable Law and Liability), Rn. 4.127 ff. verweisend auf Azurix Corp. v. The Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/01/12, (Award, 14. Juli 2006), Rn. 67; dem zustimmend Jürgen Wirtgen, Stefan Wirtgen, Gisela Wirtgen and JSW Solar (zwei) GmbH & Co. KG v. Czech Republic, PCA Case No. 2014-03, (Final Award, 11. Oktober 2017), Rn. 177; vgl. auch de Sadeleer, EJRR 2018, 355 (369); vgl. aber Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 51 f.). 746 Hess, REDP 2018, 114 (122 f.); in diese Richtung auch Lang, EuR 2018, 525 (537 f.); auch Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (350) halten ein solches Verständnis für vertretbar. 747 Hess, REDP 2018, 114 (122 f.). 748 Ruddigkeit, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, ZUR 2018, 415 (420); vgl. auch Lang, EuR 2018, 525 (537 f.).

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

unional auch unabhängig von einer Klausel zum anwendbaren Recht gar stets für verpflichtend.749 Soweit muss indes gar nicht gegangen werden. Selbst wenn ein Intra-EU-BIT ohne Schirmklausel keine Bestimmung zur Anwendbarkeit des Unionsrechts trifft, kann jenes jedenfalls stets über Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT ausgelegt werden.750 Dieser lautet in wesentlichen Teilen in authentischer englischer Sprache751: „(1) A treaty shall be interpreted in good faith in accordance with the ordinary meaning to be given to the terms of the treaty in their context and in the light of its object and purpose. […] (3) There shall be taken into account, together with the context: […] c) any relevant rules of international law applicable in the relations between the parties. […]“752

Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT ermöglicht die Inbezugnahme sämtlicher anerkannter Quellen des Völkerrechts deren Ausstrahlung grundsätzlich im Rahmen einer Auslegung relevant werden können.753 Hierzu gehört für eine Auslegung von IntraEU-BIT auch das diese jedenfalls flankierende Unionsrecht.754 Andere Stimmen in der Literatur kommen zum gleichen Ergebnis unter Bezugnahme auf Art. 30 Abs. 3 VCLT.755 Richtigerweise kommt es hierbei freilich nicht darauf an, ob bei einer konkreten Streitentscheidung tatsächlich Fragen des Unionsrechts relevant werden.756 Unabhängig davon also, ob das Unionsrecht unter „rules“ oder „principles of international law“ (bzw. die „allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes“) fällt, ob ein BIT eine Schirmklausel enthält oder ob es überhaupt eine Regelung zum potentiell anwendbaren Recht trifft, besteht für das Schiedsgericht folglich jedenfalls 749

Pinna, PJIA 2018, 73 (87 f.). So auch Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699, Rn. 172; Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 312 ff., 316 f.; Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 260 f.; Georgaki/Papanastasiou, PolishYIL 2019, 209 (223 ff.); Müller, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, RIW 2018, 200 (205); Kläger, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, SchiedsVZ 2018, 186 (193 Fn. 21); vgl. auch Restrepo Amariles/Farhadi/Van Waeyenberge, ICLQ 2020, 907 (932 f.); Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (482); Friedrich, ZEuS 2010, 295 (306 f.). 751 Siehe Art. 85 VCLT. 752 Hervorh. d. Verf. 753 Dörr/Schmalenbach/Dörr, VCLT, Art. 31 Rn. 95; vgl. Linderfalk, On The Interpretation of Treaties, S. 177 f. m. w. N. für insoweit engere Auffassungen. 754 Siehe Fn. 750. 755 Hess, REDP 2018, 114 (122 Fn. 37) m. w. N.; Glinski, ZEuS 2018, 47 (60 f.) (ohne explizit Abs. 3 in Bezug zu nehmen); vgl. auch Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (482 Fn. 41). 756 ˙ Zmij, ZEuP 2019, 535 (544); Scholtka, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, EuZW 2018, 239 (244); dies offenbar verkennend Kainer, EuZW 2018, 659 f. 750

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen

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die Möglichkeit zur Auslegung von Unionsrecht.757 Die vom EuGH angestellten Erwägungen zur Auslegung von Art. 267 und 344 AEUV können somit ohne weiteres auf sämtliche Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT übertragen werden. Angesichts dessen wäre es widersinnig der Entscheidung Bedeutung nur für solche BIT beizumessen, die eine mit Art. 8 Abs. 6 des BIT in casu identische Klausel enthalten. Es scheint vielmehr im Sinne der Erwägungen des EuGH, dass Art. 267 und 344 AEUV so auszulegen sind, dass sie einer Schiedsklausel in Intra-EU-BIT unabhängig von dem explizit für anwendbar erklärten Recht entgegenstehen, wenn das Tribunal Unionsrecht anwenden kann.758 Diese Möglichkeit besteht gem. Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT für alle Intra-EU-BIT. 2. Klauseln mit Bezugnahmen auf andere Schiedsinstitutionen Des Weiteren könnte man annehmen, Bestimmungen „wie Art. 8 des BIT“ seien nur solche, die – wie Art. 8 des BIT – die Streitbeilegung durch ein Ad hocSchiedsgericht vorsehen. Nach einem derart engen Verständnis der Entscheidung würden folglich Klauseln mit ausschließlichem759 oder alternativem760 Verweis auf die Streitbeilegung durch institutionelle Schiedsgerichte (wie bspw. ICSIDSchiedsgerichte) nicht von der Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV durch den EuGH erfasst.761 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der EuGH seine Erwägungen losgelöst von dem im konkreten Fall zuständigen Schiedsgericht getroffen hat. Es wird nicht zwischen Ad hoc-Schiedsgerichten und institutionellen Schiedsgerichten differenziert. Die Entscheidung der Richter ergeht vielmehr allgemein in Bezug auf Investitionsschiedsgerichte für intra-unionale Streitigkeiten, welche allesamt nicht vorlageberechtigt i. S. d. Art. 267 AEUV sind. Darüber hinaus sind die dargelegten Unstimmigkeiten mit der Autonomie des Unionsrechtssystems gerade bei ICSID-Schiedsverfahren virulent (s. o.).762 Es ist 757

Ebenso mit ähnlicher Begründung Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (481 ff., 483); kritisch hierzu Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 51 f.). 758 Unentschieden hierzu Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (366). 759 Siehe exemplarisch Art. 8 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Republik Osterreich und der Ungarischen Volksrepublik über die Förderung und den Schutz von Investitionen (Inkrafttreten 1. September 1989). 760 Siehe exemplarisch Art. 9 Abs. 2 des Agreement on encouragement and reciprocal protection of investments between the Republic of Bulgaria and the Kingdom of the Netherlands (Inkrafttreten 1. März 2001). 761 So Nagy/Nagy, Investment Arbitration in Central and Eastern Europe, S. 1 (3); Nagy, GLJ 2018, 981 (993 f.); vgl. auch Lo´pez-Rodri´guez, TEL 2019, 279 (289); UP (formerly Le Chèque Déjeuner) and C.D Holding Internationale v. Hungary, ICSID Case No. ARB/13/35, (Award, 9. Oktober 2018), Rn. 214. 762 Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 391 f.; vgl. Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (265 f.).

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

folglich schwerlich annehmbar, dass der EuGH die Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV auf Klauseln zur Ermöglichung von Ad hoc-Schiedsverfahren beschränken wollte, während insbesondere Schiedsverfahren auf Grundlage der ICSID-Konvention aus unionsrechtlicher Perspektive problematisch sind. Auch in dieser Hinsicht liegt also keine Einschränkung der Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Intra-EU-BIT vor.763 3. Zwischenergebnis Es ist mithin festzuhalten, dass die Achmea-Entscheidung alle Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT betrifft. Die Formulierung „Bestimmung […] wie Art. 8 des BIT“ ist mithin so zu verstehen, dass sie ungeachtet der Besonderheiten der Schiedsklausel im BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik auf Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT im Allgemeinen übertragbar ist. Diese Interpretation hat im Ergebnis auch in der Literatur überwiegend Anklang gefunden.764 Neben dem Generalanwalt des EuGH Szpunar765 bestätigten auch die Mitgliedstaaten dieses Verständnis bereits in ihren Januar-Deklarationen (s. o.).766 763 Siehe ergänzend jedoch Nagy/Nagy, Investment Arbitration in Central and Eastern Europe, S. 1 (3 ff.) und Nagy, GLJ 2018, 981 (993 ff.) mit weiteren Ansätzen zur Reduzierung der Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Intra-EU-BIT. 764 So Ruddigkeit, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, ZUR 2018, 415 (420), die sogar konstatiert, dahingehend „[dürfte] Einigkeit bestehen“; Nagel/ Gottwald/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, Kap. X. Rn. 18.321; Andenas/Pantaleo/ Happold/Contartese/Happold/De Boeck, EU External Action in International Economic Law, S. 251 (275 ff.); Berger, International Investment Protection in Europe, S. 116 ff.; Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 23 Rn. 107; Theobald/Kühling/Gundel, Energierecht, Kap. 12, Rn. 91 Fn. 5; Berger, EuZW 2021, 342 (343); Burger, YIA 2019, 121 (132); Scheu/ Nikolov, GYIL 2019, 475 (479 ff.); Z˙ mij, ZEuP 2019, 535 (544, 546); Wierzbowski/Szostak, DRI 2019, 61 (61, 64); Schott, jurisPR-BGHZivilR 5/2019 Anm. 5 (C.); Klages, EuZW 2018, 217 (218); Gundel, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, NVwZ 2018, 723 (727); Gundel, EWS 2018, 124 (124 f.); Hess, REDP 2018, 114 (122 f.); Pinna, PJIA 2018, 73 (87 ff.); Wernicke, NJW 2018, 1644 (1646); Wilske/Bräuninger, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, IWRZ 2018, 126 (128); Wilske, RIW 2018, vor 169 („Die erste Seite“); Cranshaw, jurisPR-IWR 2/2018 Anm. 1 (C. I.); Glinski, ZEuS 2018, 47 (63); Lang, EuR 2018, 525 (537 f., 559); Hlava/Heuschmid, NZA 2018, 978 (982); Miller, EuZW 2018, 357 (362); Müller/Simon, NJOZ 2018, 961 (963 f.); Nacimiento/Bauer, BB 2018, 1347 (1347 f.); Bischoff, IPRax 2018, 588 (591); Lübke, GPR 2018, 149 (149, 152); de Sadeleer, EJRR 2018, 355 (366); implizit auch Lacson, NYUJIntlL&Pol 2019, 1327 (1336, 1344 f.); Behrens, RIW 2018, 701 (708, 711); Balthasar, SchiedsVZ 2018, 227 (227 f.); Müller, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, RIW 2018, 200 (205); Kläger, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, SchiedsVZ 2018, 186 (193); Wilske/Markert/Bräuninger, SchiedsVZ 2019, 101 (115) sowie bereits Wilske/Markert/Bräuninger, SchiedsVZ 2018, 134 (154 f.). 765 Schlussanträge des Generalanwalts Maciej Szpunar, 3. März 2021, Rs. C-741/19, Komstroy, ECLI:EU:C:2021:164, Rn. 53 f. 766 Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union

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Im Ergebnis dient die Ergänzung „wie Art. 8 des BIT“ somit bloß der Illustration der generellen Merkmale einer BIT-Schiedsklausel767 und ist daher als gänzlich überflüssig anzusehen. Eine insoweit glücklichere Formulierung wäre gewesen: „Die Art. 267 und 344 AEUV [sind] dahin auszulegen […], dass sie einer Bestimmung in einer internationalen Übereinkunft zwischen den Mitgliedstaaten entgegenstehen, nach der ein Investor eines dieser Mitgliedstaaten im Fall einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Mitgliedstaat gegen diesen ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten darf, dessen Gerichtsbarkeit sich dieser Mitgliedstaat unterworfen hat.“

Obwohl sich die Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV dementsprechend auf sämtliche Intra-EU-BIT bezieht, die Schiedsklauseln enthalten, hat die Entscheidung keine direkten Auswirkungen auf die Gültigkeit jener BIT im Ganzen.768 Diese bleiben bzw. blieben trotz ihrer partiellen Unionsrechtswidrigkeit weiterhin wirksam, wobei die Mitgliedstaaten gem. Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet sind bzw. waren, sie zu ändern oder aufzukündigen.769 Die tatsächlichen Auswirkungen der AchmeaEntscheidung bis zu einer – mit dem Beendigungsübereinkommen weitgehend erfolgten – Beendigung der Intra-EU-BIT zeigen sich mithin erst durch einen Blick auf die investitionsschiedsgerichtliche Praxis innerhalb der Europäischen Union.770 Denkbar wäre indes eine Immunisierung der Intra-EU-BIT gewesen, wenn jene dergestalt geändert worden wären, dass sie die Anwendung und Auslegung des Unionsrechts vergleichbar mit Art. 8.31 Abs. 2 CETA untersagt hätten.771 (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_ finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Governments of the Member States of 16 January 2019 on the enforcement of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://www.regeringen.se/48ee19/contentassets/ d759689c0c804a9ea7af6b2de7320128/achmea-declaration.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Government of Hungary of 16 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://2015-2019.kormany.hu/download/5/1b/81000/ Hungarys%20Declaration%20on%20Achmea.pdf#!DocumentBrowse, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); vgl. allg. dazu Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (236 ff.); Dederer, RIW 2019, 397 (398 Fn. 32) bezeichnet diese als „überschießend“. 767 Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (480). 768 Vgl. Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (288). 769 Vgl. Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Bungenberg/Hobe, International Investment Law, S. 1602 (1626 Rn. 57) („From the point of view of international law any intra-EU BIT is legally valid until it has been formally terminated. Under a European Union Law perspective, any conflict must be eliminated or finally solved in favour of Union law. That would lead to renegotiations or the termination of the BIT in question.“); Z˙ mij, ZEuP 2019, 535 (544); Burger, YIA 2019, 121 (145); Bischoff, IPRax 2018, 588 (591); Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (288); siehe zur Möglichkeit einer unionsrechtskonformen Auslegung von Intra-EU-BIT (diese jedoch im Ergebnis ablehnend) Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 311 ff. 770 Siehe dazu sogleich Kapitel II B. II., III. 771 Siehe EuGH, Gutachten vom 30. April 2019, Nr. 1/17, Avis, ECLI:EU:C:2019:341, Rn. 119 ff.; Lee, CAAJ 2018, 137 (150); Klages, EuZW 2018, 217 (218); vgl. auch Boden-

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

II. Exkurs: Die Bedeutung der Entscheidung für Extra-EU-BIT Weiterhin könnte sich die Achmea-Entscheidung auch auf Extra-EU-BIT, also BIT zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten,772 auswirken.773 Bis zur Entscheidung im Jahre 2018 bestanden ca. 1360 solcher BIT.774 Nicht gemeint sind hiermit Abkommen, bei denen die Europäische Union selbst Partei ist.775 Zu solchen hat der EuGH im CETA-Gutachten776 Klarheit herbeigeführt.777 Die Europäische Union kann demnach im Grundsatz auch dann internationale Abkommen schließen, wenn diese die Streitbeilegung durch Schiedsgerichte vorsehen.778 Der CETA-Streitbeilegungsmechanismus beeinträchtigt nicht die Autonomie des Unionsrechts. Darum geht es hier jedoch nicht. Hinsichtlich Extra-EU-BIT besteht eine Verordnung der Europäischen Union779 aus dem Jahre 2012, welche im Wesentlichen statuiert, dass Extra-EU-BIT, die vor dem 1. Dezember 2009 oder, wenn dies der spätere Zeitpunkt ist, vor dem Beitritt zur Europäischen Union unterzeichnet wurden, so lange in Kraft bleiben, bis zwischen heimer/Eller, RIW 2018, 786 (791); a. A. Glinski, ZEuS 2018, 47 (63); kritisch auch Lübke, GPR 2018, 149 (152); siehe für eine solche Klausel Art. 20 Abs. 12 des Model-BIT des Königreichs der Niederlande vom 22. März 2019 (abrufbar unter https://investmentpolicy.unctad. org/international-investment-agreements/treaty-files/5832/download, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe ausführlich hierzu unten Kapitel III D. III. 2. a). 772 Die Terminologie ist teilweise uneinheitlich. Burger, YIA 2019, 121 (133 f.) bezeichnet BIT zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten „Trans-EU-BITs“ und lediglich solche ausschließlich zwischen Drittstaaten „Extra-EU-BITs“; Müller/Simon, NJOZ 2018, 961 (964) verstehen unter „Extra-EU-BITs“ sogar nur solche, „welche die EU – wie etwa im Falle von CETA – selbst mit Drittstaaten geschlossen hat“; so wie Müller/Simon auch Lenaerts/GutiérrezFons/Adam, ZaöRV 2021, 47 (63 f.); ganz überwiegend werden jedoch – wie hier – als ExtraEU-BIT lediglich solche BIT verstanden, die ein Mitgliedstaat mit einem Drittstaat geschlossen hat. 773 Siehe umfassend zur Vereinbarkeit von Extra-EU-BIT mit Unionsrecht bereits vor der Achmea-Entscheidung Basener, Investment Protection in the European Union, S. 335 ff. und Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Gaffney/Akçay, International Investment Law, S. 186 (197 ff. Rn. 40 ff.). 774 Informationen der Mitgliedstaaten: Aufstellung der bilateralen Investitionsschutzabkommen nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1219/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung einer Übergangsregelung für bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern, 2018/C 149/01, Amtsblatt der Europäischen Union C 149/1; vgl. auch Burger, YIA 2019, 121 (134); Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (351) sprechen von „approximately 1,200 extra-EU BITs“. 775 Dies jedoch missverständlicher Weise annehmend Müller/Simon, NJOZ 2018, 961 (964) und Lenaerts/Gutiérrez-Fons/Adam, ZaöRV 2021, 47 (63 f.). 776 EuGH, Gutachten vom 30. April 2019, Nr. 1/17, Avis, ECLI:EU:C:2019:341. 777 Siehe zur Diskussion vor Ergehen des Gutachtens Glinski, ZEuS 2018, 47 (65 ff.). 778 Scholtka, Anmerkung zu EuGH, Gutachten vom 30. April 2019, Nr. 1/17, NVwZ 2019, 868 (868 ff.). 779 Verordnung (EU) Nr. 1219/2012 vom 12. Dezember 2012 zur Einführung einer Übergangsregelung für bilaterale Investitionsschutzabkommen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern.

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen

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der Europäischen Union und demselben Drittland ein Investitionsschutzabkommen abgeschlossen wird.780 Ungeachtet dessen hat auch der EuGH in der Achmea-Entscheidung explizit nur über Bestimmungen in internationalen Übereinkünften „zwischen den Mitgliedstaaten“ entschieden und somit Extra-EU-BIT ausgeklammert. Darüber hinaus wird angemerkt, Drittstaaten seien nicht an die Auffassung des EuGH gebunden und die Nichtbeachtung von Extra-EU-BIT würde einen Vertragsbruch bedeuten.781 Außerdem komme bei BIT zwischen Mitglieds- und Drittstaaten eine Unionsrechtsanwendung ohnehin nicht in Betracht.782 Aufgrund dessen wird teilweise vertreten, die in der Achmea-Entscheidung angestellten Erwägungen des EuGH hätten keinerlei Auswirkungen auf Extra-EUBIT.783 Auch die Europäische Kommission veröffentlichte am 19. Juli 2018 eine Klarstellung784, in der es heißt: „Does the Achmea judgment have consequences for agreements with third countries? No, the Court’s judgment only concerns intra-EU disputes.“

Dem ist zu widersprechen. Einzuräumen ist dahingehend aber zunächst, dass der EuGH die Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV tatsächlich explizit nur auf IntraEU-BIT bezog. Es hätte sich wohl im Rahmen einer sachdienlichen Umdeutung der Vorlagefragen gehalten, die Auslegung dieser Normen auch auf Schiedsklauseln in Extra-EU-BIT zu erstrecken, wenn dies im Sinne des EuGH gewesen wäre. Auch die Annahme, dass die Richter eine mögliche Unionsrechtswidrigkeit von Schiedsklauseln in Extra-EU-BIT mithin bewusst aus ihren Erwägungen ausklammerten, scheint nicht von vornherein ausgeschlossen. Gleichwohl ist die Frage nach der Reichweite der Auslegung von Art. 267 und 344 AEUV auch hier mit Blick auf die grundsätzliche Annahme des EuGH zu beantworten, dass die Unionsrechtsautonomie gerade deswegen beeinträchtigt ist, da ein Schiedsgericht Unionsrecht anwenden oder auslegen kann, ohne dass dies stets der Kontrolle des EuGH unterläge. Angesichts dessen fällt es schwer, solche Schiedsklauseln in Extra-EU-BIT als von der Auslegung des EuGH unberührt anzusehen, welche ebenso die Anwendung oder Auslegung von Unionsrecht durch ein Schiedsgericht ermöglichen. 780 Siehe Art. 2 und 3 der VO Nr. 1219/2012; siehe zur Veranschaulichung auch Lavranos/ Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (351) und Burger, YIA 2019, 121 (135 f.). 781 Bertolini, Die Durchsetzung von ISDS-Entscheidungen in Deutschland, S. 156. 782 So Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (368) ohne dies zu begründen. 783 Lenaerts/Gutiérrez-Fons/Adam, ZaöRV 2021, 47 (63 Fn. 74); Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (368); Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (277); vgl. auch Sahin, EuZW 2021, 348 (353); Janssen/Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (134 f.); Koutrakos, ActScandJurisGent 2019, 41 (62 ff.); in diese Richtung auch Bertolini, Die Durchsetzung von ISDS-Entscheidungen in Deutschland, S. 156 f.; Gundel, EWS 2018, 124 (130); Miller, EuZW 2018, 357 (362); auch Bischoff, IPRax 2018, 588 (591) deutet dies an. 784 Europäische Kommission, Commission provides guidance on protection of cross-border EU investments – Questions and Answers (abrufbar unter https://ec.europa.eu/commission/ presscorner/detail/en/MEMO_18_4529, zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Zu nennen ist diesbezüglich exemplarisch Art. 10 Abs. 4 des BIT zwischen dem Königreich Dänemark und dem Königreich Marokko785, der lautet: „The arbitral tribunal shall rule on the basis of national law of the Contracting Party involved in the dispute in which territory the investment is situated, including the rules relating to law conflicts, the provisions of this Agreement, the provisions of particular agreement that would be concluded concerning investments as well as principles of international law. The provisions of this paragraph shall not prejudice the power of the tribunal to decide a dispute ex aequo et bono.“

Vgl. außerdem Art. 11 Abs. 6 des BIT zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Saudi-Arabien786 : „Issues in dispute under Article 8, paragraph 2 of this Agreement shall be decided, absent other agreement, in accordance with the law of the Contracting Party, party to the dispute, including its rules on the conflict of laws, the law governing the authorisation or agreement and such rules of international law as may be applicable.“

In Fällen auf Grundlage solcher BIT ist Unionsrecht – jedenfalls wenn der beklagte Staat der Mitgliedstaat ist – als nationales Recht der Vertragspartei anwendbar.787 Doch auch bei Extra-EU-BIT, die für das anwendbare Recht auf „applicable rules and principles of international law“ verweisen788, erscheint eine Anwendung bestimmter Unionsrechtsnormen durch das mit dem Disput befassten Tribunal auch für Drittstaatsangehörige möglich,789 wenn der beklagte Staat der Mitgliedstaat ist.790

785 Agreement between the Government of the Kingdom of Denmark and the Government of the Kingdom of Morocco for the reciprocal promotion and protection of investments (Inkrafttreten 18. September 2013). 786 Agreement between The Kingdom of Saudi Arabia and The Republic of Austria concerning the Encouragement and Reciprocal Protection of Investments (Inkrafttreten 25. Juli 2003). 787 So auch Declève, EP 2019, 99 (104) und Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, JZ 2018, 511 (516 f.). 788 Siehe bspw. Art. 16 Abs. 1 des Agreement between the Republic of Austria and the Republic of Guatemala for the promotion and protection of investments (Inkrafttreten 1. Dezember 2012). 789 Siehe zur Anwendbarkeit des Unionsrecht für Drittstaatsangehörige von der Groeben/ Schwarze/Hatje/Wojcik, Europäisches Unionsrecht, Art. 63 AEUV, Rn. 10 hinsichtlich der Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit aus Art. 63 AEUV; siehe auch Streinz/Streinz, EUV/ AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 40 hinsichtlich der Anwendung des Diskriminierungsverbots aus Art. 18 AEUV auch für Drittstaatsangehörige; siehe auch Jarass, EU-Grundrechte-Charta, Art. 15, Rn. 9 hinsichtlich der Anwendung des Grundrechts der Berufs- und Arbeitsfreiheit aus Art. 15 Grundrechte-Charta auch für Drittstaatsangehörige; siehe auch Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final, S. 5, Fn. 8. 790 Unentschlossen hierzu Declève, EP 2019, 99 (104).

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen

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Sofern das BIT zum anwendbaren Recht gänzlich schweigt,791 gelten auch hier die bereits genannten Bestimmungen der anwendbaren Schiedsordnungen (s. o.), welche dem Tribunal eine Unionsrechtsanwendung jedenfalls ermöglichen.792 Lediglich wenn im BIT die ausschließliche Anwendbarkeit der BIT-Bestimmungen vorgeschrieben sein sollte, dürfte für Extra-EU-BIT die Anwendung oder Auslegung von Unionsrecht ausgeschlossen sein.793 Dies könnte angesichts des CETA-Gutachtens des EuGH794 auch für Klauseln entsprechend Art. 8.31 Abs. 2 CETA in Extra-EU-BIT gelten. Dahingehende Änderungen bestehender Extra-EUBIT sind auch bereits erfolgt.795 Sofern also einem Schiedsgericht gemäß derartiger Bestimmungen in einem BIT die Anwendung oder Auslegung von Unionsrecht ermöglicht ist, bestehen je nach Art des Schiedsgerichts und Ort des Schiedsverfahrens besagte Bedenken hinsichtlich der Letztentscheidungskompetenz des EuGH und damit hinsichtlich der Autonomie des Unionsrechts.796 Die dahingehenden Erwägungen des EuGH lassen sich ohne Weiteres auf Extra-EU-Konstellationen übertragen. Jedenfalls also, wenn es einem Schiedsgericht auf Grundlage eines Extra-EU-BIT möglich ist, Unionsrecht anzuwenden oder auszulegen, sind jene Bestimmungen im Lichte der vom EuGH hinsichtlich Intra-EU-BIT vorgegebenen Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV als Ausdruck des Autonomiegedankens unionsrechtswidrig.797 Diesem Ergebnis steht auch nicht besagte Verordnung Nr. 1219/2012 entgegen, da jene keine Aussagen über eine inhaltliche Unionsrechtswidrigkeit von Extra-EU-BIT trifft.798 Auch der insoweit eingeschränkte Wortlaut des Art. 344 AEUV vermag hieran nichts zu ändern, da Art. 267 und 344 AEUV – wie bereits gesehen – vom EuGH in Ver791

Siehe bspw. den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Bahrain über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Inkrafttreten 27. Mai 2010). 792 Declève, EP 2019, 99 (104 f.); dies unberücksichtigt lassend Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (351). 793 Dazu tendiert auch Declève, EP 2019, 99 (106). 794 EuGH, Gutachten vom 30. April 2019, Nr. 1/17, Avis, ECLI:EU:C:2019:341. 795 So Puig, ECB LWPS 19/2019, 20 (24); siehe auch Art. 20 Abs. 12 des Model-BIT des Königreichs der Niederlande vom 22. März 2019 (abrufbar unter https://investmentpolicy.unc tad.org/international-investment-agreements/treaty-files/5832/download, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 796 Dies räumen auch Janssen/Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (134 f.) ein. 797 So im Ergebnis auch Ludwigs/Remien/Krajewski, Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S. 113 (127 f.); Burger, YIA 2019, 121 (136); Declève, EP 2019, 99 (103); de Sadeleer, EJRR 2018, 355 (367); vgl. auch Wierzbowski/Szostak, DRI 2019, 61 (66); Müller, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, RIW 2018, 200 (205); Lübke, GPR 2018, 149 (152); in diese Richtung auch Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (351) und Andenas/Contartese, CMLRev 2019, 157 (185); dies bereits vor der Achmea-Entscheidung andeutend Kulick/Lavranos, Reassertion of Control over the Investment Treaty Regime, S. 309 (329 f.). 798 Vgl. Burger, YIA 2019, 121 (136).

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

bindung mit Art. 4 Abs. 3 und Art. 19 EUV als Ausdruck der Autonomie des Unionsrechtssystems angesehen werden.799 Darüber hinaus wird auch unabhängig von einer möglichen Unionsrechtsanwendung die Übertragung der Erwägungen des EuGH auf Extra-EU-BIT befürwortet, da durch diese im Falle der Klage gegen einen Mitgliedstaat ein Schiedsgericht über einen Disput entscheide, der in die Entscheidungszuständigkeit der nationalen Gerichte falle.800 Dies untergrabe die Verpflichtung der Mitgliedstaaten aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV.801 Ob die Erwägungen des EuGH auch bezüglich Extra-EU-BIT rechtlich überzeugend wären, spielt hierfür keine Rolle und soll daher auch außer Betracht bleiben.802 Festzuhalten bleibt also, dass zwar die Gültigkeit auch der Extra-EU-BIT durch die Achmea-Entscheidung nicht unmittelbar berührt wird. Allerdings sind die vom EuGH angestellten Erwägungen auf Schiedsklauseln einiger Extra-EU-BIT anzuwenden, sodass jene unionsrechtswidrig und aufzukündigen bzw. zu ändern sind. Dies gilt auch, obwohl die Unionsrechtswidrigkeit unmittelbar nur den Mitgliedstaat und nicht den Drittstaat betrifft, da letzterer nicht an Unionsrecht gebunden ist.803 Ausgenommen hiervon sind gem. Art. 351 Abs. 1 AEUV aber jedenfalls Extra-EUBIT, die ein Mitgliedstaat vor seinem Unionsbeitritt mit einem Drittstaat abschloss (s. o.).804 Diese sind jedoch trotz der fortgeltenden Anwendbarkeit gleichwohl gem. Art. 351 Abs. 2 S. 1 AEUV zu ändern oder aufzukündigen.805 Insgesamt ist zu empfehlen, auch Extra-EU-BIT entsprechend Art. 8.31 Abs. 2 CETA anzupassen.806 Wie in der schiedsgerichtlichen Praxis mit dieser – hier vertretenen – teilweisen Unionsrechtswidrigkeit umgegangen wird, ist allerdings eine Frage, deren Erörterung aufgrund der hiesigen Beschränkung auf das intra-unionale Investitionsschutzrecht den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Auch soll an dieser Stelle 799

Vgl. ibid. (137). Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, JZ 2018, 511 (515 f.). 801 Ibid. (516). 802 Siehe kritisch dahingehend Cranshaw, jurisPR-IWR 2/2018 Anm. 1 (D. I.). 803 Vgl. Burger, YIA 2019, 121 (134); Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, JZ 2018, 511 (516). 804 Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, JZ 2018, 511 (516); vgl. auch Nagy/Nagy, Investment Arbitration and National Interest, S. 137 (138 ff.); Gundel, EWS 2018, 124 (129 f.); Janssen/Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (134 f.); kritisch hierzu und mit Einschränkungen Burger, YIA 2019, 121 (142 ff.); siehe zur Möglichkeit der analogen Anwendung des Art. 351 AEUV auf nach 1958 bzw. nach dem Unionsbeitritt jedoch vor Entstehung der Unionszuständigkeit (Art. 207 AEUV) geschlossene Verträge mit Drittstaaten von der Groeben/Schwarze/Hatje/Lavranos, Europäisches Unionsrecht, Art. 351 AEUV, Rn. 6. 805 Lübke, GPR 2018, 149 (152); kritisch hierzu Gundel, EWS 2018, 124 (130). 806 So auch Puig, ECB LWPS 19/2019, 20 (25). 800

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen

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nicht bereits auch auf die dahingehenden Bedenken eingegangen werden, dass über die (teilweise) Fortgeltung der Extra-EU-BIT Drittstaatsangehörige innerhalb der Europäischen Union möglicherweise in unter investitionsschutzrechtlichen Gesichtspunkten günstigeren Rahmenbedingungen investieren.807

III. Die Bedeutung der Entscheidung für den ECT Von herausragender Bedeutung ist nunmehr auch die Zukunft des ECT. Dieser enthält – wie einleitend bereits gesehen – in Teil III (Art. 10 – 17 ECT) Bestimmungen zum Investitionsschutz, welche über Teil V (Art. 26 – 28 ECT) durch Streitbeilegungsvorschriften ergänzt werden. Es handelt sich bei dem ECT somit zumindest partiell um ein multilaterales Investitionsschutzabkommen. Alle Mitgliedstaaten – bis auf die Italienische Republik – und die Europäische Union selbst sowie einige Drittstaaten sind Vertragsparteien.808 Besondere Aufmerksamkeit verdient der ECT im Investitionsschutzrecht aber auch deshalb, da das Beendigungsübereinkommen diesen explizit ausklammert. Dort heißt es in der Präambel in authentischer deutscher Sprache809 : „[…] IN DER ERWÄGUNG, dass dieses Übereinkommen die EU-internen bilateralen Investitionsschutzvertra¨ ge betrifft und sich nicht auf EU-interne Verfahren auf der Grundlage von Artikel 26 des Vertrags über die Energiecharta erstreckt. Mit dieser Thematik werden sich die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten zu einem späteren Zeitpunkt befassen, […]“810

Unabhängig vom Stand der derzeitigen Reformbemühungen811 ist hier zuvörderst maßgeblich, ob und inwieweit die vom EuGH in der Achmea-Entscheidung vorgegebene Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV auch den ECT berührt. In der Literatur wird vermehrt angenommen, die Achmea-Entscheidung habe aufgrund der Fokussierung auf Intra-EU-BIT keine Bedeutung für die Unionsrechtskonformität

807

Siehe hierzu zunächst Nagy/Nagy, Investment Arbitration and National Interest, S. 137 (143 ff.); ausführlich dazu unten Kapitel III D. II., III. 808 Siehe für eine Übersicht https://www.energycharter.org/process/energy-charter-treaty-1 994/energy-charter-treaty/signatories-contracting-parties/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 809 Siehe Art. 18 BÜ. 810 Hervorh. d. Verf. 811 Siehe dazu https://www.energychartertreaty.org/modernisation-of-the-treaty/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe auch Wilske/Markert/Ebert, SchiedsVZ 2020, 97 (112); Germelmann, EuR 2020, 375 (401 ff.); EU Text Proposal for the Modernisation of the Energy Charter Treaty (ECT) (abrufbar unter https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2020/may/ tradoc_158754.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

der Schiedsklausel im ECT.812 Vielfach wurde und wird dies jedoch für (zunächst) unklar gehalten.813 Diesbezüglich ist indes festzustellen, dass der Entscheidungstenor die Erfassung auch des Art. 26 ECT durch die vorgegebene Auslegung nicht explizit ausschließt. Schließlich ist Art. 26 ECT eine „Bestimmung in einer internationalen Übereinkunft [auch] zwischen den Mitgliedstaaten“.814 Eine zwingende Beschränkung nur auf bilaterale Abkommen oder solche ausschließlich zwischen Mitgliedstaaten ergibt sich aus dieser Formulierung nicht. Bereits angemerkt wurde, dass der Zusatz „wie Art. 8 des BIT“ für die Auslegung des Entscheidungstenors unberücksichtigt zu lassen ist (s. o.). Doch auch wenn dies – entgegen der hier vertretenen Ansicht – zu berücksichtigen sein sollte, wäre Art. 26 ECT als Schiedsklausel zur Ermöglichung von Investor-Staat-Investitionsschiedsverfahren eine mit Art. 8 des BIT zumindest vergleichbare Klausel und damit in der Tat auch eine Bestimmung „wie Art. 8 des BIT“. Freilich lässt dies keinen definiten Schluss auf die Unionsrechtswidrigkeit auch des Art. 26 ECT zu.815 Ebendieses gilt auf der anderen Seite jedoch auch für das 812 Theobald/Kühling/Danner, Energierecht, Einführung, Rn. 52; Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (366 f.); Bischoff, IPRax 2018, 588 (591); vgl. auch Germelmann, EuR 2020, 375 (395 f.); Nagy/Nagy, Investment Arbitration in Central and Eastern Europe, S. 1 (3); Nagy, GLJ 2018, 981 (994); Gundel, EWS 2018, 124 (128 f., 131); Gundel, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, NVwZ 2018, 723 (728); Wilske/Bräuninger, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, IWRZ 2018, 126 (128 Rn. 2); Balthasar, SchiedsVZ 2018, 227 (229); siehe auch Dauses/Ludwigs/Gundel, EU-Wirtschaftsrecht, M. Rn. 214, der dies im Ergebnis aber offenlässt. 813 Krenzler/Herrmann/Niestedt/Herrmann/Guilliard, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, XIII. 130. Rn. 70; Herdegen, Europarecht, § 9 Rn. 27; Scholtka, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, EuZW 2018, 239 (244); Kläger, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, SchiedsVZ 2018, 186 (193); Wernicke, NJW 2018, 1644 (1646); Bodenheimer/Eller, RIW 2018, 786 (791). 814 So auch Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (269); a. A. Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 162; vgl. auch Masdar Solar & Wind Cooperatief U. A. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/14/1, (Award, 16. Mai 2018), Rn. 678 ff. 815 Vgl. aber Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe, 29. Oktober 2020, verbundene Rs. C-798/18, C-799/18, Federazione nazionale delle imprese elettrotecniche ed elettroniche (Anie) u. a., ECLI:EU:C:2020:876, Rn. 93 Fn. 55; so auch einige Mitgliedstaaten in Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_eco nomy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 3; vgl. aber die abweichende Stellungnahme der Republik Finnland, des Großherzogstums Luxemburg, der Republik Malta, der Republik Slowenien und des Königreichs Schweden in Declaration of the Governments of the Member States of 16 January 2019 on the enforcement of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://www.regeringen. se/48ee19/contentassets/d759689c0c804a9ea7af6b2de7320128/achmea-declaration.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 3 sowie die Stellungnahme Ungarns in Declaration of the Government of Hungary of 16 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen

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dahingehende Schweigen des EuGH.816 Insbesondere hat die Ratifizierung des ECT durch die Europäische Union selbst alleine nicht „automatisch“ zur Unionsrechtskonformität desselben geführt.817 Schließlich ist das unionale Primärrecht dem ECT – als internationale Übereinkunft der Europäischen Union – gegenüber vorrangig, vgl. Art. 216 Abs. 2, Art. 218 Abs. 11 AEUV .818 Es ist somit zu untersuchen, ob die Erwägungen des EuGH zur Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV entsprechende Geltung auch hinsichtlich Art. 26 ECT beanspruchen können. Anzumerken ist hier nochmals ausdrücklich, dass sich die folgende Analyse auf die Frage der Unionsrechtswidrigkeit des ECT im Lichte der Achmea-Entscheidung beschränkt. Das völkerrechtliche Fortbestehen des ECT spielt dabei (zunächst) keine Rolle. Auch die bereits ergangenen Entscheidungen durch Schiedsgerichte hinsichtlich der Achmea-Objection819 bleiben dabei – trotz einiger Bezugnahmen und teilweiser Kritik bereits an dieser Stelle – im Grunde zunächst unkommentiert, da diese sich nicht mit der potentiellen Unionsrechtswidrigkeit der Schiedsklausel im ECT beschäftigen bzw. überhaupt zu beschäftigen haben. Es ist für die vorliegende Analyse schließlich zwischen der Unionsrechtskonformität des ECT, der Völker- und Unionsrechtskonformität von Schiedssprüchen auf Basis des ECT angesichts des einschlägigen Prüfungsmaßstabs und der Unionsrechtskonformität der Vollstreckung eines Schiedsspruchs auf Basis des ECT zu unterscheiden.820 1. Rechtliche Ausgangslage Die im ECT maßgebliche Schiedsklausel für Investor-Staat-Streitigkeiten ist Art. 26 ECT. Diese umfangreiche Bestimmung unterscheidet sich nicht wesentlich von gewöhnlichen Schiedsklauseln in BIT. Über Art. 26 Abs. 4 ECT ist im Falle eines Disputs die Anrufung eines ICSID-Tribunals (lit. a)), eines Einzelrichters bzw. eines Ad hoc-Schiedsgerichts nach den UNCITRAL-Schiedsregeln (lit. b)) oder eines SCC-Schiedsgerichts (lit. c)) möglich. Art. 26 Abs. 6 des ECT bestimmt nun

https://2015-2019.kormany.hu/download/5/1b/81000/Hungarys%20Declaration%20on%20Ach mea.pdf#!DocumentBrowse, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 3. 816 So auch Burger, YIA 2019, 121 (139). 817 Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (494 f.); Hess, REDP 2018, 114 (130); a. A. bspw. Electrabel S. A. v. Republic of Hungary, ICSID Case No. ARB/07/19, (Decision on Jurisdiction, Applicable Law and Liability), Rn. 4.158 und Charanne and Construction Investments v. Spain, SCC Case No. V 062/2012 (Award), Rn. 445. 818 Theobald/Kühling/Germelmann, Energierecht, Kap. 12, Rn. 134; Germelmann, EuR 2020, 375 (397); Damjanovic/Quirico, ColumJEurL 2019, 102 (118); vgl. umfassend auch Heesen, Interne Abkommen, S. 207 ff. 819 Siehe dazu Kapitel II B. III. 820 Zu letztem beiden siehe unten Kapitel II B.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

das im Verfahren anwendbare Recht. Dieser lautet in authentischer deutscher Sprache821: „Ein nach Absatz 4 gebildetes Schiedsgericht entscheidet über die strittigen Fragen in Übereinstimmung mit diesem Vertrag und den geltenden Regeln und Grundsätzen des Völkerrechts.“

Diese Formulierung ist weichenstellend für die Unionsrechtskonformität des ECT im Lichte der Achmea-Entscheidung. Es drängt sich die Frage auf, ob ein Schiedsgericht auf Grundlage von Art. 26 Abs. 4 ECT Unionsrecht anwenden oder auslegen kann. Erstmals entscheidungsrelevant wird hier mithin insbesondere die bereits angerissene Frage, ob Unionsrecht unter die „geltenden Regeln und Grundsätze[] des Völkerrechts“ bzw. „applicable rules and principles of international law“ fällt.822 Grundsätzlich gilt, dass das gesamte sachdienliche Völkerrecht tauglicher Prüfungsmaßstab ist.823 Ob Unionsrecht als Teil der geltenden Regeln und Grundsätze des Völkerrechts in diesem Sinne anzusehen ist, ist sicherlich eine Fragestellung, deren hinreichende Beantwortung einigen Begründungsbedarf hervorruft.824 Der EuGH hat bereits früh festgestellt, dass die Europäische Gemeinschaft eine Rechtsordnung des Völkerrechts darstellt.825 Auch wird in der Literatur die Klassifizierung von Unionsrechtsnormen als in Investitionsschiedsverfahren anwendbares Völkerrecht für möglich gehalten.826 Dies nahm zudem das Tribunal im Achmea-Fall hinsichtlich Art. 8 Abs. 6 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik an.827 Andererseits wird versucht dies unter Berücksichtigung von 821

Siehe Art. 50 ECT. Siehe allgemein zum Völkerrecht als anwendbares Recht in Investitionsschiedsverfahren Hölken, Systemische Integration von Investitionsschutzabkommen, S. 204 ff. 823 Theobald/Kühling/Germelmann, Energierecht, Kap. 12, Rn. 109. 824 Siehe umfassend Basener, Investment Protection in the European Union, S. 204 ff. 825 EuGH, Urteil vom 5. Februar 1963, Rs. 26/62, van Gend & Loos, ECLI:EU:C:1963:1, S. 25. 826 Theobald/Kühling/Germelmann, Energierecht, Kap. 12, Rn. 110; Hindelang, EL Rev. 2019, 383 (391); Georgaki/Papanastasiou, PolishYIL 2019, 209 (215 f., 223); de Sadeleer, EJRR 2018, 355 (369 f.); Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (269 f.); Binder, JWIT 2016, 964 (974); Friedrich, ZEuS 2010, 295 (305 f.); Burgstaller, JIntlArb 2009, 181 (192); Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (224); vgl. auch Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/ Happold/De Boeck, EU External Action in International Economic Law, S. 251 (260 ff.); Basener, Investment Protection in the European Union, S. 204 ff.; Lacson, NYUJIntlL&Pol 2019, 1327 (1337 f.); Restrepo Amariles/Farhadi/Van Waeyenberge, ICLQ 2020, 907 (928 ff.); Declève, EP 2019, 99 (105); Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (496 f.); a. A. mit vertretbarer Begründung Tietje, IPRax 2013, 64 (67 f.); a. A. ohne Begründung Kainer, EuZW 2018, 660; kritisch auch Roe/Happold/Dingemans, Settlement of Investment Disputes under the Energy Charter Treaty, S. 96 ff. 827 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 289. 822

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen

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Art. 30 Abs. 4 lit. a) und Art. 31 VCLT über den „durch Art. 4 Abs. 3 EUV sowie die Autonomie- und Einheitsgrundsätze normativ konkretisierten Willen“ der Mitgliedstaaten zu verneinen.828 Für die hiesigen Zwecke kommt es indessen gar nicht darauf an, in dieser Hinsicht eine abschließende Antwort formulieren zu können. Es ist lediglich maßgeblich, ob das Unionsrecht unter die geltenden Regeln und Grundsätze des Völkerrechts fallen kann. Mit dieser Fragestellung sind an erster Stelle die auf Basis des Art. 26 ECT konstituierten Schiedsgerichte betraut. Entscheidend ist demnach, ob diese das Unionsrecht als Regeln des Völkerrechts i. S. d. Art. 26 Abs. 6 ECT ansehen können.829 Ebendieses ist in der Vergangenheit bereits mehrfach geschehen. Das Schiedsgericht in Electrabel S. A. v. Republic of Hungary830 entschied beispielsweise hinsichtlich Art. 26 ECT: „EU law is international law because it is rooted in international treaties; and both Parties accepted, of course, that the EU Treaties are legal instruments under public international law. […] In the Tribunal’s view, all EU legal rules are part of a regional system of international law and therefore have an international legal character. […] In the Tribunal’s view, the fact that EU law is also applied within the national legal order of an EU Member State does not deprive it of its international legal nature. EU law remains international law; […] Accordingly, in the Tribunal’s view, there is no fundamental difference in nature between international law and EU law that could justify treating EU law, unlike other international rules, differently in an international arbitration requiring the application of relevant rules and principles of international law.“831

Im gleichen Sinne entschied das Schiedsgericht in Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany832 : „It is not disputed between the Parties that the TEU and the TFEU are international treaties concluded by and between the Member States of the EU. […] As mentioned in Article 38(1)(a) of the Statute of the International Court of Justice, any kind of international convention, „whether general or particular“, constitutes international law. In this regard, the Tribunal agrees with the finding of the tribunal in Electrabel v. Hungary that „EU law is international law because it is rooted in international treaties“. […] In light of the above, the Tribunal concludes that EU law, to the extent of the TEU and the TFEU, including their interpretation by the ECJ, constitutes a part of international law, within the terms of Article 38(1) of the Statute of the International Court of Justice.“833 828

Germelmann, EuR 2020, 375 (397). Vgl. Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (497). 830 Electrabel S. A. v. Republic of Hungary, ICSID Case No. ARB/07/19. 831 Electrabel S. A. v. Republic of Hungary, ICSID Case No. ARB/07/19, (Decision on Jurisdiction, Applicable Law and Liability), Rn. 4.120 ff. 832 Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12. 833 Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 140 ff.; vgl. in diesem Sinne auch Jürgen Wirtgen, Stefan Wirtgen, Gisela Wirtgen and JSW Solar (zwei) GmbH & Co. KG v. Czech Republic, PCA Case No. 2014-03, (Final Award), Rn. 177. 829

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Unabhängig davon, ob im Rahmen dieser Verfahren Unionsrecht tatsächlich angewendet wird oder letztlich überhaupt für anwendbar gehalten wird, ist offenkundig eine Lesart des Art. 26 Abs. 6 ECT denkbar, die Raum für eine Anwendung von Bestimmungen des Unionsrecht in Form von Regeln des Völkerrechts lässt. Dies gilt jedenfalls für intra-unionale Streitigkeiten – deren Zulässigkeit auf Basis des ECT sei hier noch dahingestellt834 – sowie für Streitigkeiten eines Mitgliedstaates mit einem Drittstaatsangehörigen (s. o.) auf Grundlage des ECT, nicht aber für rein extraunionale Streitigkeiten oder solche zwischen einem Drittstaat und einem Mitgliedstaatsangehörigen. Darüber hinaus könnte Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT auch hier eine Rolle spielen. Dies kommt vor allem in zweierlei Hinsicht in Betracht. Zum einen könnte Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT die grundsätzliche Auffassung stützen, der ECT sei unionsrechtskonform so auszulegen, dass Art. 26 ECT Schiedsverfahren zwischen Mitgliedstaaten nicht (mehr) ermögliche.835 Dies soll hier jedoch zunächst nicht vertieft werden.836 Zum anderen geht aus Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT aber hervor – und das ist hier maßgeblich –, dass bei der Auslegung des ECT jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz zu berücksichtigen ist (s. o.). In Anbetracht des Obigen könnte Unionsrecht daher als einschlägiger Völkerrechtssatz jedenfalls in intra-unionalen Streitigkeiten auf Basis des Art. 26 ECT durch Tribunale berücksichtigt werden. Auch wenn dies wie vom Tribunal in Eskosol S. p. A. v. Italian Republic mit umfangreicher Begründung abgelehnt wird,837 ist dies mitnichten das zwingende Auslegungsergebnis.838 Insbesondere ergibt sich aus der Formulierung „zwischen den Vertragsparteien“ („between the parties“) in Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT keineswegs zwingend, dass die Bestimmung nicht auf das Verhältnis von ECT und Unionsrecht im Falle von intraunionalen Konstellationen anwendbar ist, da dem ECT auch Drittstaaten angehören.839 Schließlich bezieht sich Art. 31 Abs. 2 lit. a) VCLT auf „all the parties“840, 834

Siehe dazu sogleich Kapitel II A. III. 2. So die Argumentation der Europäischen Kommission in Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 80 ff.; siehe dazu auch, im Ergebnis jedoch ablehnend Roe/Happold/Dingemans, Settlement of Investment Disputes under the Energy Charter Treaty, S. 93 ff. 836 Siehe dazu unten Kapitel II A. III. 2. 837 Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection, 7. Mai 2019), Rn. 124 ff. 838 So auch Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (497 f.). 839 Vgl. Gardiner, Treaty Interpretation, S. 302 ff.; siehe aber für eine dahingehend enge Auslegung des Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT Dörr/Schmalenbach/Dörr, VCLT, Art. 31 Rn. 103 f. und Linderfalk, On The Interpretation of Treaties, S. 178 m. w. N.; siehe umfassend zur Anwendbarkeit des Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT in solchen Fällen Hölken, Systemische Integration von Investitionsschutzabkommen, S. 91 ff. und Basener, Investment Protection in the European Union, S. 396 ff. sowie Restrepo Amariles/Farhadi/Van Waeyenberge, ICLQ 2020, 907 (932 f.); eine vertiefende Analyse des Art. 31 VCLT ginge an dieser Stelle über den Rahmen der vorliegenden Arbeit hinaus. 835

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen

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während Art. 31 Abs. 3 lit. c) diesen Zusatz nicht enthält („between the parties“).841 Die soeben festgestellte Möglichkeit zur Unionsrechtsanwendung kann sich über den Wortlaut des Art. 26 Abs. 6 ECT hinaus demgemäß für ein hierfür empfängliches Tribunal auch aus Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT ergeben.842 Ferner sah das Tribunal in Electrabel S. A. v. Republic of Hungary Unionsrecht als Teil des nationalen Recht Ungarns jedenfalls als für die Entscheidung maßgebliche Tatsache („fact“) an (s. o.).843 Dies sieht zwar ausdrücklich auch der vom EuGH als unionsrechtskonform angesehene Art. 8.31 Abs. 2 S. 2 CETA vor. Jedoch wird die Berücksichtigung als Tatsache durch Art. 8.31 Abs. 2 S. 3 CETA erheblich im Sinne der Wahrung der Autonomie des Unionsrechts eingeschränkt. Hierzu ist daneben anzumerken, dass der ECT durch die Ratifizierung durch die Europäische Union selbst Teil des Unionsrechts wurde.844 Allerdings zeigt dahingehend das CETAGutachten, dass dies alleine keine Gefährdung der Unionsrechtsautonomie begründen kann.845 Wieder andere halten Unionsrecht ungeachtet der Verweise in Art. 26 Abs. 6 ECT unionsintern für anwendbar, da die dortige Formulierung „in Übereinstimmung mit“ deutlich mache, dass nicht die ausschließliche Anwendung der genannten Regelungskomplexe („[…] diesem Vertrag [dem ECT] und den geltenden Regeln und Grundsätzen des Völkerrechts [dem Völkerrecht]“) gemeint sei, sondern eben nur eine Entscheidung in Übereinstimmung mit dem ECT und dem Völkerrecht.846 Letztlich ist der Einfluss des Unionsrechts jedenfalls in ein intra-unionales Verfahren auf Grundlage des Art. 26 ECT auch über Art. 16 ECT denkbar, welcher eine Konform-Auslegung des ECT auch mit anderen internationalen Übereinkünften

840

Hervorh. d. Verf. Vgl. Gardiner, Treaty Interpretation, S. 302 f.; auch Dörr/Schmalenbach/Dörr, VCLT, Art. 31 Rn. 103 erwähnen dieses Argument, sind im Ergebnis aber gegenteiliger Auffassung. 842 Vgl. Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (497 f.). 843 Electrabel S. A. v. Republic of Hungary, ICSID Case No. ARB/07/19, (Decision on Jurisdiction, Applicable Law and Liability), Rn. 4.127 ff. verweisend auf Azurix Corp. v. The Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/01/12, (Award), Rn. 67; dem zustimmend Jürgen Wirtgen, Stefan Wirtgen, Gisela Wirtgen and JSW Solar (zwei) GmbH & Co. KG v. Czech Republic, PCA Case No. 2014-03, (Final Award), Rn. 177; vgl. hierzu auch Nacimiento/Bauer, BB 2018, 1347 (1348); siehe zur Differenzierung zwischen der Berücksichtigung von Unionsrecht als Tatsache bzw. als anwendbares Recht Lang, EuR 2018, 525 (538). 844 Burger, YIA 2019, 121 (141); Damjanovic/Quirico, ColumJEurL 2019, 102 (116); vgl. auch Cross/Kube, S. 14 und Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (269 f.) die dies hinsichtlich der Unionsrechtsanwendung für maßgeblich halten. 845 EuGH, Gutachten vom 30. April 2019, Nr. 1/17, Avis, ECLI:EU:C:2019:341, Rn. 118 f.; vgl. auch Germelmann, EuR 2020, 375 (396). 846 Behrens, RIW 2018, 701 (710 Fn. 93). 841

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

der Vertragsparteien – und damit für Mitgliedstaaten auch mit dem Unionsrecht – vorsieht.847 Festzustellen ist mithin, dass eine Unionsrechtsanwendung- und auslegung durch auf Basis von Art. 26 ECT konstituierte Schiedsgerichte in Investitionsstreitigkeiten teilweise möglich ist.848 Das CETA-Gutachten des EuGH hat hieran unmittelbar nichts geändert, da jenes zum einen nicht den intra-unionalen Bereich betrifft, und Art. 8.31 Abs. 1 und 2 CETA zum anderen eine im Vergleich zu Art. 26 ECT weitaus differenziertere, die Unionsrechtsautonomie betont berücksichtigende Klausel darstellt.849 Es ist angesichts dessen und der obigen Ausführungen schwerlich annehmbar, Art. 26 Abs. 6 ECT schließe die Unionsrechtsanwendung noch strikter aus, als dies durch Art. 8.31 Abs. 2 CETA der Fall sei.850 Die nicht stets gewährleistete Kontrolle von Schiedssprüchen auf Grundlage von Intra-EU-BIT und die somit verletzte Letztentscheidungskompetenz des EuGH gelten ebenso für die auf Grundlage von Art. 26 ECT konstituierten ICSID-, UNCITRAL-, oder SCC-Tribunale in intra-unionalen Streitigkeiten (und solchen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaatsangehörigen). Die vom EuGH vorgegebene Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV als Ausdruck der Autonomie des Unionsrechts scheint prima facie somit auch hier für Art. 26 ECT als Grundlage derartiger Verfahren zu gelten. Berücksichtigt werden muss aber auch, dass neben den Mitgliedstaaten auch Drittstaaten und die Europäische Union selbst Parteien des ECT sind. Die Annahme der Unionsrechtswidrigkeit nach Art. 267 und 344 AEUV hinsichtlich des „gesamten“ Art. 26 ECT weckt daher zunächst Bedenken. Die potentielle Unionsrechtswidrigkeit von Art. 26 ECT und deren mögliche Folgen wurden daher bereits vor der Achmea-Entscheidung breit diskutiert. Im Wesentlichen geht es dabei um die Frage, ob der ECT so auslegbar ist, dass er im intra-unionalen Bereich keine Anwendung findet bzw. finden kann. Insbesondere die Europäische Kommission851 und beklagte Mitgliedstaaten vertreten, in den ECT sei eine implizite Trennungsklausel (sog. implied disconnection clause) zu lesen, welche die Anwendung des ECT für Streitigkeiten zwischen mitgliedstaatlichen

Vgl. aber Z˙ mij, ZEuP 2019, 535 (549) und Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (367); siehe kritisch zur Vereinbarkeit des Art. 16 ECT mit den Grundregeln der VCLT Ruddigkeit, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, ZUR 2018, 415 (421). 848 So im Ergebnis auch Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (497 f.); vgl. auch Hlava/Heuschmid, NZA 2018, 978 (982). 849 Vgl. dies andeutend Z˙ mij, ZEuP 2019, 535 (550); a. A. Reuter, ZaöRV 2020, 379 (417). 850 So aber Reuter, ZaöRV 2020, 379 (417). 851 Siehe für eine Übersicht über die amicus curiae-Stellungnahmen der Europäischen Kommission https://ec.europa.eu/competition/court/observations.html, zuletzt abgerufen am 1. September 2021. 847

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Investoren und Mitgliedstaaten ausschließt.852 Vor diesem Hintergrund könnte die Frage der Unionsrechtskonformität des ECT eine Frage der Auslegung desselben sein. 2. Unionsrechtskonformität als Auslegungsfrage? Fraglich ist somit, ob eine Auslegung des ECT denkbar ist, welche die Schiedsklausel in Art. 26 ECT mit der vom EuGH vorgegebenen Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV in Einklang bringt. Vorgeschlagen wird hierzu, der ECT sei so zu lesen, dass er – bzw. jedenfalls die Schiedsklausel in Art. 26 ECT – keine Regelung für die Beziehung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union untereinander (also für Intra-EU-Konstellationen), sondern nur für das Verhältnis dieser Mitgliedstaaten zu Drittstaaten, die Parteien des ECT sind (also für Extra-EUKonstellationen), trifft. Begründet wird dies teilwiese damit, in den ECT sei eine implizite Trennungsklausel (sog. implied disconnection clause) für die intra-unionalen Beziehungen zu interpretieren. Eine solche könnte lauten bzw. hätte lauten können: „In their mutual relations, Contracting Parties which are Members of the European Economic Community shall apply Community rules and shall not therefore apply the rules arising from this Agreement except insofar as there is no Community rule governing the particular subject concerned.“853

852 Europäische Kommission und das Königreich Spanien in Charanne and Construction Investments v. Spain, SCC Case No. V 062/2012 (Award), Rn. 223, 433 ff.; Königreich Spanien in RREEF Infrastructure (G. P.) Limited and RREEF Pan-European Infrastructure Two Lux S. a` r. l. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/13/30, (Decision on Jurisdiction, 6. Juni 2016), Rn. 51 f.; vgl. auch Blusun S. A., Jean-Pierre Lecorcier and Michael Stein v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/14/3, (Final Award, 27. Dezember 2016), Rn. 206 ff.; siehe allg. zu Trennungsklauseln im Völkerrecht Smrkolj, Disconnection Clause, 1 ff.; siehe allg. zu Trennungsklauseln im Unionsrecht Hillion/Koutrakos/Cremona, Mixed Agreements Revisited – The EU and its Member States in the World, S. 160 ff. 853 Dies war die ursprünglich für den ECT vorgesehene Trennungsklausel, welche letztlich jedoch nicht übernommen wurde, European Energy Charter Conference Secretariat, Draft Basic Agreement for the European Energy Charter vom 12. August 1992, 37/92 BA-15, S. 84, Rn. 27.18; siehe für eine alternative Trennungsklausel auch Art. 27 des Europäischen Übereinkommens über das grenzüberschreitende Fernsehen vom 5. Mai 1989, Vertrag-Nr. 132 (abrufbar unter https://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/rms/0900001 68007b0d8, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe alternativ auch Art. 27 des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen vom 25. Januar 1988, Vertrag-Nr. 127 (abrufbar unter http://www.oecd.org/tax/exchange-of-tax-information/maacamended-convention-DEU.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021) und Art. 47 Abs. 1 und 2 des Prümer Vertrags vom 27. Mai 2005 (BGBl. 2006 II, 628) (abrufbar unter https://ec.eu ropa.eu/anti-fraud/sites/antifraud/files/docs/body/prumtr.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Nicht ganz eindeutig ist jedoch, ob gemeint ist, eine derartige Klausel sei für den ECT schlicht zu fingieren,854 oder dass trotz des ausdrücklichen Fehlens einer derartigen Klausel bestimmte Vorschriften des ECT so auszulegen sind, als bestünde eine solche.855 Im Ergebnis macht dies jedoch keinen Unterschied. So vertrat die Europäische Kommission in Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, dass über Art. 26 Abs. 6 ECT und Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT Unionsrecht in Intra-EU-Streitigkeiten anwendbar ist und deshalb zwei Lösungsmöglichkeiten in Frage kommen. Zum einen könnte der ECT harmonisch im Sinne des Unionsrechts und der Achmea-Entscheidung so auszulegen sein, dass er in diesen Fällen keine Anwendung findet. Zum anderen könnte das Unionsrecht den ECT als lex posterior verdrängen. In beiden Fällen ist das in Art. 26 ECT enthaltene Angebot auf Abschluss einer Schiedsvereinbarung durch den Gaststaat als ungültig oder unanwendbar anzusehen. Dieses Ergebnis könnte sich darüber hinaus auch auf die Erwägungen in den vorbereitenden Arbeiten (travaux pre´paratoires) zum ECT stützen lassen, vgl. Art. 32 VCLT. Es war ursprünglich nämlich geplant, eine entsprechende Trennungsklausel für Intra-EU-Konstellationen vorzusehen (s. o.).856 Obwohl diese letztlich nicht implementiert wurde, könnte es doch die Intention der Parteien widerspiegeln, Intra-EU-Konstellationen nicht regeln zu wollen.857 In diesem Rahmen wäre es jedoch bereits begrifflich vorzugswürdig, dieses Verständnis nicht auf das schwer greifbare Konstrukt einer „implied disconnection clause“ zu stützen, da es nicht überzeugt, das Fehlen einer ausdrücklichen „disconnection clause“ durch die Fiktion einer „implied disconnection clause“ zu überwinden. Es wäre vielmehr hinzunehmen, dass eine „disconnection clause“ fehle und deshalb unabhängig davon durch Vertragsauslegung zu dem anvisierten Ergebnis zu kommen. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise die Argumentation, es fehle bereits an einem „Dispute[] between a Contracting Party and an Investor of another Contracting Party“858 i. S. d. Art. 26 Abs. 1 ECT, da ein Investor innerhalb der Europäischen Union stets innerhalb der Union als „Regional Economic Inte-

854 In diese Richtung die Europäische Kommission und das Königreich Spanien in Charanne and Construction Investments v. Spain, SCC Case No. V 062/2012 (Award), Rn. 433 ff. 855 In diese Richtung die Europäische Kommission in Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 90; Königreich Spanien in RREEF Infrastructure (G. P.) Limited and RREEF Pan-European Infrastructure Two Lux S. a` r. l. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/13/30, (Decision on Jurisdiction), Rn. 51 f. 856 European Energy Charter Conference Secretariat, Draft Basic Agreement for the European Energy Charter vom 12. August 1992, 37/92 BA-15, S. 84, Rn. 27.18. 857 Vgl. Königreich Spanien in Novenergia II – Energy & Environment (SCA), SICAR v. The Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/063 (Final Award, 15. Februar 2018), Rn. 454; siehe auf diese Argumentation verweisend auch Basedow, JIEL 2020, 271 (273). 858 Hervorh. d. Verf.

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen

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gration Organisation“ i. S. d. Art. 1 Abs. 2 ECT investiere und damit nicht in „another Contracting Party“859.860 Letztlich können aber bereits die hinter diesem Ergebnis stehenden Erwägungen nicht überzeugen. Dass besagte, ursprünglich vorgesehene Trennungsklausel in der endgültigen Fassung nicht (mehr) vorgesehen ist, spricht vielmehr dafür, dass eine Klausel derartigen Inhalts tatsächlich nicht vorgesehen werden sollte.861 Es vermag daher auch nicht einzuleuchten, eine „Klausel“ dahingehenden Inhalts zu fingieren oder den exakten Inhalt besagter Klausel trotz deren Fehlen über eine irgendwie geartete Auslegung zu konstruieren. Im Wortlaut des gesamten ECT fehlt jeglicher Anhaltspunkt für ein solches Verständnis.862 Dies erlangt insbesondere deshalb überragende Bedeutung, da Art. 4 des ECT eine entsprechende Trennungsklausel für das WTO-Übereinkommen vorsieht.863 Hinzu kommt, dass die Europäische Union beispielsweise bereits in Art. 27 des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen864 (s. o.) eine Trennungsklausel vereinbarte und sich deren Bedeutung dementsprechend auch für den ECT wohl bewusst war.865 Auch aufgrund der VCLT ergibt sich kein anderes Bild.866 Der pacta sunt servanda-Grundsatz aus Art. 26 VCLT gebietet vielmehr, dass der ECT zwischen allen Parteien in Kraft zu bleiben und erfüllt zu werden hat.867 Insbesondere überzeugt es zudem nicht, dieselben ECT Bestimmungen in verschiedenen Konstellationen unterschiedlich auszulegen und anzuwenden.868 Die Folge wäre, dass innerhalb des ECT zwei Klassen von Investoren bestünden.869 Schließlich könnten auch Art. 41 Abs. 1 lit. b) ii) VCLT 859

Hervorh. d. Verf. Siehe zu dieser Argumentation Roe/Happold/Dingemans, Settlement of Investment Disputes under the Energy Charter Treaty, S. 92 f.; siehe dazu auch und im Ergebnis ablehnend Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 179 ff. 861 So auch Basedow, JIEL 2020, 271 (289 f.); Reuter, ZaöRV 2020, 379 (397); Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 203, 205 f.; vgl. auch Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 194. 862 Vgl. Wuschka, ZEuS 2018, 25 (42) und Novenergia II – Energy & Environment (SCA), SICAR v. The Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/063 (Final Award), Rn. 454. 863 Wuschka, ZEuS 2018, 25 (42). 864 Übereinkommen über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen vom 25. Januar 1988, Vertrag-Nr. 127 (abrufbar unter http://www.oecd.org/tax/exchange-of-tax-information/maacamended-convention-DEU.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 865 Reuter, ZaöRV 2020, 379 (397); vgl. in diese Richtung auch Roe/Happold/Dingemans, Settlement of Investment Disputes under the Energy Charter Treaty, S. 91. 866 Lo´pez-Rodri´guez, TEL 2019, 279 (289 f.). 867 Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (367). 868 So auch Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/ 12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 155. 869 Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (367); vgl. auch Bertolini, Die Durchsetzung von ISDS-Entscheidungen in Deutschland, S. 158; Hillion/Koutrakos/Cremona, Mixed Agreements Revisited – The EU and its Member States in the World, S. 160 (175 f.). 860

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

und Art. 16 Abs. 2 ECT der Hypothese einer impliziten Trennungsklausel entgegenstehen.870 Deshalb wird das Konstrukt einer impliziten Trennungsklausel im ECT in Literatur871 und schiedsgerichtlicher Praxis872 im Ergebnis überwiegend abgelehnt. Das Tribunal in Foresight Luxembourg Solar 1 S. à r. l., et al. v. Kingdom of Spain statuierte sogar, dass kein Fall ersichtlich sei, in dem ein Tribunal intra-unionale Streitigkeiten vom Anwendungsbereich des Art. 26 ECT ausgeklammert hat.873 Gänzlich außer Betracht bleibt im Rahmen dieser Diskussion jedoch, dass auch im Falle von Streitigkeiten eines Drittstaatsangehörigen mit einem Mitgliedstaat auf Basis von Extra-EU-BIT oder auch Art. 26 ECT Unionsrecht angewendet und ausgelegt werden kann (s. o.). Nach hier vertretener Auffassung beeinträchtigt auch dies die Autonomie des Unionsrecht (s. o.).874 Selbst wenn also eine implizite Trennungsklausel für den intra-unionalen Bereich anzunehmen wäre, würde diese jedenfalls nicht bei Streitigkeiten zwischen einem drittstaatsangehörigen Investor und einem Mitgliedstaat greifen. Das Konstrukt der impliziten Trennungsklausel oder auch nur eine dahingehende Auslegung des ECT können somit die Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Art. 26 ECT mit Unionsrecht ohnehin nicht gänzlich ausräumen. Unabhängig vom konkreten argumentativen Ansatz zeigen die vorstehenden Ausführungen, dass die Unionsrechtskonformität des Art. 26 ECT keine Auslegungsfrage ist. Der ECT in seiner derzeit geltenden Fassung lässt sich nämlich nicht so auslegen, dass der in Art. 26 ECT für Investitionsstreitigkeiten vorgesehene

870

Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 195 ff., 197 f. Ibid. S. 194 ff.; Basedow, JIEL 2020, 271 (272 f., 287 ff.) m. w. N.; Bartlett Castellá, IntTLR 2020, 139 (154 f.); Reuter, ZaöRV 2020, 379 (396 f.); Wuschka, ZEuS 2018, 25 (42); Alvarez, ICSID Rev. 2018, 560 (562); Hess, REDP 2018, 114 (129); Kleinheisterkamp, JIEL 2012, 85 (103 ff.); vgl. kritisch auch Gundel, EWS 2018, 124 (128). 872 Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 201 ff.; Charanne and Construction Investments v. Spain, SCC Case No. V 062/2012 (Award), Rn. 433 ff.; Eiser Infrastructure Limited and Energía Solar Luxembourg S.à r. l. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/13/36, (Final Award, 4. Mai 2017), Rn. 207; RREEF Infrastructure (G. P.) Limited and RREEF Pan-European Infrastructure Two Lux S. a` r. l. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/13/30, (Decision on Jurisdiction), Rn. 82 ff.; Novenergia II – Energy & Environment (SCA), SICAR v. The Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/063 (Final Award), Rn. 459; Foresight Luxembourg Solar 1 S. a` r. l. , et al. v. Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/150, (Final Award and Partial Dissenting Opinion of Arbitrator Raül Vinuesa, 14. November 2018), Rn. 198 ff.; Blusun S. A., Jean-Pierre Lecorcier and Michael Stein v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/14/3, (Final Award), Rn. 280 ff. 873 Foresight Luxembourg Solar 1 S. a` r. l. , et al. v. Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/ 150, (Final Award and Partial Dissenting Opinion of Arbitrator Raül Vinuesa), Rn. 221; dies bestätigend Reuter, ZaöRV 2020, 379 (395 Fn. 55). 874 Insoweit a. A. Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (271 ff.). 871

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen

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Streitbeilegungsmechanismus mit der Autonomie des Unionsrechts vereinbar ist.875 Dies überzeugt vor allem mit Blick auf die durch Art. 26 ECT auch ermöglichte Streitbeilegung durch ICSID-Schiedsgerichte, welche unionsrechtlich besonders problematisch ist (s. o.).876 Zwar zieht der EuGH in der Achmea-Entscheidung für seine Begründung auch den Grundsatz der Unionstreue heran.877 Dies wird teilweise als Indiz gegen die Anwendung der Entscheidung auch auf den ECT gesehen, da dieser Vorwurf schwerlich gegen ein Abkommen erhoben werden könne, das die Union selbst initiiert und ratifiziert hat.878 Obwohl dem im Grundsatz zuzustimmen ist, sind die dahingehenden Ausführungen des EuGH aber lediglich ergänzender Natur.879 Die Bedenken hinsichtlich der Letztentscheidungskompetenz des EuGH durch die Auslegung der primärrechtlichen Art. 267 und 344 AEUV greifen in vollem Umfang auch für ein Abkommen, welches auch die Europäische Union ratifiziert hat. Es überzeugt im Ergebnis nicht, die Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV nur deshalb nicht auch auf den ECT anzuwenden, da der EuGH zur vollumfänglichen Begründung seiner ohnehin knapp formulierten Bedenken zusätzlich noch auf die Unionstreue verwiesen hat. Für eine Verneinung der Wirkungen der Achmea-Entscheidung auch auf den ECT genügt es daher auch nicht, lediglich auf folgende Formulierung des EuGH zu verweisen880 : „im vorliegenden Fall die Möglichkeit der Zuweisung dieser Streitigkeiten zu einer Einrichtung, die nicht Teil des Gerichtssystems der Union ist, in einer Übereinkunft vorgesehen […], die nicht von der Union, sondern von den Mitgliedstaaten geschlossen wurde.“881

Hätte der EuGH durch diese Formulierung die Geltung der Erwägungen für den ECT ausschließen wollen, hätte er dies ausdrücklich festgestellt und auch im Entscheidungstenor deutlich gemacht.882 Dies ist indes nicht erfolgt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der EuGH diese Formulierung am Ende der Entscheidung 875 Vgl. Centeno Huerta/Kuplewatzky, EP 2019, 61 (64); Damjanovic/Quirico, ColumJEurL 2019, 102 (125); Pinna, PJIA 2018, 73 (91 f.); siehe zu intra-unionalen Konstellationen im Ergebnis so auch Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (269 ff.). 876 Vgl. Damjanovic/Quirico, ColumJEurL 2019, 102 (125). 877 EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 58. 878 Dauses/Ludwigs/Gundel, EU-Wirtschaftsrecht, M. Rn. 214; Gundel, EWS 2018, 124 (128 f.); Gundel, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, NVwZ 2018, 723 (728); vgl. auch Sahin, EuZW 2021, 348 (353) und Germelmann, EuR 2020, 375 (395 f.). 879 Auch Gundel, EWS 2018, 124 (128) (bzw. Gundel, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, NVwZ 2018, 723 (728)) räumt ein, dass diese Ausführungen nur eine „zusätzliche Abstützung“ der Urteilsbegründung darstellen. 880 So aber Wilske/Bräuninger, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/ 16, IWRZ 2018, 126 (128 Rn. 2); vgl. auch Bartlett Castellá, IntTLR 2020, 139 (153, 156); Gundel, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, NVwZ 2018, 723 (728); Balthasar, SchiedsVZ 2018, 227 (229); differenzierter insoweit Wernicke, NJW 2018, 1644 (1646) und Behrens, RIW 2018, 701 (709 f.). 881 EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 58, Hervorh. d. Verf. 882 In diese Richtung auch Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (494 f.).

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

wählte, um Streitbeilegungsmechanismen, die der EuGH in der Vergangenheit für unionsrechtskonform hielt, von dem in Rede stehenden BIT zu unterscheiden.883 Alleine die Beteiligung der Europäischen Union am ECT kann zudem nicht bedeuten, dass die Bedenken bezüglich der Beeinträchtigung der Unionsrechtsautonomie durch Art. 26 ECT entfallen.884 Die Autonomie des Unionsrechts darf auch durch ein gemischtes Abkommen wie den ECT nicht beeinträchtigt werden. Die vom EuGH angenommene Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV gilt nach hier vertretener Auffassung demnach nicht nur für alle Intra-EU-BIT und nahezu alle Extra-EU-BIT (s. o.) sondern lässt sich vielmehr unterschiedslos auf eine Schiedsklausel in einem gemischten multilateralen Abkommen wie Art. 26 ECT erstrecken, welches Intra-EU-Investitionsschiedsverfahren und solche zwischen Drittstaatsangehörigen und Mitgliedstaaten ermöglicht. Auch wenn auf Grundlage des Art. 26 ECT Investor-Staat-Streitigkeiten denkbar sind, in welchen das Unionsrecht keine Rolle spielt bzw. überhaupt spielen kann und diese damit auch aus unionsrechtlicher Perspektive unproblematisch sind – beispielsweise ein Disput zwischen einem albanischen Investor und der Islamischen Republik Afghanistan als Gaststaat –, ist Art. 26 ECT somit als unionsrechtswidrig anzusehen. Schließlich sind auch auf Basis von Intra-EU-BIT Fälle denkbar und wohl auch die Regel, in welchen das Tribunal Unionsrecht vollkommen außer Betracht lässt. Es kommt letztlich nur darauf an, dass Art. 26 ECT die Basis für vom EuGH in der Achmea-Entscheidung für unionsrechtswidrig erklärte Investor-Staat-Schiedsverfahren innerhalb der Europäischen Union bilden kann. Da dies der Fall ist, sind Art. 267 und 344 AEUV auch so auszulegen, dass sie Art. 26 ECT entgegenstehen. 3. Tatsächliche Aspekte Die soeben festgestellte Unionsrechtswidrigkeit auch des Art. 26 ECT wird durch verschiedene tatsächliche Gesichtspunkte flankiert. Es dürfte kaum überzeugen, Investoren innerhalb der Europäischen Union den Schutz durch Schiedsgerichte über Intra-EU-BIT gänzlich zu versagen, im Energiesektor durch den ECT aber eine Ausnahme zuzulassen.885 Die Achmea-Entscheidung und deren zwingende Folgen für Intra-EU-BIT mögen zwar für einige aus rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten nicht überzeugend sein. Wenn man sich nun aber mit der vorgegebenen Auslegung hinsichtlich der Autonomie des Unionsrechts durch den EuGH abfindet, muss man diese auch konsequent für das 883 Burger, YIA 2019, 121 (140); vgl. auch Nacimiento/Bauer, BB 2018, 1347 (1347 Fn. 21). 884 So auch Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final, S. 4; vgl. auch Burger, YIA 2019, 121 (139 f.); Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (494 f.); Lang, EuR 2018, 525 (541); Behrens, RIW 2018, 701 (710); Müller/Simon, NJOZ 2018, 961 (964); siehe auch Glinski, ZEuS 2018, 47 (64 f.) bzgl. dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten. 885 In diese Richtung bereits Kleinheisterkamp, JIEL 2012, 85 (105 f.).

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen

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gesamte intra-unionale Investitionsrecht anwenden. Allein der wirtschaftliche Sektor, in dem investiert wird – beispielsweise das Energiewesen auf der einen oder das Versicherungswesen auf der anderen Seite – kann nicht das entscheidende Kriterium sein, ob der im Grundsatz gewährte Investitionsschutz aufrechterhalten wird oder nicht. Allerdings weckt das Ergebnis der hier vertretenen Auslegung tatsächliche Bedenken auch in die andere Richtung. Auch unabhängig von der Ablehnung einer impliziten Trennungsklausel wirkt es bedenklich, innerhalb des ECT Verfahren vor allem zwischen Drittstaaten und drittstaatsangehörigen Investoren weiterhin vollumfänglich zu billigen, während jedenfalls intra-unionale Schiedsverfahren spätestens auf Ebene von Aufhebungs- oder Durchsetzungsverfahren durch nationale Gerichte ihrer Grundlage beraubt werden können. Die oben monierte Zweiklassengesellschaft innerhalb der Energiecharta bestünde somit jedenfalls mittelbar auch nach der hiesigen Interpretation der Achmea-Entscheidung.886 Außerdem argumentieren die Stimmen, die eine implizite Trennungsklausel bzw. eine derartige Auslegung ablehnen, gerade deshalb in diese Richtung, da sie im Ergebnis intraunionale Investor-Staat-Schiedsverfahren auf Grundlage des Art. 26 ECT für unionsrechtskonform halten. Diejenigen wiederum, die für eine implizite Trennungsklausel bzw. eine derartige Auslegung plädieren, lehnen das Fortbestehen des intraunionalen Investitionsschutzes auch auf Basis des ECT ab. Hier wird jedoch eine implizite Trennungsklausel bzw. eine derartige Auslegung – als „letzter Anker“ der Unionsrechtskonformität des Art. 26 ECT – aus rechtlichen Gründen verworfen und gerade deshalb im Ergebnis eine Unionsrechtswidrigkeit des Art. 26 ECTangenommen. Dieses Verständnis läuft aber auf das gleiche Ergebnis hinaus, wie bei der Annahme einer impliziten Trennungsklausel: auch Art. 26 ECT soll keine taugliche Grundlage – aus unionsrechtlichen Gründen oder sich unmittelbar aus dem ECT ergebend – für intra-unionale Investor-StaatSchiedsverfahren darstellen können. Allerdings gilt dies im Falle der Annahme einer impliziten Trennungsklausel unmittelbar aus sich heraus, während die Unionsrechtswidrigkeit alleine im Lichte des Art. 26 VCLT keine direkten Auswirkungen auf die Anwendung des Art. 26 ECT durch Schiedsgerichte hat. Auch wenn sich die vorliegende Argumentation also auf der Linie der überwiegenden Meinung zu bewegen scheint (s. o.), werden hier lediglich einige Argumente dieser Stimmen fruchtbar gemacht, um die Hypothese einer impliziten Trennungsklausel abzulehnen. Letztlich entspricht das hier vertretene Ergebnis indes genau dem, was jene Stimmen ablehnen.

886

Vgl. Bertolini, Die Durchsetzung von ISDS-Entscheidungen in Deutschland, S. 158.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

4. Implikationen des Art. 351 AEUV Auch Art. 351 AEUV könnte an dieser Stelle eine Rolle spielen.887 Allerdings unterscheidet sich der ECT durch seine Natur als gemischtes Übereinkommen erheblich von lediglich bilateralen Investitionsschutzabkommen (siehe dazu oben) und wirft somit – in der Literatur wenig erörterte – Unklarheiten auf. Diskutabel ist in diesem Zusammenhang allenfalls eine – gleichwohl eher fernliegende – differenzierende Anwendung des Art. 351 Abs. 1 AEUV nur bezüglich des Verhältnisses von Drittstaaten, die Parteien des ECT sind und Mitgliedstaaten, welche den ECT vor ihrem Unionsbeitritt ratifiziert haben.888 Auch dies würde jedoch eine völkerrechtlich bedenkliche und wenig sachgerechte Aufteilung der ECT-Parteien in verschiedene Klassen bedeuten, welche die im Lichte der Achmea-Entscheidung bereits bestehende Rechtsunsicherheit nur noch verschärfte.889 Für das Verhältnis von Drittstaaten, die Parteien des ECT sind und Mitgliedstaaten, die den ECT nach ihrem Unionsbeitritt bzw. der Gründung der EWG ratifiziert haben und für das Verhältnis alleine zwischen Drittstaaten oder Mitgliedstaaten, die Parteien des ECT sind, ist eine Anwendung des Art. 351 AEUV (auch in umstrittener analoger Anwendung, s. o.) von vornherein ausgeschlossen.890 Dies gebietet der eng auszulegende Wortlaut der Bestimmung, der für diese Konstellationen schon gar keine Regelung trifft und der insoweit auch nicht greifende Normzweck (s. o.), da für Drittstaaten der (spätere) Konflikt mit unionsrechtlichen Normen im Rahmen bestimmter Konstellationen bei Vertragsschluss nur dann nicht unmittelbar ersichtlich ist, wenn der dem ECT als Partei beitretende Staat nicht bereits Mitglied der Europäischen Union ist.891 Selbst wenn eine differenzierte oder gar einheitliche Anwendbarkeit von Art. 351 Abs. 1 AEUV auch hinsichtlich des ECT anzunehmen wäre, mündete dies nur in der 887 So Lang, EuR 2018, 525 (542 ff.); vgl. auch Grabitz/Hilf/Nettesheim/Lorenzmeier, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 13 und Baltag/Stanicˇ /Talus/Särkänne, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 9 (S. 17); vgl. differenzierend auch Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (272 f.); a. A. Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (499) und Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 222 ff., 229 (vgl. insoweit kritisch zur Entscheidung des Vattenfall-Tribunals Grabitz/Hilf/Nettesheim/Lorenzmeier, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 69b); ebenfalls kritisch und allenfalls die Heranziehung des Rechtsgedankens des Art. 351 AEUV erwägend Theobald/Kühling/Germelmann, Energierecht, Kap. 12, Rn. 159; vgl. auch Reuter, ZaöRV 2020, 379 (403 f.). 888 In diese Richtung wohl Grabitz/Hilf/Nettesheim/Lorenzmeier, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 13 und Baltag/Stanicˇ /Talus/Särkänne, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 9 (S. 17). 889 Vgl. auch Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (498 f.). 890 Vgl. auch Baltag/Stanicˇ /Talus/Särkänne, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 9 (S. 17) und Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (498 f.); a. A. Lang, EuR 2018, 525 (549 ff.). 891 In diese Richtung auch Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 225 f.; a. A. Lang, EuR 2018, 525 (549 ff.), der eine einheitliche Anwendung des Art. 351 Abs. 1 AEUV für den ECT gerade aufgrund des Normzwecks für geboten hält (550).

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen

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Rechtsfolge des Art. 351 Abs. 2 AEUV. Die Mitgliedstaaten wären also ohnedies verpflichtet, geeignete Mittel anzuwenden, um die Unvereinbarkeit des Art. 26 ECT mit der Autonomie des Unionsrechts zu beheben. 5. Die Auffassung von EuGH-Generalanwalt Maciej Szpunar Die Unionsrechtswidrigkeit von Art. 26 ECT wurde nunmehr am 3. März 2021 auch durch den Generalanwalt beim EuGH Maciej Szpunar bestätigt. Die Gelegenheit hierzu nutze er in seinem Schlussantrag892 in einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH893. Szpunar geht damit einen entscheidenden Schritt hin zu einer auch vom EuGH festgestellten Unionsrechtswidrigkeit des Art. 26 ECT. Am 8. Oktober 2019 stellte der Cour d’appel de Paris in besagtem Verfahren zwischen der Republik Moldau und der ukrainischen Gesellschaft Komstroy (Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft Energoalians) drei Vorlagefragen folgenden Inhalts an den EuGH: - „Ist Art. 1 Nr. 6 des Vertrags über die Energiecharta dahin auszulegen, dass eine Forderung, die sich aus einem Stromverkaufsvertrag ergibt, der nicht zu einem Beitrag des Investors im Empfangsstaat geführt hat, eine „Investition“ im Sinne dieses Artikels darstellen kann? - Ist Art. 26 Abs. 1 des Vertrags über die Energiecharta dahin auszulegen, dass der Erwerb einer Forderung eines anderen Wirtschaftsteilnehmers als der Vertragsstaaten durch einen Investor einer Vertragspartei eine Investition darstellt? - Ist Art. 26 Abs. 1 des Vertrags über die Energiecharta dahin auszulegen, dass eine einem Investor zustehende Forderung aus einem Verkaufsvertrag über Strom, der an die Grenze des Empfangsstaats geliefert wird, eine im Gebiet einer anderen Vertragspartei vorgenommene Investition darstellen kann, wenn der Investor in deren Hoheitsgebiet keinerlei wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat?“894

Es handelt sich hierbei somit weder um eine intra-unionale Streitigkeit noch wird dem EuGH die Frage nach der Vereinbarkeit von Art. 26 ECT mit Unionsrecht auf der Linie der Achmea-Entscheidung vorgelegt. Gleichwohl ist Szpunar der Auffassung, der EuGH solle sich gemäß seiner Analyse dazu veranlasst sehen, sich zu dieser Problematik zu äußern.895 Nach Darstellung des dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts,896 wirft Szpunar die Frage auf, ob der EuGH vorliegend 892 Schlussanträge des Generalanwalts Maciej Szpunar, 3. März 2021, Rs. C-741/19, Komstroy, ECLI:EU:C:2021:164. 893 EuGH, Rs. C-741/19; vgl. auch EuGH, Gerichtsmitteilung vom 8. Oktober 2019, Rs. C741/19, in: BeckEuRS 2019, 620735. 894 EuGH, Gerichtsmitteilung vom 8. Oktober 2019, Rs. C-741/19, in: BeckEuRS 2019, 620735. 895 Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Maciej Szpunar, 3. März 2021, Rs. C-741/19, Komstroy, ECLI:EU:C:2021:164, Rn. 3, 48. 896 Siehe dazu ibid. Rn. 10 ff.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

überhaupt zuständig ist. Entscheidend dafür sei, dass die Bestimmungen, um deren Auslegung ersucht wird, in der Unionsrechtsordnung überhaupt anwendbar sind.897 Es bedarf aus seiner Sicht daher unter anderem einer Erörterung der Auswirkungen der Achmea-Entscheidung auf die Anwendbarkeit des durch Art. 26 Abs. 1 ECT geschaffenen Streitbeilegungsmechanismus in der Unionsrechtsordnung.898 Szpunar kommt letztlich zu dem Schluss, dass Art. 26 ECT unionsrechtswidrig ist.899 „Zweifellos“900 sei der in Art. 26 ECT vorgesehen Streitbeilegungsmechanismus mit dem im Achmea-Fall maßgeblichen vergleichbar. Art. 26 ECT ermögliche zum einen Streitigkeiten vor Investitionsschiedsgerichten, die sich gem. Art. 26 Abs. 6 ECT auf die Auslegung des Unionsrechts beziehen können. Zum anderen gehöre ein aufgrund von Art. 26 ECT konstituiertes Schiedsgericht nicht zum Rechtssystem der Europäischen Union. Dementsprechend sei ein solches Schiedsgericht nicht als Gericht i. S. d. Art. 267 AEUV anzusehen, sodass für entsprechende Schiedssprüche keine Mechanismen zur tatsächlichen Gewährleistung der vollen Wirksamkeit des Unionsrechts bestehen. Szpunar kommt vor diesem Hintergrund auf der Linie der Achmea-Entscheidung zu dem Ergebnis, dass Art. 26 ECT die Autonomie des Unionsrechts beeinträchtige und deshalb mit Unionsrecht unvereinbar sei. Daran änderten auch weder die Besonderheiten des ECT gegenüber BIT noch das CETAGutachten des EuGH etwas. Dass die Europäische Union selbst Partei eines multilateralen Abkommens ist, bedeute nämlich nicht, dass jenes mit der Autonomie des Unionsrechts nicht vereinbar zu sein hat. Das CETA enthalte überdies in Art. 8.31 Abs. 2 im Gegensatz zu Art. 26 ECT einen ausdrücklichen Vorbehalt für die Auslegung des Unionsrechts.901 Daneben mache es einen entscheidenden Unterschied, ob ein Investitionsschiedsgericht durch ein die Mitgliedstaaten untereinander bindendes Abkommen oder durch ein Abkommen zwischen der Union und Drittstaaten eingerichtet oder beibehalten wird. Resümierend stellt Szpunar somit fest, dass „der in Art. 26 ECV vorgesehene Streitbeilegungsmechanismus […] mit dem Unionsrecht unvereinbar [ist], soweit er es einem außerhalb des Gerichtssystems der Union angesiedelten Schiedsgericht gestattet, das Unionsrecht in einem Rechtsstreit zwischen einem Investor eines Mitgliedstaats und einem anderen Mitgliedstaat auszulegen oder anzuwenden, und damit sowohl den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten und die Erhaltung des eigenen Charakters des durch die Verträge geschaffenen Rechts in Frage stellt als auch die Autonomie des Unionsrechts beeinträchtigt“.902 897

Ibid. Rn. 46. Ibid. Rn. 48. 899 Ibid. Rn. 89; siehe für die folgenden Ausführungen Rn. 70 ff. 900 Ibid. Rn. 73. 901 Vgl. auch EuGH, Gutachten vom 30. April 2019, Nr. 1/17, Avis, ECLI:EU:C:2019:341, Rn. 131. 902 Schlussanträge des Generalanwalts Maciej Szpunar, 3. März 2021, Rs. C-741/19, Komstroy, ECLI:EU:C:2021:164, Rn. 89. 898

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen

183

Deshalb sei Art. 26 ECT innerhalb der Rechtsordnung der Europäischen Union nicht anwendbar. Da gleichwohl nicht auszuschließen sei, dass die materiellen Bestimmungen des ECT unionsrechtskonform und daher innerhalb der Rechtsordnung der Europäischen Union anwendbar sein könnten, hält der Generalanwalt den EuGH hinsichtlich der Beantwortung sämtlicher Vorlagefragen für zuständig.903 Im Ergebnis ebnet Szpunar in diesem Schlussantrag den Weg für den EuGH, im Anschluss an die Achmea-Entscheidung festzustellen, dass auch Art. 26 ECT mit der in Art. 267 und 344 AEUV zum Ausdruck kommenden Autonomie des Unionsrechts unvereinbar ist. In diesem Zusammenhang wird sich zu fragen sein, ob sich eine solche Entscheidung noch im Rahmen des „Sachdienlichen“904 bewegen würde oder ob der EuGH hierzu die sich selbst gesetzte Grenze der „Änderung des Wesens der Vorabentscheidungsfragen“905 überschreiten müsste. Ungeachtet dessen wird der EuGH früher oder später ohnehin über die Unionsrechtskonformität des Art. 26 ECT entscheiden müssen.906 Dass den Schlussanträgen des Generalanwalts durch die EuGH-Richter jedoch nicht stets ausschlaggebende Relevanz beigemessen wird bzw. dass sie auch überhaupt nicht – jedenfalls in der Entscheidungsbegründung – berücksichtigt werden können, hat das Achmea-Verfahren eindrucksvoll gezeigt.907 6. Zwischenergebnis Art. 26 ECT beeinträchtigt dementsprechend die Autonomie des Unionsrechts. Die Achmea-Entscheidung mag zwar nicht unmittelbar den ECT mit der darin vorgesehenen Schiedsklausel betreffen. Allerdings lassen sich die apodiktischen Erwägungen der Richter zur Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV in Anbetracht der obigen Ausführungen ebenso auf Art. 26 ECT übertragen. Dieser Auffassung ist auch EuGH-Generalanwalt Szpunar. Es ist indes, wie hinsichtlich der Zukunft von Intra-EU-BIT und Extra-EU-BIT, auch hier festzuhalten, dass diese Unionsrechts903

Ibid. Rn. 100. EuGH, Urteil vom 11. Juli 2002, Rs. C-62/00, Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2002:435, Rn. 32 m. w. N. 905 EuGH, Urteil vom 20. März 1997, Rs. C-352/95, Phytheron International/Bourdon, ECLI:EU:C:1997:170, Rn. 14. 906 Siehe u. a. den Antrag des Königreichs Belgien auf Gutachten 1/20 nach Art. 218 Abs. 11 AEUV vom 29. Januar 2021 (abrufbar unter https://curia.europa.eu/juris/document/ document.jsf;jsessionid=AED4481F9A483AD2D5917E204E1FB825?text=&docid=237792 &pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=11193185, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 907 Vgl. Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2017:699. 904

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

widrigkeit der Schiedsklausel im ECT oder auch die Anwendung des Art. 30 Abs. 3, Abs. 4 lit. a) VCLT (s. u.) nicht unmittelbar die Gültigkeit des ECT berührt. Dieser bleibt ebenso wie bestehende Extra-EU-BIT in Kraft, bis er – so wie es mit nahezu allen Intra-EU-BIT durch das Beendigungsübereinkommen geschehen ist – geändert oder jedenfalls partiell beendet wird. Ebendieses ist Gegenstand der Reformbemühungen um den ECT. Bis dahin sind die Mitgliedstaaten über den völkerrechtlichen Grundsatz der Vertragstreue an den ECT gebunden.908 Nicht unbeachtet bleiben darf dabei Art. 47 Abs. 3 ECT.909 Solange die Mitgliedstaaten in diesem Rahmen allerdings nicht zu einer Lösung gelangen, sind die Schiedsgerichte mit der Problematik der Unionsrechtswidrigkeit und somit auch mit der potentiellen Anwendbarkeit des Art. 351 AEUV im Einzelfall unmittelbar betraut.910 Im Anschluss an diese – vielfach bereits anhängigen – Verfahren werden nationale Gerichte mit den hieraus resultierenden Schiedssprüchen im Rahmen von Vollstreckungs- oder Aufhebungsverfahren konfrontiert werden.911 Die insoweit vom EuGH – zumindest nach der hiesigen Lesart – festgestellte Unionsrechtswidrigkeit auch des Art. 26 ECT dürfte im Rahmen solcher Verfahren vor mitgliedstaatlichen Gerichten eine weitaus bedeutendere Rolle spielen.

IV. Die Bedeutung der Entscheidung für Investor-Staat-Verträge Eine in diesem Zusammenhang untergeordnete Rolle spielen sog. Investor-StaatVerträge. Ein solches Vertragswerk können ausländische Investoren unmittelbar mit Gaststaaten ihrer Investition zum Schutze dieser schließen.912 Relevant werden solche Verträge insbesondere bei umfangreichen Konzessionen mit langen Laufzeiten.913Darin können ebenfalls Schiedsvereinbarungen enthalten sein, die im Falle eines Disputs die Beilegung durch ein Schiedsgericht ermöglichen.914 Auch hinsichtlich dieser Vereinbarungen ließe sich erwägen, dass sie infolge der Achmea-Entscheidung als unionsrechtswidrig anzusehen sind. Immerhin könnten

908

Ruddigkeit, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, ZUR 2018, 415 (421); vgl. auch Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (367). 909 Vgl. Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (353); Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (367). 910 Siehe dazu Kapitel II B. III. 911 Siehe dazu Kapitel II B. IV. 912 Siehe erläuternd Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/von Walter, International Investment Law, S. 80 (81 ff.) und Johnson/Volkov, AmRevIntlArb 2013, 362 (362 ff.). 913 Schäfer, JuS 2016, 795 (797). 914 Ibid.; siehe auch Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Waibel, International Investment Law, S. 1212 (1224 Rn. 45 f.) und Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S. 254 f.

A. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Investitionsschutzabkommen

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solche der Zuständigkeit mitgliedstaatlicher Gerichte ebenfalls Rechtsstreitigkeiten „entziehen, die die Anwendung und Auslegung des Unionsrechts betreffen“915.916 Dies kann jedoch bezweifelt werden. Nicht ohne Grund unterschieden die EuGHRichter in ihrer knappen Entscheidungsbegründung ausdrücklich zwischen Investitions- und Handelsschiedsverfahren (s. o.).917 Ebenso wie im Rahmen der Handelsschiedsgerichtsbarkeit basieren auch Investor-Staat-Verträge auf der in einer konkreten Absprache deutlich werdenden Autonomie der Parteien. Die zur Zuständigkeit eines Tribunals führende Schiedsvereinbarung in einem Investor-StaatVertrag bezieht sich auf eine darin genau definierte Konstellation, während Schiedsklauseln in BIT ein allgemeines, ständiges Angebot zur Einleitung eines Schiedsverfahrens enthalten.918 Durch letztere verzichtet ein Staat „auf die Möglichkeit, eine Streitigkeit zwischen ihm und einem Investor eines anderen Mitgliedstaats, die in den Anwendungsbereich des genannten Abkommens fällt, von den staatlichen Gerichten entscheiden zu lassen. Der Verzicht hat dabei systemischen Charakter, da er alle Streitigkeiten betreffen kann, die in den Anwendungsbereich des Abkommens fallen.“919 Dieser systemische Charakter fehlt im Falle der schiedsgerichtlichen Streitbeilegung auf Basis von Investor-Staat-Verträgen, obgleich eine Anwendung und Auslegung von Unionsrecht nicht ausgeschlossen ist. Darüber hinaus bezieht sich die Entscheidung explizit nur auf internationale Übereinkünfte zwischen Staaten.920 Nicht wie bezüglich Extra-EU-BIT (die eine Unionsrechtsanwendung und -auslegung ermöglichen) sowie bezüglich Art. 26 ECT (s. o.) lässt sich hier also feststellen, dass sich die Bedenken der EuGH-Richter ohne Weiteres auch hinsichtlich Investor-Staat-Verträgen fruchtbar machen lassen. Daneben untergräbt eine Schiedsvereinbarung in einem Investor-Staat-Vertrag nicht den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten, da der Gaststaat durch den Abschluss keinesfalls sein Misstrauen in das Gerichtssystem des Heimatstaats des Investors zum Ausdruck bringt.921 Nicht außer Acht gelassen werden darf jedoch auch, dass im Mittelpunkt der Ausführungen des EuGH weniger die systematische Umgehung von nationalen Gerichten, sondern vielmehr die unkontrollierte Möglichkeit der Unionsrechtsan915

EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 55. Vgl. dies erwägend, jedoch im Ergebnis offenlassend Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/ Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 60); auch Scheu/ Nikolov, GYIL 2019, 475 (501 f.) verweisen auf dieses Argument, folgen dem im Ergebnis jedoch nicht; vgl. auch Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (275). 917 Vgl. EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 54 f. 918 Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Maciej Szpunar, 3. März 2021, Rs. C-741/ 19, Komstroy, ECLI:EU:C:2021:164, Rn. 60 f. hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Investitions- und Handelsschiedsgerichtsbarkeit. 919 Ibid. Rn. 61; Hervorh. d. Verf. 920 Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (502). 921 Ibid. 916

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

wendung bzw. -auslegung durch außerhalb des Gerichtssystems der Europäischen Union stehende Tribunale stand. Eine solche kann auch durch Investor-Staat-Verträge veranlasst werden. Sofern also ein auf dieser Basis angerufenes Schiedsgericht unkontrolliert Unionsrecht anwenden und auslegen kann, stehen die vom EuGH geäußerten Zweifel mit Blick auf die Autonomie des Unionsrechtssystems auch in diesem Zusammenhang im Raum. Wie bereits dargelegt, hat es der EuGH jedoch hinsichtlich der Handelsschiedsgerichtsbarkeit genügen lassen, wenn die mitgliedstaatlichen Gerichte entsprechende Schiedssprüche nur in eingeschränktem Umfang kontrollieren können (s. o.).922 Vor diesem Hintergrund ist zu konstatieren, dass der Achmea-Entscheidung jedenfalls keine definite Aussage über die Unionsrechtskonformität bzw. -widrigkeit von Schiedsvereinbarungen in Investor-Staat-Verträgen zu entnehmen ist. Dies ist also weiterhin als eine offene Rechtsfrage anzusehen.923 Eine entscheidende Rolle dürfte insofern der konkrete Inhalt solcher Verträge spielen.924 Gleichwohl legen die Ähnlichkeiten von Schiedsverfahren auf Basis von Investor-Staat-Verträgen mit der Handelsschiedsgerichtsbarkeit nahe, dass Schiedsvereinbarungen in solchen Verträgen derzeit als unionsrechtskonform anzusehen sind.925 Eine entsprechende Entscheidung des EuGH könnte eine Unionsrechtswidrigkeit im Lichte der Argumentation, die bereits in der Achmea-Entscheidung bemüht wurde, dennoch durchaus feststellen.

V. Zwischenergebnis Vor dem Hintergrund der Achmea-Entscheidung sind sämtliche Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT als unionsrechtswidrig anzusehen. Im Rahmen von schiedsgerichtlichen Verfahren auf Basis jener besteht stets die Möglichkeit einer Unionsrechtsanwendung, sodass die Erwägungen des EuGH zur Beeinträchtigung der in Art. 267 und 344 AEUV zum Ausdruck kommenden Autonomie des Unionsrechts uneingeschränkt greifen. Selbiges gilt richtigerweise auch für Schiedsklauseln in Extra-EU-BIT, welche eine Unionsrechtsanwendung oder -auslegung ermöglichen. Zwar haben die EuGHRichter ihre Entscheidung ausdrücklich nur auf Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT bezogen. Jedenfalls aber, wenn es einem Schiedsgericht auf Grundlage eines ExtraEU-BIT möglich ist, Unionsrecht anzuwenden oder auszulegen, sind jene Bestim922 EuGH, Urteil vom 1. Juni 1999, Rs. C-126/97, Eco Swiss China Time Ltd/Benetton International NV, ECLI:EU:C:1999:269, Rn. 35. 923 Ebenso Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 60); Schenk, Schiedsfreiheit und staatliche Schutzpflichten, S. 232; Bertolini, Die Durchsetzung von ISDS-Entscheidungen in Deutschland, S. 160 f.; Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (275). 924 Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (275). 925 So im Ergebnis auch Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (502).

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

187

mungen im Lichte der vom EuGH hinsichtlich Intra-EU-BIT vorgegebenen Auslegung der Art. 267 und 344 AEUVals Ausdruck des Autonomiegedankens ebenfalls als unionsrechtswidrig anzusehen. Auch Art. 26 ECT beeinträchtigt vor diesem Hintergrund die Autonomie des Unionsrechts. In Schiedsverfahren auf Basis dessen ist eine Unionsrechtsanwendung ebenfalls nie stets ausgeschlossen. Diese Unionsrechtswidrigkeit bedeutet indes keine unmittelbare Ungültigkeit besagter Schiedsklauseln.926 Jene sind lediglich aus unionsrechtlicher Perspektive unanwendbar.927 Ob dies aber auch aus – von Schiedsgerichten vorwiegend eingenommener – allgemein-völkerrechtlicher Perspektive gilt, ist unter anderem Gegenstand des folgenden Abschnitts. Keine definite Aussage enthält die Achmea-Entscheidung demgegenüber hinsichtlich der Unionsrechtskonformität bzw. -widrigkeit von Schiedsvereinbarungen in Investitionsverträgen, die direkt zwischen Staaten und ausländischen Investoren geschlossen werden – sog. Investor-Staat-Verträgen.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren und Aufhebungs- sowie Durchsetzungsprozesse I. Rechtliche Ausgangslage Die Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit von Schiedsklauseln in Intra-EUBIT und einiger Extra-EU-BIT sowie von Art. 26 ECT scheint zunächst praktisch wenig relevant zu sein. Schließlich haben sich mit der Achmea-Objection befasste Schiedsgerichte auf Basis von Intra-EU-BIT und dem ECT übereinstimmend von der Entscheidung im Ergebnis weitgehend unbeeindruckt gezeigt (siehe sogleich).928 Tatsächlich ist auf den ersten Blick auch nicht ersichtlich, was die Unionsrechtswidrigkeit einer Schiedsklausel an der Zuständigkeit eines außerhalb des Rechts926 Vgl. Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Bungenberg/Hobe, International Investment Law, S. 1602 (1626 Rn. 57) („From the point of view of international law any intra-EU BIT is legally valid until it has been formally terminated. Under a European Union Law perspective, any conflict must be eliminated or finally solved in favour of Union law. That would lead to renegotiations or the termination of the BIT in question.“). 927 Vgl. EuGH, Urteil vom 10. November 1992, Rs. C-3/91, Exportur/LOR & Confiserie du Tech, ECLI:EU:C:1992:420, Rn. 8; EuGH, Urteil vom 8. September 2009, Rs. C-478/07, Budeˇ jovicky´ Budvar, ECLI:EU:C:2009:521, Rn. 98; EuGH, Urteil vom 21. Januar 2010, Rs. C546/07, Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2010:25, Rn. 42; siehe auch Absatz 3 der Präambel des Beendigungsübereinkommens. 928 Siehe aber Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/15/49, (Statement of Dissent of Professor Marcelo Kohen, 3. Februar 2020).

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

systems der Europäischen Union stehenden929 Schiedsgerichts ändern könnte. Gleichwohl bestehen in der Literatur erhebliche Meinungsverschiedenheiten, wie die Achmea-Objection von Tribunalen zu behandeln sei. Immerhin konfligieren hier unionsrechtliche mit allgemeinen völkerrechtlichen Funktions- und Zuständigkeitsregeln, deren Verhältnis im Einzelfall unklar ist und deren Konflikt gar als unlösbar bezeichnet wird.930 Basis dessen dürfte sein, dass sich sowohl aus einer allgemein-völkerrechtlichen als auch aus einer unionsrechtlichen Perspektive – dort insbesondere aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts gegenüber Abkommen der Mitgliedstaaten (s. o.) – eine Vorrangstellung der einen aber auch der anderen Rechtsordnung im Rahmen der Entscheidung über die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts gut begründen ließe.931 Dies gilt nicht nur für Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT, sondern gerade auch für Art. 26 ECT. Während manche in dieser Hinsicht keinen Unterschied feststellen können, stellen andere auf die multilaterale Natur des ECT ab, um eine andere – vielfach von tatsächlichen Erwägungen getragene – Behandlung der dortigen Schiedsklausel herauszustellen. Flankiert wird die Debatte um die Vorrangstellung durch die Tatsache, dass die von der Schiedsklausel eigentlich begünstigten Investoren gar nicht Vertragsparteien des maßgeblichen Investitionsschutzabkommens und demnach als Dritte zu behandeln sind.932 Da kein Judikat ersichtlich ist, das zwischen den Ansichten des EuGH und den divergierenden völkerrechtlichen Interpretationen durch Schiedsgerichte eine verbindliche Entscheidung treffen könnte,933 stellt dieser Normenkonflikt eine akademisch schier unergründliche Problematik dar. Auch die praktischen Konsequenzen dessen sind nicht stets eindeutig. Während Schiedsgerichte in ihren Entscheidungen auch zur eigenen Zuständigkeit weitgehend frei sind,934 besteht für mitgliedstaatliche Gerichte im Rahmen von Aufhebungs- und Durchsetzungsprozessen eine Bindung an die Feststellungen des EuGH in der Achmea-Entscheidung.935 Außerhalb des 929 Vgl. EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 58. 930 Pinna, PJIA 2018, 73 (83 ff., 85) („We are therefore faced with two incompatible logical processes – that of EU law and that of international law – that are inherently valid but limited to their respective legal orders. This may lead to conflicting situations impossible to resolve other than by a State breaching either an international obligation or EU law.“); vgl. auch Restrepo Amariles/Farhadi/Van Waeyenberge, ICLQ 2020, 907 (916 ff.). 931 Vgl. ähnlich auch Lacson, NYUJIntlL&Pol 2019, 1327 (1340 f.); Andenas/Pantaleo/ Happold/Contartese/Happold/De Boeck, EU External Action in International Economic Law, S. 251 (252); Janssen/Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (142); United Utilities B. V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia, ICSID Case No. ARB/14/24, (Award of the Tribunal, 21. Juni 2019), Rn. 539. 932 Anschaulich hierzu Reuter, ZaöRV 2020, 379 (398 ff.). 933 So auch Lacson, NYUJIntlL&Pol 2019, 1327 (1340). 934 Vgl. aber Wackernagel, BTWR 140/2016, S. 9. 935 Siehe EuGH, Urteil vom 13. Mai 1981, Rs. 66/80, International Chemical Corporation/ Amministrazione delle finanze dello Stato, ECLI:EU:C:1981:102, Rn. 13; siehe dementspr. auch BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2019, 46.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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mitgliedstaatlichen Gerichtssystems sowie für Verfahren nach der ICSID-Konvention ist dies weniger eindeutig, wobei in diesen Fällen stets das unionale Beihilferecht und Vertragsverletzungsverfahren jedenfalls mittelbar dem Unionsrecht zur Geltung verhelfen können (IV.). Angesichts dessen ist es nicht möglich, aber auch nicht notwendig, eine abschließende Antwort zur Frage der Vorrangstellung zu geben. Bevor auf die hinsichtlich dieser Thematik maßgeblichen Erwägungen der Schiedsgerichte einzugehen ist (II., III.), soll gleichwohl ein kursorischer Überblick darüber gegeben werden, welche Implikationen die Unionsrechtswidrigkeit intra-unionaler Schiedsklauseln im Allgemeinen für die Zuständigkeit entsprechender Schiedsgerichte haben kann (I. 1.). Es ist vielfach nicht eindeutig, ob die Erwägungen bestimmter Auffassungen in der Literatur nur für intra-unionale Schiedsverfahren auf Grundlage von BIT gelten sollen oder ob daneben auch Art. 26 ECT angesprochen ist. Deshalb soll in einem nächsten Schritt (I. 2.) isoliert auf die komplexeren, möglichen Behandlungen des Art. 26 ECT in dieser Hinsicht eingegangen werden. 1. Allgemeines Zu vergegenwärtigen ist sich in diesem Rahmen zunächst erneut, dass eine Schiedsvereinbarung zwischen Investor und Staat gewöhnlich dadurch zustande kommt, dass eine Schiedsklausel in einem Investitionsschutzabkommen ein Angebot auf Abschluss einer solchen Vereinbarung durch beide Vertragsstaaten enthält, welche der jeweilige Investor aus dem anderen Vertragsstaat ausdrücklich oder konkludent durch Anrufung eines Schiedsgerichts annehmen kann (s. o.). Aufgrund der vom EuGH festgestellten Unionsrechtswidrigkeit von Schiedsklauseln (jedenfalls) in Intra-EU-BIT könnte das zuständigkeitsbegründende Angebot des betreffenden Gaststaats unwirksam und das maßgebliche Schiedsgericht somit unzuständig sein. Dies vertreten die Europäische Kommission sowie hinsichtlich Intra-EU-BIT alle Mitgliedstaaten.936 Aus einer unionsrechtlichen Perspektive ließe sich dies mit dem Vorrang des Unionsrechts gegenüber sonstigem 936 Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final, S. 4; Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_ finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 1 f.; vgl. Declaration of the Governments of the Member States of 16 January 2019 on the enforcement of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://www.regeringen.se/48ee19/contentas sets/d759689c0c804a9ea7af6b2de7320128/achmea-declaration.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 1 f.; vgl. Declaration of the Government of Hungary of 16 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://2015-2019.kormany.hu/download/5/1 b/81000/Hungarys%20Declaration%20on%20Achmea.pdf#!DocumentBrowse, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 1 f.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

nationalen Recht sowie inter se Verträgen der Mitgliedstaaten begründen.937 Aus einer völkerrechtlichen Perspektive könnte für dieses Ergebnis vor allem Art. 30 Abs. 3 VCLT – die Anwendbarkeit der VCLT zunächst unterstellt – sprechen.938 Wie bereits gesehen, erwog gerade das Achmea-Tribunal eine Unzuständigkeit gem. Art. 30 Abs. 3 VCLT, sollte Art. 8 des BIT mit Unionsrecht unvereinbar sein.939 Letzteres verneinte es dann jedoch. In diesem Sinne wird auch eine unmittelbare Beendigung der Intra-EU-BIT gem. Art. 59 Abs. 1 VCLT diskutiert (s. o.).940 Demgegenüber steht insbesondere der pacta sunt servanda-Grundsatz aus Art. 26 VCLT941, die potentielle Vorrangigkeit des Art. 16 ECT als lex specialis gegenüber den Bestimmungen der VCLT942 und des Unionsrechts943 sowie der Ansatz, dass die Zuständigkeit des Schiedsgerichts lediglich maßgeblich vom BIT selbst, den anwendbaren Schiedsregeln und der danach erforderlichen Schiedsvereinbarung der Parteien abhänge.944 Darüber hinaus könnten die hiermit befassten Tribunale bei der Prüfung des Art. 30 Abs. 3 VCLT frei und insbesondere nicht an die vom EuGH festgestellte Unionsrechtswidrigkeit in Form der „Unvereinbarkeit“ der Verträge gebunden sein.945 Hinsichtlich Intra-EU-BIT hat das Beendigungsübereinkommen Regelungen zu abgeschlossenen, neuen und anhängigen Schiedsverfahren getroffen.946 Die entsprechenden Konsequenzen für Schiedsverfahren sollen daher erst an dieser Stelle 937

Georgaki/Papanastasiou, PolishYIL 2019, 209 (217 ff.); siehe auch Friedrich, ZEuS 2010, 295 (306 f.) zur Verpflichtung von Schiedsgerichten zur umfassenden und vorrangigen Berücksichtigung entgegenstehenden Unionsrechts. 938 Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 375 f.; Georgaki/Papanastasiou, PolishYIL 2019, 209 (219 ff.); vgl. auch Friedrich, ZEuS 2010, 295 (306 f.) in Bezug auf Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT. 939 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 273. 940 Siehe ausführlich hierzu und dies im Ergebnis ablehnend Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 333 ff., 365. 941 Vgl. Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (367) hinsichtlich Art. 26 ECT. 942 Vgl. Wuschka, ZEuS 2018, 25 (44) verweisend auf Dörr/Schmalenbach/von der Decken, VCLT, Art. 30 Rn. 16 („if a treaty contains special clauses regulating its relation to other treaties […], Art. 30 does not apply“). 943 Vgl. Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/Happold/De Boeck, EU External Action in International Economic Law, S. 251 (262 ff.). 944 Vgl. bspw. United Utilities B. V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia, ICSID Case No. ARB/14/24, (Award of the Tribunal), Rn. 531 ff. 945 Pinna, PJIA 2018, 73 (89, 92); vgl. auch Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 184; wohl eher kritisch zu einer solchen Annahme (noch vor der Achmea-Entscheidung) Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (288 f.) und Wackernagel, BTWR 140/2016, S. 9, die eine rechtliche Bindung der Schiedsrichter an die vom EuGH festgestellte Auslegung des Unionsrechts anerkennen. 946 Siehe dazu Kapitel III B.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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behandelt werden, wobei gleichwohl im Folgenden bereits hier ergangene Entscheidungen zur Achmea-Objection von Schiedsgerichten auf Basis von Intra-EUBIT vorgestellt werden. Besondere Relevanz hat der Konflikt besagter Normenkomplexe jedoch für Tribunale, die auf Basis von Art. 26 ECT angerufen wurden. Schließlich schweigt das Beendigungsübereinkommen hierzu und ist der ECT-Reformprozess noch im Gange. 2. Die Behandlung des Art. 26 ECT im intra-unionalen Kontext Die oben festgestellte Unionsrechtswidrigkeit des Art. 26 ECT im Lichte der Achmea-Entscheidung ist auch für die folgende Analyse zugrunde zu legen bzw. jedenfalls zu unterstellen. a) Unanwendbarkeit des Art. 26 ECT Wie bereits skizziert, wird vertreten, das Angebot des Gaststaats in Art. 26 ECT sei aufgrund der Unionsrechtswidrigkeit unwirksam respektive unanwendbar947 und das maßgebliche Schiedsgericht somit unzuständig. Dies könnte zunächst Ausfluss des Vorrangs des Unionsrechts sein.948 Dieser erstreckt sich zuvörderst auf das Verhältnis zum nationalen Recht der Mitgliedstaaten. Das ergibt sich bereits aus Erklärung 17 („Erklärung zum Vorrang“) der Erklärungen zur Schlussakte der Regierungskonferenz zur Annahme des Vertrags von Lissabon949, wo es in deutscher Sprache heißt: „Die Konferenz weist darauf hin, dass die Vertra¨ ge und das von der Union auf der Grundlage der Vertra¨ ge gesetzte Recht im Einklang mit der sta¨ ndigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europa¨ ischen Union unter den in dieser Rechtsprechung festgelegten Bedingungen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten haben.“950

Daneben bezieht sich der Vorrang aus Sicht des EuGH auch auf Übereinkünfte zwischen Mitgliedstaaten.951 Dies gelte auch unabhängig davon, ob derartige Übereinkünfte vor oder nach dem Unionsbeitritt der Vertragsstaaten geschlossen wurden.952 Da der Vorrang des Unionsrechts ein spezieller Grundsatz des Völker947

Siehe zur Terminologie Damjanovic/Quirico, ColumJEurL 2019, 102 (124). Vgl. Georgaki/Papanastasiou, PolishYIL 2019, 209 (217 ff.) bzgl. Intra-EU-BIT; vgl. auch Basener, DVBl 2018, 573 (579). 949 Amtsblatt der Europäischen Union, 2008/C 115/01 vom 9. Mai 2008 (C 115/ S. 344). 950 Hervorh. d. Verf.; vgl. daneben auch EuGH, Urteil vom 15. Juli 1964, Rs. C-6/64, Costa/ ENEL, ECLI:EU:C:1964:66. 951 EuGH, Urteil vom 20. Mai 2003, Rs. C-469/00, Ravil, ECLI:EU:C:2003:295, Rn. 37 m. w. N.; EuGH, Urteil vom 27. September 1988, Rs. 235/87, Matteucci/Communauté française de Belgique, ECLI:EU:C:1988:460, Rn. 22. 952 Georgaki/Papanastasiou, PolishYIL 2019, 209 (217 f.) m. w. N.; siehe auch die dahingehend ebenso offene Formulierung in EuGH, Urteil vom 20. Mai 2003, Rs. C-469/00, Ravil, ECLI:EU:C:2003:295, Rn. 37. 948

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

rechts sei, habe er als jedenfalls implizite Kollisionsregel auch Priorität vor den remanenten Funktions- und Zuständigkeitsregeln der VCLT.953 Dies setzt jedoch voraus, dass man für die Frage nach der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts auf Basis von Art. 26 ECT Unionsrecht für unmittelbar anwendbar hält.954 Doch auch wenn diese Priorisierung abzulehnen sein sollte, ließe sich dieses Ergebnis unter Bezugnahme auf die VCLT konstruieren.955 Art. 59 VCLT ist hier nicht primär maßgeblich (s. o.), da neben den Unklarheiten in Zusammenhang mit dem Notifikationserfordernis aus Art. 65 VCLT auch nicht unmittelbar ersichtlich ist, inwieweit die Unionsverträge eine tatsächliche Beendigung des ECT anordneten bzw. eine solche intendiert ist.956 Entscheidender Anhaltspunkt könnte in dieser Hinsicht vielmehr Art. 30 Abs. 3 VCLT sein, dessen Anwendbarkeit bereits thematisiert wurde (s. o.). Dass auch Drittstaaten Parteien des ECT sind, macht für die vorliegend relevanten intra-unionalen Konflikte gem. Art. 30 Abs. 4 lit. a) VCLT keinen Unterschied.957 Wie bereits gesehen, ist die Bestimmung „desselben Gegenstands“ sowohl im Rahmen des Art. 30 Abs. 1 VCLT als auch in Art. 59 Abs. 1 VCLT mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Angemerkt wurde jedoch auch bereits, dass dieses Kriterium für die Anwendbarkeit des Art. 30 Abs. 3 VCLT verbreitet als nicht maßgeblich angesehen wird.958 Entscheidend könnte vielmehr sein, dass der Vertrag von Amsterdam vom 1. Mai 1999, der Vertrag von Nizza vom 1. Februar 2003 und der Vertrag von Lissabon vom 1. Dezember 2009 dem Inkrafttreten des ECT (1994) nachfolgten und somit spätere Verträge in diesem Sinne darstellen,959 sowie dass – nach hiesigem Verständnis – Art. 26 ECT mit dem Unionsrecht unvereinbar ist. Im Ergebnis könnte Art. 344 AEUV somit – die Anwendbarkeit der VCLT neben dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts unterstellt (s. o.) – gem. Art. 30 Abs. 3, Abs. 4 lit. a)

953 Georgaki/Papanastasiou, PolishYIL 2019, 209 (218); vgl. auch Andenas/Pantaleo/ Happold/Contartese/Happold/De Boeck, EU External Action in International Economic Law, S. 251 (262). 954 Dies bejahend Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 175 ff. 955 Siehe für eine umfassende Analyse der Art. 59 und 30 VCLT in diesem Zusmmenhang vor Ergehen der Achmea-Entscheidung Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 42 ff. 956 Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/Happold/De Boeck, EU External Action in International Economic Law, S. 251 (262 f.). 957 So auch Restrepo Amariles/Farhadi/Van Waeyenberge, ICLQ 2020, 907 (934). 958 Siehe Fn. 249. 959 So die Europäische Kommission und Italien in Blusun S. A., Jean-Pierre Lecorcier and Michael Stein v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/14/3, (Final Award), Rn. 285; vgl. auch Basener, Investment Protection in the European Union, S. 252 f.; Damjanovic/Quirico, ColumJEurL 2019, 102 (125); kritisch hierzu Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/Happold/De Boeck, EU External Action in International Economic Law, S. 251 (263); dies offenlassend Reuter, ZaöRV 2020, 379 (405 Fn. 82).

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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VCLT eine lex posterior-Bestimmung im Verhältnis zu Art. 26 ECT (und Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT) darstellen. Dies wird auch in der Literatur befürwortet.960 Da das Primärrecht den internationalen Übereinkünften der Union vorgeht (s. o.), könnte auch Art. 16 ECT daran als vermeintliche lex specialis-Norm nichts ändern.961 Art. 16 ECT lautet in authentischer deutscher Sprache962: „Art. 16 – Beziehung zu anderen Übereinkünften Haben zwei oder mehr Vertragsparteien früher eine internationale Übereinkunft geschlossen oder schließen sie später eine solche Übereinkunft, deren Bestimmungen die in Teil III oder V dieses Vertrags behandelten Angelegenheiten betreffen, 1. so darf Teil III oder V dieses Vertrags nicht so ausgelegt werden, als weiche er von Bestimmungen der anderen Übereinkunft oder von dem Recht auf diesbezügliche Streitbeilegung aufgrund der Übereinkunft ab, und 2. so darf keine Bestimmung der anderen Übereinkunft so ausgelegt werden, als weiche sie von einer Bestimmung in Teil III oder V dieses Vertrags oder von dem Recht auf diesbezügliche Streitbeilegung aufgrund dieses Vertrags ab, soweit eine derartige Bestimmung für den Investor oder die Investition günstiger ist.“

Dass Art. 16 ECT den ECT somit an die Spitze des Völkervertragsrechts stellt, wird mit den Grundregeln der VCLT und insbesondere Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT für unvereinbar gehalten.963 Darüber hinaus ist zu konstatieren, dass die Anwendung der Kollisionsregel in Art. 16 ECT offenbar zu einem gegenteiligen Ergebnis führt, als die oben genannte Handhabung des Grundsatzes des Vorrangs des Unionsrechts es gebietet. Auch wenn man gerade diesen Konflikt zwischen den Verträgen also für maßgeblich hielte, käme es wiederum entscheidend auf Art. 30 Abs. 3, Abs. 4 lit. a) VCLT an.964 Jedenfalls für die hier maßgeblichen intra-unionalen Streitigkeiten kann auch Art. 351 AEUV kein anderes Ergebnis gebieten (s. o.). 960 Hess, REDP 2018, 114 (130); Basener, DVBl 2018, 573 (579); vgl. auch Janssen/ Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (139 f.); Georgaki/Papanastasiou, PolishYIL 2019, 209 (219 ff.); Damjanovic/Quirico, ColumJEurL 2019, 102 (125); Z˙ mij, ZEuP 2019, 535 (549); Ruddigkeit, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, ZUR 2018, 415 (421); in diese Richtung auch Scholtka, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C284/16, EuZW 2018, 239 (244); siehe explizit nur bzgl. Intra-EU-BIT Dimopoulos, CMLRev 2011, 63 (75); siehe auch Lang, EuR 2018, 525 (560) der dies nur für Intra-EU-BIT und gem. Art. 351 AEUV ausdrücklich nicht für den ECT annimmt; dies ausdrücklich offenlassend Pinna, PJIA 2018, 73 (91 f.); siehe zum Verhältnis des Unionsrechts zur ICSID-Konvention in gleichem Sinne Tietje/Wackernagel, JWIT 2015, 205 (207 ff.). 961 So aber Wuschka, ZEuS 2018, 25 (43 f.). 962 Siehe Art. 50 ECT. 963 Ruddigkeit, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, ZUR 2018, 415 (421). 964 Vgl. Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/Happold/De Boeck, EU External Action in International Economic Law, S. 251 (262 f.).

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Neben dem aus Sicht eines Schiedsgerichts wohl vergleichsweise schlichten Argument des „Vorrangs des Unionsrechts“ lässt sich die Unzuständigkeit eines Tribunals somit auch aus allgemein-völkerrechtlicher Perspektive gut begründen. Brisanz erlangte dies aber vor allem dann, wenn man die vom EuGH vorgegebene Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV als Teil jener selbst ansähe, sodass ein Schiedsgericht bei der Anwendung dieser Normen auch an die Auslegung des EuGH gebunden sein würde – jene wäre diesen Normen dann schlicht inhärent.965 Im Rahmen der Prüfung von Art. 30 Abs. 3, 4 lit. a) VCLT käme es unter Zugrundelegung dessen für ein Tribunal für das Tatbestandsmerkmal der Unvereinbarkeit der Verträge lediglich darauf an, ob es die Auslegung der Art. 267 und 344 AEUVaus der Achmea-Entscheidung auch hinsichtlich Art. 26 ECT für anwendbar hielte.966 Für Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT könnte dies sogar bedeuten, dass dieses Tatbestandsmerkmal durch Tribunale stets zu bejahen wäre. Sofern jedoch die AchmeaEntscheidung nicht selbst als derart integraler Teil des Unionsrechts begriffen würde,967 könnte die vom EuGH festgestellte Unionsrechtswidrigkeit als „Unvereinbarkeit“ der Verträge aus Sicht eines Schiedsgerichts lediglich als ein Anhaltspunkt für die eigene Würdigung und nicht als rechtlich, sondern allenfalls – im Lichte der Hindernisse auf Vollstreckungs- und Aufhebungsebene – als faktisch bindend angesehen werden.968 Verkannt wird in diesem Zusammenhang jedoch teilweise, dass der EuGH gerade nicht explizit entschieden hat, dass eine Bestimmung wie Art. 8 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik gegen Unionsrecht verstößt, sondern, dass das Unionsrecht – in Form von Art. 267 und 344 AEUV – so auszulegen ist, dass es einer solchen Bestimmung entgegensteht. Es geht somit fehl, als maßgeblich herauszustellen, der EuGH könne nicht über die Wirksamkeit eines BIT, sondern lediglich über die Auslegung des Unionsrechts entscheiden, weshalb ein Tribunal nicht an die Feststellungen des EuGH gebunden sein könne.969 Vielmehr hat der EuGH gerade nur über die Auslegung des Unionsrechts entschieden. Die tatsächlich maßgebliche Frage ist demnach nur, ob ein Tribunal im Rahmen der Anwendung besagter Unionsrechtsnormen an die Auslegung des EuGH gebunden ist, um in einem nächsten Schritt selbständig 965

In diese Richtung noch vor der Achmea-Entscheidung Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (288 f.) und Wackernagel, BTWR 140/2016, S. 9; vgl. auch Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 148 und dem zustimmend Restrepo Amariles/Farhadi/Van Waeyenberge, ICLQ 2020, 907 (938). 966 Dies ablehnend Restrepo Amariles/Farhadi/Van Waeyenberge, ICLQ 2020, 907 (939). 967 Vgl. Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/17/27, (Award of the Tribunal, 13. November 2019), Rn. 207, 209; in diese Richtung auch Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 184 unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Klägers im Rejoinder on Jurisdiction, die zu dem Ergebnis gelangen: „The decisions of the ECJ are thus not binding upon this Tribunal“; Janssen/Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (142) bezeichnen diese Ausführungen des Tribunals als „plausible observation“. 968 Vgl. Pinna, PJIA 2018, 73 (89, 92); ähnlich auch Hess, REDP 2018, 114 (127). 969 In diese Richtung aber Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/17/27, (Award of the Tribunal), Rn. 209.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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über die daraus folgenden Implikationen für das Investitionsschutzabkommen und die aus diesem resultierende Schiedsvereinbarung zu urteilen. Unabhängig davon hätte jedenfalls die unmittelbare Anwendbarkeit des Unionsrechts (auch unter Berücksichtigung der Achmea-Entscheidung) für die Streitentscheidung nach Art. 26 Abs. 6 ECT keine direkten Auswirkungen auf die Beurteilung der Zuständigkeit der Schiedsgerichte auf Grundlage der VCLT, da jene lediglich an das Schicksal besagter Schiedsvereinbarung zwischen Staat und Investor geknüpft ist.970 Die Unionsrechtsanwendung im Rahmen der Begründetheit ist von jener im Rahmen der Zuständigkeit zu trennen.971 b) Anwendbarkeit des Art. 26 ECT Andere streiten für die Anwendbarkeit des Art. 26 ECT und bejahen entsprechend die Zuständigkeit der Schiedsgerichte. Dies gilt insbesondere für die mit der AchmeaObjection befassten Schiedsgerichte (siehe sogleich). Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich eine fortgeltende Anwendbarkeit der Bestimmung aus Art. 351 Abs. 1, 2 AEUV ergäbe, wenn man die Norm einheitlich auch auf Art. 26 ECT anwenden würde.972 Dies ist jedoch im oben beschriebenen Sinne jedenfalls im intra-unionalen Kontext zu verneinen. Auch dass Schiedsgerichte die Achmea-Entscheidung als „Zeichen justiziellen Einvernehmens“ bzw. „intergerichtlichen Respekts“ derart würdigen könnten, dass sie ihre eigene Zuständigkeit verneinen, dürfte fern liegen.973 Konstruktiv könnte jedoch der Ansatz sein, der ECT habe gem. Art. 16 ECT Vorrang gegenüber jedem anderen völkerrechtlichen Vertragswerk.974 Jedenfalls hinsichtlich der Unionsverträge ließe sich dies zudem aus Art. 216 Abs. 2 AEUV ableiten.975 Immerhin gilt für die Rechtsakte der Europäischen Union – was der ECT ist (s. o.) –, dass diese so lange Rechtswirkung entfalten, solange sie nicht zurückgenommen oder für nichtig bzw. ungültig erklärt werden.976 Auch spreche für eine vorrangige Anwendung des Art. 16 ECTals Kollisionsregel gegenüber dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts als implizite Kollisions970

Vgl. Schreuer, MJDR 2014, 1 (3) m. w. N.; vgl. auch Wuschka, ZEuS 2018, 25 (41). Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 100, 176. 972 So Lang, EuR 2018, 525 (542 ff., 551, 560). 973 Vgl. aber Gáspár-Szilágyi, EP 2018, 357 (371) („sign of judicial comity“); vgl. auch A. M. F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic, PCA Case No. 2017-15, (Final Award), Rn. 285 f., 405 ff. 974 Wuschka, ZEuS 2018, 25 (43); vgl. auch Ruddigkeit, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, ZUR 2018, 415 (421). 975 Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (367); vgl. auch Reuter, ZaöRV 2020, 379 (400 ff.). 976 EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004, Rs. C-475/01, Kommission/Griechenland, ECLI: EU:C:2004:585, Rn. 18 m. w. N.; vgl. auch Wuschka, ZEuS 2018, 25 (42) verweisend auf EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2015, Rs. C-362/14, Schrems, ECLI:EU:C:2015:650, Rn. 52. 971

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

regel (s. o.), dass letzterer die Bedeutung des ECT verkenne.977 Danach finde auch Art. 30 VCLT in dieser Hinsicht keine Anwendung, da Art. 16 ECT lex specialis demgegenüber sei.978 Andererseits ließe sich Art. 16 ECT auch als Bestimmung im Sinne des Art. 30 Abs. 2 VCLT verstehen.979 Unabhängig von Art. 16 ECT zweifeln manche an der Anwendbarkeit von Art. 30 VCLT im oben vorgetragenen Sinne, da sie den ECT für die Staaten, die den ECT als Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichneten, als den späteren Vertrag im Sinne des Art. 30 Abs. 3 VCLT ansehen.980 Die Inbezugnahme des Vertrags von Lissabon als späterer Vertrag (aller Mitgliedstaaten) sei dieser Auffassung zufolge mit dem Wortlaut des Art. 351 AEUV kaum vereinbar, welcher ausdrücklich auf den EWG-Vertrag vom 1. Januar 1958 abstellt.981 Schließlich lässt sich der Tatbestand des Art. 30 VCLT auch in anderer Hinsicht verneinen.982 Wiederum andere halten angesichts der Natur des ECT als gemischtes Übereinkommen die völkerrechtlichen Funktions- und Zuständigkeitsregeln für maßgeblich und verweisen auf den pacta sunt servanda-Grundsatz aus Art. 26 VCLT, um die fortgeltende Anwendbarkeit des Art. 26 ECT zu begründen.983 Auch Art. 27 VCLT wird genannt, um zu belegen, ein Staat könne sich nicht auf Unionsrecht als innerstaatliches Recht in diesem Sinne berufen, um seinen völkervertraglichen Verpflichtungen aus dem ECT in irgendeinem internationalen Forum zu entkommen.984 Zudem wurde bereits lange vor der Achmea-Entscheidung vertreten, das oben beschriebene Verfahren des Zustandekommens einer Schiedsvereinbarung habe 977 Vgl. Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/Happold/De Boeck, EU External Action in International Economic Law, S. 251 (264). 978 Wuschka, ZEuS 2018, 25 (44) verweisend auf Dörr/Schmalenbach/von der Decken, VCLT, Art. 30 Rn. 16 („if a treaty contains special clauses regulating its relation to other treaties […], Art. 30 does not apply“). 979 Vgl. Restrepo Amariles/Farhadi/Van Waeyenberge, ICLQ 2020, 907 (935 f.) mit Bezugnahme auf Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/ 12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 217. 980 Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/Happold/De Boeck, EU External Action in International Economic Law, S. 251 (263); vgl. auch Reuter, ZaöRV 2020, 379 (405); Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 218. 981 Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/Happold/De Boeck, EU External Action in International Economic Law, S. 251 (263). 982 Siehe bspw. Reinisch, LIEI 2012, 157 (175 f.); Tietje, BTWR 104/2011, S. 14; Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 268 ff. 983 Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (367); vgl. auch Reuter, ZaöRV 2020, 379 (400 ff.); vgl. aber Z˙ mij, ZEuP 2019, 535 (548 f.), der dies eine bloße Behauptung nennt. 984 Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (366); vgl. auch Wuschka, ZEuS 2018, 25 (46); Wernicke, NJW 2018, 1644 (1646); kritisch hierzu Hess, REDP 2018, 114 (127) verweisend auf Dörr/Schmalenbach/Schmalenbach, VCLT, Art. 27 Rn. 11.

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lediglich prozeduralen Charakter.985 Deshalb könne das in einer Schiedsklausel enthaltene Angebot an einen Dritten nicht durch vermeintlich höherrangige Normenkomplexe wie die Unionsverträge für unanwendbar erklärt werden.986 Darüber hinaus lässt sich dieses Ergebnis auch aus tatsächlichen Gründen befürworten, da es dem Sinn und Zweck des ECT entspreche und das Entstehen der bereits angesprochenen Zweiklassengesellschaft innerhalb des ECT verhindere.987 Letztlich wird auch darauf hingewiesen, dass es einer Entscheidung des EuGH hinsichtlich des ECT bedürfe, um Art. 26 ECT unangewendet lassen zu können, da der ECT selbst Unionsrecht darstellt (s. o.) und somit das Verwerfungsmonopol des EuGH greife.988 Ungeachtet der hier möglicherweise anwendbaren acte clair- bzw. acte éclairé-Doktrin (s. o.)989 ist es jedoch kaum vertretbar, ein außerhalb des Rechtssystems der Europäischen Union stehendes Schiedsgericht „dürfte[]“990 Art. 26 ECT nicht mit dem Argument der Unionsrechtswidrigkeit unangewendet lassen, auch wenn die Auslegung der Bestimmungen der VCLT dies aufgrund dessen gebietet. Allenfalls für nationale Gerichte könnte dies gelten. Gänzlich abzulehnen ist jedoch spätestens seit der Achmea-Entscheidung die ebenfalls von Stöbener de Mora hier offenbar erwogene Vorlagepflicht nach Art. 267 auch der Schiedsgerichte im Falle der Befassung mit einem Disput auf Basis des ECT.991 Auch eine solche ließe sich lediglich für nationale Gerichte konstatieren. Die vorstehende Erörterung zeigt gleichwohl, dass sich auch die fortgeltende Anwendbarkeit des Art. 26 ECT als zuständigkeitsbegründende Grundlage von Schiedsverfahren ebenso aus einer unionsrechtlichen wie aus einer allgemein-völkerrechtlichen Betrachtungsweise herleiten lässt.992 3. Zwischenergebnis Selbst wenn man entsprechend dem hiesigen Verständnis der Achmea-Entscheidung also unterstellte, dass sämtliche Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT sowie Art. 26 ECT als unionsrechtswidrig anzusehen sind, ist deren völkerrechtliche Be985

Söderlund, JIntlArb 2007, 455 (458). Ibid.; kritisch hierzu Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (224 Fn. 18). 987 Lacson, NYUJIntlL&Pol 2019, 1327 (1340 f.). 988 Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (367). 989 Siehe bspw. jüngst OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11. Februar 2021 – 26 SchH 2/20 in BeckRS 2021, 1799 Rn. 42 hinsichtlich eines anderen Intra-EU-BIT, als dem im Achmea-Fall maßgeblichen; siehe aber Wuschka, ZEuS 2018, 25 (40), der dies sogar in diesen Fällen ablehnt. 990 So Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (367). 991 Vgl. ibid. 992 So im Ergebnis auch Wuschka, ZEuS 2018, 25 (44) („Yet, similarly to the CJEU, which could reach that conclusion rather easily because of its mandate to secure the uniform interpretation of EU law, intra-EU investment tribunals would also merely operate methodically correct if they continued to reject the intra-EU objection.“). 986

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handlung und die entsprechende Frage nach deren Anwendbarkeit doch weiterhin als ungeklärt anzusehen. Letztlich kommt es entscheidend darauf an, ob besagte Schiedsklauseln auch nach Ergehen der Achmea-Entscheidung durch Tribunale zuständigkeitsbegründend herangezogen werden können. Die Unsicherheit in diesem Bereich dürfte insbesondere auf dem komplexen Verhältnis zwischen Unionsrecht und allgemeinem Völkerrecht fußen. In der Literatur wird diese Kollission der Rechtsordnungen je nach Perspektive unteschiedlich zu lösen gesucht. Einen richtungsweisenden Beitrag leisten im Rahmen dieser Debatte hiermit befasste Schiedsgerichte. Sowohl hinsichtlich Intra-EU-BIT als auch hinsichtlich Art. 26 ECT haben sich diese eine weitgehend einhellige Meinung gebildet. Diese Judikatur ist Gegenstand der folgenden Abschnitte (II., III.).

II. Die Achmea-Objection vor Schiedsgerichten auf Grundlage von Intra-EU-BIT Bereits vor der Achmea-Entscheidung setzten sich zahlreiche Schiedsgerichte zur Beurteilung intra-unionaler Streitigkeiten mit Einwänden gegen ihre Zuständigkeit aufgrund des Einflusses von Unionsrecht auseinander. Hierzu gehörte auch das Achmea-Tribunal. Diese sog. Intra-EU Jurisdictional Objection hat durch die Achmea-Entscheidung des EuGH an Boden gewonnen. Sie soll deshalb im Folgenden unabhängig von den unterschiedlichen Bezeichnunung durch Tribunale Achmea-Objection genannt werden.993 Dieser Einwand gegen die Zuständigkeit beschäftigte seit der EuGH-Entscheidung bereits mehrere Schiedsgerichte, die auf Basis von Intra-EU-BIT konstituiert wurden.994 Im Folgenden sollen exemplarisch 993 So auch Kochenov/Lavranos, Achmea versus the Rule of Law: CJEU’s Dogmatic Dismissal of Investors’ Rights in Backsliding Member States of the European Union, Hague Journal on the Rule of Law 2021 (abrufbar unter https://doi.org/10.1007/s40803-021-00153-7, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 994 Bspw. Raiffeisen Bank International AG and Raiffeisenbank Austria d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/34, (Decision on Respondent’s Jurisdictional Objections); Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/37, (Decision on Croatia’s Jurisdictional Objection Related to the Alleged Incompatibility of the BIT with the EU Acquis, 12. Juni 2020); A. M. F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic, PCA Case No. 2017-15, (Final Award); GPF GP S. à. r. l v. Republic of Poland, SCC Case No. V 2014/168, (Award, 29. April 2020); Strabag SE, Raiffeisen Centrobank AG and Syrena Immobilien Holding AG v. Republic of Poland, ICSID Case No. ADHOC/ 15/1, (Partial Award on Jurisdiction, 4. März 2020); Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/15/49, (Decision on Jurisdiction); Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/17/27, (Award of the Tribunal); United Utilities B. V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia, ICSID Case No. ARB/14/24, (Award of the Tribunal); UP (formerly Le Chèque Déjeuner) and C.D Holding Internationale v. Hungary, ICSID Case No. ARB/13/35, (Award); Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/13/27, (Award); Georg Gavrilovic and Gavrilovic d. o. o. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/12/39, (Award, 25. Juli 2018);

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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die dahingehenden Entscheidungen aus den Verfahren Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus, UP (formerly Le Chèque Déjeuner) and C.D Holding Internationale v. Hungary, United Utilities B. V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia, Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, A. M. F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic, Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia und Raiffeisen Bank International AG and Raiffeisenbank Austria d. d. v. Republic of Croatia analysiert werden. Nur untergeordnete Bedeutung soll in diesem Rahmen den Januar-Deklarationen995 (s. o.) beigemessen werden, da die Relevanz jener für die Zuständigkeit eines Tribunals jedenfalls mit Unterzeichnung des Beendigungsübereinkommens weggefallen ist. 1. Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus Bereits kurz nach der Achmea-Entscheidung des EuGH erging am 26. Juli 2018 der Schiedsspruch eines ICSID-Tribunals im Verfahren Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus.996 Die Kläger sind neben der in Griechenland ansässigen Marfin Investment Group Holding S. A.997 noch 19 weitere griechische natürliche und juristische Personen. Die Beklagte ist die Republik Zypern. Das für die Streitigkeit beider Parteien maßgebliche Investitionsschutzabkommen ist das BIT zwischen der Republik Zypern und Griechenland.998 Das BIT selbst enthält keine Bestimmung zum für die Streitentscheidung unmittelbar anwendbaren Recht. siehe für eine Übersicht auch https://investmentpolicy.unctad.org (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 995 Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_eco nomy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Governments of the Member States of 16 January 2019 on the enforcement of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://www.regeringen.se/48ee19/ contentassets/d759689c0c804a9ea7af6b2de7320128/achmea-declaration.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Government of Hungary of 16 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://2015-2019.kormany.hu/download/5/1 b/81000/Hungarys%20Declaration%20on%20Achmea.pdf#!DocumentBrowse, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 996 Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/13/27, (Award). 997 S. A. steht für Société Anonyme und ist das griechische Pendant zur deutschen Aktiengesellschaft. 998 Agreement between the Government of the Hellenic Republic and the Government of the Republic of Cyprus (Inkrafttreten 26. Februar 1993).

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Die Achmea-Entscheidung spielt für das hier mit dem Disput befasste Schiedsgericht im Ergebnis kaum eine Rolle. Dementsprechend bejaht es auch seine Zuständigkeit. Zunächst stellt es heraus, dass sich beide Parteien einig zu sein scheinen, dass die Achmea-Entscheidung für das Tribunal nicht streng verbindlich sei.999 Auf Basis dessen argumentiert die Beklagte, dass das hier maßgebliche BIT gem. Art. 59 VCLT beendigt worden oder die Schiedsklausel in Art. 9 Abs. 2 des BIT gem. Art. 30 VCLT durch den AEUV verdrängt worden sei.1000 Beide Parteien seien sich einig, dass diese beiden Bestimmungen die für die Beurteilung der Zuständigkeit maßgeblichen seien. Das Schiedsgericht verneint unter Verweis auf bereits ergangene Schiedssprüche1001 die Anwendbarkeit beider Normen.1002 Dabei geht es den wohl komfortabelsten Weg und verneint bereits das Beziehen auf „denselben Gegenstand“ („relating to the same subject matter“). Insbesondere sieht sich das Tribunal – dem Begehren der Beklagten widersprechend – nicht in der Pflicht, die eigene Zuständigkeit gem. Art. 30 Abs. 3 VCLT aufgrund der Achmea-Entscheidung zu verneinen. Schließlich wurde bereits das Beziehen auf „denselben Gegenstand“ verneint. Zur Unterstützung dessen führt es Art. 25 Abs. 1 ICSID-Konvention an. Wie bereits gesehen, lautet dieser: „The jurisdiction of the Centre shall extend to any legal dispute arising directly out of an investment, between a Contracting State (or any constituent subdivision or agency of a Contracting State designated to the Centre by that State) and a national of another Contracting State, which the parties to the dispute consent in writing to submit to the Centre. When the parties have given their consent, no party may withdraw its consent unilaterally.“1003

Das Angebot zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung durch die Republik Zypern sei in Art. 9 des BIT enthalten und könne deshalb nicht einseitig zurückgenommen werden. Gegen eine implizite Beendigung des BIT spreche neben Art. 12 des BIT auch die Verfahrensregel aus Art. 65 VCLT. Auffällig ist schließlich folgende Schlussfolgerung des Tribunals: 999 Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/13/27, (Award), Rn. 580. 1000 So die Zusammenfassung des Tribunals ibid. Rn. 583. Die Ausführungen der Kläger sind im öffentlich gemachten Schiedsspruch geschwärzt. 1001 Siehe European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic (Award on Jurisdiction); Jan Oostergetel and Theodora Laurentius v. The Slovak Republic, UNCITRAL, (Decision on Jurisdiction, 30. April 2010); Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension); Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award). 1002 Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/13/27, (Award), Rn. 584 ff. 1003 Hervorh. d. Verf.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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„The Tribunal has taken note of the Parties’ arguments with respect to the difficulties that may arise if and when this Award is presented for enforcement. It may well be correct that the enforcement of the present Award will give rise to problems in the territories of the EU Member States. However, the jurisdiction of this Tribunal is not determined by the various national rules governing the enforceability of arbitral awards, but by this Treaty and international law. It will be up to the courts at the enforcement stage to draw the necessary consequences from the Achmea judgment and their national laws with respect to the enforceability of this Award.“1004

Trotz der hinsichtlich der Auswirkungen der Achmea-Entscheidung doch sehr kurzen Begründung des Schiedsgerichts, kommt es zu einem zumindest schlüssigen Ergebnis. Solange es gar nicht zur Frage der Unvereinbarkeit der Verträge im Rahmen von Art. 59 und 30 VCLT gelangen kann, ist die Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV durch den EuGH jedenfalls in diesem Rahmen tatsächlich nicht relevant. Dass die Schiedsrichter nicht bereits in einem ersten Schritt den Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts vor die Regelungen der VCLT gestellt haben, um die Wirksamkeit des Angebots zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung über Art. 9 des BIT durch die Republik Zypern zu verneinen, überrascht nicht. 2. UP (formerly Le Chèque Déjeuner) and C.D Holding Internationale v. Hungary Am 9. Oktober 2018 fällt das ICSID-Tribunal im Fall UP (formerly Le Chèque Déjeuner) and C.D Holding Internationale v. Hungary einen Schiedsspruch.1005 Die Kläger sind zwei französische Gesellschaften, während die Beklagte die Republik Ungarn ist. Das Investitionsschutzabkommen, auf dessen Basis das Schiedsgericht angerufen wurde, ist das BIT zwischen der Französischen Republik und der Republik Ungarn.1006 Daneben spielen auch das BIT zwischen der Republik Ungarn und der Republik Kroatien1007 sowie das BIT zwischen der Republik Ungarn und der Republik Litauen1008 eine Rolle. Das BIT zwischen der Französischen Republik und der Republik Ungarn enthält in Art. 9 Abs. 3 eine Klausel zum anwendbaren Recht für Investor-Staat-Streitigkeiten, die ins Deutsche übersetzt lautet: 1004

Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/13/27, (Award), Rn. 596. 1005 UP (formerly Le Chèque Déjeuner) and C.D Holding Internationale v. Hungary, ICSID Case No. ARB/13/35, (Award). 1006 Decret no. 87-884 du 27 octobre 1987 portant publication de l’accord entre le Gouvernement de la République et le Gouvernement de la République populaire hongroise sur l’encouragement et la protection réciproques des investissements (Inkrafttreten 30. September 1987). 1007 Agreement between the Republic of Croatia and the Republic of Hungary for the promotion and reciprocal protection of investments (Inkrafttreten 1. März 2002). 1008 Agreement between the Republic of Lithuania and the Republic of Hungary for the promotion and reciprocal protection of investments (Inkrafttreten 20. Mai 2003).

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

„Das Schiedsgericht entscheidet gemäß den Bestimmungen dieses Abkommens und den Regeln und Grundsätzen des Völkerrechts.“

Auch dieses ICSID-Tribunal stellt in apodiktischer Form fest, dass die AchmeaEntscheidung des EuGH ihm nicht die Zuständigkeit entziehen könne.1009 Dafür bezieht es sich zunächst darauf, dass die Entscheidung des EuGH keinen Bezug zur ICSID-Konvention oder ICSID-Schiedsverfahren enthalte und deshalb der Unionsbeitritt Ungarns nichts an der Geltung der ICSID-Konvention für Ungarn geändert habe.1010 Erst in einem zweiten Schritt geht das Tribunal darauf ein, dass die EuGH-Richter auch keine Aussage über die Wirksamkeit des Angebots zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung i. S. d. Art. 25 ICSID Konvention getroffen hätten. Die Beklagte habe schließlich nicht hinreichend dargetan, dass Unionsrecht in irgendeiner Form rückwirkenden Einfluss auf die Wirksamkeit dieses Angebots haben könnte. Darüber hinaus enthalte das BIT zwischen der Französischen Republik und der Republik Ungarn in Art. 12 Abs. 2 ohnehin eine „survival clause“, welche bereits getätigten Investitionen 20 Jahre über eine potentielle Beendigung durch den Unionsbeitritt Ungarns hinaus Schutz durch das BIT verleihe.1011 Da die hier maßgebliche Investition vor dem Datum des Beitritts Ungarns zur Europäischen Union initiiert wurde, sei in dieser Hinsicht die Schiedsklausel in Art. 9 Abs. 2 des BIT zwischen der Französischen Republik und der Republik Ungarn weiterhin anwendbar. Dass das in Art. 9 Abs. 2 des BIT zwischen der Französischen Republik und der Republik Ungarn enthaltene Angebot zur Streitbeilegung mit dem Unionsbeitritt Ungarns gem. Art. 30 Abs. 3 VCLT unanwendbar geworden sein könnte – so wie es die Beklagte vortrug1012 – ziehen die Schiedsrichter nicht in Betracht. Die potentielle Irrelevanz von Art. 12 Abs. 2 des BIT in diesem Zusammenhang bleibt daher unkommentiert. Des Weiteren bleiben deshalb auch die wesentlichen Fragen, die die Achmea-Entscheidung für die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts aufwirft, unbeantwortet. 3. United Utilities B. V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia Im Fall United Utilities B. V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia erging am 21. Juni 2019 der Schiedsspruch durch ein ICSID-Tribunal.1013 Die Kläger 1009 Siehe für die folgenden Ausführungen UP (formerly Le Chèque Déjeuner) and C.D Holding Internationale v. Hungary, ICSID Case No. ARB/13/35, (Award), Rn. 252 ff. 1010 Kritisch dazu Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 390 ff. 1011 Kritisch zu diesem Argument Centeno Huerta/Kuplewatzky, EP 2019, 61 (71). 1012 UP (formerly Le Chèque Déjeuner) and C.D Holding Internationale v. Hungary, ICSID Case No. ARB/13/35, (Award), Rn. 239 ff. 1013 United Utilities B. V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia, ICSID Case No. ARB/14/24, (Award of the Tribunal).

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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sind die in den Niederlanden ansässige United Utilities B. V. und die in Estland ansässige Aktsiaselts Tallinna Vesi. Beklagte ist die Republik Estland. Das ICSIDTribunal wurde auf Grundlage von Art. 9 des BIT zwischen der Republik Estland und dem Königreich der Niederlande1014 angerufen. Auch dieses BIT enthält keine Klausel zum für die Streitentscheidung explizit anwendbaren Recht. Die Beklagte beruft sich für die Verneinung der Zuständigkeit des Tribunals unter anderem auf die Achmea-Entscheidung.1015 Das Urteil sei für das Schiedsgericht bindend, da es Teil des Völkerrechts sei, der EuGH nach Art. 19 EUV die exklusive Entscheidungskompetenz in unionsrechtlichen Fragen habe und das Tribunal die Pflicht habe, zu vermeiden, einen nicht durchsetzbaren Schiedsspruch zu erlassen.1016 Das Schiedsgericht bejaht hingegen die eigene Zuständigkeit auch im Hinblick auf mögliche Auswirkungen der Achmea-Entscheidung.1017 Zunächst stellt es heraus, dass Unionsrecht zwar Teil des nationalen Rechts der Republik Estland und des Königreichs der Niederlande und auch relevant für das Völkerrecht sei. Für die Beurteilung der Zuständigkeit sei jedoch nur das BIT selbst, die ICSID-Konvention und die danach erforderliche Schiedsvereinbarung der Parteien maßgeblich. Entscheidend seien hierfür Art. 59 und 30 VCLT. Die Ausführungen der Beklagten zur Bedeutung der Achmea-Entscheidung überzeugen das Tribunal nicht, da diese darauf basierten, dass die hier relevante Problematik alleine aus unionsrechtlicher Perspektive zu betrachten sei. Aus Sicht der Schiedsrichter sei jedoch vielmehr eine Würdigung aus völkerrechtlicher Perspektive angebracht. Ausfluss dessen dürfte sein, dass sich die Schiedsrichter ausdrücklich nicht an die Achmea-Entscheidung gebunden sehen. Diese bilde zunächst nicht selbst einen Teil des Völkerrechts. Darüber hinaus fehle dem hier relevanten BIT eine Klausel zum anwendbaren Recht – mit Verweis auf das nationale Recht – wie es im BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik der Fall war. Hinzu kommt, dass die Achmea-Entscheidung Schiedsklauseln, die institutionelle Schiedsverfahren nach der ICSID-Konvention ermöglichen, unkommentiert lasse und dass Art. 19 EUV für den vorliegenden Disput keine Anwendung finde. Letztlich kann sich das Tribunal nicht davon überzeugen lassen, es habe zu vermeiden, einen nicht durchsetzbaren Schiedsspruch zu erlassen. Dies sei eine Thematik, mit der sich nationale Gerichte auf Ebene von Durchsetzungsprozessen zu befassen haben und keine, die dem Schiedsgericht die Zuständigkeit entziehen könne. Da Art. 59 VCLT hier aufgrund von Art. 65 VCLT keine Anwendung finden könne, sei Art. 30 VCLT die vorliegend entscheidende Norm. 1014

Agreement on encouragement and reciprocal protection ofinvestments between the Kingdom of the Netherlands and the Republic of Estonia (Inkrafttreten, 1. September 1993). 1015 United Utilities B. V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia, ICSID Case No. ARB/14/24, (Award of the Tribunal), Rn. 489 ff. 1016 Ibid. Rn. 490. 1017 Siehe ibid. Rn. 531 ff. zur Auseinandersetzung des Tribunals mit dem Unionsrecht.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Auch hier verneinen die Schiedsrichter auf der Linie des Tribunals im Fall Oostergetel and Theodora Laurentius v. The Slovak Republic1018 das Beziehen auf „denselben Gegenstand“. Entscheidend sei, dass keine Norm im Unionsrecht explizit oder implizit einen Streitbeilegungsmechanismus wie den hier maßgeblichen gewährleiste. Bemerkenswert ist, dass das Schiedsgericht darüber hinaus unter Verweis auf die Entscheidung zur Zuständigkeit in Electrabel S. A. v. Republic of Hungary1019 feststellt, dass jedenfalls keine Unvereinbarkeit von Art. 9 des BIT mit Art. 267 und 344 AEUV bestehe. Gleiches gelte für Art. 18 AEUV. Dieses Ergebnis bewege sich auf der Linie bereits ergangener Schiedssprüche.1020 Auch besagte Deklaration einiger Mitgliedstaaten – darunter auch die Republik Estland und das Königreich der Niederlande – vom 15. Januar 2019 (s. o.)1021 könne an diesem Ergebnis nichts ändern. Dort heißt es nämlich: „Member States will make best efforts to deposit their instruments of ratification, approval or acceptance of that plurilateral treaty or of any bilateral treaty terminating bilateral investment treaties between Member States no later than 6 December 2019.“

Die Beklagte hatte dahingehend argumentiert, dass diese Deklaration das Einvernehmen der Vertragsparteien hinsichtlich des BIT bekunde und dass daher keine wirksame Schiedsvereinbarung vorliegen könne.1022 Dies lehnt das Tribunal ab. Das Angebot zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung durch die Republik Estland über Art. 9 des BIT sei demnach wirksam. Die Feststellung der Zuständigkeit sei eine „unvermeidliche Konsequenz“1023. Auch durch diese Entscheidung wird mithin deutlich, wie Schiedsgerichte zur Achmea-Objection stehen. Die Schiedsrichter gehen der Achmea-Entscheidung in1018 Jan Oostergetel and Theodora Laurentius v. The Slovak Republic, UNCITRAL, (Decision on Jurisdiction). 1019 Electrabel S. A. v. Republic of Hungary, ICSID Case No. ARB/07/19, (Decision on Jurisdiction, Applicable Law and Liability). 1020 Aufgeführt und zitiert werden Electrabel S. A. v. Republic of Hungary, ICSID Case No. ARB/07/19, (Decision on Jurisdiction, Applicable Law and Liability); Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension); Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award); Jan Oostergetel and Theodora Laurentius v. The Slovak Republic, UNCITRAL, (Decision on Jurisdiction). 1021 Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_eco nomy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1022 United Utilities B. V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia, ICSID Case No. ARB/14/24, (Award of the Tribunal), Rn. 524. 1023 Ibid. Rn. 560 („unavoidable consequence“).

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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sofern aus dem Weg, als dass sie diese hinsichtlich des vorliegenden Streits für gar nicht einschlägig erklären. Dass die Entscheidung jedoch gerade nicht nur auf das BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik gemünzt ist, wurde oben bereits dargetan. Doch selbst wenn das Tribunal dies erkannt bzw. eingeräumt hätte, wäre es zum selben Ergebnis durch die Verneinung des Art. 30 VCLT über das Nicht-Vorliegen des Beziehens auf „denselben Gegenstand“ gekommen. 4. Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary Das ICSID-Tribunal im Fall Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary erließ am 13. November 2019 einen Schiedsspruch.1024 Kläger sind die Magyar Farming Company Ltd.1025, eine großbritannische Gesellschaft, sowie zwei ungarische Gesellschaften, die Kintyre Kft1026 und die Inicia Zrt1027. Beklagte ist die Republik Ungarn. Das maßgebliche Investitionsschutzabkommen ist das BIT zwischen der Republik Ungarn und dem Vereinigten Königreich.1028 Zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten ist keine Klausel zum anwendbaren Recht vorgesehen. Das Tribunal kommt zu dem Ergebnis, dass aus Art. 8 des BIT ein wirksames Angebot zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung folgt, eine solche auch abgeschlossen wurde und dass somit die Voraussetzungen für die Zuständigkeit i. S. d. Art. 25 ICSID-Konvention gegeben seien.1029 Zunächst widmet es sich hierfür der Frage, ob die Achmea-Entscheidung Bindungswirkung für das Schiedsgericht entfaltet. Dabei zitiert es einleitend die Ausführungen der Beklagten während den Verhandlungen: „[t]he Achmea Decision has only said what the law was all along“; „the Achmea Court’s interpretation of Art. 267 and 344 is an authoritative interpretation“; „as a matter of law, there is no scope for reinterpreting.“1030

1024 Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/17/27, (Award of the Tribunal). 1025 Ltd. steht für Limited Company und ähnelt im deutschen Recht einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. 1026 Kft steht für Korlátolt felelösségü társaság und ist das ungarische Pendant zur deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung. 1027 Zrt steht für Zártkörüen müködö részvénytársaság und bezeichnet eine geschlossene Aktiengesellschaft nach ungarischem Recht. 1028 Agreement between the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the Government of the Hungarian People’s Republic for the Promotion and Reciprocal Protection of Investments (Inkrafttreten 28. August 1987). 1029 Siehe für die folgenden Ausführungen Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/17/27, (Award of the Tribunal), Rn. 200 ff. 1030 Vgl. ibid. Rn. 206.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Dem widersprechen die Schiedsrichter. Gem. Art. 41 ICSID-Konvention haben sie nämlich die „Kompetenz-Kompetenz“1031 zur Entscheidung über die eigene Zuständigkeit im Rahmen von Art. 25 ICSID-Konvention. Daraus folge aus Sicht des Tribunals: „An ICSID tribunal cannot abandon this mandate and blindly follow the determination of another adjucatory body. It must carry out its own analysis.“1032

Die Kompetenz des EuGH reiche allenfalls über die Auslegung des Unionsrechts, könne jedoch nicht auch die Auslegung des BIT oder der VCLT betreffen. Da die alleinige Interpretation des Unionsrechts nicht ausreiche, müsse das Tribunal sowohl Unionsrecht als auch das BIT auslegen, um festzustellen, ob sich die Verträge auf „denselben Gegenstand“ beziehen und ob zwischen ihnen ein normativer Konflikt bestehe, vgl. Art. 30 VCLT. Die Deklarationen vom 15. und 16. Januar 20191033 aller Mitgliedstaaten hätten für diese Prüfung keine ausschlaggebende Relevanz. Zum einen könne gem. Art. 25 Abs. 1 S. 2 ICSID-Konvention ein einmal abgegebenes Angebot zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung nicht einseitig wieder zurückgenommen werden. Darüber hinaus sei Art. 31 Abs. 3 lit. a) VCLT hier jedenfalls nicht so anwendbar, als dass die Deklarationen – sollten sie von der Norm erfasst sein – das Angebot in Art. 8 des BIT rückwirkend unwirksam oder unanwendbar hätten werden lassen können. Hinsichtlich der Prüfung des Beziehens auf „denselben Gegenstand“ i. S. d. Art. 30 Abs. 3 VCLT bewegt sich das Tribunal auf der Linie bereits ergangener Schiedssprüche.1034 Die Schiedsrichter sehen keinen Grund von dieser konsistenten Linie abzuweichen. Lediglich hilfsweise gehen sie anschließend noch auch die Frage der Unvereinbarkeit ein.

1031

Ibid. Rn. 208. Ibid. 1033 Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_eco nomy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), Declaration of the Governments of the Member States of 16 January 2019 on the enforcement of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://www.regeringen.se/48ee19/ contentassets/d759689c0c804a9ea7af6b2de7320128/achmea-declaration.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Government of Hungary of 16 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://2015-2019.kormany.hu/download/5/1 b/81000/Hungarys%20Declaration%20on%20Achmea.pdf#!DocumentBrowse, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1034 Siehe Jürgen Wirtgen, Stefan Wirtgen, Gisela Wirtgen and JSW Solar (zwei) GmbH & Co. KG v. Czech Republic, PCA Case No. 2014-03, (Final Award); Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award); Jan Oostergetel and Theodora Laurentius v. The Slovak Republic, UNCITRAL, (Decision on Jurisdiction). 1032

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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Hier stellen die Richter fest, dass kein Konflikt zwischen Art. 8 des BIT und Art. 267 und 344 AEUV vorliege. In dieser Hinsicht bestehe nämlich zunächst die grundsätzliche Vermutung der Vereinbarkeit solcher Vertragswerke. In einem weiteren Schritt sei jedoch eine Unvereinbarkeit weder mit Art. 267 AEUV noch mit Art. 344 AEUV festzustellen. Diese Normen stünden nicht in Konflikt mit Art. 8 des BIT. Offensichtlich misst das Tribunal der vom EuGH in der Achmea-Entscheidung vorgegebenen Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV keine besondere Bedeutung bei – auch wenn es zunächst so scheint („In any event, the CJEU’s interpretative authority extends to the interpretation and application of the EU Treaties.“1035). Es legt diese Normen schlicht anders aus, als es der EuGH tat. Besonders eigenwillig mutet aber folgende Formulierung hinsichtlich der Bedeutung der EuGH-Entscheidung hinsichtlich Art. 30 VCLT an: „Not Only does the CJEU have no exclusive authority to answer these questions [regarding Art. 30 VCLT], but it did not even purport to address them in the Achmea Decision.“1036

Es wirkt, als gingen die Schiedsrichter davon aus, der EuGH hätte „versucht“ Intra-EU-BIT für unwirksam zu erklären und dies nicht hinreichend begründet. Auch die Formulierung „An ICSID tribunal cannot abandon this mandate and blindly follow the determination of another adjucatory body. It must carry out its own analysis“1037 (s. o.) legt dies nahe. Der EuGH hat aber – wie bereits dargelegt – lediglich entschieden, wie Art. 267 und 344 AEUV auszulegen sind. Über die Wirksamkeit der Bestimmungen eines BIT aus völkerrechtlicher Perspektive wurde dabei (bewusst) nicht entschieden. Die Schiedsrichter fokussieren sich zu sehr auf den Gedanken, der EuGH – ein Gericht des Rechtssystems der Europäischen Union – könne dem Tribunal nicht ohne weiteres die Zuständigkeit entziehen. Diese Selbstverständlichkeit vor Augen stellen sie – wenn auch nur hilfsweise – eine Vereinbarkeit der Art. 267 und 344 AEUV mit Art. 8 des BIT fest. Dass der EuGH diese Normen bereits verbindlich ausgelegt haben könnte, ziehen sie nicht in Betracht. Schlüssiger wäre in diesem Sinne gewesen, hätten es die Schiedsrichter dabei belassen, das Beziehen auf „denselben Gegenstand“ i. S. d. Art. 30 Abs. 3 VCLT zu verneinen oder hätten sie sich – auch entgegen der hier vertretenen Ansicht (s. o.) – darauf beschränkt, zu vertreten, der EuGH habe keine Aussage hinsichtlich Art. 8 des BIT zwischen der Republik Ungarn und dem Vereinigten Königreich getroffen, da dies keine Bestimmung „wie“ Art. 8 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik sei.

1035 Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/17/27, (Award of the Tribunal), Rn. 209. 1036 Ibid. Rn. 210. 1037 Ibid. Rn. 208.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

5. Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus a) Entscheidung des Tribunals Am 7. Februar 2020 erließ das ICSID-Tribunal im Fall Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus eine Entscheidung über die Zuständigkeit.1038 Die Kläger sind 951 natürliche Personen sowie sieben Gesellschaften. Bis auf eine in Luxemburg registrierte Gesellschaft sind alle Kläger griechische Staatsangehörige bzw. in Griechenland ansässig. Die Beklagte ist die Republik Zypern. Auch diese Entscheidung ergeht auf Basis des bereits in Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus (s. o.) maßgeblichen BIT zwischen der Republik Zypern und Griechenland1039 und dem BIT zwischen der Belgisch-Luxemburgischen Wirtschaftsunion und der Republik Zypern.1040 Im Gegensatz zum BIT zwischen der Republik Zypern und Griechenland (s. o.) enthält das BIT zwischen der BelgischLuxemburgischen Wirtschaftsunion und der Republik Zypern eine Klausel zum für die Beilegung der Investor-Staat-Streitigkeit anwendbaren Recht. Art. 10 Abs. 5 des BIT lautet: „The arbitral tribunal shall decide on the basis of: – the national law, including the rules relating to conflicts of law, of the Contracting Party involved in the dispute in whose territory the investment has been made; – the provisions of this Agreement; – the terms of the specific agreement which may have – been entered into regarding the investment; – the principles of international law“

Diese Klausel ist inhaltlich mit Art. 8 Abs. 6 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik weitgehend identisch. Das Schiedsgericht kommt gleichwohl zu dem Ergebnis, dass die Achmea-Objection nicht zur Unzuständigkeit für die Streitentscheidung führen kann.1041 Um die gegenteilige Auffassung der Beklagten zu widerlegen, kategorisiert es deren Vorbringen in Argumente auf Basis des Unionsrechts (aa))1042 und solche auf

1038

Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/15/ 49, (Decision on Jurisdiction). 1039 Agreement between the Government of the Hellenic Republic and the Government of the Republic of Cyprus (Inkrafttreten 26. Februar 1993). 1040 Agreement between the Republic of Cyprus and the Belgo-Luxemburg Economic Union on the reciprocal promotion and protection of investment and exchange of letters (Inkrafttreten 5. Juni 1999). 1041 Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/15/ 49, (Decision on Jurisdiction), Rn. 150 ff., 187. 1042 Siehe für die Ausführungen hierzu ibid. Rn. 152 ff.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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Basis des allgemeinen Völkerrechts (bb))1043. In dieser Reihenfolge geht das Tribunal auf die Achmea-Objection ein. aa) Das Unionsrecht als Ausgangspunkt Zunächst macht das Schiedsgericht deutlich, dass es für das anwendbare Recht im Rahmen der Beurteilung der Zuständigkeit lediglich auf das BIT selbst und Art. 25 ICSID-Konvention ankomme. Dabei könnte Unionsrecht zunächst als nationales Recht im Sinne des BIT zwischen der Belgisch-Luxemburgischen Wirtschaftsunion und der Republik Zypern Anwendung finden und darüber hinaus auch als Teil des Völkerrechts. Ersteres sei jedoch schon deshalb abzulehnen, da nationales Recht nicht die Basis der Beurteilung der Zuständigkeit sein könne. Für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung komme es auf Völkerrecht an.1044 Das Tribunal räumt indes ein, dass Unionsrecht als Teil des Völkerrechts für die Beurteilung der Zuständigkeit tatsächlich maßgeblich sein kann. Problematisch sei dabei jedoch, dass jenes neben Regeln des Völkerrechts – namentlich des BIT und der ICSID-Konvention – stehe. Daraus keimt aus Sicht des Schiedsgerichts die Frage, welcher Regelungskomplex Vorrang habe. Dies sei eine klassische Frage des Konflikts verschiedener Vertragswerke. Die uneingeschränkte Vorrangstellung des Unionsrechts – so wie sie oben skizziert wurde – möge dabei zwar innerhalb des Rechtssystems der Europäischen Union Geltung beanspruchen. Auch solle nicht bezweifelt werden, dass der EuGH in der Achmea-Entscheidung das Unionsrecht valide („valid“1045) ausgelegt habe. Allerdings sei das Schiedsgericht nun einmal kein Spruchkörper, der auf Basis des Unionsrechts konstituiert wurde. Der EuGH habe nur über Fragen des Unionsrechts entschieden und die Schiedsrichter haben in der Folge darüber zu entscheiden, welchen Regelungen – denen des Unionsrechts oder denen des BIT – es vorliegend Vorrang einräumen solle. An dieser Stelle sprechen die Schiedsrichter den Kern des Problems an. Es ist durchaus begrüßenswert, dass sich nicht damit begnügt wurde, den Vorrang des Unionsrechts als bloße Idee des Rechtssystems der Europäischen Union zu degradieren, um sich nicht mit der Achmea-Entscheidung auseinander setzen zu müssen. Es mag zwar es aus einer streng unionsrechtlichen Perspektive nicht überzeugen, beide Normenkomplexe – das Unionsrecht und das BIT – als derart gleichbedeutend nebeneinanderzustellen. Da sich aus einer starr unilateralen Betrachtungsweise aus 1043

Ibid. Rn. 163 ff. Insoweit verweist das Tribunal auf Ceskoslovenska Obchodni Banka, A. S. v. The Slovak Republic, ICSID Case No. ARB/97/4, (Decision of the Tribunal on Objections to Jurisdiction, 24. Mai 1999), Rn. 35. 1045 Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/15/ 49, (Decision on Jurisdiction), Rn. 162. 1044

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

dem Lager beider Normkomplexe jedoch kein klares Ergebnis herleiten lässt (s. o.), überzeugt es, diesen Konflikt „in die Hände“ der VCLT zu geben. bb) Der Normenkonflikt Art. 59 und 30 VCLT sind die entscheidenden Normen. Auch dieses Schiedsgericht kommt – unter differenzierter Begründung1046 – zu dem Ergebnis, dass sich das BIT und die Unionsverträge nicht auf „denselben Gegenstand“ beziehen. Darüber hinaus sei die im Rahmen des Art. 59 Abs. 1 lit. a) VCLT erforderliche Absicht der Parteien, diesen – vermeintlich „selbigen“ – Gegenstand durch die Unionsverträge zu regeln, nicht hinreichend feststellbar. Auf diese Erwägungen soll mangels Relevanz für die vorliegende Analyse nicht näher eingegangen werden. Doch auch das Erfordernis des Art. 59 Abs. 1 lit. b) VCLT, dass beide Vertragswerke in solchem Maße unvereinbar sein müssten, dass sie eine gleichzeitige Anwendung nicht zuließen, kann das Schiedsgericht nicht feststellen. Auch wenn bereits hier die AchmeaEntscheidung für das Tribunal eine entscheidende Rolle hätte spielen können, beschränkt es seine Begründung darauf, dass die Verträge jedenfalls nicht „in einem solchen Maße unvereinbar“ seien, dass eine gleichzeitige Anwendbarkeit nicht möglich wäre. Dies lenkt den Fokus auf Art. 30 Abs. 3 VCLT. Hier gebietet der Wortlaut eben lediglich, dass – nach Feststellung des Beziehens auf „denselben Gegenstand“ – der frühere Vertrag nur insoweit Anwendung finden kann, als er mit dem späteren Vertrag vereinbar ist. Erneut ist sich an dieser Stelle in Erinnerung zu rufen, dass der EuGH entschied, dass Art. 267 und 344 AEUV so auszulegen sind, dass sie einer Bestimmung, wie Art. 8 des dort maßgeblichen BIT entgegenstehen. Festgestellt wurde somit implizit, dass Art. 267 und 344 AEUV nicht mit einer solchen BITBestimmung vereinbar sind. Sofern man die vorliegenden BIT als solche „wie Art. 8“ begreifen würde – was das Schiedsgericht hier offenbar nicht bezweifelt –, dann drängt sich folgende, bereits oben skizzierte Frage auf: ist ein Schiedsgericht bei Anwendung dieser Normen an die vom EuGH vorgegebene Auslegung gebunden? Die bis dahin schlüssigen Ausführungen des Schiedsgerichts im vorliegenden Fall geben keine hinreichende Antwort auf diese Frage. Die Schiedsrichter stellen zwar fest, dass aus Sicht des Unionsrechts eine Unvereinbarkeit bestehe. Sie werfen jedoch anschließend die vermeintlich weiterführende Frage auf, ob dies auch im Rahmen des Art. 30 Abs. 3 VCLT gelte. Diese wird dann in einem weiteren Schritt schließlich mit der Begründung verneint, Schiedsgerichte auf Basis von Intra-EU-BIT wendeten bzw. legten Unionsrecht gar nicht als solches an bzw. aus, sondern bloß als innerstaatliches Recht der beklagten Partei. Außerdem sei gar keine tatsächliche Unvereinbarkeit („real incompatibility“1047) feststellbar. Investitionsschiedsgerichte 1046 1047

Ibid. Rn. 168 ff. Ibid. Rn. 185.

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und Gerichte des Rechtsystems der Europäischen Union funktionierten schließlich unabhängig voneinander. Deshalb sei Art. 30 Abs. 3 VCLT hier nicht einschlägig. Dies weckt im Lichte der vorherigen Ausführungen des Tribunals Zweifel. Unklar ist insbesondere, wie „as a matter of EU law“1048 eine Unvereinbarkeit der beiden Vertragswerke feststellbar sein soll, während dies gleichzeitig aus einer anderen Betrachtungsweise gegenteilig entschieden werden können soll. Auf den ersten Blick wirkt es so, als würde das Tribunal anerkennen, dass der EuGH die Art. 267 und 344 AEUV authentisch ausgelegt habe.1049 Wie lässt es sich dann aber annehmen, dass zwei – im Rahmen der Prüfung des Art. 30 Abs. 3 VCLT zunächst gleichrangige – Verträge vereinbar miteinander seien, während gleichzeitig festgestellt wird, dass aus einem Vertragswerk (dem AEUV) eindeutig eine Unvereinbarkeit hervorgehe? Es geht an dieser Stelle nicht mehr um die Frage, wie der grundsätzliche Konflikt zwischen Unionsrecht und allgemeinem Völkerrecht zu lösen ist, sondern ausschließlich darum, ob die Verträge unvereinbar miteinander i. S. d. Art. 30 Abs. 3 VCLT sind. Wenn man von der Unionsrechtswidrigkeit der Klausel im BIT ausgeht – so wie es das Tribunal offenbar auch einräumte1050 – bleibt im Rahmen der Prüfung des Art. 30 Abs. 3 VCLT kein Raum für Argumente in die andere Richtung. Die Unionsrechtswidrigkeit einer solchen Klausel lässt sich schlicht nur aus einer unionsrechtlichen Perspektive beurteilen. Wenn die Beurteilung aus dieser Perspektive ein klares Ergebnis bietet, ist nicht ersichtlich, wieso eine andere Betrachtungsweise eine andere Schlussfolgerung zulassen sollte. Es ist deshalb bedenklich, dass die Schiedsrichter das Tatbestandsmerkmal der Unvereinbarkeit mit einer Begründung ablehnen, unter Zugrundelegung dieser auch der EuGH die Sache gegenteilig hätte entscheiden können, es nun einmal aber nicht tat. Vor allem aber ist sich zu fragen, weshalb das Tribunal im Rahmen dieser Ausführungen wiederholt betont, dass es Unionsrecht schließlich gar nicht auslege bzw. anwende.1051 Dass dies an der Unionsrechtswidrigkeit einer BIT-Bestimmung nichts ändern kann, hat der EuGH in der Achmea-Entscheidung hinreichend deutlich gemacht. Schlussfolgern lässt sich aus der Analyse der Schiedsrichter jedoch, dass sie die Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV durch den EuGH nicht als einen derart integralen Teil dieser Normen ansehen, dass eine andere Auslegung tatsächlich nicht möglich wäre. Hätten sie dies zugrunde gelegt, wären sie nicht umhingekommen, zumindest das Tatbestandsmerkmal der Unvereinbarkeit in Art. 30 Abs. 3 VCLT zu bejahen. Eine Verneinung dessen wäre nur durch eine Auslegung des BIT und der Achmea-Entscheidung dahingehend zu erreichen, dass die Erwägungen der EuGHRichter für gerade dieses BIT keine Aussage enthielten. Diesen Weg schlug das Tribunal hier aber nicht ein. Die Entscheidung wäre somit konsistenter gewesen,

1048 1049 1050 1051

Ibid. Rn. 183. Siehe ibid. Rn. 162, 183. Siehe ibid. Rn. 162, 183. Ibid. Rn. 174, 180, 185.

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hätten die Schiedsrichter es bei der Verneinung des Beziehens auf „denselben Gegenstand“ belassen. b) Dissenting Opinion von Marcelo G. Kohen Besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Rahmen, dass einer der drei Schiedsrichter, Marcelo G. Kohen, in einem Statement of Dissent1052 eine andere Lösung als das Tribunal vertritt. Kohen ist der Auffassung, das Schiedsgericht sei für die Streitentscheidung aufgrund der Achmea-Objection nicht zuständig.1053 Einleitend stellt Kohen zunächst klar, dass auf Ebene der Begründetheit Unionsrecht sowohl als nationales Rechts der Republik Zypern als auch als Teil des Völkerrechts Anwendung finden könne. Vorliegend sei jedoch das für die Entscheidung der Zuständigkeit anwendbare Recht maßgeblich. Dass nicht Unionsrecht oder das nationale Recht der Republik Zypern, sondern das BIT die einzige Quelle der Zuständigkeit („the only source of jurisdiction“1054) sei, ändere nichts daran, dass zunächst die Anwendbarkeit des BIT zu untersuchen sei. An dieser Stelle greife der Einwand der Beklagten (und der Europäischen Kommission), die Kläger könnten sich nicht auf das BIT berufen, da es mit Unionsrecht unvereinbar sei. Dies sei die maßgebliche Frage. Kohen macht hierfür deutlich, dass es nicht auf die Frage ankomme, ob die Achmea-Entscheidung für das Tribunal tatsächlich bindend sei – auch wenn er dies ausdrücklich verneint. Er erkennt jedoch an, dass die Auslegung des EuGH eine verbindliche („authoritative“1055) Interpretation der Unionsrechtsnormen und deren Auswirkung („impact“1056) auf andere Bestimmungen des Völkerrechts sei. Ob sich auf die Schiedsklauseln im BIT zwischen der Republik Zypern und Griechenland und dem BIT zwischen der Belgisch-Luxemburgischen Wirtschaftsunion und der Republik Zypern berufen werden kann, sei eine Frage von Art. 59 und 30 VCLT sowie Art. 351 AEUV. Art. 59 VCLT könne unabhängig von den konkreten Tatbestandsvoraussetzungen hier nicht maßgeblich sein. Dagegen spreche unter anderem, dass von der Möglichkeit der einseitigen Beendigung in Art. 13 Abs. 1 des BIT zwischen der BelgischLuxemburgischen Wirtschaftsunion und der Republik Zypern sowie Art. 12 Abs. 1 des BIT zwischen der Republik Zypern und Griechenland keinen Gebrauch gemacht wurde sowie dass die Europäische Kommission alle Mitgliedstaaten anhalte, ihre Intra-EU-BIT aufzukündigen und dahingehende Verhandlungen noch im Gange seien. 1052 Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/15/ 49, (Statement of Dissent of Professor Marcelo Kohen). 1053 Siehe für die folgenden Ausführungen ibid. S. 2 ff. 1054 Ibid. Rn. 5. 1055 Ibid. Rn. 6. 1056 Ibid.

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In einem weiteren Schritt legt Kohen dar, weshalb er der Auffassung ist, dass Art. 351 AEUV auch für diese intra-unionale Konstellation eine Rolle spiele. Die dahingehenden – angesichts der obigen Analyse1057 teilweise zweifelhaften – Ausführungen1058 sollen hier nicht dargestellt werden, da die Schlussfolgerung gleichwohl ist, dass es entscheidend auf Art. 30 VCLT ankomme. Art. 351 AEUV spezifiziere lediglich den Inhalt der Prüfung der Unvereinbarkeit und mache deutlich, dass sich im Falle der Unvereinbarkeit die Unionsverträge durchsetzten. Im Rahmen des Art. 30 Abs. 3 VCLT kommt es nun für Kohen darauf an, ob sich die Verträge auf „denselben Gegenstand“ beziehen und ob sie unvereinbar miteinander sind. Das Beziehen auf „denselben Gegenstand“ sei zu bejahen. Hierbei vergleicht Kohen Bestimmungen des BIT mit solchen der Unionsverträge. Er ist nicht davon überzeugt, die Bestimmungen des BIT böten einen höheren Schutz als die Unionsverträge. Dies leitet er unter anderem aus Art. 3 Abs. 3 des BIT zwischen der Belgisch-Luxemburgischen Wirtschaftsunion und der Republik Zypern und des BIT zwischen der Republik Zypern und Griechenland ab. Insbesondere die Schiedsklauseln in den BIT könnten hieran nichts ändern. Das mitgliedstaatliche Gerichtssystem mit der Möglichkeit, gem. Art. 267 AEUV den EuGH anzurufen, sei mit dem Streitbeilegungsmechanismus aus den BIT vergleichbar. Hinzu kommen die Francovich-Rechtsprechung des EuGH (s. o.) und die Verfahren nach Art. 258 ff. AEUV. Entscheidend sei mithin, ob die Verträge unvereinbar miteinander seien. Jedenfalls abzulehnen sei eine „Vermutung“, dass kein Konflikt vorliege.1059 Eine solche ergebe sich weder aus der VCLT noch aus dem Gewohnheitsrecht. Kohen kommt vielmehr zu dem Schluss, dass eine Unvereinbarkeit des BIT mit dem Unionsrecht in Form des Respekts vor der Exklusivität des justiziellen Systems der Europäischen Union („the respect for the exclusive EU judicial system“1060) und gerade auch des Art. 18 AEUV bestehe. Unabhängig von den Erwägungen des Richters hinsichtlich Art. 18 AEUV, wird doch deutlich, dass er die Erwägungen der EuGH-Richter hinsichtlich der Exklusivität des justiziellen Systems der Europäischen Union – bzw. wohl treffender der Autonomie des Unionsrechts – nicht in Frage stellt. Auch wenn Kohen es so nicht unmittelbar anspricht, erkennt er offenbar an, dass der EuGH eine Verletzung des Unionsrechts durch solche Klauseln – auch für ein Schiedsgericht – authentisch festgestellt hat. Immerhin legt er dar:

1057

Siehe Kapitel I C. II. 4. Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/15/ 49, (Statement of Dissent of Professor Marcelo Kohen), Rn. 13 ff. 1059 So aber Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/17/27 (Award of the Tribunal), Rn. 240 (s. o.). 1060 Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/15/ 49, (Statement of Dissent of Professor Marcelo Kohen), Rn. 46. 1058

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

„Indeed, the role of the CJEU as emerging from the TFEU would be undermined if the arbitration clauses of prior BITs remained applicable. The exclusive jurisdiction of the CJEU to render a final interpretation of EU Treaties is not a novelty of Achmea.“1061

An anderer Stelle fügt er hinzu: „As the CJEU is the judicial authority vested by these same Contracting Parties in the EU Treaties with the capacity of stating the correct interpretation of EU Treaties in an authoritative manner, the Contracting Parties to the BITs are bound to follow that interpretation.“1062

Nachdem Kohen in dieser Hinsicht noch weitere Argumente der Kläger widerlegt, fügt er hinzu, dass das Tribunal diesbezüglich auch die authentische Interpretation der BIT durch besagte Deklaration vom 15. Januar 20191063 einiger Mitgliedstaaten – und auch der Vertragsparteien der BIT – verkannt habe.1064 Abschließend stellt er fest, dass dieser soeben festgestellte Konflikt zugunsten der Unionsverträge aufzulösen sei. Dabei geht der Richter nicht darauf ein, dass sich dieser Vorrang ganz unabhängig von seinen Würdigungen auch daraus ergeben könnte, dass die Unionsverträge die späteren Verträge im Verhältnis zu den früheren BIT sein könnten. Schließlich lässt Art. 30 Abs. 3 VCLT die Rechtsfolge, wie mit zwei nicht miteinander zu vereinbarenden Vertragswerken umzugehen ist, keinesfalls offen. Art. 30 Abs. 3 VCLT löst diesen Anwendbarkeitskonflikt zugunsten des späteren Vertrages. Nichtsdestoweniger, können die Ausführungen des Richters im Ergebnis überzeugen. Immerhin stellt Kohen eine andere Sichtweise hinsichtlich der Lösung des Normenkonflikts über die VLCT vor. Positiv hervorzuheben ist dabei seine schlussfolgernde Anmerkung: „I am aware that a number of investment tribunals have decided this matter in the same manner as the majority. In order to achieve the goal of attributing themselves jurisdiction, the majority has adopted an extremely narrow interpretation of ’the same subject matter’ that would create incommensurable treaty chaos in international relations (as it is actually being created at the European level) if it were generally applied in other fields.“1065

Für die hiesigen Zwecke dürfte indes am bedeutungsvollsten sein, dass er im Rahmen der Frage, ob die BIT und die Unionsverträge unvereinbar seien – neben der Analyse des Art. 18 AEUV – die Erwägungen des EuGH zur Autonomie des Unionsrechts nicht in Frage stellt. Unabhängig davon, ob man der Würdigung des 1061

Ibid. Rn. 42 f.; Hervorh. d. Verf. Ibid. Rn. 57; Hervorh. d. Verf. 1063 Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_eco nomy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1064 Siehe Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/15/49, (Statement of Dissent of Professor Marcelo Kohen), Rn. 52 ff. 1065 Ibid. Rn. 76; Hervorh. d. Verf. 1062

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Schiedsrichters im Einzelnen zustimmen mag,1066 ist es doch zu schätzen, dass er die vom EuGH vorgegebene Auslegung des EuGH entsprechend dessen Rolle im Rechtssystem der Europäischen Union – in welchem die Normen des AEUV nun einmal verankert sind – anerkannt hat. 6. A. M. F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic Das Ad hoc-Schiedsgericht im Fall A. M. F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic erließ seinen Schiedsspruch am 11. Mai 2020.1067 Klägerin ist die in Deutschland ansässige A. M. F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG. Beklagte ist die Tschechische Republik. Die Parteien einigten sich auf die Registrierung des Disputs beim PCA. Daraufhin legte das Schiedsgericht Zürich als Sitz fest und erklärte die UNCITRAL-Schiedsregeln in ihrer Fassung von 2010 für anwendbar. Das der Streitigkeit zugrunde liegende Investitionsschutzabkommen ist das BIT zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik,1068 in das die Tschechische Republik und die Slowakische Republik seit der Auflösung der Föderation zum 1. Januar 1993 als Rechtsnachfolger eintraten. Das BIT enthält keine Klausel, die das für die Streitentscheidung anwendbare Recht bestimmen würde. Auch hier helfen die Schiedsrichter der Achmea-Objection im Ergebnis nicht ab.1069 Zunächst stellen sie klar, dass es für die Zuständigkeit des Tribunals entscheidend darauf ankomme, ob Art. 10 des BIT ein gültiges Angebot zur Streitbeilegung enthalte. Aus dem BIT selbst ergebe sich nichts anderes. Auch Art. 31 Abs. 1 VCLT unterstütze die Annahme der Wirksamkeit des Angebots. Die Deklarationen aus dem Januar 20191070 (s. o.) könnten hieran nichts ändern, da sie weder 1066

So Gáspár-Szilágyi/Usynin, LPICT 2020, 269 (279 ff.). A. M. F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic, PCA Case No. 2017-15, (Final Award). 1068 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Inkrafttreten 2. August 1992). 1069 Siehe für die folgenden Ausführungen A. M. F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic, PCA Case No. 2017-15, (Final Award), Rn. 322 ff. 1070 Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_eco nomy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Governments of the Member States of 16 January 2019 on the enforcement of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://www.regeringen.se/48ee19/ contentassets/d759689c0c804a9ea7af6b2de7320128/achmea-declaration.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Government of Hungary of 16 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://2015-2019.kormany.hu/download/5/1 1067

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von Art. 31 Abs. 2 noch Abs. 3 VCLT erfasst seien. Jedenfalls aber könne ihnen keine retrospektive Wirkung zugesprochen werden. Doch auch Art. 30 oder 59 VCLT seien vorliegend nicht einschlägig. Zunächst sei die Feststellung des Beziehens auf „denselben Gegenstand“ sowohl für Art. 30 VCLT als auch für Art. 59 VCLT erforderlich. Dieses Merkmal können die Schiedsrichter jedoch unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Tribunals im Fall European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic1071 nicht annehmen. Dementsprechend komme es auf die anderen Tatbestandsmerkmale der Art. 30 und 39 VCLT nicht mehr an. Entscheidend sei deshalb vielmehr, ob Art. 10 des BIT aufgrund des Unionsrechts im Lichte der Achmea-Entscheidung unanwendbar sein könnte. Hierfür statuiert das Tribunal zunächst: „The Arbitral Tribunal wishes to emphasise at the outset that it offers no criticism of the Achmea judgment as such, and it accepts that the judgments of the CJEU constitute, in the EU legal order, binding interpretations of the EU law issues they deal with.“1072

Sodann stellt es fest, dass es für die EuGH-Richter in der Achmea-Entscheidung maßgeblich darauf ankam, dass Art. 8 Abs. 6 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik die Anwendung von Unionsrecht ermögliche. Eine Unionsrechtswidrigkeit sei deshalb nicht für Schiedsklauseln in einem BITanzunehmen, welches die Anwendung von Unionsrecht nicht ermögliche. Das hiesige BIT enthält nun aber keine Klausel zum anwendbaren Recht (s. o.). Deshalb komme es darauf an, ob Unionsrecht für die Streitentscheidung auf Grundlage des BIT zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik anwendbar sei. Hierbei kommen die Schiedsrichter zu dem Ergebnis, dass lediglich die Regelungen des BIT sowie die Grundsätze des Völkerrechts anwendbar seien. Zu letzterem gehöre nicht das Unionsrecht als bloßes „regional sub-system“1073 des Völkerrechts. Unionsrecht könne in der Begründetheit lediglich als Tatsache („as a matter of fact“1074) eine Rolle spielen. Doch auch wenn die Achmea-Entscheidung ebenso das hiesige BIT beträfe, könnte sie nicht das Schiedsgericht binden. Die Urteile des EuGH seien lediglich im Rahmen der Rechtsordnung der Europäischen Union bindend. Selbst wenn man eine solche Bindungswirkung unterstellen wollte, könnte die Entscheidung nicht automatisch Art. 10 des BIT außer Kraft setzen. Dies ergebe sich b/81000/Hungarys%20Declaration%20on%20Achmea.pdf#!DocumentBrowse, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1071 European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic (Award on Jurisdiction), Rn. 168 ff. 1072 A. M. F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic, PCA Case No. 2017-15, (Final Award), Rn. 364. 1073 Ibid. Rn. 373. 1074 Ibid. Rn. 375.

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neben dem pacta sunt servanda-Prinzip aus Art. 26 VCLT auch aus Art. 42 VCLT. Die Erfordernisse des hier allein potentiell einschlägigen Art. 46 VCLT seien nicht erfüllt. Die Unvereinbarkeit von Art. 10 des BIT und Art. 267 und 344 könne nicht als „manifest“ i. S. d. Art. 46 VCLTangesehen werden. Hierfür stellen die Schiedsrichter unter anderem fest: „The CJEU itself in the Achmea judgment framed the incompatibility between Article 10 of the Germany-Czech Republic BIT and Articles 267 and 344 TFEU as a mere potential to threaten the full effectiveness of EU law, not as a blatant violation of EU law […].“

Daneben könne hier aber auch Art. 351 AEUV keine Bedeutung erlangen, da diese Norm jedenfalls keine Konfliktregelung enthalte. Art. 351 AEUV verpflichte die Mitgliedstaaten lediglich alle geeigneten Mittel zur Behebung festgestellter Unvereinbarkeiten anzuwenden. Auch sei die Durchsetzbarkeit des Schiedsspruchs nicht notwendigerweise ausgeschlossen. Somit kommen die Schiedsrichter zu dem Schluss, dass das Angebot zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung der Tschechischen Republik in Art. 10 des BIT wirksam ist. Der Schiedsspruch zeigt letztlich kaum Anhaltspunkte, inwieweit die AchmeaEntscheidung tatsächlich die Unzuständigkeit des Tribunals hätte begründen können. Ganz ausdrücklich verneinen die Schiedsrichter aber den oben skizzierten Ansatz, alleine der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts könnte die Schiedsklausel unanwendbar werden lassen. Sie führen hierzu aus: „As a final remark, the Arbitral Tribunal cannot accept the European Commission’s suggestion that the principle of primacy of EU law is the primary conflict rule to be relied upon when it comes to the relationship of the Germany-Czech Republic BIT and the TFEU. The relationship between successive treaties is exclusively governed by international law, and in particular the VCLT, to which both Germany and the Czech Republic are parties.“

Es dürfte wenig überraschen, dass sich Schiedsrichter für Schiedssprüche in dieser Hinsicht geschlossen nicht derart auf die Seite des Unionsrechts gestellt haben. Im hiesigen Schiedsspruch wird darüber hinaus erneut deutlich, dass die Klärung der tatsächlich relevanten Fragen um die Implikationen der Achmea-Entscheidung davon abhängt, ob das Tatbestandsmerkmal des Beziehens auf „denselben Gegenstand“ i. S. d. Art. 59 und 30 VCLT angenommen oder auf irgendeine Weise übergangen werden kann. Die teilweise geäußerte Erwartung, dass Nicht-ICSIDSchiedsgerichte ihre Zuständigkeit im Lichte der Achmea-Entscheidung nur schwierig aufrechterhalten können,1075 scheint sich somit zunächst nicht zu verwirklichen.

1075

Vgl. Janssen/Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (128 f.).

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7. Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia Die bislang wohl umfassendste Zwischenentscheidung zur Achmea-Objection in einem Schiedsverfahren auf Grundlage eines Intra-EU-BIT fällte das ICSID-Tribunal in Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia am 12. Juni 2020.1076 Kläger sind die Addiko Bank AG, eine österreichische Aktiengesellschaft, und die nach kroatischem Recht gegründete Addiko Bank d. d.1077 Beklagte ist die Republik Kroatien. Das Schiedsgericht wurde auf Grundlage des BIT zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien1078 angerufen. Hinsichtlich der Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten enthält das BIT keine Klausel zum anwendbaren Recht. Für diese Zwischenentscheidung des Tribunals maßgeblich ist neben der Schiedsklausel in Art. 9 des BIT insbesondere auch Art. 11 Abs. 2 des BIT, der lautet: „The Contracting Parties are not bound by the present Agreement insofar as it is incompatible with the legal acquis of the European Union (EU) in force at any given time.“

Das „acquis of the European Union“ meint den sog. „Acquis communautaire“, welcher das gesamte Regelwerk des Unionsrechts, bestehend aus dem europäischen Primär und Sekundärrecht sowie der EuGH-Rechtsprechung, umfasst.1079 Das Tribunal versteht hierunter: „The Parties both accept that the acquis communautaire of the EU includes, inter alia, (a) the content, principles and political objectives of the EU Treaties (notably the Treaty on European Union („TEU“) and the TFEU); (b) legislation adopted by the EU in application of the EU Treaties; (c) the case law of the CJEU; (d) declarations and resolutions adopted by the EU; […] (e) international agreements concluded by the EU that are binding on it and on its Member States […] and opinions rendered to the CJEU by its Advocates General, to the extent not subsequently rejected by the CJEU or otherwise incompatible with primary elements of the acquis such as the EU Treaties.“1080

Auch hier hilft das Tribunal der Achmea-Objection im Ergebnis nicht ab.1081 Gleichwohl setzte es sich mit der Sache eingehend auseinander. Einleitend stellt es zutreffend heraus, dass es im Rahmen dieses Zwischenentscheids maßgeblich darauf ankomme, ob die Republik Kroatien i. S. d. Art. 25 Abs. 1 1076 Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/ 37, (Decision on Croatia’s Jurisdictional Objection Related to the Alleged Incompatibility of the BIT with the EU Acquis). 1077 D. d. steht für dionicˇ ko drusˇtvo und ist das kroatische Pendant zur deutschen Aktiengesellschaft. 1078 Agreement between the Republic of Austria and the Republic of Croatia for the Promotion and Protection of Investments (Inkrafttreten 1. November 1997). 1079 Creifelds/Weber, Rechtswo¨ rterbuch, „Acquis communautaire“. 1080 Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/ 37, (Decision on Croatia’s Jurisdictional Objection Related to the Alleged Incompatibility of the BIT with the EU Acquis), Rn. 211. 1081 Siehe für die folgenden Ausführungen ibid. Rn. 197 ff.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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ICSID-Konvention eingewilligt habe, dass die Streitigkeit dem ICSID-Tribunal unterbreitet wird. Die hierfür maßgebliche Auslegung der Bestimmungen des BIT zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien habe auf Grundlage von Art. 31 und 32 VCLT zu erfolgen. Den Fokus legen die Richter hierbei zunächst auf die Auslegung von Art. 11 Abs. 2 des BIT. Dabei kommen sie unter anderem zu dem Schluss, dass diese Bestimmung als lex specialis gegenüber Art. 30 VCLT fungiere und letztere Norm deshalb keine Anwendung finden könne. In diesem Zusammenhang lehnen sie auch das Begehren der Kläger ab, für die Zwecke des Art. 11 Abs. 2 des BIT sei gleichwohl ein Beziehen auf „denselben Gegenstand“ – wie in Art. 30 Abs. 3 VCLT – zu fordern. Die Formulierung „in force at any given time“ in Art. 11 Abs. 2 des BIT legen die Richter so aus, dass es auf das geltende Unionsrecht im Zeitpunkt der maßgeblichen Einleitungsanzeige der Kläger am 27. September 2017 ankomme. Bereits im Rahmen dieser einleitenden Erwägungen stellen sie dementsprechend fest, dass die Achmea-Entscheidung jedenfalls nicht selbst als in diesem Zeitpunkt maßgeblicher Teil des Acquis communautaire (im Folgenden: Acquis) angesehen werden kann. Insbesondere aber könne eine Entscheidung des EuGH nicht bereits als Teil des Acquis angesehen werden, bevor sie gefällt wurde. Schließlich entwickle sich die Rechtsprechung des EuGH mit der Zeit. Nach diesen grundsätzlichen Erwägungen widmet sich das Tribunal der Frage zur Unvereinbarkeit von BIT und Acquis. Diese bewältigt es in zwei Schritten. Zunächst behandelt es die Unvereinbarkeit des BIT mit Art. 267 und 344 AEUV und anschließend mit Anti-Diskriminierungs-Regelungen. Die Beklagte ist der Auffassung, die Achmea-Entscheidung habe lediglich bestätigt, was stets die Rechtslage im Acquis war. Außerdem gelte die Entscheidung – so wie hier auch vertreten (s. o.) – für sämtliche Intra-EU-BIT. Dem stimmen die Schiedsrichter nicht zu. Entscheidend ist für die Schiedsrichter – ganz im Sinne der Richter des EuGH – ob es für die Entscheidung des Disputs zur Auslegung oder Anwendung von Unionsrecht kommen könne. Sofern dies ausgeschlossen sei, greifen auch die Erwägungen des EuGH nicht.1082 Darüber hinaus habe auch das CETA-Gutachten des EuGH untermalt, dass die bloße Anwendung des Unionsrechts als „a matter of fact“ nicht in Konflikt mit dem Acquis stehe. Aus der AchmeaEntscheidung und dem CETA-Gutachten zieht das Tribunal das Zwischenfazit: „[…] treaties whose applicable law is limited to the terms of the treaties themselves and general principles of international law, which the CJEU found not to be problematic in either Achmea or the CETA Opinion, would not be incompatible with Articles 344 and 267 of the TFEU. The latter conclusion remains the case under the acquis even if EU law might have to

1082 Hier verweisen die Schiedsrichter auf die Erwägungen des Tribunals in Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and IntraEU Objection), Rn. 175.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

be „taken into account as a matter of fact“ in a particular case for purposes of applying the governing international law standards (in the language of the CETA Opinion).“1083

Die Möglichkeit der Unionsrechtsanwendung über Bestimmungen der VCLT – insb. Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT – oder gerade auch als Teil des Völkerrechts zieht es dabei nicht in Betracht. Daran anschließend untersuchen die Schiedsrichter die Auswirkungen dieser Feststellungen auf das BIT zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien. Das BIT enthält keine Bestimmung zum anwendbaren Recht (s. o.). Sie kommen deshalb unter ausführlicher Begründung zu dem Schluss, dass durch Abschluss der Schiedsvereinbarung auf Basis eines Angebots in einem BIT ohne Rechtsanwendungsklausel, die Regelungen des BIT sowie die Grundsätze des Völkerrechts das anwendbare Recht bilden. Dies sei eine Vereinbarung i. S. d. Art. 42 Abs. 1 S. 1 ICSID-Konvention, sodass es auf Art. 42 Abs. 1 S. 2 ICSID-Konvention nicht ankomme. Dabei bewegten sich die Schiedsrichter auch auf der Linie mancher anderer Schiedssprüche im Rahmen dieser Problematik.1084 Die Regelungen des BIT sowie die Grundsätze des Völkerrechts seien gerade die Rechtsquellen, deren Anwendung nach der Achmea-Entscheidung und dem CETA-Gutachten keine Unvereinbarkeit mit dem Acquis begründeten. Lediglich ergänzend stellen die Schiedsrichter fest, dass auch Art. 11 Abs. 2 des BIT an diesem Ergebnis nichts ändern könne. Ein Schiedsverfahren auf Basis des BIT zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien sei somit nicht mit dem Acquis unvereinbar und die Einwilligung der Republik Kroatien dementsprechend als wirksam zu betrachten. An diesem Ergebnis änderte sich aus Sicht der Schiedsrichter auch dann nichts, wenn man annähme, die Achmea-Entscheidung betreffe alle Intra-EU-BIT unabhängig vom anwendbaren Recht. Dies ergebe sich insbesondere aus Art. 11 Abs. 2 des BIT, da der in diesem Zusammenhang maßgebliche Zeitpunkt (27. September 2017, s. o.) dem Ergehen der Achmea-Entscheidung vorgeht. Zu diesem Zeitpunkt hätten allenfalls die Erwägungen des Generalanwalts Wathelet (s. o.) zum Acquis gehören können. Dass die Auslegung der EuGH-Richter den Art. 267 und 344 AEUV bereits vor Ergehen der Achmea-Entscheidung inhärent gewesen sein könnte, ließe sich vorliegend nicht mit dem insoweit klaren Wortlaut des Art. 11 Abs. 2 des BIT vereinbaren („in force at any given time“). Schließlich könne angesichts der erheblichen Meinungsunterschiede im rechtswissenschaftlichen Diskurs bis zum Ergehen der Achmea-Entscheidung nicht davon ausgegangen werden, die Auslegung 1083

Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/ 37, (Decision on Croatia’s Jurisdictional Objection Related to the Alleged Incompatibility of the BIT with the EU Acquis), Rn. 254. 1084 Siehe ADC Affiliate Limited and ADC & ADMC Management Limited v. The Republic of Hungary, ICSID Case No. ARB/03/16, (Award of the Tribunal, 2. Oktober 2006), Rn. 290 f.; Azurix Corp. v. The Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/01/12, (Decision on the Application for Annulment of the Argentine Republic, 1. September 2009), 132, 141 ff.; Alpha Projektholding GmbH v. Ukraine, ICSID Case No. ARB/07/16, (Award, 8. November 2010), Rn. 228, 233.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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der EuGH-Richter sei „evident“1085 oder „obvious“1086 gewesen. Im Ergebnis sprechen für diese Interpretation auch Art. 46 und 69 VCLT. Darüber hinaus ändere die Deklaration vom 15. Januar 20191087 an diesem Ergebnis nichts.1088 In einem weiteren Schritt widmet sich das Tribunal auch einer möglichen Unvereinbarkeit des BIT mit unionsrechtlichen Diskriminierungsverboten. Hierzu führt die Beklagte Art. 18, 49 und 63 AEUV sowie Art. II Abs. 1 des Allgemeinen Übereinkommens über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS)1089 an. Eine Unvereinbarkeit lehnt das Tribunal in beiderlei Hinsicht ab, wobei es hinsichtlich des GATS bereits dessen Zugehörigkeit zum Acquis bezweifelt.1090 Insgesamt sind die Würdigungen der Schiedsrichter als schlüssig zu bewerten. Sie verkennen die Rolle des EuGH im Rechtssystem der Europäischen Union nicht. Jedoch ist anzumerken, dass das BIT zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien mit Art. 11 Abs. 2 eine Ausnahme-Bestimmung im Vergleich zu anderen Intra-EU-BIT enthält. Da sich die Entscheidung der Richter maßgeblich auf diese Bestimmung stützt, werden sich andere Schiedsgerichte in der Folgezeit nur auf einzelne Feststellungen der Entscheidung berufen können. Auch wenn eine Klausel wie Art. 11 Abs. 2 des BIT eine Seltenheit in intra-unionalen Investitionsschutzabkommen darstellt, ist folgende Aussage der Richter für zukünftige Verfahren bemerkenswert – das Beendigungsübereinkommen sei hierfür ausgeblendet: „The Tribunal thus finds that as a matter of international law, any invalidation of Article 9(2)’s stated ’irrevocabl[e] consent[] in advance’ to arbitration, by virtue of an incompatibility with the EU acquis pursuant to Article 11(2) of the BIT, could not be applied to

1085 Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/ 37, (Decision on Croatia’s Jurisdictional Objection Related to the Alleged Incompatibility of the BIT with the EU Acquis), Rn. 277. 1086 Ibid. 1087 Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_eco nomy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1088 Siehe für die diesbezügliche Begründung Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/37, (Decision on Croatia’s Jurisdictional Objection Related to the Alleged Incompatibility of the BIT with the EU Acquis), Rn. 281 ff.; siehe auch Rn. 291 ff. für eine Auseinandersetzung des Tribunals mit weiteren Argumenten der Parteien insb. bzgl. Art. 30 und 39 VCLT. 1089 Abrufbar unter https://www.wto.org/English/docs_e/legal_e/26-gats.pdf (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1090 Siehe für die diesbezügliche Begründung Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/37, (Decision on Croatia’s Jurisdictional Objection Related to the Alleged Incompatibility of the BIT with the EU Acquis), Rn. 298 ff.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

invalidate a consent to arbitration that was given before the Achmea Judgment, but only prospectively for investors who had not yet initiated a BIT arbitration.“1091

Gleichwohl wäre zu erwarten gewesen, dass gerade ein Schiedsgericht, das auf Basis eines BIT angerufen wurde, welches eine Klausel wie Art. 11 Abs. 2 enthält, deutlichere Tendenzen hinsichtlich der Verneinung seiner Zuständigkeit zeigt. Wie bereits den zuvor angesprochenen Schiedsgerichten, ist es jedoch auch dem Tribunal in Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia – hier jedoch mit einer weitgehend schlüssigen Begründung – gelungen, seine Zuständigkeit im Lichte der Achmea-Entscheidung aufrecht zu erhalten. 8. Raiffeisen Bank International AG and Raiffeisenbank Austria d. d. v. Republic of Croatia Im Verfahren Raiffeisen Bank International AG and Raiffeisenbank Austria d. d. v. Republic of Croatia erließ das ICSID-Tribunal am 30. September 2020 eine Entscheidung zu den Einwänden gegen die Zuständigkeit.1092 Die Kläger sind die österreichische Raiffeisen Bank International AG und die kroatische Raiffeisenbank Austria d. d., Beklagte ist die Republik Kroatien. Auch für dieses Verfahren ist, ebenso wie für das Verfahren Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia (s. o.), das BIT zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien1093 maßgeblich. Dementsprechend soll auf diese in weiten Teilen ähnlichen Würdigungen nicht im Detail eingegangen werden. Das Tribunal kommt hinsichtlich seiner Zuständigkeit zum gleichen Ergebnis unter zahlreichen Bezugnahmen auf die vorangegangene Entscheidung.1094 Im Rahmen der Prüfung des auch hier maßgeblichen Art. 11 Abs. 2 des BIT zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien kommt es ebenso zu dem Ergebnis, dass die Achmea-Entscheidung am Tag der Einleitung des Schiedsverfahrens i. S. v. Art. 36 ICSID-Konvention am 15. September 2017 noch nicht „in Kraft“ („in force“ i. S. d. Art. 11 Abs. 2) war. Eine Unvereinbarkeit des BIT mit dem Acquis sei zu diesem Zeitpunkt nicht feststellbar. Hierfür spreche unter anderem auch die Stellungnahme von Generalanwalt Wathelet (s. o.), welche fast zeitgleich, am 19. September 2017, erging. Dieses Ergebnis werde auch durch Art. 46 VCLT untermalt.

1091

Ibid. Rn. 280, Hervorh. d. Verf. Raiffeisen Bank International AG and Raiffeisenbank Austria d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/34, (Decision on Respondent’s Jurisdictional Objections). 1093 Agreement between the Republic of Austria and the Republic of Croatia for the Promotion and Protection of Investments (Inkrafttreten 1. November 1997). 1094 Siehe für die folgenden Ausführungen Raiffeisen Bank International AG and Raiffeisenbank Austria d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/34, (Decision on Respondent’s Jurisdictional Objections), Rn. 216 ff. 1092

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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Die Deklarationen der Mitgliedstaaten vom Januar 2019 (s. o.) können hieran ebenso wenig etwas ändern, wie das Beendigungsübereinkommen. Letzteres habe die Republik Österreich nicht unterzeichnet, sodass das BIT zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien hiervon nicht erfasst sein könne. Bevor das Tribunal auch eine Unvereinbarkeit des BIT mit Anti-Diskriminierungsvorschriften ablehnt,1095 weist es auf eine Dissenting View1096 eines der 3 Schiedsrichter, Lazar Tomov, hin. Tomov ist entgegen der Mehrheit des Tribunals gerade der Auffassung, dass die Achmea-Entscheidung im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens (15. September 2017) für Art. 11 Abs. 2 relevant sei. Doch selbst wenn man dies ablehnen sollte, würden die Gesetze und Dokumente, die die Mehrheit des Tribunals seiner Entscheidung als Basis für die Feststellung der Vereinbarkeit zugrunde legt, nicht ausreichen, um dieses Ergebnis zu begründen. Tomov ist vielmehr der Ansicht, die bisherige Rechtsprechung des EuGH, auf welcher die Achmea-Entscheidung fußt, gebiete ein anderes Ergebnis. Schiedsrichter Tomov ist nicht in der Lage, in diesen, nur drei Absätze umfassenden Ausführungen die gesamten Würdigungen der Mehrheit zu widerlegen. Jedoch sind seine Ansätze nicht fernliegend. Insbesondere kann man sich fragen, inwieweit es sinnvoll ist, Bestimmungen des Unionsrechts nach Ergehen der AchmeaEntscheidung anders auszulegen, als der EuGH es getan hat, nur weil eine Auslegung des Tatbestands von Art. 11 Abs. 2 des BIT zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien dies ermöglicht. Wäre es nicht angebracht, in einer Zeit, in der die Achmea-Entscheidung und die damit einhergehende Auslegung des Unionsrechts bekannt ist, in diesem Sinne auch eine Unvereinbarkeit i. S. v. Art. 11 Abs. 2 des BIT anzunehmen? Aufmerksamkeit soll zuletzt noch folgender Formulierung der Mehrheit der Schiedsrichter gelten: „The Tribunal will need to assess the effect of the CJEU’s Achmea Judgment for the purpose of Article 11(2) of the BIT. This does not mean, however, that the Tribunal must defer or should defer – or even responsibly could defer – to the Achmea Judgment as to the interpretation or application of the BIT. Just as this Tribunal is not empowered to issue authoritative interpretations of EU law, which properly lies within the legal prerogative of the CJEU, the CJEU is not empowered to issue authoritative interpretations of provisions in the Austria-Croatia BIT, whether directly or indirectly.“1097

Unklar ist, ob die Schiedsrichter eine solche Formulierung nur wählen, um deutlich zu machen, dass sie ihre Entscheidung unabhängig von Einflüssen Dritter und insbesondere von anderen Spruchkörpern treffen. Gleichwohl ist sie nicht besonders geglückt, da so der Eindruck entstehen kann, die Schiedsrichter begriffen die 1095 1096 1097

Ibid. Rn. 259 ff. Ibid. Rn. 255 ff. Ibid. Rn. 221, Hervorh. d. Verf.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Rolle des EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht. Insbesondere die Bemerkung, der EuGH sei auch nicht berechtigt, die Normen des BIT „indirekt“ („indirectly“) zu interpretieren, wirft Zweifel auf. Äußerst bedenklich wäre diese Annahme sogar, sollte sie tatsächlich auf die Auslegung von Normen des Primärrechts durch den EuGH bezogen sein. Denn der EuGH ist durchaus berechtigt Art. 267 und 344 AEUV auszulegen, auch wenn damit „indirekt“ die Unionsrechtswidrigkeit anderer völkerrechtlicher Bestimmungen einhergeht. Am 11. Februar 2021 entschied das OLG Frankfurt am Main im Rahmen eines Antrags auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens gem. § 1032 Abs. 2 ZPO durch die Republik Kroatien, dass Art. 9 Abs. 2 des BIT zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien gegen Unionsrecht verstößt und dass es deshalb im konkreten Fall an einer wirksamen Schiedsvereinbarung fehlte.1098 9. Zwischenergebnis Alle diese Schiedssprüche zeigen nur vereinzelt Tendenzen, ein Tribunal könnte seine Zuständigkeit tatsächlich einmal aufgrund der Achmea-Entscheidung verneinen. Es lässt sich zusammenfassen, dass die Achmea-Entscheidung die Entscheidungen von damit befassten Schiedsgerichten grundsätzlich nicht beeinflusst hat.1099 Grund dafür dürfte sein, dass auch bereits in der Schiedspraxis vor Ergehen der Achmea-Entscheidung Zurückhaltung bei der Annahme der Voraussetzungen der Art. 30 und 59 VCLT bestand. Insbesondere die Feststellung des Beziehens auf „denselben Gegenstand“ bereitet stets eine Hürde. Doch sind es gerade diese Normen, die eine sinnvolle Einbeziehung der Entscheidung des EuGH in die Erwägungen der Schiedsrichter ermöglichen würden. Darüber hinaus wurde in der schiedsgerichtlichen Rechtsprechung vor der Achmea-Entscheidung vermehrt angedeutet, dass Art. 30 VCLT dann relevant würde, sollte eine Unvereinbarkeit feststellbar sein.1100 Dass Schiedsgerichte diese Tendenz nun nicht aufrechterhalten, ist kritikwürdig.1101 Fehl geht der teilweise bemühte Ansatz, der EuGH könne nicht über Bestimmungen eines BIT und der VCLT entscheiden, weshalb die Achmea-Entscheidung an der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts nichts ändern könne. Wie bereits mehrfach dargelegt, bezieht sich die Achmea-Entscheidung ausschließlich auf die Auslegung von Normen des Unionsrechts. 1098 OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11. Februar 2021 – 26 SchH 2/20 in BeckRS 2021, 1799. 1099 So auch Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (242); vgl. kritisch dazu Centeno Huerta/Kuplewatzky, EP 2019, 61 (68 ff.). 1100 Siehe bspw. Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 273. 1101 So auch Restrepo Amariles/Farhadi/Van Waeyenberge, ICLQ 2020, 907 (936).

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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Dass die analysierten Schiedssprüche nicht alle dem gleichen Muster folgen (können), ist dem geschuldet, dass die BIT, auf deren Grundlage die Tribunale konstituiert wurden, unterschiedlich lauten. Neben der Unterscheidung zwischen institutionellen Schiedsgerichten und Ad hoc-Schiedsgerichten spielt hierbei insbesondere eine Rolle, welche Rechtsordnungen die BIT für anwendbar erklären und ob die BIT eine Norm wie Art. 11 Abs. 2 des BIT zwischen der Republik Österreich und der Republik Kroatien (s. o.) enthalten. Im Folgenden sollen Schiedssprüche analysiert werden, deren Tribunale auf Basis von Art. 26 ECTangerufen wurden. Dass der EuGH seine Ausführungen unmittelbar nur auf Intra-EU-BIT bezog, lässt erahnen, wie die mit der Achmea-Objection bisher befassten Schiedsgerichte über ihre Zuständigkeit entschieden haben.

III. Die Achmea-Objection vor Schiedsgerichten auf Grundlage des ECT Zahlreiche Tribunale mussten sich ebenso damit beschäftigen, wie sich das Unionsrecht und insbesondere die Achmea-Entscheidung auf das Angebot eines Gaststaats zur Streitbeilegung aus Art. 26 ECT auswirken.1102 Im Folgenden sollen exemplarisch die dahingehenden Entscheidungen aus den Verfahren Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, Foresight Lu1102

Bspw. Hydro Energy 1 S. à r. l. and Hydroxana Sweden AB v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/15/42 (Decision on Jurisdiction, Liability and Directions on Quantum, 9. März 2020); Watkins Holdings S.à r. l. and others v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/15/44, (Award, 21. Januar 2020); RWE Innogy GmbH and RWE Innogy Aersa S. A. U. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/14/34, (Decision on jurisdiction, liability and certain issues of quantum, 30. Dezember 2019); BayWa r. e. Renewable Energy GmbH and BayWa r. e. Asset Holding GmbH v. Spain, ICSID Case No. ARB/15/16, (Decision on Jurisdiction, Liability and Directions on Quantum, 2. Dezember 2019); Belenergia S. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/40, (Award, 28. August 2019); Rockhopper Italia S. p. A., Rockhopper Mediterranean Ltd, and Rockhopper Exploration Plc v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/17/14, (Decision on the Intra-EU Jurisdictional Objection); 9REN Holding S..à r. l. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/15/15, (Award, 31. Mai 2019); Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection); Landesbank Baden-Württemberg and others v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/15/45, (Decision on the Intra-EU Jurisdictional Objection, 25. Februar 2019); CEF Energia BV v. Italian Republic, SCC Case No. 158/2015, (Award, 16. Januar 2019); Greentech Energy Systems A/S, et al v. Italian Republic, SCC Case No. V 2015/095, (Final Award, 23. Dezember 2018); Foresight Luxembourg Solar 1 S. a` r. l. , et al. v. Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/ 150, (Final Award and Partial Dissenting Opinion of Arbitrator Raül Vinuesa); Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue); Masdar Solar & Wind Cooperatief U. A. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/14/1, (Award); siehe für eine Übersicht auch https://www.energychartertreaty.org/cases/ statistics/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe für eine Analyse verschiedener dieser Verfahren auch Baltag/Stanicˇ /Baltag/Dudas¸, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 23 (S. 30 ff.).

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

xembourg Solar 1 S. a` r. l. , et al. v. Kingdom of Spain, Eskosol S. p. A. v. Italian Republic und Rockhopper Italia S. p. A., Rockhopper Mediterranean Ltd, and Rockhopper Exploration Plc v. Italian Republic analysiert werden. 1. Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany Maßstäbe zur Behandlung der Achmea-Objection hinsichtlich Art. 26 ECT dürfte sicherlich der dahingehende Zwischenentscheid in Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany vom 31. August 20181103 gesetzt haben.1104 Kläger in diesem Verfahren sind die schwedische Vattenfall AB1105 sowie vier weitere deutsche Gesellschaften. Beklagte ist die Bundesrepublik Deutschland. Verwaltet wird das Verfahren durch das ICSID gemäß der ICSID-Konvention. Das für den Fall maßgebliche Investitionsschutzabkommen ist der ECT mit seiner Schiedsklausel in Art. 26 ECT. Das Tribunal teilt seine Würdigung des Vorbringens der Beklagten,1106 der Kläger1107 und der Europäischen Kommission1108 in vier Teile. Zunächst beurteilt es das für die Beurteilung der Zuständigkeit anwendbare Recht (a))1109, anschließend legt es den ECT aus (b))1110, bevor es der Frage nachgeht, ob Unionsrecht im Konfliktfall vorgehen könne (c))1111 und welche Rolle die Durchsetzbarkeit des Schiedsspruchs spielt (d))1112. Diese Struktur soll auch für die vorliegende Analyse beibehalten werden. a) Das anwendbare Recht für die Beurteilung der Zuständigkeit Das ICSID-Tribunal unterscheidet richtigerweise zwischen dem für die Streitentscheidung und dem für die Beurteilung der Zuständigkeit anwendbaren Recht. Dabei kommt es zunächst zu dem Ergebnis, dass weder Art. 26 Abs. 6 ECT noch Art. 42 Abs. 1 ICSID-Konvention eine Aussage zum anwendbaren Recht für die

1103

Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue). 1104 Vgl. Damjanovic/Quirico, ColumJEurL 2019, 102 (131). 1105 AB steht für aktiebolag und ist das schwedische Pendant zur deutschen Aktiengesellschaft. 1106 Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 46 ff. 1107 Ibid. Rn. 60 ff. 1108 Ibid. Rn. 80 ff. 1109 Siehe für die folgenden Ausführungen hierzu ibid. Rn. 108 ff. 1110 Siehe für die folgenden Ausführungen hierzu ibid. Rn. 169 ff. 1111 Siehe für die folgenden Ausführungen hierzu ibid. Rn. 211 ff. 1112 Siehe für die folgenden Ausführungen hierzu ibid. Rn. 230 f.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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Beurteilung der Zuständigkeit enthalten. Diese Normen beziehen sich auf das für die Begründetheit anwendbare Recht. Daraus folgen die Schiedsrichter, dass sie ihre Zuständigkeit aus dem das Angebot zur Streitbeilegung enthaltenden ECT zu beurteilen haben, welcher im Einklang mit den Grundsätzen des Völkerrechts auszulegen ist. Diese Annahme bilde die Grundlage für die nunmehr zu klärende Frage, ob Unionsrecht – und insbesondere die Achmea-Entscheidung – hierbei eine Rolle spielen kann. Unabhängig davon, ob das Unionsrecht Teil des Völkerrechts sein könnte, gehöre es doch jedenfalls nicht zu den Grundsätzen des Völkerrechts, welche der Auslegung des Art. 26 ECT dienen. Allenfalls über Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT könnte Unionsrecht eine Rolle spielen. Dessen Wortlaut ist sich hierfür erneut in Erinnerung zu rufen: „(1) A treaty shall be interpreted in good faith in accordance with the ordinary meaning to be given to the terms of the treaty in their context and in the light of its object and purpose. […] (3) There shall be taken into account, together with the context: […] d) any relevant rules of international law applicable in the relations between the parties. […]“

Maßgeblich sei dementsprechend zuvörderst, ob das Unionsrecht als Teil des Völkerrechts anzusehen sein könne. Hierfür verweisen die Schiedsrichter auf Art. 38 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs vom 24. Oktober 1945.1113 Dieser lautet: „(1.) The Court, whose function is to decide in accordance with international law such disputes as are submitted to it, shall apply: a.) international conventions, whether general or particular, establishing rules expressly recognized by the contesting states; b.) international custom, as evidence of a general practice accepted as law; c.) the general principles of law recognized by civilized nations; d.) subject to the provisions of Article 59, judicial decisions and the teachings of the most highly qualified publicists of the various nations, as subsidiary means for the determination of rules of law. […]“

Dies sei als maßgebende („authoritative“1114) Angabe zu den Quellen des Völkerrechts anzusehen. Außer Frage stehe dabei, dass internationale Übereinkünfte („international conventions or international treaties“1115) zwischen Staaten Völkerrecht i. S. d. Art. 38 Abs. 1 lit. a) des Statuts des Internationalen Gerichtshofs darstellen. Deshalb sei auch das Unionsrecht, soweit es in den Unionsverträgen ver1113

Abrufbar unter https://legal.un.org/avl/pdf/ha/sicj/icj_statute_e.pdf (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1114 Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 140. 1115 Ibid. Rn. 141.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

wurzelt ist, als Völkerrecht in diesem Sinne anzusehen. Daran könne auch der autonome Charakter des Unionsrechts nichts ändern. Immerhin erfasse Art. 38 Abs. 1 lit. a) des Statuts des Internationalen Gerichtshofs internationale Übereinkünfte allgemeiner oder besonderer Natur („whether general or particular“). Die Schiedsrichter stimmen damit im Ergebnis mit der Lösung des Tribunals in Electrabel S. A. v. Republic of Hungary1116 überein. Sie statuieren gar: „In any event, there is no dispute in investment arbitration decisions, or in the Tribunal’s mind, that EU law, to the extent that it is rooted in the EU Treaties, constitutes international law.“1117

Jedenfalls die Vorschriften von AEUV und EUV seien demnach als Teil des Völkerrechts i. S. d. Art. 38 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs anzusehen. Gleichwohl kommen die Schiedsrichter zu dem Ergebnis, dass Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT hier im Ergebnis nicht zu einer „harmonischen Auslegung“ („harmonious interpretation“1118) des ECT dahingehend führen kann, dass Art. 26 ECT in intraunionalen Konstellationen unanwendbar ist. Ausgangspunkt der Auslegung von Art. 26 ECT über Art. 31 VCLT sei nämlich zunächst die Regelung in Art. 31 Abs. 1 VCLT (s. o.). Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT könne nicht dazu dienen, den klaren Wortlaut eines Vertrages umzuschreiben oder durch andere Regeln des Völkerrechts zu ersetzen, die der eigentlichen Bedeutung des Vertrags widersprechen. Unakzeptabel sei auch die unterschiedliche Auslegung derselben Bestimmungen des ECT. Dies widerspreche unter anderem neben dem Sinn und Zweck des ECT auch dem pacta sunt servanda-Prinzip (Art. 26 VCLT) sowie Treu und Glauben. Auch aus Art. 33 VCLT ergebe sich, dass Verträge stets einheitlich auszulegen seien. Zweifelhaft sei darüber hinaus, ob das Unionsrecht als „einschlägiger“ Völkerrechtssatz („relevant rules of international law“1119) i. S. d. Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT angesehen werden kann. Schließlich sei vor allem unklar, ob die Achmea-Entscheidung trotz der vergleichsweise weiten Formulierung des Tenors auch hinsichtlich Art. 26 ECT anzuwenden sei – wovon das Tribunal aber nicht ausgeht. Mithin kommen die Schiedsrichter zu dem Zwischenergebnis, dass Unionsrecht für die Auslegung des ECT nicht gem. Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT derart zu berücksichtigen sei, dass Art. 26 ECT vorliegend keine Anwendung finden könnte. Deshalb sei das für die Zuständigkeit anwendbare Recht der ECT in Verbindung mit der ICSID-Konvention, welche in Einklang mit den Grundsätzen des Völkerrechts und insbesondere mit der VCLT auszulegen seien (s. o.). 1116

Electrabel S. A. v. Republic of Hungary, ICSID Case No. ARB/07/19, (Decision on Jurisdiction, Applicable Law and Liability), Rn. 4.120. 1117 Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 147. 1118 Ibid. Rn. 151, 158, 167. 1119 Hervorh. d. Verf.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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b) Die Auslegung des ECT Im Rahmen der Auslegung des Art. 26 ECT streiten sich die Parteien im Wesentlichen über die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Vertragsparteien“ („Contracting Party“) in Art. 26 Abs. 1, Abs. 3 lit. a), lit. b) ii) ECT. Die Beklagte ist hierbei der Auffassung, dass dieses Erfordernis so ausgelegt werden könne, dass es Mitgliedstaaten der Europäischen Union derart ausschließe, dass Intra-EUSchiedsverfahren unmöglich seien. Das Schiedsgericht statuiert zunächst, dass sich eine solche Interpretation nicht alleine aus Art. 26 ECT ergebe. Immerhin sei das Angebot zur Streitbeilegung i. S. d. Art. 26 Abs. 3 lit. a) ECT „uneingeschränkt“. Gegen eine derartige Interpretation sprechen auch Art. 1 Nr. 2 und Nr. 3 ECT, welche die Begriffe „Vertragspartei“ („Contracting Party“) und „Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration“ („Regional Economic Integration Organisation“) definieren. Damit werde verdeutlicht, dass Vertragspartei des ECT sowohl Einzelstaaten als auch die Europäische Union sein können. Ein anderes Ergebnis gebiete auch nicht der Verweis der Europäischen Kommission auf Art. 1 Nr. 10 ECT, der das Tatbestandsmerkmal „Gebiet“ definiert, welches auch in Art. 26 Abs. 1 ECT enthalten ist. Art. 1 Nr. 10 ECT lautet in authentischer deutscher Sprache1120: „Im Sinne dieses Vertrags […] 10. bedeutet ,Gebiet‘ in bezug auf einen Staat, der Vertragspartei ist, a) das Hoheitsgebiet unter seiner Souvera¨ nita¨ t, wobei davon ausgegangen wird, daß das Hoheitsgebiet das Land, die inneren Gewa¨ sser und das Ku¨ stenmeer umfaßt, und b) vorbehaltlich des internationalen Seerechts und im Einklang mit diesem das Meer, den Meeresboden und seinen Untergrund, u¨ ber welche die Vertragspartei souvera¨ ne Rechte und Hoheitsbefugnisse ausu¨ bt. In bezug auf eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, die Vertragspartei ist, bedeutet ,Gebiet‘ die einzelnen Gebiete der Mitgliedstaaten dieser Organisation entspre¨ bereinkommen zur Gru¨ ndung der Organisation enthaltenen Bestimchend den in dem U mungen;„

Die Europäische Kommission ist der Ansicht, dass das Gebiet, in welchem investiert wird, aufgrund von Art. 1 Nr. 10 S. 2 ECT das Unionsgebiet sei. Ein Investor aus der Europäischen Union investiere demnach innerhalb eines „Gebiets“ der gleichen Vertragspartei in diesem Sinne – nämlich der Europäischen Union. Dem widersprechen die Schiedsrichter. Insbesondere schließe die Tatsache, dass die Europäische Union ein „Gebiet“ in diesem Sinne habe, nicht aus, dass auch die Einzelstaaten ein „Gebiet“ haben. Darüber hinaus fehle es an einer klaren Regelung im ECT für ein solches Ergebnis. So entschieden auch bereits andere Tribunale.1121 1120

Siehe Art. 50 ECT. Eiser Infrastructure Limited and Energía Solar Luxembourg S. à r. l. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/13/36, (Final Award), Rn. 194 f.; Charanne and Construction 1121

230

Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Auch die Erklärung der Mitgliedstaaten gem. Art. 26 Abs. 3 lit. b) ii) ECT1122 könne hieran nach Art. 31 Abs. 2 lit. b) VCLT nichts ändern.1123 Die Schiedsrichter merken an dieser Stelle ihres Urteils an, dass die vorangegangene Argumentation insbesondere eine Antwort auf die detaillierten Ausführungen der Parteien geben sollte, während Art. 16 ECT bereits von Rechts wegen ein eindeutiges Ergebnis für die Achmea-Objection bieten würde. Auch dessen Wortlaut ist sich hier in Erinnerung zu rufen: „Haben zwei oder mehr Vertragsparteien früher eine internationale Übereinkunft geschlossen oder schließen sie später eine solche Übereinkunft, deren Bestimmungen die in Teil III oder V dieses Vertrags behandelten Angelegenheiten betreffen, 1. so darf Teil III oder V dieses Vertrags nicht so ausgelegt werden, als weiche er von Bestimmungen der anderen Übereinkunft oder von dem Recht auf diesbezügliche Streitbeilegung aufgrund der Übereinkunft ab, und 2. so darf keine Bestimmung der anderen Übereinkunft so ausgelegt werden, als weiche sie von einer Bestimmung in Teil III oder V dieses Vertrags oder von dem Recht auf diesbezügliche Streitbeilegung aufgrund dieses Vertrags ab, soweit eine derartige Bestimmung für den Investor oder die Investition günstiger ist.“

Das Tribunal ist bereits der Auffassung, dass Art. 267 und 344 AEUV nicht „die in Teil III oder V dieses Vertrags behandelten Angelegenheiten betreffen“. Doch selbst wenn man dies bejahte, würde Art. 16 Abs. 2 ECT greifen. Art. 26 ECT sei für den Investor „günstiger“ i. S. d. Art. 16 ECT a. E., sollten die Unionsverträge so auszulegen sein, dass sie einer solchen Streitbeilegung entgegenstehen. Dementsprechend sei es einer Vertragspartei – unterstellt, die Unionsverträge behandelten die in Teil III oder V des ECT behandelten Angelegenheiten – untersagt, die Unionsverträge so zu interpretieren, dass dem Investor die Streitbeilegung über Art. 26 ECT nicht zustünde. Neben der gewöhnlichen Auslegung des Art. 26 ECT bestätige Art. 16 ECT diese Auslegung des ECT „beyond doubt“1124. Das Schiedsgericht führt aus: „In light of this provision it is not possible to ,read into‘ Article 26 an interpretation whereby certain investors would be deprived of their right to dispute resolution, whether against an EU Member State or otherwise.“1125

Auch der Sinn und Zweck des ECT stehe dem nicht entgegen. Vielmehr werde dieses Ergebnis auch durch die Tatsache getragen, dass der ECT keine Trennungs-

Investments v. Spain, SCC Case No. V 062/2012 (Award), Rn. 430; Novenergia II – Energy & Environment (SCA), SICAR v. The Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/063 (Final Award), Rn. 453. 1122 Siehe für den für das Tribunal relevanten Auszug Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 185. 1123 Siehe zur dahingehenden Begründung ibid. Rn. 185 ff. 1124 Ibid. Rn. 196. 1125 Ibid., Hervorh. d. Verf.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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klausel (s. o.) enthält, obwohl sich die Europäische Union einer derartigen Möglichkeit bewusst gewesen sei. Deshalb kommen die Schiedsrichter zu dem Zwischenergebnis, dass Art. 26 ECT nicht so auslegbar sei, dass er nicht auch für intra-unionale Investor-Staat-Streitigkeiten gelte. c) Der Konflikt mit Unionsrecht Unabhängig von der Interpretation des Art. 26 ECT könnte nun aber Unionsrecht dem ECT nach den Kollisionsregeln des Völkerrechts vorgehen. Aus Sicht des Schiedsgerichts ist jedoch keinesfalls gegeben, dass Art. 267 und 344 AEUV in Konflikt mit Art. 26 ECT stehen. Die Achmea-Entscheidung betreffe zunächst nur die Schiedsklausel im BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik und potentiell auch vergleichbare Schiedsklauseln, nicht jedoch Art. 26 ECT. Daraus folgen die Schiedsrichter, dass bereits kein Konflikt in dieser Hinsicht bestehe und sich beide Vertragswerke ohnehin nicht auf denselben Gegenstand beziehen. Lediglich klarstellend verweist das Tribunal auf Folgendes. Art. 30 Abs. 4 lit. a) VCLT sei vorliegend nicht einschlägig, da Art. 16 ECT demgegenüber lex specialis sei. Darüber hinaus sei keinesfalls sicher, dass die Unionsverträge die späteren Verträge im Sinne des Art. 30 Abs. 3 VCLT seien. Art. 267 und 344 AEUV existierten nämlich bereits in ähnlicher Form an anderer Stelle vor Unterzeichnung des ECT. Auch Art. 41 Abs. 1 VCLT in Verbindung mit den investitionsschützenden Bestimmungen des Unionsrechts sowie insbesondere Art. 4 Abs. 3 und Art. 19 EUV und Art. 267 und 344 AEUV als Ausdruck der Unionsrechtsautonomie greife vorliegend nicht ein. Unklar sei, welche Modifizierung dahingehend stattgefunden haben soll. Außerdem stehe Art. 16 ECT einem solchen Verständnis entgegen. Letztlich sollte aus Sicht des Tribunals der lex specialis-Grundsatz entscheiden, welchem Vertragswerk Vorrang einzuräumen ist. Die hier maßgebliche lex specialisNorm sei jedoch Art. 16 ECT und nicht – wie vom Beklagten und der Europäischen Kommission vorgetragen – Art. 351 AEUV. Zum einen erfasse gerade Art. 16 ECT derartige Konfliktsituationen. Zum anderen ließe sich Art. 351 AEUV direkt gar nicht auf die vorliegende Intra-EU-Konstellation im Rahmen des ECT anwenden. Diese vermeintliche Kollisionsregel sei daher nur durch einen erheblichen Interpretationsaufwand auf den hiesigen Fall anwendbar. Art. 16 ECT sei demnach die klarere Kollisionsregel und somit als lex specialis-Regel anwendbar. Aus Art. 16 ECT ergebe sich – wie bereits gesehen –, dass Art. 26 ECT hier anwendbar sei. Interessanter Weise lässt das Schiedsgericht im Rahmen dieser Erwägungen fast gänzlich außer Betracht, dass Art. 267 und 344 AEUV nicht „die in Teil III oder V

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

dieses Vertrags behandelten Angelegenheiten betreffen“ (Art. 16 ECT) könnten – wie eingangs statuiert. Dem Tribunal ist jedoch zuzugestehen, dass die Anwendung des Art. 351 AEUV hinsichtlich des ECT überaus zweifelhaft ist (s. o.). d) Die Durchsetzbarkeit des Schiedsspruchs Abschließend stellen die Schiedsrichter fest, dass die Frage nach der Durchsetzbarkeit des Schiedsspruchs nicht in die Beurteilung der Zuständigkeit eingreifen könne. Sie bestätigen zwar, dass dahingehend Hürden bevorstehen und erkennen an, dass sie in der Pflicht sind, einen durchsetzbaren Schiedsspruch zu fällen. Allerdings sehen sie sich ebenfalls in der Pflicht, dem auf Basis des ECT erteilten Mandat zur Streitbeilegung gerecht zu werden. e) Zwischenergebnis Angesichts all dessen kommen die Schiedsrichter zu dem Ergebnis, dass die Achmea-Objection der Beklagten vollumfänglich zurückzuweisen ist. Diese Entscheidung dürfte kaum überraschen. Die oben bereits dargelegte Zurückhaltung der Schiedsgerichte sogar auf Basis von Intra-EU-BIT wird hier hinsichtlich des ECT besonders deutlich. Tatsächlich wirkt es prima facie schwer vertretbar, dass eine Entscheidung des EuGH, welche den ECT gar nicht unmittelbar betrifft, eine insoweit nahezu „ständige“ Rechtsprechung unter den Schiedsgerichten zu Fall bringen können soll. Wie bereits oben ausführlich dargelegt, überzeugen die Würdigungen der Schiedsrichter hinsichtlich der Auslegung von Art. 26 ECT. Auch wenn sie es nicht unmittelbar so bezeichnen, drehen sich die dahingehenden Ausführungen um die Frage, ob im Rahmen des ECT eine implizite Trennungsklausel anzunehmen ist. Durch diesen Schiedsspruch wird die kritische Haltung in der schiedsgerichtlichen Praxis demgegenüber nochmals verdeutlicht. Jedoch ist auch die Lösung des Tribunals zum Konflikt von Unionsrecht mit dem ECT im Speziellen zu begrüßen. Insbesondere folgender Feststellung ist zuzustimmen: „[…] it is not for this Tribunal to assume that the ECJ’s decision in relation to a bilateral investment treaty applies equally to a multilateral treaty with both EU and non-EU parties, under which the EU itself has consented to investor-State arbitration.“1126

Dies überzeugt, auch wenn hier bereits festgestellt wurde, dass die Erwägungen des EuGH richtigerweise im Ergebnis auch hinsichtlich des ECT anwendbar sein sollten. Schließlich dürfte der maßgebliche Unterschied zwischen Intra-EU-BIT und dem ECT sein, dass letzterer multilateraler Natur ist und auch die Europäische Union als Vertragspartei umfasst. Selbst wenn man – wie hier – vertritt, dass dies im Er1126 Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 213.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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gebnis nicht ausschlaggebend sein könne, ist es aber doch jedenfalls nicht Aufgabe eines Schiedsgerichts dies erstmalig anzunehmen. Schließlich hat das Schiedsgericht auch die berechtigten Interessen des betroffenen Investors zu berücksichtigen. Mehrere dahingehende Verfahren sind bereits beim EuGH anhängig (s. o.).1127 Kritik hat das Schiedsgericht jedoch für die Annahme erfahren, Art. 16 ECT sei lex specialis gegenüber Art. 351 AEUV.1128 Dies sei zwar aus einer völkerrechtlichen Perspektive nachvollziehbar, überzeuge jedoch aus „europarechtlicher Binnenperspektive“ nur eingeschränkt.1129 Derartiger Kritik dürfte jedoch im Ergebnis wenig Bedeutung beizumessen sein, da sie außer Acht lässt, dass sich aus unionsrechtlicher und allgemein-völkerrechtlicher Betrachtungsweise verschiedene Ergebnisse herleiten lassen (s. o.). Es kommt jedoch auch gerade auf die Lösung dieses Konflikts an. Eine solche wird sich nur finden lassen, wenn aus keinem der beiden Lager „heraus“ argumentiert wird. 2. Foresight Luxembourg Solar 1 S. a` r. l., et al. v. Kingdom of Spain Am 14. November 2018 erließ das SCC-Tribunal im Verfahren Foresight Luxembourg Solar 1 S. a` r. l. , et al. v. Kingdom of Spain einen Schiedsspruch.1130 Kläger sind die luxemburgischen Foresight Luxembourg Solar 1 S. a` r. l.1131 und Luxembourg Solar 2 S.á r.l, die italienischen GWM Renewable Energy I S. p. A.1132 und GWM Renewable Energy II S. r. l.1133 (zuvor GWM Renewable Energy II S. p. A) sowie die

1127

Siehe u. a. EuGH, Gerichtsmitteilung vom 8. Oktober 2019, Rs. C-741/19, in: BeckEuRS 2019, 620735; siehe auch das Vorabentscheidungsersuchen vom 11. Mai 2020 Rs. C-109/ 20 des Högsta domstolen (Schweden) (siehe dazu BeckEuRS 2020, 629911) und den Antrag des Königreichs Belgien auf Gutachten 1/20 nach Art. 218 Abs. 11 AEUV vom 29. Januar 2021 (abrufbar unter https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=AED4481F9A4 83AD2D5917E204E1FB825?text=&docid=237792&pageIndex=0&doclang=DE&mode= lst&dir=&occ=first&part=1&cid=11193185, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe auch Batifort, ASIL DRIG: The Future of Investor-State Dispute Settlement under the Energy Charter Treaty, Kluwer Arbitration Blog, 29. März 2021, http://arbitrationblog.kluwerarbitrati on.com/2021/03/29/asil-drig-the-future-of-investor-state-dispute-settlement-under-the-energycharter-treaty/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1128 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Lorenzmeier, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 69b; vgl. auch Centeno Huerta/Kuplewatzky, EP 2019, 61 (72 f.). 1129 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Lorenzmeier, EUV/AEUV, Art. 351 AEUV Rn. 69b. 1130 Foresight Luxembourg Solar 1 S. a` r. l. , et al. v. Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/ 150, (Final Award and Partial Dissenting Opinion of Arbitrator Raül Vinuesa). 1131 S. a` r. l. steht für Société à responsabilité limitée und ist das luxemburgische Pendant zur deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung. 1132 S. p. A. steht für Società per azioni und ist das italienische Pendant zur deutschen Aktiengesellschaft. 1133 S. r. l. steht für Società a responsabilita limitata und ist das italienische Pendant zur deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

dänische Greentech Energy Systems A/S1134. Beklagte ist das Königreich Spanien. Das SCC-Schiedsgericht wurde auf Basis von Art. 26 ECT angerufen. Auch hier kommt das Tribunal zu dem Ergebnis, dass die Achmea-Objection abzuweisen sei.1135 Maßgeblich komme es darauf an, ob Art. 26 ECT so auszulegen sei, dass er intra-unionale Investor-Staat-Streitigkeiten nicht erfasse. Diese Auslegung richte sich nach Art. 31 und 32 VCLT. In „Zusammenhang“ („in their context“) i. S. v. Art. 31 Abs. 1 VCLT mit Art. 26 ECT stehen aus Sicht der Schiedsrichter Art. 1 Nr. 2 ECT, Art. 1 Nr. 7 lit. a) ii) ECT, Art. 10 Abs. 1 ECT und Art. 13 ECT. Das „Ziel“ („object“) des ECT i. S. v. Art. 31 Abs. 1 VCLT sei in Art. 2 ECT statuiert. Es fehle darüber hinaus eine explizite Trennungsklausel oder ein dahingehender Anhaltspunkt im Vertragstext. Daraus schließen die Schiedsrichter, dass den Bestimmungen in Art. 26 ECT gem. Art. 31 VCLT ihre gewöhnliche Bedeutung beigemessen werden sollten. Dementsprechend stelle der bloße Wortlaut von Art. 26 Abs. 1 ECT die Zuständigkeit des Tribunals nicht in Frage. Der Anwendung von Art. 32 VCLT bedürfe es somit nicht. Lediglich ergänzend widmen sich die Schiedsrichter dem Einwand des Vorrangs des Unionsrechts vor den Bestimmungen des ECT. Neben einem Verweis auf Art. 25 ECT trägt das Königreich Spanien insbesondere vor, aufgrund von Art. 26 Abs. 6 ECT sei Unionsrecht derart in die Entscheidung einzubeziehen, dass es intra-unionale ECT-Investor-Staat-Schiedsverfahren verbiete.1136 Dies gebiete auch das unionale Beihilferecht.1137 Das Schiedsgericht widerspricht dem jedoch. Zuvörderst beziehe sich Art. 26 Abs. 6 ECT nur auf das für die Begründetheit und nicht auch auf das für die Beurteilung der Zuständigkeit anwendbare Recht. Die Zuständigkeit sei allein anhand des ECT zu beurteilen.1138 Auch sei die Achmea-Entscheidung irrelevant für die Beurteilung der Zuständigkeit. Dies nahm ebenso das Tribunal im Verfahren Masdar Solar & Wind Cooperatief U. A. v. Kingdom of Spain an, welches mit dieser Entscheidung wohl als erstes Schiedsgericht konfrontiert wurde. Ebenso wie in der vorliegenden Entscheidung1139 soll auch hier zur Klarstellung die apodiktische Begründung der

1134

schaft. 1135

A/S steht für Aktieselskab und ist das dänische Pendant zur deutschen Aktiengesell-

Siehe für die folgenden Ausführungen Foresight Luxembourg Solar 1 S. a` r. l. , et al. v. Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/150, (Final Award and Partial Dissenting Opinion of Arbitrator Raül Vinuesa), Rn. 198 ff. 1136 Ibid. Rn. 164 ff. 1137 Ibid. 1138 Insoweit verweisen die Richter auf Eiser Infrastructure Limited and Energía Solar Luxembourg S. à r. l. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/13/36, (Final Award), Rn. 199. 1139 Siehe Foresight Luxembourg Solar 1 S. a` r. l. , et al. v. Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/150, (Final Award and Partial Dissenting Opinion of Arbitrator Raül Vinuesa), Rn. 220.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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Schiedsrichter in Masdar Solar & Wind Cooperatief U. A. v. Kingdom of Spain in voller Länge zitiert werden. Diese lautet: „679. The Achmea Judgment is of limited application – first, and specifically, to the Agreement on encouragement and reciprocal protection of investment between the Kingdom of the Netherlands and the Czech and Slovak Federal Republic and, second, in a more general perspective, to any ,provision in an international agreement concluded between Member States, such as Article 8 of the Agreement on encouragement and reciprocal protection between the Kingdom of the Netherlands and the Czech and Slovak Federative Republic.‘ The ECT is not such a treaty. Thus, the Achmea Judgment does not take into consideration, and thus it cannot be applied to, multilateral treaties, such as the ECT, to which the EU itself is a party. 680. The conclusion of the Tribunal is in line with the Opinion of Advocate General Wathelet delivered on 19 September 2017 in Achmea. The Advocate General stated that Achmea was: ,the first opportunity [for the CJEU] to express its views on the thorny question of the compatibility of BITs concluded between member States and in particular of the investor- State dispute settlement (’ISDS’) mechanisms established by those BITs.‘ (Emphasis added). Thus, it is clear that Achmea pertains only to BITs concluded between EU Member States – as the wording of question No. (1) referred by the Bundesgerichtshof to the CJEU likewise confirms: „Does Article 344 TFEU preclude the application of a provision in a bilateral investment protection agreement between Member States of the European Union (a so called intra-EU BIT) […].“ (Emphasis added). 681. With specific reference to the ECT, the Advocate General made the following statement: „That multilateral treaty on investment in the field of energy [the ECT] operates even between Member States, since it was concluded not as an agreement between the Union and its Member States, of the one part, and third countries, of the other part, but as an ordinary multilateral treaty in which all the Contracting Parties participate on an equal footing. In that sense, the material provisions for the protection of investments provided for in that Treaty and the ISDS mechanism also operate between Member States. I note that if no EU institution and no Member State sought an opinion from the Court on the compatibility of that treaty with the EU and FEU Treaties, that is because none of them had the slightest suspicion that it might be incompatible.“ (Emphasis added). 682. Had the CJEU seen it necessary to address the distinction drawn by the Advocate General between the ISDS provisions of the ECT and the investment protection mechanisms to be found in bilateral investment treaties made between Member States within the ambit of its ruling, it had the opportunity to do so. In fact, the Tribunal notes that the CJEU did not address this part of the Advocate General’s Opinion, much less depart from, or reject, it. The Achmea Judgment is simply silent on the subject of the ECT. The Tribunal respectfully adopts the Advocate General’s reasoning on this matter, and it relies in particular upon the observation in the final sentence cited above from his Opinion.“1140

Dem stimmen die Schiedsrichter vorliegend zu. 1140 Masdar Solar & Wind Cooperatief U. A. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/14/ 1, (Award), Rn. 679 ff.; vgl. kritisch zu diesen Ausführungen Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (269).

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Grundsätzlich ist es kaum zu kritisieren, dass die Schiedsrichter – ebenso wie in Masdar Solar & Wind Cooperatief U. A. v. Kingdom of Spain – nicht geneigt sind, die Achmea-Entscheidung auch auf den ECT anzuwenden.1141 Immerhin schweigen die Erwägungen der EuGH-Richter auch zu dem Hinweis des Generalanwalts. Allerdings wendet sich die gesamte Entscheidung in ihrem Kern gegen das, was der Generalanwalt in seiner Stellungnahme vertrat, ohne, dass auf dessen Ausführungen überhaupt Bezug genommen wurde.1142 Ohnedies erwägt das Schiedsgericht hier – wohl auch bedingt durch den Vortrag des Beklagten –, die Achmea-Entscheidung allenfalls in einem generellen Kontext des „Vorrangs des Unionsrechts“ überhaupt in Betracht zu ziehen. Einen wesentlich greifbareren Einfluss könnte die Entscheidung jedoch auf das potentiell unionsrechtswidrige Angebot zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung in Art. 26 ECT haben (s. o.). Hiermit setzen sich die Richter jedoch nicht auseinander. Wenn jedoch in einem ersten Gedankenschritt bereits die Geltung der Würdigungen aus der Achmea-Entscheidung auch auf den ECT verneint wird, verliert auch dieser Ansatz an Bedeutung. Dass ein Schiedsgericht entgegen der insoweit wohl einhelligen Schiedspraxis1143 alleine aufgrund selbst ausgelegter Unionsrechtsnormen (also ohne „Geltung“ der Achmea-Entscheidung) zu einer Unwirksamkeit des Angebots zur Streitbeilegung kommen könnte, scheint ausgeschlossen. 3. Eskosol S. p. A. v. Italian Republic In diesem Verfahren erließ das ICSID-Tribunal am 7. Mai 20191144 einen Zwischenentscheid hinsichtlich der Einwände gegen die Zuständigkeit aufgrund des Unionsrechts. Kläger ist die italienische Eskosol S. p. A., die zu 80 Prozent von der belgischen Blusun S. A.1145 gehalten wird, Beklagte ist die Italienische Republik. Das ICSID-Schiedsgericht wurde aufgrund von Art. 26 ECT angerufen. Die Einwände der Beklagten hinsichtlich des Einflusses des Unionsrechts werden im Ergebnis vollumfänglich zurückgewiesen.1146 Der Fokus der hiesigen Analyse soll jedoch auf den Auswirkungen der Achmea-Entscheidung liegen. Um zu prüfen, ob Art. 26 ECT intra-unionale Investor-Staat-Streitigkeiten nicht erfasse, wenden sich die Schiedsrichter auch hier zunächst der Auslegung des ECT 1141

Kritisch aber Centeno Huerta/Kuplewatzky, EP 2019, 61 (71 f.). Vgl. auch ibid. (72). 1143 Siehe Foresight Luxembourg Solar 1 S. a` r. l. , et al. v. Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/150, (Final Award and Partial Dissenting Opinion of Arbitrator Raül Vinuesa), Rn. 221, Fn. 145. 1144 Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection). 1145 S. A. steht für Société anonyme und ist eine Aktiengesellschaft nach belgischem Recht. 1146 Siehe für die folgenden Ausführungen Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 76 ff. 1142

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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zu. Art. 31 und 32 VCLT seien hierfür die maßgeblichen Normen. Die umfangreichen Erwägungen der Schiedsrichter sind hier nicht vollständig wiederzugeben.1147 Sie kommen ebenso wie die Tribunale in Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany und Foresight Luxembourg Solar 1 S. a` r. l. , et al. v. Kingdom of Spain (s. o.) zu dem Ergebnis, dass über eine Auslegung nach Art. 31 VCLT weder Art. 26 ECT, noch die in Zusammenhang damit stehenden Bestimmungen des ECT einen Ausschluss von Intra-EU-Streitigkeiten gebieten würden.1148 Auch eine historische Betrachtung des ECT ändere hieran nichts.1149 Dass der ECT in sich mithin keine implizite Trennungsklausel enthalte, wurde hiermit erneut – richtigerweise – bestätigt. Sodann widmen sich die Schiedsrichter dem Einfluss des (sonstigen) Unionsrechts auf den ECT in drei Schritten. Zunächst gehen sie auf die progressive Entwicklung des Unionsrechts (a))1150 und anschließend auf die Implikationen der Achmea-Entscheidung ein (b))1151, bevor sie die Auswirkungen der Deklarationen vom Januar 2019 erörtern (c))1152. a) Die Entwicklung des Unionsrechts Die Beklagte und die Europäische Kommission streiten in diesem Rahmen dafür, dass Intra-EU-Streitigkeiten aufgrund Unionsrechts nicht dem Anwendungsbereich des ECT unterfallen könnten. Die Unionsverträge spielten bei der Auslegung des ECT zunächst aufgrund von Art. 26 Abs. 6 ECT oder Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT eine Rolle. Darüber hinaus seien sie auch die späteren Verträge i. S. d. Art. 30 Abs. 2 bzw. Abs. 4 lit. a) VCLT oder eine modifizierende Übereinkunft i. S. d. Art. 41 Abs. 1 VCLT.1153 Angelehnt an die Würdigungen des Vattenfall-Tribunals sind sich die Schiedsrichter auch hier einig, dass Art. 26 Abs. 6 VCLT nicht das für die Beurteilung der Zuständigkeit maßgebliche Recht vorgebe. Sie sind nicht davon überzeugt, die Beurteilung der Zuständigkeit sei eine „strittige Frage“ i. S. d. Art. 26 Abs. 6 ECT. Diese Formulierung sei nämlich in Einklang mit Art. 26 Abs. 1 ECT zu verstehen 1147 Siehe dafür Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 78 ff. 1148 Die Schiedsrichter verweisen daneben insb. auf Eiser Infrastructure Limited and Energía Solar Luxembourg S. à r. l. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/13/36, (Final Award), Rn. 94, 186; RREEF Infrastructure (G. P.) Limited and RREEF Pan-European Infrastructure Two Lux S. a` r. l. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/13/30, (Decision on Jurisdiction), Rn. 84 f. 1149 Siehe zur Begründung Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 103 ff. 1150 Siehe für die folgenden Ausführungen hierzu ibid. Rn. 110 ff. 1151 Siehe für die folgenden Ausführungen hierzu ibid. Rn. 152 ff. 1152 Siehe für die folgenden Ausführungen hierzu ibid. Rn. 207 ff. 1153 Vgl. hierzu ibid. Rn. 29 ff., 68 ff., 110 f.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

und meine demnach nur die Beurteilung von Verstößen gegen Verpflichtungen aus Teil III des ECT. Außerdem werde die Zustimmung zur Streitbeilegung gem. Art. 26 Abs. 3 lit. a) ECT lediglich „vorbehaltlich der Buchstaben b) und c)“ und nicht Abs. 6 erteilt. Selbst wenn Art. 26 Abs. 6 ECT jedoch auch für die Beurteilung der Zuständigkeit als anwendbar angesehen würde, führte dies aus Sicht der Schiedsrichter nicht zur Anwendbarkeit des Unionsrechts. Jenes sei zwar als (räumlich begrenztes) Völkerrecht anzusehen (vgl. Art. 38 Abs. 1 lit. a) des Statuts des Internationalen Gerichtshofs) gehöre jedoch nicht zu den „Regeln und Grundsätzen“ des Völkerrechts i. S. d. Art. 26 Abs. 6 ECT. Darüber hinaus hätte die Anwendung von Art. 26 Abs. 6 ECT derart, wie sie die Italienische Republik und die Europäische Kommission begehren, die Konsequenz, dass die Kollisionsregel in Art. 16 ECT überflüssig würde. Dies konfligierte mit der Auslegungsregel in Art. 31 Abs. 1 VCLT. Das von der Beklagten und der Europäischen Kommission verfolgte Ergebnis lässt sich aus Sicht des Tribunals mithin nicht über Art. 26 Abs. 6 ECT erreichen. Hierzu könnte zwar Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT dienen. Auch das lehnen die Schiedsrichter allerdings ab. Entscheidend sei, dass Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT nur Übereinkünfte „zwischen den Vertragsparteien“ („between the parties“) und damit nur zwischen allen Parteien des auszulegenden Vertrags erfasse. Parteien des ECT sind jedoch auch Staaten, die nicht Mitglieder der Europäischen Union sind. In Anlehnung an die Argumentation des Vattenfall-Tribunals1154 sind die Schiedsrichter auch hier der Auffassung, dass eine unterschiedliche Auslegung derselben ECTBestimmungen für verschiedene Konstellationen nicht hinzunehmen sein könne. Ebenso ist aus Sicht der Schiedsrichter Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT nur in Ergänzung zu Art. 31 Abs. 1 VCLT zu lesen. Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT könne nicht dazu dienen, den klaren Wortlaut des ECT umzuschreiben oder durch andere Regeln des Völkerrechts zu ersetzen, die der eigentlichen Bedeutung des ECTwidersprechen.1155 Die Schiedsrichter lassen sich ebenso nicht von einer Anwendung des Art. 30 Abs. 2 VCLT zur Unterstützung des von der Beklagten und der Europäischen Kommission anvisierten Ergebnisses überzeugen. Art. 16 Abs. 1 ECT stelle nicht heraus, dass der ECT dem Vertrag von Lissabon untergeordnet sei. Aus Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 ECT ergebe sich vielmehr, dass unter Verträgen, die „die in Teil III oder V dieses Vertrags [des ECT] behandelten Angelegenheiten betreffen“, keiner eine absolute Vorrangstellung beanspruchen könne. Es komme entscheidend darauf an, welche „Bestimmung für den Investor oder die Investition günstiger ist“. Dementsprechend sei Art. 16 ECT das genaue Gegenteil einer Bestimmung, wie Art. 30 Abs. 2 VCLT sie fordert. Des Weiteren führen die Beklagte und die Europäische Kommission Art. 30 Abs. 4 lit. a) VCLT an. Der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts, welcher durch den Vertrag von Lissabon bestätigt wurde, sei eine „spätere“ Kolli1154 Siehe Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/ 12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 155 f. 1155 Vgl. auch ibid. Rn. 153 ff.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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sionsregel, welche Art. 16 ECT vorgehe. Die Europäische Kommission nennt diesbezüglich als Anknüpfungspunkt insbesondere Art. 351 AEUV.1156 Die erste Hürde in Rahmen des Art. 30 Abs. 3, Abs. 4 lit. a) VCLT sei die Frage, welches der spätere Vertrag in diesem Sinne sei. Den Schiedsrichtern ist bewusst, dass einige Grundsätze des Vertrags von Lissabon bereits in den dem ECT vorangehenden Gründungsverträgen zur Europäischen Union vorgesehen waren. Gleichwohl erkennen sie an, dass die Grundsätze des Vertrags von Lissabon dem ECT gegenüber jedenfalls hinsichtlich grenzüberschreitender Direktinvestitionen als nachfolgend angesehen werden könnten. Die zweite – aus Sicht der Schiedsrichter bedeutsamere – Hürde sei die Beurteilung der Frage, ob Art. 30 VCLT zwei oder bloß ein Erfordernis(se) für die Anwendbarkeit des Lex posterior-Grundsatzes konstituiert. Der Wortlaut scheint zunächst eindeutig das Beziehen auf „denselben Gegenstand“ i. S. d. Art. 30 Abs. 1 VCLT und daneben Unvereinbarkeit i. S. d. Art. 30 Abs. 3 VCLT zu fordern. Die Europäische Kommission vertritt demgegenüber – ebenso wie Stimmen in der Literatur (s. o.)1157 –, dass diese „beiden“ Voraussetzungen lediglich ein Erfordernis bilden. Es genüge die Feststellung der Unvereinbarkeit.1158 Das Tribunal stimmt dem nicht zu. Die Beachtung der gewöhnlichen Bedeutung des Wortlauts von Art. 30 Abs. 1, Abs. 3 VCLT ließe dies nicht zu. In diesem Sinne sei auch nicht alleine aus der möglichen Unvereinbarkeit einzelner Bestimmungen zu schließen, dass sich die Vertragswerke im gesamten auf denselben Gegenstand bezögen. Auf Basis dessen widmen sich die Schiedsrichter dem Erfordernis des Beziehens auf „denselben Gegenstand“ i. S. d. Art. 30 Abs. 1 VCLT. Ganz im Sinne vorangegangener Schiedssprüche (s. o.), können sie dieses Tatbestandsmerkmal nicht bejahen.1159 Deshalb komme es auf die Frage der Unvereinbarkeit nicht mehr an. Schließlich verneint das Schiedsgericht im Sinne der Ausführungen des Vattenfall-Tribunals1160 auch, dass die Unionsverträge als modifizierende Übereinkommen i. S. d. Art. 41 Abs. 1 VCLT angesehen werden könnten.1161 Somit kommen die Schiedsrichter zu dem Schluss, dass die Entwicklung des Unionsrechts nicht gebietet, dass intra-unionale Streitigkeiten vom Anwendungsbereich des ECT ausgeschlossen seien.

1156 Siehe Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 71, 132. 1157 Vgl. bspw. Georgaki/Papanastasiou, PolishYIL 2019, 209 (219) m. w. N. 1158 Vgl. Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 72, Fn. 180, Rn. 135. 1159 Siehe zur Begründung ibid. Rn. 140 ff. 1160 Siehe Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/ 12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 221. 1161 Siehe zur Begründung Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 148 ff.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

b) Die Implikationen der Achmea-Entscheidung Daraufhin wendet sich das Tribunal den möglichen Implikationen durch die Achmea-Entscheidung zu. Dabei stellt es einleitend heraus: „[…] the Tribunal accepts that the judgments of the CJEU constitute settled and decisive interpretations of the particular issues of EU law that they actually reach. However, the implications of such EU law decisions for proceedings in the broader international order, governed not by EU law but by multilateral agreements like the ICSID Convention and the ECT, remain open to assessment.“1162

Im Anschluss hieran legen die Schiedsrichter dar, dass die Achmea-Entscheidung im Ergebnis aus mehreren Gründen keinen Einfluss auf die Zuständigkeit eines auf Basis von Art. 26 ECT konstituierten Schiedsgerichts haben könne. Zunächst betreffe die Achmea-Entscheidung den ECT gar nicht. Die gesamte Entscheidung beziehe sich ausschließlich auf bilaterale Investitionsschutzabkommen und nicht auf multilaterale Abkommen, welche auch die Europäische Union ratifiziert hat. Dafür spreche der Tenor der Entscheidung, welcher auszugsweise lautet: „[…] die Art. 267 und 344 AEUV […] einer Bestimmung […] wie Art. 8 des BIT entgegenstehen, nach der ein Investor eines dieser Mitgliedstaaten im Fall einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Mitgliedstaat […]“1163

Dies lasse den Schluss zu, dass ausschließlich BIT angesprochen werden sollen. Auch andere Tribunale entschieden das so.1164 Darüber hinaus sprechen auch die Ausführungen in der bereits angesprochenen Randnummer 58 (s. o.) dafür.1165 Der EuGH habe es offenbar für notwendig erachtet, darauf hinzuweisen, dass die Europäische Union nicht selbst Partei des dort maßgeblichen BIT ist. Damit ließen die EuGH-Richter Raum für eine entsprechende Auslegung. Maßgeblich ist jedoch aus Sicht der Schiedsrichter, dass für den EuGH ausschlaggebend gewesen sei, dass Art. 8 Abs. 6 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik die Anwendung von Unionsrecht ermögliche. Dabei zogen die EuGH-Richter nicht in Betracht, dass Unionsrecht auch als „general principles of international law“ i. S. d. Art. 8 Abs. 6 des BIT anwendbar sein könnte. Wie bereits oben skizziert, sind die Schiedsrichter im vorliegenden Verfahren der Auffassung, Art. 26 Abs. 6 ECT ermögliche nicht die Anwendung von Unionsrecht als „applicable rules and principles of international law“. Dass der 1162

Ibid. Rn. 153. EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 60, Hervorh. d. Verf. 1164 Siehe Masdar Solar & Wind Cooperatief U. A. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/14/1, (Award), Rn. 679 f.; Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12, (Decision on the Achmea Issue), Rn. 162. 1165 Siehe EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 58. 1163

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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EuGH dies im Rahmen von Art. 8 Abs. 6 des BIT auch nicht ausdrücklich in Betracht zog, bestätigt die Schiedsrichter hierin. Da in einem Verfahren auf Basis von Art. 26 ECT Unionsrecht nicht zum anwendbaren Recht gehöre,1166 greifen auch die Erwägungen des EuGH diesbezüglich nicht. Art. 26 ECT sei somit keine „Bestimmung […] wie Art. 8“1167 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik. Doch, selbst wenn man unterstellte, dass sich die Achmea-Entscheidung auch auf den ECT bezöge, entfaltete die Entscheidung aus Sicht der Schiedsrichter keine Bindungswirkung für das Schiedsverfahren. Dies ergebe sich aus der Hierarchie des Völkerrechts, welche die Schiedsrichter ausführlich versuchen, darzustellen. Aus dieser folge, dass die Entscheidungen des EuGH die Mitgliedstaaten und die Europäischen Institutionen betreffen, nicht aber das Schiedsgericht, welches seine Entscheidungsbefugnis aus dem ECT ziehe. Weder sei das Tribunal an EuGHEntscheidungen, noch der EuGH an Schiedssprüche gebunden. Und selbst wenn man auch eine Bindungswirkung der Entscheidung für ein Schiedsgericht auf Basis des ECT annehmen wollte, würde dies aus Sicht der Schiedsrichter nichts an der Zuständigkeit für die Streitentscheidung ändern. Die Entscheidung eines Gerichts könne aus völkerrechtlichen Gründen nicht automatisch einen Vertrag oder einzelne Bestimmungen eines solchen für ungültig erklären. Zunächst biete die VCLT keinen Anhaltspunkt für eine solche Praxis. Insbesondere die Erfordernisse des hier allein möglicherweise einschlägigen Art. 46 VCLT seien nicht erfüllt. Die potentielle Unionsrechtswidrigkeit von Art. 26 ECT sei auch im Lichte der Achmea-Entscheidung nicht offenkundig i. S. d. Art. 46 Abs. 1, 2 VCLT. Jedenfalls aber könne die Achmea-Entscheidung insoweit keine Auswirkungen auf Art. 26 ECT haben, sofern sich auf diesen bereits vor Ergehen der Entscheidung des EuGH zur Einleitung eines Schiedsverfahrens berufen wurde. Darüber hinaus wäre jedoch auch bei unterstellter Anwendbarkeit des Art. 46 VCLT das Verfahren der Art. 65 ff. VCLT einzuhalten gewesen. Dies sei vorliegend nicht ersichtlich. Ein Fall des Art. 64 VCLT, für welchen dieses Verfahren nicht erforderlich wäre, sei zudem eindeutig nicht gegeben. Abschließend stellen die Schiedsrichter fest, dass es jedenfalls – ungeachtet der bereits widerlegten Einwände – nicht möglich sei, eine Zustimmung zur Unterwerfung nach Art. 26 ECT vor Ergehen der Achmea-Entscheidung rückwirkend für unwirksam zu erklären. Für die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts sei der Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsvereinbarung maßgeblich. Sowohl Art. 26 Abs. 3 ECT („uneingeschränkte Zustimmung“) als auch Art. 25 Abs. 1 S. 2 ICSID-Konvention („When the parties have given their consent, no party may withdraw its consent unilaterally.“) zeigen, dass eine einmal erteilte Zustimmung nicht durch ein späteres 1166

Vgl. aber Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 123, 176. 1167 EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 60.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Ereignis entkräftet werden könne. Dass die Zuständigkeit eines ICSID-Tribunals unter Bezugnahme auf den Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zu bestimmen sei, bestätigten auch andere Schiedsgerichte.1168 Die Achmea-Entscheidung erging erst nach der beidseitigen Erteilung der Zustimmung. Doch auch selbst wenn man der Achmea-Entscheidung ex tunc-Wirkung zusprechen wollte, könnte dies gem. Art. 69 Abs. 2 lit. b) VCLT nichts an der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung ändern. c) Die Januar-Deklaration Nachdem die Schiedsrichter ausführlich dargelegt haben, weshalb die Unionsverträge und insbesondere auch die Achmea-Entscheidung keinen Einfluss auf die Zuständigkeit des Tribunals nach Art. 26 ECT haben können, widmen sie sich den möglichen Implikationen der Deklaration einiger Mitgliedstaaten vom 15. Januar 2019 (s. o.).1169 Diese haben sowohl die Italienische Republik als auch das Königreich Belgien unterzeichnet. Die Schiedsrichter sind der Auffassung, dass der Inhalt der Deklaration weit über das hinausgehe, was der EuGH in der Achmea-Entscheidung feststellte. Die Entscheidung enthalte keine Aussage hinsichtlich aller Intra-EU-BIT sowie des ECT (s. o.). Darüber hinaus habe der EuGH insbesondere nicht über die völkerrechtlichen Konsequenzen der Auslegung von Art. 267 und 344 AEUV geurteilt. Deshalb gebe die Deklaration nur die eigene Auffassung der signierenden Mitgliedstaaten zu den rechtlichen Folgen der Achmea-Entscheidung wieder. Überdies sind einige Erwägungen im Futur formuliert: „In light of the Achmea judgment, Member States will terminate all bilateral investment treaties concluded between them by means of a plurilateral treaty or, where that is mutually recognised as more expedient, bilaterally.“ […] Beyond actions concerning the Energy Charter Treaty based on this declaration, Member States together with the Commission will discuss without undue delay whether any additional steps are necessary to draw all the consequences from the Achmea judgment in relation to the intra-EU application of the Energy Charter Treaty.“1170

1168 Siehe Ceskoslovenska Obchodni Banka, A. S. v. The Slovak Republic, ICSID Case No. ARB/97/4, (Decision of the Tribunal on Objections to Jurisdiction), Rn. 31; Compañiá de Aguas del Aconquija S. A. and Vivendi Universal S. A. v. Argentine Republic (formerly Compañía de Aguas del Aconquija, S. A. and Compagnie Générale des Eaux v. Argentine Republic), ICSID Case No. ARB/97/3, (Decision on Jurisdiction, 14. November 2005), Rn. 61 ff. 1169 Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_eco nomy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1170 Ibid. S. 4, Hervorh. d. Verf.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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Dies zeige, dass die Mitgliedstaaten offenbar nicht davon ausgingen, dass ihre Intra-EU-BIT bereits beendigt wurden oder dass eine intra-unionale Anwendbarkeit des ECT bereits verboten sei. Eine Beendigung des Schiedsverfahrens sei dementsprechend aus Sicht der Richter nicht alleine deshalb geboten, da die Italienische Republik und das Königreich Belgien die Deklaration unterzeichnet haben. Hierfür ließen sich auch Art. 31 Abs. 2 lit. b) oder Abs. 3 lit. a) VCLT nicht heranziehen. Die Deklaration sei jedenfalls nicht „anlässlich des Vertragsabschlusses abgefasst“ („in connection with the conclusion of the treaty“) worden (vgl. Art. 31 Abs. 2 lit. b) VCLT) sondern 25 Jahre nach Vertragsabschluss. Hinsichtlich Art. 31 Abs. 3 lit. a) VCLTweisen die Schiedsrichter zunächst darauf hin, dass es einen Unterschied mache, ob alle Vertragsparteien oder nur ein Teil dieser eine spätere Übereinkunft in diesem Sinne abschließen. Die Bestimmungen eines Vertrages müssten generell einheitlich ausgelegt werden, sodass es hier nicht entscheidend darauf ankommen könne, dass die vorliegend betroffenen Staaten, die Italienische Republik und das Königreich Belgien, die Deklaration beide unterzeichnet haben. Darüber hinaus sei die Deklaration schwerlich eine Übereinkunft „über die Auslegung“ („regarding the interpretation“) des ECT. Vielmehr gebe sie nur aktuelle politische Ziele der Signatarstaaten wieder. Auch könne eine Übereinkunft i. S. d. Art. 31 Abs. 3 lit. a) VCLT nur eine bereits entwickelte Auslegung bestätigen oder unterstützen, nicht aber ein vollständig neues Verständnis ohne Rücksicht auf den Wortlaut und andere Auslegungsansätze festlegen. Deshalb sei die Deklaration wohl vielmehr ein Versuch, Vorbehalte zum ECT zu machen, als diesen klärend zu interpretieren.1171 Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang auch auf Art. 46 VCLT.1172 Ungeachtet dessen, könne der Deklaration jedoch ohnehin keine rückwirkende Geltung zugesprochen werden. Das Schiedsverfahren wurde in gutem Glauben Jahre vor Unterzeichnung der Deklaration eingeleitet. Dies stünde auch in Widerspruch zu Art. 25 Abs. 1 ICSID-Konvention. Abschließend gehen die Schiedsrichter noch auf die Thematik der Durchsetzbarkeit des Schiedsspruchs ein. Dabei stellen sie einleitend heraus, dass ohnehin keine Probleme auf Ebene der Durchsetzbarkeit eines Schiedsspruchs auch innerhalb 1171 Im Rahmen dieser Ausführungen verweisen die Schiedsrichter insbesondere auf International Law Commission, Draft Articles on the Law of Treaties with commentaries (1966) (abrufbar unter https://legal.un.org/ilc/texts/instruments/english/commentaries/1_1_1966.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 221; Report of the International Law Commission, 63. Session, Guide to Practice on Reservations to Treaties 2011 (abrufbar unter https://legal.un. org/ilc/reports/2011/english/addendum.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 3, 26, 63 ff., 76, 549, 555 f.; die Anwendbarkeit des Art. 31 Abs. 3 lit. a) VCLT bejahend Centeno Huerta/Kuplewatzky, EP 2019, 61 (76 f.). 1172 Vgl. Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 59, 225.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

der Europäischen Union zu erwarten wären, sollte der EuGH selbst noch entscheiden, dass die Erwägungen in der Achmea-Entscheidung nicht auch hinsichtlich des ECT greifen. Wenn jedoch gegenteiliges festgestellt würde, erkennt das Tribunal das Risiko bei einer Durchsetzung innerhalb der Europäischen Union. Auch im Rahmen eines Durchsetzungsverfahrens außerhalb der Europäischen Union bestünde ein Risiko, dass sich Gerichte im Rahmen der Prüfung des Art. 54 ICSID-Konvention unter Druck gesetzt wähnen könnten, einen Schiedsspruch nicht für vollstreckbar zu erklären.1173 Darüber hinaus könnte die Europäische Kommission eine Zahlung durch einen Mitgliedstaat als unionsrechtswidrige Beihilfezahlung klassifizieren und entsprechende Maßnahmen zur Rückforderung einleiten. Trotz des Anerkennens dieser Risiken in bestimmten Szenarien, sind die Schiedsrichter der Auffassung, dass sie jedenfalls keine „undurchsetzbare Entscheidung“ („unenforceable award“1174) erlassen würden.1175 Es könne nichts an der Zuständigkeit des Tribunals ändern, dass auf Ebene von Durchsetzungsprozessen Probleme vorhersehbar seien. In Anbetracht all dessen kommt das Schiedsgericht zu dem Ergebnis, dass die Achmea-Objection – wenn man diese Objection angesichts der weit gefächerten Einwände hinsichtlich des Einflusses des Unionsrechts durch die Beklagte und die Europäische Kommission hier überhaupt noch so nennen kann – vollumfänglich zurückzuweisen ist. d) Zwischenergebnis Die Schiedsrichter befassen sich mit nahezu allen Einwänden, die die Beklagte und die Europäische Kommission vortrugen. Dabei wird jedoch auch die grundsätzliche Einstellung des Tribunals zu den Einwänden deutlich. An der Zuständigkeit des Tribunals könne das Unionsrecht auch im Lichte der Achmea-Entscheidung und der Januar-Deklarationen nichts ändern.1176 Dass sich die Richter dabei vielfach mit allgemeinen Fragen um die Bindungswirkung der Achmea-Entscheidung auseinandersetzen, dürfte weitgehend der Formulierung der Einwände durch die Beklagte und die Europäische Kommission geschuldet sein. Gleichwohl enthält die Entscheidung derartige Formulierungen:

1173

Siehe hierzu auch Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/ files/business_economy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investmenttreaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 4. 1174 Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 233. 1175 Siehe hierzu auch Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 102 ff. 1176 Dem jedenfalls hinsichtlich der Januar-Deklarationen zustimmend Germelmann, EuR 2020, 375 (390 Fn. 78).

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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„The Tribunal starts by noting that the CJEU did not purport to conduct any international law conflicts analysis. It concluded that an incompatibility existed between Article 8 of the Achmea BIT and the EU legal system, in particular Articles 267 and 344 TFEU. But the CJEU did not indicate by what means such an incompatibility should be resolved. It made no reference either to an alleged hierarchy of norms between EU law derived from the TFEU and general international law norms contained in an international investment treaty. The CJEU accordingly did not discuss any of the conflict of norms principles this Tribunal carefully examined in Section V. B. 1 above, including application of VCLT Article 30, which is not even mentioned in the Achmea Judgment.“1177

Auch hier ist nicht eindeutig, ob solche Hinweise lediglich klarstellend wirken sollen, oder ob die Schiedsrichter unterstellen, dass die Achmea-Entscheidung eine andere Wirkung auf die Beurteilung der Zuständigkeit hätte, wenn die EuGHRichter – auf welcher Grundlage sei hier dahingestellt – die Wirksamkeit von IntraEU-BIT und womöglich auch des ECT auch im völkerrechtlichen Kontext beurteilt hätten. Angesichts der dezidierten Erörterung des Tribunals ist jedoch ersteres zu vermuten. Zweifelhaft ist allerdings die Feststellung, Art. 26 Abs. 6 ECT ermögliche eine Unionsrechtsanwendung nicht.1178 Dies zumal gleichwohl die Berücksichtigung als Tatsache („as a matter of fact“1179) erwogen wird, ohne tatsächlich aufzuwerfen, dass dies die Unionsrechtsautonomie ebenso berühren könnte. Weitere Möglichkeiten, inwieweit Unionsrecht im Rahmen der Begründetheit eine Rolle spielen kann (s. o.), ziehen die Schiedsrichter nicht in Betracht. Bedeutung erlangt diese Kritik vor allem, da das Schiedsgericht die Geltung der Achmea-Entscheidung für den ECT insbesondere auch deshalb verneint hat, da letzterer gar nicht die Anwendung von Unionsrecht in der Begründetheit ermöglichte.1180 Letztlich ist jedoch auch dieser Zwischenentscheid im Ergebnis schlüssig. Die – nicht ausdrücklich so bezeichnete – Ablehnung der Konstruktion einer impliziten Trennungsklausel ist zu begrüßen (s. o.) und bewegt sich auf der Linie der bisherigen schiedsgerichtlichen Praxis. Dass darüber hinaus im Grunde dasselbe Ergebnis über die Einwirkung der Unionsverträge, der Achmea-Entscheidung und der JanuarDeklarationen herzuleiten sein könnte, stößt verständlicher Weise auf Widerstand unter den Schiedsrichtern. Solange sich die Schiedsgerichte bei der Zurückweisung der Intra-EU Jurisdictional Objection bzw. der Achmea-Objection im Rahmen des durch den ECT, die VCLT und auch die maßgebliche Schiedsordnung Vorgegebenen halten, ist dies kaum zu missbilligen.

1177

Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 179; Hervorh. d. Verf. 1178 Siehe dazu oben Kapitel II A. III. 1. 1179 Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 123, 176. 1180 Ibid. Rn. 171 ff.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

4. Rockhopper Italia S. p. A., Rockhopper Mediterranean Ltd, and Rockhopper Exploration Plc v. Italian Republic Am 29. Juni 2019 erließ das ICSID-Schiedsgericht in Verfahren Rockhopper Italia S. p. A., Rockhopper Mediterranean Ltd, and Rockhopper Exploration Plc v. Italian Republiceinen Zwischenentscheid zur Achmea-Objection.1181 Kläger sind eine italienische und zwei großbritannische Gesellschaften, Beklagte ist die Italienische Republik. Die maßgebliche Schiedsklausel ist Art. 26 ECT. Der Antrag auf Einleitung des Schiedsverfahrens erfolgte am 14. April 2017. Ganz auf der Linie der bereits analysierten Schiedssprüche weist auch dieses Tribunal die Achmea-Objection im Ergebnis ab.1182 Hinsichtlich der Frage, ob Bestimmungen des ECT im intra-unionalen Kontext durch das Unionsrecht modifiziert oder verdrängt wurden, verweist das Tribunal vollumfänglich auf die Ausführungen der Schiedsrichter in Blusun S. A., Jean-Pierre Lecorcier and Michael Stein v. Italian Republic.1183 Es stellt hierzu fest: „[T]he Tribunal adopts the reasoning in Blusun as a correct articulation of the position. The Tribunal does not consider it necessary to add or subtract in any way from the Blusun reasoning.“1184

Dabei macht sich das hiesige Tribunal insbesondere die Auffassung zu eigen, in den ECT sei keine implizite Trennungsklausel zu interpretieren und es läge bereits keine Unvereinbarkeit zwischen Art. 26 ECT und Unionsrecht – insbesondere Art. 267 und 344 AEUV – vor. Da jedoch die Entscheidung des Blusun-Tribunals vor Ergehen der AchmeaEntscheidung gesprochen wurde, wenden sich die hiesigen Schiedsrichter in einem weiteren Schritt den Implikationen jener Entscheidung auf die Beurteilung der Zuständigkeit zu. Nach einer Analyse der Achmea-Entscheidung kommen sie zu folgenden fünf Schlussfolgerungen: „(a) the answer given by the CJEU is confined, on a full, rather than selective, analysis of the whole judgment, to the specific context of Article 8 of the Achmea BIT only; (b) the question, of wider application to ISDS clauses, posed by the Bundesgerichtshof was not answered so, therefore, no view can be inferred as to the compatibility of such clauses with EU law insofar as the opinion of the CJEU is concerned. Had the CJEU wished to

1181

Rockhopper Italia S. p. A., Rockhopper Mediterranean Ltd, and Rockhopper Exploration Plc v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/17/14, (Decision on the Intra-EU Jurisdictional Objection). 1182 Siehe für die folgenden Ausführungen ibid. Rn. 141 ff. 1183 Siehe Blusun S. A., Jean-Pierre Lecorcier and Michael Stein v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/14/3, (Final Award), Rn. 277 ff. 1184 Rockhopper Italia S. p. A., Rockhopper Mediterranean Ltd, and Rockhopper Exploration Plc v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/17/14, (Decision on the Intra-EU Jurisdictional Objection), Rn. 146.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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answer the widely-drawn questions posed by the Bundesgerichtshof, then presumably it would have done so; (c) the mandatory requirement in Article 8(6) of the Achmea BIT for a tribunal constituted under that treaty to decide a dispute according, amongst others, to (i) „the law in force of the Contracting Party concerned“ and (ii) „the provisions of this Agreement, and other relevant agreements between the Contracting Parties“ was the treaty language which transgressed EU law; (d) the CJEU does not go so far as to say that the Slovak Republic or the Kingdom of the Netherlands are barred from offering to enter into arbitration agreements. Rather, the Tribunal understands the position to be more correctly that the objection by Respondent forming of what it says is the gravamen of Achmea is to the extent of the authority given to such a tribunal to decide a dispute. Put another way, it appears that EU Member States may bring such arbitral tribunals into being, but, according to the position adopted by Respondent, they are not allowed by EU law to authorise such arbitral tribunals to interpret or apply such law; and (e) the CJEU does not make any comment on, nor does it gainsay the authority of that UNCITRAL tribunal to rule according to the general principles of international law. Its sole concern revolves around the two parts of Article 8(6) of the Achmea BIT which it says engage the application or interpretation of EU law.“

In Übereinstimmung mit den Erkenntnissen des Vattenfall-Tribunals und des Masdar-Tribunals (s. o.) sind die Schiedsrichter dementsprechend auch der Auffassung, die Achmea-Entscheidung treffe keine Aussage hinsichtlich des ECT. Dementsprechend sei jedenfalls auch keine Unvereinbarkeit zwischen ECT und Unionsrecht ersichtlich („there is no ground of incompatibility“1185). Anschließend widmet sich das Tribunal den möglichen Auswirkungen der JanuarDeklaration vom 15. Januar 20191186 (s. o.), welche sowohl die Italienische Republik als auch das Vereinigte Königreich unterzeichnet haben. Dabei stellt es fest, dass die Inhalte der drei teilweise unterschiedlichen Deklarationen (s. o.) nicht als „gemeinsame Sicht“ („common view“1187) aller Mitgliedstaaten angesehen werden können, da eben nicht jeder Mitgliedstaat die gleiche Deklaration unterschrieb. Dies mache es unmöglich, die Deklaration vom 15. Januar 2019 als Teil des Unionsrechts zu betrachten. Ebenso wenig seien sie auch als authentische Interpretation des Unionsrechts anzusehen. Sie enthalten bloß allgemeine Sichtweisen und Absichten der Mitgliedstaaten. Insbesondere folgende Passage der Deklaration stellen die Schiedsrichter heraus: 1185

Ibid. Rn. 174. Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_eco nomy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1187 Rockhopper Italia S. p. A., Rockhopper Mediterranean Ltd, and Rockhopper Exploration Plc v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/17/14, (Decision on the Intra-EU Jurisdictional Objection), Rn. 179. 1186

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

„Beyond actions concerning the Energy Charter Treaty based on this declaration, Member States together with the Commission will discuss without undue delay whether any additional steps are necessary to draw all the consequences from the Achmea judgment in relation to the intra-EU application of the Energy Charter Treaty.“1188

Dies zeige vor allem, dass der ECT unterschiedlich zu behandeln sei als Intra-EUBIT und dass eine Reform des ECT lediglich zur Diskussion stehe. Insgesamt stehe aber die Aufnahme einer impliziten Trennungsklausel in den ECT durch eine solche Deklaration – ohne dass der ECT hierfür Anhaltspunkte bieten würde – ohnehin in Widerspruch mit dem, was eine Vertragsinterpretation im Völkerrecht zulassen würde. Die geltend gemachten Einwände gegen die Zuständigkeit des Tribunals seien dementsprechend im Ergebnis zurückzuweisen. Bemerkenswert ist diese Entscheidung insoweit, als dass das Tribunal an keiner Stelle auf die von der Beklagten angeführten Bestimmungen der VCLT eingeht.1189 Es wird lediglich auf 17 Randnummern der Entscheidung im Blusun-Verfahren verwiesen, in welchen die VCLT thematisiert wird. Dies ist angesichts der AchmeaEntscheidung und der damit einhergehenden Klärung hinsichtlich der Reichweite der Unionsrechtsautonomie durchaus ungenau. Die Ausführungen des Tribunals dürften jedoch davon getragen sein, dass es spürbar davon überzeugt ist, die Achmea-Entscheidung enthalte keinerlei Aussage über die Unionsrechtswidrigkeit des ECT. Dies ist im Lichte der obigen Analyse1190 zwar nach hiesiger Lesart der Entscheidung abzulehnen, mit Blick auf die insoweit einheitliche schiedsgerichtliche Rechtsprechung (s. o.) jedoch vertretbar. Darüber hinaus beziehen sich die Erwägungen der Schiedsrichter kaum darauf, dass eine mögliche Unionsrechtswidrigkeit von Art. 26 ECT die Folge haben könnte, dass die Italienische Republik gar kein Angebot zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung abgegeben haben könnte.1191 Es wird auf einer weitaus allgemeineren Ebene argumentiert.

1188

Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_eco nomy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 4. 1189 Siehe zu den dahingehenden Ausführungen der Beklagten Rockhopper Italia S. p. A., Rockhopper Mediterranean Ltd, and Rockhopper Exploration Plc v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/17/14, (Decision on the Intra-EU Jurisdictional Objection), Rn. 70, 75 ff., 109 ff., 131 ff. 1190 Siehe Kapitel II A. III. 1191 Siehe insoweit nur Rockhopper Italia S. p. A., Rockhopper Mediterranean Ltd, and Rockhopper Exploration Plc v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/17/14, (Decision on the Intra-EU Jurisdictional Objection), Rn. 197; siehe zu der dahingehenden Ausführung der Beklagten ibid. Rn. 65.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

249

5. Zwischenergebnis Die soeben begutachteten Schiedssprüche gleichen sich nicht nur im Ergebnis, sondern auch an vielen Stellen im Rahmen der zugehörigen Begründung. Dies mag daran liegen, dass sich die Schiedsrichter häufig auf bereits ergangene Judikate beziehen und deren Argumente teilweise übernehmen. Basis dessen dürfte sein, dass all diese Verfahren auf demselben Vertrag, dem ECT, beruhen und der schiedsgerichtlichen Rechtsprechung auf Grundlage des ECT vor diesem Hintergrund eine gewisse Präzedenzwirkung zugesprochen wird.1192 Wie bereits angedeutet, spielen hierbei vor allem die Vattenfall-Entscheidung, aber auch die vorliegend lediglich mittelbar beleuchtete Masdar-Entscheidung eine wesentliche Rolle. Den Schiedssprüchen ist insbesondere gemein, dass die Hypothese einer impliziten Trennungsklausel im ECT – ebenso wie vor Ergehen der Achmea-Entscheidung – abgelehnt wird. Dem ist zuzustimmen. Dass darüber hinaus die Achmea-Entscheidung im Rahmen der Anwendung der Bestimmungen der VCLT zu einem identischen Ergebnis führen könnte, wird nicht stets in Betracht gezogen und ansonsten verneint. Essentiell ist dabei, ob und inwieweit die Achmea-Entscheidung so zu verstehen ist, dass sie auch die Unionsrechtskonformität des ECT berührt. Dies dürfte eine Frage der Auslegung der Entscheidung sein, sodass die dahingehend reservierte Haltung der Schiedsrichter hinzunehmen ist. Die Entscheidungen überraschen im Ergebnis kaum. Dennoch ist bemerkenswert, wie außerordentlich kritisch die Tribunale den Einwänden der Beklagten gegenüberstehen. Immerhin hat der EuGH in der Achmea-Entscheidung deutlich gemacht, wie Schiedsklauseln, die eine streitentscheidende Unionsrechtsanwendung ermöglichen, aus unionsrechtlicher Perspektive zu bewerten sind. Auch wenn sich die Erwägungen des EuGH wohl teilweise nur auf BIT anwenden lassen und wenn die Entscheidung auch tatsächlich Anhaltspunkte enthält, weshalb der ECT nicht angesprochen sein könnte, ist doch die Reichweite der Autonomie des Unionsrechts deutlich geworden. Es mutet deshalb zweifelhaft an, wenn beispielsweise das Eskosol-Tribunal feststellt: „[…] the Tribunal sees no basis for finding that the Achmea Judgment extends to ECT cases“1193

Auch mit Blick auf das CETA-Gutachten ist anzunehmen, dass der ECT, so, wie er jetzt besteht und angewendet wird, nicht als mit der Autonomie des Unionsrechts vereinbar angesehen werden kann (s. o.). Hinzu kommen die bereits skizzierten 1192 Vgl. Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Happ, International Investment Law, S. 240 (260 Rn. 63). 1193 Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 177, Hervorh. d. Verf.; vgl. in diese Richtung auch Rockhopper Italia S. p. A., Rockhopper Mediterranean Ltd, and Rockhopper Exploration Plc v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/17/14, (Decision on the Intra-EU Jurisdictional Objection), Rn. 174; ebenso kritisch hierzu Scheu/Nikolov, GYIL 2019, 475 (490 f.) und allg. auch Centeno Huerta/Kuplewatzky, EP 2019, 61 (71 f.).

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Bemühungen der Europäischen Kommission sowie die Januar-Deklarationen vom Januar 2019. Es ist aber wohl vertretbar, dass all dies unmittelbar – auch über die VLCT – nichts an dem wirksamen Abschluss einer Schiedsvereinbarung ändern könnte. Dies zumal jene vielfach bereits vor der Achmea-Entscheidung geschlossen wurden. Es bleibt dementsprechend abzuwarten, wie Tribunale mit Streitigkeiten umgehen, bei welchen eine Schiedsvereinbarung womöglich nach Ergehen der Achmea-Entscheidung geschlossen wurde. Bedeutung erlangen diesbezüglich künftig vor allem zusätzlich die Entscheidung des EuGH in bereits anhängigen Verfahren zur Unionsrechtskonformität von Art. 26 ECT (s. o.)1194 sowie die Entwicklungen im Reformprozess um den ECT1195.

IV. Durchsetzungs- und Aufhebungsprozesse In diesem Abschnitt soll eine Übersicht über die Auswirkungen der AchmeaEntscheidung sowohl auf Durchsetzungsprozesse als auch auf Aufhebungsprozesse gegeben werden. Immerhin wurde von den beklagten Gaststaaten vielfach angeführt, dass die Zuständigkeit eines Tribunals zu verneinen sei, sofern eine Durchsetzung des Schiedsspruchs ausgeschlossen wäre (s. o.).1196 Darüber hinaus dürften die Erfolgsaussichten in einem Durchsetzungsverfahren für einen Investor entscheidend sein, wenn es um die Frage geht, ob überhaupt ein Schiedsverfahren eingeleitet werden sollte. Die Auswirkungen der Entscheidung für Aufhebungsverfahren dürften insbesondere für betroffene Gaststaaten relevant werden. Dennoch beschränken sich die folgenden Ausführungen auf einen bloßen Überblick, um den

1194 Siehe u. a. EuGH, Gerichtsmitteilung vom 8. Oktober 2019, Rs. C-741/19, in: BeckEuRS 2019, 620735; siehe auch das Vorabentscheidungsersuchen vom 11. Mai 2020 Rs. C-109/ 20 des Högsta domstolen (Schweden) (siehe dazu BeckEuRS 2020, 629911) und den Antrag des Königreichs Belgien auf Gutachten 1/20 nach Art. 218 Abs. 11 AEUV vom 29. Januar 2021 (abrufbar unter https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=AED4481F9A4 83AD2D5917E204E1FB825?text=&docid=237792&pageIndex=0&doclang=DE&mode= lst&dir=&occ=first&part=1&cid=11193185, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe auch Batifort, ASIL DRIG: The Future of Investor-State Dispute Settlement under the Energy Charter Treaty, Kluwer Arbitration Blog, 29. März 2021, http://arbitrationblog.kluwerarbitrati on.com/2021/03/29/asil-drig-the-future-of-investor-state-dispute-settlement-under-the-energycharter-treaty/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1195 Siehe dazu https://www.energychartertreaty.org/modernisation-of-the-treaty/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe auch EU Text Proposal for the Modernisation of the Energy Charter Treaty (ECT) (abrufbar unter https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2020/may/ tradoc_158754.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1196 Siehe bspw. United Utilities B. V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia, ICSID Case No. ARB/14/24, (Award of the Tribunal), Rn. 490; Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 38.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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Schwerpunkt dieser Arbeit nicht zu verschieben.1197 Dafür ist zunächst der rechtliche Rahmen sowohl für Durchsetzungs- (1.) als auch für Aufhebungsprozesse (2.) darzustellen, bevor kursorisch auf den in dieser Hinsicht besonders aufschlussreichen Prozessverlauf im sog. Micula-Verfahren (s. o.) eingegangen wird (3.). 1. Durchsetzungsprozesse a) Allgemeines Im Rahmen von Durchsetzungsprozessen spielt die New York Convention eine zentrale Rolle (s. o.).1198 Die New York Convention gehört zu den weltweit am weitreichendsten ratifizierten internationalen Übereinkommen.1199 Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind Signatarstaaten der New York Convention,1200 sodass diese jedenfalls anwendbar ist, wenn die Durchsetzung eines – nicht der ICSID-Konvention unterfallenden – Schiedsspruchs durch ein Tribunal mit Sitz in einem anderen Signatarstaat innerhalb der Europäischen Union beantragt wird, vgl. Art. I New York Convention.1201 Gem. Art. III New York Convention erkennt jeder Vertragsstaat Schiedssprüche als wirksam an und lässt sie zur Vollstreckung zu, sofern nicht insbesondere ein Fall des Art. V New York Convention vorliegt. Für die Durchsetzung eines Schiedsspruchs, der auf Grundlage einer potentiell unionsrechtswidrigen Schiedsklausel erlassen wurde, ist Art. V Abs. 1 lit. a) und Abs. 2 lit. b) New York Convention entscheidend.1202 Dieser lautet in authentischer englischer Sprache1203 : „(1) Recognition and enforcement of the award may be refused, at the request of the party against whom it is invoked, only if that party furnishes to the competent authority where the recognition and enforcement is sought, proof that: a) The parties to the agreement referred to in article II were, under the law applicable to them, under some incapacity, or the said agreement is not valid under the law to which the parties have subjected it or, failing any indication thereon, under the law of the country where the award was made; or […]. 1197 Siehe ausführlich hierzu in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland Bertolini, Die Durchsetzung von ISDS-Entscheidungen in Deutschland, S. 198 ff. 1198 Abrufbar unter http://www.newyorkconvention.org/11165/web/files/original/1/5/15432. pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021. 1199 Dugan/Wallace/Rubins/Sabahi, Investor-State Arbitration, S. 679. 1200 Siehe für eine Übersicht der Signatarstaaten http://www.newyorkconvention.org/coun tries, zuletzt abgerufen am 1. September 2021. 1201 Wehland, JWIT 2016, 942 (950). 1202 Siehe aber Lo´pez-Rodri´guez, TEL 2019, 279 (292), die im Rahmen einer weiten Auslegung der Achmea-Entscheidung auch Art. V Abs. 2 lit. a) New York Convention für einschlägig hält; dies ablehnend Baltag/Stanicˇ /Stanicˇ , The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 143 (148 f.). 1203 Siehe Art. XVI Abs. 1 New York Convention.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

(2) Recognition and enforcement of an arbitral award may also be refused if the competent authority in the country where recognition and enforcement is sought finds that: […] a) The recognition or enforcement of the award would be contrary to the public policy of that country.“1204

Diese Bestimmungen dürften von einem Gericht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union anders angewendet werden, als von einem drittstaatlichen Gericht. aa) Verfahren in Mitgliedstaaten der Europäischen Union Der EuGH hat – nach hiesiger Lesart – festgestellt, dass die Schiedsklauseln aller Intra-EU-BIT (und wohl auch des ECT) mit Art. 267 und 344 AEUV als Ausdruck der Autonomie des Unionsrechts unvereinbar sind (s. o.). Jedenfalls die mitgliedstaatlichen Gerichte sind an die vom EuGH vorgegebene Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV gebunden (s. o.). Zunächst könnte deshalb Art. V Abs. 1 lit. a) New York Convention greifen.1205 Die Durchsetzung darf danach unter anderem versagt werden, wenn der Gaststaat nach dem Recht, das für ihn maßgeblich ist, nicht fähig war, eine Schiedsvereinbarung zu schließen, oder, wenn die Parteien keine Vereinbarung über das Recht, dem die Schiedsvereinbarung unterstellt werden soll, getroffen haben, die Schiedsvereinbarung nach dem Recht des Landes, in dem der Schiedsspruch ergangen ist, ungültig ist. Zum einen könnte ein Mitgliedstaat nach seinem Recht – also auch nach Unionsrecht (s. o.) – aufgrund der Bindung an die Auslegung des EuGH daran gehindert sein, eine Schiedsvereinbarung zu schließen.1206 Zum anderen könnte – im Falle des Sitzes des Tribunals innerhalb der Europäischen Union – eine Schiedsvereinbarung nach Unionsrecht als Recht des Landes, in dem der Schiedsspruch ergangen ist, mangels wirksamen Angebots durch den Gaststaat ungültig sein.1207 Im intra-unionalen Kontext ist angesichts der Achmea-Entscheidung beides zu bejahen. Daneben könnte auch Art. V Abs. 2 lit. b) New York Convention einschlägig sein.1208 Art. V Abs. 2 lit. b) New York Convention ist eine Art Auffangtatbestand im Rahmen des Art. V New York Convention, dessen Bemühung in der Regel erfolglos

1204 Eine nicht authentische Übersetzung ins Deutsche ist abrufbar unter http://www.new yorkconvention.org/11165/web/files/original/1/5/15457.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021. 1205 So bereits vor Ergehen der Achmea-Entscheidung Wehland, JWIT 2016, 942 (950 ff.). 1206 So Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (264 f.). 1207 So ibid. 1208 So bereits vor Ergehen der Achmea-Entscheidung Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/ Bungenberg/Hobe, International Investment Law, S. 1602 (1623 Rn. 49 Fn. 150) und Wehland, JWIT 2016, 942 (953 ff.).

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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ist.1209 Grundsätzlich sind enge Maßstäbe an die Beurteilung einer Beeinträchtigung der „öffentlichen Ordnung“ („public policy“) zu stellen.1210 Eine mögliche Definition der „öffentlichen Ordnung“ in diesem Sinne ist: „Enforcement of foreign arbitral awards may be denied on this basis only where enforcement would violate the forum state’s most basic notions of morality and justice.“1211

Derart abstrakte Begriffsbestimmungen können indes keine abschließende Klarheit erzeugen.1212 Schließlich ist die Bejahung des Art. VAbs. 2 lit. b) New York Convention stets einzelfallabhängig. Überdies ist die „öffentliche Ordnung“ in diesem Sinne auch Gegenstand zeitlichen Wandels.1213 Hier stellt sich zuvörderst die Frage, ob und inwieweit die durch die AchmeaEntscheidung konkretisierte Autonomie des Unionsrechts als Teil der „öffentlichen Ordnung“ i. S. d. Art. V Abs. 2 lit. b) New York Convention des jeweiligen Mitgliedstaats bzw. der Europäischen Union anzusehen ist. Dann würde die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs auf Basis einer Schiedsklausel, die mit der Autonomie des Unionsrechts unvereinbar ist, der öffentlichen Ordnung widersprechen und dürfte die Vollstreckung somit versagt werden. Der EuGH entschied bereits im Jahre 1999, dass Art. 81 EG-Vertrag (heute Art. 101 AEUV) eine Bestimmung ist, die der öffentlichen Ordnung zuzurechnen sei.1214 Demnach scheint es aus Sicht des EuGH für einen Widerspruch zur öffentlichen Ordnung darauf anzukommen, ob eine „grundlegende Bestimmung […], die für die Erfüllung der Aufgaben der Gemeinschaft und insbesondere für das Funktionieren des Binnenmarktes unerläßlich ist“1215, verletzt wurde.1216 In diesem Sinne wird vertreten, Art. 107 AEUV könnte eine solche Bestimmung darstellen.1217 Darüber hinaus werden als „grundlegend“ in diesem Sinne auch die Verhinderung von Diskriminierung, die Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion, die Errichtung eines Gebiets der Freiheit, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit sowie die 1209

So Kronke/Nacimiento/Otto/Port/Otto/Elwan, New York Convention, Art. V S. 365. Ibid. Art. V S. 366 f.; siehe für eine Übersicht zu einschlägigen Fallgruppen ibid. Art. V S. 369 ff. 1211 United States Court of Appeals, Second Circuit, 23. Dezember 1974, 508 F.2d 969, 974, in: ILM, 14(2), 504 ff. 1212 So auch Wolff/Wolff, New York Convention, Art. V Rn. 495. 1213 Ibid. 1214 EuGH, Urteil vom 1. Juni 1999, Rs. C-126/97, Eco Swiss China Time Ltd/Benetton International NV, ECLI:EU:C:1999:269, Rn. 36 ff., 39; siehe auch EuGH, Urteil vom 13. Juli 2006, verbundene Rs. C-295/04 bis C-298/04, Manfredi, ECLI:EU:C:2006:461, Rn. 31; BGH, Urteil vom 27. Februar 1969, Rs. KZR 3/68, in: NJW 1966, 978 (979) und diesbzgl. Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, K. 24, Rn. 45. 1215 EuGH, Urteil vom 1. Juni 1999, Rs. C-126/97, Eco Swiss China Time Ltd/Benetton International NV, ECLI:EU:C:1999:269, Rn. 36. 1216 So auch Wehland, JWIT 2016, 942 (953 f.) sowie Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (228). 1217 Wehland, JWIT 2016, 942 (950). 1210

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Bestimmungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union angesehen.1218 Andere zählen alle „zwingenden Normen“ des Unionsrechts dazu.1219 Wieder andere stellen allgemeiner darauf ab, der EuGH habe in dieser (und folgenden) Entscheidung festgestellt, dass für Art. V Abs. 2 lit. b) New York Convention generell eine Unvereinbarkeit des Schiedsspruchs mit den Unionsverträgen ausreiche1220 – was jedoch zu weit geht1221. Dementsprechend wird auch angenommen, speziell die Autonomie des Unionsrechts gehöre zur öffentlichen Ordnung der Mitgliedstaaten.1222 Immerhin stützt der EuGH seine Erwägungen um die Autonomie des Unionsrechts unter anderem auf Art. 2 EUV, welcher die grundlegenden Werte der Europäischen Union statuiert.1223 Deshalb wird in der Literatur im Ergebnis vielfach vertreten, (Nicht-ICSID-) Schiedssprüche, die auf Intra-EU-BIT beruhen, seien innerhalb der Union nicht durchsetzbar,1224 oder es sei die Durchsetzbarkeit zumindest erheblich erschwert.1225 Teilweise wird dies darüber hinaus auch für Schiedssprüche auf Basis von Art. 26 ECT für möglich gehalten.1226 Festzuhalten bleibt also, dass die Erfolgsaussichten im Rahmen eines Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahrens eines (Nicht-ICSID-)Intra-EU-Schiedsspruchs innerhalb der Europäischen Union jedenfalls erheblich geschmälert sind. Hin1218

Basedow, JIntlArb 2015, 367 (373). Musielak/Voit/Voit, ZPO, § 1061 Rn. 27 m. w. N.; Zöller/Geimer, ZPO, § 1061 Rn. 48; vgl. auch Yannaca-Small/Reinisch, Arbitration under International Investment Agreements, II., S. 797 (808 Rn. 29.41). 1220 Restrepo Amariles/Farhadi/Van Waeyenberge, ICLQ 2020, 907 (924 f.); vgl. auch Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 161, 220 m. w. N. zur Rechtsprechung des EuGH; in diese Richtung wohl auch Gáspár-Szilágyi, EP 2018, 357 (372 Fn. 78). 1221 So auch Bertolini, Die Durchsetzung von ISDS-Entscheidungen in Deutschland, S. 200, 208; vgl. auch Salger/Trittmann/Pfeiffer, Internationale Schiedsverfahren, § 15 Rn. 28. 1222 Berger, International Investment Protection in Europe, S. 188 f.; Berger, EuZW 2021, 342 (346); Janssen/Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (130); Lang, BTWR 156/2018, S. 21; Lee, CAAJ 2018, 137 (148); Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, JZ 2018, 511 (516); in diese Richtung auch speziell hinsichtlich UNCITRAL-Schiedssprüchen Gáspár-Szilágyi, EP 2018, 357 (372). 1223 Siehe EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU:C:2018:158, Rn. 34 f.; ebenso Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, JZ 2018, 511 (516). 1224 Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (265); siehe allgemein hierzu auch Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_ finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 3 f. 1225 Janssen/Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (130); vgl. auch Damjanovic/Quirico, ColumJEurL 2019, 102 (131); Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (353); Lee, CAAJ 2018, 137 (148). 1226 Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (353), vgl. auch Basener, DVBl 2018, 573 (579). 1219

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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sichtlich Intra-EU-BIT dürften die mitgliedstaatlichen Gerichte jedenfalls von einem Anwendungsfall der acte clair- oder acte éclairé-Doktrin ausgehen.1227 Dies scheint sogar hinsichtlich eines Schiedsspruchs auf Basis von Art. 26 ECT nicht von vornherein ausgeschlossen – wobei diesbezüglich bereits Verfahren beim EuGH anhängig sind.1228 bb) Verfahren in Drittstaaten Bei Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren außerhalb der Europäischen Union ist zunächst die Anwendbarkeit der New York Convention zu klären, vgl. Art. I New York Convention.1229 Sofern dies nicht der Fall ist, greift das nationale Recht des Drittstaats.1230 Im Falle der Anwendbarkeit der New York Convention ist Art. VAbs. 1 lit. a) New York Convention in gleicher Weise passend, wie bei einem Verfahren innerhalb der Europäischen Union.1231 Allerdings sind drittstaatliche Gerichte unmittelbar weder an Unionsrecht noch speziell an die Auslegung des EuGH gebunden.1232 Dementsprechend hat in diesen Verfahren stets das drittstaatliche Gericht das „letzte Wort“.1233 Auch die acte clair- bzw. die acte éclairé-Doktrin entfalten dort keine Bedeutung. Insoweit ist es unwahrscheinlich, dass drittstaatliche Gerichte eine Vollstreckbarkeit aufgrund von Art. V Abs. 1 lit. a) New York Convention verneinen.1234

1227

So bspw. jüngst OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11. Februar 2021 – 26 SchH 2/ 20 in BeckRS 2021, 1799 Rn. 42 („acte clair“); a. A. Wuschka, ZEuS 2018, 25 (40). 1228 Siehe u. a. EuGH, Gerichtsmitteilung vom 8. Oktober 2019, Rs. C-741/19, in: BeckEuRS 2019, 620735; siehe auch das Vorabentscheidungsersuchen vom 11. Mai 2020 Rs. C-109/ 20 des Högsta domstolen (Schweden) (siehe dazu BeckEuRS 2020, 629911) und den Antrag des Königreichs Belgien auf Gutachten 1/20 nach Art. 218 Abs. 11 AEUV vom 29. Januar 2021 (abrufbar unter https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=AED4481F9A4 83AD2D5917E204E1FB825?text=&docid=237792&pageIndex=0&doclang=DE&mode= lst&dir=&occ=first&part=1&cid=11193185, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe auch Batifort, ASIL DRIG: The Future of Investor-State Dispute Settlement under the Energy Charter Treaty, Kluwer Arbitration Blog, 29. März 2021, http://arbitrationblog.kluwerarbitrati on.com/2021/03/29/asil-drig-the-future-of-investor-state-dispute-settlement-under-the-energycharter-treaty/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1229 Siehe dazu ausführlich MüKoZPO/Adolphsen, Anhang 1. zu § 1061 ZPO, Art. I UNÜ, Rn. 1 ff. 1230 Engel, SchiedsVZ 2015, 218 (220). 1231 So auch Wehland, JWIT 2016, 942 (956). 1232 Lang, BTWR 156/2018, S. 22. 1233 Wehland, JWIT 2016, 942 (956 f.). 1234 Ebenso Baltag/Stanicˇ /Stanicˇ , The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 143 (147).

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Demgegenüber dürfte Art. VAbs. 2 lit. b) New York Convention hier nie relevant werden.1235 Schließlich ist schwerlich anzunehmen, die Autonomie des Unionsrechts oder überhaupt Bestimmungen des Unionsrechts könnten als Teil der öffentlichen Ordnung eines Drittstaats angesehen werden.1236 Demgemäß wird auch vertreten, die Achmea-Entscheidung habe keinerlei Auswirkungen auf diese Verfahren.1237 Angesichts der möglichen Anwendung von Art. V Abs. 1 lit. a) New York Convention ist gleichwohl davon auszugehen, dass die Achmea-Entscheidung auch die Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren außerhalb der Europäischen Union jedenfalls mittelbar beeinflussen kann. b) ICSID-Schiedssprüche Besonderheiten gelten für Schiedssprüche, die auf Basis der ICSID-Konvention gesprochen wurden. Die ICSID-Konvention sieht nämlich in Art. 53 ff. selbst Vorschriften zur Vollstreckung von Schiedssprüchen vor. Die Art. 53 ff. ICSID-Konvention gelten im Rahmen von Vollstreckungsverfahren für die Gerichte von Signatarstaaten der ICSID-Konvention. Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union bis auf die Republik Polen sind Signatarstaaten (s. o.).1238 Art. 53 Abs. 1 ICSID-Konvention lautet: „The award shall be binding on the parties and shall not be subject to any appeal or to any other remedy except those provided for in this Convention. Each party shall abide by and comply with the terms of the award except of the extent that enforcement shall have been stayed pursuant of the relevant provisions of this Convention.“

Art. 54 Abs. 1 ICSID-Konvention lautet: „Each Contracting State shall recognize an award rendered pursuant to this Convention as binding and enforce the pecuniary obligations imposed by that award within its territories as if it were a final judgment of a court in that State. A Contracting State with a federal constitution may enforce such an award in or through its federal courts and may provide that such courts shall treat the award as if it were a final judgment of the courts of a constituent state.“

Art. 54 Abs. 3 ICSID-Konvention lautet: „Execution of the award shall be governed by the laws concerning the execution of judgments in force in the State in whose territories such execution is sought.“

1235

So auch Wehland, JWIT 2016, 942 (956). Janssen/Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (129). 1237 Ibid.; Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (354); vgl. auch de Sadeleer, EJRR 2018, 355 (368); insoweit differenzierender Lang, BTWR 156/2018, S. 22. 1238 Eine Übersicht der Signatarstaaten ist abrufbar unter https://icsid.worldbank.org/about/ member-states/database-of-member-states, zuletzt abgerufen am 1. September 2021. 1236

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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Die ICSID-Konvention überlasst die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs somit nicht dem ICSID, sondern den Vertragsstaaten.1239 Dennoch besteht für das hiermit befasste Gericht grundsätzlich kein Spielraum, die Anerkennung aufgrund der vermeintlich fehlenden Zuständigkeit des Tribunals oder eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung zu versagen.1240 Es wird deshalb auch statuiert, Art. 54 Abs. 1 ICSID-Konvention enthalte eine „automatic enforcement procedure“.1241 Gleichwohl ist die eigentliche Vollstreckung eines Schiedsspruchs Sache der damit befassten nationalen Vollstreckungsinstitution nach den hierfür maßgeblichen nationalen Regeln.1242 Problematisch ist die Anwendung des Art. 54 Abs. 1 ICSID-Konvention deshalb, wenn ein Schiedsspruch auf einer Schiedsklausel beruht, die im Lichte der AchmeaEntscheidung als unionsrechtswidrig anzusehen ist. Dies ist vor allem in Verfahren vor Gerichten von Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Vollstreckungsinstitution relevant. In derartigen Fällen ist zu fragen, welchem Normenkomplex – der ICSID-Konvention oder dem Unionsrecht – Vorrang zu gewähren ist.1243 Aus einer unionsrechtlichen Perspektive lässt sich auch in diesem Zusammenhang gut vertreten, der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts (s. o.) begründe eine Nachrangigkeit der ICSID-Konvention.1244 Demnach könnte ein mitgliedstaatliches Gericht Art. 54 Abs. 1 ICSID-Konvention nicht anwenden und hätte den Schiedsspruch – über Anwendung eines anderen Regelungskomplexes, wie beispielsweise der New York Convention1245 – für nicht vollstreckbar zu erklären.1246 Hierfür könnte auch Art. 4 Abs. 3 EUV sprechen.1247 Unklar ist in diesem Zusammenhang jedoch, 1239

Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (290). Nathan, The ICSID Convention, S. 61; Schreuer/Malintoppi/Reinisch/Sinclair, The ICSID Convention, Art. 54 Rn. 40, 42 ff.; Wehland, JWIT 2016, 942 (957) m. w. N.; Friedrich, ZEuS 2010, 295 (311). 1241 Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (267); vgl. auch Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (355) („ICSID awards are automatically enforceable […] without any form of review or interference by domestic courts“); siehe demgegenüber ausführlich zu den möglichen Einschränkungen der Vollstreckung von ICSID-Schiedssprüchen Baldwin/Kantor/Nolan, JIntlArb 2006, 1 (1 ff.). 1242 Berger, EuZW 2021, 342 (347). 1243 Siehe ausführlich hierzu Tietje/Wackernagel, JWIT 2015, 205 (207 ff.) und insbesondere Bertolini, Die Durchsetzung von ISDS-Entscheidungen in Deutschland, S. 216 ff. 1244 So Damjanovic/Quirico, ColumJEurL 2019, 102 (131 f.); Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (267 f.); Lang, BTWR 156/2018, S. 21; Wehland, JWIT 2016, 942 (958 f.); vgl. auch Lo´pez-Rodri´guez, TEL 2019, 279 (293); ausführlich hierzu Tietje/Wackernagel, JWIT 2015, 205 (208 ff.); auch Basener, Investment Protection in the European Union, S. 185 erkennt ein dahingehendes Risiko an; a. A. mit ausführlicher Begründung Bertolini, Die Durchsetzung von ISDS-Entscheidungen in Deutschland, S. 224 ff. 1245 Wehland, JWIT 2016, 942 (958 Fn. 75). 1246 Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (267); vgl. auch Wehland, JWIT 2016, 942 (958). 1247 So Lang, BTWR 156/2018, S. 21 f.; vgl. auch Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 163 und Hindelang, LIEI 2012, 179 (197). 1240

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

ob der Verweis auf den Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts alleine ausreicht, um Unionsrecht überhaupt in die „automatic enforcement procedure“ des Art. 54 Abs. 1 ICSID-Konvention (s. o.) einfließen lassen zu können. Die Möglichkeit einer Unionsrechtsanwendung im Vollstreckungsverfahren wird deshalb teilweise versucht, unter Bezugnahme auf Art. 54 Abs. 3 ICSID-Konvention zu begründen.1248 Andere erwägen die Möglichkeit, ein Schiedsspruch, der gem. Art. 54 Abs. 1 ICSIDKonvention wie ein rechtskräftiges Urteil zu behandeln sei, könnte gemäß der Regelungen im nationalen Recht nachträglich angreifbar sein.1249 Hierbei könnte im deutschen Recht § 580 ZPO greifen.1250 Darüber hinaus begegnen der Einordnung der nationalen Gerichte als bloße „Vollstreckungsorgane“ durch die ICSID-Konvention im deutschen Recht auch verfassungsrechtliche Bedenken, vgl. Art. 24 GG.1251 In diesem Sinne sei eine ordre public-Kontrolle – also eine solche hinsichtlich eines Widerspruchs der Vollstreckung zur öffentlichen Ordnung – durch nationale Gerichte auch nach ICSID-Verfahren zu fordern.1252 Unabhängig davon könnten mitgliedstaatliche Gerichte ohnehin geneigt sein, dem Unionsrecht zu voller Geltung zu verhelfen und dabei die Vorgaben der ICSID-Konvention unberücksichtigt lassen.1253 Neben der Beeinträchtigung der Autonomie des Unionsrechts könnte hierbei durch das Gericht auch beachtet werden, dass eine Vollstreckung möglicherweise in Widerspruch zu Art. 107 AEUV steht.1254 Letztlich ließe sich dieses Ergebnis auch unabhängig vom Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts aus einer völkerrechtlichen Perspektive herleiten.1255 Eine solche völkerrechtliche Betrachtungsweise spielt jedoch vor mitgliedstaatlichen Gerichten eine untergeordnete Rolle, da diese naturgemäß aus unionsrechtlicher Perspektive entscheiden und auch zu entscheiden haben.1256

1248 So Damjanovic/Quirico, ColumJEurL 2019, 102 (131 f.); Wehland, SchiedsVZ 2008, 222 (228); imaginärer Professor des Unionsrechts „Van Gend en Loos“ in Damjanovic/de Sadeleer, EP 2019, 19 (56); vgl. auch Eilmansberger, CMLRev 2009, 383 (427 f.); a. A. Bertolini, Die Durchsetzung von ISDS-Entscheidungen in Deutschland, S. 216 ff.; a. A. wohl auch Schreuer/Malintoppi/Reinisch/Sinclair, The ICSID Convention, Art. 54 Rn. 42 ff., 110 ff. und Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (290); ebenso kritisch von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1060); kritisch wohl auch Pinna, PJIA 2018, 73 (86). 1249 Ludwigs/Remien/Wolf, Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S. 255 (269 f.). 1250 Ibid. 1251 Ibid. (270 ff.) m. w. N. 1252 So ibid. (268 ff., 273). 1253 Eilmansberger, CMLRev 2009, 383 (428). 1254 So Wehland, JWIT 2016, 942 (962). 1255 So ibid.; siehe ausführlich dazu auch Tietje/Wackernagel, JWIT 2015, 205 (208 ff., 224 ff., 228 ff.), die diesen Normenkonflikt sowohl aus völkerrechtlicher als auch aus unionsrechtlicher Perspektive eingehend beleuchten. 1256 Vgl. dazu auch Tietje/Wackernagel, JWIT 2015, 205 (209, 214 ff.).

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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Andererseits wird vertreten, dieser Konflikt sei zugunsten der ICSID-Konvention aufzulösen und diese dementsprechend anzuwenden.1257 Vielfach wird diese Konfliktsituation in der Literatur jedoch auch gänzlich außer Acht gelassen und Art. 54 Abs. 1 ICSID-Konvention für uneingeschränkt anwendbar gehalten.1258 Bei Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren außerhalb der Europäischen Union ist dies weniger eindeutig. In Drittstaaten, welche die ICSID-Konvention nicht unterzeichnet haben, werden die hiermit befassten Gerichte typischerweise anhand der New York Convention entscheiden, sofern diese anwendbar ist (siehe dazu oben).1259 Findet das Verfahren jedoch vor einem Gericht statt, dessen Staat die ICSID-Konvention unterzeichnet hat, greift wiederum Art. 54 Abs. 1 ICSID-Konvention. Weder der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts noch die AchmeaEntscheidung erlangen vor drittstaatlichen Gerichten irgendeine verbindliche Relevanz. Dementsprechend dürfte in diesen Konstellationen Art. 54 Abs. 1 ICSIDKonvention angewendet und der Schiedsspruch somit für vollstreckbar erklärt werden.1260 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das Tribunal im Eskosol-Verfahren1261 (s. o.) anmerkte, dass sich auch drittstaatliche Gerichte auf Vollstreckungs-Ebene nach ICSID-Verfahren unter Druck wähnen könnten, einen Intra-EU-Schiedsspruch nicht für vollstreckbar zu erklären.1262 Ein solcher Druck könnte aus den Januar-Deklarationen (s. o.) beziehungsweise dem unionalen Beihilferecht resultieren.1263 Zusammenfassen lässt sich also, dass mitgliedstaatliche Gerichte auch in Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren nach ICSID-Schiedssprüchen geneigt sein 1257 Bubrowski, Internationale Investitionsschiedsverfahren und nationale Gerichte, S. 286 ff.; Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (290); vgl. in diese Richtung auch von Papp, CMLRev 2013, 1039 (1060); siehe auch Raeschke-Kessler, SchiedsVZ 2018, 1 (4) zum Konflikt zwischen Art. 54 Abs. 1 ICSID-Konvention und §§ 1059-1061 ZPO und diesen zugunsten der ICSID-Konvention auflösend. 1258 Baltag/Stanicˇ /Stanicˇ , The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 143 (151 f.); de Sadeleer, EJRR 2018, 355 (368); Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, JZ 2018, 511 (516); Wuschka, ZEuS 2018, 25 (40 f.); Müller, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, RIW 2018, 200 (206); Engel, SchiedsVZ 2015, 218 (220); Classen, EuR 2012, 611 (621); Friedrich, ZEuS 2010, 295 (311); vgl. auch Janssen/Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (129 f.); Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (355); Hess, REDP 2018, 114 (127); Wilske/Bräuninger, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, IWRZ 2018, 126 (128); Bischoff, IPRax 2018, 588 (589); Pohl, EuConst 2018, 767 (784 f.); Bücheler/Vasiljevic´, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 3. Ma¨ rz 2016 – I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 (339); Miron, ELJ 2014, 332 (338 Fn. 28); kritisch hierzu insb. Ludwigs/Remien/Wolf, Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S. 255 (268 ff.) und Tietje/Wackernagel, JWIT 2015, 205 (245). 1259 Nathan, The ICSID Convention, S. 61; Wehland, JWIT 2016, 942 (962 Fn. 96). 1260 So auch Wehland, JWIT 2016, 942 (962), vgl. auch Berger, EuZW 2021, 342 (347). 1261 Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50. 1262 Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 232. 1263 Ibid.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

werden, dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts zu voller Geltung zu verhelfen und Art. 54 Abs. 1 ICSID-Konvention unangewendet zu lassen. Dies ist auch bereits geschehen.1264 Gegenteiliges ist von drittstaatlichen Gerichten zu erwarten. Diese werden Art. 54 Abs. 1 ICSID-Konvention anwenden und Schiedssprüche entsprechend für vollstreckbar erklären. Auch dies ist bereits geschehen.1265 Gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, dass sie selbst – womöglich aus „justiziellem Einvernehmen“ bzw. „intergerichtlichen Respekts“ („judicial comity“, s. o.) – den Vorrang des Unionsrechts anerkennen und dementsprechend entscheiden. 2. Aufhebungsprozesse Innerhalb der Europäischen Union dürften Aufhebungsverfahren nach Schiedssprüchen auf Basis von Intra-EU-BIT (und des ECT) – für die nicht die ICSIDKonvention gilt – angesichts der Achmea-Entscheidung erfolgreich sein. Jene entfaltet Bindungswirkung für die mitgliedstaatlichen Gerichte (s. o.). Gleichwohl kommt es entscheidend auf die entsprechenden prozessualen Bestimmungen im Recht des Mitgliedstaats an, in welchem ein Aufhebungsantrag gestellt wird. Im deutschen Recht ist § 1059 ZPO inhaltlich weitgehend an Art. V New York Convention bzw. Art. 34 des UNCITRAL-Modellgesetzes angelehnt. Deutsche Gerichte werden deshalb so entscheiden, wie es der BGH in seinem Beschluss vom 18. Dezember 2014 getan hat (s. o.).1266 Ein Schiedsspruch wird gem. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) ZPO mangels wirksamer Schiedsvereinbarung aufgehoben werden. Darüber hinaus ließe sich auch § 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) ZPO bejahen (s. o.).1267 Auch im französischen Recht sind über Art. 1520 Code de procédure civile 1264 Siehe bspw. Nacka Tingsrätt, Entscheidung vom 23. Januar 2019, Rs. 149, Nr. Ä 2550-1 (abrufbar unter https://www.italaw.com/sites/default/files/case-documents/italaw10319.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021; siehe für eine auszugsweise Übersetzung ins Englische https://jusmundi.com/en/document/pdf/decision/en-ioan-micula-viorel-micula-and-oth ers-v-romania-i-decision-of-the-nacka-district-court-in-stockholm-wednesday-23rd-january-2 019, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Tribunal de premie`re instance francophone de Bruxelles – Juge des Saisies, Entscheidung vom 27. Januar 2016, R. G. 15/7242/A (abrufbar unter https://www.italaw.com/sites/default/files/case-documents/italaw10445.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe eingehend hierzu sogleich Kapitel II B. IV. 3. 1265 Siehe bspw. United States District Court for the District of Columbia, Entscheidung vom 11. September 2019, Rs. 17-cv-02332 (APM) (abrufbar unter https://www.italaw.com/ sites/default/files/case-documents/italaw10816.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); United States Court of Appeals for the District of Columbia, Entscheidung vom 19. Mai 2020, Rs. 19-7127 (abrufbar unter https://www.italaw.com/sites/default/files/case-documents/ita law11504.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); United Kingdom Supreme Court, 19. Februar 2020, Rs. UKSC 2018/0177 – [2020] UKSC 5; siehe eingehend hierzu sogleich Kapitel II B. IV. 3. 1266 BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2019, 46; siehe in diesem Zusammenhang auch OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 11. Februar 2021 – 26 SchH 2/20 in BeckRS 2021, 1799. 1267 Prütting/Gehrlein/Raeschke-Kessler, ZPO, § 1059 Rn. 37; Ohler, Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 6. März 2018, Rs. C-284/16, JZ 2018, 511 (516).

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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selbige Ergebnisse erreichbar.1268 Gleiches gilt für Art. 34 Abs. 2 lit. a) i), lit. b) ii) des UNCITRAL-Modellgesetzes.1269 Letztlich kommt es also auf die nationale Rechtslage in den Mitgliedstaaten an.1270 Außerhalb der Europäischen Union sind im Rahmen von Aufhebungsprozessen ebenso die jeweiligen Normen des nationalen Rechts entscheidend. Freilich besteht für drittstaatliche Gerichte keine Bindung an Unionsrecht (s. o.). Doch auch hier ist die Respektierung des Unionsrechts nicht ausgeschlossen.1271 Die ICSID-Konvention sieht keine Aufhebungsverfahren vor nationalen Gerichten vor. Über Art. 52 ICSID-Konvention ist lediglich die Kontrolle durch einen sog. Ad-hoc-Ausschluss (Art. 52 Abs. 3 ICSID-Konvention) vorgesehen.1272 Die Achmea-Entscheidung wird in diesem Rahmen voraussichtlich kaum ausschlaggebende Relevanz entfalten.1273 Davor stehen mit Art. 50 und 51 ICSID-Konvention nur Verfahren vor dem Schiedsgericht selbst oder einem neu zu konstituierenden Tribunal zur Verfügung.1274 Gem. Art. 53 ICSID-Konvention sind darüberhinausgehende Aufhebungsverfahren vor nationalen Gerichten ausgeschlossen. Da die Vollstreckung eines Schiedsspruchs durch die ICSID-Konvention jedoch nicht dem ICSID, sondern den Vertragsstaaten auferlegt wurde (s. o.), kann die oben beschriebene Konfliktsituation mit dem Unionsrecht gleichwohl im Rahmen von Vollstreckungsverfahren relevant werden.1275 3. Einblick in die Praxis – das Micula-Verfahren Besondere Aufmerksamkeit verdient das bereits erwähnte sog. Micula-Verfahren.1276 Hier klagten zwei natürliche Personen schwedischer Staatsangehörigkeit (loan Micula und Viorel Micula) und drei Gesellschaften mit Sitz in Rumänien – welche direkt oder indirekt von besagten natürlichen Personen kontrolliert werden – 1268

Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (263). Vgl. ibid.; vgl. dazu auch Basener, Investment Protection in the European Union, S. 105 f. 1270 Vgl. hierzu Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 160 und Pohl, EuConst 2018, 767 (783 Fn. 72). 1271 Siehe speziell bzgl. der Schweiz Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (263 f.). 1272 Siehe allg. dazu Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Honlet/Legum/Crevon, International Investment Law, S. 1431 (1432 ff.) und Ludwigs/Remien/Wolf, Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S. 255 (265 ff., 274 ff.). 1273 Siehe bereits UAB E energija v. Republic of Latvia, ICSID Case No. ARB/12/33, (Decision on Annulment, 8. April 2020); siehe aber Berger, EuZW 2021, 342 (347), der dies für offen hält. 1274 Siehe dazu Ludwigs/Remien/Wolf, Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S. 255 (265). 1275 Vgl. Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (290). 1276 Siehe allg. hierzu sowie zum unionalen Beihilferecht Baltag/Stanicˇ /Lapuerta/Stirzaker, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 89 (S. 89 ff.). 1269

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

vor einem ICSID-Tribunal. Beklagter Gaststaat der Investition der Kläger ist Rumänien. Das maßgebliche Investitionsschutzabkommen ist das BIT zwischen Rumänien und dem Königreich Schweden.1277 Die Kläger leiteten das Verfahren im August 2005 ein. Rumänien ist seit Januar 2007 Mitglied der Europäischen Union. Das Schiedsgericht verurteilte Rumänien mit einem Schiedsspruch vom 11. Dezember 2013 zur Zahlung von damals über 80.000.000 EUR (376,433,229 RON) zuzüglich Zinsen – insgesamt zu zahlen waren dementsprechend ca. EUR 178.000.000 EUR (791,882,452 RON)1278.1279 Rumänien begann kurz danach den Schiedsspruch umzusetzen, indem es den geschuldeten Betrag teilweise mit einer Steuerschuld einer der drei klagenden Gesellschaften verrechnete.1280 Die Kläger stellten mehrere Anträge in Verfahren zur Anerkennung des Schiedsspruchs soweit ersichtlich unter anderem in Rumänien, Belgien, Frankreich, Luxemburg, dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten von Amerika (im Folgenden: Vereinigte Staaten) und Schweden.1281 Von diesen sollen in diesem Abschnitt die Entscheidungen in Rumänien, Schweden, den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich skizziert werden (s. u.). a) Der Einfluss der Europäischen Kommission Die Europäische Kommission intervenierte bereits in das Schiedsverfahren im Wege von amicus curiae-Stellungnahmen (s. o.).1282 Auch in den sogleich zu erörternden Vollstreckungsverfahren trat sie in dieser Stellung auf. Angesichts der bereits im Februar 2014 begonnenen teilweisen Umsetzung des Schiedsspruchs (s. o.) teilte die Europäische Kommission Rumänien am 26. Mai 2014 ihren Beschluss mit, eine sog. Aussetzungsanordnung zu erlassen, nach welcher Rumänien verpflichtet ist, die Umsetzung des Schiedsspruchs vorläufig einzustellen, bis die Europäische Kommission eine abschließende Entscheidung über die Unionsrechtskonformität der Umsetzung des Schiedsspruchs getroffen hat.1283 Ende 2014 informierte die Europäische Kommission Rumänien über die Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 108 Abs. 2 AEUV, da sie zu dem vorläufigen Schluss gekommen sei, die 1277 Agreement between the Government of the Kingdom of Sweden and the Government of Romania on the Promotion and Reciprocal Protection of Investments (Inkrafttreten 1. April 2003). 1278 Siehe Europäische Kommission, Beschluss vom 30. März 2015 – 2015/1470, Amtsblatt der Europäischen Union L 232/43 (232/43, 232/48). 1279 Ioan Micula, Viorel Micula, S. C. European Food S. A, S. C. Starmill S. R. L. and S. C. Multipack S. R. L. v. Romania [I], ICSID Case No. ARB/05/20, (Final Award). 1280 Siehe Europäische Kommission, Amtsblatt der Europäischen Union C 393/27 (393/28). 1281 Siehe Wilske/Markert/Ebert, SchiedsVZ 2020, 97 (116). 1282 Siehe Ioan Micula, Viorel Micula, S. C. European Food S. A, S. C. Starmill S. R. L. and S. C. Multipack S. R. L. v. Romania [I], ICSID Case No. ARB/05/20, (Final Award), Rn. 316 ff., 334 ff. 1283 Europäische Kommission, Beschluss vom 26. Mai 2014, COM(2014) 3192 final, SA.38517 (2014/NN).

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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Umsetzung des Schiedsspruchs stelle eine unionsrechtswidrige Beihilfe dar.1284 Am 30. März 2015 ergeht der Beschluss der Europäischen Kommission.1285 Sie stellt darin zunächst fest, dass die Zahlung der den Beschwerdeführern vom Schiedsgericht zugesprochenen Entschädigung eine staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt.1286 Daran ändere auch Art. 351 AEUV nichts, da dieser für diese Intra-EU-Konstellation nicht anwendbar sei.1287 Die bereits gewährte Entschädigung durch besagte Verrechnung ohne vorherige Meldung an die Europäische Kommission sei daher gem. Art. 108 Abs. 3 AEUV rechtswidrig.1288 Darüber hinaus sei die Zahlung ohnehin nicht mit dem Binnenmarkt der Europäischen Union i. S. d. Art. 107 AEUV vereinbar.1289 Deshalb beschließt die Europäische Kommission insbesondere, dass der Schiedsspruch nicht umgesetzt werden dürfe und dass der bereits umgesetzte Teil zurückzufordern sei.1290 Dagegen wenden sich die Kläger vor dem EuG, welches den Beschluss der Europäischen Kommission am 18. Juni 2019 aufhebt.1291 In dem Urteil stellen die Richter insbesondere fest, dass Art. 107 und 108 AEUV für die vorliegende Konstellation nicht anwendbar seien, da der Rechtsanspruch der Kläger zu einem Zeitpunkt entstanden ist und Wirkung zu entfalten begann, als Rumänien noch nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union war.1292 Dass der Schadensersatz erst gezahlt wird, nachdem Rumänien der Europäischen Union beigetreten ist, ändere hieran nichts. Schließlich ist der Anspruch bereits im Jahre 2005 entstanden.1293 Der Beschluss der Europäischen Kommission sei jedenfalls hinsichtlich des Zeitraums vor Inkrafttreten des Unionsrechts in Rumänien rechtswidrig, soweit er den zugesprochenen Schadensersatz als Vorteil und Beihilfe i. S. d. Art. 107 AEUV klassifiziert.1294 Dementsprechend erklärt das EuG den Beschluss der Europäischen Kommission für insgesamt nichtig1295 und hebt ihn auf. Diese Entscheidung wird als Teilerfolg nicht nur für die Kläger, sondern auch für das Völkerrecht bezeichnet.1296 Die Europäische Kommission legte jedoch am 27. August 2019 Berufung beim 1284

Europäische Kommission, Amtsblatt der Europäischen Union C 393/27 (393/27 f.). Europäische Kommission, Beschluss vom 30. März 2015 – 2015/1470, Amtsblatt der Europäischen Union L 232/43. 1286 Ibid. (232/55 ff. Rn. 79 ff., 232/63 Rn. 125). 1287 Ibid. (232/63 Rn. 126 ff.). 1288 Ibid. (232/66 Rn. 141). 1289 Ibid. (232/66 ff. Rn. 142 ff.). 1290 Ibid. (232/69 f.). 1291 EuG, Urteil vom 18. Juni 2019, Rs. T-624/15, T-694/15, T-704/15, in: BeckRS 2019, 11603. 1292 Ibid. Rn. 59 ff., 78 f. 1293 Ibid. Rn. 80. 1294 Ibid. Rn. 94 ff., 109. 1295 Ibid. Rn. 111. 1296 Wilske/Markert/Ebert, SchiedsVZ 2020, 97 (116). 1285

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

EuGH ein. Das Verfahren beim EuGH ist noch anhängig.1297 Es ist jetzt somit Aufgabe des EuGH, final darüber zu entscheiden, in welchem Verhältnis internationales Investitionsschutzrecht und unionales Beihilferecht im Micula-Fall stehen.1298 Die mit Spannung zu erwartende Entscheidung des EuGH dürfte substanzielle Bedeutung für potentiell folgende, noch nicht abgeschlossene Vollstreckungsverfahren vor staatlichen Gerichten haben. b) Der Aufhebungsantrag vor dem Ad hoc-Ausschuss des ICSID Rumänien beantragte am 18. April 2014 die Aufhebung des Schiedsspruchs vom 11. Dezember 2013 gem. Art. 52 ICSID-Konvention vor einem Ad hoc-Ausschuss des ICSID.1299 Die Europäische Kommission trat dem Verfahren als Streithelferin im Dezember 2014 bei und reichte ihre amicus curiae-Stellungnahme am 9. Januar 2015 ein.1300 Rumänien berief sich im Verfahren insbesondere auch auf den Beschluss der Europäischen Kommission vom 30. März 2015 (s. o.).1301 Die in Art. 52 Abs. 1 ICSID-Konvention abschließend genannten Aufhebungsgründe lauten: „a) that the Tribunal was not properly constituted; b) that the Tribunal has manifestly exceeded its powers; c) that there was corruption on the part of a member of the Tribunal; d) that there has been a serious departure from a fundamental rule of procedure; or e) that the award has failed to state the reasons on which it is based.“

Der Ad hoc-Ausschuss kann in seiner Entscheidung vom 26. Februar 2016 keinen dieser Aufhebungsgründe feststellen.1302 Deshalb kommen die Mitglieder des Ausschusses einstimmig zu dem Urteil, dass die Anträge Rumäniens vollumfänglich zurückzuweisen sind.1303 Damit ist die im Rahmen von ICSID-Schiedssprüchen einzige Möglichkeit eines Aufhebungsverfahrens im eigentlichen Sinne für Rumänien ausgeschöpft. Die möglichen Implikationen des Unionsrechts im Allgemeinen 1297 Rs. C-638/19 P; vgl. auch EuGH, Gerichtsinformation vom 14. Oktober 2019, in: BeckEuRS 2019, 609347. 1298 Vgl. Böttner, EuZW 2019, 868 (869) unter Bezugnahme auf den Redebeitrag von Till Müller-Ibold an den elften Speyerern Europarechtstagen vom 23. und 24. September 2019. 1299 Ioan Micula, Viorel Micula, S. C. European Food S. A, S. C. Starmill S. R. L. and S. C. Multipack S. R. L. v. Romania [I], ICSID Case No. ARB/05/20, (Decision on Annulment, 26. Februar 2016), Rn. 3. 1300 Ibid. Rn. 61 ff., 65. 1301 Ibid. Rn. 75. 1302 Ibid. Rn. 75. 1303 Ibid. Rn. 355.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

265

und der Achmea-Entscheidung im speziellen können damit von Rumänien lediglich in durch die Kläger initiierten Vollstreckungsverfahren vorgebracht werden. c) Das Anerkennungsverfahren in Rumänien Im März 2014 reichten vier der oben genannten Kläger beim Bukarester Gerichtshof (Tribunal Bucures¸ti) in Rumänien Klage ein, um den Schiedsspruch gem. Art. 54 ICSID-Konvention durchzusetzen.1304 Gemäß Art. 54 ICSID-Konvention genehmigte der Bukarester Gerichtshof die Vollstreckung am 24. März 2014. Ein Gerichtvollzieher leitete noch im März 2014 das Vollstreckungsverfahren sein. Infolge von Rechtsmitteln Rumäniens setzte der Bukarester Gerichtshof die Vollstreckung zunächst aus, was er am 23. September 2014 jedoch wieder rückgängig machte. Weitere Rechtsmittel blieben zunächst erfolglos, bis das Berufungsgericht Bukarest (Curtea de Apel Bucures¸ti) im Februar 2015 die Zwangsvollstreckung des Schiedsspruchs erneut aussetzte. Für den endgültigen Ausgang dieses Verfahrens dürfte es darauf ankommen, wie der EuGH in dem anhängigen Berufungsverfahren (s. o.)1305 entscheiden wird. d) Das Anerkennungsverfahren in Schweden Auch in Schweden suchen vier der Kläger den Schiedsspruch vom 11. Dezember 2013 vor der Durchsetzungsbehörde (Kronofogdemyndighetens) zu vollstrecken.1306 Die schwedische Durchsetzungsbehörde entschied am 16. März 2017, dass Vollstreckungshindernisse bestehen und dem Einwand Rumäniens, die Vollstreckbarkeit sei zu versagen, daher stattzugeben sei.1307 In Folge von Rechtsmitteln der Kläger ergeht am 23. Januar 2019 eine Entscheidung des Bezirksgerichts von Nacka (Nacka Tingsrätt).1308 Das Bezirksgericht weist die Einwände der Kläger zurück.1309 Seine

1304 Siehe für die folgenden Ausführungen EuG, Urteil vom 18. Juni 2019, Rs. T-624/15, T694/15, T-704/15, in: BeckRS 2019, 11603, Rn. 22 ff. m. w. N. und Europäische Kommission, Beschluss vom 30. März 2015 – 2015/1470, Amtsblatt der Europäischen Union L 232/43 (232/ 48 ff., 31 ff.) m. w. N. 1305 Rs. C-638/19 P; vgl. auch EuGH, Gerichtsinformation vom 14. Oktober 2019, in: BeckEuRS 2019, 609347. 1306 Siehe zu diesem Gesuch und allg. zu vor schwedischen Gerichten anhängigen Intra-EUStreitigkeiten im Lichte der Achmea-Rechtsprechung Baltag/Stanicˇ /Hope/Åkerlund, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 105 (S. 105 ff., 112 f.). 1307 Kronofogdemyndighetens, Entscheidung vom 16. März 2017, Rs. U 25445-16/0103. 1308 Nacka Tingsrätt, Entscheidung vom 23. Januar 2019, Rs. 149, Nr. Ä 2550-1 (abrufbar unter https://www.italaw.com/sites/default/files/case-documents/italaw10319.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021; siehe für eine auszugsweise Übersetzung ins Englische https://jus mundi.com/en/document/pdf/decision/en-ioan-micula-viorel-micula-and-others-v-romania-i-de cision-of-the-nacka-district-court-in-stockholm-wednesday-23rd-january-2019, zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

266

Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Erwägungen stützt es dabei insbesondere darauf, dass Art. 4 Abs. 3 EUV gebiete, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte dem Unionsrecht zu voller Wirksamkeit zu verhelfen haben. Dementsprechend haben sie unionsrechtswidrige Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts unangewendet zu lassen. Eine Vollstreckung des Schiedsspruchs würde indes mit dem Beschluss der Europäischen Kommission vom 30. März 2015 (s. o.) in Widerspruch stehen. Das res judicata-Prinzip könne nicht gelten, wenn dadurch das unionale Beihilferecht verletzt würde. Daran könne auch Art. 54 ICSID-Konvention nichts ändern. Demgemäß sei der Schiedsspruch nämlich wie ein rechtskräftiges Urteil eines innerstaatlichen Gerichtes zu behandeln. Das Urteil eines schwedischen Gerichts könnte jedoch im Falle der Unionsrechtswidrigkeit ebenso nicht vollstreckt werden. Es bestehe kein Unterschied zwischen den Situationen. Dass unabhängig vom unionalen Beihilferecht auch die Achmea-Entscheidung selbst und die darin konkretisierte Autonomie des Unionsrechts der Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs entgegenstehen könnten, zogen die Richter hierbei nicht in Betracht.1310 Ein dieser Entscheidung folgender Rechtsbehelf ist vor dem Berufungsgericht von Svea (Svea hovrätt) anhängig.1311 Ebenso wie in Schweden lehnte auch ein Gericht in Belgien (Brüssel) den Vollstreckungsantrag der Kläger ab.1312 e) Das Anerkennungsverfahren in den Vereinigten Staaten Auch in den Vereinigten Staaten beantragten die Kläger die Vollstreckung des Schiedsspruchs.1313 Am 11. September 2019 entschied das Bezirksgericht Columbia, dass der Schiedsspruch vom 11. Dezember 2013 vollstreckbar sei.1314 Dabei kamen die Richter insbesondere zu dem Schluss, dass die Achmea-Entscheidung nicht die Zuständigkeit des Gerichts berühre.1315 Dies liege vor allem daran, dass die hier maßgeblichen Geschehnisse vor dem Beitritt Rumäniens zur Europäischen Union 1309

Siehe für die folgenden Ausführungen Nacka Tingsrätt, Entscheidung vom 23. Januar 2019, Rs. 149, Nr. 2550 – 1 (abrufbar unter https://www.italaw.com/sites/default/files/case-docu ments/italaw10319.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 12 ff. 1310 Vgl. ebenso Damjanovic/Quirico, ColumJEurL 2019, 102 (132 f.). 1311 Svea hovrätt, Rs. ÖÄ 1657-19. 1312 Vgl. Tribunal de premie`re instance francophone de Bruxelles – Juge des Saisies, Entscheidung vom 27. Januar 2016, R. G. 15/7242/A (abrufbar unter https://www.italaw.com/ sites/default/files/case-documents/italaw10445.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); vgl. auch Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/Happold/De Boeck, EU External Action in International Economic Law, S. 251 (269); Wilske/Markert/Ebert, SchiedsVZ 2020, 97 (116); Wehland, JWIT 2016, 942 (959). 1313 Siehe allg. zu diesem Gesuch und zur Vollstreckung in den Vereinigten Staaten Baltag/ Stanicˇ /Thornton, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 163 (167 ff.). 1314 United States District Court for the District of Columbia, Entscheidung vom 11. September 2019, Rs. 17-cv-02332 (APM) (abrufbar unter https://www.italaw.com/sites/de fault/files/case-documents/italaw10816.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1315 Ibid. Rn. 276 ff.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

267

stattfanden.1316 Da Unionsrecht deshalb im Schiedsverfahren allenfalls als Tatsache herangezogen werden konnte, seien die Erwägungen der EuGH-Richter aus der Achmea-Entscheidung hier auch nicht anwendbar.1317 Schließlich zeige auch die Entscheidung des EuG (s. o.),1318 dass die Micula-Entscheidung die Unionsverträge nicht verletzt habe.1319 Am 19. Mai 2020 bestätigte das Berufungsgericht Columbia diese Entscheidung.1320 Die Auswirkungen dieser Entscheidungen für die generelle Vollstreckbarkeit von Intra-EU-Schiedssprüchen innerhalb der Vereinigten Staaten dürften sich gleichwohl in Grenzen halten. Immerhin fußen die Erwägungen der Richter maßgeblich auf der auch vom EuG (s. o.) als entscheidend hervorgehobenen Tatsache, dass die schadensbegründenden Ereignisse in Rumänien und auch die Einleitung des Schiedsverfahrens vor dem Unionsbeitritt Rumäniens geschahen. Es sind jedoch noch weitere Vollstreckungsverfahren innerhalb der Vereinigten Staaten in Folge von Intra-EU-Schiedssprüchen anhängig.1321 Die Entwicklung in den Vereinigten Staaten bleibt also abzuwarten. Insbesondere das Ergebnis des noch anhängigen Verfahrens beim EuGH (s. o.)1322 dürfte hierbei noch eine zentrale Rolle spielen.

1316 1317 1318

11603. 1319

Ibid. Rn. 279. Ibid. Rn. 279 f. EuG, Urteil vom 18. Juni 2019, Rs. T-624/15, T-694/15, T-704/15, in: BeckRS 2019,

Vgl. United States District Court for the District of Columbia, Entscheidung vom 11. September 2019, Rs. 17-cv-02332 (APM), Rn. 280 unter spezieller Bezugnahme auf EuG, Urteil vom 18. Juni 2019, Rs. T-624/15, T-694/15, T-704/15, in: BeckRS 2019, 11603, Rn. 87. 1320 United States Court of Appeals for the District of Columbia, Entscheidung vom 19. Mai 2020, Rs. 19-7127 (abrufbar unter https://www.italaw.com/sites/default/files/case-documents/ italaw11504.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1321 Bspw. United States District Court for the District of Columbia, Rs. 18-cv-02254 (JEB) (Masdar Solar & Wind Cooperatief U. A. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/14/1); United States District Court for the District of Columbia, Rs. 20-cv-01708 (Cube Infrastructure Fund SICAV and others v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/15/20); United States District Court Southern District of New York, Rs. 19-cv-03171 (ER) (Foresight Luxembourg Solar 1 S. Á.R1., et al. v. Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/150); United States District Court for the District of Columbia, Rs. 18-cv-01753 (Infrastructure Services Luxembourg S. à. r. l. and Energia Termosolar B. V. (formerly Antin Infrastructure Services Luxembourg S. à. r. l. and Antin Energia Termosolar B. V.) v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/13/31); United States District Court for the District of Columbia, Rs. 19-cv-01871 (9REN Holding S. à r. l. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/15/15); United States District Court for the District of Columbia, Rs. 19-cv-01618 (NextEra Energy Global Holdings B. V. and NextEra Energy Spain Holdings B. V. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/14/11); siehe auch United States District Court for the District of Columbia, Entscheidung vom 27. Januar 2020, Rs. 18-cv01148 (TSC) (Novenergia II – Energy & Environment (SCA), SICAR v. The Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/063); siehe auch Kende, HJLS 2016, 141 (152 ff.). 1322 Rs. C-638/19 P; vgl. auch EuGH, Gerichtsinformation vom 14. Oktober 2019, in: BeckEuRS 2019, 609347.

268

Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

f) Das Anerkennungsverfahren im Vereinigten Königreich Auch im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland suchten die Kläger den Schiedsspruch zu vollstrecken.1323 Nach einem langen, hier nicht näher zu erörternden Verfahren,1324 entschied am 19. Februar 2020 der United Kingdom Supreme Court über die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs.1325 Auf die einzelnen Erwägungen der Richter soll im Folgenden nicht vertieft eingegangen werden, da sich diese zuvörderst auf Einwände gegen die Aussetzung der Vollstreckung angesichts des anhängigen Verfahrens beim EuGH (s. o.)1326 beziehen. Die für die vorliegenden Zwecke maßgebliche Aussage der Schiedsrichter ist: da das Vereinigte Königreich der ICSID-Konvention vor der Begründung seiner Unionsmitgliedschaft beitrat, könne der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit aus Art. 4 Abs. 3 EUV nicht die Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs nach der ICSID-Konvention berühren.1327 Dies gebiete Art. 351 AEUV.1328 Da der ICSID-Konvention auch Drittstaaten angehören, habe sich das Vereinigte Königreich an die Verpflichtungen aus Art. 54 und 69 ICSID-Konvention gegenüber allen Signatarstaaten der ICSIDKonvention zu halten.1329 Unter anderem deshalb wird die Aussetzung der Vollstreckung aufgehoben.1330 Deutlich wurde durch die Entscheidung also, dass ICSID-Schiedssprüche auf Basis von Intra-EU-BIT innerhalb des Vereinigten Königreichs vollstreckbar sind.1331 Der Entscheidung wird darüber hinaus zugestanden, sie habe die Debatte um den Konflikt zwischen unionalem Beihilferecht und der ICSID-Konvention jedenfalls aus Perspektive des Rechts des Vereinigten Königreichs beendet.1332 Womöglich 1323

Siehe allg. zu diesem Gesuch im Vereinigten Königreich Baltag/Stanicˇ /Stanicˇ , The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 143 (155 ff.). 1324 Siehe dazu eingehend United Kingdom Supreme Court, 19. Februar 2020, Rs. UKSC 2018/0177 – [2020] UKSC 5, Rn. 28 ff. (abrufbar unter https://www.italaw.com/sites/default/ files/case-documents/italaw11213.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Janssen/ Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (133); Pinna, PJIA 2018, 73 (85 f.). 1325 United Kingdom Supreme Court, 19. Februar 2020, Rs. UKSC 2018/0177 – [2020] UKSC 5; siehe hierzu erläuternd Stanicˇ , EStAL 2020, 165 (165 ff.). 1326 Rs. C-638/19 P; vgl. auch EuGH, Gerichtsinformation vom 14. Oktober 2019, in: BeckEuRS 2019, 609347. 1327 United Kingdom Supreme Court, 19. Februar 2020, Rs. UKSC 2018/0177 – [2020] UKSC 5, Rn. 90 ff. 1328 Ibid.; siehe anschaulich hierzu auch Lo´pez-Rodri´guez, TEL 2019, 279 (295 f.). 1329 United Kingdom Supreme Court, 19. Februar 2020, Rs. UKSC 2018/0177 – [2020] UKSC 5, Rn. 90 ff. 1330 Siehe für eine Zusammenfassung der Entscheidung auch die Press Summary vom 19. Februar 2020 (abrufbar unter https://www.supremecourt.uk/cases/docs/uksc-2018-0177press-summary.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1331 Baltag/Stanicˇ /Stanicˇ , The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 143 (159). 1332 Stanicˇ , EStAL 2020, 165 (165).

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

269

sind die Erwägungen der Richter auch im Lichte des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zu lesen.1333 g) Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass der Konflikt zwischen völkerrechtlichen Verpflichtungen und Unionsrecht in Aufhebungs- bzw. Vollstreckungsverfahren zumindest ebenso virulent ist, wie auf schiedsgerichtlicher Ebene. Anhand des Micula-Verfahrens lässt sich veranschaulichen, wie vielschichtig die Probleme sind, die auch vor staatlichen Gerichten keimen. Ebenso deutlich wird dabei jedoch, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis auf Fragen der Vollstreckbarkeit von Intra-EU-Schiedssprüchen abschließende Antworten gegeben werden können. Im Zentrum der Aufmerksamkeit dürfte sich nun die ausstehende Entscheidung des EuGH (s. o.)1334 befinden. Die EuGH-Richter werden – wie bereits gesehen – jedenfalls die Weichen für den weiteren Verlauf des Micula-Verfahrens stellen. Allerdings ist nicht aus den Augen zu verlieren, dass im Micula-Verfahren äußerst spezielle Umstände sowohl für die Entscheidung des EuG als auch für jene staatlicher Gerichte ausschlaggebend gewesen sind. Schließlich spielt sich der gesamte entscheidungserhebliche Sachverhalt vor dem Unionsbeitritt Rumäniens ab und wurde auch das Schiedsverfahren bereits vor diesen Zeitpunkt eingeleitet (s. o.). Den Unterschied zwischen dem Micula-Fall und dem Achmea-Fall heben die Richter des EuG ausdrücklich hervor: „Insoweit ist hervorzuheben, dass das Schiedsgericht im vorliegenden Fall anders als in der Rechtssache, in der das Urteil vom 6. März 2018, Achmea ([…] Rn. 38 bis 41), ergangen ist, nicht verpflichtet war, das Unionsrecht auf den dem Beitritt vorausgegangenen Sachverhalt anzuwenden, mit dem es befasst war.“1335

Auch die Richter des Bezirksgerichts Columbia stützen sich auf diese Passage (s. o.).1336 Sofern man also vertritt, dass die Achmea-Entscheidung nur oder insbesondere deshalb im Micula-Verfahren keine Rolle spiele, da Unionsrecht diesbezüglich gar keine Anwendung finden könne, dann passen diese Erwägungen nicht für einen Großteil der in Zukunft zu vollstreckenden Schiedssprüche aus intra-unionalen Konstellationen. Deshalb verdienen solche Verfahren, auch wenn sie sich bereits auf

1333 Siehe Abkommen u¨ ber den Austritt des Vereinigten Ko¨ nigreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europa¨ ischen Union und der Europa¨ ischen Atomgemeinschaft, 31. Januar 2020, Amtsblatt der Europäischen Union L 29/7; siehe dazu Hess, REDP 2018, 114 (134 f.) und allg. auch Dashwood, EL Rev. 2020, 183. 1334 Rs. C-638/19 P; vgl. auch EuGH, Gerichtsinformation vom 14. Oktober 2019, in: BeckEuRS 2019, 609347. 1335 EuG, Urteil vom 18. Juni 2019, Rs. T-624/15, T-694/15, T-704/15, in: BeckRS 2019, 11603, Rn. 87. 1336 Vgl. United States District Court for the District of Columbia, Entscheidung vom 11. September 2019, Rs. 17-cv-02332 (APM), Rn. 280.

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

Vollstreckungsebene befinden, weiterhin besondere Aufmerksamkeit.1337 Interessant ist dabei zuvörderst das Verfahren Novenergia II v. Spain,1338 welches nach den Regeln der New York Convention vollstreckt wird. Die soeben beschriebenen Vollstreckungsverfahren lassen vermuten, dass Vollstreckungsgesuche um ICSID-Schiedssprüche auch in anderen Verfahren innerhalb der Europäischen Union vielfach erfolglos sein werden. Schiedssprüche, für deren Vollstreckung nicht die Art. 53 und 54 ICSID-Konvention, sondern die Bestimmungen der New York Convention gelten, werden kaum je Erfolg haben. Schließlich ist der Einfluss des Unionsrechts auf derartige Verfahren weitaus greifbarer (s. o.). Demgegenüber scheint eine Vollstreckung außerhalb der Europäischen Union vielversprechend. Sowohl das Vereinigte Königreich als auch die Vereinigten Staaten könnten sich diesbezüglich zukünftig als für Vollstreckungsverfahren geeignet erweisen. Dies gilt insbesondere für die Vollstreckung von ICSID-Schiedssprüchen.

V. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die Achmea-Entscheidung zwar teilweise für Klarheit gesorgt, aber an vielen Stellen auch eine nicht zu unterschätzende Rechtsunsicherheit hinterlassen hat. Klärend wirkte die Entscheidung jedenfalls für den Bereich des Unionsrechts. Intra-EU-BIT sind allesamt nicht mit der Autonomie des Unionsrechts vereinbar. Die dem zugrundeliegenden Erwägungen sind nach hiesiger Lesart zwar auch auf ExtraEU-BIT zu beziehen, die eine Unionsrechtsanwendung- oder auslegung ermöglichen (s. o.). In dieser Hinsicht bedürfte es allerdings jedenfalls für die Entscheidungsfindung staatlicher Gerichte einer weiteren, dies bestätigenden Entscheidung des EuGH. Immerhin bezieht sich der Tenor der Achmea-Entscheidung ausdrücklich auf Intra-EU-BIT. Auch die Unionsrechtskonformität der Schiedsklausel im ECT ist weiterhin ungeklärt. Richtigerweise ist auch Art. 26 ECT im Lichte der Erwägungen 1337

Siehe dazu exemplarisch Masdar Solar & Wind Cooperatief U. A. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/14/1; Foresight Luxembourg Solar 1 S. Á.R1., et al. v. Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/150; Eiser Infrastructure Limited and Energía Solar Luxembourg S. à r. l. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/13/36; Infrastructure Services Luxembourg S. à. r. l. and Energia Termosolar B. V. (formerly Antin Infrastructure Services Luxembourg S. à. r. l. and Antin Energia Termosolar B. V.) v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/13/31; 9REN Holding S.à r. l. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/15/15; NextEra Energy Global Holdings B. V. and NextEra Energy Spain Holdings B. V. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/14/11; PL Holdings S. à. r. l. v. Republic of Poland, SCC Case No. V 2014/163; Novenergia II – Energy & Environment (SCA), SICAR v. The Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/ 063. 1338 Novenergia II – Energy & Environment (SCA), SICAR v. The Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/063; siehe dazu auch United States District Court for the District of Columbia, Rs. 18-cv-01148 (TSC) und Svea Court of Appeal, Rs. T 4658-18.

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

271

der EuGH-Richter als unionsrechtswidrig anzusehen. Diesbezüglich wird jedoch der EuGH in bereits anhängigen Verfahren1339 erneut das letzte Wort haben. Auch im Reformprozess des ECT werden die Fragen um die Unionsrechtskonformität der Schiedsklausel eingehend diskutiert. Entscheidende Bedeutung dürfte in dieser Hinsicht dem vom EuGH im CETA-Gutachten für unionsrechtskonform erklärten Streitbeilegungsmechanismus des CETA zukommen.1340 Die dortigen Erwägungen der Richter ebnen den Weg für einen unionsrechtskonformen schiedsgerichtlichen Investitionsschutz auch innerhalb der Europäischen Union. Ebendieses dürfte auch für Extra-EU-BIT relevant werden. Schließlich sind diese weiterhin in Kraft und könnten inhaltlich angepasst werden. Diese Möglichkeit besteht für Intra-EU-BIT seit dem Beendigungsübereinkommen nicht mehr. Es wäre wohl ein eleganter Ausweg aus dem Konflikt mit der Unionsrechtsautonomie gewesen, hätte man sämtliche Intra-EU-BIT entsprechend den Würdigungen im CETA-Gutachten geändert.1341 Schließlich kam es den Richtern in der Achmea-Entscheidung maßgeblich darauf an, dass Schiedsgerichte Unionsrecht anwenden könnten (s. o.). Da diese Option nun nicht mehr zur Debatte steht, ist der Fokus der folgenden Ausführungen auf das Beendigungsübereinkommen und die damit einhergehenden Folgen zu legen. Unklarheit hinterlässt die Entscheidung aber insbesondere im Völkerrecht. Schiedsgerichten gelingt es bislang nicht, die Achmea-Entscheidung so zu würdigen, wie dies die Mitgliedstaaten in den Januar-Deklarationen1342 befürwortet haben (s. o.). Aus Sicht der Mehrheit der Schiedsrichter lässt sich die Entscheidung nicht derart über die Normen des Völkerrechts und insbesondere der VCLT berücksich1339

Siehe u. a. EuGH, Gerichtsmitteilung vom 8. Oktober 2019, Rs. C-741/19, in: BeckEuRS 2019, 620735; siehe auch das Vorabentscheidungsersuchen vom 11. Mai 2020 Rs. C-109/ 20 des Högsta domstolen (Schweden) (siehe dazu BeckEuRS 2020, 629911) und den Antrag des Königreichs Belgien auf Gutachten 1/20 nach Art. 218 Abs. 11 AEUV vom 29. Januar 2021 (abrufbar unter https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=AED4481F9A4 83AD2D5917E204E1FB825?text=&docid=237792&pageIndex=0&doclang=DE&mode= lst&dir=&occ=first&part=1&cid=11193185, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1340 Siehe auch EU Text Proposal for the Modernisation of the Energy Charter Treaty (ECT) (abrufbar unter https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2020/may/tradoc_158754.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1341 Vgl. auch Wernicke, NJW 2018, 1644 (1645 Fn. 11) m. w. N. 1342 Siehe Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/busi ness_economy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en. pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Governments of the Member States of 16 January 2019 on the enforcement of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://www.regeringen. se/48ee19/contentassets/d759689c0c804a9ea7af6b2de7320128/achmea-declaration.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Government of Hungary of 16 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://2015-2019.kormany.hu/ download/5/1b/81000/Hungarys%20Declaration%20on%20Achmea.pdf#!DocumentBrowse, zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

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Kap. II: Die unmittelbare Wirkung der Achmea-Entscheidung

tigen, dass sie gar die Unzuständigkeit eines Schiedsgerichts begründen könnte. Deutlich wird durch diese Schiedssprüche und die Kritik in der Literatur erneut, dass die Stellung des Unionsrechts im Völkerrechtssystem nicht als geklärt anzusehen ist. Die Tendenz der Schiedsrichter mag zudem dadurch geprägt sein, dass es aus schiedsgerichtlicher Perspektive wohl schwer nachvollziehbar ist, dass der EuGH über die Auslegung von Normen des Unionsrechts entscheidet und dadurch die eigene, auf anderen Bestimmungen des Völkerrechts beruhende Zuständigkeit in Frage gestellt wird. Es wurde jedoch gezeigt, dass sich ein solches Ergebnis – also die Unzuständigkeit eines Schiedsgerichts – durchaus begründen ließe. Solange Schiedsgerichte die Achmea-Objection zurückweisen, haben sich staatliche Gerichte mit dem Konflikt zwischen Normen des Völkerrechts und Unionsrecht auseinanderzusetzen. Aus Investorensicht dürfte es kaum befriedigen, wenn ein langwierig und kostspielig erstrittener Schiedsspruch von einem mitgliedstaatlichen Gericht nicht vollstreckt oder gar aufgehoben wird. Daran anschließend besteht auch stets die Möglichkeit der Intervention der Europäischen Kommission in die Erfüllung des zugesprochenen Schadensersatzes – wie im Micula-Verfahren. Es bleibt mithin zu hoffen, dass das Beendigungsübereinkommen zukünftig für Rechtssicherheit sorgt (siehe dazu das folgende Kapitel). Aus einer unionsrechtlichen Perspektive kann die Achmea-Entscheidung trotz der kurzen Begründung überzeugen (s. o.). Ein Großteil der Kritik an der Entscheidung ist von tatsächlichen Erwägungen geprägt. Vielfach wird moniert, es könnte sich nun eine beträchtliche Rechtsschutzlücke für intra-unionale Investitionen entwickeln. Dem soll hier nicht unmittelbar widersprochen werden. Im Grundsatz sind die von der Europäischen Kommission in ihren Bemühungen um die Beendigung des intraunionalen schiedsgerichtlichen Investitionsschutzes (s. o.) verfolgten Ziele, die auch die EuGH-Richter im Achmea-Fall beeinflusst haben könnten, indes nachvollziehbar. Ganz unabhängig von der Idee der Autonomie des Unionsrechts, überzeugt es aus Perspektive der Europäischen Union, dass neben dem unionsrechtlichen Investitionsschutz nicht noch ein zweites Investitionsrechtssystem bestehen soll.1343 Dies zumal das System des internationalen Investitionsschutzrechts seit jeher äußerst umstritten ist.1344 Den in Bezug auf Schiedsgerichte in diesem Zusammenhang geäußerten – insbesondere tatsächlichen – Bedenken können mitgliedstaatliche Gerichte grundsätzlich standhalten. Ideal wäre es, wenn das Unionsrecht mit seinem mitgliedstaatsgerichtlichen Rechtsschutzsystem derart „guten“ Investitionsschutz bieten würde, dass es aus Investorensicht günstig wäre, eine Investition so zu strukturieren, dass sie in den Schutzbereich dieses Rechtssystems fallen würde. Diesen Gedanken verfolgte wohl auch die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung vom 19. Juli 2018 (s. o.).1345 Angesichts nicht unerheblicher Rechtsschutz1343

Vgl. auch Centeno Huerta/Kuplewatzky, EP 2019, 61 (67 f.). Siehe zu unterschiedlich gearteter Kritik exemplarisch Griebel/Kim, SchiedsVZ 2007, 186; Schill, ZaöRV 2012, 261; Krajewski, ZUR 2014, 396. 1345 Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final. 1344

B. Die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für Schiedsverfahren

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defizite insbesondere in östlichen Gebieten der Europäischen Union1346 wirken solche Erwägungen indessen geradezu utopisch. Andererseits lassen sich diese Rechtsschutzdefizite auch nicht einfach hinnehmen. So zweifelhaft der Fortbestand des völkerrechtlichen Investitionsschutzes innerhalb der Europäischen Union aus unionsrechtlicher Perspektive auch wirken mag, so problematisch sind auch die tatsächlichen Folgen der Achmea-Entscheidung. An dieser Stelle soll noch nicht vertieft auf die Thematik des sog. treaty shopping eingegangen werden.1347 Allerdings weckt folgende, auffällig simple Konstellation erhebliche Bedenken.1348 Ein deutscher Investor kann seine Investition zwar weiterhin in einem Staat wie Bulgarien organisieren. Im Falle eines Disputs mit dem Gaststaat hat der Investor dann jedoch (jedenfalls nach Inkrafttreten des Beendigungsübereinkommens, siehe sogleich) den Instanzenzug vor den bulgarischen Gerichten zu beschreiten – die mögliche Anwendbarkeit des ECT hier ausgeklammert. Demgegenüber kann beispielsweise ein türkischer Investor eine investitionsrechtliche Streitigkeit mit der Republik Bulgarien weiterhin vor einem ICSID-Tribunal austragen.1349 Die Vollstreckung eines solchen Schiedsspruchs könnte angesichts der Beschränkung des Tenors der Achmea-Entscheidung auf Intra-EU-BIT auch innerhalb der Europäischen Union erfolgreich sein. Mit Blick auf die obigen Erwägungen wäre ein mitgliedstaatliches Gericht jedoch gehalten, ein Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung der Art. 267 und 344 AEUVauch bezüglich Extra-EU-BIT anzustrengen. Sofern man den schiedsgerichtlichen Investitionsschutz im Vergleich zum Investitionsschutz des Rechtssystems der Europäischen Union als günstiger ansieht, weckt diese Konstellation Bedenken auch in politischer und volkswirtschaftlicher Hinsicht.1350

1346 Siehe hierzu BVerfG, Beschluss vom 23. Ma¨ rz 2020 – 2 BvQ 6/20, in: EuZW 2020, 427 (431); Stöbener de Mora, EuZW 2019, 140 (140); Brauneck, EuR 2018, 429 (432); Kleinheisterkamp, JIEL 2012, 85 (101 f.); Wilske, RIW 2018, vor 169 („Die erste Seite“); siehe allg. auch Europäische Kommission, Justizbarometer 2020, COM(2020) 306 (abrufbar unter https: //ec.europa.eu/info/sites/info/files/justice_scoreboard_2020_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021) und Europäische Kommission, Justizbarometer 2017, COM(2017) 167 (abrufbar unter https://ec.europa.eu/germany/news/eu-justizbarometer-2017-justizsysteme-wer den-effektiver_de, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1347 Siehe dazu Kapitel III D. II. 1348 Ebenso, jedoch hinsichtlich der Konstellation zwischen einem deutschen Investor, Rumänien und Indien Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (353). 1349 Siehe Art. 8 Abs. 3 des Agreement between the Government of the Republic of Bulgaria and the Government of the Slovak Republic for promotion and reciprocal protection of investments (Inkrafttreten 22. September 1997). 1350 Vgl. auch Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (353); siehe ausführlich zu dieser Problematik unten Kapitel III D.

Kapitel III

Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT A. Einleitung Die wohl bedeutendste Folge der Achmea-Entscheidung ist besagtes Übereinkommen zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzvertra¨ ge zwischen den Mitgliedstaaten der Europa¨ ischen Union – das Beendigungsübereinkommen.1351 Wie der Titel des Übereinkommens bereits deutlich macht, sollen durch jenes die bilateralen Investitionsschutzverträge, die die Mitgliedstaaten der Europäischen Union untereinander abgeschlossen haben, gekündigt werden. Am 5. Mai 2020 unterzeichneten das Übereinkommen alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, bis auf die Republik Österreich, die Republik Finnland, das Königreich Schweden und Irland (sowie das Vereinigte Königreich). Signatarstaaten sind dementsprechend das Königreich Belgien, die Republik Bulgarien, die Tschechische Republik, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Hellenische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Republik Kroatien, die Italienische Republik, die Republik Zypern, die Republik Lettland, die Republik Litauen, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn, die Republik Malta, das Königreich der Niederlande, die Republik Polen, die Portugiesische Republik, Rumänien, die Republik Slowenien und die Slowakische Republik. Irland ist ohnehin nicht Partei jeglicher Intra-EU-BIT und soweit ersichtlich auch nicht von Extra-EUBIT. Das Übereinkommen betrifft somit knapp 130 bis dahin gültige Intra-EU-BIT sowie elf bereits beendete Intra-EU-BIT, bei denen eine sog. sunset clause1352 (s. o.) wirksam sein könnte.1353 Nicht betroffen sind durch das Übereinkommen die 32 Intra-EU-BIT, deren Parteien die Republik Österreich, die Republik Finnland und das Königreich Schweden sind, sowie zwölf BIT, welche das Vereinigte Königreich mit Mitgliedstaaten der Europäischen Union abgeschlossen hat.1354 Die Europäische 1351 ¨ Ubereinkommen zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzvertra¨ ge zwischen den Mitgliedstaaten der Europa¨ ischen Union (5. Mai 2020), Amtsblatt der Europa¨ ischen Union L 169/1. 1352 Das Übereinkommen bezeichnet diese Klauseln in deutscher Sprache als „Nachwirkungsklauseln“. Aus Gründen der Klarheit soll im folgenden gleichwohl die Terminologie der englischen Fassung („sunset clauses“) verwendet werden. 1353 Siehe Anhang A und B des Beendigungsübereinkommens. 1354 Vgl. Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (202); Bray/Kapoor, Agreement on the Termination of Intra-EU BITs: Sunset in Stone?, Kluwer Arbitration Blog, 4. November 2020, http: //arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2020/11/04/agreement-on-the-termination-of-intra-eu-

A. Einleitung

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Kommission hat deshalb bereits am 14. Mai 2020 Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Finnland und das Vereinigte Königreich angekündigt.1355 Dass daneben keine Verfahren gegen das Königreich Schweden und die Republik Österreich angekündigt wurden ist weniger merkwürdig („curiously“1356), wenn man sich vor Augen führt, dass gegen diese Staaten bereits Vertragsverletzungsverfahren hinsichtlich der Beendigung von Intra-EU-BIT laufen.1357 Außerdem haben diese beiden Staaten angekündigt, ihre BIT bilateral zu kündigen.1358 Die Verweigerung der Unterzeichnung durch das Vereinigte Königreich ist wohl im Lichte des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union mit Wirkung zum 1. Februar 2020 zu verstehen.1359 Gem. Art. 126 und Art. 127 des Austrittsabkommens galt im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Beendigungsübereinkommens durch die Mitgliedstaaten Unionsrecht jedoch auch noch für das Vereinigte Königreich. Nachdem das Vereinigte Königreich den Rechtskreis der Europäischen Union am 1. Januar 2021 endgültig verlassen hat,1360 ist mit einer Unterzeichnung des Beendigungsübereinkommens nicht mehr zu rechnen. Das Übereinkommen tritt gemäß Art. 16 Abs. 1 BÜ 30 Kalendertage nach dem Tag in Kraft, nach dem der Verwalter die zweite Ratifikations-, Genehmigungs- oder Annahmeurkunde erhält. Nach der Ratifizierung des Königreichs Dänemark am 6. Mai 2020 und Ungarns am 30. Juli 2020 trat das Übereinkommen mithin am 29. August 2020 in Kraft.1361 Die Bundesrepublik Deutschland ratifizierte das Übereinkommen mit Wirkung zum 22. Januar 2021.1362 Für sie ist das Übereinbits-sunset-in-stone/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021) gehen hingegen davon aus, dass das Vereinigte Königreich lediglich neun BIT mit Mitgliedstaaten der Europäischen Union abgeschlossen hat; aus https://investmentpolicy.unctad.org/international-investment-agreements/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021) ergeben sich indes 13 solcher BIT. 1355 Siehe https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/EN/INF_20_859 (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1356 Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (202). 1357 Siehe https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/EN/IP_15_5198 (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1358 Vgl. Moarbes, ILM 2021, 99 (100). 1359 Siehe Abkommen u¨ ber den Austritt des Vereinigten Ko¨ nigreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europa¨ ischen Union und der Europa¨ ischen Atomgemeinschaft, 31. Januar 2020, Amtsblatt der Europäischen Union L 29/7. 1360 Teichmann/Knaier, EuZW-Sonderausgabe, 1/2020, 14 (14). 1361 Bray/Kapoor, Agreement on the Termination of Intra-EU BITs: Sunset in Stone?, Kluwer Arbitration Blog, 4. November 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/202 0/11/04/agreement-on-the-termination-of-intra-eu-bits-sunset-in-stone/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); vgl. auch Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (206); siehe für einen Überblick über das Inkrafttreten https://www.consilium.europa.eu/en/documents-publications/treatiesagreements/agreement/?id=2019049&DocLanguage=en (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1362 Gesetz zu dem Übereinkommen vom 5. Mai 2020 zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzverträge zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 15. Januar 2021 (BGBl. II S. 3) (abrufbar unter https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundes

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

kommen gem. Art. 16 Abs. 2 BÜ am 9. Juni 2021 in Kraft getreten.1363 Es ist kaum vorhersehbar, wann bzw. ob das Beendigungsübereinkommen somit für alle Vertragsparteien in Kraft treten wird und in der Folge sämtliche (der knapp 130 adressierten) Intra-EU-BIT beenden sein werden. Das Beendigungsübereinkommen stellt nach den Januar Deklarationen (s. o.) den Kulminationspunkt der Bemühungen der Mitgliedstaaten – angetrieben durch die Europäische Kommission – gegen die fortgeltende Wirksamkeit der Intra-EU-BIT dar (wobei sie Art. 26 ECT hierbei ausdrücklich ausklammern).1364 Die Signatarstaaten des Übereinkommens gehen damit einen bedeutenden Schritt, um die anhaltende Verletzung der Autonomie des Unionsrechts zu unterbinden. Gleichzeitig vertiefen sie die Bedenken, die hinsichtlich des Investitionsschutzniveaus innerhalb der Europäischen Union bestehen.1365 Zweifel weckt das Übereinkommen jedoch auch in völkerrechtlicher Hinsicht. Insbesondere die Kündigung der sog. sunset clauses (s. o.) könnte mit Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit in Konflikt stehen. Auf der anderen Seite ist unklar, welche (völkerrechtliche) Bedeutung dem Beendigungsübereinkommen überhaupt zuzusprechen ist. Immerhin vermochten die Achmea-Entscheidung des EuGH, die Januar-Deklarationen der Mitgliedstaaten sowie zahlreiche amicus curiae-Interventionen der Europäischen Kommission die angerufenen Schiedsgerichte nicht davon überzeugen, ihre Zuständigkeit zu versagen. Mit Spannung darf also erwartet werden, wie hiermit in Zukunft befasste Tribunale umgehen werden. Die Intra-EU Jurisdictional Objection, die für die hiesigen Zwecke zur Achmea-Objection umgetauft wurde (s. o.), könnte somit zukünftig Termination Agreement-Objection lauten. Im Zentrum dessen dürften wiederum die Bestimmungen der VCLT stehen. Die Besonderheit des Beendigungsübereinkommens besteht aber vor allem darin, dass es sich nicht darauf beschränkt, die Intra-EUBIT (inklusive der sunset clauses) zu beenden. Es enthält in einem dritten Abschnitt Bestimmungen zu Ansprüchen, die im Rahmen bilateraler Investitionsschutzabkommen geltend gemacht werden (siehe dazu sogleich). Für ein näheres Verständnis soll im Folgenden zunächst auf den Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens eingegangen werden (B.). Im Anschluss daran ist jenes sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht zu bewerten und in die bisherige schiedsgerichtliche Rechtsprechung einzuordnen (C.), bevor abschließend anzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl221s0003.pdf#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%2 7bgbl221s0003.pdf%27%5D__1612947623677, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1363 Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Übereinkommens zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzverträge zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 28. Mai 2021 (BGBl. II S. 599) (abrufbar unter https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start bk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl221s0599.pdf#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_ id%3D%27bgbl221s0599.pdf%27%5D__1642084698743, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1364 Vgl. auch Signorelli, ESIL 23/2019, S. 27. 1365 Stöbener de Mora, EuZW 2019, 883 (883) spricht von einer „schmerzliche[n] Rechtsschutzlücke“.

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens

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ein Überblick über die mit dem Übereinkommen einhergehenden praktischen Konsequenzen gegeben wird (D.).

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens Nachdem einleitend hinter dem Übereinkommen stehende Erwägungen skizziert werden, teilt sich jenes in vier Abschnitte. Zunächst werden in dem aus Art. 1 BÜ bestehenden ersten Abschnitt („Begriffsbestimmungen“) einige Ausdrücke definiert. Den inhaltlichen Kern des Übereinkommens bildet anschließend Abschnitt 2 („Bestimmungen zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzverträge“). In diesem wird die Beendigung der im Anhang angeführten Intra-EU-BIT und sunset clauses manifestiert. In Abschnitt 3 („Bestimmungen zu Ansprüchen, die im Rahmen bilateraler Investitionsschutzverträge geltend gemacht werden“) sind ergänzend dazu Regelungen vorgesehen, wie mit abgeschlossenen, anhängigen und neuen Schiedsverfahren i. S. d. Art. 1 Nr. 4, 5, 6 BÜ umzugehen ist. Während Abschnitt 2 den maßgeblichen Anknüpfungspunkt rechtlicher Zweifel bilden dürfte, rückt Abschnitt 3 hinsichtlich Bedenken tatsächlicher Natur in den Fokus. Im vierten Abschnitt („Schlussbestimmungen“) ist neben klassischen Schlussbestimmungen auch eine Norm zur Streitbeilegung (Art. 14 BÜ) vorgesehen. Außerdem ermöglicht Art. 17 BÜ eine vorläufige Anwendung des Übereinkommens.

I. Die Präambel Die Signatarstaaten leiten die nicht ausdrücklich so bezeichnete Präambel damit ein, dass sie das Beendigungsübereinkommen auf AEUV und EUV sowie die in der VCLT kodifizierten Regeln des Völkergewohnheitsrechts stützen. Daran anschließend legen sie ihr Grundverständnis der Achmea-Entscheidung dar. Dieses wurde auch bereits in den Januar-Deklarationen (s. o.) deutlich. Investor-Staat-Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT verstoßen gegen die Unionsverträge. In dem Zeitpunkt, in dem die Partei eines BIT der Europäischen Union als Mitgliedstaat beigetreten ist, könne die betroffene Investor-Staat-Schiedsklausel demnach nicht mehr als Rechtgrundlage für Schiedsverfahren dienen. Darüber hinaus wird klargestellt, dass dies für sämtliche betroffene Schiedsverfahren unabhängig von der anwendbaren Schiedsordnung gelte. Unberührt soll das Übereinkommen hingegen die Frage lassen, ob auch die materiellen Bestimmungen von Intra-EU-BIT mit den Unionsverträgen vereinbar sind. Ebenso enthalte das Übereinkommen keine Aussagen über intra-unionale Schiedsverfahren auf Basis von Art. 26 ECT. Damit solle sich zu einem späteren Zeitpunkt befasst werden. An dieser Stelle des Übereinkommens wird die bereits im Januar 2019 bestehende Uneinigkeit der Mitgliedstaaten zur

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Frage der Vereinbarkeit von Art. 26 ECT mit Unionsrecht erneut deutlich.1366 Der vielfach geäußerten Sorge um Rechtsschutzlücken im intra-unionalen Bereich begegnen die Mitgliedstaaten mit einem Verweis darauf, dass Investoren aus Mitgliedstaaten unter den Schutz des unionalen Primär- und Sekundärrechts fallen. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten gem. Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV hinreichende Rechtsbehelfe zur Garantie eines wirksamen Unionsrechtsschutzes vorsehen. Wie der EuGH bereits festgestellt habe,1367 müssen mitgliedstaatliche Gerichte den Anforderungen eines wirksamen Rechtsschutzes genügen. Nicht ausdrücklich in Erwägung ziehen die Vertragsstaaten demgegenüber, inwieweit diesen Anforderungen (weiterhin) nicht genügt wird.1368 Explizit berücksichtigt wird indes die Tatsache, dass der Europäischen Kommission die Möglichkeit von Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 ff. AEUV zusteht und dass dies vom Beendigungsübereinkommen auch nicht berührt werde. Abschließend räumen die Signatarstaaten gleichwohl ein, dass gegebenenfalls weitere Maßnahmen und Aktionen für einen „besseren Schutz grenzüberschreitender Investitionen“ und für „vorhersehbarere, stabilere und klarere rechtliche Rahmenbedingungen“ notwendig seien, um im „Binnenmarkt Investitionsanreize zu schaffen“. Das Beendigungsübereinkommen lasse diese weiteren Maßnahmen und Aktionen unberührt. Dies suggeriert, dass auch bereits das Beendigungsübereinkommen eine solche Maßnahme sein solle. Eine Maßnahme also, die der Garantie eines besseren Schutzes grenzüberschreitender Investitionen innerhalb der Europäischen Union dienen und vorhersehbarere, stabilere und klarere rechtliche Rahmenbedingungen schaffen soll. Diese Hypothese mutet zweifelhaft an, wenn man sich vor Augen führt, dass das Beendigungsübereinkommen sämtliche Intra-EU-BIT der Signatarstaaten beendet, welche aus Investorensicht wohl bereits einen hinreichend klaren Schutz boten. Andererseits ist die seit der Achmea-Entscheidung schwelende Rechtsunsicherheit im intra-unionalen Investitionsschutzrecht offenkundig. Ob das 1366 Siehe Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/busi ness_economy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en. pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Governments of the Member States of 16 January 2019 on the enforcement of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://www.regeringen. se/48ee19/contentassets/d759689c0c804a9ea7af6b2de7320128/achmea-declaration.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Government of Hungary of 16 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://2015-2019.kormany.hu/ download/5/1b/81000/Hungarys%20Declaration%20on%20Achmea.pdf#!DocumentBrowse, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1367 Siehe EuGH, Urteil vom 27. Februar 2018, Rs. C-64/16, Associação Sindical dos Juízes Portugueses, ECLI:EU:C:2018:117, Rn. 31 ff. 1368 Siehe dazu Europäische Kommission, Justizbarometer 2020, COM(2020) 306 (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/justice_scoreboard_2020_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens

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Beendigungsübereinkommen auf dem Weg zu einem endgültig gelungenen Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union ein notwendiges Fundament bildet oder ob nicht durch jenes das „Kind mit dem Bade ausgeschüttet wurde“, bleibt abzuwarten.

II. Begriffsbestimmungen (Abschnitt 1) Art. 1 BÜ, der gleichzeitig den gesamten ersten Abschnitt des Übereinkommens bildet, widmet sich der Definition von durch das Übereinkommen aufgeworfenen Begriffen. Zur Klarstellung soll der Artikel hier vollumfänglich in der gem. Art. 18 BÜ verbindlichen deutschen Fassung wiedergegeben werden: „Artikel 1 – Begriffsbestimmungen Für die Zwecke dieses Übereinkommens bezeichnet der Ausdruck 1. „bilateraler Investitionsschutzvertrag“ einen der in Anhang A oder B aufgeführten Investitionsschutzvertra¨ ge; 2. „Schiedsverfahren“ ein Verfahren vor einem Schiedsgericht, das geschaffen wurde, um Streitigkeiten zwischen einem Investor aus einem Mitgliedstaat der Europa¨ ischen Union und einem anderen Mitgliedstaat der Europa¨ ischen Union gema¨ ß einem bilateralen Investitionsschutzvertrag beizulegen; 3. „Schiedsklausel“ eine Investor-Staat-Schiedsklausel in einem bilateralen Investitionsschutzvertrag, der Schiedsverfahren vorsieht; 4. „abgeschlossenes Schiedsverfahren“ ein Schiedsverfahren, das mit einer Einigung der Vertragsparteien endete, oder in dem vor dem 6. Ma¨ rz 2018 ein endgu¨ ltiger Schiedsspruch ergangen ist, wobei a) der Schiedsspruch vor dem 6. Ma¨ rz 2018 ordnungsgema¨ ß vollstreckt worden sein muss, selbst wenn ein damit verbundener Anspruch auf Rechtskosten nicht erfu¨ llt oder vollstreckt wurde, und zu diesem endgu¨ ltigen Schiedsspruch am 6. Ma¨ rz 2018 ¨ berpru¨ fung, Aufhebung, Annullierung, Durchkein Verfahren zur Anfechtung, U setzung oder Wiederaufnahme oder a¨ hnliches Verfahren anha¨ ngig war, oder ¨ bereinkommens b) der Schiedsspruch vor dem Zeitpunkt des Inkrafttreten dieses U aufgehoben oder annulliert wurde; 5. „anha¨ ngiges Schiedsverfahren“ ein Schiedsverfahren, das vor dem 6. Ma¨ rz 2018 eingeleitet wurde und unabha¨ ngig davon, in welchem Stadium es sich zum Zeitpunkt des ¨ bereinkommens befindet, nicht als abgeschlossenes SchiedsInkrafttretens dieses U verfahren angesehen werden kann; 6. „neues Schiedsverfahren“ ein Schiedsverfahren, das am oder nach dem 6. Ma¨ rz 2018 eingeleitet wurde;

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

7. „Nachwirkungsklausel“ eine Bestimmung in einem bilateralen Investitionsschutzvertrag, durch die sich der Schutz von Investitionen, die vor Beendigung jenes Vertrags geta¨ tigt wurden, fu¨ r einen weiteren Zeitraum verla¨ ngert.“1369

Die Begriffsbestimmungen in den Nummern 1 (bilateraler Investitionsschutzvertrag), 2 (Schiedsverfahren), 3 (Schiedsklausel) und 7 (Nachwirkungsklausel) sind vorliegend kaum relevant, da sie lediglich das allgemeine Verständnis dieser Ausdrücke wiedergeben. In Nummer 2 und 3 wird nur klargestellt, dass sich das vorliegende Übereinkommen und darin insbesondere Abschnitt 3 lediglich auf InvestorStaat-Schiedsverfahren und nicht auch auf zwischenstaatliche Verfahren beziehen. Nummer 4, 5 und 6 verdienen demgegenüber Aufmerksamkeit. In diesen wird bereits deutlich, dass das Beendigungsübereinkommen sämtliche intra-unionale Investor-Staat-Schiedsverfahren in drei Klassen teilt, welche dann in Abschnitt 3 einer entsprechenden Regelung zugeführt werden. Diese drei Klassen sind neue, anhängige und abgeschlossene Schiedsverfahren. Bemerkenswert ist, dass das Übereinkommen als Stichtag für die Klassifizierung der Verfahren den Tag des Ergehens der Achmea-Entscheidung vorsieht – den 6. März 2018. Wenige Probleme bereitet demnach die Feststellung eines „neuen Schiedsverfahrens“ i. S. d. Art. 1 Nr. 6 BÜ. Dies sind solche, die am oder nach diesem Stichtag eingeleitet wurden. Alle anderen Schiedsverfahren sind entweder „abgeschlossen“ oder „anhängig“. Ein Schiedsverfahren ist „abgeschlossen“ i. S. d. Art. 1 Nr. 4 BÜ, wenn es mit einer Einigung der Vertragsparteien endet oder vor dem 6. März 2018 ein endgültiger Schiedsspruch ergangen ist. Eine gütliche Einigung zwischen den Vertragsparteien dürfte stets unproblematisch feststellbar sein. Hinsichtlich eines „endgültige[n] Schiedsspruch[s]“ spezifiziert das Übereinkommen, dass ein solcher vor dem 6. März 2018 ordnungsgemäß vollstreckt worden sein muss und zu diesem Zeitpunkt kein Verfahren zur Anfechtung, Überprüfung, Aufhebung, Annullierung, Durchsetzung oder Wiederaufnahme oder ein ähnliches Verfahren anhängig war bzw. ist oder dass der Schiedsspruch vor dem Inkrafttreten des Beendigungsübereinkommens aufgehoben oder annulliert wurde. Ein endgültiger Schiedsspruch im Sinne des Beendigungsübereinkommens ist mithin nicht schlicht eine finale Entscheidung in der Sache durch ein Schiedsgericht. Es müssen vielmehr bereits eine vollumfängliche, endgültige Vollstreckung des Schiedsspruchs vor dem 6. März 2018 oder eine Aufhebung bzw. Annullierung des Schiedsspruchs vor Inkrafttretens des Beendigungsübereinkommens stattgefunden haben. Damit entfernt sich das Übereinkommen vom originären Begriffsverständnis eines „endgültigen Schiedsspruchs“ bzw. eines „final award“ i. S. d. englischsprachigen Fassung. Immerhin bezeichnen Schiedsgerichte ihren Schiedsspruch selbst in der Regel als „Final Award“.1370 Zudem statuieren auch BIT – wie beispielsweise Art. 8 Abs. 7 des BIT zwischen dem 1369

Hervorh. d. Verf. Siehe bspw. Ioan Micula, Viorel Micula, S. C. European Food S. A, S. C. Starmill S. R. L. and S. C. Multipack S. R. L. v. Romania [I], ICSID Case No. ARB/05/20, (Final Award); Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Final Award). 1370

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens

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Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik1371 – dass ihre Schiedssprüche „final“ sein sollen. Unter Zugrundelegung dieser Logik ist beispielsweise das Micula-Verfahren kein „abgeschlossenes Schiedsverfahren“, obwohl mit Beendigung des Aufhebungsverfahrens nach Art. 52 ICSID-Konvention am 26. Februar 20161372 die schiedsgerichtliche Ebene verlassen wurde. Dementsprechend sind alle übrigen Verfahren als „anhängige Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 5 BÜ einzuordnen. Anhängige Schiedsverfahren in diesem Sinne sind mithin solche, die vor dem 6. März 2018 eingeleitet wurden und nicht als „abgeschlossen“ i. S. d. Art. 1 Nr. 4 BÜ angesehen werden können. Dass die Terminologie im Beendigungsübereinkommen wenig geglückt ist, wird hier besonders deutlich. Während sich wohl noch statuieren ließe, ein Schiedsverfahren sei erst dann „endgültig“ abgeschlossen, wenn auch die darauf folgenden Aufhebungs- und Vollstreckungsverfahren tatsächlich beendet sind, wirkt es sprachlich eigenwillig, ein Schiedsverfahren, in dem ein finaler Schiedsspruch ergangen ist, als „anhängig“ zu bezeichnen, da noch Aufhebungs- bzw. Vollstreckungsverfahren im Gange sind.1373 Schließlich ist das Schiedsverfahren im eigentlichen Sinne nicht mehr anhängig.1374 Letztlich sind diese sprachlichen Ungenauigkeiten von untergeordneter Relevanz. Entscheidend ist, dass durch Art. 1 Nr. 4, 5, 6 BÜ tatsächlich deutlich wird, welcher Kategorie die Verfahren zuzuordnen sind. Die Folgen dieser Zuordnung werden durch die Regelungen in Abschnitt 3 bedeutungsvoll (siehe sogleich).

III. Bestimmungen zur Beendigung der Intra-EU-BIT (Abschnitt 2) Der zweite Abschnitt des Beendigungsübereinkommens besteht aus Art. 2, 3 und 4 BÜ. Wie bereits eingangs angedeutet, manifestieren diese Bestimmungen den eigentlichen – unerlässlichen – Kerngehalt des Übereinkommens. Schließlich nennt ¨ bereinkommen zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzsich jenes auch „U vertra¨ ge zwischen den Mitgliedstaaten der Europa¨ ischen Union“. Die zentrale Regelung in Art. 2 Abs. 1 BÜ lautet: „Die in Anhang A genannten bilateralen Investitionsschutzvertra¨ ge werden gema¨ ß den ¨ bereinkommens beendet.“ Bestimmungen dieses U

Diese Feststellung ist die eigentliche, nunmehr völkervertraglich festgeschriebene Konsequenz der Achmea-Entscheidung. Die EuGH-Richter statuierten, dass Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT unionsrechtswidrig sind. Die Mitgliedstaaten 1371 „The tribunal takes its decision by majority of votes; such decision shall be final and binding upon the parties to the dispute.“ 1372 Ioan Micula, Viorel Micula, S. C. European Food S. A, S. C. Starmill S. R. L. and S. C. Multipack S. R. L. v. Romania [I], ICSID Case No. ARB/05/20, (Decision on Annulment). 1373 So auch Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (201). 1374 Siehe auch ibid. (201 Fn. 16) für einen dahingehenden Überblick zu verschiedensprachigen Fassungen.

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

sind – wie in der Präambel auch dargelegt – verpflichtet, ihre Rechtsordnung in Einklang mit dem Unionsrecht zu bringen. In diesem Sinne wurde das Beendigungsübereinkommen geschlossen. Es enthält mithin implizit die auch bereits in den Januar-Deklarationen deutlich gewordene Auffassung, dass die Achmea-Entscheidung weder ICSID-Verfahren ausgeklammert habe noch dass überhaupt irgendwelche Intra-EU-BIT von der Entscheidung unberührt blieben (s. o.). Die Verweigerung der Unterzeichnung durch die Republik Österreich, die Republik Finnland, das Königreich Schweden und Irland (sowie das Vereinigte Königreich) dürfte nicht darauf fußen, dass diese ihre BIT von der Achmea-Entscheidung unberührt ansehen und demnach weiterhin für unionsrechtskonform halten. Auffällig ist daneben, dass das Beendigungsübereinkommen die gesamten IntraEU-BIT betrifft und nicht lediglich die für unionsrechtswidrig erklärten Schiedsklauseln jener. Lediglich klarstellend verweist Art. 2 Abs. 2 BÜ darauf, dass von der Beendigung auch die sunset clauses der BIT betroffen sind und jene keine Rechtswirkung mehr entfalten. Diese Feststellung wirft die mitunter schwerwiegendsten Bedenken hinsichtlich der Völkerrechtskonformität des Beendigungsübereinkommens auf.1375 Nur konsequent ist dementsprechend aber, dass gem. Art. 3 BÜ ebenfalls die potentiell weiterhin wirksamen sunset clauses der bereits gekündigten Intra-EU-BIT beendet werden. Es wäre unerträglich, wenn alle in Anhang A genannten BIT inklusive der sunset clauses ihre Wirkung verlören, während Investoren sich weiterhin auf sunset clauses bereits zuvor gekündigter Intra-EU-BIT berufen könnten. IntraEU-BIT, die bereits vor Unterzeichnung des Beendigungsübereinkommens einvernehmlich beendet wurden und solche, die zwar unilateral beendet wurden, deren sunset clauses jedoch keine Wirkungen mehr entfalten, lässt das Beendigungsübereinkommen sachgemäß unberührt. Dies ergibt sich auch aus der Präambel (Absatz 8).1376 Dahingehend besteht schließlich auch kein Regelungsbedarf. Art. 4 Abs. 2 BÜ stellt ausdrücklich klar, was ohnehin feststeht. Die Beendigung der in Anhang A genannten BIT sowie der sunset clauses der in Anhang B genannten BIT greifen für die jeweils betroffenen BIT dann, wenn das Beendigungsübereinkommen gem. Art. 16 BÜ für beide Vertragsparteien jener BIT in Kraft tritt. Während Art. 2, 3 und 4 Abs. 2 BÜ mithin Regelungen enthalten, die in dieser Form erwartbar waren, ist die Bedeutung von Art. 4 Abs. 1 BÜ nicht unmittelbar ersichtlich. Dieser lautet: „Hiermit besta¨ tigen die Vertragsparteien, dass Schiedsklauseln im Widerspruch zu den EUVertra¨ gen stehen und daher nicht anwendbar sind. Aufgrund dieser Unvereinbarkeit zwischen Schiedsklauseln und den EU-Vertra¨ gen kann eine Schiedsklausel in einem bilateralen Investitionsschutzvertrag ab dem Zeitpunkt, zu dem der letzte Vertragsstaat dieses bilate-

1375 1376

Siehe dazu unten Kapitel III C. I. 1. Vgl. Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (244).

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens

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ralen Investitionsschutzvertrags ein Mitgliedstaat der Europa¨ ischen Union geworden ist, nicht als Rechtsgrundlage fu¨ r ein Schiedsverfahren dienen.“

Bereits in der Präambel wird dies so angedeutet: ¨ NDNIS, das in diesem U ¨ bereinkommen von den „[…] IN DEM GEMEINSAMEN VERSTA Parteien der EU-Vertra¨ ge und EU-interner bilateraler Investitionsschutzvertra¨ ge zum Ausdruck gebracht wird, dass eine solche Klausel folglich nicht als Rechtsgrundlage fu¨ r ein Schiedsverfahren dienen kann […].“1377

Auch in den Januar-Deklarationen wurde dies betont: „As a consequence, all investor-State arbitration clauses contained in bilateral investment treaties concluded between Member States are contrary to Union law and thus inapplicable. They do not produce effects including as regards provisions that provide for extended protection of investments made prior to termination for a further period of time (so-called sunset or grandfathering clauses). An arbitral tribunal established on the basis of investorState arbitration clauses lacks jurisdiction, due to a lack of a valid offer to arbitrate by the Member State party to the underlying bilateral investment Treaty.“1378

In Art. 4 Abs. 1 BÜ formulieren die Signatarstaaten somit nur ihre bereits zuvor kund getane Auffassung der Rechtsfolgen der Achmea-Entscheidung. Der Absatz statuiert nämlich nicht, dass die Schiedsklauseln aufgrund des Beendigungsübereinkommens keine Wirkung mehr entfalten. Dies wird in Abschnitt 3 differenzierend geregelt. Der Absatz stellt vielmehr darüber hinausgehend fest, dass die Unanwendbarkeit der Schiedsklauseln bereits alleine aus der Unvereinbarkeit mit Unionsrecht resultiert. Die Vertragsstaaten widmen ihrer dem Beendigungsübereinkommen zugrundeliegenden Auffassung neben einer Passage in der Präambel somit auch einen eigenen Absatz im eigentlichen Vertragstext. Obwohl Art. 4 Abs. 1 BÜ somit lediglich deklaratorische Bedeutung beizumessen ist,1379 könnte die Aufnahme in den Vertragstext doch einen spezifischen Hintergrund haben. Schließlich hätten es die Signatarstaaten auch dabei belassen können, diese zwei Sätze in Anhang C des Übereinkommens aufzuführen. In Betracht ließe sich insoweit ziehen, die Signatarstaaten wollten das Beendigungsübereinkommen als spätere Übereinkunft i. S. d. Art. 31 Abs. 3 lit. a) VCLT verstanden wissen.1380 Dies spielt an dieser Stelle jedoch noch keine Rolle. Auf die genaue Funktion des Beendigungsübereinkommens auch im Lichte der VCLT wird noch einzugehen sein.1381 Für die hiesigen Zwecke genügt es festzustellen, dass Art. 2 und 3 BÜ alle Intra-EU-BIT mit 1377

Hervorh. d. Verf. Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_eco nomy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 1. 1379 So auch Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (245). 1380 Vgl. ibid. 1381 Siehe Kapitel III. C. II. 1378

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

ihren sunset clauses, die gegebenenfalls noch Rechtswirkungen entfalten, beenden. Art. 4 BÜ enthält demgegenüber lediglich zwei Absätze mit „gemeinsame[n] Bestimmungen“ deklaratorischer Natur. Art. 4 Abs. 1 BÜ ist dabei in Zusammenhang mit Art. 7 lit. a) BÜ sowie Anhang C zu lesen.

IV. Bestimmungen zur Anspruchsdurchsetzung (Abschnitt 3) Abschnitt 3 (Bestimmungen zu Ansprüchen, die im Rahmen bilateraler Investitionsschutzverträge geltend gemacht werden) bildet den umfangreichsten Teil des Beendigungsübereinkommens. Die Art. 5 bis 10 BÜ enthalten Regelungen, wie mit abgeschlossenen, anhängigen und neuen Schiedsverfahren umzugehen ist. 1. Die Behandlung abgeschlossener und neuer Schiedsverfahren Unmittelbar einleuchtend bestimmt Art. 6 Abs. 1 BÜ, dass „abgeschlossene Schiedsverfahren“ i. S. v. Art. 1 Nr. 4 BÜ vom Übereinkommen unbeschadet des Art. 4 BÜ unberührt bleiben und auch nicht wiederaufgenommen werden. Selbiges gilt gem. Art. 6 Abs. 2 BÜ für Vereinbarungen zur gütlichen Beilegung von Streitigkeiten im Rahmen von vor dem 6. März 2018 eingeleiteten Schiedsverfahren. Insofern dient Art. 6 BÜ der Rechtssicherheit. Nicht ausgeschlossen ist zwar, dass sich in diesen Verfahren eine Verletzung der Autonomie des Unionsrechts manifestiert hat. Gleichwohl wäre eine Wiederaufnahme derartiger Prozesse kaum denkbar. Insbesondere würden so erneut Probleme bei der Bestimmung, ab welchem Zeitpunkt Unionsrecht nun wie Anwendung finden konnte, entstehen. Das Beendigungsübereinkommen sorgt vielmehr mit Art. 6 BÜ dafür, dass hinsichtlich der betroffenen „abgeschlossenen Schiedsverfahren“ endgültig Rechtsfrieden einkehrt. Für „neue Schiedsverfahren“ gelten die Regelungen in Art. 5 und 7 BÜ. Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT können gem. Art. 5 BÜ nicht als Rechtsgrundlage für solche Schiedsverfahren herangezogen werden, die nach dem Ergehen der Achmea-Entscheidung (oder am Tag des Ergehens) eingeleitet wurden. Da das Beendigungsübereinkommen das Datum der Achmea-Entscheidung als Stichtag für die Klassifizierung der drei Schiedsverfahren-Kategorien festlegt – was angesichts der Tatsache, dass dies womöglich eine retroaktive Wirkung des Übereinkommens von über zwei Jahren bedeutet, kritisiert wird1382 –, ist dies nur konsequent. Aus Art. 2 und 3 BÜ i. V. m. Art. 4 Abs. 2 BÜ ergibt sich zwar bereits, dass ein potentiell betroffenes BIT (inkl. sunset clause) beendet wird und mithin keine Rechtswirkung mehr entfaltet. Dass die Schiedsklausel eines solchen BIT nicht (mehr) als Rechtsgrundlage für Schiedsverfahren dienen kann, ist damit bereits festgestellt. Allerdings ergibt sich daraus noch nicht, dass betroffene Schiedsklauseln auch bereits vor dem in Art. 4 Abs. 2 BÜ genannten Zeitpunkt des Wirksamwerdens schon 1382

Siehe Kapitel III. C. I. 2.

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens

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ab dem 6. März 2018 nicht als Rechtgrundlage herangezogen werden sollen. Dies zu regeln sucht erst Art. 5 BÜ.1383 Der Verwirklichung dieser Regelung vor Schiedsgerichten soll nun Art. 7 BÜ dienen. Demnach haben die Parteien eines durch das Übereinkommen betroffenen BIT, auf dessen Grundlage ein neues Schiedsverfahren eingeleitet wurde, das Tribunal in gegenseitiger Zusammenarbeit und auf Grundlage der in Art. 4 Abs. 1 BÜ sowie Anhang C beschriebenen Rechtsfolgen der AchmeaEntscheidung zu unterrichten (Art. 7 lit. a) BÜ). Anhang C des Übereinkommens gibt dabei vor, in welcher Form und mit welcher Einleitung der Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 BÜ (s. o.) an das Schiedsgericht zu übermitteln ist. Sollte in einem derartigen Fall bereits ein Schiedsspruch ergangen und eine Vertragspartei auch Partei eines Verfahrens vor einem staatlichen Gericht sein (welches den Schiedsspruch betrifft), haben die Parteien das zuständige Gericht – selbst, wenn es sich in einem Drittstaat befindet – gegebenenfalls darum zu ersuchen, den Schiedsspruch aufzuheben oder zu annullieren oder von dessen Anerkennung und Vollstreckung abzusehen (Art. 7 lit. b) BÜ). In den Fokus rückt hierbei, wie die Unterrichtung eines Schiedsgerichts nach Art. 7 lit. a) BÜ im Lichte der VCLT zu behandeln ist. Mit Spannung darf erwartet werden, wie nationale – gar drittstaatliche – Gerichte mit einem Gesuch i. S. d. Art. 7 lit. b) BÜ umgehen werden. Da sich beispielsweise die Gerichte im Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten im Micula-Verfahren von den Einwänden Rumäniens und der Europäischen Kommission wenig beeindruckt gezeigt haben (s. o.), ist davon auszugehen, dass möglicherweise auch eine Erklärung i. S. d. Art. 7 lit. b) BÜ jedenfalls vor drittstaatlichen Gerichten wirkungslos bleiben könnte, sollte es tatsächlich zu derartigen Verfahren kommen. Zur Vermeidung dessen sind die hiermit potentiell befassten Schiedsrichter berufen. Ob diese Regelungen zu „neuen Schiedsverfahren“ tatsächlich der Rechtssicherheit zuträglich sind, bleibt abzuwarten. Immerhin kommt es hier wiederum maßgeblich auf die Kooperation durch angerufene Schiedsgerichte an. Dass diese sich in der Vergangenheit eher zurückhaltend zeigten, ihre eigene Zuständigkeit (aufgrund der Achmea-Entscheidung, den Januar-Deklarationen und überhaupt aufgrund Unionsrecht im Allgemeinen) zu verneinen, ist indes deutlich geworden. 2. Die Behandlung anhängiger Schiedsverfahren Einen weitergehenden Regelungsbedarf sahen die Signatarstaaten offenbar mit Blick auf die Behandlung „anhängiger Schiedsverfahren“. Der Regelung jener dienen Art. 7 bis 10 BÜ. Art. 9 und 10 BÜ eröffnen Investoren die Möglichkeit, zwischen zwei Übergangsalternativen – einem „strukturieren Dialog“ und einem 1383 Inwieweit Art. 5 BÜ vor diesem Hintergrund mehr als nur eine lediglich deklaratorische Bedeutung beizumessen ist, wird schwerpunktmäßig unten behandelt (Kapitel III C. I.). Richtigerweise ist dies zu verneinen (s. u.); vgl. auch Berger, EuZW 2021, 342 (344), der davon ausgeht, dass Art. 5 BÜ nichts daran ändern könne, dass die übrigen Intra-EU BIT „weiterhin in Kraft und damit auch potenzielle Rechtsgrundlage für neue von EU-Investoren eingeleitete Schiedsverfahren gegen EU-Mitgliedstaaten“ bleiben.

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Zugang zu nationalen Gerichten – zu wählen. Diese Bestimmungen machen deutlich, dass die Mitgliedstaaten ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis der Investoren erkannten, welche bereits vor teilweise weit über zwei Jahren und insbesondere vor Ergehen der Achmea-Entscheidung Schiedsverfahren einleiteten.1384 Die bereits dargelegten Regelungen in Art. 7 lit. a) und b) BÜ gelten deckungsleich ebenso für „anhängige Schiedsverfahren“. Dementsprechend sind auch im Rahmen von Verfahren dieser Kategorie die Schiedsgerichte und/oder die potentiell hiermit bereits befassten nationalen Gerichte entsprechend zu kontaktieren. Zusätzlich regeln Art. 8 bis 10 BÜ jedoch Übergangsmaßnahmen hinsichtlich dieser Verfahren. Die in Art. 9 und 10 BÜ vorgesehenen Übergangsbestimmungen finden gem. Art. 8 Abs. 1 BÜ dann Anwendung, wenn ein betroffener Investor ein Schiedsverfahren (welches als „anhängiges Schiedsverfahren“ zu klassifizieren ist) eingeleitet und die in Streit stehende(n) Maßnahme(n) nicht vor dem zuständigen nationalen Gericht angefochten hat. Art. 8 Abs. 2 BÜ bestimmt darüber hinaus, dass Art. 9 und 10 BÜ dann keine Anwendung finden, wenn in einem „anhängigen Schiedsverfahren“ ein endgültiger Schiedsspruch vor Inkrafttreten des Beendigungsübereinkommens ergeht, der feststellt, dass die in Streit stehende(n) Maßnahme(n) nicht in den Anwendungsbereich des BIT fällt bzw. fallen oder schlicht nicht gegen das BIT verstößt bzw. verstoßen.1385 Unabhängig von Art. 9 und 10 BÜ können sich der beklagte Gaststaat und der klagende Investor gem. Art. 8 Abs. 4 BÜ auch darauf verständigen, den Disput auf „andere angemessene Weise“ beizulegen, solange dies mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Dass die Übergangsbestimmungen in den Fällen des Art. 8 Abs. 2 und 4 BÜ nicht greifen, ist nachvollziehbar. Im Falle des Art. 8 Abs. 4 BÜ besteht schlicht kein Bedürfnis für eine solche Regelung und steht auch keine Verletzung des Unionsrechts im Raum. In Fällen des Art. 8 Abs. 2 BÜ wird Unionsrecht ebenfalls nicht verletzt sein, da das Schiedsgericht dem – wohl meist unabhängig von unionsrechtlichen Erwägungen – zuvorkam. Zwar ließe sich wohl ein Rechtsschutzbedürfnis des Investors weiterhin bejahen. Allerdings wäre dieses keines, das durch das Beendigungsübereinkommen berührt würde. Ergänzend regelt Art. 8 Abs. 3 BÜ, dass die Art. 8 bis 10 BÜ mutatis mutandis auf von der betroffenen Vertragspartei des BIT geltend gemachte Gegenansprüche Anwendung finden. Die in Art. 9 und 10 vorgesehenen Übergangsbestimmungen greifen im Grundsatz also dann, wenn – ein Investor-Staat-Schiedsverfahren auf Basis eines in Anhang A oder B genannten Intra-EU-BIT vor dem 6. März 2018 eingeleitet wurde und noch nicht als „abgeschlossenes Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 4 BÜ anzusehen ist, – der Investor die in Streit stehende(n) Maßnahme(n) nicht vor nationalen Gerichten angefochten hat,

1384

Vgl. Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (248). Kritisch zu dieser Bestimmung Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 57 f.). 1385

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens

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– das Schiedsgericht nicht in einem endgültigen Schiedsspruch vor Inkrafttreten des Beendigungsübereinkommens festgestellt hat, dass das BIT nicht anwendbar oder nicht verletzt ist und – die Parteien des Schiedsverfahrens sich nicht anderweitig – insbesondere gütlich – in einer unionsrechtskonformen Weise geeinigt haben. Die in Art. 9 BÜ (Strukturierter Dialog) und in Art. 10 BÜ (Zugang zu nationalen Gerichten) vorgesehenen Mechanismen sollen im Folgenden dargestellt werden. a) Strukturierter Dialog Das in Art. 9 BÜ vorgesehene Streitbeilegungsverfahren trägt den Titel „Strukturierter Dialog bei anhängigen Schiedsverfahren“. Im Rahmen dieses Verfahrens soll durch einen Vermittler eine gütliche Einigung zwischen den Parteien erzielt werden. Es handelt sich beim strukturierten Dialog mithin um eine klaren Regeln zugeführte schriftliche Vergleichsverhandlung.1386 Durch diese soll klagenden Investoren eine endgültige, einfache und schnelle prozessuale Streitbeilegung ermöglicht werden.1387 Die soeben bereits genannten Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Art. 9 BÜ werden in Art. 9 Abs. 1 BÜ nochmals ergänzt. Voraussetzung für die Einleitung dieses Streitbeilegungsverfahrens ist demnach, dass das anhängige Schiedsverfahren auf entsprechenden Antrag des Investors ausgesetzt wurde (Art. 9 Abs. 1 S. 1 lit. a) BÜ) und – sollte ein Schiedsspruch bereits ergangen, jedoch noch nicht endgültig umgesetzt oder vollstreckt sein –, dass der Investor sich dazu verpflichtet, kein Verfahren zur Anerkennung, Umsetzung, Vollstreckung oder Zahlung des Schiedsspruchs einzuleiten oder dessen Aussetzung zu beantragen, sollte ein solches bereits eingeleitet worden sein (Art. 9 Abs. 1 S. 1 lit. b) BÜ). Hierbei werden die oben angedeuteten sprachlichen Ungenauigkeiten im Beendigungsübereinkommen besonders auffällig. Gem. Art. 9 Abs. 1 S. 1 lit. a) BÜ müsse ein „anhängiges Schiedsverfahren“ ausgesetzt werden. Dabei kann nur ein tatsächlich vor einem Schiedsgericht anhängiges Verfahren gemeint sein. Dass hier nicht der in Art. 1 Nr. 5 BÜ definierte Oberbegriff angesprochen ist, zeigt klarstellend auch Art. 9 Abs. 1 S. 1 lit. b) BÜ. Auffällig ist zudem, dass die in lit. a) und b) gelisteten Alternativen mit der Konjunktion „und“ verbunden sind. Ein Schiedsverfahren, in dem bereits ein Schiedsspruch ergangen ist, ist nicht mehr anhängig i. e. S. sodass lit. a) und b) sachgemäß mit der Konjunktion „oder“ hätten verbunden werden sollen. Kumulativ können beide Voraussetzungen nicht vorliegen. Ungeachtet dessen ist eindeutig, was Art. 9 Abs. 1 S. 1 BÜ fordert. Ein Investor hat im Rahmen eines anhängigen Schiedsverfahrens die Aussetzung des Verfahrens 1386 Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (202); vgl. auch Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (204). 1387 Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (205).

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

zu beantragen. Darauffolgende Vollstreckungsverfahren sind gar nicht erst einzuleiten. Sollte dies bereits geschehen sein ist ebenfalls deren Aussetzung zu beantragen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Investor den beklagten Gaststaat um einen solchen strukturierten Dialog ersuchen. Diesem Ersuchen hat der Gaststaat dann innerhalb von zwei Monaten gem. Art. 9 Abs. 2 bis 4 BÜ schriftlich zu Antworten (Art. 9 Abs. 1 S. 2 BÜ). Spiegelbildlich dazu kann auch der Gaststaat den Investor um die Einleitung des strukturierten Dialogs ersuchen, welcher dem anschließend innerhalb von zwei Monaten zustimmen kann (Art. 9 Abs. 1 S. 3 BÜ). Soll durch die jeweiligen Antworten des Investors bzw. des Gaststaats der strukturierte Dialog eingeleitet werden, muss dies aus jenen hervorgehen (Art. 9 Abs. 1 S. 4 BÜ). aa) Die Einleitung des strukturierten Dialogs In Art. 9 Abs. 2 bis 6 BÜ finden sich weitere Vorschriften hinsichtlich der Einleitung des strukturierten Dialogs. Bevor auf den Inhalt dieser Absätze eingegangen werden kann, ist zunächst auf zwei Ungenauigkeiten in der Terminologie dieser Vorschriften hinzuweisen. Erstens suggeriert der Wortlaut von Art. 9 Abs. 2 BÜ missverständlicher Weise, dass ein strukturierter Dialog i. S. d. Art. 9 BÜ bereits durch ein Ersuchen i. S. d. Art. 9 Abs. 1 BÜ „eingeleitet“ würde („Ein Streitbeilegungsverfahren kann nur […], durch ein Ersuchen nach Absatz 1 dieses Artikels eingeleitet werden.“1388). Dieser Satz konfligiert mit der Formulierung in Art. 9 Abs. 1 S. 4 BÜ, welcher ausdrücklich hervorhebt, dass erst mit der Antwort des Gaststaats bzw. der Zusage des Investors der strukturierte Dialog eingeleitet wird („Aus der Antwort der betroffenen Vertragspartei bzw. der Zusage des Investors muss gegebenenfalls hervorgehen, dass das Streitbeilegungsverfahren damit eingeleitet ist.“1389). Diese sprachliche Ungenauigkeit ist auch den andersprachigen Fassungen immanent (in englischer Sprache lauten die maßgeblichen Passagen beispielsweise: „A settlement procedure may only be initiated […], by making a request pursuant to paragraph 1 of this Article“1390 und „The reply […] must state, where relevant, that the settlement procedure is thereby initiated“1391). Dafür, dass erst durch das Zusammenspiel von Ersuchen (durch Investor oder Gaststaat) und entsprechend akzeptierender Antwort der jeweils anderen Partei der strukturierte Dialog „eingeleitet“ ist, spricht auch, dass Art. 9 Abs. 3, 4 und 6 BÜ statuieren, wann ein strukturierter Dialog eingeleitet „wird“ oder eingeleitet werden „kann“. Diese Vorschriften adressieren nur den beklagten Gaststaat der Investition, nicht jedoch auch den Investor. Es wäre mithin widersinnig, wenn ein strukturierter Dialog bereits dann als eingeleitet anzusehen wäre, wenn der Gaststaat 1388 1389 1390 1391

Hervorh. d. Verf. Hervorh. d. Verf. Hervorh. d. Verf. Hervorh. d. Verf.

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens

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einen solchen ersucht, demgegenüber jedoch im Falle des Ersuchens durch den Investor eine Einleitung erst mit der akzeptierenden Antwort durch den Gaststaat erfolgt wäre. Es ist also festzuhalten, dass eine Einleitung des strukturierten Dialogs i. S. d. Art. 9 BÜ erst dann angenommen werden kann, wenn sowohl ein Ersuchen als auch eine entsprechende akzeptierende Antwort durch die jeweils andere Partei vorliegt. Zweitens verweist Art. 9 Abs. 1 S. 2 BÜ explizit darauf, dass die Antwort des Gaststaats der Investition (im Falle eines Ersuchens durch den Investor) „gemäß den Absätzen 2 bis 4“ zu erfolgen hat.1392 Kaum einleuchtend ist, weshalb hierbei nur auf Abs. 2 bis 4, nicht jedoch zusätzlich auch auf Abs. 5 und 6 verwiesen wird. Immerhin enthält Abs. 5 ausdrücklich Vorgaben für den Inhalt der Antwort und schließt sich Abs. 6 terminologisch nahtlos an die Formulierungen in Abs. 3 und 4 an. Der Verweis lediglich auf Abs. 2 bis 4 in Art. 9 Abs. 1 S. 2 BÜ ist somit als Redaktionsversehen zu behandeln. Tatsächlich hätte auf Abs. 2 bis 6 verwiesen werden müssen. Derart ist Art. 9 Abs. 1 S. 2 BÜ mithin auch auszulegen. Unabhängig von diesen unpräzisen Formulierungen enthalten Art. 9 Abs. 2 bis 6 BÜ einige wesentliche Regelungen. Art. 9 Abs. 2 BÜ sieht zunächst eine Frist für die Möglichkeit des strukturierten Dialogs vor. Dementsprechend kann der strukturierte Dialog nur innerhalb von sechs Monaten nach dem das maßgebliche BIT durch das Beendigungsübereinkommen beendet wurde „durch ein Ersuchen nach Absatz 1 dieses Artikels eingeleitet werden“. Wie soeben dargelegt, ist mit einem „Ersuchen nach Absatz 1“ gerade nicht das Einleiten des strukturierten Dialogs selbst gemeint, sondern eben nur das initiative Ersuchen durch Gaststaat oder Investor. Der Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 BÜ ist in diesem Sinne teleologisch zu reduzieren. Das Datum, ab dem die sechs monatige Frist zu laufen beginnt, benennt Art. 9 Abs. 2 BÜ mit dem Zeitpunkt der Beendigung des BIT gem. Art. 2 und 3 BÜ. Gemeint ist hiermit das Wirksamwerden der Beendigung i. S. d. Art. 4 Abs. 2 BÜ i. V. m. Art. 16 Abs. 2 BÜ (s. o.). Diese Frist gilt sachgemäß sowohl für das Ersuchen des Gaststaats als auch des Investors. Sollten diese sechs Monate also verstreichen, ohne dass ein strukturierter Dialog durch eine Partei des Disputs ersucht wird, verfällt die Möglichkeit dieses Verfahrens. Im Gegensatz zu Art. 9 Abs. 2 BÜ gelten Art. 9 Abs. 3 bis 6 BÜ ausschließlich für den betroffenen Gaststaat. Dies ergibt sich bereits daraus, dass das Beendigungsübereinkommen zwar die Vertragsparteien der BIT – also die potentiellen Gaststaaten einer Investition – gegenseitig bindet, nicht jedoch Investoren. Sofern also Art. 9 Abs. 3, 4 und 5 BÜ bestimmen, wann ein strukturierter Dialog eingeleitet wird, nicht eingeleitet wird oder eingeleitet werden kann, sind lediglich die Signatarstaaten adressiert. Immerhin eröffnet das Übereinkommen den Investoren gem. Art. 9 Abs. 1 S. 1 BÜ lediglich die Möglichkeit des Ersuchens („kann“) und geht in Art. 9 Abs. 1 S. 3 BÜ davon aus, dass auch im Falle des Ersuchens durch den Gaststaat eine akzeptierende Antwort im Belieben des Investors steht („kann“). 1392

Dies sehen die Fassungen in allen Sprachen so vor.

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Darüber hinaus werden in Art. 9 Abs. 1 S. 2 BÜ die Absätze 2 bis 4 – bzw. richtigerweise Abs. 2 bis 6 – lediglich hinsichtlich der Antwort des Gaststaats in Bezug genommen. Eine entsprechende Regelung hinsichtlich der Antwort des Investors ist nicht vorgesehen. In diesem Zusammenhang treten folglich erneut redaktionelle Ungenauigkeiten zutage. Die Inbezugnahme von Art. 2 bis 4 hinsichtlich der Antwort des Gaststaats und das Fehlen einer entsprechenden Bezugnahme hinsichtlich der Antwort des Investors scheint zu suggerieren, dass auch Art. 9 Abs. 2 BÜ ausschließlich für die Antwort des Gaststaats gelte. Dem ist nicht so (s. o.). Ebenso misslich ist es, dass Art. 9 Abs. 1 S. 2 BÜ die Geltung der Abs. 2 bis 4 (bzw. eigentlich Abs. 2 bis 6) lediglich auf die schriftliche Antwort des Gaststaats und nicht auch für das initiierende Ersuchen durch einen Gaststaat gem. Art. 9 Abs. 1 S. 3 BÜ selbst bezieht (siehe dazu sogleich). Klarheit in diese mitunter diffuse Struktur der Art. 9 Abs. 3 bis 6 BÜ ergibt sich angesichts dessen lediglich unter Betrachtung der einzelnen Absätze. Art. 9 Abs. 3 BÜ bestimmt, dass ein strukturierter Dialog jedenfalls dann eingeleitet wird, wenn der EuGH oder ein nationales Gericht in einem rechtskräftigen Urteil festgestellt hat, dass die in Streit stehende Maßnahme gegen Unionsrecht verstößt. Angesichts der unterschiedlichen Terminologien in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten1393 ist jedenfalls in der deutschsprachigen Fassung der Begriff „Urteil“ vielmehr im Sinne von „Entscheidung“ zu verstehen. Mit der Formulierung „wird eingeleitet“ verpflichten sich die Signatarstaaten jedenfalls dazu, in Fällen, in welchen eine solche Entscheidung vorliegt, eine entsprechend akzeptierende Antwort zu übermitteln (Art. 9 Abs. 1 S. 2 BÜ). Unklar ist dabei jedoch, ob die Formulierung „Ein Streitbeilegungsverfahren wird eingeleitet, […]“ auch bedeutet, dass ein Gaststaat in diesen Fällen auch ohne ein Ersuchen durch den Investor selbst den Investor initiierend um einen strukturierten Dialog i. S. d. Art. 9 Abs. 1 S. 3 BÜ zu ersuchen hat.1394 Der insoweit offene Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 BÜ (und auch der Art. 9 Abs. 4 und 6 BÜ) scheint prima facie dafür zu sprechen. Demgegenüber nimmt Art. 9 Abs. 1 S. 2 BÜ die Abs. 2 bis 4 (bzw. eigentlich Abs. 2 bis 6) nur hinsichtlich der Antwort des Gaststaats, nicht aber hinsichtlich des Ersuchens durch diesen in Bezug (s. o.). Darüber hinaus bezieht sich Art. 9 Abs. 5 BÜ – der in der Systematik der Abs. 3 bis 6 eine wesentliche Komponente bildet – ausdrücklich nur auf den Inhalt der Antwort des Gaststaats, nicht aber auch ein mögliches initiierendes Ersuchen i. S. d. Art. 9 Abs. 1 S. 3 BÜ. Dementsprechend ist der Systematik des Art. 9 BÜ entsprechend anzunehmen, dass Art. 9 Abs. 3 BÜ den Gaststaat nicht dazu verpflichtet, initiativ ersuchend tätig zu werden, sondern lediglich dessen Antwort auf ein Ersuchen durch den Investor vorschreibt. Deutlich wird demgegenüber aber, dass Art. 9 Abs. 3 BÜ (und auch Art. 9 Abs. 4 bis 6 BÜ) keine Verpflichtungen für Investoren enthält. Dies wäre auch überflüssig, 1393

Siehe im deutschen Recht zur Veranschaulichung § 160 Abs. 3 Nr. 6 ZPO. Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 55) statuiren, dass der strukturierte Dialog dann „mandatory“ sei. 1394

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens

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da die Einleitung des strukturierten Dialogs ohnehin nicht ohne Mitwirkung des Gaststaats (in Form der akzeptierenden Antwort) möglich ist. Es reicht somit auch aus, die Signatarstaaten als Gaststaaten hieran zu binden. Art. 9 Abs. 4 BÜ bestimmt, dass ein strukturierter Dialog wiederum nicht eingeleitet wird, wenn eine derartige Entscheidung feststellt, dass die in Streit stehende Maßnahme in Einklang mit Unionsrecht steht. Gleiches gilt, wenn die Europäische Kommission in einem bestandskräftigen Beschluss die Unionsrechtskonformität festgestellt hat. Dies bezieht sich zwar ebenso wie Art. 9 Abs. 3 BÜ unmittelbar lediglich auf die Antwort des Gaststaats i. S. d. Art. 9 Abs. 1 S. 2 BÜ. Allerdings wäre es widersinnig, wenn ein Gaststaat – sollte ein Investor den Gaststaat nicht um einen strukturierten Dialog ersuchen wollen – selbst initiativ gem. Art. 9 Abs. 1 S. 3 BÜ ersuchend tätig werden dürfte. Dementsprechend ist Art. 9 Abs. 4 BÜ so zu interpretieren, dass die Signatarstaaten als Gaststaaten einen strukturierten Dialog weder ersuchen (Art. 9 Abs. 1 S. 3 BÜ) noch diesbezüglich akzeptierend antworten (Art. 9 Abs. 1 S. 2 BÜ) dürfen. Diese Lesart steht auch in Einklang mit dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 4 BÜ, nicht jedoch mit der soeben herausgearbeiteten Interpretation von Art. 9 Abs. 3 BÜ. Ungeachtet dessen ist fraglich, weshalb Art. 9 Abs. 4 BÜ einen bestandskräftigen Beschluss der Europäischen Kommission mit einer rechtskräftigen Entscheidung des EuGH oder eines staatlichen Gerichts gleichstellt, dies jedoch nicht im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 BÜ zu gelten scheint. Kaum überzeugend dürfte es sein, einen Beschluss der Europäischen Kommission, der einen Unionsrechtsverstoß ablehnt, anders zu würdigen als einen Beschluss, der einen solchen feststellt. Dass Art. 9 Abs. 4 S. 2 BÜ auch für Art. 9 Abs. 3 BÜ gelten könnte, lässt sich allerdings schwerlich mit dem doch eindeutigen Wortlaut der Absätze vereinbaren. Wenn ein Gerichtsverfahren zur Erwirkung einer Entscheidung i. S. d. Art. 9 Abs. 3 und 4 BÜ anhängig ist, hat der Gaststaat dies gem. Art. 9 Abs. 5 BÜ in seiner Antwort an den Investor i. S. d. Art. 9 Abs. 1 S. 2 BÜ mitzuteilen. In der Folge wird die Einleitung des Streitbeilegungsverfahrens so lange ausgesetzt, bis eine entsprechende rechtskräftige Entscheidung ergangen ist. Ergeht eine solche Entscheidung, setzt der Gaststaat den Investor hierüber in Kenntnis. Dies gilt ebenso für einen von der Europäischen Kommission gefassten Beschluss, der noch nicht bestandskräftig ist. Im Gegensatz zu Abs. 3 und 4 geht aus Art. 9 Abs. 5 BÜ dessen Anwendungsbereich mithin explizit hervor. Gem. Art. 9 Abs. 6 BÜ kann ein strukturierter Dialog eingeleitet werden, wenn die in Streit stehende Maßnahme „potenziell“ gegen Unionsrecht verstößt und Art. 9 Abs. 3 BÜ und Art. 9 Abs. 4 BÜ keine Anwendung finden. Aufgrund des insoweit eröffneten Ermessens steht es dem Gaststaat somit offen, eine akzeptierende Antwort zu geben oder gar initiierend den Investor um einen strukturierten Dialog zu ersuchen. An die Feststellung einer „potenziellen“ Unionsrechtsverletzung dürften keine hohen Anforderungen zu stellen sein. Schließlich ist ein Verstoß gegen Unionsrecht in Ermangelung einer dies entweder feststellenden oder ablehnenden gerichtlichen

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Entscheidung bzw. einer Entscheidung der Europäischen Kommission wohl stets „potenziell“ denkbar. Nicht ersichtlich ist, weshalb Art. 9 Abs. 6 BÜ neben Abs. 3 und 4 nicht ebenso Abs. 5 in Bezug nimmt. Immerhin schreibt Art. 9 Abs. 5 BÜ die Vorgehensweise eines Gaststaats in den Fällen eines bereits anhängigen Gerichtsverfahrens vor. Art. 9 Abs. 6 BÜ kann dann somit nicht greifen. Schließlich soll gem. Art. 9 Abs. 5 BÜ die Einleitung eines strukturierten Dialogs zunächst ausgesetzt werden. Dementsprechend steht es auch nicht im Ermessen des Gaststaats („kann“) einen solchen gleichwohl gem. Art. 9 Abs. 6 BÜ über eine akzeptierende Antwort oder ein Ersuchen einzuleiten. Insofern ist auch Art. 9 Abs. 6 BÜ so auszulegen, dass dieser tatsächlich nur greift, wenn weder Absatz 3 oder Absatz 4 noch Absatz 5 Anwendung finden. Die vorstehenden Ausführungen zeigen, in welchen Fällen es zur Einleitung eines strukturierten Dialogs kommen kann. Bemerkenswert ist hierbei, dass es für die Frage, wie die Signatarstaaten als Gaststaaten mit einem entsprechenden Ersuchen durch Investoren umgehen bzw. ob und inwieweit sie Investoren hierum selbst ersuchen, alleine auf die Verletzung von Unionsrecht ankommt. Ob ein Schiedsgericht bereits eine Verletzung des BIT festgestellt haben könnte, spielt daher für die Einleitung eines strukturierten Dialogs (und auch für das Verfahren selbst, siehe sogleich) keine Rolle.1395 Da sich Investoren wohl bislang hauptsächlich oder gar ausschließlich auf die Geltung der Bestimmungen des BIT vor dem angerufenen Schiedsgericht verlassen haben, wecken auch diese Normen im Beendigungsübereinkommen Bedenken mit Blick auf einen etwaigen Vertrauensschutz. Gleichwohl ist diese Beschränkung auf die Bezugnahme von Verstößen gegen Unionsrecht aus Perspektive der Mitgliedstaaten nachvollziehbar. Immerhin ist das langfristige Ziel jener und auch der Europäischen Kommission, dass innerhalb der Europäischen Union das Unionsrecht den maßgeblichen Rechtsrahmen für Auslandsinvestitionen bildet.1396 Da die Bestimmungen der betroffenen Intra-EU-BIT keine Rechtswirkungen mehr entfalten sollen, sollte dies auch bereits für die Einleitung eines strukturierten Dialogs gelten. Wenn nun also festgestellt wurde, dass Unionsrecht durch die in Streit stehende(n) Maßnahme(n) nicht verletzt ist, besteht auch kein Bedürfnis mehr für einen strukturierten Dialog (Art. 9 Abs. 4 BÜ). Ein solcher würde nur dazu führen, dass ein Investor möglicherweise für eine staatliche Maßnahme teilweise entschädigt würde, welche sich im Rahmen der – aus unionsrechtlicher Perspektive – für sie geltenden Regeln hält. Andererseits greift der Zweck des strukturierten Dialogs gerade dann, wenn eine Unionsrechtsverletzung tatsächlich festgestellt wurde (Art. 9 Abs. 3 BÜ). Dann ist der betroffene Investor insoweit schutzwürdig. Nicht näher erläutert das Beendigungsübereinkommen, inwieweit es überhaupt zu einem Gerichtsverfahren vor dem EuGH oder nationalen Gerichten parallel zum „anhängigen Schiedsverfahren“ kommen kann. Immerhin setzt Art. 8 Abs. 1 BÜ für 1395 1396

Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (203). Siehe Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final.

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens

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die Anwendung des Art. 9 BÜ voraus, dass die in Streit stehende(n) Maßnahme(n) nicht vor den zuständigen nationalen Gerichten angefochten wurden. Allerdings ist die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens auch anderweitig – insbesondere durch ebenfalls durch die Maßnahme betroffene Dritte – denkbar. bb) Das Verfahren im strukturierten Dialog Die Art. 9 Abs. 7 bis 14 BÜ bieten den rechtlichen Rahmen für das Verfahren des strukturierten Dialogs. In Art. 9 Abs. 7 BÜ wird zunächst einleitend das Wesen dieses Streitbeilegungsverfahrens dargelegt. Demnach soll die Beilegung des Disputs gütlich, rechtmäßig und fair erfolgen. Der Verwirklichung dieses Ziel dient ein unparteiischer sog. „Vermittler“ (Art. 9 Abs. 7 S. 1 BÜ). Dieser steht im Zentrum des strukturierten Dialogs und beaufsichtigt das unparteiische und vertrauliche Verfahren. Jeder Partei des Disputs steht dabei das Recht auf Äußerung des eigenen Standpunktes zu (Art. 9 Abs. 7 S. 3 BÜ). Die Anforderungen an die Person des Vermittlers und dessen Bestimmung sind in Art. 9 Abs. 8 BÜ geregelt. Grundsätzlich gilt dabei, dass Investor und Gaststaat diesen einvernehmlich bestimmen (Art. 9 Abs. 8 S. 1 BÜ). Hierzu statuiert Art. 9 Abs. 8 S. 2 BÜ genauer, dass der Vermittler nur aus einem Kreis von Personen gewählt werden kann, deren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit außer Frage stehen und welche die notwendigen Qualifikationen besitzen. Als notwendige Qualifikation werden ausdrücklich nur vertiefte Kenntnisse des Unionsrechts erwähnt, nicht jedoch auch Kenntnisse im Völkerrecht.1397 Weiterhin darf der Vermittler weder Staatsangehöriger des Gaststaats noch des Herkunftsstaats des Investors sein und sich nicht in einem Interessenkonflikt befinden (Art. 9 Abs. 8 S. 3). Wie genau „notwendige[] Qualifikationen“ bzw. „vertiefte Kenntnisse des Unionsrechts“ oder das Vorliegend eines „Interessenkonflikt[s]“ zu definieren sind, gibt das Übereinkommen nicht vor. Sofern ein solcher Vermittler nicht innerhalb von einem Monat nach Einleitung des strukturierten Dialogs – also nach einer akzeptierenden Antwort auf ein entsprechendes Ersuchen (s. o.) – einvernehmlich bestimmt werden kann, so können beide Parteien den Generaldirektor des juristischen Dienstes der Europäischen Kommission ersuchen, ein ehemaliges Mitglied des EuGH zu benennen, welches nach Konsultation aller an der Streitigkeit beteiligten Parteien eine die soeben genannten Kriterien erfüllende Person bestellt (Art. 9 Abs. 8 S. 4 BÜ). Die folgenden Absätze (9 bis 14) enthalten Bestimmungen über das Verfahren i. e. S. unter Beaufsichtigung des gem. Art. 9 Abs. 8 BÜ bestellten Vermittlers. Dieser hat den Investor und den Gaststaat aufzufordern, sich innerhalb von zwei Monaten nach seiner Bestellung schriftlich zu äußern (Art. 9 Abs. 9 S. 1 BÜ). In den Fällen, in welchen die Unionsrechtskonformität der in Streit stehenden Maßnahme(n) weder i. S. v. Art. 9 Abs. 3 BÜ verneint noch i. S. v. Art. 9 Abs. 4 BÜ festge1397 Kritisch hierzu Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (205); vgl. auch Signorelli, ESIL 23/ 2019, S. 20.

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

stellt wurde oder ein dahingehendes Verfahren anhängig ist, kann der Vermittler die Europäische Kommission ersuchen, ebenfalls innerhalb von zwei Monaten Ratschläge zu erteilen (Art. 9 Abs. 9 S. 2 BÜ). Art. 9 Abs. 10 BÜ gibt den Zeitrahmen für eine gütliche Einigung vor. Dementsprechend ist innerhalb von sechs Monaten nach der Bestellung des Vermittlers eine Einigung zu erzielen, wobei die Parteien des Disputs einen längeren Zeitraum vereinbaren können. Innerhalb dieses zeitlichen Rahmens organisiert der Vermittler die Verhandlungen, während die Parteien sich hieran nach Treu und Glauben zu beteiligen haben. Der Vermittler hat dabei den Entscheidungen des EuGH sowie nationaler Gerichte und den bestandskräftigen Beschlüssen sowie den gem. Art. 9 Abs. 9 S. 2 BÜ erteilten Ratschlägen der Europäischen Kommission „gebührend Rechnung“ zu tragen und die Maßnahmen des Gaststaats zur Befolgung einschlägiger EuGH-Entscheidungen und die EuGH-Rechtsprechung zum Umfang des Schadensersatzes nach Unionsrecht zu berücksichtigen (Art. 9 Abs. 10 S. 3, 4 BÜ). Neben der Vorgabe, dass der Vermittler insbesondere über vertiefte Kenntnisse des Unionsrechts als notwendige Qualifikation verfügen muss, wird die unionsrechtliche Prägung des strukturierten Dialogs auch hier deutlich. Zwar nennt Art. 9 Abs. 10 BÜ die vom Vermittler zu berücksichtigenden Maßnahmen und Feststellungen nicht abschließend. Insbesondere schließt die Norm auch nicht ausdrücklich aus, dass nicht ebenso ein evidenter Verstoß gegen das BIT oder ein dahingehender Schiedsspruch (ergänzend) berücksichtigt werden könnten. Allerdings wird doch deutlich, dass auch der strukturierte Dialog maßgebend unionsrechtlich geprägt sein soll.1398 Letztlich gebietet Art. 9 Abs. 10 BÜ dem Vermittler, das Streitbeilegungsverfahren zu einem Ergebnis zu führen, welches mit den vom materiellen Unionsrecht gesteckten Grenzen vereinbar ist. Dass daneben auch das BIT verletzt sein könnte (sowie die damit einhergehenden potentiellen Folgen für den strukturierten Dialog), klammert das Beendigungsübereinkommen aus. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang auch, dass der Generaldirektor des juristischen Dienstes der Europäischen Kommission bei der Benennung eines ehemaligen Mitglieds des EuGH kaum neutral handeln werde und dass auch dieses ehemalige Mitglied geneigt sein könnte, einen Vermittler mit dem gleichen „legal mindset“ zu bestellen.1399 Unabhängig davon, ob derartige Bedenken gerechtfertigt sind, ist doch auffällig, wie das grundlegend völkerrechtlich geprägte Schiedsverfahren über Art. 9 BÜ in ein grundlegend unionsrechtlich geprägtes Streitbeilegungsverfahren überführt wird. Die bis dahin bereits erzielten Ergebnisse und Feststellungen eines Schiedsgerichts scheinen keinerlei Bedeutung mehr zu entfalten. Gravierend ist dies insbesondere dann, wenn sich ein „anhängiges Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 5 BÜ schon auf Ebene staatlicher Gerichte befunden hat, da bereits ein aus Sicht des Investors erfolgreicher Schiedsspruch ergangen ist. Die in diesem Verfahren durch einen In1398

(446). 1399

So auch Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (205); vgl. auch Bungenberg, EuZW 2020, 445 Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (205).

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens

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vestor – oftmals langwierig und kostspielig – erstrittene Rechtsposition wird nahezu wertlos. Sollte nicht innerhalb der sechs Monate bzw. der vereinbarten längeren Zeitspanne eine gütliche Einigung erzielt werden, haben Gaststaat und Investor gem. Art. 9 Abs. 11 BÜ eine für sie jeweils akzeptable Einigung vorzuschlagen. Diese Vorschläge bilden den Ausgangspunkt für weitere vom Vermittler organisierte Verhandlungen. Wiederum einen Monat nach der Vorlage der Vorschläge durch die Parteien unterbreitet der Vermittler einen endgültigen Einigungsvorschlag unter Berücksichtigung des weiteren Meinungsaustauschs (Art. 9 Abs. 12 S. 1 BÜ). Für die Akzeptierung dieses Vorschlags und eine entsprechende Mitteilung an die andere Partei haben Gaststaat und Investor erneut einen Monat Zeit (Art. 9 Abs. 12 S. 2 BÜ). Sollte eine Partei den Vorschlag nicht akzeptieren wollen, hat sie dies gegenüber der anderen Partei ohne ungebührliche Verzögerung zu begründen (Art. 9 Abs. 13 BÜ). Sofern hingegen eine Einigung erzielt wird, akzeptieren die Parteien diese verbindlich (Art. 9 Abs. 14 S. 1 BÜ). Die Einigung „muss“ dabei gem. Art. 9 Abs. 14 S. 2 lit. a) BÜ enthalten: „i) eine Verpflichtung des Investors, die Schiedsklage zuru¨ ckzunehmen oder auf die Vollstreckung eines bereits ergangenen, aber noch nicht endgu¨ ltig umgesetzten oder vollstreckten Schiedsspruchs zu verzichten, oder – sofern relevant – eine im Rahmen des anha¨ ngigen Schiedsverfahrens bereits gezahlte Entscha¨ digung anzurechnen, um doppelte Entscha¨ digungszahlungen zu vermeiden, und ii) eine Zusage, von der Einleitung eines neuen Schiedsverfahrens abzusehen […]“.

Daneben „kann“ die Einigung einen Verzicht auf alle anderen Rechte und Ansprüche im Zusammenhang mit der bzw. den in Streit stehenden Maßnahme(n) enthalten (Art. 9 Abs. 14 S. 2 lit. b) BÜ). Die Rechtslage im Falle einer Einigung der Parteien ist gem. Art. 9 Abs. 14 BÜ somit eindeutig. Die Streitigkeit ist hiermit einer endgültigen Regelung zugeführt. Gänzlich unkommentiert lässt das Übereinkommen jedoch den Fall, dass eine solche Einigung nicht erzielt wird (ausgeklammert werden soll hier zunächst, dass Investoren dann grundsätzlich Zugang zu nationalen Gerichten gem. Art. 10 BÜ gewährt wird; siehe sogleich). Ist dann das ursprünglich ausgesetzte Schiedsverfahren bzw. sind die ausgesetzten Verfahren vor staatlichen Gerichten wiederaufzunehmen? Oder – und das dürfte vielmehr im Sinne der Signatarstaaten sein – sind Schiedsverfahren dann als endgültig beendet anzusehen? Diese Frage wird auch in der Literatur teilweise für offen gehalten.1400 Die Systematik des Beendigungsübereinkommens legt folgende Lösung nahe. Die betroffenen „anhängigen Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 5 BÜ sind zunächst in zwei Kategorien aufzuteilen – tatsächlich noch anhängige Schiedsverfahren auf der einen Seite und 1400 Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 56); Signorelli, ESIL 23/2019, S. 21; Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (205 f.); vgl. aber Bungenberg, EuZW 2020, 445 (446).

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

solche, die sich bereits auf staatsgerichtlicher Ebene oder zwischen beiden Ebenen befinden auf der anderen Seite. Hinsichtlich der tatsächlich noch anhängigen Schiedsverfahren ist festzustellen, dass diese auf dem Weg zur Einleitung des strukturierten Dialogs bloß ausgesetzt wurden, vgl. Art. 9 Abs. 1 S. 1 lit. a) BÜ. Im Falle einer gütlichen Einigung im strukturierten Dialog verpflichtet sich der Investor gem. Art. 9 Abs. 14 S. 2 lit. a) i) BÜ dazu, die Schiedsklage zurückzunehmen. Sollte nun keine Einigung erzielt werden, kann dies nur dazu führen, dass das ursprünglich ausgesetzte Schiedsverfahren wiederaufgenommen wird. In Art. 9 Abs. 1 S. 1 lit. a) BÜ hätte ansonsten auch bereits die Zurücknahme der Schiedsklage als Voraussetzung für einen strukturierten Dialog vorgeschrieben werden können. Das wieder aufgenommene Schiedsverfahren ist dann jedoch so zu behandeln, wie es ohnehin zu behandeln wäre, hätte der Investor die in Art. 9 BÜ vorgesehene Übergangsmaßnahme nicht angestrengt. In Folge der Unterrichtung gem. Art. 7 lit. a) BÜ i. V. m. Anhang C sollte das Schiedsgericht seine Zuständigkeit verneinen. Das Verfahren wäre dann beendet. Ob ein Schiedsgericht die Zuständigkeit in derartigen Fällen aufrechterhalten „darf“, ist eine Frage, die eben diesen Schiedsgerichten obliegt (s. o.). Es kommt also darauf an, wie Schiedsgerichte das Beendigungsübereinkommen für den ihnen vorliegenden Disput würdigen bzw. ob und inwieweit sie sich daran gebunden sehen. Erfahrungsgemäß sind Tribunale dahingehend bisher indes insbesondere dann zurückhalten geblieben, wenn die eigene Zuständigkeit bereits bejaht wurde. In der Theorie des Beendigungsübereinkommens wären solche Verfahren indes zu beenden. Komplizierter stellt sich die Rechtslage hinsichtlich „anhängigen Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 5 BÜ dar, bei welchen bereits ein Schiedsspruch ergangen ist und die sich gegebenenfalls schon auf staatsgerichtlicher Ebene befinden. Die bereits eingeleiteten Verfahren vor staatlichen Gerichten wurden ebenfalls nur ausgesetzt, vgl. Art. 9 Abs. 1 S. 1 lit. b) BÜ. Hinsichtlich dieser Verfahren und solcher, die trotz des Scheiterns des strukturierten Dialogs erst noch eingeleitet werden, gilt Art. 7 lit. b) BÜ. In derartige Verfahren können die Gaststaaten lediglich durch ein entsprechendes Ersuchen des Gerichts Einfluss nehmen. Die Entscheidungen der staatlichen Gerichte werden dann gleichwohl divergieren. Wie im Micula-Verfahren anschaulich geworden ist, dürfte der Ausgang dieser Verfahren davon abhängen, ob jene bei mitgliedstaatlichen oder drittstaatlichen Gerichten anhängig sind bzw. gemacht werden (s. o.). Abschließend lässt sich also festhalten, dass die Regelungen in Art. 9 BÜ an verschiedenen Stellen durchaus deutungsoffen sind. Die Unschärfe dieser Bestimmung ist womöglich der vorhersehbaren Irrelevanz des Prozesses geschuldet. Es wäre wohl sinnvoller gewesen, den strukturierten Dialog nicht lediglich in einem Artikel zu regeln. Dennoch ist mit dieser Norm nun umzugehen. Ob dieses Verfahren aus Investorensicht eine geeignete Alternative zur Fortführung eines Schiedsverfahrens bzw. von Vollstreckungsverfahren vor nationalen Gerichten darstellt, soll

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens

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hier zunächst noch offenbleiben. Entscheidender könnte ohnehin sein, wie die betroffenen Gaststaaten in solchen Streitbeilegungsverfahren auftreten. In Art. 9 Abs. 3 bis. 6 BÜ ist zwar vorgegeben, wie sich Gaststaaten im Rahmen der Einleitung eines strukturierten Dialogs zu verhalten haben. Es drängt sich aber die Frage auf, was einen Mitgliedstaat in einem solchen Dialog daran hindert, auf seinem Standpunkt zu beharren oder schlicht gar nicht zu kooperieren.1401 In diese Richtung regelt Art. 9 Abs. 10 S. 2 BÜ zwar, dass sich die Parteien an dem Streitbeilegungsverfahren nach „Treu und Glauben“ zu beteiligen haben. Allerdings ist einer Partei in einem grundsätzlich fakultativen Vergleichsverfahren schwerlich vorzuwerfen, sie kooperiere nicht hinreichend. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben ließe sich kaum je feststellen, zumal auch nicht klar ist, was die Folgen eines solchen Verstoßes wären. Eine Lösung in dieser Hinsicht wäre allenfalls über Art. 14 Abs. 2 BÜ i. V. m. Art. 273 AEUV zu erreichen (s. u.). b) Zugang zu nationalen Gerichten Die zweite Übergangsbestimmung, mit der der dritte Abschnitt des Beendigungsübereinkommens Investoren eine Übergangsmaßnahme an die Hand gibt, ist Art. 10 BÜ. Neben bzw. zusätzlich zu dem soeben erörterten strukturierten Dialog nach Art. 9 BÜ eröffnet Art. 10 BÜ einen Zugang zu nationalen Gerichten. Die Grundvoraussetzungen für die Geltung der Art. 9 und 10 BÜ aus Art. 8 BÜ (s. o.) gelten dementsprechend auch hier. Bei dem durch Art. 10 BÜ eröffneten Zugang zu nationalen Gerichten handelt es sich nicht um einen solchen, der Investoren und Gaststaaten ohnehin nach Abschluss eines Schiedsverfahrens über Aufhebungs- und Vollstreckungsverfahren zusteht. Art. 10 BÜ gewährt vielmehr den Zugang zu nationalen Gerichten, um die in Streit stehende(n) Maßnahme(n) selbst durch Rechtsbehelfe nach dem geltenden nationalen Recht anzugreifen, obgleich entsprechende Fristen abgelaufen sind. Die Signatarstaaten illustrieren mit Art. 10 BÜ folglich, wie Rechtsschutz für intra-unionale Investitionen zukünftig wohl (jedenfalls zunächst1402) aussehen wird – über Rechtsbehelfe vor nationalen Gerichten. Art. 10 BÜ ist mit seinen fünf Absätzen weitaus übersichtlicher als Art. 9 BÜ. Den eigentlichen Inhalt der Bestimmung machen Abs. 1 und 2 aus. Die Abs. 3, 4 und 5 enthalten lediglich ergänzende Hinweise. Wie bereits gesehen, ermöglicht Art. 10 BÜ den Zugang zu nationalen Gerichten ausschließlich über die nach nationalem Recht bestehenden Rechtsbehelfe. Dementsprechend bestand in dieser Hinsicht kaum Regelungsbedarf. Entscheidend ist nur, wem dieser Zugang – nach in der Regel bereits abgelaufenen Fristen nach na-

1401

So auch Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (205). Siehe hinsichtlich der praktischen Konsequenzen auch des Beendigungsübereinkommens Kapitel III D. 1402

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

tionalem Recht – wann noch zuzugestehen ist. Dies normieren Art. 10 Abs. 1 und 2 BÜ. Art. 10 Abs. 1 BÜ ermöglicht Investoren, von Rechtsbehelfen des nationalen Rechts gegen die in Streit stehende(n) Maßnahme(n) selbst dann noch Gebrauch zu machen, wenn die Fristen zur Geltendmachung nach nationalem Recht bereits abgelaufen sind. Diese Gewährleistung steht jedoch unter den in Art. 10 Abs. 1 lit. a), b) und c) BÜ genannten Bedingungen. Diese lauten: „a) der Investor das anha¨ ngige Schiedsverfahren zuru¨ cknimmt und auf alle Rechte und Anspru¨ che nach dem betreffenden bilateralen Investitionsschutzvertrag oder auf die Vollstreckung eines bereits ergangenen, aber noch nicht endgu¨ ltig umgesetzten oder vollstreckten Schiedsspruchs verzichtet und zusagt, von der Einleitung eines neuen Schiedsverfahrens abzusehen: i.

binnen sechs Monaten nach Beendigung des bilateralen Investitionsschutzvertrags, in dessen Rahmen das anha¨ ngige Schiedsverfahren eingeleitet wurde, falls nicht auf den in Artikel 9 dargelegten strukturierten Dialog zuru¨ ckgegriffen wurde;

ii. binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, an dem die betroffene Vertragspartei den Antrag des Investors auf Aufnahme eines strukturierten Dialogs nach Artikel 9 Absa¨ tze 1 und 6 ablehnt; oder iii. binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, an dem die letzte Partei ihre Entscheidung nach Artikel 9 Absatz 12 mitgeteilt hat, falls auf den in Artikel 9 dargelegten strukturierten Dialog zuru¨ ckgegriffen wurde; b) der Zugang zum nationalen Gericht dazu genutzt werden wird, einen Anspruch nach dem nationalen oder dem Unionsrecht geltend zu machen, und c) sofern relevant, der in Artikel 9 dargelegte strukturierte Dialog zu keiner Einigung gefu¨ hrt hat.“

Voraussetzung für den Zugang zu nationalen Gerichten ist im Falle eines tatsächlich noch anhängigen Schiedsverfahrens also gem. Art. 10 Abs. 1 lit. a) BÜ grundsätzlich, dass der Investor das „anhängige Schiedsverfahren“ zurücknimmt. Gemeint ist hiermit ein tatsächlich noch anhängiges Schiedsverfahren und nicht ein solches i. S. d. Art. 1 Nr. 5 BÜ. Darüber hinaus hat der Investor auf alle Rechte und Ansprüche aus dem BIT zu verzichten. Damit sind die grundsätzlichen Voraussetzungen für den Zugang zu nationalen Gerichten gem. Art. 10 BÜ höher als für den strukturierten Dialog gem. Art. 9 BÜ (s. o.).1403 Sollte bereits ein Schiedsspruch ergangen sein, hat sich der Investor gem. Art. 10 Abs. 1 lit. a) BÜ zu verpflichten, diesen nicht zu vollstrecken und zuzusagen, von der Einleitung eines neuen Schiedsverfahrens abzusehen.1404 Weitere Bedingung des Zugangs nach Art. 10 BÜ ist, dass dieser dazu genutzt wird, einen Anspruch nach dem nationalen oder dem Unionsrecht geltend zu machen (Art. 10 Abs. 1 lit. b) BÜ) und dass ein

1403 1404

Signorelli, ESIL 23/2019, S. 21. Siehe insoweit auch Art. 9 Abs. 14 lit. a) BÜ.

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens

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strukturierter Dialog i. S. d. Art. 9 BÜ – sofern ein solcher eingeleitet wurde – zu keiner Einigung geführt hat (Art. 10 Abs. 1 lit. c) BÜ). Ergänzend sehen Art. 10 Abs. 1 lit. a) i) bis iii) BÜ zeitliche Grenzen hierzu vor. Der Zugang ist demnach erstens nur innerhalb von sechs Monaten nach der Beendigung des BIT möglich, sofern kein strukturierter Dialog eingeleitet wurde (Art. 10 Abs. 1 lit. a) i) BÜ). Der Zeitpunkt der Beendigung ergibt sich aus Art. 4 Abs. 2 BÜ i. V. m. Art. 16 Abs. 2 BÜ. Doch auch wenn um einen strukturierten Dialog ersucht wurde, ist dies zweitens gem. Art. 10 Abs. 1 lit. a) ii) BÜ innerhalb von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Ablehnung des Antrags des Investors durch den Gaststaat nach Art. 9 Abs. 1 und 6 BÜ möglich. Dies scheint prima facie zu bedeuten, dass der Zugang gem. Art. 10 BÜ nicht für Investoren gilt, die ein Ersuchen durch den Gaststaat i. S. d. Art. 9 Abs. 1 S. 3 BÜ nicht akzeptieren. Dann fehlte es nämlich jedenfalls an einem „Antrag des Investors“ i. S. d. Art. 10 Abs. 1 lit. a) ii) BÜ. Allerdings ist in derartigen Konstellationen ein Fall des Art. 10 Abs. 1 lit. a) i) BÜ gegeben, da es bereits an einem „Zurückgreifen“ auf den strukturierten Dialog i. S. d. Art. 10 Abs. 1 lit. a) i) BÜ fehlt. Ein „Rückgriff“ auf den strukturierten Dialog kann nicht anders verstanden werden, als die Einleitung eines solchen oder jedenfalls ein dahingehendes Ersuchen des Gaststaats durch den Investor. In den Fällen, in welchen der Investor durch den Gaststaat um einen strukturierten Dialog ersucht wird (Art. 9 Abs. 1 S. 3 BÜ), greift somit jedenfalls Art. 10 Abs. 1 lit. a) i) BÜ, wenn der Investor dies nicht akzeptiert. Wie die Formulierung „Artikel 9 Absätze 1 und 6“ deutlich macht, greift Art. 10 Abs. 1 lit. a) ii) BÜ zudem nur dann, wenn der Gaststaat den Antrag – bzw. richtigerweise das „Ersuchen“ des Investors – ablehnt, wenn kein Verfahren vor nationalen Gerichten oder dem EuGH hinsichtlich der Maßnahme ergangen oder noch anhängig ist bzw. die Europäische Kommission einen (bestandskräftigen) Beschluss dahingehend gefasst hat. Eines Zugangs zu nationalen Gerichten bedürfe es dementsprechend offenbar nicht, wenn der Gaststaat das Ersuchen des Investors gem. Art. 9 Abs. 4 BÜ ablehnt. Zwar könnte ein Investor – zur Umgehung dessen – in den Fällen des Art. 9 Abs. 4 BÜ vom Ersuchen des Gaststaats insgesamt absehen, damit die Regelung des Art. 10 Abs. 1 lit. a) i) BÜ greifen kann (s. o.). Allerdings hat das Anliegen des Investors in den Fällen des Art. 9 Abs. 4 BÜ ohnehin schlechte Aussichten. Schließlich wurde bereits über die Maßnahme rechtskräftig (bzw. bestandskräftig durch die Europäische Kommission) entschieden. In den Fällen, in den „lediglich“ ein nationales Gericht rechtskräftig bzw. die Europäische Kommission bestandskräftig über die Maßnahme entschieden hat, besteht gleichwohl eine – wenn auch bloß geringfügige – Möglichkeit, dass der hiermit noch nicht befasste EuGH über ein gem. Art. 10 BÜ angerufenes nationales Gericht durch Art. 267 AEUV eine anderweitige Entscheidung trifft. Insofern überzeugt es, dass Fälle des Art. 9 Abs. 4 BÜ zwar in der Regel, jedoch nicht stets zwingend vom Anwendungsbereich des Art. 10 BÜ ausgeschlossen sind. Ein Investor, der von der Unionsrechtswidrigkeit der in Streit stehenden Maßnahme überzeugt ist, ein nationales Gericht oder die Europäische Kommission jedoch bereits Gegenteiliges entschieden haben, sollte

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

den Gaststaat mithin nicht um einen strukturierten Dialog gem. Art. 9 BÜ ersuchen. Ein solches Ersuchen wäre gem. Art. 9 Abs. 4 BÜ aussichtlos. Zudem schnitte sich der Investor die Möglichkeit eines Verfahrens nach Art. 10 BÜ gänzlich ab. Sollte demgegenüber ein strukturierter Dialog tatsächlich eingeleitet worden sein, bestimmt Art. 10 Abs. 1 lit. a) iii) BÜ drittens, dass Art. 10 BÜ auch binnen sechs Monaten nach dem Datum greift, an dem die letzte Partei ihre Entscheidung gem. Art. 9 Abs. 12 BÜ mitgeteilt hat. Zwar schweigt dieser Wortlaut dazu, ob die Entscheidungen im Rahmen des Art. 9 Abs. 12 BÜ tatsächlich zu einer Einigung geführt haben müssen bzw. überhaupt dürfen. Jedoch bestimmt Art. 10 Abs. 1 lit. c) BÜ, dass Art. 10 BÜ nur dann greifen kann, sofern „der in Artikel 9 dargelegte strukturierte Dialog zu keiner Einigung geführt hat“ (s. o.). Deshalb spricht auch Art. 10 Abs. 1 lit. a) iii) BÜ richtigerweise nur die Fälle an, in welchen die gem. Art. 9 Abs. 12 BÜ mitgeteilten Entscheidungen keine Einigung herbeiführen. Dies ist angesichts einer im strukturierten Dialog tatsächlich erzielten Einigung auch die einzig sachgemäße Lesart. Ergänzend hierzu bestimmt Art. 10 Abs. 2 Hs. 1 BÜ, dass die nationalen Fristen für die Inanspruchnahme nationaler Gerichte an dem Datum beginnen, an dem sich der Investor nach Art. 10 Abs. 1 lit. a) BÜ aus dem Schiedsverfahren zurückzieht oder auf die Vollstreckung eines bereits ergangenen Schiedsspruchs verzichtet und zusagt, von der Einleitung eines neuen Schiedsverfahrens abzusehen. Für die Dauer der nationalen Fristen gilt das anwendbare nationale Recht (Art. 10 Abs. 2 Hs. 2 BÜ). Art. 10 Abs. 3 und 4 BÜ enthalten ausdrücklich so bezeichnete Klarstellungen. Gem. Art. 10 Abs. 3 BÜ sind Bestimmungen des maßgeblichen BIT nicht Teil des anwendbaren Rechts vor den nationalen Gerichten. Dieser Satz hat weniger lediglich „klarstellende“ Bedeutung als es zunächst scheinen mag. Das Beendigungsübereinkommen kündigt zwar die gesamten in Anhang A genannten BIT (und nicht bloß deren Schiedsklauseln). Allerdings werden die BIT selbst mit ihren materiellen Bestimmungen erst in dem Zeitpunkt des Art. 4 Abs. 2 BÜ i. V. m. Art. 16 Abs. 2 BÜ beendet. Wenn also in einem „anhängigen Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 5 BÜ über eine Maßnahme gestritten wird, die vor Ergehen der AchmeaEntscheidung und des Beendigungsübereinkommens erfolgte, gehörte das damals noch wirksame BIT zum streitentscheidend anwendbaren Recht. Schließlich beendet das Übereinkommen die BIT nicht rückwirkend zum Zeitpunkt deren Begründung. Dass die BIT, die im maßgeblichen Zeitpunkt noch zum gültigen und anwendbaren Recht gehörten, nun nicht mehr – bzw. wohl allenfalls als Tatsache – durch nationale Gerichte berücksichtigt werden dürfen, bedurfte einer Regelung. Art. 10 Abs. 3 BÜ kommt somit jedenfalls nicht lediglich deklaratorische Bedeutung zu. Art. 10 Abs. 4 stellt klar, dass die Bestimmungen des Art. 10 BÜ nicht so auszulegen sind, „dass sie neue Rechtsbehelfe begru¨ nden, die dem Investor nach geltendem nationalen Recht nicht zur Verfu¨ gung stu¨ nden“. Hierbei handelt es sich tatsächlich nur um eine Bestimmung deklaratorischen Charakters. Dass

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens

301

Art. 10 BÜ keine neuen Rechtsbehelfe in diesem Sinne begründet, wird im Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 BÜ hinreichend deutlich. Außerdem müssen freilich alle sonstigen vom nationalen Recht statuierten Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben sein.1405 Ebenfalls klarstellend – jedoch nicht ausdrücklich so bezeichnet – weist Art. 10 Abs. 5 BÜ darauf hin, dass nationale Gerichte jede im Rahmen von anhängigen Schiedsverfahren bereits gezahlte Entschädigung berücksichtigen, um doppelte Entschädigungszahlungen zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist der Begriff „anhängige Schiedsverfahren“ sachgerecht im Sinne der Definition des Art. 1 Nr. 5 BÜ zu verstehen. Durch die Regelungen in Art. 10 BÜ wird die unionsrechtliche Prägung dieser Übergangsmaßnahme zumindest ebenso deutlich wie in Art. 9 BÜ hinsichtlich des strukturierten Dialogs. Während Art. 9 BÜ noch offen lässt, ob und inwieweit die Parteien eines Disputs und der Vermittler bei der Verhandlung auch Verstöße gegen das BIT berücksichtigen können, macht Art. 10 Abs. 3 BÜ ausdrücklich klar, dass jenes vor nationalen Gerichten im Rahmen des Verfahrens nach Art. 10 BÜ nicht zum anwendbaren Recht gehört. Dies wird zudem durch Art. 10 Abs. 1 lit. a) iii) BÜ unterstützt, welcher normiert, dass der Zugang zu nationalen Gerichten nur solchen Investoren zusteht, die diesen Zugang zur Durchsetzung von Ansprüchen nach nationalem Recht oder Unionsrecht nutzen. Die Durchsetzung von Ansprüchen nach dem BIT im Wege des Art. 10 BÜ ist daher explizit ausgeschlossen. Dies zumal Investoren zuvor ohnehin auf alle Rechte und Ansprüche nach dem betreffenden BIT zu verzichten haben (Art. 10 Abs. 1 lit. a) BÜ). Dass es in den durch Art. 10 BÜ ermöglichten Verfahren lediglich um Fragen des Unionsrechts bzw. des nationalen Rechts gehen kann, wird auch über Art. 10 Abs. 1 lit. a) ii) BÜ deutlich, welcher Fälle des Art. 9 Abs. 4 BÜ ausdrücklich nicht einbezieht (s. o.). Umgekehrt lässt sich daraus schließen, dass im Rahmen des strukturierten Dialogs die Berücksichtigung von Verstößen gegen das BIT in den Verhandlungen gerade nicht schlechthin untersagt ist. Zwar zeigt der Wortlaut des Art. 9 BÜ auch eine auffällig unionsrechtliche Prägung dieses Streitbeilegungsverfahrens (s. o.). Allerdings fehlt dort eine Art. 10 Abs. 3 BÜ äquivalente Bestimmung. Bemerkenswert ist abschließend, dass Art. 10 BÜ den Zugang zu nationalen Gerichten ausweislich Art. 10 Abs. 1 lit. a) BÜ auch für Verfahren ermöglicht, in welchen bereits ein Schiedsspruch ergangen ist, der jedoch noch nicht (endgültig) vollstreckt wurde. Dies bedeutet, dass ein Investor im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens auf die Fortführung des Prozesses verzichten müsste, um anschließend wiederum von nationalen Gerichten feststellen zu lassen, dass die in Streit stehende Maßnahme nationales Recht bzw. Unionsrecht verletzt. Der Sinn einer solchen Vorgehensweise divergiert abhängig davon, vor welchen Gerichten das Vollstreckungsverfahren anhängig ist. Sind solche Verfahren vor mitgliedstaatlichen Gerichten anhängig, bietet sich ein solches Vorgehen tatsächlich an. Mitglied1405

Bungenberg, EuZW 2020, 445 (446).

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

staatliche Gerichte werden nämlich die Vollstreckung von betroffenen Schiedssprüchen im Angesicht der Achmea-Entscheidung und insbesondere auch des Beendigungsübereinkommens vermutlich versagen (s. o.). Im Rahmen eines Verfahrens i. S. d. Art. 10 BÜ besteht jedoch die – da das Schiedsgericht einen Verstoß gegen das BIT feststellte nicht ganz fernliegende – Möglichkeit, dass eine Verletzung des nationalen Rechts bzw. des Unionsrechts angenommen wird. Dies dürfte ein aus Investorensicht ideales Szenario darstellen. Sofern derartige Verfahren jedoch vor drittstaatlichen Gerichten anhängig sind, ist es – beispielsweise in den Vereinigten Staaten oder dem Vereinigten Königreich – nicht unwahrscheinlich, dass diese dem Begehren des Investors stattgeben. In derartigen Szenarien besteht aufgrund von möglichen Interventionen durch die Europäische Kommission gegen die tatsächliche Auszahlung der Schadenssumme gleichwohl keine endgültige Sicherheit für Investoren. Auch in solchen Fällen könnte es sich also anbieten, den Zugang zu nationalen Gerichten über Art. 10 BÜ zu wählen. Auschlaggebend dürfte dennoch sein, inwieweit eine Verletzung des nationalen Rechts bzw. des Unionsrechts tatsächlich zur Debatte steht. Insgesamt ermöglicht Art. 10 BÜ Investoren lediglich, was ihnen bereits vor Einleitung des Schiedsverfahrens zustand. Da sie sich jedoch aktiv gegen diese Form des Rechtsschutzes und vielmehr für schiedsgerichtliche Streitbeilegung entschieden, wird der Zugang zu nationalen Gerichten über Art. 10 BÜ auch als paradox beschrieben.1406 c) Zwischenergebnis Die über Art. 9 und 10 BÜ gewährleisteten Übergangsmaßnahmen stellen das Unionsrecht in den Vordergrund. Wie soeben gezeigt, spielen die Bestimmungen des BIT dabei nahezu keine Rolle mehr. Man könnte zunächst meinen, dass die Übergangsbestimmungen im Beendigungsübereinkommen insgesamt eine angemessene, dynamische Übergangsperiode zwischen dem internationalen Investitionsschutzrecht in seiner bisherigen Gestalt hin zu einem ausschließlich dem Unionsrecht unterliegenden Investitionsschutz schaffen. Dies ist indessen nicht der Fall. Vielmehr führen die Übergangsbestimmungen – mit einer nicht unerheblichen retroaktiven Wirkung – zu einem unmittelbaren Wechsel des für die Beurteilung der in Streit stehenden Maßnahme(n) anwendbaren Regelungsregimes. Dieser Übergang hätte deutlich investorenfreundlicher gestaltet werden können, würde das Übereinkommen ausdrücklich ausschließlich erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens Wirkung

1406 So Signorelli, ESIL 23/2019, S. 22; vgl. auch Lavranos, The EU Plurilateral Draft Termination Agreement for All Intra-EU BITs: An End of the Post-Achmea Saga and the Beginning of a New One, Kluwer Arbitration Blog, 1. Dezember 2019, http://arbitrationblog.klu werarbitration.com/2019/12/01/the-eu-plurilateral-draft-termination-agreement-for-all-intra-eubits-an-end-of-the-post-achmea-saga-and-the-beginning-of-a-new-one/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens

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für die Zukunft entfalten.1407 Dem wäre zwar ein weiterhin anhaltendes Potential für die Verletzung der Autonomie des Unionsrechts immanent gewesen. Allerdings wäre dieses zeitlich begrenzt gewesen. Ob durch die gewählten Regelungen diesem Potential wirksam begegnet wurde, bleibt abzuwarten. Rechtssicherheit ist freilich nur ganz vereinzelt eingetreten. Investoren, die Partei „anhängiger Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 5 BÜ sind, dürften am schwerwiegendsten hiervon betroffen sein. Immerhin war für sie im Zeitpunkt der Einleitung des Schiedsverfahrens – auch angesichts der einheitlichen Rechtsprechung der Schiedsgerichte zur Intra-EU Jurisdictional Objection (s. o.) – nicht ersichtlich, welche Herausforderungen auf sie warteten. Doch auch Investoren, die ein Verfahren erst (kurz) nach der AchmeaEntscheidung einleiteten1408 – „neue Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 3 BÜ – könnten erst Jahre später im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beendigungsübereinkommens schutzlos gestellt werden.1409 Vor diesem Hintergrund lassen sich die Übergangsbestimmungen als nicht hinreichend wirkungsvoll kritisieren.1410 Wieso sich Investoren überhaupt für diese Verfahren entscheiden sollten – insbesondere im Falle von bereits zu ihren Gunsten ergangenen Schiedssprüchen – wurde bereits skizziert. Immerhin werden die Übergangmaßnahmen auch als „beschränkt“ und für Investoren vermutlich „unattraktiv“ beschrieben.1411 Letztlich dürfte entscheidend sein, inwieweit tatsächlich eine Unionsrechtsverletzung durch die fragliche Maßnahme im Raum steht. Wenn dies der Fall ist, gewähren Art. 9 und 10 BÜ den Investoren die Möglichkeit, deren – bislang unionsrechtswidrig erstrittene oder noch zu erstreitende – Ansprüche zu „legalisieren“. Ein von einem nationalen Gericht unionsrechtskonform zugestandener Schadensersatzanspruch ist gegenüber einem von einem Schiedsgericht unionsrechtswidrig zugestandenen wohl selbst dann als vorteilhaft anzusehen, wenn dieser von geringerem Umfang ist. Die bei der Anspruchsdurchsetzung im (EU-)Ausland entstehenden Kosten gepaart mit den von der Europäischen Kommission stets ausgehenden Unwägbarkeiten dürften in diesem Zusammenhang schwerer wiegen. Wenn eine Unionsrechtsverletzung jedoch nicht feststellbar ist, könnten sich betroffene Investoren nahezu vollständig schutzlos gestellt wähnen.1412 Zwar besteht die grundsätzliche Möglichkeit auch im strukturierten Dialog Verstöße gegen das BIT zu berücksichtigen (s. o.). Allerdings 1407

Vgl. auch Signorelli, ESIL 23/2019, S. 27 Fn. 68. Siehe bspw. Ol¸egs Rosˇcˇ ins v. Republic of Lithuania, ICSID Case No. ARB/18/37. 1409 Vgl. Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (201) und Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (203 f.). 1410 Vgl. Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (203 f.) und Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (248). 1411 Signorelli, ESIL 23/2019, S. 27 („very limited“; „unattractive“); so auch Lavranos, The EU Plurilateral Draft Termination Agreement for All Intra-EU BITs: An End of the PostAchmea Saga and the Beginning of a New One, Kluwer Arbitration Blog, 1. Dezember 2019, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2019/12/01/the-eu-plurilateral-draft-terminationagreement-for-all-intra-eu-bits-an-end-of-the-post-achmea-saga-and-the-beginning-of-a-newone/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1412 Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (203). 1408

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

dürfte solchen gegenüber einer vom Vermittler möglicherweise angenommenen Unionsrechtskonformität geringfügige Bedeutung zukommen. Mit Blick auf die Tatsache, dass der EuGH in der Achmea-Entscheidung lediglich die Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT für unionsrechtswidrig erklärte, wäre es jedenfalls für die Übergangsbestimmungen zu befürworten gewesen, hätten diese auch die Bestimmungen der BIT für provisorisch noch anwendbar erklärt. Eine damit potentiell einhergehende Verletzung der Autonomie des Unionsrechts wäre dann hinzunehmen gewesen. Weitaus problematischer ist in dieser Hinsicht nämlich eine Fortsetzung der Durchsetzung von Schiedssprüchen außerhalb der Europäischen Union entgegen der Achmea-Entscheidung und dem Beendigungsübereinkommen.

V. Schlussbestimmungen (Abschnitt 4) Der vierte und letzte Abschnitt des Beendigungsübereinkommens enthält acht weitere Artikel (Art. 11 bis 18 BÜ). Einige dieser sind klassische Schlussbestimmungen. Ein Teil der Regelungen war für ein derartiges Beendigungsübereinkommen so jedoch nicht zu erwarten. 1. Allgemeines Zu den klassischen Schlussbestimmungen gehören jedenfalls Art. 11, 13, 15 und 18 BÜ. Art. 11 BÜ regelt die Verwahrung des Übereinkommens (Abs. 1), die Notifikation der Vertragsparteien über aus dem Beendigungsübereinkommen resultierende Ereignisse (Abs. 2) sowie die Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union (Abs. 3), vgl. auch Art. 77 ff. VCLT. Art. 13 BÜ erklärt Vorbehalte zum Beendigungsübereinkommen für unzulässig. Diese Norm ist vor dem Hintergrund des Art. 19 lit. a) VCLT zu lesen. Das Anbringen von Vorbehalten durch die Signatarstaaten wurde damit wirksam ausgeschlossen. Dass das Übereinkommen der Ratifikation, Genehmigung oder Annahme bedarf, und dass die entsprechenden Urkunden beim Verwahrer zu hinterlegen sind, regelt Art. 15 BÜ, vgl. auch Art. 14, 16 VCLT. Abschließend bestimmt Art. 18 BÜ die verbindlichen Sprachfassungen des Übereinkommens (bulgarisch, dänisch, deutsch, englisch, estnisch, französisch, griechisch, italienisch, kroatisch, lettisch, litauisch, maltesisch, niederländisch, polnisch, portugiesisch, rumänisch, slowakisch, slowenisch, spanisch, tschechisch und ungarisch), vgl. auch Art. 33 VCLT.

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens

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2. Besonderheiten Die Regelungen in Art. 12, 14, 16 und 17 BÜ sind im Vergleich zu den oben skizzierten Normen teilweise ungewöhnlich. Art. 12 BÜ widmet sich den Anhängen des Beendigungsübereinkommens. Diese sind gem. Art. 12 Abs. 1 BÜ Bestandteil des Übereinkommens. Art. 12 Abs. 2 BÜ bestimmt, dass in Anhang A genannte Intra-EU-BIT dann als solche des Anhang B gelten, wenn sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beendigungsübereinkommens für die betroffenen Vertragsparteien nicht in Kraft sind, entsprechende sunset clauses jedoch noch Wirkung für vor einer etwaigen Beendigung getätigte Investitionen entfalten könnten. Die Normierung dieser Fiktion macht deutlich, wie sehr es den Signatarstaaten darauf ankam, die Beendigung der Intra-EU-BIT mit ihren sunset clauses lückenlos zu regeln. Dass die sunset clauses auch solcher BIT in derartigen Fällen keine Wirkung mehr entfalten, hätte sich wohl ebenso bereits durch Auslegung des Art. 2 Abs. 1 und 2 BÜ ergeben können. Darauf kommt es nun aber nicht mehr an. Art. 12 Abs. 2 BÜ führt diese Ausnahmesituation einer Regelung zu. Dieses erhöhte Maß an Vorsicht wird insbesondere auch in den Fußnoten 1 bis 3 des Anhang B erkennbar. Tatsächlich ungewöhnlich in einem derartigen Beendigungsübereinkommen ist eine Bestimmung zur Streitbeilegung – Art. 14 BÜ.1413 Zunächst regelt Art. 14 Abs. 1 BÜ, dass Streitigkeiten der Signatarstaaten über die Auslegung und Anwendung des Übereinkommens nach Möglichkeit gütlich beigelegt werden sollen. Sofern dies nicht innerhalb von 90 Tagen gelingt, wird besagte Streitigkeit auf Ersuchen einer der beteiligten Signatarstaaten gem. Art. 273 AEUV dem EuGH unterbreitet, Art. 14 Abs. 2 BÜ. Lediglich klarstellend weist Art. 14 Abs. 3 BÜ darauf hin, dass Art. 14 BÜ einen Schiedsvertrag i. S. d. Art. 273 AEUV zwischen den Vertragsparteien darstellt.1414 Das Verfahren gem. Art. 273 AEUV dient dazu, den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein Streitbeilegungsmittel hinsichtlich Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Verträge innerhalb des unionalen Gerichtssystems zur Verfügung zu stellen.1415 Bereits in der Präambel des Beendigungsübereinkommens wurde auf diesen Mechanismus hingewiesen. Dort stellen die Vertragsstaaten klar, dass Streitigkeiten nach Art. 14 BÜ i. V. m. Art. 273 AEUV „nicht die Rechtmäßigkeit der Maßnahme betreffen dürfen, die Gegenstand von Investor-Staat-Schiedsverfahren ist, welche im Rahmen eines unter dieses Übereinkommen fallenden bilateralen Investitionsschutzvertrags durchgeführt werden“. Das Beendigungsübereinkommen macht also ausdrücklich deutlich, dass Verfahren nach Art. 14 BÜ i. V. m. Art. 273 AEUV nur die Auslegung oder Anwendung des Beendigungsübereinkommens selbst zum Gegenstand haben können. 1413

Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (248). Siehe allg. zur Natur eines solchen Schiedsvertrags Grabitz/Hilf/Nettesheim/Karpenstein, EUV/AEUV, Art. 273 AEUV Rn. 15 f. 1415 EuGH, Urteil vom 12. September 2017, Rs. C-648/15, Österreich/Deutschland, ECLI: EU:C:2017:664, Rn. 29 m. w. N. 1414

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Für eine dabei potentiell ebenfalls im Raum stehende Streitigkeit über die Rechtmäßigkeit einer vor einem Schiedsgericht verhandelten Maßnahme ist dies nicht der Fall. An die Feststellung, dass die „Streitigkeit“ in Zusammenhang „mit dem Gegenstand der Verträge“ steht, sind keine hohen Anforderungen zu stellen.1416 Insbesondere sollen hierfür schon Zweifel an mitgliedstaatlichen Pflichten und ein objektiv bestimmbarer Zusammenhang zwischen dem Streit und den Tätigkeiten und Zielen der Union genügen.1417 Dies wird bei Zweifeln über die Auslegung und Anwendung der Bestimmungen des Beendigungsübereinkommens regelmäßig gegeben sein.1418 Wie bereits gesehen, regelt Art. 16 BÜ das Inkrafttreten des Beendigungsübereinkommens. Bemerkenswert ist dabei, dass jenes gem. Art. 16 Abs. 1 BÜ bereits 30 Kalendertage nach dem Tag in Kraft, an dem der Verwalter die zweite Ratifikations-, Genehmigungs- oder Annahmeurkunde erha¨ lt. Auch dies ist in einem multilateralen Vertrag ungewöhnlich.1419 Art. 16 Abs. 2 BÜ bestimmt darüber hinaus, dass das Übereinkommen anschließend für jeden Signatarstaat 30 Kalendertage nach dem Tag in Kraft tritt, an dem der Signatarstaat besagte Urkunde(n) hinterlegt. Diese Bestimmungen sind zu begrüßen.1420 Sie bezwecken die schnellstmögliche tatsächliche Beendigung der Intra-EU-BIT.1421 Immerhin kann es lange dauern, bis tatsächlich sämtliche Signatarstaaten das Übereinkommen auch ratifizieren, genehmigen oder annehmen – sollte dies überhaupt geschehen. Auch zeigen die Bemühungen der Achmea B. V. gegen die Ratifizierung des Beendigungsübereinkommens durch die Bundesrepublik Deutschland, dass sich jene durchaus hinziehen oder gar verhindert werden kann (s. o.).1422 Ergänzend bestimmt Art. 16 Abs. 3 BÜ, dass Signatarstaaten, die im Zeitpunkt der Ratifizierung, Genehmigung oder Annahme des Übereinkommens Partei eines anhängigen Schiedsverfahrens (i. S. d. Art. 1 Nr. 5 BÜ) sind, dem klagenden Investor, bevor das Übereinkommen für sie selbst in Kraft tritt, diesen Umstand mitzuteilen haben. In dieser Mitteilung muss ein Hinweis darauf enthalten sein, ob das betroffene BIT durch die Ratifizierung, Genehmigung oder Annahme gem. Art. 16 Abs. 2 BÜ bereits beendet wird, oder ob selbiges durch die andere Vertragspartei des BIT noch aussteht. Eine für ein Beendigungsübereinkommen ebenso ungewöhnliche Bestimmung enthält Art. 17 BÜ. Dieser regelt die Möglichkeit einer vorläufigen Anwendung des Übereinkommens. Von dieser Möglichkeit haben die Slowakische Republik und das 1416 von der Groeben/Schwarze/Hatje/Gaitanides, Europäisches Unionsrecht, Art. 273 AEUV, Rn. 8; Streinz/Ehricke, EUV/AEUV, Art. 273 AEUV Rn. 7. 1417 Streinz/Ehricke, EUV/AEUV, Art. 273 AEUV Rn. 7. 1418 Vgl. insoweit zurückhaltender Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (248). 1419 Ibid. 1420 Vgl. auch ibid. (248 f.). 1421 Vgl. auch Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (206). 1422 Siehe BVerfG, Beschluss vom 23. Ma¨ rz 2020 – 2 BvQ 6/20, in: EuZW 2020, 427; BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2021 – 2 BvQ 97/20, in: BeckRS 2021, 996.

B. Regelungsgehalt des Beendigungsübereinkommens

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Königreich Spanien bereits Gebrauch gemacht.1423 Gem. Art. 17 Abs. 1 BÜ können die Signatarstaaten – nach Maßgabe ihrer verfassungsrechtlichen Vorschriften – beschließen, das Beendigungsübereinkommen vorläufig anzuwenden. Dies haben sie dem Verwahrer anschließend anzuzeigen. Sofern dies beide Parteien eines BIT beschlossen haben, werden die Bestimmungen des Übereinkommens gem. Art. 17 Abs. 2 BÜ 30 Kalendertage nach dem Tag wirksam, an dem der jeweils spätere Beschluss ergangen ist. Die Ungewöhnlichkeit einer derartigen Bestimmung in einem Beendigungsübereinkommen ergibt sich daraus, dass sich eine solche vorläufige Anwendung verhältnismäßig leicht beenden lässt, vgl. Art. 25 Abs. 2 VCLT.1424 Mangels einer dahingehenden Bestimmung im Beendigungsübereinkommen wäre eine solche vorläufige Anwendbarkeit gem. Art. 25 Abs. 2 VCLT durch eine bloße Notifikation kündbar. Unkommentiert lässt das Übereinkommen den Fall, dass sich ein Signatarstaat, nachdem er die vorläufige Anwendbarkeit beschlossen hat, gegen die Ratifizierung, Genehmigung oder Annahme entscheidet und die vorläufige Anwendung durch Notifikation wieder rückgängig macht. Insbesondere wäre unklar, wie mit bis dahin eingeleiteten Maßnahmen nach Art. 9 oder 10 BÜ umzugehen wäre. Ebenso problematisch scheint es, völkerrechtliche Verträge übergangsweise „vorläufig“ für beendet zu erklären und dies sodann mit ex nunc oder auch ex tunc Wirkung einseitig wieder rückgängig machen zu können. Gleichwohl ist die Aufnahme von Art. 17 BÜ in das Beendigungsübereinkommen im Lichte des Ziels der zügigen Beendigung der Intra-EU-BIT zu begrüßen. Es ist nicht zu erwarten, dass der soeben beschriebene Fall tatsächlich eintritt.1425 Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Europäische Kommission nun in den letzten Zügen ihrer langwierigen Bestrebung um die Beendigung aller Intra-EU-BIT dafür sorgen wird, dass solche Fälle nicht eintreten. Immerhin wurden bereits Vertragsverletzungsverfahren gegen Nicht-Signatarstaaten angekündigt (s. o.).

VI. Zwischenergebnis Trotz einiger Unklarheiten,1426 regelt das Beendigungsübereinkommen im Wesentlichen das, was nach der Unterzeichnung der Januar-Deklarationen (s. o.) zu erwarten war. Die Mitgliedstaaten ziehen die Konsequenzen aus der Achmea-Entscheidung völkervertraglich nach, über die sie sich bereits im Januar 2019 einig waren: erstens werden alle Intra-EU-BIT – der Signatarstaaten – vollumfänglich 1423 Siehe https://www.consilium.europa.eu/en/documents-publications/treaties-agreements/ agreement/?id=2019049&DocLanguage=en (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1424 So auch Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (249) unter Bezugnahme auf Report of the International Law Commission, 70. Session, A/73/10 (abrufbar unter https://legal.un.org/ilc/re ports/2018/english/a_73_10_advance.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 217 (Guideline 9 Abs. 2), S. 219 (Commentary 7). 1425 Ebenso Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (249). 1426 Siehe zusammenfassend Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (206).

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

inklusive der sunset clauses beendet; zweitens regelt das Übereinkommen, wie mit Schiedsverfahren umzugehen ist, die sich im weitesten Sinne bereits in Konflikt mit der Achmea-Entscheidung befinden; und drittens bleibt der ECT hiervon unberührt. Lediglich die Republik Österreich, die Republik Finnland, das Königreich Schweden und Irland (sowie das Vereinigte Königreich) enthalten sich (zunächst) von einer Unterzeichnung. Von Irland – mangels bestehender BIT (s. o.) – und dem Vereinigten Königreich – aufgrund des Austritts aus der Europäischen Union – wird eine Unterzeichnung nicht mehr zu erwarten sein. Gegenteiliges gilt für die Republik Österreich, die Republik Finnland und das Königreich Schweden.1427 Gleichwohl untergräbt deren Zurückhaltung die vermeintliche Eintracht hinsichtlich der Bedeutung der Achmea-Entscheidung unter den Mitgliedstaaten.1428 In Kraft getreten ist das Übereinkommen bereits für die Republik Bulgarien (13. Dezember 2020), das Königreich Dänemark (29. August 2020), die Bundesrepublik Deutschland (9. Juni 2021), die Republik Estland (17. Februar 2021), die Französische Republik (28. August 2021), die Republik Kroatien (25. Oktober 2020), die Republik Zypern (6. November 2020), die Republik Lettland (28. Februar 2021), Ungarn (29. August 2020), die Republik Malta (28. November 2020), das Königreich der Niederlande (31. März 2021), die Republik Polen (4. April 2021) und die Republik Slowenien (10. März 2021).1429 Das Königreich Spanien und die Slowakische Republik haben eine vorläufige Anwendung beschlossen (s. o.).1430 Dass sich die Mitgliedstaaten über die Bedeutung der Achmea-Entscheidung für den ECT schon im Januar 2019 nicht einig waren, zeigen die drei unterschiedlichen Januar-Deklarationen. Hierzu ist der Fokus der Aufmerksamkeit auf die Reformverhandlungen und die dahingehenden Verfahren vor dem EuGH (s. o.)1431 zu richten. 1427 Die Zurückhaltung Österreichs dürfte auf die anhängigen Schiedsverfahren österreichischer Investoren gegen Kroatien zurückzuführen sein, siehe Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/37; Raiffeisen Bank International AG and Raiffeisenbank Austria d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/34; Erste & Steiermärkische Bank d. d., Erste Group Bank AG, and Steiermärkische Bank und Sparkassen AG v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/49; UniCredit Bank Austria AG and Zagrebacˇ ka Banka d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/16/31; die Zurückhaltung des Königreichs Schweden könnte auf das Vattenfall-Verfahren zurückführbar sein, was jedoch angesichts der Tatsache, dass das Verfahren nicht auf einem BIT, sondern Art. 26 ECT beruht, kaum als zweckmäßig anzusehen wäre. 1428 So auch Bray/Kapoor, Agreement on the Termination of Intra-EU BITs: Sunset in Stone?, Kluwer Arbitration Blog, 4. November 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbitration. com/2020/11/04/agreement-on-the-termination-of-intra-eu-bits-sunset-in-stone/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1429 Siehe https://www.consilium.europa.eu/en/documents-publications/treaties-agreements/ agreement/?id=2019049&DocLanguage=en (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1430 Siehe https://www.consilium.europa.eu/en/documents-publications/treaties-agreements/ agreement/?id=2019049&DocLanguage=en (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1431 Siehe u. a. EuGH, Gerichtsmitteilung vom 8. Oktober 2019, Rs. C-741/19, in: BeckEuRS 2019, 620735; siehe auch das Vorabentscheidungsersuchen vom 11. Mai 2020 Rs. C-109/ 20 des Högsta domstolen (Schweden) (siehe dazu BeckEuRS 2020, 629911) und den Antrag des

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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Die Klassifizierung von Schiedsverfahren in neue, anhängige und abgeschlossene Verfahren inklusive der Regelung entsprechender Folgen dürfte in Zukunft am kontroversesten diskutiert werden. Ob und inwieweit die in Art. 9 und 10 BÜ vorgesehenen Übergangsmaßnahmen in der Praxis tatsächlich genutzt werden, bleibt abzuwarten. Erst die Prozesse auf Basis dieser Bestimmungen können Klarheit in die durch den dritten Abschnitt des Übereinkommens aufgeworfenen Problematiken bringen. Immerhin haben die Mitgliedstaaten erkannt, dass eine abrupte Beendigung der Intra-EU-BIT wenig Anklang unter grenzüberschreitend tätigen Investoren finden würde. Ob die Übergangsbestimmungen daran allerdings etwas ändern, darf bezweifelt werden.

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens Das Beendigungsübereinkommen wirft vielschichtige Fragen rechtlicher aber auch tatsächlicher Natur auf. Um diese greifbar zu machen, ist sich zunächst zu vergegenwärtigen, welche Bestimmungen des Übereinkommens im Sinne dessen Ziels als unerlässlich und welche als ergänzend anzusehen sind. Die einzige unmittelbar durch die Achmea-Entscheidung indizierte Regelung des Übereinkommens ist die Beendigung der Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT. Diese stehen allesamt in Konflikt mit dem Unionsrecht und sind bzw. waren daher aufzuheben, vgl. Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV (s. o.). Dies erreicht das Übereinkommen über Art. 2 Abs. 1 BÜ. Zusätzlich enthält das Übereinkommen jedoch zahlreiche darüber hinausgehende Bestimmungen. Zum einen werden neben den Schiedsklauseln auch alle anderen Bestimmungen der betroffenen BIT beendet, vgl. Art. 2 BÜ. Dazu gehören neben den materiellen Regelungen auch insbesondere die sunset clauses. Ebenfalls beendet das Übereinkommen auch die sunset clauses, welche in bereits beendeten Intra-EU-BIT weiterhin Wirkung entfalten könnten. Weit darüber hinausgehend enthält das Übereinkommen noch – wie soeben dargelegt – einige Bestimmungen zur Klassifizierung neuer, anhängiger und abgeschlossener Schiedsverfahren und schließlich besagte Übergangsbestimmungen. In diesem Sinne ist Folgendes zu beachten. Die Beendigung der Intra-EU-BIT selbst ist als (auch) politische Maßnahme hinzunehmen und gem. Art. 54 lit. b) VCLT überdies rechtlich nicht zu beanstanden. Die Übergangsbestimmungen mögen zwar in vielerlei Hinsicht kritikwürdig sein. Sie werfen indes lediglich Folgefragen auf, die Königreichs Belgien auf Gutachten 1/20 nach Art. 218 Abs. 11 AEUV vom 29. Januar 2021 (abrufbar unter https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=AED4481F9A4 83AD2D5917E204E1FB825?text=&docid=237792&pageIndex=0&doclang=DE&mode= lst&dir=&occ=first&part=1&cid=11193185, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe auch Batifort, ASIL DRIG: The Future of Investor-State Dispute Settlement under the Energy Charter Treaty, Kluwer Arbitration Blog, 29. März 2021, http://arbitrationblog.kluwerarbitrati on.com/2021/03/29/asil-drig-the-future-of-investor-state-dispute-settlement-under-the-energycharter-treaty/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

erst tatsächlich relevant werden, sollten die darin vorgesehenen Prozesse auch genutzt werden. In rechtlicher Hinsicht sind aber vor allem zwei Fragen interessant: – Ist es völkerrechtskonform, besagte sunset clauses derart zu beenden, dass diese weder in bislang noch gültigen noch in bereits beendeten Intra-EU-BIT Wirkungen zugunsten von Investoren entfalten?1432 – Ist es völkerrechtskonform, durch die Klassifizierung in neue, anhängige und abgeschlossene Schiedsverfahren eine womöglich retroaktive Wirkung des Übereinkommens im oben beschriebenen Sinne zu erzeugen?1433 Diesen Fragen widmet sich der Folgende Abschnitt (I.). Anschließend ist zu erörtern, welche Bedeutung das Beendigungsübereinkommen im Lichte der bisherigen schiedsgerichtlichen Rechtsprechung entfaltet. Im Fokus steht dabei, wie Schiedsgerichte das Beendigungsübereinkommen und dessen Bestimmungen vor dem Hintergrund der VCLT einordnen könnten und sollten sowie insbesondere, welche Verteidigungsmöglichkeiten sich hieraus für klagende Investoren ergeben (II.).

I. Rechtliche Bedenken Investoren haben im internationalen Investitionsrecht eine Sonderstellung. Bilaterale und Multilaterale Investitionsschutzabkommen werden als völkerrechtliche Verträge zwischen Staaten zu ihren Gunsten geschlossen. Kontrahierend tätig werden Investoren erst in dem Moment, in dem sie ein Schiedsverfahren einleiten und damit das in der Schiedsklausel eines Investitionsschutzabkommens enthaltene Angebot des Gaststaats zur schiedsgerichtlichen Streitbeilegung annehmen (s. o.). Bei diesen Abkommen handelt es sich mithin um Verträge zugunsten Dritter im weitesten, untechnischen Sinne – auch wenn die Dritten hier keine Völkerrechtssubjekte sind. Nicht gemeint sind hiermit völkerrechtliche Verträge zugunsten Dritter i. S. d. Art. 36 f. VCLT. Insbesondere Art. 37 Abs. 2 VCLT ist auf BIT nicht anwendbar (siehe hierzu sogleich).1434 Angesichts dieses Verhältnisses der Akteure im internationalen Investitionsschutzrecht könnte man meinen, die Aufrechterhaltung des völkerrechtlichen Schutzes von Investitionen stehe alleine im Belieben der Vertragsstaaten eines solchen Abkommens. Diese haben ursprünglich durch einvernehmliche Entscheidung jenen Schutz begründet. Sollten sie nun einvernehmlich entscheiden, dass es dieses Schutzes nicht mehr bedarf – bzw. dass dieser gegen Unionsrecht verstößt – steht es ihnen grundsätzlich frei, ihn zu beenden. Dies heißt im Umkehrschluss freilich nicht, dass Investoren gänzlich rechtlos gestellt sind. Schließlich werden auch natürliche Personen völkerrechtlich geschützt und unter1432

Siehe dazu Kapitel III C. I. 1. Siehe dazu Kapitel III C. I. 2. 1434 Umfassend hierzu Gatzsche, Aufhebungen und Abänderungen von Investitionsschutzabkommen, S. 159 ff., 168. 1433

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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liegt auch die Beendigung solcher BIT völkerrechtlichen Regelungen. Deshalb verdienen die restlose Beendigung der sunset clauses und die möglicherweise retroaktive Wirkung des Übereinkommens hier besondere Aufmerksamkeit. Gleichwohl darf nicht aus den Augen verloren werden, dass es für den Schutz der betroffenen Investitionen selbst entscheidend darauf ankommen wird, wie das Beendigungsübereinkommen und die damit einhergehenden Folgen (z. B. die Notifikation i. S. d. Art. 7 lit. a) BÜ) selbst durch Schiedsgerichte gewürdigt werden. Dies ist Gegenstand des hierauf folgenden Abschnitts (II.). 1. Die Kündigung der sunset clauses Grundsätzlich gibt es zwei Wege zur Beendigung von BIT. Erstens durch unilaterale Kündigung entsprechend den Regelungen im BIT (Art. 54 lit. a) VCLT) und zweitens durch einvernehmliche Übereinkunft (Art. 54 lit. b) VCLT).1435 Mit dem Beendigungsübereinkommen gehen die Signatarstaaten gem. Art. 54 lit. b) VCLT den zweiten Weg. Wie jedoch bereits mehrfach angedeutet, enthalten viele (Intra-EU-)BIT sog. sunset clauses. Teilweise werden derartige Klauseln auch als „survival clauses“1436, „grandfathering clauses“1437 oder „freezing clauses“1438 bezeichnet. Die deutschsprachige Fassung des Beendigungsübereinkommens nennt diese Klauseln „Nachwirkungsklauseln“. Der Übersichtlichkeit halber wird im Folgenden am Begriff sunset clause festgehalten. Diese verlängern den Schutz durch ein BIT mit dessen materiellen Bestimmungen und dem Streitbeilegungsmechanismus über mehrere Jahre ab dem Tag des Außerkrafttretens des BIT hinaus.1439 Dabei verfolgen sie den Zweck, berechtigte Erwartungen von Investoren, jene BIT blieben in Kraft, zu schützen.1440 Dies schafft Vertrauen und erhöht die Attraktivität beider Staaten als Investitionsstandort.1441 Grundsätzlich sollten Staaten daher auch ein Interesse daran haben, dass sich grenzüberschreitend tätige Investoren auf die Rechte aus den BIT

1435

Titi, JIntlArb 2016, 425 (436). So bspw. Harrison, JWIT 2012, 928 (928 ff.). 1437 So bspw. Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/busi ness_economy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en. pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 1.; ebenso Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (201). 1438 So bspw. Ghouri, ELJ 2010, 806 (826 f.). 1439 Siehe auch die Definition in Art. 1 Nr. 7 BÜ. 1440 Janssen/Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (125 f.); vgl. auch Harrison, JWIT 2012, 928 (935). 1441 Voon/Mitchell/Munro, ICSID Rev. 2014, 451 (466). 1436

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

inklusive der sunset clauses verlassen können.1442 In diesem Sinne werden sunset clauses auch als Gebot der Rechtsstaatlichkeit bezeichnet.1443 Die sunset clauses in bislang noch bestehenden Intra-EU-BIT aus Anhang A werden durch Art. 2 Abs. 1 BÜ beendet. Art. 2 Abs. 2 BÜ stellt dies ausdrücklich klar. Die Beendigung der sunset clauses aus Anhang B regelt Art. 3 BÜ. Zu diesen BIT gehört unter anderem auch das im Achmea-Fall maßgebliche zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik (s. o.).1444 Dieses enthält in Art. 13 Abs. 3 eine klassische sunset clause: „In respect of investments made before the date of the termination of the present Agreement the foregoing Articles thereof shall continue to be effective for a further period of fifteen years from that date.“

Das ebenfalls vom Beendigungsübereinkommen erfasste1445 BIT zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Slowenien enthält ebenfalls in Art. 13 Abs. 3 eine sunset clause in deutscher Sprache. Diese lautet: „Fu¨ r Kapitalanlagen, die bis zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens dieses Vertrags vorgenommen worden sind, gelten die Artikel 1 bis 12 noch fu¨ r weitere fu¨ nfzehn Jahre vom Tag des Außerkrafttretens des Vertrags an.“1446

Derart sind die meisten sunset clauses in BIT formuliert.1447 Die Dauer der fortgeltenden Wirksamkeit variiert regelmäßig zwischen fünf und 20 Jahren.1448 Der Wortlaut dieser Klauseln scheint ein eindeutiges Ergebnis für vor Beendigung der BIT eingeleitete Investitionen zu fordern. Sofern diese vor dem Außerkrafttreten der BIT vorgenommen wurden, gelten die Bestimmungen jener für weitere fünf bis 20 Jahre. Ohne an dieser Stelle auf untypische Formulierungen von sunset clauses in 1442

Nyombi/Mortimer, Int. ALR 2018, 46 (54). Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (366). 1444 ¨ Ubereinkommen zur Beendigung bilateraler Investitionsschutzvertra¨ ge zwischen den Mitgliedstaaten der Europa¨ ischen Union (5. Mai 2020), Amtsblatt der Europa¨ ischen Union L 169/1 (L 169/36). 1445 Ibid. (L 169/21). 1446 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Slowenien u¨ ber die Fo¨ rderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Inkrafttreten 18. Juli 1998). 1447 Siehe bpsw. Art. 13 Abs. 3 des Agreement between the Kingdom of the Netherlands and the Republic of Poland on encouragement and reciprocal protection of investments (Inkrafttreten 1. Februar 1994; Außerkrafttreten 2. Februar 2019); Art. 13 Abs. 3 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Portugiesischen Republik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Inkrafttreten 23. April 1982); siehe auch Gatzsche, Aufhebungen und Abänderungen von Investitionsschutzabkommen, S. 107 f.; siehe allg. auch Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten vom 31. März 2015 „Investitionsschutz in bilateralen Handelsvertra¨ gen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Entwicklungs- sowie Schwellenla¨ ndern“ BT-Drs. 18/4523 (abrufbar unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/045/1804523.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1448 Vgl. Titi, JIntlArb 2016, 425 (434). 1443

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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BIT einzugehen,1449 wird deutlich, dass es vorliegend – jedenfalls im Rahmen dieser klassisch formulierten sunset clauses – darauf ankommt, ob durch das Beendigungsübereinkommen ein „Außerkrafttreten“1450 der BIT („termination“1451) in diesem Sinne stattgefunden hat. Dass das Beendigungsübereinkommen diese zu beendigen und damit außer Kraft zu setzen sucht, steht außer Frage. Entscheidend ist vielmehr, ob in solchen sunset clauses lediglich die einseitige Kündigung eines BIT oder eben auch die einvernehmliche angesprochen ist. Oder anders: können bei der einvernehmlichen Beendigung eines BIT auch die sunset clauses einvernehmlich außer Kraft gesetzt werden?1452 Die oben einleitend aufgeworfene Frage ob es völkerrechtskonform sei, sunset clauses derart zu beenden, dass diese weder in bislang noch gültigen noch in bereits beendeten Intra-EU-BIT Wirkungen zugunsten von Investoren entfalten, reduziert sich somit vielmehr darauf, ob eine solche Beendigung überhaupt möglich ist. Jedenfalls greifen sunset clauses dann, wenn ihre BIT unilateral gekündigt werden.1453 Prima facie ist kein Grund ersichtlich, weshalb für eine einvernehmliche Beendigung andere Maßstäbe gelten sollen. Immerhin enthält der Wortlaut solch klassischer Klauseln keine dahingehende Einschränkung.1454 Zudem dienen die Klauseln dem Schutz von Investoren, die an einer einvernehmlichen Beendigung nicht beteiligt sind. Vor diesem Hintergrund wird vertreten, dass sunset clauses eines beendigten BIT unabhängig davon fortgeltende Wirkung beanspruchen, ob jene einseitig oder einvernehmlich beendet wurden.1455 Andere lassen schlicht außer Acht, dass sunset clauses nicht stets vollumfänglichen Bestandsschutz gewähren 1449 Siehe dazu Gatzsche, Aufhebungen und Abänderungen von Investitionsschutzabkommen, S. 105 f und Harrison, JWIT 2012, 928 (937 ff.). 1450 So die deutsche Formulierung bspw. in Art. 13 Abs. 3 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Portugiesischen Republik über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Inkrafttreten 23. April 1982) oder Art. 13 Abs. 3 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Slowenien u¨ ber die Fo¨ rderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen (Inkrafttreten 18. Juli 1998) (s. o.). 1451 So die englische Formulierung bspw. in Art. 13 Abs. 3 des Agreement between the Kingdom of the Netherlands and the Republic of Poland on encouragement and reciprocal protection of investments (Inkrafttreten 1. Februar 1994; Außerkrafttreten 2. Februar 2019) oder Art. 11 Abs. 3 des Treaty between the Federal Republic of Germany and Bulgaria concerning the reciprocal encouragement and protection of investments (Inkrafttreten 10. März 1988). 1452 So auch Voon/Mitchell/Munro, ICSID Rev. 2014, 451 (466). 1453 Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Kim, International Investment Law, S. 1585 (1599 Rn. 61); Titi, JIntlArb 2016, 425 (436); Harrison, JWIT 2012, 928 (935 ff.). 1454 Siehe darauf hinweisend auch Berger, EuZW 2021, 342 (344), der dies im Ergebnis jedoch gegenteilig sieht. 1455 Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (366); vgl. auch Kochenov/Lavranos, Achmea versus the Rule of Law: CJEU’s Dogmatic Dismissal of Investors’ Rights in Backsliding Member States of the European Union, Hague Journal on the Rule of Law 2021 (abrufbar unter https://doi.org/10.1007/s40803-021-00153-7, zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

könnten.1456 Diese Sichtweise wird gerade hinsichtlich des Konflikts zwischen IntraEU-BIT und Unionsrecht mit dem Hinweis darauf untermauert, die Europäische Union könne sich eine solche „Negierung von Vertrauensschutz und Rückwirkungsverbot […] keinesfalls leisten“.1457 In diese Richtung geht auch der vergleichsweise oberflächliche Hinweis darauf, dass die Beendigung der sunset clauses allgemein nicht mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und den Bestimmungen der VLCT vereinbar sei.1458 Ebenso wenig konkret ist die Bemerkung aus dem deutschen Bundestag, eine Beendigung der sunset clauses mit sofortiger Wirkung stünde „dem Rechtsfrieden entgegen“.1459 Ein sofortiges Ende der Wirkung von sunset clauses durch einvernehmliche Beendigung wird gleichwohl insbesondere wie folgt für möglich gehalten: in einem ersten Schritt werden die sunset clauses einvernehmlich beendet, in einem weiteren Schritt dann die Verträge selbst.1460 Im Zeitpunkt der Beendigung bzw. des Außerkrafttretens des Vertrags besteht dann keine sunset clause mehr, die Nachwirkungen entfalten könnte. Werden BIT nun durch einen einzigen Beendigungsakt einvernehmlich beendet, ließe sich eine Aufhebung der sunset clauses eine juristische Sekunde vor Beendigung des Abkommens selbst bejahen, sodass man zu gleichem Ergebnis käme.1461 Richtigerweise sollte es tatsächlich keinen Unterschied machen, ob BIT inklusive sunset clauses in zwei Schritten oder einem beendet werden.1462 Die 1456 Schott, jurisPR-BGHZivilR 5/2019 Anm. 5, D.; vgl. auch Ghouri, ELJ 2010, 806 (826 f.). 1457 Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (366). 1458 Lavranos, The EU Plurilateral Draft Termination Agreement for All Intra-EU BITs: An End of the Post-Achmea Saga and the Beginning of a New One, Kluwer Arbitration Blog, 1. Dezember 2019, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2019/12/01/the-eu-plurilateraldraft-termination-agreement-for-all-intra-eu-bits-an-end-of-the-post-achmea-saga-and-the-be ginning-of-a-new-one/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021) („[…] the way the sunset clauses […] are simply declared null and void as of 2007 is hardly in conformity with the Rule of Law and the Vienna Convention on the Law of Treaties.“); vgl. auch Kochenov/Lavranos, Achmea versus the Rule of Law: CJEU’s Dogmatic Dismissal of Investors’ Rights in Backsliding Member States of the European Union, Hague Journal on the Rule of Law 2021 (abrufbar unter https://doi.org/10.1007/s40803-021-00153-7, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); kritisch hierzu Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (244 f.). 1459 Antrag von 49 Abgeordneten und der Fraktion der FDP vom 17. April 2018 „Rechtssicherheit im internationalen Investitionsschutz“ BT-Drs. 19/1694, S. 3 (abrufbar unter https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/016/1901694.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1460 Siehe zu dieser Praxis Titi, JIntlArb 2016, 425 (436 f.) m. w. N.; siehe auch Janssen/ Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (125 f.) m. w. N. 1461 Vgl. Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 401 f. Fn. 1471 verweisend auf die dahingehend ablehende Haltung von Leben/Gaillard, Droit international des investissements et de l’arbitrage transnational, S. 1027 (1032 f.). 1462 A. A. wohl Kochenov/Lavranos, Achmea versus the Rule of Law: CJEU’s Dogmatic Dismissal of Investors’ Rights in Backsliding Member States of the European Union, Hague

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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Möglichkeit der einvernehmlichen Beendigung von (Intra-EU-)BIT inklusive der sunset clauses findet auch in der Literatur Zuspruch.1463 Diesem Verständnis folgten die Mitgliedstaaten auch bereits in den Januar-Deklarationen.1464 Insbesondere die Tschechische Republik beendete mit dieser Methode einige ihrer BIT inkl. sunset clause bereits vor dem 5. Mai 2020.1465 Ebenso interpretiert dies erwartungsgemäß zudem die Europäische Kommission.1466 Ausgangspunkt dessen dürfte das grundlegende Verständnis sein, ein Vertrag könne prinzipiell stets einvernehmlich durch alle Vertragsparteien beendet werden.1467 Doch lässt sich dieses Ergebnis auch durch eine Auslegung derartiger Klauseln unter Berücksichtigung von Entstehungsgeschichte und Grundstruktur als

Journal on the Rule of Law 2021 (abrufbar unter https://doi.org/10.1007/s40803-021-00153-7, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1463 Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/Wackernagel, EU External Action in International Economic Law, S. 153 (157 f., siehe auch 155 Fn. 8 m. w. N. zum Meinungsstand); Gatzsche, Aufhebungen und Abänderungen von Investitionsschutzabkommen, S. 102 ff., 187 f.; Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 290; Basener, Investment Protection in the European Union, S. 326 ff.; Thörle, Der Konflikt zwischen Investitionsschutzabkommen und dem Recht der Europäischen Union, S. 259 f.; Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Schreuer, International Investment Law, S. 1904 (1909 Rn. 25); Berger, International Investment Protection in Europe, S. 172 ff.; Berger, EuZW 2021, 342 (344); Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (288); Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (244 f.); Titi, JIntlArb 2016, 425 (436 ff.); Binder, JWIT 2016, 964 (976 ff.); Voon/Mitchell, ICSID Rev. 2016, 413 (430); Voon/Mitchell/Munro, ICSID Rev. 2014, 451 (465 ff.); Bischoff, CMLRev 2011, 1527 (1550); vgl. auch Bungenberg/Griebel/ Hobe/Reinisch/Kim, International Investment Law, S. 1585 (1600 f. Rn. 67); Wierzbowski/ Szostak, DRI 2019, 61 (65); Bungenberg, EuZW 2020, 445 (446). 1464 Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_eco nomy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 1; Declaration of the Governments of the Member States of 16 January 2019 on the enforcement of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://www.regeringen. se/48ee19/contentassets/d759689c0c804a9ea7af6b2de7320128/achmea-declaration.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 1 f.; Declaration of the Government of Hungary of 16 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://2015-2019.kormany.hu/ download/5/1b/81000/Hungarys%20Declaration%20on%20Achmea.pdf#!DocumentBrowse, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 1 f. 1465 Siehe hierzu Nyombi/Mortimer, Int. ALR 2018, 46 (53); Titi, JIntlArb 2016, 425 (436) m. w. N.; Wackernagel, BTWR 140/2016, S. 11 f. 1466 Siehe Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/37, (Decision on Croatia’s Jurisdictional Objection Related to the Alleged Incompatibility of the BIT with the EU Acquis), Rn. 185; siehe auch Schäfer/Gaffney, SchiedsVZ 2013, 68 (71). 1467 Oppenheim, International Law – A Treatise, Vol. 1, S. 687, § 537; vgl. auch Corten/ Klein/Chapaux, VCLT, Art. 54 Rn. 21 ff. sowie Berger, EuZW 2021, 342 (344), der davon ausgeht, alles andere würde der „Rolle der Staaten als ’Herren der Vertra¨ ge’ zuwiderlaufen“.

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

zwischenstaatliche Abkommen über Art. 31 VCLT herleiten.1468 Überdies stehen für Gatzsche auch allgemeine völkerrechtliche Rechtsgrundsätze, namentlich gefestigte Rechte unter Investitionsschutzverträgen, legitime Erwartungen unter Investitionsschutzverträgen, das allgemeine völkerrechtliche Rückwirkungsverbot, der Grundsatz des Rechtsmissbrauchs (estoppel) sowie investitionsrechtseigene Hindernisse wie Investitionsschutzgewohnheitsrecht der Möglichkeit einer sofortigen einvernehmlichen Beendigung von sunset clauses grundsätzlich nicht entgegen.1469 Ebenso wenig gebieten die Normen der VCLT ein anderes Ergebnis. Art. 54 lit. b) VCLT ist in dieser Hinsicht nicht aufschlussreich.1470 Gleiches gilt für Art. 30 Abs. 2 VCLT und Art. 26 VCLT.1471 Auch Art. 36 f. VCLT sind hinsichtlich BIT nicht anwendbar (siehe sogleich). Insbesondere Art. 70 Abs. 1 lit. b) VCLT lässt sich jedoch nicht heranziehen, um eine fortgeltende Wirkung von sunset clauses auch im Falle der einvernehmlichen Beendigung zu begründen.1472 Zwar sind sunset clauses grundsätzlich durchaus als von Art. 70 Abs. 1 lit. b) VCLT erfasst anzusehen.1473 Jedoch spricht gegen eine Anwendung in der hiesigen Konstellation alleine bereits entscheidend, dass Art. 70 Abs. 1 VCLT nur Bestimmungen für den Fall enthält, in dem „der Vertrag nichts anderes vorsieht oder die Vertragsparteien nichts anderes vereinbaren“ („Unless the treaty otherwise provides or the parties otherwise agree“).1474 Hier vereinbaren die Vertragsparteien aber gerade etwas anderes, als Art. 70 Abs. 1 lit. b) VCLT statuiert. Sie vereinbaren in Art. 2 BÜ nämlich, dass „die vor Beendigung des Vertrags durch dessen Durchführung begründeten Rechte und Pflichten der Vertragsparteien und ihre dadurch geschaffene Rechtslage“ („any right, obligation or legal situation of the parties created through the execution of the treaty prior to its termination“, Art. 70 Abs. 1 lit. b) VCLT) – also die Möglichkeit der Berufung auf die sunset clauses – nicht fortgelten soll(en).1475 Ebendieses gilt auch für Art. 28 1468 Siehe mit ausführlicher Begründung Gatzsche, Aufhebungen und Abänderungen von Investitionsschutzabkommen, S. 128 ff., 148. 1469 Ibid. S. 171 ff. mit ausführlicher Begründung; vgl. auch Andenas/Pantaleo/Happold/ Contartese/Wackernagel, EU External Action in International Economic Law, S. 153 (159 ff.) und Voon/Mitchell/Munro, ICSID Rev. 2014, 451 (468 ff.) sowie Wackernagel, BTWR 140/ 2016, S. 12 ff. 1470 Voon/Mitchell/Munro, ICSID Rev. 2014, 451 (466). 1471 Wackernagel, BTWR 140/2016, S. 14 ff.; vgl. bzgl. Art. 26 VCLT auch Andenas/ Pantaleo/Happold/Contartese/Wackernagel, EU External Action in International Economic Law, S. 153 (160 f.). 1472 Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/Wackernagel, EU External Action in International Economic Law, S. 153 (158); Gatzsche, Aufhebungen und Abänderungen von Investitionsschutzabkommen, S. 169 f.; Voon/Mitchell/Munro, ICSID Rev. 2014, 451 (466 f.); vgl. aber Moarbes, ILM 2021, 99 (100) bzgl. Art. 70 Abs. 1 lit. a) VCLT. 1473 Dörr/Schmalenbach/Wittich, VCLT, Art. 70 Rn. 13. 1474 Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/Wackernagel, EU External Action in International Economic Law, S. 153 (158); Voon/Mitchell/Munro, ICSID Rev. 2014, 451 (467); vgl. auch Nyombi/Mortimer, Int. ALR 2018, 46 (53 Fn. 71). 1475 Ebenso Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/Wackernagel, EU External Action in International Economic Law, S. 153 (158).

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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VCLT.1476 Um Unklarheiten vorzubeugen, wird daher – auch gerade mit Blick auf Art. 70 Abs. 1 VCLT – empfohlen, bei der einvernehmlichen Beendigung explizit darauf hinzuweisen, dass etwaige sunset clauses keine Wirkungen mehr entfalten werden.1477 Dem entspricht das Beendigungsübereinkommen über Art. 2 Abs. 2 BÜ.1478 Es ist sich weiterhin zu vergegenwärtigen, dass es keinen Unterschied machen kann, ob BIT inklusive sunset clauses einvernehmlich beendet werden, oder ob die Vertragsstaaten eines BIT lediglich die sunset clause selbst ändern oder aufheben. Dies gilt auch insbesondere für den Fall, in dem unmittelbar vor einvernehmlicher Beendigung eines betroffenen Vertrags dessen sunset clause einvernehmlich so geändert wird, dass sie ausdrücklich nur bei unilateralen Kündigungen greifen kann. Die Bedenken hinsichtlich der nahezu „beiläufigen“ Beendigung der sunset clauses gründen nämlich vor allem auf dem Gedanken, dass jene doch genau für diese Situationen geschaffen worden wären.1479 Dennoch ist schwerlich anzunehmen, die Parteien eines BIT hätten beabsichtigt, eine Klausel zu schaffen, die im Falle der einvernehmlichen Änderung oder Beendigung mit einer Nachwirkungsfrist von teilweise mehreren Jahrzehnten fortgilt. Völkerrechtliche Zweifel keimen somit auch in dieser Hinsicht. Sollte es Vertragsstaaten eines BIT trotz Art. 54 lit. b) VCLT tatsächlich nicht möglich sein, die Wirkung einer sunset clause einvernehmlich einzuschränken oder aufzuheben, sollte diese in Konflikt mit den völkerrechtlichen Pflichten beider Staaten stehen?1480 Wäre eine Völkerrechtsverletzung über viele Jahre zum Schutz von Investoren schlicht hinzunehmen? Dies dürfte in Widerspruch mit den Grundprinzipien des Völkerrechts stehen.1481 Gerade der spezielle Konflikt von Intra-EU-BIT und Unionsrecht gibt solcher Skepsis Rückenwind. Es würde Jahrzehnte dauern, bis es Mitgliedstaaten möglich wäre, in dieser Hinsicht Unionsrechtskonformität herzustellen. Außerdem dürfte die Praxis der Vereinbarung von sunset clauses in BIT durchaus zurückgehen, sollte feststehen, dass sich die Parteien durch sie eine unumgängliche jahrelange Verpflichtung aufbürden. Die Folge wäre, dass der Wortlaut von sunset clauses – sollten sie überhaupt noch vereinbart werden – ausdrücklich auf unilaterale Kündigungen beschränkt würde. Aus unionsrechtlicher Perspektive ließe sich überdies erwägen, dass das Vertrauen von Investoren innerhalb der Europäischen Union in – offenkundig – unionsrechtswid-

1476

Vgl. Voon/Mitchell/Munro, ICSID Rev. 2014, 451 (462). Binder, JWIT 2016, 964 (978); Voon/Mitchell, ICSID Rev. 2016, 413 (431); Voon/ Mitchell/Munro, ICSID Rev. 2014, 451 (467 f., 472 f.). 1478 Vgl. aber Berger, EuZW 2021, 342 (344) der statuiert, dass die in Art. 2 Abs. 2 BÜ und Art. 3 BÜ enthaltene „Klarstellung, dass die Nachwirkungsklauseln in den BITs beendet werden und keine Rechtswirkung entfalten, […] rein deklaratorischer Natur [ist] und […] allenfalls die Intention der Signatarstaaten [unterstreicht]“. 1479 In diese Richtung Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (206). 1480 Vgl. auch Basener, Investment Protection in the European Union, S. 327. 1481 Vgl. Voon/Mitchell/Munro, ICSID Rev. 2014, 451 (472). 1477

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

rige Abkommen nicht schützenswert sein könnte.1482 Immerhin stünde es auch in Konflikt mit dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts, an Intra-EU-BIT allein wegen den darin enthaltenen sunset clauses festzuhalten.1483 Insgesamt dürften die Unstimmigkeiten im Rahmen dieser Diskussion darauf basieren, dass die Rolle von Investoren in diesem Bereich des Völkerrechts weiterhin unklar ist. Wie bereits oben skizziert, werden BIT zugunsten der jeweiligen Investoren der Heimatstaaten geschlossen, ohne dass diese hieran beteiligt wären. Den Investoren steht lediglich das ständige Angebot zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung durch die Schiedsklausel zu. Die Natur dieser Investorenrechte unter BIT ist nach wie vor ungeklärt.1484 Dabei geht es insbesondere darum, ob diese als „direkte“ Rechte der Investoren1485 oder „derivative“ Rechte1486 – die Investoren als „Stellvertreter“ des Heimatstaats prozessual geltend machen – anzusehen sind.1487 Eine eingehende Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Jedenfalls handelt es sich bei BIT jedoch gerade nicht um Verträge zugunsten Dritter i. S. d. Art. 36 f. VCLT (s. o.) oder i. S. d. Art. 36 f. der ohnehin noch nicht in Kraft getretenen Vienna Convention on the Law of Treaties between States and International Organizations or between International Organizations (VCLTIO).1488 Investoren sind weder Drittstaaten i. S. d. VCLT noch internationale Organisationen i. S. d. VCLTIO. Auch eine analoge Anwendung der Art. 36 f. VCLT ist abzulehnen.1489 Die schlichte Übertragung der Wertungen der Art. 36 f. VCLT bzw. VCLTIO auf Investoren ist als zu weitgehend anzusehen.1490 Für eine solche Auslegung fehlt es auch an einer „solid legal basis“.1491 Doch selbst 1482

Dies andeutend Miller, EuZW 2018, 357 (362 Fn. 58). Basener, Investment Protection in the European Union, S. 328. 1484 Ebenso Lavopa/Barreiros/Bruno, JIEL 2013, 869 (886 f.) m. w. N.; siehe dazu insb. Voon/Mitchell/Munro, ICSID Rev. 2014, 451 (454 ff.) und Douglas/Pauwelyn/Vinuales/Kriebaum, Foundations of International Investment Law, S. 45 (45 ff.). 1485 Dafür insb. Douglas, BYIL (74/1) 2003, 151 (181 ff.). 1486 Siehe dazu insb. Fitzmaurice/Merkouris/Gourgourinis, The Interpretation and Application of the European Convention of Human Rights, 147 (149 ff.) m. w. N. 1487 Siehe allg. dazu Lavopa/Barreiros/Bruno, JIEL 2013, 869 (887 ff.) m. w. N. und Binder, JWIT 2016, 964 (980 f.) m. w. N. 1488 Voon/Mitchell/Munro, ICSID Rev. 2014, 451 (469 ff.) m. w. N.; vgl. auch Paparinskis, EJIL 2013, 617 (624); siehe zum Ganzen Gatzsche, Aufhebungen und Abänderungen von Investitionsschutzabkommen, S. 159 ff., 168; kritisch hierzu Harrison, JWIT 2012, 928 (943 ff.) und Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Waibel, International Investment Law, S. 1212 (1231 Rn. 74) („this provision [Article 37 (2) VCLT] could be seen as reflective of a general principle that the rights of third parties, including private parties, cannot be abrogated at will“). 1489 Binder, JWIT 2016, 964 (979); vgl. eine solche erwägend Lavopa/Barreiros/Bruno, JIEL 2013, 869 (888 f.) und Wackernagel, BTWR 140/2016, S. 16 f. m. w. N.; implizit auch Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Waibel, International Investment Law, S. 1212 (1231 Rn. 74). 1490 Vgl. Voon/Mitchell/Munro, ICSID Rev. 2014, 451 (469 f.). 1491 Ibid. (470). 1483

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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wenn man Investorenrechten in BIT „direkte“ Natur zusprechen will, ergibt sich daraus nicht unmittelbar, dass eine einvernehmliche Beendigung der BIT ausgeschlossen wäre.1492 Es mangelt im Völkerrecht schlichtweg an Regelungen, die eine derartige Beendigung entgegen dem Einverständnis aller Parteien eines Vertrags nach Art. 54 lit. b) VCLT verbieten könnten. Dies gilt insbesondere dann, wenn Rechte betroffener Dritter im Rahmen der einvernehmlichen Beendigung eines Vertrags ausdrücklich abbedungen werden.1493 Die in dieser Hinsicht geäußerte Kritik ist somit vornehmlich tatsächlichen Charakters und kann hier kein abweichendes Ergebnis begründen. Allerdings haben die ergangenen Schiedssprüche zur Achmea-Objection gezeigt, dass sich die Schiedsrichter von Argumenten des EuGH, der Europäischen Kommission, der Mitgliedstaaten in den Januar-Deklarationen und auch von mitgliedstaatlichen Gerichten hinsichtlich der Unionsrechtswidrigkeit von Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT kaum beeindruckt haben lassen. Dass die Beendigung der sunset clauses somit richtigerweise in Einklang mit dem Völkerrecht und insbesondere den Bestimmungen der VCLT steht, könnte von Schiedsgerichten zukünftig anders gesehen oder schlicht ignoriert werden.1494 Das Tribunal im Verfahren Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary erwog beispielsweise: „The BIT is an international treaty that confers rights on private parties. While the Contracting States remain the masters of their treaty, their control is limited by the general principles of legal certainty and res inter alios acta, aliis nec nocet nec prodest. This is evident for instance from Article 13(3) of the BIT, which grants a guarantee of stability to investors who have made investments in reliance on the BIT: […]. This provision shows that, even where the Contracting Parties terminate the treaty on mutual consent, they acknowledge that long-term interests of investors who have invested in the host State in reliance on the treaty guarantees must be respected. This is the purpose served by the 20-year sunset provision. If the protection of existing investments outlives an unambiguous termination of the Treaty, then the protection must continue a fortiori in respect of a decision of an adjudicatory body constituted under a different treaty or of declarations that purport to clarify the legal consequences of that decision.“1495

1492 So auch Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/Wackernagel, EU External Action in International Economic Law, S. 153 (162); vgl. auch Lavopa/Barreiros/Bruno, JIEL 2013, 869 (888). 1493 Vgl. McNair, The Law of Treaties, S. 532. 1494 Ebenso Kochenov/Lavranos, Achmea versus the Rule of Law: CJEU’s Dogmatic Dismissal of Investors’ Rights in Backsliding Member States of the European Union, Hague Journal on the Rule of Law 2021 (abrufbar unter https://doi.org/10.1007/s40803-021-00153-7, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1495 Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/17/27, (Award of the Tribunal), Rn. 222 f., Hervorh. d. Verf.; siehe hierzu auch Nikolov/ Schneider, SchiedsVZ 2020, 138 (141 f.) zum Redebeitrag von Nikos Lavranos auf der 12. Tagung des Krickenbecker Kreises zum Internationalen Investitionsrecht auf Schloss Montabaur vom 17. bis 18. Januar 2020.

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Insofern werden sich Investoren wohl nicht von der Beendigung auch der sunset clauses abschrecken lassen und vermutlich weiterhin Schiedsverfahren einleiten.1496 Die Entscheidungen von auf diesem Weg konstituierten Tribunalen werden für diese Thematik richtungsweisend sein. Im Ergebnis wird es in derartigen Fällen stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommen. Insbesondere in anhängigen Schiedsverfahren i. S. d. Art. 1 Nr. 5 BÜ dürfte dabei gleichwohl nicht im Mittelpunkt stehen, ob eine einvernehmliche Beendigung der sunset clauses im Allgemeinen überhaupt möglich war – siehe dazu die vorangehenden Ausführungen. Diese wird bezüglich der in Anhang A und B genannten BIT schließlich erst im Zeitpunkt des Inkrafttretens gem. Art. 4 Abs. 2 BÜ i. V. m. Art. 16 Abs. 2 BÜ wirksam. Eine weitaus bedeutendere Rolle dürfte vielmehr spielen, dass als Stichtag für die Klassifizierung der drei Verfahrenskategorien der 6. März 2018 und eben nicht auch dieser Tag des Inkrafttretens gewählt wurde (s. o.). Dass ein BIT und die darin enthaltene sunset clause erst an dem nach Art. 4 Abs. 2 BÜ i. V. m. Art. 16 Abs. 2 BÜ zu bestimmenden Tag wirksam beendet wird, spielt eine ungeordnete Rolle im Angesicht der Bestimmungen in Abschnitt 3 zum Umgang mit Ansprüchen, die im Rahmen von BIT gelten gemacht werden. Dieser potentiell retroaktiven Wirkung widmet sich der folgende Abschnitt. 2. Die retroaktive Wirkung des Beendigungsübereinkommens a) Einführung Wie bereits mehrfach angedeutet, wird dem Beendigungsübereinkommen eine nicht unerhebliche Rückwirkung zugesprochen. Schließlich steht das Datum des Ergehens der Achmea-Entscheidung – der 6. März 2018 – im Mittelpunkt einiger Vorschriften. Allerdings ist dieser Zeitpunkt weniger entscheidend, als man zunächst annehmen könnte. Die Beendigung der in Anhang A genannten BIT sowie der sunset clauses der in Anhang B genannten BIT normieren Art. 2 und 3 BÜ. Gem. Art. 4 Abs. 2 BÜ werden diese Beendigungen erst dann bei jedem dieser Verträge wirksam, „sobald das vorliegende Übereinkommen gemäß Artikel 16 für die betreffenden Vertragsparteien in Kraft tritt.“ Dies richtet sich nach dem (bereits eingetretenen) Inkrafttreten des Übereinkommens gem. Art. 16 Abs. 1 BÜ für die jeweiligen Vertragsparteien nach Art. 16 Abs. 2 BÜ (s. o.). Die Möglichkeit der einvernehmlichen Beendigung eines BIT mit ex nunc-Wirkung durch die Vertragsparteien ist unbestritten (s. o.). Dies gilt ebenso richtigerweise für die gleichzeitig beendeten sunset clauses (s. o.). Folglich wecken die Normen des zweiten Abschnitts des Übereinkommens keine völkerrechtlichen Bedenken. Insbesondere ordnet der Abschnitt 1496 So auch Janssen/Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (126); siehe bspw. bereits JCDecaux SA v. Czech Republic, ICSID Case No. ARB/20/33 und OTP Bank Plc v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/20/43.

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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nämlich nicht an – wie es offenbar teilweise unterstellt wird1497 –, die betroffenen BIT bzw. die sunset clauses würden rückwirkend beendet. Die BIT aus Anhang A und die sunset clauses aus den BIT in Anhang B werden erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Übereinkommens wirksam beendet. Es liegt in diesem Zusammenhang keine Rückwirkung auf den 6. März 2018 und auch nicht auf den Zeitpunkt, „zu dem der letzte Vertragsstaat dieses bilateralen Investitionsschutzvertrags ein Mitgliedstaat der Europa¨ ischen Union geworden ist“ (Art. 4 Abs. 1 BÜ) vor. Letzteres scheint Art. 4 Abs. 1 BÜ zwar zu suggerieren. Allerdings erklären die Signatarstaaten in Art. 4 Abs. 1 BÜ lediglich – wie bereits gesehen – was ohnehin bereits ihr rechtliches Verständnis des Verhältnisses von Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT und Unionsrecht war. Aufgrund des Konflikts seien jene eben mit Unionsrecht unvereinbar und dementsprechend ab besagtem Zeitpunkt unanwendbar. Diese Unanwendbarkeit besteht aus Sicht der Signatarstaaten jedoch unabhängig von der Beendigung besagter BIT und der sunset clauses durch Art. 2 und 3 BÜ. Bedenken keimen vielmehr mit Blick auf den dritten Abschnitt. Unabhängig davon, wann das Übereinkommen für betroffene Vertragsstaaten jeweils in Kraft tritt, regeln Art. 5 ff. BÜ nämlich den Umgang mit abgeschlossenen, anhängigen und neuen Schiedsverfahren. Durch diese Regelungen werden Schiedsverfahren im Moment des Inkrafttretens des Übereinkommens ipso iure zu einem dieser kategorisierten Verfahren mit den entsprechenden Rechtsfolgen. Beispielsweise würde ein Verfahren, das im Jahre 2019 eingeleitet wurde und bis zum Zeitpunkt des – möglicherweise noch Jahre in der Zukunft liegenden – Inkrafttretens nach Art. 16 Abs. 2 BÜ noch nicht abgeschlossen ist, durch das Inkrafttreten unabhängig vom Stand des Verfahrens zu einem „neuen Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 6 BÜ i. V. m. Art. 5 BÜ. Das Schiedsgericht bzw. entsprechende staatliche Gerichte wären dann gem. Art. 7 BÜ i. V. m. Anhang C zu notifizieren. Für betroffene Investoren ist in solchen Fällen irrelevant, dass eine Beendigung des maßgeblichen BIT gem. Art. 4 Abs. 2 BÜ erst im Zeitpunkt des Inkrafttretens rechtlich wirksam wird. Faktisch könnten diese Bestimmungen nämlich einer Beendigung gleichkommen.

1497 Siehe bspw. Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 12. VI., 1; Lavranos, The EU Plurilateral Draft Termination Agreement for All Intra-EU BITs: An End of the Post-Achmea Saga and the Beginning of a New One, Kluwer Arbitration Blog, 1. Dezember 2019, http://arbi trationblog.kluwerarbitration.com/2019/12/01/the-eu-plurilateral-draft-termination-agreementfor-all-intra-eu-bits-an-end-of-the-post-achmea-saga-and-the-beginning-of-a-new-one/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021) („In particular, the way the sunset clauses and all postAchmea disputes are simply declared null and void as of 2007 is hardly in conformity with the Rule of Law and the Vienna Convention on the Law of Treaties“, Hervorh. d. Verf.); siehe auch Lavranos, The CJEU – German Constitutional Court Debate and Impact on Achmea and the Termination Agreement, Kluwer Arbitration Blog, 21. Mai 2020, http://arbitrationblog.kluwer arbitration.com/2020/05/21/the-cjeu-german-constitutional-court-debate-and-impact-on-ach mea-and-the-termination-agreement/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021) („According to that agreement, not only will most intra-EU BITs be terminated but also the effect of the sunset clauses is retroactively removed“, Hervorh. d. Verf.).

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Derartige Konstellationen wecken Zweifel, ob die Bestimmungen in Abschnitt 3 des Übereinkommens mit potentiell bestehenden Rechten von Investoren vereinbar und damit auch völkerrechtskonform sind. Die Behandlung „abgeschlossener Schiedsverfahren“ in Art. 6 BÜ ist in diesem Zusammenhang ohne weiteres als völkerrechtskonform anzusehen. Man könnte allenfalls erwägen, dass die Anerkennung dieser Verfahren nicht mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit aus Art. 4 Abs. 3 EUV vereinbar sei. Danach haben die Mitgliedstaaten unter anderem alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben, zu ergreifen (Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV). Immerhin erklären die Signatarstaaten in Art. 6 Abs. 1 BÜ, potentiell bereits eingetretene Verletzungen des Unionsrechts endgültig hinzunehmen. Dies ist indessen keine Fragestellung, welche hier der Erörterung bedürfte. Entscheidend für die Zukunft des internationalen Investitionsschutzrechts innerhalb der Europäischen Union ist vielmehr die Behandlung neuer und anhängiger Schiedsverfahren. b) Geäußerte Zweifel Auf diese beiden Verfahrenskategorien beziehen sich auch die im rechtswissenschaftlichen Diskurs bereits geäußerten Zweifel zur Rechtmäßigkeit des Beendigungsübereinkommens. aa) Die VCLT Hierbei spielen die Normen der VCLT eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Prima facie könnten insofern allenfalls Art. 26, 28, 36 f. und 70 VCLT relevant werden. Bislang werden diese Normen jedoch kaum genannt, um eine Völkerrechtswidrigkeit des Beendigungsübereinkommens festzustellen. Entweder wird die Kritik darauf beschränkt, Teile des Übereinkommens stünden in Konflikt mit der VCLT im Allgemeinen.1498 Oder aber die retroaktive Wirkung des Übereinkommens wird ohne nähere Begründung mit Art. 70 Abs. 1 lit. b) VCLT für unvereinbar erklärt.1499 Andere weisen in diesem Zusammenhang lediglich auf den Regelungsge-

1498

Siehe Lavranos, The EU Plurilateral Draft Termination Agreement for All Intra-EU BITs: An End of the Post-Achmea Saga and the Beginning of a New One, Kluwer Arbitration Blog, 1. Dezember 2019, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2019/12/01/the-eu-plurila teral-draft-termination-agreement-for-all-intra-eu-bits-an-end-of-the-post-achmea-saga-andthe-beginning-of-a-new-one/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1499 Siehe Stocker, Taming Achmea: The Addiko Tribunal Pulls the Handbrake, Kluwer Arbitration Blog, 11. September 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2020/09/11/ taming-achmea-the-addiko-tribunal-pulls-the-handbrake/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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halt der Art. 28 und Art. 70 Abs. 1 lit. b) VCLT hin.1500 Bereits lange vor Unterzeichnung des Beendigungsübereinkommens wurde zudem vertreten, Art. 70 Abs. 1 lit. b) VCLT verhindere den Einfluss eines Beendigungsübereinkommens auf bereits eingeleitete Investor-Staat-Schiedsverfahren.1501 Dabei wird jedoch ein wesentliches Merkmal des Übereinkommens übersehen. Sollten die Rechte von Investoren als Dritte durch Art. 70 Abs. 1 lit. b) VCLT überhaupt geschützt sein,1502 enthält das Übereinkommen insoweit jedenfalls eine anderweitige Vereinbarung der Vertragsparteien i. S. d. Art. 70 Abs. 1 VCLT (s. o.). Art. 70 Abs. 1 VCLT enthält daher insgesamt kein Hindernis für die einvernehmliche Beendigung der BIT.1503 Ebendieses gilt auch im Rahmen des Art. 28 VCLT. Eine Rückwirkung des Übereinkommens ist demnach nur ausgeschlossen, wenn keine abweichende Absicht aus dem Übereinkommen hervorgeht oder anderweitig festgestellt ist („Unless a different intention appears from the treaty or is otherwise established“). Eine solche Absicht geht aus dem Übereinkommen indes hervor bzw. wird durch dieses gar festgestellt. Auch die International Law Commission stellte bereits im Jahre 1966 hierzu folgendes fest: „There is nothing to prevent the parties from giving a treaty, or some of its provisions, retroactive effects if they think fit. It is essentially a question of their intention.“1504

Ob potentiell bestehende Rechte von Investoren gleichwohl schutzwürdig sind, lässt sich jedenfalls nicht über Art. 36 f. VCLT (analog) feststellen, da diese Normen auf private Dritte schlichtweg nicht anwendbar sind (s. o.). Investorenrechte spielen gleichwohl in den folgenden Abschnitten außerhalb des Anwendungsbereichs der VCLT eine Rolle. Letztlich gebietet auch der Grundsatz von Treu und Glauben aus Art. 26 VCLT kein anderes Ergebnis.1505 Dieser greift nur im Verhältnis zwischen den Vertrags-

1500 Siehe Halonen, Termination of Intra-EU BITs: Commission and Most Member States Testing the Principle of Good Faith under International Law, Kluwer Arbitration Blog, 13. Mai 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2020/05/13/termination-of-intra-eu-bits-com mission-and-most-member-states-testing-the-principle-of-good-faith-under-international-law/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1501 Ghouri, ELJ 2010, 806 (826). 1502 So Dörr/Schmalenbach/Wittich, VCLT, Art. 70 Rn. 13; ablehnend Wackernagel, BTWR 140/2016, S. 12 f. 1503 Siehe allg. auch Gatzsche, Aufhebungen und Abänderungen von Investitionsschutzabkommen, S. 170. 1504 International Law Commission, Draft Articles on the Law of Treaties with commentaries (1966) (abrufbar unter https://legal.un.org/ilc/texts/instruments/english/commentari es/1_1_1966.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 211, Art. 24. 1505 In diese Richtung aber Bray/Kapoor, Agreement on the Termination of Intra-EU BITs: Sunset in Stone?, Kluwer Arbitration Blog, 4. November 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbi tration.com/2020/11/04/agreement-on-the-termination-of-intra-eu-bits-sunset-in-stone/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

parteien.1506 Irgendwie geartete Rechte der Investoren mögen zwar tatsächlich schutzwürdig sein. Dieser Schutz lässt sich jedoch schwerlich über die Normen der VCLT konstruieren. Deren Regelungsgehalt orientiert sich mehr am Prinzip der Autonomie der Parteien als am Schutz von durch Verträge berührten Dritten. bb) Die Europäische Menschenrechtskonvention Demgegenüber wird in der Literatur vertreten, das Beendigungsübereinkommen stehe in Widerspruch mit den Rechten der Investoren aus der EMRK.1507 Für Nardell und Rees-Evans steht insbesondere eine Verletzung von Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls der EMRK (ZP1-EMRK) und Art. 6 Abs. 1 EMRK zur Debatte. Art. 1 ZP1-EMRK lautet in deutscher Sprache: „Artikel 1 – Schutz des Eigentums (1) Jede natürliche oder juristische Person hat das Recht auf Achtung ihres Eigentums. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn, dass das öffentliche Interesse es verlangt, und nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen. (2) Absatz 1 beeinträchtigt jedoch nicht das Recht des Staates, diejenigen Gesetze anzuwenden, die er für die Regelung der Benutzung des Eigentums im Einklang mit dem Allgemeininteresse oder zur Sicherung der Zahlung der Steuern oder sonstigen Abgaben oder von Geldstrafen für erforderlich hält.“

Art. 6 Abs. 1 EMRK lautet in deutscher Sprache: „Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Das Urteil muss öffentlich verkündet werden; Presse und Öffentlichkeit können jedoch während des ganzen oder eines Teiles des Verfahrens ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Moral, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit in einer demokratischen Gesellschaft liegt, wenn die Interessen von Jugendlichen oder der Schutz des Privatlebens der Prozessparteien es verlangen oder – soweit das Gericht es für unbedingt erforderlich hält – wenn unter besonderen Umständen eine öffentliche Verhandlung die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde.“

Nardell und Rees-Evans sind der Auffassung, das Übereinkommen verletze beide Normen in bestimmten Konstellationen. Zunächst widmen sie sich Art. 1 ZP1-EMRK.1508 Diese Regelung wird allgemein auch als Teil der „wichtigsten Menschenrechtsgarantien“ bezeichnet.1509 Nardell und

1506 1507 1508

Corten/Klein/Salmon, VCLT, Art. 26 Rn. 21; Wackernagel, BTWR 140/2016, S. 15. Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (206 ff.). Siehe für die folgenden Ausführungen ibid. (210 ff.).

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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Rees-Evans kommen zu dem Schluss, dass Investor-Staat-Schiedssprüche zum „Eigentum“ („possessions“) in diesem Sinne gehören können. Dies lasse sich vornehmlich aus der Stran Greek-Rechtsprechung des EGMR1510 herleiten. Dort wurde insbesondere festgestellt, dass die Verhinderung der Vollstreckung eines Schiedsspruchs einen Eingriff in das Eigentumsrecht darstellen kann.1511 In diesem Zusammenhang teilen Nardell und Rees-Evans Schiedssprüche in drei neue Kategorien ein. Zur ersten Kategorie gehören solche Schiedssprüche, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Übereinkommens bereits erfolgreich in Aufhebungsprozessen verteidigt wurden. Die zweite Kategorie erfasse solche Schiedssprüche, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Übereinkommens noch Gegenstand von Aufhebungsprozessen sind. Zur dritten Kategorie gehören solche, die erst nach dem Inkrafttreten ergehen, jedoch bereits zuvor eingeleitet wurden.1512 Im Rahmen der ersten Kategorie1513 gehörten zu „Eigentum“ in diesem Sinne wohl jedenfalls die Schiedssprüche, die vor dem 6. März 2018 in Aufhebungsprozessen erfolgreich verteidigt, nicht jedoch bis dahin bereits vollstreckt wurden und solche, die vor dem 6. März 2018 ergingen, zu diesem Zeitpunkt aber noch Gegenstand von Aufhebungsprozessen waren, dann aber vor Inkrafttreten des Übereinkommens in diesen Prozessen aufrechterhalten wurden. Gleiches gelte für Schiedssprüche, die nach dem 6. März 2018 ergingen, jedoch bereits zuvor eingeleitet und in Aufhebungsprozessen vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens aufrechterhalten wurden. Weniger eindeutig – wenngleich möglich – sei die Geltung von Schiedssprüchen (ebenfalls dieser ersten Kategorie) als „Eigentum“, deren Verfahren erst nach dem 6. März 2018 eingeleitet wurden, die vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens ergehen, jedoch bis dahin noch nicht vollstreckt sind. Immerhin dürfte es Investoren hier schwerer fallen, tatsächlich berechtigte Erwartungen zu begründen. Auch die Schiedssprüche der zweiten Kategorie1514 seien regelmäßig („most, if not all“1515) als „Eigentum“ i. S. d. Art. 1 ZP1-EMRK anzusehen. Schwierigkeiten sehen Nardell und Rees-Evans jedoch in diesem Zusammenhang für Schiedssprüche 1509

Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer/Meyer-Ladewig/von Raumer, EMRK, Zusatzprotokoll zur EMRK, Art. 1 Rn. 1. 1510 EGMR, Urteil vom 9. Dezember 1994, Nr. 13427/87 (Stran Greek), in: ÖJZ 1995, 432; vgl. auch EGMR, Urteil vom 11. April 2002, Nr. 46356/99 (Smokovitis); siehe dazu Nardell/ Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (206 ff.). 1511 Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer/Meyer-Ladewig/von Raumer, EMRK, Zusatzprotokoll zur EMRK, Art. 1 Rn. 19, 52; vgl. auch Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 25 Rn. 16. 1512 Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (204 f.). 1513 Siehe für die Ausführungen dazu ibid. (211 f.). 1514 Siehe für die Ausführungen dazu ibid. (213). 1515 Ibid.

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

der dritten Kategorie1516. Auch in Bezug auf diese dürfte den Investoren die Begründung berechtigter Erwartungen schwer fallen.1517 Ebenfalls mit Blick auf die Stran Greek-Rechtsprechung stellen Nardell und Rees-Evans in einem weiteren Schritt fest, dass in diese Eigentumsreche – sofern sie in der konkreten Konstellation betroffen sind – durch das Beendigungsübereinkommen auch eingegriffen wird.1518 Dass ein Eingriff in der Stran Greek-Entscheidung lediglich in innerstaatlicher Gesetzgebung gesehen wurde, das vorliegende Übereinkommen jedoch Teil des Völkerrechts ist, könne keinen entscheidenden Unterschied machen. Ein Eingriff läge in casu durch Art. 4 BÜ hinsichtlich anhängiger Schiedsverfahren und durch Art. 5 BÜ hinsichtlich neuer Schiedsverfahren vor. Diese Bestimmungen bewirken, dass die Schiedsklauseln in BIT rückwirkend unwirksam („ineffective“) würden, was in besagtes Eigentumsrecht betroffener Investoren eingreife.1519 Daran ändern auch Art. 7 und Art. 8 bis 10 BÜ nichts. Schließlich sei dieser Eingriff vielfach auch nicht gerechtfertigt.1520 Die Folgen des Beendigungsübereinkommens für die betroffenen Investoren – jedenfalls hinsichtlich der Schiedssprüche, die vom Eigentumsrecht erfasst seien (s. o.) – stünden oftmals außer Verhältnis zu dem von den Mitgliedstaaten verfolgten Ziel, „ihre Rechtsordnung mit dem Unionsrecht in Einklang zu bringen“1521.1522 Insbesondere gehe das Beendigungsübereinkommen mit seiner retroaktiven Wirkung in einigen Fällen über das hinaus, was unionsrechtlich geboten gewesen sei. Schließlich bedeute die Unionsrechtswidrigkeit der Intra-EU-BIT nicht, dass Schiedssprüche, die lange vor dem 6. März 2018 ergangen sind, im Augenblick des Inkrafttreten des Übereinkommens aufzuheben („nullified“) wären.1523 Anschließend widmen sich Nardell und Rees-Evans Art. 6 Abs. 1 EMRK – dem Recht auf ein faires Verfahren.1524 Ebenfalls in der Stran Greek-Rechtsprechung stellte der EGMR fest, dass dieses Recht verletzt ist, wenn eine Rechtsnorm darauf abzielt, ein gerichtliches Verfahren, an welchem der Staat als Partei beteiligt ist ohne rechtfertigenden Grund zu beeinflussen.1525 Die Vorschrift enthält zudem ein Recht 1516

Siehe für die Ausführungen dazu ibid. (213). Ibid. 1518 Siehe für die Ausführungen dazu ibid. (214 ff.). 1519 Ibid. (214). 1520 Siehe für die Ausführungen dazu ibid. (218 ff.). 1521 Absatz 4 der Präambel des Beendigungsübereinkommens. 1522 Siehe für eine eingehende Begründung Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (218 ff.). 1523 Ibid. (219); siehe ibid. (222 ff.) für abschließende Schlussfolgerungen zu Art. 1 ZP1EMRK. 1524 Siehe für die Ausführungen dazu ibid. (225 ff.). 1525 Siehe EGMR, Urteil vom 9. Dezember 1994, Nr. 13427/87 (Stran Greek), in: ÖJZ 1995, 432 (432); siehe auch Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer/Meyer-Ladewig/Harrendorf/ König, EMRK, Art. 6, Rn. 161. 1517

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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darauf, dass endgültige Entscheidungen auch beachtet und vollstreckt werden.1526 Die Vollstreckung eines Urteils wird deshalb auch als „integraler Teil des fairen Verfahrens“ angesehen.1527 Auf Art. 6 Abs. 1 EMRK könne es vorliegend für Nardell und Rees-Evans insbesondere dann ankommen, wenn sich Investoren nicht auf ein Eigentumsrecht im oben beschriebenen Sinne berufen können bzw. ein solches schwer zu begründen ist oder wenn ein entsprechender Eingriff als verhältnismäßig anzusehen ist (s. o.). Die Regelung finde für Investoren im Rahmen von Aufhebungsoder Vollstreckungsverfahren vor nationalen Gerichten Anwendung, die einen Schiedsspruch vor Inkrafttreten des Übereinkommens erstritten haben, solange diese Verfahren für die Rechte des Investors entscheidend („decisive“1528) sind. Für eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK komme es zuvörderst auf die Würdigung des Übereinkommens durch diese nationalen Gerichte an. Sollte für diese das Übereinkommen die entscheidende Grundlage für die Ablehnung der Vollstreckung sein, dann liege eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren nahe. Denkbar sei in bestimmten Fällen auch eine Verletzung des in Art. 6 Abs. 1 EMRK enthaltenen Rechts auf Zugang zu einem Gericht. Ob insoweit im Ergebnis tatsächlich eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK angenommen werden kann, komme wiederum auf die Konstellation im Einzelfall unter Berücksichtigung der oben genannten Kategorien an.1529 Diese potentiell verletzten Rechte könnten Investoren im Anschluss an womöglich gescheiterte Vollstreckungsverfahren vor mitgliedstaatlichen Gerichten schließlich vor dem EGMR geltend machen. Investoren könnten dabei in den Genuss einer „gerechten Entschädigung“ nach Art. 41 EMRK kommen.1530 cc) Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union Das Recht auf Schutz des Eigentums und auf ein faires Verfahren aus der EMRK und deren ersten Zusatzprotokolls (s. o.) finden auch jeweils ein Pendant in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta). Dort wird ersteres in Art. 17 EU-GR-Charta und letzteres in Art. 47 EU-GR-Charta einer Regelung zugeführt. Art. 17 EU-GR-Charta lautet in deutscher Sprache: „Art. 17 – Eigentumsrecht

1526 Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer/Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, EMRK, Art. 6, Rn. 50. 1527 Ibid.; EGMR, Urteil vom 21. Dezember 2004, Nr. 34297/02, 39574/02, in: BeckRS 2004, 155144 (Rn. 37). 1528 Siehe EGMR, Urteil vom 9. Dezember 1994, Nr. 13427/87 (Stran Greek), in: ÖJZ 1995, 432 (Rn. 39 f.). 1529 Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (230 ff.) mit ausführlicher Begründung. 1530 Siehe dazu ibid. (230 ff.).

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

(1) Jede Person hat das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Die Nutzung des Eigentums kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist. (2) Geistiges Eigentum wird geschützt.“

Art. 47 EU-GR-Charta lautet in deutscher Sprache: „Art. 47 – Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen. Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten.“

Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Normen statuiert Art. 51 EUGR-Charta. Nardell und Rees-Evans vertreten in diesem Zusammenhang, dass ein hinreichender Zusammenhang zwischen Beendigungsübereinkommen und der Durchführung des Unionsrechts i. S. d. Art. 51 Abs. 1 EU-GR-Charta besteht.1531 Investoren können sich dementsprechend im Verhältnis zu den Signatarstaaten des Beendigungsübereinkommens auf die EU-GR-Charta berufen. Mit Blick auf Art. 52 Abs. 3 EU-GR-Charta kommen Nardell und Rees-Evans des Weiteren zu dem Schluss, dass jede Verletzung von Art. 1 ZP1-EMRK auch eine Verletzung von Art. 17 EU-GR-Charta und jede Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK wohl auch eine Verletzung von Art. 47 EU-GR-Charta bedeutete. Die Rechte aus der EU-GR-Charta könnten sogar einen weitreichenderen Schutz bieten (Art. 52 Abs. 3 S. 2 EU-GRCharta), da im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Ebene der Frage nach der Rechtfertigung eines Eingriffs in diese Rechte „a more rigorous and intensive standard of review“ gelte.1532 Darüber hinaus ist die EU-GR-Charta gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 EUV gleichrangig mit AEUV und EUV und stellt daher eine Quelle des Primärrechts dar. Der Feststellung einer Verletzung der EU-GR-Charta dürfe daher in manchen Jurisdiktionen größeres Geweicht beigemessen werden als einer Verletzung der EMRK. Unabhängig davon ist Nardell und Rees-Evans dahingehend zuzustimmen, dass die Unvereinbarkeit einer unionsrechtlich (vermeintlich) gebo-

1531 1532

Siehe für die Ausführungen dazu ibid. (233 ff.). Ibid. (234 f.) m. w. N.

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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tenen Maßnahme – das Beendigungsübereinkommen – mit der EU-GR-Charta einen Konflikt darstellte, dessen Brisanz nicht zu unterschätzen wäre.1533 Sie kommen letztendlich zu dem Schluss, dass es für Investoren durchaus angezeigt sein könnte, sich vor staatlichen Gerichten in Aufhebungs- oder Vollstreckungsverfahren auf Art. 1 ZP1-EMRK und Art. 6 Abs. 1 EMRK und/oder Art. 17 EU-GR-Charta und Art. 47 EU-GR-Charta zu berufen, um die Aufrechterhaltung bzw. Vollstreckung des betroffenen Schiedsspruchs zu erreichen.1534 dd) Allgemeine völkerrechtliche Rechtsgrundsätze Einer einvernehmlichen Beendigung der BIT durch das Beendigungsübereinkommen könnten zudem allgemeine völkerrechtliche Rechtsgrundsätze entgegenstehen. In dieser Hinsicht werden bislang jedoch kaum substantiiert begründete Zweifel geäußert. Häufig beschränkt sich die Kritik bisweilen auf den bloßen Verweis auf einzelne Rechtsinstitute des Völkerrechts. So wird statuiert, Investoren könnten sich in dieser Hinsicht auf ihre legitimen Erwartungen („legitimate expectations“) unter den BIT oder auf den Grundsatz des Rechtsmissbrauchs („estoppel“) berufen.1535 Dem ist zu widersprechen. Herleiten lässt sich das Gebot des Schutzes legitimer Erwartungen von Investoren1536 aus den fair and equitable treatment-Bestimmungen (s. o.)1537 von BIT.1538 Allerdings lässt sich aus diesem Gebot nicht folgern, dass das BIT selbst nicht verändert werden dürfe – das Gebot gebietet keinen „BIT-eigenen Selbsterhaltungsmechanismus“.1539 Unabhängig davon, dass dieses Gebot somit der einvernehmlichen Beendigung der sunset clauses nicht entgegensteht (s. o.), hat es auch keine Auswirkungen auf die Völkerrechtskonformität der sonstigen Bestimmungen in Abschnitt 2 und 3 des Beendigungsübereinkommens. Schließlich werden die betroffenen BIT aus Anhang A und die sunset clauses der BIT aus Anhang B durch das Beendigungsübereinkommen mit ex nunc-Wirkung ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens gem. Art. 4 Abs. 2 BÜ i. V. m. Art. 16 Abs. 2 BÜ beendet. Das Recht 1533

Vgl. ibid. (235). Ibid. (236 f.). 1535 Bray/Kapoor, Agreement on the Termination of Intra-EU BITs: Sunset in Stone?, Kluwer Arbitration Blog, 4. November 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/202 0/11/04/agreement-on-the-termination-of-intra-eu-bits-sunset-in-stone/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); vgl. auch Signorelli, ESIL 23/2019, S. 26 f. 1536 Siehe allg. zu diesem Gebot Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Kriebaum, International Investment Law, S. 959 (1006 ff.). 1537 Siehe bspw. Art. 3 Abs. 1 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik. 1538 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 23 Rn. 55; Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S. 145 ff.; vgl. auch Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/ Wackernagel, EU External Action in International Economic Law, S. 153 (160 f.). 1539 Gatzsche, Aufhebungen und Abänderungen von Investitionsschutzabkommen, S. 175. 1534

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

der Vertragsstaaten hierzu dürfte kaum bezweifelt werden. Aber auch die Bestimmungen des dritten Abschnitts berühren potentiell legitime Erwartungen der Investoren nicht unmittelbar, da dort nur statuiert wird, wie die Vertragsstaaten – so, wie sie es ohnehin seit der Achmea-Entscheidung praktizierten – in Schiedsverfahren und Verfahren vor staatlichen Gerichten als Parteien eingreifen werden. Die Vertragsstaaten legen sich eine Selbstverpflichtung auf, wie sie die zuständigen (Schieds-)Richter von ihrer Ansicht zu den Folgen der Achmea-Entscheidung zu überzeugen haben (siehe genauer zu diesem Verständnis sogleich, I. 3. (Eigener Ansatz)). Ebendieses gilt auch für eine vermeintliche Verletzung des Grundsatzes des Rechtsmissbrauchs („estoppel“).1540 Im Wesentlichen untersagt dieses Prinzip ein Verhalten, das – unabhängig von dessen sonstiger Rechtmäßigkeit – in Widerspruch zu einem vorigen Verhalten steht.1541 Die einvernehmliche Beendigung von BIT selbst mit ex nunc-Wirkung kann jedoch nicht als widersprüchlich in diesem Sinne angesehen werden. Die Möglichkeit dessen resultiert schlicht bereits aus der Autonomie der Vertragsparteien. Gleiches gilt für die Kündigung der sunset clauses (s. o.). Wie soeben gesehen, verhalten sich die Signatarstaaten des Übereinkommens auch durch die Bestimmungen im dritten Abschnitt nicht widersprüchlich. Dieser Abschnitt spiegelt eben nur das Verständnis wider, welches die Mitgliedstaaten in den Januar-Deklarationen bereits als ihres deklariert haben. Bereits vor der AchmeaEntscheidung wurde der Konflikt zwischen Intra-EU-BIT und Unionsrecht von beklagten Gaststaaten i. S. d. Formulierung in Anhang C des Beendigungsübereinkommens geltend gemacht.1542 In der völkervertraglichen Kodifizierung dieses Verständnisses kann mithin kaum ein rechtsmissbräuchliches Verhalten gesehen werden. Daneben wird Kritik am Beendigungsübereinkommen insbesondere auch unter Verweis auf dessen vermeintliche Rückwirkung laut.1543 Diese sei mit dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit („Rule of Law“) unvereinbar.1544 Gründen lässt sich dieser Gedanke insbesondere darauf, dass Investoren im Zeitpunkt der Einleitung eines 1540

Siehe allg. zu diesem Grundsatz Kulick, EJIL 2016, 107 (107 ff.). Gatzsche, Aufhebungen und Abänderungen von Investitionsschutzabkommen, S. 177. 1542 Siehe bspw. Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award), Rn. 57 ff.; Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award), Rn. 142 ff. 1543 Vgl. Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (196, 203, 210); Lavranos, The EU Plurilateral Draft Termination Agreement for All Intra-EU BITs: An End of the Post-Achmea Saga and the Beginning of a New One, Kluwer Arbitration Blog, 1. Dezember 2019, http://arbitrationblog.klu werarbitration.com/2019/12/01/the-eu-plurilateral-draft-termination-agreement-for-all-intra-eubits-an-end-of-the-post-achmea-saga-and-the-beginning-of-a-new-one/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 56); Signorelli, ESIL 23/2019, S. 26 f. 1544 Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (196); Signorelli, ESIL 23/2019, S. 26 f.; Baltag/ Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 56). 1541

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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Schiedsverfahrens ihre Rechte ausgeübt haben und diese mithin als „exercised rights“1545 einzuordnen sind. Diese exercised rights könnten tatsächlich einer retroaktiven Beendigung von Intra-EU-BIT entgegenstehen.1546 Insbesondere ist damit gemeint, dass die Beendigung eines BIT nicht bedeuten kann, dass ein bereits eingeleitetes Schiedsverfahren „abzubrechen“ wäre. Diese exercised rights des Investors verbieten dann eine Einwirkung auf das in Rede stehende BIT.1547 Das Beendigungsübereinkommen berührt diese exercised rights jedoch nicht unmittelbar. Einleuchtend ist, dass die Beendigung von BIT mit ex nunc-Wirkung ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens keinen Einfluss auf exercised rights von Investoren haben wird. Diese Feststellung obliegt den Schiedsgerichten und wird durch das Beendigungsübereinkommen auch nicht in Frage gestellt. Ein derartiger Einfluss scheint vielmehr durch Bestimmungen wie Art. 4 Abs. 1, Art. 5 und 7 BÜ vorzuliegen, da diese auf Verfahren einzuwirken scheinen, in welchen die Investorenrechte bereits vor Inkrafttreten des Übereinkommens zu exercised rights geworden sein könnten. Allerdings wird auf die Rechte dieser Verfahren nicht durch das Übereinkommen oder gar die Beendigung der BIT „eigenwirkt“. Die hier in Rede stehende tatsächliche Einwirkung auf die Rechte von Investoren fundiert auf dem Konflikt von Intra-EU-BIT und Unionsrecht. Im Beendigungsübereinkommen manifestieren die Mitgliedstaaten eben nur ihr dahingehendes Verständnis. Sie verpflichten sich untereinander dazu, wie sie als Parteien von Schiedsverfahren und staatsgerichtlichen Verfahren argumentieren. Es ist ausdrücklich festzuhalten: die Einwirkung auf anhängige und neue Schiedsverfahren i. S. d. Übereinkommens steht in keinem Zusammenhang mit der durch das Übereinkommen (zukünftig) herbeigeführten Beendigung der BIT selbst, sondern lediglich mit deren Unionsrechtswidrigkeit. Letztere bestand aber bereits ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Unionsverträge (siehe genauer hierzu sogleich, I. 3. (Eigener Ansatz)). In diesem Sinne ließe sich ebenso erwägen, dass Investoren unter BIT bereits gefestigte Rechte („acquired rights“1548) erworben haben, die einer einvernehmlichen Beendigung der BIT entgegenstünden. Allerdings könnten solche noch nicht dann als gegeben angesehen werden, wenn eine Investition eingeleitet wird, da in diesem Zeitpunkt die BIT-Rechte erst begründet werden.1549 Auch an die Einleitung des Schiedsverfahrens lässt sich hierfür kaum anknüpfen, da dort bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen keine Einwirkung auf das BIT mehr in Betracht kommen

1545

Siehe dazu Binder, JWIT 2016, 964 (981). So Gatzsche, Aufhebungen und Abänderungen von Investitionsschutzabkommen, S. 176 f.; Binder, JWIT 2016, 964 (981 f.); Voon/Mitchell/Munro, ICSID Rev. 2014, 451 (463 ff.). 1547 Gatzsche, Aufhebungen und Abänderungen von Investitionsschutzabkommen, S. 177, 186. 1548 Siehe allg. zu diesem Grundsatz im Rahmen des Art. 70 Abs. 1 lit. b) VCLT Corten/ Klein/Ascensio, VCLT, Art. 70 Rn. 19 ff. 1549 Gatzsche, Aufhebungen und Abänderungen von Investitionsschutzabkommen, S. 172 f. 1546

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

könnte.1550 Auch das Konzept „gefestigter Rechte“ greift also zugunsten von Investoren im Rahmen von BIT nicht.1551 3. Eigener Ansatz a) Das Übereinkommen als Ausdruck loyaler Zusammenarbeit i. S. v. Art. 4 Abs. 3 EUV In den vorigen Ausführungen und insbesondere im vorangehenden Abschnitt wird eine nicht unerhebliche Zurückhaltung dahingehend deutlich, dem Übereinkommen eine tatsächlich retroaktive Wirkung zuzusprechen. Aus diesem Grund werden die Normen der VCLT und vor allem die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts auf den ersten Blick vergleichsweise oberflächlich so interpretiert, dass sie nichts an der Völkerrechtskonformität des Beendigungsübereinkommens ändern könnten. Demgegenüber blieben die Ausführungen von Nardell und Rees-Evans zur EMRK und der EU-GR-Charta zunächst unkommentiert (siehe dazu sogleich). Der aufmerksame Leser mag sich fragen, ob der Verfasser tatsächlich annehmen wolle, der Einfluss des Übereinkommens auf Schiedsverfahren, welche bereits vor langer Zeit bzw. lange vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens eingeleitet wurden bzw. werden sowie solche, in welchen bereits endgültige Schiedssprüche gesprochen wurden, sei völkerrechtskonform. Immerhin sind sich bislang – spärlich – hierzu laut gewordene Stimmen in der Literatur mit Blick auf die Rechte von Investoren weitgehend einig, dass mit dem Übereinkommen etwas aus völkerrechtlicher Sicht nicht stimmen könne. Diese Annahme fußt auf dem grundlegenden Verständnis – bzw. gar dem grundlegenden Missverständnis –, das Übereinkommen wirke tatsächlich unmittelbar auf anhängige und neue Schiedsverfahren ein. Dies suggeriert, die Mitgliedstaaten hätten vergeblich versucht, intra-unionale Investor-Staat-Schiedsverfahren zu verbieten und zögen mit dem Beendigungsübereinkommen nun einen endgültigen, jedoch völkerrechtswidrigen Schlussstrich unter die Debatte des Normenkonflikts. Dem ist jedoch nicht so. Das Beendigungsübereinkommen zieht durchaus einen Schlussstrich – allerdings nicht unter den Streit zum Normenkonflikt. Der Konflikt zwischen Intra-EU-BIT und Unionsrecht wird Schiedsgerichte und staatliche Gerichte noch längere Zeit beschäftigen. Den Schlussstrich zieht das Beendigungsübereinkommen vielmehr unter völkerrechtlichen Investitionsschutz auf Basis von Intra-EU-BIT für die Zukunft (ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Übereinkommens) als Resultat jenes offenbar unlösbaren Konflikts.

1550

So ibid. S. 173. So im Ergebnis auch speziell bzgl. der sunset clauses Andenas/Pantaleo/Happold/ Contartese/Wackernagel, EU External Action in International Economic Law, S. 153 (159 f.). 1551

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

333

Zum besseren Verständnis hierzu, ist das Übereinkommen (bzw. dessen zentrale Bestimmungen) gedanklich in zwei wesensverschiedene Segmente zu gliedern. Das erste Segment bilden Art. 2, Art. 3 und Art. 4 Abs. 2 BÜ. Wie nun bereits mehrfach dargetan, werden durch Art. 2 und Art. 3 BÜ die in Anhang A genannten Intra-EU-BIT und die sunset clauses der in Anhang B genannten BIT beendet. Diese Beendigung wird gem. Art. 4 Abs. 2 BÜ erst wirksam, wenn das Beendigungsübereinkommen für die Vertragsparteien des betroffenen BIT gem. Art. 16 BÜ tatsächlich in Kraft tritt. Diese Bestimmungen des Übereinkommens spiegeln das Verständnis der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission zum Konflikt zwischen Intra-EU-BIT und Unionsrecht (insbesondere) auf Basis der AchmeaEntscheidung wider: Intra-EU-BIT sind unionsrechtswidrig und daher allesamt zu beenden. Damit schaffen die Signatarstaaten dem Begehren der Europäischen Kommission Abhilfe.1552 Die Beendigung der Intra-EU-BIT mit ex nunc-Wirkung ist als Maßnahme i. S. d. Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUVanzusehen. In diesem Sinne wurden auch die sunset clauses der BIT aus Anhang A und B mit ex nunc-Wirkung beendet. Dies ist somit nicht lediglich als völkerrechtskonform (s. o.), sondern auch als gem. Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV geboten anzusehen.1553 Dieses Segment des Übereinkommens weckt keine darüber hinausgehenden Bedenken. Auch wenn man das Übereinkommen aus Investorensicht oder mit Blick auf einen gelungenen Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union nicht begrüßen will, steht jenes insoweit gleichwohl in Einklang mit dem Völkerrecht. Hätten es die Signatarstaaten bei diesen Regelungen belassen, wäre das Übereinkommen wohl trotzdem aus tatsächlichen Gründen kritisiert worden. Diese Kritik wäre jedoch vermutlich weitaus weniger scharf ausgefallen. Maßgeblicher Anhaltspunkt jener sind nämlich die Bestimmungen des dritten Abschnitts des Übereinkommens, die nach hiesigem Ansatz das zweite Segment des Übereinkommens prägen. Dieses zweite Segment besteht aus Art. 4 Abs. 1, Art. 5 und Art. 7 BÜ. Diese Normen widmen sich der Behandlung anhängiger und neuer Schiedsverfahren i. S. d. Terminologie des Übereinkommens. Ganz entscheidend für das richtige Verständnis dieser Bestimmungen ist die Erkenntnis, dass sie nicht Folge der Beendigung der BIT über Art. 2 und 3 BÜ sind, sondern Folge der Unionsrechtswidrigkeit jener. Dies lässt sich anhand von Art. 5 BÜ veranschaulichen. Dieser ergeht nicht in der Erwägung, dass die BIT zwar erst in Zukunft beendet werden, die Schiedsklauseln jener jedoch schon vor diesem Zeitpunkt rückwirkend als beendigt anzusehen sind. Die dahinterstehende Erwägung ist vielmehr, dass Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT – wie bereits seit Jahrzehnten argumentiert – unionsrechtswidrig sind und daher seit dem Zeitpunkt der Entstehung 1552

Siehe Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final, S. 4. So auch Z˙ mij, ZEuP 2019, 535 (544); Burger, YIA 2019, 121 (145); Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (288); vgl. auch Grabitz/Hilf/Nettesheim/Schill/Krenn, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 86. 1553

334

Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

des Konflikts aus unions- und völkerrechtlichen Gründen aus Sicht der Signatarstaaten unanwendbar sind.1554 Art. 5 BÜ ist somit nicht Ausfluss der Autonomie der Signatarstaaten über ihre BIT untereinander – was hinzunehmen wäre –, sondern die Manifestierung ihres rechtlichen Verständnisses über die Folgen der Unionsrechtswidrigkeit. Gerade dies wird auch durch Art. 4 Abs. 1 BÜ deutlich. In diesem Absatz halten die Signatarstaaten genau das fest, was sie spätestens seit der Achmea-Entscheidung stets ohnehin vor Schiedsgerichten vortrugen und auch bereits in den Januar-Deklarationen konstatierten. Folge dieses Verständnisses ist, dass Schiedsklauseln ab dem 6. März 2018 nicht mehr bemüht werden können sollen, um Schiedsverfahren einzuleiten (dies betrifft „neue Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 6 BÜ) und dass Schiedsgerichte von bis dahin bereits eingeleiteten Schiedsverfahren unzuständig sind, über den Streit zu entscheiden (dies betrifft „anhängige Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 5 BÜ). All dies mündet nun in Art. 7 BÜ. Demgemäß haben beklagte Signatarstaaten Schiedsgerichte und staatliche Gerichte darum zu ersuchen, ihre Interpretation anzuerkennen und danach auch zu entscheiden. Ob sich ein Schiedsgericht tatsächlich für unzuständig erklärt oder ob nicht tatsächlich neue Schiedsverfahren über Investoren eingeleitet werden,1555 liegt außerhalb der Macht der Vertragsstaaten. Diese können lediglich – wohl mit Blick auf die Bestimmungen der VCLT (siehe sogleich) – versuchen, ihre Sicht auch völkerrechtlich zu untermauern, vgl. bspw. Art. 31 Abs. 3 lit. a) VCLT oder Art. 59 Abs. 1 lit. a) VCLT. Ebendiese Gedanken lagen wohl auch den Januar-Deklarationen zugrunde, welche – soweit ersichtlich – in der Schiedspraxis jedoch nahezu wirkungslos blieben. Auch wenn es prima facie so klingen mag, werden Schiedsklauseln für betroffene Verfahren durch Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 BÜ nicht für unwirksam („ineffective“) erklärt.1556 Diese sind rein deklaratorischer Natur und ebenso im Lichte des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV zu lesen. Vor diesem Hintergrund sind auch die Übergangsbestimmungen in Art. 8 bis 10 BÜ nicht als unzureichend einzuordnen.1557 Die Signatarstaaten erkennen, dass bis zum Inkrafttreten des Beendigungsübereinkommens Intra-EU-BIT durch Investoren noch vielfach als Grundlage von Schiedsverfahren bemüht werden und dass hiermit bereits befasste Schiedsgerichte nicht rückwirkend ihre Zuständigkeit versagen könnten. Die Übergangsbestimmungen ermöglichen nun, dass die insoweit 1554 Auch Berger, EuZW 2021, 342 (344) bezeichnet dies als die bloße „Rechtsauf[f]assung“ der Signatarstaaten. 1555 So wie es bereits mehrfach geschehen ist, siehe bspw. Alverley Investments Limited and Germen Properties Ltd v. Romania, ICSID Case No. ARB/18/30; Marko Mihaljevic v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/19/35; Société Générale S. A. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/19/33; Adria Group B. V. and Adria Group Holding B. V. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/20/6; JCDecaux SA v. Czech Republic, ICSID Case No. ARB/20/33; OTP Bank Plc v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/20/43; siehe für einen Überblick über sämtliche „neue Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 6 BÜ https://investmentpolicy.unctad.org/ investment-dispute-settlement (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1556 So aber Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (214). 1557 So aber ibid. (203 f.).

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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weiterhin berührte Autonomie des Unionsrechts zumindest teilweise gewahrt wird. In diesen Verfahren ist nämlich – wie bereits gesehen – fast ausschließlich Unionsrecht das maßgeblich anwendbare Recht. Auch diese Normen können daher als Maßnahmen i. S. d. Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV begriffen werden. Dieses Verständnis wurde bereits ausdrücklich von Nardell und Rees-Evans abgelehnt. Sie sind der Auffassung, ein Signatarstaat könne sich nicht darauf berufen, er würde schlicht Unionsrecht umsetzen.1558 Sie statuieren gar: „The European Commission (and, presumably, signatories to the Agreement) would argue that Articles 4(1) and 5 go no further than to spell out the direct consequences of Achmea; in other words, that they are purely ’declaratory’ of the status quo.“1559

Sie sind vielmehr der Auffassung, sowohl Art. 4 Abs. 1 BÜ als auch Art. 5 BÜ gehen in vielerlei Hinsicht über das hinaus, was die EuGH-Richter in der Achmea-Entscheidung feststellten.1560 Insbesondere nennen sie in diesem Zusammenhang, der EuGH habe weder die Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung auf Basis eines Intra-EU-BIT angesprochen noch klargestellt, dass nicht lediglich die Schiedsklausel im BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik von der Entscheidung betroffen sein soll. Außerdem lasse die Entscheidung die Rechtmäßigkeit dieser Klauseln aus völkerrechtlicher Sicht unberührt.1561 Dabei orientieren sich Nardell und Rees-Evans an schiedsgerichtlichen Erwägungen hinsichtlich der Januar-Deklarationen.1562 Dem ist jedoch ausdrücklich zu widersprechen. Wie bereits oben ausführlich dargetan, beziehen sich die Erwägungen der EuGHRichter auf sämtliche Intra-EU-BIT unabhängig vom explizit für anwendbar erklärten Recht oder der darin vorgesehenen Schiedsordnung und eben nicht nur auf das im Achmea-Fall relevante BIT. Daneben trifft es zwar zu, dass der EuGH in der Achmea-Entscheidung die in Rede stehende Schiedsklausel nicht aus allgemeinvölkerrechtlicher Sicht bewertet hat. Gleiches gilt für die auf dieser Basis abgeschlossene Schiedsvereinbarung. Darüber zu entscheiden stand indes auch nicht in dessen Kompetenz (s. o.). Der EuGH hat schlicht – den Vorlagefragen entsprechend – über die Unionsrechtsmäßigkeit von Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT entschieden. Infolgedessen oblag es den Mitgliedstaaten, die nötigen Schlüsse hieraus zu ziehen. Von der Europäischen Kommission angetrieben,1563 bemühten sie sich in den folgenden Verfahren (und bereits zuvor), darzulegen, inwieweit die Unionsrechtswidrigkeit einer solchen Klausel dazu führen kann, dass ein Schiedsgericht tatsächlich für die Streitentscheidung unzuständig ist. Dies zu begründen suchten sie 1558

Ibid. (199). Ibid. (217). 1560 Ibid. 1561 Ibid. 1562 Siehe Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 213 ff. 1563 Siehe Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final, S. 4. 1559

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

insbesondere unter Verweis auf Art. 30, 31 und 59 VCLT (s. o.). Dabei tat sich neben dem ständigen Drängen der Europäischen Kommission auch folgender Umstand auf. Während sich Schiedsrichter von entsprechenden Erwägungen weitgehend unbeeindruckt zeigten, entschieden mitgliedstaatliche Gerichte – auf der Linie der Achmea-Entscheidung –, dass Schiedssprüche auf Basis von Intra-EU-BIT aufzuheben1564 oder nicht zu vollstrecken sind.1565 Gleichzeitig entschieden drittstaatliche Gerichte Gegenteiliges.1566 Daneben konnte und kann die Erfüllung eines zugesprochenen Schadensersatzes durch einen Mitgliedstaat von der Europäischen Kommission als unionsrechtswidrige Beihilfezahlung angesehen werden.1567 Ebenso sind Vertragsverletzungsverfahren gegen zahlende Mitgliedstaaten denkbar. In dieser etwas diffusen Situation befanden bzw. befinden sich die Mitgliedstaaten – die „Herren der BIT“1568. Die vor diesem Hintergrund wohl gekeimte Auffassung, unionsrechtswidrige Schiedsklauseln seien auch aus völkerrechtlicher Perspektive und damit allgemein unanwendbar, äußerten sie in besagten Verfahren wie auch in den Januar-Deklarationen. Der deklaratorische Charakter der Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 BÜ folgt aus dem bereits feststehenden Rechtsverständnis der Signatarstaaten. Allen Beteiligten durfte eingeleuchtet haben, dass das Übereinkommen nicht „deklaratorisch“ die Achmea-Entscheidung des EuGH wiedergibt. Dies anzunehmen, erscheint kaum sinnvoll. Das Übereinkommen gibt vielmehr deklaratorisch genau das wieder, was aus Sicht der Mitgliedstaaten die auch bereits vor der AchmeaEntscheidung bestehende, durch jene nochmals bekräftigte Rechtslage war: IntraEU-BIT können ab dem Zeitpunkt nicht (mehr) Grundlage von Schiedsverfahren innerhalb der Europäischen Union sein, zu dem der letzte Vertragsstaat des betreffenden BIT Mitgliedstaat der Europäischen Union wurde. Dies gebiete sowohl Unionsrecht als auch Völkerrecht. Hierin ist die deklaratorische Natur der Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 BÜ zu sehen. Dass die Verfahrenskategorien der neuen und an1564

46.

Siehe bspw. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018 – I ZB 2/15, in: SchiedsVZ 2019,

1565 Siehe bspw. Nacka Tingsrätt, Entscheidung vom 23. Januar 2019, Rs. 149, Nr. Ä 2550-1 (abrufbar unter https://www.italaw.com/sites/default/files/case-documents/italaw10319.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021; vgl. für eine auszugsweise Übersetzung ins Englische https://jusmundi.com/en/document/pdf/decision/en-ioan-micula-viorel-micula-and-others-v-ro mania-i-decision-of-the-nacka-district-court-in-stockholm-wednesday-23rd-january-2019, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1566 Siehe bspw. United Kingdom Supreme Court, 19. Februar 2020, Rs. UKSC 2018/ 0177 – [2020] UKSC 5; United States District Court for the District of Columbia, Entscheidung vom 11. September 2019, Rs. 17-cv-02332 (APM), (abrufbar unter https://www.italaw.com/ sites/default/files/case-documents/italaw10816.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); United States Court of Appeals for the District of Columbia, Entscheidung vom 19. Mai 2020, Rs. 19-7127 (abrufbar unter https://www.italaw.com/sites/default/files/case-documents/ita law11504.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1567 Siehe Europäische Kommission, Beschluss vom 30. März 2015 – 2015/1470, Amtsblatt der Europäischen Union L 232/43. 1568 Siehe Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/17/27, (Award of the Tribunal), Rn. 222 („masters of their treaty“).

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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hängigen Schiedsverfahren also durch den „Stichtag“ des 6. März 2018 voneinander getrennt werden, spielt insoweit somit keine Rolle. Aus Sicht der Staaten fußen sowohl neue als auch anhängige Schiedsverfahren auf unionrechtswidrigen und daher unanwendbaren Schiedsklauseln und sind daher gar nicht erst einzuleiten bzw. unabhängig vom Verfahrensstatus zu beenden. Dass mit einer Unterrichtung i. S. d. Art. 7 lit. a) BÜ i. V. m. Anhang C befasste Schiedsgerichte dies anders sehen könnten und wohl auch werden, wenn sie ihre Zuständigkeit bereits angenommen haben, muss den Signatarstaaten bewusst gewesen sein. Insoweit kann beispielsweise nicht davon die Rede sein, die Signatarstaaten hätten rückwirkend die Zustimmung zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung – die Schiedsklausel – außer Kraft gesetzt („invalidate“).1569 Um dies zu erreichen, müsste das Übereinkommen die BIT tatsächlich mit retroaktiver Wirkung beenden. Ein Verstoß gegen Völkerrecht stünde dann freilich im Raum. Eine solche Wirkung hat das Übereinkommen indes nicht (vgl. Art. 4 Abs. 2 BÜ). Diese Kritik richtet sich mithin vielmehr gegen die im Wege des Übereinkommens lediglich deklaratorisch festgestellte Grundhaltung der Mitgliedstaaten, welche von Schiedsgerichten jedoch bislang auch einheitlich zurückgewiesen wurde. Es ist daher keine Frage der Völkerrechtskonformität des Übereinkommens, dass dieses in Art. 5 BÜ statuiert, dass Schiedsklauseln „nicht als Rechtsgrundlage fu¨ r neue Schiedsverfahren herangezogen“ werden, sondern vielmehr eine Frage der praktischen Wirkmächtigkeit einer solchen Regelung. Richtigerweise ist davon auszugehen, dass sich Schiedsgerichte hiervon nicht beeindrucken lassen und dass der somit tatsächlich maßgebliche „Stichtag“ nicht der 6. März 2018, sondern der Tag des Inkrafttretens des Übereinkommens ist.1570 Es ist somit festzuhalten, dass gemäß dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV zum einen die Beendigung aller Intra-EU-BIT selbst vertretbar als geboten anzusehen war.1571 Zum anderen sind in diesem Sinne auch die darüber hinausgehenden Vorschriften im Beendigungsübereinkommen zu verstehen. Dass sich die Signatarstaaten völkervertraglich binden, auf Schiedsgerichte und staatliche Gerichte entsprechend ihrer Auffassung einzuwirken, ist als 1569 So aber Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (206) und Hess, Europäisches Zivilprozessrecht, § 12. VI., 1.; vgl. in diese Richtung auch Bray/Kapoor, Agreement on the Termination of Intra-EU BITs: Sunset in Stone?, Kluwer Arbitration Blog, 4. November 2020, http://arbitrati onblog.kluwerarbitration.com/2020/11/04/agreement-on-the-termination-of-intra-eu-bits-sun set-in-stone/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021) („For pending arbitrations, where consent is already established, it seems untenable that one party (i. e., a Member State) can withdraw, cancelling the arbitration and triggering the transitory measures.“). 1570 So auch Tropper, The treaty to end all investment treaties. The Termination Agreement of intra-EU BITs and its effect on sunset clauses, Völkerrechtsblog, 12. Mai 2020, https://voel kerrechtsblog.org/de/the-treaty-to-end-all-investment-treaties/, (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1571 Die Bundesregierung hält die Beendigung der Intra-EU-BIT in der vorgesehenen Form gar für unionsrechtlich zwingend, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten vom 30. September 2020 „Investitionsschutz innerhalb der Europa¨ ischen Union“ BT-Drs. 19/22988 (abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/229/1922988. pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 6, Antwort auf Frage Nr. 7.

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Maßnahme zur Erfüllung einer sich aus den Verträgen – namentlich Art. 267 und 344 AEUV – ergebenden Pflicht anzusehen. Immerhin schwebte über ihnen das „Damoklesschwert der Vertragsverletzungs- und Beihilfeverfahren“1572. Obgleich Schiedsgerichte diese Auffassung bisweilen nahezu einstimmig ablehnten (s. o.), sind die Vorschriften des hier festgelegten „zweiten Segments“ des Übereinkommens nicht gänzlich überflüssig. Deren Bedeutung wird mit Blick auf die Bestimmungen der VCLT nochmals relevant.1573 Mit Blick auf diese Bestimmungen dürfte insbesondere die Formulierung in Art. 4 Abs. 1 BÜ und Anhang C entstanden sein. Daraus lässt sich im Umkehrschluss jedoch auch ableiten, weshalb das Übereinkommen weder gegen die VCLT noch gegen allgemeine Grundsätze des Völkerrechts verstößt (siehe zur EMRK und der EU-GR-Charta sogleich). Das erste Segment des Übereinkommens (Art. 2, 3 und Art. 4 Abs. 2 BÜ) ist als Ausfluss der Autonomie der Parteien völkerrechtskonform. Das zweite Segment (Art. 4 Abs. 1, Art. 5 und 7 BÜ) des Übereinkommens enthält keine Bestimmungen, welche besagte Regelungskomplexe unterlaufen könnten. Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 BÜ sind rein deklaratorischer Natur und erlangen ihre Bedeutung vor Schiedsgerichten erst im Lichte der VCLT über die Unterrichtung nach Art. 7 lit. a) BÜ. Die Übergangsmaßnahmen in Art. 9 und 10 BÜ sind aus mehreren Gründen kritikwürdig. Allerdings sind sie ihrem Wesen nach zu begrüßen, da sie den Investoren eine zusätzliche, fakultative Schutzmöglichkeit bieten. Diese haben sich zwischen zwei Alternativen zu entscheiden: sollte die Auffassung der Signatarstaaten übergangen und ihr vermeintliches Recht zukünftig weiterhin vor Schiedsgerichten mit einer nicht unerheblichen Unsicherheit verfolgt werden? Oder sollte man diese Unsicherheit umgehen und auf die Übergangsmaßnahmen im Geltungsbereich des Unionsrechts zurückgreifen? Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sie sich für die erste Alternative entscheiden werden. Sie könnten aber gleichwohl zur zweiten Alternative neigen, wenn sie sich vor Augen führen, dass die Mitgliedstaaten bzw. die mitgliedstaatlichen Gerichte innerhalb dieser unionsrechtlich geprägten Verfahren zeigen könnten und womöglich auch zeigen wollten, dass auch im Unionsrecht hinreichender Investitionsschutz gewährt wird. Jedenfalls aber sind die Übergangsbestimmungen vor diesem Hintergrund aus rechtlicher Perspektive nicht zu kritisieren. Insbesondere spielt es für die Völkerrechtskonformität des Übereinkommens keine Rolle, dass im Rahmen der Übergangsmaßnahmen vornehmlich bzw. gar ausschließlich Unionsrecht das maßgeblich anwendbare Recht bildet (s. o.). In dieser Hinsicht könnte zwar tatsächlich von einer retroaktiven Wirkung des Übereinkommens ausgegangen werden. Immerhin wird die Rechtsordnung, auf die sich ein Investor im Zeitpunkt der Initiierung seiner Investition bzw. auch eines Schiedsverfahrens potentiell verlassen hast – das BIT – rückwirkend durch eine andere – das Unionsrecht – ersetzt, sofern er sich für eines der Verfahren in Art. 9 oder 10 BÜ entscheidet. Allerdings stellen sowohl der strukturierte Dialog nach 1572 Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 384. 1573 Siehe unten Kapitel III C. II.

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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Art. 9 BÜ als auch der Zugang zu nationalen Gerichten nach Art. 10 BÜ lediglich fakultative Verfahrensarten dar, deren Einleitung eben im Belieben der Investoren steht. b) Anmerkungen zur EMRK und der EU-GR-Charta Eigens sollen an dieser Stelle ergänzend die sorgfältigen Ausführungen von Nardell und Rees-Evans (s. o.)1574 kommentiert werden. Diese sind der Auffassung, das Beendigungsübereinkommen stehe in bestimmten Konstellationen in Widerspruch mit Art. 1 ZP1-EMRK und Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie dementsprechend auch Art. 17 EU-GR-Charta und Art. 47 EU-GR-Charta. Nardell und Rees-Evans ist dahingehend zuzustimmen, dass Schiedssprüche in bestimmten Konstellationen vor dem Hintergrund der Stran Greek-Rechtsprechung des EGMR1575 tatsächlich als Eigentum i. S. d. Art. 1 ZP1-EMRK anzusehen sein können.1576 Entsprechend dieser EGMR-Rechtsprechung könnte in einem solchen Völkervertrag auch ein sonstiger Eingriff i. S. d. Art. 1 S. 1 ZP1-EMRK gesehen werden, wenn die Vollstreckung eines Schiedsspruchs unmöglich bzw. dahingehend auf laufende Verfahren Einfluss genommen würde.1577 In der Entscheidung heißt es ausdrücklich: „It follows that it was impossible for the applicants to secure enforcement of an arbitration award having final effect and under which the State was required to pay them specified sums in respect of expenditure that they had incurred in seeking to fulfil their contractual obligations or even for them to take further action to recover the sums in question through the courts.“1578

Ein solcher Eingriff durch das Beendigungsübereinkommen ist im konkreten Fall allerdings abzulehnen. Wie bereits gesehen, sind Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 BÜ – entgegen Nardell und Rees-Evans1579 – lediglich deklaratorischer Natur. Dementsprechend ist ein Eingriff in Schiedsverfahren und Verfahren vor staatlichen Gerichten allenfalls über Art. 7 BÜ denkbar. In dieser Bestimmung verpflichten sich die Signatarstaaten aber lediglich gegenseitig, die zuständigen (Schieds-)Gerichte von ihrer in Art. 4 Abs. 1 BÜ und Anhang C formulierten Auffassung in Kenntnis zu setzen. Diese „Unterrichtung“ (lit. a)) bzw. dieses „Ersuchen“ (lit. b)) macht es 1574

Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (206 ff.). EGMR, Urteil vom 9. Dezember 1994, Nr. 13427/87 (Stran Greek), in: ÖJZ 1995, 432. 1576 Vgl. Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (210 ff.); vgl. auch Meyer-Ladewig/ Nettesheim/von Raumer/Meyer-Ladewig/von Raumer, EMRK, Zusatzprotokoll zur EMRK, Art. 1 Rn. 19. 1577 EGMR, Urteil vom 9. Dezember 1994, Nr. 13427/87 (Stran Greek), in: ÖJZ 1995, 432 (Rn. 66 ff.); vgl. auch Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer/Meyer-Ladewig/von Raumer, EMRK, Zusatzprotokoll zur EMRK, Art. 1 Rn. 52; Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 25 Rn. 16. 1578 EGMR, Urteil vom 9. Dezember 1994, Nr. 13427/87 (Stran Greek), in: ÖJZ 1995, 432 (Rn. 67), Hervorh. d. Verf. 1579 Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (217). 1575

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Investoren keinesfalls unmöglich („impossible“1580), ihren Schiedsspruch tatsächlich durchzusetzen. Insbesondere wird weder durch Art. 4 Abs. 1 BÜ noch durch Art. 5 BÜ die Zustimmung zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung in einer Schiedsklausel retroaktiv für unmittelbar unwirksam erklärt (s. o.).1581 Noch weniger ist ein entsprechender Schiedsspruch allein aufgrund Art. 4 Abs. 1 oder 5 BÜ als „void and unenforceable“1582 anzusehen.1583 Es ist sich zu fragen, ob es einen Eingriff in Art. 1 ZP1-EMRK bedeutete, wenn ein beklagter Gaststaat einer Investition – unter Ausklammerung des Beendigungsübereinkommens – ein Schiedsgericht i. S. d. Anhang C unterrichten bzw. ein staatliches Gericht i. S. d. Art. 7 lit. b) BÜ entsprechend um Aufhebung eines Schiedsspruchs bzw. das Absehen von dessen Vollstreckung zu ersuchen. Dies wird alleine mit Blick auf die prozessuale Zulässigkeit dessen zu verneinen sein. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um nicht mehr als eine – obgleich womöglich fragwürdige – rechtliche Argumentation. Inwieweit es einen Unterschied machen soll, wenn sich die Gaststaaten bereits vorher untereinander hierzu verpflichten, da sie sich gem. Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV ohnehin dazu verpflichtet sehen, leuchtet nicht ein. Ein Eingriff wäre allenfalls dann denkbar, wenn Art. 7 lit. b) BÜ die mitgliedstaatlichen Gerichte zu einer bestimmten Entscheidung verpflichten würde. Dass jedenfalls dies einen Eingriff darstellen würde, erkennen auch Nardell und Rees-Evans an.1584 Gerade eine solche Regelung sieht das Übereinkommen indes nicht vor. Mitgliedstaatliche Gerichte dürften sich ohnehin weniger von Art. 4 Abs. 1 BÜ, Art. 7 lit. b) BÜ oder Anhang C leiten lassen, als – wie bisher – von der Achmea-Entscheidung selbst. Aus diesen Gründen ist in casu nicht von einem Eingriff in Art. 1 ZP1-EMRK auszugehen. Gleiches gilt im Ergebnis für Art. 6 Abs. 1 EMRK. Nach der Stran GreekRechtsprechung des EGMR stellt es eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK dar, wenn der Gesetzgeber in ein gerichtliches Verfahren Einfluss zu nehmen sucht, ohne dass hierfür ein rechtfertigender Grund vorläge.1585 Der EGMR schlussfolgert darin: „In conclusion, the State infringed the applicants’ rights under Article 6 para. 1 (art. 6 – 1) by intervening in a manner which was decisive to ensure that the – imminent – outcome of proceedings in which it was a party was favourable to it. There has therefore been a violation of that Article (art. 6 – 1).“1586 1580

EGMR, Urteil vom 9. Dezember 1994, Nr. 13427/87 (Stran Greek), in: ÖJZ 1995, 432 (Rn. 67). 1581 So aber Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (214). 1582 EGMR, Urteil vom 9. Dezember 1994, Nr. 13427/87 (Stran Greek), in: ÖJZ 1995, 432 (Rn. 66). 1583 So aber Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (214). 1584 Vgl. ibid. (215). 1585 EGMR, Urteil vom 9. Dezember 1994, Nr. 13427/87 (Stran Greek), in: ÖJZ 1995, 432 (Rn. 47); vgl. auch Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer/Meyer-Ladewig/Harrendorf/ König, EMRK, Art. 6, Rn. 161. 1586 EGMR, Urteil vom 9. Dezember 1994, Nr. 13427/87 (Stran Greek), in: ÖJZ 1995, 432 (Rn. 50), Hervorh. d. Verf.

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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Nardell und Rees-Evans ist zuzugestehen, dass Aufhebungs- oder Vollstreckungsverfahren vor staatlichen Gerichten für ihre Rechtsdurchsetzung entscheidend („decisive“) in diesem Sinne sein könnten.1587 Sie kommen zu dem Schluss, dass es für eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK im Ergebnis auf die Würdigung des Übereinkommens durch staatliche Gerichte ankomme.1588 Sollten diese auf Basis des Beendigungsübereinkommens für die Aufhebung bzw. gegen die Vollstreckung entscheiden, läge ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK nahe, während ein solcher umgangen wäre, lehnten besagte Gerichte dies ab und setzten sich tatsächlich mit den Argumenten der Parteien auseinander.1589 Zu erwarten ist, dass sich drittstaatliche Gerichte – wie bisher von der AchmeaEntscheidung – auch von dem Beendigungsübereinkommen kaum beeindrucken lassen. Immerhin ist dessen Wirkung auf anhängige und neue Schiedsverfahren über Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 BÜ rein deklaratorischer Natur (s. o.). Mitgliedstaatliche Gerichte sahen sich richtigerweise auch bisher bereits an die Auslegung des EuGH gebunden (s. o.). Eine Schiedsklausel, die gegen Art. 267 und 344 AEUV verstößt, soll nicht Grundlage eines Schiedsverfahrens sein können. In Aufhebungsprozessen und Vollstreckungsverfahren auf Basis der New York Convention ist die Entscheidung derartiger Gerichte – unter Ausklammerung möglicher Einzelfallumstände1590 – prädeterminiert (s. o.). Komplizierter ist dies hingegen im Rahmen von Vollstreckungsverfahren von ICSID-Schiedssprüchen (s. o.). Sollten mitgliedstaatliche Gerichte – wie bislang – im Rahmen ihrer Kompetenzen unter Heranziehung der entsprechend vom EuGH ausgelegten Unionsrechtsnormen (Art. 267 und 344 AEUV) über die Aufhebung bzw. Vollstreckung eines Schiedsspruchs entscheiden, steht eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht im Raum. Da Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 BÜ lediglich deklaratorische Wirkung zukommt, ließe sich eine Verletzung im Wege des Übereinkommens ohnehin lediglich auf Art. 7 lit. b) VCLT stützen. Allein dieses Ersuchen um die Aufhebung bzw. die Vollstreckung kann keine Verletzung begründen, solange es sich selbst im rechtlich zulässigen Rahmen hält. Insbesondere enthält das Übereinkommen nämlich keine Verpflichtung der mitgliedstaatlichen Gerichte, stets zugunsten der Staaten zu entscheiden. Das Übereinkommen verpflichtet die Mitgliedstaaten lediglich dazu, nationale Gerichte über ihre Auffassung zu den Folgen der Achmea-Entscheidung aufzuklären. Hierin kann keine entscheidende („decisive“1591) Einflussnahme auf das Ergebnis eines ge1587

Vgl. Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (226). Ibid. (228). 1589 Ibid. 1590 Siehe dazu Svea Court of Appeal, Urteil vom 22. Februar 2019, T 8538-17, T 12033-17 S. 51 ff. (abrufbar unter https://www.italaw.com/sites/default/files/case-do cuments/italaw10447.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe dazu insb. Schlussantra¨ ge der Generalanwältin Juliane Kokott, 22. April 2021, Rs. C-109/20, Polen/PL Holdings Sàrl, ECLI: EU:C:2021:321; siehe erläuternd zu dieser Fallkonstellation Janssen/Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (130 f.) m. w. N. 1591 EGMR, Urteil vom 9. Dezember 1994, Nr. 13427/87 (Stran Greek), in: ÖJZ 1995, 432 (Rn. 50). 1588

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

richtlichen Verfahrens im oben beschriebenen Sinne gesehen werden. Immerhin weckte auch bisher ebendiese Argumentation vor staatlichen Gerichten keine Bedenken hinsichtlich Art. 6 EMRK.1592 Sollten staatliche Gerichte demgegenüber entscheiden, dass sie aufgrund des Beendigungsübereinkommens unabhängig von dem Vorbringen des Investors und der Würdigung der Achmea-Entscheidung dazu verpflichtet seien, den Schiedsspruch aufzuheben oder nicht zu vollstrecken, liegt tatsächlich eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK nahe. Jedenfalls ließe sich eine solche vor dem EGMR gut vertreten. Allerdings stünde ein solches Verständnis staatlicher Gerichte in direktem Widerspruch zur hier vertretenen Interpretation des Übereinkommens. Dieses enthält nämlich für mitgliedstaatliche Gerichte richtigerweise keinerlei konstitutive Bestimmungen zum Umgang mit bis zum Inkrafttreten des Übereinkommens eingeleiteten oder abgeschlossenen Schiedsverfahren. Eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK setzte daher ein nicht unerhebliches Missverständnis des Übereinkommens durch nationale Gerichte voraus. Keine Probleme dürfte es bereiten, wenn staatliche Gerichte lediglich hilfsweise zu ihrer auf die Achmea-Entscheidung gestützten Argumentation darauf verweisen, dass auch (nahezu) alle Mitgliedstaaten diesem Verständnis folgen und sie im Sinne des Art. 7 lit. b) BÜ auch um eine entsprechende Entscheidung ersucht haben. Vor diesem Hintergrund ist auch eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK durch das Beendigungsübereinkommen fernliegend, wenn nicht gar ausgeschlossen. Nur wenn Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 BÜ tatsächlich mehr als nur deklaratorische Bedeutung beigemessen werden sollte, käme eine solche in Betracht. Während Nardell und Rees-Evans von der Verletzung von Art. 1 ZP1-EMRK und Art. 6 Abs. 1 EMRK in bestimmten Konstellationen über Art. 52 Abs. 3 EU-GRCharta auch auf eine Verletzung von Art. 17 EU-GR-Charta und Art. 47 EU-GRCharta schließen, ist hier zu schlussfolgern, dass mangels Verletzung von Art. 1 ZP1EMRK und Art. 6 Abs. 1 EMRK aus den gleichen Erwägungen auch kein Grund ersichtlich ist, einen Verstoß gegen Art. 17 EU-GR-Charta und Art. 47 EU-GRCharta anzunehmen. c) Zwischenergebnis Zusammenfassen lässt sich also, dass das Übereinkommen in seiner Gesamtheit als Maßnahme zur Erfüllung der sich aus den Verträgen ergebenden Verpflichtungen i. S. d. Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUVanzusehen ist. Ganz unproblematisch lässt sich dies für die Beendigung der BIT in Anhang A annehmen. Deren Schiedsklauseln verstoßen gegen Unionsrecht, wie es der EuGH am 6. März 2018 ausdrücklich feststellte. Dass neben den Schiedsklauseln auch die materiellen Schutzbestimmungen der BIT beendet wurden bzw. werden ist völkerrechtlich nicht zu beanstanden und auch im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV zu verstehen. Die 1592 Siehe bspw. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. Mai 2012 – 26 SchH 11/10, in: SchiedsVZ 2013, 119 (120 f.).

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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explizite Beendigung auch der sunset clauses der BIT in Anhang A und B mit ex nunc-Wirkung mag aus tatsächlichen, nicht jedoch aus völkerrechtlichen Gründen zu kritisieren sein. Auch dies und die damit verhinderte Fortgeltung der stets schwelenden Verletzung der Unionsrechtsautonomie ist als Maßnahme i. S. d. Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV zu verstehen. Dies gilt auch unabhängig davon, dass der EuGH eine derartige Beendigung auch der sunset clauses nie gefordert hat. Die Signatarstaaten haben sich als „Herren der Verträge“ schlicht dafür entschieden. Weitaus problematischer, jedoch gleichwohl zutreffend ist diese Feststellung auch hinsichtlich des dritten Abschnitts des Übereinkommens und dem hier definierten zweiten „Segment“. Die Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 BÜ sind lediglich deklaratorischer Natur und unterstreichen nur das Rechtsverständnis der Mitgliedstaaten. Auch dies ist als Maßnahme i. S. d. Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV zu verstehen. Die nähere Bedeutung dessen wird erst mit Blick auf die Bestimmungen der VCLT deutlich (siehe sogleich). Insbesondere Art. 1 ZP1-EMRK und Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie Art. 17 EU-GR-Charta und Art. 47 EU-GR-Charta werden durch das Übereinkommen nach hiesiger Lesart nicht verletzt. 4. Zwischenergebnis Den bislang nur vereinzelt geäußerten Zweifeln an der Völkerrechtskonformität des Beendigungsübereinkommens lässt sich somit entgegenhalten, dass jenes weniger in dieser Hinsicht problematisch ist, als dass sich dessen tatsächlicher Regelungsgehalt in Grenzen hält. Hauptsächlicher Anhaltspunkt der Kritik ist nämlich, dass als „Stichtag“ für die Klassifizierung der drei Verfahrenskategorien der 6. März 2018 gewählt wurde. Da das Übereinkommen für die jeweiligen Signatarstaaten erst viel später in Kraft tritt bzw. treten wird, liegt der Vorwurf einer unzulässigen Rückwirkung nahe. Eine solche ist hier indes gar nicht gegeben. Für abgeschlossene Verfahren i. S. d. Art. 1 Nr. 4 BÜ steht jene gem. Art. 6 BÜ ohnehin nicht im Raum. Die Bestimmungen, welche die Folgen dieser Klassifizierung für neue und anhängige Verfahren regeln, sind lediglich deklaratorischer Natur. Dies gilt für Art. 4 Abs. 1 BÜ sowohl hinsichtlich neuer als auch anhängiger Schiedsverfahren sowie für Art. 5 BÜ speziell hinsichtlich neuer Schiedsverfahren. Namentlich Art. 7 BÜ schreibt dieselbe Behandlung von neuen und anhängigen Schiedsverfahren durch die Signatarstaaten vor. Diese Behandlung liegt nun jedoch lediglich in der Unterrichtung von Schiedsgerichten über die eigene Auffassung sowie dem Ersuchen nationaler Gerichte um eine entsprechende Entscheidung. Demensprechend ist der tatsächlich maßgebliche „Stichtag“ für eine durch das Beendigungsübereinkommen herbeigeführte Änderung der Behandlung von Intra-EU-BIT und Schiedsverfahren der Tag des Inkrafttretens des Übereinkommens für die Vertragsstaaten gem. Art. 16 Abs. 2 BÜ. 1593 Ab diesem 1593 So auch Tropper, The treaty to end all investment treaties. The Termination Agreement of intra-EU BITs and its effect on sunset clauses, Völkerrechtsblog, 12. Mai 2020, https://voel

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Zeitpunkt mangelt es für künftige Verfahren an einer Zustimmung des Gaststaats zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung. Tatsächlich retroaktive Wirkung mag man allenfalls der Achmea-Entscheidung selbst zusprechen.1594 Insofern überzeugt folgende Formulierung von Triantafilou und Pusztai: „[…] these provisions [die Bestimmungen des Übereinkommens hinsichtlich der Behandlung anhängiger und neuer Schiedsverfahren] […] seek to retroactively use the apparent conflict with EU law to effectively nullify existing arbitration proceedings.“1595

Somit bewirkt das Übereinkommen genau das, was bislang gefordert wurde:1596 die prospektive Beendigung der Intra-EU-BIT. Dass darüberhinausgehend das Schicksal anhängiger und neuer Schiedsverfahren i. S. d. Terminologie des Übereinkommens nicht konstitutiv geregelt wurde, ist zu begrüßen, wäre wohl aber auch nicht möglich bzw. jedenfalls völkerrechtswidrig gewesen. Der über die bloße Beendigung der BIT hinausgehende Inhalt des Übereinkommens dient womöglich der Aktivierung bestimmter Normen der VCLT. Dies könnte dazu führen, dass sich sogar Schiedsgerichte davon überzeugen lassen, dass sie für die Streitentscheidung nicht zuständig sind. Gemeint ist damit nicht, dass sie erkennen, dass sie rückwirkend nicht mehr zuständig sind, sondern, dass sie nie zuständig gewesen sein könnten. Dem widmet sich der folgende Abschnitt.

II. Einordnung des Beendigungsübereinkommens in die schiedsgerichtliche Praxis Bevor im folgenden Abschnitt die tatsächlichen praktischen Konsequenzen des Beendigungsübereinkommens diskutiert werden, ist hier darzustellen, wie sich das Beendigungsübereinkommen in die bisherige schiedsgerichtliche Praxis einordnen lässt. Schließlich sind – wie in Kapitel II B. II., III. gesehen – zahlreiche Schiedssprüche zur sog. Achmea-Objection ergangen, in welchen auch die Folgen der Januar-Deklarationen1597 auf die Zuständigkeit des Schiedsgerichts thematisiert werkerrechtsblog.org/de/the-treaty-to-end-all-investment-treaties/, (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1594 So Uzelac, AJEE 2019, 6 (16) („fundamentally retroactive“); vgl. auch Baltag/Stanicˇ / Stanicˇ , The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 143 (144 f.) und EuGH, Urteil vom 27. März 1980, Rs. C-61/79, Amministrazione delle finanze dello Stato/Denkavit italiana, ECLI:EU:C:1980:100, Rn. 16. 1595 Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 54); Hervorh. d. Verf. 1596 Vgl. Z˙ mij, ZEuP 2019, 535 (544); Burger, YIA 2019, 121 (145); Berger, SchiedsVZ 2017, 282 (288). 1597 Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/banking_and_ finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Governments of the Member States of 16 January 2019 on the

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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den. Unmittelbar einleuchtend ist vor dem Hintergrund des Absatzes 10 der Präambel des Beendigungsübereinkommens, dass jenes keine Auswirkungen auf „EUinterne Verfahren auf der Grundlage von Artikel 26 des Vertrags u¨ ber die Energiecharta“ haben wird. Ebenso wenig berührt das Beendigungsübereinkommen die nicht von ihm erfassten Intra-EU-BIT der Staaten, die es nicht unterzeichneten. Im Gegenteil wird hinsichtlich dieser die Argumentation leichtfallen, dass eine Unanwendbarkeit der Schiedsklauseln oder gar eine Beendigung der BIT selbst nicht als beabsichtigt anzusehen sind. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Übereinkommens gem. Art. 16 BÜ werden sämtliche (erfasste) Intra-EU-BIT inklusive der sunset clauses beendet. Insoweit besteht richtigerweise – gerade wegen der völkerrechtskonformen Beendigung der sunset clauses – ab diesem Datum kein Angebot bzw. keine Zustimmung des Gaststaats zur Einleitung eines Investor-Staat-Schiedsverfahrens mehr. Dies sollten Schiedsrichter erkennen und ihre Zuständigkeit entsprechend verneinen. Sofern sie indessen eine fortgeltende Wirksamkeit der Schiedsklauseln über die sunset clauses befürworten sollten, wird der derzeit noch vielfach gerichtlich ausgetragene Streit um die Anwendbarkeit jener noch mehrere Jahre andauern. Da hiervon jedoch nicht auszugehen ist, soll das Beendigungsübereinkommen im Folgenden lediglich in die schiedsgerichtliche Praxis um „anhängige“ und „neue Schiedsverfahren“ im Sinne des Übereinkommens eingeordnet werden, die vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens hinsichtlich des jeweiligen BIT eingeleitet werden bzw. bereits wurden. Im Mittelpunkt dessen stehen wie bisher auch Art. 59 Abs. 1, Art. 30 Abs. 3 und Art. 31 VCLT. Nachdem die Implikationen des Beendigungsübereinkommens auf die Prüfung dieser analysiert wurden (1., 2.), soll anschließend ein kursorischer Überblick über die entsprechenden Verteidigungsmöglichkeiten von Investoren gegeben werden (3.). 1. Art. 59 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 3 VCLT Im Rahmen der Behandlung des Verhältnisses zwischen Unionsrecht und IntraEU-BIT stehen seit jeher Art. 59 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 3 VCLT im Mittelpunkt. Eine anschauliche Prüfung dieser Normen erfolgte durch das Tribunal im AchmeaFall,1598 welche bereits umfassend dargestellt und kommentiert wurde.1599 enforcement of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://www.regeringen.se/48ee19/contentassets/ d759689c0c804a9ea7af6b2de7320128/achmea-declaration.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Government of Hungary of 16 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://2015-2019.kormany.hu/download/5/1b/81000/ Hungarys%20Declaration%20on%20Achmea.pdf#!DocumentBrowse, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1598 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13, (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 63 ff., 231 ff.

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Die im Achmea-Fall von der Slowakischen Republik sowie der Europäischen Kommission vorgetragene Auffassung bestätigt das Beendigungsübereinkommen im Ergebnis in Art. 4 Abs. 1 BÜ und Anhang C. Diese deklaratorische Wiedergabe der bereits seit langem durch die Mitgliedstaaten vertretenen Auffassung soll begründen, dass Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT „ab dem Zeitpunkt, zu dem der letzte Vertragsstaat dieses bilateralen Investitionsschutzvertrags ein Mitgliedstaat der Europa¨ ischen Union geworden ist, nicht als Rechtsgrundlage fu¨ r ein Schiedsverfahren dienen.“1600 a) Bedeutungsverlust von Art. 59 Abs. 1 VCLT Unabhängig davon, dass auch im Rahmen des Art. 59 Abs. 1 VCLT Schiedsgerichte vielfach und wohl auch herrschend davon ausgingen, dass es am Beziehen auf „denselben Gegenstand“ fehlt (s. o.),1601 wird Art. 59 Abs. 1 VCLT gerade wegen des Beendigungsübereinkommens eine geringere Rolle in anhängigen und neuen Schiedsverfahren spielen. Hinsichtlich Art. 59 Abs. 1 lit. a) VCLT ist zu statuieren, dass im Beendigungsübereinkommen zwar die Absicht deutlich gemacht wird, dass die Vertragsparteien den Gegenstand durch den späteren Vertrag – den Beitrittsvertrag, der zur Anwendbarkeit der Unionsverträge geführt hat – regeln wollten.1602 Dies alleine wird jedoch hiermit befasste Schiedsrichter kaum davon überzeugen, eine dahingehende Absicht bereits im Zeitpunkt des Beitritts des letzten Vertragsstaats des jeweiligen BIT zur Europäischen Union anzunehmen. Immerhin enthält das Beendigungsübereinkommen selbst keine Anhaltspunkte hierzu. Zudem spricht auch die Formulierung „nicht als Rechtsgrundlage fu¨ r ein Schiedsverfahren dienen“1603 nicht dafür, dass die Mitgliedstaaten die jeweiligen BIT bereits gänzlich als beendet ansehen. Vielmehr deutet dies auf eine mögliche Unanwendbarkeit nur der Schiedsklauseln hin,1604 während es für eine Beendigung des gesamten BIT noch des Beendigungsübereinkommens selbst bedurfte.1605 1599

S. o. Kapitel I B. I. Siehe Art. 4 Abs. 1 BÜ und Anhang C. 1601 Siehe bspw. Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award), Rn. 159 ff.; vgl. auch ohne darauf explizit einzugehen Rupert Joseph Binder v. Czech Republic, UNCITRAL, (Award on Jurisdiction), Rn. 45, 59 ff.; European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic, UNCITRAL (Award on Jurisdiction), Rn. 155 ff., 185; Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/13/ 27, (Award), Rn. 584 ff.; Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/15/49, (Decision on Jurisdiction), Rn. 168 ff.; A. M. F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic, PCA Case No. 2017-15, (Final Award), Rn. 357 ff. 1602 Siehe Absatz 6 der Präambel des BÜ. 1603 Art. 4 Abs. 1 BÜ und Anhang C. 1604 Siehe zu Art. 30 Abs. 3 VCLT sogleich. 1605 Vgl. in diese Richtung auch Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 52). 1600

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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Des Weiteren ändert das Beendigungsübereinkommen selbst nichts an dem Maße der Unvereinbarkeit zwischen Intra-EU-BIT und Unionsrecht i. S. d. Art. 59 Abs. 1 lit. b) VCLT. Solange es aus Sicht der Schiedsgerichte bisher an einer Unvereinbarkeit in einem solchen Maße gefehlt hat, dass eine gleichzeitige Anwendung nicht zuzulassen ist,1606 wird das Beendigungsübereinkommen an dieser Sichtweise nichts ändern. Schließlich enthält dies bis auf den Verweis auf die Achmea-Entscheidung und ihre Folgen in Absätzen 4, 5 und 6 der Präambel keine (zusätzlichen) Hinweise bezüglich der Unvereinbarkeit der Normenkomplexe. An der Behandlung der Art. 59 Abs. 1 lit. a) und b) VCLT haben schließlich auch die Januar-Deklarationen nichts geändert,1607 in denen bereits deutlich gemacht wurde, dass Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT unionsrechtswidrig und daher unanwendbar seien und dass dementsprechend eine ausdrückliche Beendigung jener zu erfolgen habe. Durch das Beendigungsübereinkommen wird diese realisiert. Bis die dahingehenden Normen jedoch nicht in Kraft getreten und die betroffenen BIT entsprechend beendet sind, werden Schiedsgerichte ihre Auffassung wohl nicht ändern. Das Beendigungsübereinkommen selbst trägt in diesem Zusammenhang nämlich nichts bei. Prima facie ließe sich demgegenüber erwägen, dass das Beendigungsübereinkommen selbst ein Vertrag i. S. d. Art. 59 Abs. 1 VCLT ist, den „alle Vertragsparteien später schließen“ („all the parties to it conclude a later treaty“). Immerhin geht aus dem Beendigungsübereinkommen hervor, dass die Mitgliedstaaten den Gegenstand – Investitionsschutzrecht innerhalb der Europäischen Union – durch das Übereinkommen zu regeln beabsichtigen. Außerdem ist das Beendigungsübereinkommen unproblematisch als „späterer“ Vertrag in diesem Sinne anzusehen. Allerdings wird sich kaum feststellen lassen, dass das Beendigungsübereinkommen und Intra-EU-BIT „denselben Gegenstand“ regeln, wenn dies schon hinsichtlich der Unionsverträge (über den jeweiligen Beitrittsvertrag) abgelehnt wird. Schließlich enthält das Beendigungsübereinkommen selbst keine Bestimmungen zum materiellen Investitionsschutz und ermöglicht es mit dem strukturierten Dialog i. S. d. Art. 9 BÜ nur eine zusätzliche „Verfahrensart“ im weitesten Sinne. Daneben ist der eigentliche Zweck des Übereinkommens, Intra-EU-BIT endgültig zu beenden. Dies wird im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Übereinkommens eintreten. Dass jenes darüberhinausgehend noch statuiert, was die Auffassung der Signatarstaaten hinsichtlich der völkerrechtlichen Behandlung durch Schiedsgerichte bis zu diesem Zeitpunkt ist, kann nicht dazu führen, dass es sich auf denselben Gegenstand bezieht. Das Beendigungsübereinkommen selbst ist somit nicht als späterer Vertrag in diesem Sinne anzusehen. 1606

Vgl. European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic (Award on Jurisdiction), Rn. 218 ff.; Rupert Joseph Binder v. Czech Republic, UNCITRAL, (Award on Jurisdiction), Rn. 59 ff.; Eastern Sugar B. V. v. The Czech Republic, SCC Case No. 088/2004, (Partial Award), Rn. 168 ff. 1607 Vgl. bspw. United Utilities B. V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia, ICSID Case No. ARB/14/24, (Award of the Tribunal), Rn. 558 f.

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Letztlich verweisen die Mitgliedstaaten – wie auch bereits in den Januar-Deklarationen – im Beendigungsübereinkommen ausdrücklich auf eine einvernehmliche Beendigung der BIT (gem. Art. 54 lit. b) VCLT). Diese ist lediglich Folge der seit dem Zeitpunkt, „zu dem der letzte Vertragsstaat dieses bilateralen Investitionsschutzvertrags ein Mitgliedstaat der Europa¨ ischen Union geworden“ ist, vermeintlich bestehenden Unanwendbarkeit der Schiedsklauseln. Der im AchmeaVerfahren noch im Zentrum der Diskussion stehende Art. 59 Abs. 1 VCLT hat somit durch das Beendigungsübereinkommen erneut an Bedeutung verloren. Es ist vor diesem Hintergrund auch nicht davon auszugehen, dass beklagte Gaststaaten weiterhin eingehend für eine Beendigung der Intra-EU-BIT über Art. 59 Abs. 1 VCLT argumentieren werden. b) Art. 30 Abs. 3 VCLT als in Schiedsverfahren zentrale Norm? Eine wesentlichere Rolle könnte weiterhin Art. 30 Abs. 3 VCLT spielen. In Art. 4 Abs. 1 BÜ bringen die Signatarstaaten des Übereinkommens nämlich implizit zum Ausdruck, was Rechtsfolge des Art. 30 Abs. 3 VCLT ist: die Unanwendbarkeit der Schiedsklauseln.1608 Die gesamten Erwägungen der Signatarstaaten um die Unanwendbarkeit der Schiedsklauseln als „Rechtsgrundlage für ein Schiedsverfahren“1609 gründen darauf, dass jene gegen Unionsrecht verstoßen. Die Norm der VCLT, die diese Situation völkerrechtlich aufgreift, ist Art. 30 Abs. 3 VCLT. Auch wenn die Signatarstaaten dies nicht ausdrücklich so bezeichnen, wird die Unterrichtung gem. Art. 7 lit. a) BÜ i. V. m. Anhang C im schiedsgerichtlichen Verfahren zuvörderst im Rahmen der Prüfung von Art. 30 Abs. 3 VCLT bedeutsam. Dieser sieht die von den Signatarstaaten angestrebte Rechtsfolge vor. Ob und inwieweit hiermit befasste Schiedsgerichte dem folgen, wird entscheidende Bedeutung auch dafür haben, ob Art. 4 Abs. 1 BÜ (und Art. 5 BÜ) eine über den nur deklaratorischen Wortlaut hinausgehende, tatsächliche Wirkung zugesprochen werden kann. Wie auch im Rahmen des Art. 59 Abs. 1 VCLT ist das Beendigungsübereinkommen selbst nicht als „späterer Vertrag“ („later treaty“) in diesem Sinne anzusehen. Die Einordnung eines Beendigungsübereinkommens als späterer Vertrag in diesem Sinne hätte nämlich zur Folge, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens jenes neben der Beendigung der Verträge selbst auch die Anwendbarkeit einzelner Klauseln zu verneinen wäre – ein redundantes Ergebnis. Anderes würde lediglich gelten, wenn das Beendigungsübereinkommen – bspw. über Art. 5 BÜ – konstitutive Bedeutung hinsichtlich der Anwendbarkeit einzelner Bestimmungen mit Wirkung für die Vergangenheit hätte. Da die über die bloße Beendigung der BIT und die 1608

Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (247); vgl. aber Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 48 f.), die hinsichtlich der JanuarDeklarationen für unklar halten, ob „Unanwendbarkeit“ im völkerrechtlichen Sinne – über Art. 30 Abs. 3 VCLT – oder im unionsrechtlichen Sinne – über den Grundatz des Vorrangs des Unionsrechts – zu verstehen ist. 1609 Art. 4 Abs. 1 BÜ und Anhang C; siehe auch Art. 5 BÜ.

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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Übergangmaßnahmen hinausgehenden Vorschriften des Beendigungsübereinkommens richtigerweise aber bloß deklaratorischen Charakter haben (s. o.), kommt dem hier keine Bedeutung zu. Darüber hinaus ist auch Art. 5 BÜ in Zusammenhang mit Art. 7 BÜ zu lesen, der auch bezüglich neuer Schiedsverfahren eine entsprechende Unterrichtung vorschreibt. Die vermeintliche Unanwendbarkeit eine Schiedsklausel resultiert dementsprechend der Systematik des Übereinkommens zu Folge nicht aus dem Beendigungsübereinkommen selbst, sondern aus der Unvereinbarkeit der Verträge, welche das Übereinkommen lediglich bestätigt und den Schiedsrichtern verdeutlichen soll. Späterer Vertrag in diesem Sinne ist somit allenfalls der Beitrittsvertrag, der zur Anwendbarkeit der Unionsverträge geführt hat (s. o.). Die erste Hürde im Rahmen des Art. 30 Abs. 3 VCLT ist, dass verbreitet angenommen wird, gem. Art. 30 Abs. 1 VCLT müssen sich beide Verträge – früherer und späterer – auf „denselben Gegenstand“ beziehen (s. o.).1610 Auch wenn im Rahmen des Art. 30 VCLT aufgrund der im Vergleich zu Art. 59 Abs. 1 VCLT milderen Rechtsfolge der Unanwendbarkeit ein weniger strenger Maßstab zur Bestimmung desselben Gegenstands herangezogen werden könnte (s. o.), wurde dieses Merkmal in der schiedsgerichtlichen Praxis vorwiegend verneint.1611 Wenn man dies jedoch bejahte, ließe sich gut vertreten, dass die Unionsverträge (über die Beitrittsverträge) insoweit mit Intra-EU-BIT unvereinbar sind, als dass die Schiedsklauseln jener – der früheren Verträge – dementsprechend unanwendbar sind. Im Achmea-Verfahren schien diese Argumentation noch fernliegend. Auch die darauffolgende Achmea-Entscheidung des EuGH sowie die Januar-Deklarationen vermochten an den Erwägungen der Schiedsrichter in dieser Hinsicht nichts ändern. Nun bestätigten indes (nahezu) alle Mitgliedstaaten in einem Völkervertrag, dass sie allesamt der Auffassung sind, dass Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT und Unionsrecht insoweit unvereinbar miteinander sind, dass eine gleichzeitige Anwendbarkeit ausgeschlossen ist. Eine Gesamtschau der rechtlichen Argumentation, der AchmeaEntscheidung des EuGH, der Bemühungen der Europäischen Kommission, der Ja1610 Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 89; Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 375 f.; Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/13/27, (Award), Rn. 585; United Utilities B. V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia, ICSID Case No. ARB/ 14/24, (Award of the Tribunal), Rn. 543; Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/15/49, (Decision on Jurisdiction), Rn. 168 ff.; vgl. auch European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic, UNCITRAL (Award on Jurisdiction), Rn. 280 und Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 140 ff.; a. A. Georgaki/Papanastasiou, PolishYIL 2019, 209 (219). 1611 Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/13/27, (Award), Rn. 585 ff.; United Utilities B. V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia, ICSID Case No. ARB/14/24, (Award of the Tribunal), Rn. 543; Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/15/49, (Decision on Jurisdiction), Rn. 168 ff.; vgl. auch European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic, UNCITRAL (Award on Jurisdiction), Rn. 280 und Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 140 ff.

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

nuar-Deklarationen und nun auch des Beendigungsübereinkommens könnte auch die völkerrechtlich geprägten Tribunale dazu bewegen, sich dem hinsichtlich der Unvereinbarkeit der Normenkomplexe anzuschließen. Eine ungleich größere Bedeutung hätte es in dieser Hinsicht freilich gehabt, hätten alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union das Beendigungsübereinkommen unterzeichnet. Wenn alle Vertragsparteien zweier Verträge in einem gesonderten Vertragswerk einheitlich darlegen, wie ihre Position hinsichtlich der Auslegung der – allein durch sie geschlossenen – beiden Verträge ist, könnte dem wenig entgegenzuhalten sein. Ungeachtet dessen haben sich Schiedsgerichte – wie bereits mehrfach gezeigt – stets zurückhaltend bei der Anwendung auch des Art. 30 Abs. 3 VCLT gezeigt. Selbst wenn sie eine Unvereinbarkeit in diesem Sinne feststellen könnten, werden sie geneigt sein, das Beziehen auf „denselben Gegenstand“ zu verneinen (s. o.). Auch wenn die Anwendbarkeit des Art. 30 Abs. 3 VCLT durch das Beendigungsübereinkommen somit durchaus Rückenwind bekommen könnte, ist nicht davon auszugehen, dass sich dies in der Entscheidung der Schiedsrichter niederschlägt. Dies gilt sowohl für anhängige als auch neue Schiedsverfahren i. S. d. Beendigungsübereinkommens. Die Frage nach dem Beziehen auf „denselben Gegenstand“ steht in keinem Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens. Dass sich Schiedsgerichte ganz unabhängig von der in Art. 4 Abs. 1 BÜ und Anhang C formulierten Auffassung der Signatarstaaten davon beeinflussen lassen werden, dass Art. 5 BÜ – richtigerweise rein deklaratorisch – anordnet, dass betroffene Schiedsklauseln nicht als Rechtsgrundlage für neue Schiedsverfahren herangezogen werden, darf bezweifelt werden. Sollte Art. 5 BÜ von den Signatarstaaten tatsächlich eine über Art. 4 Abs. 1 BÜ und Anhang C hinausgehende Bedeutung beigemessen worden sein, entbehrte jene jeglicher rechtlichen Grundlage. Art. 30 Abs. 3 VCLT wird daher in künftigen Entscheidungen anhängiger und neuer Schiedsverfahren durchaus eine Rolle spielen, wohl jedoch keine ausschlaggebende Relevanz entfalten. c) Zwischenergebnis An der im Ergebnis bisher einhelligen Rechtsprechung der Schiedsgerichte, dass weder Art. 59 Abs. 1 VCLT noch Art. 30 Abs. 3 VCLT die Anwendbarkeit von Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT verhindern können, wird sich somit weder durch das Unterzeichnen des Beendigungsübereinkommens noch durch das Inkrafttreten jenes für das jeweils betroffene BIT etwas ändern. Der Rechtslage, wie sie aus Sicht der Signatarstaaten bereits vor Unterzeichnung jenes seit dem Zeitpunkt bestand, zu dem der letzte Vertragsstaat eines Intra-EU-BIT ein Mitgliedstaat der Europa¨ ischen Union geworden ist, fügt es nichts hinzu. Erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens entfaltet es eine erhebliche (ex nunc-)Wirkung. Schiedsverfahren können dann nicht mehr eingeleitet werden. In bereits eingeleiteten Verfahren – also sowohl anhängigen als auch neuen Schiedsverfahren im Sinne der Terminologie des Übereinkommens –

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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werden Art. 59 Abs. 1 und 30 Abs. 3 VCLT die Bestimmung der Zuständigkeit eines Tribunals durch selbiges wohl nicht beeinflussen. 2. Art. 31 VCLT Vor dem Hintergrund, dass das Beendigungsübereinkommen selbst nicht als späterer Vertrag i. S. d. Art. 59 Abs. 1 und 30 Abs. 3 VCLT einzuordnen ist, überrascht es kaum, dass die Anwendung dieser Normen der VCLT für das Verhältnis zwischen Intra-EU-BIT und den Unionsverträgen durch jenes nicht maßgeblich beeinflusst wird. Während das Übereinkommen die Bedeutung von Art. 59 Abs. 1 VCLT wohl sogar mindert, kommt jenem im Rahmen des Art. 30 Abs. 3 VCLT lediglich indizielle Bedeutung zu. Etwas anderes könnte für Art. 31 VCLT gelten. Dieser lautet in authentischer englischer Sprache1612 : „Article 31 – General rule of interpretation (1) A treaty shall be interpreted in good faith in accordance with the ordinary meaning to be given to the terms of the treaty in their context and in the light of its object and purpose. (2) The context for the purpose of the interpretation of a treaty shall comprise, in addition to the text, including its preamble and annexes: a) any agreement relating to the treaty which was made between all the parties in connection with the conclusion of the treaty; b) any instrument which was made by one or more parties in connection with the conclusion of the treaty and accepted by the other parties as an instrument related to the treaty. (3) There shall be taken into account, together with the context: a) any subsequent agreement between the parties regarding the interpretation of the treaty or the application of its provisions; b) any subsequent practice in the application of the treaty which establishes the agreement of the parties regarding its interpretation; c) any relevant rules of international law applicable in the relations between the parties. (4) A special meaning shall be given to a term if it is established that the parties so intended.“

Ausgangspunkt einer Vertragsauslegung über Art. 31 VCLT ist somit gem. Art. 31 Abs. 1 VCLT Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, den Bestimmungen des Vertrags in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung sowie Ziel und Zweck jenes. Flankiert wird dies insbesondere dadurch, dass gem. Art. 31 Abs. 3 lit. a) und c) außer dem Zusammenhang in gleicher Weise jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen sowie jeder in den Beziehungen zwischen den 1612

Siehe Art. 85 VCLT.

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz zu berücksichtigen sind. Wie der Wortlaut von Art. 31 Abs. 3 VCLT zeigt („together with the context“), dienen die dort genannten Übereinkünfte, Übungen und Völkerrechtssätze lediglich als Ergänzung der in Art. 31 Abs. 1 VCLT statuierten Grundregel.1613 Es handelt sich bei Art. 31 Abs. 3 VCLT somit um eine weitere Ausdehnung der Bedeutung des Wortes „context“.1614 Bereits vor Unterzeichnung des Beendigungsübereinkommens wurde vertreten, dass Unionsrecht selbst jedenfalls gem. Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT im Rahmen der Auslegung von Intra-EU-BIT zu berücksichtigen sei (s. o.).1615 Dem Beendigungsübereinkommen – das die Unionsrechtswidrigkeit und die daraus folgende Unanwendbarkeit der Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT ausdrücklich bestätigt – könnte vor diesem Hintergrund entscheidende Bedeutung entweder als besagtes „subsequent agreement“ („spätere Übereinkunft“) i. S. d. Art. 31 Abs. 3 lit. a) oder als „any relevant rule[] of international law“ („Völkerrechtssatz“) i. S. d. Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT zukommen. Das Beendigungsübereinkommen ist eine Übereinkunft zwischen den Signatarstaaten, die im Verhältnis zu sämtlichen Intra-EU-BIT auch die „spätere“ („subsequent“) ist. Da insbesondere in Art. 4 Abs. 1 BÜ herausgestellt wird, dass Intra-EUBIT-Schiedsklauseln im Widerspruch zu den Unionsverträgen stehen und daher unanwendbar sind, ließe sich auch annehmen, dass das Beendigungsübereinkommen eine Übereinkunft „regarding the interpretation of the treaty or the application of its provisions“1616 („über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen“) darstellt. Art. 31 Abs. 3 lit. a) VCLT wird schließlich insbesondere dann für anwendbar gehalten, wenn die spätere Übereinkunft explizit auf die Auslegung oder Anwendbarkeit ausgerichtet ist.1617 Da das Beendigungsübereinkommen über die Beendigung der Intra-EU-BIT hinaus auch die Anwendbarkeit bzw. Unanwendbarkeit der darin enthaltenen Schiedsklauseln adressiert, ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass es sich bei dem Übereinkommen um eine Übereinkunft i. S. d. Art. 31 Abs. 3 lit. a) VCLT handelt.1618 Jedenfalls aber könnte es sich bei dem Beendigungsübereinkommen um „any relevant rules of international law applicable in the relations between the parties“ („einen zwischen den Mitgliedstaaten anwendbaren Völkerrechtssatz“) i. S. d. Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT handeln. Das Beendigungsübereinkommen gehört als 1613 Köck, Vertragsinterpretation und Vertragsrechtskonvention, S. 90; vgl. auch Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/17/27, (Award of the Tribunal), Rn. 218. 1614 Köck, Vertragsinterpretation und Vertragsrechtskonvention, S. 90. 1615 Siehe Fn. 750. 1616 Hervorh. d. Verf. 1617 Gardiner, Treaty Interpretation, S. 242 f. 1618 Ebenso Restrepo Amariles/Farhadi/Van Waeyenberge, ICLQ 2020, 907 (937) und Kułaga, PolishYIL 2019, 227 (245).

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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internationale Übereinkunft, in welcher ausdrücklich anerkannte Regeln festgelegt sind jedenfalls zu „any […] rules of international law“, vgl. Art. 38 Abs. 1 lit. a) des Statuts des Internationalen Gerichtshofs vom 24. Oktober 19451619.1620 Überdies sind die Bestimmungen des Beendigungsübereinkommens auch im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien anwendbar („applicable in the relations between the parties“). Das letztlich allenfalls problematische Tatbestandsmerkmal ist hier, dass der in Rede stehende Völkerrechtssatz „relevant“ („einschlägig“) zu sein hat. Richtigerweise kann dieser Begriff nicht mit der ebenfalls in der VCLT formulierten Anforderung des Beziehens auf „denselben Gegenstand“1621 (s. o.) gleichgesetzt werden.1622 Ansonsten wäre in Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT die gleiche Formulierung wie in Art. 30 Abs. 3 VCLT gewählt worden.1623 Allerdings überzeugt es, jedenfalls im Falle der Feststellung des Beziehens auf „denselben Gegenstand“ auch die Einschlägigkeit bzw. Relevanz des Völkerrechtssatzes i. S. d. Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT zu bejahen.1624 Erwogen wird in der Literatur daneben unter anderem auch folgende Auslegung: „[…] a rule of international law is to be considered ,relevant‘, if (and only if) it governs the state of affairs, in relation to which the interpreted treaty is examined. How else would it be possible to dismiss an interpretation alternative as logically incompatible with ,relevant rules of international law‘?“1625

Vorzugswürdig ist jedoch eine noch weitergehende Herangehensweise. Ob ein Vertragswerk nämlich von Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT als erfasst angesehen wird, hängt davon ab, wie weit der Rechtsanwender den Begriff „relevant“ auslegt. Bei einem besonders weiten Verständnis – bspw. das Genügen „irgendeine[s] Zusammenhang[s]“1626 – ließe sich wohl nahezu jeder Völkerrechtssatz als „relevant“ 1619

Abrufbar unter https://legal.un.org/avl/pdf/ha/sicj/icj_statute_e.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021. 1620 Vgl. Binder/Kriebaum/Reinisch/Wittich/Simma/Kill, International Investment Law for the 21st Century, S. 678 (695), die in Art. 38 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs den diesbezüglich maßgeblichen Anhaltspunkt sehen; vgl. insoweit auch Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12 (Decision on the Achmea Issue), Rn. 140; Dörr/Schmalenbach/Dörr, VCLT, Art. 31 Rn. 95; Gardiner, Treaty Interpretation, S. 299 f. 1621 Siehe Art. 59 Abs. 1 und 30 Abs. 1 VCLT. 1622 So aber Villiger, 1969 VCLT, Art. 31 Rn. 25; ebenso wie hier Binder/Kriebaum/Reinisch/Wittich/Simma/Kill, International Investment Law for the 21st Century, S. 678 (695); vgl. auch Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 316 f. 1623 Binder/Kriebaum/Reinisch/Wittich/Simma/Kill, International Investment Law for the 21st Century, S. 678 (695). 1624 Ebenso Dörr/Schmalenbach/Dörr, VCLT, Art. 31 Rn. 102; Gardiner, Treaty Interpretation, S. 299; Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 317. 1625 Linderfalk, On The Interpretation of Treaties, S. 178; Hervorh. d. Verf. 1626 Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 317.

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

einordnen.1627 Daher überzeugt es, die Anwendbarkeit des Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT, der – wie gesehen – lediglich den Auslegungsmaßstab erweitert, nicht davon abhängig zu machen, wie weit oder eng ein derart deutungsoffenes Tatbestandsmerkmal auslegt wird. Bei einem nur entfernt hinsichtlich des auszulegenden Vertrags einschlägigen bzw. relevanten Völkerrechtssatz ist dieser zwar demgemäß im Rahmen der Auslegung hinzuzuziehen, ihm dabei jedoch eine nur geringe Bedeutung beizumessen.1628 Vor diesem Hintergrund ist das Beendigungsübereinkommen jedenfalls als „relevant“ im weitesten Sinne hinsichtlich der Auslegung von Intra-EUBIT von Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT als erfasst anzusehen. Sollte Art. 31 Abs. 3 lit. a) VCLT somit zu verneinen sein, griffe jedenfalls Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT. Gem. Art. 31 Abs. 3 VCLT ist das Beendigungsübereinkommen daher in die Auslegung der Intra-EU-BIT einzubeziehen. Schiedsklauseln könnten im Lichte jenes als unanwendbar ausgelegt werden. Schließlich geht aus Art. 4 Abs. 1 BÜ hervor, dass die betroffenen Schiedsklauseln ab dem Zeitpunkt, zu dem der letzte Vertragsstaat des jeweiligen BIT ein Mitgliedstaat der Europäischen Union geworden ist, nicht als Rechtsgrundlage für ein Schiedsverfahren dienen könne. In diesem Sinne wurde in der Literatur bereits konstatiert: „A respondent State could very well argue that these declarations [die Januar-Deklarationen] could be relevant under Article 31(3)(a) of the VCLT […]. […] there is no reason why Article 31(3)(a) cannot be relied upon by arbitrators in analysing their jurisdiction under bilateral intra-EU treaties. This is all the more the case once the Termination Treaty enters into force, or even before such a time, by virtue of its provisional application. Article 31(3)(a) thus represents a powerful tool in certain contexts, which discourages application of the dispute resolution provisions that are the most obviously incompatible with the autonomy of EU law.“1629

Die bislang zugängliche schiedsgerichtliche Rechtsprechung zu den Januar-Deklarationen als „Vorboten“ des Beendigungsübereinkommens erteilt derartigen Erwägungen indes einen Dämpfer. So statuierte das Tribunal im Verfahren Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, dass die Januar-Deklarationen – sollten sie unter Art. 31 Abs. 3 VCLT zu fassen sein – nur einen Umstand im Rahmen der Auslegung nach Art. 31 Abs. 1 VCLT ausmachen.1630 In diesem Sinne sei über die Januar Deklarationen lediglich eine Auslegung der Vorschriften der BIT möglich, nicht aber ein Bedeutungswandel („it cannot change their meaning“).1631 Dies lässt sich auf das 1627 Binder/Kriebaum/Reinisch/Wittich/Simma/Kill, International Investment Law for the 21st Century, S. 678 (696). 1628 In diese Richtung auch ibid. (695 f.). 1629 Restrepo Amariles/Farhadi/Van Waeyenberge, ICLQ 2020, 907 (937); Hervorh. d. Verf. 1630 Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/17/27, (Award of the Tribunal), Rn. 218. 1631 Ibid.; in diese Richtung auch Nolte/Hafner, Treaties and Subsequent Practice, S. 105 (115).

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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Beendigungsübereinkommen übertragen, dessen über die Beendigung der BIT und die Übergangsmaßnahmen hinausgehende Regelungen nicht mehr zur Auslegung der Intra-EU-BIT beitragen, als bereits die Januar-Deklarationen. Hinsichtlich anhängiger und neuer Schiedsverfahren im Sinne der Terminologie des Übereinkommens, die vor Inkrafttreten jenes eingeleitet wurden bzw. werden, dürfte folgende Feststellung besagten Tribunals relevant sein: „Thus, the consent to arbitrate, in the sense of a meeting of the minds, which is perfected by the investor’s acceptance of the State’s offer to arbitrate expressed in the BIT would not be retroactively invalidated by a subsequent termination of the BIT. In other words, even if the Tribunal were to regard the 2019 Declarations as an agreement to terminate the BIT, quod non, that agreement could not have invalidated the consent to arbitrate because it was entered after the consent was formed.“1632

In diesem Sinne argumentiert auch das Tribunal in A. M. F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic.1633 Auch in diesem Verfahren konnten die Januar-Deklarationen an der Zuständigkeit des Tribunals nichts ändern. Wenn man die folgenden zwei vollständig zitierten Absätze der Entscheidung liest, fällt auf, dass die Schiedsrichter kaum Zweifel daran aufkommen lassen, dass Tribunalen bereits eingeleiteter Verfahren nicht durch spätere Deklarationen die Zuständigkeit entzogen werden könne. Die Pauschalität dieser apodiktischen Würdigung veranschaulicht, dass diese ebenso in Bezug auf das Beendigungsübereinkommen fruchtbar gemacht werden könnte. Schließlich wurde es darin ebenso offenkundig für notwendig erachtet, Intra-EU-BIT – neben der vermeintlichen Tatsache der langjährigen Unanwendbarkeit der Schiedsklauseln – ausdrücklich zu beenden. „In any event, the kind of interpretative declaration described in Article 31(3)(a) of the VCLT may only specify or clarify the meaning or scope attributed to the treaty by the Contracting States, but it cannot modify treaty obligations. Given the wording and structure of Article 31 of the VCLT, an interpretative declaration may only constitute one element to be taken into account together with the context when interpreting the treaty in accordance with the general rules of interpretation enshrined in Article 31. It cannot however override the meaning revealed by the terms of the treaty. Consequently, the January 2019 Declarations could not retroactively invalidate Article 10 of the Germany-Czech Republic BITand the clearly formulated offer to arbitrate contained therein. Even if the Arbitral Tribunal accepted that the January 2019 Declarations constituted subsequent agreements to interpret or apply intra-EU BITs, it cannot accept that they should be given retroactive effect to require the termination of the present arbitration proceedings. These latter were initiated in good faith before the issuance of the January 2019 Declarations, and even before the rendering of the Achmea judgment. The fundamental principle of acquired rights does not permit States to deprive investors of their right to arbitration under a long-standing BIT mid-way through the arbitration by simply issuing an interpretative declaration. This is all the more true, since the January 2019 Declarations reveal 1632

Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/17/27, (Award of the Tribunal), Rn. 214; Hervorh. d. Verf. 1633 A. M. F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic, PCA Case No. 2017-15, (Final Award), Rn. 337 f.

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

that its signatories themselves do not believe that intra-EU BITs have been terminated, and consider that further future action is necessary to achieve this result […].“1634

In diese Richtung gehend konstatierte das Tribunal im Verfahren Eskosol S. p. A. v. Italian Republic: „In the Tribunal’s view, it would be inconsistent with general notions of acquired rights under international law to permit States effectively to non-suit an investor part-way through a pending case, simply by issuing a joint document purporting to interpret long-standing treaty text so as to undermine the tribunal’s jurisdiction to proceed.“1635

Diese Passagen zeigen die Zurückhaltung von Schiedsrichtern bei der Auslegung von Intra-EU-BIT über spätere Übereinkünfte oder Völkerrechtssätze im weitesten Sinne. Im Rahmen der Prüfung des Art. 31 VCLT ist Ausgangspunkt einer Auslegung stets Treu und Glauben („good faith“), die gewöhnliche Bedeutung der Bestimmungen („ordinary meaning“) und Ziel und Zweck des Vertrags („object and purpose“). Schwierigkeiten bereitet vor diesem Hintergrund die Hypothese, dass Schiedsklauseln entgegen ihrer eigentlichen Bedeutung aufgrund eines späteren Vertrags vollumfänglich unanwendbar geworden sind. Dies widerspricht jedenfalls Ziel und Zweck eines BIT, steht in keinerlei Verhältnis zur gewöhnlichen Bedeutung der Bestimmungen und ist mit Blick auf das Vertrauen der Investoren in Schiedsklauseln auch schwerlich in Einklang mit Treu und Glauben. Hinzu kommt, dass im Beendigungsübereinkommen selbst lediglich festgestellt wird, dass die Schiedsklauseln nicht als Rechtsgrundlage für Schiedsverfahren dienen können. Wie auch bereits in den Januar-Deklarationen fehlt ein darüberhinausgehender tatsächlicher Beitrag zur Auslegung der BIT – um die es bei der Prüfung des Art. 31 VCLT ja geht. Angesichts dessen ist es lediglich die (hier befürwortete) weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „relevant“, die eine Berücksichtigung des Übereinkommens über Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT überhaupt ermöglichen würde. Schließlich enthält jenes über die bloße Feststellung der Unanwendbarkeit hinaus keine die Auslegung betreffenden – und damit möglicherweise einschlägigen – Anhaltspunkte. Die Bedeutung des Übereinkommens für die Auslegung – sollte es über Art. 31 Abs. 3 lit. c) VCLT in sie einfließen – ist somit ohnehin als gering einzustufen (s. o.). In anhängigen und neuen Schiedsverfahren, die vor Inkrafttreten des Beendigungsübereinkommens eingeleitet wurden und werden, dürfte Art. 31 Abs. 3 lit. a) und c) VCLT zwar eine übergeordnete Rolle sowohl in der Argumentation der Gaststaaten sowie möglicherweise der Europäischen Kommission spielen. Dass Schiedsgerichte Intra-EU-BIT gem. Art. 31 VCLT jedoch so auslegen werden, dass die darin enthaltenen Schiedsklauseln ab dem Zeitpunkt, zu dem der letzte Ver1634

Ibid.; Hervorh. d. Verf. Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 226; Hervorh. d. Verf.; dem zustimmend Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/37, (Decision on Croatia’s Jurisdictional Objection Related to the Alleged Incompatibility of the BIT with the EU Acquis), Rn. 290. 1635

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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tragsstaat des maßgeblichen BIT ein Mitgliedstaat der Europa¨ ischen Union geworden ist, unanwendbar wurden und dass daher die eigene Zuständigkeit zu verneinen sei, ist gleichwohl unwahrscheinlich. Unabhängig von der grundsätzlichen Tendenz der Schiedsrichter, ihre Zuständigkeit zu bejahen (s. o.), wäre eine solche Auslegung kaum mit den in Art. 31 Abs. 1 VCLT festgeschriebenen Kriterien vereinbar. 3. Verteidigungsmöglichkeiten für Investoren in Schiedsverfahren Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass es aus Sicht eines Gaststaats zwar durchaus Anhaltspunkte gibt, im Lichte des Beendigungsübereinkommens dafür einzutreten, dass ein Schiedsgericht für die Streitbeilegung unzuständig sei. Die bisherige schiedsgerichtliche Rechtsprechung hinsichtlich der Januar-Deklarationen sowie allgemein zur Intra-EU Jurisdictional Objection bzw. Achmea-Objection (s. o.) hat indes deutlich gemacht, dass Schiedsrichter ihre Zuständigkeit nicht alleine aufgrund des Konflikts zwischen Unionsrecht und Intra-EU-BIT verneinten. Dass sich dies durch Unterzeichnung bzw. Inkrafttreten des Beendigungsübereinkommens ändern wird, darf – wie soeben dargelegt – bezweifelt werden, ist allerdings auch nicht ausgeschlossen. Investoren mögen sich vor diesem Hintergrund fragen, inwieweit sie ihre Rechte aus den BIT gleichwohl erfolgreich durchsetzen können. Außer Acht gelassen werden hier die „anhängigen Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 5 BÜ, in denen bereits ein Schiedsspruch ergangen ist. Die Handlungsmöglichkeiten von Investoren in diesen Konstellationen wurden bereits dargelegt (s. o.).1636 Ebenfalls keine Rolle spielen im Folgenden solche („neue“) Schiedsverfahren, die erst nach dem Inkrafttreten des Beendigungsübereinkommens eingeleitet werden sollen. Hinsichtlich dieser ist es eine Frage der finanziellen Möglichkeiten des Investors, ob er das Risiko eingehen will, dass ein Schiedsgericht – erwartungsgemäß – entscheiden könnte, dass durch das Beendigungsübereinkommen die Intra-EU-BIT und die sunset clauses beendet wurden und infolgedessen kein Schutz mehr besteht. Gleichwohl besteht auch in diesen Fällen die Möglichkeit, dass sich ein Schiedsgericht für zuständig hält.1637 Insbesondere eine analoge Anwendung des Art. 37 Abs. 2 VCLT und 1636

Siehe auch Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (236 f.). Siehe Svea Court of Appeal, Urteil vom 22. Februar 2019, T 8538-17, T 12033-17 S. 51 ff. (abrufbar unter https://www.italaw.com/sites/default/files/case-do cuments/italaw10447.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe dazu insb. Schlussantra¨ ge der Generalanwältin Juliane Kokott, 22. April 2021, Rs. C-109/20, Polen/PL Holdings Sàrl, ECLI: EU:C:2021:321; siehe dazu auch Janssen/Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (130 f.); Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 394 f.; Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 57); Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/17/27, (Award of the Tribunal), Rn. 222 ff.; dies sogar für wahrscheinlich haltend Kochenov/Lavranos, Achmea versus the Rule of Law: CJEU’s Dogmatic Dismissal of Investors’ Rights in Backsliding Member States of the European Union, Hague Journal on the 1637

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

eine direkte Anwendung des Art. 70 Abs. 1 lit. a) und b) VCLT dürften dann zur Diskussion stehen (s. o.). In allen anderen Schiedsverfahren, die bereits eingeleitet wurden bzw. noch bis zum Inkrafttreten des Übereinkommens eingeleitet werden und bislang noch nicht abgeschlossen wurden und sich die klagenden Investoren nicht für eine der Übergangsmaßnahmen in Art. 9 und 10 BÜ entscheiden, steht die Frage nach Verteidigungsmöglichkeiten im Schiedsverfahren im Raum. Wie es bereits bislang stets praktiziert wurde, sollten sich Investoren auch weiterhin daranhalten, zu begründen, weshalb der Konflikt zwischen Unionsrecht und Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT nicht zur Unzuständigkeit des Tribunals führen kann. Vor allem im Rahmen der Normen der VCLT – insbesondere Art. 59 Abs. 1, Art. 30 Abs. 1, 3, Art. 31 Abs. 1, 3 lit. a), c) VCLT – lässt sich an sämtliche Tatbestandsmerkmale anknüpfen, um eine Anwendbarkeit jener zu verneinen. Im Zentrum dürfte dabei stehen, dass sich weder die Unionsverträge und Intra-EU-BIT noch das Beendigungsübereinkommen und Intra-EU-BIT auf „denselben Gegenstand“ beziehen könnten. Neben diesen normbezogenen Argumenten, von welchen sich Schiedsgerichte bisher haben überzeugen lassen, dürften auch das Bemühen völkerrechtlicher Grundsätze wie „general notions of acquired rights under international law“1638 bzw. „fundamental principle of acquired rights“1639 Gehör finden. Speziell in Verfahren vor ICSID-Schiedsgerichten auf Basis der ICSID-Konvention lässt sich eine starke Argumentation aus Art. 25 Abs. 1 ICSID-Konvention stricken. Dessen Wortlaut ist sich erneut zu vergegenwärtigen: „Article 25 (1) The jurisdiction of the Centre shall extend to any legal dispute arising directly out of an investment, between a Contracting State (or any constituent subdivision or agency of a Contracting State designated to the Centre by that State) and a national of another Contracting State, which the parties to the dispute consent in writing to submit to the Centre. When the parties have given their consent, no party may withdraw its consent unilaterally.“1640

Im Zentrum dieser Argumentation steht der hervorgehobene Art. 25 Abs. 1 S. 2 ICSID-Konvention. Auch in der Präambel der ICSID-Konvention wird der dahinterstehende Gedanke unterstrichen: „[…] Recognizing that mutual consent by the parties to submit such disputes to conciliation or to arbitration through such facilities constitutes a binding agreement which requires in Rule of Law 2021 (abrufbar unter https://doi.org/10.1007/s40803-021-00153-7, zuletzt abgerufen am 1. September 2021) („It is submitted that they will in all likelihood accept their jurisdiction, despite the risk that their awards may not be enforceable within the EU.“). 1638 Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 226. 1639 A. M. F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic, PCA Case No. 2017-15, (Final Award), Rn. 338. 1640 Hervorh. d. Verf.

C. Rechtliche Würdigung des Beendigungsübereinkommens

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particular that due consideration be given to any recommendation of conciliators, and that any arbitral award be complied with; […]“

In dem Moment, in dem ein Investor das in der Schiedsklausel eines BIT enthaltene Angebot bzw. die Zustimmung eines Gaststaats annimmt, ist es diesem Staat dementsprechend nicht mehr möglich, das BIT mit der Folge zu beenden, dass bereits für die betroffene Streitigkeit keine Grundlage mehr bestand. Eine einmal geschlossene Schiedsvereinbarung ist gem. Art. 25 Abs. 1 S. 2 ICSID-Konvention unwiderruflich. Dies gilt insbesondere auch, wenn vom Gaststaat nachträglich – also nach der Annahme durch den Investor – eine irgendwie geartete Norm erlassen wird, die es ihm verbietet, eine entsprechende Zustimmung zu geben.1641 Immerhin wurde hier bereits eine Schiedsvereinbarung geschlossen. Insbesondere für Schiedsverfahren, die vor Inkrafttreten des Beendigungsübereinkommens auf Basis der ICSIDKonvention eingeleitet werden, greift Art. 25 Abs. 1 S. 2 ICSID-Konvention und werden Schiedsgerichte erwartungsgemäß ihre Zuständigkeit bejahen. Eine von Gaststaaten und der Europäischen Kommission in diesem Zusammenhang bereits vor Unterzeichnung des Beendigungsübereinkommens bemühte Argumentation ist aber, dass bereits die Unionsrechtswidrigkeit der BIT vor Einleitung von Schiedsverfahren dazu geführt haben müsste, dass eine Zustimmung zur Einleitung eines Schiedsverfahrens nicht gegeben werden konnte.1642 Diese Auffassung hat seit Ergehen der Achmea-Entscheidung an Boden gewonnen. Schließlich hat der EuGH festgestellt, dass Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT unionsrechtswidrig und daher unanwendbar sind, sodass jedenfalls für Verfahren, die nach dem 6. März 2018 eingeleitet wurden, eine entsprechende Zustimmung nicht mehr möglich gewesen sein könnte. In der schiedsgerichtlichen Rechtsprechung wurde dem seither nicht gefolgt.1643 Immerhin wurde bislang – soweit ersichtlich – lediglich über die Situation für die Einleitung eines Verfahrens vor dem 6. März 2018 entschieden. Ob sich diese Rechtsprechung für diese Verfahren – neue Schiedsverfahren i. S. d. Art. 1 Nr. 6 BÜ – auch vor dem Hintergrund des Beendigungsübereinkommens ändert, bleibt abzuwarten. In der Literatur wird vertreten, dass es unwahrscheinlich sei, dass eine Regelung des Gaststaats, die bereits im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens in Kraft war und eine dahingehende Zustimmung womöglich verbietet bzw. verboten hätte, von 1641

Schreuer/Malintoppi/Reinisch/Sinclair, The ICSID Convention, Art. 25 Rn. 625. Siehe UP (formerly Le Chèque Déjeuner) and C.D Holding Internationale v. Hungary, ICSID Case No. ARB/13/35, (Award), Rn. 244; Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 75. 1643 Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/13/27, (Award), Rn. 592 f.; UP (formerly Le Chèque Déjeuner) and C.D Holding Internationale v. Hungary, ICSID Case No. ARB/13/35, (Award), Rn. 263 f.; Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/17/27, (Award of the Tribunal), Rn. 213 ff.; Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 200 ff., 226. 1642

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

einem Schiedsgericht insoweit berücksichtigt wird, dass es die eigene Zuständigkeit verneint.1644 In diesem Sinne ist sich auch zu vergegenwärtigen, dass die Schiedsgerichte der Achmea-Entscheidung auch an anderen Stellen ihrer Prüfung wenig Relevanz beigemessen haben (s. o.).1645 Dass die EuGH-Richter am 6. März 2018 also feststellten, dass sämtliche Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT seit dem Zeitpunkt, zu dem die letzte Partei jener Mitgliedstaat der Europäischen Union wurde, unionsrechtswidrig sind, könnte für die Tribunale daher auch keinen maßgeblichen Unterschied hinsichtlich der Feststellung des Vorliegens einer Schiedsvereinbarung auch für Fälle einer Einleitung nach diesem Datum machen. Gleichwohl ist der Argumentation, dass seit Ergehen der Achmea-Entscheidung sowie auch der Januar-Deklarationen offenkundig ist, dass Schiedsklauseln in IntraEU-BIT nicht mit Art. 267 und 344 AEUV vereinbar und daher unanwendbar auch mit Blick auf Art. 25 Abs. 1 ICSID-Konvention sind, übergeordnete Bedeutung beizumessen. Schließlich ist ab diesem Datum auch das berechtigte Vertrauen der Investoren in Rechtsschutz über betroffene BIT gemildert. Investoren sollten vor diesem Hintergrund versuchen darzulegen, dass die Vertragsstaaten der BIT zwar die „masters of their treaties“ seien und daher einer Beendigung jener mit ex nuncWirkung nichts entgegenstehe. Dass sie ohnedies aber dem Grundsatz der Rechtssicherheit („general principles of legal certainty“) und „res inter alios acta, aliis nec nocet nec prodest“ verpflichtet seien1646 sowie ihre „legitimate expectations“ zu würdigen bzw. den „estoppel“-Grundsatz zu wahren haben1647 und daher bis zum Zeitpunkt der formellen Beendigung der BIT durch Inkrafttreten des Übereinkommens weder die Achmea-Entscheidung noch die Januar-Deklarationen oder die bloße Unterzeichnung des Übereinkommens eine Unwirksamkeit der Zustimmung in der Schiedsklausel bedeuten könne. Immerhin waren Schiedsgerichte auch bisher 1644

Schreuer/Malintoppi/Reinisch/Sinclair, The ICSID Convention, Art. 25 Rn. 625 ff. Siehe Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/17/27, (Award of the Tribunal), Rn. 208, 210 („[…] the Tribunal must analyze whether there is a valid consent to arbitrate under Article 25 of the ICSID Convention. An ICSID tribunal cannot abandon this mandate and blindly follow the determination of another adjudicatory body. It must carry out its own analysis. […] Thus, even if the Tribunal were willing to pay deference to the CJEU’s reasoning, the Achmea Decision would give no guidance on the issues which must be resolved to determine whether the EU Treaties preclude the application of Article 8 of the BIT as a matter of international law“); Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 153 („[…] the Tribunal accepts that the judgments of the CJEU constitute settled and decisive interpretations of the particular issues of EU law that they actually reach. However, the implications of such EU law decisions for proceedings in the broader international order, governed not by EU law but by multilateral agreements like the ICSID Convention and the ECT, remain open to assessment.“) 1646 Vgl. Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/17/27, (Award of the Tribunal), Rn. 222. 1647 Bray/Kapoor, Agreement on the Termination of Intra-EU BITs: Sunset in Stone?, Kluwer Arbitration Blog, 4. November 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/202 0/11/04/agreement-on-the-termination-of-intra-eu-bits-sunset-in-stone/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); vgl. auch Signorelli, ESIL 23/2019, S. 26 f. 1645

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empfänglich für die Behauptung, die Achmea-Entscheidung habe keine Aussage über ICSID-Schiedsverfahren getroffen.1648 Außerdem wurde bereits hinsichtlich der Januar-Deklarationen angenommen, dass die Feststellung der Unanwendbarkeit von Schiedsklauseln in sämtlichen Intra-EU-BIT über das hinausgeht, was die EuGHRichter feststellten.1649 Dass der 6. März 2018 mithin auch tatsächlich nicht der „Stichtag“ dafür ist, dass ab dann die Zustimmung bzw. das Angebot eines Gaststaats als unwirksam anzusehen ist, lässt sich gut begründen. Diese Argumentationslinie kann auch hinsichtlich Verfahren außerhalb der ICSID-Konvention fruchtbar gemacht werden.1650 Dort ist Grundlage des Verfahrens ebenfalls eine Schiedsvereinbarung nach den oben beschriebenen Grundsätzen. Die Unwiderruflichkeit der Zustimmung eines Gaststaats ist Ausfluss des pacta sunt servanda-Prinzips und somit auf Schiedsvereinbarungen im Allgemeinen anwendbar.1651 Abschließend soll noch darauf verwiesen werden, dass Investoren, wenn sich Schiedsgerichte in diesem Sinne gerade aufgrund des Beendigungsübereinkommens für unzuständig erklären, als „last resort“ noch die Möglichkeit der Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen vor dem Hintergrund der Francovich-Rechtsprechung1652 des EuGH offen steht.1653 4. Zwischenergebnis Das Beendigungsübereinkommen hat an verschiedenen Stellen Folgen für die bisherige Rechtsprechung der Schiedsgerichte. 1648

Siehe UP (formerly Le Chèque Déjeuner) and C.D Holding Internationale v. Hungary, ICSID Case No. ARB/13/35, (Award, 9. Oktober 2018), Rn. 214; United Utilities B. V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia, ICSID Case No. ARB/14/24, (Award of the Tribunal), Rn. 540. 1649 Eskosol S. p. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50, (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection), Rn. 213; Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/37, (Decision on Croatia’s Jurisdictional Objection Related to the Alleged Incompatibility of the BIT with the EU Acquis), Rn. 287; Baltag/ Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 48); vgl. auch Dederer, RIW 2019, 397 (398 Fn. 32). 1650 Vgl. Tropper, The treaty to end all investment treaties. The Termination Agreement of intra-EU BITs and its effect on sunset clauses, Völkerrechtsblog, 12. Mai 2020, https://voelker rechtsblog.org/de/the-treaty-to-end-all-investment-treaties/, (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1651 Schreuer/Malintoppi/Reinisch/Sinclair, The ICSID Convention, Art. 25 Rn. 598. 1652 EuGH, Urteil vom 19. November 1991, verbundene Rs. C-6/90 u. 9/90, Francovich, ECLI:EU:C:1991:428. 1653 Vgl. auch Nikolov/Schneider, SchiedsVZ 2020, 138 (142) zum Redebeitrag von Nikos Lavranos auf der 12. Tagung des Krickenbecker Kreises zum Internationalen Investitionsrecht auf Schloss Montabaur vom 17. bis 18. Januar 2020 und Baltag/Stanicˇ /Gonin/O’Reilly, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 63 (86 ff.).

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Die wesentlichste Folge ist die endgültige Beendigung betroffener Intra-EU-BIT inklusive der sunset clauses ab dem Tag des Inkrafttretens des Übereinkommens für die jeweiligen Vertragsparteien. Ab diesem Zeitpunkt eingeleitete Schiedsverfahren dürften mangels Angebots bzw. Zustimmung des Gaststaats erfolglos bleiben. Doch auch bereits anhängige sowie bis zum Inkrafttreten eingeleitete Schiedsverfahren lässt das Übereinkommen nicht gänzlich unberührt. Gleichwohl dürften weiterhin Art. 59 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 3 VCLT zur Begründung der Beendigung oder Unanwendbarkeit der Intra-EU-BIT bzw. deren Schiedsklauseln verneint werden. Auch Art. 31 Abs. 3 VCLT wird wohl nicht dazu führen, dass Schiedsrichter Intra-EU-BIT so auslegen, dass deren Schiedsklauseln auch vor Inkrafttreten des Beendigungsübereinkommens keine Anwendung mehr finden können. Insbesondere auf Basis von Art. 25 Abs. 1 S. 2 VCLT bzw. dem pacta sunt servanda-Prinzip können Investoren in anhängigen und neuen Schiedsverfahren im Sinne der Terminologie des Beendigungsübereinkommens, die vor Inkrafttreten des Beendigungsübereinkommens eingeleitet werden, für die Zuständigkeit entsprechender Tribunale streiten. Die größte Hürde für Investoren dürfte darin bestehen, dass deren – berechtigte – Erwartungen hinsichtlich des Schutzes über BIT seit dem 6. März 2018 gemindert wurden und sie daher nicht unerheblich weniger schutzwürdig scheinen. Genau in diese Problematik strahlt das Beendigungsübereinkommen, indem es den Stichtag für die Klassifizierung der Verfahrenskategorien in abgeschlossene, neue und anhängige Schiedsverfahren auf ebendieses Datum festlegt. Bereits festgestellt wurde zwar, dass die Bestimmungen hinsichtlich der Behandlung dieser Verfahren keine direkten Auswirkungen auf jene haben, sondern lediglich Handlungen der Signatarstaaten im Rahmen dieser vorschreiben (s. o.).1654 Dennoch legen die Signatarstaaten damit die Basis für ihre dahingehende Argumentation. Letztlich spiegeln die Regelungen des Beendigungsübereinkommens zur Behandlung der kategorisierten Verfahren – also insb. Art. 4 Abs. 1, Art. 5 und Art. 7 BÜ – das Verständnis wider, was die Signatarstaaten auch bereits zuvor ihrer Argumentation vor Schiedsgerichten zugrunde legten. Zu begrüßen wäre, wenn Schiedsgerichte dies erkennen und dementsprechend ganz unabhängig davon, dass die Signatarstaaten dies völkervertraglich festhielten, über die Eigenschaft des 6. März 2018 als tatsächlicher „Stichtag“ für die Einleitung von Schiedsverfahren entscheiden würden. Sofern sie indessen gerade auf Basis von Art. 5 i. V. m. Art. 1 Nr. 6 BÜ urteilen, dass deshalb ab dem 6. März 2018 kein Angebot bzw. keine Zustimmung durch betroffene Gaststaaten mehr vorlag bzw. vorliegt, dann ebnen sie den Weg für eine schlechthin völkerrechtswidrige Schiedspraxis. Vor allem aber würden sie die Aussage des Beendigungsübereinkommens verkennen und jenes in ein bedenkliches Licht rücken.

1654

Siehe insb. Art. 7 BÜ.

D. Praktische Konsequenzen

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III. Zwischenergebnis Die vielfach geäußerten Bedenken hinsichtlich der Völkerrechtskonformität des Beendigungsübereinkommens greifen letztlich nicht durch. Die Beendigung der Intra-EU-BIT selbst ist gem. Art. 54 lit. b) VCLT als Ausfluss der Autonomie der Vertragsparteien rechtlich nicht zu beanstanden. Ebenso ist die einvernehmliche Beendigung der sunset clauses besagter BIT richtigerweise völkerrechtlich möglich. Da die darüber und über die Übergangsmaßnahmen hinausgehenden Bestimmungen des Übereinkommens hinsichtlich der Behandlung abgeschlossener, anhängiger und neuer Schiedsverfahren lediglich deklaratorischen Charakters sind, überzeugt es, auch diese als völkerrechtskonform anzusehen. Zu hoffen ist, dass hiermit befasste Tribunale dies ebenso sehen. Im Lichte der bisherigen Schiedspraxis, dürfte das Beendigungsübereinkommen selbst keinen entscheidenden Faktor für eine festzustellende Unzuständigkeit eines Tribunals in einem Verfahren sein, das vor Inkrafttreten des Übereinkommens eingeleitet wurde bzw. wird.1655 Schließlich liegt es nahe, in diesen Fällen das (unwiderrufliche) Bestehen einer Schiedsvereinbarung anzunehmen.1656 Ändern könnte sich dies lediglich, wenn auch Schiedsgerichte – entsprechend dem Verständnis der Signatarstaaten des Beendigungsübereinkommens – den 6. März 2018 als „Stichtag“ für die Unwirksamkeit des Angebots bzw. der Zustimmung der Gaststaaten zur Einleitung eines Schiedsverfahren sehen. Verfahren, die erst nach Inkrafttreten des Übereinkommens eingeleitet werden, dürften mangels Zuständigkeit des Tribunals erfolglos bleiben. Gleichwohl ist zu erwarten, dass es zu entsprechenden Verfahren kommen wird.1657 Die in dieser Hinsicht ergehenden Entscheidungen werden Klarheit hinsichtlich der völkerrechtlichen Behandlung einvernehmlich beendeter sunset clauses herbeiführen.

D. Praktische Konsequenzen In dieser abschließenden Rubrik der vorliegenden Arbeit, sollen die praktischen Konsequenzen des Beendigungsübereinkommens beleuchtet werden.

1655 Vgl. auch Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 58) („There are compelling arguments that neither Achmea nor the Draft Intra-BIT Termination Agreement will actually prevent the survival of investor-State arbitrations.“). 1656 Vgl. Tropper, The treaty to end all investment treaties. The Termination Agreement of intra-EU BITs and its effect on sunset clauses, Völkerrechtsblog, 12. Mai 2020, https://voelker rechtsblog.org/de/the-treaty-to-end-all-investment-treaties/, (zuletzt abgerufen am 1. September 2021) und Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 57). 1657 Ebenso Janssen/Wahnschaffe, Int. ALR 2019, 117 (126); siehe auch bereits JCDecaux SA v. Czech Republic, ICSID Case No. ARB/20/33 und OTP Bank Plc v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/20/43.

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Einleitend wird zunächst in Ergänzung zur vorangehenden Analyse hinsichtlich der Einordnung des Übereinkommens in die schiedsgerichtliche Praxis ein kurzer Überblick über die vom Beendigungsübereinkommen adressierten Schiedsverfahren gegeben (I.). Die Problematik, mit der sich in entsprechenden Schiedssprüchen befasst werden wird, ist von besonderer Empfindlichkeit (s. o.). Allerdings ist die weitaus gewichtigere Konsequenz des Beendigungsübereinkommens, dass es ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens für alle Signatarstaaten und vor dem Hintergrund, dass die Staaten, die das Übereinkommen nicht unterzeichneten, ihre Intra-EU-BIT bilateral beenden, keine BIT mehr zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geben wird. Gleichzeitig bestehen derartige Abkommen weiterhin gänzlich außerhalb der Europäischen Union,1658 mit der Europäischen Union1659 und in Form von Extra-EU-BIT auch mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Dies weckt Bedenken mit Blick auf eine mögliche Rechtsschutzlücke im Rechtssystem der Europäischen Union. Zuvörderst stellt sich daher die Frage, ob es infolge der Beendigung der Intra-EU-BIT zu einem sog. treaty shopping kommen kann und wird (II.). Eng damit verknüpft, jedoch nicht notwendig gleich zu beantworten ist die Frage, ob vor diesem Hintergrund ein Handlungsbedarf der Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuerkennen ist und wie einem solchen genüge getan werden kann (III.). Entsprechende Handlungsmöglichkeiten werden benannt und ein aus Sicht des Verfassers vorzugswürdiges Maßnahmenpaket skizziert.

I. Betroffene Verfahren Das Beendigungsübereinkommen adressiert durch die Klassifizierung in abgeschlossene, anhängige und neue Schiedsverfahren i. S. d. Art. 1 Nr. 4, 5 und 6 BÜ sämtliche Verfahren die je auf Basis von Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT eingeleitet wurden und werden. Während abgeschlossene Schiedsverfahren alle solche sind, die mit einer gütlichen Einigung der Vertragsparteien endeten oder in denen bis zum 6. März 2018 ein „endgültiger Schiedsspruch“ i. S. d. Art. 1 Nr. 4 lit. a) und b) BÜ erging, sind neue Schiedsverfahren alle solche, die am oder nach diesem Datum eingeleitet wurden bzw. werden. Alle anderen Verfahren sind als anhängige Schiedsverfahren anzusehen. Wie bereits gesehen, ist die Terminologie des Übereinkommens in dieser Hinsicht nicht als geglückt anzusehen.1660 Da das Übereinkommen abgeschlossene Schiedsverfahren ausweislich Art. 6 Abs. 1 BÜ „unberührt“ lässt, stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit hier anhängige und neue Schiedsverfahren. Wie bereits gesehen, sind die Bestimmungen des Übereinkommens zur Regelung dieser – Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 BÜ – lediglich 1658

Siehe neben BIT zwischen Drittstaaten bspw. auch das North American Free Trade Agreement (NAFTA). 1659 Siehe bspw. das CETA (s. o.), das Agreement between the EU and Japan for an Economic Partnership und das EU-Vietnam Investment Protection Agreement. 1660 Ebenso Nardell/Rees-Evans, ArbIntl 2020, 197 (201).

D. Praktische Konsequenzen

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deklaratorischer Natur. Über Art. 7 lit. a) und b) BÜ verpflichten sich die Signatarstaaten untereinander dazu, ihr in Art.4 Abs. 1 und Art. 5 BÜ deutlich werdendes Verständnis des Konflikts zwischen Unionsrecht und Intra-EU-BIT an die konkret hiermit befassten Spruchkörper heranzutragen und diese um eine entsprechende Entscheidung zu ersuchen. Die große Mehrheit an Verfahren fällt dabei in die Kategorie der „anhängigen Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 5 BÜ.1661 Immerhin umfasst diese Kategorie nicht nur alle Schiedsverfahren, die am 6. März 2018 tatsächlich noch vor einem Tribunal anhängig waren, sondern auch solche, die bis dahin nicht ordnungsgemäß vollstreckt wurden und bezüglich dieser kein Verfahren zur Anfechtung, Überprüfung, Aufhebung, Annullierung, Durchsetzung oder Wiederaufnahme oder ein ähnliches Verfahren anhängig war (vgl. Art. 1 Nr. 4 lit. a) BÜ). Daher ist beispielsweise auch das oben skizzierte Micula-Verfahren nicht als „abgeschlossenes Schiedsverfahren“ anzusehen, obwohl mit Beendigung des Aufhebungsverfahrens nach Art. 52 ICSID-Konvention am 26. Februar 20161662 die schiedsgerichtliche Ebene verlassen wurde (s. o.). Im Ergebnis spielt es aber – wie gesehen – keine Rolle, ob ein Verfahren als anhängig oder neu i. S. d. Terminologie des Übereinkommens eingeordnet wird. Relevant ist vielmehr die dieser Klassifizierung zugrundeliegende Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit besagter Schiedsklauseln durch den EuGH am 6. März 2018. Dies bestätigt auch Art. 7 BÜ, der hinsichtlich anhängiger und neuer Schiedsverfahren ungeachtet des Art. 5 BÜ dieselben Pflichten vorschreibt. Zahlreiche Verfahren wurden indes auch erst nach dem 6. März 2018 eingeleitet und fallen mithin unter die Kategorie der „neuen Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 6 BÜ.1663 Entsprechende Entscheidungen der darin angerufenen Tribunale dürfen mit besonderer Spannung erwartet werden.

1661 Siehe bspw. Horthel Systems BV, Poland Gaming Holding BV and Tesa Beheer BV v. Poland, PCA Case No. 2014-31; Edenred S. A. v. Hungary, ICSID Case No. ARB/13/21; UAB E energija v. Republic of Latvia, ICSID Case No. ARB/12/33; UP (formerly Le Chèque Déjeuner) and C.D Holding Internationale v. Hungary, ICSID Case No. ARB/13/35; Sodexo Pass International SAS v. Hungary, ICSID Case No. ARB/14/20; Dan Cake S. A. v. Hungary, ICSID Case No. ARB/12/9; A. M. F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic, PCA Case No. 2017-15; Addiko Bank AG and Addiko Bank d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/37; Raiffeisen Bank International AG and Raiffeisenbank Austria d. d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/34; siehe für einen Überblick über sämtliche „anhängige Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 5 BÜ https://investmentpolicy.unctad. org/investment-dispute-settlement (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1662 Ioan Micula, Viorel Micula, S. C. European Food S. A, S. C. Starmill S. R. L. and S. C. Multipack S. R. L. v. Romania [I], ICSID Case No. ARB/05/20, (Decision on Annulment). 1663 Siehe bspw. Alverley Investments Limited and Germen Properties Ltd v. Romania, ICSID Case No. ARB/18/30; Marko Mihaljevic v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/ 19/35; Société Générale S. A. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/19/33; Adria Group B. V. and Adria Group Holding B. V. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/20/6; JCDecaux SA v. Czech Republic, ICSID Case No. ARB/20/33; OTP Bank Plc v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/20/43; siehe für einen Überblick über sämtliche „neue

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Eine interessante Entwicklung trat im Verfahren Veolia Environnement S. A. and others v. Republic of Lithuania1664 auf. Dieses wurde im Jahre 2016 eingeleitet und ist noch anhängig.1665 Es ist daher „anhängiges Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 5 BÜ. Während die Investoren Veolia Environnement S. A. and others1666 ursprünglich Zahlung von über 100 Millionen EUR forderten, erhob die beklagte Republik Litauen Widerklage. Diese zog sie infolge der Unterzeichnung des Beendigungsübereinkommens dann aber zurück, um ihre Ansprüche vor nationalstaatlichen Gerichten geltend zu machen.1667 Vor diesem Hintergrund könnte es auch in anderen Verfahren zu parallelen Prozessen vor staatlichen Gerichten kommen.1668 Schließlich wird konstatiert, dass zahlreiche Investoren („numerous investors“) ihre Klagen unter Verweis auf die Achmea-Entscheidung zurückgezogen haben.1669

II. Treaty Shopping Mit der Beendigung der Intra-EU-BIT und auch bereits mit der Achmea-Entscheidung wurde vielfach das sog. treaty shopping1670 in Verbindung gebracht. Der Schiedsverfahren“ i. S. d. Art. 1 Nr. 6 BÜ https://investmentpolicy.unctad.org/investment-dispu te-settlement (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1664 Veolia Environnement S. A. and others v. Republic of Lithuania, ICSID Case No. ARB/ 16/3. 1665 Siehe zu den Verfahrensdetails https://icsid.worldbank.org/cases/case-database/case-de tail?CaseNo=ARB/16/3 (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1666 UAB Litesko, UAB Vilniaus Energija, Veolia Baltics and Eastern Europe S. A. S. 1667 Siehe Bray/Kapoor, Agreement on the Termination of Intra-EU BITs: Sunset in Stone?, Kluwer Arbitration Blog, 4. November 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/202 0/11/04/agreement-on-the-termination-of-intra-eu-bits-sunset-in-stone/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe auch ISDS-Platform Newsletter vom 28. März 2021, https://isds.bila terals.org/?washington-arbitration-to-open&lang=en (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1668 Ebenso Bray/Kapoor, Agreement on the Termination of Intra-EU BITs: Sunset in Stone?, Kluwer Arbitration Blog, 4. November 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbitration. com/2020/11/04/agreement-on-the-termination-of-intra-eu-bits-sunset-in-stone/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1669 So Baltag/Stanicˇ /Stanicˇ , The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 143 (162) verweisend auf Yong, Airbus withdraws treaty claim against Poland, Global Arbitration Review, 22. Mai 2018, https://globalarbitrationreview.com/airbus-withdraws-treaty-claimagainst-poland (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1670 Dies ist die wohl gängigste Terminologie hinsichtlich dieser Praxis. Auch genannt wird sie beispielsweise „forum shopping“ (Andersen/Hindelang, JWIT 2016, 984 (1013)), „cherrypicking“ (Basener, Investment Protection in the European Union, S. 190, 333), „nationality hunting“ (Muchlinski/Ortino/Schreuer/Schlemmer, The Oxford Handbook of International Investment Law, S. 49 (S. 74)), „jurisdiction shopping“, „treaty planning“ (von Bogdandy/ Bogdanowicz/Canor/Grabenwarter/Taborowski/Schmidt/Sadowski, Defending Checks and Balances in EU Member States, 333 (357)) oder „nationality planning“ (Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S. 54 f.) bzw. „corporate nationality planning“ (Feldman, ICSID Rev. 2012, 281 (281 ff.)).

D. Praktische Konsequenzen

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Begriff treaty shopping beschreibt im Wesentlichen die Praxis, dass ein Investor durch gesellschaftsrechtliche Konstruktionen den Schutz eines bestimmten Investitionsschutzabkommens zu erreichen sucht.1671 Dies können Investoren in der Regel durch die Gründung einer Tochtergesellschaft in einem (Heimat-)Staat erreichen, mit dem der (Gast-)Staat, in welchem die Investition erfolgen soll, ein Investitionsschutzabkommen geschlossen hat.1672 Diese Praxis ist im Ergebnis nicht schlechthin als illegal oder illegitim anzusehen.1673 Allerdings scheint es bedenklich, einen Investor in den Genuss des Schutzes über ein Investitionsschutzabkommen kommen zu lassen, wenn dieser den Heimatstaat lediglich „nutzt“ um eben dies zu erreichen. Deshalb wird treaty shopping auch als prominenter Kritikpunkt an der Legitimität der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit auf Basis von Investitionsschutzabkommen aufgeführt.1674 Sollte dies schlicht hinzunehmen sein, dürfte ein Investor kaum je in Erwägung ziehen, seine Gesellschaftsstruktur nicht entsprechend auszurichten, sollte er in einem (Gast-)Staat investieren, dessen Gerichtssystem – aus seiner Sicht – wenig vertrauenswürdig ist. In diesem Sinne enthalten einige Investitionsschutzabkommen sog. Denial of Benefits-Klauseln.1675 Eine solche Klausel enthält beispielsweise das BIT zwischen der Republik Österreich und der Republik Malta1676 in Art. 10. Dieser lautet: „A Contracting Party may deny the benefits of this Agreement to an investor of the other Contracting Party and to its investments, if investors of a Non-Contracting Party own or control the first mentioned investor and that investor has no substantial business activity in the territory of the Contracting Party under whose law it is constituted or organized.“1677

Derartige Klauseln geben Gaststaaten einer Investition mithin die Möglichkeit, einem Investor die Vorteile des betreffenden Abkommens zu versagen, sollte dieser nicht tatsächlich substanzielle geschäftliche Tätigkeit („substantial business activity“) im Hoheitsgebiet des Heimatsstaats entfalten.1678 Dies gilt insbesondere dann, wenn jene bloße sog. „Briefkastengesellschaften“ im Heimatsstaat gründen. So 1671

Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 23 Rn. 15. Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S. 54; siehe eingehend zur Praxis des treaty shopping Baumgartner, Treaty Shopping in International Investment Law, S. 7 ff. und Chaisse, HBLJ 2015, 225 (225 ff.). 1673 Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S. 54; Nagy, GLJ 2018, 981 (1003). 1674 Vgl. Uzelac, AJEE 2019, 6 (18). 1675 Siehe eingehend zu diesen Klauseln Lange, Denial-of-Benefits-Klauseln in internationalen Investitionsschutzvertra¨ gen und Gastrell/Le Cannu, ICSID Rev. 2015, 78 (78 ff.). 1676 Agreement between the Republic of Austria and Malta on the Promotion and Mutual Protection of Investments (Inkrafttreten 1. März 2004). 1677 Siehe ebenso auch Art. 10 des Agreement between the Republic of Austria and the Republic of Slovenia on the mutual Promotion and Protection of Investments (Inkrafttreten 1. Februar 2002); siehe auch Art. 17 ECT. 1678 Legum, ArbIntl 2006, 521 (524); vgl. auch Dolzer/Schreuer, Principles of International Investment Law, S. 55 f. 1672

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

formulierte das Tribunal im Fall Ampal-American Israel Corporation and others v. Arab Republic of Egypt: „Denial-of-benefits clauses in investment treaties are generally designed to exclude from Treaty protections nationals of third States which claim rights through so-called ,mailbox‘ or ,shell‘ companies that have no economic connection to the state whose nationality is invoked.“1679

In diesem Sinne ließe sich nun befürchten, Investoren könnten aufgrund des Beendigungsübereinkommens und auch bereits aufgrund der Achmea-Entscheidung geneigt sein, sich gesellschaftsstrukturell so zu organisieren, dass sie weiterhin auch innerhalb der Europäischen Union in den Schutz von Investitionsschutzabkommen kommen.1680 Als solche Abkommen kommen neben Extra-EU-BIT (s. o.) insbesondere auch solche Abkommen in Betracht, welche die Europäische Union selbst mit Drittstaaten schließt – wie beispielsweise das Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) (s. o.). Unabhängig von einer Erweiterung der Gesellschaftsstruktur durch „Briefkastengesellschaften“ in Drittstaaten, käme insoweit für Investoren auch in Betracht, ihren Sitz tatsächlich in jene Staaten zu verlegen. Beides dürfte aus Sicht der Europäischen Union kaum erstrebenswert sein. Neben potentiellen volkswirtschaftlichen Nachteilen bedeutete diese Praxis, dass die über das System der Intra-EU-BIT beeinträchtigte Autonomie des Unionsrechts weiterhin vermehrt Verletzungen ausgesetzt wäre. Dies gilt zwar nicht für den Streitbeilegungsmechanismus im CETA (s. o.). Dort ist eine Beeinträchtigung der Unionsrechtsautonomie auch aus Sicht des EuGH ausgeschlossen (s. o.).1681 Allerdings lässt sich dies nicht auch für Extra-EU-BIT feststellen. Wie bereits gesehen, steht auch in Verfahren auf Grundlage solcher eine Unionsrechtsanwendung und damit einhergehend auch eine Verletzung der Art. 267 und 344 AEUV im Sinne der AchmeaEntscheidung im Raum. Durchaus misslich wäre es also, wenn die intensiven Bemühungen um die Beendigung des intra-unionalen Investitionsschutzrechts über Intra-EU-BIT dazu führen würden, dass dieses schlicht durch das extra-unionale Investitionsschutzrecht ersetzt würde. Dies wäre auch nicht im Sinne der Europäischen Kommission, welche in ihrer Mitteilung vom 19. Juli 2018 für einen hinreichenden unionsrechtlichen Investitionsschutz plädiert.1682 In dieser Mitteilung sucht sie insbesondere darzulegen, dass das Unionsrechtssystem grenzüberschreitend tä1679

Ampal-American Israel Corporation and others v. Arab Republic of Egypt, ICSID Case No. ARB/12/11, (Decision on Jurisdiction, 1. Februar 2016), Rn. 125, Hervorh. d. Verf. 1680 Vgl. Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Schreuer, International Investment Law, S. 1904 (1908 Rn. 18); siehe auch die dahingehende Kleine Anfrage einiger Bundestagsabgeordneter sowie der Fraktion der FDP vom 16. September 2020 „Investitionsschutz innerhalb der Europa¨ ischen Union“ BT-Drs. 19/22522 (abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/ btd/19/225/1922522.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 3, Frage Nr. 12. 1681 EuGH, Gutachten vom 30. April 2019, Nr. 1/17, Avis, ECLI:EU:C:2019:341; siehe dazu auch Scholtka, Anmerkung zu EuGH, Gutachten vom 30. April 2019, Nr. 1/17, NVwZ 2019, 868 (868 ff.). 1682 Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final.

D. Praktische Konsequenzen

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tigen Investoren im Binnenmarkt einen angemessenen und wirksamen Schutz bietet.1683 Dies ist zuvörderst so zu deuten, dass sich gerade auch die Europäische Kommission bewusst war und ist, dass das „Ende“ der Intra-EU-BIT einen Rückgang von intra-unionalen Investitionen bedeuten könnte. Auch in der Präambel des Beendigungsübereinkommens wird dies deutlich. Die Signatarstaaten räumen in Absatz 16 der Präambel ein, dass gegebenenfalls weitere Maßnahmen und Aktionen für einen „besseren Schutz grenzüberschreitender Investitionen“ und für „vorhersehbarere, stabilere und klarere rechtliche Rahmenbedingungen“ „notwendig“ seien, um im „Binnenmarkt Investitionsanreize zu schaffen“ (s. o.). Auch in der Literatur wurde die Sorge oder auch nur die Annahme formuliert, infolge der Achmea-Entscheidung könnte es vermehrt zu treaty shopping aus der Europäischen Union heraus kommen.1684 Ein „wohl überlegtes nationality planning“1685 wurde Investoren gar bereits Jahre vor der Achmea-Entscheidung nahe gelegt.1686 Auch nach Ergehen der Achmea-Entscheidung werden solche Empfehlungen aufrechterhalten.1687 In diesem Sinne statuiert Wilske gar, dass es ein „Armutszeugnis für die EU“ wäre, sollten Investitionen innerhalb der Europäischen Union über Investitionsvehikel in den USA, der Volksrepublik China oder dem Vereinigten Königreich erfolgen.1688 All dem ist zuzugestehen, dass BIT Investoren schlichtweg einen zusätzlichen Streitbeilegungsmechanismus ermöglichen. Für das Potential des treaty shopping kommt es somit zuvörderst gar nicht darauf an, ob und inwieweit das Unionsrecht einen tatsächlich mit den materiellen BIT-Bestimmungen vergleichbaren Schutzstandard bietet.1689 Maßgeblich ist vielmehr, welches Rechtsschutzsystem Investoren 1683

Ibid. S. 30. Nagy/Nagy, Investment Arbitration and National Interest, S. 137 (143 ff.) m. w. N.; Andenas/Pantaleo/Happold/Contartese/Happold/De Boeck, EU External Action in International Economic Law, S. 251 (276); Stöbener de Mora, Anmerkung zu BVerfG, Beschluss vom 23. Ma¨ rz 2020 – 2 BvQ 6/20, EuZW 2020, 427 (431); Nagy/Nagy, Investment Arbitration in Central and Eastern Europe, S. 1 (9 f.); Wierzbowski/Szostak, DRI 2019, 61 (66); Lavranos/ Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (356); Wernicke, NJW 2018, 1644 (1647) Behrens, RIW 2018, 701 (711). 1685 Engel, SchiedsVZ 2015, 218 (218). 1686 Ibid. (218 ff., 225). 1687 So Baltag/Stanicˇ /Stanicˇ , The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 143 (162) und Wilske, RIW 2018, vor 169 („Die erste Seite“); vgl. auch Bray/Kapoor, Agreement on the Termination of Intra-EU BITs: Sunset in Stone?, Kluwer Arbitration Blog, 4. November 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2020/11/04/agreement-on-the-terminationof-intra-eu-bits-sunset-in-stone/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe bzgl. des ECT Baltag/Stanicˇ /Talus/Särkänne, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 9 (S. 22). 1688 Wilske, RIW 2018, vor 169 („Die erste Seite“). 1689 Hierfür plädierend u. a. Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final und Kohen in Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/15/49, (Statement of Dissent of Professor Marcelo Kohen), Rn. 27 („[…] one can also mention that EU investors enjoy within the EU more substantial rights and privileges than non1684

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

als vorzugswürdig ansehen. In dieser Hinsicht dürfte entscheidend sein, dass Investoren stets Rechtsschutz vor nationalen Gerichten offensteht. Durch BIT ermöglichte schiedsgerichtliche Streitbeilegung stellt daher zusätzlichen, fakultativen Rechtsschutz dar. So formulierte das Achmea-Tribunal: „An essential characteristic of an investor’s rights under the BIT is the right to initiate UNCITRAL arbitration proceedings against a State party (as the host State) under Article 8 of the BIT. Such a consensual arbitration under well-established arbitration rules adopted by the United Nations, in a neutral place and with a neutral appointing authority, cannot be equated simply with the legal right to bring legal proceedings before the national courts of the host state; and, moreover, the locus standi of an investor under the BIT, with its broad definition of ,indirect‘ investments under Article 1, is unlikely to be replicated under the court procedures of an EU Member State.“1690

Aus Investorensicht dürfte es daher immer erstrebenswert sein, (neben den Rechtsbehelfen vor staatlichen Gerichten) unter den Schutz von BIT zu fallen.1691 In diese Richtung konstatiert auch Stöbener de Mora, dass der ersatzlose Wegfall der Investor-Staat-Schiedsgerichte das „Rechtsschutz- und Rechtsdurchsetzungsniveau in Europa absenken und investitionshemmend wirken“ würde.1692 Demgegenüber wird allerdings bezweifelt, ob Investoren allein deshalb ihren Sitz aus der Europäischen Union verlegen werden.1693 Hierfür mangele es auch an empirischen Nachweisen.1694 Auch Damjanovic und de Sadeleer lassen aus der fiktiven Perspektive eines imaginären Professors erklären: EU investors, even with regard to those non-EU investors having the benefit of the protection of BITs“); dies ablehnend u. a. Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Gaffney/Akçay, International Investment Law, S. 186 (196 Rn. 39) („Given the fact that intra-EU BITs grant higher protection standards to investors, […]“); Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Schreuer, International Investment Law, S. 1904 (1907 f. Rn. 17 f.) („The termination of these intra-EU BITs will leave a serious vacuum in the protection of investments within the EU“); Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (207) („Nonetheless, it must be concluded that the level of investor/investment protection will be significantly lowered in the EU once the termination agreement enters into force“); Stöbener de Mora, EuZW 2019, 140 (140) („Das geltende Binnenmarktrecht bietet keinen ausreichenden Rechtsschutz und vor allem keinen effektiven Durchsetzungsmechanismus“); Wilske, RIW 2018, vor 169 („Die erste Seite“) („schmerzhafte Rechtsschutzlücke“); siehe auch Baltag/Stanicˇ /Triantafilou/Pusztai, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 43 (S. 58 ff.) bzgl. Eigentumsschutz; siehe allg. hierzu auch Ludwigs/Remien/Wiedmann, Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S. 225 (232 ff.) und Behrens, RIW 2018, 701 (702 ff.); siehe allg. zum Investitionsschutz im Unionsrecht Andersen/ Hindelang, JWIT 2016, 984 (992 ff.) und Baltag/Stanicˇ /Gonin/O’Reilly, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 63 (S. 64 ff.). 1690 Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13 (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 264, Hervorh. d. Verf. 1691 Vgl. Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (368) m. w. N. 1692 Ibid. (369). 1693 Bungenberg, EuZW 2020, 445 (446). 1694 Ibid.; vgl. auch Baltag/Stanicˇ /Schreuer, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 1 (S. 3 f.) und Andersen/Hindelang, JWIT 2016, 984 (1013).

D. Praktische Konsequenzen

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„One should not be unnecessary dramatic. Investors are afforded substantive protection under both primary and secondary EU law given that the EU legal system provides for a complete system of remedies.“1695

Dem ist insoweit zuzustimmen, als dass tatsächlich schwerlich nachweisbar wäre, dass materiell-rechtliche Schutzbestimmungen in BIT stets gegenüber den materiellrechtlichen Bestimmungen im unionalen Primär- und Sekundärrecht zum Investitionsschutz vorteilhaft sind. In diesem Sinne konstatierte auch die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland: „Die Vera¨ nderungen von gesellschaftsrechtlichen Strukturen, wozu auch die Gru¨ ndung einer Holdinggesellschaft in Drittstaaten fu¨ r Investitionen in der EU geho¨ rt, unterliegt komplexen Entscheidungsprozessen, bei denen der Investitionsschutz wegen des hohen Rechtsschutzstandards in der EU nur eine geringfu¨ gige Rolle spielt.“1696

Hinzu kommt, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Zukunft geneigt sein könnten, zu demonstrieren, dass auch im geltenden Unionsrechtssystem hinreichender Schutz gewährt wird. Schließlich haben sie ein Interesse daran, dass grenzüberschreitend tätige Investoren auch in ihrem Hoheitsgebiet investieren. Dies zu fördern war immerhin auch ein Grund für den Abschluss von Investitionsschutzabkommen.1697 Die Annahme, treaty shopping würde durch die AchmeaEntscheidung und das Beendigungsübereinkommen nicht gefördert, ließe sich auch dadurch unterstreichen, dass – wie das Achmea-Verfahren auch zeigt – die Lösung des Konflikts zwischen Unionsrecht und Investitionsvölkerrecht schon seit längerem vor Schiedsgerichten diskutiert wird. Auch in der Vergangenheit haben sich Investoren – soweit ersichtlich – nicht davon abschrecken lassen, dass dieser Konflikt womöglich zur Unzuständigkeit eines Tribunals führen könnte. Und auch nach Ergehen der Achmea-Entscheidung ist eine dahingehende Entwicklung (noch) nicht zu erkennen. Demgegenüber hebt das Beendigungsübereinkommen diese Thematik auf eine andere Ebene. Zwar enthält das Übereinkommen hinsichtlich der Behandlung bereits anhängiger und neuer Schiedsverfahren i. S. d. Terminologie des Übereinkommens lediglich deklaratorische Regelungen (s. o.). Allerdings werden durch Art. 2 und 3 BÜ im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Übereinkommens sämtliche in Anhang A genannten BIT sowie die sunset clauses der in Anhang B genannten BIT mit ex nuncWirkung beendet. Ab diesem Zeitpunkt mag für Investoren zwar Rechtssicherheit eintreten. Allerdings fehlt ihnen ab dann der zusätzliche Schutz jener BIT. Es lässt sich zwar nicht feststellen, ob für einen Investor im Rahmen der Initiierung einer 1695 Imaginärer Professor des Unionsrechts „Van Gend en Loos“ in Damjanovic/de Sadeleer, EP 2019, 19 (59). 1696 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten vom 30. September 2020 „Investitionsschutz innerhalb der Europa¨ ischen Union“ BT-Drs. 19/22988 (abrufbar unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/229/1922988.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 7 f., Antwort auf Frage Nr. 12. 1697 Vgl. European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic, UNCITRAL (Award on Jurisdiction), Rn. 178.

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Investition stets relevant ist, inwieweit ihm im Falle eines Disputs Zugang zu Schiedsgerichten offen stehen wird.1698 Sollte es dann jedoch tatsächlich zu einer solchen Streitigkeit kommen, beginnt dies eine nicht nur untergeordnete Rolle zu spielen. Es ist also fraglich, weshalb sich ein international auftretender Investor, der in Zukunft eine Investition in einem Mitgliedstaat zu tätigen gedenkt, den Schutz über Extra-EU-BIT oder Abkommen der EU selbst mit Drittstaaten abschneiden sollte. Dass Extra-EU-BIT teilweise Denial of Benefits-Klauseln enthalten, dürfte insoweit keinen Unterschied machen.1699 Schließlich kann sich ein Investor im Vorfeld über derartige Klauseln im Abkommen zwischen Gaststaat und designiertem Heimatstaat informieren. Solange sich ein Investor im Rahmen solcher gesellschaftsstruktureller Gestaltungen im Einklang mit dem maßgeblichen BIT und gesellschaftsrechtlichen Regelungen bewegt, ist dieses treaty shopping auch kaum als verwerflich oder gar illegal anzusehen. Solange es der Europäischen Union also nicht gelingt, die auch durch Extra-EU-BIT drohende Beeinträchtigung der Unionsrechtsautonomie beispielsweise durch Beendigung oder Änderung jener BIT (entsprechend Art. 8.31 Abs. 2 CETA (s. o.)) in den Griff zu bekommen, sind solche Gestaltungen nicht nur hinzunehmen, sondern durchaus zu empfehlen. Als zu wählender Heimatstaat eines Investors ließe sich insoweit beispielsweise das Vereinigte Königreich erwägen. Mit dem Vereinigten Königreich sind bislang noch zwölf Extra-EU-BIT in Kraft (s. o.).1700 Nicht zu verkennen ist dabei jedoch das Risiko, dass mitgliedstaatliche Gerichte zukünftig auch Schiedsklauseln in ExtraEU-BIT als unionsrechtswidrig einstufen oder eine entsprechende Vorlagefrage an den EuGH richten könnten. Immerhin sind auch die Schiedsklauseln dieser teilweise – nach hier vertretener Auffassung – mit Art. 267 und 344 AEUV unvereinbar (s. o.). Gegenteiliges gilt demgegenüber für das CETA.1701 Wer somit auch weiterhin im Gebiet der Europäischen Union investieren und gleichzeitig völkerrechtlichen Investitionsschutz genießen will, sollte – sofern dem keine vergleichsweise hohen finanziellen Hürden entgegenstehen – in Betracht ziehen, den Sitz seines Investitionsvehikels nach Kanada zu verlegen.1702

1698 Siehe hiervon jedenfalls in „vielen Fällen“ ausgehend Bertolini, Die Durchsetzung von ISDS-Entscheidungen in Deutschland, S. 182; siehe aber auch Brower/Blanchard, ColumJTransnatlL 2014, 690 (704). 1699 Siehe bspw. Art. 12 des Agreement for the Promotion and Protection of Investment between the Government of the Republic of Austria and the Government of the Kyrgyz Republic (Inkrafttreten 1. Oktober 2017). 1700 Berger, EuZW 2021, 342 (343); Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (202); aus https://in vestmentpolicy.unctad.org/international-investment-agreements/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021) ergeben sich indes 13 solcher BIT. 1701 Siehe EuGH, Gutachten vom 30. April 2019, Nr. 1/17, Avis, ECLI:EU:C:2019:341. 1702 Siehe dies erwägend auch Bray/Kapoor, Agreement on the Termination of Intra-EU BITs: Sunset in Stone?, Kluwer Arbitration Blog, 4. November 2020, http://arbitrationblog.klu werarbitration.com/2020/11/04/agreement-on-the-termination-of-intra-eu-bits-sunset-in-stone/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); vgl. aber Uzelac, AJEE 2019, 6 (10 f.).

D. Praktische Konsequenzen

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Auch wenn eine solche Form des treaty shopping derzeit zu empfehlen wäre, ist kaum davon auszugehen, dass eine derartige „Abwanderung“ aus der Europäischen Union hinaus in Drittstaaten in Zukunft tatsächlich spürbar wird. Es darf bezweifelt werden, dass völkerrechtlicher Investitionsschutz bereits im Zeitpunkt vor der Einleitung eines Investitionsvorhabens eine Rolle spielen wird.1703 Um derartige Erwägungen gleichwohl im Keim zu ersticken, dürfte die Europäische Union gehalten sein, das Vertrauen in die Justiz der Mitgliedstaaten zu stärken.1704 Dies könnte der Schlüssel zu einem gelungenen Investitionsschutz innerhalb des Rechtssystems der Europäischen Union sein. Entsprechenden Handlungsmöglichkeiten der Europäischen Union widmet sich unter anderem der folgende Abschnitt.

III. Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten Die vorstehenden Ausführungen werfen die Frage auf, ob die Mitgliedstaaten durch Errichtung des Beendigungsübereinkommens in Bezug auf Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union bereits das letzte Wort gesprochen haben und gesprochen haben sollten. Schließlich lässt das Übereinkommen betroffene Investoren damit zurück, dass – unabhängig vom Ausgang bereits anhängiger oder neuer Schiedsverfahren – ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens keine Investor-StaatSchiedsverfahren auf Grundlage der (vom Übereinkommen erfassten) Intra-EU-BIT mehr möglich sind. Danach steht ihnen für ihre Anspruchsverfolgung lediglich das „gewöhnliche“ nationalstaatsrechtliche und unionsrechtliche Gerichtssystem zur Verfügung. Ist dies für einen gelungenen Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union als ausreichend anzusehen? Oder müssen die Mitgliedstaaten Ausgleich in irgendeiner Form schaffen? 1. Handlungsbedarf für die Europäische Union Bereits dargelegt wurde, dass die endgültige Beendigung der Intra-EU-BIT das Potential des treaty shopping birgt (s. o.). Dennoch ist zu bezweifeln, dass eine derartige Praxis infolge des Übereinkommens tatsächlich spürbar wird. Allein dieses Potential oder gar diese Gefahr dürfte deshalb nicht ausschlaggebend dafür sein, ob ein Handlungsbedarf für die Europäische Union feststellbar ist. Die Umstände, die zu ihm bzw. ihr geführt haben legen jedoch auch den Grundstein hierfür. Auf den ersten Blick sind die Bemühungen der Organe der Europäischen Union sowie der Mitgliedstaaten, Intra-EU-BIT endgültig zu beenden, neben rechtlichen Gründen auch aus politischen Erwägungen nachvollziehbar. Sollte das Unionsrecht

1703 Vgl. auch Baltag/Stanicˇ /Schreuer, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 1 (S. 3 f.). 1704 Vgl. auch Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (210).

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

tatsächlich einen hinreichenden Investitionsschutz1705 bieten,1706 wäre es widersinnig, ein paralleles Rechtsschutzsystem aufrecht zu erhalten, welches seit jeher vielseitiger Kritik1707 ausgesetzt ist. Erstrebenswert wäre vielmehr, dass das Unionsrechtssystem ein solch hohes (Investitions-)Schutzniveau darböte, dass es für Investoren günstig wirkte, eine Investition intra-unional zu strukturieren. Schutz würde neben den Grundfreiheiten aus den Unionsverträgen auch über die EU-GRCharta, allgemeine Grundprinzipien des Unionsrechts und dem entsprechenden Sekundärrecht sowie sektorspezifischen Rechtsvorschriften gewährt.1708 Für alle drittstaatlichen Investoren, die dies nicht erwägen wollten, böten Abkommen mit der Europäischen Union selbst (bspw. das CETA (s. o.), das Agreement between the EU and Japan for an Economic Partnership1709, das EU-Vietnam Investment Protection Agreement1710 oder das zunächst gescheiterte TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership)1711) einen hinreichenden Investitionsschutz. Nachdem nun – unterstützt durch die Achmea-Entscheidung – begründete Zweifel auch an der Unionsrechtmäßigkeit der Intra-EU-BIT und den damit einhergehenden Schiedsverfahren keimten, schien es, als könnten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Die – gleichwohl vornehmlich unionsrechtlich motivierte – Beendigung der Intra-EU-BIT beseitigt besagte Unionsrechtswidrigkeit und hilft den Bedenken um die grundsätzliche Legitimität der Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit ab. Ob es die Mitgliedstaaten der Europäischen Union jedoch hierbei belassen können, hängt davon ab, ob der unionsrechtliche Investitionsschutz tatsächlich im Vergleich zum völkerrechtlichen Investitionsschutz als hinreichend anzusehen ist. Wie bereits hinsichtlich des treaty shopping angedeutet, wird dies vielfach – mit

1705 Siehe allg. zum Investitionsschutz im Unionsrecht Andersen/Hindelang, JWIT 2016, 984 (992 ff.). 1706 So die Europäische Kommission, Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final; siehe auch Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/busi ness_economy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en. pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 2. 1707 Siehe Charris-Benedetti, RDE 2019, 83 (90 ff.) und Zarra, ChineseJIL 2018, 137 (137 ff.); siehe resümierend auch Uzelac, AJEE 2019, 6 (17 f.) m. w. N. 1708 Europäische Kommission, Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final, S. 3; Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/busi ness_economy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en. pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 2. 1709 Abrufbar unter https://investmentpolicy.unctad.org/international-investment-agree ments/treaty-files/5693/download, zuletzt abgerufen am 1. September 2021. 1710 Abrufbar unter https://investmentpolicy.unctad.org/international-investment-agree ments/treaty-files/5868/download, zuletzt abgerufen am 1. September 2021. 1711 Siehe dazu Rafsandjani, jM 2015, 222.

D. Praktische Konsequenzen

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teilweise bemerkenswerter Vehemenz1712 – abgelehnt.1713 Dies gründet jedoch zuvörderst nicht darauf, dass beispielsweise die Grundfreiheiten gegenüber den BITBestimmungen enger formuliert wären bzw. höhere Anspruchsvoraussetzungen statuierten. Maßgeblich sind vielmehr die mit einer Anspruchsdurchsetzung vor nationalen Gerichten jedenfalls in bestimmten Staaten der Europäischen Union verbundenen Probleme.1714 Insbesondere in osteuropäischen Gebieten sind diese virulent (s. o.).1715 Die insoweit womöglich bestehende Lücke im Rechtsschutzsystem füllten bislang die Schiedsgerichte.1716 Ob und inwieweit innerhalb der Europäischen Union tatsächlich von (erheblichen) Rechtsschutzdefiziten auszugehen ist, kann und soll an dieser Stelle nicht beantwortet werden.1717 Auch dies würde den Schwerpunkt der Arbeit zu sehr verschieben. Zudem dürfte eine dahingehende Untersuchung vornehmlich situations- und einzelfallabhängig sein. Einer solchen (vermeintlich) objektiven Analyse ist für die vorliegende Fragestellung jedoch auch keine entscheidende Relevanz beizumessen. Ob ein Handlungsbedarf für die Eu1712 Siehe Stöbener de Mora, Anmerkung zu BVerfG, Beschluss vom 23. Ma¨ rz 2020 – 2 BvQ 6/20, EuZW 2020, 427 (430 f.); Stöbener de Mora, EuZW 2019, 140 (140); Stöbener de Mora, EuZW 2019, 217 (217 f.); Stöbener de Mora, EuZW 2019, 883 (883); Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (368 ff.); Stöbener de Mora, EuZW 2017, 873 (873 f.). 1713 Ibid.; Sauvant/De Luca, Yearbook on International Investment Law & Policy 20102011, S. 165 (196 ff.); von Bogdandy/Bogdanowicz/Canor/Grabenwarter/Taborowski/ Schmidt/Sadowski, Defending Checks and Balances in EU Member States, 333 (349 f.); Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (207); Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (357); Wilske, RIW 2018, vor 169 („Die erste Seite“); Kottmann, EuZW 2015, 729 (730); Leikin/Kasolowsky/ Borgdorf, The Future of Intra-EU Investment Protection: An Urgent Call for a New Roof and a Level Playing Field, Kluwer Arbitration Blog, 7. November 2020, http://arbitrationblog.kluwer arbitration.com/2020/11/07/the-future-of-intra-eu-investment-protection-an-urgent-call-for-anew-roof-and-a-level-playing-field/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Achmea B. V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B. V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13 (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension), Rn. 262; Schlussantra¨ ge des Generalanwalts Melchior Wathelet, 19. September 2017, Rs. C-284/16, Achmea, ECLI:EU: C:2017:699, Rn. 179 ff., 228. 1714 Uzelac, AJEE 2019, 6 (22 f.). 1715 Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (368) m. w. N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23. Ma¨ rz 2020 – 2 BvQ 6/20, in: EuZW 2020, 427 (431); Europäische Kommission, 20. Dezember 2017, COM(2017) 835 final (bzgl. Polen) und Europäische Kommission, 11. November 2017, COM(2017) 750 final (bzgl. Bulgarien) sowie Europäisches Parlament, Entschließung des Europa¨ ischen Parlaments vom 17. Mai 2017 zur Lage in Ungarn (2017/2656(RSP)), (2018/ C 307/09), Amtsblatt der Europäischen Union C 307/75 (bzgl. Ungarn); EuGH, Urteil vom 24. Juni 2019, Rs. C-619/18, Kommission/Polen, ECLI:EU:C:2019:531; siehe allg. auch Europäische Kommission, Justizbarometer 2020, COM(2020) 306 (abrufbar unter https://ec.euro pa.eu/info/sites/info/files/justice_scoreboard_2020_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021) und Europäische Kommission, Justizbarometer 2017, COM(2017) 167 (abrufbar unter https://ec.europa.eu/germany/news/eu-justizbarometer-2017-justizsysteme-werden-effektiver_ de, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1716 Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (369). 1717 Siehe allg. Europäische Kommission, Justizbarometer 2020, COM(2020) 306 (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/justice_scoreboard_2020_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

ropäische Union besteht, hängt nämlich ausschlaggebend von der Auffassung der Investoren ab. Schließlich geht die Europäische Union den Schritt gegen InvestorStaat-Schiedsverfahren im weltweiten Vergleich grundsätzlich alleine. Solange weltweit Investitionsschutzabkommen in Kraft sind, laufen die Mitgliedstaaten somit Gefahr, ihre Attraktivität als Investitionsstandort zu verlieren. Selbst wenn sich also begründen ließe, dass das unionsweite Rechtsschutzsystem mit jenem über Investitionsschutzabkommen vergleichbar ist, dürfte dem wenig Bedeutung zukommen, wenn Investoren dies verkennen oder schlicht anders sehen. Immerhin steht ihnen mit Investor-Staat-Schiedsgerichten ein neutrales und zeit- sowie kosteneffizientes Forum offen, in welchen qualifizierte Schiedsrichter nach durch die Autonomie der Parteien geprägten Verfahren finale und durchsetzbare Entscheidungen fällen.1718 Demgegenüber liegt es für Investoren nahe, anzunehmen, ein staatliches Gericht sei geneigt, die Rechtmäßigkeit einer staatlichen, oft legislativen Maßnahme festzustellen. Dem ist zuzugestehen, dass wohl kaum jedem (bzw. überhaupt einem) Mitgliedstaat der Europäischen Union eine „ideale“ Gewaltenteilung zugesprochen werden kann. Doch selbst wenn man eine dahingehende Unabhängigkeit der Gerichte annehmen wollte, geht mit entsprechenden Verfahren regelmäßig eine „unvertretbar lang[e]“1719 Zeitspanne einher.1720 Dies sei Investoren auch bewusst.1721 Es ist mithin anzunehmen, dass infolge des Beendigungsübereinkommens jedenfalls aus der Perspektive von Investoren ein Rechtsschutzdefizit innerhalb der Europäischen Union entstehen wird. Folge eines Untätig-Bleibens der Mitgliedstaaten mag deshalb sein, dass sich Investoren grundsätzlich zurückhalten könnten, innerhalb der Europäischen Union zu investieren. Gemeint ist damit nicht das Potential eines treaty shopping aus der Europäischen Union heraus, um anschließend im Gebiet der Mitgliedstaaten völkervertraglich geschützt investieren zu können (s. o.). Vielmehr besteht ein – wenngleich nicht unmittelbar akutes – Risiko, dass das Gebiet der Europäischen Union grundsätzlich für Investitionen unattraktiv würde und Investitionen somit allgemein tendenziell außerhalb der Europäischen Union getätigt würden. Nicht außer Acht gelassen werden darf in diesem Sinne auch, dass die Europäische Union selbst stets Gegenstand von Legitimationsdebatten war und ist.1722 Neben dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union

1718 Vgl. Brodlija/Sˇ imunovic´, ECLIC 2020, 815 (819 ff.), die als Vorteile der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit „Neutrality“, „Efficiency“, „Expertise of the decision makers“, „Procedural party autonomy“, „Finality of the decision“ und „Enforceability“ nennen; vgl. auch von Bogdandy/Bogdanowicz/Canor/Grabenwarter/Taborowski/Schmidt/Sadowski, Defending Checks and Balances in EU Member States, 333 (354 ff.). 1719 Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (368). 1720 Ibid.; Uzelac, AJEE 2019, 6 (22 f.). 1721 Uzelac, AJEE 2019, 6 (23) m. w. N. 1722 Vgl. Grimm, JZ 1995, 581 (581 ff.) und Mayer, NJW 2017, 3631 (3634 ff.) m. w. N.

D. Praktische Konsequenzen

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dürfte jüngst insbesondere das Urteil des Bundesverfassungsgerichts1723 zum Staatsanleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank derartige Diskussionen neu entfacht haben. Vor diesem Hintergrund ist durchaus bedenklich, dass der Abschluss der Unionsverträge mittelbar dazu geführt haben könnte, dass das Rechtsschutzniveau innerhalb der Europäischen Union für den nicht unbedeutenden Sektor der Auslandsinvestitionen – „signifikant“1724 – verringert wurde. Skepsis weckt dies vor allem deshalb, da der maßgebliche Antrieb zur Beendigung der Intra-EU-BIT von der Europäischen Kommission und dem EuGH ausging. Die Mitgliedstaaten folgten mit Errichtung des Übereinkommens lediglich ihrer sich selbst auferlegten Verpflichtung aus Art. 4 Abs. 3 EUV. EU-Kritiker mögen sich daher fragen, inwieweit es sinnvoll ist, ein Unionsrechtssystem zu etablieren, welches den rechtlichen Schutz von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten sektoral mindert. Dies stünde diametral zu den Zielen der Europäischen Union aus Art. 3 EUV. Infolgedessen ist richtigerweise von einem Handlungsbedarf der Europäischen Union auszugehen.1725 Dies unterstreicht auch Absatz 16 der Präambel des Beendigungsübereinkommens (s. o.): „UNTER HINWEIS DARAUF, dass die weiteren Maßnahmen und Aktionen, die im Rahmen des Unionsrechts gegebenenfalls notwendig sind, um in der Europa¨ ischen Union einen besseren Schutz grenzu¨ bergreifender Investitionen zu garantieren und fu¨ r vorhersehbarere, stabilere und klarere rechtliche Rahmenbedingungen zu sorgen, um im Bin¨ bereinkommen unberu¨ hrt bleiben, nenmarkt Investitionsanreize zu schaffen, von diesem U […]“

Auch haben das Großherzogtum Luxemburg und die Portugiesische Republik eine separate Erklärung zum Beendigungsübereinkommen veröffentlicht. Das Großherzogtum Luxemburg konstatiert darin (ins Englische übersetzt): „Luxembourg reiterates the need to intensify discussions without undue delay with the aim of ensuring complete, strong and effective protection of investments within the European Union in line with its legal framework and compatible with the right to regulate as incor1723 BVerfG, Urteil vom 5. Mai 2020, Rs. 2 BvR 859/15, 2 BvR 1651/15, 2 BvR 2006/15, 2 BvR 980/16, in: NJW 2020, 1647; siehe dazu insb. Ruffert, JuS 2020, 574. 1724 Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (207) („significantly“). 1725 Ebenso ibid. (210); Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (357); Signorelli, ESIL 23/ 2019, S. 28 ff; Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (368 ff.); Orecki, Foreign Investments in Poland in Light of the Achmea Case and „Reform“ of Polish Judicial System – Catch 22 Situation?, Kluwer Arbitration Blog, 22. April 2018, http://arbitrationblog.kluwerarbitration. com/2018/04/22/foreign-investments-poland-light-achmea-case-reform-polish-judicial-systemcatch-22-situation/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Leikin/Kasolowsky/Borgdorf, The Future of Intra-EU Investment Protection: An Urgent Call for a New Roof and a Level Playing Field, Kluwer Arbitration Blog, 7. November 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbitra tion.com/2020/11/07/the-future-of-intra-eu-investment-protection-an-urgent-call-for-a-newroof-and-a-level-playing-field/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Paschalidis, The pressing need for a European investment court, Global Arbitration Review, 10. Februar 2020, https://globalarbitrationreview.com/the-pressing-need-european-investment-court (zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

porated in the Declarations of Member States of 15 and 16 January 2019 and in recital XVI of this agreement. We call upon the European Commission and all Member States to start, without any delay, a process with the aim to ensure complete, strong and effective protection of investments within the EU and adequate instruments in this regard. We request the European Commission to put forward a concrete plan for such a process.“1726

In die gleiche Richtung statuiert die Portugiesische Republik (ins Englische übersetzt): „[…] Portugal reiterates that legitimate expectations for protection as generated under the legal framework of these bilateral agreements deserve effective legal protection. With this in mind, Portugal expresses its strong support to the intensifying of the discussions between the European Commission and Member States with the aim of better ensuring a sound and effective protection of investments within the European Union. To this end, calls to assess the establishment of new or better tools under European Union law and to carry out an assessment of the current dispute settlement mechanisms which are essential to ensure legal certainty and the protection of interests of investors.“1727

Wie diesem Handlungsbedarf zu begegnen ist, widmen sich die Ausführungen des folgenden Abschnitts. Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass ein Handlungsbedarf der Europäischen Union freilich auch dahingehend besteht, dass die Intra-EU-BIT der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden ebenfalls zügig beendet werden. In dieser Hinsicht ist die Europäische Kommission auch bereits tätig geworden (s. o.).1728 Die nunmehr extra-unionalen BIT mit dem Vereinigten Königreich dürften außerhalb der Reichweite der Europäischen Kommission liegen. Die Situation, dass diese Mitgliedstaaten (und Irland, das jedoch über keine BIT verfügt; s. o.) das Beendigungsübereinkommen nicht unterzeichneten, ist in zweierlei Hinsicht unbefriedigend. Auf der einen Seite führt das Beendigungsübereinkommen dazu, dass zahlreiche BIT bereits heute beendet sind bzw. in naher Zukunft beendet werden und damit richtigerweise (aufgrund der Beendigung auch der sunset clauses) ab diesem Zeitpunkt keine Investor-Staat-Schiedsverfahren mehr eingeleitet werden können. Sofern besagte Staaten diese Abkommen weiter aufrechterhalten und sie womöglich erst in Zukunft bilateral beendigen wollen, bildet dies die Basis für ein uneinheitliches Investitionsschutzniveau innerhalb der Europäischen Union. In diesem Zusammenhang keimen erneut Bedenken mit Blick auf Art. 18 Abs. 1 AEUV (s. o.). Auf der anderen Seite dürfte es Investoren in ent1726 Abrufbar unter https://www.consilium.europa.eu/en/documents-publications/treatiesagreements/ratification/?id=2019049&partyid=LU&doclanguage=en (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1727 Abrufbar unter https://www.consilium.europa.eu/en/documents-publications/treatiesagreements/ratification/?id=2019049&partyid=P&doclanguage=en (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1728 Siehe https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/EN/INF_20_859 (zuletzt abgerufen am 1. September 2021) und https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/EN/ IP_15_5198 (zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

D. Praktische Konsequenzen

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sprechenden anhängigen und neuen Schiedsverfahren auf Grundlage dieser BIT leichtfallen, ein Schiedsgericht davon zu überzeugen, dass das im konkreten Fall maßgebliche BIT jedenfalls deshalb nicht als beendet bzw. im Lichte der AchmeaEntscheidung unanwendbar anzusehen ist, da es nicht vom Beendigungsübereinkommen erfasst ist. Es ließe sich durchaus argumentieren, jene Staaten haben das Übereinkommen bewusst nicht unterzeichnet, um ihre BIT jedenfalls für diese anhängigen und neuen Schiedsverfahren aufrecht zu erhalten. Es bleibt mithin zu hoffen, dass auch die Republik Österreich, die Republik Finnland und das Königreich Schweden das Beendigungsübereinkommen zeitnah unterzeichnen und ratifizieren werden. 2. Handlungsmöglichkeiten für die Europäische Union Potentielle Handlungen der Mitgliedstaaten werden seit langem diskutiert. Ein dahingehender Bedarf wird nämlich nicht erst seit der Achmea-Entscheidung gesehen. Bereits im Frühling 2016 veröffentlichten einige Mitgliedstaaten (die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Österreich, die Republik Finnland, die Französische Republik und das Königreich der Niederlande) ein Positionspapier (bzw. „Non-Paper“) über die Zukunft des intra-unionalen Investitionsschutzes.1729 Darin befürworten sie nach Beendigung der Intra-EU-BIT insbesondere die Einrichtung eines Mediationsverfahrens („investor-to-State mediation scheme“) und eines rechtsverbindlichen und vollstreckbaren Streitbeilegungsmechanismus („binding and enforceable settlement mechanism“). Für einen solchen Streitbeilegungsmechanismus sahen die Staaten drei Optionen. Erstens, die Befassung des EuGH mit Investor-Staat-Streitigkeiten über Art. 273 AEUV. Zweitens, die Einrichtung eines Gerichtes, das dem Einheitlichen Patentgericht nachgebildet ist und drittens, die Beauftragung des Permanent Court of Arbitration (PCA). Jedenfalls aber müsse sich eine entsprechende Lösung in Einklang mit dem Unionsrecht bewegen, sodass eine Vorlagebefugnis eines potentiell einzurichtenden Spruchkörpers an den EuGH zu erwägen ist. Die dem zugrunde liegenden Gedanken dürften auch das Großherzogtum Luxemburg und die Portugiesische Republik zu den soeben zitierten Erklärungen1730 zum Beendigungsübereinkommen motiviert haben. Auch die Europäische Kommission nahm sich 2017 die Idee vor, einen Mediationsmechanismus einzurichten.1731 Doch sie verfolgte dies zunächst nicht weiter und

1729 Non-paper from Austria, Finland, France, Germany and the Netherlands on Intra-EU Investment Treaties vom 7. April 2016 (abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/EN/ Downloads/intra-eu-investment-treaties.pdf?__blob=publicationFile&v=2, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe hierzu auch Stöbener de Mora, EuZW 2016, 446. 1730 Siehe Fn. 1726, 1727. 1731 Vgl. Stöbener de Mora, EuZW 2017, 628; Europäische Kommission, Interpretative Communication on the existing EU standards for the treatment of cross-border intra-EU investments, 25. Juli 2017 (Ref. Ares(2017)3735326 – 25/07/2017).

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

veröffentliche am 19. Juli 2018 besagte Mitteilung,1732 in welcher sie dafür eintrat, der unionsrechtliche Investitionsschutz sei „angemessen“ und „wirksam“ und die Intra-EU-BIT „nicht länger notwendig“.1733 Angesichts der jüngst erneut lauter werdenden Forderungen nach unionalen Maßnahmen,1734 darf sich die Europäische Kommission unter Druck wähnen, ihre Auffassung zu ändern.1735 Wie bereits angedeutet, sind die Reformationsgedanken in dieser Hinsicht mannigfaltig. Erwogen wird beispielsweise: – die Einrichtung eines Mechanismus zur gütlichen Streitbeilegung, also eines Mediationsmechanismus;1736 – die Einrichtung eines Netzwerks nationaler Kontaktstellen innerhalb der Europäischen Union;1737 – die Einrichtung eines Art „Ombudsmann[es]“ innerhalb der Europäischen Union;1738 – der Abschluss eines (unionsweiten) multilateralen völkerrechtlichen Vertragswerkes mit materiell-rechtlichen und prozessualen Schutzbestimmungen;1739 – der Erlass einer EU-Verordnung1740 bzw. einer EU-Richtlinie1741 mit materiellrechtlichen und prozessualen Schutzbestimmungen; 1732

Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final. Ibid. S. 30. 1734 Siehe bspw. Leikin/Kasolowsky/Borgdorf, The Future of Intra-EU Investment Protection: An Urgent Call for a New Roof and a Level Playing Field, Kluwer Arbitration Blog, 7. November 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2020/11/07/the-future-of-intraeu-investment-protection-an-urgent-call-for-a-new-roof-and-a-level-playing-field/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021) und Paschalidis, The pressing need for a European investment court, Global Arbitration Review, 10. Februar 2020, https://globalarbitrationreview.com/thepressing-need-european-investment-court (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1735 Ebenso Stöbener de Mora, EuZW 2019, 217 (218). 1736 Non-paper from Austria, Finland, France, Germany and the Netherlands on Intra-EU Investment Treaties vom 7. April 2016 (abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/EN/ Downloads/intra-eu-investment-treaties.pdf?__blob=publicationFile&v=2, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), Rn. 10; vgl. auch Stöbener de Mora, EuZW 2017, 628; dies ist durch Einführung des strukturierten Dialogs in Art. 9 BÜ zumindest partiell erfolgt. 1737 Stöbener de Mora, EuZW 2019, 217 (218); vgl. auch auch Non-paper from Austria, Finland, France, Germany and the Netherlands on Intra-EU Investment Treaties vom 7. April 2016 (abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/EN/Downloads/intra-eu-investment-trea ties.pdf?__blob=publicationFile&v=2, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), Rn. 10. 1738 Stöbener de Mora, EuZW 2019, 217 (218). 1739 Non-paper from Austria, Finland, France, Germany and the Netherlands on Intra-EU Investment Treaties vom 7. April 2016 (abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/EN/ Downloads/intra-eu-investment-treaties.pdf?__blob=publicationFile&v=2, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), Rn. 6; vgl. auch Andersen/Hindelang, JWIT 2016, 984 (1001 f.); dieser Möglichkeit entspricht jedoch das Beendigungsübereinkommen (bewusst) nicht. 1740 Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (207); Lavranos, HagueYIL 2011, 281 (304 f.); Lavranos, After Achmea: The Need for an EU Investment Protection Regulation, Kluwer Arbi1733

D. Praktische Konsequenzen

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– die Steigerung der Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit im bereits bestehenden unionalen Investitionsschutzrecht;1742 – die Kreierung eines zusätzlichen, irgendwie gearteten „Sicherheitsnetzes“ („safety net“), zugunsten von Investoren, die in Mitgliedstaaten mit Justizdefiziten investieren;1743 – die Vereinbarung, dass beteiligte Staaten auf Antrag betroffener Investoren Verfahren nach Art. 273 AEUV einzuleiten haben;1744 – die Ermöglichung von Schiedsverfahren beim Permanent Court of Arbitration (PCA) mit Vorlagebefugnis gem. Art. 267 AEUV;1745 – die Einrichtung einer entsprechenden Kammer im EuGH, die sich auf Investitionsschutz spezialisiert;1746 tration Blog, 17. März 2018, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2018/03/17/achmeaneed-eu-investment-protection-regulation/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Andersen/Hindelang, JWIT 2016, 984 (1003); Orecki, Foreign Investments in Poland in Light of the Achmea Case and „Reform“ of Polish Judicial System – Catch 22 Situation?, Kluwer Arbitration Blog, 22. April 2018, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2018/04/22/foreign-in vestments-poland-light-achmea-case-reform-polish-judicial-system-catch-22-situation/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Leikin/Kasolowsky/Borgdorf, The Future of Intra-EU Investment Protection: An Urgent Call for a New Roof and a Level Playing Field, Kluwer Arbitration Blog, 7. November 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2020/11/07/thefuture-of-intra-eu-investment-protection-an-urgent-call-for-a-new-roof-and-a-level-playingfield/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); vgl. auch Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (276 f.); Europa¨ ische Kommission, Vorschlag fu¨ r eine Verordnung des Europäischen ¨ berpru¨ fung ausla¨ ndischer Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens fu¨ r die U Direktinvestitionen in der Europa¨ ischen Union vom 13. September 2017, COM(2017) 487 final. 1741 Berger, International Investment Protection in Europe, S. 218 ff.; Berger, EuZW 2021, 342 (348). 1742 Vgl. Andersen/Hindelang, JWIT 2016, 984 (1004 f.); in diese Richtung geht wohl auch der bisherige Ansatz der Europäischen Kommission in Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final. 1743 Andersen/Hindelang, JWIT 2016, 984 (1011 ff., 1014); Hindelang, The Limited Immediate Effects of CJEU’s Achmea Judgement, Verfassungsblog, 9. März 2018, https://verfas sungsblog.de/the-limited-immediate-effects-of-cjeus-achmea-judgement/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1744 Non-paper from Austria, Finland, France, Germany and the Netherlands on Intra-EU Investment Treaties vom 7. April 2016 (abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/EN/ Downloads/intra-eu-investment-treaties.pdf?__blob=publicationFile&v=2, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), Rn. 12; kritisch hierzu Stöbener de Mora, EuZW 2019, 217 (218). 1745 Non-paper from Austria, Finland, France, Germany and the Netherlands on Intra-EU Investment Treaties vom 7. April 2016 (abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/EN/ Downloads/intra-eu-investment-treaties.pdf?__blob=publicationFile&v=2, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), Rn. 12, 14; vgl. auch Andersen/Hindelang, JWIT 2016, 984 (1008 ff.); kritisch hierzu Stöbener de Mora, EuZW 2019, 217 (218); auch diese Möglichkeit ist in Anbetracht des Beendigungsübereinkommens nunmehr wohl ausgeschlossen. 1746 Lavranos/Singla, SchiedsVZ 2018, 348 (357); vgl. auch Paschalidis, The pressing need for a European investment court, Global Arbitration Review, 10. Februar 2020, https://globalar

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

– die Einrichtung spezialisierter Gerichte im Rechtsschutzsystem der Mitgliedstaaten im Sinne des Singapore International Commercial Court (SICC), des Astana International Financial Centre (AIFC) Court oder des Dubai International Financial Centre (DIFC);1747 – die Einpflegung auch des intra-unionalen Investitionsschutzsystems in die Überlegungen um die Errichtung eines multilateralen Investitionsgerichts (Multilateral Investment Court (MIC)1748)1749 oder bitrationreview.com/the-pressing-need-european-investment-court (zuletzt abgerufen am 1. September 2021) und Stöbener de Mora/Wernicke, EuZW 2019, 970 (977). 1747 Leikin/Kasolowsky/Borgdorf, The Future of Intra-EU Investment Protection: An Urgent Call for a New Roof and a Level Playing Field, Kluwer Arbitration Blog, 7. November 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2020/11/07/the-future-of-intra-eu-investment-pro tection-an-urgent-call-for-a-new-roof-and-a-level-playing-field/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1748 Siehe allg. hierzu Bungenberg/Reinisch, From Bilateral Arbitral Tribunals and Investment Courts to a Multilateral Investment Court, S. 9 ff. und Eduardo/Garzo´n, ZEuS 2019, 477 (477 ff.); siehe zu den Vorzügen eines solchen MIC Baltag/Stanicˇ /Brown, The Future of Investment Treaty Arbitration in the EU, S. 219 (S. 227 ff.); siehe zu jüngsten Entwicklungen auch Nica, UNCITRAL Working Group III: One Step Closer to a Multilateral Investment Court?, Kluwer Arbitration Blog, 24. März 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2 020/03/24/uncitral-working-group-iii-one-step-closer-to-a-multilateral-investment-court/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021) und https://www.europarl.europa.eu/legislative-train/ theme-a-balanced-and-progressive-trade-policy-to-harness-globalisation/file-multilateral-invest ment-court-(mic) (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe auch Europa¨ ische Kommission, Empfehlung fu¨ r einen Beschluss des Rates u¨ ber die Erma¨ chtigung zur Aufnahme von ¨ bereinkommen zur Errichtung eines multilateralen Gerichtshofs fu¨ r Verhandlungen u¨ ber ein U die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten vom 13. September 2017, COM(2017) 493 final ¨ bereinkommen zur Erund Rat der Europäischen Union, Verhandlungsrichtlinien fu¨ r ein U richtung eines multilateralen Gerichtshofs fu¨ r die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, 20. März 2018, (12981/17 ADD 1). 1749 Orecki, Foreign Investments in Poland in Light of the Achmea Case and „Reform“ of Polish Judicial System – Catch 22 Situation?, Kluwer Arbitration Blog, 22. April 2018, http://ar bitrationblog.kluwerarbitration.com/2018/04/22/foreign-investments-poland-light-achmeacase-reform-polish-judicial-system-catch-22-situation/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (370 f.); vgl. auch Brodlija/Sˇ imunovic´, ECLIC 2020, 815 (827 ff.) und Basener, DVBl 2018, 573 (578); vgl. aber Europa¨ ische Kommission, Empfehlung fu¨ r einen Beschluss des Rates u¨ ber die Erma¨ chtigung zur Aufnahme von Ver¨ bereinkommen zur Errichtung eines multilateralen Gerichtshofs fu¨ r die handlungen u¨ ber ein U Beilegung von Investitionsstreitigkeiten vom 13. September 2017, COM(2017) 493 final, S. 2 Fn. 1 („Streitigkeiten im Rahmen von bilateralen Investitionsabkommen zwischen Mitgliedstaaten (also Intra-EU-BIT) sowie Streitigkeiten zwischen einem Investor eines Mitgliedstaats und einem anderen Mitgliedstaat im Rahmen des Vertrags u¨ ber die Energiecharta fallen jedoch nicht unter diese Initiative.“) sowie Rat der Europäischen Union, Verhandlungsrichtlinien fu¨ r ¨ bereinkommen zur Errichtung eines multilateralen Gerichtshofs fu¨ r die Beilegung von ein U Investitionsstreitigkeiten, 20. März 2018, (12981/17 ADD 1), S. 3 Fn. 1 („Unbeschadet ihrer Gu¨ ltigkeit oder Anwendbarkeit unter EU-Recht fallen zwischen den Mitgliedstaaten geschlossene bilaterale Investitionsabkommen (d. h. ’Intra-EU-BITs’) sowie die Anwendung des Vertrags u¨ ber die Energiecharta innerhalb der EU nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinien.“).

D. Praktische Konsequenzen

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– die Einrichtung eines ständigen Investitionsgerichts(-hofs) innerhalb der Europäischen Union.1750 Keine dieser Maßnahmen beansprucht, eine „perfekte“ Lösung der Problematik darzustellen.1751 Insoweit bleibt abzuwarten, ob und inwieweit sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union für eine oder mehrere der oben genannten Handlungsmöglichkeiten – oder gar für eine gänzlich andere – entscheiden werden. Nachdem folgend auf eine (wohl) verpasste Chance hingewiesen werden soll (a)), wird abschließend gleichwohl die aus Sicht des Verfassers vorzugswürdige Vorgehensweise der Europäischen Union skizziert (b)). a) Verpasste Chance Die oben aufgezählten Handlungsmöglichkeiten sind bewusst lediglich auf die Situation bezogen, dass sämtliche Intra-EU-BIT bereits beendet sind bzw. zukünftig beendet werden. Dies ist schließlich auch die Rechtslage, die das Beendigungsübereinkommen hinterlassen wird. Auch bereits in besagtem Positionspapier einiger Mitgliedstaaten1752 wird für die Reformvorschläge zunächst die Beendigung bestehender Intra-EU-BIT vorausgesetzt. Hintergrund dessen war zunächst die seit 2006 propagierte1753 Auffassung der Europäischen Kommission, Intra-EU-BIT seien 1750 Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (210); Wilske/Markert/Ebert, SchiedsVZ 2020, 97 (99); Stöbener de Mora, EuZW 2019, 217 (218); Müller/Simon, NJOZ 2018, 961 (965); Wilske, RIW 2018, vor 169 („Die erste Seite“); Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (276 f.); Andersen/Hindelang, JWIT 2016, 984 (1010 f.); Paschalidis, The pressing need for a European investment court, Global Arbitration Review, 10. Februar 2020, https://globalarbitrationreview. com/the-pressing-need-european-investment-court (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Leikin/Kasolowsky/Borgdorf, The Future of Intra-EU Investment Protection: An Urgent Call for a New Roof and a Level Playing Field, Kluwer Arbitration Blog, 7. November 2020, http://ar bitrationblog.kluwerarbitration.com/2020/11/07/the-future-of-intra-eu-investment-protectionan-urgent-call-for-a-new-roof-and-a-level-playing-field/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); vgl. auch Bungenberg/Griebel/Hobe/Reinisch/Schreuer, International Investment Law, S. 1904 (1908 Rn. 19 f.); Stöbener de Mora/Wernicke, EuZW 2019, 970 (977); Balthasar, SchiedsVZ 2018, 227 (233); Non-paper from Austria, Finland, France, Germany and the Netherlands on Intra-EU Investment Treaties vom 7. April 2016 (abrufbar unter https://www. bmwi.de/Redaktion/EN/Downloads/intra-eu-investment-treaties.pdf?__blob=publicationFi le&v=2, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), Rn. 12. 1751 Ebenso Leikin/Kasolowsky/Borgdorf, The Future of Intra-EU Investment Protection: An Urgent Call for a New Roof and a Level Playing Field, Kluwer Arbitration Blog, 7. November 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2020/11/07/the-future-of-intra-eu-in vestment-protection-an-urgent-call-for-a-new-roof-and-a-level-playing-field/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1752 Non-paper from Austria, Finland, France, Germany and the Netherlands on Intra-EU Investment Treaties vom 7. April 2016 (abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/EN/ Downloads/intra-eu-investment-treaties.pdf?__blob=publicationFile&v=2, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1753 Europäische Kommission, Annual EFC Report to the Commission and the Council on the Movement of Capital and the Freedom of Payments, 15. November 2006, ECFIN/CE-

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

unionsrechtswidrig und daher zu beenden.1754 Erst im Jahre 2018 konkretisierte der EuGH in der Achmea-Entscheidung die auch schon von der Europäischen Kommission in zahlreichen Schiedsverfahren in amicus curiae-Stellungnahmen1755 geäußerte Unionsrechtswidrigkeit der Schiedsklauseln solcher Abkommen. Die Achmea-Entscheidung stellte die Diskussion auf eine neue Grundlage, da nun eine verbindliche Auslegung der Art. 267 und 344 AEUV festgestellt ward. Prima facie wirkte es so, als hätte der EuGH schlicht das bestätigt, was die Europäische Kommission schon lange vertrat. Allerdings dürfte die Auffassung letzterer vornehmlich politisch motiviert gewesen sein, während der EuGH – jedenfalls äußerlich – ausschließlich auf einer rechtlichen Ebene argumentierte. Aus diesem Grund ist leicht aus den Augen zu verlieren, dass die Beendigung der Intra-EU-BIT nicht die einzige, zwingende Folge der Achmea-Entscheidung i. S. d. Art. 4 Abs. 3 EUV sein musste.1756 Auch wenn die Europäische Kommission und auch die Mitgliedstaaten1757 genau dies forderten, macht die bedingungslose Beendigung aller Intra-EU-BIT (der Signatarstaaten) eine weitere Möglichkeit zunichte. Diese Möglichkeit ist in der inhaltlichen Änderung von Intra-EU-BIT zu sehen. Wie bereits deutlich wurde, gründen die Erwägungen des EuGH hinsichtlich Art. 267 und 344 AEUV als Ausdruck der Autonomie des Unionsrechts zuvörderst darauf, dass Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT – und insbesondere Art. 8 des BIT zwischen dem Königreich der Niederlande und der Slowakischen Republik – die Anwendung und Auslegung von Unionsrecht ermöglichen, während dies keiner hinreichenden Kontrolle durch mitgliedstaatliche Gerichte sowie des EuGH unterFCPE(2006)REP/56882 (abrufbar unter https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST5044-2007-INIT/en/pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1754 Siehe u. a. Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 18. Juni 2015, in: EuZW 2015, 492; siehe auch Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 105 ff. 1755 Siehe zusammenfassend Rösch, Intraeuropa¨ isches Investitionsrecht, S. 108 ff. 1756 Vgl. von Bogdandy/Bogdanowicz/Canor/Grabenwarter/Taborowski/Schmidt/Sadowski, Defending Checks and Balances in EU Member States, 333 (344); so aber die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten vom 30. September 2020 „Investitionsschutz innerhalb der Europa¨ ischen Union“ BT-Drs. 19/22988 (abrufbar unter http: //dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/229/1922988.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 6, Antwort auf Frage Nr. 7. 1757 Siehe Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/business_economy_euro/ban king_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Governments of the Member States of 16 January 2019 on the enforcement of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://www.regeringen.se/48ee19/contentas sets/d759689c0c804a9ea7af6b2de7320128/achmea-declaration.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); Declaration of the Government of Hungary of 16 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://2015-2019.kormany.hu/download/5/1b/81000/ Hungarys%20Declaration%20on%20Achmea.pdf#!DocumentBrowse, zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

D. Praktische Konsequenzen

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liegt (s. o.). Insoweit ließe sich gut vertreten, Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT wären dann unionsrechtskonform (gewesen), wenn sie eine solche Unionsrechtsanwendung untersagten. Es wurde jedoch festgestellt, dass dies in keinem Intra-EU-BIT auch aufgrund der Normen der VCLT der Fall ist (s. o.). Im CETA-Gutachten hat der EuGH indessen festgestellt, dass der Streitbeilegungsmechanismus im CETA unionsrechtskonform ist.1758 Dies gründet insbesondere auch auf Art. 8.31 Abs. 2 CETA. Dieser lautet in authentischer deutscher Sprache1759 : „Es fällt nicht in die Zuständigkeit des Gerichts, die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme, die vorgeblich einen Verstoß gegen dieses Abkommen darstellt, nach dem innerstaatlichen Recht einer Vertragspartei zu beurteilen. Zur Klarstellung: Bei seiner Beurteilung, ob eine Maßnahme im Einklang mit diesem Abkommen steht, kann das Gericht das innerstaatliche Recht einer Vertragspartei, soweit angezeigt, als Tatsache heranziehen. Dabei folgt das Gericht der herrschenden Auslegung des innerstaatlichen Rechts durch die Gerichte und Behörden der betreffenden Vertragspartei, wobei eine etwaige vom Gericht vorgenommene Auslegung innerstaatlichen Rechts für die Gerichte und Behörden dieser Vertragspartei nicht bindend ist.“

Eine Immunisierung der Intra-EU-BIT wäre somit denkbar gewesen, hätte man eine solche oder ähnliche Klausel jeweils implementiert. Dies fand auch in der Literatur Zuspruch.1760 Daneben veröffentlichte die Regierung des Königreichs der Niederlande am 22. März 2019 ein aktualisiertes Model-BIT, welches in Art. 20 Abs. 12 eine mit Art. 8.31 Abs. 2 CETA nahezu identische Klausel vorsieht.1761 Eine solche Reform der Intra-EU-BIT hätte Vorbildfunktion haben können. In dieser Hinsicht formulierte Uzelac treffend: „Consequently, my advice for the policymakers faced with the ISDS dilemma can be summarised in the words of an old proverb: Fix it, don’t throw it away! Otherwise, the consequences are likely to be detrimental to the very goals these policymakers wish to pursue.“1762

1758

EuGH, Gutachten vom 30. April 2019, Nr. 1/17, Avis, ECLI:EU:C:2019:341. Siehe Art. 30.11 CETA. 1760 Lee, CAAJ 2018, 137 (150); vgl. auch Klages, EuZW 2018, 217 (218); Bodenheimer/ Eller, RIW 2018, 786 (791); Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (365); a. A. Glinski, ZEuS 2018, 47 (63) und Lübke, GPR 2018, 149 (152). 1761 Model-BIT des Königreichs der Niederlande vom 22. März 2019 (abrufbar unter https: //investmentpolicy.unctad.org/international-investment-agreements/treaty-files/5832/download, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); vgl. allg. hierzu auch Duggal/van de Ven, ArbIntl 2019, 347 (347 ff.). 1762 Uzelac, AJEE 2019, 6 (30); Hervorh. d. Verf.; siehe in diese Richtung auch Leikin/ Kasolowsky/Borgdorf, The Future of Intra-EU Investment Protection: An Urgent Call for a New Roof and a Level Playing Field, Kluwer Arbitration Blog, 7. November 2020, http://arbitrationb log.kluwerarbitration.com/2020/11/07/the-future-of-intra-eu-investment-protection-an-urgentcall-for-a-new-roof-and-a-level-playing-field/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021) („Before tearing down one’s old house, it is a good idea to build a new house first“). 1759

386

Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Immerhin wäre somit den Bedenken des EuGH, es könnte zu einer unkontrollierten Unionsrechtsanwendung kommen, Genüge getan. Auch Investoren wären mit einer solchen Änderung sicherlich einverstanden gewesen, da es in Schiedsverfahren ohnehin kaum zur Anwendung von Unionsrecht kam und sie sich hauptsächlich auf die materiellen BIT-Bestimmungen beriefen und auch noch berufen. Lediglich die Europäische Kommission, die in ihren Bemühungen nicht die unkontrollierte Unionsrechtsanwendung in den Mittelpunkt stellt, sondern das Bestehen einer – äußerst umstrittenen – Paralleljustiz innerhalb des Rechtssystems der Europäischen Union, dürfte dem widersprechen. Dem daraus resultierenden politischen Druck hielten die Mitgliedstaaten indes nicht stand. Nunmehr stehen sie erneut unter Druck, eine geeignete Alternative zu finden. Inwieweit diese Situation begrüßenswerter ist, als jene unmittelbar nach Ergehen der Achmea-Entscheidung, darf bezweifelt werden. Die Mitgliedstaaten hatten die Gelegenheit – entgegen dem Drängen der Europäischen Kommission – bestehende BIT in dieser Hinsicht zu ändern und damit wohl auch ihrer Pflicht aus Art. 4 Abs. 3 EUV zu entsprechen. Dies hätte den völkerrechtlichen Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union zunächst legitimiert und wäre überdies im Interesse von Investoren gewesen. Diese Chance ist verpasst. Nun stehen sie erneut vor einem wohl zeit- und kostenaufwändigen Reformprozess. Jedenfalls für die richtigerweise ebenfalls unionsrechtswidrigen (Schiedsklauseln in) Extra-EU-BIT (s. o.) sollte dieser Weg eingeschlagen werden, sofern für diese keine multilaterale Lösung im Sinne eines MIC (s. o.) gefunden wird. b) Begrüßenswertes Maßnahmenpaket Wie soeben gezeigt, wäre es vorzugswürdig gewesen, den bestehenden völkerrechtlichen Investitionsschutz in das Rechtssystem der Europäischen Union insoweit zu integrieren, dass über BIT, welche eine mit der Autonomie des Unionsrechts nicht zu vereinbarende Unionsrechtsanwendung ausschließen, eine sektorale (schiedsgerichtliche) Paralleljusitz geschaffen worden wäre. Eine solche hätte in Einklang mit der Achmea-Rechtsprechung des EuGH gebracht werden können und hätte intraunional ein zumindest gleichwertiges Investitionsschutzniveau im internationalen Vergleich gewahrt. Durch das Beendigungsübereinkommen wurde ein fundamental anderer Weg gewählt. Auch wenn es derzeit unter anderem angesichts jüngster Diskussion im Rahmen der ECT-Reform,1763 kaum absehbar ist, wie Investitionsschutz innerhalb der Europäischen Union künftig gestaltet sein wird, soll doch ein aus Sicht des Verfassers begrüßenswertes Maßnahmenpaket skizziert werden. 1763

Siehe Bukowksi, The EU’s Bittersweet Proposal to Redefine ’economic activity’ under the Energy Charter Treaty: Expected Implications for International Arbitration, Kluwer Arbitration Blog, 21. März 2021, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2021/03/21/the-eusbittersweet-proposal-to-redefine-economic-activity-under-the-energy-charter-treaty-expectedimplications-for-international-arbitration/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe aus der aktuellen Tagespresse Stein, Das Gezerre um die Energiecharta – Der Vertrag über die Energiecharta schützt seit mehr als 25 Jahren Investitionen. Nun steht eine Reform an – oder auch das Ende des Abkommens, FAZ (2021), 17. März 2021, Nr. 64/11 R1, S. 16.

D. Praktische Konsequenzen

387

Zunächst ist allerdings anzumerken, dass – ganz unabhängig von den vielfach konstatierten Justizdefiziten (s. o.) – das Gerichtssystem der Europäischen Union ein hochgradig ausdifferenziertes Konstrukt staatlicher Gerichte ist, in welchem stets die theoretische Möglichkeit besteht, neben nationalen Rechtsbehelfsgerichten auch den EuGH mit unionsrechtlichen Fragen zu befassen. Daneben kann die Europäische Kommission stets Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten einleiten, die gegen Verpflichtungen aus den Unionsverträgen verstoßen.1764 Insofern scheint es zunächst zu genügen, im Rahmen dieses bereits bestehenden Systems Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit zu steigern (s. o.).1765 Dass dies indes letztlich zu einem im Vergleich zum völkerrechtlichen Investitionsschutz höheren Schutzniveau führt, ist geradezu utopisch. Da der völkerrechtliche Investitionsschutz das weltweite Investitionsrecht maßgeblich prägt und auch die Europäische Union vermehrt Investitionsschutzabkommen mit Drittstaaten schließt (bspw. das CETA, das Agreement between the EU and Japan for an Economic Partnership oder das EU-Vietnam Investment Protection Agreement (s. o.)), kann sich hiermit nicht begnügt werden. Ein innerhalb der Europäischen Union im weltweiten Vergleich potentiell signifikant niedrigeres Rechtsschutzniveau ist schlicht nicht hinnehmbar. Deshalb ist zu befürworten, dass die Europäische Union in zweierlei Hinsicht tätig wird – auf Ebene des materiell-rechtlichen und auf Ebene des prozessualen Schutzes.1766 Hinsichtlich der Reform des materiellen Rechts sollte nicht im Mittelpunkt stehen, an einzelnen Stellen Schutznormen tatbestandlich zu erweitern. Der Umfang des Unionsrechts zum Investitionsschutz wird nicht als das maßgebliche Problem angesehen.1767 Entscheidend dürfte auf materiell-rechtlicher Ebene vielmehr sein, dass die investitionsschützenden Bestimmungen im Unionsrecht weit verteilt sind. Sie finden sich insbesondere in den Grundfreiheiten der Unionsverträge, der EU-GRCharta, in allgemeinen Grundprinzipien des Unionsrechts, dem entsprechenden Sekundärrecht sowie sektorspezifischen Rechtsvorschriften (s. o.).1768 Das unionale Investitionsschutzrecht ist schlicht zu fragmentiert, um bei Investoren das Gefühl von Rechtssicherheit zu erzeugen. Gegenteiliges gilt für materiell-rechtliche Bestimmungen in Investitionsschutzabkommen. Anbieten würde sich somit tatsächlich eine 1764 Boknik, Das Verhältnis von EuGH und Investitionsschiedsgerichten auf der Grundlage von intra-EU BIT, S. 118 ff. 1765 Vgl. Andersen/Hindelang, JWIT 2016, 984 (1004 f.); in diese Richtung geht wohl auch der bisherige Ansatz der Europäischen Kommission in Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final. 1766 So auch bereits vor Ergehen der Achmea-Entscheidung Bungenberg/Griebel/Hobe/ Reinisch/Schreuer, International Investment Law, S. 1904 (1908 Rn. 19). 1767 Andersen/Hindelang, JWIT 2016, 984 (997 ff., 999). 1768 Europäische Kommission, Europäische Kommission, 19. Juli 2018, COM(2018) 547 final, S. 3; Declaration of the Governments of the Member States of 15 January 2019 on the legal consequences of the judgment of the Court of Justice in Achmea and on investment protection in the European Union (abrufbar unter https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/busi ness_economy_euro/banking_and_finance/documents/190117-bilateral-investment-treaties_en. pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), S. 2.

388

Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

Verordnung im oben beschriebenen Sinne (Art. 288 S. 2 AEUV) oder auch eine Richtlinie i. S. d. Art. 288 S. 3 AEUV. Im Gegensatz zu einer Verordnung könnte den Mitgliedstaaten im Falle des Erlasses einer Richtlinie ein weiter Umsetzungsspielraum eingeräumt und gleichzeitig eine „Mindestharmonisierung des Investitionsschutzes“ erreicht werden.1769 Im Zentrum derartiger Reformen sollte ungeachtet dessen jedenfalls stehen, dass das Investitionsschutzrecht einer einheitlichen Regelung zugeführt wird. Es bedarf schließlich nicht zwingend völkerrechtlicher Verträge „außerhalb“ des Unionsrechts, um einen hinreichend klaren Investitionsschutz zu erreichen. Dabei könnte man sich an den materiell-rechtlichen Standards orientieren, die die Europäische Union auch in Abkommen mit Drittstaaten aufstellt.1770 Ziel sollte es sein, dass innerhalb der Europäischen Union ein zumindest gleichwertiges Investitionsschutzniveau besteht, das klaren Regelungen zugeführt ist. Gleichzeitig könnten im Rahmen eines solchen Regelungskomplexes auch das öffentliche Interesse ausdrücklich berücksichtigt und Ausnahmetatbestände geschaffen werden.1771 Um einiges wichtiger dürfte jedoch eine Reform auf Ebene des prozessualen Schutzes sein. Schließlich ist es insbesondere das Verlangen nach einem neutralen, unabhängigen Spruchkörper zur Entscheidung von Investor-Staat-Streitigkeiten, welches den Handlungsbedarf in diesem Zusammenhang unterstreicht (s. o.). Vor diesem Hintergrund ist die Einrichtung eines ständigen Europäischen Investitionsgerichtshofs zu befürworten (s. o.).1772 Vorbild für einen solchen könnte das Einheitliche Patentgericht1773 sein.1774 Dementsprechend wäre auch ein Europäischer Investitionsgerichtshof in das Gerichtssystem der Mitgliedstaaten der Europäischen Union einzugliedern, um mit der Rechtsprechung des EuGH in Einklang zu stehen.1775 Elementar für einen solchen wäre die Befugnis zur Vorlage an den EuGH 1769

Vgl. Berger, EuZW 2021, 342 (348). Leikin/Kasolowsky/Borgdorf, The Future of Intra-EU Investment Protection: An Urgent Call for a New Roof and a Level Playing Field, Kluwer Arbitration Blog, 7. November 2020, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2020/11/07/the-future-of-intra-eu-investment-pro tection-an-urgent-call-for-a-new-roof-and-a-level-playing-field/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe allg. zu einer solchen Verordnung Lavranos, After Achmea: The Need for an EU Investment Protection Regulation, Kluwer Arbitration Blog, 17. März 2018, http://arbitra tionblog.kluwerarbitration.com/2018/03/17/achmea-need-eu-investment-protection-regulation/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021) und Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (207) sowie Andersen/Hindelang, JWIT 2016, 984 (1003). 1771 Berger, EuZW 2021, 342 (348). 1772 Siehe Fn. 1750. 1773 Siehe allg. dazu Haedicke/Timmann/Haedicke, Handbuch des Patentrechts, § 1 Rn. 56 ff. 1774 Ebenso Andersen/Hindelang, JWIT 2016, 984 (1010 f.). 1775 Vgl. EuGH, Gutachten vom 8. März 2011, Nr. 1/09, Einheitliches europäisches Patentgerichtssystem, ECLI:EU:C:2011:123, Rn. 80 („[…] doch können Letztere [die Mitgliedstaaten] die Zuständigkeit für die Entscheidung über solche Rechtsstreitigkeiten nicht einem durch ein internationales Übereinkommen geschaffenen Gericht übertragen, das diesen 1770

D. Praktische Konsequenzen

389

gem. Art. 267 AEUV.1776 Auch sollte für die Regelung der konkret zuständigen Richter darauf geachtet werden, dass nicht der Vorwurf der Voreingenommenheit erhoben werden kann. Schließlich stellt der vermeintliche Mangel an Neutralität der Richter mitgliedstaatlicher Gerichte aus Investorensicht einen wesentlichen Kritikpunkt am Gerichtssystem der Europäischen Union dar.1777 Die „denationalisierte“1778 Natur des Gerichtshofs würde dem zumindest vorbeugen.1779 Die genaue Ausgestaltung eines solchen Gerichtshofs soll hier jedoch nicht näher erörtert werden.1780 Schließlich ist zu erwarten, dass für intra-unionale Investor-Staat-Streitigkeiten auch im Energiesektor – die bislang dem ECT unterfielen (s. o.) – zukünftig eine neue Lösung zu finden ist. Art. 26 ECT ist richtigerweise als unionsrechtswidrig anzusehen (s. o.). Es dürfte kaum überzeugen, Art. 26 ECT im Sinne des Art. 8.31 Abs. 2 CETA zu immunisieren und damit entsprechende Schiedsverfahren im Energiesektor auch intra-unional zu ermöglichen,1781 dies aber – durch das Beendigungsübereinkommen – in allen anderen Investitionssektoren auszuschließen. Deshalb ist zu erwarten, dass im Reformprozess um den ECT auch nach einer allgemeinen Lösung für die Zukunft des prozessualen Investitionsschutzes innerhalb der Europäischen Union gesucht wird.1782 Sollte dies auf einen Europäischen Investitionsgerichtshof im soeben beschriebenen Sinne hinauslaufen, wäre das zu begrüßen.

Gerichten in dem fraglichen Bereich ihre Aufgabe entziehen würde, als „ordentliche Unionsgerichte“ das Unionsrecht durchzuführen, und damit auch die in Art. 267 AEUV vorgesehene Möglichkeit oder gegebenenfalls die Verpflichtung, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen.“) 1776 Stöbener de Mora, EuZW 2019, 217 (218); Stöbener de Mora, EuZW 2018, 363 (370); Bilanova´/Kudrna, EILA Rev. 2018, 261 (277); Andersen/Hindelang, JWIT 2016, 984 (1010); vgl. auch Ludwigs/Remien/Krajewski, Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit und Rechtsstaat in der EU, S. 113 (128) und Non-paper from Austria, Finland, France, Germany and the Netherlands on Intra-EU Investment Treaties vom 7. April 2016 (abrufbar unter https: //www.bmwi.de/Redaktion/EN/Downloads/intra-eu-investment-treaties.pdf?__blob=publica tionFile&v=2, zuletzt abgerufen am 1. September 2021), Rn. 14. 1777 Vgl. Andersen/Hindelang, JWIT 2016, 984 (1011). 1778 Ibid. („denationalised“). 1779 Ibid. 1780 Siehe dazu Paschalidis, The pressing need for a European investment court, Global Arbitration Review, 10. Februar 2020, https://globalarbitrationreview.com/the-pressing-need-eu ropean-investment-court (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1781 Siehe aber EU Text Proposal for the Modernisation of the Energy Charter Treaty (ECT) (abrufbar unter https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2020/may/tradoc_158754.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021) und Lavranos, EILA Rev. 2020, 196 (211). 1782 Siehe zum Reformprozess https://www.energychartertreaty.org/modernisation-of-thetreaty/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

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Kap. III: Das Übereinkommen zur Beendigung der Intra-EU-BIT

IV. Zwischenergebnis Diese kurze Einführung in die praktischen Auswirkungen des Beendigungsübereinkommens veranschaulicht, dass sich die Diskussionen um das intra-unionale Investitionsschutzrecht keinesfalls dem Ende zuneigen. Im Ergebnis wirft es einige, vielschichtige politische Fragen auf. Dabei ist der Blick in Zukunft insbesondere auf die Entwicklungen um die Errichtung des MIC und die Reform des ECT zu richten. Beides dürfte für das Investitionsschutzrecht in der Europäischen Union weichenstellende Bedeutung haben. Ebenfalls bedeutend sind die Entwicklung und der Ausgang der eingangs angesprochenen Schiedsverfahren, die das Übereinkommen unmittelbar adressiert. Die tatsächlichen Auswirkungen des Übereinkommens auf die Schiedspraxis werden sich dort offenbaren. Doch auch diese Verfahren werden irgendwann – unionsrechtskonform im Sinne des dritten Abschnitts des Übereinkommens oder unionsrechtswidrig über Vollstreckungsverfahren in Drittstaaten – ein Ende finden. Deshalb wird im Mittelpunkt zukünftiger Debatten stehen, ob und inwieweit die Mitgliedstaaten sowie die Organe der Europäischen Union einen Handlungsbedarf feststellen und unter anderem angesichts des Potentials des treaty shopping auch festzustellen haben. Möglichkeiten für ein dahingehendes Tätigwerden bestehen an unterschiedlichen Stellen. Zu befürworten wäre, materiellen Investitionsschutz im Unionsrecht einer einheitlichen, klaren Regelung zuzuführen und gleichzeitig einen prozessualen Schutzmechanismus – womöglich über die Einrichtung eines ständigen Investitionsgerichtshofs – zu entwickeln. Auf lange Sicht empfiehlt sich auch außerhalb des Investitionsschutzes die Weiterentwicklung des mitgliedstaatsgerichtlichen Rechtsschutzniveaus.

Schlussbetrachtung und zusammenfassende Thesen Die vorstehende Analyse stellt einige, lange bestehende Fragen und Problematiken heraus, die durch die Achmea-Entscheidung beantwortet bzw. gelöst wurden. Der EuGH hat insbesondere im Bereich des Unionsrechts weitgehend Rechtssicherheit herbeigeführt. Daneben wurden vorliegend indessen zahlreiche Unklarheiten aufgedeckt, welche die EuGH-Richter unberührt ließen oder durch ihre Entscheidung gar verschärften. Dies betrifft insbesondere das Völkerrecht. Ganz entscheidend ist aber, dass die Entscheidung den Weg für das Beendigungsübereinkommen ebnete, mit welchem eine Vielzahl bedeutender Unwägbarkeiten rechtlicher sowie politischer Natur einhergehen. Der Blick in die Zukunft dürfte im Wesentlichen darauf gerichtet sein, wie Investoren und Schiedsgerichte mit den Bestimmungen des Beendigungsübereinkommens umgehen. Insbesondere der Würdigung der Beendigung auch der sunset clauses im Wege des Beendigungsübereinkommens durch Schiedsrichter kommt maßgebliche Bedeutung dafür zu, ob – außerhalb des Energiesektors – schiedsgerichtlicher Investitionsschutz für Investoren auf Basis von Intra-EU-BIT künftig noch als existent anzusehen ist. Jedenfalls aber nach Ablauf entsprechender sunsetPerioden wird Investitionsschutz über BIT innerhalb der Europäischen Union keine Rolle mehr spielen. Vor diesem Hintergrund sollte im Rahmen der Beitrittsverhandlungen mit Staaten wie bspw. der Republik Albanien, der Republik Nordmazedonien, Bosnien und Herzegowina, der Republik Türkei, der Republik Serbien und der Republik Montenegro1783 darauf geachtet werden, dass keine „neuen“ Intra-EUBIT entstehen.1784 Überdies werden sowohl der Reformprozess um den ECT als auch die Verfahren vor dem EuGH hinsichtlich der Unionsrechtskonformität von Art. 26 ECT1785 im 1783 Siehe für eine Übersicht über die EU-Beitrittskandidaten https://www.auswaertigesamt.de/de/aussenpolitik/europa/erweiterung-nachbarschaft/eu-beitrittskandidaten-node (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1784 So auch Berger, EuZW 2021, 342 (347), der darauf hinweist, dass so bis zu 140 neue Intra-EU-BIT entstehen könnten. 1785 Siehe u. a. EuGH, Gerichtsmitteilung vom 8. Oktober 2019, Rs. C-741/19, in: BeckEuRS 2019, 620735; siehe auch das Vorabentscheidungsersuchen vom 11. Mai 2020 Rs. C-109/ 20 des Högsta domstolen (Schweden) (siehe dazu BeckEuRS 2020, 629911) und den Antrag des Königreichs Belgien auf Gutachten 1/20 nach Art. 218 Abs. 11 AEUV vom 29. Januar 2021 (abrufbar unter https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf;jsessionid=AED4481F9A4 83AD2D5917E204E1FB825?text=&docid=237792&pageIndex=0&doclang=DE&mode= lst&dir=&occ=first&part=1&cid=11193185, zuletzt abgerufen am 1. September 2021); siehe auch Batifort, ASIL DRIG: The Future of Investor-State Dispute Settlement under the Energy

392

Schlussbetrachtung und zusammenfassende Thesen

Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Der EuGH wird somit erneut und diesmal wohl endgültig über die Zukunft des schiedsgerichtlichen Investitionsschutzes auf Basis von Investitionsschutzabkommen zur Beilegung von Investor-Staat-Streitigkeiten innerhalb der Europäischen Union entscheiden. Zu erwarten ist eine „zweite“ Achmea-Entscheidung. Essentiell wird in Folge einer solchen aber sein, dass sich die vom EuGH angestellten Erwägungen auch im Reformprozess um den ECT wiederfinden. Nicht unwahrscheinlich ist, dass der EuGH Art. 26 ECT in der derzeit geltenden Fassung für unionsrechtswidrig hält und dieser infolgedessen im Sinne von Art. 8.31 Abs. 2 CETA umformuliert wird.1786 Bedeuten würde dies aber, dass der EuGH – sollte er keine entsprechend eindeutige Entscheidung getroffen haben – erneut auch über die Unionsrechtskonformität des reformierten Art. 26 ECT zu urteilen hätte.1787 Dieses Szenario würde für Investoren, die intra-unional (vermeintlich) im Schutzbereich des ECT investieren, eine weiterhin lang andauernde Rechtsunsicherheit bedeuten. Begrüßenswert wäre vor diesem Hintergrund, dass im Reformprozess um den ECT eine dem Beendigungsübereinkommen äquivalente Lösung für die Zukunft des intra-unionalen Investitionsschutzes im Energiesektor gefunden wird. Schließlich begründet nach hier vertretener Auffassung bereits die Achmea-Entscheidung die Unionsrechtswidrigkeit von Art. 26 ECT. Möglich wäre in diesem Sinne zum einen die Beendigung der ECT-Mitgliedschaft durch sämtliche Mitgliedstaaten der Europäischen Union und zum anderen die Aufnahme einer Trennungsklausel im oben1788 beschriebenen Sinne.1789 Obgleich dieser Komplexität lassen sich im Lichte der in diesem Rahmen festgestellten Ergebnisse folgende elf Thesen formulieren. Diese geben die wesentlichen Aussagen der hiesigen Untersuchung wieder. 1.

Die Erwägungen des EuGH in der Achmea-Entscheidung zur Unionsrechtswidrigkeit von Schiedsklauseln in Intra-EU-BIT gem. Art. 344 AEUV i. V. m. Art. 267 AEUV als Ausdruck der Autonomie des Unionsrechtssystems sowie

Charter Treaty, Kluwer Arbitration Blog, 29. März 2021, http://arbitrationblog.kluwerarbitrati on.com/2021/03/29/asil-drig-the-future-of-investor-state-dispute-settlement-under-the-energycharter-treaty/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1786 Siehe EU Text Proposal for the Modernisation of the Energy Charter Treaty (ECT) (abrufbar unter https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2020/may/tradoc_158754.pdf, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1787 Siehe dazu bereits Antrag des Königreichs Belgien auf Gutachten 1/20 nach Art. 218 Abs. 11 AEUV vom 29. Januar 2021 (abrufbar unter https://curia.europa.eu/juris/document/ document.jsf;jsessionid=AED4481F9A483AD2D5917E204E1FB825?text=&docid=237792 &pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=11193185, zuletzt abgerufen am 1. September 2021). 1788 Siehe Kapitel II A. III. 1789 Ebenso Basedow, Moldova v. Komstroy and the Future of Intra-EU Investment Arbitration under the Energy Charter Treaty: What Does the ECT’s Negotiating History Tell Us?, Kluwer Arbitration Blog, 24. April 2021, http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2021/ 04/24/moldova-v-komstroy-and-the-future-of-intra-eu-investment-arbitration-under-the-energycharter-treaty-what-does-the-ects-negotiating-history-tell-us/ (zuletzt abgerufen am 1. September 2021).

Schlussbetrachtung und zusammenfassende Thesen

393

die Verneinung einer Vorlageberechtigung oder -verpflichtung von Schiedsgerichten i. S. d. Art. 267 AEUV halten im Ergebnis einer unionsrechtlichen Würdigung stand. 2.

Aus der Achmea-Entscheidung des EuGH folgt, dass Schiedsklauseln in sämtlichen Intra-EU-BIT unionsrechtwidrig sind. Dies gilt also unabhängig vom durch das BIT für anwendbar erklärten Recht sowie der darin in Bezug genommenen Schiedsinstitution.

3.

Im Lichte der Würdigungen der EuGH-Richter ist ebenfalls Art. 26 ECT als Grundlage für Investor-Staat-Schiedsverfahren innerhalb der Europäischen Union als unionsrechtswidrig anzusehen. Auch wenn ein dahingehendes Urteil des EuGH zu erwarten ist, ergibt sich dies bereits unmittelbar aus der AchmeaEntscheidung selbst.

4.

Unmittelbar unberührt von der Achmea-Entscheidung, aber gleichwohl als unionsrechtswidrig anzusehen, sind Schiedsklauseln in Extra-EU-BIT, die eine Unionsrechtsanwendung oder -auslegung ermöglichen, welche über die in Art. 8.31 Abs. 2 CETA adressierte Weise hinausgeht. Die Erwägungen des EuGH lassen sich richtigerweise jedenfalls auch auf Verfahren beziehen, in welchen ein drittstaatsangehöriger Investor einen Mitgliedstaat auf Basis eines Extra-EU-BIT in Anspruch nimmt und in einem entsprechenden Verfahren Unionsrecht angewendet bzw. ausgelegt werden kann.

5.

Das Beendigungsübereinkommen beendet alle Intra-EU-BIT der Signatarstaaten mit ex nunc-Wirkung ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Übereinkommens für die Vertragsparteien der BIT (Art. 16 Abs. 2 BÜ). Dies gilt auch für die BIT, die eine sunset clause enthalten. Diese Beendigung erfolgt ohne eine irgendwie geartete Rückwirkung und ist als Ausdruck loyaler Zusammenarbeit i. S. v. Art. 4 Abs. 3 EUV zu verstehen.

6.

Die einvernehmliche Beendigung auch der sunset clauses über Art. 2 Abs. 1 und 2 BÜ ist völkerrechtlich möglich und auch völkerrechtskonform erfolgt. Die betroffenen sunset clauses entfalten daher keine Wirkung. Unklar ist, ob hiermit befasste Schiedsgerichte dies ebenso bewerten werden.

7.

Die Bestimmungen des Beendigungsübereinkommens zur Behandlung anhängiger und neuer Schiedsverfahren sind völkerrechtskonform. Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 BÜ sind lediglich deklaratorischen Charakters und haben über die in Art. 7 BÜ statuierten Pflichten der Vertragsparteien hinaus keine verbindliche Bedeutung für Schiedsgerichte, Investoren oder staatliche Gerichte. Die Signatarstaaten stellen im Rahmen dieser Bestimmungen lediglich ihr bereits in den Januar-Deklarationen deutlich gewordenes Verständnis hinsichtlich des Konflikts zwischen Unionsrecht und Intra-EU-BIT fest.

8.

Die in Art. 8 bis 10 BÜ vorgesehenen Übergangsmaßnahmen mögen für Investoren angesichts der unionsrechtlichen Prägung sowohl des strukturierten Dialogs als auch des Zugangs zu nationalen Gerichten zwar unattraktiv wirken

394

Schlussbetrachtung und zusammenfassende Thesen

und dies wohl auch sein, sind jedoch gleichwohl ebenfalls als völkerrechtskonform anzusehen. 9.

Bis zum Inkrafttreten des Übereinkommens i. S. d. Art. 16 Abs. 2 BÜ ist nicht zu erwarten, dass sich die bislang – soweit ersichtlich – ständige Rechtsprechung der Schiedsgerichte hinsichtlich der Bejahung ihrer Zuständigkeit für die Beilegung intra-unionaler Investor-Staat-Streitigkeiten auf Basis von Intra-EU-BIT trotz der Achmea-Entscheidung und den Januar-Deklarationen ändern wird. Das Beendigungsübereinkommen leistet über die Beendigung der BIT selbst dahingehend auch im Lichte der Bestimmungen der VCLT keinen ausschlaggebenden Beitrag. In Schiedsverfahren, die bis zum Inkrafttreten des Übereinkommens i. S. d. Art. 16 Abs. 2 BÜ eingeleitet werden, werden sich die Schiedsrichter mithin voraussichtlich für zuständig erklären.

10. Vor dem Hintergrund des Beendigungsübereinkommens und des damit einhergehenden, absehbaren Endes des intra-unionalen Investitionsschutzes auf Basis von BIT ist ein treaty shopping durch Investoren zu erwarten. Deshalb, aber auch grundsätzlich im Sinne eines gelungenen prozessualen und materiellrechtlichen Schutzniveaus zugunsten von Auslandsinvestoren innerhalb der Europäischen Union ist ein dahingehender Handlungsbedarf der Mitgliedstaaten anzuerkennen. 11. Begrüßenswert zur Begegnung dieses Handlungsbedarfs wäre der Erlass eines irgendwie gearteten materiell-rechtlichen Regelungsrahmens für intra-unionale Auslandsinvestitionen – möglicherweise in Form einer entsprechenden Verordnung oder Richtlinie – sowie die Einrichtung eines eigens hierfür eingerichteten Spruchkörpers mit Vorlagemöglichkeit zum EuGH nach Art. 267 AEUV. Schiedsgerichtlicher Investitionsschutz wird also weiterhin auch innerhalb der Europäischen Union eine wesentliche Rolle spielen und Gegenstand des rechtswissenschaftlichen Diskurses sein. Abschließend soll erneut darauf hingewiesen werden, dass ein Großteil der Problematik hätte vermieden werden können, hätten die Mitgliedstaaten auf die Achmea-Entscheidung nicht mit der Beendigung sämtlicher Intra-EU-BIT reagiert, sondern diese inhaltlich den Erwägungen der Richter entsprechend angepasst. Es lässt sich gut argumentieren, dass der EuGH keine Beeinträchtigung der Autonomie des Unionsrecht annehmen würde, wenn Intra-EU-BIT eine Unionsrechtsanwendung ausdrücklich ausschlössen bzw. lediglich im Sinne von Art. 8.31 Abs. 2 CETA ermöglichten. Hätten sich die Mitgliedstaaten auf eine Änderung der BIT in diesem Sinne beschränkt, wäre dies ein klares Zeichen auch für die Zukunft von Art. 26 ECT sowie der Schiedsklauseln in Extra-EU-BIT gewesen. Überdies müssten sich die Mitgliedstaaten nun nicht damit beschäftigen, wie auf prozessualer und materiellrechtlicher Ebene ein hinreichendes Investitionsschutzniveau geschaffen werden kann, ohne dass die Autonomie des Unionsrechts (erneut) untergraben wird. Vor diesem Hintergrund wird somit wiederum deutlich, dass die vollumfängliche Be-

Schlussbetrachtung und zusammenfassende Thesen

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endigung sämtlicher Intra-EU-BIT und damit auch die Verhinderung künftiger intraunionaler Investor-Staat-Schiedsverfahren wohl überwiegend politisch motiviert war, um sich der umstrittenen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit jedenfalls innerhalb der Europäischen Union zu entledigen.

Verzeichnis zitierter Schiedssprüche 9REN Holding S.à r.l. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/15/15 (Award, 31. Mai 2019) A.M.F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic, PCA Case No. 2017-15 (Final Award, 11. Mai 2020) Achmea B.V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B.V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13 (Award on Jurisdiction, Arbitrability and Suspension, 26. Oktober 2010) Achmea B.V. v. The Slovak Republic (formerly Eureko B.V. v. The Slovak Republic), UNCITRAL, PCA Case No. 2008-13 (Award, 7. Dezember 2012) ADC Affiliate Limited and ADC & ADMC Management Limited v. The Republic of Hungary, ICSID Case No. ARB/03/16 (Award of the Tribunal, 2. Oktober 2006) Addiko Bank AG and Addiko Bank d.d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/37 (Decision on Croatia’s Jurisdictional Objection Related to the Alleged Incompatibility of the BIT with the EU Acquis, 12. Juni 2020) Alpha Projektholding GmbH v. Ukraine, ICSID Case No. ARB/07/16 (Award, 8. November 2010) Amco Asia Corporation and others v. Republic of Indonesia, ICSID Case No. ARB/81/1 (Decision on Jurisdiction, 25. September 1983) Ampal-American Israel Corporation and others v. Arab Republic of Egypt, ICSID Case No. ARB/12/11 (Decision on Jurisdiction, 1. Februar 2016) Austrian Airlines v. The Slovak Republic, UNCITRAL (Final Award, 9. Oktober 2009) Azurix Corp. v. The Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/01/12 (Award, 14. Juli 2006) Azurix Corp. v. The Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/01/12 (Decision on the Application for Annulment of the Argentine Republic, 1. September 2009) BayWa r.e. Renewable Energy GmbH and BayWa r.e. Asset Holding GmbH v. Spain, ICSID Case No. ARB/15/16 (Decision on Jurisdiction, Liability and Directions on Quantum, 2. Dezember 2019) Belenergia S. A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/40 (Award, 28. August 2019) Blusun S. A., Jean-Pierre Lecorcier and Michael Stein v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/14/3 (Final Award, 27. Dezember 2016) CEF Energia BV v. Italian Republic, SCC Case No. 158/2015 (Award, 16. Januar 2019) Ceskoslovenska Obchodni Banka, A.S. v. The Slovak Republic, ICSID Case No. ARB/97/4 (Decision of the Tribunal on Objections to Jurisdiction, 24. Mai 1999) Charanne and Construction Investments v. Spain, SCC Case No. V 062/2012 (Award, 21. Januar 2016)

Verzeichnis zitierter Schiedssprüche

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Compañiá de Aguas del Aconquija S. A. and Vivendi Universal S. A. v. Argentine Republic (formerly Compañía de Aguas del Aconquija, S. A. and Compagnie Générale des Eaux v. Argentine Republic), ICSID Case No. ARB/97/3 (Decision on Jurisdiction, 14. November 2005) Eastern Sugar B.V. v. The Czech Republic (SCC Case No. 088/2004) (Partial Award, 27. März 2007) Eiser Infrastructure Limited and Energía Solar Luxembourg S.à r.l. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/13/36 (Final Award, 4. Mai 2017) Electrabel S. A. v. Republic of Hungary, ICSID Case No. ARB/07/19 (Decision on Jurisdiction, Applicable Law and Liability, 30. November 2012) Eskosol S.p.A. v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/15/50 (Decision on Termination Request and Intra-EU Objection, 7. Mai 2019) European American Investment Bank AG (EURAM) v. Slovak Republic, UNCITRAL (Award on Jurisdiction, 22. Oktober 2012) Foresight Luxembourg Solar 1 S.á r.l., et al. v. Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/150 (Final Award and Partial Dissenting Opinion of Arbitrator Raül Vinuesa, 14. November 2018) Georg Gavrilovic and Gavrilovic d.o.o. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/12/39 (Award, 25. Juli 2018) GPF GP S.à.r.l v. Republic of Poland, SCC Case No. V 2014/168 (Award, 29. April 2020) Greentech Energy Systems A/S, et al v. Italian Republic, SCC Case No. V 2015/095 (Final Award, 23. Dezember 2018) Hulley Enterprises Limited v. The Russian Federation, UNCITRAL, PCA Case No. 2005-03/ AA226 (Final Award, 18. Juli 2014) Hydro Energy 1 S.à r.l. and Hydroxana Sweden AB v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/ 15/42 (Decision on Jurisdiction, Liability and Directions on Quantum, 9. März 2020) Ioan Micula, Viorel Micula, S.C. European Food S.A, S.C. Starmill S.R.L. and S.C. Multipack S.R.L. v. Romania [I], ICSID Case No. ARB/05/20 (Final Award, 11. Dezember 2013) Ioan Micula, Viorel Micula, S.C. European Food S.A, S.C. Starmill S.R.L. and S.C. Multipack S.R.L. v. Romania [I], ICSID Case No. ARB/05/20 (Decision on Annulment, 26. Februar 2016) Jan Oostergetel and Theodora Laurentius v. The Slovak Republic, UNCITRAL (Decision on Jurisdiction, 30. April 2010) Jürgen Wirtgen, Stefan Wirtgen, Gisela Wirtgen and JSW Solar (zwei) GmbH & Co. KG v. Czech Republic, PCA Case No. 2014-03 (Final Award, 11. Oktober 2017) Landesbank Baden-Württemberg and others v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/15/45 (Decision on the Intra-EU Jurisdictional Objection, 25. Februar 2019) LG&E Energy Corp., LG&E Capital Corp., and LG&E International, Inc .v. Argentine Republic, ICSID Case No. ARB/02/1 (Decision on Liability, 3. Oktober 2006) Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary, ICSID Case No. ARB/ 17/27 (Award of the Tribunal, 13. November 2019)

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Verzeichnis zitierter Schiedssprüche

Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/13/27 (Award, 26. Juli 2018) Masdar Solar & Wind Cooperatief U.A. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/14/1 (Award, 16. Mai 2018) Novenergia II - Energy & Environment (SCA), SICAR v. The Kingdom of Spain, SCC Case No. 2015/063 (Final Award, 15. Februar 2018) Raiffeisen Bank International AG and Raiffeisenbank Austria d.d. v. Republic of Croatia, ICSID Case No. ARB/17/34 (Decision on Respondent’s Jurisdictional Objections, 30. September 2020) Rockhopper Italia S.p.A., Rockhopper Mediterranean Ltd, and Rockhopper Exploration Plc v. Italian Republic, ICSID Case No. ARB/17/14 (Decision on the Intra-EU Jurisdictional Objection, 29. Juni 2019) RREEF Infrastructure (G.P.) Limited and RREEF Pan-European Infrastructure Two Lux S.a` r.l. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/13/30 (Decision on Jurisdiction, 6. Juni 2016) Rupert Joseph Binder v. Czech Republic, UNCITRAL (Award on Jurisdiction, 6. Juni 2007) RWE Innogy GmbH and RWE Innogy Aersa S. A.U. v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/ 14/34 (Decision on jurisdiction, liability and certain issues of quantum, 30. Dezember 2019) Strabag SE, Raiffeisen Centrobank AG and Syrena Immobilien Holding AG v. Republic of Poland, ICSID Case No. ADHOC/15/1 (Partial Award on Jurisdiction, 4. März 2020) Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. The United Mexican States, ICSID Case No. ARB (AF)/00/2 (Award, 29. Mai 2003) Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/15/49 (Statement of Dissent of Professor Marcelo Kohen, 3. Februar 2020) Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus, ICSID Case No. ARB/15/49 (Decision on Jurisdiction, 7. Februar 2020) UAB E energija v. Republic of Latvia, ICSID Case No. ARB/12/33 (Decision on Annulment, 8. April 2020) United Utilities B.V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia, ICSID Case No. ARB/ 14/24 (Award of the Tribunal, 21. Juni 2019) UP (formerly Le Chèque Déjeuner) and C.D Holding Internationale v. Hungary, ICSID Case No. ARB/13/35 (Award, 9. Oktober 2018) Vattenfall AB and others v. Federal Republic of Germany, ICSID Case No. ARB/12/12 (Decision on the Achmea Issue, 31. August 2018) Veteran Petroleum Limited v. The Russian Federation, UNCITRAL, PCA Case No. 2005-05/ AA228 (Final Award, 18. Juli 2014) Watkins Holdings S.à r.l. and others v. Kingdom of Spain, ICSID Case No. ARB/15/44 (Award, 21. Januar 2020) Yukos Universal Limited v. The Russian Federation, UNCITRAL, PCA Case No. 2005-04/ AA227 (Final Award, 18. Juli 2014)

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Sachverzeichnis A.M.F. Aircraftleasing Meier & Fischer GmbH & Co. KG v. Czech Republic 59, 195, 198, 199, 215 f., 346, 355, 358, 365 Achmea-Objection 150, 167, 187, 191, 195, 198, 204, 208 f., 212, 215, 218, 225 f., 230, 232, 234, 244 – 246, 272, 276, 319, 344, 357 acquired rights 331, 358 acte clair-Doktrin 64, 79, 106, 116, 128, 136 acte éclairé-Doktrin 116, 128, 136, 197, 255 Ad hoc-Ausschuss des ICSID 264 Ad hoc-Schiedsgericht 41, 157, 215 Addiko Bank AG and Addiko Bank d.d. v. Republic of Croatia 198 f., 218, 220 – 222, 308, 315, 356, 361, 365 amicus curiae 53, 143, 172, 262, 264, 276, 384 Aufhebungsprozesse 250, 260 Austrian Airlines v. The Slovak Republic 51 Austrittsabkommen 129 Blusun 236, 246 Blusun 173, 176, 192, 246, 248 CETA 23, 129, 159 f., 163 f., 171 f., 182, 219 f., 249, 271, 364, 368, 372, 374, 385, 387, 389, 392 – 394 Diskriminierungsverbot 55, 64, 74 Doppelbesteuerung 141 Durchsetzungsprozesse 36, 187, 250 f. Eastern Sugar B.V. v. Czech Republic 22, 50, 52, 59 f., 64 – 68, 78, 92, 108, 130, 140, 147, 200, 204, 206, 280, 330, 346 f. Energiechartavertrag 25, 28, 32 f., 36, 73, 75, 79, 94, 106, 141, 144, 150 f., 165 – 185, 187 – 198, 225 – 250, 252, 254 f., 260,

270 f., 273, 276 – 278, 308, 360, 367, 369, 386, 389 – 394 Eskosol 170, 190, 194, 219, 225 f., 236 f., 239, 241, 243 – 245, 249 f., 259, 335, 349, 356, 358 – 361 estoppel 316, 329 f., 360 exercised rights 331 Extra-EU-BIT 36, 94, 115, 150 f., 160 – 165, 176, 178, 183, 185 – 187, 270, 273 f., 364, 368, 372, 386, 393 f. fair and equitable treatment 50, 55, 63, 70, 112, 143, 329 Foresight Luxembourg Solar 1 S.á r.l., et al. v. Kingdom of Spain 176, 225 f., 233 f., 236 f. Francovich 46, 56, 122, 213, 361 Gewohnheitsrecht

213

ICSID-Konvention 24, 26, 30, 106, 115, 125, 152, 155, 158, 189, 193, 200, 202 f., 205 f., 209, 219 f., 222, 226, 228, 241, 243 f., 251, 256 f., 259 – 261, 264 – 266, 268, 270, 281, 358 – 361, 365 ICSID-Schiedsgericht 236, 246 Inkrafttreten 25 f., 40, 51, 58, 106, 150, 153 f., 157, 162 f., 192, 199, 201, 203, 205, 208, 215, 218, 222, 262 f., 273, 275, 279 f., 286 f., 306, 312 f., 320 f., 325 – 327, 331 f., 334, 342, 345, 350, 355 – 360, 362 f., 367, 372, 394 Intra-EU Jurisdictional Objection 41, 44, 49 f., 53 f., 57, 68, 78, 92, 153, 198, 225, 245 – 249, 276, 303, 357 Investor-Staat-Verträge 94, 150 f., 184 – 186 Januar-Deklaration 242, 247 Januar-Deklarationen 26, 31, 32, 158, 199, 244 f., 250, 259, 271, 276 f., 282 f., 285,

424

Sachverzeichnis

307 f., 315, 319, 330, 334 – 336, 344, 347 – 349, 354 – 357, 360, 393 f. legitime Erwartungen 316, 330 lex loci arbitri 49, 55 – 57, 67, 71 Maciej Szpunar 128 f., 158, 181 – 183, 185 Magyar Farming Company Ltd, Kintyre Kft and Inicia Zrt v. Hungary 194, 198 f., 205, 207, 213, 319, 336, 352, 354 f., 357, 359 f. Marcelo G. Kohen 187, 212 – 214, 369 Marfin Investment Group v. The Republic of Cyprus 59, 198 – 201, 208, 346, 349, 359 Masdar 166, 225, 234 – 236, 240, 247, 249, 267, 270 Mediationsmechanismus 379 f. Melchior Wathelet 98, 100, 109 – 111, 113 f., 126, 128 f., 133 – 135, 140 – 142, 146, 156, 183, 220, 222, 235, 375 Micula 34, 36, 115, 127, 129, 132, 143, 251, 261 f., 264, 267, 269, 272, 280 f., 285, 296, 365 MOX-Plant-Entscheidung 72, 100 f., 109, 120 Multilateral Investment Court 382 New York Convention 259 f., 270, 341 ordre public 258

113, 125, 251 – 257,

83, 86, 105 f., 114, 116, 125,

pacta sunt servanda-Prinzip 144, 175, 190, 196, 217, 228, 361 f. Permanent Court of Arbitration 125, 379, 381 Positionspapier/Non-Paper 379, 383 Raiffeisen Bank International AG and Raiffeisenbank Austria d. d. v. Republic of Croatia 67, 198 f., 222, 308, 365 retroaktive Wirkung 284, 310 f., 320, 322, 332, 344 Rockhopper Italia S.p.A., Rockhopper Mediterranean Ltd, and Rockhopper Exploration Plc v. Italian Republic 153, 225 f., 246 – 249

Rückwirkung 320 f., 323, 330, 343, 393 Rupert Joseph Binder v. Czech Republic 22, 50 – 52, 59, 61, 63, 65 – 68, 92, 346 f. same subject matter 33, 45, 48, 55, 59, 200, 214 Schirmklausel 111, 154, 156 Strukturierter Dialog 287 sunset clause 47, 111, 274, 284, 311 f., 314, 317, 320, 393 Theodoros Adamakopoulos and others v. Republic of Cyprus 59, 187, 198 f., 208 f., 212 – 214, 346, 349, 369 treaty shopping 36, 273, 364, 366 f., 369, 371 – 374, 376, 390, 394 Trennungsklausel 172 – 176, 179, 231 f., 234, 237, 245 f., 248 f., 392 Tribunal Arbitral Tributário 97, 131, 133 TTIP 23, 374 Übergangsmaßnahmen 286, 302, 309, 338, 355, 358, 363, 393 United Utilities B.V. and Aktsiaselts Tallinna Vesi v. Republic of Estonia 188, 190, 198 f., 202 – 204, 250, 347, 349, 361 UP (formerly Le Chèque Déjeuner) and C.D Holding Internationale v. Hungary 157, 198 f., 201 f., 359, 361, 365 Vattenfall 28, 154, 166, 169 f., 174 – 176, 180, 194, 196, 225 – 228, 230, 232, 237 – 240, 247, 249, 308, 353 Verfassungsbeschwerde 38, 43, 65, 89, 91, 93 Vorabentscheidungsverfahren 46, 48, 52, 64, 71, 73, 75, 81, 88, 101, 113, 126, 130, 134, 136, 142, 181, 273 Vorlageberechtigung 65, 75, 79, 126, 130, 132, 135 – 137, 393 Zugang zu nationalen Gerichten 286 f., 295, 297 f., 301 f., 339 Zwischenentscheid 44, 68, 70 – 72, 76 f., 79, 144, 226, 236, 245 f. Zwischenverfahren 77, 80, 116, 126