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German Pages 352 [358] Year 2012
Bastian Walter Informationen, Wissen und Macht
vierteljahrschrift für sozialund wirtschaftsgeschichte – beihefte Herausgegeben von Günther Schulz, Jörg Baten, Markus A. Denzel und Gerhard Fouquet
band 218
Bastian Walter
Informationen, Wissen und Macht Akteure und Techniken städtischer Außenpolitik: Bern, Straßburg und Basel im Kontext der Burgunderkriege (1468–1477)
Franz Steiner Verlag
Dieser Band wurde auf Veranlassung des Sonderforschungsbereichs 496 „Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter bis zur Französischen Revolution“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster unter Verwendung der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellten Mittel gedruckt.
Umschlagabbildung: Burgerbibliothek Bern, Mss.h.h.I.3, p. 146 (Überfall auf eidgenössische Kaufleute auf dem Rhein im April 1473)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2012 Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-10132-5
VORWORT Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2010/11 von der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen und für den Druck geringfügig überarbeitet. Sie wäre ohne die vielfältige Unterstützung Anderer nicht entstanden. Mein größter Dank gilt meinem Doktorvater, Prof. Dr. Martin Kintzinger (Münster), der mich früh für außenpolitische Fragen sensibilisierte und mein Interesse förderte, mir zahlreiche Möglichkeiten zum wissenschaftlichen Austausch bot und mir während meiner Dienstobliegenheiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter großzügige Freiräume ließ, damit die Arbeit mit der dafür notwendigen Ruhe entstehen konnte. Für die Übernahme des Zweitgutachtens sowie für zahlreiche Gespräche und Anregungen über die Thematik danke ich weiterhin Prof. Dr. Christian Hesse (Bern). Wertvolle Impulse erhielt die Arbeit überdies durch den Austausch mit Dr. Michael Jucker (Luzern), dem ich an dieser Stelle ebenfalls meinen großen Dank aussprechen möchte. Beim ehemaligen Sonderforschungsbereich 496 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und seiner Sprecherin Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger bedanke ich mich herzlich für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses, wofür Prof. Dr. Werner Freitag (Münster/Institut für vergleichende Städtegeschichte e. V.) ein Gutachten erstellte, weswegen ich mich ihm zu großem Dank verpÁichtet weiß. Für die Aufnahme der Arbeit in die VSWG-Beihefte bin ich Prof. Dr. Gerhard Fouquet (Kiel), von dessen kritischer Lektüre die Arbeit überdies sehr proÀtiert hat, sowie Prof. Dr. Günther Schulz (Bonn) genauso zu großem Dank verpÁichtet wie Katharina Stüdemann und Harald Schmitt vom Franz Steiner Verlag in Stuttgart für die exzellente Betreuung bei der Drucklegung. Da die Arbeit zu einem erheblichen Teil auf Archivalien basiert, danke ich gleichermaßen dem Archivpersonal in Bern, Basel und Straßburg, das mir manche Sonderwünsche erfüllte und stets eine angenehme Arbeitsatmosphäre schuf. Zahlreiche Einzelaspekte der Arbeit durfte ich in Vorträgen auf internationalen Tagungen, Workshops und Kolloquien in Bern, Bielefeld, Braunschweig, Frankfurt a. M., Freiburg i. Br., Fribourg, Karlsruhe, Kiel, Köln, Konstanz, Leeds, Luzern, München, Münster, Straßburg, Trier, Tübingen und Zürich präsentieren und zur Diskussion stellen. Davon hat die Arbeit genauso in einem erheblichen Maße proÀtiert wie vom wertvollen und inspirierenden Austausch mit zahlreichen Einzelpersonen. Stellvertretend für viele andere geht mein Dank deswegen an Prof. Dr. Christoph Dartmann (Münster/Vechta), Prof. Dr. Kelly DeVries (Baltimore, MD), Prof. Dr. Valentin Groebner (Luzern), Dr. Michael Hecht (Münster), Prof. Dr. Sabine von Heusinger (Köln), Dr. Klara Hübner (Fribourg), PD Dr. Christian Jörg (Trier), Prof. Dr. Peter Johanek (Münster), Prof. Dr. Jochen Johrendt (Wuppertal), Dr. Bernhard Metz (Straßburg), Dr. Tim Neu (Münster), PD Dr. Klaus Oschema (Heidelberg), Prof. Dr. Dietrich W. Poeck (Münster), Dr. Olivier Richard (Mul-
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Vorwort
house), Prof. Dr. Rainer Christoph Schwinges (Bern), PD Dr. Claudius Sieber-Lehmann (Basel), Prof. Dr. Urs-Martin Zahnd (Bern) und nicht zuletzt Dr. Gabriel Zeilinger (Kiel). Die Korrektur der Arbeit in ihren verschiedenen Entwicklungsphasen Àel neben Jan Binkau M. A. auch Klaus und Teresa Bogedain, Dr. Oliver Daldrup, Prof. Dr. Jochen Johrendt, Jochen Missweit, Benjamin Magofsky und meinem Vater Frank Walter zu, während Julia Schläth und Jens Pape M. A. mich bei der mitunter recht schwierigen Literaturbeschaffung unterstützen; ihnen allen gebührt mein großer Dank. Die angenehme Atmosphäre am Historischen Seminar an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und dort vor allem am „Lehrstuhl Kintzinger“, wo man jederzeit ein offenes Ohr für mich hatte, tat ihr Übriges, damit die Arbeit entstehen konnte und ich mich stets aufgehoben fühlte. Hier möchte ich mich insbesondere bei Manuela Blickberndt und meinem Büro-WG-Kollegen Nils Bock M. A., sowie bei „Ingo“ Eickholt, Dr. Torsten Hiltmann, Dr. Georg Jostkleigrewe und Dr. Sita Steckel bedanken. Mein allergrößter Dank jedoch gilt meinen Eltern, Johanna und meinen Freunden. Sie zeigten mir, dass es auch ein Leben neben der Wissenschaft gibt, glaubten immer an mich und ließen mir in jeder Hinsicht die beste Unterstützung zuteil werden, die man sich nur wünschen kann. Ihnen möchte ich dieses Buch widmen. Münster/Wuppertal, im Juli 2012
Bastian Walter
INHALTSVERZEICHNIS
A. Einführung ...................................................................................................
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1. Der Kontext .......................................................................................... 2. Methoden, Leitfragen und Aufbau der Arbeit.......................................
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B. Die städtischen Gesandten ..........................................................................
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1. Institutionelle Voraussetzungen in Bern ............................................... 2. Akteure in Bern..................................................................................... 2.1. Nikolaus von Diesbach (1430–1475) ......................................... 2.1.1. Diesbachs diplomatische Missionen (1469–1474) ........ 2.1.2. Diesbachs letzte Missionen und sein Tod ..................... 2.2. Nikolaus von Scharnachtal (1419–1489) ................................... 2.3. Petermann von Wabern († 1491) ................................................ 2.4. Adrian von Bubenberg (1434–1479) .......................................... 3. Institutionelle Voraussetzungen in Straßburg ....................................... 4. Akteure in Straßburg............................................................................. 4.1. Peter Schott d. Ä. (1427–1504) ................................................... 4.1.1. Schotts diplomatische Missionen (1470–1474) ............ 4.1.2. Schott als Hauptmann und Diplomat im Krieg (1474/75) ........................................................ 4.2. Klaus Baumgartner ..................................................................... 4.3. Jakob von Amelung († 1495)...................................................... 5. Institutionelle Voraussetzungen in Basel .............................................. 6. Akteure in Basel ................................................................................... Exkurs: Basels Außenpolitik im Spiegel der Quellen........................... 6.1. Die Bürgermeister Peter Rot († 1487) und Hans von Bärenfels († 1495) ............................................... 6.2. Der Oberzunftmeister Heinrich Iselin († 1490) .......................... 6.3. Der Dreizehner Heinrich Zeigler († 1490) ................................ 6.4. Der Dreizehner Hans Bremenstein (†1475) ............................... 6.5. Der Dreizehner Hans Irmi († 1497) ........................................... 6.6. Der Dreizehner Peter Schönkind ................................................ 7. Zusammenfassung: Städtische Gesandte als Wissensträger .................
27 31 36 46 52 56 61 65 72 80 83 85 92 99 101 103 112 114 120 126 130 134 137 142 147
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Inhaltsverzeichnis
C. Informationsverwaltung: Die städtischen Kanzleien .................................. 151 1. Institutionelle Voraussetzungen ............................................................ 2. Akteure in Bern und Basel.................................................................... 2.1. Bern: Stadtschreiber Thüring Fricker (1429–1519).................... 2.2. Basel: Stadtschreiber Gerhard Mecking († 1474) und Nikolaus Rüsch († 1506) ..................................................... 3. Techniken der Informationsverwaltung ................................................ 3.1. Missivenbücher und Archivmobiliar .......................................... 3.2. Eingangsvermerke und Kopien .................................................. 3.3. Informationsverdichtung............................................................. 3.4. Datumsvermerke ........................................................................ Exkurs: Informationsverwaltung in der Praxis ..................................... 4. Zusammenfassung: Die städtischen Kanzleien als Wissensspeicher....
151 154 154 167 172 174 175 176 178 180 182
D. Informelle Kontakte .................................................................................... 185 1. Informelle Kontakte zwischen Räten.................................................... 1.1. Bern und Basel............................................................................ 1.2. Basel und Straßburg .................................................................... 1.3. Straßburg und Bern .................................................................... 2. Informelle Kontakte der Stadtschreiber ................................................ 2.1. Die Briefwechsel des Berner Stadtschreibers Thüring Fricker .. 2.2. Der Briefwechsel des Straßburger Stadtschreibers Johannes Meier mit Martin von Ingenheim aus Metz ................ 3. Ein „Forum“ für informelle Kontakte: Die „Stube zum Narren und Distelzwang“ in Bern .............................. 4. Zusammenfassung ................................................................................
185 188 191 194 195 195 201 205 211
E. Informationsübermittlung und Informationskontrolle................................. 213 1. Informationsübermittlung: Die Boten................................................... 1.1. Amtseide .................................................................................... 1.2. Spannungsverhältnis zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit und Amtssymbole ........................................ 1.3. Geheime Übermittlungstechniken und Sonderaufträge ............. 1.4. Gefahren und zusätzliche Aufgaben ........................................... 2. Informationskontrolle .......................................................................... 2.1. Kontrolle der Übermittlungsgeschwindigkeit in Straßburg und Basel .................................................................................... 2.2. Übermittlungsgeschwindigkeit in Friedenszeiten....................... 2.3. Übermittlungsgeschwindigkeit in Kriegszeiten..........................
215 215 217 219 223 226 226 230 234
Inhaltsverzeichnis
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2.4. Der Tod des burgundischen Herzogs als „Medienereignis“ ....... 236 Exkurs: Das Problem der „Nebengeschrifften“ .................................... 240 3. Zusammenfassung ................................................................................ 242 F. Informationsbeschaffung ............................................................................. 245 1. Okkasionelle Informationsbeschaffung ................................................ 1.1. KauÁeute und Märkte ................................................................. 1.2. Wirte und Wirtshäuser ................................................................ 1.3. Geistliche und Pilger .................................................................. 1.4. Gefangene und Überläufer .......................................................... 1.5. Gefangene Boten und das Erbeuten von Briefen ....................... Exkurs: Ein Spion der Gegenseite: Diebold Benedicti ........................ 2. Professionelle Informationsbeschaffung............................................... 2.1. Personengruppen und Bezahlung .............................................. 2.2. Befehlsstrukturen ........................................................................ 2.3. Tätigkeitsfelder und Gefahren .................................................... 2.4. Kaspar Michel: Unterwegs mit einem Spion ............................. 2.4.1. Ende August bis Anfang Oktober 1476 ........................ 2.4.2. Anfang Dezember 1476 bis Anfang Januar 1477.......... 3. Zusammenfassung ................................................................................
245 246 249 251 254 257 262 264 266 268 270 274 274 276 280
G. Informationen als Währung und Propagandainstrument ............................. 283 1. Informationen als Währung: Die Cedulae inclusae.............................. 1.1. Verwaltung und Archivierung .................................................... 1.2. Übermittlung und Format .......................................................... 1.3. Funktionen ................................................................................. 2. Informationen als Propagandainstrument ............................................. 2.1. Fehlinformationen und verspätete InformationsÁüsse................ 2.2. „Kundschafften“ und „Nuwe Meren“ ......................................... 2.3. Mitteilungen an Nichtinvolvierte: .............................................. Die Informationsnetze Berns und Basels.................................... 3. Zusammenfassung ...............................................................................
284 284 286 288 292 292 295 298 301
H. Was hat der schottische Autor Walter Scott mit dem Berner Chronisten Diebold Schilling zu tun? Eine Zusammenfassung ..................................... 305
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Inhaltsverzeichnis
Bibliographie..................................................................................................... 311 Ungedruckte Quellen (mit Abkürzungen) .................................................. Staatsarchiv Bern (StABe).................................................................... Bundesarchiv Bern (BAB).................................................................... Staatsarchiv Basel (StABas) ................................................................. Archives Municipales de Strasbourg (AMS) ........................................ Bibliothèque Nationale de France, Paris (BNF) ................................... Gedruckte Quellen ....................................................................................... Sekundärliteratur .........................................................................................
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A. EINFÜHRUNG 1. DER KONTEXT Am Abend des 3. April 1473 überÀelen zwei Adlige mit einigen Helfern ein Schiff mit eidgenössischen KauÁeuten auf dem Rhein, die sich rheinaufwärts auf dem Weg zur Frankfurter Frühjahrsmesse befanden. Im Verlauf der HandgreiÁichkeiten wurde ein Berner Kaufmann getötet, während die restlichen zehn zum Anlegen an das Ufer gezwungen wurden. Sie und ihre Handelswaren wurden daraufhin in die Burg Schuttern überführt, die einem der Täter gehörte. Dort wurden sie für rund eine Woche festgehalten, bis sie am 11. April 1473 von Straßburger Truppen befreit wurden. Für einen Zeitgenossen des Geschehens, den Chronisten und Unterschreiber in der Kanzlei der Stadt Bern, Diebold Schilling, war es wenige Jahre später offensichtlich, dass der Überfall auf die KauÁeute und ihre Befreiung zu einem engen Zusammenrücken der Eidgenossen untereinander, aber auch zwischen diesen und den oberrheinischen Reichsstädten Basel und Straßburg geführt hatte.1 Die vom Chronisten Schilling beschriebenen Ereignisse berühren unmittelbar das Thema der vorliegenden Arbeit. Denn einer der Täter, Bilgeri von Heudorf, war zum Zeitpunkt des Überfalls burgundischer Rat, ein „alter Bekannter“ der oberrheinischen Reichsstädte sowie der Eidgenossen und hatte letzteren dreißig Jahre zuvor gemeinsam mit anderen Adligen den Krieg erklärt, in dessen Verlauf er das bei Basel gelegene Rheinfelden überfallen und einige Bürger gefangen genommen hatte.2 Da es sich bei einem von diesen Gefangenen um den während der Burgunderkriege in der Basler Kanzlei als Unterschreiber arbeitenden Walther Bomgarter gehandelt hatte, war Heudorf auch für die Basler Führungsgruppe kein Unbekannter.3 Zahlreiche Streitigkeiten in den Jahren darauf, in denen vor allem die seit 1454 1 2
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Tobler, Berner Chronik, S. 97 ff. (siehe dazu auch die Darstellung des Geschehens aus Diebold Schillings Chronik auf der Vorderseite dieses Bandes). Zu Bilgeri von Heudorf vgl. Erwerth, Bilgeri von Heudorf; Hansjakob, Waldshuter Krieg; von Wyss, Bilgeri von Heudorf; Heinig, Kaiser Friedrich III., Band 1, S. 377 f.; zum anderen Täter, bei dem es sich um Diebold von Geroldseck handelte, vgl. Hlawitschka, Notizen; zum so genannten „Alten Zürichkrieg“ vgl. Niederstätter, Alte Zürichkrieg; zur Gefangennahme der Basler Bürger vgl. Bernoulli, Basler Chroniken 4, S. 386–391. Kurz darauf trat Heudorf in Dienst des österreichischen Herzogs Albrecht VI. und bemühte sich in dieser Funktion darum, die Stadt Schaffhausen wieder unter österreichischen EinÁuss zu bringen. Dabei kamen ihm seine Erbansprüche auf die Burg Laufen entgegen, die sich im Besitz einer Schaffhausener Familie befand. Im Zuge des daraus erwachsenden Streits eroberte er 1449 unter anderem Laufen sowie Rheinau, wo er 23 Jahre später gemeinsam mit Diebold von Geroldseck den eingangs erwähnten Überfall auf die eidgenössischen KauÁeute auf dem Rhein unternahm. Truppen der Stadt Schaffhausen plünderten in den folgenden Wochen zahlreiche von Heudorfs Besitzungen, für den das ein willkommener Anlass war, um in der folgenden Zeit gegen Schaffhausen und ihre Bürger vorzugehen. Für die Schaffhausener Räte hingegen führten die Streitigkeiten mit Heudorf zu einem verstärkten Kontakt zu den Eidgenossen, mit denen
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A. Einführung
unter Schutz der Eidgenossen stehende Stadt Schaffhausen eine Rolle spielte, waren die Folge.4 Sie gipfelten letztlich im Juni 1468 in den „Waldshuter Krieg“ zwischen den Eidgenossen und dem Dienstherrn Heudorfs, Herzog Albrecht VI. von Österreich.5 Der Krieg war von österreichischer Seite in erster Linie gegen Schaffhausen und Mülhausen gerichtet. Das empörte insbesondere Bern und Solothurn, da sie 1466 ein Bündnis mit Mülhausen geschlossen hatten.6 Nach Plünderungszügen im Sundgau belagerten eidgenössische Truppen daraufhin im Sommer 1468 Waldshut, wo sich neben zahlreichen weiteren Adligen aus dem Sundgau auch der spätere Geiselnehmer Heudorf aufhielt. Bern drängte in der Folge unter Führung seiner beiden Hauptleute Nikolaus von Diesbach und Nikolaus von Scharnachtal auf die Eroberung der Stadt, da man an einer Expansion dorthin interessiert war.7
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sie im Juni 1454 ein Schutzbündnis schlossen. Zum Hintergrund ist zu sagen, dass Schaffhausen im Zuge der Auseinandersetzungen um den Aargau im Jahr 1415 reichsfrei geworden war, dazu Baum, Habsburger, S. 304–308; Heinig, Kaiser Friedrich III., Band 1, S. 378 (im Gefolge Albrechts erhielt Heudorf den Ritterschlag auf der Tiberbrücke in Rom); zu Schaffhausen im Spätmittelalter vgl. Landolt, Finanzhaushalt. Segesser, Abschiede Nr. 418, S. 270 u. S. 875–878 (Beilage Nr. 34); vgl. dazu auch Baum, Habsburger, S. 326 f. Zum Status „zugewandter Ort“ vgl. Christ, KonÁikte. Als zugewandter Ort durfte Schaffhausen nun ohne Einverständnis der Eidgenossen keine Kriege führen, wofür diese ihr im Gegenzug versprachen, sie im Falle eines Angriffs von Dritten – und damit meinten sie Heudorf – militärisch zu unterstützen. Dennoch ging er weiterhin unablässig gegen die Stadt vor und nahm beispielsweise im April 1467 ihren Bürgermeister gefangen, was zu erheblichen Spannungen zwischen den Eidgenossen und Österreich führte. Baum, Habsburger, S. 502 ff.; Erwerth, Bilgeri von Heudorf, S. 27 f.; Hansjakob, Waldshuter Krieg, S. 17 f.; Stettler, Eidgenossenschaft, S. 225–229; angeblich übertraf das Lösegeld mit 1.800 Gulden das Gesamtvermögen des Bürgermeisters. Das weckte den Unmut der Eidgenossen, die militärisch gegen den österreichischen Herzog vorgehen wollten. Der daraufhin als Vermittler eingeschaltete Bischof von Konstanz Hermann von Breitenlandenberg legte fest, dass Sigmund von Österreich dem Schaffhauser Bürgermeister das Lösegeld zurückzahlen sollte, was aber unterblieb. Breitenlandenberg war der Schwager Bilgeris von Heudorf (vgl. Heinig, Kaiser Friedrich III., Band 1, S. 377 f.; zu seiner Politik im Kontext der Burgunderkriege vgl. Kramml, Reichsstadt Konstanz). Da der Berner Chronist Schilling Heudorfs Verhalten gegenüber Schaffhausen im ersten Kapitel seiner Chronik beschreibt, rückt er dieses in einen engen Zusammenhang mit den Burgunderkriegen und betont die Bedeutung dieses KonÁikts für die Stadt Bern (vgl. Tobler, Berner Chronik, Kapitel 1, S. 4 f.: „Das die von Schafhusen von herr Bilgrin von Höwdorff mit muotwillen bekriegt wurden“). Das Bündnis Àndet sich im StABe Bundbücher 18, fol. 343 (17. Juni 1466); vgl. dazu Gutzwiller, Bündnis. Tatsächlich wäre eine Eingliederung der Stadt in den eidgenössischen EinÁussbereich wahrscheinlich sogar geglückt, besaßen ihre Einwohner doch eine AfÀnität zu den Eidgenossen. Das geht aus einem Schreiben des österreichischen Gesandte und Hofmeisters Jakob Trapp hervor, das dieser aus der Abtei St. Blasien im Schwarzwald an den Rat der Stadt Freiburg i. Br. verfasste: „Und on zwifel für war, es stat die Sach also, wo nit starck zugezogen wirt, nit mit den vinden zu slahen, sunder Waltzhut und den stetten und waldlüten zu trost, und on zwifel söllen ir sin, wo ich mit den so by mir sind nit hie wer, se wer der gantz wald on allen zwifel Switz, zug man nu trostlich zu, damit wurden die waldlüt dester besser zu behalten. Wann in geheim wisset, das sölch groß suchung an die lüt und stett ist, sich zu den Aidgenossen ze tuon, und wellen sy lassen ein ort der Aidgenossen sin. Tuond es doch üwer selbs, aller eren und trüw willen, und ziehen her, denn es ist not uff dismal allein des fürnemens halb, wann wo das be-
1. Der Kontext
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Jedoch musste die Stadt ihre Interessen unter dem Druck der anderen Eidgenossen zurückstellen, so dass kurze Zeit später unter Vermittlung von Räten der Stadt Basel Friedensverhandlungen begannen.8 Da die Bestimmungen der kurz darauf zwischen Österreich und den Eidgenossen geschlossenen „Waldshuter Richtung“ zentral für die vorliegende Arbeit sind, sollen sie kurz zusammengefasst werden.9 Während die ersten Punkte das Verhältnis zwischen den Eidgenossen und Heudorf betrafen, entstand der dritte Punkt aus dem Wunsch Berns, Mülhausen vor Zugriffen zu schützen. Es offenbaren sich überdies wirtschaftliche Interessen, wenn Sigmund zur Unterbindung von Störungen des Handels der Stadt verpÁichtet wurde. Der vierte Punkt war für den gesamten Untersuchungszeitraum der vorliegenden Arbeit von großer Bedeutung. Denn in diesem verlangten die Eidgenossen vom österreichischen Herzog Sigmund die Zahlung einer Kriegsentschädigung in Höhe von 10.000 Gulden binnen eines Jahres an sie und behielten sich andernfalls vor, Waldshut sowie den südlichen Schwarzwald einzunehmen.10 Sie waren sich sicher, dass Herzog Sigmund diese Bestimmungen nicht einhalten konnte und weder ein Interesse an der Lösung ihrer Streitigkeiten mit Heudorf hatte noch die nötigen Ànanziellen Mittel besaß, um Waldshut und den südlichen Schwarzwald vor ihrem Zugriff zu schützen. In den folgenden Monaten suchte Herzog Sigmund nach einem Partner, weswegen seine Gesandten zunächst an den Hof des französischen Königs Ludwig XI. reisten. Dieser fand sich jedoch nicht zu einer Unterstützung Sigmunds bereit und verwies auf sein gutes Verhältnis zu den Eidgenossen. Das ließ den Österreicher im Frühjahr 1469 eine folgenreiche Reise zum burgundischen Herzog Karl dem Kühnen unternehmen, der ihm im Gegensatz zu Ludwig XI. beizustehen versprach. Im daraufhin zwischen ihnen am 9. Mai 1469 geschlossenen „Vertrag von Saint-Omer“ verpfändete Herzog Sigmund dem Burgunder den Sundgau, die Grafschaft PÀrt, die vier Waldstädte am Rhein (Waldshut, Rheinfelden, Laufenburg und Säckingen) und den südlichen Schwarzwald für 50.000 Gulden.11 Karl der Kühne überreichte Sigmund zudem 10.000 Gulden für die Kriegsentschädigung an die Eidgenossen, sicherte ihm militärische Unterstützung im Fall eines Angriffs derselben zu und versprach, ihm bei der Rückgewinnung von altem ehemals habsburgischen Besitz in der Eidgenossenschaft zu helfen.12 Und auch von seinem Vetter, Kaiser Friedrich III., erhielt Sigmund insofern Rückendeckung, als dieser kurze Zeit später die
schäch, mögen ir wol verstan was es wurd“ (Schreiber, Urkundenbuch Freiburg 2, S. 511; vgl. dazu Hansjakob, Waldshuter Krieg, S. 41). 8 An diesen nahm unter anderem neben den Basler Vermittlern Hans Irmi und Heinrich Iselin auch der Berner Nikolaus von Diesbach teil, vgl. Hansjakob, Waldshuter Krieg, S. 48–63. Im Verlauf der Gespräche bestanden die Berner auf der Herausgabe von Waldshut, bis sie von den übrigen Eidgenossen umgestimmt wurden. 9 Die Waldshuter Richtung Àndet sich abgedruckt in Segesser, Abschiede (Beilage 43). 10 StABe Bundbücher 18, fol. 403 (24. August 1468). 11 Zum Vertrag von Saint-Omer vgl. Stouff, Origines. Eine zeitgenössische Beschreibung der verpfändeten Gebiete Àndet sich bei ders., Possessions; ders., Description. 12 Dazu Esch, Alltag S. 14 f.; Bittmann, Ludwig XI., S. 312 f.
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A. Einführung
„Waldshuter Richtung“ für ungültig erklärte und die Acht über die Eidgenossen verhängte.13 Es verwundert daher nicht, dass der Vertrag von Saint-Omer unter den Eidgenossen vor allem Bern vor das große Problem stellte, wie man mit diesem neuen Machthaber am Oberrhein umgehen sollte. Problematisch war, dass die Eidgenossen unter- und miteinander erhebliche KonÁikte hatten, und es wäre verfehlt, in ihrem Fall von einer einhelligen Meinung, geschweige denn einer gemeinsamen Außenpolitik zu sprechen.14 Zudem setzte der Ende 1469 von Karl dem Kühnen in den Pfandlanden als Landvogt eingesetzte Peter von Hagenbach in der Folgezeit alles daran, um die Position Burgunds am Oberrhein zu konsolidieren und den EinÁuss der dort gelegenen Städte und ihrer Verbündeten einzudämmen.15 Das lag auch im Interesse Karls des Kühnen, der alles dafür tat, dass die neuen Gebiete in seinem Besitz verblieben, da sie eine Verbindung der zerstreut liegenden burgundischen Territorien und einen erheblichen Machtzuwachs für ihn bedeuteten.16 Und genau an diesem Punkt traten die oberrheinischen Reichsstädte Straßburg und Basel als politische Akteure in Erscheinung, die neben Bern ebenfalls im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen. Denn auch sie waren unmittelbar vom Vertrag von Saint-Omer betroffen und sahen ihren politischen EinÁuss in den verpfändeten Gebieten schwinden. Hinzu kam, dass das Verhältnis zwischen Sigmund und dem burgundischen Herzog in den ersten Jahren nach der Verpfändung sehr gut war.17 Aber auch die Herzogtümer Savoyen und Mailand sowie der Pfalzgraf bei Rhein suchten näheren Kontakt zu Burgund. Lediglich der französische König Ludwig XI. beschränkte sich darauf, abzuwarten und das Geschehen aufmerksam zu beobachten.18 An alldem wird die komplizierte politische Situation in den Jahren vor dem 13
Grüneisen, Herzog Sigmund, S. 154–212; Heinig, Friedrich III., Maximilian I. und die Eidgenossen. 14 Vgl. Esch, Alltag; Stettler, Eidgenossenschaft; Jucker, Innen- oder Außenpolitik; ders., Gesandte; ders., Kommunikation. 15 Dazu vor allem Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 45–95. 16 Esch, Alltag, S. 14 ff. 17 Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 95–118. Selbst das Reichsoberhaupt Friedrich III. betrieb eine burgundfreundliche Politik, da er anfangs die nicht unbegründete Hoffnung hatte, seinen Sohn Maximilian mit der einzigen Tochter Karls des Kühnen, Maria von Burgund, vermählen zu können. Herzog Sigmund hatte sich zunächst als Vermittler in dieser Angelegenheit angeboten. Zur Annäherung Basels an die Eidgenossenschaft im Untersuchungszeitraum vgl. Brady, Turning Swiss; Steinbrink, Meltinger. Steinbrink gibt dazu Folgendes an: „Doch spätestens mit der von der schweizerischen und vor allem der baslerischen Regionalgeschichtsschreibung zu einem Schicksalskampf gloriÀzierten Niederlage der Schweizer Truppen bei St. Jakob an der Birs 1444, nur wenige Kilometer vor den Toren der Stadt gelegen, schwenkte Basel immer häuÀger in die Reihen der Eidgenossen ein. Auslöser waren auch hier territoriale Streitigkeiten, im Besonderen mit dem elssässischen Landvogt Peter von Hagenbach. Dieses führte, langsam und nie geradlinig, Basel in die Interessenlage der Eidgenossenschaft“ (ebd., S. 15). 18 Es ist in erster Linie der monumentalen dreibändigen Monographie von Karl Bittmann (Bittmann, Ludwig XI.) zuzuschreiben, mit dem bis dahin gängigen Urteil aufzuräumen, dass der Grund für den Ausbruch des Kriegs gegen Burgund in dem als „universal spider“ agierenden französichen König Ludwig XI. gelegen habe. Für Bittmann geht dieses Bild auf die profranzö-
1. Der Kontext
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Ausbruch der Burgunderkriege deutlich. Zugleich offenbart sich deren europäische Dimension. Festhalten lässt sich, dass vor allem die drei Protagonisten der vorliegenden Arbeit, die Städte Straßburg, Basel und Bern und ihre Führungsgruppen, zwingend daran interessiert waren, die Probleme zu lösen, die aus dem Vertrag von Saint-Omer resultierten. In den folgenden Jahren setzten sie alles daran, um die neuen burgundischen Machthaber aus den so genannten „Pfandlanden“ zu verdrängen. Sie wussten, dass sie das nur erreichen konnten, wenn sie eng zusammenarbeiteten und eine gemeinsame, gegen Burgund gerichtete Außenpolitik vorbereiteten, koordinierten und durchführten. Während sie bereits früh von einer Zusammenarbeit überzeugt waren, stellte sie die Suche nach Verbündeten vor Herausforderungen: Schließlich mussten sie den österreichischen Herzog und den Kaiser davon überzeugen, dass diese sich von Karl dem Kühnen ab- und ihnen zuwendeten. Aber auch wenn das gelingen sollte, würden weitere Probleme auftauchen. So waren sich die Berner Räte beispielsweise sicher, dass die eidgenössischen Länderorte kaum einem Zusammengehen mit dem österreichischen Herzog, geschweige denn dem französischen König, zustimmen würden. Und auch dieser musste noch überzeugt werden, gegen den burgundischen Herzog vorzugehen. Lediglich Solothurn, das gemeinsam mit Bern seit 1466 ein Bündnis mit Mülhausen unterhielt, war von Beginn an aufseiten der Aarestadt und ihrer Verbündeten und hatte wie sie Expansionsinteressen am Sundgau.19 Daran lässt sich ermessen, wie groß der Kraftakt war, den die
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sische und stark antiburgundische Haltung des Chronisten Philippe de Commynes zurück, der für den größten Teil der Forschung gewissermaßen als „Kronzeuge“ für die Ereignisse diente. Bittmann dekonstruiert diese Sicht und damit Commynes Perspektive eingehend und gibt beispielsweise für den vierten Band Commynes folgendes an: „Unter den sechs Büchern seines [Commynes, d. Verf.] Werkes, die sich mit Ludwig XI. befassen, Àndet sich keines in der Literatur häuÀger zitiert, uneingeschränkter bewundert, bereitwilliger als richtunggebende Autorität anerkannt, freudiger ausgeschrieben […] keines übt als Ganzes eine faszinierendere Wirkung aus als dieses vierte Buch der Memoiren Commynes’“ (ebd., S. 7). Für Bittmann geht es „nicht mehr darum, an ihnen den hohen politischen Sinn Ludwigs XI. aufzuzeigen. Es gilt, den Sinn seiner Politik zu erfassen, ihre Leitidee zu überprüfen, an sie das Maß der Kritik anzulegen, ob die Erklärung Commynes‘ mit den originalen Quellen zusammenstimmen will oder nicht“ (ebd., S. 24). Am Ende des Bandes kommt er zusammenfassend zu dem Urteil, dass „Ludwig XI. diese Mächten nun ohne Verzug gegen Burgund zu werfen beabsichtige, und zwar ohne daß sie es selbst bedacht oder gewollt hätten, daß er das Friedenswerk betrieben hätte, um es zu einer Kriegsmaschine auszugestalten, die in Zukunft für ihn, aber ohne ihn arbeiten werde, daß er in genialer Erfassung der Möglichkeiten, die sich ihm hier boten, vorausberechnet und kombiniert hätte, welche Folgen diese Versöhnung der Erbfeinde [gemeint sind Österreich und die Eidgenossen, d. Verf.] zeitigen müsse, nämlich die Verwicklung des Burgunders in einen Krieg, den die Neuversöhnten an seiner statt durchfechten würden und in dem der Gegner seinen Untergang Ànden müsse – ein solches Kalkül als die Triebfeder der Handlung […] sich nach Überprüfung der originalen Quellen nicht aufrechterhalten“ lasse (ebd., S. 608). Dem Beispiel Bittmanns folgten zahlreiche weitere Studien, von denen stellvertretend für viele genannt werden sollen: Gasser, Ewige Richtung; Vaughan, Charles the Bold; Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus; zuletzt Stettler, Eidgenossenschaft im 15. Jahrhundert. Es ist hier nicht beabsichtigt, die (außen-)politische Rolle von Solothurn in dem gegen Burgund gerichteten Prozess zu untersuchen. Ein solches Unterfangen wäre insofern fruchtbar, als vor
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Räte der untersuchten drei Städte leisten mussten, bis sie dem burgundischen Herzog und seinen Verbündeten Ende Oktober 1474 den Krieg mit dem bekannten Ausgang erklären konnten.20 2. METHODEN, LEITFRAGEN UND AUFBAU DER ARBEIT Wenngleich die herausgehobene Stellung der Städte Straßburg, Basel und Bern und ihre politischen Motivationen in dem gegen Burgund gerichteten Prozess mittlerweile gesicherter Stand der Forschung sind, wurden die Gründe für diese Stellung und ihre „inneren“ Beweggründe noch nicht eingehend untersucht. Gleiches gilt für die Techniken, die ihre Stellung konsolidierten.21 Im Folgenden gehe ich davon aus, dass die besondere Position der Städte wesentlich auf dem hohen Informations- und Wissensstand ihrer Amts- und Funktionsträger basierte. Denn meiner Meinung nach vermögen Informationen, ihre Träger und ihre Verwaltung, ihre Übermittlung und Beschaffung zu einem neuen und vor allem vertieften Verständnis von (in diesem Fall spätmittelalterlicher Außen-) Politik und ihrem Funktionieren beitragen.22 Gleiches gilt für ihre jeweiligen aktuellen wie späteren Verwendungs- und Gebrauchszusammenhänge, aber auch für die Zurückhaltung von Informationen. Damit sind die Leitbegriffe der vorliegenden Arbeit genannt: Informationen, Wissen und Macht; sie trugen maßgeblich dazu bei,
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allem der Solothurner Stadtschreiber Hans vom Stall wichtige Funktionen im Vorfeld der Burgunderkriege wahrnahm. Dass Solothurn nach den Burgunderkriegen 1481, wie überdies Freiburg i. Ue., vollberechtigtes Mitglied der Eidgenossenschaft wurde, hatte sicherlich auch mit der gemeinsamen Politik während der Burgunderkriege zu tun (ich danke Christian Hesse/Bern für diesen Hinweis). Zur Politik von Solothurn im Kontext der Burgunderkriege vgl. die noch immer aktuellen Ausführungen von Amiet, Territorialpolitik; Amiet, Burgunderfahnen. Aus der Fülle der Darstellungen zum Verlauf und zum Ausgang der Burgunderkriege sei hier verwiesen auf Oschema/Schwinges, Karl der Kühne. Darin: Marchal, Staat; Esch, Karl der Kühne; Boone, Monde urbain; Prietzel, Schlachten; Vaughan, Charles the Bold; Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus; Bittmann, Ludwig XI.; Stettler, Eidgenossenschaft, S. 233–257; Schnerb, État Bourguignon; Scheidegger, Guerres; Cauchies, Louis XI.; Pfaff, Europa zur Zeit der Burgunderkriege; Gasser, Ewige Richtung (wo nicht anders vermerkt, wird diesen Darstellungen zu den Burgunderkriegen in der vorliegenden Arbeit gefolgt). Wenn im Folgenden von der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition zu lesen ist, sind bis zum Zeitpunkt der Bündnisabschlüsse im März/April 1474 diese drei Städte und ihre Verbündeten gemeint. Zu diesem Vorgehen vgl. Sieber-Lehmann, Basel, S. 113 ff., dem ich herzlich danke, dass er mir seine noch ungedruckte Habilitationsschrift zur Verfügung gestellt hat. Dafür plädiert auch Peter Burke: Burke, ReÁections; vgl. auch den interessanten Sammelband Bulst, Politik und Kommunikation. Darin besonders: ders., Einleitung; ders., Politische Dimensionen; Teuscher, Kommunikationsraum; vgl. dazu auch den 2004 herausgegebenen Sammelband von Bourdreau u. a., Information et société. Darin insbesondere die Einleitung von Gauvard, Introduction, sowie die darin versammelten Beiträge: Hayez, Avviso; Novák, Source; Contamine, Conclusion; vgl. auch Pons, Information.
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dass die drei untersuchten Städte und ihre Verbündeten eine gemeinsame und gegen Burgund und seine Verbündeten gerichtete Außenpolitik etablieren konnten.23 Die Frage nach der Existenz von mittelalterlicher Außenpolitik wurde in zahlreichen Veröffentlichungen problematisiert.24 Vor allem vonseiten der Verfassungsgeschichte wurde vielfach die Frage aufgeworfen, ob beziehungsweise inwieweit man im Mittelalter überhaupt von einer „Außenpolitik“ sprechen könne, schließlich habe es in dieser Zeit keine selbständigen Staaten gegeben, wie wir sie heute kennen.25 Mittlerweile ist die Forschung aber darin einig, dass Außenpolitik nicht erst mit Beginn „moderner“ Staatlichkeit eingesetzt, sondern dass es sie bereits seit dem 12. Jahrhundert gegeben hat.26 Denn wenn die Existenz von Außenpolitik negiert wird, muss auch die Existenz von Innenpolitik hinterfragt werden. Deswegen wird Außenpolitik in dieser Arbeit in Abgrenzung zu und in enger Verbindung mit Innenpolitik gesehen und analysiert.27 Einen weiterführenden Ansatz für außenpolitische Fragestellungen bietet zudem die hier gewählte Perspektive, die mit den Gesandten und Stadtschreibern, den Boten und Spionen die tatsächlich handelnden Akteure in den Mittelpunkt rückt. Während eine solche Vorgehensweise für das Mittelalter bisher nur in Ansätzen angewendet wurde, haben akteurszentrierte Untersuchungen in der Frühneuzeitforschung in den letzten Jahren zugenommen.28 Dort hat sich 23
In Anlehnung an Dieter Berg wird „jede politische Aktion“ eines Herrschaftsträgers, „die über die Grenzen des eigenen Machtbereichs hinausweist und höchst unterschiedliche Ziele […] unter Verwendung eines geeigneten Instrumentariums politischer Kommunikation verfolgte, als Akt außenpolitischen Handelns“ verstanden, Berg, Deutschland, S. 1; vgl. auch Ehm, Burgund, S. 16 f.; Kintzinger, Westbindungen, S. 20–29. 24 Vgl. als Auswahl (mit der wichtigsten Literatur) zuletzt Ottner, Einleitung; Wefers, Versuch; dies., Theorie; Moraw, Rahmenbedingungen; Jörg/Jucker, Städtische Gesandte, S. 11–14 u. 22–30. 25 Auch eine Umschreibung des Gegenstands in „außenpolitisches Handeln“ erschien nicht minder problematisch und verlagert die Schwierigkeiten: Auch hier bleibt das speziÀsch „außenpolitische“ an Handlungen und am Handeln erklärungsbedürftig. Diesen Fragen widmeten sich zahlreiche Studien. Als Auswahl vgl. Berg, Deutschland; ders., Einleitung; auch Kintzinger, Westbindungen, S. 20 f.; vgl. auch Heinig, Konjunkturen, insbes. S. 21–24 u. S. 54 f.; vgl. auch Märtl/Zey, Einleitung; Wefers, Handlungsträger, insbes. 60 f. 26 So wurde jüngst gefordert, eine sich an der Herausbildung von Nationen und Staaten orientierende Diplomatiegeschichte aufzugeben: „The history of diplomacy is Ànally inseperable from parallel histories of education and literacy, technological innovation, economics literature and rhetoric, gender, sexuality, and marriage“ (Watkins, New Diplomatic History, S. 6); vgl. auch Autrand/Contamine, Livres des hommes; Autrand, Naissance de la France; Moraw, Bündnispolitik; für Außenpolitik im 12. Jahrhundert vgl. den 2008 von Hanna Vollrath herausgegebenen Sammelband, der den programmatischen Titel trägt „Der Weg in eine weitere Welt. Kommunikation und Außenpolitik im 12. Jahrhundert“, Vollrath, Kommunikation; für die neue Forschung zur Außenpolitik stehen die Arbeiten zur diplomatischen Praxis der Stadt Barcelona von Stéphane Péquignot, von denen hier stellvertretend Péquignot, Gracieuses Paroles, genannt sei. 27 Vgl. dazu Jucker, Innen- oder Außenpolitik, S. 257 f.; Wefers, Versuch; dies., Theorie; Moraw, Rahmenbedingungen. 28 Unter Akteuren werden in der vorliegenden Arbeit sowohl die tatsächlich politisch agierenden Individuen, sprich die Gesandten, als auch die sie entsendenden Rechtskörperschaften, sprich die Städte, verstanden. Zur städtischen Außenpolitik vgl. den jüngst erschienenen Band von
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mittlerweile durchgesetzt, dass es zahlreiche neue Einsichten in das Funktionieren von Außenpolitik zulässt.29 Bei alldem ist es jedoch unerlässlich, sich die Frage zu stellen, ob die genannten Akteure klar zwischen einem Innen und einem Außen unterschieden und die für eine solche Unterscheidung wichtigen Grenzen wahrgenommen haben. Eine aus Basel überlieferte Lohnliste für die städtischen Boten legt ein gesteigertes Bewusstsein der dortigen Führungsgruppe im Untersuchungszeitraum nahe. In dieser wird nämlich eindeutig getrennt zwischen dem Lohn, den die städtischen Boten für ihre Dienste „innerlandes“ und dem, den sie erhielten, wenn sie Briefe und Nachrichten „ußerlanndes“ übermittelten.30 Auch ein „Grenzbewusstsein“ lässt sich in den herangezogenen Quellen nachweisen. Es offenbart sich beispielsweise an den Problemen des Markgrafen Rudolf von Baden-Hachberg im Kontext der Burgunderkriege. Denn dieser einÁussreiche Herrschaftsträger musste sich unmittelbar vor Beginn und noch während der Burgunderkriege mehrfach vor den Führungsgremien und den Kriegsräten der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition erklären, ob er auf ihrer Seite oder auf der des burgundischen Herzogs und seiner Verbündeten stehe.31 Die Gründe dafür lagen zum einen in der Tatsache, dass der Markgraf seit den 1450er Jahren ein Burgrecht mit der Stadt Bern unterhielt und auf diese Weise ihr Bürger war – und zwar mit allen Rechten und PÁichten, die damit einhergingen.32 Zum anderen aber hatte dieser Herrschaftsträger, der zwischen deutschsprachigem Reichsgebiet und dem EinÁussbereich des französischen Königs lebte, Lehen vom burgundischen Herzog inne und war ihm eng verbunden, etwa als Gouverneur von Luxemburg und Vorgänger Peter von Hagenbachs als Verwalter der Pfandlande. Erschwerend für ihn kam hinzu, dass sein Sohn und Nachfolger Philipp im Heer des burgundischen Herzogs kämpfte. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich dieser in der Folgezeit intensiv darum bemühte, Philipp von Baden-Hachberg in seinen Diensten zu behalten. Die Probleme des Markgrafen verdeutlichen, dass für die betrachteten Herrschaftsträger Fragen nach Grenzen vor allem im Kontext von KonÁikten relevant wurden.33 Schließlich mussten sie auf die Bedrohung von Burgund und seiner Ver-
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Jörg/Jucker, Spezialisierung. Darin besonders als exzellenter Forschungsüberlick Jörg/Jukker, Städtische Gesandte; Jörg, Gesandte; Selzer, Nachholende Professionalisierung sowie Kintzinger, Diplomatie. Dazu vgl. den von Hillard von Thiessen und Christian Windler jüngst herausgegebenen Sammelband von Thiessen/Windler, Akteure. Darin besonders: Dies., Außenbeziehungen; Zunkkel, Geschäftsleute; Würgler, Akteure; von Thiessen, Diplomatie; vgl. auch ders., Diplomatie und Patronage; für die Hanse vgl. die Ausführungen von Poeck, Herren. StABas Wochenausgabebuch 5, fol. 664. Die Lohnaufstellung trägt die Überschrift „Dis sint der statt halb loiffenden botten lone“, vgl. Groebner, Gefährliche Geschenke, S. 86. Zur Person des Markgrafen vgl. Bauer, Négociations et campagnes; Ehm, Burgund, S. 221 ff.; vgl. zum Beispiel des Markgrafen Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 320f.; das Beispiel Baden-Hachbergs im Hinblick auf Grenzen untersucht ist bei Bock, Jostkleigrewe u. Walter, Politische Grenzen, S. 9 ff. Das Burgrecht Àndet sich bei Jeanjaquet, Traités d‘Alliance, S. 107–115. Das Thema „Grenzen“ ist derzeit allgegenwärtig in der historischen Forschung. So widmeten sich sowohl die 2010 abgehaltenen Schweizerischen Geschichtstage als auch der Deutsche
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bündeten reagieren und zudem ihren späteren Bündnispartnern verdeutlichen, dass diese Bedrohung existenziell für alle Beteiligten war. Nur wenn ihnen eine derartige Sensibilisierung gelang, wurden auch für ihre (späteren) Bündnispartner außenpolitische Maßnahmen zur Verteidigung des auf diese Weise entstandenen gemeinsamen Interesses zwingend und unerlässlich.34 Ziel ihrer Bemühungen war daher die Schaffung und Etablierung einer gemeinsamen und gegen den burgundischen Herzog und seine Verbündeten gerichteten Außenpolitik, die durch das Anfang April 1474 geschlossene Bündnis einen ersten Ausdruck fand und durch eben dieses und die ihm innewohnende Ausrichtung in der Folge koordiniert und bestimmt wurde.35 Dem gewählten Ansatz folgend wird davon ausgegangen, dass sich ein Bündnis wie das untersuchte und gegen Burgund gerichtete nicht etwa allgemein über wie auch immer geartete Staaten, sondern um konkrete außenpolitische Akteure gestaltet. Sein Aufbau, Abschluss und seine spätere PÁege bedürfen zahlreicher Maßnahmen und Techniken zu seiner Sicherung. Wesentliche Aspekte stellen dabei die wechselseitige Kommunikation und gegenseitige Informationsübermittlung der sich noch nicht beziehungsweise bereits als Bündnispartner deÀnierenden Akteure und Gruppen untereinander dar.36 Die Informationsübermittlung wird dabei als Austauschprozess verstanden, in dem die Interaktionspartner danach trachten, Nutzen und Vorteile aus der Übermittlung zu ziehen.37 Historikertag diesem Thema. Auch die 2009 von der „Arbeitsgemeinschaft Frühe Neuzeit“ durchgeführte Tagung befasste sich mit „Grenzen und Grenzüberschreitungen“ auseinander. Hinzu gesellen sich eine Reihe von Einzeltagungen, von denen besonders das von Nils Bock, Georg Jostkleigrewe und dem Verfasser durchgeführte Atelier am Deutschen Historischen Institut „Faktum und Konstrukt: Politische Grenzen im europäischen Mittelalter. VerdichtungSymbolisierung-ReÁexion“ zu erwähnen ist; vgl. dazu zuletzt: Bock, Jostkleigrewe Walter, Faktum und Konstrukt (mit weiterführenden Literaturhinweisen); zum gewählten Beispiel des Markgrafen von Baden-Hachberg und anderen im Grenzgebiet lebenden Adligen insbesondere Dies., Politische Grenzen, S. 9 ff. 34 Vgl. dazu im Hinblick auf die Reichspolitik Wefers, Handlungsträger, S. 63. 35 Dabei muss betont werden, dass die Bündnispartner die ihnen jeweils eigenen innen- und außenpolitischen Agenden auch nach dem Bündnisabschluss keineswegs aufgaben, sondern dass diese lediglich eine Veränderung in der Priorität erfuhren und mitunter zurückgestellt wurden. 36 Aufgrund der Vielzahl der in der Forschung anzutreffenden DeÀnitionen von „Kommunikation“ (vgl. Jucker, Kommunikation im Spätmittelalter, S. 7–11; Jörg, Teure, S. 272–276; Hübner, Botenwesen, S. 20) wird in der vorliegenden Arbeit bewusst auf eine erneute DeÀnition verzichtet, und Kommunikation in Anlehnung an die einschlägigen Arbeiten von Stollberg-Rillinger umfassend verstanden, vgl. Stollberg-Rilinger, Zeremoniell; dies., Symbolische Kommunikation (vor allem S. 492–496); Althoff, Formen. Für den Forschungsstand zu Kommunikation, ihren Bedeutungen, Medien, Funktionen und Spielarten im und für das Mittelalter vgl. Hoffmann/Kiessling, Kommunikation und Region; Hoffmann, Öffentlichkeit und Kommunikation; Hrúza, Propaganda; Jucker u. a., Kommunikation im Spätmittelalter; ders., Gesandte; Heimann u. a., Kommunikationspraxis; Pohl, Einführung; Von Seggern, Herrschermedien; Burkhardt/Werkstetter, Kommunikation; Oberste, Kommunikation; Hundsbichler, Kommunikation; Mostert, New approaches; Rossi, Circulation; Spiess, Medien; vgl. auch Schmitt, Städtische Gesellschaft. 37 Zum Konzept des sozialen Austauschs vgl. Blau, Sozialer Austausch (vor allem S. 126); Stollberg-Rilinger, Symbolische Kommunikation, die dazu angibt: „Wesentlich ist […] mit-
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In Anlehnung an Peter Burke wird unter Informationen das Rohmaterial verstanden, während Wissen das Be- und Verarbeitete bezeichnet.38 Das verdeutlicht die enge Verbindung der beiden Begriffe und offenbart gleichzeitig den dynamischen und prozessualen Charakter von Wissen. Demnach besteht eine Notwendigkeit zum Be- und Verarbeiten von Informationen, damit sie idealiter in Wissen transformiert werden können.39 Pragmatisch gesehen bedeutet das, dass Informationen erstens zu einem Zugewinn an Wissen führen, dadurch zweitens Ungewissheit und Unsicherheit verringern und drittens durch Verarbeitung die Zustände ihrer Empfängers und deren Umfelder verändern vermögen. Setzt man diese Funktionen und Eigenschaften von Informationen voraus und bedenkt man, dass mehr Wissen in der Regel maßgeblich dazu beiträgt, dass Machtstrukturen hergestellt und etabliert sowie bereits erreichte Positionen konsolidiert werden können, erweisen sich Informationen als wichtige Bausteine derselben und besitzen so eine gesteigerte Bedeutung.40 Damit bin ich auch beim dritten Leitbegriff dieser Arbeit angelangt, der Macht. Diese wird als soziales Phänomen aufgefasst und meint, sich mit anderen zusammenzutun und mit diesen einvernehmlich zu handeln. Dadurch beÀndet sich Macht im Besitz einer Gruppe, bleibt jedoch nur solange diese zusammenhält und -arbeitet existent und wirkmächtig.41 Unter einer solchen Gruppe wird sowohl die gesamte gegen Burgund gerichtete eidgenössisch-oberrheinische Koalition als auch die ein-
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hin die grundsätzliche Reziprozität jeder Kommunikation, deren Gelingen sich daran ablesen lässt, dass sie zu Anschlusskommunikation führt. Kommunikation ist stets ein wechselseitiges Geschehen zwischen zwei oder mehr Akteuren, die sich aufeinander und zugleich übereinander auf sich selbst beziehen. Man antizipiert bereits das Verstehen des Gegenübers, indem man ihm etwas mitteilt“ (ebd., S. 493 f.); Voraussetzung ist dabei, dass die gegebenen Informationen als Mitteilungen verstanden werden in Anlehnung an Luhmann, Kommunikation; ders., Soziale Systeme, S. 191 ff. Zur Anwendbarkeit von Luhmann vgl. Stollberg-Rilinger, Symbolische Kommunikation, S. 493. Diese betont zudem, dass dieser Kommunikationsbegriff „auch dann handhabbar und nützlich [ist], wenn man nicht das systemtheoretische Instrumentarium teilt“ (ebd., Anm. 14) . Vgl. auch Jucker, Trust; ders., Vertrauen; Reinhard, Freunde und Kreaturen. Das geschieht in Anlehnung an Peter Burke, der „zwischen Wissen und Information [unterscheidet], zwischen ‚wissen, wie‘ und ‚wissen, dass‘“ und dazu folgende Metapher gibt: „Der Einfachheit halber verwenden wir in diesem Buch den Begriff Information für das, was roh, speziÀsch und praktisch ist, während Wissen das Gekochte bezeichnet, das gedanklich Verarbeitete und Systematisierte“ (Burke, Papier und Marktgeschrei, S. 20.) Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf den Sammelband von Brendecke u. a., Information. Die Herausgeber haben eine Bibliographie zu den Themen Wissen und Informationen zusammengestellt, die Gang und Stand der Forschung zusammenfasst (S. 34–44). Besonders empfehlenswert darin auch dies., Information als Kategorie, S. 11–34. Für das Mittelalter zentral Kintzinger, Wissen, insbes. S. 21–24; vgl. auch Fried Aktualität, insbes. S. 40–46; Brendecke, Imperium und Empirie; zur Kritik an der Wissensgesellschaft vgl. Füssel, Wissensgesellschaft; Bulst, Einleitung. Arendt, Macht und Gewalt, S. 36–59, insbes. S. 45; für einen ähnlich prozedualen Ansatz von sozialer Macht im Hinblick auf Koalitionsbildung und -erhalt sprechen sich auch Sofsky/Paris, Figurationen, S. 9 ff. und S. 187–287 aus: „Niemand hat Macht für sich allein. Macht entsteht, wenn Menschen aufeinander treffen und zusammen handeln, und sie verschwindet, sobald sie sich wieder zerstreuen. […] Denn Macht ist stets soziale Macht [und] gibt es nur, wo
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zelnen Städte und ihre Führungsgruppen verstanden.42 Doch handelt es sich bei Macht um keinen abgeschlossenen Prozess, da sie stets zwischen den Kommunikationspartnern beziehungsweise in diesem Fall der Verbündeten ausgehandelt werden muss.43 Eine wichtige Hilfestellung bot den betrachteten Akteuren, Gruppenmitgliedern und Bündnispartnern der Austausch von Informationen: Denn da im Idealfall jede Information nach einer Gegeninformation verlangte,44 stellte das eine doppelte Beziehung zwischen den Kommunikations- und Interaktionspartnern her: Im Idealfall entstand zwischen ihnen auf diese Weise eine Beziehung der Solidarität, da der Gebende das, was er hat, mit dem Nehmenden teilte. Andererseits konnte sich aber auch eine Beziehung der Ungleichheit zwischen ihnen entwickeln, da derjenige, der die Gabe annimmt und diese damit akzeptiert, sich gegenüber dem Gebenden in eine Art Bringschuld begibt, wodurch er ihm verpÁichtet ist. Auf diese Weise können beide Eigenschaften des Austauschs Machtstrukturen schaffen und etablieren.45 Vor diesem Hintergrund erscheint Vertrauen in die Kommunikations- und späteren Bündnispartner als Basis eines idealen Austauschs. Doch muss Vertrauen stets an einen Anlass, in diesem Fall die bereits erwähnten Probleme mit den (neuen) burgundischen Machthabern, gebunden werden: Derjenige, der vertraut, musste demjenigen, dem vertraut wird, verdeutlichen, dass er dringend auf ihn angewiesen war.46 Nur so war man mithilfe von Vertrauen in der Lage, sowohl Komplexität in der Beziehung unter- sowie Unsicherheit im Umgang miteinander zu reduzieren als auch Erwartungen an den Partner zu kanalisieren.47 Nur wo Vertrauen vorherrscht, kann die Übermittlung von Informationen wesentliche Bedingung für die Produktion und Reproduktion sozialer Beziehungen sein, die auf Reziprozität basieren und
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Menschen sich zueinander verhalten, wo sie gemeinsam arbeiten, miteinander sprechen oder einander bekämpfen“, ebd., S. 9. Im Sinne von Sofsky/Paris, Figurationen: „Im Streit gegen andere [sucht man] nach Partnern, die einem behilÁich sind, nach Verbündeten, mit denen man sich zusammenschließen kann. Koalitionen versprechen einen Ausgleich, wenn nicht gar eine Umkehrung der Machtverteilung. Indem die Alliierten ihr Handeln abstimmen und ihre Mittel kombinieren, verschieben sie ihre Gewichte auf dem Spielfeld. Koalitionen sind ein überaus preiswertes Verfahren, um mit einer konstanten Anzahl von Trümpfen ein Optimum an Macht zu gewinnen“ (ebd., S. 187). Vgl. dazu Landwehr, Diskurs, insb. S. 110–115. Landwehr gibt in diesem Zusammenhang Folgendes an: „Macht ist sowohl auf der Struktur- wie auf der Handlungsebene also nicht von vornherein Àxiert – Macht Áießt“ (ebd., S. 111). Vgl. dazu Jucker, Gesandte, S. 210 ff. u. S. 220, der dazu Folgendes angibt: „Information verlangte Gegeninformation und ohne Gegenleistung wurde nichts weitergegeben“ (ebd., S. 210). Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn es einem Empfänger nicht möglich ist, eine adäquate Gegenleistung zu erbringen. Dazu ist bereits sehr viel von der Patronage-und Soziabilitätsforschung geleistet worden (vgl. stellvertretend Eisenstadt/Roninger, Patrons; Teuscher, Bekannte). Hinzu kommt, dass sowohl die anfallenden VerpÁichtungen selbst als auch der Zeitraum, in dem diese geleistet werden sollen, beim sozialen Austausch im Vorhinein nicht genau zu benennen sind, was ihn überdies von wirtschaftlichen Transaktionen unterscheidet (Blau, Sozialer Austausch, S. 129). Luhmann fasst das unter dem Begriff der „riskanten Vorleistung“ zusammen (Luhmann, Vertrauen, S. 53 f). Ich folge hier dem Vertrauenskonzept von Luhmann; vgl. dazu auch Poeck, Herren, S. 509 ff.
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Kohäsion zwischen und Vertrauen unter den Interaktionspartnern schaffen. Im besonderen Maße muss man sich gegenseitig innerhalb von Bündnissen wie auch dem in dieser Arbeit betrachteten vertrauen; nicht umsonst basieren diese in erster Linie auf der Herstellung und Aufrechterhaltung von Beziehungen zwischen den Akteuren, aus denen es sich zusammensetzt.48 Dem unbedingten Wunsch nach Vertrauen entsprechen auch die Briefe, die zwischen den Führungsgruppen der drei betrachteten Städte ausgetauscht und für diese Arbeit untersucht wurden. In ihnen deuten zahlreiche Formulierungen darauf hin, dass es einen regelrechten Vertrauensdiskurs gegeben haben muss.49 Mithilfe von Vertrauensbekundungen versuchten die Kommunikations- und Bündnispartner, Bedenken zu zerstreuen und Unsicherheiten zu verringern, um auf diese Weise im Idealfall ihre Beziehung untereinander zu festigen. An alldem wird deutlich, dass Information, Wissen und Macht untrennbar miteinander zusammenhängen und aufeinander bezogen sind. Hinsichtlich innen- und außenpolitischer Fragestellungen, wie der für diese Arbeit gewählten, stellen sie zentrale Kategorien dar.50 Vergegenwärtigt man sich, dass zwischen dem Überfall auf die eidgenössischen KauÁeute am 3. April 1473 und einer Versammlung von Vertretern der drei Städte am 21. April 1473 in Basel rund zweihundert Briefe von ihnen und an sie erhalten sind, die nur dieses Ereignis betreffen, bekommt man einen Eindruck davon, wie intensiv der Austausch von Informationen und Wissen in Krisenzeiten werden konnte. Allein die drei Städte schrieben sich in diesen zweieinhalb Wochen insgesamt 36 Briefe untereinander, was für den vorliegenden Zeitraum die mit Abstand größte Menge ist. Mit Hilfe der Briefe bereitete man zahlreiche Versammlungen vor, auf denen die Gesandten der betroffenen Städte weitere Informationen austauschten und ein gemeinsames außenpolitisches Vorgehen diskutierten. Wichtige Aufgaben hinsichtlich des Informationsaustauschs kamen in diesem Zusammenhang den städtischen Gesandten zu, die im ersten Kapitel im Vordergrund stehen (Kapitel B).51 Sie waren es, die auf unzähligen Treffen zwischen dem Abschluss des Vertrags von Saint-Omer im Mai 1469 und dem eidgenössisch-oberrheinischen Bündnis im April 1474 die Interessen von den drei Städten zusammenführten, so zur Kohäsion zwischen ihnen und zum Aufbau von Vertrauen beitrugen und auf 48 49
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Vgl. zu ähnlichen Aspekten im Hinblick auf das „state-building from below“-Konzept: Blockmans u. a., Empowering Interactions (darin vor allem Holenstein, Introduction). Das hat bereits Michael Jucker für das eidgenössische Korrespondenzwesen nachgewiesen: Jucker, Vertrauen, ders., Gesandte, S. 195–225; ders., Trust, S. 213–236. Zum Vertrauen im Mittelalter allgemein, vgl. Weltecke, Vertrauen; Frevert, Vertrauen; zur Reziprozität den instruktiven Sammelband von Adloff/Mau, Geben und Nehmen. Wefers, Handlungsträger, S. 63 f. Dem Gesandtschaftswesen sind zahlreiche Studien gewidmet worden. Für das Gesandtschaftswesen der eidgenössischen Städte zentral sind die Untersuchungen von Jucker, Körper; ders., Gesandte, S. 73–131; ders., Gesten; ders., Innen- oder Außenpolitik. Als Auswahl für den Forschungsstand vgl.Dünnebeil/Ottner,Außenpolitisches Handeln; Märtl/Zey, Frühzeit; Kintzinger, Westbindungen; Schwinges u. a., Gesandtschafts- und Botenwesen; Queller, OfÀce; Anderson, Modern Diplomacy; Lutter, Politische Kommunikation; Monnet,Außenbeziehungen; ders., Diplomatie; Reitemeier, Außenpolitik; Schmitt, Städtische Gesellschaft.
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diese Weise maßgeblich daran beteiligt waren, dass der Krieg gegen den burgundischen Herzog im Oktober 1474 ausbrach. Den Diplomaten wird sich in der vorliegenden Arbeit auf zwei Ebenen genähert: Zunächst werden die institutionellen Voraussetzungen in Bern, Straßburg und Basel betrachtet; hier werden Genese und Aufbau der Führungsgremien und in ihnen gegebene außen- oder innenpolitische Spezialisierungen im Vordergrund stehen. Bereits diese Spezialisierungen können sowohl auf ein gesteigertes Bewusstsein bei den Zeitgenossen für ein „Innen“ als auch und gerade für ein „Außen“ hindeuten. Daher sollen daraufhin die personellen Zusammensetzungen der Führungsgremien und damit die eigentlichen diplomatischen Akteure beleuchtet werden. Es ist zu beobachten, dass sich auf den zahlreichen Versammlungen nahezu immer die gleichen Personen aus den behandelten Städten trafen. Deswegen wird in diesem Kapitel sowohl nach möglichen Gründen für diese Stetigkeit als auch nach etwaigen Beweggründen für die von ihnen und ihren Heimatstädten verfolgte Außenpolitik gefragt. Das wird mithilfe von Biographien der wichtigsten städtischen Gesandten und einer exemplarischen Vorstellung ihrer diplomatischen Aktivitäten vor, während und nach dem Bündnisabschluss zwischen den eidgenössischen und den oberrheinischen Städten sowie mit dem französischen König und dem österreichischen Herzog geschehen. Bei alldem wird davon ausgegangen, dass man die außenpolitischen Motive einer Stadt nur verstehen kann, wenn man die Personen kennt, die sie prägen. Da diese Frage in der bisherigen mediävistischen Forschung nur ansatzweise untersucht wurde, dient dieser Teil als Grundlage für die folgenden Kapitel, zumal die in ihm vorgestellten Gesandten im Verlauf der Arbeit immer wieder auftreten.52 Aufgrund der Tatsache, dass die städtischen Diplomaten auf den Versammlungen der (späteren) Bündnispartner zahlreiche Informationen austauschten, bestand nach ihrer Rückkehr und ihrer Abreise zu weiteren Verhandlungen eine unbedingte und mitunter dringende Notwendigkeit, die Informationen zu ordnen, zu systematisieren und zu verarbeiten, damit diese zu Wissen und Macht umgewandelt werden konnten. Wesentliche Hilfestellungen zu dieser Informationsverwaltung boten die städtischen Kanzleien (Kapitel C). Sie werden daraufhin betrachtet und als wichtige Knotenpunkte zwischen der städtischen Innen- und Außenpolitik verstanden.53 Aber auch wenn keine Versammlungen stattfanden, ebbte der InformationsÁuss keineswegs ab. Das belegen die zahlreichen Briefe zur Gefangennahme auf dem Rhein eindrücklich. Wenn die Berner in diesem Zusammenhang in nur einer Nacht mehr als siebzig Briefe schreiben mussten, um die Bewohner ihres Territoriums in Waffen zu setzen und diese mit der gleichen Anzahl an Schreiben wenig später wieder zurücknehmen mussten, weil neue Informationen aus Straßburg eingegangen waren, kann man sich den massiven Arbeitsaufwand der städtischen Kanzleien und ihrer Mitarbeiter vorstellen.54 Wie im Kapitel zu den Gesandten wird auch hier 52 53 54
In Ansätzen bei Jucker, Innen- oder Außenpolitik, S. 253–257; Jörg, Gesandte. Zur Rolle der Kanzleien vgl. die Ausführungen von Jucker, Gesandte, S. 110–131. Die Mobilisierung Àndet sich im StABe SR 2, fol. 26 (geschrieben in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1474); die Rücknahme der Mobilisierung im StABe RM 12, fol. 116 (Sitzung des Kleinen Rats von Bern am 21. April 1473). Dieses und zahlreiche weitere Beispiele bei Esch, Alltag.
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zunächst nach institutionellen Voraussetzungen gefragt, um dann mit den im Untersuchungszeitraum amtierenden Stadtschreibern aus Bern und Basel die Akteure der Informationsverwaltung, ihre familiären Hintergründe und Bildungshintergründe sowie ihre etwaigen Verbindungen zu den jeweiligen Führungsgruppen und außenpolitische Bedeutung vorzustellen. Denn die Kanzleien waren maßgeblich daran beteiligt, dass Informationen zu Wissen transformiert wurden und dieses wiederum im Idealfall zu politischen Handlungsoptionen und damit in Macht umgewandelt werden konnte. Dass diese Umwandlungsprozesse im besonderen Maße in Krisenzeiten wie der betrachteten eine tragende Rolle spielten, betont die besondere Bedeutung der städtischen Kanzleien in dem gegen Burgund und seine Verbündeten gerichteten Prozess. Um sich diesen äußerst efÀzienten und immens wichtigen Transformationsprozessen zu nähern und sie zu beschreiben, werden weiterhin die in den untersuchten Quellen deutlich werdenden Techniken der Informationsverwaltung vorgestellt. Das vierte Kapitel wird sich den in der Forschung zu den Burgunderkriegen noch nicht untersuchten informellen Kontakten zwischen einzelnen Räten aus den unterschiedlichen Städten und den Stadtschreibern zu einem erweiterten Personenkreis zuwenden (Kapitel D). Anhand ihrer Vorstellung sowie der Betrachtung eines „Forums“ für informelle Kontakte, das auf den ersten Blick außerhalb der politischen Institutionen steht, wird der Frage nachgegangen, welche Bedeutung sie vor allem in Krisenzeiten für die Städte und ihre Amtsträger hatten. In diesem Zusammenhang stellt sich die grundsätzliche Frage, ob man informell mit inofÀziell gleichsetzen kann oder nicht. Als sich beispielsweise der Berner Stadtschreiber Fricker bei der Rückkehr von einer Gesandtschaft nach Italien am Comer See aufhielt, muss er dort vom Führungsgremium Berns darüber informiert worden sein, dass die eidgenössischen KauÁeute befreit worden waren. Nur so erklärt sich, warum er sich bereits eine Woche danach an seinen häuÀgen Briefpartner Albrecht von Bonstetten wandte, um diesen über das Ereignis zu informieren. Mit der Mitteilung von Informationen an Personen, die auf den ersten Blick nicht in die Auseinandersetzung mit Burgund involviert waren, verfolgten die betrachteten Führungsgruppen bestimmte Interessen, die vorzustellen und zu klären ein Ziel des vierten Kapitels ist. Im anschließenden fünften Kapitel wird der Frage nachgegangen, wie die Informationsübermittlung technisch vonstattenging (Kapitel E). In diesem wird es um Techniken gehen, die den Amtsträgern in Straßburg, Basel und Bern die Übermittlung, Beschaffung und Verarbeitung von Informationen erleichterten. Ausgehend von einer Beschreibung der Organisation und des Umfangs des Botenwesens der betrachteten Städte, werden in einem ersten Teil zunächst diese bedeutenden spezialisierten Amtsträger und ihre Aufgabenbereiche betrachtet. Denn auch diese waren wesentlich am InformationsÁuss beteiligt und spielten so eine wichtige Rolle, dass Wissen und Macht hergestellt wurden. Hier kann das Beispiel der rund zweihundert Briefe in nur drei Wochen im Kontext der Gefangennahme der KauÁeute auf dem Rhein eindrücklich zeigen, wie wichtig die Arbeit der Boten als Übermittler (aber auch als Beschaffer) von Informationen insbesondere in KonÁiktzeiten war. Andererseits resultierte aus derart großen Mengen an Briefen vor allem im Verlauf von Kriegen ein Wunsch nach verstärkter Kontrolle bei den Führungsgremien. Daher
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werden im zweiten Teil dieses Kapitels Kontrollversuche der Räte und die Gründe dafür vorgestellt. Dort wird es um die Kontrolle der Übermittlungsgeschwindigkeit in Friedens- und Kriegszeiten gehen. Zudem werden mit einigen in den Quellen fassbaren Vorläufern von Feldpost Beispiele für die Übermittlung von Informationen angesprochen, die die Räte unter allen Umständen verhindern wollten. Im sechsten Kapitel steht dann die Informationsbeschaffung (Kapitel F) im Vordergrund. Eine Betrachtung von Mitteln, Wegen und Techniken, wie die Führungsgremien an Informationen gelangten, stellt ein Desiderat in der Forschung dar. Das ist umso bemerkenswerter, als in zahlreichen Veröffentlichungen die Übermittlung von Informationen als wichtige Funktion angesehen wird, mit der sich Herrschaftsträger legitimierten, doch bisher nur ansatzweise untersucht wurde, woher diese stammten und wie diese gewonnen wurden. Die Führungsgremien wussten, dass gerade in Kriegen wie den betrachteten Auseinandersetzungen mit Burgund jede Information über den Feind oder die Bündnispartner wichtig sein konnte. Um möglichst umfassend informiert zu sein und auf diese Weise ihren Wissensstand kontinuierlich zu erhöhen, griffen sie zum einen auf okkasionelle Informationsquellen zurück, die im ersten Teil dieses Kapitels betrachtet werden. Zum anderen beschäftigten sie mit den so genannten „Kundschaftern“ professionelle Amtsträger, die in ihrem Auftrag Informationen gezielt beschafften und im zweiten Teil behandelt werden. Die erhaltenen Informationen verarbeiteten, verwalteten und systematisierten die Führungsgremien und ihre Kanzleien und transformierten sie in Wissen und damit in politische Handlungen, die wiederum ihre eigene Position und ihrer Verbündeten konsolidierten. Die Art und Weise, wie die Führungsgremien ihre Verbündeten in der Folge mit Informationen versorgten, wird im letzten Kapitel dieser Arbeit untersucht (Kapitel G). Sie lässt den Eindruck aufkommen, dass sie Informationen sowohl im Untersuchungszeitraum als auch danach als Währung und Propagandainstrument betrachteten und nutzten. Dort wird in einem ersten Teil mit den so genannten „Cedulae inclusae“ eine Quellengattung vorgestellt, deren genauen Gebrauchszusammenhänge und Funktionen bisher nur in Ansätzen untersucht wurden und die den Bündnispartnern vor allem in KonÁikten eine interessante Technik zur Informationsübermittlung bot. Eng damit hängt der zweite Teil zusammen, in dem es zunächst um die stets drohende Gefahr von Fehlinformationen geht und wie die Führungsgremien dieser Gefahr begegneten. Darauf aufbauend wird dann die propagandistische Verwertung von Informationen analysiert. Eine Zusammenfassung sowie ein Ausblick, in dem der Frage nachgegangen wird, was der schottische Autor Walter Scott (* 1771, † 1832) mit dem Berner Chronisten Diebold Schilling zu tun hat, runden die Arbeit ab (Kapitel H).
B. DIE STÄDTISCHEN GESANDTEN 1. INSTITUTIONELLE VORAUSSETZUNGEN IN BERN Der Vertrag von Saint-Omer, der am 9. Mai 1469 zwischen Herzog Sigmund von Österreich und dem burgundischen Herzog Karl dem Kühnen geschlossen wurde, versetzte die Berner Führung in große Unruhe. Denn ihrer Meinung nach verstieß Karl der Kühne gegen ein Bündnis, das sie im Jahr 1467 mit ihm geschlossen hatten.1 Zudem sahen die Berner ihre eingangs erwähnten Expansionsbestrebungen behindert. Als zusätzlich noch die im Herzogtum Savoyen gelegene Waadt, ebenfalls ihr Expansionsziel, wichtiges Anbaugebiet für Getreide und überdies reiche Salzvorkommen beherbergend, dem burgundischen Parteigänger Jakob von Romont im Jahr 1471 nahezu gänzlich zuÀel, erreichten ihre Befürchtungen einen Höhepunkt: Die Räte fühlten sich von allen Seiten bedroht.2 Auch ihr Bündnispartner, die Reichsstadt Mülhausen im Sundgau, lag nun mitten in dem verpfändeten Gebiet und sah sich aufgrund ihrer prekären Ànanziellen Lage stärker als zuvor Bedrohungen vonseiten des umliegenden Adels ausgesetzt.3 Denn große Teile der den Eidgenossen feindlich gesinnten Adligen in den Pfandlanden standen ab diesem Zeitpunkt unter burgundischem Schutz und suchten die Nähe zu Karl dem Kühnen und seinen Amtsträgern.4 Hinzu kam, dass vor allem die eidgenössischen Städteorte aus dem Sundgau lebenswichtige Güter wie Getreide und Wein bezogen. Diese Waren kauften sie vorwiegend in Straßburg und Basel, was zu engen wirtschaftlichen und mitunter persönlichen Beziehungen zwischen den Führungsgremien der drei Städte geführt hatte. Die Reichsstadt Bern hatte ca. 5.000 Einwohner und gehörte damit zu den bevölkerungsreichsten Städten im EinÁussgebiet der spätmittelalterlichen Eidgenossenschaft.5 Ihr großes Territorium, mit 9.000 Quadratkilometern im Spätmittelalter 1 2
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StABe Bundbücher 4, fol. 241–243 (das Bündnis von Phillip und Karl von Burgund mit Zürich, Bern, Freiburg i. Ue. und Solothurn wurde am 22. Mai 1467 geschlossen). Zur Rolle der Waadt als wichtiges Anbaugebiet für Getreide für Bern vgl. Ehrensperger, Basels Stellung, S. 191 u. S. 331; Chevallaz, Getreidepolitik. Esch gibt die Stimmung in Bern gut wieder, wenn er schreibt: „Und so Áossen zwei gleichermaßen motivierende EmpÀndungen zusammen, wenn Bern an Burgund dachte: Unbehagen über wachsende Bedrohung und Unmut über die behinderte Expansion“ (Esch, Alltag, S. 19); zur Politik Savoyens im betrachteten Zeitraum vgl. Andenmatten/De Raemy, Maison de Savoie; Genequand, Etats de Savoie. Mieg, DifÀcultés, Teil 3; ders., DifÀcultés, Teil 4; Oberlé, Mulhouse. Vgl. Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 312 f.; ders. Burgund. Dementsprechend wurde Heudorf Ende 1472 vom Landvogt Hagenbach zum burgundischen Rat ernannt. Nach einem kurzen Zwischenspiel als Rat des Markgrafen von Baden wurde er zum Jahreswechsel 1472/73 Rat des burgundischen Herzogs (vgl. Heinig, Kaiser Friedrich III., Band 1, S. 378); zu Hagenbach vgl. Paravicini, Hagenbachs Hochzeit; Brauer-Gramm, Peter von Hagenbach. De Capitani, Adel, S. 22; zu den Bevölkerungszahlen vgl. Gerber, Gott, S. 68–79; vgl. auch Schwinges, Bern.
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B. Die städtischen Gesandten
das größte nördlich der Alpen, erlaubte es ihr im besonderen Maße, Steuerzahler zu gewinnen und eine große Anzahl von Soldaten zu rekrutieren.6 Seit ihrer Gründung im Jahr 1191 besaß die Stadt Marktrecht, hatte freien Zugang zu Wasserstraßen und anderen Verkehrswegen und erlangte später Münz- und Zollrechte.7 Jedoch lag Bern abseits der wichtigsten Fernhandelsstraßen, und auch der Warenverkehr über die verschiedenen Alpenpässe berührte sie nur indirekt. Erst durch die geschickte Erweiterung ihres Territoriums und vor allem durch den Zugewinn des österreichischen Aargaus im Jahre 1415 gewann sie größeren Anteil am Handelsverkehr zwischen dem Heiligen Römischen Reich und dem Mittelmeer.8 Und genau dieser Aargau war es, den die Eidgenossen nach Meinung des österreichischen Herzogs widerrechtlich besaßen.9 Wenn der burgundische Herzog ihm im Vertrag von SaintOmer versprochen hatte, dass er ihm bei der Rückgewinnung von altem habsburgischen Besitz in der Eidgenossenschaft helfen wollte, war damit vor allem dieses Gebiet gemeint. Verständlicherweise betraf das vor allem die Interessen der Berner Führungsgruppe, die über enge politische, wirtschaftliche und persönliche Beziehungen zum Aargau verfügte.10 Mit der Erweiterung des Territoriums änderten sich in Bern auch die sozialen Verhältnisse. Im Handel reich gewordene Familien wie die noch vorzustellenden Diesbach oder Wabern drängten ab Mitte des 15. Jahrhunderts verstärkt in die wichtigsten politischen Ämter der Stadt. Obgleich die alteingesessenen Familien diesen Bestrebungen zunächst Widerstand entgegensetzten, konnten sie die Entwicklung nicht aufhalten. Aufgrund der geographisch bedingten Ferne zum Reichsoberhaupt nahm Bern im 15. Jahrhundert eine „komfortable Position“11 ein, die sie selbständig politische Entscheidungen treffen ließ. Folgen der geographischen Lage waren Abschlüsse von zahlreichen Bündnissen, Versuche der Landessicherung, Aufkauf von Herrschaftsrechten auf dem Land, der Erwerb von Pfandschaften und Lehen und zahlreiche KonÁikte, mit denen Bern seinen EinÁuss ausweiten und absichern wollte.12 Parallel dazu betrieb die Stadt eine Politik der „reichsstädtischen Selbstbestimmung“13, in deren Folge sie intern Steuerhoheit erlangte, zahlreiche Zollrechte an sich zog, ein eigenes Münzrecht durchsetzte und die politischen Schlüsselpositionen wie das des
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Dazu Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 219–223. Diese gibt als Grund für den Erfolg der Berner Territorialisierung Folgendes an: „Anders ausgedrückt könnte man auch sagen, dass die Berner im Gegensatz zu anderen Städten zumindest zu Beginn des Landerwerbsprozesses ihr Ziel mit und nicht gegen die Landbevölkerung zu erreichen versuchten“ (ebd., S. 222). Zur Lage der Stadt Bern im Straßennetz, zu ihrer Verkehrspolitik und ihren Handelsbeziehungen vgl. Audétat, Verkehrsstrassen; zu Markt und Münze Berns vgl. Gerber, Gott, S. 318– 321; zu Zöllen vgl. ebd., S. 321 ff. Dazu Gerber, Gott, S. 387–399. Zur Eroberung des Aargaus durch die Eidgenossen und deren Folgen für sie vgl. Jucker, Kommunikation; ders. Gesandte, S. 225 ff. Walter, Verhandlungen, S. 109–113 u. 143 ff. Schwinges, Alltag, S. 262. Zur Territorialisierung vgl. Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 200–223; Stercken, Reichsstadt, S. 322 ff. Schwinges, Alltag, S. 264.
1. Institutionelle Voraussetzungen in Bern
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Schultheißen mit Personen aus den eigenen Reihen besetzte. Anfang des 15. Jahrhunderts unterstand sie nur dem Reichsoberhaupt als oberstem Richter, der ihre Privilegien regelmäßig bestätigte und auf den die politische Führung als legitimierende Instanz angewiesen war, um rechtmäßig handeln zu können. Wie in den meisten Städten des Reiches wurden auch in Bern die politischen Geschäfte von zwei unterschiedlich großen Ratsgruppen geführt.14 Dabei handelte es sich einerseits um den „Großen Rat“ („Rat der Zweihundert“), der im 15. Jahrhundert aber auf 280 bis 400 Personen angewachsen war und den man als Repräsentationsorgan der gesamten Bürgerschaft verstehen kann.15 Selbst nicht handlungsfähig, wurde er bei wichtigen politischen Entscheidungen als bestätigendes Organ hinzu gerufen.16 Gerade bei Zustimmungen zu Kriegen oder Bündnissen wie im Untersuchungszeitraum besaßen die Großräte Möglichkeiten, die Kleinräte mit ihrer Stimmgewalt unter Druck zu setzen.17 Zudem hafteten sie mit ihrem Vermögen zu einem beträchtlichen Teil für die Politik der Stadt, was ihnen ein zusätzliches Gewicht verlieh. Vor diesem Hintergrund erklären sich auch die Bemühungen der Kleinräte, möglichst viele der wirtschaftlich aktiven Familien in den Großen Rat und damit in die städtische Politik zu integrieren.18 Wie bei den Kleinräten war auch bei den Großräten die Wahrnehmung von kommunalen Ämtern vom Reichtum und der daraus resultierenden Abkömmlichkeit abhängig.19 Ohne Erlaubnis des Kleinen Rates durften die Großräte keine Versammlungen einberufen.20 Doch führte allein ihre große Anzahl dazu, dass knapp acht Prozent der ca. 5.000 Einwohner Berns zur politischen Führungsgruppe gezählt werden müssen.21 Wahrscheinlich um den Großen Rat nicht völlig von den aktuellen Geschäften auszuschließen, ging der Kleine Rat seit dem 15. Jahrhundert dazu über, wenigstens einmal im Monat eine variable Anzahl von ausgewählten Großräten zu den Kleinratssitzungen einzuladen. Es ist für den betrachteten Zeitraum lohnend, die personelle Zusammensetzung der hinzugezogenen Großräte zu analysieren, denn häuÀg handelte es sich bei diesen um Verwandte der Kleinräte, die aufgrund ihrer Verwandtschaft nicht im eigentlichen Führungsgremium der Stadt sitzen durften.22 So
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Isenmann, Stadt im Spätmittelalter, S. 139–146 sowie ders., Gesetzgebung. Zum Großen Rat in Bern vgl. eingehend Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 35–47. Seine Vertretungsfunktion sich auch in der häuÀgen Bezeichnung „Burger“ nieder (vgl. Gerber, Gott, S. 50 f.: Dieser gibt an, dass der Große Rat durch die Verfassungsreform von 1294 neu geschaffen wurde; vgl auch Schmid, Reden, S. 76 ff.). Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 35 f. Schmid, Reden, S. 176. Zu diesem Aspekt vgl. Gerber, Gott, S. 309 ff. Hier und im Folgenden verstanden im Sinne von Max Weber (Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 170 f.). Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 36. Setzt man diese Zahl in Relation zu den „eigentlichen“ Bürgern der Stadt, kommt man auf eine Gesamtsumme von rund 25 Prozent der männlichen Gesamtbevölkerung, die in irgendeiner Weise mit der Regierung der Stadt Bern verbunden war. Vgl. dazu Schmid, Reden, S. 76 ff.; Gerber, Gott, S. 71–76; Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 39 f. Teuscher, Bekannte, S. 94–109.
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B. Die städtischen Gesandten
lassen sich unterschiedliche Parteien und Gruppen im Kleinen Rat nachweisen.23 Noch bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts war es möglich, in den Großen Rat aufgenommen zu werden und erst danach das Berner Bürgerrecht anzunehmen. Das änderte sich 1461, als der Kleine Rat festlegte, dass Personen aus dem Berner Territorium fünf und außerhalb desselben zehn Jahre warten mussten, bis sie Großräte werden durften.24 Im Jahr 1471 wurde Fremden schließlich völlig verboten, Großräte zu werden. Politisches Führungsgremium war der „Kleine Rat“ („Täglicher Rat“), der einschließlich der vier Venner, dem Seckelmeister und dem Schultheißen 27 Personen umfasste.25 Zeitgenössisch wurden seine Aufgaben so umschrieben, dass er „verwalten, gericht und recht sprechen“ sowie „krieglöuff, land und lüt regieren“26 sollte. Sein Versammlungsort war die Ratsstube im Rathaus, wo man sich zu festgelegten Zeiten versammelte.27 Die Sitzungen durften erst nach ihrer Aufhebung durch den Schultheißen, der dem Gremium vorstand, verlassen werden, und unentschuldigt fehlende Kleinräte wurden mit der Zahlung eines Bußgeldes bestraft. Der Schultheiß konnte weiterhin außerordentliche Versammlungen einberufen, bei denen ebenfalls AnwesenheitspÁicht herrschte.28 Theoretische Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Kleinen Rat war der Besitz eines Pferdes, doch lassen sich daneben zahlreiche weitere ungeschriebene Voraussetzungen ausmachen. Schon die wö23
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Es war der Kleine Rat, die vier Venner, die so genannten „Heimlicher“ des vorangegangenen Jahres sowie die so genannten „Sechzehner“, die die Großräte jedes Jahr am Gründonnerstag wählten. Bei den Sechzehnern handelte es sich um Personen, die von den vier Vennern einen Tag zuvor persönlich ernannt wurden und seit dem Jahr 1438 aus den Vierteln stammten, denen die Venner vorstanden. Sie traten nur bei den Wahlen in Erscheinung und hatten während des gesamten Jahres keine weiteren Aufgaben zu erfüllen. Trotzdem war das Amt eines Sechzehners mit hohem Prestige verbunden (vgl. Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 37). Für beide Gruppen galt weiterhin, dass sie ein Haus in der Stadt Bern besitzen mussten, was teilweise sogar zum Ausschluss einzelner Ratsherren führte, die zur Miete wohnten und kein eigenes Haus vorzuweisen hatten (mit einigen Beispielen bei Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 43). Zum Kleinen Rat vgl. Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 26–35; Gerber, Gott, S. 30; Schmid, Reden, S. 89–96. So führte der Stadtschreiber Thüring Fricker im so genannten „Twingherrenstreit“ aus (Studer, Twingherrenstreit, S. 41). Zum Rathaus als Ort des politischen Handelns vgl. Schmid, Rathaus. Nach einem Eintrag in den von mir untersuchten Quellen sind die so genannten „ratt ziten“ die folgenden: „Im winter iiij monad, vmb die achtende stund am morgen“, damit sind die Monate November, Dezember, Januar und Februar gemeint. In den davor bzw. danach folgenden Monaten September, Oktober bzw. März und April, den so genannten „ustagen, ouch iiij monad, zś sibinen am morgen“. In den Sommermonaten schließlich, „wann der tag am lengsten ist, ouch iiij monad, zś vi am morgen vnd sol man daruff ein plaphart ze pen setzen“ (StABe RM 12, p. 113 ff. – Sitzung vom 20. April 1473). Ich spreche hier bewusst von einer „Führungsgruppe“ und nicht von einer „Führungsschicht“, da sich letzterer Begriff „generell auf die soziale Stellung bezieht, also auch Frauen und Kleriker miteinbezieht“ (Schmid, Reden, S. 89 f.). In den Quellen heißt das dann beispielsweise: „An herr Niclausen von Diespach, merklicher sachen halb zś füget ratt zit by sinem gesworn eyde hie zś sin“ (StABe RM 13, fol. 146 – Sitzung vom 26. Oktober 1473).
2. Akteure in Bern
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chentliche Sitzungsfrequenz verlangte eine Abkömmlichkeit, die kaum bei Personen gegeben war, die noch einem Beruf nachgingen. Hinzu gesellten sich diplomatische Missionen, die mehrere Wochen dauern konnten. Die zu den Missionen teilweise gewährten Zuschüsse reichten nicht aus, um die daraus entstehenden Kosten völlig zu decken.29 Vor diesem Hintergrund wird die während des so genannten „Twingherrenstreits“ geäußerte Klage des später noch vorgestellten Kleinrats Adrian von Bubenberg verständlich, er habe seit seinem Eintritt in den Kleinen Rat rund 500 Gulden „verritten“, ohne eine entsprechende Gegenleistung erhalten zu haben.30 Daran wird deutlich, dass es ausschließlich Mitgliedern des alteingesessenen städtischen Adels sowie den durch Handel zu Wohlstand gelangten Familien möglich war, als Kleinräte zu fungieren.31 2. AKTEURE IN BERN Damit sind wir bei den politischen Akteuren in Bern angelangt. Ein verlässlicher Indikator für die Verbindung von Reichtum und politischem EinÁuss war auch in Bern das Vermögen.32 Laut einer Steuerliste von 1448 erbrachten nur sechs Prozent der Bevölkerung drei Viertel des städtischen Gesamtvermögens.33 Differenziert man hier weiter, wird ersichtlich, dass die zwölf reichsten Bürger insgesamt dreißig Prozent des städtischen Gesamtvermögens versteuerten. Unter ihnen wiesen vor allem die so genannten „Twingherren“ das größte Vermögen auf.34 An prominenter Stelle sind die später noch vorgestellten Familien Diesbach (drei Brüder mit ca. 70.000 Gulden), Wabern (ca. 27.000 Gulden), Bubenberg (ca. 22.000 Gulden), Scharnachtal (20.000 Gulden) und Ringoltingen (31.000 Gulden) zu Ànden.35 Damit schufen sie die Voraussetzungen für ihre Nachkommen, sich ebenfalls an der Politik der Stadt zu beteiligen.36 In der Stadt lebend, besaßen die Twingherren in großem Umfang Gerichts- und Grundherrschaften auf dem Land.37 Dadurch konnten sich mitunter Probleme ergeben, da sie einerseits als Bürger dem Stadtrecht unterstanden, andererseits als Herrschaftsträger auf dem Land in andere Rechtskreise eingebunden waren. So
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Vgl. Teuscher, Bekannte, S. 25–28. Studer, Twingherrenstreit, S. 69. Gerber, Gott, S. 305; Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 29. Dazu Gerber, Gott, 239–314. Die so genannte „Telle“ stellte eine vom Einkommen abhängige Zahlung dar, die vor allem in wirtschaftlichen Krisenzeiten von sowohl in der Stadt lebenden Bürgern als auch den so genannten „Ausbürgern“ erhoben wurde. Zur Verteilung des Vermögens vgl. Gerber, Gott, S. 292; ders., Umgestaltung, S. 172; Edition des Tellbuchs von 1448 bei Welti, Tellbuch 1448. 34 Dazu Gerber, Gott, 292 ff. 35 Die AuÁistung Àndet sich bei Gerber, Gott, S. 293. 36 Bereits zwischen 1389 und 1448 „wurden sämtliche wichtigen Ratsämter von den reichsten Bürgern der Stadt Bern ausgeübt“, Gerber, Gott, S. 306. 37 Siehe dazu die AuÁistung der einzelnen Vermögen der Familien bei Gerber, Reichtum, S. 146; Ders., Gott, S. 293.
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B. Die städtischen Gesandten
konnte ihre Stellung dazu führen, dass sie auch gegen das Interesse der Stadt handeln konnten. Um dem entgegen zu wirken, bemühte sich der Rat im 15. Jahrhundert darum, das Stadtrecht auf das gesamte Territorium und so auch auf die Twingherrschaften auszuweiten.38 Doch spielten die Twingherren gerade in Krisenzeiten eine wichtige Rolle für die Stadt, da sie Kriegsmannschaften stellen und ihr unter Umständen mit Getreidelieferungen aus ihren Herrschaften aushelfen konnten. Im Untersuchungszeitraum drängten zunehmend neue und meist durch Handel reich gewordene Familien in das Führungsgremium.39 Aus ihrem gewachsenen EinÁuss resultierten von der Mitte des 15. Jahrhunderts an Streitigkeiten um die Besetzung des Schultheißenamtes.40 Denn es muss betont werden, dass die Sozialverbände in Bern zu dieser Zeit keineswegs abgeschlossen waren, sondern „während des gesamten Spätmittelalters ständigen Austausch- und Ausgleichsprozessen“41 unterlagen. Während es beispielsweise aufgestiegenen Handelsfamilien wie den Diesbachs in nur drei Generationen gelang, zu politischem EinÁuss zu kommen und Vermögen zu erlangen, starben alteingesessene Familien aus, verarmten oder büßten durch den Verlust ihrer politischen Stellung auch ihre soziale Position ein.42 Als wichtigstes Distinktionsmerkmal gegenüber der „normalen“ Bevölkerung lässt sich neben Reichtum vor allem eine adlige Lebensweise ausmachen43. Dazu gehörte das Führen beziehungsweise der Kauf eines (meist vom Kaiser verliehenen) Wappens, ein Adelstitel sowie eine dem Stand angemessene Haushaltsführung und das Tragen von bestimmter Kleidung.44 Grundsätzlich waren die Standeszeichen jedem zugänglich, doch vor allem die reichen Handelsfamilien bemühten sich verstärkt um eine Orientierung an den alteingesessenen Familien. Mit dem standesgemäßen Auftreten hing der Kauf von Gerichtsherrschaften und Wohnsitzen auf dem Land und in der Stadt sowie das Bemühen um Heiratsverbindungen mit den alteingesessenen Familien zusammen.45 Dass dies zur betrachteten Zeit bereits funktionierte, offenbaren die verwandtschaftlichen Verbindungen, die in der Zusammensetzung des Kleinen Rats im Untersuchungszeitraum deutlich werden. Hier offenbart sich ein engmaschiges Beziehungsnetz, das zwischen den einzelnen Kleinräten herrschte.46 So waren von den
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Vgl. zu diesem Aspekt Hesse, Expansion, S. 332–336. Dazu Schmid, Reden, S. 335; Dirlmeier, Merkmale. Gerber, Gott, S. 173 f.; S. 183 f., S. 239 u. S. 268 f.; Schmid, Reden, S. 88. Gerber, Gott, S. 239; allgemein dazu Jucker, Gesandte, S. 106–110. Zum Problem des Aussterbens von Familien vgl. Guisolan, Aspekte; Gerber, Gott, S. 285 f. u. S. 294 f. vgl. auch De Capitani, Adel, S. 34. 43 Dazu auch Andermann, Zunft und Patriziat, S. 378–381. 44 Eine Übertretung eines Kleidermandats seitens der Stadtadligen war es, die 1469–71 zum „Twingherrenstreit“ führte, vgl. Schmid, Reden. 45 Dirlmeier, Merkmale, S. 84. Dieser zählt „Adelsgleichheit und Konnubium, ein[en] privilegierte[n] Anteil an der Macht, Lebensunterhalt aus Vermögenserträgen oder Berufsausübung im Großhandel, bei absolutem Ausschluss jeder handwerklichen Tätigkeit“ zu den wesentlichen Merkmalen einer patrizischen Lebensweise. 46 Dazu in Ansätzen vgl. Zesinger, Burgunderkriege, S. 173; vgl. auch Teuscher, Soziabilität, S. 84 ff.
2. Akteure in Bern
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27 Kleinräten insgesamt vierzehn miteinander verwandt: Beispielsweise war Thüring von Ringoltingen der Schwiegervater des Neffen von Nikolaus von Diesbach Ludwig. Nikolaus von Diesbach selbst war der Ehemann der Nichte von Nikolaus von Scharnachtal, der wiederum mit der Schwester von Hans von der Gruben verheiratet war.47 Peter Schopfer war mit der Schwester des Venners Urban von Muleren und Schopfers Tochter Verena mit Georg Freiburger verheiratet.48 Der Venner Anton Archer war durch Heirat mit dem Säckelmeister Hans Fränkli verbunden.49 Es wird noch gezeigt, welche Folgen das für die Berner Politik vor allem im Zeitraum der vorliegenden Arbeit haben sollte. Wenn man die auf den Sitzungen des Kleinen Rates entstandenen Ratsmanuale betrachtet, kann man unter den Kleinräten noch weiter differenzieren.50 Darin hielten der Stadtschreiber, seine Mitarbeiter und wahrscheinlich auch einzelne Kleinräte fest, wann die jeweilige Ratssitzung stattfand und wer anwesend war. Führt man sich vor Augen, dass dabei immer zuerst der Schultheiß und darauf die adligen Ratsherren genannt wurden, kann man anhand der AuÁistung eine der Wichtigkeit geschuldete Abstufung der einzelnen Räte erkennen.51 Analysiert man die Ratspräsenzen der einzelnen Räte, wird erkennbar, dass auf dem überwiegenden Teil der Sitzungen nicht immer alle Kleinräte zugegen waren. HäuÀg war ihre Abkömmlichkeit von den jeweiligen Jahreszeiten abhängig: Vor allem die Twingherren hatten gerade in Sommer und Herbst neben den Ratsgeschäften Aufgaben außerhalb der Stadt zu erledigen.52 Dass man vor allem bei wichtigen Beschlüssen dringend auf die Anwesenheit aller Kleinräte angewiesen war, zeigen zahlreiche Einträge, nach denen abwesenden Räten befohlen wurde, zu einer bestimmten Ratssitzung zu erscheinen.53 Wie auf den Sitzungen aber konkrete Entscheidungen gefunden und Diskussionen geführt wurden oder ob Stimmen bestimmter Ratsherren mehr zählten als die von anderen, lässt sich leider nicht mehr feststellen.54 47 48 49 50 51 52 53
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Zu Hans von der Gruben vgl. Weibel, Gruben. Zu Peter Schopfer vgl. Teuscher, Bekannte, S. 75–115; ders., Politics of Kinship, S. 81 ff. Zur Familie Fränkli vgl. Hüssy, Fränkli. Zu den Berner Ratsmanualen vgl. Esch, Alltag, S. 21–25. Dazu und zum Folgenden ebd., S. 25 ff. Eine Auszählung der anwesenden Räte für das Jahr 1475 Àndet sich bei Bartlome, Diesbach und Bubenberg. Das war vor allem während des Twingherrenstreits der Fall: Vgl. beispielsweise den Eintrag auf der Sitzung des Kleinen Rats am 2. September 1470: „Desglich an miner herren Rätten, so nit anheimschn sind, bi iren geswornen eiden ze gebietten, das si dann ouch hie sind“ (StABe RM 6, fol. 195). Oder rund einen Monat später, am 1. Oktober 1470, abermals: „Schrib allen denen, so nit anheimsch sind, bi iren geswornen eiden uff morn, zinstag, ze Rätt zit har ze kommen“ (StABe RM 6, fol. 230). Daneben konnten auch einzelne Ratsherren zum Erscheinen ermahnt werden: „An herrn Nicolauß von Diesbach, das er uff mentag zś frú Rat zit hie sy von uns herrn des Marggraffen wegen“ (StABe RM 6, fol. 221). Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 34 f.; Esch, Alltag, S. 30–35. Zudem fällt es schwer, die jährlich am Ostermontag stattÀndenden Wahlmodalitäten der Kleinräte exakt zu beschreiben (Schmid, Reden, S. 158 f.; Dies., Wahlen). Wichtig bei der Wahl waren die kurz zuvor gewählten vier Venner, die von ihnen bestimmten Sechzehner und der Schultheiß. Wahrscheinlich einigten sich diese gemeinsam mit den ausscheidenden Kleinräten vor der Wahl des „neuen“
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Die Tatsache, dass die Zahl der zu vergebenden Ämter in Bern im Vergleich zu anderen Städten sehr groß war, machte es beinahe allen wohlhabenden Personen möglich, eines der prestigeträchtigen Ämter inner- oder außerhalb der Stadt zu übernehmen. Trotzdem kam es in den Jahren 1469–71 zu einem Streit zwischen Handwerkern und Gewerbetreibenden und den Twingherren, der es zulässt, die städtische Führungsgruppe Berns im Untersuchungszeitraum gut zu fassen. Der Streit gehört in eine Reihe von Auseinandersetzungen, die im 14. und 15. Jahrhundert als Folge von Territorialisierungsbestrebungen entstanden. Er erhielt insofern eine besondere Qualität, als die Twingherren gleichzeitig die wichtigsten politischen Ämter bekleideten und den Kleinen Rat dominierten. Zudem lässt er es zu, die Argumentationslinien sowohl der neuen und aufstrebenden als auch der alteingesessenen Familien im KonÁikt um politischen EinÁuss nachzuzeichnen, und man kann mit seiner Hilfe bestimmen, wer sich in der Stadt um das Jahr 1469 dem Adel zugehörig fühlte. Ursprünglich entstand der Streit aus dem Versuch eines Teils des Rats, die Herrschaftsrechte der Stadt in den umliegenden Landschaften an sich zu ziehen.55 Dabei ging es in erster Linie darum, ob die Twingherren auch zukünftig das Recht besitzen sollten, Leistungen von den Einwohnern der Landgerichte einzufordern und diese bei Nichteinhaltung büßen zu dürfen. Dazu gehörte neben der Einnahme von Steuern auch der Kriegsdienst. Das waren allesamt Privilegien, die den Twingherren vom Reichsoberhaupt verliehen worden waren, auf deren Wahrnehmung sie pochten und die von ihnen und anderen geistlichen und weltlichen lokalen Machthabern bis 1469 ausgeübt worden waren. Der Streit eskalierte, als bei den Osterwahlen des Jahrs 1470 der Metzgermeister Peter Kistler zum Schultheißen gewählt wurde. Noch am gleichen Tag beschloss der Große Rat, ein bereits 1464 beschlossenes Kleidermandat von nun an jährlich zu beschwören, das vordergründig gegen die adlige Mode der Twingherren gerichtet war.56 Ab diesem Zeitpunkt standen sich in Bern zwei Gruppen gegenüber: Zum einen eine von den Handwerkern dominierte Gruppe, die vom Schultheißen Kistler angeführt wurde und die ihre Basis im Großen Rat hatte. Zum anderen waren da die Twingherren, die auf ihre Rechte zur Ausübung von Herrschaft pochten.57 Beide verfolgten im Verlauf des Streites unterschiedliche Taktiken, um ihren EinÁuss zu demonstrieren: So blieben die Twingherren beispielsweise den Ratssitzungen fern und drohten ihr Bürgerrecht aufzukündigen, indem sie demonstrativ aus der Stadt zogen. Daneben übten sie Druck auf die städtische Wirtschaft aus, mobilisierten Bauern in ihren Twingherrschaften und versuchten mit Hilfe ihrer Kontakte zu Führungsgruppen aus anderen Führungsgremiums in informellen Gesprächen darüber, wer nicht mehr zum Kleinen Rat gehören sollte, um dafür eine der zahlreichen Vogteien im Berner Territorium zu übernehmen (Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 29 f.). 55 Zum Verlauf des „Twingherrensteits“ vgl. Schmid, Reden, sowie dies., Twingherrenstreit, S. 335. 56 De Capitani, Adel, S. 92; zu Kleiderordnungen im Spätmittelalter allgemein vgl. Eisenbart, Kleiderordnungen. 57 Vgl. Schmid, Reden, S. 90: „Sie [die Twingherren, d. Verf.] verstehen sich als Adlige, verhalten sich als Adlige und werden als Adlige angesehen“.
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eidgenössischen Städten, wieder an ihre alten Rechte zu gelangen. Demgegenüber hoffte die Handwerkerpartei um Kistler, die öffentlich demonstrierte Macht der Twingherren mithilfe des Kleidermandates zu begrenzen, den Großen Rat stärker in den Entscheidungsprozess einzubeziehen und das Mehrheitsprinzip bei politischen Entscheidungen durchzusetzen. Als die Twingherren Ende November 1470 in adliger Kleidung eine Messe im Berner Münster besuchten, wurden insgesamt 22 adlige Frauen und Männer aus acht Familien für einen Monat aus der Stadt verbannt und zur Zahlung einer Geldbuße verurteilt, weil sie das erwähnte Kleidermandat übertreten hatten.58 Bei diesen Personen handelte es sich um Mitglieder der Familien Bubenberg, Erlach, Stein, Scharnachtal, Diesbach, Ringoltingen, Wabern und Mattern, doch wurden im Verlauf des Streits noch weitere Familien zum Ausstand aus den Ratsverhandlungen aufgefordert.59 Anfang Februar 1471 schloss man unter eidgenössischer Vermittlung einen Kompromiss, nach dem die Twingherren zwar den größten Teil ihrer Rechte auf dem Land an die Stadt abgeben mussten, doch der Große Rat das Kleidermandat wieder aufhob. Weiterhin sollte Kistler vom Schultheißenamt zurücktreten und der Twingherr Petermann von Wabern an seine Stelle treten. Alles in allem behielten die Twingherren die Oberhand und stärkten ihre Stellung inner- und außerhalb der Stadt. Interessant ist die Überlieferung des KonÁiktes. Denn es war der Berner Stadtschreiber Thüring Fricker, der den „Twingherrenstreit“, eine in Prosaform gehaltene Parteischrift für die Twingherren, kurze Zeit später verfasste.60 Der Streit lässt es zu, die Personen zu bestimmen, die sich dem Adel und der politischen Führung zugehörig fühlten. Schließlich waren es die Twingherren, die die politischen Schlüsselpositionen besetzten und von denen die des Schultheißen, dem die Leitung und Führung des Kleinen Rates sowie die Verwaltung des städtischen Siegels oblag, die wichtigste war.61 Gleichzeitig war er der oberste Richter der Stadt, vertrat diese bei den wichtigsten politischen Angelegenheiten und auf diplomatischen Missionen. Ihre weitreichenden Kontakte verhalfen dem Berner Führungsgremium, die wichtigste Position in dem gegen Karl den Kühnen gerichteten Prozess einzunehmen. Weiterhin ist an ihre weitreichende Kontakt- und Beziehungsnetze zu denken. In dieser Gesellschaft waren gegenseitiges Kennen und Anerkennen, Verwandtschaft und Bekanntschaft wesentliche Bedingungen für eine erfolgreiche Politik. Dadurch waren sie zugleich prädestiniert, als Diplomaten für ihre Stadt zu fungieren.62 Dabei spielte das Vertrauen, das durch diese Kontakte entstand, eine wichtige Rolle. 58 59
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Schmid, Reden, S. 14f.; zur Rolle der Frauen in Bern, vor allem der Witwen vgl. Gerber, Gott, S. 177–182 u. S. 295 ff. Vgl. De Capitani, Adel, S. 34 ff.; zu den Familien, die bereits im Kleiderstreit verurteilt wurden und den Ratssaal verlassen mussten, gesellten sich mit Ludwig Brüggler, dessen Frau eine geborene von Erlach war, Urban von Muleren und Peter Schopfer drei weitere Kleinräte. Die Darstellungen von Thüring Fricker beeinÁussten seine spätere Bewertung nachhaltig, vgl. Schmid, Reden; abgedruckt Àndet sich der „Twingherrenstreit“ bei Studer, Twingherrenstreit. Dazu Gerber, Gott, S. 48 f. Vgl. dazu allgemein Jucker, Gesandte, S. 106–110. Dieser gibt Folgendes an: „Wichtig ist, dass es sich bei den Gesandten jeweils um Mitglieder der lokalen Führungsschichten handelte. Sie waren Teil der entsprechenden örtlichen Systeme, die von Ort zu Ort in ihren Strukturen
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Zwischen 1468 und 1477 amtierten mit Adrian von Bubenberg (1468/69 und 1473/74), Nikolaus von Scharnachtal (1469/70, 1472/73 und 1475/76), Peter Kistler (1470/71), Petermann von Wabern (1471/72 und 1476/77) und Nikolaus von Diesbach (1474/75) insgesamt fünf Schultheißen in Bern. Um zu verdeutlichen, warum gerade diese fünf der Stadt vorstanden und prädestiniert waren, Aufgaben im Dienste der Stadt wahrzunehmen, sollen sie näher vorgestellt werden. Dabei wird sich darauf beschränkt, neben den von ihnen geleisteten diplomatischen Missionen auch ihre Familien, ihre (verwandtschaftlichen) Kontakte sowie ansatzweise ihre Erziehungs- und Ausbildungskonzepte vorzustellen. Auf diese Weise wird versucht, möglicherweise bei ihnen fassbare Spezialisierungen auszumachen.
2.1. Nikolaus von Diesbach (1430–1475) Der wichtigste Berner Diplomat im Rahmen der gegen den burgundischen Herzog gerichteten Politik war Nikolaus von Diesbach. Diesbach war sowohl der Berner Experte, wenn es darum ging, Missionen zum französischen Königshof durchzuführen als auch die Interessen der eidgenössischen und oberrheinischen zusammenzuführen. Er war daher maßgeblich daran beteiligt, dass die eidgenössischen und oberrheinischen Reichsstädte gemeinsam mit dem österreichischen Herzog Sigmund und dem französischen König Ludwig XI. gegen den burgundischen Herzog und seine Verbündeten vorgingen. Seine Familie lässt es exemplarisch zu, Bedingungen, Gründe und Strukturen für den Aufstieg einer ehemals im Handel tätigen Familie zur politischen Spitze nachzuvollziehen.63 Da Nikolaus von Diesbachs Biographie eng mit dem Untersuchungszeitraum verknüpft ist, bietet das die Möglichkeit, die wichtigsten politischen Linien nachzuzeichnen.
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stark variierten. In der sozialen Hierachie nahmen sie somit bereits einen hohen Platz ein“ (S. 106); vgl. auch Jörg, Gesandte; Würgler, Boten und Gesandte, S. 296–304 (v. a. für das beginnende 16. Jahrhundert); ders., Tagsatzung der Eidgenossen. Die genaue Herkunft der Familie Diesbach ist nicht bekannt; der erste belegbare Vertreter ist der seit 1412 als Kaufmann in Basel sowie ab 1414 in Bern als Goldschmied tätige Nikolaus I. (Clewi) von Diesbach. Während des ersten Viertels des 15. Jahrhunderts gründete Clewi eine Handelsgesellschaft, die er später mit den aus St. Gallen stammenden Brüdern Watt zur Diesbach-Watt-Gesellschaft erweiterte, die Kontore von Spanien bis nach Polen besaß. Auch wenn Clewi in der Politik keine wichtige Rolle spielte, zeigt bereits sein Leben einen deutlichen Wandel vom Kaufmann hin zu einem adligen Grundherrn. Im Hinblick auf die für diesen Aufstieg wichtige Anerkennung durch die Zeitgenossen erhielt er zwei Jahre vor seinem Tod 1434 einen Wappenbrief von Kaiser Sigismund, der das Recht zum Erwerb der Ritterwürde für ihn selbst und seine Nachkommen beinhaltete (N. N., Wappenbrief Diesbach). Auch Nikolaus I. änderte daraufhin sein Wappen, und an die Stelle eines Halbmondes trat nun ein schwarzer Schild, der in der Mitte durch einen gebrochenen gelben Balken geteilt war. Auf dem Schild befanden sich zwei gelbe Löwen, und auf der Helmzier trug ein weiterer Löwe eine fünfzakkige und mit Kugeln geschmückte Adelskrone, vgl. Stettler, Diesbach; Zahnd, Aufzeichnungen; ders., Bildungsverhältnisse; Walter, Kontore; Moser, Niklaus von Diesbach.
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Diesbach wurde 1430 als einziger Sohn von Lucius (Loy) von Diesbach geboren.64 Im Alter von neun Jahren gab man ihn zunächst in die Familie des Basler Kaufmanns Werner von Kilchen, der einer der Basler Teilhaber der Diesbach-WattGesellschaft war65, woran sich bereits enge Kontakte zwischen Berner und Basler Familien offenbaren.66 Die gemeinsam betriebenen Handelsgesellschaften führten zu einem regen Austausch zwischen Familien aus unterschiedlichen Städten. Beispielsweise hatten die Basler Familien Kilchen, Halbeisen und Irmi und die Berner Familie Diesbach gemeinsam in Spanien und Aragon Handelsgeschäfte betrieben. Von Basel aus ging es für Nikolaus 1444 für insgesamt sechs Jahre nach Spanien, wohin er von einem Mitglied der noch vorgestellten Familie von Wabern begleitet wurde.67 Bereits hier ist die Bedeutung des Auslandsaufenthaltes für die späteren außenpolitischen Akteure hervorzuheben, die die in den Niederlassungen erworbenen Kenntnisse zurück in der Heimat gewinnbringend in der städtischen Politik einsetzen konnten.68 Kurz nach seiner Rückkehr in seine Heimatstadt wurde Nikolaus zunächst Mitglied des Großen und nach dem Tod seines Vaters des Kleinen Rats, der ihm ein großes Vermögen hinterließ. Als zudem sein Onkel Ludwig 1452 starb, übernahm er die Vormundschaft für dessen noch unmündige Kinder Wilhelm, Christina und Ludwig.69 Für das Verständnis der Politik Berns in den 1460er Jahren muss man das Verhältnis zum Herzogtum Savoyen betrachten. Denn dieses nahm damals eine Schlüsselstellung für die Berner Politik ein, da es im Westen direkt an das Berner Territorium angrenzte und die dort gelegene Waadt ein wichtiges Expansionsziel der Stadt
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Lucius (Loy) von Diesbach († 1451) saß ab 1435 im Großen und 1438 im Kleinen Rat der Stadt, versah 1441 das Amt des Vogts von Nidau und wurde 1448 Schultheiß im bei Bern gelegenen Burgdorf, vgl. Stettler, Diesbach, S. 11; Zahnd, Aufzeichnungen, S. 133; Jucker, Gesandte, S. 107 ff. Zur Diesbach-Watt-Gesellschaft vgl. Ammann, Diesbach-Watt. Die Kontakte zwischen der Basler und Berner Führungsgruppe offenbaren sich auch an der Pilgerreise ins Heilige Land, die sein Onkel Ludwig im Jahr 1440 unternahm und auf der er zum Ritter geschlagen wurde. Denn unter der rund neunzig Personen umfassenden Reisegruppe befand sich auch der Vater des während der Burgunderkriege amtierenden Basler Bürgermeisters Peter Rot, Hans. Dieser verfasste einen Bericht über die Reise, in dem er unter anderem auch seine beiden Berner Mitreisenden aufführte (Bernoulli, Rot’s Pilgerreisen, S. 387–392 (Teilnehmerliste). Daran offenbaren sich enge Kontakte zwischen den Führungsgruppen der beiden Städte, vgl. Gilomen, Städtische Schuld. Für die Führungsgruppen von Bern und Basel waren am Heiligen Grab erlangte Ritterschläge eine zentrale Station auf ihrem „Cursus honorum“. Nach der Rückkehr bekleideten die Angehörigen meist die wichtigsten Ämter in den jeweiligen Städten, vgl. dazu Carlen, Ritterschlag. Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 88 f.; S. 151; Stettler, Diesbach, S. 17 f.; Ammann, Diesbach-Watt, S. 59 f.; S. 64–67. Vgl. dazu Schmid, Reden, S. 89–96. Von diesen ließ er Wilhelm und Christina sofort nach Bern bringen. Da das dritte Kind, Ludwig II., kurz nach dem Tod seines Vaters geboren wurde, blieb dieser zunächst bei einer Amme in Köln und kam erst im Alter von acht Jahren nach Bern in das Haus seines Onkels Nikolaus, vgl. Zahnd, Aufzeichnungen; Walter, Kontore, S. 164f.; Braun-Bucher, Nikolaus von Diesbach.
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war.70 Daher war es für die Berner wichtig, mit Savoyen freundschaftliche Kontakte zu pÁegen und dafür zu sorgen, dass es in territorialer Hinsicht nicht die Überhand gewann. Dieses Interesse verband die Räte Berns mit König Karl VII. von Frankreich, dem Vater König Ludwigs XI.71 Ergebnis ihrer Annäherung war ein mit der Krone 1452 geschlossener Freundschafts- und Handelsvertrag.72 Nach dem Tod Karls VII. wurde das Verhalten des französischen Königs gegenüber den savoyischen Herzögen aggressiver. Daher begrüßte es die Berner Führungsgruppe, als sich dort Anfang der 1460er Jahre eine antifranzösische Partei mit dem savoyischen Prinzen Philipp von Bresse an der Spitze formierte. König Ludwig XI. von Frankreich tat in der Folge alles, um die vor allem für Bern und Freiburg i. Ue. bedeutende Genfer Messe zu behindern.73 Da ihre Bemühungen, auch die anderen Eidgenossen zu Verhandlungen mit dem König zu bewegen, fehlschlugen, sahen sich Bern und Freiburg i. Ue. veranlasst, allein für eine Lösung des KonÁiktes zu sorgen.74 Bereits 1462 hatte König Ludwig XI. den in französischen Diensten sowie mit Bern in einem Burgrechtsverhältnis stehenden Marschall von Burgund, Tibaut von Neuchâtel-Urtières, nach Bern gesandt, um einen ersten Beschwichtigungsversuch zu starten. Nachdem dieser scheiterte, wurde ein Verhandlungstag auf Mitte Juni 1463 festgesetzt und Bern um einen Vertreter gebeten75. Warum sich die Berner Führung in diesem Moment auf Diesbach einigte, wird aus seinem familiären Hintergrund verständlich, stammte er doch aus einer Fernhandelsfamilie und verfügte aufgrund seiner Ausbildung über das nötige Fachwissen, um die Interessen seiner Heimatstadt zu vertreten. Daran wird deutlich, dass die Gesandten häuÀg ihren jeweiligen speziÀschen Wissensbeständen und Fähigkeiten nach eingesetzt wurden. Denn auch der Begleiter Diesbachs, Thüring von Ringoltingen, stammte aus einer Familie, die zuvor im Fernhandel aktiv gewesen war. Da der Erhalt der Genfer Messe ein zentrales Anliegen der Berner in jenen Jahren war, bot diese Mission für Diesbach die Möglichkeit sich für etwaige weitere Verhandlungen zu qualiÀzieren. Diese erste Mission zum französischen König ist einer der Gründe dafür, warum Diesbach im vorliegenden Zeitraum die Politik seiner Heimatstadt maßgeblich mitbestimmte. Denn dort trat er das erste Mal in Kontakt zu Ludwig XI. und erfuhr, dass dieser überhaupt nicht plante, das von seinem Vater mit den Eidgenossen geschlossene Bündnis zu miss70
Da über die von ihm bis 1461 geleisteten politischen Aufgaben nichts bekannt ist, sollen nun seine diplomatischen Aktivitäten ab diesem Jahr vorgestellt werden, Stettler, Diesbach, S. 26. Dieser gibt an, dass er sich neben dem damaligen Berner Schultheißen Nikolaus von Scharnachtal bei Friedensverhandlungen zwischen Österreich und den Eidgenossen belegen lässt. 71 Zu den politischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Oberrhein vgl. Babel, Frankreich. 72 Segesser, Abschiede Anlage 31, S. 869 f. Dazu vgl. auch Jucker, Wonderful friendship. 73 Zur Bedeutung der Genfer Messe für Bern und Freiburg i. Ue. vgl. Ammann, Freiburg und Bern; Borel, Foires de Genève; vgl. auch Gasser, Ewige Richtung, S. 712 f., der in der Behinderung der Genfer Messe durch den französischen König eine Ursache für den Ausbruch der Burgunderkriege ausmacht. 74 Das Einladungsschreiben zur betreffenden Versammlung Àndet sich im StABe Dt. Miss. A, fol. 402; vgl. dazu Walter, Kontore, S. 167 ff. 75 Stettler, Diesbach, S. 30.
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achten, sondern vielmehr dessen Verlängerung beabsichtigte.76 Nach der Rückkehr ihrer Gesandten berief die Berner Führung eine Versammlung der Eidgenossen ein, auf der diese sich darauf einigten, auch ihrerseits dem Freundschaftsantrag nachzukommen. Zur Unterzeichnung desselben entschieden sie sich, Diesbach und den später noch vorgestellten Nikolaus von Scharnachtal Ende September 1463 nach Frankreich zu schicken. Im Verlauf der bis Ende November geführten Verhandlungen setzten sie sich erfolglos dafür ein, die Messe zu erhalten.77 Erst nachdem Ludwig XI. versicherte, dass er nichts gegen den savoyischen Prinzen Philipp von Bresse unternehmen werde, ratiÀzierten die Eidgenossen im Februar 1464 ihr Bündnis mit Frankreich.78 Die Versicherung Ludwigs XI. hielt jedoch nicht lange: Im April 1464 wurde von Bresse von königlichen Gefolgsleuten zum großen Unmut der Berner gefangen genommen, die gemeinsam mit Freiburg i. Ue. sich intensiv um dessen Freilassung bemühten79. Aus diesem Eintreten für den Prinzen erwuchs im Untersuchungszeitraum ein nicht zu unterschätzender Mehrwert für Diesbach und seine Anhänger. Obwohl im Jahre 1465 eigentlich Adrian von Bubenberg zum Schultheißen hätte gewählt werden müssen, einigten sich die Kleinräte auf Diesbach, der als erster Vertreter seiner Familie und bis dahin jüngster Schultheiß dieses Amt wahrnahm.80 Im gleichen Jahr wurde wahrscheinlich auf seine Fürsprache hin Nikolaus Fricker Stadtschreiber von Bern, der bei Diesbachs erster Heirat mit Anna von Rüsseck als Ehevermittler fungiert hatte. Überdies wurde Amadeus IX. Herzog von Savoyen, der mit der Schwester des französischen Königs verheiratet war. Bei Herzog Amadeus warb Bern erfolgreich darum, Philippe von Bresse freizulassen. Aus Dank dafür bat dieser die Aarestadt um einen Vertreter, der ihn auf seiner Reise zum französischen König im Juli 1466 begleiten sollte. Dazu wurde abermals Nikolaus von Diesbach bestimmt, der zum zweiten Mal seit 1463 in Kontakt mit dem französischen König trat.81 In wertender Rückschau erzählt Nikolaus’ Vetter Ludwig in seiner Autobiographie folgende Anekdote zu dieser Mission: Der König habe bei der Ankunft der Gesandtschaft seine Räte gefragt, wer der Berner Gesandte sei. Diese hätte ihm daraufhin geantwortet, dass es sich um Diesbach handle. Diesen, so Ludwig von Diesbach, kannte „der ckung woll, den er in me gesechen hatt unn wussd, daß eß ein man tzś brśche wass“82. Ludwig von Diesbach spielte auf die bestehenden Kontakte seines Vetters zum französischen König an, der offensicht76 77
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Segesser, Abschiede Nr. 521, S. 328 f. Laut Stettler, Diesbach, S. 31, war eine im Vergleich große Gesandtschaft von insgesamt 35 Personen am Hof Ludwigs XI.; vgl. auch den Berner Brief an Neuchâtel vom 23.9.1463 (StABe Dt. Miss. A, fol. 418), in dem die Aussendung der Gesandtschaft bestätigt wurde. Interessante Details in Segesser, Abschiede Nr. 525, S. 331–337. Das Einladungsschreiben zu der einberufenen Versammlung in Bern im StABe Dt. Miss. A, fol. 448 (3. Februar 1464). König Ludwig XI. hatte das Bündnis bereits am 27.11.1463 bestätigt, Segesser, Abschiede, S. 892 (Beilage 40). Zahnd, Aufzeichnungen, S. 153; Walter, Kontore, S. 168. Stettler, Diesbach, S. 26. Vgl. Stettler, Diesbach, S. 35 f. Zahnd, Aufzeichnungen, S. 36 f.; zur Einschätzung S. 153.
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lich ein Beziehungsnetz bildete, das ihm, seiner Familie und seiner Heimatstadt Protektion und Unterstützung bot. Der König seinerseits war über die soziale und politische Stellung Diesbachs genau unterrichtet, die ihn als Delegierten der Stadt Bern auswies.83 Auf dieser Gesandtschaft nach Frankreich wurde Nikolaus von seinen Vettern Ludwig und Wilhelm begleitet. Während er den 24-jährigen Wilhelm damals aus Frankreich nach Bern zurückholte, plante er, den 14-jährigen Ludwig an einem fremden Adelshof erziehen zu lassen. Laut eigenen Aussagen sei er „allt genśg“84 gewesen, um die französische Sprache zu lernen. Als die am Hof weilenden Adligen gesehen hätten, dass der König und Bresse „ein grossen gelowben uff in [gemeint ist Nikolaus von Diesbach. d. Verf.] saczden“, sei er um Folgendes gebeten worden: Habe er einen „sun oder ffrund“, seien sie zu deren Erziehung bereit.85 Daraufhin berieten sich Nikolaus und Wilhelm und entschieden, dass ihr Vetter in die Obhut des savoyischen Adligen Wilhelm von Luyrieux gegeben werden sollte, der zugleich ein Kammerherr Philippes von Bresse war.86 Im Gegenzug sollte dessen Sohn Claude von Luyrieux im Haus der Diesbachs erzogen werden, um dort „ttúsch tze leren“. Das ist insofern interessant, als dieser Claude später einen Burgrechtsvertrag mit Bern schloss.87 Daran offenbart sich die Bedeutung der aus dem Auslandsaufenthalt der Zöglinge resultierenden Beziehungen: Man knüpfte Kontakte, die einem selbst, seiner Familie und der Heimatstadt später von Nutzen sein konnten. Ludwig von Diesbach gibt an, Luyrieux sei ein Parteigänger des burgundischen Herzogs gewesen, den sein Vetter auf die französische Seite zu ziehen versucht habe.88 Neben diesen Parteibildungsbemühungen wurde Nikolaus von Diesbach vom König zum Kammerherrn ernannt und erhielt für die nachfolgenden drei Jahre eine Pension in Höhe von 200 Franken.89 Sein Vetter Wilhelm war nicht mehr in einer der Handelsniederlassungen der Familie erzogen worden, sondern hatte sich laut Familienbuch der Diesbachs bis zu dieser Gesandtschaft von Nikolaus zur Erziehung bei den Grafen von Foix in den Pyrenäen aufgehalten.90 83
Damit hatte der Experte Diesbach als Delegierter seiner Heimatstadt den Auftrag, in ihrem Namen zu handeln, zu sprechen und sie damit zu repräsentieren und wurde damit die „zum Individuum gewordene Gruppe“. „Delegation“ wird hier verstanden im Sinne von Bourdieu, Kapital, S. 193 f. 84 Zahnd, Aufzeichnungen, S. 36 f. 85 Zahnd, Aufzeichnungen, S. 154 ff.; Stettler, Diesbach, S. 35ff.; vgl. dazu Walter, Kontore, S. 174 ff. 86 Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 93 ff. u. S. 154 f. 87 So geschehen am 3. November 1508. Sein Bruder Amadeus hatte bereits am 9. November 1496 einen Burgrechtsvertrag mit Bern abgeschlossen, Zahnd, Aufzeichnungen, S. 155. 88 Zahnd, Aufzeichnungen, S. 38 f. u. S. 154 f. 89 Vgl. Stettler, Diesbach, S. 37, Anm. 152 sowie die AuÁistung von Diesbachs Pensionen im Anhang, ebd., S. 132; zum Pensionenwesen vgl. Groebner, Gefährliche Geschenke, S. 155– 166 u. 189–195; Koch, Reislauf; Jucker, Geheimnis, S. 72–75; Würgler, Gesandte und Boten, S. 301–304; Walter, Kontore, S. 177. 90 Diese Grafschaft war seiner Familie von ihrer Fernhandelstätigkeit bekannt, da das Territorium der Grafen an der Verbindungsstraße zwischen dem nördlichen Vorland der Pyrenäen und der Iberischen Halbinsel lag und mit Sicherheit von Vertretern der Diesbach-Watt-Gesellschaft auf ihren Handelsreisen nach Spanien benutzt wurde. „Nach söllichem ward er an deß küngs dienst
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Die vorgestellten Beobachtungen entsprechen dem Wandel der Ausbildungstraditionen, der sich in der dritten Generation der Familie von Diesbach vollzog. Im Zuge dessen verlagerte sich die Erziehung „vom Kontor an den Hof“91. Während sich Zöglinge der alteingesessenen Ratsgeschlechter wie beispielsweise die Familie von Scharnachtal schon seit dem ersten Drittel des 15. Jahrhunderts an Adels- und Fürstenhöfen nachweisen lassen, Ànden sich die Söhne der ehemaligen Handelsfamilien dort erst im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts. Dort sollten sie in die adlige Lebensweise sowie die adligen und diplomatischen Umgangsformen eingeführt werden und Fremdsprachenkenntnisse für den späteren diplomatischen Dienst erlangen. Dabei ist zu betonen, dass die an den Adelshöfen erlangte Erziehung und Ausbildung nicht „nur in bescheidenem Maße“92 den Aufstieg der ehemaligen Handelsfamilien unterstützten, sondern gerade im Hinblick auf später ausgeübte politische Tätigkeiten, Heiraten und Anerkennung zentral waren. Denn eine Erziehung, die adligen Idealen entsprach, ermöglichte, die gewonnen Bildungsinhalte zu inkorporieren und für die Zukunft sicherzustellen.93 Zudem übten die Zöglinge dort die Fähigkeiten ein, wie sie Informationen in Wissen, dieses wiederum in politische Handlungsoptionen und damit in Macht transformieren konnten. Gerade in Bern, das direkt an das französischsprachige Herzogtum Savoyen angrenzte und über enge Kontakte dorthin sowie zur französischen Krone und zum Herzogtum Burgund verfügte, waren französischsprachige Experten mit Kenntnissen im diplomatischen Umgang besonders wichtig. Nikolaus von Diesbach wusste um diese Notwendigkeit, und die von ihm in die Wege geleitete Erziehung war erfolgreich. Dadurch eröffnete sich für ihn und seiner Familie die Möglichkeit, ein Beziehungsnetz zu bilden, das ihnen durch die Protektion seitens der (neu-)geschaffenen Beziehungen Zutritt „zu vorher nicht oder nur sehr mühselig erreichbaren Positionen“94 bot. Nebeneffekt davon war der „Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Anerkennens“95, auf das er, seine Familie und seine Heimatstadt zurückgreifen konnten, falls sie die Unterstützung von Einzelnen oder Gruppen bedurften. Ebenso boten diese Kontakte ihnen in der Folgezeit Möglichkeiten, um an wichtige Informationen zu gelangen. Damit erweiterte Nikolaus von Diesbach seinen Wissensstand stetig und machte sich und seine Familie im Untersuchungszeitraum geradezu unentbehrlich. Anfang Dezember 1466 waren Nikolaus und Wilhelm von Diesbach zurück in ihrer Heimatstadt, der der burgundische Herzog kurz zuvor ein Bündnisgesuch unterbreitet hatte. Dem stand man in Bern aufgrund der Beziehungen zur französischen Krone ablehnend gegenüber. Man ließ dem Herzog mitteilen, dass man sich
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zś dem herren von Foͷs gethan, da er sich dan ehrlich und woll hielltt“ (zit. bei Zahnd, Aufzeichnungen, S. 150). Schmid, Reden, S. 93. So Zahnd, Aufzeichnungen, S. 152. Im Sinne von Bourdieus „inkorporiertem Kulturkapital“ zu verstehen, das grundsätzlich körpergebunden ist und Verinnerlichung sowie ein Mindestmaß an Zeit voraussetzt, vgl. Bourdieu, Kapital, S. 186 f. Schmid, Reden, S. 95. Bourdieu, Mechanismen der Macht, S. 63.
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erst nach Rücksprache mit von Bresse entscheiden wolle. Für Gespräche mit diesem boten sich Anfang 1467 Möglichkeiten, als er sich während der Hochzeit von Diesbach mit seiner zweiten Ehefrau Barbara von Scharnachtal in der Aarestadt aufhielt. Nikolaus’ erste Gattin Anna von Rüssegg war wie sein einziger Sohn zwei Jahre zuvor an der Pest gestorben. Die 1449 eingegangene Heiratsverbindung mit den Rüsseggs war von seinem Vater in die Wege geleitet worden und kann exemplarisch dafür stehen, dass die Familie von Diesbach sich in diesen Jahren an den Landadel anzulehnen bemühte.96 Mit Barbara von Scharnachtal heiratete Nikolaus als erster Vertreter seiner Familie eine Tochter aus dem Kreis des alteingesessenen Stadtadels. Doch existierten in wirtschaftlicher Hinsicht schon vorher Verbindungen zwischen den beiden Familien, da die Scharnachtals vermutlich Teilhaber der Diesbach-Watt-Gesellschaft gewesen waren. Dadurch erlangte Nikolaus von Diesabch Zutritt zu dieser Gruppe für sich und seine Familie, denn Barbara war eine Tochter des politisch einÁussreichen und vermögenden Berners Kaspar von Scharnachtal, einem Bruder des später noch vorgestellten Nikolaus von Scharnachtal. Da Diesbachs Schwiegervater in zweiter Ehe mit der Mutter Petermanns von Wabern verheiratet war, gelangte er auch mit dessen Familie in verwandtschaftlichen Kontakt. So festigte er seine Stellung in Bern und konsolidierte seine gesellschaftliche wie politische Position. Die verwandtschaftlichen Beziehungen wurden vor allem im vorliegenden Untersuchungszeitraum wichtig, denn die Wabern und Scharnachtal unterstützten die von Nikolaus von Diesbach propagierte und gegen den burgundischen Herzog und seine Verbündeten gerichtete Politik. Auch die Ehen seines Vetters Wilhelm deuten auf veränderte Strategien der Familie hin: In erster Ehe heiratete 1471 Wilhelm mit Dorothea von Hallwil die Tochter einer angesehenen Familie aus dem Aargau, deren Vater wie die Diesbachs Mitglied der Berner „Stube zum Narren und Distelzwang“ war.97 Damit beabsichtigten sie, den dort ansässigen Adel und vor allem die mit Bern seit der 1415 erfolgten Eroberung in einem Burgrechtsverhältnis stehende Familie von Hallwil enger an die Berner Führung zu binden.98 Im Zusammenhang mit der 1474/75 zwischen den Eidgenossen und dem österreichischen Herzog geschlossenen „Ewigen Richtung“ wurde die aus dieser Ehe erwachsende Interessenlage wichtig.99 Ebenso of96
Dazu Zahnd, Aufzeichnungen, S. 142; Stettler, Diesbach, S. 17 f. Allgemein zu Funktionen von Erziehung und Ausbildung an burgundischen Adelshöfen vgl. Sommé, Jeunes Nobles; zu Erziehung und Ausbildung an Höfen allgemein vgl. die in Paravicini/Wettlaufer, Erziehung und Bildung, versammelten Beiträge. Allgemein zur Orientierung aufsteigender städtischer Familien an den Landadel vgl. Andermann, Zunft und Patriziat, S. 371 f.; Spiess, Aufstieg, S. 15 ff. 97 Zur Familie von Hallwil vgl. Bickel, Hallwil; Müller, Hallwyl; Frei, Hallwil; allgemein zu Heiraten und den mit dieser einhergehenden Implikationen Teuscher, Bekannte, S. 57–71; ders., Politics of Kinship. 98 Zu diesen und weiteren Versuchen des Rats, den Adel des Territoriums näher an sich zu binden, siehe Kapitel D 3; vgl. Bickel, Hallwil, S. 160–180; vgl. auch Walter, Verhandlungen, S. 109 ff.; ders., Kontore, S. 171ff. 99 Als Dorothea im Jahr 1476 starb, ehelichte Wilhelm die aus einer ostschweizer-churerischen Ministerialenfamilie stammende Helena von Freiberg, deren Vater über umfangreichen Besitz in Graubünden und Schwaben verfügte. Die 1501 geschlossene dritte Ehe schließlich verband
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fenbaren sich politische Motive der Eheverbindungen sowie der Wunsch danach, neue Kontakte zu erschließen, die den Diesbach wie der Stadt später von Nutzen waren. Als Bern Ende Februar 1467 sein Bündnis mit Savoyen erneuerte, entsandte man Nikolaus und Wilhelm von Diesbach Anfang April ins Piemont.100 Dort trafen sie neben dem Herzogspaar auch von Bresse, der zuvor von Bern informiert worden war, dass die Aarestadt nicht wie die anderen eidgenössischen Orte einem Bündnis mit Mailand beitreten wollte.101 Mailand nämlich habe sich ihrer Meinung nach gegen Savoyen gerichtet.102 Daher verhandelte Bresse mit den Bernern Gesandten über Maßnahmen gegen den mailändischen Herzog, der in freundlichem Kontakt mit dem französischen König stand.103 Um eine weitere Annäherung zwischen ihnen zu verhindern, einigten sich die Anwesenden auf eine Entsendung der Diesbachs nach Venedig, die dort für die Unterstützung der eidgenössischen Pläne werben sollten. Wie aus einem Ende Mai 1467 verfassten Brief eines am französischen Königshof weilenden mailändischen Gesandten Panigarola deutlich wird, entgingen die geheimen Verhandlungen den Mailändern nicht.104 Dieser berichtete, dass der Herzog von Savoyen Diesbach, den „einÁussreichsten Staatsmann Berns“, nach Venedig gesandt habe. Über seine Absichten, die er „unter dem Vorwand einer Wallfahrt nach Jerusalem“ verberge, könne er nichts Genaues berichten und wisse lediglich, dass er „Verhandlungen mit Venedig“ pÁege.105 Im Folgenden soll es zunächst um die erwähnte Pilgerreise von Nikolaus und Wilhelm von Diesbach ins Heilige Land gehen, die sie gemeinsam mit Hans von der Gruben unternahmen, der schon den Vater Wilhelms auf dessen Reise im Jahre 1440 begleitet hatte. Denn mit der Pilgerreise ist ein weiterer wichtiger Punkt angesprochen, der die gesellschaftliche Position der aufsteigenden Familien konsolidierte. Jerusalemfahrten wurden ebenfalls zunächst von den Söhnen der alteingesessenen Familien des Berner Stadtadels unternommen, doch tauchen ab der Mitte des 15. Jahrhunderts Mitglieder der Aufsteigerfamilien gehäuft auf.106 Die Wallfahrt bot ihnen die Möglichkeit, „Pilgerreise und Ritterschlag, Besuch von Gnadenstätten und Standeserhöhung zu verbinden“107. Nach zahlreichen Zwischenstationen gelangten sie nach Jerusalem, wo sie zu Rittern des Heiligen Grabs geschlagen wurden.108 Von dort ging es über Bethlehem weiter nach Gaza und auf die Halbin-
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die Familie von Diesbach mit der Führungsgruppe von Zürich, da Wilhelm die ursprünglich aus einer Zürcher Ratsfamilie stammende Witwe des Berners Brandolf vom Stein, Anastasia Schwend, heiratete, vgl. Zahnd, Aufzeichnungen, S. 143 f.; Moser, Wilhelm von Diesbach, S. 203 ff.; Braun-Bucher, Wilhelm von Diesbach. Moser, Wilhelm von Diesbach, S. 6 f.; Stettler, Diesbach, S. 39 f. Der Abschied dieses Tages Àndet sich in Segesser, Abschiede Nr. 570, S. 361. Vgl. StABe Dt. Miss. B, 144 (23. März 1467); Segesser, Abschiede Nr. 573 f., S. 362. Stettler, Diesbach, S. 39 f. Zu Panigarola vgl. Ehm, Burgund, S. 216; Soldi-Rondini, Panigarola. Zit. bei Stettler, Diesbach, S. 40; vgl. dazu Walter, Kontore, S. 172f. Schmid, Reden, S. 93. Zahnd, Aufzeichnungen, S. 106 ff. u. S. 152; Schmid, Reden, S. 91. Zu Aufstiegsmöglichkeiten durch Ritterschläge vgl. das Beispiel der Konstanzer Familie Grünenberg in Andermann, Zunft und Patriziat, S. 365 f.
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sel Sinai, wo sie im Katharinenkloster ebenfalls zu Rittern geschlagen wurden. Anfang Februar des Jahres 1468 waren sie zurück in Bern.109 Die Berner Räte wurden sich in diesen Monaten Bresse’ AfÀnität gegenüber Burgund bewusster.110 Während das Verhältnis zwischen Bern und Burgund bis zu diesem Zeitpunkt freundschaftlich gewesen war, entwickelten sich ihre Interessen seit dem eingangs erwähnten Waldshuterkrieg 1468, in dem Nikolaus von Diesbach und Nikolaus von Scharnachtal als Hauptleute fungierten, weiter auseinander.111 Daher sah die Führungsgruppe der Aarestadt die Annäherung von Bresse an den Herzog mit einem gewissen Unmut und wandte sich verstärkt der französischen Krone zu.112 So wird auch verständlich, warum Nikolaus und Wilhelm von Diesbach sich Mitte Juli entschlossen, ihren 16-jährigen Vetter Ludwig aus Savoyen zurück nach Bern zu holen. Nikolaus nutzte diese Gesandtschaft, um seinen Vetter Ludwig am Hof des französischen Königs unterzubringen. Dieser reiste gemeinsam mit einem Berner Stadtknecht zum Aufenthaltsort des Königs, wo er sich zu dem königlichen Sekretär Meurin begab, der ihn vor den König führte und ein Kontaktmann der Diesbachs am französischen Königshof war.113 Die erste Zusammenkunft zwischen dem König und Diesbach war von Seiten seines Cousins Nikolaus vorbereitet worden, und Ludwig gab in seiner Autobiographie an, dass ihm ein Brief der Berner Führung mitgegeben worden sei, in dem der König über den Krieg im Sundgau informiert werden sollte.114 Ludwig war von Nikolaus instruiert worden, was er 109 Sie hielten sich aber nur kurz in ihrer Heimatstadt auf, da der französische König Ludwig XI. die Stadt gebeten hatte, ihn auf einem für Ende Juli nach Dijon einberufenen Treffen über den in der Einleitung erwähnten „Waldshuterkrieg“ zu unterrichten, vgl. dazu Baum, Habsburger, S. 504–526; Meier, Waldshut, S. 321–384; Stettler, Diesbach, S. 41 f.; Zahnd, Aufzeichnungen, S. 153.) Zahnd sieht den Ritterschlag vom Sinai als ein Indiz dafür, dass sich die Vertreter der Familie von Diesbach bewusst von alteingesessenen Stadtadelsfamilien wie beispielsweise der Familie von Bubenberg abgrenzen wollten. 110 Von Bresse hatte sich bereits am 21. Juli 1467 mit Karl dem Kühnen in Pignerol getroffen, auf dem „die Parteinahme des savoyischen Prinzen für die burgundische Politik in den folgenden Jahren besiegelt wurde“, Zahnd, Aufzeichnungen, S. 155. 111 Für die Politik bis 1468 vgl. Krebs, Politik. 112 Baum, Habsburger, S. 504–526 113 So erklärt sich auch der in den Berner Ratsmanualen des 18. Juli 1468 stehende Eintrag, nach dem der Berner Stadtschreiber Niklaus Fricker den folgenden Auftrag erhielt: „An kśng von Franckrich, im zś danken des frúntlichen, gśten willenß denen von Diesbach erzógt; und daß er den jungen von Diesbach gśtlich hallt und im den lass bevolchen sin“ (StABe RM 3, fol. 146). Bei dem erwähnten Sekretär handelte es sich um den einÁussreichen Baude Meurin († 1488), der zahlreiche diplomatische Missionen für Ludwig XI. ausführte, die ihn sowohl in das Herzogtum Savoyen als auch in die Eidgenossenschaft führten, vgl. Lapeyre/Scheurer, Notaires 1, S. 226 f. 114 Dieser Brief Àndet sich im StABe Dt. Miss. B, fol. 396 (19. Juli 1468). In ihm unter anderem: „[…] und nach wir ouch daby verstanden, daß uwer kunglich gnad ettlich der gemelten von Dießbach gesipten kind bekosten und besorgt hab, der selben einer uch hie mitt zugesannt wirt; bitten und begern wir an uwer künglich gnad, die fúr bevolchen und in getrśwen uffsechen und schirm ze haben[…]“. Mit dem erwähnten „gesipten kind“ war Dietrich von Hallwil gemeint, dessen Mutter eine Schwester von Nikolaus von Diesbachs erster Frau Anna von Rüssegg war. Dietrich befand sich seit 1467 am französischen Königshof, vgl. auch Bickel, Hallwil, S. 185. Die aus dem gemeinsamen Aufenthalt erwachsenen Beziehungen führten zum 1509 zum Ab-
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dazu sagen sollte, was im Hinblick auf seine gezielt betriebene Hinführung in die diplomatische Praxis ein interessanter Hinweis ist.115 Über den Verlauf der Zusammenkunft erzählte Ludwig von Diesbach zudem eine Anekdote, die sowohl für seine Familie als auch für den König hinsichtlich Sinn und Zweck der Erziehung am Königshof aufschlussreich ist. So sei der König über seinen Vortrag sehr erfreut gewesen und habe zu ihm gesagt, er freue sich über seine Französischkenntnisse, doch sei sein Akzent „bśrgśnsch“. Daraufhin habe der königliche Sekretär dem König mitgeteilt, dies sei nicht verwunderlich, da er bei einem „gśtten Bśrgśner“ erzogen worden sei, womit er zweifellos auf Wilhelm von Luyrieux rekurrierte. Daraufhin habe der König seinem Sekretär entgegnet: „So nym in tzś dyr unn mach in tzś eym gśtten Ffranczosen“116. Der Sekretär sollte den jungen Diesbach zu einem guten Franzosen machen, der im Interesse der Krone handelte, was gleichzeitig auch dem Wunsch der Diesbachs entsprach. Die veränderte politische Lage – der EinÁuss Burgunds in Savoyen wuchs, was den Berner Interessen zuwiderlief – veränderte auch die Prämissen ihrer Außenpolitik und ihrer führenden Familien. Ausdruck dieser Veränderung war die von Nikolaus von Diesbach eingeleitete Erziehung seines Vetters Ludwig weg von Savoyen, hin zum französischen Königshaus.117 So konnte er alte Kontakte intensivieren, neue bilden sowie seine eigene wie die Akzeptanz seiner Familie inner- wie außerhalb der Stadt sicherstellen. Zugleich war es möglich, bei Bedarf auf ein erweitertes Informationsnetz zurückzugreifen, das ihm einen Wissensvorsprung garantierte, der im Idealfall mit einem Machtzuwachs für ihn, seine Familie, seine Heimatstadt und deren Verbündete einherging. Wenn Bern und die Eidgenossen in der Folgezeit Beziehungen zum französischen Königshaus aufbauen wollten, kamen sie an den Diesbachs spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vorbei. Doch der französische König Ludwig XI. sah sich in diesen Monaten mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert, die sich kurze Zeit später offenbarten, als er im Oktober 1468 von der unter Führung des burgundischen Herzogs operierende „Ligue du Bien Public“ für rund einen Monat gefangen genommen wurde.118 Ludwig von Diesbach hielt sich laut eigenen Angaben während der gesamten Dauer der Gefangenschaft in unmittelbarer Nähe des Königs auf. Das führte nach seinen Angaben dazu, dass dieser von da an eine Sympathie für die Eidgenossen und besonders für die Stadt Bern sowie für seine Familie entwickelt habe.119 Doch auch diese hatte in den folgenden Jahren mit Schwierigkeiten zu kämpfen: Grund dafür war der erwähnte Twingherrenstreit, in dessen Verlauf Nikolaus von Diesbach als Sprecher der Adelspartei agierte und von den Ratssitzungen ausgeschlossen wurde.
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schluss eines Ehevertrags zwischen Ludwigs II. Tochter und Dietrichs Sohn, vgl. Zahnd, Aufzeichnungen, S. 164; zur Autobiographie Ludwigs von Diesbach vgl. auch Teuscher, Politics of Kinship, S. 83 ff. Zahnd, Aufzeichnungen, S. 42 f.; vgl. auch Teuscher, Bekannte, S. 207–210. Zahnd, Aufzeichnungen, S. 42–45. Allgemein zu diesem Aspekt Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 40–44; Walter, Kontore, S. 174 ff. Zur Gefangennahme von Péronne vgl. Bittmann, Zusammenkunft. Zahnd, Aufzeichnungen, S. 48 f.
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2.1.1. Diesbachs diplomatische Missionen (1469–1474) Inzwischen war auch die burgundische Bedrohung am Oberrhein im Zuge des erwähnten Vertrags von Saint-Omer ernster geworden.120 Im weiteren Verlauf waren es die Berner Räte, die die anderen Eidgenossen von einem gemeinsamen Vorgehen und einem Zusammenschluss mit dem Oberrhein und dem französischen König gegen Burgund zu überzeugen versuchten.121 Maßgeblicher Entscheidungsträger und Koordinator der antiburgundischen Politik war Nikolaus von Diesbach, der sich zwischen 1469 und 1474 für fast zwei Jahre auf Gesandtschaften aufhielt, bei den anderen Eidgenossen für einen Zusammenschluss mit Frankreich, Österreich und den oberrheinischen Reichsstädten warb und den französischen König ständig über den Stand der Dinge informierte.122 Als Indikator seiner diplomatischen Aktivitäten können die an ihn in diesen Jahren ausbezahlten französischen Pensionsgelder und Geldgeschenke herhalten.123 Als einer der Hauptempfänger von französischen Geldern erhielt er zwischen 1466 und 1475 mindestens 18.200 Franken von Ludwig XI. ausbezahlt.124 Die 200 Franken, die er anlässlich der Mission im Jahr 1466 für die drei nachfolgenden Jahre erhielt, sind bereits erwähnt worden; das nächste Geldgeschenk bekam er anlässlich einer Sendung an den französischen Königshof im Frühjahr 1469.125 Bereits vor dem Vertrag von Saint-Omer waren Gerüchte laut geworden, nach denen der österreichische Herzog plane, sich an Burgund anzulehnen. Zeitgleich hatten die Eidgenossen im März von Bern erfahren, dass Sigmund auch mit dem französischen König in Kontakt getreten war. Um nähere Informationen zu erhalten, hatten sie sich daher entschlossen, Gesandte zu Sigmund wie zu Karl zu schicken. Als man im April 1469 erfuhr, dass Ludwig XI. nicht plane, gemeinsam mit Sigmund gegen sie vorzugehen, wurden Nikolaus und sein Vetter von den Eidgenossen beauftragt, dem König zu danken und die Position Berns im KonÁikt mit Österreich mitzuteilen. Mitte Juni erreichten sie den Aufenthaltsort Ludwigs XI., wo dieser ihnen über die Gesandtschaft des Herzogs von Österreich berichtete und ihnen Hilfe gegen Burgund und Österreich anbot.126 In vertraulichen Gesprächen setzte er den beiden Bernern Gesandten auseinander, dass er sich von den Eidgenossen wünsche, dass sie von Burgund Abstand nehmen und sich ihm zuwenden sollten. Nachdem ihnen ein Geldgeschenk in Höhe von 200 Franken ausgehändigt worden war, verließen die Berner den König, nicht ohne ihm vorher versichert zu haben, sich bei den übrigen Eidge120 Zum Vertrag von St. Omer aus österreichischer Sicht vgl. Baum, Habsburger, S. 526–570. 121 Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 19; Bittmann, Ludwig XI., S. 193–225, S. 285 f. u. S. 655 ff. 122 Dazu Walter, Verhandlungen, S. 122 f.; ders./Kintzinger, Krieg und Frieden. 123 Zur Bedeutung der Pensionszahlungen in der Eidgenossenschaft vgl. Groebner, Gefährliche Geschenke, S. 159–163; ders., Invisible Gifts; Koch, Reislauf; Jucker, Geheimnis, S. 72–75; Würgler, Gesandte und Boten, S. 301–304; vgl. dazu auch Walter, Kontore, S. 176–181. 124 Eine Zusammenstellung der an Nikolaus von Diesbach ausbezahlten königlichen Pensionen bei Stettler, Diesbach, S. 132 (Beilage 2). 125 Stettler, Diesbach, S. 70 ff. 126 Zum Verrat des Kardinals vgl. Favier, Louis XI., S. 596 ff.
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nossen für ihn einzusetzen.127 Mitte August 1469 trugen die beiden den Eidgenossen die königlichen Wünsche auf einer Tagsatzung in Solothurn vor, die sich jedoch erst im November zu einer Antwort bereitfanden.128 Aufgrund der immer schwieriger werdenden Lage Mülhausens verstärkte sich die Rivalität der eidgenössischen und oberrheinischen Reichsstädte zu Burgund in den folgenden beiden Jahren stetig.129 In der Zwischenzeit hatten Nikolaus und Wilhelm von Diesbach den bestehenden Freundschaftsvertrag mit Frankreich überarbeitet und den König über die neuesten Entwicklungen am Oberrhein und in der Eidgenossenschaft informiert.130 Die antiburgundische Stimmung nutzten die Berner Räte, um die anderen Eidgenossen langsam für einen Zusammenschluss mit dem Oberrhein und dem französischen König vorzubereiten.131 Ein erster Erfolg stellte sich ein, als sich die Eidgenossen auf einer Versammlung im Mai 1470 entschlossen, abermals Wilhelm von Diesbach zum französischen König zu entsenden.132 In einem Brief, den dieser von dort schrieb, teilte er seiner Heimatstadt mit, dass Ludwig XI. seine Gesandten zum Vertragsabschluss in die Eidgenossenschaft senden werde. Die Führungsgruppe Berns bat daraufhin die übrigen Eidgenossen, auf einer im August 1470 nach Bern einberufenen Versammlung zu erscheinen, um den Freundschaftsvertrag mit Frankreich anzunehmen.133 Die Dienste der Diesbachs waren dem französischen König bares Geld wert.134 127 Bittmann beruft sich auf zwei Briefe eines mailändischen Gesandten an den Herzog von Mailand, um den Verlauf der Gesandtschaft der Diesbachs zu präzisieren, Bittmann, Ludwig XI., S. 323–327. 128 Das Ergebnis der Geheimgespräche war der so genannte „Solothurner Rezess“ (Staatsarchiv Luzern, Urkunden 3632/238); vgl. auch die Briefe im StABe Lt. Miss. A, fol. 86v (4. November 1469). 129 Die Probleme um und von Mülhausen erwiesen sich im gesamten Zeitraum für die späteren eidgenössischen und oberrheinischen Bündnispartner als das wahrscheinlich wichtigste Kohäsionsmittel. So tauchte das später als „Niedere Vereinigung“ bekannt gewordene Bündnis als Idee erstmals im Sommer 1470 auf und entsprang ursächlich dem Wunsch des Pfalzgrafen, Mülhausen vor einer burgundischen Mediatisierung zu schützen (vgl. Bittmann, Ludwig XI., S. 359 f.). 130 Vgl. die Briefe im StABe Lt. Miss. A, fol. 33 u. fol. 99: Diese deuten darauf hin, dass Nikolaus von Diesbach in regem privaten Briefkontakt mit dem französischen König stand, vgl. Stettler, Diesbach, S. 74, Anm. 284; vgl. auch Walter, Verhandlungen, S. 121 ff. 131 Zur politischen und militärischen Untentschiedenheit der Eidgenossen und Berns innenpolitischer Situation vgl. Jucker, Innen- oder Außenpolitik; Bittmann, Ludwig XI., S. 354–365. 132 Moser, Wilhelm von Diesbach, S. 9. 133 Vgl. das Einladungsschreiben im StABe Dt. Miss. A, fol. 752/53 (17. Juli 1470): „[…] daruff war der strenng vest herr Wilhelm von Dießbach, Ritter, zś dem Kung mitt credentz vnd instruction komen. Vnd ist vnns von im gestern schrifftlichen angelangt, das vnnß herr der Kung ein treffenlich bottschafft der sachenhalb mitt im her vertige […] darumb begeren wir an üwer sunderlichn vnd gśtten frúnntschafft mitt gantzem Áisß […] ir wellen üwer treffenlich bottschafft her in vnnß statt vertigen […]“. Doch während die acht Orte das Bündnis erst Ende Oktober besiegelten, war es bereits am 23. September 1470 in Tours vom französischen König ratiÀziert worden, Segesser, Abschiede Nr. 658a und Beilage 47 sowie Nr. 660 und Beilage 48. 134 BNF Ms. Fr. 20, 685, fol. 501: „[…] donnés à Guillaume de Diessbach ambassadeur de Berne 264 liv.“ Ebd., fol. 498v: „Anthoine VauÁou, messager de Berne, pour porter à Nicolas de Diessbach, chev., 200 l. t. et à Guillaume de Diessbach aussi chev., 240 l. t.“.
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Gleichzeitig entwickelte sich in Savoyen ein KonÁikt zwischen der Herzogin Yolantha und ihren Schwägern Jakob von Romont und Philippe von Bresse.135 Im Juli 1471 nahmen letztere aus Furcht vor einem EinÁussverlust den savoyischen Herzog gefangen, um die Regierung des Herzogtums zu erlangen. Yolantha blieb nichts anderes übrig als zu Áiehen und auf die Hilfe ihres Bruders und ihrer Verbündeten zu hoffen, zu denen noch in jenen Monaten Bern zählte, das mittels einer Gesandtschaft erfolgreich vermittelte.136 An den Gesprächen nahmen neben Nikolaus von Diesbach auch sein später noch vorgestellter Verwandter Petermann von Wabern teil. Um die savoyischen Angelegenheiten auch mit dem französischen König zu klären und ihn über die politische Lage am Oberrhein zu informieren, schickte man erneut Diesbach zu ihm.137 Dort hielt er sich gemeinsam mit seinem Vetter fast ein halbes Jahr auf und erhielt vor seiner Abreise 400 Franken ausbezahlt.138 Während ihrer Anwesenheit am Königshof kam Mitte Oktober 1471 mit dem „Abschied von Einsiedeln“ ein Vertragsentwurf zwischen der Eidgenossenschaft und Österreich zustande.139 Abseits der deshalb einberufenen Versammlung versuchten die Räte von Bern, Straßburg und Basel auf den österreichischen Herzog dahingehend einzuwirken, die verpfändeten Gebiete wieder auszulösen. Das verdeutlicht, dass die Initiative zur Auslösung in diesen Monaten nicht vom französischen König ausging, sondern vor allem von den untersuchten Protagonisten getragen wurde. Neu war weiterhin, dass die zwischen Österreich und der Eidgenossenschaft im Raum stehende „Ewige Richtung“ eindeutig gegen Burgund gerichtet sein sollte. Richtungsweisend für den weiteren Gang der Diskussionen war Straßburgs Zusage, die Ànanzielle Hauptlast für die Auslösung zu übernehmen, womit bereits zu diesem Zeitpunkt klar war, dass das Geld zur Lösung aus dem Elsass selbst kommen würde.140 Als Vermittler schaltete sich der Bischof von Konstanz ein, der die zerstrittenen Parteien zu einer Versammlung im August 1472 einlud.141 Doch Sigmund trieb „ein Doppelspiel“142 und schickte zum einen Gesandte an den burgundischen Hof nach Brügge, die sich der anti-eidgenössischen Haltung des burgundischen Herzogs versichern sollten. Zum anderen ließ er auch dem Konstanzer Bischof Hermann von Breitenlandenberg mitteilen, er wünsche sich nichts mehr, als sich mit den Eidgenossen auszusöhnen. So
135 Vgl. Favier, Louis XI., S. 633–636. 136 Vgl. Segesser, Abschiede Nr. 679. Zur Wiedergabe der Ereignisse vgl. Stettler, Diesbach, 77–80; Bittmann, Ludwig XI., S. 405 ff. 137 Stettler, Diesbach, S. 80; vgl. auch den Brief an Ludwig XI. im StABe Lt. Miss. A, fol. 152v (14. Dezember 1471). 138 Stettler, Diesbach, S. 132 (Beilage 2). 139 Vgl. Walter, Verhandlungen, S. 118 ff. 140 Vgl. Bittmann, Ludwig XI., S. 384–392; Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 98. 141 Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 99 ff.; zur Rolle von Konstanz vgl. Kramml, Reichsstadt Konstanz. 142 Bittmann, Ludwig XI., S. 423.
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konnte es auf dem Treffen in Konstanz Mitte August 1472 nur zum Bruch zwischen Österreich und den Eidgenossen kommen.143 Damit bin ich im Jahr 1473 angekommen, dem „Schlüsseljahr“144 bei der Zusammenführung der oberrheinischen und eidgenössischen Interessen. Im April dieses Jahres überÀel der burgundische Parteigänger Bilgeri von Heudorf eidgenössische KauÁeute auf dem Rhein bei Ottenheim und wurde dabei vom burgundischen Landvogt Hagenbach gedeckt. Dieser hatte vom Kaiser das Recht zum Erwerb des Mülhausener Schultheißenamtes erhalten, was die Position dieser Stadt stark belastete und die Bildung der oberrheinisch-eidgenössischen Koalition zusätzlich beförderte. Überhaupt fanden 1473 zahlreiche Treffen zwischen den Vertretern der späteren Bündnispartner statt, auf denen es um Lösungsmöglichkeiten für die Reichsstadt Mülhausen ging. Bei den wichtigsten dieser Versammlungen waren die Berner Gesandten Diesbach, Scharnachtal und Wabern anwesend. Zudem wurden monatlich Briefe zwischen dem Berner Führungsgremium, an dessen Spitze seit Ostern Nikolaus von Scharnachtal stand, und dem französischen König Ludwig XI. ausgetauscht.145 Im gleichen Rhythmus erschienen französische Gesandte in der Eidgenossenschaft und am Oberrhein beziehungsweise eidgenössisch-oberrheinische Abgeordnete in Frankreich.146 Erste Vertragsentwürfe zwischen den oberrheinischen und eidgenössischen Reichsstädten entstanden im Frühjahr 1473 unter Federführung von Berner, Basler und Straßburger Delegierten, die sich schon zu diesem Zeitpunkt auf die Rücklösungsmodalitäten der Pfandlande einigten.147 Doch noch immer waren die übrigen Eidgenossen nicht davon überzeugt, sich mit den oberrheinischen Reichsstädten, dem französischen König und dem österreichischen Herzog zusammenzuschließen. Unmittelbar darauf überÀel Heudorf die eidgenössischen KauÁeute; die Wirkung, die dieses Ereignis für das weitere Zusammenrücken sowohl zwischen den Eidgenossen als auch mit den oberrheinischen Reichsstädten hatte, war enorm. Für die Kohäsion weiterhin förderlich war, dass Straßburger Truppen die Gefangenen befreiten. Der Abfall Herzog Sigmunds von seinem Schutzherrn Karl dem Kühnen verstärkte ihre Kontakte zusätzlich, da diese in der neuen politischen Konstellation die Möglichkeit sahen, die Aussöhnung mit dem Haus Österreich mit der Rücklösung der Pfandlande zu verbinden. Im selben Jahr erhielt Nikolaus von Diesbach für seine Vermittlertätigkeit 400 Franken von Ludwig XI. ausbezahlt.148 143 Segesser, Abschiede Nr. 692; zur Einschätzung der Versammlung vgl. Bittmann, Ludwig XI., S. 432–438. 144 Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 60. 145 Walter, Verhandlungen, S. 122f.; ders., Kontore, S. 175 f. 146 Als eine HauptÀgur in diesem Prozess kann der eidgenössisch-französische „Doppelgesandte“ und Propst von Beromünster, Jost von Silenen, angesehen werden. Dieser war dem französischen König bereits am 22. Juni 1472 von Bern empfohlen worden (vgl. StABe Lt. Miss. A, fol. 167v/168r). Zu Silenens Rolle im Zusammenschluss zwischen Sigmund von Österreich und den Eidgenossen und seiner engen Bindung an die Stadt Bern vgl. Walter, Verhandlungen, S. 127 ff. 147 Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 102. 148 Stettler, Diesbach, S. 132 (Beilage 2); Walter, Kontore, S. 180 f.
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Einen Rückschlag erlitt das Projekt, als sich Kaiser Friedrich III. und der burgundische Herzog im November 1473 in Trier trafen, um über die geplante Heirat Maximilians mit Maria von Burgund sowie eine mögliche Erhebung des Herzogs zum König zu verhandeln. Wenngleich die Gespräche für Karl erfolglos blieben, da der Kaiser vorzeitig den Verhandlungsort verließ, besaß der Herzog insofern einen starken politischen Rückhalt, als sich die Herzogtümer Lothringen und Savoyen zum großen Unmut der betrachteten Städte mit ihm verbündeten.149 Als er dann noch zum Jahreswechsel 1473/74 mit einem großen Truppenkontingent in den Pfandlanden erschien, erreichten die Befürchtungen dort ihren Höhepunkt.150 Eine oberrheinisch-eidgenössische Gesandtschaft, zu der auch Wabern und Scharnachtal gehörten, wurde zu Karl dem Kühnen geschickt. Durch die gemeinsame Übernahme der Schulden Mülhausens durch Basel, Straßburg, Bern und Solothurn konnte die Reichsstadt vor einer burgundischen Mediatisierung geschützt werden. In der Folge beriefen die späteren Bündnispartner zahlreiche Treffen ein, von denen eines Ende Februar in Straßburg besonders hervorzuheben ist. Auf diesem einigten sich zwei eidgenössische Vertreter, ein österreichischer sowie je ein Unterhändler aus Basel und Straßburg endgültig auf die Rücklösung der verpfändeten Gebiete.151 Doch noch immer waren nicht alle Eidgenossen zu einem solchen Vorgehen bereit, weshalb es zunächst nur die Städteorte zustimmten. Die anderen ließen sich bis auf Unterwalden durch zahlreiche Gesandtschaften von Diesbach, Wabern und einigen Basler Vertretern im März 1474 überzeugen.152 Ende dieses Monats begann eine Versammlung, die unter Anwesenheit von französischen Gesandten zum Abschluss zahlreicher Bündnisse nach Konstanz einberufen worden war und an der aus Bern abermals Diesbach, Wabern und Scharnachtal teilnahmen.153 Sie war für den weiteren Verlauf der Entwicklung maßgeblich, da sich dort am 31. März 1474 zunächst die acht Orte der Eidgenossenschaft und Solothurn mit der so genannten „Niederen Vereinigung“, die sich aus den Bischöfen von Straßburg und Basel und den Reichsstädten Straßburg, Basel, Kolmar und Schlettstadt zusammensetzte, verbündeten.154 Am gleichen Tag verständigten sich die Eidgenossen mit Sigmund darauf, die „Ewige Richtung“ zu beschließen. Letzte klärungsbedürftige Punkte sollten König Ludwig XI. als Schiedsrichter vorgelegt werden. Zuletzt schlossen Sigmund und 149 Zur vorzeitigen Abreise des Kaisers vgl. Ehm, Burgund, S. 193–197; Bittmann, Ludwig XI., S. 484 f. 150 Vgl. dazu Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 60; weiterhin Bittmann, Ludwig XI., S. 532–547; Brauer-Gramm, Peter von Hagenbach, S. 234ff.; S. 244–257; zu Verlauf und zu späteren Bewertung der Gesandtschaft vgl. Walter, Symbolische Kommunikation. 151 Bittmann, Ludwig XI., S. 563 f.; Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 106. Auf diesem Treffen erklärte sich Straßburg bereit, 40.000 Gulden von der Gesamtsumme zu übernehmen, doch nur unter der Bedingung, dass der Vertrag auch tatsächlich ratiÀziert werde. 152 Vgl. Stettler, Diesbach, S. 96 f.; Bittmann, Ludwig XI. S. 565 f. 153 Segesser, Abschiede Nr. 735. 154 Zu den Verhandlungen aus Sicht des Basler Bischofs vgl. Hirsch/Fouquet, Haushaltbsuch, S. 410.
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die Mitglieder der „Niederen Vereinigung“ am 4. April 1474 ein zehnjähriges Beistandsbündnis ab.155 Nur zwei Tage später kündigte der österreichische Herzog bei Karl dem Kühnen den Vertrag von St. Omer auf und ließ die von den Reichsstädten aufgebrachte Summe zur Auslösung in Basel deponieren.156 Nach seiner Rückkehr aus Konstanz wählte man in Bern Nikolaus von Diesbach zum Schultheißen.157 Um die klärungsbedürftigen Punkte der „Ewigen Richtung“ im Sinne der Eidgenossen durch Ludwig XI. redigieren zu lassen, entsandte man Diesbach Ende April nach Frankreich.158 Rund einen Monat später besiegelte Ludwig XI. in Senlis den im Sinne der Eidgenossen redigierten Entwurf des Bündnisses.159 Mit einem Geldgeschenk in Höhe von 1.500 Franken bedacht, das sich zu der Jahrespension von 400 Franken gesellte, kehrte Diesbach Ende Juli 1474 zurück nach Bern.160 Noch am Tag seiner Rückkehr informierten die Berner Räte die anderen Eidgenossen über ein Angebot, das der französische König an sie gerichtet hatte.161 Dieses beinhaltete im Falle eines Krieges gegen Burgund die jährliche Zahlung von 2.000 Franken an jeden eidgenössischen Ort seitens Ludwig XI., der ihnen überdies militärische Unterstützung für den Krieg zusagte. Falls er selbst nicht aktiv ins Kriegsgeschehen eingreife, verpÁichtete er sich zur Zahlung von 80.000 Franken.162 Der Krieg gegen Burgund rückte damit näher, und Mitte August Àel der Bruder des hingerichteten Landvogts Peter von Hagenbach in den Sundgau ein, was die Städte am Oberrhein und in der Eidgenossenschaft noch enger zusammenrücken ließ. Doch zuvor musste die „Ewige Richtung“ mit Österreich besiegelt werden. Zu diesem Zweck berief man für Oktober eine Versammlung zwischen den Eidgenossen und Österreich nach Feldkirch ein, auf der französische Gesandte, bei denen es sich u. a. mit Jost von Silenen um enge Vertraute Berns handelte, als Vermittler agierten.163 In Feldkirch war auch der mittlerweile 22-jährige Ludwig von Diesbach anwesend, der sich bis zu diesem Zeitpunkt am Hof Ludwigs XI. aufgehalten hatte und von diesem zu den Gesprächen abgeordnet worden war, woran die Hin-
155 Esch, Alltag, S. 54 f. 156 Chmel, Aktenstücke, S. 92f.; dazu, wie „kreativ“ einige Basler Räte mit der Auslösungssumme umgingen, siehe Kapitel B 6.4. 157 Stettler, Diesbach, S. 99 f. 158 Der lateinisch abgefasste Kredenzbrief Nikolaus von Diesbachs Àndet sich im StABe Lt. Miss. A, fol. 278 und die Instruktion im StABe Dt. Miss. C, fol. 248/249. Auf der gesamten Reise wurde er von Jost von Silenen begleitet. 159 Segesser, Abschiede Nr. 746 und Beilage Nr. 51. 160 Paris, Bibl. Nat. fr. 22.490, fol. 11: „[L]a distribucion faicte par Noel le Barge, trésorier des guerres […] delivrée de par lui aux ambassadeurs des Suysses et Bernois, en faveur de ce qu’ilz sont venuz en ambassade devers lui par les ligues d’Almaigne […] premièrement: A Messe Nicolas de Diesbach, chlr., avoué de Berne, en Mil escuz d’or pour don, qui vallent a XXXs. IIId. par la pièce XVc XII 1. Xs.“ 161 StABe RM 15, fol. 23. Vgl. dazu Bittmann, Ludwig XI., S. 664. 162 Segesser, Abschiede Nr. 755d. 163 Zu Jost von Silenen siehe auch das Kapitel D 2.1.; Walter, Verhandlungen.
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führung zu diplomatischen Aufgaben deutlich hervortritt.164 Von eidgenössischer Seite wurden die Verhandlungen abermals von den maßgeblichen Diplomaten Nikolaus von Diesbach, Petermann von Wabern und Nikolaus von Scharnachtal geleitet, zu denen sich der Berner Stadtschreiber Thüring Fricker gesellte.165 Zunächst schlossen Frankreich und die Eidgenossen ein Bündnis.166 Da aber über zwei Punkte noch immer Klärungsbedarf bestand, beschloss man, sie dem französischen König zur endgültigen Entscheidung vorzulegen. Um diese im Sinne der Eidgenossen geklärt zu wissen und Ludwig XI. zur Zahlung der zugesagten 20.000 Franken zu bewegen, entsandte man Ende Oktober abermals Diesbach zu ihm.167 Kurz vor seiner Abreise formulierte man im Kleinen Rat Berns die Kriegserklärung an Karl den Kühnen, die man dessen Stellvertreter am 26. Oktober in Blamont überreichte.168 Damit begann der Krieg gegen den burgundischen Herzog und seine Verbündeten.
2.1.2. Diesbachs letzte Missionen und sein Tod Nach Übergriffen der savoyischen Bevölkerung auf Nikolaus von Diesbach kehrte dieser Ende Dezember 1474 zurück nach Bern. Anfang Januar 1475 erklärte er den Vertretern der Eidgenossen, dass der König in fast allen Punkten auf ihre Wünsche eingegangen sei, sich jedoch weigere, direkt in den Krieg gegen Burgund einzugreifen.169 Der König habe ihm aber zugesichert, dass sich bald seine Gesandten zu ihnen begeben würden, um die vereinbarten Soldzahlungen für ihre Söldner zu bringen. Diesbach tat in der Folge alles, um den französischen Gesandten den Weg so sicher wie möglich zu gestalten, und als diese Ende Februar 1475 Bern erreichten, residierten sie in seinem Haus.170 In ihrem Beisein fand einige Tage später eine Versammlung der Eidgenossen statt, die zunächst noch Bedenken bei der Unterzeichnung hatten, doch ihr wahrscheinlich aufgrund der enormen französischen Gelder letztlich zustimmten.171 Bereits eine Woche zuvor hatte sich ein Berner Kleinrat auf den Weg nach Lyon gemacht, um die dort liegenden Gelder in die Eid164 Laut Angaben Ludwigs von Diesbach geschah das, um ihm „ssemlych sachen“ zu „leren“, da er ihn „gern darin brśchtt hett“, Zahnd, Aufzeichnungen, S. 62 f. 165 Zu dieser Gesandtschaft vgl. Walter, Verhandlungen, S. 137–140; ders., Kontore, S. 183. 166 Stettler, Diesbach, S. 107 ff. 167 Die Instruktion für Nikolaus II. von Diesbach Àndet sich im StABe Lt. Miss. A, fol. 320. 168 StABe Lt. Miss. A, fol. 319v bzw. Dt. Miss. C, fol. 313 (zu dieser Gesandtschaft von Diesbach vgl. Walter, Verhandlungen, S. 139; ders., Kontore, S. 183 f.). 169 Bittmann, Ludwig XI., S. 739 f. Die Weigerung des Königs, aktiv in den Krieg gegen Burgund einzugreifen, missÀel verständlicherweise den Eidgenossen. 170 In diesem Zusammenhang bat Diesbach seinen letzten savoyischen Vertrauten Philippe von Bresse, sich für ihre Sicherheit einzusetzen Vgl. StABe RM 16, fol. 108 (18. Februar 1475). Die französischen Gesandten hatten auch das Geld nicht mit sich, sondern in Lyon deponiert. Zur Unterkunft im Hause Diesbachs vgl. Gingins la Sarra, Dépèches, Band 1, S. 52: „[T]utti duoj loggiano in casa di messer Nicolao […]“. 171 Ende April wurde das Bündnis besiegelt. Der Text Àndet sich in Segesser, Abschiede Nr. 784 und Beilage Nr. 56, S. 921 f.
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genossenschaft zu transportieren, wo sie kurz darauf verteilt wurden. Daneben genehmigte Ludwig XI. zusätzliche 20.000 Franken, die an besonders frankreichtreue Eidgenossen ausbezahlt werden sollten. Dementsprechend fertigte Diesbach gemeinsam mit dem französischen Gesandten Faur eine Liste an, die die besondere Rolle Berns und seiner Amtsträger abbildet.172 Laut dieser erhielt Bern 6.000, Zürich 3.000, Luzern 2.000 und Biel als zugewandter Ort 300 Franken, während der Rest für Privatpersonen bestimmt war und von denen Nikolaus und Wilhelm von Diesbach mit jeweils 1.000 Franken den mit Abstand größten Betrag erhielten.173 Unterdessen wurde das Verhältnis der Berner Führung zu Savoyen immer schlechter, und lediglich eine kleine Partei unter Führung Philippes von Bresse war noch nicht auf die Seite Burgunds getreten.174 Die Siege der Berner und ihrer Verbündeten ließen die savoyische Herzogin befürchten, von den Koalitionstruppen überrollt zu werden, die die Waadt besetzten. Unterstützt von Luzern drangen im Frühjahr 1475 Freiburger und Berner Söldner in die Freigrafschaft Burgund vor, die aufgrund ihrer Getreide- und Salzvorkommen ein Expansionsziel für Bern darstellte.175 Innerhalb kürzester Zeit eroberten sie dort zahlreiche Städte und Burgen, doch wurde ihr Vorgehen nicht von allen Eidgenossen gebilligt und führte im Sommer 1475 sogar dazu, dass sich ein Sonderbund gegen Bern bildete. Dieser konnte jedoch nicht verhindern, dass Bern weiterhin in den Westen expandierte. Im Sommer 1475 kam es zu weiteren Kampfhandlungen in der Freigrafschaft Burgund, die auf die Initiative Straßburgs und Berns hin geführt wurden. Nikolaus von Diesbach hielt sich Anfang Juli zur Erholung in Baden auf und wurde anlässlich einer noch vorgestellten Gesandtschaft des Straßburgers Peter Schott zurück nach Bern berufen. Im Zuge der Sitzung des Berner Rats, die daraufhin stattfand, schloss man Adrian von Bubenberg aus dem Führungsgremium aus und bestimmte Nikolaus von Diesbach zum Oberbefehlshaber der Berner Truppen. Nach zahlreichen Eroberungen begannen die eidgenössisch-oberrheinischen Truppen Ende Juli 1475 mit der Belagerung von Blamont, in deren Zuge Diesbach am 7. August starb.176 Aufseiten Berns und seiner Verbündeten war die Trauer über seinen Tod sehr groß, wie einige kurz nach dem Ereignis geschriebene Briefe beweisen. Es sind aber auch Briefe von Verbündeten Burgunds erhalten, in denen die Erleichterung über seinen Tod zum Ausdruck kommt. In Straßburg Àndet sich eine „Cedula inclusa“ zu einem Brief der Hauptleute, den sie wahrscheinlich am 7. August 1475 an ihren Rat geschrieben hatten.177 Darin teilten sie mit, dass kurz vor Abfassung ihres 172 Abgedruckt bei Lenglet Du Fresnoy, Memoires Commines, S. 179, in Ansätzen zur Einschätzung dieser Gelder vgl. Jucker, Innen- oder Außenpolitik, S. 251; Gasser, Ewige Richtung; Walter, Kontore. 173 Ebd.; vgl. auch Büchi, Unbekannte Abschiede. 174 Zum Folgenden Stettler, Diesbach, S. 116–124. 175 Esch, Alltag, S. 18 f. 176 Stettler, Diesbach, S. 127 f. Eine Beschreibung des Todes Àndet sich in der Berner Chronik des Diebold Schilling, Tobler, Berner Chronik, S. 258 f. 177 AMS AA 274, fol. 82: „Lieben herren, noch dem wir disen briegg geschriben habent, ist botschafft komen von Burentrut, das vnser hergott gbotten het, uber her Niclaus von Tiesbach, dem gött gnedig sin wölle. Des wir alle schedlich manglen und entberen müssen“.
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Briefes ein Bote aus Porrentruy gekommen war, um sie unter anderem vom Tode Diesbachs zu unterrichten. Wie aus einem Kondolenzschreiben der Basler Führung hervorgeht, wusste man dort bereits am 8. August vom Tod des Berners.178 Darin bekundeten sie ihren Berner Verbündeten ihr Beileid. Kurz zuvor hatten die Basler Räte noch ihren Stadtarzt Werner in die bischöÁiche Residenz geschickt, um Diesbach behandeln zu lassen.179 Die Berner Räte reagierten darauf zwei Tage später, wie eine Erinnerungsstütze des Berner Stadtschreibers offenbart, die er sich in das Protokoll der Sitzung des Kleinen Rats an diesem Tag notierte. Demnach sollte er sich in ihrem Namen für den Brief der Basler bedanken. Bern sei wegen des Todes des ehemaligen Schultheißen viel „leyd beschechen“ .180 Doch wurden auch weitere Herrschaftsträger über den Tod Diesbachs informiert. So schrieb man an den österreichischen Herzog, man sei darüber sehr erschüttert.181 Und auch Herrschaftsträger, die dem französischen König nahestanden, wurden über den Tod in Kenntnis gesetzt. Gegenüber dem eidgenössisch-französischen Doppelgesandten Jost von Silenen drückte man die Hoffnung aus, dass „der Ewig got“ Diesbachs „sel beleit, in, den wir wol billichen beweinen“und bat ihn darum, die Nachricht weiterzuleiten.182 Dass die Nachricht von Diesbachs Tod auch schnell das Lager des Feindes erreichte, geht aus einem Brief des in Lausanne weilenden Kastellans von Blamont, Claude d’Arney, hervor, den er an seine Herrin, die mit Burgund verbündete Herzogin Yolantha, am 10. August schrieb. Laut diesem Schreiben habe er Nachrichten über den Tod Diesbachs erhalten. Während die einen behaupteten, er sei durch einen tödlichen Schuss gestorben, meinten andere, gehört zu haben, er habe eine tödliche Krankheit gehabt, so d’Arney.183 Und schon wenige Tage später, am 15. August 1475, erfuhr auch der mailändische Herzog von Diesbachs Ableben. Sein Gesandter D’Appiano, der sich bei der savoyischen Herzogin aufhielt, berichtete ihm, Yolantha von Savoyen habe die Nachricht des Todes von Diesbach erhalten, 178 Das Kondolenzschreiben der Basler Àndet sich im StABas Missiven A14, fol. 168 (8. August 1475). Darin: „[I]st uns in mercklichn hertzlichen leid und ser bekumbert, betruipten gemüt haben wir mit cläglichen anbringen vernomen, wie gott herr allmechtig wilent, den strengen herrn Niclausen von Diesbach, ritter, unsern sundern fründ und gönner von diser zergonglichen zit zś Ewiger selikeit berüfft habe“, vgl. dazu Walter, Kontore, S. 161 ff. u. S. 184 ff. 179 „Miner herren doctor Wernher gen Brunnendrut“, StABas WAB 11, fol. 93. 180 StABe RM 18, fol. 46 (10. August 1475). Das Kondolenzschreiben der Basler Àndet sich im StABas Missiven A14, fol. 164 (8. August 1475). 181 StABe Dt. Miss. C, fol. 542 (1. September 1475), darin: „[D]ann wir ouch nit zwifeln, es si an úwer fúrstlich gnaden gelangt, wie wir dann úwer lantschaft zś verschirmen des ersten unser venli und darnach unser macht und paner unser paner usgesant und mit andern unsern zśgewanten er und lob erlangt, wie wol wir dabi den túren, fromen ritter herr Niclaus von Diessbach, der in úwer gnaden und unserm dienst gewesen ist, verloren haben […]“. 182 StABe Dt. Miss. C, fol. 561 (23. September 1475). Dieser Brief stellt eine Antwort der Berner Führungsgruppe auf ein zuvor von Silenen geschriebenes Kondolenzschreiben dar. 183 Gingins la Sarra, Dépèches, Nr. 51, S. 200: „[C]omo D. Nicolo Dispart et lo Boytont erano morti al loco de Berna […] e dice la dicta lettera per verita chellera morto. Io ho lecto la lettera per la qual alcuni dicono essere ferito duna colovrina. Altri dicono che le de pestilentia e dicono che la pestilentia e in loro gente forte e che morano forte[…]“.
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worüber sie sich sehr gefreut habe, da dieser zusammen mit dem französischen König, Phillippe von Bresse und der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition nie aufgehört habe, gegen sie zu intrigieren.184 Die Urteile der Zeitgenossen über Nikolaus von Diesbach divergieren. Es fällt auf, dass schon zu seinen Lebzeiten auf beiden Seiten, der pro- wie der antiburgundischen Seite, großes Interesse an seiner Person vorherrschte. Gleiches trifft auf die heutige Forschung zu; auch sie ist in ihren Urteilen über den wichtigsten Berner Amtsträger im Kontext der Burgunderkriege gespalten.185 War er also, wie Gasser vermutet, ein taktisch geschickt handelndes politisches Genie, das gemeinsam mit seinen Verwandten Scharnachtal und Wabern den französischen König Ludwig XI. und seine Amtsträger für seine eigenen, die bernischen und die eidgenössischen Interessen benutzte?186 Oder war er im Gegenteil eine willige Marionette des als „universal spider“ agierenden französischen Königs, dem es über Mittelsmänner wie Nikolaus von Diesbach gelang, die Berner Räte und die Eidgenossen für seine Interessen einzunehmen?187 Wie so häuÀg, scheint die Wahrheit auch hier in der Mitte der beiden Positionen zu liegen.188 Denn Diesbach erkannte die Zeichen der Zeit und nutzte geschickt die Möglichkeiten, die sich ihm boten. Seine Bedeutung ergab sich aus den Kontaktund Beziehungsnetzen inner- wie außerhalb Berns, die es ihm und seiner Familie und damit auch Bern ermöglichten, an Informationen zu gelangen, durch die sie einen immensen Wissensvorsprung hatten, der mit einem Zuwachs an EinÁuss einherging. Neben Personen aus dem Umfeld des Königs war es die von ihm in die Wege geleitete Erziehung seines Vetters am Hofe Ludwigs XI., die wichtig für seinen Kontakt mit dem König war. Nahezu die gesamte Kommunikation mit diesem lief über die Berner Führungsgruppe und in ihr besonders über die Diesbachs. Hinzu gesellten sich ihre engen Verbindungen zu Personen aus dem Basler Führungsgremium, mit denen sie zuvor zum Teil enge Handelsbeziehungen unterhalten hatten. Die genaue Kenntnis der Verhandlungsgegenstände und der Positionen der Verhandlungspartner 184 Gingins la Sarra, Dépèches, Nr. 72, S. 202 f.: „Heri per monsignore de Raverso questa prefata Madama fu avisata che lera morto d. Nicolo de Dispart […]. Se queste novella sonno vere, prefata Madama non ha poncto a dolerse de la morte desso messer Nicolo Dispart, perche era suo grandissimo inimico, et molto solicitava tramava et se intendeva col Signore Re di Franza, cum Monsignore de Bressa et cum le leghe alamane, operando tutto sempre contro ipsa Madama […]“. Bei dem Brief handelte es sich zweifelsohne um den Claude d’Arneys, was im Hinblick auf den Öffentlichkeitscharakter der brieÁichen Kommunikation in der betrachteten Zeit außerordentlich interessant ist, vgl. dazu Köhn, Dimensionen. 185 Zu den unterschiedlichen Urteilen und deren Ursprüngen vgl. Esch, Alltag, S. 16 ff. 186 So bei Gasser, Guerres de Bourgogne. Vgl. auch Bittmann, Ludwig XI., 343 f., S. 428–440, S. 449–462 u. S. 470 f.; vgl. weiterhin Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 19 ff. 187 So bei Feller, Geschichte Bern, Bd. 1, S. 368 ff. u. S. 379–384; vgl. auch den Buchtitel von Kendall, Louis XI. 188 Für die spätere Zeit ist in diesem Zusammenhang das von Prof. Dr. Andreas Suter (Universität Bielefeld) und Simona Slanicka (Universität Bern) bearbeitete Projekt zur Geschichte der Korruption in der Frühen Neuzeit zu erwähnen, vgl. Suter, Korruption; Slanicka/Grüne, Korruption; Windler, Pensionen und Söldnerrekrutierung.
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ließen vor allem Nikolaus von Diesbach zum maßgeblichen außenpolitischen Experten und Entscheidungsträger seiner Heimatstadt werden. 2.2. Nikolaus von Scharnachtal (1419–1489) Der nun vorgestellte Nikolaus von Scharnachtal stammte aus einer adligen Familie aus dem Berner Umland, die sich ab dem 14. Jahrhundert in der Stadt nachweisen lässt und bekleidete in den Jahren 1463–76 mehrmals das Schultheißenamt.189 Als eine der wenigen Familien aus dem Niederadel beteiligte sie sich in den 1420er Jahren an Handelsgesellschaften und war vermutlich Teilhaber der Diesbach-Watt-Gesellschaft. Bereits früh hatte die Familie verwandtschaftliche Bindungen zu den führenden Familien Berns geknüpft und war unter anderem mit den Diesbachs, Steins, Erlachs und den Ringoltingens durch Heiraten verbunden. Das Vermögen der Familie von Scharnachtal muss sehr groß gewesen sein, wie Steuererhebungen der Jahre 1448 und 1458 belegen. Nach diesen versteuerte Nikolaus 1448 gemeinsam mit seinem Bruder Kaspar von Scharnachtal, dem Schwiegervater von Nikolaus von Diesbach, 20.000 und zehn Jahre später allein 21.600 Gulden.190 Da Nikolaus von Scharnachtal seine Jugend einige Zeit am französischen und möglicherweise auch am burgundischen Hof verbrachte, ist bei ihm die Kenntnis der französischen Sprache vorauszusetzen, weswegen er in der Folgezeit zahlreiche Gesandtschaften zu französischsprachigen Höfen wahrnehmen konnte.191 Dem adligen Erziehungskonzept folgend, entsandte auch er seine Söhne nach Frankreich: Während Jakob ein Studium in Paris absolvierte, wurde Hans Rudolf ab 1470 am französischen Königshof erzogen und hielt sich damit zur gleichen Zeit wie der Vetter von Nikolaus von Diesbach, Ludwig, dort auf.192 Ihren Aufenthalt in Frankreich beweist ein Brief des französischen Königs, den dieser Ende September 1470 an Scharnachtal richtete.193 Darin dankte der König dem Berner für seine bisherigen Dienste und versprach, einen von Scharnachtals Söhnen an seinem Hof erziehen zu lassen.194 Auf seine Kontakte zum 189 Zur Familie von Scharnachtal vgl. De Capitani, Adel, S. 38 ff. (mit Stammtafel); Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 115 f.; Von Sinner, Scharnachtal; Haller, Niklaus von Scharnachtal; Paravicini, Seigneur. 190 Welti, Tellbuch 1448, S. 431; ders., Tellbuch 1458, S. 535. 191 Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 115; Haller, Niklaus von Scharnachtal, S. 50, ohne jedoch Belege dafür anzuführen. Zudem hielten sich noch zahlreiche weitere Mitglieder der Familie Scharnachtal zur Erziehung und Ausbildung an europäischen Höfen auf, vgl. Paravicini, Seigneur, S. 38 f. Dieser führt in diesem Zusammenhang den Cousin von Nikolaus, Konrad von Scharnachtal, und dessen zahlreiche Reisen an europäische Adelshöfe an. In einer Urkunde, die ihm seine Reise zum savoyischen Herzogshof bestätigte, wird Folgendes angegeben: „der da ist in unserm hoff und in unsern diensten erzogen worden“, ebd., Anm. 65. 192 Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 116. 193 Vaesen, Lettres 10, S. 304 f., Brief Nr. 234. 194 „Ludovicus Dei gratia Francorum rex. Carissime et pergrandis amice, ex benedilecto Henrico Alamendi, nostro armorum hostiario, seriose perpendimus sinceram et bonam voluntatem quam erga nos et ad nobis obsequendum accurate geritis Quemadmodum eciam ad expeditionem ambasciatorum nostrorum, quos destinavimus vor perlibenter adexplevistis, unde maxi-
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König deutet außerdem seine spätestens 1464 erfolgte Ernennung zum königlichen Kammerherrn hin.195 Die Ànanziellen Zugewinne und erweiterten Kontaktmöglichkeiten sowie die Prestigeerhöhung, die daraus resultierten, ließen ihn im Untersuchungszeitraum gemeinsam mit seinen beiden Verwandten Nikolaus von Diesbach und Petermann von Wabern eine profranzösische Politik verfolgen. Verheiratet war Scharnachtal seit 1450 mit Anna Gruber, die aus einer wohlhabenden Simmentaler Familie stammte und deren Bruder mit der Tochter des später noch vorgestellten Petermanns von Wabern verheiratet war.196 1451 wurde er Mitglied des Kleinen Rats von Bern, wo er sich bis 1458 nachweisen lässt, um dann für ein Jahr ein Amt im Berner Territorium zu übernehmen.197 Im Jahr 1460 ersuchte er um eine kurzzeitige Entlassung aus den Ratsgeschäften, um sich auf eine Pilgerfahrt nach Jerusalem zu begeben. Er wurde am Heiligen Grab zum Ritter geschlagen und bekam auf der Rückfahrt vom zypriotischen König den Georgsorden verliehen.198 Wie seine beiden Verwandten Diesbach und Wabern war auch er Mitglied des noch vorzustellenden Distelzwangs und wurde 1463 das erste Mal Schultheiß. Nachdem er 1468 im Waldshuterkrieg Hauptmann der Berner Truppen gewesen war, amtierte er 1469 abermals als Schultheiß. Wie die meisten adligen Familien verließ auch er Bern während des Twingherrenstreits und wurde in dessen Verlauf verurteilt.199 Scharnachtal war der Berner Experte für diplomatische Missionen, die mit dem Oberrhein und Mülhausen zu tun hatten. Ende März 1471 befand er sich gemeinsam mit Ludwig Hetzel von Lindenach als Berner Vertreter auf einer Versammlung in Basel, auf der es um die Probleme des von Burgund bedrängten Mülhausens ging.200 Dort diskutierte er unter anderem mit Abgeordneten aus Basel, dem Luzerner Heinrich von Hunwil, dem Solothurner Stadtschreiber Hans vom Stall sowie einem Straßburger Delegierten über Lösungsmöglichkeiten für die bedrohte Stadt.201 Bereits der Teilnehmerkreis zeigt, dass schon damals genau die Gesandten in Basel miteinander diskutierten, die später auf nahezu allen Treffen der gegen den burgundischen Herzog gerichteten eidgenössisch-oberrheinischen Koalition anwe-
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mam gratudinem vobis habemus, inde regraciamus. Insuper nobis asseruit ipse Henricus vos complaceniam singularem habiturum quod unum de liberis vestris in servicio nostro susciperemus. Quod valde gratum habemus, ac dum eumdem ad nos transmictere volueritis, ipsum gratenter recipiemus, et tamquam bonum amicum et servitorem vestri ob intentum tractabimus. Datum Ambasie, die XXVIII mensis septembris. Loys. Rolant“, ebd. Darauf deutet eine im Pensionsliste aus dem Jahr 1464 im Staatsarchiv Bern hin, in der Nikolaus als Kammerherr Ludwigs XI. aufgeführt wird, vgl. Zahnd, Aufzeichnungen, S. 116, Anm. 154. Haller, Niklaus von Scharnachtal, S. 50; vgl. auch den Stammbaum der Familie von Wabern in De Capitani, Adel, S. 44. Haller, Niklaus von Scharnachtal, S. 51 (er amtierte als Vogt von Thun). Darin berichtet Eptingen zudem davon, dass Scharnachtal kurz nach dem Ritterschlag krank geworden sei, vgl. Bernoulli, Pilgerfahrt Eptingen, S. 53–56. Vgl. die AuÁistung bei De Capitani, Adel, S. 35. Der Abschied der Versammlung Àndet sich bei Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1585. Zu Heinrich von Hunwil, der über weitreichende Beziehungen nach Frankreich und Mailand verfügte, vgl. Egloff, Hunwil.
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send waren. Das erklärt sich auch aus den getroffenen Beschlüssen, an denen man ablesen kann, dass sich Mülhausen zunehmend zu einem „Kristallisationspunkt“202 der Interessen der eidgenössischen und der oberrheinischen Reichsstädte entwickelte. Dort wurde weiterhin über die „Ewige Richtung“ mit dem österreichischen Herzog gesprochen und Kaiser Friedrich III. als Vermittler vorgeschlagen. Als Ergebnis der Versammlung lässt sich festhalten, dass die eidgenössischen und oberrheinischen Diplomaten gemeinsam mit Vertretern des burgundischen Herzogs die Schwierigkeiten Mülhausens vorläuÀg regelten. Federführend in dem geschlossenen Abkommen war Scharnachtal, der mit seinem Ratskollegen Hetzel von Lindenach alles daran setzte, um die Interessen der Berner Führungsgruppe zu wahren. Wahrscheinlich waren es unter anderem diese Regelungen, die ihn zusammen mit den Zürcher und Basler Bürgermeistern im Sommer 1471 zu Kaiser Friedrich III. auf den Reichstag nach Regensburg reisen ließen.203 Scharnachtal wurde 1472 das dritte Mal Schultheiß der Aarestadt.204 Als sich die Lage Mülhausens 1472 immer mehr zuspitzte, bemühte er sich mit seinen Verwandten Diesbach und Wabern verstärkt darum, verschiedene Potentaten als Vermittler in diesem KonÁikt zu gewinnen. Gemeinsam mit Nikolaus von Diesbach, Petermann von Wabern und anderen verfasste er Ende November einen Brief an den Pfalzgrafen bei Rhein, der nicht wie sonst üblich in der Berner Kanzlei, sondern in der „Stube zum Narren und Distelzwang“ abgefasst wurde.205 Der Inhalt des Schreibens verdeutlicht, dass sich der Pfalzgraf zu einer Tätigkeit als Vermittler im KonÁikt um Mülhausen bereiterklärt hatte. Ihm berichteten die Kleinräte davon, dass man sich zusammen mit einigen oberrheinischen Reichsstädten darauf verständigt hatte, Mülhausens Schulden zu übernehmen. Daher war es ihr dringender Wunsch, dass sich auch er an den Herzog von Burgund wandte, um diesem zu einem Aufschub der Bezahlung der Schulden Mülhausens zu bewegen.206 Gleichzeitig offenbart der Brief, wie weit sich die Berner Räte den oberrheinischen Reichsstädten bereits zu diesem Zeitpunkt angenähert hatten. Die Annäherung gipfelte in einer Versammlung im Februar 1473 zu Basel, wo Scharnachtal sich im Namen seiner Heimatstadt für eine noch engere Verbindung zwischen Bern und den anderen oberrheinischen Reichsstädten aussprach.207 Man verständigte sich darauf, Mitte März abermals zusammenzutreffen. In der Zwischenzeit warb Scharnachtal in Luzern bei den übrigen Eidgenossen für ein Bündnis mit den oberrheinischen Reichsstädten.208 Folge davon war der Entwurf einer auf zehn Jahre angelegten 202 So etwa die Formulierung von Bittmann, Ludwig XI., S. 390. 203 „Item gemacht den gewaltzbrieff herr Niclausen von Scharnachtal uff Berment an den Keiser“ (StABe SR 1, fol. 80). 204 Einsetzungsurkunde im StABe, Familienarchiv von Erlach, Nr. 369. 205 Das geht aus einer neben dem Brief stehenden Notiz hervor: „Executum coram Sculteto [i. e. Scharnachtal, d. Verf.], von Dießbach, vom Stein, von Wabren und andern zś dem Distelzwang“ (StABe Dt. Miss. C, fol. 13); dazu siehe auch Kapitel D 1. 206 Zu der adligen Stube zum Narren und Distelzwang als informelles „Forum“ siehe Kapitel D 3. 207 Bittmann, Ludwig XI., S. 451. 208 Wie im Protokoll der Sitzung des Kleinen Rates von Bern ersichtlich, waren es die Berner Räte, die die anderen Eidgenossen am 13. Februar zu der Versammlung nach Luzern einluden. Mit
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Vereinigung, der in Basel abgefasst wurde.209 Der Text verdeutlicht, dass die Anwesenden zwar grundsätzlich damit einverstanden waren, sich enger aneinander zu binden. Doch mussten die übrigen Eidgenossen noch von dem Bündnis mit dem Oberrhein überzeugt werden. Abermals war es Nikolaus von Scharnachtal, der sich deswegen nach Luzern begab.210 Im Zuge des erwähnten Überfalls auf die eidgenössischen KauÁeute im April 1473 hatte Bern bereits sein Territorium mobilisiert und Scharnachtal zum Hauptmann bestimmt, als die Nachricht aus Straßburg eintraf, dass die Gefangenen befreit worden waren.211 In den Folgemonaten fanden immer wieder Versammlungen statt, die die später geschlossenen Bündnisse vorbereiten sollten. Überwiegend war es Scharnachtal, der dort anwesend war.212 Der Grund dafür lag mit Sicherheit an seinen Kontakten zu bedeutenden Herrschaftsträgern. Daher verwundert es nicht, dass ihn die Eidgenossen im Juli 1473 beauftragten, sich auf ihre gemeinsamen Kosten zum Pfalzgrafen zu begeben, um sich dort für eine Entspannung der Situation Mülhausens einzusetzen.213 Denn die Lage des Berner Bündnispartners wurde in den folgenden Monaten immer schwieriger.214 Vertreter der eidgenössischen und oberrheinischen Reichsstädte kamen daher Mitte Dezember 1473 in Basel zusammen und beschlossen, die Schulden der Stadt gemeinsam zu übernehmen.215 Scharnachtal agierte gemeinsam mit den Basler und Straßburger Delegierten federführend bei den Verhandlungen. Die Versammelten waren beunruhigt, da sie mit dem Ausbruch des Kriegs gegen Burgund rechneten. Kurz darauf entschloss sich Bern, eine Gesandtschaft zu Karl dem Kühnen zu entsenden, die gemeinsam mit Basler, Freiburger und Solothurner Abgeordneten durchgeführt wurde und sich der Probleme Mülhausens sowie dem Verhalten des burgundischen Parteigängers Heudorf
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Sicherheit geschah das unter Federführung von Nikolaus von Scharnachtal, der, gerade von der Versammlung in Basel zurück, genau an diesem Tag wieder dem Kleinen Rat als Schultheiß vorsaß (StABe RM 12, fol. 9 f.). Gleiche Werbungen unternahm auch das Basler Führungsgremium, in dem es Straßburg, Kolmar und Schlettstadt zu Verhandlungen und Gesprächen nach Kolmar einlud (StABas OB 5, fol. 95v). Abgedruckt bei Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1665 (19. März 1473). Segesser, Abschiede Nr. 701g (31. März 1473). Ihm und seinem Mitgesandten Huber schrieben die Berner Kleinräte am 30. März einen Brief nach (StABe Dt. Miss. C, fol. 50 f.). Zur Truppenaushebung in Bern ist die Sitzung des Kleinen Rats von Bern am 14. April überaus aufschlussreich. Dort u. a. der folgende Beschluss: „Hatt man zś einem houptman geordnet herrn Niclauß von Scharnachtal, Schultheiß“ (StABe RM 12, fol. 105 ff.). So beispielsweise am 26. April 1473 in Basel, Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1668 oder am 5. Mai und am 5. Juli 1473 in Luzern, Segesser, Abschiede Nr. 708 bzw. 714. Zur Mission von Scharnachtal zum Pfalzgrafen vgl. Segesser, Abschiede Nr. 714. Zudem geht diese aus einem Brief des Kleinen Rats von Bern an Mülhausen am 26. Juli 1473 hervor: „So hatt der edel streng herr Niclaus von Scharnachtal, ritter, als der yetz von vnserm gnedigen herren dem Pfallentzgrafen harheim komen ist, vns ouch ze erkennen geben, wie er úwer anligen an sin gnad gebracht und gnedig antwurt von im verstanden habe […]“, zit. nach Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1683. Zu den zahlreichen Aufforderungen Hagenbachs vgl. Bittmann, Ludwig XI., S. 527f.; vgl. auch Paravicini, Hagenbachs Hochzeit, S. 14; Brauer-Gramm, Peter von Hagenbach, S. 207 ff. Segesser, Abschiede Nr. 725 (11. Dezember 1473).
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annehmen sollte.216 Als Leiter derselben fungierten Nikolaus von Scharnachtal und Petermann von Wabern. Der Grund, warum die Wahl der Berner Führungsgruppe auf Scharnachtal Àel, lag in seiner genauen Kenntnis der Probleme Mülhausens. Hinzu gesellten sich seine Fremdsprachenkompetenz sowie sein Wissen um diplomatische und adlige Umgangsformen. Anfang 1474 machte er sich mit Wabern auf den Weg zu Karl dem Kühnen, der sich in Ensisheim aufhielt und ihnen Gespräche mit seinen Räten zusicherte. Nach diesen kehrten sie zurück nach Basel und berichteten den dort Versammelten, dass die Probleme Mülhausens erfolgreich geklärt worden waren.217 Das nahmen die Anwesenden zum Anlass, um noch vor Ort eine nähere Verbindung untereinander auszuarbeiten. Abermals war es Scharnachtal, der mit seinem Verwandten Nikolaus von Diesbach maßgeblich an der Ausarbeitung des Bündnistexts beteiligt war. Die entscheidende Versammlung, die zu seinem Abschluss führte, fand Ende Februar 1474 in Straßburg statt.218 Dabei einigten sich die Gesandten darauf, Ende März/Anfang April 1474 in Konstanz abermals zusammenzukommen, um das Bündnis zu besiegeln.219 Als Diesbach sich im April 1474 unmittelbar nach seiner Wahl zum Schultheißen auf den Weg zum französischen König begab, um dort erfolgreich EinÁuss auf die „Ewige Richtung“ zu nehmen, agierte Scharnachtal auf den Kleinratssitzungen in diesen Monaten als sein Stellvertreter.220 Bei ihm konnte sich der Schultheiß sicher sein, dass die eingeschlagene politische Richtung fortgeführt wurde. Auch nach seiner Rückkehr aus Frankreich arbeiteten die beiden eng zusammen, und es waren wiederum Scharnachtal, Diesbach und Wabern, die die übrigen Eidgenossen im August 1474 von einem Zusammengehen mit Österreich und einem Offensivbündnis mit dem französischen König überzeugten und gemeinsam mit dem Berner Stadtschreiber zu der entscheidenden Konferenz von Feldkirch im Oktober 1474 reisten.221 An alldem wird deutlich, dass der französischsprachige Nikolaus von Scharnachtal einer der wichtigsten Berner Diplomaten im Untersuchungszeitraum war. Als wichtiger Verhandlungspartner für Basel und Straßburg sorgte er durch seine 216 Zum genauen Verlauf der Gesandtschaft, ihrer Zusammensetzung und ihren Ergebnissen vgl. Walter, Symbolische Kommunikation. 217 Bittmann, Ludwig XI., S. 545 f. Vgl. auch den Abschied von Ensisheim, der sich in Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1728 abgedruckt Àndet, vgl. dazu Walter, Symbolische Kommunikation. 218 Vgl. Bittmann, Ludwig XI., S. 563 f. Der Abschied der Versammlung Àndet sich bei Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1742. 219 Sichtbarer Ausdruck ihrer Verbindung war eine Veränderung in der Wortwahl in den untereinander ausgetauschten Briefen. So redeten sich die betrachteten drei Städte nun nicht mehr nur mit „liebe frunde“, sondern mit „liebe frunde und Puntgenossen“ an. Auf eine Veränderung ihres Verhältnisses deutet auch noch eine weitere Tatsache hin. Denn mit dem Bündnisabschluss einher ging die Einführung eines neuen Postens in den Basler Wochenausgabebüchern, in denen sich auf einmal Ausgaben Ànden, die von „gemeinen buntgenossen“ herrührten. 220 Diese Tatsache belegen die Protokolle der Sitzungen des Kleinen Rats eindeutig. In diesen wird stets Nikolaus von Scharnachtal an erster Stelle als „statthalter“ aufgeführt. 221 Vgl. die Instruktion für Scharnachtal für eine Versammlung der Eidgenossen, die am 10. August 1474 in Luzern stattfand, Ergebnisse der Versammlung im StABe Allgemeine Abschiede A, fol. 33 und 34. Inhalt der Instruktion im StABe RM 15, fol. 22–25.
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ständige Anwesenheit in erheblichem Maß dafür, dass Vertrauen unter den (späteren) Bündnispartnern aufgebaut wurde. Hinzu gesellten sich seine Kontakte zum französischen König Ludwigs XI., dessen Kammerherr er war und von dem er Anfang 1475 insgesamt 400 Franken erhielt.222 Durch diese hatte er einen erweiterten Zugriff auf Informations- und Wissensbestände, die seine und die politische Stellung seiner Heimatstadt und ihrer Bündnispartner zusätzlich verstärkten. Seine verwandtschaftlichen Bindungen zu den führenden Familien der Stadt sorgten für den notwendigen Rückhalt bei der gegen Burgund gerichteten Politik.223 2.3. Petermann von Wabern († 1491) Anders als die bereits seit Generationen adlige Familie von Scharnachtal stammte die Familie Petermanns von Wabern, Schultheiß der Jahre 1471/72 und 1476/77, aus dem Gerbergewerbe, durch das sie es zu erheblichem Wohlstand gebracht hatte.224 Dieser Reichtum trug dazu bei, dass die Familie schon früh in Kontakt zum Fernhandel und zu den Diesbachs trat. Beispielsweise wurde Nikolaus von Diesbach 1444 von einem Mitglied der Familie Wabern nach Barcelona begleitet.225 Für ihre Tätigkeit im Fernhandel könnten auch die Ämter hindeuten, die die Vertreter der Familie von Wabern in Bern wahrnahmen. Denn bereits der Vater des hier vorgestellten Petermanns war Seckelmeister gewesen, versteuerte 1448 insgesamt 26.600 Gulden und gehörte damit zu den reichsten Bernern.226 Auch wenn Petermann von Wabern selbst zunächst eine kaufmännische Ausbildung erhielt, zählte er während des Twingherrenstreits zum Adel, wie seine Verurteilung im Verlauf des Streits belegt. Auf eine frühe Anlehnung der Familie an eine adlige Lebensführung deutet der Kauf der Twingherrschaft Belp hin.227 Auch die von 222 Lenglet Du Fresnoy, Memoires Comines, S. 197. Auf der Pensionsliste des französischen Königs wurde er an dritter Stelle, direkt hinter seinen Verwandten Nikolaus und Wilhelm von Diesbach, aufgeführt. 223 Die Familie Scharnachtal hatte sich den veränderten innen- und außenpolitischen Gegebenheiten angepasst. Das trug maßgeblich dazu bei, dass sie ihre besondere Stellung auch für die zukünftigen Generationen sichern konnte. Ausdruck davon legt die von Scharnachtal forcierte Erziehung und Ausbildung seines Sohnes Hans Rudolf am französischen Königshof ab. Nach seiner Rückkehr folgte er seinem Vater als Kleinrat und stand der Stadt Bern 1507/08 und 1512/13 als Schultheiß vor, zu Hans-Rudolf von Scharnachtal vgl. Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 119. 224 Sie waren Mitglieder der Gerberzunft, vgl. Zahnd, Bildungsverhälntisse, S. 97, S. 117 f. u. S. 240; zu den gesteigerten Aufstiegsmöglichkeiten der Gerber allgemein vgl. Andermann, Zunft und Patriziat, S. 368 f. Bereits der Großvater Petermanns versteuerte 1389 ein Vermögen in Höhe von 5.000 Gulden, vgl. die Tabelle bei Gerber, Gott, S. 275. 225 Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 91. 226 Ebd., S. 123; Gerber, Gott, S. 286. Dieser hat ausgerechnet, dass das Vermögen der Wabern 1448 gegenüber dem Jahr 1389 um 432 % gestiegen war. Dieses lässt ihn die Familie Wabern zu den „ökonomische[n] Aufsteiger[n]“ (S. 287) zählen. 227 Dieser Kauf erfolgte im Jahr 1383, vgl. Hurni, Waberns Vergangenheit, S. 49; allgemein vgl. Spiess, Aufstieg, S. 10 ff.; Andermann, Zunft und Patriziat, S. 376 f.
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Petermann durchgeführte Veränderung des Familienwappens ist in diesem Sinne zu deuten, bei der aus zwei gekreuzten Gerbermessern ein einfaches Kreuz wurde.228 Petermann wurde 1457 Mitglied des Kleinen Rats, amtierte zwei Jahre später als Vogt in Nidau und wurde nach dem Twingherrenstreit 1471 das erste Mal Schultheiß.229 Seine Familie war mit zahlreichen aus dem Handel in die Politik aufgestiegenen Familien, etwa mit den Ringoltingen oder den Matter, verwandtschaftlich verbunden.230 Doch gelang es auch den Wabern ähnlich wie der vorgestellten Familie von Diesbach, enge Bindungen an die alteingesessenen Familien in der Stadt zu knüpfen. So war Petermanns Schwester mit dem Kleinrat Kaspar vom Stein verheiratet und seine aus Savoyen stammende Mutter heiratete 1458 in zweiter Ehe mit Kaspar von Scharnachtal den Bruder des bereits betrachteten Nikolaus von Scharnachtal, dessen Tochter wiederum die Ehefrau von Nikolaus von Diesbach war.231 Diese Bindungen und die Parteiungen, die aus ihnen resultierten, wie auch seine Ehe mit der Tochter des ehemaligen Solothurner Schultheißen Spiegelberg, wurden vor allem im Untersuchungszeitraum insofern wichtig, als sie zur Schlüsselposition Petermanns von Wabern und seiner Verwandten Nikolaus von Diesbach und Nikolaus von Scharnachtal in dem gegen Burgund gerichteten Prozess führten. Wabern war neben dem bereits vorgestellten Scharnachtal einer der Experten der Stadt, wenn es um die Probleme von Mülhausen ging, und zudem ein wichtiger Diplomat der Stadt für Verhandlungen mit Savoyen. Wenngleich sich für ihn eine Kenntnis der französischen Sprache nicht eindeutig nachweisen lässt, ist davon ebenso auszugehen wie von einem nützlichen Kontaktnetz über die savoyische Familie seiner Mutter und durch die Handelsgeschäfte, auf das er und seine Miträte zurückgreifen konnten. Davon legt auch eine seiner ersten Amtshandlungen als Schultheiß im Jahr 1471 Zeugnis ab, als er den Stadtschreiber Fricker damit beauftragte, einen Brief an die Berner Diplomaten Nikolaus von Diesbach und Adrian von Bubenberg zu schreiben, der den Zuzug von Einwohnern des Berner Territoriums zum proburgundischen savoyischen Prinzen Jakob von Romont beinhaltete.232 Von diesem ging eine große Gefahr aus, da ihm 1471 große Teile der Waadt zugefallen waren. Zwei Monate später lässt Wabern sich an der Seite des noch vorgestellten Adrians von Bubenberg auf einer diplomatischen Mission zur savoyischen Herzogin nachweisen. Dort sollten sie sich darüber beschweren, dass die Herzogin gegen ihr mit Bern geschlossenes Bündnis handelte, wenn sie burgundischen Söldnern den Durchzug durch ihr Territorium gestattete.233 In Savoyen kam es in jenen Monaten zu Schwierigkeiten: So hatte der erwähnte Romont mit Unterstützung des 228 Nichts sollte mehr auf den ursprünglichen Erwerbszweig der Familie hindeuten, vgl. De Capitani, Adel, S. 33, Abb. 3; zu Wappenveränderungen im Zuge des Aufstiegs vgl. allgemein Andermann, Zunft und Patriziat, S. 380 f.; Spiess, Aufstieg, S. 20 ff. 229 Tobler, Berner Chronik, S. 32, Anm. 2. 230 De Capitani, Adel, S. 45, Abb. 8. 231 Das ergibt sich aus den Stammbäumen der Familien, vgl. De Capitani, Adel, S. 38, Abb. 5 u. S. 45, Abb. 8. 232 StABe Dt. Miss. A, fol. 826 (13. April 1471). 233 Vgl. StABe RM 8, fol. 1.
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burgundischen Herzogs versucht, die Herzogin zu entmachten und im Zuge dessen einige strategisch wichtige Festungen des Herzogtums erobert.234 Die beiden Berner Gesandten reisten zunächst zu Jakob von Romont, um sich danach weiter zur Herzogin zu begeben. Die Verhandlungen verliefen zunächst positiv, scheiterten aber letztlich an der Haltung der Herzogin. Ende Juli war es wiederum Wabern, der sich mit Nikolaus von Diesbach zu Vermittlungsgesprächen nach Savoyen begab.235 Der Grund dafür lag in der Rückkehr der Herzogin, was sie mit einem militärischen Aufgebot unterstrich, wodurch es im Juli 1471 zu ersten Kampfhandlungen gekommen war. Wabern und Diesbach vermittelten Mitte August einen Waffenstillstand zwischen den Parteien.236 Neben savoyischen Angelegenheiten war Wabern spätestens ab 1472 intensiv damit befasst, die Probleme Mülhausens zu lösen. Sein Interesse verstärkte sich wahrscheinlich noch durch seine Ehefrau, deren Vater wie erwähnt Bürgermeister von Solothurn gewesen war, mit dem Bern gemeinsam ein Bündnis mit Mülhausen unterhielt. Daher verwundert es nicht, dass Wabern neben dem damaligen Schultheißen Scharnachtal, Diesbach sowie Hartmann vom Stein als einer der Verfasser des angesprochenen Briefs an den Pfalzgrafen fungierte, in dem diesem eine Vermittlerrolle im Streit zwischen Burgund und Mülhausen angeboten wurde.237 Als Berner Vertreter bei Verhandlungen mit Kaiser Friedrich III. hielt er sich im Juni 1473 in Konstanz auf und war dabei, wie dieser dem burgundischen Landvogt Hagenbach zum Unmut der untersuchten Städte gestattete, das Schultheißenamt von Mülhausen auszulösen.238 Drei Monate später befand er sich dann abermals in einer kleinen Gruppe von Berner Entscheidungsträgern, die einen Brief an den französischen König verfassten, in dem sie diesem berichteten, dass sich der burgundische Herzog mit Kaiser Friedrich III. zu Gesprächen treffen wollte.239 Dieses wie auch das zuvor besprochene Schreiben vermitteln den Eindruck, als handle es sich bei den überdies alle miteinander verwandten Verfassern240 um einen informellen Führungskreis, der ohne Beteiligung des damaligen Schultheißen Bubenberg die Verbindungen zum französischen König intensivierte.241 Diese Sicht verstärkt sich
234 Dazu Bittmann, Ludwig XI., S. 399–411. 235 Ebd., S. 406 ff. 236 Vgl. Segesser, Abschiede Nr. 677 (8. August 1471), bzw. 679. Bereits am 12. August 1471 teilten die Berner Räte den übrigen Eidgenossen mit, man benötige ihre Hilfe in Savoyen nicht mehr (StABe Dt. Miss. A, fol. 861). Vgl. dazu Bittmann, Ludwig XI., S. 411. 237 StABe Dt. Miss. C, fol. 13 (30. November 1472). 238 Zu Waberns Anwesenheit in Konstanz vgl. StABe RM 12, fol. 184: „An den von Wabren, sich gen Costentz zś fügen und den tag als der Keyser gesatzt hat zś leisten“; zur Zustimmung des Kaisers vgl. Bittmann, Ludwig XI., S. 528 ff. 239 StABe Dt. Miss. C, fol. 102 f. (29. September 1473). 240 Das ergab die Sichtung der Stammbäume der vier Familien bei De Capitani, Adel: Während Scharnachtal sowohl der Onkel Diesbachs als auch Waberns war, war dessen Schwester Benedicta wiederum mit Kaspar, einem Bruder Hartmanns vom Stein, verheiratet. 241 Siehe dazu auch Kapitel B 2.1. und 2.4.
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noch, als unter dem Brief angegeben ist, er sei „in domo mea“ und damit nicht in der Berner Kanzlei abgefasst worden.242 Die nächste diplomatische Mission führte Wabern zum Jahreswechsel 1473/74 gemeinsam mit Nikolaus von Scharnachtal zum burgundischen Herzog nach Ensisheim.243 Die Gründe, warum die Wahl des Berner Führungsgremium auf Wabern Àel, liegen wie bei seinem Ratskollegen Scharnachtal sowohl in seinem hohen Wissensstand um den Verhandlungsgegenstand sowie in seiner Fremdsprachenkompetenz. Ende März/Anfang April 1474 war er auf der Versammlung von Konstanz anwesend, auf der sich die Eidgenossen mit den oberrheinischen Reichsstädten gegen den burgundischen Herzog Karl den Kühnen verbündeten und ihre Bedingungen für einen Frieden mit Herzog Sigmund formulierten.244 Wie aus einer Instruktion hervorgeht, gelang es Wabern und Nikolaus von Diesbach in den folgenden Wochen, die noch widerstrebenden eidgenössischen Länderorte von einem Zusammenschluss mit Österreich zu überzeugen.245 Doch das stellte sich als schwierig heraus, da Sigmund zu keinem Zeitpunkt seine in Konstanz getroffenen Aussagen einhalten wollte. Es war daher Wabern, der ihn auffordern sollte, energisch einzugreifen.246 Kurz nach den Bündnisabschlüssen kam es zum Aufstand gegen den burgundischen Landvogt.247 In einem Brief, den die Berner Räte ihrem Delegierten kurze Zeit nach seiner Entsendung zum daraufhin gegen diesen geführten Prozess schrieben, präzisierten sie ihre Forderung bezüglich Sigmunds, baten ihn darum, Informationen über den Prozessverlauf mitzuteilen und übermittelten ihm Nachrichten aus Savoyen.248 Das zeigt, wie die Weiterleitung von Informationen in der diplomatischen Praxis erfolgte.249 Das wird durch ein weiteres Schreiben an Wabern bestätigt, das die Berner Kleinräte Ende Juni 1474 an ihn richteten.250 Darin baten sie ihn darum, die auf einer Tagsatzung versammelten eidgenössischen Abge242 Um wessen „Haus“ es sich handelte, muss offenbleiben, doch kann man davon ausgehen, dass es sich um das eines der Verfasser handelte, zumal das Schriftbild keinem Kanzleimitarbeiter Berns zuzuweisen ist. Zu den alternativen Abfassungsorten siehe Kaptitel D 1. 243 Zu dieser Gesandtschaft vgl. Walter, Symbolische Kommunikation. 244 Für seine Anwesenheit spricht seine Nennung in der Erklärung der Eidgenossen bezüglich der „Ewigen Richtung“ mit dem Herzog von Österreich, vgl. Segesser, Abschiede Nr. 735d. 245 Die Instruktion wies sie an, dass sie für das Zusammengehen mit Österreich „werben“ sollten, damit die Dinge „einen fürgang nement“, zit. nach Segesser, Abschiede Nr. 738a. 246 Das wird am folgenden Beschluss des Berner Rates am 18. April 1474 deutlich: „An den von Wabren, […] das er angends Áiß bruch, die slosß durch minen herren von Österich besatzt werden […] vnd begegne im útz wyter, das er sölichs angends minen herren zśschrib“, StABe RM 14, fol. 74. 247 Zum Sturz von Hagenbach vgl. Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 68– 95; ders., Beschreibung; Jucker, Tyrann; ders., Symbols. 248 Von Waberns Anwesenheit bei dem Prozess gegen Peter von Hagenbach spricht auch Diebold Schilling, Tobler, Berner Chronik, S. 152. 249 StABe RM 14, fol. 75 (Sitzung des Kleinen Rats am 20. April 1474) und fol. 241 (Sitzung des Kleinen Rats am 25. April 1474). 250 StABe RM 14, fol. 124: „An den von Wabern, was die botten vonn Safoy hatt anbracht. Das er sölichs an die Eydgnossen bring, ein antwurt daruff zś geben, dann der bot hier wart“ (Sitzung des Kleinen Rats am 26. Juni 1474).
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ordneten über eine Anfrage der Herzogin von Savoyen zu informieren. Diese hatte sich zuvor in Bern erfolglos als Vermittlerin im KonÁikt zwischen den Eidgenossen und dem burgundischen Herzog angeboten.251 Im Juli 1474 weilte Wabern gemeinsam mit dem Straßburger Gesandten Peter Schott in Basel, als Bern die Meldung erhielt, dass der Bruder des zuvor hingerichteten Landvogts in den Sundgau eingefallen war.252 In einer daraufhin eilig zusammengerufenen Sitzung des Führungsgremiums beschlossen die Kleinräte, einen Brief an ihren Delegierten zu schreiben, um ihn über den Einfall der Burgunder zu unterrichten und zu bitten, gemeinsam mit den Versammelten möglichst schnell zu beschließen, den Verbündeten zur Hilfe zu kommen.253 Waberns hoher Informationsstand sowie sein Wissen um die Verhandlungen ließen ihn gemeinsam mit Diesbach, Scharnachtal und dem Stadtschreiber Fricker ab Ende September für drei Wochen zur Konferenz von Feldkirch reisen. Auch Wabern war Empfänger von den Pensionen Ludwigs XI. und erhielt 360 Franken ausbezahlt.254 Aufgrund seiner weitreichenden Beziehungen und Kontakte, so zur politischen Führungsgruppe von Solothurn oder nach Savoyen, verfügte er und mit ihm auch die Führung Berns über einen erweiterten Zugang zu Informationen. Das Wissen, das daraus resultierte, prädestinierte ihn zur Wahrnehmung zahlreicher diplomatischer Missionen.
2.4. Adrian von Bubenberg (1434–1479) Eine andere Ausgangslage sollte der Berner von 1473/74, Adrian von Bubenberg, vorÀnden. Dieser stammte aus einer alteingesessenen stadtadligen Familie, die seit dem 13. Jahrhundert beinahe ununterbrochen an der politischen Spitze Berns gestanden und deren Angehörige stets wichtige politische Ämter bekleidet hatten.255 1451 wurde er Großrat, amtierte 1454/55 beziehungsweise 1457–1461 im Berner Territorium als Vogt und zog 1455 nach Dijon, um an einem vom burgundischen Herzog Philipp dem Guten proklamierten, doch letztlich nicht durchgeführten Kreuzzug gegen die Türken teilzunehmen. Einen ähnlichen Ànanziellen Rück251 Das geht aus einem Brief Berns an Straßburg vom 24. Juni 1474 hervor (vgl. StABe Dt. Miss. C, fol. 272). Zu Briefen der Führungsgremien an ihre Gesandten allgemein vgl. Jucker, Gesandte, S .219 ff. 252 Dazu Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 118–130. 253 StABe RM 15, fol. 37 f. (Sitzung des Kleinen Rates am 19. August 1474). 254 Lenglet Du Fresnoy, Memoires Comines, S. 179: „A Peternad de Walren 360 liv“. 255 Wahrscheinlich handelte es sich bei ihr um ein altes zähringisches Ministerialengeschlecht; so war der Vater Adrians von Bubenberg, Heinrich, mit Anna von Rosenegg verheiratet, die aus einem schwäbischen Freiherrengeschlecht stammte. Zur Familie von Bubenberg vgl. Zahnd, Bubenberg; ders., Ludwig von Diesbach; Oehler, Genealogie Bubenberg (mit Stammtafeln); zu Adrian I. von Bubenberg vgl. Wälchli, Adrian I. von Bubenberg; Wälchli, Adrian II. von Bubenberg; Ziegler, Adrian von Bubenberg; Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 117. Adrian von Bubenberg argumentierte im Twingherrenstreit, dass die Vorgänger seiner Familie neben den von Erlach und von Muleren bei der Gründung von Bern zugegen gewesen wären und sich noch immer an der Spitze der Stadt befänden, vgl. Studer, Twingherrenstreit, S. 66; De Capitani, Adel, S. 36–39; Jucker, Innen- oder Außenpolitik, S. 250 ff.
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schlag bildete seine 1462 erfolgte Teilnahme als Söldnerhauptmann in einem Krieg zwischen der kaiserlichen und der wittelsbachischen Partei, da sein Arbeitgeber Herzog Ludwig von Zweibrücken-Veldenz diesen verlor und Bubenberg die Kosten nicht zurückzahlte. Das führte dazu, dass er dem Herzog und dessen Bruder, dem Bischof von Straßburg, die Fehde ansagte. Auf Intervention des Führungsgremiums seiner Heimatstadt musste er jedoch in Verhandlungen mit seinen Gläubigern treten, die sich bis 1466 hinzogen und von deren Ende nichts bekannt ist.256 Als sein Vater 1464 starb, wurde Adrian ein Jahr später Kleinrat und plante im gleichen Jahr den späteren Herzog von Burgund, Karl den Kühnen, in einer Fehde gegen den französischen König Ludwig XI. zu unterstützen, was ihm jedoch vom Rat seiner Heimatstadt verboten wurde. Im Streit, der sich daraus zwischen Bubenberg und der Berner Führung entwickelte, vertrat er die Ansicht, als freier Lehnsträger des Reiches zur Führung von Fehden berechtigt zu sein.257 Wahrscheinlich ist es auch auf diesen Streit zurückzuführen, warum nicht er, sondern Diesbach 1465 zum Schultheißen der Stadt gewählt wurde.258 Im Jahr 1466 begab er sich auf eine Pilgerreise nach Palästina, wo er zum Ritter geschlagen wurde. Nach dieser Reise wurde er 1468 das erste Mal Schultheiß und war 1471/72 einer der Wortführer der Adelspartei im Twingherrenstreit. Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, ob er sich im Jugendalter an einem burgundischen Fürstenhof aufgehalten hat.259 Doch könnte seine bereits angedeutete und später erfolgte Parteinahme gegen den französischen König dies nahelegen.260 Hinzu gesellten sich seine Heiraten. Denn mit GräÀn Jakobea von Neuenburg-Valangin heiratete er in seiner ersten Ehe in eine Familie, deren Besitz sich an der Grenze zum Herzogtum Savoyen konzentrierte.261 Gleiches traf auch für seine zweite Frau zu, die er 1457 ehelichte und bei der es sich um Johanna von La Sarraz handelte, die aus der gleichen Region wie seine erste Frau stammte und deren Familie über enge Kontakte zur Herzogin von Savoyen verfügte. Im Gegensatz zu Familien wie den Diesbach oder Wabern, die sich früh um Verbindungen zu den in der Stadt lebenden Familien bemühten, verfügte Bubenberg im Untersuchungszeitraum über wenig Rückhalt im Führungsgremium seiner Heimatstadt.262 Dass er vielmehr die Nähe
256 Wälchli, Adrian I. Bubenberg, S. 13–18; Ziegler, Adrian von Bubenberg, S. 1–13. 257 Wiedergegeben Àndet sich die Argumentation in Thüring Frickers Twingherrenstreit: „Deßglychen hat herr Adrian von Bśbenberg […] anzeigt: wie er da ein fryherr und so eigen paner und zeichen hette, der statt nie nüt gewertig noch pÁichtig were, denn allein von sines burgerrechts wegen mit denselben zuo reisen“ (Studer, Twingherrenstreit, S. 78). 258 Die Forschung ist sich nicht sicher, ob der Streit zwischen Bubenberg und Diesbach seinen Ursprung in diesem Übergehen der Ansprüche Bubenbergs hat. Doch lässt sich argumentieren, dass Bubenberg zu diesem Zeitpunkt gerade erst ein halbes Jahr im Kleinen Rat gesessen hatte, im Gegensatz zu Diesbach politisch noch sehr unerfahren war, vgl. Bartlome, Diesbach und Bubenberg, S. 28 f. Ich danke dem Verfasser, dass er mir diese noch ungedruckte Arbeit freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat; vgl. auch Jucker, Innen- oder Außenpolitik. 259 Er wurde nachweislich von einem Hauslehrer unterrichtet. 260 Vgl. Bartlome, Diesbach und Bubenberg. 261 Zu den Eheverbindungen der Berner Familien nach Savoyen vgl. Teuscher, Bekannte, S. 57 f. 262 Bartlome, Diesbach und Bubenberg, S. 19 f.
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zu Burgund suchte, beweisen die von ihm durchgeführten Missionen dorthin und nach Savoyen. Sie offenbaren, dass er der französischen Sprache mächtig war und sich problemlos an Fürstenhöfen bewegen konnte. Beides lässt sich auf die adlige Erziehung innerhalb seiner Familie zurückführen, doch auch bei den vorgestellten Heiraten sind neben einer Kenntnis der französischen Sprache auch adlige Umgangsformen bei ihm vorauszusetzen.263 Bubenberg war daher der Experte Berns, wenn es um Verhandlungen mit Burgund ging. Beispielsweise weilte er Februar/März 1470 beim burgundischen Herzog in Brügge und berichtete den Räten seiner Heimatstadt von dort über Gesandte des österreichischen Herzogs, die sich bei Karl dem Kühnen über die Eidgenossen beklagt und ihn gebeten hätten, militärisch gegen sie vorzugehen.264 Darin bestärkt worden seien sie nach Bubenbergs Aussage vom burgundischen Landvogt.265 Nachdem er von dort zurückgekehrt war, forderte Bubenberg, der in erheblichen Ànanziellen Schwierigkeiten steckte, erfolglos von den Eidgenossen Geld für diese Mission.266 Als der burgundische Gesandte Beauffremont Ende Juni 1471 in der Eidgenossenschaft erschien, um für die Politik Karls des Kühnen zu werben und Geld an burgundtreue Eidgenossen zu verteilen, wurde er von Bubenberg unterstützt.267 Als Adrian von Bubenberg im April 1473 Schultheiß wurde, bemühte er sich zunächst um einen Ausgleich mit dem Herzog von Österreich mithilfe des Reichsoberhaupts und ohne den französischen König.268 Das geschah durch einige Missionen zu Friedrich III., die ihn im Sommer 1473 auf verschiedene Reichstage
263 Laut dem Tellbuch des Jahres 1448 lebten im Haus der Familie Bubenberg vier Mägde, zwei Hausknechte und ein Narr, Welti, Tellbuch 1448, S. 429. 264 Vgl. Bittmann, Ludwig XI., S. 348 f.; Segesser, Abschiede Nr. 664 (Tagsatzung der Eidgenossen am 5. März 1470). 265 StABas ÖB 5, fol. 45r: „[…] wie er [Bubenberg, d. Verf.] gesechen und gehört, das Bysantzun, vnsers gnedigen herren von Borgondien muntlich anbracht und erzelt hab, handel, wesen und gebruch, deß sich her Peter von Hagenbach geübt und gebrucht hab und in disen landen bruchen sye wider uns, gemeyne ritterschaft und lantschafft, und das unser herr von Borgondien nach allem anbringen demselben Bysantzun offentlich geantwurt hab, er wolle nit, das herr Peter von Hagenbach sinen nachburen, vmbsessen noch lantschafft lieb noch willen tett, sonder wöll im selb ein lantvogt haben, der im tüg, was im geuellig und lieb sie“. 266 Zu den Ànanzielle Schwierigkeiten Bubenbergs vgl. Vgl. Bartlome, Diesbach und Bubenberg, S. 20 u. S. 24 ff.; Wälchli, Adrian II. Bubenberg, S. 18 f.; zu seinen Bemühungen um Auszahlung der Kosten vgl. beispielsweise Segesser, Abschiede Nr. 653e und g (Tagsatzung in Luzern am 4. Juni 1470) oder den Beschluss des Kleinen Rats von Bern auf seiner Sitzung vom 29. August 1470, in dem zudem deutlich wird, um welche Summe es sich bei dem von Bubenberg geforderten Geld handelte: „Desglich ouch mit den eidgenossen botten ze reden von des von Bśbenbergs wegen vmb die 85 Gulden“ (StABe RM 6, fol. 191). Ein Jahr später scheint Bubenberg sein Geld erhalten zu haben. Das zeigt der Beschluss von den Anfang April 1471 in Luzern versammelten eidgenössischen Gesandten, nach dem Bubenberg sein Geld auf der nächsten und Mitte April in Konstanz stattÀndenden Versammlungen erhalten solle, Segesser, Abschiede Nr. 670d. 267 Dazu Bittmann, Ludwig XI., S. 412–415. 268 Auf der Sitzung des Kleinen Rats von Bern am 20. April wird Bubenberg als „Sculteto“ aufgeführt (StABe RM 12, fol. 113).
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nach Ulm und Straßburg reisen ließen.269 Dort war er mit seiner Ausgleichspolitik zunächst erfolgreich. So erreichte er, dass sich die Lage um die von Burgund bedrohte Reichsstadt Mülhausen zumindest für kurze Zeit besserte.270 Seine Erfolge waren jedoch nur kurzfristig und wurden durch Nikolaus von Diesbach untergraben, der kurz darauf ebenfalls zum Kaiser nach Basel reiste. Diesbach zeigte sich uneinsichtig gegenüber den von Friedrich III. gestellten Forderungen und vertrat damit eine andere Politik als Bubenberg.271 Spätestens nachdem er vom Vertrauten des französischen Königs, Nikolaus von Diesbach, Mitte April 1474 im Amt des Schultheißen abgelöst wurde, lässt sich Bubenbergs stetiger Rückzug aus der Politik feststellen.272 Noch im August 1474 hatte er von burgundischen Vertretern Geld erhalten, die sich zu einem letzten Vermittlungsversuch in die Eidgenossenschaft begeben hatten.273 Daher erstaunt es nicht, dass Bubenberg nach Diesbachs Rückkehr aus Frankreich ab dem 29. Juli 1474 bei den zwei entscheidenden Sitzungen des Führungsgremiums fehlte, auf denen er seinen Ratskollegen die Vorteile des gegen Burgund gerichteten Offensivbündnisses mit dem französischen König darlegte. Er nahm lediglich an zwei Versammlungen teil, auf denen seine Ànanziellen Schwierigkeiten mit einem Gläubiger besprochen wurden.274 Folge des Offensivbündnisses mit Frankreich war letztlich der Ausbruch des Kriegs gegen den burgundischen Herzog, den Bubenberg nicht befürwortete.275 Denn obwohl auch er 1475 in der Pensionsliste des französischen Königs bedacht wurde, verfolgte er in den Folgemonaten eine Politik der Obstruktion.276 Am 10. Juli 1475 kam es dann zum Eklat: Alle Kleinräte sowie insgesamt zwölf hinzugezogene Großräte beschlossen einstimmig den Ausschluss Bubenbergs aus dem politischen Führungsgremium für die Dauer des Krieges gegen Burgund.277 Als Begründung für diesen im Untersuchungszeitraum einmaligen Schritt führten sie insgesamt vier Punkte an. Während im ersten dezidiert von seiner Ablehnung 269 Zu seinem Aufenthalt in Ulm vgl. den Brief des Berner Rats an Bubenberg vom 3. Juli 1473 (StABe Dt. Miss. C, fol. 70 f.); seine Anwesenheit in Straßburg wird belegt durch seinen Brief an Mülhausen, Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1682vom 17. Juli 1473. 270 Bittmann, Ludwig XI., S. 528 f. 271 Ebd., S. 514 ff.; Vaughan, Charles the Bold, S. 275. 272 Bartlome, Diesbach und Bubenberg, S. 48–56. 273 Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 118 f. 274 Bartlome, Diesbach und Bubenberg, S. 50, Anm. 154. 275 Es scheint durchaus möglich, dass er in Kontakt zu Unterwalden stand, das sich ebenfalls weigerte, das Offensivbündnis mit Frankreich und die „Ewige Richtung“ mit dem österreichischen Herzog zu unterzeichnen, so vermutet Bartlome, Diesbach und Bubenberg, S. 48 und S. 55, Anm. 175. 276 Lenglet Du Fresnoy, Memoires Comines, S. 179: „A Messire Adrien de Bourbenbech 360 liv.“ 277 Niedergeschrieben Ànden sich diese Punkte im Protokoll der Sitzung des Kleinen Rats von Bern am 10. Juli 1475 (StABe RM 18, fol. 6): „Ward her Ad[rians] sach, des handells halb diß löuff, ouch der lútrung, so vor im rat beschechen ist, wie er sich allenthalben im und uswendig dem rat erzöugt und allerley gewerbs tript innhalt ettlicher brieffen, die darumb verhört und zś helen gebotten“ seien.
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die Rede war, den kurz bevorstehenden Zug nach Blamont zu unterstützen, wurde Bubenberg im zweiten Punkt vorgeworfen, er habe den Inhalt der Offensivallianz der Eidgenossen mit dem französischen König weiterverbreitet. Dieser Vorwurf wog insofern schwer, als sich das Führungsgremium bei der Annahme derselben dazu entschlossen hatte, Verschwiegenheit darüber zu wahren.278 Der dritte Punkt bezog sich eindeutig darauf, nicht an den Ratssitzungen teilzunehmen. Das war auch nicht von der Hand zu weisen, lässt er sich doch tatsächlich ab Ende Dezember 1474 auf keiner einzigen Sitzung des Führungsgremiums mehr nachweisen. Im letzten Punkt schließlich wurde ihm vorgeworfen, er habe für den internen Gebrauch bestimmte Schriftstücke aus der Berner Kanzlei und dem Umfeld des Kleinen Rates dazu verwendet, um so eine Opposition gegen die vorherrschende Außenpolitik zu bilden. Damit wurde ihm vorgeworfen, er habe das Ratsgeheimnis verletzt, was einen erheblichen Vertrauensbruch darstellte. Das Àndet seine Entsprechung, schaut man sich die von den Räten verfolgte und später noch vorgestellte Erlangung von Informations- und Wissenshoheit im betrachteten Zeitraum an.279 Nicht nur, dass man ihm die schriftliche Fassung des Urteils nicht aushändigte; ihm wurde darüber hinaus sowohl auf der entsprechenden als auch auf einer am 29. Dezember 1475 stattÀndenden Sitzung des Kleinen Rats genauso verweigert wie eine im Raum stehende Appellation an den Großen Rat.280 Daneben versuchte man, die im Prozess deutlich hervortretende Opposition auszuschalten, um den kurz bevorstehenden Kriegszug nach Blamont nicht zu gefährden. Dies geschah durch Abordnung einzelner Kleinräte in den Großen Rat, die mit einigen Oppositionellen sprechen sollten, da sonst ihrer Meinung nach „kein rśw sin möcht“281. Daran kann man zudem erkennen, wie stark das Gewicht des Großen Rats zumindest in Kriegsfragen noch im Untersuchungszeitraum war. Hinzu kam, dass allein schon von der großen Mitgliederzahl her und der aus dieser resultierenden politischen Partizipation eines großen Teils der männlichen Bevölkerung Berns für die Kleinräte eine Gefahr von Missmut ausgehen konnte. In der bisherigen Forschung wurden zahlreiche Motive für Bubenbergs Schritt ausgemacht, die ihn dazu veranlassten, der gegen Burgund gerichteten Politik seiner Heimatstadt die Unterstützung zu verweigern. So sei er von einem antifranzösischen und damit proburgundischen Geist beseelt gewesen und habe eine persönli278 Vgl. StABe RM 15, fol. 82 (Sitzung des Kleinen Rats von Bern am 22. September 1474): „Haben mine herren und burger obgenant einhelliclichen geratten und gantz beslossen, die ding mit dem Kung von Franckrich von der pension und aller annder sachen wegen ufzenemen und zuo besliessen, wie dann das die brieff darumb gemacht zuo beiden teilen wisend […]. Und hatt man ouch dabi geratten und gantz beslossen, das nieman nútz von disen dingen reden noch offenbaren und man die ding dabi bliben lassen und nieman dem anndern nachmalen das verwissen noch in argem fürhalten soll. Dann wer das tete, den wellen mine herren an gnäd nach innhalt irer satzung und irem beduncken darumm straffen“, vgl. auch Jucker, Geheimnis, S. 79 (allgemein zur „ofÀziellen Geheimpolitik“). 279 Siehe Kapitel D 2 und den Exkurs zu den „Nebentgeschrifften“. 280 StABe RM 18, fol. 218. Zur Einschätzung vgl. Bartlomé, Diesbach und Bubenberg, S. 56 ff. 281 StABe RM 18, fol. 6.
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che Abneigung gegen den Aufsteiger Diesbach und dessen profranzösische Politik gehabt.282 Doch ist meiner Meinung nach die eigentliche Ursache und seine Motivation eindeutig in seiner Familie zu Ànden. Denn gerade die Verbindungen nach Savoyen und damit nach Burgund, die sich über seine zweite Ehefrau Johanna von La Sarraz offenbaren, sind der Schlüssel zum Verständnis seiner Verweigerungspolitik. Schließlich handelte es sich bei Johanna um die Tochter Wilhelms von La Sarraz (ca. 1410–1478), der ein enger Vertrauter der savoyischen Herzogin war und damit während der Burgunderkriege im burgundischen EinÁussbereich stand. Wilhelm von La Sarraz besaß überdies Lehen in der proburgundischen Waadt im Herzogtum Savoyen. Bubenberg hatte daher ein unbedingtes Interesse daran, seinem Schwiegervater keinen Schaden zuzufügen und kam in einen wahrscheinlich heftigen LoyalitätskonÁikt mit der Politik, die von seiner Heimatstadt eingeschlagen worden war. Schon im Februar 1475 hatte ein Krieg mit Savoyen kurz vor dem Ausbruch gestanden. Wie aus einem Brief hervorgeht, den der Bruder der savoyischen Herzogin, der Bischof von Genf, verfasste, war bereits damals auch der Hauptsitz von La Sarraz in den Mittelpunkt gerückt.283 Laut diesem Schreiben war in Lausanne eine Versammlung von savoyischen und Berner Abgeordneten geplant gewesen, die dem Bischof kurz zuvor ihre Bedingungen für die Unterlassung von militärischen Sanktionen übermittelt hatten. Demnach sollte neben den Schlössern Orbe und Grandson auch der Hauptsitz der Familie La Sarraz unter die Oberaufsicht Berns gestellt werden.284 Doch zum großen Unmut der von Diesbach angeführten Berner blieb dies ebenso aus wie ein Krieg gegen Savoyen. Auch diesen hatte Diesbach in den ersten Monaten des Jahres 1475 vehement befürwortet, nachdem er auf dem Rückweg vom französischen Königshof in Genf überfallen worden war.285 Erschwerend kam hinzu, dass die eidgenössisch-oberrheinischen Truppen bei ihrem gemeinsam und erfolgreich unternommenen Feldzug einen interessanten Gefangenen machten. Das beweist das Siegesschreiben der Berner Hauptleute kurz nach der Eroberung des Schlosses an die Räte ihrer Heimatstadt.286 Neben der Mitteilung über die geschätzte Anzahl der getöteten Feinde287 und Aufzählungen der gemachten Beutestücke ka-
282 Jucker, Innen- oder Außenpolitik, S. 250–258, der Bubenberg eine „gemäßigte“ Position im Vergleich zum aggressiven Diesbach attestiert (S. 252); vgl. auch Esch, Alltag; Bartlomé, Bubenberg und Diesbach. 283 Gingins la Sarra, Dépèches, S. 9 ff., Nr. 4 (19. Januar 1475). 284 Ebd., S. 10: „Como li diti Bernesi demandeno quel mir fradello de Romont se ne debia vegnire he abandonare el servicio de Monsegnore de Borgogna, he se zo, no, que los pais de Vaud sera remiso infra lor mane ho a tuto el mancho infra de le vostre. Item que le piace de li bannereti come sono, Horba, Granson, la Serra he le altre, serano remise infra lor mane“. 285 Zu der gefährlichen Route zwischen Bern und Genf vgl. Roulet, Route Berne-Genève. 286 Büchi, Freiburger Missiven S. 19–22 (Missive Nr. 11). 287 „[W]ir sider vernomen von dennen, die es von den buren gehört, die die toden gezelt und zśsamen gelesen, das si gerett haben, ir sye sechzechen hundert und sübenzechen an der zal umbkomen, die liegent noch all unbegraben àn die, so in dem dorf daby verbronnen der ouch vil sind. der barmherzig Ewig gott well nach üwerm begeren den armen selen gnad erzöugen!“, ebd., S. 20.
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men die Hauptleute auch auf ihre Gefangenen zu sprechen.288 Unter diesen befanden sich zahlreiche burgundische und savoyische Adlige.289 Bei einem von diesen handelte es um keinen geringeren als um den Bruder der Ehefrau Bubenbergs und damit dessen Schwager: Nicod La Sarraz.290 Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum Adrian von Bubenberg die aggressive und gegen Burgund und Savoyen gerichtete Politik seiner Heimatstadt nicht unterstützen konnte. Aber auch für das Berner Führungsgremium war er insofern nicht mehr tragbar, als die Gefahr zu groß war, dass er wichtige, den Krieg gegen Burgund betreffende Informationen an seine Verwandten weiterleitete. So war der Vorwurf an ihn, er habe Ratsgeheimnisse verraten, nicht völlig unbegründet; vielmehr bestand diese Möglichkeit ständig. Umso schlimmer muss es für ihn gewesen sein, als Bern im Herbst 1475 im Alleingang und gegen den Willen seiner Bündnispartner in der Waadt vorging und am 22. Oktober im Zuge dessen auch den Hauptsitz seines Schwiegervaters zerstörte. Der Berner Chronist Schilling war als Kriegsteilnehmer Augenzeuge des Geschehens und berichtete, man habe dabei rund zwanzig Soldaten erschlagen, große Beute gemacht sowie Schloss und Stadt völlig verbrannt.291 Weniger als ein Jahr später wurde Bubenberg jedoch interessanterweise rehabilitiert und blieb der Nachwelt als „Held von Murten“ in Erinnerung.292 Als Hauptmann von Murten hatte er maßgeblich dazu beigetragen, dass das Städtchen im Besitz Berns verblieb.293 Nach den Burgunder288 „Wir haben ouch gros merglich gśt inen angewunnen an roßen, harnesch, sidin gewand und allen andern dingen, das ist, als ver man das hat mögen tśn, alles zśsamengetragen und uf hüt und gester gebütet worden. Und ist von jeglichem ort, ouch von unserm G. H. von Oesterrich und andern einer darzue geordnet, die das alles bütent und verkoufent, Es wird aber under uns wenig erschießen; dann der lüten zśvil ist […]“, ebd. 289 „[D]arob wir all und unser Eidgenossen jederman bi uns, als nit unbillich ist, gros und merglich missvallen hand von wegen des lands von Safoy. Wir zwifeln ouch nit, es werd üch ouch bewegen […]“, ebd., S. 21. 290 Leider ist nichts über sein weiteres Schicksal bekannt, doch könnte er im Oktober 1476 freigelassen worden sein. Das ergibt sich aus einem Schreiben, das die Berner Räte Mitte Oktober 1476 an den Rat der Stadt Freiburg i. Ue. richteten. Darin brachten sie ihre Freude darüber zum Ausdruck, dass sich der österreichische Landvogt dazu entschlossen habe, auf Nicod von La Sarraz „[…] zś lśgen und mit gśter hśt zś bestellen“, Büchi, Freiburger Missiven, S. 88 ff. (Missive Nr. 83). 291 Vgl. die Schilderung von Diebold Schilling in seiner Chronik, Tobler, Berner Chronik, S. 301 f. u. S. 308 f. 292 Den Gang der Ereignisse nach seiner Rehabilitierung gibt Jucker, Innen- oder Außenpolitik, S. 252–258, kursorisch wieder. 293 Der Berner Chronist Schilling gibt im Zusammenhang der Schlacht von Murten ein Lied Veit Webers wieder, das wahrscheinlich kurz nach dem Entsatz der Stadt entstanden sein muss. Vergegenwärtigt man sich, dass einzelne Episoden seiner Chronik und vor allem die Ereignisse der Schlacht von Murten, den Berner Bürgern am Gedenktag im Münster der Stadt öffentlich vorgelesen wurden, bekommt gerade dieses Lied eine wichtige Bedeutung für die später in Bern vorherrschende Meinung von und über Bubenberg. Um zu verdeutlichen, was damit gemeint ist, wird nun die entsprechende Stelle im selben wiedergegeben: „Ein edler houptman wol erkant, von Bśbenberg ist ers genant, er hat sich erlich gehalten; sin búchsenmeister schussen wolt, fúrbas man nach im stellen sol, wo man ein stat wil behalten“ (Tobler, Berner Chronik, S. 62). Der Sieg wurde ins kollektive Gedächtnis der Stadt Bern und ihres Territoriums
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kriegen amtierte er zwischen 1477 und seinem Tod 1479 ununterbrochen als Schultheiß.294 Seine Biographie offenbart abermals, wie eng Innen- und Außenpolitik miteinander verzahnt waren. Das bei ihm deutlich hervortretende Bestreben nach einem Ausgleich mit Burgund war vor allem für zahlreiche alteingesessene Familien aufgrund ihrer verwandtschaftlichen Beziehungen außerhalb der Stadt symptomatisch. Denn diese traditionellen Verbindungen konnten mitunter schwere Folgen haben und die Familienmitglieder, wie gesehen, in LoyalitätskonÁikte bringen. Vor diesem Hintergrund waren sie gegenüber den neuen, vorwiegend durch Handel aufgestiegenen Familien wie den Diesbach oder Wabern zumindest im Betrachtungszeitraum eindeutig im Nachteil. Denn da sich deren Ehepartnerinnen einerseits zunächst aus Familien von Geschäftspartnern rekrutierten, um dann in die Stadt „hinein“ zu heiraten, hatten diese in nur sehr begrenztem Maß Rücksicht auf außerhalb der Stadt lebende Verwandte zu nehmen, was ihnen eine aggressivere Außenpolitik erlaubte. Andererseits verfügten die alteingesessenen Familien aufgrund ihrer verwandtschaftlichen Bindungen über Kontakte zu zahlreichen Adels- und Fürstenhöfen und hatten dort Fürsprecher, die sie auf ihren Missionen und in ihren Anliegen unterstützten. Das traf auch auf Bubenberg zu, der über seine Familie vor allem in Savoyen und Burgund über weitreichende Kontakte verfügte. Als sich jedoch abzeichnete, dass nicht Savoyen oder Burgund, sondern Frankreich ins Zentrum der Interessen des Berner Führungsgremiums rückte, waren seine verwandtschaftlichen Beziehungen nicht mehr gefragt. 3. INSTITUTIONELLE VORAUSSETZUNGEN IN STRASSBURG Die Stadt Straßburg gehörte mit 18.000 Einwohnern zu den bevölkerungsreichsten Städten im Südwesten des Reiches. Ihre Lage an den Flüssen Ill und Rhein ließ sie früh zu einer wichtigen Handelsdrehscheibe werden.295 Die Gründe für die wirtschaftliche Bedeutung waren zahlreich296: So hatte die Stadt eine wichtige Rolle im
überführt. Man beschloss, künftig den „10.000 ritter tag“ zu feiern, um an diesem Tag aller „der, so in disem krieg umbkomen sind, zu gedenken“ (StABe RM 21, fol. 218). 294 Bereits kurz nach seinem Tod offenbarte sich Bubenbergs prekäre Ànanzielle Lage. So intervenierte der Papst bei der Stadt Bern zwei Jahre nach seinem Tod im Jahr 1481, bannte den posthum als Schuldner angeklagten Bubenberg und forderte seine unehrenhafte Beerdigung. Doch die Berner Führung widersetzte sich dieser Forderung, exhumierte Bubenberg nicht und ließ ihn in seiner Grabstätte im Chor des Berner Münsters. Auch Adrians gleichnamiger Sohn (* 1458) hatte mit den Ànanziellen Schwierigkeiten seines Vaters zu kämpfen, die ihn zwangen, große Teile des Familienbesitzes zu verkaufen. Er starb als letzter Vertreter der Familie im Jahr 1506 in Morges, ohne ein politisches Amt bekleidet zu haben, Wälchli, Adrian I. von Bubenberg; ders., Adrian II. von Bubenberg. 295 Scott, Regional Identity, S. 82 f.; Stenzel, Straßburg, S. 466; Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 19 ff.; Ammann, Wirtschaftsgeltung; zu Straßburg im Spätmittelalter vgl. auch von Heusinger, Zunft, S. 34–47. 296 Scott, Regional Identity, S. 73–175.
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(Weiter-)Transport von Gütern und war ein bedeutendes Zentrum für den Verkauf von Wein und Getreide.297 Handel und Verkehr liefen durch Straßburg von Norden nach Süden auf dem Rhein und der Straße zwischen Basel und Speyer. Die zweite Verkehrsachse verlief von Osten nach Westen und verband Burgund und Südfrankreich mit Flandern und Nordfrankreich.298 Ein 1336 errichtetes Kaufhaus diente als Umschlagplatz für Waren und war Zentrum des Exports. Wichtig war weiterhin eine Brücke über den Rhein bei Kehl, die lange Zeit die einzige Möglichkeit zu seiner Überquerung bis zur Nordsee bildete.299 Ein Messeprivileg besaß die Stadt seit 1336, das 1470 endgültig terminiert wurde.300 Wein und Getreide waren die wichtigsten Exportgüter der Region, und für diese stellte Straßburg neben Basel den Hauptab- und -umschlagplatz vor allem für die Eidgenossen dar.301 Das führte dazu, dass sich der Handel im 15. Jahrhundert zum wichtigsten Zweig der städtischen Wirtschaft entwickelte.302 Daraus resultierte aber auch, dass die Beziehungen zwischen Straßburg und den eidgenössischen Städten, allen voran Zürich, Luzern und Bern (und Freiburg i. Ue.), immer enger wurden.303 Gleichzeitig wird so verständlich, warum auch die Stadt direkt vom Vertrag von Saint-Omer betroffen war304: Einerseits störte dieser den städtischen Handel mit den genannten Gütern empÀndlich305, andererseits sahen die Straßburger Räte ihren politischen EinÁuss und ihre politische Stellung am Oberrhein schwinden, zumal Landvogt Peter von Hagenbach sich um Eindämmung des EinÁusses der dort gelegenen Reichsstädte bemühte, die er als Konkurrenten empfand.306 Stadtherr in Straßburg war der Bischof, dem die Bürger in seiner Funktion als Gerichts- und Schutzherr ihren Treueid leisteten. Kernstück seines zwischen Rhein und Vogesen liegenden Hochstifts war die Stadt selbst, deren Verwaltung er Minis-
297 Ammann, Wirtschaftsgeltung, S. 101–153; Hatt, Ville du XVe siècle, S. 302–313; Bender, Weinhandel. 298 Brady, Ruling Class, S. 97 f. 299 Zur Rheinbrücke Straßburg-Kehl vgl. Mechler, Rheinbrücken; Löper, Rheinschiffahrt. 300 Voltmer, Wächter, S. 247: zur Entwicklung der Abhaltung der Straßburger Messe vgl. Irsigler, Jahrmärkte und Messen S. 239 f. 301 Scott, Elsaß, S. 220 f.; Ammann, Wirtschaftsbeziehungen. 302 Hatt, Strasbourg, S. 49–53; Dollinger, Ville libre, S. 142–159; Alioth, Gruppen an der Macht, S. 438–459; Rapp, Strassburg zur Zeit Gutenbergs, S. 97ff.; zum Handel mit Italien vgl. Thiriet, Rélations commerciales; zum Handel Straßburgs mit den Hansestädten vgl. Dollinger, Rélations directes; zum Handel zwischen Nürnberg und Straßburg vgl. Fuchs, Rélations commerciales; allgemein zum Waffenhandel Straßburgs in der betrachteten Zeit vgl. ders., Notes. 303 Ammann, Wirtschaftsbeziehungen; Scott, Regional Identity; Kammerer, Echanges; dies., Haut-Rhin, S. 171–193; Bischoff, L’Alsace autrichienne, S. 59–70; Dollinger, Commerce et marchands. 304 Zur Politik Straßburgs im Kontext der Burgunderkriege allgemein vgl. Martin, Strasbourgeois; Rapp, Politique strasbourgeois; ders., Administration strasbourgeois; ders., Chateauxforts; ders., Val de Villé; ders., Villes; ders., Strasbourg. 305 Dazu Ammann, Wirtschaftsbeziehungen; ders., Wirtschaftsgeltung. 306 Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 45–68.
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terialen übertrug, die von ihm auf Lebenszeit eingesetzt wurden.307 Daneben vergab er inner- wie außerhalb der Stadt Lehen, um seinen EinÁuss zu erhöhen und zu festigen. Im zweiten Stadtrecht werden zwölf „Consules“ genannt, die sich aus den Reihen der Bürger und der Ministerialen rekrutieren sollten.308 Nach dem so genannten „Bellum Waltherianum“ schloss der damalige Bischof 1263 einen Friedensvertrag mit der Stadt, der eine Neuregelung ihres Verhältnisses einleitete.309 In diesem Frieden bekam der städtische Rat neue herrschaftliche Rechte in der Stadt zugesprochen und durfte ab diesem Zeitpunkt eigene Statuten erlassen und über Allmende und Spital frei verfügen. Überdies erhielt er ein weitgehendes Bündnisrecht und wurde zum obersten Gericht für das Hochstift bestimmt. Auch seine Zusammensetzung war nun nicht mehr von der bischöÁichen Zustimmung abhängig. Interessant ist dabei die Bedeutung des alljährlich stattÀndenden Schwurs, den der aus 24 Räten und vier so genannten „Stettmeistern“ bestehende neue Rat dem Bischof leistete: Denn obwohl dieser die Wahl der Räte nicht mehr bestimmte, war dieser symbolische Akt der Anerkennung der bischöÁichen Stadtherrschaft für das Selbstverständnis der Stadt zentral.310 Die Zusammensetzung des Straßburger Regiments veränderte sich im Verlauf des Mittelalters häuÀg und war sowohl sehr eng mit dem Verhältnis der jeweiligen Führungsgruppen untereinander als auch von diesen zum Bischof verbunden. 1263 kann als Scheidepunkt für die Führungsgruppen der Stadt angesehen werden, da damals zahlreiche bischöÁiche Ministeriale die Stadt verließen und sich auf dem Land niederließen, während der Rest der Ministerialenfamilien das neue Patriziat bildete. Die Mitglieder dieser Familien wurden als „KonstoÁer“ bezeichnet.311 Ab diesem Zeitpunkt übernahm das Patriziat die politische Führung und stellte 24 Räte sowie den Schultheißen, während die Zünfte damals keinen Anteil an der Politik 307 Das erste Straßburger Stadtrecht nennt die vier wichtigsten Ämter der Stadt. An erster Stelle stand dabei der Schultheiß, dem drei gewählte Bürger zur Seite standen. Auf ihn folgte der Burggraf, der die Befestigungsanlagen, die Märkte und die elf bereits bestehenden Zünfte überwachte sowie für die innere Sicherheit der Stadt zuständig war und der Zoller, der die bischöflichen Steuern erhob und Brücken, Straßen, Maße und Gewichte kontrollierte. Der Münzmeister schließlich zeichnete sich über die Herstellung und Richtigkeit der in der Stadt geprägten Münzen zuständig, vgl. von Heusinger, Zunft, S. 34 ff. 308 Ebd. 309 Rapp, Straßburg zur Zeit Gutenbergs, S. 89 ff. 310 von Heusinger, Zunft, S. 41 f. 311 Maschke, Verfassung, S. 304; Dollinger, Patriciat noble, S. 52. Die damals getroffene Unterscheidung in „Edle“ und „Burger“ sagt nichts über ihre wirtschaftlichen Tätigkeiten aus. Die Edlen, in den Quellen „ritter“ oder „armiger“ genannt, besaßen zum größten Teil Lehen auf dem Land, lebten von den Einkünften aus Renten und strebten einen weitgehend adligen Lebensstil an. Die „Burger“, die in den Quellen überwiegend „cives“ genannt werden, betrieben in erster Linie Handels- und Geldgeschäfte, von Heusinger, Zunft, S. 39 ff.; vgl. auch Winkkelmann, Strassburgs Verfassung, S. 515; Dollinger, Patriciat strasbourgeois, S. 42ff. „Konstofel“ leitet sich von lateinisch „constabularii“ = Stallgenossen ab und rührt von einer früheren Einteilung der Stadt in mehrere (militärische) Bezirke, vgl. dazu Dollinger, Ville libre, S. 131–134; Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 515; Dollinger, Patriciat strasbourgeois, S. 44; dazu jüngst Gloor, Politisches Handeln, S. 119–144.
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hatten, was zu erheblichen innenpolitischen Spannungen führte.312 1332 kam es zu einer Verfassungsänderung, bei der sich die KonstoÁer mit den führenden Vertretern der (Handels-) Zünfte verbündeten.313 Das führte zu einer ersten Ratsbeteiligung der Händler, und auch reiche Bürgerfamilien waren von nun an ebenfalls im Rat unter den KonstoÁern vertreten, so dass sich der Rat 1333 aus acht Adligen, 14 Burgern und 25 Zünftigen zusammensetzte. Hinzu gesellten sich zwei Stettmeister und, als Vorsteher der Zünfte, ein Ammeister.314 1349 kam es erneut zu einem politischer Umsturz, in dessen Verlauf die Regelung getroffen wurde, dass das Oberhaupt der Stadt, der Ammeister, fortan den Zünften angehören sollte, wodurch sich das politische Gewicht zu den Zünften verlagerte.315 Als 1362 im Zuge eines Erlasses viele KonstoÁer zu den Zünften wechselten und überdies der Übertritt von Zünftigen zu den KonstoÁern verboten wurde, führte das zu einer Stärkung der Zünfte316. Gleichzeitig wurde die Stellung des Bischofs weiter geschwächt, was vor allem auf die hohe Verschuldung des Hochstifts zurückzuführen ist.317 Seine Gläubiger waren überwiegend Straßburger Bürger.318 Die Verschuldung hatte Einbrüche auf dem Kapitalmarkt zur Folge, von denen Personen betroffen waren, die von Renteneinkünften lebten. Eine 1392 über Straßburg verhängte Reichsacht führte zu weiteren Ànanziellen Engpässen, so dass die Straßburger Räte ab 1406 gemeinsam mit dem Domkapitel das bischöÁiche Vermögen verwalteten. 1419 kam es zum „Dachsteiner Krieg“, einer militärischen Auseinandersetzung zwischen dem Bischof und der Stadt, die durch KonÁikte der führenden KonstoÁerfamilien und den Zünften ausgelöst wurde und in deren Verlauf sich der Bischof auf die Seite der aus der Stadt gezogenen KonstoÁer stellte.319 Ein danach entstandener Schwörbrief dokumentiert die gewachsene Bedeutung der Zünfte: So bestand der Große Rat ab diesem Zeitpunkt aus 28 Zünftigen und 14 KonstoÁern.320 312 Nach und nach nahm zudem der Überhang der Edlen gegenüber den Burgern zu: So bestand der Rat von 1319 aus 22 Rittern, zwei Edelknechten und keinem Burger, Beispiel aus von Heusinger, Zunft, S. 25. 313 Maschke, Verfassung, S. 318; Dollinger, Patriciat noble, S. 74; Rapp, Straßburg zur Zeit Gutenbergs, S. 91 ff. 314 Im gleichen Jahr erwarb der Rat einige der bischöÁichen Ämter, die zuvor als Lehen in den Händen der Ministerialen gewesen waren, vgl. von Heusinger, Zunft, S. 41 ff. 315 Maschke, Verfassung, S. 304 f.; S. 313; S. 318 f.; Dollinger, Patriciat noble, S. 78. 316 von Heusinger, Zunft, S. 42 f. 317 Rapp, Straßburg zur Zeit Gutenbergs, S. 90 f. 318 Wunder, Straßburger Landgebiet. 319 Im Jahr 1415 war überdies der Bischof gefangengenommen worden, was zur Intervention von König, Papst und dem Konzil von Konstanz, die die Stadt daraufhin mit dem Bann belegten, Alioth, Gruppen an der Macht, 38 f. Zum „Dachsteiner Krieg“ vgl. Alioth, Gruppen an der Macht; Hatt, Strasbourg, S. 13; von Heusinger, Zunft, S. 195–200. Die im Zuge dessen aus der Stadt ausgezogenen Familien gründeten nach ihrem Auszug die so genannte „Vereinigte Ritterschaft usser Strassburg“, was Zeugnis von ihrer adligen Selbstsicht ablegen kann, Dollinger, Patriciat strasbourgeois, S. 48. 320 Mit der so genannten „Speyerer Rachtung“ wurde 1422 ein Frieden zwischen Bischof und Stadt geschlossen, in dem der Bischof den Status Straßburgs als Freie Stadt anerkannte. Der Krieg entmachtete das Patriziat und führte zu dessen zahlenmäßiger Schwächung, da viele der
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Der KonÁikt hinderte den Stadtadel daran, sein Herrschaftsmonopol zu behaupten.321 Das hatte zur Folge, dass zahlreiche patrizische Familien aus der Stadt zogen und letztlich die Zahl der patrizischen Trinkstuben von ursprünglich zehn auf zwei reduziert wurde.322 Ein 1463 unternommener Versuch, diese beiden Trinkstuben ebenfalls zusammenzulegen, scheiterte am Streit ihrer Mitglieder um die daraus resultierende neue Sitzverteilung im Rat.323 Jeder männliche Bürger, der nicht zu einer der erwähnten Trinkstuben gehörte, musste Mitglied in einer der 28 Zünfte werden, von denen jede einen Schöffenrat besaß, der sich insgesamt aus fünfzehn Mitgliedern zusammensetzte und an deren Spitze der auf Lebenszeit gewählte Oberherr stand.324 In Straßburg wurden nicht diese, sondern Zunftgenossen in den Rat gewählt, doch waren von diesen nur wenige abkömmlich genug, um an den häuÀgen Ratssitzungen teilzunehmen.325 Hinzu gesellten sich noch Gerichtssitzungen, diplomatische Missionen und Versammlungen der verschiedenen städtischen Gremien, so dass vor allem die kleineren Zünfte zunehmend aus der Politik der Stadt verdrängt wurden. Wie in anderen Städten war damit auch in Straßburg Abkömmlichkeit das entscheidende Kriterium für die Wahrnehmung von politischen Aufgaben. Das führte langfristig dazu, dass sich die Anzahl der Zünfte von 28 auf 20 zwischen 1462 und 1482 reduzierte.326 Der Große Rat, der jährlich zur Hälfte neu gewählt wurde, bestand seit 1422 aus 24 Zünftigen, zwölf KonstoÁern und dem zünftischen Ammeister, deren Amtszeit seit 1456 zwei Jahre betrug. Versammlungsort war die Ratsstube auf der Pfalz.327 In den 1420er Jahren bildete sich eine Kommission, welche die Ratsver-
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KonstoÁerfamilien danach nicht mehr in die Stadt zurückkehrten. Zudem war ihnen eine Rückkehr nur unter der Bedingung erlaubt, dass sie die neue Rolle der Zünfte anerkannten, vgl. von Heusinger, Zunft, S. 186 ff; Dollinger, Patriciat strasbourgeois, S. 48. Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 513 f. Dollinger, Ville libre, S. 131–134; Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 515; Alioth, Gruppen an der Macht, S. 164–250. So nimmt man an, dass es in der Mitte des 15. Jahrhunderts nur noch 100 KonstoÁer und 3291 Zunftgenossen gab, vgl. Dollinger, Patriciat strasbourgeois, S. 49–54. Eheberg, Urkunden, Nr. 70, S. 216 f.; dazu vgl. Dollinger, Patriciat strasbourgeois, S. 48 f. Die 28 Zünfte wurden im Jahre 1482 auf 20 reduziert. Die Namen der Zünfte leiteten sich häuÀg von dem ihrer Trinkstube ab; so gab es die Zunft der SchifÁeute oder „Zum Anker“, die der Krämer oder „Zum Spiegel“, die der Metzger oder „Zur Blume“, die der Wirte oder „Zum Freiburger“, die der Tucher, der Kornhändler oder „Zur Laterne“, die der Salzmutter oder „Zur Mörin“, die der Goldschmiede, Maler und Schildmacher oder „Zur Stelze“, die der Brotbäcker, Kürschner, Küfer, Gerber, Weinstecher, Schneider, Schmiede, Fischer, Wagner, Fuhrleute, Gärtner und Maurer, vgl. Hatt, Strasbourg; Alioth, Gruppen an der Macht, S. 586–599; Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 516 f. Die oberste Instanz der Schöffenversammlung bestand aus 300 Mitgliedern, die aber nur auf Antrag des Großen Rates einberufen wurde. Daneben stellten die Zünfte jährlich 28 Zumänner, aus denen sich die verschiedenen Kommissionen und Ausschüsse rekrutierten, Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 519 f.; Voltmer, Wächter, S. 237 u. S. 241. Voltmer, Wächter, S. 237; Hatt, Strasbourg, S. 21 ff. von Heusinger, Zunft, S. 208–213; Maschke, Verfassung, S. 438; Alioth, Groupes, S. 240 f. Zum Großten Rat vgl. den betreffenden Ratschlag der Fünfzehner und Einundzwanziger bei Eheberg, Urkunden, Nr. 196, dazu auch Winckelmann, Strassbugs Verfassung, S. 522f.;
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fassung revidieren und erneuern sollte. Das im Zusammenhang mit der vorliegenden Arbeit wichtigste Ergebnis der damals getroffenen Beschlüsse war die Einführung der drei so genannten „Geheimen Stuben“ der „Dreizehner“, „Fünfzehner“ und „Einundzwanziger“.328 Aus diesen setzte sich das ständige Regiment zusammen, da ihre Mitglieder auf Lebenszeit gewählt wurden. Hinsichtlich der Innenpolitik der Stadt Straßburg hatten die „Fünfzehner“ die größte Bedeutung, da sie die Kontrolle über die gesamte städtische Verwaltung innehatten.329 Die genaue Entstehungsgeschichte der Fünfzehner ist unklar, und sie lassen sich erst seit 1416 belegen.330 Als Begründung für die Schaffung des Gremiums wurde damals angegeben, dass die Ratserlasse in den letzten Jahren immer wieder gebrochen worden seien, weswegen man sich zur Schaffung einer Kontrollinstanz gezwungen sehe. Die Fünfzehner setzten sich aus zehn Zünftigen und fünf KonstoÁern zusammen, und es durften keine amtierenden Ammeister oder Ratsherren sowie keine Altammeister in diesem Gremium sitzen. Den Vorsitz führten je ein KonstoÁer und ein Zunftmitglied für ein halbes Jahr. Die wichtigste Aufgabe der Fünfzehner war die Überwachung der städtischen Ordnung und der einzelnen Amtsträger, und es stand ihnen außerdem zu, neue Gesetze einzubringen sowie Gutachten über mögliche, vom Rat eingebrachte Verbesserungsvorschläge zu erstellen.331 Auch bei den Ratswahlen spielten sie eine wichtige Rolle und kontrollierten zudem das städtische Zunft-, Bau- und Finanzwesen. Wenn eines ihrer Mitglieder starb, hatten die anderen Fünfzehner das Recht, sich durch Kooptation selbst zu ergänzen. Bedingung war dabei, dass der Kandidat mindestens 33 Jahre alt war, doch wurde in der Praxis selten jemand gewählt, der nicht zuvor Rat gewesen war.332 Wie bei der noch vorzustellenden Dreizehnerstube garantierte die lebenslange Mitgliedschaft, dass es sich bei den Fünfzehnern um einÁussreiche innenpolitische Spezialisten handelte. Für die Bedeutung und Machtkonzentration einzelner Amtsträger spricht, dass es erlaubt war, sowohl Mitglied in der Dreizehner- als auch in der Fünfzehnerstube zu sein.333
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Alioth, Gruppen an der Macht, 124. Die zwölf patrizischen Mitglieder durch Kooptation vom gesamten Großen Rat gewählt, vgl. Alioth, Gruppen an der Macht, S. 409–416; Dollinger, Ville libre, S. 139 f.; Livet/Rapp, Histoire de Strasbourg, S. 110; Brady, Ruling Class, S. 57; Rapp, Straßburg zur Zeit Gutenbergs, 90 f.; Winckelmann, Strassburgs Verfassung, 515. In der Ratsstube saßen die KonstoÁer auf der oberen, die Zunftmitglieder auf der unteren Bank. Für das Jahr 1470 vgl. Eheberg, Urkunden, Nr. 85. Alioth, Gruppen an der Macht, S. 144–148. Voltmer, Wächter, S. 238; von Heusinger, Zunft, S. 142 ff. u. S. 176; Schmoller, Tuch- und Weberzunft, S. 45–62; Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 526f.; Maschke, Verfassung, S. 348; Livet/Rapp, Histoire de Strasbourg, S. 111 f.; Hatt, Strasbourg, 27 f.; Brady, Ruling Class, S. 164 f. In diesem Jahr erkannten Meister und Rat, Schöffel und der Amman die Fünfzehner an, vgl. Alioth, Gruppen an der Macht, S. 144. Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 526; Isenmann, Stadt im Spätmittelalter, S. 142; Alioth, Gruppen an der Macht, S. 145 f. Alioth, Gruppen an der Macht, S. 148. Davon spricht zumindest ein „Gutachten über die Frage, ob die Dreizehner auch zugleich Fünfzehner sein können“, Eheberg, Urkunden, Nr. 221.
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Ein weiteres wichtiges Gremium innerhalb der Stadt Straßburg waren die so genannten „Einundzwanziger“, deren genaue Entstehungszeit ebenfalls unklar ist. Doch ist im Jahr 1396 eine erste Beratung von einer als Einundzwanziger bezeichneten Gruppe in den Quellen zu belegen334. Die Einundzwanziger bestanden aus den Ratsherren der Dreizehner und der Fünfzehner sowie vier weiteren Mitgliedern, die keinem dieser Gremien angehörten.335 Seit 1448 umfassten sie 32 Mitglieder, waren dem Rat als beratendes Gremium zugeordnet und setzten sich aus zehn KonstoÁern und 22 Zünftigen zusammen.336 Rein theoretisch konnten nur der amtierende Ammeister oder fünf Ratsherren gemeinsam die Hinzuziehung der Einundzwanziger beantragen, doch praktisch waren sie an nahezu allen politischen Entscheidungen beteiligt. Lediglich die Gerichtsfunktion nahm der Rat alleine wahr.337 Die stabil zusammengesetzten Einundzwanziger und der wechselnd besetzte Rat waren wichtige Entscheidungsgremien Straßburgs. Wenn man weiterhin die starken personellen Überschneidungen bedenkt – ein Drittel von ihnen saß im Rat -, bestand das Straßburger Regiment aus lediglich 52 Personen, von denen zwanzig jährlich neu gewählt wurden.338 Im Hinblick auf Straßburgs Außenpolitik war die „Dreizehnerstube“ das wichtigste Gremium, da ihr Aufgabenbereich die Kriegsführung, Außenpolitik und Diplomatie umfasste.339 Daher sind es die Dreizehner, die sich als maßgebliche Diplomaten der Stadt auf den Versammlungen der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition nachweisen lassen. Wie bei den Fünfzehnern und Einundzwanzigern ist auch ihre genaue Entstehungsgeschichte unklar, da Kompetenzen, Zusammensetzung und Wahlmodus erst von den Fünfzehnern 1448 schriftlich Àxiert wurden.340 Demnach sollten sich die Dreizehner aus dem jeweils amtierenden Ammeister, vier KonstoÁern und acht Zünftigen zusammensetzen. Von den Sitzen, die von den Zünften wahrgenommen wurden, waren insgesamt vier (Alt-)Ammeistern vorbehalten, was deren Bedeutung offenbart und zeigt, dass ihre politische Macht wesentlich auf den Dreizehnern basierte. In der Dreizehnerstube saßen die erfahrensten und wichtigsten außenpolitischen Experten, und eine Mitgliedschaft dort kann man sowohl als Sprungbrett für 334 Alioth, Gruppen an der Macht, S. 148. 335 Vgl. die „Ordnung der Wahl der Einundzwanzig“, Eheberg, Urkunden, Nr. 212 und 213. 336 Zu den KonstoÁermitgliedern: Fünf von den Fünfzehnern, vier aus den Dreizehnern und einem ledigen Mitglied, Voltmer, Wächter, S. 239; vgl. auch Maschke, Verfassung, S. 348; auch Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 525; zu den Zunftmitgliedern: Zehn von den XV, acht aus den XIII und drei ledigen Mitgliedern, Voltmer, Wächter, S. 239; Livet/Rapp, Histoire de Strasbourg, S. 111 f.; Hatt, Strasbourg, S. 24 ff.; Brady, Ruling Class, S. 164 f. 337 Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 535 f. 338 Voltmer, Wächter, S. 239; Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 535 f. 339 Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 527–533; Isenmann, Stadt im Spätmittelalter, S. 142; Maschke, Verfassung, S. 348; Hatt, Strasbourg, S. 26f.; Brady, Ruling Class, S. 164 f. 340 Eheberg, Urkunden Nr. 45, S. 159, vgl. dazu auch den Ratschlag der Fünfzehner im 1465: Eheberg, Urkunden, Nr. 75. Einer der Vorläufer der Dreizehner ist wahrscheinlich in den so genannten „Neunern“, dem bis 1433 fassbaren Kriegsrat der Stadt, zu suchen, dazu vgl. Alioth, Gruppen an der Macht, S. 139 ff.
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eine als auch als Zeichen von einer erfolgreichen politischen Karriere ansehen. An den Sitzungen der Dreizehner nahm als Protokollant immer auch der Stadtschreiber teil, der damit zu dem am besten informierten Personenkreis innerhalb der Stadt gehörte und dessen Bedeutung für die städtische Diplomatie unterstreicht. Hinzu gesellte sich noch der jeweils amtierende Stettmeister. Den Vorsitz über das Gremium führte der amtierende Ammeister. Dieser besaß das Recht, Sitzungen der Dreizehner einzuberufen und die Anwesenden um ihre Meinung zu bestimmten Sachverhalten zu befragen.341 Mitglieder, die nicht erschienen, hatten in der darauffolgenden Sitzung ein Bußgeld zu entrichten.342 Mit Ausnahme des Stadtschreibers war man sein Leben lang Dreizehner, was im Hinblick auf die so möglich werdenden Spezialisierungsmöglichkeiten interessant ist und einem gewissen Grad an Institutionalisierung städtischer Außenpolitik Vorschub leistete. Gleichzeitig deutet sich an, dass die Dreizehner maßgeblich an der Transformation von Informationen zu Wissen und an der Entwicklung von politischen Handlungsoptionen beteiligt waren. Auf diese Weise schufen sie die Basis für die herausgehobene Stellung Straßburgs und ihrer Verbündeten. Es kam nur zur Neuwahl, wenn ein Dreizehner starb, sein Bürgerrecht aufgab, freiwillig zurücktrat oder zum Ammeister gewählt wurde. Ihre herausgehobene Stellung offenbart sich überdies an der Tatsache, dass eine Neubesetzung innerhalb von drei Tagen erfolgen musste. Bedingung war dabei zumindest theoretisch, dass der Kandidat zuvor mindestens ein Jahr Rat gewesen sein musste. In der Praxis sah das jedoch meist so aus, dass man sich entweder auf einen Angehörigen der Fünfzehner oder auf jemanden einigte, der sich bereits in einem städtischen Amt bewährt hatte. Bei den KonstoÁern gab es weiterhin die Einschränkung, dass niemals zwei Verwandte gleichzeitig Dreizehner sein durften.343 Versammlungsort der Dreizehner war vermutlich ein Raum im Straßburger Rathaus. Laut einem Memorandum aus dem Jahr 1420 wurden ihnen Dinge anvertraut, die in den Bereich von militärischen Auseinandersetzungen gehörten.344 Über etwaige Maßnahmen sollten sie sich beraten, um dem Rat ihre Meinung danach mitzuteilen. Die Dreizehner waren zudem dafür zuständig, die Stadt in einem guten Verteidigungszustand zu halten und mussten die Befestigungen und deren Instandhaltung beaufsichtigen. Im Jahr 1476 waren beispielsweise sie es, die beim Papst anfragten, ob man die außerhalb der Stadtmauer gelegenen geistlichen Einrichtungen aufgrund der jüngsten Kriegsereignisse in die Stadt verlegen könne.345 Weiterhin kam ihnen im Falle eines Krieges beziehungsweise in dessen Vorfeld das Recht 341 Dies bestätigt der Ratschlag der Fünfzehner im Jahr 1465: „[W]ann der ammeister die XII fürer besendet uff ein stunde, so sollent sie ein ganz stunde ziile haben“, Eheberg, Urkunden, Nr. 75. 342 Als Entschuldigung wurden lediglich die Krankheit oder Tod des Dreizehners selbst bzw. seiner Familienmitglieder akzeptiert, Eheberg, Urkunden, Nr. 75 u. 213. 343 Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 531f.; vgl. auch Gloor, Politisches Handeln, S. 292 ff. 344 Alioth, Gruppen an der Macht, S. 142. 345 Es ist „[…] beuolhen, an die XIII zś bringen, der clöstere halb vor der statt ein botschafft zu vertigen gen Rome an unsern heiligen vatter dem bobst zś erlangen verwilligung, das man die
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zu, Kundschafter und Spione auszusenden.346 Zudem warben sie Söldnertruppen an, schlossen Verträge mit diesen, und die Söldnerhauptmänner hatten ihnen Rechenschaft über die von ihnen geleisteten Dienste abzulegen. Sie führten die diplomatischen Verhandlungen für die Stadt und entwarfen in Zusammenarbeit mit dem Stadtschreiber Instruktionen für die städtischen Gesandten.347 Außerdem beeinÁussten sie die Auswahl der Delegierten und konzipierten Verträge und Bündnisse mit außenstehenden Herrschaftsträgern.348 Doch ist zu betonen, dass sie in ihren Entscheidungen von Rat und Einundzwanzigern abhängig waren, im Falle von Kriegen aber selbständig Entscheidungen treffen durften.349 Überdies hatten sie das Recht, eingehende Briefe als Erste zu öffnen und zu beantworten. Die aus ihrer lebenslangen Amtsdauer resultierende Kontinuität der Mitglieder hatte zur Folge, dass in diesem Gremium die wichtigsten politischen Experten für die Ressorts Diplomatie und Außenpolitik versammelt waren. Sie kamen täglich mit außenpolitischen Informationen und Themen in Berührung und waren qua Amt dazu verpÁichtet, an diplomatischen Missionen teilzunehmen, diese vor- und nachzubereiten und durchzuführen und Kriege zu organisieren. Durch dieses ständige „learning by doing“ konnten spezielle diplomatische Fähigkeiten eingeübt und optimiert werden. Die Stube ermöglichte ihren Mitgliedern auf diese Weise, spezielle politische Ressorts zu entwickeln, die als Ausdruck der Ausbildung bestimmter Wissensbestände bewertet werden müssen. Weiterhin waren die Dreizehner in der Lage, wichtige Kontakte aufzubauen, zu pÁegen, zu intensivieren und zu etablieren und damit die Außenpolitik der Stadt in Ansätzen zu institutionalisieren. Auf diese Weise garantierten die Dreizehner auch für befreundete beziehungsweise verbündete Herrschaftsträger eine kontinuierliche außenpolitische Linie und waren deren wichtigste Ansprechpartner, was in einem Folgeschritt für den Aufbau und die Etablierung von Vertrauen zwischen Straßburg und seinen Bündnispartnern sorgte. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass eine Analyse ihrer Mitglieder wesentliche Aufschlüsse über die Außenpolitik der Stadt Straßburg verspricht. 4. AKTEURE IN STRASSBURG Oberhaupt des Straßburger Gemeinwesens, der Verwaltung und städtischen Gerichte war der Ammeister, der aus den Reihen der zwanzig zünftigen Räte unter Ausschluss der KonstoÁer jeweils für ein Jahr gewählt wurde und nach Ablauf einer
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diser sweren löuffe halb abbrechen möge […]“ (AMS AA 261, fol. 63). Die Anfrage wurde vom Papst positiv beschieden. Siehe Kapitel F 2. Interessant ist in diesem Zusammenhang das „Rathschlagen über die Befugniss der Dreizehner oder städtischer Gesandten auf Kosten der Stadt zu zehren“, Eheberg, Urkunden, Nr. 222. Eheberg, Urkunden, Nr. 270: „Were aber, das der statt so ernstlich sache oder botschaft keme und fürviele, das man boten uff einen stutz yergenthin senden muoste, das nit verzogen werden noch beyten möchte […], so mögent die XIII soliche boten wol machen, die sie beduncket der statt die allererlichisten und die besten sin“. Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 530.
4. Akteure in Straßburg
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Zeitspanne von fünf Jahren dieses Amt wieder bekleiden durfte.350 Theoretisch war jeder zünftige Bürger über 35 Jahren zugelassen, der keinem fremden Herrschaftsträger durch Amt oder Lehen verpÁichtet war. Doch einigten sich die Räte in der Praxis meist auf jemanden aus den Reihen der Dreizehner, Fünfzehner oder Einundzwanziger. Wichtig war dabei, dass der Kandidat nicht aus einer der Zünfte stammen durfte, die bereits einen Altammeister stellten. Dieses Gebot wurde jedoch häuÀg umgangen, indem der Kandidat die Zunft wechselte.351 War der gewählte Ammeister zuvor Fünfzehner gewesen, musste er aus dieser Stube ausscheiden.352 Wenngleich er den Vorsitz im Großen Rat, bei den Einundzwanzigern und den Dreizehnern führte, war er in allen Fragen an die Entscheidungen dieser Gremien gebunden und hatte lediglich im Gerichtswesen eigene Befugnisse.353 Die Trinkstube des amtierenden Ammeisters wurde für die Dauer seiner Amtszeit zur so genannten „Ammeisterstube“, in der man ihn kostenlos bewirtete354 und fremde Gesandtschaften und Besucher empÀng, wofür die Stadt ihr Silbergeschirr zur Verfügung stellte und die Hälfte der Kosten übernahm.355 Das Amt des Ammeisters unterlag nach seiner Einführung 1332 zahlreichen Veränderungen.356 Als beispielsweise nach dem erwähnten „Dachsteiner Krieg“ zahlreiche Patrizier die Stadt verlassen hatten, sahen sich die Zünfte in der Lage, die Politik der Stadt stärker zu gestalten. Die Jahre 1465 bis 1482, die mit der ersten Amtszeit des Goldschmieds Heinrich Arge begannen, der Mitglied in einer Handelsgesellschaft war, waren „durch drei identische Sechs-Jahres-Zyklen bestimmt, in denen jeder Amtsträger exakt nach sechs und zwölf Jahren wieder Ammeister war“357. Dem je350 Voltmer, Wächter, S. 240; Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 600–604; Brady, Ruling Class, S. 164. Winckelmann gibt zur Wahl des Ammeister an, dass die Wahl „in der Weise [geschah], dass vor einer aus zwei Magistratspersonen und dem Stadtschreiber bestehenden Wahlkommission, den so genannten Churherren, jeder der zwanzig zünftigen Ratsherren [also unter Ausschluss der zehn adligen] einzeln und mündlich seine Stimme abgab“. Dabei war die Einhaltung des Ratsgeheimnisses wichtig; es entschied die relative Mehrheit, bei Unentschieden das Los. 351 Zur Praxis des Zunftwechsels vgl. von Heusinger, Zunft, S. 186–189. 352 Bei einer vorherigen Mitgliedschaft bei den Dreizehnern war das nur der Fall, wenn er „bisher zu den ledigen Dreizehnern, die noch nicht Ammeister gewesen waren, gehört hatte“, Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 602. 353 Beispielsweise führte er Voruntersuchungen, konnte Verhaftungen anordnen und amtierte in allen Streitsachen zwischen Bürgern als Schiedsrichter, vgl. Hatt, Strasbourg, S. 32f.; Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 618 f. 354 Vgl. dazu auch „Die Ordnung der Ammeisterstube“ aus dem Jahr 1468, Eheberg, Urkunden, Nr. 82. Im weiteren Verlauf erschien es als nicht sehr nützlich, dass man die Stube jährlich wechselte, so dass man sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (1573) dazu entschloss, sie auf eine Stube (Zur Lucern) zu verlegen, vgl. auch Bender, Weinhandel, S. 137–141. 355 Eheberg, Urkunden, Nr. 209 und 210. 356 „So war die Basis des Ammeistertums deutlich erweitert worden, viele Zünfte hatten nun Teil an der Macht“ (vgl. Alioth, Gruppen an der Macht, S. 123 u. S. 130–138). In der ersten Phase beispielsweise (1332–1348) zogen die Zünfte in den Großen Rat ein und 1333 wählten die KonstoÁer einen Ammeister auf Lebenszeit zum Vorsteher der Zünfte. 357 von Heusinger, Zunft, S. 142–148: So war der Kaufmann und Goldschmied Heinrich Arge in den Jahren 1465, 1471 und 1477 Ammeister, der der Weinleute-Zunft angehörende Klaus
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weiligen Amtsinhaber waren vier „Stettmeister“ beigeordnet, die sich aus den Reihen der KonstoÁer rekrutierten und ihr Amt für zwei Jahre innehatten, wobei aber jeder von ihnen nur für ein Vierteljahr das Amt bekleidete.358 Zu Beginn des Jahres wurden von den fünf im Rat sitzenden KonstoÁern zwei designiert, die mit den verbleibenden Stettmeistern dann für drei Monate regierten. Die Wiederwahl zum Stettmeister war nur nach einem Jahr möglich, doch bekleideten sie ihr Amt im Normalfall regelmäßig. Der amtierende Stettmeister verwahrte das Stadtsiegel und unterschrieb Briefe und Erlasse, durfte aber keinen EinÁuss auf deren Inhalte ausüben.359 Trotzdem besaß dieses Amt ein hohes Prestige, da man als Stettmeister auch an den Sitzungen der Dreizehner und Einundzwanziger teilnehmen durfte.360 Da es überwiegend Dreizehner und von diesen im besonderen Maß die (Alt-) Ammeister waren, die sich auf den wichtigsten diplomatischen Missionen der Stadt belegen lassen, sollen nun diese vorgestellt werden. Wenngleich in der Forschung immer wieder zu lesen ist, dass die Gesandtschaften in Straßburg stets von einem KonstoÁer und einem Zünftigen ausgeführt worden seien, lässt sich diese Annahme zumindest im Zeitraum der vorliegenden Arbeit nicht eindeutig nachweisen. Beim größten Teil der untersuchten Missionen waren die Ammeister allein oder gemeinsam mit Amtsvorgängern unterwegs. Lediglich wenn es sich um repräsentative beziehungsweise sehr lange Gesandtschaften handelte, bedurften die Ammeister der adligen „Unterstützung“ der KonstoÁer. Im alltäglichen diplomatischen Umgang jedoch, so beispielsweise bei Missionen nach Basel oder zu den Eidgenossen, waren die (Alt-)Ammeister im überwiegenden Teil der Fälle allein unterwegs. Im Untersuchungszeitraum amtierten Jakob von Amelung (1469/70 und 1475/76), Peter Schott (1470/71 und 1476/77), Heinrich Arge (1471/72), Klaus Baumgartner (1472/73), Konrad Riffe (1473/74) und Hans von Berse (1468/69 und 1474/75) als Ammeister. Da sich aufgrund der reduzierten Quellenlage in Straßburg für Arge, Riffe und Berse nur wenige bis gar keine diplomatische Tätigkeiten belegen lassen, kann auf diese drei im Folgenden nicht näher eingegangen werden. Ein solcher Mangel an Nachweisen für die diplomatischen Tätigkeiten von Straßburger Amtsträgern ist symptomatisch für die Straßburger Überlieferung. Daher ist es leider nur sehr begrenzt möglich, alle Ammeister im Untersuchungszeitraum biographisch zu behandeln sowie ihre diplomatischen Aktivitäten genau zu fassen. Vielfach sind nur Eckdaten wie ihr Eintritt in den Rat, Mitgliedschaft in Zünften oder ihre Amtszeiten als Ammeister bekannt. Auch über ihre Familien- oder Vermögensverhältnisse, mögliBaumgartner in den Jahren 1466, 1472 und 1478, der Krämer Konrad Riff 1467, 1473 und 1479, der den SchifÁeuten angehörende Hans Lumbart (bzw. nach dessen Tod Hans von Berse) 1468, 1474 und 1479, der Küfer Jakob von Amelung 1469, 1475 und 1481 und der Kornhändler Peter Schott d. Ä. in den Jahren 1470, 1476 und 1482 Ammeister der Stadt Straßburg, dazu auch Hatt, Liste des Membres, S. 156–160. 358 Dazu vgl. Maschke, Verfassung, S. 313; Winckelmann, Strassburgs Verfassung, S. 604f.; Brady, Ruling Class, S. 164. 359 So Àndet sich unter den Briefen und Erlassen immer der Passus „Wir […] der Meister und der Rat zu Straßburg thun kund“. 360 Voltmer, Wächter, S. 241.
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che Erziehungskonzepte oder Fremdsprachenkenntnisse lassen sich nur Vermutungen anstellen. Im folgenden Kapitel wird daher der Versuch unternommen, kurze Ämterbiographien von insgesamt drei Ammeistern aus dem Untersuchungszeitraum zu verfassen. Diese lassen es zumindest in Ansätzen zu, möglicherweise gegebene Spezialressorts der Gesandten auszumachen. Dabei werden eventuelle Mitgliedschaften in den drei erwähnten Stuben und Zünften genauso eine Rolle spielen, wie von ihnen oder ihren Familienmitgliedern zuvor oder aktuell ausgeübte Berufe. Mithilfe einer Verbindung des Inhalts der von ihnen beziehungsweise an sie geschriebenen Briefe und deren Einbettung in ihre jeweiligen Entstehungszusammenhänge können so teilweise die Aufenthaltsorte der Gesandten geklärt werden. Ein derartiges Vorgehen kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Das liegt in erster Linie in der reduzierten Quellenbasis begründet, da der größte Teil der ein- wie der ausgehenden Korrespondenz Straßburgs nicht erhalten ist. Hinzu kommt, dass weder Rechnungsbücher noch Protokolle der Sitzungen des Straßburger Führungsgremiums erhalten sind, welche die Kosten ihrer diplomatischen Missionen oder ihren jeweiligen Aufenthaltsort genau bestimmen ließen. Daraus resultiert eine für die Stadt im Vergleich zu Bern und Basel reduzierte Forschungsbasis.361 4.1. Peter Schott d. Ä. (1427–1504) Peter Schott war der wichtigste Diplomat Straßburgs bei der Zusammenführung der eidgenössischen und oberrheinischen Interessen. Die genaue Herkunft seiner Familie ist nicht bekannt, doch lassen sich ab Anfang des 13. Jahrhunderts zahlreiche politisch tätige Vertreter dieses Namens in Straßburg nachweisen.362 Seine Mutter stammte aus der angesehenen und einÁussreichen Straßburger Familie Wolf von Renchen.363 Auch Schotts Vater muss bereits eine wichtige Rolle in Straßburg gespielt haben, und es ist durchaus möglich, dass es sich bei ihm um den gleichnamigen Peter handelte, der 1433 mit dem Straßburger Friedrich von Sultz eine Handelsgemeinschaft gegründet hatte, die sich auf der Frankfurter Messe nachweisen lässt.364 Da es zwischen den beiden kurze Zeit später zu einem Streit kam, führte Schott die Gesellschaft ab 1434 alleine weiter.365 Da der hier betrachtete Peter Schott als Kornhändler bezeichnet wird und für die Kornleute im Rat saß, scheint seine Familie durch den Handel mit Getreide zu einem großen Vermögen gekom361 Das stellt auch Mathis, Pierre Schott, S. 15, fest; vgl. für die Außenpolitik u. a. Straßburgs zu Beginn des 15. Jahrhunderts in Ansätzen Jörg, Gesandte. 362 Mathis, Pierre Schott, S. 15. 363 Damit würde sie einer Familie entstammen, die seit dem Jahr 1342 in Straßburg nachweisbar ist und zwischen 1463 und 1581 einige Ratsherren stellte. Eine Genealogie der Familie Schott Àndet sich bei Mathis, Pierre Schott, S. 17. 364 Dieser Hinweis Àndet sich bei Alioth, Gruppen an der Macht, S. 449 f. 365 Ein Teilhaber der Gesellschaft handelte mit Tuch, weshalb Schott vielleicht in Kontakt mit der Diesbach-Watt-Gesellschaft gekommen sein könnte, deren Haupthandelsgut Tuch war. Dass sie auch einen Kontor in Frankfurt besaß, könnte ebenfalls zu einem Kontakt zwischen Schott und der Handelsgesellschaft geführt haben.
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men sein.366 Da sein Bruder noch im Untersuchungszeitraum mit Getreide handelte, hatte er mit Sicherheit ein Interesse an der Sicherstellung des Handels.367 Dadurch ergeben sich mögliche Verbindungslinien zu den eidgenössischen Städten, die ja, wie erwähnt, auf die Einfuhr von Getreide zwingend angewiesen waren.368 Er selbst war auch nach seinem Ratseintritt 1465 aktiv in Handelsgeschäften tätig, so dass bei ihm ein merkantiles Interesse vorauszusetzen ist, das ihn mit zahlreichen Personen der anderen betrachteten Führungsgruppen verband. Der Wissensstand, der daraus resultierte, ermöglichte es ihm einzuschätzen, was die 1469 erfolgte Verpfändung des Sundgaus für den Handel der oberrheinischen Reichsstädte bedeutete und ließ ihn aktiv eine gegen Burgund gerichtete Politik verfolgen. Peter Schott war mit Susanna von Cöllen († 1498) verheiratet, die ebenfalls aus einer einÁussreichen Familie stammte und deren Schwester eine Ehe mit dem später sehr einÁussreichen Jakob Mieg (* ca. 1420, † 1498) einging.369 Daran offenbaren sich einerseits Beziehungen der Familie Schott nach Basel, da die Miegs ursprünglich aus dieser Stadt kamen und noch in den 1470er Jahren Einnahmen aus Renten in Basel erhielten. Da Jakob Mieg 1464 einem Mitglied des Mülhausener Rats ein Haus in Mülhausen verkaufte, das sich zuvor im Besitz der Miegs befunden hatte, kamen die Schotts andererseits in Berührung mit der Führungsgruppe von Mülhausen.370 Und diese spielte eine wichtige Rolle beim Zusammengehen der Räte der oberrheinischen und eidgenössischen Reichsstädte.371 Sieht man sich die Eheverbindungen der Kinder von Peter Schott an, tritt der politische EinÁuss der Familie deutlich hervor372: So heiratete seine erste Tochter Margaretha (* ca. 1450) den 1461 zum Ammeister gewählten Wilhelm von Betschold, der später in den Adelsstand erhoben wurde.373 Ihre Kinder wiederum gingen Ehen mit den einÁussreichen Straßburger Familien Zorn von Bulach und Mieg ein, woraus Kontakte zu den Familien Prechter und Ingold hervorgingen, die im 16. Jahrhundert stark in Fernhandelsgeschäften tätig waren.374 Über letztere gelangten die Schotts abermals 366 Hier stellte er 1467 zwei Pferde unter, Eheberg, Verfassungsgeschichte, Nr. 79. 367 Mathis, Pierre Schott, S. 16. 368 Zu den hohen Gewinnen im Getreidehandel vgl. auch Steinbrink, Meltinger, S. 166–169; vgl. aber auch die Dissertation von Christian Jörg, der auf die engen Verbindungen zwischen den oberrheinischen Städten und von diesen zu den Eidgenossen hingewiesen hat: Jörg, Teure, insbesondere S. 118–162 u. S.182–206. 369 Die Cöllens lassen sich seit 1202 in Straßburg nachweisen, sind aber sehr schlecht erforscht, vgl. Mathis, Pierre Schott, S. 17 f.; zu Peter Mieg vgl. Mieg, Histoires généalogique, S. 1 f. Er erhielt im Jahr 1472 einen Wappenbrief, ebd., S. XXXIX f. 370 Ebd., S. XXXVII, Nr. 3 und Nr. 9. 371 Mieg, Histoires généalogique, S. XXXVII ff., sowie der Stammbaum der Familie Mieg in Basel, S. XV. 372 Die jüngste Tochter Schotts (* ca. 1457, † 1511) trat früh in das Kloster St. Agnes extra muros ein, das infolge der Burgunderkriege 1475/76 in die Stadt verlegt wurde, vgl. dazu Israel, Schott d. J., S. 242). 373 Zur Familie Bettschold vgl. Kindler-Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch 1, S. 68 f. 374 Zur Familie Prechter vgl. Kindler-Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch 1, S. 152 f.; zu den Beziehungen der Schotts zum Fernhandel vgl. Mathis, Pierre Schott, S. 17; Mieg, Histoires généalogique, S. 7 f.; Fuchs, Famille.
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in Kontakt mit der Basler Führungsgruppe, wie ein Brief des Baslers Rates Heinrich Zeigler an Hans Ingold offenbart, den er als seinen „Schwager“ bezeichnet.375 Diese Heiratsverbindungen zeigen, dass sich die Ratsfamilien durch untereinander geschlossene Heiraten noch enger miteinander verbanden. So lässt sich feststellen, dass im 15. Jahrhundert rund 75 Prozent aller Ehen innerhalb der städtischen Führungsgruppe Straßburgs selbst geschlossen wurden.376 Auf diese Weise wollten die führenden Familien ihre gesellschaftliche und politische Stellung auch für ihre Nachkommen sichern.
4.1.1. Schotts diplomatische Missionen (1470–1474) Peter Schott saß 1465/66, 1473/74 und 1479/80 für die Kornleute im Rat und amtierte 1470/71, 1476/77, 1482/83 und 1488/89 als Ammeister der Stadt. Seine diplomatischen Missionen und der aus diesen resultierende hohe Wissensstand ließen ihn zu einem der wichtigsten Straßburger Gesandten und Ansprechpartner der Bündnispartner werden.377 Dabei halfen ihm die zahlreichen Kontakte seiner Familie, die ihn mit wichtigen Schaltstellen inner- wie außerhalb Straßburgs verbanden.378 Er war einer der wichtigsten Diplomaten Straßburgs und Experte für Missionen, bei denen es um die Zusammenführung der eidgenössischen und oberrheinischen Interessen ging. Als amtierender Ammeister hielt er sich im November/Dezember 1470 als Gesandter beim burgundischen Landvogt Hagenbach in Ensisheim auf. Hintergrund dieser Mission war die nach Ansicht Straßburgs unnötige Machtdemonstration burgundischer Söldner, die ihr Lager ohne vorherige Absprache in dem im Weilertal gelegenen Ort Kestenholz aufgeschlagen hatten.379 Das war insofern schwierig, als Kestenholz zur Hälfte einer in Straßburg ansässigen Familie gehörte. Daher sollte Schott den Landvogt bitten, derartige Truppenverlegungen
375 Zu diesem Briefwechsel siehe Kapitel D 1.2. 376 So Kageneck, Patriziat; ders., Über das Patriziat, der für seine Berechnungen rund 400 Familien untersucht hat. 377 Mathis, Pierre Schott, S. 23, zählt für das Jahr 1474 sechs und für das Jahr 1475 zehn diplomatische Missionen Schotts. 378 Schott tat sich nicht nur in der Außenpolitik der Stadt hervor, auch bei internen Angelegenheiten der Stadt spielte er eine wichtige Rolle: So leitete er beispielsweise die Modernisierung der Befestigung der Stadt im Jahr 1475, versuchte 1477, die Ànanzielle Situation der Stadt zu verbessern und spielte eine Rolle bei der Verfassungsreform des Jahres 1482, die bis zur Französischen Revolution die Politik Straßburgs bestimmte. Neben seinem politischen lässt sich bei ihm religiöses Engagement nachweisen. 1481 war er Mitglied der so genannten Münsterfabrik, die das Geld für den Umbau des Straßburger Münster verwaltete und setzte sich – wahrscheinlich auf Betreiben seiner Frau – für die Aufnahme Geilers von Kaisersberg als Prediger in Straßburg ein. Der Bibliothek des Straßburger Münsters vermachte er zudem einen Teil seiner Bibliothek, Mathis, Pierre Schott, S. 18–21 u. S. 25; Israel, Schott d. J., S. 247 f.; zu Geiler vgl. Voltmer, Wächter. 379 AMS AA 260, fol. 25 (Straßburg an Peter von Hagenbach am 18. November 1470).
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künftig zu unterlassen.380 Ende Juli 1471 lässt er sich gemeinsam mit den Mitgesandten Mülnheim und Amelung in Heidelberg beim Pfalzgrafen bei Rhein belegen, wo sie zusammen mit Vertretern der Stadt Weissenburg erfolgreich über einen Friedensvertrag zwischen dem Pfalzgrafen und der Stadt verhandelten.381 Bereits hier offenbart sich ein erster diplomatischer Schwerpunkt Schotts, der in Gesandtschaften zum Pfalzgrafen lag.382 Beim Besuch Kaiser Friedrichs III. in Straßburg im August 1473 war es Peter Schott, der diesem gemeinsam mit den Stettmeistern Philipp von Mülnheim und Hans von Kageneck die Entscheidung des Rats mitteilte, dass man ihm den Treueid verweigern würde.383 Nach der Abreise des Kaisers reisten er und Mülnheim ihm Mitte September nach Metz nach, um ihm abermals die Gründe für diese Entscheidung der Straßburger Führung darzulegen.384 Auf ihrer Mission führten sie eine Instruktion mit Punkten bei sich, die sie zusätzlich ansprechen sollten. So sollten sie unter anderem Graf Haug von Werdenberg bezüglich der Straßburger Anliegen vor dem Kaiser „umb fürderunge […] bitten“ und diesem, falls er ihnen helfe, etwas schenken.385 Daran wird die Rolle von Vermittlern und Fürsprechern in der diplomatischen Praxis deutlich. Diese informellen Kontakte aufzubauen, zu pÁegen und zu konsolidieren war eine der wichtigsten Aufgaben der städtischen Gesandten, die damit gleichermaßen in Kontakt mit Informationen kamen, die sie, ihre Miträte und ihre Verbündeten sonst nur schwer erhalten hätten. Diese mussten dann in Wissen transformiert werden und führten im Idealfall zu ihrer besonderen Position in dem 380 Glaubt man dem Verfasser der Breisacher Reimchronik, wurde Peter Schott auf dem Rückweg überfallen, vgl. Mone, Reimchronik, S. 188. 381 Der Briefwechsel zwischen den Gesandten und der Stadt Straßburg Àndet sich in AMS AA 258, fol. 51–56. 382 Segesser, Abschiede Nr. 750a, S. 492: „Als die von Straßburg anbracht hand von des Pfaltzgraffen wegen, das der ouch gern in der vereynung were und dabi vil ursachs erzelt, das denen von Straßburg vast an der sach gedient wurde und inen noch kemen, sol man heimbringen und uff den nechsten tage zś Basel antworten“. 383 AMS AA 221, fol. 1r und 3r: „Aller gnedigister herre, daruff [bezüglich des Schwörens des Treueids, d. Verf.] sint die rete der stat Strasburg in demütiger meynunge, das solichs anmutens und swerens gegen Inen nit not sy […] darumb bitten sie uwer keiserlich maiestat gar demüticlich, sie als ein fry stat des heiligen Richs solichs swerens gnediclich zuuertragen, sunder bi dem Riche in altem harkomen gnediclich lossen zś bliben […]“. 384 Die genauen Aufgaben der beiden Gesandten Ànden sich in einer Instruktion, die sie neben anderen Dokumenten auf ihre Mission zum Kaiser mitbekamen. Das erste Blatt der Instruktion enthält eine vorformulierte Rede, die sie vor dem Kaiser halten sollten. Laut dieser sollten sie Friedrich III. an das stets gute Verhältnis zwischen seinen Vorgängern und Straßburg erinnern und ihm versichern, dass man nicht vorhabe, ein gegen ihn gerichtetes Bündnis einzugehen. Trotzdem würde es die Straßburger Führung nicht für notwendig erachten, dem Kaiser den Treueeid zu schwören (AMS AA 221, fol. 6 f.). Sie steht unter der Überschrift: „Her Philips von Mülnheim, ritter, und Peter Schott, altameister, gebent diese antwurt dem Keiser zu Metze und ritend furbaß gen Trier, als der Keiser und der Herzog von Burgunde zu Trier werent, LXXIII“ (fol. 6r). 385 Zu Haug von Werdenberg vgl. Heinig, Friedrich III.; zu dessen Rolle vgl. AMS AA 2221, fol. 6v: „Item graff Hugen von Werdemberg oder ander, wo uch gut beduncket umb fürderunge zü bitten und ettwas deshalb zu schencken“.
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gegen Burgund gerichteten Prozess. Mithilfe der Mittelsmänner Àel es den Führungsgruppen leichter, wichtige Schaltstellen am kaiserlichen Hof für ihre Interessen und Meinungen zu sensibilisieren.386 Für ihre Arbeit erhielten Kontaktpersonen dann eine ihrem Stand gemäße Gegenleistung in Form eines Geschenks.387 Ein weiterer Punkt in der Instruktion betraf den Prozess gegen die beiden in der Einleitung erwähnten Geiselnehmer der eidgenössischen KauÁeute. Deswegen sollten sie den Anwalt Straßburgs, Johannes Keller, bitten, möglichst schnell nach Straßburg zu kommen, um mit dem Rat das weitere Vorgehen in dem Prozess zu besprechen. Zuletzt wird deutlich, dass das Straßburger Führungsgremium von einer Weiterreise ihrer Vertreter nach Trier ausging, die dort den burgundischen Herzog treffen sollten.388 Käme es tatsächlich zu ihrer Anhörung, sollten sie dem Herzog zu verstehen geben, dass man das Verhalten seines Landvogts hinsichtlich der Einnahme von Ortenberg und dem Weilertal nicht akzeptiere. Daran offenbart sich ein weiterer wichtiger Arbeitsbereich von Schott, bei dem es sich um die Klärung der aus der burgundischen Herrschaft resultierenden Probleme handelte. In Trier fand ab Ende September ein Treffen zwischen dem burgundischen Herzog und Friedrich III. statt, das die eidgenössischen und die oberrheinischen Reichsstädte in Aufregung versetzte, da sie große Angst vor den möglichen Zugeständnissen des Kaisers hatten.389 Da sich für die beiden Straßburger Delegierten vor Ort keine Möglichkeit für Gespräche mit Karl dem Kühnen ergab, schrieben sie ihm am 9. Oktober einen Brief.390 Davon informierten sie ihre Miträte und berichteten diesen zudem von den Ereignissen, die diese wiederum sofort an die in Bern versammelten Eidgenossen weiterleitete.391 In diesem Schreiben an die Eidgenossen berichtete die Straßburger Führung ihnen von Truppenbewegungen burgundischer Söldner um Ludres und Freiburg i. Br. sowie von den Plänen des österreichischen Herzogs, gegen die Eidgenossen zu rüsten. Nähere Informationen über das Treffen Friedrichs III. und Karls des Kühnen könnten sie ihnen jedoch nicht mitteilen, da ihre Abgeordneten lediglich vom Einzug des burgundischen Herzogs berichtet hätten. Daran offenbart sich der enge Kontakt, der zwischen den Eidgenossen und Straßburg im Vorfeld der Burgunderkriege herrschte: Informationen, die man in Straßburg erhielt und die für den späteren Bündnispartner möglicherweise von Bedeutung waren, wurden diesem sofort übermittelt. Das Gleiche erwarteten sie im Gegenzug von den Eidgenossen. Der gegenseitige Informationsaustausch diente dazu, Vertrauen zu stiften und zu etablieren, auf das die späteren Bündnispartner vor allem in Krisenzeiten dringend angewiesen waren. Dem Prinzip der Gegenseitigkeit entsprechend wurde der Berner Rat von den eidgenössischen Abgeordneten am 14. Oktober da386 Vgl. dazu auch Heinig, Akteure und Mediatoren; Jörg, Gesandte, S. 38 f. 387 AMS AA 221, fol. 1r. Werdenberg fungierte als „Sprachrohr“ des Kaisers, wenn dieser etwas den städtischen Gesandten, beispielsweise auf Reichstagen, übermitteln wollte, vgl. beispielsweise den Reichstag in Augsburg im Mai 1474 bei Janssen, Frankfurts Reichscorrespondenz, Nr. 474, Nr. 4, S. 332. 388 Doppelte Überlieferung: AMS AA 222, fol. 1r und AA 261, fol. 1 f. 389 Zur Versammlung von Trier vgl. Ehm, Burgund, S. 117–193 (mit einschlägiger Literatur). 390 AMS AA 261, fol. 1. Die Abschrift der Übersetzung des Briefes in AA 261, fol. 2. 391 Vgl. Segesser, Abschiede Nr. 722, S. 459 f. (Bericht 1).
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mit beauftragt, dem Straßburger Rat für die gegebenen Informationen zu danken und ihn zu informieren, dass sich bald burgundische Gesandte an den Oberrhein und in die Eidgenossenschaft begeben würden.392 Eine Woche später vernahm man Informationen aus Trier, nach denen Karl der Kühne beabsichtigte, sich ins Elsass zu begeben.393 Zur gleichen Zeit hatte der burgundische Landvogt Mülhausen ein letztes Ultimatum zur Bezahlung seiner Schulden gestellt, was die Straßburger Räte und ihre Verbündeten vor Probleme stellte. Ihre Sorge über die baldige Ankunft Karls des Kühnen teilte Mülhausen dem Rat der Stadt Straßburg mit.394 Als dann Oswald von Tierstein Mitte November 1473 in Mülhausen erschien, von den Verhandlungen in Trier berichtete und ankündigte, Karl werde die Stadt dem Erdboden gleichmachen, wurde man dort noch nervöser.395 Hinzu kam das Gerücht, nach dem Friedrich III. den Herzog von Burgund zum König gekrönt habe. Ihre Sorgen wurden auch nicht geringer, als sie von der vorzeitigen Abreise des Reichsoberhaupts aus Trier erfuhren.396 Denn sie konnten sich vorstellen, dass Karl verärgert über dessen Verhalten war. Eine Versammlung, die deswegen ab dem 11. Dezember 1473 in Basel abgehalten wurde, brachte insofern eine Entscheidung, als man sich zur Entsendung einer Gesandtschaft zu Karl dem Kühnen entschloss.397 Während dort der amtierende Straßburger Ammeister Hans von Berse als Gesandter der Stadt anwesend war, begab sich Peter Schott am 20. Dezember 1473 nach Schlettstadt, um mit Kolmarer Vertretern über Einzelheiten des im Raum stehenden Bündnisses mit den Eidgenossen zu diskutieren.398 Die politische Lage wurde in jenen Tagen schwieriger. Beinahe täglich gingen Informationen über das Verhalten Karls des Kühnen ein.399 Das führte zum gemeinsamen Beschluss der Straßburger, Kolmarer und Schlettstädter Delegierten, Gesandte zu Karl dem Kühnen zu schicken.400 Dieser Entschluss resultierte in erster 392 StABe Dt. Miss. C, fol. 111 f., 14. Oktober 1473 (als Konzept) und in der Empfängerüberlieferung in AMS AA 264, fol. 14. 393 So die Formulierung in einem Brief des Pfalzgrafen bei Rhein an Straßburg (AMS AA 265, fol. 11). 394 AMS AA 262, fol. 8. 395 Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1700. 396 Vgl. den Brief des Straßburger Rats an den Markgrafen von Baden am 24. November 1473. Darin fragten sie nach, ob es den Tatsachen entspreche, dass Friedrich III. Karl den Kühnen gekrönt habe. Straßburg scheint diese Meldung direkt an Bern weitergeleitet zu haben, da sich dort ein Brief an die anderen Eidgenossen Àndet, in dem gleichermaßen von der angeblichen Krönung berichtet wird (StABe Dt. Miss. C, fol. 142, 29. November 1473). Zur Verbreitung der Nachricht in den unterschiedlichen Reichsteilen und im Herzogtum Burgund vgl. Von Seggern, Herrschermedien, S. 309–339. 397 Segesser, Abschiede Nr. 725, S. 462 f. 398 AMS AA 266, fol. 8, 24. Dezember 1473 (Brief der Gesandten Mülnheim, Arge und Schott an Straßburg). 399 Vgl. AMS AA 264, fol. 47 (Brief von Kolmar an Straßburg); StABe Dt. Miss. C, fol. 161 (Bern an Straßburg). Zum chronologischen Ablauf der Ereignisse vgl. Bittmann, Ludwig XI., S. 530–540 (ohne Angabe von Quellen); Walter, Symbolische Kommunikation. 400 So die Straßburger Gesandten in ihrem Brief an ihre Heimatstadt, AMS AA 266, fol. 8.
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Linie aus der Bedrohung des Weilertals.401 Gleichzeitig kamen auch die in Basel Versammelten unter Führung der Gesandten von Bern, Basel und Solothurn überein, ihre Vertreter zum Herzog zu senden, die letztlich erfolgreich die Schwierigkeiten Mülhausens lösten. Nebeneffekt der Komplikationen Mülhausens mit Burgund war ein noch engeres Zusammenrücken zwischen den Räten der oberrheinischen und den eidgenössischen Reichsstädte, die nach der Rückkehr der Abgeordneten intensive Bündnisgespräche führten.402 Das geschah zunächst durch Fest- und Sicherstellung der Rechte und Privilegien aller Beteiligten. Man vereinbarte, einander im Kriegsfall Hilfe zu leisten und das Bündnis auf zehn Jahre zu schließen.403 Innerhalb weniger Wochen folgten zahlreiche weitere Gespräche, bis man in Straßburg Ende Februar ein wichtiges Zwischenergebnis erzielte. Dort beschloss man, Herzog Sigmund von Österreich die für die Auslösung der an Karl den Kühnen verpfändeten Gebiete nötige Summe gemeinsam vorzustrecken.404 Straßburg trug mit 40.000 Gulden dabei die Hauptlast.405 Ende März/Anfang April 1474 kam es dann in Konstanz zu Verhandlungen über den Zusammenschluss zwischen den eidgenössischen und den oberrheinischen Reichsstädten.406 Aus Straßburg reiste Peter Schott nach Konstanz, der von den Räten seiner Heimatstadt während der Verhandlungen ständig mit Informationen versorgt wurde: Beispielsweise berichteten sie ihm von burgundischen Truppenbewegungen in Lothringen, teilten ihm Neuigkeiten aus Freiburg im Breisgau mit oder erinnerten ihn daran, sich entsprechend seiner Vollmacht zu verhalten.407 Nach den Bündnisabschlüssen überschlugen sich die Ereignisse in den ehemaligen Pfandlanden. Währenddessen nahmen Straßburger Truppen das Schloss Ortenberg wieder in Besitz, was Schott ebenfalls mitgeteilt wurde.408 Im Zuge des Aufstands gegen den burgundischen Landvogt nahm man diesen gefangen und klagte ihn in 401 In Kestenholz, einem im Weilertal gelegenen Dorf, war es kurz zuvor zu HandgreiÁichkeiten gekommen, deren Folge zwei tote burgundische Söldner gewesen waren. Das hatte Herzog Karl zum Anlass genommen, um den Ort zu brandschatzen und die Mörder zur Verurteilung mit sich zu nehmen, vgl. dazu Brauer-Gramm, Peter von Hagenbach, S. 244–257; Vaughan, Charles the Bold, S. 276f. Schott und seine Mitgesandten baten daher ihre Heimatstadt, ein Schreiben an Karl den Kühnen zu verfassen, um diesen um Begnadigung der Täter zu bitten. Gleich lautende Schreiben, so die Abgeordneten, würden auch der Straßburger Bischof, Kestenholz und Schlettstadt verfassen. Diese sollten den zu Karl dem Kühnen reitenden Gesandten mitgegeben werden. Letztlich war es ein Vertreter des Straßburger Bischofs, der zum burgundischen Herzog ritt, vgl. AMS AA 263, fol. 30. 402 Bittmann, Ludwig XI., S. 547 f. 403 Ebd. sowie der Abschied der Versammlung von Basel abgedruckt bei Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1730. 404 Vgl. Bittmann, Ludwig XI., S. 563 f. 405 Abschied von Straßburg abgedruckt bei Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1742 (23. Februar 1474). 406 Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 97f. u. S. 24ff.; Bittmann, Ludwig XI., S. 585 f. Zur Anwesenheit des Basler Bischofs vor Ort vgl. Hirsch/Fouquet, Haushaltsbuch, S. 410. 407 Zur Weiterleitung der Neuigkeiten aus Freiburg vgl. AMS AA 269, fol. 47; die Aufforderung an Schott, sich entsprechend seiner Vollmacht zu verhalten Àndet sich in AMS AA 223, fol. 17. 408 AMS AA 269, fol. 48 (19. April 1474).
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Breisach an. Wie aus einem Brief der Straßburger Führung hervorgeht, fungierte Schott gemeinsam mit seinem Ratskollegen Hans Völtsche neben den Baslern Hans von Bärenfels, Heinrich Iselin und Heinrich Zeigler als Hauptankläger in dem Prozess gegen Hagenbach.409 In diesem Brief baten die Räte ihre Abgeordneten um Informationen über die Personen, die sich momentan in Breisach aufhielten, und übermittelten zugleich eine Zusammenfassung eines Schreibens aus Bern, in dem auf einen schnellen Prozess gegen den Landvogt gedrängt wurde.410 Ein weiterer Brief seiner Heimatstadt erreichte Schott Anfang Mai.411 Darin informierten ihn die Räte über die Gefangennahme des Grafen von Württemberg durch den burgundischen Herzog Karl den Kühnen und befahlen ihm, dies an ihre „guten frunde“, die Eidgenossen, zu übermitteln. Einen Tag vor der Hinrichtung Hagenbachs berichteten sie ihm, dass es dem österreichischen Herzog noch nicht gelungen sei, Belfort, Ludres, Masmünster und Altkirch einzunehmen und Karl der Kühne eine Eroberung derselben beabsichtige.412 Das war insofern wichtig, als diese Orte in unmittelbarer Nähe Mülhausens und Montbéliards lagen. Daher baten sie ihn, sich mit dem österreichischen Herzog oder dessen Räten über das weitere Vorgehen zu beraten. Unmittelbar nach Hagenbachs Hinrichtung begab sich Schott von Breisach aus nach Ensisheim, wo er mit Basler Diplomaten Vorbereitungen für den Krieg gegen Burgund anstellte. Auch während dieses Treffens blieben die Straßburger Führung und Peter Schott ständig in Kontakt. Ein erstes Schreiben datiert auf den 20. Mai 1474 und enthält den Vorschlag, Briefe an den französischen König und andere Herrschaftsträger zu verfassen, um ihnen die Gründe für das Bündnis mit Österreich und den Eidgenossen mitzuteilen.413 Das geschah abermals auf Betreiben des neuen Bündnispartners Bern hin. Es sollte verdeutlicht werden, dass das Bündnis explizit gegen den burgundischen Herzog gerichtet sei, die Vergehen Hagenbachs aufgelistet und Ludwig XI. berichtet werden, dass der burgundische Herzog derzeit große Truppensammlungen durchführe. Diese waren auch Themata eines weiteren Briefs an Schott, der ihre Befürchtung enthielt, Karl der Kühne könne von zwei Seiten gleichzeitig angreifen.414 Schott sollte auch den Kaiser schnell über die Umtriebe des
409 Esch, Alltag, S. 54 f.; zum Verlauf des Breisacher Aufstands gegen Peter von Hagenbach vgl. Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 68–95, vor allem S. 89–95. 410 AMS AA 269, fol. 43. 411 AMS AA 269, fol. 44. 412 Zur Hinrichtung von Hagenbach vgl. Sieber-Lehmann, Beschreibung, S. 152 f. u. S. 233 ff.; ders., Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 92–95. Noch am selben Tag ging die Nachricht vom Tod Hagenbachs in Straßburg ein, so dass die Stadt seinen Gesandten beim Kaiser in Augsburg, Hans von Kageneck und Jakob Amelung, dies mitteilen konnte, AMS AA 269, fol. 39; zur Hinrichtung von Hagenbach vgl. auch Jucker/Loetz, Tod; Jucker, Tyrann. Der Brief an Schott Àndet sich in AMS AA 269, fol. 54. 413 AMS AA 269, fol. 55. 414 AMS AA 269, fol. 53, abgedruckt bei Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, Quellenanhang Nr. 7.
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Herzogs informieren, da man das Reichsoberhaupt zu einem Kriegsbeginn gegen Burgund bewegen wollte.415 In diese Kriegsstimmung Àelen zwei weitere Schreiben der Straßburger Führung, von denen das eine an Schott in Ensisheim, das andere an ihren Gesandten Jakob von Amelung in Augsburg gerichtet war.416 Während man Schott bat, im Namen der Bündnispartner einen Brief an den Kaiser zu schreiben, um ihn um Beistand gegen den burgundischen Herzog zu bitten, wurde Amelung aufgefordert, bei den anderen Reichsstädten nachzufragen, ob sie Straßburg in einem Krieg gegen Burgund unterstützen würden. Doch noch war es nicht soweit und lediglich die Räte von Bern und Basel betrieben militärische Vorbereitungen, während der größte Teil der Eidgenossen noch mit ihrer Zustimmung zögerte. Die nächste Station für Schott war Anfang August eine Versammlung der Eidgenossen in Luzern, wo er die Aufnahme des Pfalzgrafen in die Allianz gegen Burgund befürwortete.417 Wahrscheinlich war es auch Schott, der sich gemeinsam mit dem vorgestellten Berner Nikolaus von Scharnachtal für die Aufnahme Montbéliards in das Bündnis einsetzte.418 Denn wie der Einfall des Bruders des hingerichteten Landvogts in den Sundgau Mitte August offenbart, stellte dies eine besondere Notwendigkeit dar.419 Obwohl sich dieser Überfall primär gegen die oberrheinischen Reichsstädte richtete, werteten die Berner Räte ihn propagandistisch aus und stellten verstärkt Kriegsrüstungen an.420 Auf einer Ratssitzung des Kleinen Rats von Bern am 22. August 1474, an der wahrscheinlich auch Schott teilnahm, beschloss man, 500 Söldner an den Oberrhein zu verlegen und entschied sich, auch die anderen Eidgenossen in einem Brief für die Lage im Sundgau zu sensibilisieren.421 Die Argumentation in diesem Brief ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich422: So werden zunächst die Gräu-
415 Die gleiche Angst spricht aus einem weiteren Schreiben, das man am gleichen Tag an seinen beim Kaiser in Augsburg weilenden Gesandten Jakob Amelung richtete, AMS AA 269, fol. 49. Ende Mai kam es zu einer Versammlung von Vertretern des Straßburger Territoriums in Molsheim. Hier beschloss man, das gesamte Territorium in Kriegsbereitschaft zu versetzen, worüber man auch die verbündeten Städte Basel und Bern informierte, Abschied von Molsheim in AMS AA 266, fol. 21. 416 Der Brief an Schott Àndet sich in AMS AA 269, fol. 50 (31. Mai 1474). Abgedruckt Àndet sich dieser Brief bei Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, Quellenanhang Nr. 8; der Brief an Amelung in AMS AA 269, fol. 49 (31. Mai 1474). 417 Segesser, Abschiede Nr. 750, S. 492. 418 Bittmann, Ludwig XI., S. 667; von Liebenau, Mümpelgart. 419 Dazu Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 118–130. 420 Ebd., S. 120 f. 421 Dass neben den Berner Kleinräten auch Gesandte von Verbündeten auf der Sitzung zugegen waren, ergibt sich aus dem Zusatz „dazś gemein bundt“, der sich unter den anwesenden Kleinräten Àndet. Darauf, dass es sich dabei unter anderem um einen Straßburger und keinen Basler Vertreter gehandelt hat, könnten die für diese Woche fehlenden Ausgaben für etwaige Gesandte in den Wochenausgabebüchern hindeuten. Zudem unterrichtete man Basel in einem Brief über die auf der Sitzung gefassten Beschlüsse: „Desglich an die von Basel ouch und das si mannlich sind und die armen lute nit verlassen“, StABe RM 15, fol. 39. 422 StABe Dt. Miss. C, fol. 285f. Zur Einschätzung des Briefes vgl. Bittmann, Ludwig XI., S. 680; Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 121, Anm. 122 f.
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eltaten der Burgunder im Sundgau beschrieben und damit an das Mitgefühl der übrigen Eidgenossen appelliert, um sie direkt im Anschluss daran zu erinnern, dass sie in einem Bündnis mit den oberrheinischen Reichsstädten stünden. Und genau diese hätten sie stets mit Getreide und Wein versorgt, woran die wirtschaftlichen Begründungszusammenhänge des Kriegs gegen Burgund eindeutig zum Ausdruck kommen. Dass bei der Abfassung der ehemalige Kornhändler Schott zugegen war, dessen Bruder noch im Untersuchungszeitraum mit Getreide handelte, wirft ein interessantes Licht auf die Motivation für die Abfassung des Schreibens wie des Kriegs gegen den burgundischen Herzog überhaupt. Einen Tag später verließen die burgundischen Truppen den Sundgau bereits wieder, weswegen die Basler bei den Bernern um Zurückhaltung baten.423 Zeitgleich fand ein Treffen der „Niederen Vereinigung“ statt, von dem die Anwesenden Briefe an die übrigen Reichsstädte schrieben, die sich kurze Zeit später in Köln und Speyer trafen.424 Da in diesen die Verbrechen der Burgunder mit lebhaften Bildern beschrieben wurden, ist davon auszugehen, dass sie dem Zweck dienten, für einen möglichst starken Rückhalt im Reich zu sorgen.425 Sie sind so ein Beispiel für die später noch eingehend vorgestellte Bedeutung von Informationen als Propagandainstrument.426 In Bern, Straßburg und Basel rechnete man täglich mit dem Ausbruch der Kampfhandlungen gegen Burgund, doch waren vor allem die eidgenössischen Länderorte noch immer nicht davon überzeugt, gemeinsam mit dem französischen König und dem österreichischen Herzog einen Krieg gegen Karl den Kühnen zu führen. Daran änderte auch eine Versammlung der Eidgenossen nichts, die Anfang September in Luzern stattfand und an der neben Schott die wichtigsten Diplomaten Basels und Berns teilnahmen.427 Erst als der Berner Nikolaus von Diesbach ihnen gemeinsam mit französischen Gesandten das Offensivangebot des französischen Königs vorlegte, stimmten sie dem Krieg zu. 4.1.2. Schott als Hauptmann und Diplomat im Krieg (1474/75) Als Hauptmann der Straßburger Truppen und Dreizehner war Peter Schott auch in militärischen Fragen ein wichtiger Entscheidungsträger seiner Heimatstadt. Der erste Feldzug, an dem er teilnahm, führte ihn gemeinsam mit Friedrich Bock und insgesamt 2.100 Straßburger Soldaten nach Héricourt.428 Die erhaltenen Quellen 423 AMS AA 269, fol. 28. Vgl. dazu Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 121 f. 424 Zu diesem Vorgehen siehe Kapitel G 2; Sieber-Lehmann, Spätmittelalicher Nationalismus, S. 128 f. u. S. 159 f. 425 Vgl. dazu Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 419–424. 426 Ebd., S. 126; siehe auch Kapitel G 2. 427 Zu der erwähnten Versammlung in Luzern vgl. Segesser, Abschiede Nr. 755 (6.–10. September 1474). Vgl. dazu Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 124 ff.; Bittmann, Ludwig XI., S. 686 f. 428 Diese Zahlen ergeben sich aus dem Abschied von Basel vom 13. Dezember 1474, StABas, Politisches G 1, 3, fol. 31.
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lassen es in ungewöhnlicher Dichte zu, den InformationsÁuss zwischen der Stadt und ihren Hauptleuten nachzuvollziehen und beweisen, dass sie von Beginn des Auszugs an ständig in Kontakt miteinander standen. Ein erster Brief ist datiert auf den 28. Oktober 1474 und enthielt in einer Abschrift „nüwe meren“ vom Kriegsschauplatz Neuß, die der Straßburger Rat den beiden übermittelte.429 Einen Tag später wandte sich der Rat erneut in einem Brief an die beiden, informierte sie über Bündnisgespräche mit dem Pfalzgrafen und sandte ihnen eine Zusammenfassung derselben zu.430 Da dem Straßburger Rat bereits zuvor sehr viel daran gelegen war, den Pfalzgrafen in die gegen Burgund gerichtete Vereinigung einzubinden, baten sie darum, den Inhalt an die eidgenössischen Hauptleute zu übermitteln. Denn sie waren sich sicher, dass Schott dieses Anliegen mit Nachdruck vertreten würde, hatte er doch die Eidgenossen schon zuvor von einem Zusammengehen mit dem Pfalzgrafen zu überzeugen versucht. Ein weiteres Schreiben folgte am 5. November und enthielt die dringende Bitte um Nachrichten vom Kriegsschauplatz.431 Sechs Tage später offenbarten sich in einem Brief des Rats Schwierigkeiten, die man mit dem einleitend erwähnten Markgrafen von Baden-Hachberg hatte. Denn während die Berner Räte von seiner Loyalität überzeugt war, waren ihre Straßburger und Basler Amtskollegen noch unsicher und stellten sich die Frage, ob „er und die sinen burgundisch sint oder nit“432. Einen Tag später richteten sie erneut ein Schreiben an ihre Hauptleute, legten diesem einen Kundschaftsbericht mit Informationen aus Lothringen bei und baten um Weiterleitung derselben.433 Die folgenden Briefe der Straßburger zeigen, dass es zu Problemen mit Truppenteilen gekommen sein muss und verdeutlichen, dass die Hauptleute mit dem baldigen Beginn der Belagerung von Héricourt rechneten.434
429 AMS AA 269, fol. 57 (28. Oktober 1474). Zu den „nuwen meren“ siehe das Kapitel G 2.1. 430 AMS AA 269, fol. 63 (29. Oktober 1474); vielleicht handelt es sich bei der erwähnten Zusammenfassung um den Entwurf einer Einigung mit dem Pfalzgrafen bei Rhein (AMS AA 223, fol. 5–12). 431 AMS AA 269, fol. 64 (5. November 1474). Um diesem Wunsch Nachdruck zu verleihen, sandten die Straßburger Räte am nächsten Tag einen städtischen Boten ins Heerlager, AMS AA 269, fol. 66 vom 6. November 1474. 432 AMS AA 269. fol. 69 (11. November). An den Brief gebunden Ànden sich zwei Cedulae inclusae mit weiteren Informationen. Während es sich bei der ersten um die Kopie eines Briefes handelte, in dem der Schultheiß von Kentzingen seine Zweifel an Baden-Hachbergs Loyalität formulierte. AMS AA 269, fol. 68 enthält die zweite Informationen, nach denen der Kaiser für Ende November einen Reichstag nach Frankfurt einberufen hatte, AMS AA 269, fol. 67. 433 AMS AA 269, fol. 70. 434 AMS AA 269, fol. 71 (14. November 1474) und AMS AA 269, fol. 72 (15. November 1474). Sie baten den Rat in diesem um die schnelle Zusendung eines so genannten „Schirms“, eine Art Schirmdach für Geschütze. Dieser Wunsch macht deutlich, dass die Hauptleute mit dem baldigen Beginn der Kampfhandlungen rechneten. Umso wichtiger war es, dass alle Truppenteile gehorsam waren, wofür die Hauptleute unbedingt sorgen sollten, so der Befehl des Rats. Doch genau dieser scheint ein Problem gewesen zu sein. Denn im selben Brief wird erwähnt, dass man von der „ungehorsamkeit“ eines Krämers und eines Goldschmieds gehört habe, die man „gon Belfort schicken“ und dort bis zum Ende der Kampfhandlungen „in ein turm“ werfen sollte.
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Am 17. November 1474 gratulierte die Straßburger Führung ihren Befehlshabern zur Eroberung Héricourts.435 Die Nachricht habe sie im gesamten Territorium die Glocken läuten, Messen feiern und im Münster das „Te deum laudamus“ singen lassen.436 Zwei Tage später teilten sie Informationen aus Metz und Trier mit, baten um deren Weiterleitung an die verbündeten Hauptleute und zeigten sich in einem weiteren Brief erstaunt, dass Schott und Bock bei den Übergabeverhandlungen von Héricourt nicht dabei gewesen waren.437 Kurz darauf begaben diese sich nach Basel, wo für Ende November Gespräche über die Beute und die burgundischen Gefangenen geführt werden sollten.438 Da aber nicht alle Beteiligten den Tagungsort rechtzeitig erreichten, verschob man das Treffen auf Mitte Dezember 1474. Im Protokoll dieses Treffens wird erstmals vom „Kreiß der Vereynigung“ gesprochen, was die Verbindung der Bündnispartner unterstreicht, die durch die erste erfolgreiche Eroberung enger geworden war.439 Die vorgestellten Briefe offenbaren den regen Informationsaustausch zwischen den beiden Hauptleuten und den Räten ihrer Heimatstadt und zeigen, wie wichtig dieser gerade in Kriegszeiten war. Dadurch konnten beide, Räte wie Hauptleute, einen Wissensvorsprung entwickeln, der sie in die Lage versetzte, durch gezielte Informationsweiterleitung Vertrauen zwischen sich und den Bündnispartnern aufzubauen und ihre herausgehobene Position und die ihrer Verbündeten zu etablieren. Da es sich bei den betreffenden Schreiben um die Originalbriefe der Straßburger Führung handelt, müssen Schott und Bock sie nach dem Feldzug wieder mit nach Hause genommen haben. Eine derartige Informationsverdichtung lässt sich selten in den behandelten Jahren nachweisen.440 Der Grund für diese frühe Form einer Archivierung lag in den dadurch entstehenden erweiterten Möglichkeiten der Beteiligten, Befehlsabläufe und -strukturen zu rekonstruieren und zu optimieren, aus möglicherweise gemachten Fehlern zu lernen und auf diese Weise eine Art Rechtfertigung bei aufkommenden Schwierigkeiten zu haben. Daneben offenbaren die Briefe zusätzliche Arbeitsfelder, die den Hauptleuten neben der militärischen Organisation zukamen. Denn auch im Krieg waren ihr Informationsmanagement und ihre diplomatische Fähigkeiten gefragt, mussten sie doch zahlreiche Diskussionen mit den anderen Hauptleuten führen und stets aktuell entscheiden, welche Informationen sie an wen, wann und warum weitergaben. Besonders deutlich wird das bei den Zweifeln an der Loyalität des Markgrafen von Baden-Hachberg, die zu erheblichen Spannungen zwischen den Bündnispartnern führten: Hier war Verhandlungsgeschick gefragt.441 Derartige Verhandlungen wur435 AMS AA 269, fol. 13 (17. November 1474). 436 Dazu Signori, Ritual, S. 298. 437 Zur Weiterleitung der Informationen vgl. AMS AA 269, fol. 73 (19. November 1474). Das Erstaunen der Räte Àndet sich in AMS AA 269, fol. 74 (21. November 1474). 438 „Abschied“ dieser Versammlung im StABas, Politisches G 1, 3, fol. 24. 439 StABas, Politisches G 1, 3, fol. 27v. 440 So ist auch für den Feldzug nach Blamont im Juli/August 1475 eine derartige Sammlung von Schreiben geschehen. Diese sind sowohl als Originale als auch als Abschriften erhalten. 441 Die Berner setzten alles daran, um Straßburg und Basel von der Vertrauenswürdigkeit des Markgrafen zu überzeugen und richteten ihrerseits zahlreiche Briefe an ihre Hauptleute (vgl.
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den von einem Kriegsrat geführt, der sich aus den Befehlshabern der Koalitionstruppen zusammensetzte. Dieser Kriegsrat konnte stets dann einberufen werden, wenn wichtige Angelegenheiten zu besprechen waren. Vor diesem Hintergrund werden auch die zahlreichen Kopien von anderen Briefen verständlich, welche die Straßburger Führung ihren Befehlshabern zusätzlich zu den Schreiben übermittelte. Denn um adäquat mit den Bündnispartnern verhandeln und sie von bestimmten Meinungen überzeugen zu können, benötigten sie ständig neue Informationen. Gerade im Krieg bedeutete Informationsvorsprung Machtzugewinn, und ein erfolgreicher Oberbefehlshaber musste zugleich Diplomat sein. Schließlich wechselten sich Waffenruhe und Auseinandersetzungen ständig ab, und häuÀg wurden die Waffen nur niedergelegt, um auf diplomatischem Weg weitere militärische Auseinandersetzungen vorzubereiten.442 Nachdem die Gegner Karls des Kühnen sich Mitte Dezember 1474 in Basel über das weitere Vorgehen gegen Burgund und seine Verbündeten ausgetauscht hatten, beschlossen sie die Entsendung von Gesandten zum Kaiser.443 Gemeinsam mit anderen sollte Peter Schott diesem zunächst die Gründe für das eidgenössisch-oberrheinische Bündnis darlegen und den Verlauf der Eroberung von Héricourt schildern.444 Als einer der Straßburger Hauptleute auf dem Feldzug nach Héricourt war er bestens über den Krieg gegen den burgundischen Herzog informiert. Gleiches traf auch auf den Streit zwischen Friedrich III. und dem Pfalzgrafen bei Rhein zu. Dass abermals Schott die Aufgabe zukam, sich für eine Übereinkunft zwischen den beiden Potentaten einzusetzen, unterstreicht seine Kompetenz in dieser Frage. Vor diesem Hintergrund war es nur folgerichtig, ihn mit der Mission zum Reichsoberhaupt zu betrauen. Darüber hinaus sollten die Gesandten sich umhören, was Friedrich III. plane. Falls er an der Fortsetzung der Kampfhandlungen in der Freigrafschaft Burgund interessiert sei, hatten sie in Erfahrung zu bringen, wie und wann diese genau geschehen sollte. Würde er sie fragen, wie ihrer Meinung nach seine Unterstützung aussehen könnte, sollten sie ihn zudem über die Bedingungen der Koalition informieren und wurden angewiesen, keinerlei VerpÁichtungen einzugehen. Zudem sollten sie alles, was besprochen werde, zur weiteren Diskussion den Bündnispartnern mitteilen. Zuletzt befahl man ihnen, nach Mitteln und Wegen zu
StABas Dt. Miss. C, fol. 320–323, vor allem die angebundene Cedula auf fol. 321 f.: „Getruwen liebe Magistrat, wir haben mitt willen unnßers gnedigen herren des margraffen, der bi uns ist, abgerett, kunfftig in voll zuo verkomen, beredt und verlaß, das di sinen zuo Rötteln und Suosenburg sollen zuo beyder stetten hannd sweren, wie dann der zedel bewist“; vgl. auch C, fol. 353 (Brief an den Bischof von Basel wegen Baden-Hachberg) sowie RM 15, fol. 140f. (Sitzung des Kleinen Rats vom 14. November 1474): „An mine herren im velld von mins herren dem Marggraffen wegen sich zuo erkunnen an den Eydgenossen, ob die sinen in der herrschafft Röttelln als in schirm und pÁicht beider stetten sind […] Vnd was im begegnet, minen herren angends zuo verkunden. Vnd allweg trúwlich besorgen, das kein inual dasselbs furgenommen wird“. 442 Walter/Kintzinger, Krieg und Frieden. 443 Abschied von Basel (AMS II/9 (1), fol. 2–4 (Instruktion für die Gesandten). 444 Mathis, Pierre Schott, S. 32.
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B. Die städtischen Gesandten
suchen, um Friedrich III. mit dem Pfalzgrafen zu versöhnen. Ab Mitte Januar 1475 befand sich Peter Schott mit den anderen Gesandten beim Kaiser in Speyer.445 Ende April 1475 war Schott daraufhin in Basel und verhandelte erfolgreich über die Aufnahme des Herzogs von Lothringen in die Niedere Vereinigung, die vor allem die Straßburger Räte befürworteten.446 Ende Mai ging es für ihn dann weiter auf eine Versammlung nach Ensisheim, um sich kurz darauf auf ein Treffen mit eidgenössischen Abgeordneten nach Luzern zu begeben.447 Diese Missionen resultierten aus der zunehmenden Bedrohung von Schotts Heimatstadt, wegen der der Rat seine Truppen bereits Anfang Juni in Kriegsbereitschaft gesetzt, den 8. Juli 1475 als Datum für den Auszug in die Freigrafschaft Burgund sowie Schott zum Hauptmann der Truppen bestimmt hatte.448 Man wusste, dass man alleine nichts ausrichten könnte und bat daher die wichtigsten eidgenössischen Städte um Unterstützung für diesen Feldzug. Diese Aufgabe Àel abermals Schott zu, der sich noch immer in der Eidgenossenschaft aufhielt.449 Zusammen mit zwei Kolmarer Abgeordneten reiste er am 23. Juni zunächst nach Solothurn, wo sie vom dortigen Stadtschreiber unterstützt wurden.450 Tags darauf legte er den Solothurner Räten die Gründe für die Anfrage der Niederen Vereinigung nach militärischer Unterstützung dar, die ihm entgegneten, dass man sich ihrer Hilfe sicher sein könne.451 Überdies rieten sie ihm und seinen Mitgesandten, sich nach Bern zu begeben, um dort ebenfalls um Hilfe zu werben.452 Diesem Rat folgten die Diplomaten, erreichten Bern zwei Tage später und wurden ebenfalls sehr gut aufgenommen.453 Laut den Schilderungen des Berner Chronisten Schilling betonte Schott die Freundschaft zwischen Straßburg und Bern und wurde nach seiner Rede gebeten, auf die baldige Ankunft einiger Herrschaftsträger zu warten, die man zu Gesprächen eingeladen hatte.454 Zu diesen erschien auch Diesbach, der von seinen Ratskollegen deswegen 445 AMS AA 1805, fol. 5; IV 46, fol. 30 (Briefe zwischen dem Straßburger Rat und Schott vom 20. Januar 1475). 446 AMS AA 271, fol. 26 (24. April 1475). 447 Zur Mission nach Ensisheim vgl. AMS AA 271, fol. 15 (Brief des Straßburger Rats an Schott mit der Bitte, sich nach Ensisheim zu begeben) sowie der Abschied der Versammlung von Ensisheim in AMS AA 270, fol. 10; zur Reise nach Luzern vgl. AMS AA 271, fol. 27 (Brief von Schott und Endingen an den Straßburger Rat). 448 Witte, Burgunderkriege (Blamont), S. 200 ff. u. S. 214 f. 449 In der gleichen Zeit warben zwei Gesandte aus Kolmar 100 Söldner an, vgl. Witte, Burgunderkriege (Blamont), S. 215. 450 Vgl. Lenglet Du Fresnoy, Memoires Commines, S. 380: „Au chancelier de Soullore: 100 liv.“ Hans vom Stall war überdies der einzige Solothurner Amtsträger, der Pensionen vom französischen König erhielt. Vor diesem Hintergrund erscheint er als Vertrauter Straßburgs, Berns und Basels. 451 Dies geschehe, so Schott, vor allem aufgrund der Bitte des Hauptmanns des französischen Königs und man könne zudem reiche Beute in der Freigrafschaft Burgund erwarten, vgl. Witte, Burgunderkriege (Blamont), S. 216. 452 Der Grund für diesen Ratschlag lag in der Tatsache, dass in jenen Tagen in Solothurn der Rat erneuert wurde. 453 Witte, Burgunderkriege (Blamont), S. 216 f.; Tobler, Berner Chronik, S. 243 ff. 454 Vgl. den Brief Schotts an Straßburg vom 27. Juni 1475, AMS AA 270, fol. 12.
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vom Kurort Baden zurück nach Bern beordert worden war.455 Dass Schott während der Mission Druck vonseiten seiner Führung bekam, offenbart deren Brief, der an demselben Tag geschrieben wurde. Darin betonten die Straßburger Räte, dass sie möglichst bald gegen Burgund ziehen wollten und empfahlen ihren Gesandten, mit Nachdruck um Hilfe zu bitten.456 Am gleichen Tag erschienen der Berner Stadtschreiber sowie ein Kleinrat in Schotts Herberge und teilten mit, dass man sich zur Unterstützung Straßburgs bereitÀnde. Interessant ist in diesem Zusammenhang die vom Berner Chronisten Diebold Schilling formulierte Argumentation, da er explizit auf die Hilfe Straßburgs bei der Gefangennahme der eidgenössischen KauÁeute auf dem Rhein im April 1473 Bezug nahm. Für ihn war diese Aktion, für die man den Straßburgern noch immer dankbar sei, der Beginn ihrer engen Freundschaft gewesen.457 Zwei Tage darauf beschloss das Berner Führungsgremium, dem Bündnispartner 400 Söldner zur Verfügung zu stellen, beim Großen Rat 1.000 weitere Söldner zu beantragen und bestimmte am 2. Juli Nikolaus von Diesbach zu deren Hauptmann.458 Unmittelbar danach kehrte Schott nach Straßburg zurück.459 Der Zug in die Freigrafschaft Burgund konnte damit beginnen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten eroberten die eidgenössisch-oberrheinischen Truppen zwischen Juli und August 1475 zahlreiche Orte und Befestigungen.460 Peter Schott selbst war bei der Einnahme von L’Isle-sur-le-Doubs, La Grange und Blamont dabei und stand wie beim Feldzug nach Héricourt währenddessen ununterbrochen in Kontakt mit seiner Heimatstadt.461 Das beweisen insgesamt 52 Briefe, die zwischen dem 7. Juli und dem 24. August 1475 zwischen den Hauptleuten und der Führung Straßburgs ausgetauscht wurden. Mehr als die Hälfte von diesen Schreiben wurden von den Hauptleuten an den Rat geschrieben. Diese sind sowohl als Originale als auch als zusammengebundene Abschriften erhalten und lassen es in einzigartiger Weise zu, Ablauf und Organisation eines Kriegszuges nachzuzeichnen und die Truppen auf ihrem Weg durch die Freigrafschaft zu verfol-
455 StABe RM 17, fol. 171 (Sitzung des Kleinen Rats von Bern am 24. Juni 1475). Darin wird deutlich, dass die Räte seine Anwesenheit dringend wünschten, da diese „[…] vast not und gut sei“. 456 AMS AA 271, fol. 17. 457 Vgl. die Schilderungen der Berner Antwort von Diebold Schillings: „[…] so dan ein stat von Strasburg zś allen ziten mit inen und andern Eidgnossen gehebt, und besunders von deswegen, das der von Bern kouÁút und ander von Eidgnossen in kurtzen ziten durch si [die Straßburger, d. Verf.] mit gar grossen costen entschút und erlöst warent worden […]“,Tobler, Berner Chronik, S. 244. 458 Die Beschlüsse im StABe RM 17, fol. 183 und 185 (Sitzungen des Kleinen Rats vom 1. und 2. Juli 1475). 459 Straßburger Heeresordnung in AMS AA 273, fol. 53 f. 460 Zum Ablauf dieses Feldzuges vgl. Witte, Geschichte der Burgunderkriege (Blamont); Bittmann, Ludwig XI., S. 863–891. 461 So berichtete er der Straßburger Führung in einer „Cedula inclusa“ am 10. August über den Tod von Nikolaus von Diesbach, AMS AA 274, fol. 28: „[U]nser Ewig gott gebotten het uber her Niclaus von Tiesbach, dem got gnedig sin wölle, des wir alle schedlich manglen und entberen müssen“.
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gen.462 Der Grund für diese „Informationsverdichtung“ lag in Schwierigkeiten, denen sich Straßburgs Hauptleute nach der Eroberung von Blamont ausgesetzt sahen. Denn kurz darauf war es zu einer Revolte seitens der Straßburger Handwerker gekommen. Diese hatten sich geweigert, länger auf dem Kriegsschauplatz zu bleiben und wollten unter keinen Umständen noch weiter nach Lothringen ziehen. Letztlich war es Schott, der sie zum Bleiben bewegt hatte.463 Der Aufstand der Handwerker machte es notwendig, dass alle Schreiben, die den Feldzug betrafen, gesammelt und aufbewahrt wurden. Von diesen samt der zugehörigen „Cedulae inclusae“ und einem Ereignisprotokoll, das die Namen aller Beteiligten enthielt, fertigte man Kopien an und band alle Dokumente zusammen.464 Die so entstandene Akte ermöglichte der Führungsgruppe, den Verlauf der Eroberungen und des Aufstands detailliert nachzuzeichnen. Mithilfe dieser Informationsverdichtung war sie in der Lage, die Prozesse gegen die aufständischen Handwerker vorzubereiten. Während der Burgunderkriege war Schott einer der wichtigsten Ansprech- und Diskussionspartner innerhalb der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition. Als Experte der Stadt für Missionen, auf denen es um die Zusammenführung der Interessen der eidgenössischen und oberrheinischen Reichsstädte ging, war er nahezu auf allen wichtigen Versammlungen der (späteren) Bündnispartner anwesend. Vor diesem Hintergrund war er maßgeblich daran beteiligt, dass Vertrauen zwischen der Eidgenossenschaft und dem Oberrhein gestiftet und etabliert wurde, kannte die Verhandlungspositionen der unterschiedlichen Städte genau und trug so in erheblichem Maß zum Ausbruch des Kriegs gegen den burgundischen Herzog und seine Verbündeten bei. 1476/77 amtierte er abermals als Ammeister und lässt sich bis zu seinem Tod ständig in politischen Ämtern nachweisen.465 Fragt man nach den Gründen für seine Bedeutung, sind seine zuvor ausgeübten beruÁichen Tätigkeiten und das Verwandtschaftsnetz seiner Familie zu erwähnen. Wie sein Vater und sein Bruder war auch er selbst im (Korn-)Handel tätig, um ab 1465 als Rat, Dreizehner und Ammeister politische Aufgaben wahrzunehmen. Wenngleich die von ihm in die Wege geleitete Erziehung und Ausbildung seines gleichnamigen Sohnes zumindest in seinem Sinne nicht erfolgreich verlief, offenbaren die Heiraten seiner Töchter den engen Kontakt der Familie zum Handel.466 Durch das merkantile Interesse Schotts, das sich auf diese Weise offenbart, war er in der Lage, die Schwierigkeiten der 1469 erfolgten Verpfändung der oberrheinischen Besitzungen des österreichischen Herzogs an Karl den Kühnen und deren Folgen für den Handel und die Politik Straßburgs zu verstehen und einzuschätzen. Hinzu kam die hohe Kontinuität seiner politischen Partizipation, die seinen Wissensstand, den seiner Familie und seiner Hei-
462 AMS AA 274, fol. 5. 463 Das geht aus der Beschreibung der Ereignisse nach der Eroberung von Blamont hervor, AMS AA 281, fol. 20 ff.; siehe dazu Kapitel C 3.3. 464 Zu den Cedulae vgl. Walter, Technique; siehe auch Kapitel G 1. 465 Vgl. dazu die AuÁistung seiner diplomatischen Missionen bei Mathis, Pierre Schott, S. 32–35. 466 Zu Peter Schott d. J. vgl. Israel, Schott d. J.
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matstadt ständig erhöhte und auf diese Weise zur Etablierung ihrer gesellschaftlichen wie politischen Position beitrug. 4.2. Klaus Baumgartner Klaus Baumgartner war einer der Experten Straßburgs, wenn es um die Zusammenführung zwischen den eidgenössischen und den oberrheinischen Reichsstädten ging. Er saß ab 1444 für die Weinleute im Straßburger Rat, wurde 1463 Mitglied der Dreizehnerstube und stand der Stadt in den Jahren 1466/67, 1472/73, 1478/79 und 1490/91 als Ammeister vor.467 Es ist durchaus vorstellbar, dass man aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Zunft der Weinleute davon ausgehen kann, dass ihm oder der Zunft allgemein Nachteile aus der Verpfändung der oberrheinischen Besitzungen an Karl den Kühnen erwachsen waren, die sein gesteigertes Engagement in dem Prozess gegen diesen erklären.468 Schließlich unterhielten zahlreiche Straßburger, vor allem Wein- und Kornhändler, geschäftliche und persönliche Beziehungen zu diesem Gebiet. Doch spielten sicherlich auch seine langjährigen politischen Erfahrungen eine Rolle, die ihn vor allem für Verhandlungen prädestinierten, die mit dem Sundgau beziehungsweise den Eidgenossen zu tun hatten. Gemeinsam mit dem Straßburger Altammeister Riffe begab er sich Mitte Juni 1468 nach Basel, um dort Vermittlungsgespräche mit eidgenössischen Abgeordneten zu führen. In einem Brief an ihre Heimatstadt berichteten sie, dass sie sich nach Luzern begeben hätten, nachdem sich die Eidgenossen ebenfalls dort aufhielten.469 Hintergrund der Versammlung war der Wunsch der Berner Räte, dem in jenen Tagen bedrohten Schaffhausen militärische Hilfe zukommen zu lassen.470 Denn wie eingangs erwähnt ging der spätere Geiselnehmer Heudorf unablässig gegen die Stadt vor. Das hatte die Führungsgremien von Solothurn und Bern dazu veranlasst, einen Feldzug gegen den Adel des Sundgaus ins Auge zu fassen. In Luzern hatten sie die übrigen Eidgenossen von diesem Vorgehen überzeugt, so dass sie mit einigen bischöÁichen und Basler Abgeordneten erfolglos zwischen den zerstrittenen Parteien zu vermitteln versuchten. Kurz darauf kam es zu ersten Kampfhandlungen eidgenössischer Truppen im Sundgau. Wie aus einem Brief hervorgeht, den Baumgartner aus einem Feldlager der eidgenössischen Truppen schrieb, war es abermals er, der im Auftrag seiner Heimatstadt zu schlichten versuchte.471 In diesem Schreiben wird zudem ersichtlich, dass er und sein Kollege kurz zuvor den mit Bern verburgrechteten Grafen von Valendis sowie die Berner Hauptleute Nikolaus von Scharnachtal und Nikolaus von Diesbach getroffen hatten. Diesen hätten sie die Wünsche des Straßburger Rats vorgetragen, woraufhin ihnen mitgeteilt worden sei, 467 Zu ihm vgl. von Heusinger, Zunft, Nr. 159. 468 Hatt, Liste des membres; Brady, Ruling Class, S. 386; zur Bedeutung der Zunft der Weinleute in Straßburg vgl. Bender, Weinhandel. 469 AMS AA 256, fol. 14. 470 Segesser, Abschiede Nr. 610, S. 379; Stettler, Eidgenossenschaft, S. 225–229. 471 AMS AA 256, fol. 12 f.
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dass sich der Krieg nicht gegen Straßburg richte, so lange deren Bürger nichts gegen Bern und seine Bündnispartner unternähmen.472 In den folgenden Jahren wurde der Kontakt zwischen Baumgartner und den Bernern Scharnachtal und Diesbach aufgrund der zahlreichen Treffen zwischen ihren Heimatstädten intensiver. Das geht beispielsweise aus einer Versammlung in Basel hervor, die am 21. März 1471 stattfand und den Schwierigkeiten der Reichsstadt Mülhausen geschuldet war. An ihr nahmen nahezu alle wichtigen Diplomaten aus Basel, Bern und Straßburg teil.473 Gemeinsam mit ihnen führte Baumgartner Gespräche mit burgundischen Vertretern über Lösungsmöglichkeiten für die bedrohte Stadt und reiste zum Jahreswechsel 1473/74 auf die erwähnte Versammlung nach Basel, auf der es abermals um die Probleme Mülhausens ging und man sich einigte, eine Gesandtschaft zu deren Lösung zum burgundischen Herzog zu senden.474 Baumgartner informierte seine Heimatstadt in zwei Briefen über den Gang der Verhandlungen. In einem ersten Schreiben vom 5. Januar 1474 berichtete er, dass die Berner Delegierten Petermann von Wabern und Nikolaus von Scharnachtal den versammelten eidgenössischen und oberrheinischen Vertretern die Antwort Karls des Kühnen vorgelesen hätten.475 Aufgrund der Tatsache, dass diese überaus positiv ausgefallen sei, habe sich Baumgartner entschlossen, eine Kopie davon anzufertigen und sie den Räten zu schicken. Da die Eidgenossen die anderen Versammelten bis zu ihrer Rückkehr in Basel zu bleiben gebeten hätten, fragte Baumgartner beim Straßburger Führungsgremium nach, ob auch er in Basel warten solle. Seiner Meinung nach war sein Verbleib vor Ort insofern wichtig, als die Gespräche mit dem burgundischen Herzog weitere Diskussionen zwischen den oberrheinischen und eidgenössischen Städten nach sich zogen. Vier Tage später wandte er sich erneut in einem Brief an seine Miträte. In diesem kommt zum Ausdruck, dass sie ihn gebeten hatten, auf die Rückkehr der eidgenössischen Gesandten zu warten.476 Baumgartner informierte sie über den Bericht des Grafen von Tierstein, laut dem die Abgeordneten erst vor zwei Tagen den Aufenthaltsort Karls des Kühnen erreicht hätten und am folgenden Tag wieder nach Basel zu kommen planten. Gemeinsam mit einem Kolmarer Gesandten habe er daher beschlossen, länger in Basel zu verbleiben. Falls den Räten dies nicht recht sei, sollten sie ihm das mitteilen.477 Tags darauf berichteten die zurückgekehrten Gesandten in Basel über den positiven Verlauf der Gespräche mit dem Herzog und seinen Räten. Bei den kurz darauf statt472 473 474 475
AMS AA 256, fol. 12 f. Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1585 (Abschied der Versammlung in Basel vom 21. März 1471). Vgl. zu dieser Walter, Symbolische Kommunikation. AMS AA 266, fol. 16 (5. Januar 1474). In diesem Brief wird deutlich, dass auch Baumgartner von der Straßburger Führung dafür vorgesehen war, mit den anderen eidgenössischen und oberrheinischen Gesandten zu Herzog Karl dem Kühnen nach Ensisheim zu reiten. 476 AMS AA 266, fol. 14. 477 Interessant ist die Rückreiseroute, die Baumgartner in seinem Brief angab. Denn diese führte vollständig durch Gebiete von Herrschaftsträgern, die der Straßburger Führung wohlgesonnen waren. Dementsprechend gab er an, sie würden ihn „[…] mit gottz hilff zü Basel oder uff dem wege für Neuenburg und durch Krotzingen und ander marggreÁichen dörffer wider Kentzingen“ Ànden, AMS AA 266, fol. 14.
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Àndenden Diskussionen zwischen den eidgenössischen und oberrheinischen Vertretern arbeitete Baumgartner eng mit diesen zusammen. 4.3. Jakob von Amelung († 1495) Für ein nicht weniger wichtiges Spezialressort als die bereits vorgestellten Straßburger Diplomaten Peter Schott und Klaus Baumgartner zeichnete der nun vorzustellende Jakob von Amelung verantwortlich; er war der Experte Straßburgs für Missionen, die mit dem Kaiser und den anderen Reichsstädten zu tun hatten. Amelung stammte aus einer Familie, die sich seit Beginn des 14. Jahrhunderts in Straßburg nachweisen lässt und amtierte das erste Mal 1455 als Rat von den SchifÁeuten sowie ab 1460/61 von den KonstoÁern.478 Das deutet darauf hin, dass er um das Jahr 1457 von den Zünften zu den KonstoÁern gewechselt sein muss, und da er 1463/64 das erste Mal Ammeister von den Küfern wurde, muss er in der Zwischenzeit wieder zu den Zünften zurückgekehrt sein.479 1466 erhielt er für sich und seine Erben einen Wappenbrief von Kaiser Friedrich III. ausgestellt.480 Im vorliegenden Zeitraum amtierte er zwei Mal als Ammeister und war ab 1470 bis zu seinem Tod 1495 ständig Mitglied der Dreizehner, nachdem er zuvor als Fünfzehner amtiert hatte.481 Wenngleich sich die genauen Gründe für seine Spezialisierung nicht ausmachen lassen, ist zu vermuten, dass ihn die genaue Kenntnis der verhandelten Punkte und die sich daraus entwickelnden weitreichenden Kontakte und Beziehungsnetze zu Personen im Umfeld des Kaisers und in anderen Städten für derartige Missionen prädestinierten. Dabei kam ihm in erster Linie sein Wissensstand und sein Prestige zugute, das er durch seine zahlreichen Gesandtschaften stetig erweitern konnte.482 1470/71 diskutierte unter anderem er gemeinsam mit dem Markgrafen von Baden-Hachberg darüber, wie man sich in Anbetracht der drohenden burgundischen Gefahr verhalten solle.483 Die Gespräche resultierten aus der unmittelbaren Bedrohung der Stadt Bergheim, die sich einer Übergabeaufforderung seitens des burgundischen Landvogts kurz zuvor widersetzt hatte. Kurz nach der Einnahme von Ortenberg, die die Straßburger Räte empört aufgenommen hatten, waren bur478 Vgl. von Heusinger, Zunft, Nr. 38; Kindler von Knobloch, Das goldene Buch, S. 13f.; Hatt, Liste des membres, S. 144; zur Bedeutung der SchifÁeutezunft vgl. Löper, Rheinschiffahrt; zum Wechsel Amelungs zu den KonstoÁern vgl. Hatt, Liste des membres, S. 148. 479 Derartige Wechsel von den Zünften zu den KonstoÁern und zurück waren in der betrachteten Zeit üblich, vgl. dazu von Heusinger, Zunft. 480 Vgl. von Heusinger, Zunft, Nr. 38. Dieser könnte darauf hindeuten, dass er bereits zuvor einen solchen Brief ausgestellt bekommen hatte, doch ist nicht bekannt wofür er diesen bekam. 481 Brady, Ruling Class, S. 386. 482 Dass er sich auf diese Weise nahezu unentbehrlich machte, führte wahrscheinlich zu seiner dritten Amtszeit als Ammeister im Jahr 1475. Weitere Wahlen folgten bis 1493 im üblichen Abstand von sechs Jahren. Während seiner letzten Amtszeit wandte er sich an die Fünfzehner und teilte ihnen mit, dass er sich dem Amt nicht mehr gewachsen fühlte, vgl. von Heusinger, Zunft, Nr. 38. 483 Krieger, Regesten Baden-Hachberg, Nr. 10096, S. 288.
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B. Die städtischen Gesandten
gundische Söldner unter Führung des Landvogts in Richtung Bergheim gezogen, um auch diese Stadt zu erobern. Als Ende März/Anfang April 1473 Gerüchte kursierten, nach denen der Herzog von Lothringen einen Feldzug gegen den Bischof von Straßburg plante, war Amelung gemeinsam mit dem Straßburger Stettmeister Hans Rudolf von Endingen Hauptmann der städtischen Truppen. Doch der Angriff des Herzogs blieb aus, was sich für die Straßburger günstig erwies, da zur gleichen Zeit der Überfall des burgundischen Parteigängers Bilgeri von Heudorf auf die eidgenössischen KauÁeute stattfand. Daher befahl der Rat Straßburgs seinen Hauptleuten, vor die Burgen der Geiselnehmer zu rücken, die Festung Schuttern zu zerstören und die Gefangenen zu befreien. Doch waren damit die Probleme mit Heudorf nicht gelöst, und Amelung spielte in der Zeit danach eine wichtige Rolle in dem Prozess gegen ihn und den anderen Geiselnehmer. Als Delegierter Straßburgs lässt er sich von Anfang Juni bis Mitte August 1473 ununterbrochen im Umfeld Friedrichs III. nachweisen und stand währenddessen ständig in Briefkontakt mit seiner Heimatstadt.484 Im Zusammenhang der von Amelung betriebenen Vorbereitung des Prozesses gegen die beiden Geiselnehmer führte er Gespräche mit dem kaiserlichen ReichsÀskal Johannes Keller, den Straßburg als Vertreter ihrer Interessen ausgewählt hatte.485 Daran wird deutlich, dass die von ihm durchgeführte Mission unter anderem aus dem Grund erfolgt war, dass sich stets ein Abgeordneter der Stadt in der Nähe des Kaisers aufhielt und in ihrem Sinne Kontakte zu wichtigen Personen in dessen Umfeld aufbaute und pÁegte. Diese Aufgabe kam Amelung zu, der damit gleichzeitig sein Prestige vermehren konnte. Durch seine ständige Anwesenheit vor Ort waren die Räte seiner Heimatstadt zudem in der Lage, mögliche Tendenzen in dessen Politik schnell zu erkennen und frühzeitig darauf zu reagieren. Doch ist dies nicht die einzige Mission, die ihn zu Kaiser Friedrich III. führte; ein Jahr später beÀndet er sich abermals für einen langen Zeitraum in dessen Umfeld.486 Ziel der Mission war Augsburg, wo er gemeinsam mit Hans von Kageneck ab Mitte März auf die Ankunft des Kaisers wartete, der dort um Unterstützung für einen Feldzug gegen die Türken werben wollte.487 Währenddessen überschlugen sich die Ereignisse in den ehemals verpfändeten Gebieten, weswegen sich unter anderem Basel und Straßburg weigerten, den kaiserlichen Wünschen zu entsprechen. Als es dann noch zum erwähnten Aufstand gegen den burgundischen Landvogt Peter von Hagenbach und dessen Hinrichtung kam, rechnete man in Straßburg beinahe täglich mit dem Ausbruch des Kriegs gegen den burgundischen Herzog. Dadurch verlagerte sich auch Amelungs diplomatischer Auftrag: Während sein Mitgesandter Kageneck Mitte Mai zurück nach Straßburg abreiste, verblieb Amelung in Augsburg, da die Straßburger Räte auf sein Wissen vom Stand der Verhand484 Für diese Gesandtschaft Ànden sich im Straßburger Archiv zahlreiche Briefe von Amelung an seine Heimatstadt und umgekehrt, vgl. die Fonds AMS AA 222 und 268. 485 Siehe dazu das Kapitel B 4.1. 486 Zur Familie von Kageneck vgl. Kindler-Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch 2, S. 222–232. 487 Zahlreiche Briefe in AMS AA 222 und AA 269.
5. Institutionelle Voraussetzungen in Basel
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lungen dringend angewiesen waren.488 Wie wichtig das nur eine Woche später wurde, zeigt ein Brief des Straßburger Führungsgremiums, in dem die Befürchtung zum Ausdruck kommt, dass der burgundische Herzog von zwei Seiten angreifen könne, was ihrer Meinung nach „gegenwer“ dringend erforderlich mache.489 Deswegen beauftragten die Räte Amelung, sich in Augsburg „in geheym“ nach Hauptleuten umzusehen, diese bereits in Sold zu nehmen und ihnen bis zum Ausbruch der Kampfhandlungen gegen Burgund „wartgeld“ zu zahlen. Daneben brauchte man fähige Männer, die eine Wagenburg leiten könnten, nach denen sich Amelung ebenfalls umsehen sollte. Zuletzt baten sie ihn noch, bei Nürnberger oder Regensburger Vertretern oder, bei wem es ihm auch immer „gut bedunkt“, anzufragen, ob sie zu einer militärischen Unterstützung Straßburgs im Fall eines Kriegs gegen Burgund bereit seien. An alldem offenbart sich die Bedeutung von Amelungs Missionen im Untersuchungszeitraum: Während zur gleichen Zeit sein Ratskollege Peter Schott in Ensisheim die Bündnispartner der oberrheinischen Reichsstädte auf den Krieg gegen Burgund einstimmte, sollte Amelung weitere Reichsstädte und den Kaiser von der unbedingten Notwendigkeit des Kriegs gegen den burgundischen Herzog überzeugen und für die eidgenössisch-oberrheinischen Interessen gewinnen. 5. INSTITUTIONELLE VORAUSSETZUNGEN IN BASEL Die Stadt Basel hatte in dem untersuchten Zeitraum rund 8.000 Einwohner und zog aus ihrer Lage am Rhein viele Vorteile.490 Gemeinsam mit Straßburg dominierte sie den oberrheinischen Wirtschaftsraum.491 Überdies war sie ein wichtiger Etappenort für KauÁeute, die von Oberschwaben, Franken und Bayern durch das Schweizer Mittelland weiter nach Lyon, Genf, Südfrankreich oder Spanien reisen wollten.492 Aber auch die KauÁeute, die aus Italien rheinabwärts durch die Eidgenossenschaft fuhren, passierten die Stadt auf ihrem Weg zwangsläuÀg. Ein Privileg, das die Stadt berechtigte, eine Handelsmesse abzuhalten, gewährte Kaiser Friedrich III. im Jahr 1471 auf dem Regensburger Reichstag. Neben Straßburg entwickelte sie sich zu einer Drehscheibe für den Handel mit Getreide und Wein, da diese beiden Güter auf dem Weg in die Eidgenossenschaft das Basler Territorium passierten und war auf diese Weise ein „Knotenpunkt für den Fernhandel und Markt für die umliegenden Bauern“493.
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Zur Rückreise Kagenecks nach Straßburg vgl. AMS 269, fol. 49. AMS AA 269, fol. 49. Ammann, Bevölkerung; Schönberg, Basels Bevölkerungszahl. Dazu vgl. die exzellente Studie von Scott, Regional Identity. Zu Rheinschifffahrt und Rheinbrücke vgl. Glauser, Stadt und Fluß; Schulz, Rheinschiffahrt; Geering, Handel; Koelner, Basler Rheinschiffahrt; zur wirtschaftlichen und handelspolitischen Stellung Basels im Spätmittelalter vgl. Ehrensperger, Basels Stellung; Sieber-Lehmann, Basel. 493 Sieber-Lehmann, Basel, S. 107 u. S. 202 ff; Ehrensperger, Basels Stellung, S. 123, 137 f. u. S. 141 f.; Ammann, Wirtschaftsbeziehungen; ders., Wirtschaftsgeltung. Zu den Beziehungen
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Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die Territorialpolitik des Basler Führungsgremiums vorwiegend von dem Wunsch nach Sicherung der Handelsrouten sowie der Nahrungsmittelversorgung geleitet wurde. Im besonderen Maß kulminierten diese Interessen im Sundgau und der dort gelegenen Reichsstadt Mülhausen.494 Das erklärt, warum die Basler Räte sowohl durch die 1469 erfolgte Verpfändung des Sundgaus als auch durch die stets im Raum stehende Mediatisierung Mülhausens stark verunsichert waren und intensiv nach Problemlösungen suchten.495 Hilfe fand man bei den Räten von Bern und Straßburg, die ihrerseits starkes Interesse am Sundgau sowie an dem Verbleib Mülhausens im Reich hatten. Wie sie wollte die Basler Führung die neuen burgundischen Machthaber aus den Pfandlanden verdrängen und ihren politischen EinÁuss nicht verlieren. Auch in Basel war der Bischof der Stadtherr, der bis ins 16. Jahrhundert hinein einen großen EinÁuss auf die Politik der Stadt ausübte, obwohl er überwiegend außerhalb derselben residierte.496 Das zeigt insbesondere die Tatsache seines Mitspracherechtes bei der Wahl der wichtigsten städtischen Amtsträger, der Bürgermeister und Oberzunftmeister.497 Das gesamte 15. Jahrhundert war von KonÁikten zwischen dem Bischof und dem Rat um die Vormacht in der Stadt geprägt. Während der burgundischen Herrschaft am Oberrhein und dem daraus resultierenden Krieg gegen den burgundischen Herzog lässt sich jedoch deutlich ein gemeinsamer Interessenhorizont erkennen.498 Der EinÁuss der Bischöfe auf die Politik der Stadt resultierte aus den Jahrhunderten zuvor. So lässt sich ein städtisches „Consilium“ auch erst in einer bischöÁichen Urkunde nachweisen.499 Es entstand zwischen 1185 und 1190, setzte sich aus Rittern und Bürgern zusammen, führte ein eigenes Siegel und beschäftigte einen Schreiber.500 Den Vorsitz über diesen frühen Rat hatten vom Bischof eingesetzte Schultheißen und Bürgermeister. Die weitere kommunale Ent-
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zwischen der Basler Führungsgruppe und ihrem Umland vgl. Rippmann, Bauern und Städter; Steinbrink, Meltinger. Zum Sundgau als Kornkammer und Weinfass vgl. Ehrensperger, Basels Stellung, S. 32–49. Göttmann spricht davon, dass die Eidgenossen rund ein Drittel ihres jährlichen Getreideverbrauchs importieren mussten Göttmann, Getreidemarkt; vgl. auch De Capitani, Adel, S. 15; Scott, Regional Identity, S. 244 ff.; Ammann, Wirtschaftsbeziehungen. Zur Politik Basels während der Burgunderkriege vgl. Sieber-Lehmann, Kräftefeld; ders., Spätmittelalterlicher Nationalismus; Bernoulli, Basels Antheil 1; Meyer, Beziehungen. Zum Folgenden vgl. Sieber-Lehmann, Basel, S. 47–62. Dabei tritt er bewusst der älteren Forschung entgegen, welche die Macht des Basler Bischofs im 15. und 16. Jahrhundert stets als sinkend beschrieb, so Wackernagel, Geschichte, S. 221; zur Politik des Basler Bischofs Johannes von Venningen im Untersuchungszeitraum vgl. auch die Studie von Hirsch, Hof, S. 125–196, zur Hofhaltung des Bischofs in seinen Residenzen und S. 118 ff., zu den Berührungspunkten zwischen bischöÁicher und städtischer Politik; die Ausgaben des Bischof im Untersuchungszeitraum Ànden sich in Hirsch/Fouquet, Haushaltsbuch, S. 310–435; sowie Füglister, Handwerksregiment. Sieber-Lehmann, Basel, S. 58 f. Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus; ders., Basel, S. 121 f. Patemann, Stadtentwicklung. Es ist in der Forschung jedoch umstritten, ob es sich bei diesem Consilium um einen städtischen oder einen bischöÁichen Rat handelte, vgl. Sieber-Lehmann, Basel, S. 75.
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wicklung der Stadt lässt sich ab 1218 besser fassen, als Kaiser Friedrich II. einen Fürstenspruch bestätigte. Dieser garantierte dem Bischof, dass die Basler Bürger ohne seine Zustimmung zukünftig keinen Rat einrichten durften.501 Sieben Jahre später kam es zu einer Neueinrichtung des Rats, der nun aus Rittern und Bürgern bestand, die vom Bischof ernannt worden waren.502 Die folgenden Jahrzehnte sprechen für eine allmähliche Entwicklung der städtischen Eigenständigkeit. So wandten sich die Bürger in der 1240er Jahren gegen ihren Stadtherren, schlugen sich auf die Seite des Kaisers und zerstörten die bischöÁiche Domburg, weswegen sie exkommuniziert und die Stadt vorübergehend mit einem Interdikt belegt wurde. 1254 war sie im „Rheinischen Städtebund“ engagiert, und drei Jahre später ist ein erstes Rathaus bezeugt.503 Über die Wahl und Zusammensetzung des Basler Rates in dieser Zeit ist wenig bekannt.504 Bis in die 1330er Jahre setzte sich der Rat aus vier Mitgliedern der Ritterschaft zusammen, zu denen sich acht patrizische Räte, die so genannten „Achtbürger“, gesellten und aus den so genannten „Hausgenossengeschlechtern“ stammten.505 Damals vollzog sich eine Verfassungsänderung, in deren Verlauf die aufsteigenden Zunftfamilien die Interessengemeinschaft, die zwischen Adel und Patriziat bestand, auÁösten und – ähnlich wie in Straßburg – mehr politische Mitbestimmung erreichten.506 Eine Handfeste aus dem Jahr 1337 sah vor, dass der städtische Rat aus 28 Personen bestehen sollte, bei denen es sich um den Bürgermeister, vier Ritter, acht „Burger“ (Patrizier) und fünfzehn zünftige Räte handelte.507 Überdies legte die Handfeste fest, dass die Besetzung des Rates folgendermaßen vonstatten zu gehen habe: Demnach sollten zwei bischöÁiche Ministeriale, vier Patrizier und zwei Domherren den Rat aus Bürgern, Rittern und Handwerkern bestimmen sowie einen 501 Urkundenbuch der Stadt Basel 1, Nr. 92, S. 62; vgl. Dazu Hagemann, Rechtsleben, Band 1, S. 13; Sieber-Lehmann, Basel, S. 75. 502 Vgl. dazu Weber, Herrschaftsverband, S. 454 f. Aus dem Jahr darauf ist überdies eine Urkunde erhalten, in welcher der Bischof die Gründung einer Kürschnerzunft in der Stadt erlaubte, der Text der Urkunde Àndet sich im Basler Urkundenbuch 1, Nr. 108, S. 76 ff.; zur weiteren Zunftentwicklung in Basel vgl. Gloor, Politisches Handeln, S. 189–218). 503 Wackernagel, Basler Rathaus, S. 327–335. 504 Das änderte sich erst mit der von Bischof Heinrich von Neuenburg († 1274) wahrscheinlich um 1260 erlassenen Handfeste, die jedoch lediglich aus späteren Verhältnissen rekonstruierbar ist. Dabei handelte es sich um die erste erhaltene Handfeste, die der Basler Bischof Johann Senn von Münsingen am 21. Juni 1337 ausstellte. In dieser werden die Namen derjenigen Bischöfe genannt, die die Handfeste in der Vergangenheit bisher bestätigt hatten, so auch Bischof Heinrich von Neuenburg, Text der Handfeste im Basler Urkundenbuch 4, Nr. 134, 125 f.; zur Entwicklung der Ratsherrschaft vgl. Sieber-Lehmann, Basel, S. 75–190; Heusler, Verfassungsgeschichte, S. 372–392; Füglister, Handwerksregiment, S. 137 ff. 505 Diese waren wiederum in die zwei Parteien der „Psitticher“ und „Sterner“ aufgeteilt. Während zu der ersten Partei überwiegend die alten bischöÁichen Ministerialenfamilien gehörten, rekrutierten sich die Sterner zum größten Teil aus dem Landadel außerhalb der Stadt. Zu den so genannten Psittichern und den Sternern vgl. Meyer-Hoffmann, Psitticher; Burckhardt, Herkunft und Stellung; vgl. auch Gloor, Politisches Handeln, S. 96–119. 506 Meyer, Basel im Spätmittelalter, S. 59; Wackernagel, Geschichte, S. 222 f. 507 Urkundenbuch der Stadt Basel 4, Nr. 134, S. 125 f.; zur Einschätzung der Bedeutung der Handfeste vgl. Weber, Herrschaftsverband; ders., Schriftstücke, S. 370–374.
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Bürgermeister wählen. Zwar setzten sich diese als „Kieser“ bezeichneten Wahlpersonen aus dem gleichen bischofsnahen Kreis wie zuvor zusammen, doch hatten sie den neuen Rat und den Bürgermeister nunmehr aus den Reihen der Ritter, Burger und der Handwerker zu bestimmen.508 Wer im Rat saß, zeigt die erste überlieferte Ratsbesetzung des Jahres 1357. Diese nennt neben dem Bürgermeister und vier Rittern auch acht Delegierte der lehnsfähigen Bürgerschaft (die so genannten „Achtburger“) sowie fünfzehn Angehörige der Zünfte.509 Daran treten die zahlreichen Gruppen deutlich hervor, die in Basel um EinÁuss konkurrierten. Das erklärt auch die zahlreichen Kämpfe wechselnder Koalitionen, die sich dort im 14. und 15. Jahrhundert nachweisen lassen. Letztlich führte das dazu, dass die Adligen aus der Stadt verdrängt wurden; ein Prozess, den die Adligen jedoch durch zweckmotivierte Allianzen zwischen sich und dem Rat ständig unterliefen. Ab den 1440er Jahren waren Ritter und Achtburger gemeinsam in der so genannten „Hohen Stube“ vereinigt, nachdem zuvor drei verschiedene Stuben bestanden hatten, die wie in Straßburg auf eine reduziert wurden.510 Die Zusammensetzung innerhalb derselben unterlag einem stetigen Wandel. Doch ist festzustellen, dass der größte Teil der neuen Mitglieder nicht von außen kam, sondern dass es sich bei diesen vor allem seit Beginn des 15. Jahrhunderts um Aufsteiger aus den Zünften handelte. Zwischen ihnen und den Patriziern wurden immer wieder Koalitionen geschlossen, um gemeinsam gegen den bischöÁichen Stadtherrn vorzugehen. Kam es zu Streitigkeiten in und zwischen den Zünften, wurden diese seit Ende des 13. Jahrhunderts vor dem Gremium der Zunftmeister entschieden, dem der vom Bischof jährlich bestimmte Oberzunftmeister vorstand.511 Doch muss betont werden, dass nahezu alle der genannten Gruppen, die um EinÁuss in der Stadt rivali-
508 Sieber-Lehmann, Basel, S. 75 f. 509 Dabei handelte es sich um die vier so genannten „Herrenzünfte“: Die „KauÁeute zum Schlüssel“, „Hausgenossen“ (zu diesen vgl. Burckhardt, Hausgenossen), „Weinleute“ und „Krämer zu Safran“. Zur gewerblichen Gliederung der Stadt siehe Simon-Muscheid, Zunft-Trinkstuben; Wackernagel, Geschichte, S. 413 ff. Zu ihnen gesellten sich elf Handwerkerzünfte; zu den Ausgaben der Safranzunft und der Bedeutung derer Mitglieder während der Burgunderkriege vgl. Koelner, Ausgaben Safranzunft; ders., Kuchibücher Safranzunft. 510 Wahrscheinlich bestanden zuvor mit dem „Haus zur Mücke“ eine rein adlige und mit dem „Haus zum Brunnen“ eine rein bürgerliche Stube, die sich zur so genannten „Oberen (oder Hohen) Stube“ verbunden haben. Interne Differenzen in der „Oberen Stube“ haben zur Gründung einer dritten Stube, der „zum Seufzen“ geführt, die gegenüber der beiden anderen die Bezeichnung „Niedere Stube“ erhielt, Wackernagel, Geschichte, S. 381. Doch infolge der im 15. Jahrhundert einsetzenden stetigen Abwanderung des Adels aus der Stadt blieb nur die „zum Seufzen“ bestehen, die von diesem Zeitpunkt an als Versammlungsort der gesamten „Hohen Stube“ diente. Obgleich sich die einzelnen Stuben auÁösten, blieben ihre Versammlungshäuser erhalten und spielten in der Repräsentation der Stadt eine wichtige Rolle, da dort Feste und Bankette stattfanden, Sitzungen bei Papstwahlen abgehalten wurden (so während des Basler Konzils) oder auswärtige Gesandte bewirtet wurden, vgl. Wackernagel, Geschichte, S. 381; Simon-Muscheid, Zunft-Trinkstuben, S. 154. 511 Vgl. Simon-Muscheid, Handwerkszünfte, S. 2.
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sierten, im Kontext der Auseinandersetzungen mit Burgund eine gemeinsame und gegen Burgund gerichtete Politik verfolgten.512 Maßgebliches Entscheidungsgremium in Basel war Ende des 15. Jahrhundert der (Kleine) Rat, dem insgesamt 44 Personen angehörten: Zu den fünfzehn von den Kiesern bestimmten zünftigen Räten, gesellten sich acht, ebenfalls von den Kiesern bestimmte Vertreter der Hohen Stube („Achtbürger“), vier Ritter sowie fünfzehn weitere Zunftvertreter.513 Den Vorsitz führten Oberzunftmeister und Bürgermeister.514 Auch wenn sich allmählich die Praxis durchsetzte, dass der Bürgermeister vom Rat aus einem Dreiervorschlag bestimmt wurde, musste er stets vom Bischof bestätigt werden. Problematisch für den Rat war, dass der Bürgermeister aus dem Ritterstand stammen musste, was Nichtadlige wie Zünftige oder Patrizier von diesem Amt ausschloss. Daher rekrutierten sich die Bürgermeister meist aus bischofsnahen Familien. Noch deutlicher war der EinÁuss des Bischofs bei der Wahl des Oberzunftmeisters, der allein von ihm bestimmt wurde und dadurch sein verlängerter Arm in der Stadt war.515 Der Rat tagte meistens gemeinsam mit dem Rat des Vorjahres, wodurch eine gewisse Kontinuität der politischen Linie sichergestellt wurde, da bis zu 88 Personen im städtischen Führungsgremium saßen. Alter und neuer Rat arbeiteten in Basel eng zusammen. So erklärt sich auch der Ausspruch des späteren Papstes Enea Silvio Piccolomini, der die Verhältnisse in Basel aus eigener Anschauung kannte, da er als Gesandter auf dem Basler Konzil gewesen war. In einer von ihm verfassten Beschreibung der Stadt gab er an, dass dort der alte Rat rate, während der neue beschließe.516 Und tatsächlich hatte der alte Rat erweiterte Möglichkeiten, dem neuen Rat Anregungen und Anträge vorzulegen. Jedoch war es den Mitgliedern des neuen Rats freigestellt, wann und ob sie ihre Vorgänger hinzurufen wollten. Bis auf Freitag fanden die Sitzungen des Basler Führungsgremiums täglich statt, zu denen zwei unterschiedliche Ratsglocken der Martinskirche riefen.517 Die Räte bildeten gemeinsam mit den „Sechsern“, die sich aus den fünfzehn Zünften rekrutierten (maximal 180 Personen), vier Vertretern der Kleinbasler „Ehrengesellschaften“, je einem Schultheißen von Klein- und Großbasel und den Mitgliedern der Schultheißengerichte (maximal siebzehn Personen) den Großen Rat, der damit mehr als 250 Personen umfasste.518 Wurden bei wichtigen Entscheidungen, wie beispielsweise der Beschluss des Kriegs gegen den burgundischen Herzog, noch 512 Sieber-Lehmann, Basel, S. 62–66. 513 Bei diesen handelte es sich um die Zunftmeister, „die von der jeweiligen Zunft durch Kooptation bestimmt worden waren“, Sieber-Lehmann, Basel, S. 77. 514 Zum Folgenden vgl. Füglister, Handwerksregiment, S. 161 f. 515 Sieber-Lehmann, Basel, S. 59. 516 „Consilia hiis duo sunt, alterum novum, alterum vetus. novum decernit, vetus tamen suadet et consulit, quid agendum putet, et quod isto anno est novum, sequenti antiquum erit“ (Widmer, Beschreibung Basels, S. 366). 517 Während über die erste Glocke den neuen Räten befohlen wurde, sich zur Ratssitzung zu begeben, wussten die Mitglieder des alten Rats durch das Läuten der zweiten Glocke, dass ihr Erscheinen gewünscht war, vgl. Wackernagel, Geschichte, S. 229 u. S. 233. 518 Heusler, Verfassungsgeschichte, S. 382 f.
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die ehemaligen Mitglieder des Großen Rats hinzugerufen, kam es schnell zu Platzproblemen, und es gab in der Stadt nur wenige Räumlichkeiten, eine derart große Versammlung durchzuführen. Daran offenbart sich, dass ein großer Teil der Basler Familien zumindest indirekt an der Politik der Stadt beteiligt war. Das ist insofern interessant, als die Großräte jährlich im Juni die Mitglieder von Ausschüssen bestimmten, die für die schnelle Erledigung bestimmter Ressorts zuständig waren.519 Als das wichtigste und mit den größten Kompetenzen ausgestattete Gremium muss in diesem Zusammenhang das „Dreizehnerkollegium“ bezeichnet werden.520 Zur Zeit der Armagnakeneinfälle 1444/45 hatte der Rat dieses zunächst nur für die Dauer der Auseinandersetzung als eine Art beratenden Kriegsrat geschaffen. Danach bestand es jedoch weiter und erhielt vor allem in den 1470er Jahren nahezu uneingeschränkte Handlungsvollmachten, die zudem weitreichender als die ihrer gleichnamigen Kollegen in Straßburg waren.521 Neben den Bürgermeistern und Oberzunftmeistern und ihren Vorgängern, wobei der amtierende Oberzunftmeister den Vorsitz innehatte, gehörten ihm insgesamt vier Achtburger und sieben zünftige Mitglieder an.522 Hinzu gesellten sich der Stadtschreiber und im Bedarfsfall Personen, deren speziÀsches Wissen, Kenntnisse und Fähigkeiten aktuell gefragt waren. Schon dieser Mitgliederkreis der Dreizehner offenbart, dass sich in ihm die politische Macht der Stadt verdichtete.523 Aufgrund der hohen Sitzungsfrequenz mussten die Dreizehner über genügend Ànanzielle Rücklagen verfügen.524 Ihnen kam die 519 War die Politik Basels vor 1450 von zahlreichen unterschiedlichen Ausschüssen geprägt, ging deren Anzahl in der Zeit danach stetig zurück, dazu vgl. Heusler, Verfassungsgeschichte, S. 390 ff. 520 Das Kollegium der Dreizehner weist eine wechselvolle Geschichte auf und geht wahrscheinlich auf ein als „Neuner“ bezeichnetes Gremium zurück. Dieses lässt sich ab 1405 in Basel in den Quellen fassen und hatte vor allem in Kriegszeiten zahlreiche Aufgaben, dazu vgl. Fabian, Geheime Räte, S. 393–397; Füglister, Handwerksregiment, S. 164ff.; Heusler, Verfassungsgeschichte, S. 388 ff.; Wackernagel, Geschichte, 236–241; Gloor, Politisches Handeln, S. 275. 521 Zu den Dreizehnern in Straßburg siehe Kapitel B 3. 522 Die Zusammensetzung änderte sich im Lauf der Geschichte mehrfach. So wurden im Februar 1445 die Dreizehner wieder von den Neunern abgelöst, im Mai desselben Jahres aber bereits wieder eingesetzt. Von diesem Zeitpunkt an saßen zunächst zwei Stubenherren und elf Zunftgenossen im Dreizehnerkollegium, die bis 1469 von Oberzunftmeister, Bürgermeister, vier Achtbürgern und acht Zünftigen verdrängt wurden, Wackernagel, Geschichte, S. 238 f. 523 Der Mitgliederkreis veranlasste Fabian dazu, Folgendes festzustellen: „Doch ist im Großen und Ganzen zu sagen, dass während der zweiten Hälfte des XV. Jahrhunderts das Dreizehnerkolleg, als Ausschuss des Rates sein Bestes an Einsicht und Kraft in sich schließend, der eigentliche Träger der Souveränität war“, Fabian, Geheime Räte, S. 394. Vgl. dazu auch Füglister, Handwerksregiment, S. 157: „Indem nun aber ein wesentlicher Teil der politischen Tätigkeiten aus dem Ratsplenum in die Kompetenz einzelner Führungsorgane resp. ad hoc gebildeter Verordnungen verlegt wurde, konnten sich in den einzelnen politischen Bereichen Gruppen von jeweils besonders häuÀg beteiligten Ratsmitgliedern als engere Führungsgruppen herausbilden, die dank ihrer Vertrautheit mit den jeweiligen Geschäften und dem damit verbundenen EinÁuss innerhalb des Rats imstande waren, entscheidenden EinÁuss auf den Gang der Politik zu nehmen.“ 524 Vgl. Füglister, Handwerksregiment, S. 164–177.
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Ausführung der Ratsbeschlüsse zu, sie wachten über die städtische Ordnung und den Stadtfrieden und hatten als einzige Personen innerhalb der Stadt das Recht, städtische Amtsträger zu kontrollieren und Strafen über sie zu verhängen.525 Zudem waren sie dazu bevollmächtigt, über von ihnen bestimmte Angelegenheiten Geheimhaltung zu wahren und konnten selbständig entscheiden, ob sie mit von ihnen getroffenen Beschlüssen nochmals vor den Rat traten. Vor allem in den Basler Öffnungbüchern wird der große EinÁuss der Dreizehner deutlich. In ihnen fassten der Stadtschreiber und die Räte die auf den Ratssitzungen diskutierten und beschlossenen Dinge kurz zusammen und hielten fest, wenn sich die Räte beispielsweise darauf geeinigt hatten, eine bestimmte Angelegenheit an das Dreizehnerkollegium weiterzuleiten. Als sich beispielsweise eidgenössische Vertreter Ende Januar 1473 auf einer Versammlung in Luzern darauf einigten, Anfang Februar 1474 ein Treffen bezüglich der „Ewigen Richtung“ einzuberufen, kamen sie überein, zu diesem Zweck auch Gesandte aus Basel einzuladen.526 Wie aus einer Notiz im Basler Öffnungsbuch hervorgeht, erhielten die Räte Basels den Einladungsbrief kurz darauf und einigten sich diejenigen von ihnen, die als „bottschafft zu der eydgenossen tage“527 geschickt werden sollten. Da diplomatische Missionen zu ihren Aufgaben gehörten, verwundert es nicht, dass es sich bei den Beauftragten fast ausschließlich um Dreizehner handelte.528 Dass in diesem Zusammenhang ehemalige und aktuelle Dreizehner gemeinsam mit der Wahrnehmung der Mission betraut wurden, wirft ein interessantes Licht auf die Kontinuität in der Basler Politik. Auf diese Weise war es für die städtische Führung möglich, eine einheitliche politische Linie zu verfolgen, zumal der Rat sich die Auswahl der Gesandten noch 1506 zumindest formal vorbehielt.529 Auf einer weiteren Zusammenkunft der Basler Räte, die Mitte Dezember 1473 stattfand, wurden sie durch ihre „botten“ nach ihrer Rückkehr vom „abscheid“ einer Versammlung in Luzern mit eidgenössischen Vertretern unterrich-
525 Hinzu gesellte sich bis in die 1460er Jahre noch die Kontrolle über die städtischen Finanzen, was sich aber rund ein Jahrzehnt später änderte. Ab diesem Zeitpunkt in den Kompetenzbereich der so genannten „Dreier“ Àel. 526 Segesser, Abschiede Nr. 694, S. 437 ff. 527 StABas ÖB 5, fol. 93v. 528 So wurden neben dem ehemaligen Oberzunftmeister Klaus von Regisheim und dem ehemaligen Bürgermeister Hans von Bärenfels und ehemaligen Oberzunftmeister Heinrich Iselin auch Hans Bremenstein und Heinrich Zeigler als Basler Vertreter für das Treffen in Zürich bestimmt. Das ist insofern interessant, als genau diese Personen im Untersuchungszeitraum den größten Teil der Verhandlungen mit den Eidgenossen führten. 529 Vor 1457 wurden zu Beginn eines jeden Ratsjahres so genannte „Ratsbotten“ oder „Boten Electi“ festgelegt, die die Stadt auf auswärtigen Angelegenheiten vertreten sollten: „Item wann man ouch botten hynfüro inn der statt sachen ze ritten oder ordnen will, so soll man des ersten ein frag harumb lassen gan, weliche der reten zu solicher bottschafft toiglich syen“, zit. nach Füglister, Handwerksregiment, S. 187. Nach dem Erlass der neuen Dreizehnerordnung zählte der Bereich der städtischen Diplomatie zum wichtigsten Aufgabenbereich der Dreizehner, ebd., S. 186.
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tet.530 Demnach hatten die Eidgenossen der Stadt 800 Söldner zur Unterstützung zugesagt.531 Da dies die Außenpolitik der Stadt unmittelbar betraf, einigten sich die Räte auf die Weiterleitung des Beschlusses an die Dreizehner, wie die am Rand stehende „XIII“ verdeutlicht. Schließlich Àel in deren Aufgabenbereich auch die Organisation von militärischen Angelegenheiten, wie das folgende Beispiel verdeutlicht. Als man in Basel nach der Gefangennahme des burgundischen Landvogts im April 1474 mit einem Waffengang gegen Burgund rechnete, entschied man sich, den Dreizehnern mit den Vollmachten eines Kriegsrats auszustatten, was ihre militärische Bedeutung zusätzlich verstärkte. In dieser Funktion oblag es ab diesem Zeitpunkt allein ihnen, Waffenkäufe zu tätigen, Hauptmänner zu bestimmen und Wachmannschaften zu organisieren. Die Beispiele offenbaren die große Machtfülle des Dreizehnergremiums in politischen Fragen, die noch gesteigert wird, wenn man berücksichtigt, dass sich seine Mitglieder auch ohne Zustimmung des Rates versammeln durften.532 Vor allem in Kriegszeiten, wenn schnelle Entscheidungen gefragt waren, stellte das eine besondere Notwendigkeit dar. Schließlich trafen bei den Dreizehnern nahezu alle für die Stadt relevanten Informationen ein, es wurde Außenpolitik vor- und nachbereitet und beinahe ausschließlich von ihnen durchgeführt. Überdies führten und kontrollierten ihre beiden Vorsitzenden gemeinsam mit dem Stadtschreiber die auswärtige Korrespondenz und hatten das Recht, eingehende Briefe als Erste zu öffnen.533 Damit waren sie der am besten informierte Kreis von Basler Amtsträgern im Untersuchungszeitraum. Auf diese Weise lässt sich an dem Basler Dreizehnergremium ähnlich wie in Straßburg Ansätze zu beziehungsweise der Wunsch nach einer Institutionalisierung der städtischen Außenpolitik ausmachen. Aus den Dreizehnern rekrutierte sich eine weitere wichtige Gruppe, die drei so genannten „Heimlicher“.534 Auf eine enge Verbindung zwischen ihnen und den Dreizehnern deutet ein Quellenhinweis aus dem Jahr 1498 hin, nach dem sie und ihre „Zubotten“ aus den Dreizehnern gewählt wurden.535 Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine solche Verbindung schon im Untersuchungszeitraum gegeben war. Wie ihre Bezeichnung schon vermuten lässt, waren ihre Anordnungen und Arbeitsfelder geheim und nur ihnen selbst, den Dreizehnern sowie dem Stadtschreiber bekannt. Als Begründung für die Schaffung dieser Gruppe hatten die Räte 1373 gegenüber dem Bischof angegeben, dass es vor allem in Kriegszeiten sehr schwer
530 StABas ÖB 5, fol. 108r: „Als unser botten den abscheid von Lutzern der 800 Söldner anbracht hand“. 531 Segesser, Abschiede Nr. 726a, S. 463. 532 „Sie durften von sich aus handeln, ohne den Rat zu konsultieren zu müssen, sie konnten Geheimhaltung anordnen sowie den Stadtfrieden und das Regiment im allgemeinen handhaben“, Sieber-Lehmann, Basel, S. 78. 533 Füglister, Handwerksregiment, S. 195 f. 534 Zu den Heimlichern vgl. Heusler, Verfassungsgeschichte, S. 383 ff.; Sieber-Lehmann, Basel, S. 80; Füglister, Handwerksregiment, S. 170 f.; Wackernagel, Geschichte, S. 240. 535 Sieber-Lehmann, Basel, S. 80.
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falle, getroffene Beschlüsse geheim zu halten, weswegen sie das Gremium der Heimlicher gebildet hätten.536 Da in den Quellen nur vereinzelt Hinweise über sie zu Ànden sind, spekulierte die bisherige Forschung viel über ihre genauen Tätigkeitsbereiche.537 Einen möglichen Hinweis auf die Kosten, die der Stadt aus der Arbeit der Heimlicher und deren Knechte entstanden, bieten die Basler Wochenausgabebücher. In diesen Àndet sich stets ein nicht genau bestimmbarer Posten, der mit „Causae secrete“ („geheime Dinge“) bezeichnet wird. Auch in den Jahresrechnungen taucht dieser Posten auf und wird dort mit „Heimlich sach“ übersetzt. Da die für diesen Posten veranschlagten Summen vor allem in Kriegszeiten und während diplomatischer Verhandlungen höher ausÀelen, könnte er mit der Arbeit der Heimlicher zusammenhängen; schließlich lag ihre Hauptaufgabe in der gezielten Schädigung von Feinden der Stadt. In einer Verordnung, die 1468 während des Sundgauerkriegs entstand, wurden ihre Aufgaben für die aktuelle Situation folgendermaßen umschrieben: Demnach hatten sich Rat und Dreizehner darauf geeinigt, den Heimlichern und ihren Knechten weitreichende Vollmachten für Wachaufgaben für die Städte auf beiden Seiten des Rheins „under den toren und uff turnen“ und dort, wo es „nach gestallt der wilden louffen“ sonst notwendig sei, zu erteilen.538 In diesem Zusammenhang sollten sie diese Tag und Nacht versorgen, sich aber bei auftauchenden Problemen sofort an die Räte wenden. In den Bereich der Feindschädigung Àel weiterhin die wichtige militärische Aufklärungsarbeit. Damit ist die von den Städten praktizierte und noch vorzustellende Aussendung der so genannten „Kundschafter“ gemeint.539 Daran wird die herausgehobene Position der Heimlicher, Dreizehner und des für sie arbeitenden Stadtschreibers bei der Beschaffung, Verwaltung und Distribution von Informationen und deren Transformation in Wissen deutlich. Dieses Wissen wiederum mündete in politische Handlungen und etablierte die Position des Basler Rats und seiner Verbündeten. Hinzu gesellte sich die Kontinuität in der personellen Zusammensetzung des Dreizehnerkollegiums. Sie erlaubte es seinen Mitgliedern auf lange Sicht, eine einheitliche Außenpolitik zu verfolgen, was vor allem in KonÁiktzeiten wichtig war. Da sowohl der Große Rat als auch der Bischof, der Bürgermeister und der Oberzunftmeister vor allem in solchen Zeiten verständlicherweise zwingend an einer einheitlichen politischen Linie interessiert waren, erklärt das, warum immer wieder die gleichen Personen Mitglieder des Dreizehner536 Zit. bei Heusler, Verfassungsgeschichte, S. 384. 537 Exemplarisch dafür können die Ausführungen Wackernagel stehen, für den die Hauptaufgaben der Heimlicher in „einzelne[n] Massregeln [lag], die in ihrer persönlichen Richtung die ganze Härte und Unerbittlichkeit jenes Geschlechtes zeigen. Auf Den und Jenen zu stellen und so gegen ihn zu handeln, dass man ihn los werde, lautete in solchen Fällen der Auftrag. Es war die Ergänzung des offenen Kampfes durch geheimes Befeinden, das notwendig war, aber dessen Hässlichkeit nicht nur uns verletzt. Die Heimlicherherren freilich waren durch das Amt gedeckt und hatten keine Hand zu regen; aber die ‚heimlichen Knechte‘, die ihre Beschlüsse ausführen mussten, galten als anrüchig und geschändet“, Wackernagel, Geschichte, S. 240. 538 StABas ÖB 4, fol. 94. Überschrieben ist diese Ordnung mit: „Der Heymlicher vnd der so inen zugehören sint gewalt“. 539 Zu den Kundschaftern siehe Kapitel F 2.
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kollegiums waren.540 Auf diese Weise machten sich die Dreizehner als diplomatische Experten nahezu unentbehrlich für die Außenpolitik und konnten gleichzeitig ihre politische Stellung in der Stadt konsolidieren. Durch die hohe Kontinuität ihrer politischen Partizipation spielten sie eine zentrale Rolle bei der Kohäsion zwischen den Bündnispartnern; sie sorgten dafür, dass Vertrauen aufgebaut, konsolidiert und etabliert wurde. Ihre stetige diplomatische Praxis bedingte einen hohen Informationsgrad, der zu einer Ausbildung von speziellen außenpolitischen Wissensbeständen führte. Die Dreizehner ließ das zu Experten für bestimmte Themen werden, die sie wiederum zur Wahrnehmung von weiteren Missionen prädestinierte. Auf diese Weise konsolidierten sie ihre gesellschaftliche und politische Stellung und machten sich unentbehrlich für die städtische Führung. Hinzu kamen ihre weitreichenden Kontakte, die ihnen gleichermaßen eine Spezialisierung auf bestimmte Ressorts erleichterte und erweiterte Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung bot. So wurden sie auch für die Kommunikations- und Bündnispartner Basels zu wichtigen Ansprechpartnern, was im Untersuchungszeitraum zahlreiche Vorteile bot. Eine nähere Untersuchung ihrer personellen Zusammensetzung verspricht daher wesentliche Aufschlüsse für das Verständnis der von den Basler Räten verfolgten Außenpolitik im Kontext der Burgunderkriege.541 6. AKTEURE IN BASEL Die wichtigste Voraussetzung für die Arbeit als Diplomat war auch in Basel Abkömmlichkeit, wodurch verständlich wird, warum bestimmte Personen und Zünfte von der Wahrnehmung diplomatischer Aufgaben ausgeschlossen waren. Die Diplomaten genossen das Vertrauen der Bürger und ihrer Miträte, die Interessen der Stadt außerhalb der Stadtmauern zu vertreten und eine einheitliche politische Linie zu verfolgen. Als Mitglieder der Dreizehner kam vor allem den Bürgermeistern und Oberzunftmeistern der Stadt die Wahrnehmung von diplomatischen Aufgaben zu. Bereits 1457 hatte sich der Basler Rat gezwungen gesehen, die höchsten städtischen Amtsträger während ihrer Amtszeiten nicht mehr als Vermittler zwischen Dritten abzuordnen, sondern nur noch Aufgaben für die Stadt selbst wahrnehmen zu lassen.542 Es lag jedoch stets im Ermessen des Rats beziehungsweise des Dreizehnerkollegiums, wann sie ihre jeweils amtierenden Amtsträger auf diplomatische Missionen schickten.543 Dabei muss betont werden, dass ihre vermehrte Anwesenheit in der Stadt, sei es bei Gerichtsprozessen oder beim Empfang von auswärtigen Gesandten, während ihrer aktiven Amtszeiten häuÀger als sonst gefragt war. Es ist je540 Eine Zusammenstellung der Dreizehner für den betrachteten Zeitraum Àndet sich bei Fabian, Geheime Räte, S. 406; zu Berührungspunkten der Politik des Bischofs und der Stadt Basel vgl. Hirsch, Hof, S. 118 ff. 541 Ähnlich geht auch Füglister, Handwerksregiment, S. 157 ff., für den Beginn des 16. Jahrhunderts vor. 542 Heusler, Verfassungsgeschichte, S. 381. 543 Dazu, wenngleich in späterer Zeit, Füglister, Handwerksregiment, S. 195 f.
6. Akteure in Basel
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doch zu berücksichtigen, dass die außenpolitischen Aktivitäten aller Amtsträger in direkter Abhängigkeit zur Intensität der Kontakte zu den (späteren) Bündnispartnern standen, so dass die Oberzunftmeister und Bürgermeister, die ab 1473/74 amtierten, häuÀger diplomatische Missionen wahrnehmen mussten, als jene in den Jahren zuvor. Doch erschöpft sich ihre Bedeutung nicht in der Menge der von ihnen wahrgenommenen außenpolitischen Aufgaben. Ebenfalls von Bedeutung im Prozess des Zusammenrückens zwischen den eidgenössischen und oberrheinischen Reichsstädten war ihre Rolle als Diskussionsleiter von Gesprächen, wenn diese in Basel selbst stattfanden. Zwischen 1468/69 und 1474/75 amtierten in Basel je zwei Bürgermeister und Oberzunftmeister, die sich jährlich im Amt abwechselten. Bei diesen handelte es sich um die Bürgermeister Hans von Bärenfels und Peter Rot sowie die Oberzunftmeister Heinrich Iselin und Hans Zscheckabürlin. Doch sind bereits hier Einschränkungen zu machen. Denn während sich der erwähnte Zscheckabürlin in den Quellen selten auf diplomatischen Missionen nachweisen lässt, war sein Amtskollege Iselin in dieser Hinsicht weitaus aktiver. Da sowohl Bärenfels als auch Iselin genau in den Jahren als Häupter der Stadt amtierten, in denen das Bündnis zwischen den oberrheinischen und eidgenössischen Reichsstädten konkretere Formen annahm und letztlich auch besiegelt wurde, lassen sie sich häuÀger als ihre Amtskollegen auf Gesandtschaften Ànden. Neben den Häuptern kam auch anderen Mitgliedern des Rats und vor allem den Dreizehnern die Wahrnehmung diplomatischer Aufgaben zu, und diese relativ wenigen Personen müssen als die eigentlichen außenpolitischen Experten bezeichnet werden. Durch ihre Arbeit war die Führung der Stadt in der Lage, ihre politischen Interessen kontinuierlich zu vertreten und eine einheitliche Außenpolitik zu etablieren. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Sie hatten mehr Zeit und konnten im Gegensatz zu den Häuptern grundsätzlich immer diplomatische Aufträge entgegennehmen. Das war für den Rat umso bedeutsamer, als er sich vom EinÁuss des Bischofs emanzipieren wollte, die Häupter aber von ihm bestimmt wurden.544
544 Schließlich besaß dieser umfassende Rechte bei der Bestimmung bzw. Wahl der Bürgermeister und Oberzunftmeister. Der gemeinsame Feind, der burgundische Herzog und seine Amtsträger, hatte im Kontext der Burgunderkriege zu einem Zusammengehen der Interessen von Rat und Adligen und einer Überdeckung der Gegensätze geführt, vgl. dazu Sieber-Lehmann, Basel, S. 91 ff. u. S. 121.
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B. Die städtischen Gesandten
Exkurs: Basels Außenpolitik im Spiegel der Quellen Die wichtigsten Quellen, die man in Basel für außenpolitische Fragen heranziehen kann, sind die Wochenausgabebücher und die Jahresrechnungen der Stadt.545 Sie lassen es zu, Kosten, Personal und HäuÀgkeit sowie Gründe für die Missionen von Basler Diplomaten nachzuvollziehen.546 Beginn der Rechnungslegung war stets der Regierungsantritt eines neuen Rats am 24. Juni. Geführt wurden die Wochenausgabebücher und Jahresrechnungen von den so genannten „Dreiern“, die für die Finanzen der Stadt zuständig waren.547 Die Jahresrechnungen stehen in direkter Abhängigkeit zu den Wochenausgabebüchern und den Öffnungsbüchern. Sie stellen die Gesamtzusammenschau dieser beiden Quellen dar und enthalten in addierter und komprimierter Form die Gesamtausgaben der Stadt, wie beispielsweise für das Bau- oder Gerichtswesen oder die erwähnten „geheimen Dinge“. Die „Dreier“ rechneten die gesamten Kosten, die der Stadt aus Missionen einzelner Amtsträger entstanden, für jeden einzelnen Gesandten mithilfe der Wochenausgabebücher und unter Hinzunahme der Öffnungsbücher zusammen. Eingesehen werden durften die Abrechnungen nur von den Dreiern, dem Oberzunftmeister, dem Bürgermeister, dem Stadtschreiber sowie den Dreizehnern.548 In der vorliegenden Arbeit stellen sie die Hauptquelle bei der Betrachtung der Außenpolitik Basels dar. Im Folgenden wird sich jedoch darauf beschränkt, Parameter vorzustellen, die direkt oder indirekt mit der städtischen Außenpolitik zusammenhängen und sich in der folgenden Tabelle wiederÀnden. Beispielsweise wird in ihnen für jede Woche aufgelistet, wie viel Geld die Stadt für Briefe („senndbrief“), ihre Versendung, ihr Verfassen usw. ausgegeben hat und wohin diese geschickt wurden. Bereits eine sporadische Sichtung der Kosten, die aus der Versendung von Briefen in jeder Woche entstanden, zeigt, dass Basels Briefkommunikation in Krisenzeiten ständig zunahm. Unterstützt wird diese Beobachtung durch die Analyse der städtischen Jahresrechnungen. Dementsprechend waren die Ausgaben für die Versendung von Briefen in den verhältnismäßig friedlichen Jahren 1469/70 (96 Pfund), 1470/71 (94 Pfund), 1471/72 (109 Pfund) und 1472/73 (120 Pfund) relativ niedrig, um dann in den folgenden Jahren auf das Doppelte an-
545 Von den Wochenausgabebüchern sind insgesamt zwei für den betrachteten Zeitraum relevant: StABas, WAB 10 (24.12.1462 bis 18.12.1473) und WAB 11 (24.12.1473 bis 26.6.1490). Zu den Wochenausgabebüchern vgl. Groebner, Gefährliche Geschenke, S. 41–49; Rosen, Stadtrechnung; ders., Kriegsausgaben; vgl. auch ders., Finanzgeschichte; Fouquet, Finanzierung; ders., Bauen. Die Jahresrechnungen der Stadt Basel sind für das gesamte Mittelalter erhalten und liegen bereits in edierter Form vor: Harms, Stadthaushalt. Dazu auch Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 53 ff. 546 Ebenfalls die Wochenausgabebücher für außenpolitische Fragestellungen zieht Füglister für seine Untersuchung der Basler Politik Anfang des 16. Jahrhunderts heran, Füglister, Handwerksregiment, S. 186–221. 547 Zu den Dreiern vgl. Füglister, Handwerksregiment, S. 181f.; Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 40–50. 548 Groebner, Gefährliche Geschenke, S. 47 f.
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6. Akteure in Basel
Tab. 1: Jahresausgaben der Stadt Basel für ausgewählte außenpolitische Posten (1469–1476)549
=HLWUDXP
%ULHIH
%RWHQORKQ
:HLQ JHVFKHQNH
:HKU DXVJDEHQ
6|OGQHU
1469/70
96 lb
157 lb
103 lb
255 lb
347 lb
1470/71
94 lb
82 lb
123 lb
366 lb
347 lb
1471/72
109 lb
129 lb
95 lb
101 lb
283 lb
1472/73
120 lb
207 lb
93 lb
527 lb
310 lb
1473/74
209 lb
507 lb
66 lb
1.893 lb
411 lb
1474/75
214 lb
280 lb
131 lb
268 lb
726 lb
1475/76
206 lb
256 lb
93 lb
811 lb
876 lb
*HVDPW
OE
OE
OE
OE
OE
zusteigen.550 Hauptursache für den Anstieg waren sowohl die steigende Anzahl der diplomatischen Kontakte zwischen den oberrheinischen und eidgenössischen Reichsstädten als auch der Beginn des Kriegs gegen den Herzog von Burgund, die ein erhöhtes Maß an Vor- und Nachbereitung erforderlich machten. Der Austausch von Briefen ist damit ein wichtiger Indikator für den erhöhten Kommunikationsund Informationsbedarf unter und zwischen den Bündnispartnern. Differenziert man in diesem Zusammenhang weiter, schrieb die Basler Führung zwischen 1468 und 1475 etwas mehr als einhundert Briefe an seine (späteren) Bündnispartner Bern beziehungsweise Straßburg, was einem Schnitt von fünfzehn Briefen im Jahr entspricht. Doch sind auch hier eindeutige Unterschiede festzustellen: Denn während der Briefkontakt zwischen ihnen bis 1472 verhältnismäßig gering war, stieg er in den Jahren danach kontinuierlich an, was die Bedeutung des Zeitraums ab 1473 zusätzlich verstärkt.551 Fanden wichtige Versammlungen statt, konnte die Menge der untereinander ausgetauschten Briefe in nur einer Woche auf bis zu fünf Briefe ansteigen.552 Als es beispielsweise im April 1473 zu der Gefangennahme der eidgenössischen Kaufleute auf dem Rhein kam, betrugen die Kosten für versendete Briefe mit fünfzehn 549 Die Tabelle stellt eine Zusammenstellung der Jahre 1469–1476 dar, die sich aus den von Harms edierten Jahresrechnungen ergeben, Harms, Stadthaushalt 1469–1476, S. 335–391, vgl. dazu auch die Diagramme über die für „Schenkverein“ verausgabten Summen bei Groebner, Gefährliche Geschenke, Abb. 7 u. 8. 550 Mehr als die Hälfte der Gesamtsumme für den Briefausstoß zwischen 1469 und 1476 entÀel auf die Jahre 1473–1476. 551 Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen auch Esch und Jucker in ihren Untersuchungen für Bern (vgl. Esch, Alltag; Jucker, Gesandte, S. 201 ff.) 552 Siehe die Einleitung mit dem Beispiel der Gefangennahme auf dem Rhein oder den Zeitraum während der entscheidenden Versammlung zwischen den eidgenössischen und oberrheinischen Reichsstädten und dem österreichischen Herzog bzw. seinen Gesandten in Konstanz Anfang April 1474.
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B. Die städtischen Gesandten
Pfund in nur drei Wochen mehr als das Doppelte, als in den gesamten sechs Wochen darauf.553 Auch während des Krieges gegen den burgundischen Herzog war ein erhöhtes Maß an Kommunikation vonnöten. Das geht aus der Gesamtzahl der Briefe in den Missivenbüchern hervor. Während beispielsweise für das Friedensjahr 1472 nur 76 Briefe im Missivenbuch stehen, sind allein für das erste Kriegsjahr 1475 insgesamt 325 Briefe erhalten.554 Dem ist einschränkend hinzuzufügen, dass es sich bei diesen Briefen lediglich um Entwürfe derjenigen handelt, welche die Basler für besonders wichtig erachteten.555 Auf diese Weise wurden die Schreiben archiviert und in Wissensbestände umgewandelt, mit denen sich die Basler Führung später schnell und einfach intertextuell auf zuvor verfasste Schreiben beziehen konnte.556 Da in ihnen auch häuÀg diplomatische Verhandlungen erwähnt werden, stellen die Missivenbücher eine weitere wichtige Quelle für die Erfassung der Außenpolitik Basels dar.557 Den Prozess der Abfassung muss man sich vermutlich wie in Bern vorstellen558: Auf einer Sitzung der Räte oder Dreizehner erhielten die Mitarbeiter der städtischen Kanzlei den Auftrag zur Abfassung eines Briefes und setzten sich nach Beendigung daran, einen Entwurf anzufertigen. Diesen legten sie dann den versammelten Räten oder den Dreizehnern auf ihrer nächsten Sitzung vor, die auf diese Weise einen erweiterten EinÁuss und Kontrolle auf die Inhalte der jeweiligen Schreiben ausüben konnten. Zahlreiche am Rand oder unter den Briefen stehende Einschübe und Bemerkungen verdeutlichen, dass die Räte diese Möglichkeiten auch intensiv nutzten. Daraufhin fertigte die Kanzlei das Schreiben in Reinschrift an und legte es einzelnen Mitgliedern oder der gesamten Basler Führungsgruppe zu einer letzten Kontrolle vor. Diese versiegelte es, um es dann einem städtischen Boten zur Übermittlung an den Empfänger zu übergeben. Leider lassen sich keine genauen Aussagen über die Gesamtzahl aller von Basel versendeten Briefe machen. Doch kann man davon ausgehen, dass sie gerade in Krisenzeiten über eintausend p. a. betragen haben muss.559 Bei den in der Tabelle auftauchenden Werten ist jedoch nicht eingerechnet, dass in den Wochenausgabebüchern nach Beendigung des ersten gemeinsamen Feldzugs von Basel, Bern und Straßburg nach Héricourt ein neuer Posten auftaucht. Dabei handelt es sich um Ausgaben, die laut Wochenausgabebuch und Jahresrechnungen „von gemein buntgenossen“ wegen entstanden und von den Verbündeten gemein-
553 StABas ÖB 5, fol. 595–603. 554 Diese Zahlen nach Grolimund, Briefe der Stadt Basel, S. 146 f. 555 Zu den Berner Missiven(-büchern) siehe Kapitel C 3.1. sowie Esch, Alltag, Egg, Schreiber und Schrifthandeln; Jucker, Gesandte, S. 195–225. 556 Dazu siehe das Kapitel C 3. 557 Von den Missivenbüchern sind insgesamt vier Bände für den betrachteten Zeitraum relevant: StABas Missiven A 11 (1466–28.7.1468), A 12 (29.6.1468–10.10.1470), A 13 (27.7.1470– 2.11.1474) und A 14 (9.11.–27.12.1476). 558 Zumindest in Ansätzen hat das Grolimund für Basel untersucht, vgl. Grolimund, Briefe Basels, S. 151 f. Für die spätere Zeit vgl. Berner, Gute Correspondenz. 559 Grolimund kommt für den Zeitraum zwischen 1409 und 1500 allein durch die Auszählung in den Missivenbüchern auf insgesamt 6.743 Briefe, Grolimund, Briefe Basels, S. 146 f.
6. Akteure in Basel
117
sam getragen worden waren.560 Dazu gehörte unter anderem auch die Versendung von Briefen oder die Bezahlung von Gesandten, wenn sie im Zusammenhang mit dem Bündnis gegen Burgund und seine Verbündeten standen. Daran wird etwas deutlich, das sich auch in den untersuchten Schreiben selbst wiederÀndet. So änderte sich die Anrede der Kommunikationspartner unmittelbar nach Kriegsausbruch beziehungsweise zum Teil auch schon nach den Bündnisabschlüssen: Aus einfachen „Freunden“ wurden nun „Freunde und Bundgenossen“.561 Damit bin ich bei den Ausgaben, welche die städtische Führung Basels zwischen 1469 und 1476 für Gesandtschaften („Bottenlon“ beziehungsweise „bottenzerunge“) gemacht hat.562 Die Summen korrespondieren mit den Beobachtungen zu den versendeten Briefen und waren also in friedlicheren Zeiten sehr viel geringer als in Zeiten, in denen es zur erhöhten Anzahl von diplomatischen Kontakten kam. In besonderem Maße trifft das auf die Jahre 1473/74 zu. Allein die Ausgaben, die in diesen Jahren für diplomatische Missionen getätigt wurden (507 Pfund), machen ein Drittel der Gesamtausgaben in den acht Jahren zwischen 1469 und 1476 (1.618 Pfund) aus. Gleiches lässt sich auch bei den Ausgaben für Wein („Schenkwein“) feststellen, den das Basler Führungsgremium hochrangigen und verbündeten Besuchern der Stadt ausschenkte. Hinzu kamen die Kosten für weitere Geschenke, die Basel beispielsweise an Herolde oder Musiker fremder Herrschaftsträger machte.563 Diese stehen in direkter Abhängigkeit zu den diplomatischen Kontakten der Stadt. Aber auch die Ausgaben für militärische Dinge, so für Befestigungsanlagen, Kriegsmaterial und Söldner, stiegen im Kontext des Kriegsausbruchs und in seinem Verlauf verständlicherweise auf exorbitante Summen an.564 Interessanterweise waren die Wehrausgaben Basels jedoch nicht in den eigentlichen Kriegsjahren 1474– 76 am höchsten, sondern bereits in den beiden Jahren zuvor.565 Doch muss einschränkend hinzugefügt werden, dass die Basler Führung für jeden einzelnen Kriegszug der Burgunderkriege eine eigene Rechnung anlegte. So gab sie beispielsweise für den ersten Feldzug nach Héricourt (Oktober/November 1474) 4.421 Pfund, für den Zug nach Neuß (1474/75) 4.032 Pfund oder den Zug in die Freigrafschaft Burgund (Juli/August 1475) die Summe von 7.665 Pfund als Ausgaben
560 Das erste Mal Àndet sich dieser Posten nach der Versammlung der siegreichen Verbündeten in Basel Mitte Dezember 1474. 561 Zum Freundschaftsdiskurs in der Eidgenossenschaft im 15. Jahrhundert vgl. Schmid, Liebe Brüder; Jucker, Freundschaft; für die Frühe Neuzeit vgl. Würgler, Freunde. 562 Zu den Ausgaben des Basler Bischofs für Gesandte und Boten im Untersuchungszeitraum vgl. Hirsch, Hof, S. 107–117; Hirsch/Fouquet, Haushaltsbuch, S. 369–374, zusammengefasst S. 373 f. 563 Auch dazu Groebner, Gefährliche Geschenke, S. 51–82; ders., Invisible Gifts sowie, die Geschenkpraxis des Basler Bischofs im Untersuchungszeitraum analysierend, Hirsch, Hof, S. 86–101. 564 Zu den Wehrausgaben vgl. Rosen, Kriegsausgaben; Fouquet, Finanzierung. 565 Die insgesamt 2.420 Pfund waren mehr als doppelt so hoch, wie von denen, welche die Stadt 1474–76 ausgegeben hatte.
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aus.566 Vor diesem Hintergrund kann man sich vorstellen, dass die Burgunderkriege ein massives Loch in die Stadtkasse rissen. Selbst wenn ein Teil dieser Kosten gemeinsam von den Verbündeten getragen wurde, reichten die Einnahmen der Stadt bei weitem nicht zur Deckung der Ausgaben aus.567 Um die aus den Vorbereitungen für den Krieg beziehungsweise diesen selbst resultierenden Kosten zu decken, sahen sich die Basler Räte daher zur Aufnahme von Krediten gezwungen. Dabei nutzten sie ihre vielfältigen Kontakte. Ein Beispiel für ein solches Vorgehen bildet die Reise des Basler Rats und Kaufmanns Irmi nach Mailand, der beim Herzog von Mailand einen Kredit für seine Heimatstadt aufnehmen sollte.568 Als weitere Kreditgeber tauchen Klöster und andere geistliche Gemeinschaften innerhalb der Stadt auf. So hatte Basel 1474/75 Schulden bei den Kartäusern, dem Konvent der Heiligen Katharina oder beim Domkapitel der Stadt, woran sich die engen Kontakte zwischen diesen Einrichtungen und den Basler Bürgern offenbaren.569 In ihrer Not griff die Basler Führung aber auch auf Institutionen außerhalb der Stadtmauern zurück und schuldete beispielsweise 1470/71 sowohl zwei Frauenkonventen als auch dem Straßburger Domkapitel hohe Summen.570 Dieses Jahr ist noch in einer anderen Hinsicht interessant, da sich Basel auch bei reichen Straßburger Bürgern Geld lieh.571 Hinzu gesellten sich Kreditaufnahmen bei reichen Familien, die in einer Verbindung mit der städtischen Führung standen.572 Die bei weitem höchsten Summen lieh sich die Stadt jedoch, und das ist aufschlussreich, bei den eigenen Bürgern, und in nahezu jeder Jahresrechnung des Untersuchungszeitraums tauchen derartige Posten auf. Die geldgebenden Bürger lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Während es sich bei der ersten allgemein um wohlhabende, dem Rat nahestehende Personen handelte, wie beispielsweise Peter Offenburg, Lorenz Halbeisen oder Konrad Kilchmann, deren Familien in den Jahrzehnten zuvor im Rat gesessen hatten, setzte sich die zweite Gruppe aus Personen zusammen, die in eigener Person oder durch ihre Familienmitglieder in den behandelten Jahren aktiv in der Politik ihrer Heimatstadt tätig waren. Familien, die in diesem Zusammenhang in den Jahresrechnungen immer wieder genannt werden, sind die von Lauffen, Schönkind, Surlin, Iselin oder Effringen.573 Vor diesem Hin566 Zum Zug nach Héricourt vgl. Harms, Stadthaushalt 1474/75, S. 380; zum Zug nach Neuß ebd., S. 381 und zum Zug in die Freigrafschaft Burgund vgl. Harms, Stadthaushalt 1475/76, S. 393. 567 Vgl. Rosen, Stadtrechnung, S. 127. Dieser gibt beispielsweise für die Jahre 1474/75 an, dass sich die Einnahmen auf rund 25.500 Pfund beliefen, während die Ausgaben 44.240 Pfund betrugen, vgl. dazu auch ders., Kriegsausgaben, S. 190 ff. 568 Zu Hans Irmi vgl. auch Walter, Informelle Kontaktnetze. 569 Das Domkapitel hatte der Stadt einen Kredit in Höhe von 2.045 Gulden gewährt, Harms, Stadthaushalt 1471/72, S. 359; zu den Kontakten zwischen geistlichen Einrichtungen und Bürgern in Straßburg vgl. Schmitt, Städtische Gesellschaft. 570 Harms, Stadthaushalt 1470/71, S. 350. 571 So beispielsweise bei Jakob Veltin und Erhart Wurmser, Harms, Stadthaushalt 1470/71, S. 350. 572 Zu diesen gehörten beispielsweise die Familien Andlau, Eptingen oder Hallwil, vgl. Harms, Stadthaushalt 1473/74, S. 369. 573 Hans von Lauffen lieh der Stadt 1468/69 400 Gulden, Harms, Stadthaushalt 1468/69, S. 339 und Bernhard von Lauffen 1470–72 1.000 Gulden, Harms, Stadthaushalt 1470/71, S. 351; Peter Schönkind lieh der Stadt 1468/69 490 Gulden, Harms, Stadthaushalt 1468/69, S. 339; Thoman
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tergrund bekommen die Burgunderkriege eine persönliche Dimension: Wenn nämlich Mitglieder der Basler Führungsgruppe mit Teilen ihres Vermögens als „Mitunternehmer“574 für die hohen Kosten der Auseinandersetzungen mit Burgund aufkamen, ist bei ihnen der unbedingte Wunsch nach einem erfolgreichen Verlauf des Kriegs zwingend vorauszusetzen. Besonders deutlich wird das bei der Basler Handelsfamilie Zscheckabürlin, die 1475 zu den reichsten Bürgern der Stadt gehörte.575 Sowohl der in den Jahren 1469/70, 1471/72 und 1473/74 als Oberzunftmeister sowie als Dreizehner amtierende Hans Zscheckabürlin als auch sein gleichnamiger Vater liehen der Stadt zwischen 1471–75 einen Betrag in Höhe von 1.100 Gulden.576 Das erscheint in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich, um die außenpolitischen Motive Basels im vorliegenden Zeitraum zu verstehen: Denn interessanterweise partizipierten die Zscheckabürlins und ihre Familienmitglieder aktiv am (Fern-)Handel und waren von den Störungen desselben durch Burgund unmittelbar betroffen. Bei alldem drängt sich daher die Frage geradezu auf, ob diese Familien durch ihre in die Stadt getätigten Investitionen eine Möglichkeit sahen, ihren ProÀt aus dem Handel sicherzustellen beziehungsweise nach erfolgreicher Beendigung der Kriege gegen den burgundischen Herzog vielleicht sogar zu erhöhen. Oder hofften die Zscheckabürlins gar, dass ihnen, ihren Verwandten und ihren Handelspartnern aus der Gewährung von Krediten erweiterte Möglichkeiten der EinÁussnahme auf die (Außen-)Politik der Stadt erwuchsen? Spricht man von der Gewährung von Krediten, sind zudem auch Zinsen angesprochen, die daraus resultierten und den Geldgebern zusätzliche Einnahmemöglichkeiten eröffneten. Betrachtet man die verwandtschaftlichen Verbindungen der Zscheckabürlins, erkennt man, dass sie mit zahlreichen Familien durch Heiraten verbunden waren, die ebenfalls am (Fern-)Handel partizipierten.577 Doch nicht nur sie verfügten im Untersuchungszeitraum über Handelskontakte; auch die übrigen nun vorzustellenden Diplomaten Basels hatten merkantile Interessen.
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Surlin lieh der Stadt 1470/71 einen Betrag in Höhe von 76 Gulden, Harms, Stadthaushalt, S. 351; Heinrich Iselin lieh der Stadt 1470/71 200 Gulden, Harms, Stadthaushalt 1470/71, S. 352; Henmann von Effringen lieh der Stadt 1470/71 200 Gulden, Harms, Stadthaushalt 1471/72, S. 359. Zur so genannten „Mitunternehmerschaft“ im Hinblick auf die so gewährleistete Partizipation städtischer „Eliten“ bei Unternehmungen wie Kriegen vgl. Hesse, Amtsträger der Fürsten, S. 379–433. Hans Zscheckabürlin d. Ä. versteuerte 1475 ein Vermögen in Höhe von 12.800 Gulden, Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 768, sein Sohn Ludwig 5.000 Gulden und sein Sohn Hans d. J. 3.200 Gulden, ebd., womit sie zu den reichsten Bürgern der Stadt gehörten. Hans Zscheckabürlin d. Ä. hatte der Stadt bereits 1470–72 einen Betrag von 600 Gulden, Harms, Stadthaushalt 1471/72, S. 359 und 1474/75 weitere 300 Gulden geliehen, Harms, Stadthaushalt 1474/75, S. 383. Harms, Stadthaushalt 1474/75, S. 383. So war beispielsweise die Tochter Hans d. J., Bertha, mit dem späteren Ratsherr und Großhändler Ludwig Kilchmann verheiratet, zu ihm vgl. Füglister, Handwerksregiment, S. 300. Aber auch die Tochter seines Bruders Ludwig heiratete mit Eucharius Holzach in eine Handelsfamilie ein, zu ihm vgl. Füglister, Handwerksregiment, S. 319.
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6.1. Die Bürgermeister Peter Rot († 1487) und Hans von Bärenfels († 1495) Peter Rot stammte aus einem alteingesessenen und politischen sehr einÁussreichen Achtbürgergeschlecht der Stadt Basel.578 So hatten bereits zahlreiche Mitglieder der Familie Rot und auch sein Vater Hans der Stadt viele Jahre als Bürgermeister vorgestanden.579 Peter selbst saß ab 1452/53 zunächst für die Achtbürger im Rat, unternahm 1453 wie sein Vater Hans dreizehn Jahre zuvor eine Reise ins Heilige Land und wurde dort zum Ritter geschlagen. Hans Rot hatte diese Reise unter anderem auch mit dem Onkel des bereits vorgestellten maßgeblichen Berner Diplomaten Nikolaus von Diesbach unternommen.580 Nach seiner Rückkehr 1454 lässt Peter Rot sich dann auch nicht mehr unter Achtburgern, sondern unter den Rittern in der politischen Führungsgruppe seiner Heimatstadt belegen. Peter Rot wurde 1455/56 das erste Mal Bürgermeister und amtierte danach für rund zehn Jahre als „Rat von den Rittern“. Von 1464/65 an wechselte er sich bis zu seinem Tod im Jahr 1487 ständig mit dem noch vorgestellten Hans von Bärenfels im Amt des Bürgermeisters ab.581 Dem entspricht auch seine Mitgliedschaft im Dreizehnergremium: Während er im Jahr seiner ersten Amtszeit als Bürgermeister dort Mitglied war, lässt er sich danach nicht mehr dort fassen und taucht erst wieder ab seiner zweiten Amtszeit dort auf.582 Verheiratet war Rot in erster Ehe mit Margarethe von Rümlang, um nach deren Tod Ursula von Effringen († 1513) zu ehelichen.583 Diese stammte aus einer alteingesessenen und in den Ritterstand aufgestiegenen Bürgerfamilie, die während des 14. Jahrhunderts im Tuchhandel zu einem großen Vermögen gelangt war und zu den einÁussreichen Familien der Stadt zählte.584 Aus dieser Ehe ging ein gleichnamiger Sohn hervor, der jedoch nicht in die Fußstapfen seines politisch einÁussreichen Vaters trat. Über seine Schwester war Peter Rot mit der ebenfalls sehr vermögenden und politisch bedeutenden Familie Sürlin verwandt.585 Rot wohnte 1475 im Kirchspiel St. Alban-Ulrich und versteu578 Stammbäume der Familie Ànden sich bei Kindler-Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch 3, S. 631 f. und Merz, Stammtafeln, Tafel 11; allgemein zur Familie vgl. Feller-Vest, Rot. 579 Er war im Kirchspiel St. Leonhard ansässig und versteuerte im Jahr 1451 ein Vermögen in Höhe von 9.200 Gulden, vgl. Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 588. Zu Hans und Peter Rot vgl. Bernoulli, Pilgerfahrt Eptingen; Weis-Müller, Reform, S. 98; Kindler-Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch 3, S. 632; Schüpbach-Guggenbühl, Hans Rot; ders., Peter Rot. 580 Dazu vgl. die Teilnehmerliste im Pilgerbericht von Hans Rot, Bernoulli, Pilgerfahrt Eptingen, S. 88. 581 Das wird an den Ratslisten bei Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 790–799 deutlich. 582 Vgl. die Listen der Dreizehner bei Fabian, Geheime Räte, S. 403–407. 583 Zu ihr und ihrem Testament vgl. Signori, Versorgen, S. 237 f. 584 Zur Familie von Effringen vgl. Merz, Stammtafeln, Nr. 21; Clémence, Effringen. Die Effringen hatten im 14. Jahrhundert mit Tuch gehandelt und bereits in dieser Zeit als Räte und Oberzunftmeister amtiert. 585 Ursula Rot war mit Bernhard Surlin verheiratet, dessen Verwandte im betrachteten Zeitraum sowohl als Achtburger als auch als Ritter im Basler Rat vertreten und von Kaiser Friedrich III. in den Jahren 1434 und 1442 zu Rittern geschlagen worden waren, vgl. dazu Staehelin, Adels- und Wappenbriefe, S. 75 f. u. S. 78; ein Stammbaum der Familie Àndet sich bei Merz, Stammtafeln, Tafel 8.
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erte ein Vermögen in Höhe von 7.000 Gulden, womit er zu den wohlhabenden Familien der Stadt gehörte.586 Er war der Experte Basels, wenn es um Verhandlungen mit den Eidgenossen ging. Als Dreizehner und in seiner Funktion als Bürgermeister der Jahre 1468/69, 1470/71, 1472/73, 1474/75 und 1476/77 oblagen ihm zahlreiche diplomatische Missionen. Im Hinblick auf seine diplomatischen Tätigkeiten offenbart sich zwischen 1470 und 1473 ein deutlicher Schwerpunkt. Während seiner Amtszeiten als Bürgermeister fungierte Peter Rot auf zahlreichen Gesprächen zwischen den späteren Bündnispartnern als Gesprächsleiter. Davon zeugt die mehrfach erwähnte Versammlung in Basel vom März 1471, auf der er gemeinsam mit seinen Kollegen Zeigler, Bremenstein, dem Basler Bischof, den Bernern Scharnachtal und Hetzel von Lindenach, dem Straßburger Baumgartner und zahlreichen weiteren eidgenössischen und oberrheinischen Amtsträgern sowie burgundischen Abgeordneten Gespräche über die schwierige Lage der Reichsstadt Mülhausen führte.587 Wahrscheinlich lag es an seinen innenpolitischen Aufgaben, warum er sich bis März 1472 auf keiner diplomatischen Mission belegen lässt, und erst dann zusammen mit Irmi nach Luzern reiste, wo er Gespräche mit den Eidgenossen und dem Basler Bischof über die „Ewige Richtung“ führte.588 Ende August 1473 gehörte er einer repräsentativen Delegation der Stadt Basel an, die sich nach Freiburg i. Br. begab, um dort den Kaiser zu empfangen und nach Basel einzuladen.589 Als Gesandter fungierte Rot erst wieder im Mai 1474, als er gemeinsam mit seinen Ratskollegen Heinrich Iselin, Heinrich Zeigler und Hans Irmi zum Prozess gegen den burgundischen Landvogt Peter von Hagenbach nach Breisach reiste. Dort amtierte er als einer der Ankläger, die Hagenbach am 9. Mai 1474 zum Tod verurteilten.590 Von dort aus begab er sich gemeinsam mit dem ehemaligen Oberzunftmeister Iselin nach Ensisheim, um mit anderen oberrheinischen Abgeordneten über den drohenden Ausbruch des Kriegs gegen den Herzog von Burgund zu diskutieren.591 Seine Funktion als einer der Ankläger des burgundischen Landvogts bekommt eine zusätzliche Dimension, wenn man sein Verhältnis zu Hagenbach zwischen 1469 und 1474 betrachtet. Denn für den Landvogt war Rot einer der Exponenten der gegen seinen Herrn gerichteten Politik der oberrheinischen und eidgenössischen Reichsstädte. Das offenbart eine kurz vor Hagenbachs Prozess von der Basler Führung angefertigte Liste mit dessen Vergehen gegenüber Basel und ihrer
586 Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 769. 587 Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1585; der Basler Bischof lud die Versammelten zum Essen ein, wie ein Eintrag in seinem Haushaltsbuch verrät, Hirsch/Fouquet, Haushaltsbuch, S. 368: „Item 12 lb in cruczern Hersteyn, dem keller, uff rechenung an mitwoch fur halpfasten, alß die burgunschen und die eigenossen geladen worden […] zum im[bi]ß“. 588 StABas WAB 10, fol. 537, vgl. dazu Segesser, Abschiede Nr. 687. 589 StABasWAB 10, fol. 618. 590 Dazu vgl. Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 89–94; Brauer-Gramm, Peter von Hagenbach, S. 310 ff. 591 StABas WAB 11, fol. 24.
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Führungsgruppe, die ein interessantes Licht auf die Probleme wirft, die man dort mit den burgundischen Machthabern hatte.592 Insgesamt werden in der Liste sechsunddreißig Vergehen aufgeführt, darunter einige Beleidigungen Hagenbachs gegenüber Rot. Beispielsweise hatte Hagenbach auf dem Reichstag in Augsburg 1473 einem Basler Boten mitgeteilt, er werde die Summe für die Auslösung der Pfandlande derart erhöhen, dass „Peter Rot darumb erstochen werden“ müsse. In die gleiche Richtung gehen andere Vorwürfe an Hagenbach, nach denen er die Ehre des Basler Bürgermeister verletzt haben muss: So habe er vor Zeugen gesagt, Rot sei „nit fromm“, sondern ein „boßwicht“ und ihm Eidbruch vorgeworfen. Ein derartiges Verhalten trug nicht zu einem guten nachbarschaftlichen Verhältnis zwischen Basels Führungsgruppe und Burgund bei. Anders als sein Amtskollege Peter Rot gehörte die Familie des Bürgermeisters Hans von Bärenfels zu den bereits seit Ende des 13. Jahrhunderts in Basel bezeugten Rittergeschlechtern.593 Mitglieder seiner Familie hatten über mehrere Generationen hinweg das Schultheißenamt in Kleinbasel bekleidet, standen Ende des 14. Jahrhunderts auf der Seite Habsburg-Österreichs und lassen sich im 14. Jahrhundert im Basler Rat belegen.594 Hans von Bärenfels selbst ist ab 1452/53 als Rat der Ritter im städtischen Führungsgremium bezeugt und amtierte von 1457 an bis seinem Tod 1495 regelmäßig als Bürgermeister.595 Ab 1464/65 wechselte er sich mit Rot jährlich in diesem Amt ab. Da seine Familie zahlreiche Lehen vom Basler Bischof besaß, der EinÁuss auf die Wahl der Bürgermeister der Stadt ausübte, könnte das die hohe Präsenz in diesem Amt erklären.596 In eine andere geographische Richtung deutet die zweite Ehe von Hans’ Mutter. Denn diese hatte nach dem Tod seines Vaters den noch vorzustellenden Hans Irmi geheiratet, woran sich Kontakte der Familie von Bärenfels zum Fernhandel offenbaren.597 Hans selbst heiratete durch seine Ehe mit Magdalena von Mülinen in eine adlige Familie des Aargaus hinein. Während Magdalenas Vater Rat des österreichischen Herzogs gewesen war, unterhielten ihre Onkel enge Beziehungen zu Bern, hatten schon vor der eidgenössischen Eroberung des Aargaus 1415 Bündnisse mit der Aarestadt geschlos-
592 Die AuÁistung trägt die Überschrift „Herr Peter von Hagenbachs, des Lantuogts, gebruchung wider die statt Basel“, StABas ÖB 5, fol. 118–120. 593 Zur Familie von Bärenfels vgl. Clémence, Bärenfels; Kindler-Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch 1, S. 34 ff. 594 Zur Familie im 14. und 15. Jahrhundert vgl. Güdel, Bärenfels. Güdel gibt an, dass die Familie im 14. Jahrhundert enge Kontakte zum Habsburg und damit auch zum österreichischen Herzog Leopold III. unterhielt. Als dieser und zahlreiche seiner Anhänger im Verlauf der Schlacht von Sempach (1386) umkamen, waren unter den Opfern mit Lütold I., Werner II. und Arnold II. auch drei Mitglieder der Familie Bärenfels, Güdel, Bärenfels, S. 44–59. 595 Zu Hans von Bärenfels vgl. Feller-Vest, Bärenfels; Weis-Müller, Reform, S. 97; zu den Ämterlisten der Basler Führung vgl. Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 789–799. Laut Signori, Versorgen, S. 274, Anm. 129, lebten Hans und Magdalena von Bärenfels im Kirchspiel St. Peter. 596 Zu den bischöÁichen Lehen der Bärenfels vgl. Güdel, Bärenfels, S. 11–18. 597 Merz, Stammtafeln, Nr. 10.
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sen und auf deren Seite in zahlreichen Kriegen gekämpft.598 Folglich hatten sie ein Interesse am Verbleib des Aargaus in den Händen der Eidgenossen und waren auch am Abschluss der „Ewigen Richtung“ interessiert, da sie ihre Stellung ausbauen beziehungsweise sogar erweitern wollten.599 Weitere Verwandte von Bärenfels’ Ehefrau saßen im betrachteten Zeitraum im Chorherrenstift Beromünster, dem der zwischen Frankreich und den Eidgenossen vermittelnde Jost von Silenen als Propst vorstand, der ebenfalls enge familiäre Verbindungen nach Bern unterhielt.600 Da aus dieser Ehe lediglich eine Tochter hervorging, war Hans von Bärenfels der letzte Vertreter dieses Familienzweigs.601 Als Bürgermeister der Stadt in den Jahren 1469/70, 1471/72 und 1473/74 und der damit einhergehenden Mitgliedschaft im Dreizehnerkollegium kann man Bärenfels auf zahlreichen diplomatischen Missionen nachweisen, von denen nun die wichtigsten bis zum Jahr 1474 vorgestellt werden sollen. Die Verbindungen seiner Familie nach Österreich, Bern und in den Aargau hatten sicherlich Konsequenzen für die von ihm verfolgte Politik. Außerdem könnten sie bestimmte Ressorts erklären, die er auf seinen Missionen bediente. Bezieht man mit ein, dass einige seiner Familienmitglieder Basel 1474/75 große Geldsummen liehen, könnte das einen Anspruch auf die Ausrichtung der Politik ihrer Heimatstadt zur Folge gehabt haben.602 Dass dies genau in die Amtszeit von Bärenfels als Bürgermeister Àel, offenbart, wie verwandtschaftliche Netze von der Stadt genutzt wurden.603 Bereits 1468 war er als Basler Abgeordneter bei der „Waldshuter Richtung“ anwesend.604 Daraufhin reiste 598 Müller, Mülinen. 599 Die herausgehobene Stellung der Mülinen im Aargau bedingte, dass sie sich durch eine geschickte Heiratspolitik sowohl mit dem aargauischen (Land-)Adel als auch mit dem Berner (Stadt-)Adel verbinden konnten und so in engen Kontakt mit der Familie von Hallwil traten. Diese suchte ihrerseits die Nähe zu Bern, was beispielsweise in der bereits erwähnten Ehe zwischen Wilhelm von Diesbach und Dorothea von Hallwil seinen Ausdruck fand. Besonders deutlich wird die Verbindung zwischen Familie von Mülinen und der Berner Führungsgruppe an einer Ehe, die Hans Friedrich († 1491), Onkel Magdalenas, mit Barbara von Diesbach, geborene von Scharnachtal, schloss. Diese war keine Geringere als die Witwe des bereits vorgestellten und 1475 auf dem Feldzug nach Blamont verstorbenen Berner Politikers Nikolaus von Diesbach. 600 Zu Silenen und seinen Kontakten zur Berner Führungsgruppe siehe Kapitel D 3. 601 Zur Genealogie der Familie Bärenfels vgl. Merz, Stammtafeln, Tafel 7. Nach dem Tod von Hans von Bärenfels im Jahr 1495 wurde die Familie von seinem Bruder Lütold weitergeführt, der jedoch wenig später aufs Land zog, Güdel, Bärenfels, S. 34 f. 602 So hatte der Bruder Hans von Bärenfels, Lütold III., der Stadt Mitte Juni 1474 einen Betrag von 100 Gulden geliehen, vgl. dazu Thommen, Urkundenbuch Stadt Basel 8, S. 359, Nr. 452. Ein anderer Bruder, Werner III., lieh der Stadt im März 1475 sogar 500 Gulden, ebd., S. 384, Nr. 452. 603 Demnach wohnte Bärenfels im Kirchspiel St. Peter und versteuerte 1470 rund 8.000 Gulden und gehörte damit zu den reichsten Bürgern Basels, Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 761. Das wird dadurch bestätigt, dass er zahlreichen Herrschaftsträgern, so beispielsweise dem Markgrafen Karl von Baden Geld geliehen hatte, das er Anfang 1469 zurückerhielt, Thommen, Urkundenbuch Stadt Basel 8, S. 262, Nr. 333; Krieger, Regesten Baden-Hachberg, S. 252, Nr. 9748. Deutlich wird das auch an einer Quittung, die der Basler Rat dem Markgrafen Karl von Baden am 4. Februar 1469 ausstellte, StABas Missiven 12, fol. 117. 604 Feller-Vest, Bärenfels.
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er Ende Februar/Anfang März 1469 gemeinsam mit seinen Miträten Heinrich Zeigler und Peter Schönkind zum österreichischen Herzog. Dieser hielt sich damals in Thann auf, bevor er mit Karl dem Kühnen Verhandlungen über den Vertrag von St.Omer führte.605 Im Juni desselben Jahres wurde Bärenfels Bürgermeister, was eine Reduzierung seiner Missionen zur Folge hatte.606 So reiste er erst kurz vor seiner Wiederwahl zum Bürgermeister gemeinsam mit dem noch vorzustellenden Iselin im Juni 1471 zum Regensburger Reichstag, wo sie beim Reichsoberhaupt den Wunsch Basels nach einer Handelsmesse vortrugen.607 Währenddessen standen die Räte in ständigem Kontakt mit ihnen und erkundigten sich beispielsweise, ob es bereits Neuigkeiten bezüglich des Messeprivilegs gebe, fragten nach, ob „dise lannde wider zu dem loblichen huse Osterrich komen und gelost werden“ oder baten Bärenfels, das „beste darinn“ zu versuchen, sich „in geheim“ zu informieren, was die eidgenössischen Gesandten in Regensburg erreichen wollten.608 In einem weiteren Schreiben an sie wird deutlich, dass sie die Räte kurz zuvor über ihren Verhandlungserfolg um das Messeprivileg informiert haben müssen609. Anfang September reiste er von Regensburg weiter zum Städtetag in Frankfurt, wo er unter anderem auf seinen Kollegen Zeigler sowie die Vertreter Straßburgs traf.610 Bereits die in den Wochenausgabebüchern aufgeführten Ausgaben in Höhe von mehr als zwanzig Pfund für die Pferdebenutzung sind der höchste Betrag im vorliegenden Zeitraum. Hinzu gesellte sich die hohe Summe für einen „knaben“. Bei diesem handelte es sich um einen städtischen Bediensteten, den die Bürger- und Oberzunftmeister auf ihren Missionen stets mit sich führten.611 Laut Jahresrechnung gab er zudem dreihundert Gulden für „zerung“ auf diesen Missionen aus.612 Dass im Jahr 1472 wieder Peter Rot Bürgermeister wurde, führte zu einer Zunahme der diplomatischen Aktivitäten von Hans von Bärenfels. Das ist insofern interessant, als es genau in jenem Zeitraum zu einem engeren Zusammenrücken zwischen den oberrheinischen und eidgenössischen Reichsstädten kam. Das schlägt 605 StABas WAB 10, fol. 362; vgl. dazu Brauer-Gramm, Peter von Hagenbach, S. 52–62. 606 Wenn er sich trotzdem auf eine Gesandtschaft begab, lag das Ziel beinahe ausschließlich in der unmittelbaren Nähe der Stadt. Als beispielhaft können in diesem Zusammenhang seine „Reise“ nach Rheinfelden, Ende Juni 1469, gemeinsam mit Peter Schönkind, StABas WAB 10, fol. 384 oder seine Aufenthalte in der bischöÁichen Residenz in Porrentruy, Ende Mai/Anfang Juni 1470, StABas WAB 10, fol. 435, gelten. 607 Zu den Ausgaben des Basler Bischofs in Regensburg vgl. Hirsch/Fouquet, Haushaltsbuch, S. 369–374. 608 StABas Missiven A 13, fol. 70, 18. Juni 1471. 609 StABas Missiven A 13, fol. 84, 26. Juli 1471. Mit dem Messeprivileg gestattete Friedrich III. Basel, jedes Jahr zum PÀngstfest eine Messe abzuhalten, Urkundenbuch Basel Bd. 8, S. 311 ff., Nr. 404; zur Einschätzung des Privilegs vgl. Ehrensperger, Basels Stellung, S. 333–338. 610 Janssen, Frankfurts Reichscorrespondenz, Nr. 440, S. 273. Es ist nicht ganz ersichtlich, ob sich Bärenfels in der Zwischenzeit nach Basel begeben hatte, um zum Bürgermeister gewählt zu werden oder ob die Basler Räte ihn während seiner Abwesenheit in Eigenregie gewählt hatten. Auf jeden Fall wird er in StABas Missiven A 13, fol. 78 ff. (1. September 1471), mit „Burgermeister“ bezeichnet. 611 StABas WAB 10, fol. 503. 612 Harms, Stadthaushalt 1470/71, S. 350.
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sich auch in den Missionen von Bärenfels nieder, auf denen er sich beispielsweise mit seinem Ratskollegen Zeigler zwischen Anfang September 1472 und Anfang Februar 1473 insgesamt vier Mal in Straßburg aufhielt, um dort mit den späteren Bündnispartnern über die Modalitäten der Auslösung der Pfandlande und das Bündnis mit den Eidgenossen zu diskutieren.613 Kurze Zeit darauf führte Bärenfels in Kolmar gemeinsam mit weiteren oberrheinischen Abgeordneten Gespräche darüber, wie man die burgundischen Machthaber am Oberrhein auch ohne die Unterstützung des österreichischen Herzogs verdrängen könnte.614 Dies war wichtig, bereiteten die dort geführten Gespräche doch Diskussionen vor, die im Februar und März 1473 entscheidend zum Zusammenrücken zwischen Oberrhein und Eidgenossenschaft beitrugen.615 Wie aus den Wochenausgabebüchern ersichtlich wird, berichtete Hans von Bärenfels nach seiner Rückkehr seinen Miträten von der Mission. Demnach sei über ein „büntnusse und vereynigung“ gesprochen worden, und man habe sich darauf verständigt, die Pfandlande wieder in Besitz des Herzogs von Österreich „ze bringen“616. Das Bündnisprojekt war auch Thema zahlreicher Sitzungen des alten und des neuen Basler Rats. Beide beschlossen Mitte März, dass man das Bündnis mit „hilff der stettbotten“ von Straßburg, Kolmar sowie den Eidgenossen mit aller Macht vorantreiben müsse.617 Mitten während dieser Vorbereitungen ereignete sich der Überfall auf die eidgenössischen KauÁeute. Nachdem die Gefangenen befreit worden waren, reiste Hans von Bärenfels gemeinsam mit einem Kollegen Mitte April nach Straßburg, um sich über den genauen Verlauf der Befreiung zu informieren. Die Informationen, die die Basler Räte von den beiden erhielten, teilten sie sofort Solothurn und Bern mit.618 Auch in seiner darauffolgenden Amtszeit lässt sich Bärenfels auf zahlreichen Missionen belegen, was mit Sicherheit an seinem hohen Wissensstand und seinen Kontakten lag. So erklären sich auch seine Gesandtschaften an den Hof des österreichischen Herzogs nach Innsbruck, die er im August 1473 und im März 1474 durchführte.619 Auf diesen ging es mit Sicherheit um die Auslösung der Pfandlande und die projektierten Bündnisse zwischen Eidgenossenschaft, Oberrhein und dem österreichischen Herzog. Das beweist die Tatsache, dass sich der Basler nach Beendigung der zweiten Reise auf direktem Weg nach Konstanz begab, wo ab Ende März 1474 die Bündnisse zwischen Oberrhein und Eidgenossenschaft diskutiert 613 StABas WAB 10, fol. 562; fol. 580; fol. 581 und fol. 586. 614 StABas ÖB 5, fol. 95v. 615 Zu dieser Versammlung vgl. Bittmann, Ludwig XI., S. 452; Vaughan, Charles the Bold, S. 273; Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 102. So entsteht beispielsweise Mitte März „ein abredung einer fruntlichen Vereynung“ zwischen Basel und Straßburg und ihren Bischöfen sowie Kolmar, Schlettstadt, den Eidgenossen, Mülhausen und den Verbündeten der Genannten, vgl. Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1665. 616 StABas ÖB 5, fol. 95v. 617 StABas ÖB 5, fol. 96v. 618 StABas WAB 10, fol. 598. 619 Zur Mission im Jahr 1473 vgl. StABas WAB 10, fol. 618; zur Mission im Jahr 1474 vgl. StABas WAB 11, fol. 17.
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und besiegelt wurden.620 Kurz darauf kam es in Breisach zum Aufstand gegen den burgundischen Landvogt, und in dem Prozess gegen ihn fungierte Bärenfels als Ankläger.621 Nach der Hinrichtung Hagenbachs reiste Bärenfels weiter nach Ensisheim, wo er gemeinsam mit anderen oberrheinischen Abgeordneten Vorbereitungen für den Krieg gegen Burgund traf.622 Da in der Zwischenzeit wieder Peter Rot als Bürgermeister amtierte, war es Bärenfels, der sich als Vertreter Basels im Oktober 1474 auf die Versammlung zwischen österreichischen, französischen und eidgenössischen Gesandten nach Feldkirch begab.623 Nach seiner Rückkehr fungierte er als einer der Hauptleute für den ersten Feldzug der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition nach Héricourt.624 6.2. Der Oberzunftmeister Heinrich Iselin († 1490) Anders als sein Amtskollege Hans Zscheckabürlin, mit dem er sich zwischen 1469 und 1474 jährlich im Amt des Oberzunftmeisters abwechselte, lässt sich Heinrich Iselin auf zahlreichen diplomatischen Missionen nachweisen. Er stammte aus einer alteingesessenen Basler Familie, deren Mitglieder sich seit dem 13. Jahrhundert als Achtburger im Rat nachweisen lassen und zahlreiche politische Ämter wahrgenommen hatten.625 So saß beispielsweise Heinrichs Vater ebenfalls als Achtburger im Rat und war mit Margarete Schönkind verheiratet, wodurch die Iselin in verwandtschaftlicher Verbindung mit der Familie des später vorzustellenden Peter Schönkind standen. Iselin selbst lässt sich 1439–42 das erste Mal als Achtburger im Rat belegen und amtierte 1468/69, 1470/71, 1472/73 und 1474/75 als Oberzunftmeister. Seine Ehefrau Susanna war die Schwester des einÁussreichen Fernhändlers Hans Waltenheim.626 Bei diesem handelte es sich um einen Mitgesellschafter der Halbisen-Gesellschaft, die in den 1440er Jahren über Beziehungen zur Berner Diesbach-Watt-Gesellschaft verfügte.627 Auch Heinrich war in Handelsgeschäften engagiert und betrieb in den 1470er Jahren ein gemeinsames Geschäft mit Hans Irmi.628
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Zusammenfassend Bittmann, Ludwig XI., S. 585. StABas WAB 11, fol. 22, vgl. Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 89–94. StABas WAB 11, fol. 29. StABas WAB 11, fol. 47. In Feldkirch traf er auf die Berner Thüring Fricker, Nikolaus und Wilhelm von Diesbach, Petermann von Wabern und Nikolaus von Scharnachtal. Von der Anwesenheit von Bärenfels spricht auch Diebold Schilling in seiner Amtlichen Berner Chronik, Tobler, Berner Chronik, S. 178–186; vgl. auch Bernoulli, Basels Antheil 1, S. 10– 22. Zur Familie Iselin vgl. Schibler, Iselin. Dieser gibt an, dass der im Jahr 1227 erwähnte Rudolf Iselin als OfÀzier in kaiserlichen Diensten stand und ein gewisser Heinrich Iselin († 1299) PÁeger des Basler Bürgerspitals war; vgl. weiterhin Merz, Stammtafeln, Nr. 27 sowie Kindler-Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch 2, S. 199 f. Signori, Versorgen, S. 221–232; Ehrensperger, Basels Stellung, S. 277–281; Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 17 ff. Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 29. Holzach, Irmy, S. 38.
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Er wohnte im Kirchspiel St. Alban und versteuerte 1475 ein Vermögen von 4.500 Gulden.629 Das machte ihn abkömmlich genug, um politische Aufgaben wahrzunehmen.630 Seine beiden Söhne lassen sich ebenfalls als Achtburger im Basler Führungsgremium nachweisen und amtierten nach den Burgunderkriegen als Vögte im städtischen Territorium.631 Als Oberzunftmeister und Dreizehner oblagen auch Iselin diplomatische Aufgaben, von denen nun die wichtigsten vorgestellt werden. Während seiner ersten Amtszeit als Oberzunftmeister im Untersuchungszeitraum 1468/69 lagen die Ziele seiner Missionen bis auf eine gemeinsam mit Hans Irmi ausgeführte Friedensvermittlung bei der „Waldshuter Richtung“ ausschließlich in Basels unmittelbarer Umgebung. Als er 1469 von Zscheckabürlin im Amt des Oberzunftmeisters abgelöst wurde, nahm die Anzahl seiner Missionen wieder zu, und er befand sich gemeinsam mit seinen Ratskollegen Irmi und Zeigler sowie dem amtierenden Bürgermeister Rot im November beim Markgrafen von BadenHachberg in Rötteln, um dann im Dezember weiter nach Ensisheim zu reisen, wo er Gespräche mit burgundischen Räten führte.632 Ob es dabei um die Auslösung der Stadt Rheinfelden ging, lässt sich leider nicht feststellen, doch begab er sich gemeinsam mit Irmi und dem OfÀzial des Bischofs kurze Zeit später dorthin.633 Mitte Januar lässt er sich auf einer Versammlung in Konstanz belegen, die laut Jahresrechnung 1469/70 „von der straszen wegen“634 abgehalten wurde. Sie ist insofern interessant, als sie die zusätzlichen Kosten verrät, die der Stadt aus Gesandtschaften entstehen konnten. Denn neben den rund 25 Pfund, die Iselin für „zerung“635 von der Stadt zurückerhielt, bekam er laut Wochenausgabebüchern insgesamt vier Pfund „pro equis“, eines für „lonroß“ und vier Schilling dafür, dass sein Pferd in Konstanz neu beschlagen werden musste.636 Wie die Jahresrechnung von 1471/72 offenbart, war Heinrich Iselin von Beginn der erneuten Amtszeit Zscheckabürlins an diplomatisch aktiver als im gesamten übrigen Untersuchungszeitraum. Laut dieser war er neben Hans von Bärenfels auf dem Reichstag von Regensburg anwesend und reiste mit diesem gemeinsam nach Frankfurt.637 Während der Bürgermeister dort als Basler Bevollmächtigter agierte, müssen die Gründe für Iselins Aufenthalt offenbleiben, könnten aber möglicherweise mit dem Wunsch seiner Heimat nach Krediten zu tun haben.638 Von dort ging 629 Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 769. 630 Wie zahlreiche seiner Ratskollegen lieh er der Stadt 1470/71 einhundert Gulden (Harms, Stadthaushalt 1470/71, S. 352). 631 Dazu vgl. Merz, Stammtafeln, Nr. 27; Füglister, Handwerksregiment, S. 299. 632 StABas WAB 10, fol. 407. 633 StABas WAB 10, fol. 412. 634 Harms, Stadthaushalt 1469/70, S. 344. 635 Ebd. 636 StABas WAB 10, fol. 415. 637 Neben den 106 Gulden, die er dort „verzert“ hatte, stellte er der Stadt siebzehn Pfund „rijtgeltz“ in Rechnung, Harms, Stadthaushalt 1471/72, S. 358. 638 Das deutet die Teilnehmerliste des Frankfurter Städtetags an, in der lediglich Bärenfels und Zeigler als Basler Bevollmächtigte aufgeführt werden, Janssen, Frankfurts Reichscorrespondenz, S. 273. Lediglich die Jahresrechnungen 1471/72 und 1474/75 bieten Hinweise auf diese
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es für ihn und den Basler Unterschreiber zu Kaiser Friedrich III. nach Wien.639 Wann Iselin von dort zurückkehrte, lässt sich leider nicht sagen, doch begab er sich mit einem weiteren Rat Mitte April 1472 auf eine Versammlung der Eidgenossen nach Luzern.640 Dort formulierte man Bedingungen, die bei einem Frieden mit dem österreichischen Herzog erfüllt sein müssten. Demnach sollte dieser sich für sich und alle Nachkommen des Hauses Habsburg verpÁichten, auf seinen Besitz in der Eidgenossenschaft zu verzichten, womit in erster Linie der Aargau gemeint war. Zudem sollte ungestörter Handel herrschen und keine der den Frieden schließenden Parteien fremde Truppen durch ihr Gebiet ziehen lassen. Als Ausgleichsinstanz und Sitz eines Schiedsgerichts wurden die Bischöfe oder Räte von Konstanz und Basel vorgeschlagen.641 Nach seiner Wahl zum Oberzunftmeister 1472 lässt er sich für ein Jahr auf keiner weiteren Mission nachweisen. Erst danach gehörte er zusammen mit Altbürgermeister Rot und seinem Ratskollegen Schlierbach einer repräsentativen Gesandtschaft an, die Kaiser Friedrich III. Anfang September in Freiburg nach Basel einlud.642 Ende November 1473 hielt er sich in Mülhausen auf, wo er unter anderem mit dem Berner Gesandten Nikolaus von Scharnachtal, Mülhausener Räten und ihrem Stadtschreiber Nikolaus Rüsch Gespräche über Lösungsmöglichkeiten für die be-
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Mission: So gab die Stadt 1471/72 mehr als zweihundert Pfund aus, um Wechsel zu erwerben, da sie dringend große Summen Geldes benötigte. Bezieht man in diese Überlegung mit ein, dass in der Jahresrechnung 1474/75 Frankfurter Ratsherren und Fernhändler als Kreditgeber auftauchen, die Basel einen Betrag von über 6.000 Gulden geliehen hatten, könnten die Reise Iselins nach Frankfurt und die erwähnten Wechsel mit dieser Geldleihe in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, Harms, Stadthaushalt, S. 382 f. Dass sich die Basler Räte gezielt nach Frankfurt begeben haben, verdeutlicht ein Brief, den sie Anfang August 1475 ihrem Gesandten Hans Irmi mitgaben, der sich zu diesem Zeitpunkt nach Frankfurt begab, StABas Missiven 14, fol. 166: „Also haben wir unserm lieben Ratzfrunde Hannsen Irmy, bringer dis briefes als der yetzt by uch kompt, beuolhen, ettwas gelds by uch, ob er das vinden möge, umb zinsen uffezunemen, als ir des von Im völliclich bericht werd. Harumbe so bitten wir uwer liebe gar fruntlich mit sunderm ernst, ob sach were, daz er einich gelt by uch also uffzenemen funde und des willens wurde, das umb minder costens willens mit im haruff ze bringen“ (9. August 1475). Rechnete die Basler Führung schon zu diesem Zeitpunkt damit, dass man die für die Auslösung der Pfandlande nötige Summe bald benötigen und damit der Krieg gegen den burgundischen Herzog beginnen würde? Bereits im Rechnungsjahr 1472/73 gab die Basler Führung allein 530 Pfund aus, „umb sallpeter davon zu luteren, buchsen zu vassen, buchsen zu struben“ und Hosen für die Büchsenschützen anfertigen zu lassen, vgl. Harms, Stadthaushalt, S. 364. Die Vorbereitungen für den möglichen Krieg begannen, was auch mit den exponentiell gestiegenen Ausgaben der Stadt Basel korrespondiert, die auf das Doppelte des Werts vom Vorjahr anstiegen. Harms, Stadthaushalt 1471/72, S. 358. Der Hinweis, dass sich Iselin, Bärenfels und der Unterschreiber in Wien aufhielten, Àndet sich bei Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 155, Anm. 26. StABas WAB 10, fol. 543. Dazu Bittmann, Ludwig XI., S. 419 ff. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die Anwesenheit von Irmi und Iselin in Luzern. StABas WAB 10, fol. 618.
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drohte Stadt führte.643 Diese bereiteten später in Basel geführte Diskussionen vor, bei denen er als Diskussionsleiter fungierte und von denen insbesondere die bereits mehrfach angesprochene, Mitte Dezember bis Anfang Januar stattÀndende Versammlung zu erwähnen ist.644 Auf dieser befürworteten Vertreter aus Bern, Straßburg und Basel ein gemeinsames Bündnis, während die anderen Eidgenossen noch von einem solchen überzeugt werden mussten.645 Eine Gelegenheit dazu bot eine Versammlung, die Ende Januar 1474 in Luzern stattfand.646 Als Basler Vertreter, der dem Wunsch nach einem Zusammengehen mit den Eidgenossen Nachdruck verleihen sollte, reiste Heinrich Iselin dorthin.647 Schließlich war er durch seinen hohen Informations- und Wissensstand prädestiniert für diese Mission. Es verwundert daher nicht, dass er sich ab Ende März 1474 im Vorfeld des Bündnisabschlusses in Luzern, Zürich und Schwyz aufhielt und auch bei den letztlich Anfang April 1474 in Konstanz erfolgten Bündnisabschlüssen gemeinsam mit weiteren Basler Abgeordneten anwesend war.648 Danach begab er sich mit seinem Ratskollegen Zeigler „gen Zürich zu Herzog Sigmund“649, um diesen nach Basel zu begleiten.650 Kurz darauf kam es in den ehemaligen Pfandlanden zum erwähnten Aufstand gegen den burgundischen Landvogt.651 Im Prozess gegen Peter von Hagenbach fungierte Iselin einer seiner Verteidiger Hagenbachs.652 Doch schon kurz darauf trat er von diesem Amt zurück und überließ dieses einem österreichischen Vertreter.653 Nach Hagenbachs Hinrichtung begab er sich zunächst mit den Bürgermeister von Basel nach Ensisheim, um über die Modalitäten des Kriegs gegen Burgund zu diskutieren, und wurde kurz nach seiner Rückkehr das letzte Mal Oberzunftmeister.654 Warum er sich danach nicht mehr in diesem Amt und nach den Burgunderkriegen lediglich 1477/78 als Rat belegen lässt, muss offenbleiben, könnte jedoch mit seinem fortgeschrittenen Alter zusammenhängen. Denn schon im Jahr darauf übernahm sein Sohn Jakob seinen Sitz im Basler Rat.655 643 StABas WAB 10, fol. 632. Die Anwesenheit Scharnachtals in Mülhausen belegt ein Brief, den die Berner Führung am 28. November 1473 an Mülhausen richtete, Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1704. 644 Vgl. Walter, Symbolische Kommunikation. Der Abschied der Versammlung Àndet sich bei Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1707. 645 Der aus den Gesprächen resultierende Bündnisentwurf bei Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1730. 646 Der Abschied der Versammlung Àndet sich in Segesser, Abschiede Nr. 731, S. 470. 647 StABas WAB 11, fol. 6. 648 StABas WAB 11, fol. 17; Hirsch/Fouquet, Haushaltsbuch, S. 410. 649 StABas WAB 11, fol. 18. 650 StABas WAB 11, fol. 19. 651 Zum Verlauf des Prozesses vgl. die Schilderungen von Johannes Knebel, Vischer u. a., Basler Chroniken 2, S. 86–90; zur Einschätzung vgl. Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 89–94. 652 StABas WAB 11, fol. 22. 653 Das lag daran, dass „Hagenbachs Fürsprecher geschickt den Standpunkt des Landvogts verteidigten“, Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 92. 654 StABas WAB 11, fol. 24 f. und fol. 29. 655 Schon im Jahr darauf übernahm sein Sohn Jakob seinen Sitz im Rat, vgl. Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 798.
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6.3. Der Dreizehner Heinrich Zeigler († 1490) Neben den Häuptern Basels waren es vor allem die „Dreizehner“, denen wichtige diplomatische Aufgaben zukamen. Einer der wichtigsten Diplomaten im Untersuchungszeitraum war Heinrich Zeigler, dessen gleichnamiger Vater († 1460) bereits im Rat für die KauÁeute (Schlüsselzunft) gesessen sowie einige Jahre als Oberzunftmeister und als Mitglied der Dreizehner amtiert hatte.656 Auch Heinrich war Mitglied in der Zunft zum Schlüssel, saß zunächst 1460–66 für diese Zunft im Basler Rat, um dann bis 1471 zu pausieren.657 Ab diesem Jahr lässt er sich dann bis 1474 abermals von den KauÁeuten, ab 1474 bis zu seinem Tod 1490 sogar als Achtburger im Rat der Stadt nachweisen.658 Wie seine noch vorzustellenden Kollegen Hans Bremenstein und Peter Schönkind war er interessanterweise auch dann Dreizehner, wenn er nicht aktiv als Rat amtierte, was seine außenpolitische Bedeutung belegt. Daneben war er als „Dreier“ für die Finanzverwaltung der Stadt zuständig.659 Der wohlhabende Zeigler wohnte im Kirchspiel St. Leonhard und versteuerte im Jahr 1470 ein Vermögen in Höhe von 5.800 Gulden. Dadurch war er abkömmlich genug, um politische Aufgaben zu übernehmen. Verheiratet war er mit der aus einer politisch einÁussreichen Familie stammenden Margarethe Schilling, deren Schwester die Ehefrau des Basler Oberzunftmeisters Zscheckabürlin war.660 Die Nähe seiner Familie zur KauÁeutezunft deutet daraufhin, dass sie zuvor im Fernhandel tätig gewesen sein muss, und tatsächlich lässt sich sein Vater als Tuchhändler auch auf der Genfer Messe nachweisen.661 Aus den Handelsgeschäften resultierte der Reichtum der Familie, die zudem Bankgeschäfte trieb.662 Auch Heinrich betrieb Handelsgeschäfte und hatte 1464 mit Heinrich Jungermann und Hans Irmi versucht, Rechte an einem Bergwerk bei Sargans zu erwerben.663 Da das zu ihrer Monopolstellung 656 Ansatzweise zu ihm und dem Testament seiner Ehefrau Enneli vgl. Signori, Versorgen, S. 303; S. 332; S. 336. Zu seiner politischen Partizipation vgl. die entsprechenden Ratslisten bei Schönberg, Finanzverhältnisse. Als Rat für die KauÁeute amtierte er in den Jahren 1436–49 und 1454–1460, als Dreizehner 1446–1460 und war Oberzunftmeister in den Jahren 1449/50, 1451/52 und 1453/4. 657 Koelner, Zunft zum Schlüsse, S. 251. 658 Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 797. Warum er auf Mitglied der „Hohen Stube“ wurde, lässt sich nicht feststellen. 659 Zu den „Dreiern“ allg. vgl. Groebner, Gefährliche Geschenke, S. 47 f. 660 Zum Stammbaum der Familie Schilling in Basel vgl. Merz, Stammtafeln, Nr. 15. Durch die Ehe war Zeigler beispielsweise mit den Zscheckabürlin, Grieb und von Lauffen verwandtschaftlich verbunden. 661 Dieser versteuerte Mitte des 15. Jahrhunderts 10.000 Gulden, vgl. Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 575. Rund zehn Jahre später versteuerte er 8.500 Gulden, ebd., S. 588. Nach dem Tod Heinrichs d. Ä. versteuerte seine Witwe Enneli († 1486) noch 5.000 Gulden, ebd., S. 762. Ehrensperger führt Heinrich Zeigler d. Ä. als Tuchhändler im Personenregister seiner Arbeit. Zu seinen Tuchhandelsgeschäften vgl. auch ebd., S. 182 u. S. 223. 662 Alioth, Gruppen an der Macht, S. 451. So lieh er gemeinsam mit Hans Zscheckabürlin dem Straßburger Fernhändler Klaus Ingold Geld. 663 Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 41; Ehrensperger, Basels Stellung, S. 46 u. S. 352.
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geführt hätte, ging die Basler Führung dagegen vor und verbot den drei Räten die alleinige Ausbeutung.664 Die Nähe seiner Familie zum Fernhandel schlägt sich auch in den Heiratsverbindungen seiner Söhne nieder: Während Lux Zeigler mit Elisabeth Jungermann die Witwe eines früheren Geschäftspartners heiratete, ehelichte Wilhelm Zeigler († ca. 1521) zunächst die Tochter von Hans Bär, der ebenfalls im Fernhandel tätig und 1475 im Zuge eines Finanzskandals verurteilt worden war.665 Nach deren Tod heiratete er eine Tochter aus der einÁussreichen und vermögenden Familie Offenburg. Beide traten in die Fußstapfen ihres Vaters und amtierten als Rat und als Bürgermeister beziehungsweise Oberzunftmeister.666 Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum das 1472/73 vom burgundischen Herzog erlassene Handelsembargo nicht nur die handelspolitischen Interessen Basels allgemein, sondern auch die der Familie Zeigler unmittelbar berührte. Schließlich war diese mit zahlreichen Familien verwandtschaftlich verbunden, die noch im vorliegenden Zeitraum (Fern-) Handel trieben. Daher ist bei ihm fraglos ein merkantiles Interesse vorauszusetzen. Dieses ließ ihn die aus der 1469 erfolgten Verpfändung der oberrheinischen Gebiete einschätzen und intensiv nach Lösungsmöglichkeiten suchen, die letztlich zum Ausbruch des Kriegs gegen den burgundischen Herzog führten. Heinrich Zeigler war einer der wichtigsten Experten der Stadt Basel für Verhandlungen zwischen den eidgenössischen und oberrheinischen Bündnispartnern. Laut den Wochenausgabebüchern gingen von seinen fünfunddreißig Missionen zwischen Oktober 1472 und Oktober 1474 allein dreißig zu diesen, was durchschnittlich zehn Gesandtschaften pro Jahr macht.667 Aber auch wenn er nicht zu Versammlungen der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition reiste und die Treffen in seiner Heimatstadt stattfanden, lässt er sich als Gesprächsleiter nachweisen.668 Im September begab er sich auf einen Städtetag nach Frankfurt, wo er unter anderem auf Bürgermeister Bärenfels traf.669 Wenngleich er 1472 nur vereinzelt auf diplomatischen Missionen nachzuweisen ist, deutet ein Eintrag in den Berner Ratsmanualen darauf hin, dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein Kontakt zwischen ihm und einigen Berner Räten existierte.670 Demnach beschloss man dort Ende Novem-
664 Ehrensperger, Basels Stellung, S. 116. 1465 gehörte Heinrich d. J. einer Gruppe von Sachverständigen an, die für den Silberkauf der Stadt Basel zuständig war und zu der neben Zeigler auch Bernhard von Lauffen, Kaspar von Regisheim, Jakob Waltenheim, Jakob von Sennheim, Peter Wolfen, Hans Zscheckabürlin und Ulrich zum Luft gehörten, vgl. Breyvogel, Silberbergbau, S. 393. 665 Zu diesem „Finanzskandal“ siehe Kapitel B 6.4. 666 Zu Lux Zeigler vgl. Füglister, Handwerksregiment, S. 305, Nr. 13, zu Wilhelm Zeigler Nr. 14. 667 Eine Auszählung der Basler Wochenausgabebücher ergab folgende Zahlen: Demnach gingen elf Missionen nach Zürich, acht nach Luzern, fünf nach Straßburg und sechs nach Bern. 668 Das traf auch auf die erwähnte Versammlung Mitte März 1471 in Basel zu, vgl. Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1585. 669 Harms, Stadthaushalt 1471/72, S. 35; vgl. auch die Teilnehmerliste des Städtetags von Frankfurt bei Janssen, Frankfurts Reichscorrespondenz, Nr. 440, S. 273. 670 Zu diesen Kontakten siehe Kapitel D 1.1.
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ber, einen Brief an ihn „im namen herrns Niclauß von Diespach“ zu schreiben, um ihn erfolgreich zur Teilnahme an einer Versammlung in Luzern zu bewegen.671 Wenige Tage später erhielt er in kurzem Abstand zwei weitere Briefe des Berners, die später noch eingehend vorgestellt werden.672 Zur gleichen Zeit kam es zum Unmut der Eidgenossen über die Gefangennahme der eidgenössischen KauÁeute. Um sich bei Straßburg darüber zu informieren, sandte Basel Anfang April 1473 Zeigler und Bärenfels zum späteren Bündnispartner und teilte die von ihnen erhaltenen Informationen Solothurn mit. Von Straßburg aus reiste Zeigler direkt nach Bern, um auch das dortige Führungsgremium mit Neuigkeiten zu versorgen.673 Drei Wochen später ging es für ihn abermals nach Straßburg, Bern und Luzern.674 Die Folge der Gefangennahme und letztlich erfolgten Befreiung der KauÁeute war eine noch stärkere Kohäsion zwischen den hier untersuchten Städten und sorgte maßgeblich zum Aufbau von Vertrauen unter ihnen.675 Je enger die späteren Bündnispartner zusammenrückten desto häuÀger wurden Zeiglers diplomatische Missionen, der beinahe wöchentlich zwischen Basel, Straßburg und den Eidgenossen pendelte. So auch Anfang Juni 1473, wo er zunächst nach Straßburg und dann nach Zürich ritt, seinen beiden häuÀgsten Zielen im Sommer 1473.676 Als sich die Lage von Mülhausen im Herbst zuspitzte und der burgundische Herzog angekündigte, den Dezember in den Pfandlanden zu verbringen, fanden auf Betreiben der untersuchten Städte Ende 1473/Anfang 1474 zahlreiche Versammlungen statt, an denen stets auch Zeigler teilnahm.677 Dabei prädestinierte ihn sein hoher Wissensstand, und es verwundert nicht, dass er neben dem Berner Scharnachtal und dem Zürcher Göldlin bei den entscheidenden Bündnisgesprächen in Straßburg Ende Februar 1474 ebenfalls zugegen war.678 Dort einigten sich die An-
671 StABe RM 11, fol. 107 (Sitzung des Berner Führungsgremiums am 12. November 1472). Leider lässt sich nicht herausÀnden, worum es auf der Versammlung in Luzern ging, doch lässt sich Zeigler ab diesem Zeitpunkt auf nahezu allen Treffen der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition belegen und hatte sich bereits Ende Dezember 1472 und Anfang März 1473 in Bern aufgehalten, vgl. StABas WAB 10, fol. 581 bzw. fol. 591. 672 In ihnen übermittelte Diesbach seinem Basler Kollegen zahlreiche Informationen und bat ihn, alles in seiner Macht stehende zu tun, damit das Bündnis zwischen den oberrheinischen und eidgenössischen Reichsstädten geschlossen werde. Insbesondere ging es ihm um die Sicherung der vier Waldstädte am Rhein, die in militärischer Hinsicht an wichtigen strategischen Stellen lagen. 673 StABas WAB 10, fol. 598. 674 StABas WAB 10, fol. 605. 675 Die Berner Räte fragte in den folgenden Wochen in zahlreichen Briefen bei den anderen Eidgenossen an, ob sie sich ein Bündnis mit den oberrheinischen Reichsstädten und Mülhausen vorstellen könnten, so beispielsweise in Segesser, Abschiede Nr., 697b, S. 439. 676 Für seine Reisen nach Zürich am 7. und 14. August, StABas WAB 10, fol. 616, fol. 617 u. fol. 632 und nach Straßburg fol. 630. Diese werden insofern verständlich, als die Basler Führung vom Bündnis mit Bern bereits überzeugt war, während Zürich noch von der Notwendigkeit überzeugt werden musste. 677 StABas WAB 11, fol. 6; fol. 9. Zu den Versammlungen vgl. auch Segesser, Abschiede Nr. 731, 732 und 733. 678 StABas WAB 11, fol. 13.
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wesenden, dem österreichischen Herzog die Summe, die für die Auslösung der Pfandlande nötig war, vorzustrecken und kamen überein, sich Ende März/Anfang April 1474 in Konstanz zur Unterzeichnung der Bündnisse zu treffen.679 Die einzige Bedingung der Vertreter der oberrheinischen Reichsstädte war, dass die Eidgenossen ihnen im Fall des Ausbruchs des Kriegs gegen den burgundischen Herzog militärische Hilfe zusicherten.680 Da jedoch noch immer nicht alle Eidgenossen von einem Zusammengehen mit Österreich und den oberrheinischen Reichsstädten überzeugt waren, reiste Zeigler direkt von Straßburg nach Unterwalden, das er gemeinsam mit dem Berner Nikolaus von Diesbach von der Wichtigkeit des Bündnisses zu überzeugen versuchte.681 Wiederum nur zwei Wochen später Àndet er sich erneut auf einer Versammlung der Eidgenossen in Luzern, auf der die eidgenössischen Städteorte ihren Willen sowohl zu den erwähnten Bündnissen als auch zur näheren Verbindung mit den vier Waldstätten bekundeten, die sich in diesen Tagen verstärkt Repressalien seitens Burgund ausgesetzt sahen.682 Demgegenüber verwahrten sich einige Länderorte noch immer dagegen, dem Bündnis mit dem Oberrhein und Österreich zuzustimmen, weswegen die Versammelten übereinkamen, abermals Gesandte, so auch Zeigler, nach Schwyz und Unterwalden zu entsenden.683 Mit zahlreichen weiteren Abgeordneten aus Basel reiste er Ende März/Anfang April 1474 nach Konstanz, um dort mit Herzog Sigmund von Österreich und den Eidgenossen die gegen Burgund gerichteten Bündnisse zu besiegeln.684 Während sich zwei seiner Kollegen nach der Hinrichtung des burgundischen Landvogts Hinrichtung weiter nach Ensisheim begaben, um dort mit Vertretern aus Straßburg, Kolmar und Schlettstadt Gespräche über ihre militärische Zusammenarbeit zu führen, lässt sich Zeigler zwischen Ende Juli und Mitte August 1474 auf einigen Versammlungen in Zürich nachweisen.685 Wenig später Àel der Bruder des hingerichteten Hagenbach in den Sundgau ein, was vor allem in Basel und Straßburg für große Unruhe sorgte. Um die Eidgenossen über die Verbrechen der burgundischen Truppen zu informieren, entschloss sich der Basler Rat Ende August, Zeigler nach Luzern zu entsenden.686 Dort waren zur gleichen Zeit französische Gesandte mit der versiegelten „Ewigen Richtung“ anwesend, die Zeigler wahrscheinlich ebenfalls über den Einfall der burgundischen Truppen in den Sundgau in Kenntnis setzte und zu einem Eingreifen des französi679 Zur Einschätzung dieses Treffens in Straßburg vgl. Bittmann, Ludwig XI., S. 563 f. 680 Abschied der Versammlung von Straßburg bei Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1742. 681 StABas WAB 11, fol. 13; zur Weigerung Unterwaldens, dem Bündnis gegen Burgund beizutreten siehe Kapitel B 2.4. 682 Segesser, Abschiede Nr. 738. Anfang März 1474 hatte der burgundische Landvogt Peter von Hagenbach beispielsweise versucht, die Stadt Säckingen zu unterwerfen; dazu vgl. Bittmann, Ludwig XI., S. 616 f.; zu Zeiglers Anwesenheit vgl. StABas WAB 11, fol. 14. 683 StABas WAB 11, fol. 17. 684 StABas WAB 11, fol. 17 und fol. 18. 685 Zum Prozess gegen den burgundischen Landvogt reiste neben anderen auch Zeigler vgl. StABas WAB 11, fol. 20 und fol. 21; zur Anwesenheit Zeiglers in Zürich vgl. StABas WAB 11, fol. 28; fol. 24. 686 StABas WAB 11, fol. 39 und fol. 41.
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schen Königs gegen den burgundischen Herzog aufrief.687 Die letzte diplomatische Mission vor Ausbruch der Burgunderkriege führte den Basler Ende September 1474 nach Solothurn und Bern.688 6.4. Der Dreizehner Hans Bremenstein (†1475) Ähnlich wie Heinrich Zeigler war auch Hans Bremenstein einer der wichtigsten Diplomaten der Stadt hinsichtlich der Zusammenführung der oberrheinischen und eidgenössischen Interessen.689 Während sein Vater 1417/18 für die Schuhmacherzunft im Basler Rat gesessen hatte, lässt sich Hans selbst zwischen 1433–36 das erste Mal als Rat dieser Zunft belegen. Spätestens 1441 muss er jedoch zur Weinleutezunft gewechselt sein, für die er dieses Amt im darauffolgenden Zeitraum in losem Abstand bekleidete. Zwischen 1457 und 1462 amtierte er drei Mal als Oberzunftmeister und lässt sich danach ab 1466 bis zu seinem Tod 1475 (einzige Ausnahme: 1471/72) kontinuierlich als Rat und Dreizehner belegen. 1470 versteuerte mit 1.600 Gulden den gleichen Betrag wie 1451, zählte damit zu den wohlhabenden Bürgern und war dadurch abkömmlich genug, um politische Aufgaben zu übernehmen.690 Überdies war er von 1451 bis zu seinem Tod ununterbrochen Salzmeister der Stadt, was sich in den ihn betreffenden Einträgen in den Wochenausgabebüchern niederschlägt, in denen er stets als „Saltzmeister“ aufgeführt wird. Neben den Ämtern des Oberzunftmeisters und Bürgermeisters war diese Funktion eine politische Schlüsselposition, war man doch auf die Einfuhr von Salz zwingend angewiesen. Bremenstein starb während seiner Amtszeit als Rat im Jahr 1475 kinderlos.691 Dass er auch dann Dreizehner beziehungsweise als Gesandter für die Stadt tätig war, wenn er nicht als aktiv als Rat im Führungsgremium saß, unterstreicht zusätzlich seine Bedeutung. Ob aus seiner spätestens 1441 erfolgten Mitgliedschaft in der Zunft der Weinleute die von ihm verfolgte Politik resultierte, die gegen den burgundischen Herzog gerichtet und für eine Auslösung der Pfandlande sowie einem Zusammengehen mit den Eidgenossen war, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Auf jeden Fall spielte sein Amt als Salzmeister eine wichtige Rolle, da er in dieser Funktion die für Basel essentielle Versorgung mit Salz zu überwachen und dafür zu sorgen hatte, dass der Handel mit diesem Gut geschützt und vielleicht sogar ausge687 Segesser, Abschiede Nr. 755; zur Einschätzung dieser Versammlung vgl. Bittmann, Ludwig XI., S. 686 ff.; Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 124 ff. 688 StABas WAB 11, fol. 45. 689 Zum Testament Bremensteins und seiner Frau Klara vgl. Signori, Versorgen, S. 74 f., die angibt, Bremenstein sei bereits im Jahr 1460 schwer erkrankt gewesen, weswegen er und sein Ehefrau in diesem Jahr das erste Mal ein Testament aufsetzten. Nach seinem Tod 1475 versteuerte sie mit 840 Gulden die Hälfte des Vermögens ihres Mannes, vgl. Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 767. 690 1470: Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 759. In dieser Steuerliste wird überdies deutlich, dass er im Kirchspiel St. Leonhard lebte; 1451: Ebd., S. 628, Nr. 694. 691 Signori, Versorgen, S. 75. Leider lässt sich nicht herausÀnden, aus welcher Familie seine Ehefrau Klara stammte.
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baut wurde. Damit lässt sich bei ihm ein handelspolitisches Interesse voraussetzen. Dieses versetzte ihn in die Lage, die aus dem Vertrag von Saint-Omer resultierende Problemlage realistisch einzuschätzen und aktiv nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen. Sowohl aus seinem Amt als Salzmeister als auch durch seine Funktion als ehemaliger Oberzunftmeister resultierten enge Kontakte zum Bischof. Diese schlagen sich in seinen diplomatischen Missionen nieder, von denen zahlreiche mit bischöflichen Anliegen zusammenhingen. Bereits seine ersten Gesandtschaften im Untersuchungszeitraum führten ihn zur bischöÁichen Residenz nach Délemont, und auch die Ende März und Anfang Juni 1470 erfolgten Missionen nach Aarau beziehungsweise Luzern hatten mit dem Bischof zu tun.692 Zur gleichen Zeit trafen sich dort die Eidgenossen und diskutierten unter anderem das Verhalten des burgundischen Landvogts gegenüber Mülhausen.693 Es scheint möglich, dass auch Hans Bremenstein an der Versammlung teilnahm und die Anwesenden zu Gesprächen über die Probleme mit den neuen burgundischen Machthabern in seine Heimatstadt einlud. Denn kurz darauf fand ein Treffen der späteren Bündnispartner in Basel statt. Dieses ist insofern interessant, als der Pfalzgraf bei Rhein dort über seinen Gesandten Johann von Daun bei den Abgeordneten Straßburgs, Basels und Berns anfragte, wie sie zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen Burgund wegen der Probleme Mülhausens standen. Die daraufhin geführten Gespräche hatten zur Folge, dass die Idee eines Bündnisses zwischen Bern und den oberrheinischen Reichsstädten geboren wurde.694 Daran scheint ein weiteres Spezialressort Bremensteins auf. Denn er lässt sich nahezu auf allen Versammlungen der gegen Burgund gerichteten Koalition nachweisen. Dementsprechend begab er sich beispielsweise im August 1470 gemeinsam mit dem Basler Bischof auf eine Mission nach Bern, wo zur gleichen Zeit eine Ver-
692 Délemont: StABas WAB 10, fol. 388 (Mitte Juli 1469); fol. 414 (Anfang Januar 1470); Aarau: StABas WAB 10, fol. 427. Dort wird angegeben, sie sei „der sach von myns herren von Basel“ geschuldet gewesen; Luzern: StABas WAB 10, fol. 436 („Saltzmeister gen Lutzern in myns herren von Basel sach“). 693 Segesser, Abschiede Nr. 653. 694 Bittmann, Ludwig XI., S. 357. Das geht aus einer Instruktion für den Gesandten des Pfalzgrafen bei Rhein, Johann von Daun, hervor, Mossmann, Cartulaire 3, Nr. 1498 f.; vgl. dazu Bittmann, Ludwig XI., S. 356–363. Daun sollte darauf achten, dass es bei den Gesprächen „heimlich und uerswigen“ zuging. Dass er diesem Wunsch entsprach, verdeutlicht ein Brief, den der Berner Stadtschreiber Fricker im Auftrag des damals wegen des Twingherrenstreits protestierenden Diesbach Anfang Juli 1470 an die anderen Eidgenossen schrieb. Darin zeigte er sich besorgt darüber, dass es, würde Mülhausen in die Hände von Burgund gelangen würde, dabei nicht bleibe, was problematisch für alle Beteiligten und besonders für die Stadt Basel sei. Der erwähnte Brief verdeutlicht bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die wichtige Rolle des Berners Diesbach. Doch muss dieser zuvor den Kontakt zu Bremenstein gesucht haben, wie ein Eintrag in den Berner Ratsmanualen offenbart, laut dem die Berner Kanzlei Ende Mai 1470 einen Brief an Bremenstein „in sunder des von Diespachs wegen“ bezüglich der Probleme Mülhausens schreiben sollte, StABe RM 6, fol. 87, Sitzung des Berner Führungsgremiums vom 26. Mai 1470.
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sammlung der Eidgenossen stattfand.695 Auf dieser entschlossen sich die Anwesenden unter Führung von Bern dazu, eine engere Verbindung mit dem französischen König einzugehen.696 Bremenstein vermittelte überdies erfolgreich eine Übereinkunft zwischen dem Bischof und der Berner Führung und reiste Ende September des Jahres zusammen mit dem Basler Oberzunftmeister sowie Solothurner und Berner Vertretern zu Gesprächen nach Balsthal, um über die Probleme Basels mit Thomas von Falkenstein zu sprechen.697 Anfang Oktober hielt er sich dann in Luzern abermals auf einer Versammlung der Eidgenossen auf.698 Aus Bern war Petermann von Wabern vor Ort, der angewiesen worden war, die Versammelten über die Lage Mülhausens zu informieren.699 Anfang März 1471 erhielt Bremenstein einen Brief des Berner Rats Ludwig Hetzel von Lindenach.700 Dieses noch vorzustellende Schreiben offenbart, dass Bremenstein und Hetzel kurz zuvor in Basel Gespräche über Mülhausen geführt haben müssen. Schließlich bat der Berner seinen Basler Kollegen um Informationen darüber, wie die Meinung des Basler Führungsgremiums bezüglich einer gemeinsamen Lösung der Probleme Mülhausens aussah. Abermals offenbaren sich persönliche Kontakte zwischen den einzelnen Räten aus den unterschiedlichen Städten, doch zugleich unterstreicht diese Anfrage Bremensteins Bedeutung bei der Lösung der Probleme Mülhausens. Das Àndet sich auch zwei Wochen später bestätigt: Als Mitte März Gespräche zwischen den späteren Bündnispartnern und einigen burgundischen Räten in Basel stattfanden, fungierte er mit seinen Ratskollegen Peter Rot und Heinrich Zeigler als Leiter derselben.701 1471 saß er nicht im Basler Führungsgremium, lässt sich aber trotzdem als Gesandter nachweisen und führte zusammen mit dem später verurteilten Münzprüfer Hützschin Mitte Oktober 1471 in Breisach Gespräche „von der muntz wegen“702. Diese war auch Thema von zwei weiteren Gesandtschaften, die ihn und zwei weitere Delegierte im Dezember 1471 zum burgundischen Landvogt nach Ensisheim reisen ließen, wo er kurz zuvor als Gast an dessen Hochzeit teilgenommen hatte.703 Als Begleitung des Basler Bischofs ritt er dann Ende Januar nach Rapperswil und saß ab Juni 1472 wieder im Rat der Stadt.704 Auch wenn er zwischen August 1472 und Mai 1473 keine entfernten Gesandtschaften wahrnahm, waren die Räte auf sein 695 StABas WAB 10, fol. 449. 696 Segesser, Abschiede Nr. 658 und Beilage 47, dazu Bittmann, Ludwig XI., S. 369. 697 Zur Übereinkunft zwischen Bern und dem Bischof von Basel vgl. den Eintrag im Stadtschreiberrodel: „Item geschriben den abscheyd der richtung zwuschen minen herren von min herren als der vor minen herren Räten und Burgern gevertiget ward“ (StABe SR 1, fol. 67); für die Probleme Basels mit Thomas von Falkenstein vgl. StABas WAB 10, fol. 455. 698 StABas WAB 10, fol. 456. 699 StABe RM 6, fol. 242 (Sitzung des Kleinen Rats vom 9. Oktober 1470). 700 StABe Dt. Miss. A, fol. 817. 701 Die Zusammenfassung dieser Versammlung Àndet sich als Abschied bei Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1585. 702 StABas WAB 10, fol. 513. 703 Seine Anwesenheit auf der Hochzeit von Peter von Hagenbach Àndet sich bestätigt in: StABas WAB 10, fol. 518; für die beiden anderen Missionen nach Ensisheim vgl. StABas WAB 10, fol. 520 und fol. 521. 704 StABas WAB 10, fol. 528.
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Expertenwissen angewiesen. Er spielte eine zentrale Rolle bei der Zusammenführung der eidgenössischen und oberrheinischen Interessen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch er neben weiteren Miträten auf seiner letzten nachzuweisenden Mission bei den Bündnisabschlüssen in Konstanz war.705 6.5. Der Dreizehner Hans Irmi († 1497) Bei dem nun vorzustellenden einÁussreichen Fernhändler Hans Irmi handelte es sich um einen der interessantesten städtischen Gesandten Basels im Untersuchungszeitraum.706 Seine Familie lässt sich bereits im 13. Jahrhundert in Basel nachweisen und zählte bereits im 14. Jahrhundert zu den reichsten KauÁeuten, so dass sowohl Irmis gleichnamiger Vater als auch er selbst Mitglieder der Krämer- und KauÁeutezunft waren.707 Aus dem Fernhandel zogen die Irmis erhebliche Gewinne, so dass Hans und sein Vater 1454 gemeinsam 8.000 Gulden versteuerten.708 Dass das Vermögen weiter anwuchs, verdeutlicht eine Steuererhebung des Jahres 1475, nach der Hans und sein Sohn mit 12.600 Gulden zu den reichsten Bürgern gehörten.709 Durch diesen Reichtum war Hans abkömmlich genug, um politische Aufgaben für seine Heimatstadt zu übernehmen, saß 1460/61 das erste Mal für die Safranzunft im Rat und lässt sich als Dreizehner nachweisen.710 Daraufhin pausierte er bis 1467, um bis auf 1472/73 im gesamten Untersuchungszeitraum als Rat und Dreizehner sowie zeitweise als „Dreier“ zu amtieren.711 Auch während seiner Amtszeiten als Rat betrieb er Fernhandel und war vom Herzog von Mailand 1464 für den Zeitraum von zehn Jahren zum „Familiaren“ ernannt worden.712 Konkret hieß das, dass er im Herzogtum Zollfreiheit genoss und sich dort stets frei und sicher bewegen durfte.713 Die Haupthandelswaren der Irmis und ihrer Geschäftspartner waren Tuch, Reis, Getreide und Eisenerz.714 Vor allem die beiden letztgenannten Güter könnten die 705 Zuvor war er noch zu Gesprächen in Luzern und Schwyz gewesen und reiste danach weiter nach Zürich, StABas WAB 11, fol. 17. 706 Zu Hans Irmi vgl. Notter, Irmi; Holzach, Irmy, S. 37–57; Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 39–43; Merz, Stammtafeln, Nr. 10; Walter, Informelle Kontaktnetze. 707 Holzach, Irmy, S. 37. 708 Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 608, Nr. 204. 709 Ebd., S. 768. 710 Fabian, Geheime Räte, S. 404; Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 792. 711 Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 796ff. Dreizehner war er in den Jahren 1467/68, 1473– 1475 und ab 1477 bis zu seinem Tod 1487, Fabian, Geheime Räte, S. 406 f. 712 Schulte, Ravensburger Handelsgesellschaft 1, S. 566 und II, S. 138, dort Àndet sich auch ein Auszug der Ernennungsurkunde; Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 40; dazu auch Walter, Informelle Kontakte. 713 Ehrensperger, Basels Stellung, S. 287–290. Das Privileg ging später auf seinen Sohn, später auch auf seinen Enkel über. 714 Im Jahr 1477 verkaufte er beispielsweise dem Kanton Uri große Mengen Getreide, Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 42; Ehrensperger, Basels Stellung, S. 138. Zudem lassen sich Kontakte Irmis zum Bankhaus der Familie Medici nachweisen, vgl. Ehrensperger, Basels Stellung, S. 281.
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von Irmi verfolgte Politik erklären helfen: Als (Getreide-) Händler wusste er, welche Probleme aus der 1469 erfolgten Verpfändung resultierten. Er selbst, seine Familie und seine Handelspartner waren daher von dem durch Karl den Kühnen 1472 erlassenen Handelsembargo unmittelbar betroffen und versuchten, Störungen des Handels zu unterbinden beziehungsweise diesen sogar auszubauen. Letzteres traf auf den Handel mit Eisenerz zu, der vor allem im Kontext von kriegerischen Auseinandersetzungen dringend benötigt wurde. Durch seine Handelstätigkeiten stand Irmi in verwandtschaftlichem und geschäftlichem Kontakt zu zahlreichen Personen der Basler Führungsgruppe.715 Geschäftlich war er mit den Familien Zscheckabürlin und Meltinger verbunden, die ebenfalls Räte stellten und betrieb in den 1470er Jahren mit dem Oberzunftmeister Iselin ein gemeinsames Geschäft, das so genannte „Wüste Haus“.716 Die Nähe zur Basler Führung schlägt sich auch in seinen Ehen nieder: Während seine erste Ehefrau die Mutter des Bürgermeisters Hans von Bärenfels war, heiratete er in zweiter Ehe mit Regula von Lupfen die Witwe eines reichen und politisch einÁussreichen Ratsherrn aus Zürich.717 Dadurch konnte er den politischen Aktionsradius seiner Familie erweitern718. Irmis Söhne traten in seine Fußstapfen und betrieben in großem Stil Fernhandelsgeschäfte.719 Sie amtierten ebenfalls als Räte.720 Als Kaufmann und Mitglied der Dreier war Irmi ein wichtiger Finanzexperte der Stadt. Daher wurde er vom Rat vorzugsweise für diplomatische Aufgaben herangezogen, die die aus der 1469 erfolgten Verpfändung resultierenden Ànanziellen Probleme tangierten. Bereits Mitte September 1470 hielt er sich dementsprechend gemeinsam mit Solothurner Abgeordneten in der von Burgund bedrohten Reichsstadt Mülhausen auf.721 Wie aus einem Brief der Berner Führungsgruppe an ihren Vertreter Ludwig Hetzel von Lindenach hervorgeht, sprachen die Gesandten mit dem Rat Mülhausens darüber, wie die Stadt dem umliegenden Adel des Sundgaus die hohen Schulden zurückzahlen könnte.722 Weitere Missionen, die Ànanzielle Probleme der Verpfändung beinhalteten, führten ihn Mitte Februar 1471 nach Straßburg und gemeinsam mit den beiden Häuptern Mitte März und Ende April 1472 nach Luzern.723 Für diplomatische Missionen in diese Stadt war er insofern
715 So hatte er beispielsweise mit dem bereits vorgestellten Zeigler sowie Heinrich Jungermann 1464 erfolglos versucht, Rechte an einem Bergwerk erwerben. 716 Holzach, Irmy, S. 38. 717 Notter, Hans Irmi; Merz, Stammtafeln, Nr. 10. 718 Ebd. 719 Ehrensperger, Basels Stellung, S. 287 ff. Als beispielsweise der Herzog von Mailand 1493 in Geldverlegenheiten geriet, war es die Familie Irmi gewesen, die ihm Geld lieh, vgl. Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 40; Ehrensperger, Basels Stellung, S. 344 f. 720 Vgl. Füglister, Handwerksregiment, S. 336 f., Nr. 53. 721 StABAs WAB 10, fol. 452. 722 StABe Dt. Miss. A, fol. 768 f. (Bern an Hetzel von Lindenach am 17. September 1470). 723 Zur Mission nach Straßburg vgl. StABas WAB 10, fol. 476; zu den Missionen nach Luzern vgl. StABas WAB 10, fol. 537 (gemeinsam mit Bürgermeister Rot) und fol. 543 (gemeinsam mit Oberzunftmeister Iselin).
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prädestiniert, als er dort auf seinen Handelsreisen nach Mailand stets Zwischenhalte einlegte und seine Waren anbot.724 Auf seinen Missionen konnte Irmi sein Ànanzielles Spezialwissen, seine Handelsgeschäfte und seine weitreichenden Kontakte miteinander verbinden.725 Insbesondere traf das auf eine Ende 1473 unternommene Mission zum mailändischen Herzog zu. Als sich nämlich für die Basler Führung im Verlauf des Jahres 1473 abzeichnete, dass der Krieg gegen den burgundischen Herzog ausbrechen würde, stellte sie Rüstungsanstrengungen an, die große Summen verschlangen.726 So Àelen 1473/74 die für die Wehrverfassung gemachten Ausgaben um das achtzehnfache höher aus als im Jahr zuvor. Und auch die Gesamtausgaben in diesem Jahr überstiegen die Einnahmen der Stadt um ein Vielfaches. Hinzu kam, dass sich die untersuchten Städte im April dazu entschlossen hatten, dem österreichischen Herzog das für die Auslösung der Pfandlande notwendige Geld vorzustrecken. Da auch das hohe Summen verschlingen würde, entschloss man sich im November 1473 zur Aufnahme eines Kredits in Höhe von 20.000 Dukaten beim mailändischen Herzog.727 Interessanterweise deutet lediglich ein Eintrag in den Jahresrechnungen 1473/74 auf diese Mission Irmis hin, nach dem er für seine Reise insgesamt zwar fünfzehn Gulden „fur zerung“, aber interessanterweise „kein rijtgelt“728 erhielt. Fragt man nach den Gründen dafür, scheint es möglich, dass er eine seiner Geschäftsreisen in das Herzogtum mit dem diplomatischen Auftrag verbunden haben könnte729. Dort bot er dem Herzog eine Verpfändung seiner gesamten Waren und Außenstände im Herzogtum an und haftete so mit seinem Privatvermögen für den Kredit, den seine Heimatstadt aufnahm.730 Bei alldem ist bei Irmi von einer mehrstuÀgen Motivation auszugehen: Als Fernhändler, der besonders in der Lombardei regen Handel betrieb, waren er, seine Familie und seine Geschäftspartner an einem reibungslosen Handel sehr interessiert. Dass er mit seinem Privatvermögen für den Kredit haftete, resultierte mit Sicherheit auch aus diesem Eigeninteresse und verdeutlicht, dass er an einem erfolgreichen Ausgang des Kriegs gegen Burgund interessiert war. Andererseits offenbaren sich daran die Gründe, warum das Basler Führungsgremium Irmi mit der Wahrnehmung dieser Mission betraute: Durch den Familiar des Herzogs, der durch seine Geschäfte über gute Kontakte vor Ort verfügte und der italienischen Sprache mächtig war, war man in der Lage, auf dessen Verbindungen zurückzugreifen, um die Interessen der Stadt zu wahren beziehungsweise durchzusetzen. Diese Ansicht wird 724 Ehrensperger, Basels Stellung, S. 287–290; S. 345. 725 Zu den diplomatischen Missionen Irmis nach Mailand vgl. Walter, Informelle Kontakte. 726 Das schlägt sich auch den in den Jahresrechnungen und Wochenausgabebüchern der Stadt nieder, siehe Kapitel C Exkurs „Informationsverwaltung in der Praxis“. 727 Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 40; Wackernagel, Geschichte, S. 521. 728 Weder in den Einträgen der Wochenausgabebücher und Missivenbücher noch in den Öffnungsbüchern Ànden sich Hinweise auf diese Mission. Der zitierte Eintrag in den Jahresrechnungen Àndet sich bei Harms, Stadthaushalt 1473/74, S. 372. 729 Dazu vgl. Walter, Informelle Kontakte. 730 Das geht aus einem Brief hervor, den Irmi an den Herzog von Mailand am 18. November 1473 schrieb, BAB, Carteggio Estero Band 16, fol. 61 ff.
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noch verstärkt, wenn man in diese Überlegung mit einbezieht, dass Irmi nach seiner Rückkehr nach Basel zahlreiche Briefe an den Herzog richtete.731 In diesen versuchte er den Mailänder vom Eintritt in das gegen Burgund gerichtete Bündnis zu überzeugen. Schließlich hatten Irmi, seine Familie und seine Handelspartner ein unbedingtes Interesse am Handel mit ihrem Haupthandelsgebiet der Lombardei und hofften, dass dieser problemlos fortgeführt und vielleicht sogar ausgebaut werden konnte. So erscheint Irmi als der Hauptansprechpartner des mailändischen Herzogs innerhalb der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition als auch umgekehrt als deren wichtigste Kontaktperson beim Herzog732. Das wird besonders deutlich, wenn man sich die besprochenen Punkte der Versammlungen anschaut, auf denen Irmi als Gesandter Basels teilnahm733. Nahezu auf allen wurde nämlich über Anliegen des Herzogs gesprochen. Hinsichtlich der Basler Kontakte mit Mailand lässt er sich so als der am besten informierte Rat seiner Heimatstadt bezeichnen, der seinen Wissensstand immer dann erhöhte, wenn er einen Brief vom Herzog erhielt, auf eine Mission zu ihm geschickt wurde oder eine Handelsreise ins Herzogtum unternahm. Wie beispielsweise aus einem seiner Schreiben an den Herzog deutlich wird, hielt er sich genau zu dem Zeitpunkt in Luzern auf, als man dort ein Anliegen des Herzogs besprach734. Demnach muss er den Versammelten mitgeteilt haben, dass er seine Gesandten zu ihnen senden wolle, um sich über den Fortgang des gegen Burgund gerichteten Bündnisses zu informieren735. Der Brief, den Irmi noch vom Versammlungsort an den Herzog richtete, verdeutlicht, dass er umfassende Anstrengungen anstellte, um die Eidgenossen von einem Zusammengehen mit Mailand zu überzeugen. Seine Rolle als Mittelsmann zwischen dem Herzog und der sich formierenden eidgenössisch-oberrheinischen Koalition offenbart sich auch, als es Anfang 1474 zu intensiven Gesprächen zwischen den untersuchten Städten kam. Auf einer deswegen nach Luzern einberufenen Versammlung ging es abermals um Anliegen des Herzogs736. Wiederum war es Irmi, der dorthin reiste und den Herzog nach seiner Rückkehr nach Basel eingehend über Stand der Diskussionen informierte737. Von einer gemeinsam mit dem noch vorzustellenden Peter Schönkind durchgeführten Reise zur Hochzeit des burgundischen Landvogts nach Thann, sowie von der Übernahme des Amts eines Strafverteidigers beim Prozess gegen den burgundischen Landvogt im Mai 1474 abgesehen, lassen sich in den untersuchten Quellen ab diesem Zeitpunkt keine größeren diplomatischen Missionen für Irmi mehr nachweisen.738 Vielleicht lag es daran, dass sich abzeichnete, dass der Herzog von Mailand sich immer weiter Karl dem 731 Eine Analyse der Briefe Irmis an den Mailänder Herzog Ànden sich bei Walter, Informelle Kontakte. 732 Ebd. 733 Auch dazu vgl. Walter, Informelle Kontakte. 734 BAB, Carteggio Estero 16, fol. 86 f. 735 Segesser, Abschiede Nr. 727c, S. 465. 736 Segesser, Abschiede Nr. 730, S. 469 f. 737 StABas WAB 11, fol. 3; BAB, Carteggio Estero 16, fol. 98–102 (Irmi an den Herzog von Mailand am 28. Januar 1474). 738 StABas WAB 11, fol. 22.
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Kühnen annäherte und letztlich im Februar 1475 mit diesem und der Herzogin von Savoyen im „Bündnis von Moncalieri“ verband.739 Als am 1. Januar 1475 zahlreiche Mitglieder des Basler Rats verhaftet wurden, hatten unter anderem Irmi sowie der ehemalige Oberzunftmeister Zscheckabürlin vor dem Führungsgremium der Stadt geschworen, sich nicht aus der Stadt zu entfernen.740 Der Grund dafür lag in der Auslösung der verpfändeten Gebiete. Denn nachdem diese wieder in den Händen ihres ursprünglichen Besitzers waren, hatte man die Pfandsumme nicht, wie von Karl dem Kühnen gefordert, in Besançon, sondern in Basel hinterlegt. Für Karl den Kühnen gestaltete sich die Abholung des Gelds insofern als schwierig, als der Krieg gegen ihn mittlerweile ausgebrochen war, so dass das Geld praktisch verloren war. Der damalige Münzmeister Basels, Ludwig Gsell, sowie der Münzprüfer und Goldschmied Hützschin hatten sich gemeinsam mit einigen ihrer Miträten, so auch Hans Irmi, Hans Zscheckabürlin, Matthis Eberler und Hans Bär, zusammengeschlossen, um einen Teil der Summe in Handelsgeschäfte in der Lombardei und in Lothringen zu investieren, was zu ihrer Anklage führte.741 Alle Involvierten partizipierten am Fernhandel und waren teils verwandtschaftlich, teils geschäftlich oder auf beide Weisen miteinander verbunden742: Wie eingangs erwähnt, war Irmi durch die Ehe seiner Söhne mit den Familien Bär und Zscheckabürlin verwandt und genoss Zollfreiheit im Herzogtum Mailand. Zudem hatte er mit einem Teil seines Privatvermögens indirekt für die Auslösung der Pfandlande gehaftet. Dementsprechend verfügte er über die nötigen Kontakte, um auch in Kriegszeiten dort Handel zu treiben. Der daraus resultierende Skandal führte zur Intervention der Eidgenossen, da es schließlich auch ihr Geld war, mit dem da Handel getrieben wurde. Obwohl zahlreiche Sitzungen der Basler Räte diesen Skandal zum Inhalt hatten, verlief der Prozess letztlich im Sande. Gegen Zahlung einer Buße von 500 Gulden wurde die Anklage auch gegen Hans Irmi fallengelassen. Dass der größte Teil der Angeklagten auch danach ihre politischen Ämter ausübte, zeigt einerseits, wie eng die Basler Außenpolitik mit Handelsinteressen und mit den Personen zusammenhing, die sie maßgeblich prägten. Andererseits wird daran deutlich, dass der Basler Rat nicht auf ihre diplomatischen Experten und deren Wissen und Kontakte verzichten konnte.743 739 Zur Politik von Mailand im Vorfeld und während der Burgunderkriege vgl. den Sammelband von Cauchies u. a., Milano e Borgogna, sowie Dürr, Sforza. 740 StABas ÖB 5, fol. 126 ff. 741 Zu Balthasar Hützschin vgl. Rohde, Hütschi. Interessanterweise stand der Goldschmied Hützschin ab 1444 unter der Vormundschaft des ebenfalls verurteilten Hans d. Ä. Zscheckabürlin. Er saß seit 1469 im Rat und hatte ab 1474 mit Matthis Eberler den Stadtwechsel inne. Ein Jahr nach dem Skandal verließ er die Stadt, wurde aber 1476 von der Basler Führung wieder auf die alte Position zurückberufen; zu Mathis Eberler vgl. Ehrensperger, Basels Stellung, S. 42, S. 117 u. S. 356 f.; zur Familie Bär vgl. Apelbaum, Basler Handelsgesellschaften, S. 43–47; Burckhardt, Familie Baer, S. 59–89. 742 Zscheckabürlin unterhielt eine Handelsgesellschaft mit Bär und Irmi. 743 Das offenbart auch die folgende Mission Hans Irmis, die ihn Anfang August 1475 nach Frankfurt reisen ließ und das große Vertrauen der Basler Führung in Irmi und seine Kontakte auch nach Finanzskandal beweist. Denn wie ein Brief verrät, den die Basler Räte ihrem Gesandten
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Irmis herausgehobene Position ließ ihn auch nach 1475 zahlreiche diplomatische Aufgaben wahrnehmen.744 So wird gleichermaßen verständlich, warum Basel ihn nach dem beschriebenen Finanzskandal nicht aus dem Rat ausschließen konnte: Die von der Stadt und ihren Verbündeten eingeschlagene Politik war zu sehr mit Irmis Person verknüpft und indirekt auch von ihm Ànanziert, als sie auf ihn hätte verzichten können.
6.6. Der Dreizehner Peter Schönkind Ein weiterer wichtiger Gesandter Basels im Untersuchungszeitraum war Peter Schönkind, der den größten Teil der Missionen zum Herzog von Burgund und dessen Amtsträgern durchführte. In der erwähnten AuÁistung der Vergehen des Landvogts gegenüber Basel taucht jedes Mal sein Name auf, wenn dort Begegnungen zwischen dem burgundischen Landvogt und der Basler Führung erwähnt werden. Überdies lassen sich in den Wochenausgabebüchern zwischen März 1469 und April 1474 insgesamt 34 Missionen für ihn nachweisen, von denen neunzehn zum burgundischen Landvogt oder dessen Amtsträger gingen, woran sich seine Bedeutung für dieses wichtige diplomatische Ressort offenbart. Das war insofern wichtig, als die konÁiktgeladenen Beziehungen der Stadt zu Burgund weder abbrechen konnten noch durften. Vertreter der Familie Schönkind zählten früh zum vermögenden Stadtadel Basels und hatten bereits Mitte des 14. Jahrhunderts im Rat von den Achtburgern gesessen und waren als Geldwechsler tätig gewesen.745 Auch Peters Großvater sowie sein Vater saßen 1405/06 beziehungsweise 1425/26 als Achtburger im Rat und versteuerten 1429 gemeinsam ein Vermögen in Höhe von 7.500 Gulden.746 Auf eine adlige Lebensführung der Familie deutet einerseits hin, dass sich seit 1427 die Burg Tierstein pfandweise in ihrem Besitz befand.747 Andererseits könnte eine 1434 erfolgte Wappenverbesserung für die Familie dafür sprechen.748 Ein Jahr nach dem
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nach Frankfurt mitgaben, waren Ànanzielle Angelegenheiten der Grund für diese Gesandtschaft, vgl. StABas Missiven A 14, fol. 166 – Basel an Frankfurt am 9. August 1475. Darin wird deutlich, dass er damit beauftragt worden war, bei den Frankfurter Räten Geld zu leihen und dieses nach Erhalt nach Basel führen zu lassen. Der Grund für den Kreditwunsch Basels lag in den hohen Kosten, die der Krieg gegen den burgundischen Herzog verursachte. Da Irmi über Handelskontakte nach Frankfurt verfügte, war er für die Wahrnehmung dieser Mission wahrscheinlich prädestiniert. Zu den Kontakten Irmis nach Frankfurt vgl. Ehrensperger, Basels Stellung, S. 214; S. 217; S. 220 f. Auf dieTatsache, dass er in Frankfurt erfolgreich Kredite für Basel aufnahm, könnte ein Eintrag in den Jahresrechnungen 1475/76 hindeuten, nach dem sich die Basler Führung in diesem Zeitraum insgesamt rund 10.500 Gulden geliehen hatte, vgl. Harms, Stadthaushalt 1475/76, S. 392. Auch nach Sforzas Tod unterhielt er weiterhin engen Kontakt nach Mailand und reiste im Auftrag der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition im April 1477 zu dessen Witwe, um Bündnisverhandlungen zu führen, vgl. Holzach, Irmy, S. 40 f. Bernoulli, Basler Chroniken 6, S. 260. Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 780 u. S. 526. Zur Burg Tierstein vgl. Christ, Kooperation und Konkurrenz. Staehelin, Adels- und Wappenbriefe, Nr. 5, S. 74.
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Tod von Peters Vater löste Graf Hans von Tierstein die Burg wieder aus, verpfändete sie aber kurze Zeit später für fünf Jahre erneut an Peter.749 Im Kirchspiel St. Peter wohnend, versteuerte er 1446 ein Vermögen in Höhe von 4.600 Gulden.750 Verheiratet war er mit Agnes Sürlin, die aus einer einÁussreichen Basler Achtburgerfamilie stammte.751 Durch diese Heirat war Schönkind mit den Familien Rot und Schlierbach verwandt, aus denen sich im vorliegenden Zeitraum ebenfalls wichtige politische Amtsträger rekrutierten. Da die Schwester seines Vaters mit dem bereits vorgestellten Oberzunftmeister Heinrich Iselin verheiratet war, offenbaren sich weitere Verbindungen zum Basler Führungsgremium. 1470 war Peters Vermögen auf 8.000 Gulden angewachsen, womit er zu den wohlhabenden Bürgern gehörte und abkömmlich genug war, um politische Aufgaben wahrzunehmen.752 Doch war er nicht während des gesamten Untersuchungszeitraums Rat beziehungsweise Dreizehner, sondern lediglich in den Jahren 1471/72 und 1473/74.753 Das ist insofern interessant, als er auch diplomatische Missionen für die Stadt durchführte, wenn er nicht als Rat oder Dreizehner amtierte, und könnte ein Hinweis darauf sein, dass seine Arbeit als Experte für Verhandlungen mit Burgund ständig gefragt war. Ein Grund dafür könnte in der Geschichte seiner Familie liegen, die in den Jahrzehnten zuvor Lehen von adligen Familien aus dem Elsass erhalten hatte, von denen sich einige den neuen burgundischen Machthabern zuwandten. Das traf beispielsweise auf Graf Oswald von Tierstein zu, der zwischen 1469 und 1474 ständig zwischen dem Reich, Lothringen und Burgund lavierte, ab April 1473 aber in burgundischen Diensten stand. Möglicherweise resultierten aus diesen Lehnsverbindungen persönliche Kontakte, auf die die Basler Führung im vorliegenden Zeitraum gezielt zurückgriff. 1475 beging er einen Totschlag, wurde ein Jahr später Basler Amtmann der Landvogtei Farnsburg.754 Er unterstützte die Eidgenossen bei der erfolgreichen Eroberung von Murten im Juni 1476, bis er 1483 wieder als Achtburger im Rat saß.755 Rund drei Viertel der von Schönkind zwischen 1470 und 1474 absolvierten Missionen führten ihn zum Sitz des burgundischen Landvogts nach Ensisheim. Das erste Mal lässt er sich jedoch im März 1469 in Thann nachweisen. Dorthin hatte sich Schönkind, der damals nicht als Rat amtierte, gemeinsam mit seinen Ratskollegen Bärenfels und Zeigler begeben, um den österreichischen Herzog zu treffen,
749 Als Besitzer von Tierstein folgte ihm sein Nachbar in Basel, Hans von Lauffen, vgl. Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 641, der die Burg bis in Jahr 1462 innehatte, bevor sie letztlich Anfang April 1462 von Solothurn erworben wurde. 750 1446 saß Schönkind das erste Mal als Achtburger im Rat Basels, Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 787. 751 Vgl. den Stammbaum der Familie Surlin bei Merz, Stammtafeln, Nr. 8. 752 Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 761. 753 Ebd., S. 796; zur Mitgliedschaft im Dreizehnerkollegium vgl. Fabian, Geheime Räte, S. 406. 754 StABas ÖB 5, fol. 144v und 178v. 755 Wahrscheinlich war der unter anderem als Basler Vogt in Homburg und 1506 in Münchenstein amtierende Jörg Schönkind ein Sohn von dem vorgestellten Peter. Dieser war jedoch der letzte Vertreter der Familie und lässt sich bis 1518 in Basel nachweisen.
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der sich auf dem Weg zu Karl dem Kühnen befand.756 Drei Monate später hielt er sich mit Bürgermeister Rot in Rheinfelden auf, das auch Ziel zweier weiterer Missionen im Januar und Anfang Februar 1470 war.757 Mit Sicherheit ging es dort um den Wunsch der neuen burgundischen Machthaber, die im Pfandbesitz von Basel beÀndliche Stadt auszulösen. Anfang April 1470 reiste Schönkind das erste Mal nach Ensisheim, wo er im Streit zwischen Basel und seinem ehemaligen Rat Hans Bernhard von Eptingen vermittelte.758 Daraufhin begab er sich einen Monat später gemeinsam mit dem Basler Unterschreiber nach Straßburg, um dann abermals nach Rheinfelden zu reisen.759 Obwohl er ab Ende Juni diesen Jahres wieder im Rat saß, lässt er sich erst wieder Ende Dezember 1470 auf einer Mission nach Ensisheim nachweisen.760 Im darauf folgenden Jahr führte er die meisten seiner diplomatischen Missionen im Untersuchungszeitraum durch. Deren häuÀgstes Ziel war Ensisheim, wo er Anfang Januar, Ende Mai und Mitte Juli Gespräche mit dem Landvogt, dessen Stellvertreter oder Räten führte.761 Daher verwundert es auch nicht, dass der Burgundexperte Mitte November 1471 „zu des landtuogts hochzit“762 nach Ensisheim reiste und diesem im Auftrag Basels „eynen verdeckten becher“ im Wert von 23 Gulden schenkte.763 Dass Basel nicht seinen Bürger- oder Oberzunftmeister zu diesem Anlass nach Ensisheim abordnete, wirft ein interessantes Licht auf die Beziehungen, die zwischen den burgundischen Machthabern und der Stadt herrschten. Es ist bezeichnend, dass die Einigung auf eine Abordnung Gegenstand von Diskussionen im Rat war. Dieser leitete es an die Dreizehner weiter, die sich wiederum schnell auf Schönkind einigten.764 Zwei Wochen später war Peter Schönkind Mitglied einer Delegation, die sich „von der muntz [und] der spennen wegen“ im Dezember 1471 zwei weitere Male nach Ensisheim begab.765 Obwohl er ab Ende Juni 1472 wiederum nicht mehr im Rat saß, lässt er sich auf zahlreichen Gesandtschaften nachweisen. Besonders deutlich wird das an einer Reise nach Zürich, die Mitte August 1472 erfolgte und auf der sein Pferd eingegangen sein muss, für das ihm die Räte 32
756 Auch der Basler Bischof war mit Gesandten und insgesamt 16 Pferden in Thann, wie ein Eintrag in seinem Haushaltsbuch belegt, Hirsch/Fouquet, Haushaltsbuch, S. 330. 757 StABas WAB 10, fol. 384. bzw. fol. 417 f. 758 StABas WAB 10, fol. 427; auch der Basler Bischof hatte Gesandte vor Ort, Hirsch/Fouquet, Haushaltsbuch, S. 350. Zur Familie von Eptingen vgl. mit weiterführender Literatur Clémence, Eptingen. 759 StABas WAB 10, fol. 431 f. bzw. StABas WAB 10, fol. 434. 760 StABas WAB 10, fol. 469. 761 StABas WAB 10, fol. 471 (zu dieser Anfang Januar unternommenen Gesandtschaft vgl. auch StABas Missiven A 13, fol. 44); StABas WAB 10, fol. 491 (Ende Mai); StABas WAB 10, fol. 498 f. (Mitte Juli). 762 StABas WAB 10, fol. 518. 763 Harms, Stadthaushalt 1471/72, S. 359. 764 StABas ÖB 5, fol. 76: „Botten zu ordenen gen Ennsissen zu desz landtuogts brutlouff, und was man im schengken welle etc.“ 765 StABas WAB 10, fol. 520.
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Gulden erstatteten.766 Mitte September befand er sich in Ensisheim, wofür er gleichermaßen bezahlt wurde.767 Gleiches traf auch für seine Missionen zu, die ihn Ende Dezember 1472, Mitte sowie Ende Januar 1473 abermals dorthin reisen ließen.768 Der Grund für die zuletzt genannte Gesandtschaft geht aus einem Brief hervor, den die Räte unmittelbar nach Schönkinds Rückkehr an Peter von Hagenbach richteten.769 Demnach war es zu diesem Zeitpunkt zu ersten Beschwerden der Basler gegen das vom burgundischen Herzog erlassene Handelsembargo gekommen. Nach dem Brief hatte Schönkind unter anderem den Auftrag gehabt, sich bei Peter von Hagenbach für eine Aufhebung desselben einzusetzen. Warum die Basler Führung Schönkind, obwohl er damals nicht als Rat amtierte, trotzdem für seine Missionen bezahlte, lag an seiner Spezialisierung auf Gespräche mit den burgundischen Machthabern. Als Experte für dieses diplomatische Ressort wusste er um die Verhandlungsposition der Burgunder und verfügte vermutlich vor Ort über ein Kontaktnetz, das es ihm und seiner Heimatstadt erleichterte, die mitunter schwierigen Gespräche mit dem Landvogt oder seinen Vertretern zu führen. Bei alldem ist von einem großen Vertrauen auszugehen, das die Räte in Schönkind und sein Verhandlungsgeschick gesetzt haben müssen. Das Àndet sich unmittelbar nach seiner erneuten Wahl in den Rat 1473 bestätigt. Wenige Tage später enthält das Öffnungsbuch einen interessanten Eintrag, mit dessen Hilfe man die außenpolitischen Entscheidungsprozesse sowie die Vor- und Nachbereitung von Gesandtschaften innerhalb des Basler Rats und des Dreizehnergremiums exemplarisch nachvollziehen kann. Demnach war es abermals zu Schwierigkeiten mit burgundischen Amtsträgern gekommen, weil diese den „veylen kouff“ behindert hätten und in der Stadt „us und in wandeln“ würden.770 Das berührte unmittelbar die außenpolitischen Interessen Basels, deren Führungsgruppe am reibungslosen Handelsverkehr interessiert war und sich daher entschloss, die Angelegenheit vor die Dreizehner zu bringen. Diese diskutierten auf ihrer Sitzung den Inhalt einer Instruktion für Schönkind.771 Laut dieser sollte Schönkind sich zunächst dafür verwenden, dass der Landvogt „Peter Roten sin ere widergebe“, womit der erwähnte Streit zwischen dem Basler Bürgermeister Rot und Hagenbach bestätigt wird. Daraufhin sollte er ihn auf den „feylen kouff“ und dessen Störung ansprechen und ihm mitteilen, welche Probleme für Basel daraus resultieren würden. Der nächste anzusprechende Punkt beinhaltete das Hagenbachs Verhalten gegenüber der „herrschafft Rynfelden“: Schönkind sollte ihn bitten, dass er die Bewohner derselben „hallte, alsz von alter harkommen“ sei. Kurze Zeit später ritt er nach Ensisheim, um mit Hagenbach über die beschlossenen Anliegen zu verhan-
766 Zugleich erhielt er sechs Pfund für Nahrung sowie dreißig Pfennig „lonroß“ von diesen, StABas WAB 10, fol. 560. 767 StABas WAB 10. fol. 563. 768 StABas WAB 10, fol. 581 (Ende Dezember 1472); StABas WAB 10, fol. 584 f. (Ende Januar 1473). 769 StABas Missiven A13, fol. 177–180. 770 StABas ÖB 5, fol. 100v. 771 StABas ÖB 5, fol. 101v („Richtung myt dem landvogt“).
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deln.772 Am 12. Juli 1473 war er zurück in Basel und berichtete den Räten von den Ergebnissen der Gespräche.773 Er informierte sie darüber, dass es dort zunächst um die Probleme von Rheinfelden gegangen war. Deswegen sei ihm von Hagenbach versprochen worden, dass er mit dem Vogt von Rheinfelden sprechen werde, um „dieselben unbekümbert“ bleiben zu lassen. Daraufhin berichtete er über Hagenbachs Reaktion hinsichtlich der Störung des Handels. Demnach habe Hagenbach ihm gesagt, er könne eine Unterlassung nur schwerlich „verwilligen“. Bezüglich der Ehrverletzung des Basler Bürgermeisters hatte der Landvogt ihm gesagt, dass er nichts gegen diesen habe. Schönkind reiste erst wieder kurz nach dem Besuch des Kaisers in Basel Anfang September sowie Anfang November 1473 zum burgundischen Landvogt.774 In der Zwischenzeit wurde die Lage der Reichsstadt Mülhausen immer schwieriger. Doch interessanterweise gehörte er nicht der Delegation an, die deswegen sich Anfang 1474 zu Karl dem Kühnen und dessen Amtsträgern nach Ensisheim begaben, sondern reiste zunächst Ende Dezember nach Rheinfelden und mit Irmi Anfang Januar nach Rötteln, um die dortigen Herrschaftsträger über die Mission zu Karl dem Kühnen zu informieren.775 Rund einen Monat später begab er sich abermals nach Thann und Ensisheim. Während er bei der ersten Mission gemeinsam mit Irmi als Gast an der Hochzeit des Landvogts teilnahm, sollten sich beide auf der zweiten Reise für die Freilassung zweier Gefangenen einsetzen, die ein burgundischer Amtsträger in seiner Gewalt hatte.776 Vier Wochen darauf lässt sich Schönkind das letzte Mal vor der Hinrichtung des burgundischen Landvogts in Ensisheim nachweisen.777 Das ist insofern interessant, als der Burgundexperte nach dem Tod Hagenbachs nicht mehr aktiv als Rat amtierte und sich danach auf keiner weiteren diplomatischen Mission belegen lässt.
772 Dass er nach Ensisheim geritten sein muss, ergibt sich aus einem Eintrag in den Wochenausgabebüchern, laut dem er 15 Schilling „pro equis“ zurückerhielt, StABas WAB 10, fol. 585. 773 StABas ÖB 5, fol. 100v. Hier heißt es: „LXXIII uff mentag sannt keyser Heinrichs obend [= Montag, der 12. Juli 1473, d. Verf.] hatt Peter Schonkynt syn bottschafft von dem landvogt her Peter von Hagenbach erzalt“. 774 StABas WAB 10, fol. 620 (Anfang September 1473); StABas WAB 10, fol. 629 (Anfang November). 775 StABas WAB 11, fol. 2 (Rheinfelden); StABas WAB 11, fol. 3 (Rötteln). 776 StABas WAB 11, fol. 7; vgl. zu der Hochzeit Hagenbachs Paravicini, Hagenbachs Hochzeit. Dass es bei der zweiten Mission Schönkinds um die Freilassung von Gefangenen ging, geht aus einem Brief der Basler Führung vom 10. Februar 1474 hervor, StABas Missiven A 13, fol. 290. Schönkinds Gesandtschaft wird überdies im Wochenausgabebuch erwähnt, StABas WAB 11, fol. 8. 777 StABas WAB 11, fol. 13.
7. Zusammenfassung: Städtische Gesandte als Wissensträger
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7. ZUSAMMENFASSUNG: STÄDTISCHE GESANDTE ALS WISSENSTRÄGER Nahezu bei allen der vorgestellten Gesandten ließ sich ein merkantiles Interesse nachweisen. Wenn man dieses als einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis der von ihnen und ihren Heimatstädten verfolgten Außenpolitik ansieht, wird deutlich, wie eng die eingeschlagene außenpolitische Richtung mit den Personen verknüpft war, die sie maßgeblich prägten. Denn neben dem bereits in zahlreichen Veröffentlichungen zu den Burgunderkriegen festgestellten Wunsch der städtischen Führungsgremien, den neuen Machthaber und seine Amtsträger wieder aus den Pfandlanden zu verdrängen beziehungsweise diese selbst wieder auszulösen und damit den eigenen politischen EinÁuss abzusichern, besaßen die Führungsgremien aller drei untersuchten Städte ein gesteigertes Interesse an der Sicherstellung ihres Handels und waren einer Ausweitung desselben nicht abgeneigt.778 Dieses Interesse konnte aus aktuell ausgeübten Fernhandelsgeschäften resultieren oder aber zuvor die Basis für den Aufstieg einzelner Räte in die Politik gewesen sein. Durch die Handelsgeschäfte bestanden mitunter enge persönliche Beziehungen zwischen den Räten aus Basel, Straßburg und Bern, die im Zuge der im Jahr 1469 erfolgten Verpfändung von weiten Teilen des Elsass an den burgundischen Herzog intensiv genutzt wurden und die Koordination einer gemeinsam und gegen Burgund gerichteten Politik erleichterten. Städtische Außenpolitik wird so zu einer Familien- und Handelspolitik einiger weniger „Politunternehmer“779, bei der verwandtschaftliche Bindungen und geschäftliche Beziehungen und die aus diesen erwachsenden Interessen und resultierenden Rücksichtnahmen eine wichtige Rolle spielten. Die Analyse der wichtigsten Diplomaten in Bern zeigte, dass dort die Schultheißen den größten Teil der diplomatischen Aufgaben übernahmen. Als diplomatische Experten der Stadt bereiteten sie die Außenpolitik der Stadt vor und nach und führten sie entsprechend ihrer Spezialressorts aus. Die zahlreichen von ihnen durchgeführten Missionen und Versammlungen ließen zudem ihren eigenen Wissensstand sowie den ihrer Heimatstadt und ihrer Bündnispartner stetig wachsen. Andererseits führten die Versammlungen zur Kohäsion zwischen und zur Bildung von Vertrauen unter der Stadt Bern und seinen Verbündeten, was gerade im Vorfeld und während des Kriegs gegen den burgundischen Herzog Karl den Kühnen besonders wichtig war. Wie aus den Ausführungen hervorging, wurde das Berner Führungsgremium im Untersuchungszeitraum von einer kleinen Gruppe von Räten dominiert, die sich vorwiegend aus Mitgliedern der miteinander verwandten Familien
778 Vgl. dazu in Ansätzen Gasser, Ewige Richtung, S. 712 ff., sowie, auf diesen Bezug nehmend, Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 20 f. 779 Jucker, Gesandte, S. 108; für das 16. und 17. Jahrhundert gibt Würgler, Akteure, Folgendes an: „Die Interessengebiete der eidgenössischen Außenbeziehungen [lassen sich] auf zwei direkt verzahnte Themenfelder zuspitzen: nämlich das Soldgeschäft und die Handelsprivilegien" (ebd., S. 80 f.).
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B. Die städtischen Gesandten
Diesbach, Wabern und Scharnachtal sowie ihren Anhängern rekrutierte, die sich zwischen 1468 und 1477 nahezu ständig im Schultheißenamt abwechselten. Dass genau diese Familien zuvor Fernhandelsgeschäfte unter anderem mit Familien aus Basel betrieben hatten, bestimmte die Richtung der von ihnen verfolgten, gegen Burgund und seine Verbündeten gerichteten Außenpolitik maßgeblich An alldem erkennt man die enge Verknüpfung zwischen den Familien, die politisch den Ton angaben und der eingeschlagenen politischen Richtung. In Straßburg war die Ausgangslage nur aufgrund der städtischen Verfassung geringfügig anders: Denn diese sah vor, dass sich die Ammeister aus den Reihen der Zünften rekrutieren sollten, weswegen sich hier enge Verbindungen der städtischen Führung zu Handwerk und Handel fassen lassen. Auch dort waren Familien an der städtischen Führung beteiligt, die entweder in den Jahrzehnten zuvor oder noch im Untersuchungszeitraum am (Fern-)Handel partizipierten. Innerhalb der städtischen Führung muss man jedoch differenzieren und besonders die herausgehobene außenpolitische Stellung der Mitglieder des Dreizehnergremiums betonen. Dort saßen die diplomatischen Experten der Stadt, die die Außenpolitik diskutierten und sie vor- und nachbereiteten. Wie der Rat setzte sich auch dieses mehrheitlich aus zünftischen Mitgliedern zusammen, woran deren Dominanz in außenpolitischen Fragen verständlich wird. Da man in Straßburg sein ganzes Leben lang Dreizehner war, konnte man in diesem Gremium diplomatische Kenntnisse einüben, perfektionieren, persönliche Spezialressorts für bestimmte außenpolitische Fragen entwickeln und so zum diplomatischen Experten der Stadt werden. Daher lassen sich dort möglicherweise Ansätze einer Institutionalisierung von Außenpolitik ausund festmachen. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass es mit Riffe, Schott und Baumgartner Personen aus den Zünften der Wein- und Getreidehändler waren, die im Untersuchungszeitraum für insgesamt vier Jahre als Ammeister der Stadt vorstanden und als Dreizehner amtierten, wirft das ein interessantes Licht auf die Ausrichtung der Straßburger Außenpolitik. Für die Ammeister im untersuchten Zeitraum lassen sich außenpolitische Spezialisierungen auf bestimmte Themen ausmachen, die einerseits eng mit ihren (ehemaligen) Berufen zusammenhingen, andererseits eng an ihre familiären Interessen gekoppelt waren. In ihrer Funktion als (Alt-) Ammeister und Dreizehner gingen ihr fachliches Wissen und ihre familiären Interessen Hand in Hand. Beides prädestinierte sie zur Wahrnehmung von Missionen, die im Zusammenhang mit der burgundischen Herrschaft am Oberrhein und den daraus entstandenen Problemen standen. Auch in Basel betrieben zahlreiche Mitglieder der Führungsgruppe beziehungsweise ihre Familien noch im vorliegenden Zeitraum aktiv (Fern-)Handelsgeschäfte, die damit ebenfalls als Basis für die von der Stadt verfolgte Politik gelten können. Die Handelsgeschäfte wiederum trugen maßgeblich dazu bei, dass die Räte abkömmlich genug waren, um diplomatische Aufgaben durchzuführen. Wie in Straßburg waren es auch dort die Mitglieder des Dreizehnerkollegiums, denen die Vor- und Nachbereitung sowie die Durchführung der städtischen Außenpolitik zukam. Obgleich man in Basel nicht sein Leben lang Dreizehner war, lassen sich nahezu immer die gleichen Wissensträger in dieser Funktion nachweisen. Die Stetigkeit ihrer politischen Partizipation versetzte sie in die Lage, diplomatische Fähig-
7. Zusammenfassung: Städtische Gesandte als Wissensträger
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keiten einzuüben und zu perfektionieren, sich auf bestimmte politische Themen zu spezialisieren und neue Kontakt- und Informationsnetze zu erschließen, die für sie und ihre Heimatstadt von Bedeutung waren. In Basel lassen sich mit dem Dreizehnergremium auf diese Weise ebenfalls Ansätze zu einer Institutionalisierung von Außenpolitik fassen. Für das Zusammengehen zwischen den drei Städten im untersuchten Kontext der Auseinandersetzungen mit Karl dem Kühnen und seinen Verbündeten weiterhin förderlich waren die Probleme der Reichsstadt Mülhausen, die bis 1474 ständig von den neuen burgundischen Machthabern bedrängt wurde. Zwischen dieser Stadt und den oberrheinischen Reichsstädten bestanden persönliche Kontakte. Im Fall von Bern hatten die gesteigerten Interessen an der Stadt bereits 1466 zum Abschluss eines Bündnisses geführt, in dem die Unterstützung des Anderen im Fall eines militärischen Angriffs von Dritten eingeschlossen war. Aber auch die anderen untersuchten Städte hatten ein Interesse an der Lösung der Probleme Mülhausens, da sie an einer wichtigen Handelsstraße über die Vogesen und mitten im Hauptanbaugebiet für Getreide und Wein lag, auf deren Einfuhr vor allem die Eidgenossen zwingend angewiesen waren. In diesem Zusammenhang muss zudem ihr Status als Reichsstadt erwähnt werden, der zu einer zusätzlichen Kohäsion zwischen den späteren Bündnispartnern führte. Schließlich betrafen deren Probleme ihre reichsstädtische Identität unmittelbar. Auf diese Weise entwickelte sich die Stadt immer mehr zu einem Kulminationspunkt der Interessen aller drei untersuchten Führungsgremien. Um die Gründe für den Ausbruch der Burgunderkriege zu verstehen, müssen weiterhin die engen Kontakte der Berner Führung zum französischen König Ludwig XI. mit in die Überlegungen einbezogen werden. Denn diese erleichterten den Amtsträgern, ihren Familien und ihrer Stadt den Zugang zu weiteren Informationen, trugen zur wichtigen Stellung Berns und damit auch Basels und Straßburgs bei und bestimmten ebenfalls die außenpolitische Ausrichtung mit. Als Empfänger von dessen Pensionen und als seine Kammerherren, deren Kinder am französischen Königshof erzogen wurden, verfolgten vor allem Berner Familien wie die vorgestellten Diesbach und Scharnachtal eine profranzösische Außenpolitik. Ihr erheblicher politischer EinÁuss kam dem französischen König Ludwig XI. recht, und er unterstützte diesen mit der Zahlung von Geldern und Verleihung von Titeln an die Exponenten und Vertreter seiner Interessen. Gerade diese engen Kontakte nach Frankreich waren es, die eine Sensibilisierung Ludwigs XI. für ihre Anliegen erst möglich machte. Die deutlich werdende Gemengelage von wechsel- und gegenseitigen Interessen führte maßgeblich zur Etablierung und Konsolidierung der herausgehobenen Stellung Berns und seiner Bündnispartner und damit zum Ausbruch des Kriegs gegen den burgundischen Herzog. Um die Probleme mit Burgund zu bewältigen, tauschten die untersuchten Städte zahlreiche Briefe untereinander aus und beriefen eine große Anzahl von Versammlungen ein. Diese boten den Beteiligten erweiterte Möglichkeiten zur Beschaffung und zum Austausch von sonst schwer zugänglichen Informationen. Das ermöglichte ihnen, ihren Wissensstand zu erhöhen und trug in einem Folgeschritt maßgeblich zur Konsolidierung ihrer eigenen gesellschaftlichen wie politischen
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B. Die städtischen Gesandten
Stellung, der ihrer Heimatstädte und ihrer Verbündeten bei.780 Da stets die gleichen Abgeordneten auf den Versammlungen anwesend waren, konnten die städtischen Führungen sichergehen, dass diese mit den politischen Inhalten bestens vertraut waren und genau um die Zielrichtungen wussten, die sie und die anderen Städte vertraten und verfolgten. Die Diplomaten ließ das zu Experten für bestimmte außenpolitische Inhalte und Ressorts werden. Sowohl der Wunsch nach einer als auch Vorschub für eine Verstetigung, Spezialisierung und Institutionalisierung von Außenpolitik schlägt sich in der Schaffung bestimmter Gremien nieder, die ausschließlich für die Planung, Koordinierung und Durchführung der städtischen Außenpolitik zuständig waren. In diesen saßen über Jahre und Jahrzehnte stets die gleichen Amtsträger, die sich auf diese Weise nahezu unentbehrlich machten. Das in den Gremien versammelte Wissen um Techniken und Funktionieren von Außenpolitik, das an junge Räte und Söhne weitergegeben und so perpetuiert wurde, führte im Idealfall zu ihrer Optimierung. Übergeordnet lassen sich die städtischen Gesandten vor diesem Hintergrund als Wissensträger beschreiben, die durch ihren stetigen Umgang mit Informationen ihren Wissensstand ständig erweitern konnten. Auf diese Weise waren sie maßgeblich daran beteiligt, dass aus Informationen Wissen wurde beziehungsweise dieses in Wissensbestände überführt wurde. Gelang ihnen dann noch in Zusammenarbeit mit den städtischen Kanzleien aus den speziÀschen Wissensbeständen (außen-)politische Handlungsoptionen zu entwickeln, waren sie und damit auch ihre Heimatstädte in der Lage, nicht nur ihre herausgehobene Position in die Wege zu leiten, sondern sie gleichermaßen zu etablieren. Doch spielten die erwähnten Versammlungen auch eine wesentliche Rolle beim Aufbau und bei der PÁege von persönlichen Kontaktnetzen. Das war umso wichtiger, als alle Beteiligten wussten, dass sie nur dann eine gemeinsame Außenpolitik koordinieren und praktizieren konnten, wenn sie sich gegenseitig kannten und anerkannten und einander in wichtigen Angelegenheiten vertrauten. Auf diese Weise trugen die Wissensträger der untersuchten Städte maßgeblich dazu bei, dass das für ein gemeinsames Vorgehen unabdingbare Vertrauen aufgebaut und etabliert wurde. Seinen Ausdruck fand das in dem zwischen ihnen im April 1474 geschlossenen Bündnis, das die Etablierung und Koordinierung ihrer gemeinsamen und gegen Burgund gerichteten Außenpolitik erleichterte, erweiterte politische Handlungsoptionen schuf und die Basis ihrer herausgehobenen Stellung in den Burgunderkriegen war. Diese Stellung wiederum war in der Folge nicht mehr allein von Einzelinteressen bestimmt, sondern wurde durch das Bündnis beeinÁusst und koordiniert und konnte in letzter Konsequenz nur eins bedeuten: Krieg gegen den Herzog von Burgund und seine Verbündeten.
780 Zu vergleichbaren Ergebnissen für die Hanse kommt Poeck, Herren, S. 509–513; vgl. in Ansätzen für die spätmittelalterliche Eidgenossenschaft Jucker, Gesandte, S. 86 f. u. S. 106–110; zu ähnlichen Ergebnissen, u. a. für Straßburg zu Beginn des 15. Jahrhunderts, kommt auch Jörg, Gesandte.
C. INFORMATIONSVERWALTUNG: DIE STÄDTISCHEN KANZLEIEN 1. INSTITUTIONELLE VORAUSSETZUNGEN Den Stadtschreibern und Kanzleien oblag die Verwaltung des gesamten, die jeweiligen Führungsgremien betreffenden Schriftverkehrs, und sie boten den Räten zahlreiche Hilfestellungen zur Verwaltung, Systematisierung und Be- und Verarbeitung der ein- und ausgehenden Informationen. Auf diese Weise spielten sie eine wichtige Rolle bei der Umwandlung der Informationen in politische Wissensbestände, für deren Archivierung sie gleichermaßen zuständig waren.1 Im Idealfall waren sie auf diese Weise maßgeblich an der Herstellung und Etablierung der herausgehobenen Stellung der betrachteten Städte beteiligt.2 Der Aufgabenbereich einer städtischen Kanzlei hing stets von der „Größe, der Wirtschafts- und der Gesellschaftsstruktur sowie von den Beziehungen der Kommune zu älteren kirchlichen oder weltlichen Herrschaftsträgern“3 ab. Während man Bern eine weitgehende Unabhängigkeit von kirchlichen Institutionen attestieren kann, sind die Kanzleien von Bischofsstädten wie Basel oder Straßburg aus diesen hervorgegangen und mitunter stark beeinÁusst.4 Der überwiegende Teil der Stadtschreiber stammte nicht aus den Orten, in denen sie beschäftigt waren. Das wurde in der Forschung als Vorsichtsmaßnahme 1
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Die folgenden Überlegungen sind von den Ideen des Konzepts der pragmatischen Schriftlichkeit geleitet. Für die eidgenössischen Städte und Kanzleien Àndet sich dieses Konzept exzellent umgesetzt bei Jucker, Gesandte. Als Auswahl an Literatur zur pragmatischen Schriftlichkeit sei hier verwiesen auf Meier/Keller, Pragmatische Dimensionen; Keller, Träger; Clanchy, Memory; von Moos, Pragmatische Mündlichkeit. Die folgenden Befunde lassen sich auf die fürstlichen und landesherrlichen Kanzleien übertragen, und es sind mitunter deutliche Parallelen festzustellen, vgl. dazu den von Rainer Christoph Schwinges herausgegebenen Sammelband: Schwinges, Gelehrte im Reich. Darin besonders: Ders., Karrieremuster; Sottili, Ehemalige Studenten; Müller, Akademisierung; Männl, Juristen; Willoweit, Juristen in Franken; sowie vor allem die Zusammenführung der Ergebnisse von Elm, Gelehrte im Reich; vor allem im Hinblick auf landesherrliche Politik vgl. Hesse, Landesherrliche Amtsträger; ders., QualiÀkation durch Studium. Zahnd, Studium und Kanzlei, S. 455. Zum Basler Kanzleiwesen vgl. Mommsen, Kanzleiwesen; Zahnd, Studium und Kanzlei. Es ist bedauerlich, dass vom Straßburger Stadtschreiber nur sein Name bekannt ist. Bei ihm handelte es sich um Johannes Meier, der gebürtig aus Hagenau im Unterelsass stammte. Das geht aus einer AuÁistung der Stadtschreiber bei Alioth, Gruppen an der Macht, S. 550 hervor. Es wäre interessant, welche QualiÀkationen zur Wahl Meiers zum Stadtschreiber von Straßburg führten; für seine weitreichenden Kontakte zu Amtskollegen in anderen Städten sprechen jedoch das bereits dargelegte zwischen ihm und dem Metzer Unterschreiber unterhaltene Kommunikationsnetz; zu den Straßburger Stadtschreibern im 16. Jahrhundert vgl. Wittmer, Origines; Fuchs, Critères; Oberlé, Chancellerie; auch Rapp, Politique strasbourgeois; ders., Administration strasbourgeois.
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C. Informationsverwaltung: Die städtischen Kanzleien
gegen Klientelismus seitens der politischen Führung gewertet. In der Realität sah das häuÀg anders aus, wie die Beziehungen zwischen den Berner und Basler Räten und den amtierenden Stadtschreibern im Untersuchungszeitraum zeigen. Wenngleich ihre Stellung innerhalb der Stadt „rein rechtlich [auf einer] Nichtpartizipation an der politischen Meinungsbildung“5 beruhte, die im Eid der Stadtschreiber ihren Ausdruck fand, war ihre Nichtpartizipation durch ihre Funktionen als Produzenten, Rezipienten und Archivare von großen Teilen des städtischen Schriftguts rein praktisch nur sehr indirekt gegeben.6 Ihr mit dem ständigen Umgang mit Informationen einhergehender hoher Informationsstand und Wissensstand verlieh ihnen eine wichtige Position zwischen der Innen- und der Außenpolitik der Stadt, in der sie beschäftigt waren.7 Nicht nur in den betrachteten Städten lief nahezu die gesamte Kommunikation über die (Stadt-)Schreiber und ihre Mitarbeiter, die bei jeder Sitzung der Räte und außenpolitischen Gremien anwesend waren. Sie hatten überdies das Recht, eingehende Briefe als erste zu öffnen und deren Inhalte den Führungsgremien auf der darauf folgenden Sitzung mitzuteilen. Auch die von den Räten ausgeschickten und noch vorzustellenden Kundschafter legten ihre Berichte dem Stadtschreiber und deren Mitarbeitern vor oder teilten ihnen ihre Informationen zunächst mündlich mit, die sie daraufhin verdichteten und den Räten Zusammenfassungen übermittelten. Daher können die Stadtschreiber als die am besten informierten Amtsträger und wichtigsten Informationsverwaltungsorgane der Stadt angesehen werden. Die Aufträge, die die Räte an sie stellten, bezeugen ihre weitreichenden Partizipationsrechte in politischen Fragen. Das machte sie neben den behandelten Wissensträgern zu einer wichtigen funktionalen Elite, wodurch sie für die städtischen Entscheidungsträger geradezu unentbehrlich wurden. Hinzu gesellten sich ihre mitunter sehr langen Amtszeiten. Durch diese stellten sie für die Führungsgremien eine Kontinuität dar, und galten daher als maßgebliche Referenz- und Informationsstellen. Zugleich ist ein weiterer wichtiger Aspekt zu betonen, der von ihrer Schreibtätigkeit herrührte: Da über sie und ihre Mitarbeiter große Teile der InformationsÁüsse der Stadt liefen, waren sie im Hinblick auf Vertrauensstiftung und -etablierung zu vertrauten und fremden Mächten die maßgeblichen ausführenden Organe der Stadt. Durch das große Vertrauen, dass die politischen Führungsgremien in sie
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Zum Folgenden vgl. Jucker, Gesandte, S. 112; allgemein zu den städtischen Ämtern vgl. Groebner, Gefährliche Geschenke, S. 95–119. Bei alldem muss bedacht werden, dass sie stets der Kontrolle der Räte ausgesetzt waren. Wie die Beispiele des Berner Stadtschreibers Fricker und seines Basler Kollegen Rüsch zeigen, wurde ihnen rein rechtlich gesehen erst nach ihrem Rückzug von dem Stadtschreiberamt eine direkte Partizipation an der Herrschaft, beispielsweise als Rat (Rüsch und Fricker) oder als Oberzunftmeister (Rüsch) gestattet. Der Eid des Berner Stadtschreibers Thüring Fricker im StABe Alt Polizey, Eyd und Spruchbuch, fol. 159r; zu ihrer politischen Partipation vgl. Jucker Gesandte, S. 125 ff. Jucker, Gesandte, S. 110–131. Dieser sieht die „Stadtschreiber [als] die kommunikativen und kontinuitätsfördernden Scharnierstellen zwischen den verschiedenen Gremien“ an (ebd., S. 128).
1. Institutionelle Voraussetzungen
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setzten, Briefe und Urkunden in der richtigen Form, in der entsprechenden Sprache mit dem richtigen Vokabular und Inhalt zu verfassen, hatten sie einen wichtigen Anteil am Prozess der Vertrauensbildung.8 Hilfreich waren dabei ihr Wissen um das adäquate und korrekte wie, das den Inhalt bestimmende was und das immer wieder auftauchende und die tatsächliche Absendung betreffende wann. Die Frage, woher die Stadtschreiber ihr theoretisches und praktisches Wissen hatten und welche Bildungshintergründesie besaßen, lässt sich nicht leicht beantworten.9 Der Grund dafür liegt vor allem in der Quellenlage in den untersuchten Städten, die auf zum Teil sehr unterschiedliche Verfahrensweisen hindeutet.10 Neben der universitären Ausbildung, die nicht nur in den Städten, sondern auch in den landesherrlichen Kanzleien im Verlauf des 15. Jahrhunderts immer wichtiger wurde, kann man beispielsweise in Bern seit dem frühen 14. Jahrhundert eine praktische Ausbildung in der Kanzlei nachweisen.11 Ein solches „praxisorientiertes Volontariat“12 sollte die späteren Schreiber mit Abläufen, Praktiken und der Arbeitsweise in einer Kanzlei vertraut machen.13 So war Bern wahrscheinlich eine wichtige Ausbildungsstätte innerhalb der Eidgenossenschaft und ihrer näheren Umgebung.14 Im Vorfeld des Volontariats stand häuÀg der Besuch der örtlichen Schulen. Während in Bern oder Straßburg der Besuch einer Lateinschule gängige Praxis war, besuchten die späteren Basler Stadtschreiber meist kirchliche Einrichtungen.15 Erst danach entschieden sie sich entweder für die oben genannte Ausbildung in einer Kanzlei oder für ein Universitätsstudium. Doch darf bei alldem nicht außer Acht gelassen werden, dass die Familien der Stadtschreiber genügend Wohlstand besessen haben müssen, ohne den sie ihren Söhnen eine Ausbildung in diesem Rahmen nicht hätten angedeihen lassen können.16 Weiterhin war es ein erhöhtes Maß an Mobilität, das die Stadtschreiber charakterisierte und von ihnen abverlangt wurde.17 Vor allem der Besuch von Universitäten bot aber auch gleichzeitig erweiterte Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme mit Kommilitonen, die später ebenfalls – sei es in anderen Städten oder an Fürstenhöfen – als Schreiber, Juristen oder gelehrte Räte tätig waren. Auf diese Kontaktnetze konnten sie und damit ihre Führungsgremien später gezielt zurückgreifen. So war
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Vgl. Jucker, Vertrauen; ders. Trust. Vgl. Jucker, Gesandte, S. 119–124. Dazu vgl. Zahnd, Studium und Kanzlei; Jucker, Bildungswege; zu ganz ähnlichen Problemen für die Syndici von Barcelona kommt auch Péquignot, Gracieuses Paroles. 11 Vgl. dazu Schwinges, Wirkung; Hesse, Amtsträger der Fürsten, S. 356–379. 12 Zahnd, Studium und Kanzlei, S. 466; vgl. auch Jucker, Bildungswege, S. 47. 13 Jucker, Bildungswege, S. 45–52. 14 Jucker, Gesandte, S. 118 f. 15 Zu Schulen im mittelalterlichen Bern, vgl. Immenhauser, Schulen; für das Elsass lässt sich eine große Bedeutung der Lateinschule in Schlettstadt ausmachen, auf der nachweislich der Autor des „Narrenschiffs“, Sebastian Brant, die Schulbank drückte, dazu vgl. Rapp, Lateinschule; ders., Strasbourgeois. 16 Jucker, Gesandte, S. 126 f. 17 Ebd., S. 122 f.
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C. Informationsverwaltung: Die städtischen Kanzleien
es ihnen möglich, an Informationen zu gelangen, die man sonst nur schwer erhalten hätte. Mit Sicherheit wurden diese Kontakte intensiver genutzt, als es die erhaltenen Quellenbestände erahnen lassen. Die besondere Bedeutung der Stadtschreiber zeigt sich daran, dass alle untersuchten Amtsträger während der Burgunderkriege und danach als Chronisten tätig wurden. Das verwundert nicht, verfügten sie doch über einen leichten Zugang zu Informationen und Wissen, worauf sie für ihre chronikalischen Tätigkeiten gezielt zugreifen konnten.18 2. AKTEURE IN BERN UND BASEL 2.1. Bern: Stadtschreiber Thüring Fricker (1429–1519) In Bern amtierten mit Niklaus Fricker und seinem Sohn Thüring im Untersuchungszeitraum insgesamt zwei Stadtschreiber.19 Diese stammten aus einer angesehenen Schreiber- und Notarenfamilie. Bereits der Großvater von Niklaus lässt sich 1360 bis 1378 als Stadtschreiber in Luzern belegen.20 Niklaus selbst führte den Titel eines kaiserlichen Notars und war in den 1420er Jahren zunächst als Privatschreiber des Basler Chorherren Niklaus Sinner beschäftigt gewesen, bis er sich in den 1430er Jahren zurück in seine Heimatstadt Brugg begab.21 Dort arbeitete er bis zu seiner Wahl zum Schultheißen im Jahr 1448 als Schulmeister und Stadtschreiber.22 Daneben war er Hofmeister des Frauenstifts Königsfelden im Aargau, das sich seit 1415 im EinÁussgebiet Berns befand. In seiner Funktion als Schultheiß von Brugg konnte er in engeren politischen Kontakt zur Berner Führungsgruppe treten. Das führte wahrscheinlich auch dazu, dass er in den Jahren 1458 bis 1460 dort das erste Mal Stadtschreiber wurde. Ein weiterer wichtiger Grund, warum die Wahl der Berner Räte möglicherweise auf ihn Àel, war seine Funktion als kaiserlicher Notar23: Da das Berner Territorium zwischen den Bistümern Lausanne und Konstanz lag, wäre eine Person mit einem von einem der beiden Bischöfe approbierten Notariat hinderlich gewesen.24 Ab 1460 bekleidete Niklaus abermals das Schultheißenamt in
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Siehe die Zusammenfassung. Es gibt bis heute noch keine überregionale Studie zu dem Amt der Stadtschreiber der Eidgenossenschaft im Spätmittelalter. Ausnahmen bilden der Artikel von Zahnd, Studium und Kanzlei und die vorwiegend auf Zahnd basierenden Ausführungen von Jucker, Gesandte, S. 112–128 sowie ders., Bildungswege. Gute Ansätze Ànden sich auch bei Rennefahrt, Urkundenwesen; Elsener, Notare. Zu Stadtschreibern allgemein vgl. Burger, Stadtschreiber. Vgl. Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 197. Johann Fricker starb im Jahr 1384. Sieber, Universität Basel, S. 94. Niklaus Fricker wird als „clericus imperiali auctoritate notarius juratus“ bezeichnet, zit. nach Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 197; zu Niklaus Fricker allgemein vgl. Zahnd, Bildungsverhälntisse, S. 197 f.; Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 84 f. Trusen, Anfänge, S. 84 f. Zahnd, Studium und Kanzlei, S. 468. Dieser gibt an, dass seit 1366 nur noch kaiserliche Notare in der Aarestadt beschäftigt waren.
2. Akteure in Bern und Basel
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Brugg, um von 1465 bis 1470 gemeinsam mit seinem Sohn Thüring wieder der Berner Kanzlei vorzustehen.25 Der wohl wichtigste Grund, warum die Berner Räte Niklaus und Thüring Fricker 1465 das zweite Mal auf den Posten der Stadtschreiber beriefen, lag sicher neben den engen politischen Beziehungen zwischen Bern und Brugg und ihrer fachlichen QualiÀkation bei Niklaus in seinen persönlichen Kontakten zu einzelnen Familien der Berner Führungsgruppe. So trat er neben dem damaligen Berner Schultheißen als Vermittler in der 1446 geschlossenen Ehe zwischen dem bereits vorgestellten Nikolaus von Diesbach und der Aargauerin Änneli von Rüsseck auf.26 Dass Fricker gemeinsam mit seinem Sohn genau in dem Jahr nach Bern zurückkehrte, in dem Diesbach das erste Mal zum Schultheißen der Aarestadt gewählt wurde, ist so wahrscheinlich kein Zufall. Für seine hohe Reputation sprechen die Zugehörigkeit in der überwiegend aus adligen Mitgliedern zusammengesetzten „Gesellschaft zu Mittellöwen“ und seine Mitgliedschaft im Großen Rat der Stadt. Doch spielte er, abgesehen von einigen diplomatischen Missionen in das Berner Territorium und in seine Heimatstadt Brugg, keine große Rolle in der städtischen Außenpolitik.27 Anders verhält es sich mit seinem Sohn Thüring, der um 1440 in Brugg geboren wurde und zwischen 1456 bis 1460 an der Universität Heidelberg ein Studium absolvierte.28 Ab 1460 immatrikulierte er sich dann an den Universitäten Freiburg, Basel und Pavia für ein Studium des Kanonischen Rechts. Von 1466 an lässt sich Thüring gemeinsam mit seinem Vater an der Spitze der Berner Kanzlei belegen, um nach dem Rücktritt seines Vaters 1470 bis 1492 als alleiniger Stadtschreiber von Bern zu amtieren. In diesen zwei Jahrzehnten war er eine der wichtigsten Personen in der Berner Innen- und Außenpolitik.29 Gerade das durch sein Rechtsstudium erworbene Fachwissen machte ihn für die Wahrnehmung von diplomatischen Aufgaben im Auftrag des Berner Rats in dieser Zeit unentbehrlich. Hinzu gesellten sich seine Sprachkenntnisse, denn er war der französischen, italienischen und der lateinischen Sprache mächtig.
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Dazu vgl. auch Jucker, Gesandte, S. 127. In der Beschreibung der Vorbereitung zu dieser Hochzeit wird angegeben, dass ein gewisser „Frickard von Brugg“, zweifellos Niklaus Fricker, ein Treffen in ZoÀngen arrangiert habe, wo man über die Modalitäten der Ehe diskutierte hätte, vgl. N. N., Hochzeitsfeyer Dießbach. 27 Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 197. 28 Zu Thüring Fricker vgl. Schmid, Fricker; Jucker, Gesandte, S. 116 f.; ders., Bildungswege; Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 197–201; Esch, Alltag, S. 24 f. Zahnd, Studium und Kanzlei, S. 198. Über das eigentliche Geburtsjahr Frickers herrscht in der Forschung Uneinigkeit. Während früher davon ausgegangen wurde, er sei zwischen 1420 und 1429 geboren, geht man heute im Hinblick auf den Beginn seines Studiums und dem in dieser Zeit üblichen Alter von 14–16 Jahren für einen Eintritt in die Universität davon aus, dass er wahrscheinlich um das Jahr 1440 geboren sein muss, vgl. Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 85, Anm. 421. 29 Vgl. Jucker, Gesandte, S. 111: „Das Stadtschreiberamt war die wichtigste Stelle im Hinblick auf Schriftproduktion, -gebrauch und -aufbewahrung; es war Schalt- und Schnittstelle des schriftlichen und mündlichen KommunikationsÁuss“.
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C. Informationsverwaltung: Die städtischen Kanzleien
1473 begab er sich während einer Gesandtschaft nach Oberitalien an die Universität Pavia, wo er dank eines Empfehlungsschreibens, das die Eidgenossen an den Herzog von Mailand gerichtet hatten, zum „Doctor in decretis“ promoviert wurde.30 Durch diese Promotion war er der einzige Berner und zugleich der einzige Stadtschreiber in der spätmittelalterlichen Eidgenossenschaft, der diesen Grad vorweisen konnte.31 Ein Stadtschreiber mit Doktortitel war gerade in dem an einer Außenpolitik mit den umliegenden Mächten zwingend interessierten Bern von Bedeutung, da nahezu alle Herrschaftshäuser in der betrachteten Zeit bei der Zusammensetzung ihrer Gesandtschaften auf promovierte Juristen und gelehrte Räte zurückgriffen.32 So wird verständlich, warum sich 1473 die gesamte Eidgenossenschaft beim Herzog von Mailand für Fricker einsetzte: Man erkannte den Nutzen eines Juristen, dessen symbolisches Kapital, vor allem aber sein Wissen und seine Kenntnisse, bei den in jenen Jahren intensiven diplomatischen Verhandlungen große Vorteile und Sicherheit boten. Auf diese Weise war man in der Lage, auf dem Gebiet der Bildung „auf Augenhöhe“ mit den auswärtigen Mächten zu verhandeln. Überdies legt der Einsatz der Eidgenossen ein interessantes Zeugnis von der Bedeutung Berns im vorliegenden Zeitraum ab und zeigt die Wertschätzung, die man Fricker entgegenbrachte, sowie das Vertrauen, das man in ihn auch außerhalb Berns setzte. Seine herausgehobene Rolle wurde auch von auswärtigen Potentaten wahrgenommen. Das beweist die Pensionsliste des französischen Königs aus dem Jahr 1475, auf der für Fricker mit 150 Franken mehr Geld als für die Berner Venner und den Säckelmeister ausgewiesen sind.33 Als Stadtschreiber war Thüring Fricker nahezu auf jeder Sitzung des Berner Führungsgremiums dabei, begleitete den Kommunikations- und InformationsÁuss der Stadt auf jedem Schritt und war so einer der bestinformierten Herrschaftsträger. Als Vorsteher der Kanzlei erhielt er die an die Stadt gerichteten Briefe meist als erster, öffnete diese und reichte sie an den Kleinen Rat beziehungsweise einzelne Ratsherren weiter.34 Diese diskutierten in seinem Beisein auf der Ratssitzung darauf das weitere Vorgehen, um dann einen Auftrag an Fricker und seine Mitarbeiter 30 31
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Zahnd, Studium und Kanzlei, S. 453; ders., Bildungsverhältnisse, S. 198; Jucker, Bildungswege; Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 89. Von seinem daraus erwachsenen Selbstbewusstsein zeugt die Tatsache, dass er sich selbst bzw. auch die Berner Führung in Briefen an ihn, ab den 1480er Jahren nicht mehr als Schreiber oder Stadtschreiber, sondern als „gnädiger cantzler“ bezeichnete, vgl. dazu Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 199; ders., Studium und Kanzlei, S. 462; Jucker, Bildungswege; Studer- Immenhauser, Verwaltung, S. 89. Dass dies auch zu Missgunst führen konnte, belegt die folgende über einer Briefkopie aus dem Jahr 1481 stehende Notiz, deren Verfasser jedoch nicht bekannt ist: Thüring Fricker, „ungeachtet der allten Einfaltikeit nempt sich einen cantzler“, zit. nach Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 200; ders., Studium und Kanzlei, S. 471, Anm. 106; Jucker, Bildungswege. Dazu Ehm, Burgund, S. 246–253 sowie die zahlreichen Arbeiten, die aus dem „Repertorium Academicum Germanicum“ unter der Leitung von Rainer Christoph Schwinges hervorgegangen sind. Vgl. auch Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 200. Vgl. den Eid des Stadtschreibers aus dem Jahr 1481, StABe Altes Eyd- und Spruchbuch, fol. 159r.
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zu richten. Ein solcher konnte beispielsweise ein Antwortschreiben, eine Instruktion oder ein Kredenzbrief sein, die der Stadtschreiber dann entwarf und den versammelten Ratsherren zur Besprechung vorlegte, die so erweiterte Möglichkeiten zur BeeinÁussung der Inhalte wahren konnten.35 Abermals war es der Stadtschreiber, der die Entwürfe noch in der Sitzung mit Notizen über die geforderten Änderungen versah und daraufhin einem seiner Mitarbeiter übergab, der das jeweilige Dokument in Reinschrift ausfertigte und ihm zur letzten Kontrolle vorlegte. Dieser siegelte es im Auftrag der Stadtoberen und übergab es den städtischen Boten zur Übermittlung an den beziehungsweise die jeweiligen Empfänger. Diesem idealtypischen Ablauf muss man einschränkend hinzufügen, dass er ausschließlich aus denjenigen Dokumenten rekonstruiert werden kann, die die Berner Räte für besonders wichtig erachteten und folglich archivierten. Das Verfassen des Großteils der Korrespondenz oblag ihm und der Kanzlei in Eigenregie, woran das große Vertrauen deutlich wird, das die Führung in ihn und seine Mitarbeiter setzte. Dieses Vertrauen schlägt sich auch in seinem Ansehen innerhalb der Stadt nieder; so war er 1476 Mitglied der noch vorzustellenden „Stube zum Narren und Distelzwang“.36 Wie noch gezeigt wird, sind einige Briefe des Berner Rats erhalten, die nicht wie sonst üblich in der Kanzlei, sondern explizit „zśm Distelzwang“ abgefasst wurden.37 Gerade im Zuge des Twingherrenstreits, in dessen Verlauf sich zahlreiche Familien aus Protest für kurze Zeit aus der Politik zurückgezogen und die Stadt verlassen hatten, war die Stube anscheinend ein ZuÁuchtsort. Verfasser der Briefe war Fricker, der das Vertrauen der Stubengenossen besaß und ihnen auf diese Weise trotz der Schwierigkeiten ermöglichte, Kontakte aufrechtzuerhalten und die eingeschlagene Politik fortzusetzen. Somit ist es auch dem Berner Stadtschreiber zu verdanken, dass die protestierenden Räte mit ihrer zeitweiligen Abwesenheit aus Bern erfolgreich waren. Mit ihm konnten sie ihre Kontakte zu Führungsgruppen von befreundeten Städten und Herrschaftsträgern aufrechterhalten.38 Letztlich führte das zu deren Intervention und Vermittlungstätigkeit, wodurch der Streit am Ende im Sinne der Twingherren entschieden wurde. Zu einzelnen Ratsherren stand Fricker in einem engen persönlichen Verhältnis. Bei der Familie von Diesbach und ihrem wichtigsten Vertreter Nikolaus bestanden diese Bindungen wahrscheinlich seit langem. Dementsprechend war es auch der juristisch geschulte Fricker, der gemeinsam mit Diesbach vor dem Feldzug nach Blamont im April 1475 dessen Testament aufsetzte, und als dieser unerwarteter Weise im August 1475 tatsächlich starb, darin unter dessen „sundern lieben swägern vnd fründen“ direkt nach dem damaligen Berner Schultheißen Scharnachtal
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Zu Instruktionen und Kredenzschreiben vgl. Jucker, Gesandte, S. 85–106. Teilweise wurden die Briefe auch unmittelbar in den Ratsitzungen geschrieben. So gibt Fricker im Ratsmanual zum 25. Oktober 1474 Folgendes an: „Es ist ouch gevertiget vor minen herren der brieff zś dem kung“ (StABe, RM 15, fol. 115). Zur Berner „Stube zum Narren und Distelzwang“ siehe Kapitel D 3. Zu diesen alternativen Abfassungsorten von Briefen siehe Kapitel D 1. Zur politischen Strategie von „Präsenz und Kompetenz“ vgl. Schmid, Reden, S. 181–198.
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genannt wird und einen „silbern becher“ erhielt.39 Auf dem politischen Feld arbeiteten die beiden ebenso eng zusammen: Als auch Diesbach im Verlauf des Twingherrenstreits die Stadt verließ, begab sich Fricker in dessen Privathaus, um mit ihm zusammen Briefe an den französischen König, Basel oder Mülhausen zu verfassen.40 Einen Hinweis darauf bieten abermals die Missivenbücher. In diesen ist unter einigen Briefen vermerkt, sie seien von Fricker explizit im Auftrag Diesbachs „in domo sua“ verfasst worden.41 Der Kleinrat konnte so sichergehen, dass die von ihm verfolgte antiburgundische Politik auch während seiner Abwesenheit fortgesetzt und er von Fricker unterstützt wurde. Im Vergleich zu den Stadtschreibern (und Wissensträgern) in den anderen betrachteten Städten lässt sich bei Thüring Fricker in jeder Hinsicht das höchste Maß an Professionalisierung ausmachen. Dieser Grad an Professionalisierung ist auch der Grund dafür, warum die an einem Zusammenschluss interessierten beziehungsweise noch zu überzeugenden Herrschaftsträger auf den juristisch versierten Fricker zwingend angewiesen waren. Teils allein, teils mit anderen Berner Gesandten, nahm er an den wichtigsten Treffen der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition teil und unterstützte diese mit seinem theoretischen wie praktischen Wissen in Rechtsfragen und Diplomatie. Die von ihm eingeführten Stadtschreiberrodel erlauben einen Einblick in die von ihm geleisteten Aufgaben und lassen es ähnlich wie die Basler Wochenausgabebücher einerseits zu, die Ziele seiner Missionen herauszuÀnden. Andererseits wurden in ihnen auch die Reisedauer, die entstandenen Kosten für Essen und Pferde sowie ansatzweise die Gründe für die Missionen aufgeführt. Fricker nahm eine zentrale Rolle in dem gegen Karl den Kühnen gerichteten Prozess ein. Seinen Niederschlag Àndet das in zahlreichen Gesandtschaften, die er im Untersuchungszeitraum nach Basel, Luzern und Konstanz unternahm, wo die wichtigsten Versammlungen der Gegner Burgunds stattfanden.42 Die in der Literatur häuÀg anzutreffende Zahl von 87 Missionen, die er als Stadtschreiber (1465– 1492) auf eidgenössische Tagsatzungen führte, bedarf einer Relativierung.43 Denn zählt man allein die Tage zusammen, die er im Untersuchungszeitraum auf Gesandtschaften außerhalb Berns verbrachte, erhält man eine Summe von insgesamt ca. 630 Tagen bei 81 Gesandtschaften. Damit war er annähernd zwei Jahre im Auftrag der Berner Führung unterwegs, die er ihr mit insgesamt 312 Gulden für sich beziehungsweise 38 Gulden für Kosten für Pferdefutter und Stallmiete in Rechnung stellte. Die Ausgaben und Dauer für die einzelnen Gesandtschaften konnten dabei differieren: Während er durchschnittlich pro Tag 20 Schilling für sich und 2 Schil39 40
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Das Testament von Nikolaus von Diesbach Àndet sich im StABe Testamentbuch I, fol. 190. An Ludwig XI.: StABe Lt. Miss. A, fol. 90 (1. Mai 1470) Darüber ist angegeben, er sei „von mins herrn Diespach wegen“ geschrieben worden; an Basel: StABe Dt. Miss. A, fol. 747 (7. Juli 1470). Dazu vgl. die Briefe im Auftrag von Nikolaus von Diesbach, die er Ende April 1470 an Mülhausen (StABe Dt. Miss. A, fol. 718 f.) oder PÀngsten 1470 „an alle Eidgenossen von des tags zuo Basell wegen“ (StABe Dt. Miss. A, fol. 750 f.) geschrieben wurden. Insgesamt hielt sich Fricker für 92 Tage in Basel auf. Dazu vgl. Jucker, Gesandte, S. 110–131.
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ling für ein Pferd erhielt, wenn er im Berner Territorium unterwegs war, konnten die Ausgaben außerhalb desselben um ein Vielfaches höher ausfallen. Reiste er beispielsweise ins österreichische Feldkirch, bedingte schon die Entfernung des Zielorts einen längeren Aufenthalt und damit höhere Kosten, zu denen sich Gebühren für Schiffsfahrten für sich und die Pferde sowie Geleitszahlungen gesellen konnten. War der Anlass der Gesandtschaft beispielsweise der Besuch des Kaisers in Basel, kamen zu den Preisen für Unterkünfte mögliche Zahlungen von Schmiergeldern an Kontaktpersonen hinzu.44 Des Weiteren schlugen Ausstellungen von kaiserlichen Privilegien genauso zu Buche wie die Bezahlung von Boten und Papier, um in Kontakt mit der Heimat treten zu können. Aber auch die Dauer der Gesandtschaften Frickers pro (Halb-)Jahr differierte zum Teil stark, und es lassen sich eindeutige Schwerpunkte ausmachen: Während er sich 1468 insgesamt 74 Tage (63 im 1. und 11 im 2. Halbjahr) auf Missionen aufhielt, war er in den Jahren 1469 54 (26/28) Tage, 1470 77 (34/43) Tage, 1471 42 (17/25) Tage und 1472 79 Tage (25/54) unterwegs. 1473 lassen sich für ihn in diesem Jahr annähernd 180 (ca. 130/52) Tage in den Rechnungen belegen, womit er zusammengerechnet ein halbes Jahr unterwegs war. In diesem Jahr schlug er zudem ein Geldgeschenk des Kleinen Rates aus, um sich dafür lebenslang von allen Steuern, Reisekosten und anderen Lasten befreien zu lassen.45 Diese Vereinbarung war weitsichtig, führt man sich seine zahlreichen diplomatischen Missionen ins In- und Ausland vor Augen. Doch auch 1474 gönnte er sich mit insgesamt 82 (30/52) Tagen keine Ruhe. Dass er in den Jahren 1473 und 1474 am häuÀgsten unterwegs war, korrespondiert mit der Bedeutung dieser Jahre im Zusammenschluss der oberrheinischen Reichsstädte und der Eidgenossen. Aber auch, wenn es im Kriegsjahr 1475 mit 39 (8/31) Tagen etwas ruhiger für ihn wurde, lag das in seinem hohen Professionalisierungsgrad. Schließlich benötigte man ihn vor allem während des Kriegs gegen den Herzog von Burgund dringend innerhalb der Stadt. Hier kamen ihm zentrale Aufgaben bei der Bewältigung der großen Mengen an Schriftgut sowie bei der Informationsverwaltung und -distribution zu, und man war auf sein Expertenwissen bei der Schaffung von politischen Wissensbeständen, deren gezielten Bereitstellung und bei der Entwicklung von politischen Handlungsoptionen angewiesen. Anhand seiner wichtigsten Missionen sollen nun charakteristische Handlungsfelder und Verfahrensweisen deutlich gemacht werden. Begonnen werden soll mit seiner längsten Gesandtschaft im Untersuchungszeitraum, die ihn für rund vier Monate nach Italien führte. Wenngleich sie zumindest in Teilen innenpolitischen Themen geschuldet war, lassen sich an ihr zahlreiche wichtige, vor allem außenpolitische Fragen betreffende Beobachtungen festmachen, die nicht für Fricker, sondern für alle untersuchten Wissensträger von Bedeutung sind. Wie bei den anderen Wissensträgern waren auch Frickers Reiseziele abhängig von den politischen Themen, die dort verhandelt wurden. Ein erster eindeutiger geographischer und thematischer Schwerpunkt seiner Gesandtschaften ergibt sich aus seinem juristischen Spezialwissen. So erscheint es beispielsweise verständlich, 44 45
Zur Bedeutung von Kontaktpersonen für die Gesandten siehe Kapitel B 4.2. Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 198.
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dass sowohl der Bischofssitz Lausanne und das in demselben Bistum gelegene Kloster Interlaken häuÀge Ziele seiner Missionen waren.46 Auch die lange Reise nach Italien von Januar bis Mai 1473 hing mit Interlaken und Lausanne zusammen, ließ ihn für insgesamt dreieinhalb Monate in Italien verweilen und gemeinsam mit dem Berner Wissensträger Nikolaus von Diesbach im Auftrag der Eidgenossen Ende Januar 1473 zunächst nach Mailand reisen.47 Dort führten sie Mitte Februar erfolgreich Gespräche über die politische Haltung des Herzogs in dem KonÁikt der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition mit Burgund und Österreich.48 Während Diesbach danach zurück nach Bern reiste, begab sich Fricker nach Pavia.49 Vor seiner Abreise hatten die Eidgenossen, die im Januar in Zug versammelt waren, den erwähnten Brief an den mailändischen Herzog geschrieben. In diesem hatten sie ihn gebeten, Fricker, der in Italien weilte, in Pavia sein Doktorexamen im Kirchenrecht möglichst unkompliziert ablegen zu lassen.50 Der Herzog entsprach ihrer Bitte und leitete ihre Anfrage an seinen Kanzler weiter, der daraufhin die juristische Fakultät von Pavia am 11. Februar 1473 aufforderte, dem Wunsch der Eidgenossen stattzugeben.51 In Pavia traf sich Fricker auch mit seinem späteren Briefpartner Albrecht von Bonstetten, der dort seit 1471 auf Empfehlung der Eidgenossen studierte. Nach erfolgreicher Beendigung seines Examens machte er sich auf den Weg zu Papst Sixtus IV. nach Rom, dem zweiten Schwerpunkt seiner Mission. Dort bemühte er sich um Vermittlung im Streit zwischen seinen Arbeitgebern und dem Kloster Interlaken.52 Anfang Februar 1473 schrieben die Berner Räte ihrem Stadt46
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Insgesamt begab sich Fricker zwischen 1468 und 1475 elf Mal für 74 Tage nach Lausanne sowie vier Mal für zwölf Tage nach Interlaken. Diese Angaben folgen aus den von mir angestellten Auszählungen der Einträge in den Stadtschreiberschuldrodeln des Zeitraums zwischen 1468 und 1475. Dieses Datum ergibt sich aus dem Folgenden in den Berner Ratsmanualen stehenden Eintrag: „An die von Friburg, [dass] der von Diespach sy von gemeyner eidgnossen wegen gen Meylant geritten […]“ sei, StABe RM 11, fol. 189 vom 20. Januar 1473. Vgl. dazu Bittmann, Ludwig XI., S. 459. Eine am 13. Februar geschriebene Zusammenfassung der Gespräche mit dem Mailänder Herzog Àndet sich in BAB, Carteggio Estero, 16, fol. 11–14. Diesbach konnte Ende Februar nach seiner Rückkehr den in Luzern versammelten Eidgenossen mitteilen, dass der Herzog sich in diesem KonÁikt neutral verhalte, vgl. Segesser, Abschiede Nr. 697g, S. 440, Versammlung in Luzern vom 24. Februar 1473. Zahnd, Studium und Kanzlei, S. 453. Der Mailänder Kanzler begründete dies, weil „[…] is dominus Thuringus approbetur pro ideneo ac sufÀciente doctore“, vgl. Motta, Studenti Svizzeri, S. 12 u. S. 152; Zahnd, Studium und Kanzlei, S. 453. Dieses war im gesamten 15. Jahrhundert Gegenstand von KonÁikten, da die Berner Räte versucht hatten, die Schirmherrschaft über die Propstei durchzusetzen. Obgleich man diese bereits seit 1415 durch ein Privileg Kaiser Sigismunds innehatte, kam es erst 1472 zu einer endgültigen Anerkennung ihrer Ansprüche. Der Streit um Interlaken ist in Zusammenhang mit den im 15. Jahrhundert stärker einsetzenden Bemühungen des Berner Rats um herrschaftliche Durchdringung des Territoriums zu sehen. Unmittelbare Folgen für Interlaken waren ein stetig abnehmender EinÁuss und eine abnehmende Zahl an Chorherren und -frauen, womit eine immer stärkere Verweltlichung des Klosterlebens einhergegangen war. Deutlich wird das an einer Visitation Interlakens durch den Bischof von Lausanne, die im gleichen Jahr durchgeführt wurde
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schreiber in Pavia einen Brief.53 In diesem Schreiben befahlen sie ihm, sich beim Papst in Rom in der Interlakener Angelegenheit unbedingt für ihre Interessen einzusetzen. Um ihrem Wunsch Nachdruck zu verleihen, berichteten sie ihm vom Besuch des Interlakener Propstes in Bern, der vor dem Rat der Stadt seinen Unmut über einen 1472 getroffenen Beschluss ausgedrückt und gedroht habe, ebenfalls einen Rechtsvertreter zur Wahrung seiner Interessen nach Rom zu senden. Falls nun tatsächlich dessen Vertreter in Rom erscheinen würden, möge Fricker die Berner Interessen mit Nachdruck vertreten. Um ihn mit prozessrelevanten Dokumenten und Neuigkeiten zu versorgen, sandte man ihm den Abschied, den man mit dem Propst getroffen hatte, sowie zahlreiche weitere Briefe als Kopien nach. Daran wird deutlich, dass der Kontakt zwischen ihm und dem Rat auch über weite Entfernungen nicht abbrach.54 Das belegt auch ein Schreiben, das ihm die Räte Anfang März 1473 schickten.55 Dieses nahmen sie zum Anlass, um dem mittlerweile promovierten Fricker zu seinem Examen zu gratulieren und ihn darüber hinaus über neuere Entwicklungen im Streit mit Interlaken zu informieren.56 Demnach hätten sie zahlreiche Versuche unternommen, den Propst zum Einlenken zu bewegen, doch lasse er wie auch das Kapitel nicht von ihren „widerwertikeiten“ ab. Da auch eine Versammlung der Eidgenossen, die nach Luzern einberufen worden sei, keinen Erfolg gebracht habe, befahlen sie Fricker um Wahrung ihrer Interessen beim Papst. Wenngleich sich über den Inhalt der in Rom geführten Verhandlungen nichts sagen lässt, scheinen sie im Berner Interesse beendet worden zu sein.57 Auf der Rückreise legte Fricker am 22. April 1473 einen Halt in Como ein, war Anfang Mai wieder in Bern und teilte den
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und Mängel an der Disziplin feststellte. Die Visitation war in erster Linie einem Streit zwischen dem Frauen- und dem Männerkonvent geschuldet. Im Zuge dessen war es zunächst zu einer Einigung zwischen den zerstrittenen Parteien gekommen, bei der Fricker als Schiedsrichter amtiert hatte, vgl. StABe SR 2, fol. 2. In der Folgezeit zeigten Propst und Kapitel kein Interesse, den Vereinbarungen nachzukommen, was die Berner Räte dazu veranlasste, Fricker im März 1472 abermals zur Vermittlung zu schicken, vgl. StABe SR 2, fol. 3. Da auch dieser Versuch erfolglos blieb, entschloss man sich Anfang 1473 zu Frickers Entsendung nach Rom, StABe RM 11, fol. 186. Zur Propstei Interlaken allgemein vgl. Studer-Immenhauser, Interlaken; Tatarinoff, Propstei Interlaken. StABe Dt. Miss. C, fol- 33 f. In diesem Brief wird er noch mit „Meister Thuringen“ angeredet. In dem Brief wird gleichsam deutlich, dass der Rat ihm schon zuvor zahlreiche Schreiben geschickt hatte. Zu Schreiben der Führungsgremien an ihre Gesandten allgemein vgl. Jucker, Gesandte, S. 219 ff. StABe Dt. Miss. C, fol. 40 f. Im Konzept des Briefes hatte der Berner Unterschreiber Diebold Schilling wie sonst üblich Fricker mit „meister Thuring“ angeredet. Diese Formulierung ist jedoch durchgestrichen und „herr doctor“ darüber gesetzt. Laut dem Brief hätten die Berner Stadtoberen von Nikolaus von Diesbach „gruntlich verstanden, mit was grossen eren vnd wirden [gemeint ist Fricker, d. Verf.] begabet worden sei“. Darüber sei man in Bern „all gemeinlich von gśten hertzen erfröwet“. Man wünsche ihm daher „darzś als vns selbs von dem almechtigen gott vil glückes“, StABe Dt. Miss. C, fol. 40 f. Die beiden Konvente erfuhren kurze Zeit später Umstrukturierungsmaßnahmen: 1484 wurde der Frauenkonvent vollständig aufgelöst, der Propst gefangen und ein Teil der Chorherren durch solche aus anderen Konventen besetzt.
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Stadtoberen die Ergebnisse seiner Gesandtschaft mit. In Bern hielt er sich nur kurz auf und begab sich Anfang Mai zum Bischof von Lausanne, um diesen von seiner Mission zu informieren.58 Während von den Räten erwartet wurde, dass sie den größten Teil der Kosten für eine Gesandtschaft aus eigener Tasche bezahlten, kam die Stadt für die Gesandtschaften ihres Stadtschreibers Fricker auf. Doch interessanterweise ist diese längste Gesandtschaft dort mit keinem Wort erwähnt. Dass er sich für eine so lange Zeit in Italien aufhielt, wird nur aus der Zusammenschau von anderen Quellen deutlich, die zeitgleich entstanden. Da die Reise nach Rom explizit in Berns Auftrag erfolgte, verwundert das Schweigen der Schuldrodel. Führt man sich vor Augen, dass bereits Diesbach für seine nur eineinhalb Monate dauernde Mission bereits mehr als 100 Gulden forderte, erhält man einen Eindruck, was die fast vier Monate dauernde Reise Frickers gekostet haben muss.59 Neben Ausgaben für Pferde, wechselnde Unterkünfte und VerpÁegung sind Zölle, Gebühren für Schifffahrten und mögliche Geleitszahlungen ebenfalls einzurechnen. Weiterhin mussten Boten Ànanziert werden, um den InformationsÁuss mit Bern aufrechtzuerhalten sowie Papier und Pergament für Briefe, Urkunden oder andere Dokumente gekauft werden. Hinzu gesellten sich Kosten für Übersetzer, Kontaktpersonen und Schmiergelder. Dass die Wissensträger gerade im Ausland mit fremden Währungen umzugehen hatten, stellte sich als ein weiteres Problem dar. Ein Nachsenden von Geld, gerade ins Ausland, erscheint aber gleichermaßen unwahrscheinlich. Einen Hinweis darauf, mit welchen Ànanziellen Mitteln die Abgeordneten ihre Gesandtschaften bezahlten und woher diese stammten, bietet der angesprochene erste Brief der Berner Räte an ihren Stadtschreiber vom 5. Februar 1473.60 Darin erwähnten sie ein Schreiben, das sie an Vertreter der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft „vmb etlich gelt“ geschrieben hatten. Zu dieser Handelsgesellschaft unterhielten einzelne Berner Amtsträger (Geschäfts-)Beziehungen.61 Dass 58
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Dass Fricker vor dem 7. Mai 1473 nach Bern zurückgekehrt ist, belegt ein Eintrag im Stadtschreiberschuldrodel, der zum einen der erste von Fricker selbst geschriebene Eintrag nach seiner langen Anwesenheit ist. Zum anderen gibt Fricker an, er sei mit einem anderen Gesandten nach Lausanne geritten: „Geritten gon Loß in namen miner herren fritag, 7. May vnd vßgeweß 6 tag. Tśt der solld selb ander 5 lb, der rosßlon 16 ß“, StABe SR 2, fol. 30. Das belegt eine im Juni 1473 von Diesbach an die in Baden versammelten Eidgenossen gestellte Forderung, nach der er sie um mehr als die ihm bereits bezahlten 100 Gulden für seine Reise nach Mailand im Februar 1473 bat, vgl. Segesser, Abschiede Nr. 711 f, S. 450. StABe Dt. Miss. C, fol. 33 f. So war der damals amtierende Berner Säckelmeister Fränkli in seiner Jugendzeit zunächst in Ravensburg, später in Böhmen, Polen und Nürnberg zum Kaufmann ausgebildet worden und hatte als Vertreter der Handelsgesellschaft Geschäfte in Frankreich und Italien getätigt. Zu Fränkli vgl. Blösch, Hans Fränkli, S. 10–25; Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 124 f. Letzterer beruft sich dabei auf Fränklis Rede, die er im Twingherrenstreit gehalten haben soll, wiedergegeben bei Studer, Twingherrenstreit, S. 126–130 u. S. 185. Aber auch die Vorfahren Diesbachs hatten in den 1430/40er Jahren in Handelskontakt mit der Ravensburger Handelsgesellschaft gestanden, Ammann, Diesbach-Watt. Hier wird sogar angegeben, dass die große Ravensburger Handelsgesellschaft in den 1420er Jahren eine Niederlassung in Bern unterhielt. Dass diese Niederlassung von einem Mitglied der Familie Fränkli oder vielleicht sogar von
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diese neben ihrem eigentlichen Hauptgeschäft, dem Warenhandel, auch im Bankgeschäft operierte, könnte erklären, woher das Geld für den Berner Stadtschreiber kam.62 Und tatsächlich Àndet sich ein Brief von Bern an die Vorsteher der Handelsgesellschaft, der Mitte Januar 1473 kurz nach Frickers und Diesbachs Abreise verfasst wurde.63 Darin baten die Berner, ihnen einen Kredit bis zu eintausend Gulden in Rom zu gewähren, da ihr Stadtschreiber sich in ihrem Auftrag auf dem Weg zum Papst befände. Als Begründung dafür gaben sie an, dass sie es als „unkommlich“ erachten würden, ein derart hohe Summe „söllichen fernen Weg zu führen“64. Daran wird verständlich, warum gerade von dieser längsten Gesandtschaft Frickers nichts in den Stadtschreiberrodeln zu Ànden ist. Schließlich musste er nicht die Kosten, die ihm während seiner Missionen entstanden, vorstrecken, um sie erst bei der Halbjahresrechnung von der städtischen Führung zurückerstattet zu bekommen. In diesem Fall erhielt er das für die Mission wichtige Geld vor Ort. Später war es dann der Berner Rat, der den Kredit bei der Handelsgesellschaft tilgen musste. So wird deutlich, wie städtische Außenpolitik im Ausland Ànanziert wurde und wie hoch die Summen sein konnten, mit denen die Wissensträger umgehen mussten. Führt man sich vor Augen, dass Fricker für die Missionen, die er zwischen 1468 und 1475 ausführte, der Stadt lediglich 312 Gulden berechnete, bekommt die Kreditsumme eine zusätzliche Bedeutung65. Wenngleich ungewiss ist, ob und wofür der Stadtschreiber dieses Geld verwendete, erhält man einen Eindruck von den Kosten städtischer Außenpolitik. Für ihr Entgegenkommen zeigte sich Bern später gegenüber der Ravensburger Handelsgesellschaft erkenntlich. Diese Tatsache verdeutlicht ein Ende Januar 1474 von Bern an Karl den Kühnen geschriebener Brief, in dem die Aarestadt den burgundischen Herzog aufforderte, dass er der Handelsgesellschaft geraubte Waren zurückgeben sollte.66 Gleichlautende Forderungen und Verwendungsbriefe für Mitglieder der Gesellschaft gingen im Untersuchungszeitraum auch an den französischen König Ludwig XI.67 Auch hier kam der Reziprozität in Form von Leistung und Gegenleistung eine zentrale Rolle zu, da man genau wusste, dass man die Kauf-
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Fränkli selbst geleitet wurde, ist vorstellbar. Allgemein zur Ravensburger Handelsgesellschaft vgl. Schulte, Ravensburger Handelsgesellschaft; Heyd, Ravensburger Handelsgesellschaft; Widmann, Bodenseehanse. Heyd, Ravensburger Handelsgesellschaft, S. 26. Überschrieben mit „An die gemeinen Fürwäser der Großen Gesellschafft zu Ravenspurg“, als Regest mit zahlreichen Zitaten wiedergegeben in: N., N., Auszüge, S. 475. Ebd. Die Summe ergab eine Zusammenzählung der in den Stadtschreiberrodeln stehenden Kosten, die Fricker der Stadt Bern 1468–75 für die von ihm ausgeführten diplomatischen Missionen in Rechnung stellte. StABe Lt. Miss. A, fol. 244 (24. Januar 1474). Ein Brief, in dem sich die Berner für Jos Huntpiss verwendeten, Àndet sich in der bei Lenglet Du Fresnoy, Memoires Commines, S. 340. Vgl. auch ein im Wortlaut der Forderung an Karl den Kühnen ähnelndes Schreiben an Ludwig XI. wegen geraubter Güter im StABe Lt. Miss., A, fol. 331 (6. Dezember 1474) und fol. 344 (8. März 1475).
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leute später noch als etwaige Informanten verwenden konnte.68 Anhand dieser Gesandtschaft nach Italien lassen sich noch weitere Punkte hinsichtlich einer Untersuchung von städtischer Außenpolitik ausmachen. Neben dem Bemühen, mehrere Missionen mit unterschiedlichen Inhalten zu verbinden, wird auch das breite Spektrum der von Fricker geleisteten Aufgaben deutlich. Denn während die gemeinsam mit Diesbach ausgeführte Mission nach Mailand explizit einen außenpolitischen Hintergrund hatte, war die Weiterreise nach Rom tendenziell innenpolitisch motiviert. Wie noch zu zeigen sein wird, ist im Zusammenhang mit der Gesandtschaft zudem an den Aufbau beziehungsweise die PÁege von Kontakten zu denken. Diese erleichterten dem Führungsgremium den Zugang zu Informationen, die in KonÁiktzeiten für das an der Spitze der gegen Burgund gerichteten Koalition stehende Bern außerordentlich wichtig waren. Doch ist die Gesandtschaft nach Italien nicht die einzige bedeutende Mission Frickers. Eine weitere wichtige Gesandtschaft im Untersuchungszeitraum führte ihn im Oktober 1474 für drei Wochen nach Feldkirch, wo die entscheidenden Bündnisverhandlungen zur „Ewigen Richtung“ zwischen den Eidgenossen, Österreich und Frankreich stattfanden.69 Noch kurz vor der Abreise hatte Fricker im Auftrag der Berner Räte die anderen Eidgenossen mit relevanten Dokumenten für die Versammlung versorgt, woran sich seine Funktionen als Verwalter und Distribuent von Informationen und deren Umwandlung in Wissen offenbaren.70 Gemeinsam mit dem kurz zuvor aus Frankreich zurückgekehrten Diesbach sowie Wabern und Vertretern Ludwigs XI., die das Schiedsgericht zwischen Eidgenossen und Österreich leiteten, reiste er am 26. September zum Versammlungsort.71 Am 2. Oktober erschienen dort auch die Abgeordneten des österreichischen Herzogs, womit die Verhandlungen beginnen konnten. Der Rechtsexperte Fricker war für die von Bern geführten Eidgenossen unentbehrlich, da zahlreiche spezielle rechtliche Sachverhalte besprochen wurden. Ähnlich wichtig war die Anwesenheit von latein- beziehungsweise französischsprachigen Spezialisten, die aufgrund der französischen Gesandten dringend benötigt wurden. Damit wird verständlich, warum sich der Berner Rat auf die Entsendung von Wabern, Diesbach und Fricker geeinigt hatte: Sie waren sowohl thematisch als auch fachlich für diese Mission prädestiniert. Während ihrer Abwesenheit blieben die Gesandten ständig in Kontakt mit ihren Räten, und sandten ihnen bereits zwei Tage nach ihrer Abreise einen Brief nach, in dem es um die in der Einleitung erwähnten Probleme des Markgrafen von BadenHachberg ging.72 Darin wurden die Abgeordneten aufgefordert, die Bündnispartner von dessen Loyalität zu überzeugen. Zwei Tage darauf richteten die Räte erneut 68 69
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Zu KauÁeuten als Informanten siehe Kapitel F 1.1. StABe SR 2, fol. 68: „Beritten gon Veldtkilch zinstag vor Michahelis und widerkomen zinstag nach Galli 74. Sind dry wuchen: Tuot der solld selb dritt zwentzig und zwen tag 23 gulden, der rosslon selb ander 4 lb, 8 Sch.“. So hatte er beispielsweise insgesamt neun „coppyen der verstantnuß mit Franckrich in die orter der Eydgenossen gesandt“ (StABe SR 2, fol. 67). Vgl. dazu Walter, Verhandlungen. StABe Dt. Miss. C, fol. 299 (28. September 1474); allgemein zu Schreiben der Führungsgremien an ihre Gesandten vgl. Jucker, Gesandte, S. 219 ff.
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ein Schreiben an ihre Abgeordneten. In diesem berichteten sie, dass Vertreter von Freiburg i. Ue. vor ihnen erschienen seien. Diese hätten mitgeteilt, sie könnten weder die französischen Pensionen annehmen noch dem Krieg gegen den burgundischen Herzog zustimmen.73 Diese Weigerung ist insofern interessant, als Fricker und Diesbach kurz nach ihrem Aufenthalt in Feldkirch nach Freiburg i. Ue. reisten, um dort für die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit gegen Burgund zu werben.74 Drei Tage vor den ersten Beschlüssen in Feldkirch wandten sich die Berner Räte erneut an ihre Wissensträger und informierten sie über Neuigkeiten aus dem Herzogtum Savoyen.75 Am 10. Oktober wird Frickers Name gemeinsam mit Wabern und Diesbach in einer Urkunde genannt, in dem sich die Eidgenossen beim österreichischen Herzog für eine Öffnung der vier Waldstädte einsetzten, was dieser nach langen Diskussionen und dem Schiedsspruch der französischen Vermittler letztlich zusagen musste.76 Auch beim zweiten Punkt, bei dem es um die VerpÁichtung Sigmunds, sich für sich und alle Nachkommen des Hauses Habsburg für die Einhaltung der „Ewigen Richtung“ zu verpÁichten, musste der Herzog eine Niederlage hinnehmen77. Den Stand der Verhandlungen teilten die Berner ihrer Heimatstadt mit. Das beweisen deren Antwortschreiben, in denen sich diese für Informationen aus Feldkirch bedankten. Inhaltlich ging es größtenteils noch immer um die Schwierigkeiten, die man in Österreich und am Oberrhein mit der Loyalität BadenHachbergs hatte.78 Die Konferenz von Feldkirch endete mit einer Niederlage für Herzog Sigmund: Alle strittigen Punkte wurden von den französischen Vermittlern im Sinne der Berns beziehungsweise der Eidgenossen entschieden, was maßgeblich dem EinÁuss der Berner Wissensträger und ihres Vertrauten Jost von Silenen zuzuschreiben ist.79 Während Nikolaus von Diesbach sich direkt von Feldkirch aus auf eine Versammlung der Eidgenossen nach Luzern begab, um den Krieg gegen den burgundischen Herzog zu beschließen, reisten Petermann von Wabern und Thüring Fricker 73
StABe RM 15, fol. 92–94: „Haben die botten von Friburg – der von Wippingen und ir seckelmeister – von der pension wegen des Kunigs minen herren geantwurt im namen der von Friburg: Nachdem und dann ir seckelmeister das vorhin ouch abgeseit hatt, das si, da ir rätt und sechtzig […] gantz einhelliclich sind, damit nit zuo tuon hab und des mussig zuo gan. Dann si wenig volcks hand, die wellend si umb gelt nit also hinweg sennden noch sich mit dem Kung oder keinem anndern Fursten niemer verbinden“; zur Weigerung Freiburgs i. Ue. siehe Kapitel F 1.3. 74 StABe SR 2, fol 68: „So bin ich aber geritten gen Friburg uff donerstag nach Galli 74 und widerkomen sunntag darnach. Tuot 4 tag selb dritt der solld 8 lb, der rosslon 16 Sch.“ 75 StABe RM 15, fol. 97: „An mine herrn zuo Veltkilch was man in den brieffen funden hatt von Romont und ouch von dem botten mins herren Phillippe [von Bresse]“. 76 Bezüglich der vier Waldstädte vgl. Segesser, Abschiede Nr. 760a, S. 506 f. Die Entscheidung der französischen Gesandten lautete folgendermaßen: „[I]n futurum Àat appertura villarum de Waltzhutt, Lowffenberg, Seckingen et Reynfelden […]“, Segesser, Abschiede Nr. 760b, S. 508. 77 Dazu: Walter, Verhandlungen, S. 137–140. 78 Beispielsweise StABe Dt. Miss. C, fol. 300 f. (14. Oktober 1474) oder fol. 303 (17. Oktober 1474); allgemein zu Schreiben der Gesandten an ihre Führungsgremien vgl. Jucker, Gesandte, S. 213–219. 79 Vgl. dazu Walter, Verhandlungen, S. 127 ff.; Walter/Kintzinger, Krieg und Frieden.
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zurück nach Bern.80 Am 25. Oktober verfasste der Stadtschreiber auf der Sitzung des Kleinen Rats sowohl die Kriegserklärung an den Herzog von Burgund als auch einen Brief an den französischen König, um diesen zum Eingreifen in die Kriegshandlungen zu bewegen.81 Auf der gleichen Sitzung diskutierten die Kleinräte ein letztes Mal den Inhalt der „Ewigen Richtung“, die Anfang 1475 endgültig in Kraft trat.82 Mit dieser wichtigen Gesandtschaft soll die Betrachtung von Frickers diplomatischen Missionen beendet werden. 1492 zog Fricker sich von der Kanzleitätigkeit zurück, um sich völlig der Politik zu widmen. Bereits ein Jahr später war er Mitglied des Kleinen Rats und begab sich zunächst bis 1496 nach Brugg, wo er bis zu seinem abermaligen Eintritt in den Kleinen Rat Berns im Mai 1499 blieb.83 Seine herausgehobene Stellung Àndet ihren Niederschlag in den Ratslisten, in denen er als 25. Mitglied des sonst nur 24 Personen umfassenden Kleinen Rats aufgeführt ist. Auch ist er in diesen keinem der vier Berner Quartiere zugeordnet, wie dies bei allen anderen Kleinräten war, sondern wird in exponierter Stellung neben den anderen Ratsherren und an zweiter Stelle nach dem Schultheißen genannt.84 Noch 1513 Àndet er sich als Gesandter und Übersetzer im so genannten „Jetzer-Prozess“ und lässt sich bis 1518 im Kleinen und im Großen Rat der Stadt nachweisen. Als er im April 1519 starb, teilte der Rat von Brugg dem Berner Rat noch am selben Tag mit, dass „am morgen, umb die dritte stund nach mitternacht, der hochgelert herr doctor Thüring Fricker sin menschliche natur mit dem tod bezalt“85 habe. Mit Thüring Fricker verlor die Stadt ihren vielleicht wichtigsten und einÁussreichsten Stadtschreiber, Diplomaten und Kleinrat, der ihre Politik am Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts entscheidend mitbestimmt hatte. Sein immenses theoretisches und praktisches juristisches Wissen, seine diplomatischen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie seine Fremdsprachenkenntnisse hatten ihn in den über vierzig Jahren seiner Tätigkeit in der Berner Politik nahezu unentbehrlich gemacht. Gleichzeitig ist an die noch vorzustellenden, von ihm gebildeten und aufrechterhaltenen Kontakte zu denken, die sowohl der Berner Führung als auch den Eidgenos-
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Sie kamen dort am 18. Oktober wieder an (StABe SR 2, fol. 68). StABe RM 15, fol. 115: „Es ist ouch gevertiget vor minen herren der brieff zuo dem Kung […] und darzuo der absagbrieff dem Hertzogen von Burgunn und sind die in das latunsch missifenbuoch geschriben“ (25. Oktober 1474). Vgl. Walter, Verhandlungen, S. 140–145. In diesem Zusammenhang offenbaren sich Frickers Lateinkenntnisse. So gab er im entsprechenden Ratsprotokoll an, er habe die Räte gefragt, ob er das lateinische Wort „possibile“ in der deutschen Übersetzung der „Ewigen Richtung“ stehen lassen solle, da seiner Meinung nach die deutsche Übersetzung dieses Worts mit „zuverlich und muglich“ nicht den tendierten Inhalt treffe, was auf ihre Zustimmung gestoßen sei. Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 90 f. Ebd., S. 91; vgl. auch die Berner Chronik des Valerius Anselm, der die Zusammensetzung des Kleinen Rates nach Wichtigkeit wiedergibt. In diesem Zusammenhang nennt er zunächst den Schultheißen, dann die Ritter, dann Thüring Fricker und erst nach diesem den Säckelmeister, die Venner und die übrigen Ratsherren, zit. bei Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 201. StABe Unnütze Papiere 7, Nr. 89 (zit. bei Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 91).
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sen und ihren Bündnispartnern von unschätzbarem Wert waren.86 Der zwei Mal verheiratete Fricker hatte keinen Nachkommen, der seine bedeutende Position in der Berner Politik adäquat hätte einnehmen können.87 2.2. Basel: Stadtschreiber Gerhard Mecking († 1474) und Nikolaus Rüsch († 1506) In Basel amtierten im Untersuchungszeitraum zwei Stadtschreiber88: Gerhard Mecking, von 1468 bis 1474 und Nikolaus Rüsch, der ab 1474 amtierte. Mecking stammte aus dem westfälischen Buchholz und wurde in den 1440er Jahren Bürger der Stadt.89 Wahrscheinlich erhielt Mecking seine Ausbildung am Bischofshof und wurde im November 1447 zum Unterschreiber in die Basler Kanzlei berufen.90 In den zwei Jahrzehnten, in denen er dieses Amt wahrnahm, lässt er sich auf einigen Gesandtschaften zu den „Westfälischen Femegerichten“ nachweisen, für die er auf-
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Thüring Fricker stellte eine Ausnahmeerscheinung unter den spätmittelalterlichen Stadtschreibern Berns dar. Zahnd gibt an, dass sich „bei keinem bernischen Stadtschreiber […] der Aufstieg in den engen Kreis der politischen bestimmenden Ratsherren, in die eigentliche politische Führungsschicht, so deutlich auf die ungewöhnlich umfassende Bildung, die persönliche Tüchtigkeit und das dadurch ermöglichte diplomatische Wirken zurückführen [lasse] wie bei Frikker“, Zahnd, Bildungsverhältnisse, S. 201. 87 Während die erste Ehe mit der aus einem Biberacher Patriziergeschlecht stammenden Margaretha von Schad kinderlos blieb, heiratete der damals fast 70-jährige Fricker in zweiter Ehe seine Dienstmagd Anna Brugger, mit der er insgesamt zwei Kinder, Hieronymus und Elisabeth, hatte. Entgegen der Annahme von Studer-Immenhauser, vgl. Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 91, Anm. 450, das Schicksal der beiden sei nicht bekannt, spricht einiges dafür, dass Hieronymus als Unterschreiber unter dem Berner Stadtschreiber Peter von Cyro amtierte, dazu Zahnd, Studium und Kanzlei, S. 463, Anm. 53; Sulser, Peter von Cyro. Eine uneheliche Tochter Frickers soll die Mutter des berühmten Berner Malers und Dichters Niklaus Manuel Deutsch (* 1484, † 1530) gewesen sein, zu ihm vgl. Moeller, Deutsch. Deutsch war zunächst als Maler und Dichter tätig, bis er sich ab 1520 in der Berner Politik nachweisen lässt. 1509 heiratete er mit Katharina Frisching die Tochter eines angesehenen Berner Bürgers. 1523 wurde bernischer Landvogt in der Herrschaft Erlach und 1528 Kleinrat. Obgleich man keine genauen Angaben über seine Vermögensverhältnisse machen kann, muss er es zu Wohlstand gebracht haben. Nur so wird verständlich, warum er einigen Potentaten sehr hohe Geldsummen leihen konnte. So lieh er dem Markgrafen von Baden-Hachberg 1488 insgesamt 1.200 und dem Herzog von Savoyen 1517 sogar 1.400 Gulden. 88 Listen der in Basel tätigen Schreiber bei Bernoulli, Stadtschreiber; zum Basler Kanzleiwesen im Spätmittelalter vgl. Mommsen, Kanzleiwesen. Zu vergleichbaren Ergebnissen für die Stadt Braunschweig kommt auch Kintzinger, Bildungswesen, S. 469 f. 89 Zu ihm lediglich Bernoulli, Stadtschreiber, S. 137. Bereits 1445 Àndet man ihn auf dem Basler Konzil als „causarum notarius seu procurator“ (zit. ebd.). 90 Mecking fügt sich dabei in die Reihe der Stadtschreiber Basels, die in der bischöÁichen Kurie ausgebildet wurden; erst mit Nikolaus Rüsch stand erstmals ein kaiserlicher Notar an der Spitze der Basler Kanzlei (vgl. Zahnd, Studium und Kanzlei, S. 468).
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grund seiner Herkunft prädestiniert war.91 Wenngleich er bei der Eröffnung der Basler Universität 1460 als Magister bezeichnet wird, muss offenbleiben, ob er ein Universitätsstudium absolviert hat.92 Ende März 1468 wurde er vom Unter- zum Stadtschreiber bestimmt.93 Obschon seine Amtszeit mit dem vorliegenden Zeitraum zusammenfällt, lassen sich für ihn im Untersuchungszeitraum nur wenige diplomatische Tätigkeiten feststellen, was mit seinem bereits fortgeschrittenen Alter zusammenhängen könnte. Über die üblichen von einem Stadtschreiber zu leistenden Arbeiten hinaus verfasste er chronikalische Notizen in den Basler Öffnungsbüchern. So fertigte er 1448/49 einen Bericht über den Rheinfelder Krieg an und war Autor einer kleinen Episode, die den Besuch Karls des Kühnen im Elsaß 1473/74 beinhaltete.94 Mecking war spätestens seit 1445 Mitglied der Schlüsselzunft in Basel.95 Er wohnte im Kirchspiel St. Leonhard und versteuerte 1470 ein Vermögen in Höhe von 1.100 Gulden.96 Als Stadtschreiber erhielt er wie sein Nachfolger Rüsch jährlich 69 Pfund Lohn.97 Er legte sein Amt im Herbst 1474 nieder und starb wahrscheinlich kurze Zeit darauf.98 In diplomatischer Hinsicht aktiver als Mecking war sein Amtsnachfolger Nikolaus Rüsch, dessen Biographie eng mit dem Untersuchungszeitraum verknüpft ist.99 Rüsch wurde wahrscheinlich um 1430 als Sohn des aus Tübingen stammenden gleichnamigen Malers in Basel geboren.100 Man kann davon ausgehen, dass er sich bis zu seinem 1459 erfolgten Dienstantritt als Stadtschreiber Mülhausens in Basel aufgehalten und in der städtischen Kanzlei eine Ausbildung zum Schreiber erhalten hat.101 Da sein Amtsvorgänger in Mülhausen, Andreas Schad, bis 1457 nachweisbar ist, erfolgte Rüschs Amtsantritt dort aller Wahrscheinlichkeit nach zwischen 1457 und 1459. Somit kam auch er nicht aus der Stadt, in der er (zunächst) beschäftigt war.
91 Heusler, Berührungen, S. 21 f u. S. 65–68. 92 Vischer, Geschichte, S. 52. 93 Bernoulli, Rathsbücher, S. 67: „Uff mittwuchen vor myttfasten wart ich Gerhart Mecking von Bścholtz von beden reten zś stattschriber der statt Basel erwellt und uffgenommen, und wasz vor by 21 jor underschriber gewesen“. 94 Bernoulli, Rathsbücher, S. 55 ff.; ders., Rheinfelderkriege. Dass er ein verstärktes Interesse an Geschichtsschreibung hatte, belegt sein nachweisbarer Bücherbesitz. So fanden sich in seinem Nachlass neben der „Historia troyana“ auch die „Gesta Romana“, Koelner, Zunft zum Schlüssel, S. 235. 95 Koelner, Zunft zum Schlüssel, S. 235. 96 Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 761. 97 Zum Einkommen der Stadtschreiber in Basel vgl. beispielsweise Harms, Stadthaushalt, S. 363. 98 Koelner, Zunft zum Schlüssel, S. 235. 99 Zu ihm vgl. Bernoulli, Beschreibung der Burgunderkriege, S. 275–332; Bernoulli, Rathschreiber, S. 142; Burger, Stadtschreiber, S. 258 ff.; Schuler, Geschichte, S. 176. 100 Ein „Lauwlin Rüsch“ versteuerte im Jahr 1429 ein Vermögen in Höhe von 500 und 1446 300 Gulden, vgl. Schönberg, Finanzverhältnisse, S. 545 bzw. S. 580. Für seine Herkunft aus Basel spricht, dass er in einem Brief des Pfalzgrafen an Mülhausen „Nicolas Roisch von Basel“ genannt wurde. In einer 1459 verfassten Beschreibung des Basler Münsters erwähnt der Verfasser zudem ein Haus am Basler Münsterberg, das sich im Besitz der Familie Rüsch befunden haben soll, vgl. Bernoulli, Beschreibung, S. 275. 101 Diese Vermutung Àndet sich bei Zahnd, Studium und Kanzlei, S. 465.
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Aufgrund seiner praktischen und theoretischen Bildung – er war kaiserlicher Notar – und seiner diplomatischen Kenntnisse nahm er bereits zu Beginn seiner Tätigkeit als Stadtschreiber von Mülhausen zahlreiche diplomatische Aufgaben wahr.102 Diese nahmen in den 1460er Jahren aufgrund der Bedrohung Mülhausens durch den umliegenden Adel stetig zu.103 So wurde er beispielsweise 1468 nach Basel, Bern und Solothurn gesandt, um dort über Lösungsmöglichkeiten für Mülhausen zu diskutieren. Dort traf er auf den Berner Nikolaus von Scharnachtal und den Solothurner Stadtschreiber Hans vom Stall, die später maßgebliche Wissensträger ihrer Heimatstädte hinsichtlich der Probleme Mülhausens waren. Ende März bis Ende April 1468 hielt er sich wiederum in Basel auf und nahm an Gesprächen zwischen dem Herzog von Österreich und Vertretern aus Bern, Basel und Solothurn teil. Von dort teilte er den Räten seiner Heimatstadt mit, dass er und sein Begleiter täglich „in grossen sorgen“ seien, und zwar nicht nur „in der herberg“, sondern auch „uff der strassen“104. Dass seine Sorgen nicht unbegründet waren, belegen zwei Angriffe auf ihn im gleichen Jahr: Das erste Mal wurden er und sein Begleiter Ende Februar von Walther von Hallwil gefangen genommen, verwundet und nach Landser gebracht.105 Beim zweiten Überfall wurde er, als er im Mai 1468 allein von Solothurn zurück nach Mülhausen reiste, tätlich angegriffen.106 Da sich die Lage seines Arbeitgebers auch in den folgenden Monaten nicht besserte, zogen die Eidgenossen unter Führung von Bern mit ihrer Militärmacht in den Sundgau und nach Waldshut. Doch auch nach dem Abschluss der „Waldshuter Richtung“ im August 1468 änderte sich die Situation für seinen Arbeitgeber nicht. Vor allem nachdem der Sundgau im Mai 1469 an Burgund verpfändet worden war, wurde die Lage der im Bistum Basel gelegenen Reichsstadt immer prekärer, zumal sie „wie das Gelbe im Ei“107 mitten in dem verpfändeten Gebiet lag. Die schwierige Situation der Stadt berührte die Interessen der Räte der oberrheinischen und eidgenössischen Reichsstädte, die unbedingt an einer zum Reich gehörenden und grenznahen Außenstelle interessiert waren. Hinzu kam, dass Mülhausen an einer zentralen Handelsstraße lag, die durch die so genannte „Burgundische Pforte“ über Lothringen und Burgund nach Frankreich führte und von zahlreichen deutschen KauÁeuten genutzt wurde. Sollte also nach der Verpfändung im Elsaß Ruhe einkehren, war das nur über Mülhausen zu erreichen. So wird verständlich, warum sie einer der wichtigsten Kulminationspunkte für die untersuchten Städte war.108 Als einer der maßgeblichen Wissensträger Mülhausens bei den deswegen geführten Gesprächen mit Burgund erscheint Nikolaus Rüsch, der aufgrund seiner Kenntnisse des oberrheinischen Raums als Experte für diese Aufgaben prädestiniert 102 Zahnd, Studium und Kanzlei, S. 465. 103 Zur schwierigen Lage Mülhausens in dieser Zeit vgl. Jordan, Mulhouse; Oberlé, Mulhouse; Mieg, DifÀcultés 1–4. 104 Mossmann, Cartulaire 3, Nr. 1156. 105 Ebd., Nr. 1133 und 1148. 106 Mossmann, Cartulaire 3, Nr. 1199. 107 So schrieb beispielsweise der Stadtschreiber von Solothurn an seinen Augsburger Amtskollegen (zit. bei Bittmann, Ludwig XI., S. 339). 108 Karl Bittmann bezeichnet Mülhausen als einen „Kristallisationspunkt“, vgl. ebd., S. 389.
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war. Im Verlauf der Gespräche war es ihm möglich, den Kontakt zu seiner Heimatstadt aufrechtzuerhalten. Dass seine Bindungen nach Basel stets sehr eng geblieben sind, belegen seine Bewerbungen um das Amt des dortigen Gerichtsschreibers in den Jahren 1464 und 1467.109 Sein Wissen um die politischen Verhältnisse am Oberrhein war sowohl beim Basler Rat und seinen Verbündeten als auch bei seinem Arbeitgeber Mülhausen gefragt. Diese konnten auf diese Weise sichergehen, dass er ihre Interessen gleichermaßen berücksichtigte.110 Die Person Rüsch offenbart damit die engen persönlichen Verbindungen zwischen den betrachteten Städten und zeigt, wie die Koordination einer gemeinsamen Außenpolitik mithilfe dieser Kontakte vollzogen wurde. Deutlich wird das vor allem an seinen diplomatischen Aufgaben Anfang 1470, als er sich gemeinsam mit dem Bürgermeister Mülhausens auf einem in Ensisheim stattÀndenden Treffen mit Peter von Hagenbach dafür verwendete, dass die Stadt nicht in burgundische Hände Àel. Daraufhin hatte Hagenbach ihnen ihr Geleit abgesagt und erklärt, Mülhausen künftig nicht mehr vor den Forderungen ihrer Gläubiger zu schützen.111 Ende März/Anfang April 1471 kam es zu Verhandlungen zwischen Delegierten der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition und Hagenbach.112 Dass auch Rüsch dort neben den wichtigsten eidgenössischen und oberrheinischen Vertretern anwesend war, betont seine Bedeutung im gegen Burgund gerichteten Prozess. Wie eine Stelle in den chronikalischen Aufzeichnungen des Basler Domvikars Knebel belegt, wurde seine Bedeutung auch von den burgundischen Gegnern wahrgenommen. In der entsprechenden Notiz schildert Knebel den Besuch Kaiser Friedrichs III. in Basel im September 1473 und die Verhandlungen, die damals wegen Mülhausen stattfanden.113 Demnach war der burgundische Landvogt im Kreuzgang des Basler Bischofshofs auf eidgenössische und oberrheinische Gesandte sowie Nikolaus Rüsch getroffen und reagierte auf deren Wunsch, der Stadt abermals einen Aufschub für die Bezahlung ihrer Schulden zu gewähren, sehr brüsk und sprach vor allem gegenüber Rüsch zahlreiche Drohungen und Schimpfworte aus.114 Im weiteren Verlauf spitzte sich die Lage Mülhausens weiter zu, so dass sich die Räte der untersuchten Städte gemeinsam mit Kolmar und Schlettstadt im Dezember 1473 einigten, ihre Schulden zu übernehmen und sich auf die Entsendung der erwähnten Gesandtschaft zu Karl den Kühnen nach Ensisheim einigten. Als diese Anfang 1474 dorthin aufbrachen, führte sie ihr Weg durch das verunsicherte Mülhausen, wo sie Gespräche mit dem dortigen Rat und ihrem Stadtschreiber Rüsch führten, um diese über das weitere Vorgehen zu informieren. Wie der Ab109 110 111 112
Bernoulli, Stadtschreiber, S. 138. Zur Verbindung Basels und Mülhausens vgl. Matzinger, Bund. Bernoulli, Beschreibung, S. 277 f. Vgl. das Einladungsschreiben Berns an Peter von Hagenbach im StABe Dt. Miss. A, fol. 818 (6.3.1471). 113 Vischer u. a., Basler Chroniken 2, S. 10, Z. 6-S. 11, Z. 21. 114 Knebels Schilderungen werden von einer weiteren Quelle bestätigt: In einem am 18. September 1473 geschriebenen Brief eines Unbekannten an zwei Frankfurter Räte teilte dieser neben zahlreichen weiteren politischen Informationen die gleiche Begebenheit mit, Janssen, Frankfurts Reichscorrespondenz, S. 299–302, besonders S. 300.
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schied des Treffens mit den burgundischen Räten zeigt, verliefen die Gespräche, die in Ensisheim geführt wurden, erfolgreich.115 Man beschloss daher, einen Tag zur Einigung mit den Gläubigern der Stadt anzuberaumen.116 Karl der Kühne hatte ihr freien Handel zugesichert und sich damit einverstanden gezeigt, das zuvor an Hagenbach verpfändete Schultheißenamt der Stadt wieder mit einem ihrer Bürger besetzen zu lassen.117 Nach ihrer Rückkehr berichteten die Wissensträger über den Verlauf der Mission und erarbeiteten eine neue Ratsordnung für Mülhausen, in der auch der Stadtschreiber erwähnt wird. Dessen Spur Àndet sich erst einen Monat vor dem Ausbruch der Burgunderkriege wieder, als er unter fünf Bewerbern um das kurz zuvor frei gewordene Basler Stadtschreiberamt genannt wird.118 Wie eng die Entscheidung für einen Stadtschreiber mit außenpolitischen Überlegungen zusammenhing, zeigt ein Zusatz neben der Bewerberliste. Laut diesem wurden die Bewerbernamen zur Überprüfung an die Dreizehner übermittelt. Nachdem diese sich auf Rüsch geeinigt hatten, bekleidete er das Amt bis 1497. Es ist davon auszugehen, dass er auch bei seinem neuen Auftraggeber zahlreiche diplomatische Aufgaben wahrnahm. Er wird dementsprechend 1475 mehrfach als Mitglied der Dreizehner genannt, an deren Sitzungen er in seiner Funktion als Stadtschreiber ständig teilnahm. Doch lassen es die Basler anders als die Berner Quellen nicht zu, seine Tätigkeiten exakt zu fassen.119 Als Abgeordneter seiner Heimatstadt nahm er an zahlreichen Versammlungen der Eidgenossen teil, reiste als Gesandter zum Kaiser oder führte eine Mission zum Papst nach Rom an.120 1484 bewarb er sich erfolglos um das Amt eines bischöÁichen OfÀzials und legte im März 1497 sein Amt als Stadtschreiber nieder, um unmittelbar danach zum Oberzunftmeister der Stadt gewählt zu werden.121 Dieses Amt bekleidete er mit einer Unterbrechung in den Jahren 1501/02 bis zu seinem Tod 1506. Dass die Wahl auf ihn Àel, zeugt von seiner politischen Bedeutung und könnte dafür sprechen, dass man in Basel nicht auf seine Fähigkeiten verzichten konnte. Hier zeigen sich deutliche Parallelen zum vorgestellten Berner Stadtschreiber Thüring Fricker, der direkt
115 Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1728; zu dieser Gesandtschaft und ihren Ergebnissen vgl. Walter, Symbolische Kommunikation. 116 Dieser fand am 4. Februar statt, wie eine AuÁistung der einzelnen Schuldner Mülhausens zeigt, ebd., Nr. 1738. 117 Die so bezeichnete „Ordenung des rotz und eine Rotslahunge der von Mulhusen halb“ datiert ebenfalls auf Anfang Februar 1474, ebd., Nr. 1737. Der sinnfälligste Ausdruck der wieder erlangten „Freiheit“ Mülhausens Àndet sich in einem im Ratsmanual der Sitzung des Kleinen Rates von Bern vom 9. Februar 1474. In diesem hält der Berner Stadtschreiber fest, der neue „Schultheiß zś Muelhusen“ heiße „Luepfrid von Kuengspach, genannt Nagell“. Dieser sei „ein edellman“, StABe RM 14, fol. 181. 118 StABas ÖB 5, fol. 122v. 119 So beispielsweise im ÖB 5, fol. 201. 120 Die Gesandtschaft zum Kaiser fand 1481 statt und war dem Streit Basels mit ihrem Bischof Kaspar zu Rhein geschuldet, vgl. Heusler, Verfassungsgeschichte, S. 401ff., während die Mission zu Papst Sixtus VI. Anfang 1483 erfolgte, um Basel aus dem über sie verhängten Interdikt zu lösen, vgl. Bernoulli, Beschreibung, S. 280, Anm. 4. 121 Zum Amt des OfÀzials in Basel vgl. Hirsch, Hof, S. 62–66.
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nach seinem Rücktritt in den Rat gewählt worden war und zahlreiche diplomatische Aufgaben wahrgenommen hatte. Als Oberzunftmeister bemühte sich Rüsch gemeinsam mit dem Basler Bürgermeister nach Ausbruch der „Schwabenkriege“ im Frühjahr 1499 erfolglos um einen Friedensschluss. Weiterhin lässt er sich neben weiteren Baslern im Juni 1501 in Luzern nachweisen, wo seine Heimatstadt in die Eidgenossenschaft aufgenommen wurde.122 Doch beschränkte sich sein Aufgabenbereich nicht nur auf diplomatische Aufgaben, sondern er fungierte wie sein Berner Amtskollege Fricker auf zahlreichen Gerichtsverhandlungen als Schiedsrichter. So vermittelte er beispielsweise Anfang Dezember 1503 erfolgreich in einem Erbstreit zwischen der Familie des Markgrafen von Baden-Hachberg und dem Markgrafen Baden und amtierte kurze Zeit später mit Peter Offenburg als Schiedsrichter in einem Streit zwischen dem Bischof von Basel und Bern.123 Neben den politischen Tätigkeiten tat er sich wie seine Berner und Straßburger Kollegen Fricker, Schilling und Düsch als Verfasser von historiographischem Schriftgut hervor und fertigte beispielsweise eine Beschreibung der Burgunderkriege über den Zeitraum zwischen 1469 und 1476 aus Basler Perspektive an.124 Als er im Januar 1506 während seiner fünften Amtszeit als Oberzunftmeister starb, verlor der Basler Rat einen seiner wichtigsten politischen Experten. Rüsch hatte zwei Söhne, die sich beide in den 1470er Jahren an der Universität Basel immatrikulierten.125 Während sich die Spur des ersten danach verliert, erhielt sein zweiter Sohn 1484 eine Chorherrenpfründe im Basler Münster, die zugleich eine Universitätsprofessur war.126 3. TECHNIKEN DER INFORMATIONSVERWALTUNG Mithilfe der nun vorzustellenden Techniken der Informationsverwaltung versuchten die Stadtschreiber und ihre Mitarbeiter, die zahlreichen in der Stadt ein- und von dieser ausgehenden Informationen zu systematisieren und zu archivieren und diese in Wissensbestände zu transformieren, die wiederum in politische Handlungen mündeten. Gelang ihnen das, trug das maßgeblich zur herausgehobenen Stellung ihrer Führungsgremien und Verbündeten in dem gegen den burgundischen Herzog und seine Verbündeten gerichteten Prozess bei. Schließlich bereiteten die städtischen Kanzleien die diplomatischen Missionen durch das Verfassen von Briefen, Kredenzbriefen und Instruktionen vor und nach. Auf diese Weise gestalteten und prägten sie die Diplomatie zu einem wichtigen Teil mit. Unter Regie des vorgestellten Berner Stadtschreibers Fricker geschah beispielsweise eine Neuordnung der internen Abläufe in der Berner Kanzlei. Bereits kurze Zeit nach seinem Dienstantritt im Jahr 1465 lassen sich zahlreiche neue Ord122 Bernoulli, Beschreibung, S. 280. 123 Ebd., S. 280 f. 124 Zu den literarischen Tätigkeiten Diebold Schillings siehe die Zusammenfassung; zu Düsch vgl. Tüsch, Chronique sowie Kapitel E; zu Rüsch vgl. Bernoulli, Beschreibung, S. 292–332. 125 Ebd., S. 281 f. 126 Ebd., S. 640.
3. Techniken der Informationsverwaltung
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nungs- und Verwaltungssysteme erkennen. In den von ihm und seinem Vater angelegten Ratsmanualen hielten er, seine Mitarbeiter, aber auch einzelne Räte neben dem Datum und den Teilnehmern einer jeden Ratssitzung die an die Kanzlei gestellten Arbeitsaufträge fest.127 Sie zeigen damit auf, sowohl welche Arbeiten in die Kompetenz der Kanzlei als auch in die des Berner Führungsgremiums Àel. Damit erleichterte Fricker ein WiederaufÀnden der in den Sitzungen des Kleinen Rats behandelten Punkte und strukturierte die für ihn und seine Mitarbeiter nach den Sitzungen folgenden Schritte vor. Zugleich enthalten die von ihm und seinen Mitarbeitern verfassten Einträge zu den einzelnen Ratssitzungen zahlreiche intertextuelle Verweise, nach denen er für sich und seine Kanzlei notierte, bestimmte Briefe seien im deutschen oder lateinischen Missivenbuch zu Ànden.128 Das betraf in erster Linie Schreiben an auswärtige Potentaten, die der Stadtschreiber den Kleinräten aufgrund ihrer Wichtigkeit zur Diskussion und Kontrolle vorlegte. Die knappen Einträge in den Ratsmanualen verdeutlichen die fachliche Kompetenz, die sich in der städtischen Kanzlei konzentrierte und verdichtete. Wenn Fricker beispielsweise auf der Sitzung des Führungsgremiums am 27. Dezember 1473 knapp festhielt, er müsse an den Herzog von Burgund eine „subtyle guote meynung“129 schreiben, handelt es sich bei dieser um einen mehrere Seiten umfassenden Brief an Karl den Kühnen, in dem er das Verhalten dessen Landvogts Hagenbach gegenüber dem Berner Bündnispartner Mülhausen zusammenfasste und ankündigte, dass sich bald eine Gesandtschaft auf den Weg zu ihm machen werde.130 Bei dieser handelte es sich um die bereits mehrfach erwähnte Gesandtschaft der vorgestellten Berner Wissensträger Petermann von Wabern und Nikolaus von Scharnachtal nach Ensisheim, auf der die Probleme Mülhausens letztlich geklärt wurden. Aus dem einzeiligen Eintrag entstand auf diese Weise ein Brief, von dem dann noch Abschriften nach Basel und das betroffene Mülhausen selbst gingen.131 Das belegt den hohen Wissensstand Frickers in außenpolitischen Fragen und insbesondere bei der Problematik um den Berner Bündnispartner Mülhausen. Um das Schreiben zu verfassen, griff er auf zahlreiche Akten in der Berner Kanzlei zurück. In erster Linie ist in diesem Zusammenhang an Briefe zu denken, die die bedrohte Stadt an die Berner Führung beziehungsweise diese an Mülhausen geschrieben hatte. Daneben kommen aber auch solche Schreiben in Betracht, welche die in die Probleme Mülhausens involvierten Städte, so etwa Straßburg, Basel oder Solo127 Zur Bedeutung und Funktion der Ratsmanuale allgemein vgl. Jucker, Gesandte, S. 131–151; für Bern: Esch, Alltag, S. 21–30; Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 85 f. 128 Als beispielsweise auf der Sitzung des Berner Kleinen Rates die Kriegserklärung an den burgundischen Herzog diskutiert und beschlossen wurde, vermerkte Fricker: „Es ist ouch gevertiget vor minen herren der brieff zś dem Küng […] darzś der absagbrieff dem Hertzogen von Burgunn vnd sind die in das latinsch missifenbśch geschriben“, StABe RM 15, fol. 115 f., Sitzung des Kleinen Rats von Bern am 25. Oktober 1474 oder: „Ich hab gevertiget vor minen herren die brieff dem Kung vnd Gubernator in Campanien, als die in dem tśtsch vnd latinschen missifenbśch stan“, StABe RM 16, fol. 2, Sitzung des Kleinen Rats von Bern am 6. Dezember 1474. 129 StABe RM 13, fol. 240; vgl. dazu auch Esch, Alltag, S. 36 f. 130 Der Brief Àndet sich im StABe Dt. Miss. C, fol. 169. 131 StABe RM 13, fol. 240 (diese Briefe wurden auf der gleichen Sitzung beschlossen).
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thurn, an den Berner Rat gerichtet hatten. Aus dem Wissensbestand der Kanzlei mussten der Stadtschreiber und seine Mitarbeiter möglichst schnell und efÀzient auswählen und die gewünschten Informationen ihrem Arbeitgeber beziehungsweise Empfängern zukommen lassen.
3.1. Missivenbücher und Archivmobiliar Bei einer weiteren Technik der Informationsverwaltung handelt es sich um die von Thüring Fricker im Jahr 1465 eingeführte Anlage von Missivenbüchern, wie sie auch aus Basel erhalten sind. Diese ordneten die Briefkonzepte der Stadt und die erhaltenen Briefe nach dem Provinienzprinzip.132 Zwar hatte man zumindest in der Berner Kanzlei schon vorher Konzepte für Briefe lose gesammelt, doch gingen die beiden noch einen Schritt weiter und fächerten sie nach Sprachen auf.133 So führten sie neben zahlreichen Missivenbüchern mit deutschsprachigen Briefkonzepten auch eines ein, das die lateinsprachigen chronologisch ordnete. Diese Maßnahme war umso wichtiger, als es gerade in den untersuchten Jahren zu einem massiven Anstieg des Briefverkehrs kam, der in Abhängigkeit zu der konÁiktreichen Zeit der Burgunderkriege stand.134 Der Berner Stadtschreiber drückte den Grund für die Schaffung der Missivenbücher plastisch aus und gab Ende November des Jahres 1472 im Stadtschreiberrodel an, er habe ein neues Missivenbuch angelegt. Dieses habe jedoch nicht für die ausgehenden Schreiben angefertigt, sondern für diejenigen, die von „ußwendigen ennden“ in Bern eingegangen und an denen dem Führungsgremium „etttwas gelegen“ sei. Dies diene laut Fricker dem Zweck, dass sie nicht „verlorn“135 und bei Bedarf möglichst schnell aufgefunden würden. Ein Hinweis, nach dem es in Bern sogar Archivmobiliar gegeben haben muss, Àndet sich in einem weiteren Ende Januar 1475 verfassten Eintrag Frickers im Stadtschreiberrodel. Darin führte er auf, dass er für alle eingehenden Missiven „Kasten“136 habe anfertigen lassen, die eine Ordnung nach ihrem Herkunftsort gewährleisten und damit ebenfalls ein besseres und schnelleres WiederaufÀnden zusätzlich erleichtern sollten. Vor allem in KonÁiktzeiten war es für die untersuchten Führungsgremien wichtig, neben der ausauch die eingehende Korrespondenz zu verwalten. Chronologisch und nach Provenienz geordnet, fungierten sie als eine Art Archiv und ermöglichten ein schnelles AufÀnden von bestimmten Briefen. Neben den Ratsmanualen und Missivenbüchern lässt sich in Bern mit den 1466 ebenfalls von Fricker eingeführten Stadtschreiberrodeln eine weitere Technik zur 132 Zu den Missivenbüchern allgemein vgl. Hesse/Rothmann, Diplomatik; Jucker, Gesandte, S. 195–203; für Bern: Esch, Alltag; Jucker, Vertrauen; ders. Trust. 133 Jucker, Gesandte, S. 201 ff.; Esch, Alltag; Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 86. 134 Vgl. dazu Jucker, Gesandte, S. 210f.; für Basel siehe den Exkurs „Basels Außenpolitik im Spiegel der Quellen“ in Kapitel B 6. 135 StABe SR 2, fol. 19 (25. November 1472). 136 StABe SR 2, fol. 75: „Item lasß machen ein Kasten zś allen missifen, woher die komen zśgehallten tśt 4 lb“ (25. Januar 1475).
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Verwaltung der Informationen in der Kanzlei ausmachen.137 In diese trugen Fricker und die übrigen Kanzleimitarbeiter alle von ihnen neben dem üblichen Schriftverkehr angefertigten Schriftstücke und die für diese (Mehr-)Arbeit von ihnen veranschlagten Kosten ein. Nach Ablauf eines halben Jahres wurde dieser Rodel dem für die Finanzangelegenheiten der Stadt zuständigen Säckelmeister vorgelegt. Dieser kontrollierte die Einträge und erstattete der Kanzlei und ihren Mitarbeitern die entstandenen Kosten zurück. Das erklärt, warum die Einträge meist zusätzlich festhielten, warum, wann und auf welche Weise ein Schriftstück abgefasst wurde. Überdies Ànden sich in ihnen Vermerke, welche die Gesandtentätigkeiten des Stadtschreibers und seiner Mitarbeiter betreffen. Dementsprechend wurde in ihnen festgehalten, wann und wo der Stadtschreiber warum und wie lange im Dienst der Stadt unterwegs war und wie hoch die Kosten waren, die ihm auf der jeweiligen Mission entstanden waren. Die Stadtschreiberrodel lassen es daher wie kaum eine andere Quelle zu, annähernd alle Arbeitsabläufe einer städtischen Kanzlei und deren zahlreiche Arbeitsfelder aufzuzeigen. Beispielsweise erfährt man unter anderem auch, dass den Kanzleimitarbeitern neben dem bloßen Verfassen von Briefen, Urkunden usw. auch Übersetzungen von Schriftstücken oblagen. 3.2. Eingangsvermerke und Kopien Etwas anders verhält sich die Überlieferungslage in Straßburg, wo größtenteils nicht die aus-, sondern die eingegangenen Briefe erhalten sind. Obgleich an diesen auf den ersten Blick kein Ordnungssystem erkennbar ist, lassen sich bei genauerem Hinsehen Hinweise auf einen sehr praktischen Umgang mit den Schriftstücken ausmachen, die sich als Techniken der Informationsverwaltung bezeichnen lassen. So Ànden sich beispielsweise in fast allen der untersuchten und während der Burgunderkriege in der Stadt selbst oder bei Straßburger Amtsträgern eingegangenen Briefen Hinweise darauf, an welchem Datum sie den Empfänger erreichten. Während es auf Kriegszügen dem jeweiligen städtischen Hauptmann oblag, Briefe zu öffnen, war es in Straßburg die Kanzlei selbst um den Stadtschreiber Johannes Meier, die sie entgegennahm, öffnete und den Straßburger Räten zur Besprechung vorlegte. Wahrscheinlich direkt bei der Entgegennahme vermerkten die jeweiligen Amtsträger auf dem Brief neben oder unter der Adresszeile, welcher Bote den Brief an welchem Tag nach Straßburg gebracht hatte.138 Dieses Verfahren ermöglichte dem 137 Eingehend zu diesen vgl. Esch, Alltag, S. 37–44; Studer-Immenhauser, Verwaltung, S. 86 f. 138 Als Beispiele können die folgenden Briefe gelten, von denen der erste an den Straßburger Ammeister Peter Schott gerichtet war. Unter der Adresszeile wurde vermerkt: „Glockengiesser kam feria post Elizabet“, AMS AA 293, fol. 73r. In einem anderen Brief, den die Straßburger Hauptleute an die Räte ihrer Heimatstadt kurz nach der Einnahme von L’Isle-sur-le-Doubs im Sommer 1475 richteten, vermerkte der ihn entgegennehmende Kanzleimitarbeiter Folgendes: „Hanns Snyder kam uff sunntag vor Jacobi vnd heisch daz bottenbrod Lile gewonnen were“, AMS AA 274, fol. 50r. Doch nicht nur neben der Adresszeile lassen sich derartige Angaben Ànden; diese konnten beispielsweise unter Unterschriften gemacht werden. Unter der Unterschrift des später noch eingehend vorgestellten Straßburger Kundschafter Kaspar Michel Àndet
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Empfänger und späteren Verfasser eines Antwortschreibens, sich genau auf diesen bestimmten Brief und seinen Inhalt zu beziehen. Die kurzen Notizen ermöglichen nicht nur, die ansonsten anonymen Boten Straßburgs namentlich zu fassen; sie lassen es darüber hinaus zu, Übermittlungsgeschwindigkeiten in Kriegs- und Friedenszeiten auszumachen.139 Dass man auch auf diese Weise verfuhr, belegen einige Schreiben aus Straßburg. Diese wurden nicht wie in Basel und Bern in Missivenbücher geschrieben, sondern es Ànden sich vielmehr zahlreiche lose und zumindest zum heutigen Zeitpunkt größtenteils ungeordnete Kopien versendeter Schreiben, die nahezu alle von derselben Hand, wahrscheinlich vom Stadtschreiber oder einem seiner Kanzleimitarbeiter stammen und weder Siegel enthalten noch gefaltet wurden. Daneben sind zahlreiche Briefe erhalten, die von ihren jeweiligen Empfängern nach ihrem Erhalt wieder mit nach Straßburg gebracht worden zu sein scheinen. Diese Beobachtung trifft auf zwei unterschiedliche Empfänger zu: Erstens Ànden sich viele Briefe des Straßburger Rats an seine Gesandten, zweitens solche, die das Führungsgremium seinen Hauptleuten auf Kriegszügen geschrieben hat.140 Wahrscheinlich waren diese Empfänger verpÁichtet, die erhaltenen Schreiben bis zu ihrer Rückkehr bei sich zu behalten, damit sie nicht in die Hände Dritter gelangten. Daraus kann man schließen, dass der Straßburger Rat ein verstärktes Interesse an der Verwaltung von Briefen und anderen Schriftstücken hatte, die in seinem Auftrag verfasst wurden. 3.3. Informationsverdichtung Doch wird daran auch erkennbar, dass auch die Wissensträger, die sich auswärts aufhielten, darauf bedacht beziehungsweise dazu verpÁichtet waren, die bei ihnen eingehenden Schreiben zu behalten, zu verwalten und damit zu archivieren. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, warum während eines Feldzugs immer und bei diplomatischen Missionen sehr häuÀg ein Schreiber mitgenommen wurde. Dementsprechend waren sowohl der Berner Unterschreiber und spätere Verfasser der „Großen Burgunderchronik“, Diebold Schilling, als auch der Straßburger Hans Erhard Düsch, der sich später ebenfalls als Chronist hervortat, nachweislich als Feldschreiber während des Feldzugs in die Freigrafschaft Burgund im Juli/August 1475 angestellt. Damit konnten die städtischen Hauptleute beziehungsweise Wissensträger auf sie als Experten zurückgreifen. Vor allem im Krieg sowie auf diplomatischen Missionen war eine Verwaltung, Systematisierung und Bearbeitung der ein- und ausgehenden Informationen sowie ein optimaler Umgang mit Wissensbeständen außerordentlich wichtig und ermöglichte den Amts- und Funktionsträgern, geplante beziehungsweise vom Rat erwünschte Handlungsabläufe besser zu koordinieren beziesich so die folgende Angabe: „Caspar Michel ist komen vff donnrestag nach Pentecoste anno LXXVII“; zu Kaspar Michel siehe Kapitel F 2. 139 Zum Aspekt der Übermittlungsgeschwindigkeiten in Kriegs- und Friedenszeiten siehe Kapitel E. 140 Siehe Kapitel B 4.1.2.
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hungsweise diese zu optimieren, auf vorangegangene Schreiben Bezug zu nehmen und die von ihnen vorgenommenen Handlungen so schriftlich abzusichern. Zurück zu Hause schrieben die Straßburger Kanzleimitarbeiter die mitgebrachten Schriftstücke ab und ordneten sie neu. Das erklärt auch, warum sich in den untersuchten Quellen zahlreiche zusammengebundene und chronologisch geordnete Briefsammlungen Ànden, die aber stets einen bestimmten thematischen Inhalt haben. Derartige frühe Formen von Archivierung, die im Folgenden mit dem Begriff „Informationsverdichtung“ bezeichnet werden sollen und die von der Forschung bisher nur rudimentär untersucht wurden, sind beispielsweise für die Korrespondenz zwischen dem Rat von Straßburg und seinen Hauptleuten auf dem Feldzug nach Blamont erhalten.141 In diesem Fall handelt es sich insgesamt um mehr als dreißig Briefe aus einem Zeitraum von vier Wochen. Da dabei nicht nur die Schreiben der Hauptleute an den Rat, sondern auch die des Rats an die Hauptleute abgeschrieben und zusammengebunden wurden, ermöglichte eine derartige thematische Informationsverdichtung den KommunikationsÁuss zwischen ihnen minutiös nachzuverfolgen. Das war mit Sicherheit von der Straßburger Führungsgruppe und ihrer Kanzlei gewollt. Denn häuÀg gingen einer solchen Informationsverdichtung KonÁikte voraus. So war es im Verlauf des Feldzugs in die Freigrafschaft Burgund nach der Eroberung von Blamont im Juli/August 1475 zu einer von zahlreichen Straßburger Handwerkern und Teilen des die Stadt umliegenden Adels getragenen Revolte gekommen, die zum vorzeitigen Abbruch der Kampfhandlungen geführt hatte.142 Wahrscheinlich, um lückenlos Anordnungen und ihre (nicht) erfolgten Ausführungen zu dokumentieren, stellte der Straßburger Rat das Konvolut daraufhin zusammen, das auf diese Weise zu einem frühen Beispiel einer „Akte“ wird. Ähnlich verhält es sich auch mit zusammengebundenen Schriftstücken, die alle mit der im April 1473 erfolgten Gefangennahme von eidgenössischen KauÁeuten auf dem Rhein zu tun hatten.143 Ein Kriegsausbruch zwischen den Eidgenossen und Herzog Sigmund von Österreich, der damals im Raum stand, war durch die Intervention Straßburgs verhindert worden. Straßburger Wissensträger hatten mit den Entführern gesprochen und über Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Zudem hatten Truppen der Stadt die Gefangenen befreit, was zu einem engen Zusammenrücken zwischen den Eidgenossen und den Städten am Oberrhein geführt hatte. Da die Entführung letztlich einen Prozess vor dem Reichskammergericht gegen die Entführer zur Folge hatte, war das Straßburger Führungsgremium an einer lückenlosen Dokumentation des Falles interessiert.144 Dazu gehörten sowohl die Korrespondenz zwischen dem Rat und den Unterhändlern der Stadt mit den Entführern als auch Abschriften der mit ihnen eingegangen Kompromisse, Gesprächsprotokolle und Abschiede von deswegen abgehaltenen Versammlungen. Hinzu gesellten sich Auf141 Beispielsweise AMS AA 275, darin Ànden sich insgesamt fünfzehn zusammengebundene Dokumente zur Belagerung von Schuttern. 142 Witte, Geschichte der Burgunderkriege (Blamont); siehe auch Kapitel B 4.1.2. 143 Diese Sammlung Àndet sich im AMS III 178, 16 (insgesamt 11 Folios) und 20 (insgesamt 8 Folios). 144 Siehe Kapitel C 3.3.
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listungen von vorangegangenen Vergehen der Entführer sowie Kopien der Schreiben an den und von dem späteren Anwalt Straßburgs, Johannes Keller. Dass die thematische Sammlung kurz nach der erfolgreichen Befreiung der Gefangenen angelegt wurde, beweist ein auf dem zweiten Folio angefertigtes Register.145 Dieses wurde vermutlich von dem Straßburger Stadtschreiber Meier oder einem seiner Mitarbeiter angelegt und enthält Kurzregesten der auf den anderen Folios folgenden Dokumente sowie Abschriften von den Originalen beziehungsweise diese selbst. Aber auch über den Grund für die Informationsverdichtung erfährt man etwas. In der Überschrift des Registers wird nämlich angegeben, dass die Dokumente zusammengestellt worden seien, um sie „dem Prokurator zú schicken“146. Bei diesem handelte es sich um eben jenen Johannes Keller, der auf diese Weise vor allem vonseiten des vorgestellten Straßburger Wissensträgers Jakob Amelung auf den Prozess vorbereitet wurde.147 Durch die strategische Sammlung und gezielte Auswahl der Schriftstücke hatte er die für die Straßburger Führung wichtigsten Dokumente zusammen. Mithilfe dieses speziellen Wissensbestands war er in der Lage, die Interessen der Stadt bestmöglich zu vertreten.
3.4. Datumsvermerke Sowohl in den Briefen, die von den Straßburger Hauptleuten während der Burgunderkriege geschrieben wurden als auch in denen, die von Straßburger Gesandten auf ihren Missionen an ihre Führungsgremien beziehungsweise auch andersherum geschickt wurden, lassen sich zahlreiche weitere Techniken zur Verwaltung der einund ausgehenden Informationen Ànden. Diese sollten dazu beitragen, dem jeweiligen Empfänger zu verdeutlichen, auf welchen seiner Briefe man antwortete und sich bezog. Das konnte etwa durch die bloße Nennung des Datums des Briefes, auf den man reagierte, geschehen. Als sich beispielsweise am 22. Juli 1475 der damalige Ammeister Amelung in einem Schreiben an die Hauptleute wandte, gab er an, dass er auf ihr Schreiben antworte, das sie ihm „vff Sant Arbogasts tag gesant“ hätten und gab in kurzen Worten den Inhalt desselben wieder.148 In anderen Briefen Ànden sich häuÀg die Namen der Boten, die den Brief überbracht hatten. In einem Schreiben, das der Altammeister Riffe am 20. Oktober 1476 an die Hauptleute verfasste, schrieb er beispielsweise, er habe ihre Briefe erhalten, die sie ihm „zśletst mit Walter Spiegel geschicket“ hätten.149 Daraufhin handelte auch er kurz den In-
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AMS 178, 20, fol. 2r. AMS 178, 20, fol. 2r. Siehe dazu Kapitel C 3.3. AMS AA 273, fol. 18. Ein solches Beispiel ist nicht singulär im Untersuchungszeitraum. Ähnliche intertextuelle Rückverweise und -bestätigungen macht auch Jucker für die von ihm untersuchten Abschiede aus (vgl. Jucker, Gesandte, S. 167–172 u. S. 188). Hinsichtlich der in Briefen häuÀg vorkommenden Betonung, man habe sie „empfangen, verhöret und verstanden“ vgl. ebd., S. 211–214. 149 AMS AA 282, fol. 5.
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halt ihres Schreibens ab, um auf diese Weise auch inhaltlich zu verdeutlichen, auf welchen Brief er sich bezog. Diese doppelte Sicherung konnte noch durch weitere Maßnahmen erhöht werden, die in den untersuchten Quellen anzutreffen sind. Das kann abermals anhand eines Briefes des amtierenden Ammeisters Riffe an die Straßburger Hauptleute verdeutlicht werden, der sich zum Zeitpunkt der Abfassung auf einer diplomatischen Mission befand.150 Darin gab er an, dass „uff sunndag vor dem achtesten tage“ der Straßburger Bote Speckel bei ihm „uff dem Bötze umb den mittag“151 erschienen sei, um ihm Briefe zu übergeben. Gerade in Zeiten des regen Informationsaustausches und KommunikationsÁusses lassen sich derartige zusätzliche Maßnahmen zur Sicherung beobachten. So kam es sehr häuÀg vor, dass an einem Tag mehrere Briefe mit Neuigkeiten oder Anfragen bei den behandelten Städten selbst oder ihren Hauptleuten eintrafen. Das machte es zwingend notwendig, dass man nicht nur mitteilte, welcher Bote den Brief an welchem Datum überbracht hatte, sondern auch, um welche Uhrzeit und an welchem Ort man diesen erhalten hatte. Überdies machten sich die Kanzleien Notizen darüber, wohin sie welchen ihrer Boten wann mit welchen Briefen geschickt hatten.152 In diesem Fall ist von einer weiteren Technik der Informationsverwaltung auszugehen. Da es im Aufgabenbereich der Stadtschreiber lag, die Briefe zunächst zu schreiben, um sie dann einem städtischen Boten zur Übermittlung an den oder die Empfänger zu überreichen, Ànden sich in dem erwähnten Schriftstück kurze Notizen darüber, wohin insgesamt drei mit Namen genannte städtische Boten Briefe wann überbracht hatten.153 Beispielsweise verfasste der Straßburger Stadtschreiber Meier oder einer seiner Mitarbeiter Ende 1473 die folgende kleine Notiz154: Während der Bote Speckel zwei Briefe zu übermitteln hatte, von denen der eine an die Führung des Deutschen Ordens in Alshausen und der andere an die Oberen des Johanniterordens in Klingenau gerichtet war, hatte sich ein Läufer mit dem Namen Lorenz auf den Weg nach Kürsheim „mit der von Lupfen briefe“ zu begeben.155 Der dritte Bote, Hans Schneider, erhielt von der Kanzlei von Straßburg ein Schreiben an den Bischof, das er ihm in die bischöÁiche Residenz nach Zabern bringen sollte.156 Von einer ganz ähnlichen Motivation geprägt ist ein Zettel, der im April 1475 ebenfalls im Umkreis der Straßburger Kanzlei entstand.157 In diesem wurde festgehalten, welche Briefe und ande-
150 AMS AA 282, fol. 6 (30. Dezember 1475). 151 Dieser Bote taucht auch in anderen Straßburger Quellen als Bote der Stadt auf, so beispielsweise in einem Brief Konrad Riffes an die Straßburger Hauptleute, AMS AA 282, fol. 6. 152 Siehe das Kapitel E 2. 153 Siehe das Kapitel E 2. 154 AMS AA 266, fol. 27. 155 Wahrscheinlich handelte es sich bei dem genannten Boten um Lorenz Schneider, der in zahlreichen anderen Briefen Straßburgs auftaucht. So auch in einem Schreiben des Straßburger Rats an seine Hauptleute vor L’Isle-sur-le-Doubs am 17. Juli 1475, AMS AA 275, fol. 23. 156 Auch dieser Bote ist vielfach in den erhaltenen Quellen belegt. Beispielsweise in einem Brief des Straßburger Rats an seine Hauptleute vor Neuß am 9. Mai 1475, AMS AA 275, fol. 14. 157 AMS AA 270, fol. 9.
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ren Schriftstücke man seinen auf eine Versammlung nach Zürich reitenden Wissensträgern Riffe und Schott mitgegeben hatte.158 Exkurs: Informationsverwaltung in der Praxis Die nun vorzustellenden Basler Öffnungsbücher ermöglichen es in einzigartiger Weise, die innen- und außenpolitischen Entscheidungsprozesse innerhalb der unterschiedlichen Gremien der Stadt Basel nachzuvollziehen.159 Ihre Sichtung erlaubt einen exakten Einblick in den Fluss von Informationen, die von außen in die Stadt und von dort nach außen gelangten. In erster Linie fungierten sie als Erinnerungsstütze und Strukturierungshilfe für die Räte, Dreizehner und den Stadtschreiber und wurden auf fast jeder Sitzung des Basler Führungsgremiums geführt. Sie spielten daher eine zentrale Rolle bei der Verwaltung von aus- und eingehenden Informationen sowie bei der gezielten Lenkung von InformationsÁüssen. Da sich zahlreiche Schreiberhände in den Öffnungsbüchern ausmachen lassen, kann man davon ausgehen, dass sie nicht nur vom Stadtschreiber oder anderen Mitarbeitern der Basler Kanzlei geführt wurden, sondern auch die Räte, Dreizehner und Dreier eigenhändig Einträge und Notizen verfassten. Vor diesem Hintergrund erscheinen sie als Gebrauchsschriftgut, das zwischen den unterschiedlichen Gremien hin- und hergereicht wurde, so beispielsweise vom Rat in das Dreizehnergremium, von dort in die Kanzlei und wieder zurück in den Rat usw. Zu Beginn von fast jedem Eintrag wurde festgehalten, wann die entsprechende Sitzung stattgefunden hatte beziehungsweise die entsprechende Notiz verfasst wurde.160 Darauf folgen die besprochenen und verhandelten Punkte. Um die Einträge zu strukturieren und damit die Informationen zu verwalten, bedienten sich die Verfasser zahlreicher Abkürzungen. So steht die Abkürzung „Tagh“ am Rand mancher Einträge in den Öffnungsbüchern für „Tagherren“ und bedeutet, dass der Basler Rat eine Einladung zu einer Versammlung erhalten hatte, zu der er noch Gesandte bestimmen musste.161 Die Einigung auf die Gesandten wiederum stellte einen weiteren Arbeitsschritt dar, so dass der Schreiber mit dieser Abkürzung an der jeweiligen Notiz die Einträge in den Öffnungsbüchern strukturierte und etwaige Folgesitzungen und -diskussionen vorbereitete. Den Weg hin zu diesem Eintrag muss man sich folgendermaßen vorstellen: Wahrscheinlich kurz nachdem das entsprechende (Einladungs-)Schreiben in Basel eingegangen war, hatten der Stadtschreiber, Bürgermeister oder Oberzunftmeister dieses geöffnet und besprochen. Auf der folgenden Sitzung des Führungs158 So war Riffe beispielsweise „der von Basel brieff des tags zú Zúrich“ gegeben worden. Schott hingegen hatte eine „geschrifft des Abscheids zü Basel“ bei sich, ebd. 159 Insgesamt sind zwei Bände der Öffnungsbücher für den betrachteten Zeitraum relevant: Zum einen StABas ÖB 4, für den Zeitraum vom 25. Juni 1464 bis 23. Juni 1468 und zum anderen ÖB 5 für den Zeitraum vom 27. Juni 1468 bis 7. Juli 1478. 160 Das Folgende soll als idealtypischer Ablauf verstanden werden. 161 Beispielsweise: „Uff fritag nach Sannt Paulus bekerung tag zuo früer tag zyt wirt ein tag zuo Brisach der Spennhalb zwuschen unserm herren von Straßburg und Hannsen von Mörsperg und siner parthye […]“, StABas ÖB 5, fol. 129r.
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gremiums oder der Dreizehner informierten sie daraufhin ihre Miträte über den Inhalt, um dann mit ihnen gemeinsam dessen Inhalt zu diskutieren und ein (Antwort-) Schreiben zu besprechen. In den meisten Fällen Àelen derartige Einladungen zu Versammlungen in die Kompetenz der vorgestellten Dreizehner, so dass sich an diesen Einträgen zumeist die Abkürzung „XIII“ Àndet. Diese Ziffer bedeutete, dass der Rat diesen Tagesordnungspunkt weiter an das Dreizehnergremium delegierte. Die Dreizehner setzten sich daraufhin zusammen, formulierten eine Antwort und wählten, teils in Eigenregie, teils in Rücksprache mit dem gesamten Rat, die Wissensträger aus.162 War Eile in einer bestimmten Angelegenheit vonnöten, einigten sich Räte oder Dreizehner noch auf derselben Sitzung auf die personelle Zusammensetzung der Gesandtschaft, die zu dem entsprechenden Treffen abgeordnet werden sollte.163 Verschoben Führungsgremium beziehungsweise Dreizehner ihre Entscheidung oder hielt der Verfasser der entsprechenden Notiz eine bestimmte Angelegenheit für besonders wichtig für eine weitere Besprechung, Àndet sich stets das Kürzel „Ged“, für „Gedenke“ an den Einträgen in den Öffnungsbüchern.164 Hatten Räte oder Dreizehner die Gesandten ausgewählt, setzten sich die Dreizehner abermals zusammen, um die Inhalte der Mission abzuklären, Instruktionen zu verfassen und die Gesandten vorzubereiten. Für die Wissensträger ging es dann am geplanten Termin zum jeweiligen Treffen, wo sie im Auftrag ihrer Führung verhandelten. Kehrten sie zurück, informierten sie Rat oder Dreizehner dann über den Verlauf und die Ergebnisse ihrer Mission, welche eine kurze Zusammenfassung davon anfertigten.165 Dass sich nahezu allen dieser kurzen Zusammenfassungen abermals die Ziffer „XIII“ geschrieben Àndet, offenbart die besondere Rolle dieses Gremiums für die Innen- und Außenpolitik der Stadt zusätzlich. Aber auch, wenn fremde Herrschaftsträger oder auswärtige Gesandte vor dem Rat oder den Dreizehnern erschienen und sich zu bestimmten Fragen äußerten, Àndet sich ein entsprechender Eintrag in den Öffnungsbüchern.166 War das der Fall, hielten der Schreiber 162 „XIII: von dem tag zuo Costentz antreffen die losung des lands, die vereynung und verstentnuß“, StABas ÖB 5, fol. 114r. 163 Als beispielhaft dafür kann die Sitzung der Basler Räte am 18. Juli 1474 gelten, StABas ÖB 5, fol. 121r. Auf dieser wurden insgesamt drei Gesandte für eine Gesandtschaft zu Hermann von Eptingen bestimmt („Eptingen botten“), drei für eine Mission in einer Zehntangelegenheit („Botten des Zehenden halb“) und vier Räte als Gesandte zu den Eidgenossen bestimmt („Botten uff Sant Jacops tage“). 164 Beispielsweise: „Ged[enke] uber die sachen zu sitzen von den krieglöuffen ze reden mitt denen in der vereynung. Die eidgenossen ze manen zu ze ziehen. Von der crützen wegen“, StABas ÖB 5, fol. 122r. 165 Als exemplarisch dafür kann der folgende Eintrag gelten: „Als unser botten ir bottschafft von Zürich erzalt haben und ob man den handel der Müntzen an die sechs bringen wölle“, StABas ÖB 5, fol. 129r. 166 So hielt beispielsweise der Basler Stadtschreiber für die Sitzung des städtischen Führungsgremiums am 18. August 1474 fest, dass der Markgraf Rudolf von Baden-Hachberg „personlich“ erschienen war. Dieser hatte, nach bereits mehrfach von den Räten an ihn erfolgten Aufforderungen, endlich „erzallt“, wie er sich gegenüber der Stadt Basel in dem geplanten Krieg gegen den burgundischen Herzog verhalten wolle. Im Zuge dessen hatte er angegeben, dass sich die Basler seiner Loyalität in diesem KonÁikt sicher sein könnten. Schließlich sei er ihnen stets ein
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oder einer der Räte die Gründe und Ursachen des Besuchs beziehungsweise der Mission ebenfalls in einer kurzen Zusammenfassung, zum Teil mit persönlichen Kommentaren und Einschätzungen versehen, fest. Meistens wurde auch diese Angelegenheit dann weiter an die Dreizehner übermittelt. Neben den erwähnten Abkürzungen Ànden sich in den Öffnungsbüchern noch weitere Kürzel, die ein leichteres WiederaufÀnden der verhandelten Gegenstände beziehungsweise der erhaltenen Informationen und speziÀschen Wissensbestände ermöglichen sollten. Als beispielsweise Gläubiger der Stadt Mülhausen zu Gesprächen vor dem Basler Rat erschienen, Àndet sich ein entsprechendes Kürzel genauso wieder, wie wenn Musiker fremder Herrschaftsträger vor diesem gespielt hatten. Da mit solchen Vorführungen Politik gemacht wurde, schließlich wurden so die guten Beziehungen des jeweiligen Herrschaftsträgers zu den Basler Räten für diese mit den Sinnen wahrnehmbar, erhielten die Musiker stets ein (Geld-)Geschenk.167 Den Wert desselben hielten die Räte dann im Öffnungsbuch fest. Auch vor diesem Hintergrund können die Öffnungsbücher als Quelle für die außenpolitischen Beziehungen der Stadt Basel herangezogen werden. Gleichzeitig wurde so die spätere Rechnungslegung erleichtert beziehungsweise vorbereitet. 4. ZUSAMMENFASSUNG: DIE STÄDTISCHEN KANZLEIEN ALS WISSENSSPEICHER In Bern, das innerhalb der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition eine Führungsrolle in dem gegen Burgund gerichteten Prozess einnahm, lief die gesamte Kommunikation über den Stadtschreiber Thüring Fricker. Nahezu bei allen Sitzungen des Berner Rats anwesend, war es maßgeblich er, der gemeinsam mit den Kleinräten die städtische Außenpolitik vor- und nachbereitete und in vielen Fällen selbst ausführte. Daher genoss er das volle Vertrauen des Berner Führungsgremiums. Vor allem für die vorgestellte Führungsgruppe der Stadt war er ein wichtiger Vertrauensmann und maßgebliches Exekutivorgan. Gerade im Untersuchungszeitraum war
„lieber nachpuren gesyn“ und wolle das auch zukünftig bleiben. Daraufhin zogen sich die Basler Räte zur Beratung zurück und dankten Baden-Hachberg kurz darauf für seine „früntlichen worte“. Zuletzt baten sie ihn, eine Woche später wieder in Basel zu erscheinen, was dieser neun Tage später auch tat. In der Zwischenzeit berieten sich die Räte und teilten Baden-Hachberg mit, dass sie noch keine endgültige Entscheidung getroffen hätten und erst „mytt denen in der eynung“, sprich mit seinen oberrheinischen und eidgenössischen Bündnispartnern, „daruber sitzen“ müssten, StABas ÖB 5, fol. 122v. Als ein Beispiel können für den Besuch von auswärtigen Diplomaten können die Aufzeichnungen des Basler Schreibers dienen, der den Besuch von burgundischen Gesandten in Basel Ostern des Jahres 1474 beinhalteten, StABas ÖB 5, fol. 116v und 117r. 167 StABas ÖB 5, fol. 93v (Gläubiger Mülhausens); zu fremden Musikern: Beispielsweise hatten am 1. Februar 1473 die Pfeifer und Trompeter des Pfalzgrafen bei Rhein vor den Räten aufgespielt, StABas ÖB 5, fol. 93v. Sie erhielten laut Eintrag fünf Gulden. Zu Geschenken als Mittel der Politik bzw. als Politik selbst vgl. Groebner, Gefährliche Geschenke, S. 51–72; ders., Invisible Gifts.
4. Zusammenfassung: Die städtischen Kanzleien als Wissensspeicher
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man auf seine Arbeit, Unterstützung und Reputation dringend angewiesen, da er der Amtsträger mit dem höchsten Professionalisierungsgrad und Wissensstand war. Dieser basierte auf seinem Rechtsstudium, das ihn in die Lage versetzte, juristische Sachverhalte zu verstehen und möglicherweise aus diesen resultierende Probleme zu lösen. Hinzu gesellte sich seine Fremdsprachenkompetenz, die sich in den zahlreichen diplomatischen Missionen niederschlugen, zu denen er vom Rat beauftragt wurde, und auf denen er die Interessen der Stadt wahrnahm oder als Schiedsrichter, Rechtsbeistand und wichtiger Berater amtierte. Durch seine Reisen konnte er sich auf bestimmte thematische Inhalte spezialisieren und war im Vorfeld der Burgunderkriege bei Fragen im Zusammenhang mit der „Ewigen Richtung“ mit dem österreichischen Herzog, dem Bündnis mit dem französischen König und dem Streit um die Reichsstadt Mülhausen mit den burgundischen Amtsträgern besonders gefragt. Zwischen 1468 und 1475 annähernd ununterbrochen im Auftrag Berns oder der gesamten antiburgundischen Koalition unterwegs, knüpfte er Kontakte mit wichtigen Personen und war für die PÁege, Intensivierung und Etablierung dieser Kontakte ebenfalls zuständig. So hatte er maßgeblichen Anteil an der Kohäsion zwischen den Bündnispartnern und spielte eine zentrale Rolle beim Aufbau und der Etablierung von Vertrauen unter ihnen. Als Informationsverwalter, und -distribuent sowie als Wissensträger und -vermittler machte er sich damit für die Berner Räte und ihre Verbündeten unentbehrlich und trug wesentlich dazu bei, dass die gegen den burgundischen Herzog gerichtete Außenpolitik koordiniert und erfolgreich praktiziert wurde. Eine vergleichbar wichtige Stellung hatte der vorgestellte Basler Stadtschreiber Nikolaus Rüsch, der bereits in Mülhausen in zentraler Position als Informationsverwalter und Wissensträger an der Lösung der Probleme dieser Stadt mit den neuen burgundischen Machthabern mitgearbeitet hatte. Auf diese Weise trug er wesentlich zur Stiftung, Konsolidierung und Etablierung von Vertrauen unter ihnen bei. Gleichzeitig konnte er im Rahmen seiner diplomatischen Tätigkeiten in Kontakt mit den Räten seiner Heimatstadt Basel bleiben, die seine Fähigkeiten auf diese Weise kennenlernten. Damit scheint es nach seiner Bewerbung um das Basler Stadtschreiberamt nur konsequent, dass sich die Dreizehner der Stadt auf ihn einigten. Ab diesem Zeitpunkt lief nahezu die gesamte außenpolitische Kommunikation Basels über ihn, der sich so als einer der am besten informierten städtischen Amtsträger bezeichnen lässt. Beide, Rüsch wie Fricker, bestimmten die Politik ihrer Heimatstädte während der für sie wichtigsten Ereignisse im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts entscheidend mit. Auf diese Weise hatten sie maßgeblichen Anteil an der Zusammenführung der oberrheinischen und eidgenössischen Interessen und trugen maßgeblich zur Etablierung der Stellung der untersuchten Städte bei. Die Stadtschreiber und ihre Mitarbeiter hatten als zentrale Knotenpunkte zwischen der städtischen Innen- und Außenpolitik eine große Bedeutung. Schließlich waren es sie, die in Zusammenarbeit mit den Führungsgruppen Außenpolitik vorund nachbereiteten, teilweise durchführten und auf diese Weise maßgeblich mitprägten. Nahezu alle die Stadt betreffenden Informationen liefen bei ihnen ein. Diese zu verwalten, zu ordnen und zu archivieren und sie auf diese Weise in Wissen zu transformieren war einer der sensibelsten und wichtigsten Aufgabenbereiche in-
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C. Informationsverwaltung: Die städtischen Kanzleien
nerhalb einer Stadt. In Zusammenarbeit mit den Räten mussten die Kanzleimitarbeiter dann entscheiden, wie wichtig eine bestimmte Information war und angemessen, adäquat und meist auf der Stelle reagieren. Das war mitunter lebensnotwendig und konnte über Sieg oder Niederlage entscheiden. Vor diesem Hintergrund lassen sich die Kanzleien als Wissensspeicher beschreiben, die nahezu das gesamte Wissen der Stadt beherbergten, das sich wiederum in der Person der jeweiligen Stadtschreiber und deren Mitarbeiter personalisierte und verdichtete. Schließlich waren sie es, die einzelnen Räten oder der gesamten Führungsgruppe den Zugriff auf die jeweils geforderten speziÀschen Wissensbestände gewährleisteten und ermöglichten. Im Idealfall ging das problemlos vonstatten und trug in erheblichem Maße zur herausgehobenen Stellung der Räte der untersuchten drei Städte bei, half ihnen die gemeinsame und gegen den burgundischen Herzog und seine Verbündeten gerichtete Außenpolitik zu planen, zu koordinieren und letztlich auch durchzuführen. Wesentliche Hilfestellungen boten ihnen dabei die in den Kanzleien verwendeten Techniken der Informationsverwaltung. Denn diese ermöglichten beispielsweise ein schnelles WiederaufÀnden bestimmter Schriftstücke, wodurch aktiv Wissensbestände geschaffen und politische Handlungsoptionen vorbereitet wurden. Das legt gleichermaßen ein Zeugnis von dem großen Vertrauen ab, das man in die Stadtschreiber und ihre Arbeit setzen musste. Dieses resultierte auch auf ihren persönlichen Beziehungen, die sie zu ihren jeweiligen Führungsgruppen unterhielten. Fragt man nach den Gründen der herausgehobenen Stellung der Stadtschreiber im Kommunikationsprozess, ist ihr hoher Wissensstand zu erwähnen. Im Gegensatz zu den städtischen Gesandten, die durch stetiges „learning by doing“ Spezialwissen anhäuften und zu Experten und Spezialisten für bestimmte Themen und Ressorts wurden, waren die Stadtschreiber hochprofessionalisierte Amtsträger, deren immenser Wissens- und Informationsstand in erster Linie auf ihrer (universitären) Ausbildung basierte, durch die ständige Praxis noch zusätzlich erhöht wurde und durch das sie sich für die jeweilige Stadt unentbehrlich machten. Seinen Niederschlag Àndet das einerseits darin, dass man sie bereits während ihrer Tätigkeiten als Stadtschreiber häuÀg für diplomatische Aufgaben als Wissensträger heranzog, da ihre besonderen Fähigkeiten und ihr hoher Wissensstand gefragt waren. Andererseits wurden sie nach Beendigung ihrer Tätigkeiten als Stadtschreiber beinahe ausnahmslos in die politischen Führungsgremien aufgenommen und bekleideten dort mitunter die höchsten städtischen Ämter.
D. INFORMELLE KONTAKTE 1. INFORMELLE KONTAKTE ZWISCHEN RÄTEN Als sich die acht Orte der Eidgenossenschaft nebst Solothurn am 31. März 1474 mit der „Niederen Vereinigung“ gegen den burgundischen Herzog verbündeten, bedeutete dies nicht einen Wendepunkt in den Beziehungen der Städte untereinander, die sich nun als Bündnispartner begriffen. Wie bereits beschrieben, waren dem Bündnisabschluss zahlreiche Gespräche zwischen den Wissensträgern der untersuchten Städte vorausgegangen. Hinzu gesellte sich eine hohe Anzahl von untereinander ausgetauschten Briefen. Damit hatten die späteren Bündnispartner das Ziel verfolgt, Vertrauen zwischen sich aufzubauen und zu etablieren. In vielen Fällen bedurfte das keiner großen Anstrengung. Schließlich rekrutierten sich, wie bereits gezeigt, große Teile der städtischen Führungsgremien aus Familien, die früher beziehungsweise noch im Untersuchungszeitraum am Handel partizipierten und daher merkantile Interessen verfolgten. Wie am Beispiel der Diesbach-Watt-Gesellschaft angedeutet, hatten die wirtschaftlichen Kontakte bereits in den Jahrzehnten zuvor zur Bildung von Handelsgesellschaften geführt, an denen KauÁeute aus allen drei Städten beteiligt gewesen waren. Aus den wirtschaftlichen Verbindungen entstanden persönliche Beziehungen, die später nicht abbrachen, beispielsweise durch Heiraten verwandtschaftlich verankert wurden oder in gemeinsam unternommenen Pilgerfahrten ihren Ausdruck beziehungsweise Anfangspunkt fanden.1 Es verwundert daher nicht, dass die Führungsgremien auf diese Kontakte zurückgriffen. Denn der große Nutzen dieser auf den ersten Blick als informell zu charakterisierenden Kontakte lag unter anderem in erweiterten Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme und zur Instrumentalisierung und BeeinÁussung des Kommunikationspartners neben dem eigentlichen politischen Verhandlungstisch.2 Außerdem erleichterten sie ihnen die Beschaffung von wichtigen Informationen, erhöhten auf diese Weise den Wissensstand und trugen maßgeblich zur Kohäsion zwischen sowie zur Stärkung des Vertrauens unter sich bei. Im Idealfall führte das zur Etablierung und Konsolidierung ihrer eigenen Stellung und der ihrer Verbündeten. Leider geben die erhaltenen Quellenbestände nur rudimentäre Hinweise auf diese informellen Kontakte. Das führte dazu, dass eine Analyse ihrer Bedeutungszusammenhänge und ihres Funktionierens bisher nur ansatzweise behandelt wur1
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Zur Bedeutung des Konnubiums in Bezug auf Netzwerke vgl. Poeck, Herren; Rieber, Patriziat; Spiess, Familie. Darin vor allem ders., Einführung; Fouquet, Freundschaft; für das 16. J ahrhundert vgl. Häberlein, Brüder; ders., Handelsgesellschaften; vgl. auch Würgler, Akteure, S. 82–92; vgl. auch Schmitt, Städtische Gesellschaft, S. 298ff.; Walter, Informelle Kontakte; ders., Bons amis; ders., Spionage. Vgl. in Ansätzen Jucker, Geheimnis, S. 79 ff.; Teuscher, Bekannte, S. 203–238; Poeck, Herren, S. 11–17 u. S. 509–513.
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D. Informelle Kontakte
de.3 Hinzu gesellt sich eine Reihe von methodischen Schwierigkeiten: So wurden beispielsweise in Bern in die Missivenbücher nur Entwürfe der Briefe eingetragen, die der Rat für besonders wichtig hielt, die er vor der Versendung nochmals kontrollieren wollte und an deren Inhalt er besonders interessiert war.4 Der größte Teil von diesen wurde auf Beschluss des gesamten Ratsgremiums abgefasst, wie die unter ihnen stehenden Zusätze („coram toto consilio“) verraten. Einige Briefe scheinen jedoch dezidiert im Auftrag einzelner Ratsherren geschrieben worden zu sein, was ebenfalls die unter ihnen stehenden Zusätze verraten. Gerade in KonÁiktzeiten heißt es vermehrt, sie seien beispielsweise „coram Sculteto N. N.“, also im Auftrag des jeweiligen amtierenden Schultheißen oder anderen Räten abgefasst worden. Der überwiegende Teil der Briefe war in diesem Zusammenhang an auswärtige Ratsgremien „in toto“ gerichtet, doch wurden einige explizit an einzelne auswärtige Ratsherren geschrieben. Dass sich sowohl die ein- als auch die ausgegangenen Briefe noch heute in den Archiven der untersuchten Städte Ànden, verdeutlicht, dass die politischen Führungsgremien ein gesteigertes Interesse an ihrer Aufbewahrung hatten, auf ihren expliziten Wunsch hin geschrieben wurden und auf diese Weise an der Schaffung von Wissensbeständen interessiert waren. Daran offenbart sich auch der Graubereich, in dem man sich bei der Analyse und Interpretation der informellen Kontakte bewegt. Denn es ist nicht immer einfach zu unterscheiden, ob man informell mit inofÀziell gleichsetzen kann beziehungsweise muss.5 Ein möglicher Hinweis auf informelle Kontakte einzelner Berner Räte Àndet sich unter den Briefen bei den genannten Abfassungsorten. Denn im Normalfall fertigten der Stadtschreiber und seine Mitarbeiter die auf den Ratssitzungen beschlossenen Briefe in der Kanzlei an. Diese enthielten dann keine Angaben über Orte, an denen sie geschrieben worden waren. Daher muss man aufmerksam werden, wenn unter den Schreiben in den Missivenbüchern alternative Abfassungsorte genannt werden. Interessanterweise sind die betreffenden Schreiben nie vom gesamten Ratsgremium, sondern stets von einzelnen Räten oder einem kleineren Kreis von diesen in Auftrag gegeben worden. Im Zusammenhang mit der vorgestellten Berner Führungsgruppe sind einige von diesen Schreiben bereits angesprochen worden, die in der „Stube zum Narren und Distelzwang“ oder in Privathäusern der genannten Räte vom Berner Stadtschreiber Thüring Fricker geschrieben waren. Sucht man in den Missivenbüchern gezielt nach Briefen, die an anderen Orten als in der Kanzlei geschrieben wurden, werden im Untersuchungszeitraum als deren Auftraggeber nahezu immer die gleichen Räte genannt. Bei diesen handelte es sich
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Teuscher, Bekannte, sowie ders., Kinship. Ansätze Ànden sich auch bei Buchholzer-Rémy, Ville, S. 173 ff.; Butz, Informelle Strukturen; darin besonders Paravicini, Informelle Strukturen; Fouquet, Herr und Hof; für die Frühe Neuzeit vgl. auch Würgler, Akteure. Jucker, Gesandte, S. 195–225; Esch, Alltag. Teuscher gibt in diesem Zusammenhang Folgendes an: „Eine Unterscheidung formeller und informeller Beziehungen hat […] weitgehend idealtypischen Charakter und trennt Aspekte, die im tatsächlichen Handeln eng miteinander verknüpft sein konnten“, Teuscher, Bekannte, S. 13 f.
1. Informelle Kontakte zwischen Räten
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bis auf wenige Ausnahmen um Wissensträger aus dem vorgestellten Führungskreis von Bern. Der erste Brief, der in diesem Zusammenhang behandelt werden soll, ist an den Markgrafen Rudolf von Baden-Hachberg gerichtet. Er wurde Ende November 1469 vom Stadtschreiber Fricker im Auftrag des damals amtierenden Schultheißen Nikolaus von Scharnachtal verfasst6. Abfassungsort war höchstwahrscheinlich das Wirtshaus „Zur roten Glocke“, das dem wohlhabenden Berner Bürger Jakob Lombach („Executum coram Sculteto in domo Lombach“7) gehörte und schon zuvor als Abfassungsort gedient hatte.8 Sein Inhalt ist insofern interessant, als Scharnachtal den Markgrafen darum bat, sich für die Belange des Berner Bündnispartners Mülhausen bei seinem Amtsnachfolger als Verwalter der Pfandlande, Peter von Hagenbach, einzusetzen. Das Wirtshaus als Abfassungsort deutet auf einen weiteren Aspekt hin, der später noch näher vorgestellt wird. So scheint es üblich gewesen zu sein, dass die Räte nach ihren Sitzungen sich in Wirtshäusern zu informellen Gesprächen zusammensetzten. Daher verwundert es auch nicht, dass sich Wirtshäuser nachweislich als Orte für die Informationsbeschaffung geradezu anboten und dementsprechend genutzt wurden.9 Einen weiteren alternativen Abfassungsort enthält ein Brief, den Nikolaus von Diesbach von Thüring Fricker am 28. Februar 1475 an den Bischof von Sitten, Walther Supersaxo, schreiben ließ und im Wohnhaus von Diesbach selbst („Executum coram Sculteto von Diesbach in domo sua“) abgefasst wurde.10 Darin berichtete Diesbach dem geistlichen Herrschaftsträger von den neuesten Ereignissen im Krieg gegen Karl den Kühnen und seine Verbündeten.11 Zahlreiche Formulierungen in dem Brief deuten zudem an, dass die beiden schon zuvor in Kontakt miteinander gestanden haben müssen und dies auch für die Zukunft planten. Dementsprechend versprach Diesbach dem Bischof einerseits, seine Anliegen auf einer Versammlung mit den eidgenössischen und oberrheinischen Bündnispartnern zu vertreten und ihm die Ergebnisse der Gespräche mitzuteilen. Andererseits bat er aber auch den Bischof, ihn über Neuigkeiten im Bistum Sitten zu informieren. Das stellte insofern eine besondere Notwendigkeit dar, als das Wallis, das direkt an das Berner Territorium angrenzte, im Untersuchungszeitraum stets ein Unsicherheitsfaktor war. Ein weiteres Schreiben, das ebenfalls im Haus von Diesbach und in dessen Auftrag im Januar 1470 verfasst wurde, ist an den Berner Bündnispartner
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StABe Dt. Miss. A, fol. 641. Zur Familie Lombach vgl. Braun, Lombach. Lombach unterhielt enge Beziehungen zur vorgestellten Berner Führungsgruppe. Beispielsweise vermachte Nikolaus von Diesbach ihm in seinem Testament einen silbernen Becher, StABe Testamentenbuch 1, fol. 191v. Überdies erscheint Lombachs Haus in einem weiteren Brief als Abfassungsort, StABe Dt. Miss. A, fol. 596 – 7. Juli 1469. Einige Beispiele für Wirtshäuser als Orte politischer Versammlungen der Eidgenossen nennen auch Jucker, Geheimnis, S. 79 f.; Würgler, Boten und Gesandte, S. 294 f.; zur Bedeutung von Wirtshäusern vgl. Teuscher, Bekannte, S. 193–203. Siehe dazu das Kapitel F 1. StABe Dt. Miss. C, fol. 386. Zur Haltung des Bischofs im Kontext der Burgunderkriege vgl. Grand, Wallis.
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D. Informelle Kontakte
Mülhausen gerichtet.12 Es wurde abermals vom Berner Stadtschreiber Fricker geschrieben und stellt eine Antwort auf ein Schreiben der Räte Mülhausens dar. In ihm versicherte Diesbach den Räten, dass er um ihre Probleme mit den burgundischen Machthabern und dem umliegenden Adel wisse und sich für ihre Anliegen einsetzen werde. Von der Tatsache, dass dieser Brief Gegenstand von Diskussionen zwischen Fricker und Diesbach war, zeugen am Rand stehende Bemerkungen und Einschübe. Diese verdeutlichen, dass der Kleinrat in erheblichem Maß EinÁuss auf den Inhalt ausübte. Die vorgestellten Beispiele von alternativen Abfassungsorten beweisen, dass es für einzelne Räte mit Hilfe des Berner Stadtschreibers möglich war, ihre informellen Kontakte zu pÁegen. Schließlich war der Stadtschreiber dem Kleinen Rat persönlich eng verbunden. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass die Missivenbücher sich vermutlich im Besitz des Informationsverwalters Fricker befanden, der sie mit nach Hause nahm und dann auf Wunsch einzelner Räte zu dem von ihnen gewünschten Ort mitbrachte. Das erleichterte den Zugriff der Räte auf ihn und seine Arbeit. Besonders deutlich tritt das an einem Brief, den er „in domo mea“, in seinem Wohnhaus, „snell und ylends umb die XII. stund nach mitternacht“ in Anwesenheit der vorgestellten Wissensträger Nikolaus von Diesbach und Nikolaus von Scharnachtal abfasste.13 Da das Schreiben eine dringende Warnung an die Berner Hauptleute im Feld vor Waldshut enthielt, war eine zeitnahe Abfassung vermutlich vonnöten. An den alternativen Abfassungsorten tritt die besondere Rolle der Stadtschreiber im Hinblick auf die PÁege der informellen Kontakte und ihre Unterstützung der Führungsgruppen deutlich hervor. Doch waren diese nicht nur ausführende Organe ihrer Räte. Auch sie selbst unterhielten, wie noch zu zeigen sein wird, informelle Kontakte. Bei den von ihnen absolvierten Universitätsbesuchen oder einer Lehre in einer anderen Stadt kamen sie zwangsläuÀg in Kontakt mit Personen, die später vergleichbare Karrieren einschlugen wie sie selbst. In einem ersten Schritt sollen in diesem Kapitel die informellen Kontakte zwischen einzelnen Räten aus den untersuchten Städten im Vordergrund stehen, um sich dann den Kontakten der vorgestellten Stadtschreiber zuzuwenden. Im dritten Schritt wird mit der Berner „Stube zum Narren und Distelzwang“ ein mögliches Forum für informelle Kontakte vorgestellt. 1.1. Bern und Basel Einen auf den ersten Blick als informell zu charakterisierenden Kontakt zwischen Berner und Basler Räten offenbart ein Schreiben, das am 26. Mai 1470 laut dem Berner Unterschreiber Diebold Schilling „wegen herrn Niclausen von Diespachs“14 an den ehemaligen Basler Oberzunftmeister, Salzmeister und amtierenden Dreizeh12 13 14
StABe Dt. Miss. A, fol. 666 f. (undatiert). StABe Dt. Miss. A, fol. 402 (Anfang August 1468). StABe Dt. Miss. A, fol. 731 f.
1. Informelle Kontakte zwischen Räten
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ner der Stadt Hans Bremenstein geschrieben wurde.15 Wie die Familie Diesbach waren auch die Bremensteins Jahrzehnte zuvor im Tuchhandel tätig gewesen. Es ist daher vorstellbar, dass sie in diesem Zusammenhang miteinander in Kontakt kamen.16 Zudem war Bremenstein einer der maßgeblichen Basler Wissensträger hinsichtlich der Probleme der Reichsstadt Mülhausen und für Gespräche mit den Eidgenossen. Auf den deswegen geführten Versammlungen war er häuÀg mit den Mitgliedern der vorgestellten Berner Führungsgruppe Petermann von Wabern, Nikolaus von Scharnachtal und Nikolaus von Diesbach zusammengetroffen, um mit ihnen über das im Raum stehende und gegen Burgund gerichtete Bündnis zwischen ihnen zu diskutieren. Da der Brief in der ersten Person Singular geschrieben wurde, scheint er in direktem Auftrag Diesbachs, vielleicht sogar von ihm persönlich verfasst worden zu sein. In ihm bedankte Diesbach sich zunächst bei seinem „sundern geliebten frunde“ Bremenstein für dessen letzten Brief, der den Problemen Mülhausens geschuldet war. Das deutet bereits an, dass die beiden schon zuvor Briefe ausgetauscht haben müssen. Diesbach gab an, er habe gemeinsam mit seinem Ratskollegen Adrian von Bubenberg und dem Solothurner Stadtschreiber Hans vom Stall auf einer Versammlung, die kurz zuvor stattgefunden haben muss, mit Mülhausener Abgeordneten gesprochen und ihnen empfohlen, den burgundischen Amtsträgern gegenüber „guot wort mitzeteilen“, da man auf diese Weise eher zu einer Lösung ihrer großen Schwierigkeiten beitragen könne. Zuletzt versicherte Diesbach, dass sich die Basler Führung sicher sein könne, dass Bern Mülhausen nicht im Stich lasse. Interessanterweise Àndet sich im Berner Missivenbuch für denselben Tag auch ein „ofÀzielles“ Schreiben an den Rat der Stadt Basel. Dieses wurde jedoch im Auftrag des gesamten Berner Rates verfasst und enthielt weniger vertrauliche Details als das Schreiben Diesbachs an Bremenstein.17 Mülhausens Probleme waren auch Gegenstand eines weiteren Briefs, den der Berner Kleinrat Ludwig Hetzel von Lindenach Anfang März 1471 ebenfalls an Bremenstein schrieb.18 Dieser steht in Zusammenhang mit einer wichtigen Versammlung in Basel. Dort waren die wichtigsten Wissensträger des Untersuchungszeitraums mit Vertretern des burgundischen Herzogs zusammengekommen, um zumindest für die folgenden Monate eine kurze Entspannung für Mülhausen zu erreichen. Der Berner rekurrierte in seinem Schreiben an seinen „fursichtige[n], frome[n], wise[n], besunder guote[n] frúnd“ Bremenstein auf ein zwischen ihnen in Basel vertraulich geführtes Gespräch, in dem es um Mülhausen gegangen war.19 In dessen Verlauf hatte Bremenstein dem Berner anscheinend versichert, nach seinem 15
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Vgl. bereits den Auftrag im betreffenden Ratsprotokoll vom 26. Mai 1470: „Schrib Bremenstein in sunder von des von Diespachs wegen: Man hab im abscheid den von Mulhusen uff dem tag ze Basel beuolhen, den lantvogt vnd andern guot wort ze geben […] dann min herren nit in willen sind, si [die Stadt Mülhausen, d. Verf.] von handen ze lassen“, StABe RM 6, fol. 87. Steinbrink, Meltinger, S. 117–120. StABe Dt. Miss. A, fol. 734. StABe Dt. Miss. A, fol. 817. Zur Familie Hetzel von Lindenach vgl. Modestin, Hetzel. Zu den „fründen“ vgl. Teuscher, Bekannte, S. 75–115; insbesondere das Kapitel „Die ‚fründe‘ mobilisieren“ S. 94–109, sowie ders., Kinship, S. 78 f.
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D. Informelle Kontakte
„besten vermegen“ all seinen „Áiß“ daranzusetzen, um sich bei den Räten seiner Heimatstadt für die Anliegen Mülhausens einzusetzen. Da der Mülhausener Rat am Tag der Abfassung seines Briefes den Berner Räten ein besorgniserregendes Schreiben übermittelt habe, wollte sich Hetzel beim Basler informieren, was von ihm bereits erreicht worden sei. Zu den auf den ersten Blick als informell zu charakterisierenden Kontakten gehören auch zwei Briefe, die im Auftrag Diesbachs an den vorgestellten Basler Rat Heinrich Zeigler geschrieben wurden.20 Auch die Familie Zeigler weist Parallelen zu den Diesbachs auf, war wie sie in den 1420er Jahren durch Handel mit Leinwand und Tuch reich geworden und lässt sich ab den 1430er Jahren kontinuierlich im Basler Rat belegen. In einem ersten Schreiben bedankte sich Diesbach am 30. März 1473 zunächst bei seinem „lieben gśten frúnd“ Zeigler für dessen Briefe, die ihm durch seinen Verwandten Nikolaus von Scharnachtal übergeben worden seien.21 Daran, so Diesbach, erkenne er den „gśten getruwen willen“ des Baslers gegenüber Bern. Aufgrund von Verhandlungen, die in Basel geführt worden seien und von denen Zeigler wisse, habe er Scharnachtal, der auf eine in Luzern stattÀndende Versammlung der Eidgenossen als Berner Wissensträger abgeordnet worden sei, damit beauftragt, Zeiglers Anliegen „in grosser geheimd“ vor die Versammelten zu bringen. Dort sei es, so Diesbach, „ouch wol verswigen“ und gab an, er habe die von Zeigler gegebenen Informationen mit seinen Miträten diskutiert, die ihm zur Antwort geraten hätten. Das deutet an, dass es mitunter schwer fällt, informell mit inofÀziell gleichzusetzen. Vielmehr scheint es eine gezielte Nutzung der Kontakte einzelner Räte seitens der Führungsgremien gegeben zu haben. Dass Diesbach das in seinem Brief an Zeigler explizit ansprach, könnte darauf hindeuten, dass dies auch im Interesse des Baslers lag. In den folgenden Zeilen wurde Diesbach expliziter: So müsse man dafür Sorge tragen, dass die vier Waldstädte Säckingen, Laufenburg, Waldshut und Rheinfelden nicht von der sich formierenden eidgenössischoberrheinischen Koalition abÀelen, woran insbesondere Bern und Basel ein gesteigertes Interesse hätten. Dies sollte Zeigler bedenken und sich bei anderen, die ihm „gśt beduncken“, dafür einsetzen. Er könnte sich sicher sein, dass auch Diesbach und seine Miträte „tag vnd nacht“ bei den Eidgenossen gleichermaßen verfahren würden. Zuletzt bat Diesbach den Basler darum, sobald er Neuigkeiten habe, ihn von diesen in Kenntnis zu setzen und versprach, selbiges auch zu tun. An Diesbachs Brief ist besonders der zeitliche Kontext seiner Abfassung interessant. Denn Anfang März 1473 hatte der burgundische Landvogt Peter von Hagenbach erfolglos versucht, das am Rhein gelegene und im Brief erwähnte Säckingen zu unterwerfen.22 Kurz zuvor war es in Basel zwischen den oberrheinischen Reichsstädten und den Eidgenossen zu den entscheidenden Verhandlungen über die Auslösung der verpfändeten Gebiete gekommen. An diesen hatten nachweislich unter an20 21 22
Zu diesem Kontaktnetz vgl. Walter, Bons amis; ders., Spionage. StABe Dt. Miss. C, fol. 49. Vor allem der Protest aus Bern und Basel hatte dazu geführt, dass Hagenbach dabei nicht erfolgreich gewesen war, vgl. dazu Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 103.
1. Informelle Kontakte zwischen Räten
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derem von Berner Seite Scharnachtal und der Basler Zeigler als Wissensträger ihrer Städte teilgenommen. Resultat der Gespräche war ein erster Entwurf des rund ein Jahr später geschlossenen Bündnisses zwischen den Eidgenossen und den oberrheinischen Reichsstädten, über den die späteren Bündnispartner diskutierten. Auf diese Weise ist Diesbachs Brief in der Lage, ein nur auf den ersten Blick als informell zu charakterisierendes Kontaktnetz hervortreten zu lassen, an dem einzelne Berner und Basler Wissensträger Anteil hatten. Denn es ist davon auszugehen, dass die Übergabe dieser Briefe neben den eigentlichen Verhandlungen geschah, die jedoch mittels der Briefe erheblich beeinÁusst und gelenkt wurden. Drei Tage später wandte sich Diesbach erneut in einem Brief an Zeigler und informierte ihn darüber, dass er seit seinem letzten Brief „ettlich nuwe meren“ erfahren habe.23 So habe unter anderem der französische König Ludwig XI. eine Stadt in der Grafschaft Armagnac erobert, wobei sehr viele Soldaten umgekommen seien. Die folgende Information Diesbachs steigerte die Unruhe in den gegen den burgundischen Herzog vorgehenden eidgenössischen und oberrheinischen Städten und sorgte für ein verstärktes Zusammenrücken zwischen ihnen. Denn der Berner gab an, dass der französische König einen Waffenstillstand mit dem Herzog von Burgund geschlossen habe. Sobald er etwas Genaueres darüber erfahre, werde er ihm das zukommen lassen. Dies verkünde er seinem Basler Kollegen als seinem „liebsten frúnd“ bat ihn, es „an die end in geheimd“ gelangen zu lassen, wo es ihm nützlich erscheine. Gleichzeitig forderte er ihn zuletzt auf, die vorangegangenen Gespräche nicht zu vergessen und wiederholte abermals, man müsse alles dafür tun, dass die vier Waldstädte nicht vom Bündnis abÀelen. Falls auch Zeigler etwas Wichtiges erfahre, möge er ihm das „in geheimbd“ übermitteln. Obgleich sich in den Berner Missivenbüchern keine weiteren Briefe von Diesbach an Zeigler Ànden, ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass der Kontakt zwischen den beiden auch in der Folgezeit nicht abbrach und vermutlich sogar intensiviert wurde. 1.2. Basel und Straßburg Auch zwischen Straßburger und Basler Räten lassen sich informelle Kontakte nachweisen. Das beweist ein Schreiben, das der Basler Bürgermeister Hans von Bärenfels an den Straßburger Stettmeister Hans-Rudolf von Endingen am 5. April 1473 verfasste.24 Darin bat er diesen, dass er ihn mit dem Boten, der seine Nachricht überbrachte, wissen lassen solle, „waß gefellens die Rete“ in Straßburg hätten. Mit Sicherheit ging es auch hier wie beim vorgestellten Briefwechsel zwischen Nikolaus von Diesbach und Heinrich Zeigler um die kurz zuvor in die Wege geleitete Verbindung der oberrheinischen Reichsstädte mit den Eidgenossen und Mülhausen.25 Auf zahlreichen wichtigen Versammlungen waren auch Bärenfels und Endingen zugegen gewesen. 23 24 25
StABe Dt. Miss. C, fol. 51; zu den „Nüwen meren“ siehe Kapitel G 2.1. AMS AA 264, fol. 9. Vgl. die Tagsatzung in Luzern, die am 31. März 1473 stattfand, Segesser, Abschiede Nr. 701g, S. 443. Auf dieser beschlossen die Anwesenden unter Geheimhaltung, auf der nächsten, am
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D. Informelle Kontakte
Bärenfels trat in seinem Brief auf diese Weise in Informationsvorleistung, in dem er von zahlreichen Truppenbewegungen im Herzogtum Savoyen berichtete.26 Wohin sich diese wenden würden, wusste er nicht und bat den Straßburger um die Mitteilung von „nüwer mer“. Leider konnte Endingen den Brief von Bärenfels nicht persönlich entgegennehmen, da er sich seit dem 4. April 1473 als Hauptmann bei den Straßburger Truppen befand, die kurze Zeit später die gefangenen eidgenössischen KauÁeute befreiten. Kurioserweise Àndet sich trotzdem eine am 6. April 1473 geschriebene und in der ersten Person Singular gehaltene Abschrift der Antwort Endingens.27 Der vorgebliche Endingen teilte Bärenfels mit, die Straßburger Räte hätten bezüglich „des letsten abscheides halb“ noch nichts beschlossen und dankte ihm für die gegebenen Informationen über die Truppenbewegungen im Herzogtum Savoyen. Wenn er weitere Neuigkeiten erfahre, solle er ihm diese auf Kosten von Straßburg mitteilen. Zuletzt gab Endingen noch an, dass er und sein Ratskollege Amelung zu Hauptleuten von Straßburger Truppen bestimmt worden seien, die gegen den lothringischen Herzog vorgehen wollten. Es stellt sich die Frage, wie der Straßburger Stettmeister persönlich antworten konnte, wenn er zum Zeitpunkt des Eintreffens des Briefs von Bärenfels nachweislich nicht in Straßburg weilte und dessen Brief ihm auch nicht zugetragen wurde. Eine Erklärung dafür bietet ein Schreiben des damals amtierenden Straßburger Ammeisters Riffe an Endingen vom gleichen Tag. Darin gab Riffe an, am Tag nach seinem Auszug aus der Stadt sei ein Brief „in die cantzlye“ gebracht worden, der an ihn, Endingen, persönlich gerichtet gewesen sei. Da er aber bereits mit den städtischen Truppen abgeritten sei, habe man das Schreiben in der Kanzlei „uffgebrochen […] gelesen“, und „ein antwort daruff geschrieben“, die man ihm nun in einer Abschrift mitschicke. Als Kopie lag Riffes Brief das ursprüngliche Schreiben des Basler Bürgermeisters bei.28 Dieser Briefwechsel belegt abermals, wie schwer die Grenze zwischen inofÀzieller und ofÀzieller Kommunikation zu ziehen ist. Da der Bote den Brief von Bärenfels an seinen Straßburger Kollegen in der dortigen Kanzlei ablieferte, war eine Öffnung des Briefs durch die Räte und den Stadtschreiber anscheinend genauso problemlos möglich wie das Verfassen einer Antwort an Bärenfels. Doch damit ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Kommunikation im Untersuchungszeitraum angesprochen: Das noch sehr rudimentär entwickelte Briefgeheimnis. Wollten die Sender gezielt und an einen bestimmten Empfänger schreiben, mussten sie das dezidiert in der Adresszeile vermerken. Vor diesem Hintergrund erklären sich die in einigen Briefen auftauchenden Zusätze, nach denen bestimmte Schreiben dem jeweiligen Empfänger „in sin hant“ übergeben werden sollten.29 Derartige
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11. April stattÀndenden Versammlung ihre Meinung zu einer näheren Verbindung zwischen den Eidgenossen, den oberrheinischen Reichsstädten und Mülhausen mitzuteilen. „[I]ch laß uch ouch wissen, daß mir geschriben sige ist, daß bij M gleuen uß lamparten ziechen in Safoy […]“, AMS AA 264, fol. 9. Der angebliche Antwortbrief Endingens an den Basler Bürgermeister Bärenfels in AMS AA 264, fol. 11. AMS AA 264, fol. 10. So beispielsweise in AMS AA 292, fol. 5 und fol. 23. Vgl. dazu beispielsweise auch einen Brief an den Straßburger Stettmeister Hans Rudolf von Endingen, dessen Verfasser das Folgende in
1. Informelle Kontakte zwischen Räten
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Formulierungen Ànden sich verstärkt im Zuge von KonÁikten, in denen Geheimhaltung eine wichtige Rolle spielte. Doch verdeutlicht das Beispiel zudem die (noch) nicht strikte Trennung zwischen Amt und Person sowie die Tatsache, dass man davon ausging, dass Briefe, die an hohe städtische Amtsträger gerichtet waren, für den gesamten Rat von Interesse waren. Das wiederum hat Folgen für die Trennung zwischen ofÀzieller/formeller und inofÀzieller/informeller Kommunikation, die sich vor diesem Hintergrund nicht aufrechterhalten lässt. Überdies scheint es aber auch möglich, dass der Stettmeister vor seinem Wegzug mit den städtischen Truppen mit seinen Ratskollegen und dem Stadtschreiber abgesprochen hatte, wie diese sich verhalten sollten, wenn beispielsweise ein Brief in Straßburg ankam, der an ihn andressiert war. Derartige Probleme konnten von Verfassern und Empfängern umgangen werden, wenn sie Briefe mit ihren Verwandten austauschten. Auch sie boten den politischen Führungsgremien Möglichkeiten zum Erhalt von Informationen, machen aber gleichermaßen auf folgendes Problem aufmerksam, warum sie sich heute in den Archiven der untersuchten Städte Ànden. Ein erster Brief, der zur Beantwortung dieser Frage herangezogen wird, wurde vom Straßburger Klaus Ingold an seinen in Basel lebenden „Vetter“ Hans Zscheckabürlin verfasst.30 Bereits diese Formulierung deutet eine Verwandtschaftsbeziehung zwischen Zscheckabürlin und Ingold hin.31 Das Àndet sich zusätzlich bestätigt, wenn man den letzten Satz des Briefes liest. In ihm bat der Straßburger den Basler nämlich darum, Grüße an seine Familie („hussfrowe und das jungfolck“) auszurichten. Wie genau die verwandtschaftliche Verbindung zwischen den beiden aussah, lässt sich nicht feststellen. Doch könnte sie aus sehr ähnlichen Familiengeschichten resultieren, da sowohl die Zscheckabürlins als auch die Ingolds nachweislich aktiv Fernhandelsgeschäfte betrieben.32 Zscheckabürlin hatte zudem mehrmals als Oberzunftmeister amtiert, und auch Ingold saß in Straßburgs politischem Führungsgremium.33 Wenngleich der
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der Adresszeile vermerkte: „Dem strengen hern Hans Rudolff von Endingen, Ritter, myme lieben broider und besunderen guten frunde sol diser breyff“, AMS AA 292, fol. 15. StABas Deutschland B 2, 5 (Reichsabschiede), fol. 4 (15. Mai 1468). Im Brief berichtete Ingold seinem Verwandten wohl auf dessen Anfrage vom Aufenthalt eines namentlich nicht bekannten Mannes in Straßburg, der sich zuvor jedoch in Basel aufgehalten haben muss. Dieser hatte bei der Straßburger Führung zunächst erfolgreich um ein Geleit angefragt. Als er jedoch daraufhin angefangen habe, sich genauer die Zunfthäuser anzuschauen und die Mitglieder derselben lautstark beleidigt habe, habe der Straßburger Rat ihn zu sich bestellt. In dem darauf folgenden Gespräch habe er sich uneinsichtig gezeigt, alle „ladungsbrieff und auch ander brieff […] zerrissen“ und Straßburg wieder verlassen, so Ingold. Zuletzt bat er seinen Vetter noch um die Übermittlung von Neuigkeiten. Zur Anrede „Vetter“ in Briefen vgl. Teuscher, Bekannte, S. 75–84. Ingold war einer der Hauptteilhaber einer Handelsgesellschaft zwischen seinen beiden Söhnen Konrad und Hans. Im Jahr 1467 betrug sein Anteil an der Handelsgesellschaft 10.000 Gulden, vgl. Von Heusinger, Zunft, Nr. 1505. Zu den Handelsgeschäften der Familie Zscheckabürlin vgl. Hagemann, Basler Handelsgesellschaften. Zu Klaus Ingold († 24. März 1474) vgl. von Heusinger, Zunft, Nr. 1505; Kindler von Knobloch, Das goldene Buch, S. 135 f.; Brady, Ruling Class, S. 124 f. Klaus Ingold hatte im Jahr 1473 von Kaiser Friedrich III. einen Wappenbrief ausgestellt bekommen.
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D. Informelle Kontakte
Inhalt des Schreibens nicht erkennbar mit dem Thema der vorliegenden Arbeit zusammenhängt, wird an zahlreichen Formulierungen deutlich, dass schon zuvor Nachrichten zwischen den beiden ausgetauscht worden waren. Für diese Tatsache spricht auch, dass Ingold seinen Vetter am Ende seines Briefes darum bat, ihn auch weiterhin mit Neuigkeiten zu versorgen. Ebenfalls auf verwandtschaftliche Beziehung zwischen Straßburger und Basler Räten deutet ein Brief hin, den der erwähnte Basler Dreizehner Heinrich Zeigler an seinen „Swager“ Konrad Ingold im Oktober 1475 richtete.34 Auch hier resultierte ihre Verwandtschaft aus vergleichbaren familiären Hintergründen. Denn sowohl die Familie des Basler Rats, Dreizehners und ehemaligen Oberzunftmeisters als auch die des Straßburgers Ingold hatten in der Zeit zuvor am Fernhandel partizipiert beziehungsweise taten dies noch immer. Im Brief wird gleichermaßen deutlich, dass ebenfalls schon vorher Briefe zwischen ihnen ausgetauscht worden sein müssen. Dass sie sich heute in den Archiven der untersuchten Städte beÀnden, deutet an, dass die Briefpartner um die Wichtigkeit der sich offenbarenden Kontakte wussten und ihre Kollegen in den Führungsgremien gezielt mit Informationen versorgten. 1.3. Straßburg und Bern Standen gerade persönliche Kontakte zwischen Räten aus unterschiedlichen Städten und ihre gezielte Nutzung für die städtische Politik im Vordergrund, eröffnet der folgende Brief eine weitere Perspektive.35 Denn der Verfasser des Briefes, der Berner Chronist Diebold Schilling, war sowohl Mitglied des Großen Rats von Bern als auch Unterschreiber in der Kanzlei.36 Schilling verfasste dieses Schreiben an den Straßburger Kaspar Barpfennig während der Burgunderkriege Anfang 1476.37 Auch redete er den Adressaten seines Briefes mit „Vetter“ an, eine Formulierung, an der wiederum verwandtschaftliche Netze sichtbar werden. Schilling kommt nach einleitenden Grußworten gleich auf sein Anliegen zu sprechen. So hatte er anscheinend Barpfennig in seinem letzten Brief darum gebeten, „etwas nuwer meren“ zu schreiben, was bisher bedauerlicherweise noch nicht geschehen sei, zumal er ihm zahlreiche Informationen aus Bern habe zukommen lassen. Es folgen Darstellungen aktueller politischer Ereignisse aus Berner Perspektive, die Erwähnung und Paraphrase zahlreicher an Bern geschriebener Briefe und aus Frankreich kolportierter Gerüchte. Daraufhin gab Schilling an, man habe in Bern vernommen, man habe sich in Straßburg wegen der zunehmenden burgundischen Bedrohung
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AMS IV 105a, fol. 9 (26. Oktober 1475); zu Kontakten, die auf den Ehepartnern basierten vgl. Teuscher, Bekannte, S. 65–71. AMS AA 292, fol. 33. Zahnd, Stadtchroniken; Ladner, Schilling. Zur Familie Barpfennig vgl. Dollinger, Barpfennig; vgl. auch Hatt, Liste des membres; Teuscher, Bekannte, S. 91.
2. Informelle Kontakte der Stadtschreiber
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dazu entschlossen, die Befestigungen zu verstärken, was man in Bern gutheiße.38 Straßburg könne sich der Unterstützung der Aarestadt sicher sein, das höre er täglich von seinen Räten. Tatsächlich lässt sich nachweisen, dass Straßburg in jenen Wochen seine gesamten Befestigungen verstärkte, außerhalb der Stadtmauern gelegene Häuser und Scheunen abreißen und Klöster in die Stadt verlegen ließ. Zuletzt bat Schilling seinen Verwandten noch um Ausrichtung von Grüßen an die Straßburger Amtsleute Peter Schott und Hans von Berse, die ihm beim Zug in die Freigrafschaft vor Blamont „vil gśts getan“ hätten. Außerdem begehrte er die Zusendung von Schreibutensilien, die er anscheinend dringend benötigte und wiederholte seinen unbedingten Wunsch nach Neuigkeiten aus Straßburg. Auch an diesem Brief wird somit deutlich, wie schwer eine Trennlinie zwischen informell/inofÀziell und formell/inofÀziell zu ziehen ist. Denn es ist bezeichnend, dass die von Schilling (und Barpfennig) möglicherweise für die Privatkorrespondenz vorgesehenen Schreiben sich heute im Archiv von Straßburg beÀnden. Mit Sicherheit ging Barpfennig davon aus, dass der Inhalt des Schreibens seines Verwandten interessant für die städtische Führungsgruppe seiner Heimatstadt war und übermittelte es ihr daher umgehend. Gleiches ist auch bei Schilling zu vermuten. Auch er teilte die Inhalte von Barpfennigs Briefen seinem Führungsgremium mit, weil sie wichtig für das weitere politische Vorgehen waren. Mit Sicherheit war das bereits bei der Abfassung der Briefe intendiert, so dass man zu der Ansicht gelangen kann, dass die Führungen um die verwandtschaftlichen Netze und erweiterten Kontakte ihrer Bürger, Kollegen und Schreiber wussten und diese gezielt mit der Beschaffung von Informationen beauftragten. Zugleich erreichte man mithilfe der Schreiben mehr als mit ofÀziellen Briefen, das gegenseitige Vertrauen zu verstärken. 2. INFORMELLE KONTAKTE DER STADTSCHREIBER 2.1. Die Briefwechsel des Berner Stadtschreibers Thüring Fricker Vor allem (Stadt-)Schreiber verfügten aufgrund ihrer hohen Mobilität und ihres Fachwissens über zahlreiche Möglichkeiten zum Knüpfen und zur PÁege von Kontakten, die auf den ersten Blick informell erscheinen. Auch beim Berner Stadtschreiber Thüring Fricker war das nicht anders, doch wurde dessen (Privat?-)Korrespondenz bisher noch nicht im Hinblick auf ihren Nutzen für die Stadt Bern untersucht. Einer dieser Briefwechsel verband ihn mit Albrecht von Bonstetten, einem 1445 geborenen (späteren) Humanisten, der aus einer verarmten adligen Familie in der Nähe von Zürich stammte.39 Bonstetten war im Jahr 1465 ins Kloster Einsiedeln eingetreten und studierte ab 1466 in Freiburg i. Br. und Basel und ab 1471 auf
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Im Brief heißt es „ir stat vast stark zu machen mit aufwerfen nuwer graben und andern dingen“, AMS AA 292, fol. 33. Zur Befestigung Straßburgs Rapp, Villes. Zu diesem Briefwechsel vgl. auch Walter, Informelle Kontakte.
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D. Informelle Kontakte
Empfehlung der Eidgenossen in Pavia Rechtswissenschaften.40 Er war der Autor von zahlreichen lateinischen historiographischen Werken und verfasste beispielsweise bereits 1477 die erste Darstellung der Burgunderkriege, eine Beschreibung der Eidgenossenschaft und zahlreiche Schriften, die die Geschichte des Herzogtums Österreich beinhalteten.41 Bonstetten unterhielt ein großes Kontaktnetz mithilfe von zahlreichen Briefen.42 Der Adressatenkreis seiner Schreiben war sehr heterogen und reichte vom einfachen Kleriker in Konstanz bis hin zum mailändischen Herzog, dem Dogen von Venedig sowie Personen aus deren Umfeld. Teilweise scheint Bonstetten aber auch gezielt um Informationen angegangen worden zu sein. Das belegen drei vom Berner Stadtschreiber an ihn geschriebene Briefe, die 1473 beziehungsweise 1474 verfasst wurden. Den ersten schrieb der frisch promovierte Fricker am 22. April 1473 in Como, wo er auf dem Rückweg von seiner bereits vorgestellten Mission nach Italien einen Zwischenhalt einlegte.43 Darin berichtete er Bonstetten, der sich zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich in Pavia aufhielt, von seinen Anfragen nach seiner Ànanziellen Unterstützung. Bereits daran wird deutlich, dass die erhaltenen Briefe nur einen Bruchteil der eigentlichen Korrespondenz darstellen. Zudem informierte er Bonstetten über die Gefangennahme der eidgenössischen KauÁeute auf dem Rhein, die in diesen Tagen die gesamte Eidgenossenschaft und den Oberrhein in große Aufregung versetzt habe. Von dieser Angelegenheit hoffte Fricker, dass sie ein gutes Ende nehme. Zuletzt versicherte er ihm, dass er besondere Sorgfalt auf seine Angelegenheiten verwenden werde, und bat ihn um Beantwortung von weiteren Schreiben, die nun öfter folgen würden. Von diesen erreichte der nächste Brief den Studenten im Mai 1473.44 Darin informierte Fricker ihn abermals über politische Neuigkeiten und gab an, dass er sich wegen Bonstettens Geldnöten auf eine Reise nach Schwyz, Einsiedeln, Luzern, Bern und Lausanne begeben habe.45 Wahrscheinlich geschah die Verwendung für Bonstetten mit Unterstützung von Mitgliedern des Kleinen Rats von Bern, die gleichsam an einem Kontaktmann in Mailand interessiert gewesen sein dürften. Darauf könnte auch hindeuten, dass Fricker Bonstetten darüber informierte, dass sich lediglich der Luzerner Bürgermeister Heinrich von Hunwil sowie der Berner Nikolaus von Dies40
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Zu Albrecht von Bonstetten vgl. Schweers, Bonstetten, S. 39–61; zu den aus den Studienaufenthalten erwachsenen Beziehungen in der Frühen Neuzeit vgl. Würgler, Boten und Gesandte, S. 301. Zum Werk über die Burgunderkriege, dem so genannten „Germania prelia Karoli quondam Burgundie ducis et Ànis eius“, Bonstetten, Beschreibung der Burgunderkriege; vgl. dazu Schweers, Bonstetten, S. 85–93. Bei der genannten Beschreibung der Eidgenossenschaft handelte es sich um die so genannte „Superioris Germanie confederationis descriptio“, die ca. 1479 fertiggestellt wurde, dazu Sieber-Lehmann, Darstellung; Schweers, Bonstetten, S. 78 ff; zur so genannten „Historia Domus Austrie“ (1491) vgl. Schweers, Bonstetten, S. 110–132. Ein Auszug dieses Briefnetzes Àndet sich bei Büchi, Briefe Bonstetten. Büchi, Briefe Bonstetten, Nr. 19, S. 30 f. Büchi, Briefe Bonstetten, Nr. 26, S. 37 f. Möglicherweise hatte Fricker seine bereits vorgestellte Gesandtschaft nach Lausanne für die Anliegen des Studenten genutzt. Der eigentliche Hintergrund der Mission nach Lausanne war es gewesen, dass er den Bischof von Lausanne von den Ergebnissen seiner Reise nach Rom in Kenntnis setzen wollte.
2. Informelle Kontakte der Stadtschreiber
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bach zu seiner Ànanziellen Unterstützung bereit erklärt hätten.46 Der Grund für diese Geldnöte könnte in den hohen Lebenskosten gelegen haben, die sein Studium in Pavia verursachte. Dass sich die Familie von Bonstetten seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhundert in Ànanziellen Schwierigkeiten befand, erklärt, warum er seine diplomatischen Dienste zahlreichen aus- und inländischen Potentaten anbot und sehr daran interessiert war, in die adligen Kreise der Universität Pavia zu gelangen. Seine Geldnot könnte aber auch damit zusammenhängen, dass er etwaige Informanten, die ihm und damit den Eidgenossen mit Informationen vom Herzogshof versorgten, mit Geldern und/oder Geschenken bezahlen musste. Das könnte auch aus der letzten Bitte Frickers verständlich werden, in der er den Studenten um Informationen über mögliche Aktivitäten des mailändischen Herzogs bat. Dieser scheine nämlich gegen die Eidgenossen zu konspirieren, so Fricker.47 Der letzte erhaltene Brief des Stadtschreibers an Bonstetten stammt vom 28. November 1474.48 Darin entschuldigte er sich dafür, dass er aufgrund der Ankunft von französischen Gesandten und der mit ihnen zu verhandelnden Verträge und Bündnisse der Eidgenossen mit dem französischen König nicht zur Primizfeier Bonstettens habe erscheinen können. Weiterhin übermittelte er seinem Briefpartner Geschenke aus Lyon und fragte an, ob er sich eine Arbeit als Vermittler einer Ehe zwischen einem Berner Goldschmied und einer Frau aus Einsiedeln vorstellen könne. Von dem vorgestellten informellen Briefwechsel proÀtierten alle Involvierten: Sowohl Bonstetten und die Berner Führung beziehungsweise die gesamte Eidgenossenschaft und ihre Verbündeten als auch der Herzog von Mailand. Das wird vor allem im zweiten Brief Frickers deutlich, in dem er politische Neuigkeiten aus Berner Perspektive berichtete, dem in Finanznöten Steckenden Unterstützung vonseiten der Eidgenossen zusagte und um nähere Informationen über die Politik des Herzogs von Mailand bat.49 Schließlich darf bei alldem nicht der politische Kontext vergessen werden: Denn während die politischen Beziehungen Mailands zum französischen König und damit zu Bern und der Eidgenossenschaft bis Mitte 1474 freundschaftlich gewesen waren, verschlechterten sich diese danach stetig. Denn der Mailänder suchte die Nähe des burgundischen Herzogs, was letztlich in das im Januar 1475 zwischen Savoyen, Burgund und Mailand geschlossene „Bündnis von Moncalieri“ einmündete. Erst als sich abzeichnete, dass Karl der Kühne immer mehr in die Defensive geriet, versuchte Mailand im Verlauf des Jahres 1476, die Beziehungen zur Eidgenossenschaft und zu Frankreich heimlich wieder aufzunehmen.50 46
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Der Luzerner Bürgermeister verfügte über gute Kontakte nach Mailand, die höchstwahrscheinlich aus seinen Handelsgeschäften herrührten; zu Hunwil, vgl. Egloff, Hunwil; Walter, Verhandlungen, S. 128 f. Büchi, Briefe Bonstetten, Nr. 26, S. 38: „Fertur, quod tuus Insubrium dux etiam in nos conspiraverit. Spes in deo, ut meliora, quam alii promittunt, tribuat. Quod de his senseris, precor mihi insinues“. Ebd., Nr. 38, S. 52 f. Zu dem Briefwechsel von Bonstetten mit den Sforzas vgl. Schweers, Bonstetten, S. 63–69. Segesser, Abschiede Nr. 830 h, S. 579 (9. Februar 1476). Demnach hätten die Gesandten von Uri Folgendes berichtet: „Von des herzogen von Meillant wegen, als der begert, dz die eidgnos-
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D. Informelle Kontakte
Bezieht man in diese Überlegung mit ein, dass Bonstetten sich in jenen Jahren in Pavia aufhielt und zahlreiche Briefe an den mailändischen Herzog und Personen an dessen Hof schrieb, bekommen seine Schreiben an Fricker eine erweiterte Bedeutung. Denn gerade adlige Studenten scheinen leicht Zugang zum mailändischen Herzogshof und seinem Umfeld gefunden zu haben, der seinerseits von ihnen als Informanten proÀtierte. Für den Zugang war ein Empfehlungsschreiben vonnöten, das Bonstetten von den Eidgenossen erhalten hatte, die darin besonders hervorgehoben hatten, dass er Mitglied eines hochadeligen Klosters war.51 Daher befand sich der Informant gegenüber den Eidgenossen in dem auf Reziprozität basierenden Kommunikationsprozess in der Bringschuld, für deren Einlösung ihm unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung standen, wie beispielsweise die an ihn herangetragene Anfrage des Berner Rates um eine mögliche Vermittlertätigkeit einer Ehe eines Berner Goldschmieds zeigt. Viel zentraler und besonders im vorliegenden Zeitraum wichtiger war es jedoch, dass er die Räte von Bern, Luzern und damit auch die Eidgenossen und ihre Verbündeten mit Informationen vom mailändischen Herzogshof aus erster Hand versorgte. Auf diese Weise war es für sie möglich, an Informationen zu gelangen, die sie sonst nur schwer erhalten hätten. Fricker war der eidgenössische Kontaktmann Bonstettens wie er der Hauptansprechpartner der Eidgenossen am Hof des Herzogs war. Der Stadtschreiber musste den InformationsÁuss zu Bonstetten aufrechterhalten, was das in ihn gesetzte Vertrauen und seine politische Bedeutung noch zusätzlich unterstreicht. Die Informationen, die er auf diesem Weg erhielt, teilte er der Berner Führung mit, die sie vermutlich ihrerseits an ihre Verbündeten weitergab. Dass neben dem Berner Nikolaus von Diesbach auch der Luzerner Bürgermeister Heinrich von Hunwil sich zur Unterstützung des Studenten bereitgefunden hatte, lag zumindest bei letzterem an dessen engen Beziehungen zum mailändischen Herzogshof. Zugleich waren gerade die Städteorte in der Eidgenossenschaft und ihre Führungsgruppen stets an Informationen interessiert. Denn diese versetzten sie in die Lage, über einen Wissensvorsprung zu verfügen, der maßgeblich zur Sicherung ihrer Stellung und der ihrer Verbündeten beitrug. Bonstetten hingegen verband mit seiner Informantentätigkeit die Hoffnung auf einen leichteren Zugang zu adligen Kreisen und hoffte, auf diese Weise neue Kontaktnetze zu erschließen, die ihm zu diplomatischen und politischen Ämter verhelfen und seinen Wunsch nach einem erhöhten Prestige befriedigen sollten. Dass er damit letztlich Erfolg hatte, zeigen einige diplomatische Aufgaben, mit denen er in den 1480er Jahren beauftragt wurde. Diese deuten darauf hin, dass er in einem nicht näher fassbaren Dienstverhältnis zum ungarischen König Matthias Corvinus stand und im Rahmen desselben erfolglos versuchte, eine Ehe zwischen dem Sohn des Königs und der
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sen ir botschaft zu Im tügen, wel er etwaz heimlichs an sy bringen und mit dero sich zu underreden, dz sich zwüschen Inen und Im wol erschiessen, dann er den Eidgnossen tun wel, als Inen lieb si und die Einig halten, dz man die gegen Im ouch halte“. Darin die folgende Formulierung: „[D]umtaxat inconventuales recipiuntur qui de regali principium sive baronum progenie procreati existunt […]“, zit. bei Schweers, Bonstetten, S. 65, Anm. 159.
2. Informelle Kontakte der Stadtschreiber
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Tochter des mailändischen Herzogs, Bianca Sforza, anzubahnen.52 Die Verbindungen nach Ungarn erscheinen zusätzlich plausibel, da Matthias Corvinus sich als Förderer des Humanismus und als Wegbereiter der ungarischen Renaissance hervortat, wodurch es sicherlich einen Berührungspunkt zwischen ihm und Bonstetten gab. Zum Herzog von Mailand bestanden die Kontakte, wie gesehen, bereits seit längerer Zeit. Doch Bonstetten war nicht die einzige Person, die auf Empfehlung der Eidgenossen ein Studium an einer Universität aufgenommen hatte und sich als Informant betätigte. Auch der später einÁussreiche Vermittler der zwischen Herzog Sigmund von Österreich und den Eidgenossen 1474/75 geschlossenen „Ewigen Richtung“, Jost von Silenen, war 1459 auf die gleiche Weise nach Pavia gelangt. Sein Weg führte ihn über mehrere Zwischenstationen ab 1472 an den französischen Hof, wo er zum königlichen Rat ernannt wurde.53 Auf diese Weise konnte die Berner Führung sicher sein, dass sie stets einen ihrer Vertreter am französischen Hof hatte, der neue Informationsnetze erschloss, alte pÁegte und ihr Neuigkeiten und Berichte vom französischen Königshof mitteilte. Dass er dies auch tat, beweisen Briefe, die von ihm an Bern beziehungsweise von Bern an ihn gerichtet wurden. In einem ersten dieser Briefe dankte der Berner Stadtschreiber ihm Ende März 1476 im Auftrag des Berner Rats für seinen vorangegangenen Brief und versorgte ihn mit Informationen vom Krieg gegen den burgundischen Herzog.54 So sei dieser wieder im Herzogtum Savoyen und werde in naher Zukunft Kampfhandlungen gegen sie aufnehmen. Dies möge er dem französischen König mitteilen, bei dem sich Silenen gerade aufhielt und dem man ebenfalls einen Brief geschrieben habe. Man bat ihn daher, all seinen „Áiß und ernnst daran zu keren“ diesem ihr Anliegen zu erläutern. Knapp drei Wochen später antwortete Silenen den Berner Räten, die sein Schreiben von Fricker abschreiben und sofort an das verbündete Basel weiterleiten ließ.55 Darin bedankte er sich zunächst und teilte mit, er habe ihren Brief sowie das Schreiben an den französischen König Ludwig XI. „von stund an“ zukommen lassen „und darzu geredt […,] was notdurftig“ gewesen sei. Noch vor der Ankunft ihres Botens habe der König einem reitenden Kurier nach Bern abzureiten befohlen. Auch er selbst habe einen seiner Diener mit zahlreichen neuen Informationen zu ihnen gesandt. Wenngleich er dies „heimlichs“ getan habe, fürchte er, dieser könne eventuell „umbkomen“ oder werde „von Burgunern gevangen“. Obwohl diese Gefahr aufgrund des Krieges immer da sei, werde er sich nicht davon abschrecken lassen und sie auch weiterhin mit Informationen versorgen.56 Weiterhin berichtete er, Ludwig XI. sei nach der Schlacht von Grandson sehr verwundert über den schnellen Aufbruch der Eidgenossen gewesen und hätte sich mit ihnen gerne in 52 53 54 55
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Schweers, Bonstetten, S. 68 f. Dazu Walter, Verhandlungen, S. 127 ff. StABe Dt. Miss. C, fol. 809. Abgedruckt bei Ochsenbein, Urkunden Murten, S. 124 ff. (Missive Nr. 178). Dass Bern eine Kopie von Silenens Brief an Basel weiterleitete, ergibt sich aus der Angabe Ochsenbeins, er habe den Brief im Staatsarchiv Basel gefunden. Zur gezielten Gefangennahme von Boten siehe Kapitel F 1.3.
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Savoyen getroffen. Überdies teilte er mit, dass der burgundische Herzog große Angst davor habe, dass Ludwig XI. gemeinsam mit ihnen gegen ihn vorgehen werde. Daher schicke er fast täglich Botschaften und Briefe zum König, um ihn von diesem Vorhaben abzubringen. Der französische König gebe ihm, Silenen, alle Briefe des burgundischen Herzogs sofort nach deren Eintreffen zu „hören und sechen“, woran sie seinen guten Willen ihnen gegenüber erkennen würden. Er würde gern noch mehr schreiben, doch sei die Lage durch den Krieg „so mißlich, das all Botten […] gevangen“ würden, womit sein Brief endet. In einem Zusatz, der sich unter dem Schreiben beÀndet, betonte er abermals, Ludwig XI. unterstütze den burgundischen Herzog in keiner Form. Die vorgestellten Briefe offenbaren eindrücklich den Zweck der zuvor geleisteten Unterstützung Silenens durch die Eidgenossen. Der Rat und Kammerherr des französischen Königs Silenen verfügte über intime Einblicke in die Begebenheiten am Hof Ludwigs XI. und teilte der Berner Führung diese mit. Als Vertrauter Ludwigs XI. war er in der Lage, sich über dessen Stimmung, seine Pläne und Positionen zu bestimmten Themen zu informieren und konnte gezielt versuchen, ihn für die Anliegen der Berner und ihrer Verbündeten zu sensibilisieren. Auf diese Weise erscheint Silenen wie ein ständiger Gesandter der Eidgenossen am Hof Ludwigs XI. Träfe dies zu, so müssen die Eidgenossen schon früher als gemeinhin angenommen von italienischen Vorbildern einer permanenten Gesandtschaft gelernt und diese eingeführt haben. Andererseits können die lange Anwesenheit Silenens am Königshof sowie die Beziehungen zwischen ihm, Bern und Frankreich mit dem System der Patronage erklärt und verstanden werden, worauf auch der Briefwechsel zwischen ihm und Bern hindeuten könnte. Bei alldem ist zu betonen, dass die jeweiligen Aufenthalts- und Studienorte der Interessenvertreter wie den Silenens oder Bonstettens stets von den politischen Rahmenbedingungen abhängig waren. Das korrespondiert mit der Beobachtung bei den vorgestellten Erziehungskonzepten der stadtadligen Berner Familien: Waren die politischen Beziehungen beispielsweise zu Burgund gut, lassen sich auch eidgenössische Söhne an burgundischen Adelshöfen wiederÀnden. Verschlechterten sich diese und lehnte man sich beispielsweise mehr an Frankreich an, wurden die Kinder innerhalb kurzer Zeit von den burgundischen an französische Höfe gebracht. Als Bonstetten 1471 nach Pavia kam, waren die Beziehungen zwischen den Eidgenossen und dem mailändischen Herzog noch gut. Doch schon ab 1474 schien sich eine Verschlechterung derselben abzuzeichnen. Da es für die Eidgenossen jedoch sehr wichtig war, dass ihr Informant Bonstetten vor Ort blieb, setzten sie in der Folgezeit alles daran, ihn dort zu halten. Schließlich war der junge Student gerade dabei, ein vorwiegend vom Adel geprägtes und auf Vertrauen und Reziprozität basierendes Netz von Beziehungen an der Universität und am mailändischen Herzogshof aufzubauen. Der Kontakt wurde vom Berner Stadtschreiber koordiniert und gepÁegt, der auf diese Weise zusätzliche Informationsquellen erschloss, die maßgeblich zur Etablierung der besonderen Position Berns und ihrer Bündnispartner beitrugen.
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2.2. Der Briefwechsel des Straßburger Stadtschreibers Johannes Meier mit Martin von Ingenheim aus Metz Auch der Straßburger Stadtschreiber im Untersuchungszeitraum, Johannes Meier, unterhielt wie seine Amtskollegen Kontakte zu Personen außerhalb Straßburgs, für deren Initiierung und PÁege er zuständig war.57 Wie in den anderen untersuchten Städten lief auch in Straßburg der größte Teil des InformationsÁusses über die Kanzlei, und Meier war nahezu auf allen Sitzungen des Rats und der für die Außenpolitik der Stadt zuständigen Dreizehner anwesend. Dort stand er den Räten beratend zur Seite, verfasste gemeinsam mit ihnen Instruktionen für die Wissensträger und bereitete auf diese Weise die städtische Außenpolitik vor und nach. Auf diese Weise war es der Straßburger Führung möglich, an Informationen zu gelangen, die sie sonst nur sehr schwer erhalten hätte. Es ist daher davon auszugehen, dass eine Intensivierung dieser Kontakte von der städtischen Führung insbesondere in Krisenzeiten besonders gefordert war. Ein interessantes Beispiel ist ein Briefwechsel zwischen Johannes Meier und dem Metzer Unter- und späteren Siebenerschreiber Martin von Ingenheim, an dem vor allem der politische Kontext interessant ist, da Metz und seine Führungsgruppe im Untersuchungszeitraum ständig zwischen Frankreich, dem Reich und Burgund lavierten und spätestens ab 1474 tendenziell unter dem EinÁuss des burgundischen Herzogs standen.58 Das ist umso bemerkenswerter, als die Missiven von Ingenheim an Meier Informationen über das Meinungsgefüge und die Motivlage innerhalb des Metzer Rats enthalten. Führt man sich vor Augen, dass die „Sieben“ in Metz für Außenpolitik und Kriegsangelegenheiten zuständig waren, bekommen die Briefe eine gesteigerte Bedeutung. Denn nahezu die gesamte Korrespondenz der Stadt, die in irgendeiner Form mit Krieg und Außenpolitik zu tun hatte, lief über Ingenheim. Daher verspricht eine Analyse der Briefe wesentliche Aufschlüsse sowohl über die Metzer Politik als auch über ihren Sinn und Nutzen für die Straßburger Führung und ihre Verbündeten.59 Der erste Brief Ingenheims aus dem Untersuchungszeitraum stammt vom 6. Dezember 1468.60 In diesem informierte er noch als Metzer Unterschreiber Amtierende seinen Straßburger Amtskollegen Meier über den Aufenthalt eines Franzosen in Metz, der am Vortag von Paris nach Metz gekommen sei. Dieser habe den 57
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Insofern ist es bedauerlich, dass von ihm lediglich sein Name bekannt ist, doch ist davon auszugehen, dass eine Stadt wie Straßburg mit Sicherheit eine hochspezialisierte Person in diesem Amt beschäftigte. Während die Stadtschreiber vor und nach Meier namentlich bekannt sind, lässt sich für diesen lediglich feststellen, dass er spätestens 1468 seinen Dienst in Straßburg antrat und aus Hagenau im Unterelsaß stammte. Dieser „Terminus ante quem“ ergibt sich aus der bei Alioth, Gruppen an der Macht, S. 483, gemachten Angabe. Zur Politik der Stadt Metz im Vorfeld und während der Burgunderkriege vgl. Gantelet, France et Empire; Schneider, Conseiller; ders., Metz; Rigault, Relations de Louis XI; Heckmann, Metz; ders., Voey de Ryneck; zu Metz und dem angeblichen Hindernis für die Kommunikation, die Vogesen, vgl. Rapp, Routes et voies. Vgl. Walter, Informelle Kontakte. AMS AA 264, fol. 35.
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D. Informelle Kontakte
Stadtoberen Informationen aus Frankreich übermittelt, nach denen die königlichen Räte und die wichtigsten französischen Städte wütend über das Verhalten ihres Königs gegenüber dem burgundischen Herzog seien. Ingenheim versicherte Meier, dass er ihm betreffende Neuigkeiten so schnell wie möglich übermitteln werde. Im Oktober des Jahres 1473 erscheint Ingenheim erstmalig als Schreiber der Sieben von Metz, wie seine Unterschrift unter einem Brief verrät, den er am 21. Oktober aus Trier an Meier richtete.61 Dort trafen sich in jenen Wochen Kaiser Friedrich III. und der burgundische Herzog zu Gesprächen über eine im Raum stehende Krönung Karls des Kühnen zum König.62 Demnach muss Ingenheim von Straßburg bereits mehrfach zuvor um Informationen angegangen worden sein, dem er, obgleich er nicht zur Metzer Führungsgruppe gehöre („nit zum Rat“), nachzukommen versuche. Dabei bleibt offen, wer aus Straßburg ihn um die Übermittlung von Informationen gebeten hatte. Dass er dem entsprach, belegt ein zwei Wochen später geschriebener Brief, den er abermals aus Trier an Meier richtete.63 Darin versicherte er dem Straßburger, er könne ihm vertrauen, da „nit vil unglaubens“ in seiner „hantschrifft“ sei und berichtete, dass Friedrich III. den burgundischen Herzog am Samstag zuvor mit dem Herzogtum Geldern belehnt habe.64 Außerdem kursiere das Gerücht, er wolle den Burgunder zum König krönen.65 Als die Verhandlungen zwischen Friedrich III. und Karl dem Kühnen mit der unerwarteten Abreise des Reichsoberhaupts am 25. November 1473 ergebnislos scheiterten, übermittelte Ingenheim, der sich auf dem Rückweg nach Metz befand, erneut Informationen nach Straßburg.66 So berichtete er Meier von geheimen Gesprächen zwischen kaiserlichen und französischen Gesandten, in deren Verlauf der Kaiser nach der Tochter des französischen Königs habe fragen lassen und sogar angeboten habe, eigens zu Ludwig XI. zu reiten. Da sich der Herzog mittlerweile Richtung Thionville begeben habe, befände man sich in Metz in großer Sorge. Daher sei eine Gesandtschaft zu ihm unterwegs, um „heymliche verständnüße zu im“ zu suchen. Weiterhin richteten lombardische Söldner in den Herzogtümern Bar und Lothringen sowie in der Abtei des Kloster Gorze großen Schaden an. Alle Klagen der Metzer, die sie bei Karl dem Kühnen vorgebracht hätten, seien jedoch verhallt. Deswegen gehe er davon aus, dass die Probleme „wol von tag zu tag grosser“ wür61 62 63 64 65
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AMS AA 264., fol. 37: „Uwer gśtwilliger diener Marten, Sybenschriber der stat Metze etc.“. Zum letztlich gescheiterten Treffen von Trier vgl. Ehm, Burgund, S. 117–185; für den Zeitraum der Abfassung des Briefes von Ingenheim insbesondere S. 185–188. AMS AA 264, fol. 36. Ehm, Burgund, S. 168–174. Das ist insofern interessant, als sich in der bisherigen Forschung die Angabe Àndet, dass die oberrheinischen Reichsstädte erst sehr viel später von dem Gerücht Kenntnis gehabt hätten, welches den gesamten Oberrhein und die Eidgenossenschaft in große Aufregung versetzt habe, von Seggern, Herrschermedien, S. 322–325, der angibt, Straßburg habe erst am 24. November von dem Gerücht erfahren; vgl. auch Jongkees, Charles le Téméraire. Vor dem 29. November müssen die Berner Räte davon gehört haben, wie ihr Brief an die übrigen Eidgenossen zeigt, StABe Dt. Miss., C, fol. 142. Zum Scheitern der Verhandlungen vgl. Ehm, Burgund, S. 132 f. Der Brief selbst Àndet sich in AMS AA 276, fol. 1.
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den. Zuletzt berichtete er, dass Herzog Karl plane, sich mit seinen Truppen ins Elsaß zu begeben, wozu er seine Meinung dem Straßburger auch nicht vorenthielt: „Wann ich besorge, es sy eine plage!“ Daran wird die antiburgundische Haltung des Metzers deutlich, die zumindest noch in jenen Wochen der größte Teil des Rats seiner Heimatstadt teilte. Schließlich sah dieser sich seit September 1473 starkem Druck seitens Burgunds ausgesetzt. Beispielsweise hatte Karl der Kühne am 9. September Gesandten der Stadt das Angebot unterbreitet, sich unter burgundische Schirmherrschaft zu begeben. Deutlicher geworden war der burgundische Landvogt. Dieser hatte die Metzer Führung Mitte des Monats aufgefordert, ihre Tore für 10.000 burgundische Soldaten zu öffnen. Während des Treffens zwischen Karl dem Kühnen und Friedrich III. in Trier hatten die Spannungen ihren Höhepunkt erreicht, als burgundische Söldner zahlreiche Plünderungszüge im Metzer Territorium unternommen hatten. Erst nachdem Karl der Kühne Ende des Jahres sein Heer nach Süden abzog, löste sich die Bedrohung allmählich auf.67 Die Folge war eine Umorientierung der Außenpolitik des Metzer Rates, der aus Furcht vor burgundischen Übergriffen verstärkt die Nähe zu Burgund suchte, während zur gleichen Zeit die eidgenössisch-oberrheinische Koalition enger zusammenrückte. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch ein Mitte Januar 1474 von Ingenheim an Meier geschriebener Brief, in dem er nachfragte, „wie es in dem oberlande […] mit den eytgenossen, Sletstat, Mulhusen vnd die andern“68 stehe. Etwaige Informationen sollte der Straßburger Stadtschreiber ihm über den die Nachricht überbringenden Boten „gnant Heinrich“ übermitteln. Kurz darauf offenbarte sich diese neue außenpolitische Ausrichtung der Stadt, die die Gebeine der Eltern Karls des Kühnen feierlich empÀngen, als diese von Brüssel nach Dijon überführt wurden.69 Wie zahlreiche Gesandtschaften des französischen Königs belegen, bemühte sich dieser im Folgenden erfolglos darum, die Stadt für seine gegen Burgund gerichtete Politik zu gewinnen.70 Den Metzer Stadtoberen war klar, dass sie mit dieser Politik auf Konfrontationskurs mit dem Reich und dessen Bündnispartnern waren. Umso erstaunlicher sind Ingenheims Briefe, in denen er immer wieder betonte, „das wyr in das Rich gehorent“71. Mit diesem „wyr“ meinte er jedoch lediglich sich selbst sowie einen Teil des Metzer Rats. Darauf deutet beispielsweise eine im Dezember 1475 erfolgte Überreichung eines Goldpokals an Karl den Kühnen hin, mit dem der Rat ihm zur Eroberung von Lothringen gratulierte, und auch die Tatsache, dass die Stadt 1476 als Quartier für burgundische OfÀziere diente, ist in diesem Sinne zu deuten.72 Trotz aller widrigen Umstände riss der InformationsÁuss zwischen dem Metzer Siebenerschreiber und dem Straßburger Stadtschreiber
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Dazu vgl. Heckmann, Metz, S. 122 ff. AMS AA 266, fol. 44 (Mitte Januar 1474). Heckmann, Metz, S. 123; Schneider, Metz, S. 319 f. Schneider, Metz, S. 319. So in einem Brief vom 28. Mai 1474, AMS AA 266, fol. 50. Heckmann, Metz, S. 123 f.
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D. Informelle Kontakte
nicht ab: Er informierte Meier in zahlreichen Briefen über burgundische Truppenbewegungen oder zwischen einzelnen Machthabern getroffene Übereinkünfte.73 Anhand des folgenden Briefs von Ingenheim wird abermals die Wichtigkeit dieses geheimen InformationsÁusses verdeutlicht.74 Dieser wurde Ende April 1476 verfasst und enthält eine „Cedula inclusa“, die auch heute noch an den Brief gebunden ist.75 Im Brief informierte Ingenheim seinen Straßburger Amtskollegen eingehend über burgundische Truppenbewegungen und gab an, dass am Tag der Abfassung „100 gleven vnd 400 bogener“ aus Flandern und der Pikardie das Metzer Territorium erreicht hätten, die „vor Wydemont“ zögen. Das dort gelegene Schloss sei bereits Ostern durch einen Hauptmann „genant Grara“ eingenommen worden, der im Verlauf seiner Raubzüge großen Schaden angerichtet und bereits kurz zuvor einige Pferde erbeutet habe. Daraufhin kam Ingenheim auf das politische Tagesgeschehen zu sprechen und berichtete, dass einerseits das Gerücht kursiere, dass man sich mit Burgund ausgesöhnt habe. Andererseits habe er gehört, dass zahlreiche Reichsstädte und die Eidgenossen bei einem Feldzug gegen Burgund große Beute gemacht hätten. Metz muss in diesen Monaten vom InformationsÁuss abgeschnitten gewesen sein, was als Symptom ihrer Orientierung an den burgundischen Herzog und seiner Verbündeten bewertet werden könnte. So erklärt sich auch die eindringliche Bitte Ingenheims an Meier für die gegebenen Informationen unbedingt Gegeninformationen zu erhalten.76 In der Cedula wurde Ingenheim konkreter bezüglich der erwähnten burgundischen Truppen.77 Laut dieser führten die sich in Metz und ihrer Umgebung aufhaltenden Soldaten rund eintausend Pferde und einhundert Wagen mit sich, wobei auf letzteren Büchsen, Zelte und andere militärische Dinge transportiert würden. Doch habe man in Metz aus Lothringen die Warnung erhalten, der erwähnte Grara warte nur darauf, die lothringischen Truppen anzugreifen. Die vorgestellten Briefe, die zwischen Ingenheim und Meier ausgetauscht wurden, stellen einen Überlieferungszufall dar und sind vermutlich nur erhalten, weil die Informationen, die in ihnen gegeben wurden, wichtig für das weitere Vorgehen Straßburgs und seiner Verbündeten waren.78 Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass Meier die von Ingenheim erhaltenen Informationen Rat und Dreizehnern 73
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Zur Mitteilung von Bewegungen burgundischer Truppen vgl. beispielsweise: „Vnd ist das dem Hertzogen von Bourgundie vil volcks wol eintusent zu fuß vnd zu roß […] kommet uß Flandern vnd Lutticher lant, sy ligent yetz in Metzer vnd Luxemburger lant“, AMS AA 292, fol. 43, 11. März 1476; zur Mitteilung von Übereinkunft vgl.: „Man wil sagen, das lant von Lotringen vnd die lannde von Luxembourg […] sollent in friden syen biß pÀngsten“, AMS AA 286, fol. 36, 8. Februar 1476. AMS AA 292, fol. 42. Zur Funktion und Bedeutung dieser Schriftstücke siehe Kap. G 1. So auch hier: „Lieber herre vnd frünt, bitten ich üch früntlichen vnd dienstlichen, ist es uch mugelichen, mir zu schriben – eygentlichen mit dißem botten – wie es vmb der sachen steit, waß geslegen sy geboten hant vnd an wellichen enden sy ligent vnd waß man sich versucht, in den dingen von den obgenanten fursten vnd stetten“, AMS AA 292, fol. 42. AMS AA 292, fol. 41. Esch, Überlieferungschance.
3. Ein „Forum“ für informelle Kontakte
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übermittelte, die sie diskutierten und ihren Bündnispartnern mitteilten, um auf diese Weise aus Informationen Wissensbestände und daraus wiederum politische Handlungsoptionen abzuleiten. Dass sie sich heute im Straßburger Archiv beÀnden, ist abermals ein Hinweis darauf, wie schwer die Trennlinie zwischen ofÀziellen und inofÀziellen beziehungsweise informellen und formellen Kontakten zu ziehen ist. Ingenheim war ein wichtiger Kontaktmann Straßburgs in Metz, wie sowohl seine Funktion als Siebenerschreiber als auch die häuÀge Erwähnung seines Namens im „Journal“ des Metzer Bürgers Jean Aubrion belegt.79 Überdies war er einer von Metzer Informanten, die im Verlauf des Jahres 1476 von den noch vorgestellten Straßburger Kundschaftern gezielt um Informationen angegangen und deswegen zu Mahlzeiten eingeladen wurden. Ob der eindeutig prokaiserliche Unter- und spätere Siebenerschreiber für die Informationsübermittlung bezahlt wurde oder gar in einem Dienstverhältnis zu Straßburg stand, lässt sich nicht feststellen. 3. EIN „FORUM“ FÜR INFORMELLE KONTAKTE: DIE „STUBE ZUM NARREN UND DISTELZWANG“ IN BERN Standen gerade die mittels Briefen gepÁegten persönlichen Kontakte einzelner Räte und Stadtschreiber im Vordergrund, soll nun anhand der Berner „Stube zum Narren und Distelzwang“ ein „Forum“ für informelle Kontakte vorgestellt werden.80 Im 15. Jahrhundert gab es in Bern insgesamt vierzehn Gesellschaften, an deren Spitze 79
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Alle ihn betreffenden Einträge sind interessant, da der größte Teil der diplomatischen Missionen, an denen er im Kontext der Burgunderkriege mitwirkte, mit dem Reichsoberhaupt zu tun hatte. So beispielsweise schreibt Aubrion für das Jahr 1482: „Item, en la dite année en ensuyvant la demende que l’empereur avoit fait à la cité pour avoir aller contre les InÀdelle, et que, à la journée sr André de Rinacque et sr Wiri Roucel n’y avoient point comparus, le dit empereur en demandoit à la cité grant somme d’argent pour la contumasse et désobéissance. Pour laquelle chose, la cité envoioit devers l’empereur maistre Guillaume Barnairt, doctor en lois, qui estoit aux gaiges de la cité, et Martin Dinguenheim, clerc des septz de la guelre de la cité, et, depuis, maistre Giraird, dez Augustins, docteur en théologie“, Larchey, Journal Aubrion, S. 144 f.; oder für das Jahr 1495: „Item, le xxvije jour de may, se partit de Metz Martin Dinghem, clerc dez sept de la guerre, et en allit pour la cité à la dite journée, à Wormes, devers le roy dez Romains“, ebd. S. 360. Es ist hier nicht beabsichtigt, die Geschichte der „Stube zum Narren und Distelzwang“ umfassend darzustellen. In einem Gespräch mit Christian Hesse (Universität Bern) versicherte er mir, dass vor allem eine Analyse der in der Burgerbibliothek Bern aufbewahrten und seit den 1460er Jahren erhaltenen Mitgliederlisten des Distelzwangs die Thesen der vorliegenden Arbeit untermauert hätte. Als Gesamtüberblick über die Berner Gesellschaften im Mittelalter allgemein vgl. Gerber, Gott, S. 343–352; De Capitani, Adel, S. 81–89. Zum Distelzwang im Besonderen vgl. Gerber, Gott, S. 355–359; De Capitani, Adel, S. 64 ff. u. S. 81–88. In der Bedeutung auf den Distelzwang folgten vier Vennergesellschaften der Gerber, Metzger, Schmiede und PÀster, dazu Gerber, Gott, S. 348–352; De Capitani, Adel, S. 65 f.; S. 81–84, eine KauÁeutegesellschaft, dazu Gerber, Gott, S. 362–366; Von Rodt, Gesellschaft von KauÁeuten und eine Schützengesellschaft sowie sieben Handwerkergesellschaften, dazu vgl. Gerber, Gott, S. 370–374; zur Bedeutung der Gesellschaftsstuben als Orte der „Beschaffung und Verbreitung von Neuigkeiten und [der] informellen Gruppenbildung“ vgl. Teuscher, Bekannte, S. 199 f.
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D. Informelle Kontakte
der Distelzwang stand. Seine Mitglieder besaßen die größten Vermögen, stellten die meisten der Kleinräte und Schultheißen und waren die wichtigsten Wissensträger der Stadt.81 Dies rechtfertigt eine Betrachtung der Stube und ihren gesellschaftlichen und politischen Funktionen. Wahrscheinlich war die Stube aus der Zusammenlegung von ursprünglich zwei verschiedenen Gesellschaften, der des Distelzwangs und der zum Narren, entstanden. Während sich zur ersteren leider nichts Genaues sagen lässt, war letztere möglicherweise die Gesellschaft der Stadtadelsfamilien gewesen.82 Jedes Mitglied verpÁichtete sich dazu, „lieb und leid, gewinn und verlust […] syg es in Reyßzügen, Stubenbüwen, gemeinen wercken, wachten und anders“83 mitzutragen. Zudem hatte jedes Neumitglied im 15. Jahrhundert beim Eintritt einen Gulden sowie ein vierteiliges Trinkgeschirr zu entrichten und Wein für die Stubenmitglieder auszuschenken. Hinzu kamen zwei Pfund, die jährlich entrichtet werden sollten. Starb ein Mitglied, mussten seine Erben der Stube ein silbernes Trinkgefäß oder eine Schale übergeben.84 So wird verständlich, warum der im August 1475 auf dem Feldzug nach Blamont verstorbene Berner Schultheiß Nikolaus von Diesbach in seinem Testament festlegte, er vermache „den herren und gesellen zś dem Tistellzwang ein silbrin schalen“ und gleichzeitig bestimmte, man solle in diese sein „wappen machen“. Daran offenbart sich zudem die Memorialfunktion der Stube, die auch für viele derartiger Einrichtungen in anderen Städten üblich war. Bei einer Kündigung der Mitgliedschaft hatten die Stubengesellen einen Gulden und ihre noch ausstehenden Schulden zu zahlen und zu schwören, dass sie nichts in der Stube Gesagtes oder Gehörtes weitertragen durften, was ihre Exklusivität zusätzlich betont. Der Distelzwang hatte bestimmte Vorrechte gegenüber anderen Gesellschaften; beispielsweise war einzig ihren Mitgliedern in Bern eine Mitgliedschaft in einer weiteren Gesellschaft gestattet.85 Eine 1476 vom Berner Unterschreiber und Großrat Schilling angefertigte Mitgliederliste lässt es zu, zwischen verschiedenen Arten von Mitgliedern zu unter81
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Dementsprechend Ànden sich in der Stube zum Narren und Distelzwang alle adligen bernischen Geschlechter, wie die von Diesbach, von Ringoltingen, von Bubenberg, von Scharnachtal, der Stadtschreiber Fricker usw., vgl. Gerber, Gott S. 355–359 u. 374 f.; sowie De Capitani, Adel, S. 84–88; Schmid, Reden, S. 82–86. Für sie spielte die Stube eine zentrale Rolle bei der Anerkennung und Konsolidierung ihres politischen wie gesellschaftlichen Status. Allgemein dazu Spiess, Aufstieg, S. 19: „Schaut man genauer hin, wer im Spätmittelalter die Ritterbürtigkeit zum Ausschlusskriterium machte, dann handelte es sich nicht um den König oder die Fürsten, sondern um Kollegien, die vom Ritteradel dominiert wurden, wie Domkapitel, Turniervereinigungen, Adelsgesellschaften oder landständische Organisationen, d. h. nur dort, wo Geld, Macht oder Prestige zu verteilen waren, versuchte man, nichtadlige Aufsteiger fernzuhalten“. Vgl. dazu Wattenwyl von Diesbach, Gesellschaft zum Distelzwang, S. 175 f. Wattenwyl von Diesbach, Gesellschaft zum Distelzwang, S. 177. Als Grund dafür wurde in einem Protokoll des Jahres 1469 angegeben, dass den Mitgliedern zahlreiches teures Silbergeschirr abhandengekommen sei. Dies sei jedoch wichtig, damit man „den eren nach leben“ könne, so die Begründung weiter, zit. nach Wattenwyl von Diesbach, Gesellschaft zum Distelzwang, S. 177. Gerber, Gott, 356 f.
3. Ein „Forum“ für informelle Kontakte
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scheiden.86 An erster Stelle stehen dort die so genannten „Stubengesellen“, die nur dort Mitglied waren, während die so genannten „Zustubengesellen“ noch in anderen Gesellschaften Mitglied waren. In den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts lässt sich eine Zunahme der Mitgliederzahlen im Distelzwang auf neunzig Personen feststellen.87 Im besonderen Maß galt das für die Zahl der weltlichen Stubengesellen, die 1477 mit 58 Personen ihren Höhepunkt erreichte. Die Unterscheidung zwischen Stuben- und Zustubengesellen erlaubt weitere interessante Rückschlüsse. Denn während die Zahl der meist aus den alteingesessenen (Stadt-)Adelsfamilien stammenden Stubengesellen konstant zwischen 15 und 25 lag, nahm die Zahl der Zustubengesellen im Untersuchungszeitraum ständig zu, was dazu führte, dass es weniger Stuben- als Zustubengesellen gab.88 Letztere hatten wie die „normalen“ Mitglieder auch beim Eintritt zu schwören, „der Gesellschafft nutzen zu fördern und schaden zu wenden“89, waren jedoch nicht zur Abgabe von Geldern weder für Kriegszüge noch bei Neu- oder Anbauten der Stube verpÁichtet. Sie besaßen aber das Recht, dort „frü und spat“ zu essen und zu trinken.90 Wie bereits erwähnt, waren nahezu alle Kleinräte Mitglieder des Distelzwangs, wodurch sich dort die ökonomische und politische Macht der Stadt konzentrierte. Eine Mitgliedschaft kann damit als „Resultat und Zeichen der erreichten politischen Stellung“91 angesehen werden, die sich in der häuÀgen Übernahme der politischen Schlüsselpositionen durch seine Mitglieder institutionalisierte.92 Das schlägt sich auch in der 1475 vom französischen König erstellten Pensionsliste wieder, laut der sieben Mitglieder des Distelzwangs mit 3.100 Gulden annähernd das Dreifache der Summe erhielten, die für die vierzehn Mitglieder der vier Vennergesellschaften vorgesehen waren.93 Das un-
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Abgedruckt bei De Capitani, Adel, S. 117 f. De Capitani, Adel, S. 85. Dieser gibt an, dass sich in den Jahrzehnten davor und danach nur rund sechzig Personen als Mitglieder im Distelzwang belegen lassen. De Capitani, Adel, S. 87. Dieser gibt zudem an, dass sich diese Beobachtungen im 16. Jahrhundert mit der zunehmenden Bedeutung der Venner zugunsten der Vennergesellschaften änderten. Zit. nach Wattenwyl von Diesbach, Gesellschaft zum Distelzwang, S. 178. Ebd. Da in Bern die Auszüge zu Kriegen nach Gesellschaften geordnet stattfanden, mussten auch die Mitglieder des Distelzwangs der Stadt insgesamt acht Personen stellen. Während alte und kranke Stubenmitglieder nicht zum Auszug herangezogen wurden und Stellvertreter in Form von Söldnern schicken durften, erwartete man von den übrigen Mitgliedern, dass sie sich freiwillig für den Krieg meldeten. Aufgrund der geringen Anzahl war es diesen erlaubt, ihre Knechte mitzunehmen, für deren Unterhalt in Höhe von zwölf Pfund die Stube aufkam. Wie hoch die Kosten einzelner Kriegszüge während der Burgunderkriege für den Distelzwang waren, verrät eine im Jahr 1481 von Diebold Schilling aufgestellte Liste. Demnach hatte man für die Züge nach Pontarlier 69 Pfund, Blamont 341 Pfund und nach Grandson 91 Pfund ausgegeben. So war beispielsweise der Berner Chronist und Unterschreiber Diebold Schilling im Juli 1475 bei der Eroberung von Blamont unter den Ausgezogenen der Stube zum Distelzwang. Schmid, Reden, S. 84; sowie Gerber, Bedeutung, S. 229–233. De Capitani bezeichnet den Distelzwang als die „Schultheißenstube“, De Capitani, Adel, S. 87. Die Liste Àndet sich abgedruckt bei Lenglet Du Fresnoy, Memoires Commines, S. 340, vgl. auch die AuÁistung bei De Capitani, Adel, S. 79.
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D. Informelle Kontakte
terstreicht die Bedeutung seiner Mitglieder als Exponenten der gegen Burgund gerichteten Politik. Das Gebäude des Distelzwangs lag in der Nähe des Rathauses und damit unmittelbar bei den Wohnhäusern der meisten Kleinräte. Da seit 1472 an jedem seiner Fenster die Wappen der Mitglieder angebracht waren, verriet bereits das äußere Erscheinungsbild Außenstehenden, wer dort Mitglied war.94 Während der Burgunderkriege entschlossen sich die Mitglieder zur Errichtung eines Neubaus und wurden interessanterweise auch von Adligen unterstützt, die außerhalb von Bern lebten. So gehörten zu den Unterstützern beispielsweise die Freiherren von Raron und Brandis sowie der bereits vorgestellte Propst von Beromünster, Jost von Silenen.95 Daran deutet sich bereits an, dass neben nahezu allen politisch einÁussreichen Kleinräten auch hohe geistliche und weltliche Personen, die nicht in Bern lebten, größtenteils aber das Berner Bürgerrecht besaßen, Stubenmitglieder waren. Das könnte für ihre Rolle als „Forum“ für informelle Kontakte sprechen und geht auch aus der angesprochenen Mitgliederliste hervor, die an erster und prominenter Stelle der insgesamt 92 Mitglieder zunächst die mit Bern in einem Burgrecht oder einem sonstigen Bündnis stehenden Adligen aufführt. Neben dem mehrfach erwähnten Markgrafen von Baden-Hachberg und den Grafen von Valangin und von Gruyère Ànden sich die aus dem Wallis und dem Emmental stammenden Freiherren von Raron und Brandis.96 Auf diese folgten hohe geistliche Würdenträger, so der Hochmeister des Deutschen Ordens in Bern, der zudem die Wappen der Stube aufbewahrte, die Leiter der Kommenden von Sumiswald und Köniz sowie zahlreiche weitere Äbte und Pröpste aus dem Berner Territorium. Interessanterweise Àndet sich der Propst von Beromünster, Jost von Silenen, genauso als Stubenmitglied in der Liste wie der Bruder des vorgestellten Albrecht von Bonstetten, Roll. Mit diesen hochrangigen Personen aus der Stadt beziehungsweise ihrem Umland unterhielt die städtische Führung enge persönliche, wirtschaftliche und politische Beziehungen, die häuÀg eine lange Tradition aufwiesen und in konÁiktreichen Zeiten wichtig werden konnten. Wenn Markgraf Rudolf von Baden-Hachberg 1458 mit Bern ein Burgrecht abschloss, das noch im Untersuchungszeitraum Geltung hatte, beinhaltete dasselbe im Kriegsfall, dass er seine Besitzungen für Berner Truppen öffnen musste. Das Burgrecht sollte zudem ungestörten Handel ermöglichen, enthielt die VerpÁichtung, gegen die Feinde des jeweils anderen vorzugehen sowie sich in politischen Angele94
Maler der Wappen war Urs Werder, der vier Jahre später als Mitglied des Distelzwangs erscheint und beim ersten Feldzug der eidgenössisch-oberrheinischen Truppen die Berner Stadtfahne trug, De Capitani, Adel, S. 118; vgl. auch Rogge, Geschlechtergesellschaften, S. 117– 124. 95 Jost von Silenen gab in diesem Zusammenhang drei Gulden zum Neubau, vgl. Wattenwyl von Diesbach, Gesellschaft zum Distelzwang, S. 195. Ähnliche Phänomene beobachtet Stefan Selzer bei den Artushöfen im Ostseeraum: Selzer, Trinkstuben, S. 77–82; S. 92–95. 96 Zu Baden-Hachberg vgl. Bauer, Négociations et campagnes; Ehm, Burgund, S. 211 ff.; zur Familie von Greyerz vgl. Despond, Comtes de Gruyère 1/2; vgl. auch Bock, Jostkleigrewe u. Walter, Politische Grenzen; zur Familie von Brandis im Mittelalter vgl. Bütler, Freiherren von Brandis.
3. Ein „Forum“ für informelle Kontakte
209
genheiten, falls nötig, beratend zur Seite zu stehen.97 Ähnlich verhielt es sich mit der 1475 erfolgten Burgrechtserneuerung zwischen Bern und dem Besitzer der Herrschaft Valangin, Wilhelm von Arberg.98 Auch in ihr Ànden sich „nutze unnd eere“ des anderen „zu fúrdrenn und schadenn ze wänndenn“99 sowie gegenseitige militärische Unterstützung im Bündnistext. Wie das Beispiel des Markgrafen von Baden-Hachberg erkennen lässt, brachte vor allem die VerpÁichtung, den Schaden von Bern abzuwenden, adlige Stubenmitglieder im Untersuchungszeitraum mitunter in LoyalitätskonÁikte.100 Der im oberrheinischen Grenzraum zwischen dem Reich und Frankreich lebende und den burgundischen Herzögen nahestehende Rudolf von Baden-Hachberg war zweisprachig, was ihn neben seines großen Prestiges zur Wahrnehmung von Vermittlertätigkeiten zwischen Burgund, den Eidgenossen, Österreich, dem Haus Baden oder dem Pfalzgrafen prädestinierte. Vor allem im KonÁikt zwischen dem burgundischen Herzog und den Eidgenossen, bei dem es um die schwierige Lage des Berner und Solothurner Bündnispartner Mülhausen ging, trat er als Vermittler auf, eine Rolle, die bereits in der „Waldshuter Richtung“ von 1468 für ihn vorgesehen war. Für ihn wurde es schwierig, als im November 1474 der Krieg mit Burgund ausbrach. Vor vergleichbaren LoyalitätskonÁikten stand die Westschweizer Familie von Greierz (Gruyère), die traditionell sowohl enge Beziehungen nach Savoyen als auch nach Bern unterhielt, mit der sie seit langem Burgrechte abgeschlossen hatte.101 Graf Franz I. von Greierz war zum einen Marschall von Savoyen, zum anderen einer der wichtigsten Vermittler im KonÁikt der Herzogin Yolantha und den von Bern angeführten Eidgenossen. Etwas positiver gestaltete sich die Lage für den Propst von Beromünster, Jost von Silenen. Dieser agierte als Rat des französischen Königs sowie enger Vertrauter der Berner Führung als „Diener zweier Herren“ und versorgte beide während der Burgunderkriege mit Informationen.102 Die adligen Mitglieder der Stube fungierten aufgrund ihres Prestiges und ihrer weitreichenden Kontakte zu weiteren Herrschaftsträgern häuÀg als Fürsprecher und Informanten und waren wichtige Vermittler und Kontaktpersonen für die Berner Führung. Mit ihrer Hilfe war diese in der Lage, an Informationen zu gelangen, die man sonst nur sehr schwer erhalten hätte. Gelang ihnen daraufhin die Transformierung der Informationen in Wissen, führte dieser Wissensvorsprung maßgeblich zur Etablierung der herausgehobenen Stellung Berns und seiner Bündnispartner in dem gegen den burgundischen Herzog gerichteten Prozess. Diese Beispiele deuten zugleich an, was mit ihrer Aufnahme bezweckt wurde: Man versuchte, die Adligen 97 Am 7. April 1458 geschlossenes Burgrecht der Stadt Bern mit Markgraf Rudolf von BadenHachberg, vgl. Jeanjaquet, Traités d‘Alliance, S. 107–115, Urkunde Nr. 25. 98 Vidimus des Burgrechts mit Wilhelm von Arberg in Jeanjaquet, Traité d’Alliance, S. 131 f., Urkunde Nr. 29 (5. September 1475); mit den Bewohnern von Valangin ebd., S. 132–136, Urkunde Nr. 30 (26. September 1475). 99 Jeanjaquet, Traité d’Alliance, S. 135. 100 Ehm, Burgund, S. 221 ff.; Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 321 f.; zu Baden-Hachberg allgemein vgl. Bauer, Négociations et campagnes. 101 Despond, Comtes de Gruyère. 102 Zu ihm siehe Kapitel D 2.1.
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D. Informelle Kontakte
enger an Bern zu binden und hoffte auf eine Erhöhung seines politischen EinÁusses und Prestiges. Eine ähnliche Politik verfolgte man auch mit der Aufnahme zahlreicher Familien aus dem ehemals österreichischen Aargau.103 Kamen diese nach Bern, wurden sie stets auf der Stube bewirtet, die ihren Mitgliedern auf diese Weise erweiterte Möglichkeiten zu informellen Gesprächen und zum Informationsaustausch neben dem eigentlichen Verhandlungstisch bot.104 Aber auch, wenn diese Herrschaftsträger nicht in Bern weilten, war es den Berner Kleinräten möglich, sie mithilfe von Briefen um Informationen anzugehen. Das Àndet sich in Briefen bestätigt, die nicht in der Berner Kanzlei, sondern im Distelzwang verfasst wurden. Einen ersten von diesen schrieb der Stadtschreiber Fricker im Auftrag von Diesbach, Scharnachtal und vom Stein Mitte Juni 1468.105 Gerichtet war das Schreiben an die Räte von Solothurn, denen man zudem die Kopie eines Briefes übermittelte, der zuvor nach Basel geschrieben worden war. Daraufhin baten sie die Solothurner um Zusendung von Proviant für die ausziehenden Berner Truppen, die sich auf den Weg in den Sundgau machen wollten. Zuletzt informierten die drei Berner die Solothurner sowohl über die Route der Truppen als auch deren geplante Ankunftszeit im Lager. Ein möglicher Grund für die Abfassung der Briefe im Distelzwang könnte mit seiner Funktion als Versammlungsort zusammenhängen. Das geht aus einem weiteren Brief hervor, der von Fricker im Auftrag von „gemeiner eidgenossen, von stetten und lendern ratzfrund jetz zuo Bern versampnet“ an den burgundischen Landvogt Anfang Dezember 1469 verfasst wurde.106 Schenkt man lediglich den unter dem Schreiben aufgeführten Verfassern Glauben, könnte man meinen, dass es tatsächlich die in Bern versammelten Eidgenossen waren, die Fricker beauftragten, doch werden auch die Personen aufgeführt, die tatsächlich bei der Abfassung zugegen waren. Bei diesen jedoch handelte es sich um einen kleinen Kreis von Berner Wissensträgern, die Peter von Hagenbach darüber informierten, dass bei ihnen kurz zuvor ein Schreiben von Baden-Hachbergs eingegangen sei, das die Zusicherung beinhalte, von Repressalien gegenüber dem Berner Bündnispartner Mülhausen und vor allem bezüglich Störungen ihres Handels künftig Abstand zu nehmen.107 Deswegen sei man auch kurz zuvor unter dem Vermittler in der Angelegenheit, dem Basler Bischof, in Basel mit burgundischen Abgeordneten zusammengekommen. Doch entgegen der „Waldshuter Rich103 Zur Familie von Hallwil vgl. Bickel, Hallwil. 104 Das traf auch auf die 1470/71 mit ihrer Abwesenheit protestierenden Twingherren zu, die die Stube als Forum zur Gruppenbildung nutzten. Hier waren sie in der Lage, sich mit dem Stadtschreiber zu treffen und ihn mit der Abfassung von Briefen an befreundete Herrschaftsträger beauftragen, diese letztlich erfolgreich zur Intervention bitten und über die innenpolitischen Wirren in Bern informieren. Das beweisen einige Briefe, die im Auftrag von Nikolaus von Diesbach im Distelzwang und nicht, wie sonst üblich, in der Berner Kanzlei abgefasst wurden. 105 StABe Dt. Miss. A, fol. 388 („Executum coram Sculteto von Scharnachtal, von Diesbach und vom Stein zum Tistellzwang“). 106 StABe Dt. Miss. A, fol. 644 ff. 107 Bei diesen handelte es sich um den damals amtierenden Schultheißen Nikolaus von Scharnachtal sowie Adrian von Bubenberg, Nikolaus von Diesbach, Thüring von Ringoltingen und Hartmann vom Stein (ebd.).
4. Zusammenfassung
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tung“ sei nichts geschehen, sondern Mülhausens Situation sei schwieriger geworden. Zuletzt wiesen sie Hagenbach darauf hin, dass das Verhältnis zwischen Burgund und den Eidgenossen stets gut gewesen sei, und sie hofften, dass dies auch zukünftig so bleiben werde.
4. ZUSAMMENFASSUNG An den vorgestellten Briefen wurde deutlich, dass es gerade bei persönlichen Kontakten zwischen einzelnen in unterschiedlichen Städten agierenden Räten und Stadtschreibern nicht einfach ist, informelle Kontakte mit inofÀziellen Kontakten gleichzusetzen. Vielmehr gingen diese beiden Spielarten von politischer Kommunikation Hand in Hand und beeinÁussten sich wechselseitig. Daran offenbart sich zudem, dass im vorliegenden Zeitraum (noch) nicht klar zwischen Amt und Person unterschieden wurde. Die Beziehungen ihrer Amtsträger boten den städtischen Führungsgruppen ein bedeutsames Instrumentarium zur Beschaffung und Übermittlung von Informationen und erweiterte Möglichkeiten zur BeeinÁussung und Überzeugungsarbeit neben der ofÀziellen Kommunikation. Und dieses Instrument wurde wahrscheinlich weitaus intensiver genutzt, als es die erhaltenen Quellenbestände erahnen lassen. Gerade für die in intensiven Bündnisgesprächen beÀndlichen Kommunikationspartner war es wichtig, Kontakte zu Personen an zentralen Schaltstellen aufzubauen und zu intensivieren. Mit ihrer Hilfe Àel es ihnen leichter, eine gemeinsame Politik zu planen, zu koordinieren und durchzusetzen sowie gleichzeitig die Kohäsion zwischen sich zu erhöhen und das Vertrauen untereinander zu verstärken. Vor allem die (ehemaligen) Händler waren besonders prädestiniert, da sie berufsbedingt mobil sein mussten und häuÀg über zahlreiche Kontakte außerhalb der Städte verfügten, in denen sie lebten.108 Das gleiche lässt sich auch für die Stadtschreiber feststellen, die bereits durch ihre Ausbildungswege ein erhöhtes Maß an Mobilität aufweisen mussten. Durch diese hatten sie erweiterte Möglichkeiten zur Knüpfung von Kontakten und Zugang zu Informationsnetzen, so zu Kommilitonen und späteren Amtskollegen, die für sie und ihre Führungsgruppen vor allem in Krisenzeiten wichtig werden konnten. Vor dem Hintergrund der vorgestellten alternativen Abfassungsorte waren es maßgeblich sie, denen die PÁege der informellen Kontakte oblag. Liefen die informellen Kontakte zwischen Räten und Stadtschreibern aus unterschiedlichen Städten größtenteils über Briefe, fungierte der vorgestellte Distelzwang als wichtiges Forum für derartige Kontakte, bei dem persönliche Gespräche im Vordergrund standen. Denn in ihm kamen die einÁussreichsten Personen aus der Stadt Bern selbst, ihrem Umland und den angrenzenden Territorien zusammen. Hier hatten sie erweiterte Möglichkeiten zu informellen Gesprächen neben dem 108 Zur Bedeutung von Kommunikationsnetzen von KauÁeuten vgl. Behringer, Fugger und Taxis; Häberlein/Burckhardt, Welser (mit zahlreichen weiterführenden Beiträgen); Teuscher, Bekannte.
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D. Informelle Kontakte
Verhandlungstisch und konnten politische Kontakte knüpfen, pÁegen und vertiefen. Das erleichterte ihnen, Parteiungen auszuloten, Gruppen zu bilden sowie eine gemeinsame Außenpolitik vorzubereiten und zu koordinieren. Damit wirkt die Stube wie ein „Scharnier“ zwischen der städtischen Innen- und ihrer Außenpolitik, und es offenbart sich abermals, wie eng diese beiden Politikfelder verschränkt waren. Besonders deutlich wird das an den Verbindungen der Stubenmitglieder untereinander, die zum einen teilweise durch Heiraten verwandtschaftlich verankert wurden, zum anderen ihren Ausdruck in politischen Bündnissen fanden. Vergegenwärtigt man sich zudem, dass die Mitglieder bei Kündigung ihrer Mitgliedschaft verpÁichtet wurden, „alle sachen, die uf der stuben verlüffen waren, nit fürrer zu tragen“109, also Geheimhaltung über alles dort Besprochene, Diskutierte und Geschehene zu wahren, unterstreicht das ihren vertraulichen Charakter. Durch die aufgeführten Eigenschaften erscheint sie als eine wichtige informelle Schalt- und Schnittstelle für die politische Führungsgruppe und war so ein Knotenpunkt für den Fluss von Informationen von außen nach Bern beziehungsweise von dort nach außen. Diese Informationen wurden im Distelzwang vorab diskutiert und später verdichtet. Auf diese Weise spielte die Stube eine zentrale Rolle bei politischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen, die hier auf informellen Wegen vorbereitet wurden.110
109 Ordnung der Stube zum Distelzwang (vermutlich aus dem 15. Jahrhundert) zit. bei Wattenwyl von Diesbach, Gesellschaft zum Distelzwang, S. 178. 110 Damit erscheint sie als Kommunikationszentrum „innerhalb [einer] durch Genossenschaft und Gesellschaft segmentierten Öffentlichkeit“, Fouquet, Trinkstuben und Bruderschaften, S. 21; zur Basler „Stube zum Seufzen“ als „Versamlungsort der städtischen Elite, der Hohen Stube“ und Ort der „KontaktpÁege“ zwischen dem Rat der Stadt und Bischof vgl. Hirsch, Hof, S. 118 ff.; vgl. auch Teuscher, Bekannte, S. 199.
E. INFORMATIONSÜBERMITTLUNG UND INFORMATIONSKONTROLLE Im folgenden Kapitel wird in vergleichender Perspektive gezeigt, auf welche unterstützenden Techniken die städtischen Führungsgremien bei der Übermittlung von Informationen zurückgriffen. In einem ersten Schritt werden die Boten der untersuchten Städte vorgestellt, da diesen die wichtige Aufgabe der Übermittlung von Nachrichten zukam. Doch beschränkte sich ihre Rolle nicht darauf; als Stellvertreter des jeweiligen Senders nahmen sie Funktionen in der Kommunikation zwischen diesem und dem Empfänger ein und spielten mitunter eine wichtige Rolle bei der Informationsbeschaffung. Durch die Stetigkeit des Informationsaustauschs besaßen sie zudem Funktionen hinsichtlich der Kohäsion zwischen den Städten und trugen auf diese Weise zum Aufbau und zur Etablierung von Vertrauen unter ihnen bei. Umso wichtiger war es für die Führungsgruppen, dass sie sich auf ihre Boten verlassen konnten. Um das zu gewährleisten, entwickelten sie neben Boteneiden zahlreiche weitere Möglichkeiten, um sie, ihre Arbeit und die Übermittlungsgeschwindigkeit zu kontrollieren. Gerade in Kriegszeiten, in denen die Boten sich großen Gefahren ausgesetzt sahen, war das besonders notwendig. Wie gesehen, oblag die Organisation und Verwaltung der politischen Kontakte größtenteils den Stadtschreibern, die überdies eingehende Briefe als erste öffneten, den Inhalt zur Kenntnis nahmen und an die Räte weiterreichten. Nach der Diskussion über den Inhalt fertigten sie den Brief an und überreichten ihn dann den Boten zur Übermittlung an den jeweiligen Empfänger. Doch bereitet bereits der Begriff „botte“ große Schwierigkeiten, da er sowohl für die in dieser Arbeit im Vordergrund stehenden, mit politischen Aufträgen und entsprechenden Vollmachten ausgestatteten städtischen Gesandten als auch für reine Briefüberbringer verwendet wurde.1 Im Folgenden werden unter Boten ausschließlich die Übermittler von Briefen verstanden. Aufgrund der Fülle einschlägiger Literatur zum mittelalterlichen Botenwesen wird sich in der vorliegenden Arbeit darauf beschränkt, die Boten der untersuchten Städte vorzustellen.2 1
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Zu dieser Schwierigkeit vgl. von Seggern, Herrschermedien, S. 94 f.; Jucker, Gesandte, S. 80– 83; Hübner, Botenwesen; Queller, OfÀce; Hübner, Minderer Gesandter. Zu den unterschiedlichen Bezeichnungen von Briefboten vgl. Heimann, Briefedregher; Gachot, Louffende Botten. Während man in den Quellen für das 11. Jahrhundert nur vereinzelt auf organisiertes Botenwesen stößt, Ànden sich im 12. und 13. Jahrhundert erste Hinweise auf Boten, die bei den westeuropäischen Monarchien angestellt waren. Zur gleichen Zeit lassen sie sich auch das erste Mal in westeuropäischen Städten und Universitäten nachweisen. Doch ist zu betonen, dass man von der ersten schriftlichen Nennung von städtischen Boten keine Rückschlüsse auf den tatsächlichen Beginn ihrer Tätigkeiten ziehen kann. So sind auch in den Quellen der betrachteten Städte Straßburg, Basel und Bern aus der Zeit vor 1300 keine vom Rat beaufsichtigten und „professionellen“ Boten nachweisbar. Die Frage, ob diese bei der Übermittlung auf Ratsherren, Gele-
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E. Informationsübermittlung und Informationskontrolle
Die Führungsgremien waren vor allem in Krisenzeiten darauf angewiesen, dass Informationen auf dem schnellsten Weg und sicher beim jeweiligen Empfänger und nur bei diesem ankamen. Um das zu gewährleisten, entwickelten sie eine Reihe von Möglichkeiten, um sowohl die Geschwindigkeit der Informationsübermittlung als auch die Briefe selbst sowie ihre Boten einer umfassenden Kontrolle zu unterwerfen.3 Schließlich stand die „Kommunikations- und Informationskontrolle mit den sich ergebenen Einschränkungen für Partizipation […] im Zentrum des Politischen“4 und führte im Idealfall zur Konsolidierung der herausgehobenen Stellung der untersuchten Städte und ihrer Verbündeten. Dieser Prozess lässt sich mit dem Wunsch der Räte nach Erlangung einer Informations- und Wissenshoheit erklären. Dabei ging es ihnen nicht nur um die Kontrolle der eingehenden Informationen, sondern sie bemühten sich in Krisenzeiten verstärkt um die Kontrolle der ausgehenden Nachrichten. Denn wenn ihr Wissen, sei es über ihre militärischen Pläne oder ihre außenpolitischen Ausrichtungen nach Außen gelangte, machte das sie selbst und ihre Bündnispartner angreifbar. So erklärt sich auch der Ausschluss des Berner Kleinrats Adrian von Bubenberg, bei dem aufgrund seiner savoyischen Ehefrau die Gefahr eines Verlusts der Wissenshoheit gegeben war.5 Von der gleichen Gefahr könnten auch Formulierungen in den Eiden hindeuten, die die städtischen Amtsträger und die Boten vor Beginn ihrer Tätigkeiten leisten mussten. Bei diesen deutet das wiederkehrende „und helen was zu helen ist“ auf derartige Bemühungen der Räte hin.
3 4 5
genheitsboten oder Botensysteme von KauÁeuten zurückgriffen, lässt sich genauso wenig eindeutig beantworten, wie die Frage, ob derartige Tätigkeiten zu den PÁichten eines jeden Bürgers gehörten. Wahrscheinlich ist es vielmehr so, dass die Erwähnung von Boten erst am Ende einer Entwicklung stand, deren Ausgangspunkt und Verlauf aufgrund von fehlenden Quellen nicht mehr exakt zu rekonstruieren ist. HäuÀg sind die erstmaligen Nennungen von städtischen Boten von zahlreichen Faktoren abhängig, so beispielsweise vom Autonomiegrad der Stadt, ihrem Verwaltungsaufbau oder ihren jeweiligen Entscheidungsträgern, die „die außen- und innenpolitische Bedeutung eines Boten- und Gesandtschaftswesens erkannten und deshalb seine Strukturierung vorantrieben“. Umfangreiche Literatur zum Thema Botenwesen bei von Seggern, Herrschermedien, S. 404–407; Walser, Botenwesen; Hübner, Botenwesen. Dazu auch Bulst, Politische Dimensionen, S. 28–36. Ebd., S. 29. Auch die vor den Burgunderkriegen häuÀg auftauchenden Vereinbarungen der Führungsgruppen über bestimmte Angelegenheiten, wie beispielsweise über ihre Zustimmung zu den Pensionen des französischen Königs Geheimhaltung zu wahren, werden vor diesem Hintergrund verständlich, vgl. dazu Jucker, Geheimnis, S. 72 ff.; siehe auch Kapitel B 2.4.
1. Informationsübermittlung: Die Boten
215
1. INFORMATIONSÜBERMITTLUNG: DIE BOTEN 1.1. Amtseide In Straßburg geht das Botenwesen auf die bischöÁiche Verwaltung zurück, und erst im Stadtrecht von 1322 werden laufende Boten das erste Mal als Mitarbeiter der städtischen Kanzlei erwähnt, doch waren sie mit Sicherheit schon zuvor tätig.6 Über ihre genauen Aufgaben erfährt man nichts Näheres. Es wird lediglich angegeben, dass die Kanzlei, genannt werden ein „oberschriber und die anderen schriber“, für sie verantwortlich waren.7 Zwanzig Jahre später tauchen abermals Boten im städtischen Schriftgut auf. In einer Notiz aus den 1340er Jahren werden zwei mit Namen genannte Läufer mit Tuch bedacht.8 Erst in der so genannten „Reformatio“ von 1405 werden Angaben dazu gemacht, wie hoch die Anzahl der Boten sein sollte, welche Aufgaben sie hatten und wie hoch ihr Lohn war.9 Demnach beschäftigte die Stadt vier vereidigte Boten, die eindeutig von Gelegenheitsboten unterschieden wurden.10 Als Schnittstelle zwischen Sender und Empfänger mussten sich die Räte auf die Boten verlassen können. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Forderung, Briefe unverzüglich zu den Empfängern zu transportieren und sich auf dem Weg weder dem Spiel noch dem Alkohol hinzugeben. Vor allem wichtige Nachrichten übermittelten nur vereidigte Boten. Durch eine Botenordnung aus dem Jahr 1443, die höchstwahrscheinlich noch im Untersuchungszeitraum Geltung beanspruchte, erfährt man etwas über ihre Tätigkeitsfelder.11 In der Botenordnung wird deutlich, dass Straßburg drei vereidigte Boten angestellt hatte, als deren direkte Vorgesetzte die Stettmeister, der Ammeister und der Stadtschreiber fungierten und ohne deren Wissen und Willen sie keine zusätzlichen Botengänge unternehmen durften.12 Der Eid verpÁichtete sie, ihre Aufträge schnellstmöglich zu erledigen und kein so genanntes „Wartgeld“ anzunehmen, falls sie nicht länger als einen Tag auf die Antwort des Empfängers warten würden. Überdies wurde ihnen verboten, Aufträge vom Rat an Dritte abzutreten. Trafen sie den Empfänger schon auf dem Weg an,
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Im ersten Straßburger Stadtrecht, das Bischof Ruprecht Mitte des 12. Jahrhundert niederschreiben ließ, werden neben zahlreichen politischen Ämtern bereits 25 Boten genannt. Doch handelte es sich bei diesen nicht um Briefboten, sondern um mit diplomatischen Aufträgen versehene und zu diesen berechtigte Mitglieder des Rats der Stadt. Zum Botenwesen in Straßburg vgl. Gachot, Louffende Botten; Hübner, Botenwesen, S. 18 ff. 7 Gachot, Louffende Botten, S. 2. 8 Ebd., S. 18 ff. 9 Hübner, Botenwesen, S. 21. 10 Gachot, Louffende Botten, S. 2; zu den Zuboten vgl. Hübner, Botenwesen, S. 160–163. 11 Abgedruckt bei Gachot, Louffende botten, S. 4. Erst 1484 wurde eine neue Botenordnung erlassen, vgl. ebd., S. 6. 12 Ebd.: „[D]ie selben drie louffenden bitten söllent eim oberschriber empfolhen sin, sü heissen zu louffen und söllent die ouch die selben drie botten noch dehein zubrot niergent von der stat louffen ohne vrlopp, wissen und willen eins stettmeisters […] noch eins ammeisters oder eins oberschribers“.
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E. Informationsübermittlung und Informationskontrolle
waren sie zur Rückzahlung des etwaig zu viel bezahlten Lohns verpÁichtet. Als Ausstattung sollte ihnen in Stadtfarben gehaltene Kleidung sowie eine Botenbüchse dienen. Neben den Läufern beschäftigte Straßburg spätestens ab Mitte des 15. Jahrhunderts auch reitende Boten, die man bei dringenden Übermittlungen heranzog und deren Anzahl variabel war.13 Auch in Basel war die Entwicklung des Botenwesens stark vom Verhältnis zwischen Rat und Bischof geprägt.14 Die Rechnungsbücher der Stadt lassen es ansatzweise zu, grobe Entwicklungslinien des Botenwesens nachzuzeichnen. Beispielsweise wird in der Jahresrechnung von 1382/83 das erste Mal ein Bote erwähnt, der Geld dafür erhielt, dass er einige Ratsherren und den Stadtschreiber auf einer diplomatischen Mission begleitet hatte.15 Erst 1390 sind feste Jahreslöhne für Boten nachzuweisen.16 Vier Jahre später Ànden sich Ausgaben für Amtskleidung und 1404/05 Àndet man neben einer ersten und für die betrachtete Zeit relevanten Ordnung auch erstmals berittene Boten.17 Die Wochenausgabebücher verdeutlichen, dass im Untersuchungszeitraum ihre Anzahl zwischen vier und fünf betrug.18 Wie in allen der untersuchten Städte waren sie der Spitze des Rats, sprich Oberzunftmeister, Bürgermeister und Stadtschreiber, unterstellt und sollten deren Aufträge unverzüglich erledigen, ohne deren Wissen jedoch auch keine Botengänge ausführen. Weiterhin hatten sie dem Rat nach ihrer Rückkehr zu berichten, was ihnen vom jeweiligen Empfänger „von munde ze antwurt“ gegeben worden war. Auch hatten sie sich vor und nach den Ratssitzungen im Rathaus einzuÀnden, um Aufträge entgegenzunehmen. Zuletzt wurde ihnen befohlen, Geheimhaltung darüber zu wahren, was ihnen „von mund empholhen“ sei. In Bern Ànden sich bereits Ende des 13. Jahrhunderts erste Hinweise auf „Weibel“, die in städtischen Diensten standen und in deren Aufgabenbereich auch die Nachrichtenübermittlung gehörte.19 Im Zuge der Erweiterung des städtischen Territoriums zu Beginn des 14. Jahrhunderts vollzog sich in Bern eine Ausdifferenzierung der städtischen Ämter.20 Hinzu kam, dass die Kontakte zu auswärtigen Herrschaftsträgern zunahmen, was die Einführung eines organisierten Botenwesens notwendig machte. Die erste Erwähnung von Boten Àndet sich in der Stadtrechnung
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Gachot, Louffende botten, S. 2; Hübner, Botenwesen, S. 18 ff. Zur Entwicklung des Botenwesens in Basel vgl. Hübner, Botenwesen, S. 20 f.; Moser, Basler Postwesen; zum Botenwesen des Basler Bischofs im Untersuchungszeitraum vgl. Hirsch, Hof, S. 113–117. Hübner, Botenwesen, S. 20. Bei dem Boten handelte es sich um einen gewissen Heinrich von Peffurt (Belfort), der im Zuge des KonÁikts zwischen Basel und Herzog Leopold III. von Österreich in Gefangenschaft geriet, Urkundenbuch der Stadt Basel 4, Nr. 378. Hübner, Botenwesen, S. 21. Abgedruckt bei Moser, Basler Postwesen, S. 83. Zu den berittenen Boten vgl. Hübner, Botenwesen, S. 22 f. Sie Ànden sich stets am Ende der Liste für jede Woche und sind daher namentlich bekannt. Zum Botenwesen von Bern vgl. Hübner, Botenwesen, S. 21 ff.; dies., Nüwe mer; Studer Immenhauser, Verwaltung, S. 66 f.; zum Weibelamt: Hübner, Botenwesen, S. 132–140; Studer Immenhauser, Verwaltung, S. 60 f. Vgl. Studer Immenhauser, Verwaltung, S. 210–224.
1. Informationsübermittlung: Die Boten
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von 1375, und ein Jahr später taucht dann wie in Basel ein Posten auf, nach dem die Boten Amtskleidung zugeteilt bekamen.21 Wahrscheinlich hatte sich das Botenamt in Bern um 1400 deÀnitiv ausgeformt und etabliert.22 Die jeweilige Botenanzahl war noch variabel und richtete sich wahrscheinlich nach Bedarf der städtischen Führung. Für 1473 ist ein erster Eid für die laufenden Boten erhalten, laut dem sie dem Kleinen Rat und insbesondere dem Schultheißen und dem Stadtschreiber unterstellt waren, auf deren Anweisungen sie „getrüwelichen“ warten und Botengänge für sie „tag oder nacht“ ausführen sollten.23 Wie in den anderen untersuchten Städten waren auch den Berner Boten Privatläufe für Bürger verboten, und sie wurden überdies zur Geheimhaltung aller ihnen anvertrauten Informationen verpÁichtet.24 1.2. Spannungsverhältnis zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit und Amtssymbole Diese VerpÁichtung zur Geheimhaltung war vor allem in KonÁiktzeiten notwendig. Denn die Boten spielten neben der bloßen Raumüberwindung und Übermittlung von Nachrichten auch im Hinblick auf die Kommunikation mit dem Empfänger eine wichtige Rolle. Bereits die wiedergegebenen Eide offenbarten, dass sie von den Sendern als Stellvertreter zusätzliche Informationen zum Inhalt und den möglichen Motiven der Briefe erhielten. Bei ihrer Ankunft beim Empfänger mussten sie im Sinne des Absenders Betonungen setzen und Zusatzinformationen übermitteln. Aber auch die Empfänger und möglichen Verfasser eines Antwortschreibens vertrauten den Boten neben dem Brief zusätzliche Informationen an. Doch fällt es schwer, das Verhältnis zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit im spätmittelalterlichen Kommunikationsprozess exakt zu bestimmen.25 Es ist jedoch davon auszugehen, dass den Boten sehr viel mehr mündliche Aufgaben zukamen, als es die erhaltenen Quellenbestände erahnen lassen.26 In diese Richtung deuten Formulierungen in den untersuchten Briefen, nach denen der Empfänger zusätzliche Informationen von dem Boten erhalten werde, der das Schreiben überbringe. Gerade wenn in Kriegszeiten Wege und Straßen unsicher waren, war Mündlichkeit im Kommunikationsprozess besonders erforderlich.27 Das belegt ein Brief des Straßburger Ammeisters Amelung an die Hauptleute vor Blamont. In diesem berichtete er ihnen, dass einer ihrer Boten aus Lothringen zurückgekehrt sei, der ihnen nicht nur „schrifftlich“, sondern auch „müntlich bottschafft“ übermittelt habe.28 Auch 21 22 23 24 25 26 27 28
Vgl. Hübner, Botenwesen, S. 22. Diese geht davon aus, dass sich zwischen 1353 und 1375 das Botenamt vom Amt des Weibels abgelöst hat. Hübner, Botenwesen, S. 22. StABe Alt Policey – Eid und Spruchbuch, fol. 160. Vgl. Hübner, Läuferamt; dies., Botenwesen, S. 67 u. S. 73. Dazu auch: Walser, Botenwesen, S. 425–448. Walser, Botenwesen, S. 458–465; Jucker, Gesandte, S. 80 f. Jucker, Gesandte, S. 200 u. S. 211 ff.; Hübner, Botenwesen, S. 79. AMS AA 277, fol. 23.
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E. Informationsübermittlung und Informationskontrolle
in den Berner Briefbeständen Ànden sich Hinweise auf die mündliche Erweiterung des geschriebenen Wortes durch Boten. So kündigten die Berner Hauptleute in einem Schreiben an die Räte an, dass der Bote, der die Nachricht überbringe, ihnen „sagen“ werde, „wie es zú Múnster stat und gat“29. Bei den Boten handelte es sich um hochspezialisierte Amtsträger, die größtenteils des Lesens und des Schreibens mächtig waren, und es Ànden sich Hinweise darauf, dass sie selbst als Verfasser von Nachrichten agierten. Im Kontext des Treffens zwischen dem burgundischen Herzog und Kaiser Friedrich III. im Herbst 1473 in Trier richteten die Räte von Straßburg Anfang November einen Brief an seinen Boten Wetzel. Darin befahlen sie ihm, so lange vor Ort zu verbleiben, bis der Kaiser die Stadt verlasse.30 Trete dieser Fall ein und begebe sich der Kaiser in Richtung Westen, solle er ihnen das schnellstmöglich verkünden. Zöge das Reichsoberhaupt hingegen Richtung Köln oder Aachen „oder ander wege gegen dem Rin oder über dem Rine“, solle Wetzel sich auf direktem Weg zurück nach Straßburg machen. Wie ein von ihm verfasster Brief zeigt, kam er der Bitte des Rats am 20. November 1473 nach.31 Gerichtet ist das Schreiben an den Straßburger Stadtschreiber, was dessen Rolle im Kommunikations- und Informationsprozess unterstreicht. Ihm berichtete er, dass er noch nichts Näheres über das Abreisedatum des Kaisers wisse und lediglich Kenntnis darüber besitze, dass dieser den Herzog krönen wolle, um im Gegenzug eine „groß summ geltz“ zu erhalten. Darauf folgen Beschreibungen von Begebenheiten in Trier sowie die Entschuldigung des Boten, „zu dissem male“ nicht mehr berichten zu können. Da sehr „viel rede fur vnd wyder“ gehe, sei es schwer, „die warheit zu erfaren“, doch gehe er davon aus, dass die Gespräche zwischen den beiden Potentaten bald zu Ende seien. An den Formulierungen wird deutlich, dass er nicht nur den vorliegenden Brief, sondern den Rat seiner Heimatstadt schon vorher und wahrscheinlich auch danach über die Ereignisse informiert haben muss. Die Boten standen somit in einem interessanten Spannungsverhältnis zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Als Stellvertreter repräsentierten die Boten den Sender vor den Empfängern.32 Das erklärt, dass sie neben dem pekuniären Lohn fast immer Tuch erhielten, das für ihre in Stadtfarben gehaltene Dienstkleidung bestimmt war.33 Diese unterschied sie von den Gelegenheits- und Aushilfsboten, visualisierte ihre Zugehörigkeit zum Herrschaftsträger und verdeutlichte dessen raumübergreifenden Machtanspruch.34 Es ist davon auszugehen, dass sie nicht immer Dienstkleidung trugen. Schließlich wurden sie auch für Kundschaftertätigkeiten herangezogen, weswegen sie eine weithin sichtbare Dienstkleidung an der Ausführung derartiger Aufgaben gehindert hätte. Doch nicht nur die Dienstkleidung verdeutlichte ihre Zugehörigkeit zu einem 29 30 31 32 33 34
StABe Unnütze Papiere 4, fol. 117. AMS AA 286, fol. 2 (5. November 1473). AMS AA 266, fol. 46. Walser, Botenwesen, S. 125–128. Zur Dienstkleidung von Boten vgl. von Seggern, Herrschermedien, S. 81–87; Hübner, Botenwesen, S. 154 ff.; vgl. auch Groebner, Gefährliche Geschenke, S. 87 f. Vgl. Hübner, Botenwesen, S. 139 ff.; Mertens, Wappenrock.
1. Informationsübermittlung: Die Boten
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Herrschaftsträger; ein weiteres wichtiges Erkennungsmerkmal waren die erwähnten „Botenbüchsen“, die sich aus den im 13. Jahrhundert üblichen Brieftransportbehältnissen hin zu einem Symbol für den Sender und den Boten entwickelten.35 Schließlich waren sie mit dem Wappen des jeweiligen Herrschaftsträgers versehen und wurden von den Boten während der Dienstzeit getragen. Die Boteneide machen deutlich, dass man das Ablegen der Botenbüchsen mit dem Wechsel von der Amts- zur Privatperson gleichsetzte. Dementsprechend hielt man sie an, sich niemals ohne Büchsen auf den Weg zum Empfänger zu begeben und diese abzulegen, wenn sie für Privatpersonen unterwegs waren. Dem Transport von Briefen dienten Ledertaschen und „Missivensäcke“, die die Boten meist am Gürtel trugen und häuÀg mit dem (Stadt-)Wappen versehen waren.36 Darin konnten mehrere Briefe gleichzeitig transportiert werden. Für große und aufwendige Schriftstücke, wie Urkunden oder Verträge, wurden bis ins 17. Jahrhundert bemalte und durch Siegel verschlossene „Wappenrollen“ verwendet, die eine repräsentative Funktion hatten.37 Neben Kleidung, Botenbüchsen und -taschen waren die Botenstäbe beziehungsweise -spieße, die sie auf ihren Läufen mit sich führten, weithin sichtbare Zeichen ihres Amtes.38 Diese symbolisierten die „Unantastbarkeit seines Trägers sowie [die] Präsenz des Auftraggebers“39. 1.3. Geheime Übermittlungstechniken und Sonderaufträge Im Kontext von Kriegen waren Techniken zur geheimen Übermittlung von Informationen dringend notwendig, doch fällt es schwer, etwas darüber zu erfahren. Das könnten auch zahlreiche klein zusammengefaltete Nachrichten beweisen, die noch vorzustellenden „Cedulae inclusae“. Diese enthielten weder Siegel noch Unterschriften, dafür aber relevante und zum Teil äußerst wichtige Informationen.40 Überdies ist vorstellbar, dass die Boten derart kleinformatige Nachrichten in ihre Schuhe, Innentaschen oder Stäbe einnähten oder legten, um sie auf diese Weise unentdeckt zum Empfänger zu transportieren. Das wird durch die Aussage des Berners Ludwig von Diesbach gestützt, der sich im Jugendalter an verschiedenen Adelshöfen zur Erziehung und Ausbildung aufhielt.41 Dort lernte er neben frem35
Zu den Botenbüchsen vgl. Von Seggern, Herrschermedien, S. 101 ff. (mit weiterführenden Literaturangaben); Hübner, Botenwesen, S. 143 ff.; auch Hirsch, Hof, S. 117, behandelt die Ausrüstung von Boten. 36 Auch dies zeigt die Sichtung zahlreicher Illustrationen aus der damals zeitgenössischen Chronistik (vgl. Gachot, Louffende Botten, S. 14; Hübner, Botenwesen). 37 Maué, Verschlossene Briefe. 38 Hübner, Botenwesen, S. 141 ff. 39 Seine Entsprechung Àndet das auch in den damals zeitgenössischen Chroniken, in deren Illustrationen Botenstäbe die wichtigsten Erkennungsmerkmale von Boten darstellen. Vorstellbar ist aber auch, dass sie als primitive Verteidigungswaffen dienten, die sie neben anderen Waffen mit sich trugen (ebd.). 40 Zu den „Cedulae inclusae“ siehe Kapitel G 1. 41 Zu ihm vgl. Zahnd, Aufzeichnungen; Walter, Kontore.
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E. Informationsübermittlung und Informationskontrolle
den Sprachen und adligen Umgangsformen auch Aspekte der Geheimdiplomatie kennen und gab in seinen autobiographischen Aufzeichnungen an, er sei einige Male als Übermittler von Briefen herangezogen worden. In diesem Zusammenhang habe er beispielsweise den Auftrag erhalten, im Geheimen einen Brief an den savoyischen Prinzen Philippe von Bresse zu überbringen. Um das Schreiben unentdeckt zu diesem Vertrauten Berns zu transportieren, sei es ihm in sein Gewand eingenäht worden, so Diesbach.42 Ein weiterer Hinweis, wie Informationen auf geheimen Wegen ihre Empfänger erreichten, enthält die Aussage eines Straßburger Bürgers namens Hesse. Er gab bei einer Vernehmung vor dem Rat 1472 an, dass er nähere Kenntnis von den geheimen Techniken der burgundischen Parteigänger habe, wie sie den burgundischen Landvogt mit Informationen versorgten.43 So halte sich ein Knecht des Straßburgers Kaspar von Waltenheim ohne Bürgerrecht in der Stadt auf, den Waltenheim mit Briefen „zu dem von Hagenbach und den von Wissemburg“ schicke. Um die Nachrichten geheim zu ihren Empfängern zu übermitteln, „stecket der knecht die briefe in den wagen“, damit „sie nit by im selber funden werden“, so Hesse. Seine Aussagen sind insofern interessant, als sich die Stadt Weissenburg tatsächlich weigerte, dem Bündnis gegen den burgundischen Herzog beizutreten. Vor allem berittene Boten erhielten repräsentative Sonderaufträge. Dies war unter anderem dann der Fall, wenn sie fremde und eigene Gesandte zu Versammlungen geleiteten.44 Damit bezweckten die Räte den Schutz der Gesandten und führten zugleich durch ihre Amtskleidung allen vor Augen, dass ein Angriff auf sie einem Angriff auf ihre Absender gleichgesetzt wurde. Überdies standen die Reiter den eigenen Gesandten durch ihre Anwesenheit stets als Übermittler von Nachrichten zur Verfügung, wodurch man nicht fremde Boten oder Gelegenheitsboten für die Übermittlung der mitunter wichtigen Nachrichten heranziehen musste. Ihre Repräsentationsfunktionen ließen es den Boten zu, dass sie auch zu logistischen Tätigkeiten herangezogen wurden, und es lässt sich nachweisen, dass man sie auch mit der Begleitung von Materialtransporten, wie beispielsweise Kriegsgerät oder Lebensmittel, betraute.45 Daneben kam ihnen häuÀg die Übermittlung von Geld zu46. Während es sich bei den Geldtransporten in Friedenszeiten überwiegend um Zinsen, Leibrenten und andere städtische Geldschulden handelte, wurde ihnen in Kriegszeiten auch die Übermittlung von Pensionen und Soldzahlungen anvertraut.47 Dass es sich gerade bei den letzteren um hohe Summen handeln konnte, verdeutlicht ein Brief des Bas42 43 44 45 46
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Im Original heisst es: „[…] den deß selben mals war my der breyff in myn wamssell geneyd, den herczyg Ckarly von Bśrgśn […] schykktt“, Zahnd, Aufzeichnungen, S. 39 f. AMS AA 262, fol. 2. Vgl. dazu mit zahlreichen Beispielen Hübner, Botenwesen, S. 115–117. Hübner, Botenwesen, S. 133 ff. mit zahlreichen Beispielen. Im Boteneid wird angegeben, dass sie – wenn sie von der städtischen Führung mit dem „inzichen“ von Geld beauftragt worden seien – dieses so schnell wie möglich wieder den Räten „antwurten“ und nichts von dem Geld für sich „verwenden“ sollten, StABe Alt Policey – Eid und Spruchbuch, fol. 160. Hübner, Botenwesen, S. 134 f.
1. Informationsübermittlung: Die Boten
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ler Rats an seine Hauptleute vor Blamont Anfang August 1475.48 Darin informierte er seine Amtsträger im Feld darüber, dass sie ihnen den ausstehenden Sold in Höhe von 1.600 Pfund für einen Monat „by Diebolt“, ihrem „diener“, zusenden würden.49 Tatsächlich handelte es sich bei dem erwähnten Diebold um einen städtischen Boten, da er auch in den Wochenausgabebüchern erwähnt wird. Derartige Sonderaufträge waren mit Sicherheit begehrt, da sie den Boten einerseits ein erhöhtes Prestige einbrachten und sie andererseits durch derartige Spezialmissionen ihr Gehalt aufbessern konnten. Neben den angesprochenen Naturallöhnen Ànden sich in den untersuchten Quellen Hinweise auf die Löhne, die Boten für ihre Tätigkeiten erhielten, die sich in allen Städten nach der zurückgelegten Wegstrecke bemaßen.50 In Straßburg beispielsweise erhielten die Boten für jede Meile acht Pfennig, sei es „über gebirge oder sust in Swoben oder anderswo hin“51. Demgegenüber hielt die Basler Führung in den 1470er Jahren in einer AuÁistung schriftlich fest, wie hoch der Lohn der Boten zukünftig sein sollte, der für Übermittlungen „innerlandes“ und „ußerlanndes“ ausbezahlt werden sollte.52 Während sie demnach innerhalb des Basler Territoriums sechzehn Pfennig erhielten, bekamen sie für jede zehnte Meile außerhalb desselben ein Pfund. Darauf folgt eine Liste der Orte, die anscheinend am häuÀgsten angelaufen wurden und für die sie einen festen Lohn bekamen. Auf dieser stehen neben Orten im Nahraum Basels, wie beispielsweise Rötteln, Rheinfelden und Säckingen, auch entfernt liegende Städte wie Zürich, Luzern oder Bern sowie Kolmar, Schlettstadt oder Straßburg. In Bern hingegen Ànden sich nur in den Stadtrechnungen aus der Mitte des 15. Jahrhunderts Hinweise auf die Bezahlung von Boten, nach denen die Höhe des Lohns von der Jahreszeit abhängig war und sie daher im Sommer weniger Geld als im beschwerlichen Winter bekamen.53 Die genannten Löhne beziehen sich auf die bei Tageslicht unternommenen Botengänge. Da die Übermittlungsgeschwindigkeit eine wichtige Rolle spielte, Ànden sich in den untersuchten Quellen Hinweise auf so bezeichnete „Nachtlöuffe“, für die die Boten mehr Geld erhielten.54 Vor allem im Kontext des Krieges gegen Burgund nahmen die Ausgaben dafür erheblich zu.55
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StABas Missiven A 14, fol. 161. StABas Missiven A 14, fol. 161. Zur Entlohnung von Boten bei Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg vgl. Walser, Botenwesen, S. 218–233. Die Bezahlung der Boten nach zurückgelegten Meilen Àndet sich auch Hirsch, Hof, S. 117–117. Dass Boten auch nach der Länge ihres Ausbleibens bezahlt werden konnten, zeigt das Beispiel Freiburgs i. Ue., Hübner, Botenwesen, S. 149–159. Gachot, Louffende botten, S. 2. StABas WAB 10, fol. 664; vgl. dazu Groebner, Gefährliche Geschenke, S. 86; siehe auch die Einleitung. So beispielsweise für das zweite Halbjahr des Jahres 1433 oder das erste Halbjahr des Jahres 1443, Welti, Stadtrechnungen, S. 24 bzw. S. 157. Hübner, Botenwesen, S. 153 f. Beispielsweise verfasste Basel im Kontext der Gefangennahme eidgenössischer KauÁeute auf dem Rhein und ihrer erfolgreichen Befreiung Briefe an Luzern, Liestal, Zürich, Bern, Straßburg, Ensisheim und Münchenstein, von denen der merteil nachts“ übermittelt worden sei.
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E. Informationsübermittlung und Informationskontrolle
Hinzu gesellten sich so genannte „Wartgelder“. Sie wurden den Boten immer dann ausbezahlt, wenn sie beim Empfänger auf die Antwort warten mussten.56 Schon einige Formulierungen in den Briefen deuten darauf hin, dass die Städte derartige Wartezeiten fest einplanten. Das war vor allem dann der Fall, wenn in den Schreiben angegeben wird, dass sich die Sender vom Empfänger eine direkte „antwort bei dem botten“ wünschten.57 Auch in den Basler Wochenrechnungen Ànden sich solche Posten, laut denen ein Bote, der einen „gantzen tag […] der antwurt wartet“, zwei Schillinge ausbezahlt erhielt.58 Das war meist dann der Fall, wenn man eine schnelle Antwort benötigte oder der Empfänger zu weit entfernt lebte.59 In Basel lässt sich ein weiterer Faktor ausmachen, der Zeugnis von der gemeinsam betriebenen Außenpolitik der untersuchten Städte ablegt. So Àndet sich kurz vor dem Ausbruch der Burgunderkriege im Oktober 1474 eine strenge Trennung zwischen den Kosten, die Basel für sich und seine eigenen Belange ausgab und jenen, die auf die „gemein Buntgenossen“ zurückzuführen waren und neben den gemeinsam geführten Feldzügen und den aus diesen resultierenden Kosten auch das Verfassen, Versenden und Überbringen von Briefen und die Übermittlung von Informationen im Zusammenhang mit dem Bündnis betrafen. Hinweise auf eine Kostenteilung Ànden sich aber auch in Friedenszeiten, und so sind zahlreiche Briefe erhalten, in denen die Städte den Empfänger um Neuigkeiten baten, die sie ihnen auf ihre Kosten zukommen lassen sollten. Als sich der burgundische Herzog nach dem gescheiterten Treffen von Trier Anfang Dezember 1473 ins Elsass begab, erfuhren die Basler Räte als erste davon und teilte das Straßburg mit der Bitte mit, falls man dort nähere Informationen habe, diese schnellstmöglich in ihren „Kosten ze verkunden“60. Derartige Angebote hingen stets vom politischen Kontext und der Bedeutung der erwarteten Neuigkeiten ab.61 Neben den angesprochenen Sonderaufträgen erhielten die Boten für das Überbringen von Informationen, welche die Empfänger für besonders wichtig erachteten, häuÀg Geldgeschenke vom Empfänger.62 Wiederum sind es die Basler Rechnungen, die einen Einblick in diese Geschenkpraxis zulassen: Beispielsweise erhielt ein Straßburger Bote, der „mit kuntschafften“ der Kriegshändel zwischen Burgund und Frankreich nach Basel kam, ein Geschenk von zwei Gulden ausbe56 57 58 59 60 61
62
Zu den „Wartgeldern“ vgl. auch Hirsch, Hof, S. 116 f.; Hübner, Botenwesen, S. 152 f. Beispielsweise StABe Dt. Miss. A 710, ebd. A 854; ebd., A 875. Diese lassen sich um zahlreiche weitere Beispiele erweitern und scheinen übliche Wünsche gewesen zu sein. StABas WAB 10, fol. 664. StABas WAB 10, fol. (11.–18. November 1475) „Wartgeld“ für einen Basler Boten, der in Innsbruck auf Antwort gewartet hatte. AMS AA 264, fol. 1 (5. Dezember 1473). So beispielsweise auch bei Ansammlungen von burgundischen Truppenteilen, von denen man nicht wusste, was sie vorhatten, AMS AA 259, fol. 3 – Basel an Straßburg am 25. Mai 1469 oder bei Neuigkeiten bezüglich der Gefangennahme der eidgenössischen KauÁeute auf dem Rhein im April 1473, AMS AA 264, fol. 4 – Basel an Straßburg am 8. April 1473. Zur Geschenkpraxis im oberrheinisch-eidgenössischen Raum vgl. Groebner, Gefährliche Geschenke, S. 83 f u. S. 89; ders., Invisible Gifts; Hübner, Botenwesen (mit zahlreichen Beispielen).
1. Informationsübermittlung: Die Boten
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zahlt.63 In gleicher Höhe wurde ein weiterer Bote dafür bedacht, dass er während des Zugs der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition Briefe gefunden hatte, die die „von Straßburg verloren hand“. Eine nicht genau zu bestimmende Summe bekam der Überbringer einer Nachricht, nach der Héricourt erobert worden sei.64 Wie noch gezeigt wird, waren derartige zusätzliche Ausgaben im Zusammenhang mit dem Tod Karls des Kühnen im Januar 1477 besonders hoch.65 Vor allem die Boten der Bündnispartner waren häuÀg Nutznießer dieser Geldgeschenke. Beispielsweise erhielten in ein und derselben Woche sowohl ein Bote aus Straßburg als auch ein Läufer aus Kolmar von Basel drei Gulden wegen vorgebrachter „Warnungen“. Dass es diese Geschenke auch in anderen Städten gab, offenbart der Basler Boteneid aus dem Jahr 1405, nach dem sie ihrer Führungsgruppe melden mussten, was und in welchem Wert sie vom Empfänger geschenkt bekommen hatten.66 Darin spiegelt sich gleichzeitig das große Vertrauen wieder, das die Räte in ihre Boten setzten. Mithilfe der zusätzlichen GratiÀkationen schuf man zudem einen Anreiz, dass sie ihre Aufträge schnell und ohne Verzögerung erledigten.
1.4. Gefahren und zusätzliche Aufgaben Vor allem in Krisenzeiten sahen sich Boten ständig Gefahren ausgesetzt.67 Wie noch zu zeigen sein wird, boten Überfälle auf Boten durch das damit einhergehende Erbeuten von Briefen und die unter Zwang durchgeführten Verhöre erweiterte Möglichkeiten zum Erhalt von Informationen. Hinzu gesellten sich ihre zusätzlichen Aufgaben als Übermittler beispielsweise von Soldzahlungen ins Feld. Als sinnfällige Stellvertreter der städtischen Führungsgremien wurden an ihnen verübte Gewaltakte als symbolische Akte wahrgenommen und entsprechend negativ aufgenommen. Es muss jedoch einschränkend hinzugefügt werden, dass nicht nur die Truppen des burgundischen Herzogs und seine Verbündeten Überfälle auf Boten verübten. Auch der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition war im Krieg jedes Mittel recht, um an möglicherweise relevante Informationen zu gelangen. Von einem Überfall auf einen Boten der von Burgund bedrängten Reichsstadt Mülhausen legt ein Brief des Berner Führungsgremiums Zeugnis ab, der sowohl an die Stadt als auch an den Bischof von Basel gerichtet war.68 Demnach hatten die Berner einen ihrer „louffenden botten“ mit einem Brief zum Markgrafen von Baden geschickt und ihm befohlen, dessen Antwort Mülhausen, aber auch ihnen selbst zu übermitteln. Als dieser auf dem Rückweg durch Basel gekommen sei und dort einen Amtskollegen aus Mülhausen getroffen habe, habe er diesem den Brief des Markgrafen zur weiteren Übermittlung gegeben, um daraufhin in Basel auf die Ant63 64 65 66 67 68
StABas WAB 10, fol. 461. Harms, Stadthaushalt 1474/75, S. 380. Zum Tod Karls des Kühnen als „Medienereignis siehe Kapitel E 2.3. Hübner, Botenwesen, S. 153 f. Walser, Botenwesen, S. 105–111; Jucker, Trust; Hübner, Botenwesen, S. 267 ff. StABe Dt. Miss. A, fol. 580 f. (8. Juni 1469).
224
E. Informationsübermittlung und Informationskontrolle
wort Mülhausens zu warten. Der Bote von Mülhausen sei aber auf dem Weg für ein Lösegeld in Höhe von zwei Gulden gefangen genommen worden. Wer die Übeltäter gewesen seien, wisse man in Bern nicht. Wie das nächste Beispiel belegen kann, waren auch königliche Boten nicht vor Überfällen sicher. Im Oktober 1474 fanden in Feldkirch Verhandlungen zwischen oberrheinisch-eidgenössischen, französischen und österreichischen Wissensträgern statt. Dort einigten sich die Eidgenossen endgültig darauf, gemeinsam mit dem französischen König Ludwig XI. und dem österreichischen Herzog Sigmund gegen den burgundischen Herzog vorzugehen. Kurz nach Beendigung der Gespräche erhielten die Berner Räte einen Brief von ihrem neuen Bündnispartner Ludwig XI., als dessen Überbringer ein französischer Bote fungierte, der auf der Reise nach Bern überfallen worden sein muss. Das geht aus einem Brief der Stadtoberen hervor, den sie eine Woche vor Kriegsbeginn an König Ludwig XI. richteten und ihm mitteilten, dass dem „kungklichen botten“, als er auf dem Rückweg „sin sträß zś bruchen“ versucht habe, bedauerlicherweise „untrüwe vnd beroubung begegnott“ seien.69 Doch sei die Tat außerhalb des österreichischen beziehungsweise eidgenössischen Territoriums geschehen, und zwar dort, wo „der allten röuber art vnd natur“ üblich seien.70 Daraufhin habe man ihn zu der Tat befragt, um möglichst schnell herauszuÀnden, wer der Übeltäter gewesen sei. Sobald man in Bern genauere Informationen habe, könne der König „sollich frevell“, der ihnen „unsaglich widerwertig“ sei, hart bestraft wissen.71 Wo genau der Überfall stattfand, muss offenbleiben. Doch spielte die Berner Führung vielleicht auf das feindlich gesinnte Savoyen an, zumal der Weg des Boten zwangsläuÀg durch savoyisches Gebiet führte.72 Sowohl in Friedens- als auch gerade in Kriegszeiten ist ein weiteres bedeutendes Arbeitsfeld der städtischen Boten und Reiter zu erwähnen, bei dem es sich um von ihnen ausgeübte Tätigkeiten als Informationsbeschaffer handelt.73 Zur Wahrnehmung derartiger Aufgaben waren sie aufgrund ihres hohen Spezialisierungsgrads geradezu prädestiniert. Im besonderen Maße waren es ihre exzellenten Kenntnisse um Wege, Straßen und Grenzen. Schon ihre ofÀziellen Tätigkeiten als Überbringer von Nachrichten ließen sie in Kontakt mit zahlreichen Personengruppen treten, und auf ihren Reisen zu den jeweiligen Empfängern durchquerten sie zahlreiche Städte und Orte, wo ihnen zwangsläuÀg zahlreiche Neuigkeiten, Gerüchte und Informationen zu Ohren kamen. Aber auch bei den Empfängern, wo sie häuÀg über einen längeren Zeitraum auf Antworten warten mussten, war es möglich, Ohren und Augen offen zu halten. Insbesondere war das der Fall, wenn sie zu hochrangigen Herrschaftsträgern geschickt wurden, bei denen sie nicht die einzigen Boten waren, die auf Antworten und damit auf ihre Abreise warteten, so dass sich ihnen 69 70 71 72 73
StABe Dt. Miss. C, fol. 307 f. Zur Gefahr auf Straßen für die Zeit des Früh- und Hochmittelalters vgl. Reuter, Unsicherheit. StABe Dt. Miss. C, fol. 307 f. Vgl. Roulet, Route Berne-Genève. Vgl. in Ansätzen für Freiburg i. Ue. und Solothurn: Hübner, Botenwesen, S. 261 ff.; für Nürnberg: Sporhan-Krempel, Nürnberg, S. 13 f.
1. Informationsübermittlung: Die Boten
225
dort zahlreiche Möglichkeiten zur Beschaffung von Informationen boten. Vor allem Höfe waren wichtige Multiplikatoren für Nachrichten und Gerüchte jedweder Art, an denen es aber auch immer die Möglichkeit der (gezielten) Fehlinformation gab.74 Es ist es mit Sicherheit davon auszugehen, dass die städtischen Führungsgremien diese Möglichkeiten intensiv nutzten. So verwundert es nicht, dass sich in den untersuchten Quellen Hinweise darauf Ànden, dass Boten als Kundschafter tätig waren. Beispielsweise berichtete der Straßburger Ammeister Jakob von Amelung den Hauptleuten der Stadt, die kurz zuvor von Straßburg in die Freigrafschaft Burgund geritten waren, im Juli 1475 in einem Brief, dass einer der „lauffen bott“, der einen Brief an den Herzog von Lothringen bringen sollte, vor kurzem zurückgekehrt sei.75 Dieser habe von dort „schrifftlich und muntlich botschafft“ gebracht, die er ihnen nun als Kopien mitsende. Zwei Wochen später wandte er sich abermals an die Hauptleute und erklärte, warum er gerade den Boten „Volmar“ zu ihnen sende.76 Das liege darin begründet, dass dieser kurz zuvor in der Nähe von Pont-à-Mousson in Lothringen gewesen sei. Dort habe er „dann ghört“, dass eine Stadt und das zu dieser gehörende Schloss mit dem Namen „Denuil“ erobert worden seien. Weiterhin habe er gesehen, dass die französischen Truppen gemeinsam mit den lothringischen Kontingenten in der Nähe lagerten und berichtet, dass die lothringische Bevölkerung unruhig wegen des burgundischen Herzogs sei. Daran wird deutlich, dass Boten auch hinsichtlich der bei ihnen zu vermutenden Fremdsprachenkompetenz für die Räte interessant waren. Denn ist kaum möglich, dass Volmar Informationen über die Stimmung in Lothringen erhalten hätte, wäre er nicht der französischen Sprache mächtig gewesen. Ihre berufsbedingte Mobilität ließ die Boten überdies in Kontakt zu zahlreichen Amtskollegen und weiterem Dienstpersonal kommen. Auch im Gespräch mit diesen boten sich Möglichkeiten, um an Informationen zu gelangen, die für ihre Räte interessant sein konnten. Das zeigt ein Brief des Straßburger Boten Wetzel eindeutig, der seine Heimatstadt im November 1473 über das Treffen von Trier informierte. Ein anderer Bote Straßburgs namens „Schwert“ hielt sich ein halbes Jahr zuvor in Kolmar auf und berichtete den Räten seiner Heimatstadt über ein Gespräch, das er mit einem gewissen „Hennsel“ über die Anzahl der Soldaten des burgundischen Landvogts Peter von Hagenbach geführt habe.77 Der Erwähnte sei des „lantvogts diener“, woran abermals erweiterte Informationsbeschaffungsmöglichkeiten der Boten aufscheinen. Gleichwohl werden so auch die Wünsche der Führungsgremien nach Geheimhaltung über die anvertrauten Nachrichten nachvollziehbar. 74
Dazu Von Seggern, Herrschermedien, S. 339–379; Groebner, Gefährliche Geschenke, S. 89 ff. 75 AMS AA 273, fol. 23. 76 AMS AA 273, fol. 18 (22. Juli 1475). Dieser „Hans Volmar“ taucht in zahlreichen Briefen Straßburgs im betrachteten Zeitraum als Bote auf. 77 Brief der Stadt Straßburg an Freiburg i. Br. mit einer eingelegten Kopie des Berichts vom erwähnten Boten (Urkundenbuch Freiburg 2, S. 539 f.).
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E. Informationsübermittlung und Informationskontrolle
2.2. Übermittlungsgeschwindigkeit in Friedenszeiten Die wiedergegebenen Botenbefragungen bieten erste Ansätze für eine Untersuchung der Geschwindigkeit der Informationsübermittlung. Weitere Hinweise darauf Ànden sich unter anderem in den Techniken der Informationsverwaltung, welche die jeweiligen Kanzleien in Briefen verwendeten und bereits vorgestellt wurden.82 Vermerkte man beispielsweise auf dem eingegangenen Brief dessen Ankunftsdatum, kann man das im Brief genannte Datum hinzuzählen und dadurch einen ungefähren Wert der Übermittlungsdauer erhalten. Das kann anhand einiger Beispiele aus dem intensiven Briefverkehr zwischen den miteinander verbündeten Räten der Städte Bern, Basel und Straßburg sowie dem Briefwechsel zwischen dem Berner Führungsgremium und dem französischen König Ludwig XI. illustriert werden. Als es im Juni 1472 zu zahlreichen Versammlungen wegen der schwierigen Lage der Reichsstadt Mülhausen kam, traten die Berner Räte am Freitag, den 12. Juni 1472, zusammen.83 Hauptthema der Sitzung waren Nachrichten aus Mülhausen, nach denen die Stadt vom Basler Domkustos Kaspar zu Rhein angeklagt worden war. Die Kleinräte beschlossen zahlreiche Briefe, von denen zwei an Bischof und Stadt Basel gehen sollten. Sie wurden von den Bernern aufgefordert, sich mit Kaspar zu Rhein über Mülhausens Lage zu beraten und ihn nach dem Grund seiner Anklage zu fragen.84 Ein weiterer Brief stellte eine Antwort an Mülhausen dar, in der man den dortigen Rat informierte, dass man nach Basel wegen der angesprochenen Vorladung geschrieben hatte und ihm gleichzeitig eine Kopie desselben Schreibens übermittelte.85 Zudem gab man an, dass man einem „louffenden botten“ befohlen habe, mit der Antwort des Basler Rats sofort zurück nach Bern zu kommen. Sie sollten keine Scheu haben und den Brief „uffbrechen“, auch wenn er eigentlich an Bern adressiert war. Den Boten sollten sie darüber unterrichten, was sie hinsichtlich der Basler Reaktion tun wollten, und Bern mitsamt dem Brief aus Basel zukommen lassen.86 Ein letztes Schreiben ging an Solothurn, das gemeinsam mit Bern mit Mülhausen verbündet war und dem man ebenfalls eine Kopie des Briefs an Basel übermittelte.87 Nach der Ratssitzung fertigte der Unterschreiber Schilling die Briefe aus und überreichte sie einem Boten der Stadt zur Übermittlung.88 Da die Zielorte sich praktisch miteinander verbinden ließen, beauftragte man ein- und denselben Boten mit der Übermittlung. Dieser begab sich zunächst über Solothurn in die rund sechzig Kilometer entfernt gelegene Residenz des Basler Bischofs nach Porrentruy, um von
82 83 84 85 86 87 88
Zu diesen Techniken siehe Kapitel C 3. StABe RM 10, fol. 66. StABe Dt. Miss. A, fol. 946 f. Dieser ist ebenfalls erhalten, Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1624. Ebd. „An die von Solloturn, was man den von Basel schribt und schick inen des abschriften“, StABe RM 10, fol. 66. Dass Schilling der Verfasser der Briefe war, wird anhand des Schriftbilds deutlich.
2. Informationskontrolle
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dort fünfzig Kilometer weiter nach Basel zu reisen, wo er drei Tage nach seinem Weggang in Bern ankam. Dieses Datum ergibt sich aus der Antwort des Basler Rats an seine Berner Amtskollegen, die am 16. Juni 1472 verfasst wurde.89 Darin wird deutlich, dass sie der Bitte der Berner nachgekommen waren, mit Kaspar zu Rhein Gespräche geführt hatten und deren Resultat in einer Abschrift mitsandten. Mit diesem Schriftstück ging es für den Berner Boten auftragsgemäß nach Mülhausen. Den dortigen Räten übermittelte er die Antwort Basels, wartete ihre Reaktion ab und begab sich zurück nach Bern. Dass er dort spätestens am 21. Juni wieder eintraf, ergibt sich aus einem Brief von Bern an Mülhausen, in dem die Berner Führung beruhigend auf die Mülhausener Räte einwirkte und sich erfreut darüber zeigte, dass sie einen Brief an den Domkustos geschrieben hätten.90 Zwischen Mülhausen und Bern liegen annähernd 130 Kilometer; bei durchschnittlich fünf Kilometern pro Stunde und einem Arbeitstag von zehn Stunden brauchte der Läufer für den Rückweg zweieinhalb Tage. Dies entspricht der durchschnittlichen Dauer für den Weg zwischen Bern und Basel. Ein weiteres Beispiel kann die Übermittlungsdauer von Nachrichten zwischen Bern und Straßburg verdeutlichen. Es ist zugleich in der Lage, die engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Städten zu verdeutlichen. Außerdem offenbart es Straßburgs Rolle als wichtiges Zentrum für den (Weiter-)Verkauf von Getreide an die Eidgenossen. Am Montag, dem 1. September 1477, wandte sich das Berner Führungsgremium in einem verzweifelten Brief an das Straßburger Führungsgremium.91 In diesem teilte man mit, dass man in Bern und in dessen Umland unter einem erheblichen Getreidemangel leide.92 Dies resultiere vor allem aus den „vergangnen zügen und kriegen“, womit man auf den Krieg gegen Burgund anspielte. Deswegen habe man sich entschlossen, zwei Räte mit dem Auftrag „etwas korns zś kouffen“ nach Straßburg zu entsenden. Der vom Berner Unterschreiber Schilling geschriebene Brief muss am Donnerstag, dem 4. September, in Straßburg eingetroffen sein. Ersichtlich wird das an einer unter dem Berner Brief stehenden Notiz eines Straßburger Kanzleimitarbeiters.93 Damit dürfte der Bote für seinen Weg nach Straßburg drei Tage gebraucht haben, was einen Durchschnittswert darstellt, wie zahlreiche weitere Beispiele belegen. Die Antwort des Straßburger Rates Àel positiv aus, und kurze Zeit später war es Schilling selbst, der sich gemeinsam mit einem weiteren Kleinrat dorthin begab, um das zugesagte Getreide zu kaufen und nach Bern transportieren zu lassen.94 Ging die Übermittlung von Informationen zwischen drei untersuchten Städten aufgrund der geringen Entfernung verhältnismäßig schnell vonstatten, war ein von
89 90 91 92 93 94
StABas Missiven A 13, fol. 137. Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1629 (21. Juni 1472). AMS AA 293, fol. 6. Auch in seiner Chronik berichtet Diebold Schilling über die Schwierigkeiten der Berner, Tobler, Berner Chronik, S. 177 f. Dort steht: „Jovis prae Nat. Mar.“, sprich Donnerstag vor Nativitatis Marie. Die Wahl Àel vermutlich auf Schilling, da er verwandtschaftliche Beziehungen nach Straßburg hatte (siehe dazu Kapitel D 1.3.).
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E. Informationsübermittlung und Informationskontrolle
Bern nach Frankreich reitender Bote mehrere Wochen unterwegs. Das beweist ein Schreiben des französischen Königs Ludwig XI. an den Rat von Bern, das am 9. April 1474 in Senlis verfasst wurde. In ihm dankte der König den Bernern für ein Schreiben, das ihm durch einen ihrer Boten zugetragen worden war.95 Tatsächlich hatte das Berner Führungsgremium am 14. März 1474 ein Schreiben an den König verfasst.96 Außerdem hatte es die Kanzlei mit der Anfertigung eines lateinischen Geleitsbriefs für einen gewissen „Heinrichn, dem Riter“ beauftragt.97 Dass dieser Heinrich sich auf einem Pferd nach Frankreich begab, stellt die übliche Fortbewegungsweise für Boten dar, wenn diese sich mit Briefen zu ausländischen Potentaten begaben.98 Derselbe Bote war es auch, der den Berner Räten die Antwort Ludwigs XI. überbrachte und am 28./29. April 1474 zurück nach Bern gekehrt sein muss.99 Deutlich wird das an der Sitzung des Berner Rats am 29. April, auf der man unter anderem beschloss, Basel und Straßburg darüber zu informieren, „was von Franckrich geschriben“100 worden sei. Demnach sei am Vortag einer ihrer „rytenden botten“, den sie zu Ludwig XI. gesandt hatten, mit einem Brief von diesem zurückgekehrt, von dem man für sie und die übrigen Eidgenossen eine Kopie angefertigt habe.101 Doch soll nun die Übermittlungsdauer von Bern in das nördlich von Paris gelegene Senlis und von dort zurück nach Bern betrachtet werden: Während der Bote für den Hinweg 26 Tage benötigte, entÀelen für seinen Rückweg zwanzig Tage. Die Differenz könnte daraus resultieren, dass die Überreichung und Formulierung der Antwort des Königs einen gewissen Zeitraum beanspruchte. Ähnliche Übermittlungszeiten ergeben sich aus Briefen, die im Herbst 1473 zwischen Bern und Ludwig XI. ausgetauscht wurden. Es waren einige wenige Kleinräte, die sich Ende September 1473 an den französischen König wandten und ihn über das zwischen dem Kaiser und dem burgundischen Herzog in naher Zukunft geplante Trierer Treffen informierten.102 Zudem dankten sie dem König für sein Entgegenkommen und versprachen, ihn und seine Anliegen jederzeit zu unterstützen. Obgleich der Brief mit Sicherheit ins Lateinische übersetzt wurde, Àndet 95 Das Schreiben des Königs Àndet sich bei Vaesen, Lettres 5, Nr. 779, S. 223 f. 96 StABe Dt. Miss. C, fol. 230 f. 97 StABe SR 2, fol. 51: „Item ein latinschen geleitzbrief Heinrichn, dem Riter als er gen Franckrich ritt“. 98 Vgl. auch die Aussage Berns gegenüber dem burgundischen Gesandten Casanova, nach der sich einer ihrer „ryttenden bott“ zu Karl dem Kühnen begeben habe, StABe Dt. Miss. C, fol. 167, 28. Dezember 1473. 99 Das wird deutlich an der folgenden Formulierung Ludwigs XI.: „Es ist zu unns kommen uwer bott zoiger diser, der uns zu getragen hatt uwer brieff“, Vaesen, Lettres 5, Nr. 779, S. 223. 100 StABe RM 14, fol. 251. 101 Vgl. StABe Dt. Miss. C, fol. 250: „[G]estern uff der nacht ist vnser rytenden botten einer, den wir zś dem Kung geschickt hatten, komen und hat vnns brieff gebracht, der wir úch harinn coppy verslossen sennden vnd dabi gesagt, das vil vntruw gegen dem Kung furgenommen werd“. Dass Straßburg tatsächlich eine Kopie erhielt, beweist die im Straßburger Archiv liegende Abschrift des Briefs Ludwigs XI., AMS AA 264, fol. 15. Vgl. auch StABe SR 2, fol. 55: „Item 8 copien vom Kung von Franckenrich in die Eidgnossn vnd an annder end gesant“. Das Konzept des Berner Briefs Àndet sich im StABe Dt. Miss. C, fol. 250. 102 StABe Dt. Miss. C, fol 102 f.
2. Informationskontrolle
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sich interessanterweise weder in den Berner Ratsmanualen noch den Stadtschreiberrodeln dieser Woche ein Hinweis auf dieses Schreiben beziehungsweise Geleitsbriefe für reitende Boten. Trotzdem muss der König das Schreiben der Berner erhalten haben, wie seine am 26. Oktober in Orléans verfasste Antwort beweist.103 Darin bedankte er sich für die am „die Sancti Michaelis“ geschriebenen Neuigkeiten und kündigte die baldige Ankunft seines Rats Silenen in der Eidgenossenschaft an. Hier greift eine bereits beschriebene Informationsverwaltungstechnik, welche die Kanzleien in Briefen anwendeten: Die königliche Kanzlei nannte das Datum der Abfassung des Briefes der Berner, so dass diese genau wussten, auf welchen ihrer Briefe er sich bezog.104 Während diese Art der Rückbestätigung in der „internationalen“ höÀschen Korrespondenz üblich war, lässt sie sich in der kleinräumigen Kommunikation zwischen den Eidgenossen untereinander und zwischen ihnen und den oberrheinischen Reichsstädten nur in Krisensituationen und/oder bei einem erhöhten Briefaustausch feststellen. Wie aus der Sitzung des Berner Kleinen Rats am 18. November ersichtlich wird, kam die Antwort des Königs dort an diesem Tag an.105 Denn auf dieser beschlossen die Kleinräte, Briefe an Basel und Straßburg zu schreiben, in denen diese über die „nüwen meren“ aus Frankreich informiert werden sollten. Vom Brief des Königs sandte man den Verbündeten zusätzlich Kopien mit und betonte, dass dies „in geheimbd“ erfolge.106 Fünf Tage später richtete Bern eine Geleitsanfrage an den französischen König, die es wahrscheinlich macht, dass man einen erneuten Brief an Ludwig XI. gerichtet hatte.107 Zwischen der Abfassung des Schreibens in Bern und der Antwort des Königs aus Orléans liegt rund ein Monat und eine Distanz von rund fünfhundert Kilometern. Dass die Berner Räte nahezu jeden Brief und jede aus Frankreich erhaltene Nachricht an Straßburg und Basel weiterleiteten, trug wesentlich zur Kohäsion zwischen den Führungsgremien der untersuchten Städte und zum Aufbau und zur Etablierung von Vertrauen unter ihnen bei. Auf diese Weise festigten sie ihre Stellung in der gegen Burgund gerichteten Außenpolitik. Die Betonung der Berner Wissensträger, nach der die Übermittlung der Informationen aus Frankreich im Geheimen erfolgte, führte zusätzlich zu ihrem Zusammengehörigkeitsgefühl.108
103 Vaesen, Lettres 5, Nr. 752, S. 179 ff. 104 Das scheint ein übliches Vorgehen in der spätmittelalterlichen Diplomatie und im Briefverkehr gewesen zu sein, wie die Depeschen von Mailänder Gesandten an den Herzog eindeutig belegen, vgl. Lutter, Politische Kommunikation. 105 StABe RM 13, fol. 183. 106 Zur Kodierung von Nachrichten als „geheim“ und den damit einhergehenden Implikationen und Erwartungshorizonten siehe Kapitel G 1. 107 StABe RM 13, fol. 188. 108 Siehe Kapitel G 1.
234
E. Informationsübermittlung und Informationskontrolle
2.3. Übermittlungsgeschwindigkeit in Kriegszeiten Die Übermittlungsgeschwindigkeit von Briefen hing stets von ihrem Inhalt und dem jeweiligen politischen Kontext ab. Während man sich in Friedenszeiten mit der Beantwortung oder Weiterleitung von Briefen mitunter Zeit lassen konnte, stellte eine erhöhte Geschwindigkeit in Krisenzeiten häuÀg eine zwingende Notwendigkeit dar.109 Wenngleich sich im Untersuchungszeitraum keine Botenstafetten nachweisen lassen, deuten bereits zahlreiche Formulierungen in den untersuchten Briefen auf eine veränderte Bedeutung von Geschwindigkeit hin. Verdeutlicht werden kann dieser interessante Aspekt der Kommunikationspraxis an zahlreichen Briefen, die zwischen den Führungen von Straßburg, Basel und Bern mit ihren jeweiligen Hauptleuten auf dem Feldzug nach Blamont im Juli/August 1475 ausgetauscht wurden. In einem Schreiben des Straßburger Ammeisters Jakob von Amelung vom Mitte Juli, das dieser den kurz zuvor in die Freigrafschaft Burgund aufgebrochenen Hauptleuten schrieb, teilte dieser mit, dass ein aus Lothringen kommender Bote zurück nach Straßburg gekehrt sei.110 Dieser habe unter anderem erfahren, dass der französische König und der lothringische Herzog endlich gemeinsam gegen den burgundischen Herzog vorgehen wollten. Er bat die Hauptleute um Neuigkeiten und betonte, dass es ihm, „so ee“ das geschehe, „so lieber“ sei. Da das Eingreifen des Herzogs von Lothringen in den Krieg gegen Burgund eine wichtige Neuigkeit darstellte und mit einer Reihe von Konsequenzen einherging, war eine erhöhte Übermittlungsgeschwindigkeit zwingend erforderlich. Ähnlich sah das auch der Rat von Bern, der seinen Hauptleuten am 30. Juli einen Brief in das Feld schickte, sie um Informationen wegen des Feldzuges anging und bat, diese „tag und nacht“ zu verkünden.111 Doch konnte der Wunsch nach schneller Übermittlung noch gesteigert werden. Das belegt ein Schreiben, das die Berner Räte am Anfang August 1475 an den Statthalter von Neuenburg, Heinrich von Colombier, richteten.112 Hintergrund desselben war die Nachricht, nach der nun auch ein Halbbruder Karls des Kühnen in die Kampfhandlungen einzugreifen plane. Daher bat die Stadt den Statthalter, er möge „gruntlich ervaren“, wie groß die Ansammlung sei und an welchen Ort diese sich genau begebe. Die erhaltenen Informationen sollte er den Bernern nicht nur „tag vnd nacht“, sondern „stundtlich“ verkünden. Vor allem im Kontext von kriegerischen Auseinandersetzungen konnte der Nachrichten- und Informationsaustausch stark zunehmen, was die städtischen Botensysteme vor große Schwierigkeiten stellen konnte. Das offenbaren zwei Briefe mit gleichem Inhalt, die die besorgten Straßburger Räte Anfang August an ihre Hauptleute richteten.113 Darin beklagten sie sich darüber, dass die Hauptleute ihnen seit insgesamt „acht tagen nit geschriben“ hätten, wie es ihnen und 109 Jörg, Kommunikative Kontakte; vgl. auch von Seggern, Herrschermedien; Hübner, Botenwesen, S. 199–205. 110 AMS AA 273, fol. 23. 111 StABe Dt. Miss. C, fol. 514 f. 112 StABe Dt. Miss. C, fol. 525. 113 AMS AA 275, fol. 32 und 33.
2. Informationskontrolle
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den Verbündeten gehe. Daher habe man sich in Straßburg dazu entschlossen, diesen sowie einen weiteren Boten zu ihnen zu schicken.114 Es sei ihre „ernstlich begerunge“, Nachrichten zu erfahren. Auch hier Àndet sich die Formulierung, nach der je „ee“ die Übermittlung erfolge, desto „besser“ es sei. Man konnte schließlich nie sicher sein, ob Boten nicht gefangen genommen, verletzt oder getötet würden. HäuÀg genug lag der Grund für einen verspäteten InformationsÁuss in der Menge der ausgetauschten Briefe. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass ein Straßburger Bote im Juli 1475 insgesamt „46 brieff“115 aus dem Feld nach Straßburg transportierte, von denen nachweislich ein Großteil von Bürgern der Stadt an ihre zu Hause auf Nachrichten wartenden Familien verfasst worden waren, erhält man einen Eindruck von der Anzahl der ausgetauschten Briefe. Die Hauptleute verfassten an ein- und demselben Tag mitunter mehrere Schreiben an den Rat und andere Herrschaftsträger oder Verbündete. Vor diesem Hintergrund kann man sich vorstellen, dass die organisierten Botensysteme schnell an ihre Grenzen stießen. Das beweisen die Schreiben, die am 6. August 1475 von den Straßburger Hauptleuten an den Rat verfasst wurden.116 Im ersten bedankten sie sich für den letzten Brief, der ihnen durch den Boten Speckel zugetragen worden sei und teilten die Befürchtung vor einem etwaigen burgundischen Überfall mit.117 Um sich dagegen zu wappnen und um Hilfe zu bitten, hätten sie sowohl einen Brief an die Basler Räte geschrieben als auch Schreiben an die Führungsgremien von Bern, Freibug i. Ue. und Solothurn verfasst. Ein weiteres Schreiben richteten sie in derselben Nacht abermals an den Rat und wiederholten ihre Befürchtungen, da sie von „ettlich gśten Frunden und Gönnern“ gewarnt worden seien.118 Mittlerweile sei jedoch eine Antwort von Bern eingetroffen, die ihnen für den darauf folgenden Dienstag Unterstützung zugesagt hätten, doch dauere das ihrer Meinung nach zu lang. Daher baten sie die städtische Führung schnellstmöglich um 1.000 zusätzliche Soldaten. Auf den gleichen Tag datiert ein weiteres Schreiben eines Straßburger Hauptmanns an Konrad von Mörsberg.119 Darin gab er an, sie hätten zwar noch Korn, Mehl und Brot genug, doch es sei ihnen das Mahlen von Getreide aufgrund des niedrigen Wasserstands unmöglich. Unter dem Brief vermerkte ein anderer Schreiber, dass Peter Schott die Absendung desselben verzögert habe. Der Grund dafür könnte in der großen Anzahl der an diesem Tag verfassten Schreiben liegen. Denn zählt man diese zusammen, ergeben sich mindestens sechs Briefe, welche die Hauptleute nur am 6. August schrieben. So kann verständlich werden, warum sie sich zwei Wochen zuvor bei den Räten entschuldigten, dass sie sich erst zu diesem späten Zeitpunkt meldeten: Sie hätten schlicht „uff dis mal keinen botten mer“120 zur Verfügung gehabt.
114 115 116 117 118 119 120
Zur doppelten Versendung von Briefen in Friedenszeiten vgl. Jucker, Gesandte, S. 219 f. AMS 275, fol. 26. Sie Ànden sich zusammengebunden im AMS AA 274, fol. 5 (Briefbündel). AMS AA 275, fol. 5 (Briefbündel). AMS AA 275, fol. 5 (Briefbündel). AMS AA 274, fol. 5 (Briefbündel). Die Straßburger Hauptleute aus L’Isle-sur-le-Doubs an den Rat der Stadt am 20. Juli 1475, AMS AA 274, fol. 50.
236
E. Informationsübermittlung und Informationskontrolle
2.4. Der Tod des burgundischen Herzogs als „Medienereignis“ Wie schnell die Übermittlung von Informationen vor allem im Krieg vonstattengehen konnte, wenn dies aufgrund des entsprechenden Inhalts von den jeweiligen Führungsgremien gefordert war, kann das Beispiel der Mitteilung vom Tod des burgundischen Herzogs verdeutlichen, der am 5. Januar 1477 auf dem Schlachtfeld von Nancy starb.121 Diese Nachricht setzte eine Übermittlungskette in Gang, die im Untersuchungszeitraum ihresgleichen sucht und nicht nur die betrachteten Städte, sondern ganz Westeuropa umfasste. Am frühen Abend des 5. Januar schrieben die noch unwissenden Basler Hauptleute einen Brief an ihre Heimatstadt, in dem sie die Ereignisse der vorangegangenen Schlacht in der Nähe von Nancy zusammenfassten.122 Sie berichteten ihren Räten, dass der Herzog von Lothringen die Stadt Saint-Nicolas-de-Port eingenommen habe und dabei zahlreiches Geschütz erbeutet und burgundische Söldner getötet habe. In der gleichen Nacht verfasste auch der Straßburger Hauptmann Kageneck gegen elf Uhr einen Brief an den Rat seiner Heimatstadt und berichtete ebenfalls über den Verlauf der Kriegshändel des vergangenen Tags.123 Im Vergleich zu den Baslern hatte Kageneck schon mehr Kenntnisse: Obgleich auch ihm die Anzahl der getöteten Burgunder noch unbekannt war, wusste er bereits, dass „der von Arburg herstochen“ und „der von Nassowe gefangen“ sei. Sobald er neue Informationen habe, werde er sie über diese in Kenntnis setzen. Noch in der gleichen Nacht übermittelte er neben diesem Schreiben zusätzlich eine Kurzfassung desselben, wahrscheinlich, um sicherzugehen, dass die Nachricht tatsächlich ankam.124 Noch genauere Informationen betreffend der Anzahl der getöteten Feinde hatte einen Tag später ein Kommandant von Straßburger Fußtruppen, der in seinem Schreiben an den Straßburger Rat bereits von ungefähr „3.000 burgünschen“ Soldaten ausging.125 Wiederum einen Tag später, am 7. Januar, war es abermals Kageneck, der sein Führungsgremium mit neuen Informationen versorgte und zunächst über den Heimzug eidgenössischer Truppenteile und eine in Basel geplante Zusammenkunft wegen der Gefangenen berichtete.126 Dann kam er auf die wichtigste Neuigkeit des Tages zu sprechen. So habe ihm der österreichische Oberbefehlshaber mitteilen lassen, dass der Herzog von Lohringen „und alle die sinen“ davon ausgingen, dass Karl der Kühne tot sei, da man einen Leichnam gefunden habe. An diesem Leichnam würden „alle warzeichen“ darauf hindeuten, dass es sich um den Herzog handle, und der daraufhin nach Nancy überführt worden sei. Kageneck hegte die Hoffnung, bald wieder zurück nach Hause zu kommen. In den beiden Briefen, die 121 Ähnlich ist Harm von Seggern für den Tod vom Vater Karls des Kühnen, von Philipp dem Guten, vorgegangen, vgl. von Seggern, Herrschermedien, S. 296 ff.; in Ansätzen auch Hübner, Botenwesen, S. 155 u. S. 184. 122 Dieser Brief ist wörtlich wiedergegeben bei Vischer u. a., Basler Chroniken 3, S. 97 f. 123 AMS AA 293, fol. 75. 124 AMS AA 293, fol. 72. 125 AMS AA 293, fol. 76. So auch der Rat von Kolmar in einem Brief an Basel am gleichen Tag, wiedergegeben bei Vischer u. a., Basler Chroniken 3, S. 91. 126 AMS AA 293, fol. 79.
2. Informationskontrolle
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er am folgenden Tag an den Straßburger Bischof schrieb, Ànden sich keine neuen Informationen bezüglich des Tods Karls des Kühnen, der anscheinend noch immer nicht bestätigt worden war.127 Das änderte sich jedoch am späten Abend des 9. Januar, als sich Kageneck wiederum an seine Räte wandte und ihnen berichtete, dass der Bote Glockengiesser unmittelbar zuvor aus Nancy gekommen sei und „glouplich“ den Tod des Herzogs bestätigt habe.128 Glockengiesser habe den Toten mit eigenen Augen gesehen, doch da der Herzog von Lothringen dessen Identität bezweifelt habe, sei nach den Halbbrüdern Karls des Kühnen geschickt worden. Diese hätten angegeben, dass es sich tatsächlich um den Herzog handle und „sich vast übel gehalten“. Nur einen Tag später informierte ein Dieuzer Amtsträger aus Nancy den Straßburger Rat ebenfalls über den Tod des burgundischen Herzogs.129 Er gab an, der Herzog von Lothringen habe den Leichnam nach Nancy transportieren und in allen Kirchen und Klöstern die Glocken läuten lassen. Zuletzt bat er die Straßburger Führung noch darum, dem Überbringer seines Briefes eine zusätzliche GratiÀkation auszurichten. Schließlich sei die Neuigkeit seiner Meinung nach nicht unerheblich für sie und ihre Verbündeten. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Glaubt man den Schilderungen des Basler Domvikars Knebel, hatte man sie dort bereits am 10. Januar erhalten.130 Dass sie auch Bern nur einen Tag später erreichte, erklärt sich aus einem vom dortigen Stadtschreiber verfassten Eintrag in den Stadtschreiberrodeln für den 11. Januar, nach dem er einerseits zwei „lange“ Abschriften von Neuigkeiten aus Lothringen angefertigt und an Freiburg i. Ue. und Biel geschickt habe, die den Tod Karls den Kühnen beinhalteten.131 Am gleichen Tag wandte er sich „in der selben sach“ mit 27 Briefen an das Berner Territorium.132 Woher der Berner Rat die Information vom Tod Karls des Kühnen hatte, ist unklar und Mehrfachmeldungen bei
127 128 129 130
AMS AA 293, fol. 74r und 74v (Abschriften derselben). AMS AA 293, fol. 77 (Original) und 78 (Abschrift). AMS AA 289, fol. 3. Knebel gibt dazu Folgendes an: „Die veneris ante Hylarii [also der 10. Januar 1477, d. Verf.] supervenerunt nuncii de Nansena, qui dixerunt, quod dominus dux Burgundie sit interfectus est […]“, Vischer u. a., Basler Chroniken 3, S. 98. Dass aus Nancy um diese Zeit Nachrichten eingetroffen sein müssen, bestätigen auch zwei leider undatierte Einträge in den Basler Jahresrechnungen, nach denen die Stadt ein Pfund und vier Schilling für ein „bottenbrot von Nanssee“, Harms, Stadthaushalt, S. 396, sowie zusätzliche sieben Pfund ebenfalls für „bottenbrott von Nansee und sust harrürende“ ausgegeben hat, ebd., S. 397. Auch der Basler Bischof war nicht vom InformationsÁuss abgeschnitten, wie ein Eintrag in seinem Haushaltsbuch verrät. Laut diesem erhielt der Knecht eines gewissen „Jacop Richen“ mit dem Namen „Martin“ am 11. Januar 1447 fünf Schilling „bottenbrott“, der höchstwahrscheinlich die Nachricht vom Tod des burgundischen Herzogs überbracht hatte, Hirsch/Fouquet, Haushaltsbuch, S. 429. 131 StABe SR 2, fol. 135; zur Rolle der Stadt Biel als „Verteilerstandort für die politische Korrespondenz“ im Untersuchungszeitraum, der sowohl vom Basler Bischof und der Stadt Basel als auch höchstwahrscheinlich von Bern und den übrigen Eidgenossen genutzt wurde, vgl. Hirsch, Hof, S. 112 f. 132 Ebd.
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E. Informationsübermittlung und Informationskontrolle
einer derartig wichtigen Nachricht vorstellbar.133 Die Bedeutung der Nachricht bedingte ein schnelleres Tempo bei der Übermittlung: Benötigte ein Berner Bote, wie gesehen, in Friedenszeiten zweieinhalb bis drei Tage für den Weg nach Basel, konnte der gleiche Weg von einem berittenen Boten auch in einem Tag zurückgelegt werden.134 Andererseits scheint es aber auch möglich, dass Bern die Information aus Solothurn hatte. Denn dort bekam ein Basler Bote ein Geschenk in Höhe von zwei Gulden für das Überbringen der Nachricht vom Tod Karls des Kühnen.135 Unmittelbar darauf beauftragte der Solothurner Rat einen Boten mit der Übermittlung der Information nach Bern.136 Dort veranlasste die Nachricht, wie gesehen, die Räte ihrerseits, ebenfalls einen Boten zu beauftragen, der sie weiter nach Freiburg i. Ue. transportierte. Dort erhielt er ein Geldgeschenk, als er dem Rat die Neuigkeiten übermittelte.137 Ein Bote dieser Stadt wiederum bekam Geld dafür, dass er sie dem Grafen von Gruyères überbrachte.138 Am 11. Januar wandte sich auch der lothringische Herzog an die eidgenössisch-oberrheinischen Hauptleute, die damals in Basel versammelt waren, dankte ihnen für ihre Unterstützung und teilte mit, dass man sich nun endgültig sicher sei, dass es sich bei dem mittlerweile begrabenen Toten um Karl den Kühnen handelte.139 Dies hätten zahlreiche seiner Bediensteten und Amtsträger, die ihn „gesehen und visitiert habend, worlich“ bestätigt.140 Am 13. Januar bedankte sich der Graf von Dagsburg aus der rund 40 Kilometer von Straßburg entfernten Burg Greifenstein bei der Straßburger Führung „mit freuden“ für ihr „verkünden“141 und äußerte die Hoffnung, dass Karls „abgang“ dem ganzen Land „zu fruchtbarem nutze, frieden und fromen erschiessen“ werde. Auch im dreihundert Kilometer entfernten Nürnberg wusste man bereits am 17. Januar 1477 vom Tod des Herzogs und bedankte sich bei den Straßburger Kollegen für die Nachricht.142 Soweit zur Informationslage im eidgenössisch-oberrheinischen Raum. Auch in Frankreich scheint man sich vor dem 9. Januar sicher gewesen zu sein, dass Karl 133 Zum Tod Karls des Kühnen in Nancy vgl. auch Vaughan, Charles the Bold, S. 423–432; Frédérix, Mort. 134 Bereits einen Tag zuvor hatte die Berner Kanzlei nicht genau zu bestimmende Neuigkeiten aus Lothringen an Biel weitergeleitet, die ebenfalls aus Basel gekommen waren „Item 1 coppy der mären von Lothringen von den von Basel gon Biell“. 135 Vgl. Hübner, Botenwesen, S. 184. 136 „Item Hansen Walcker 8 S[chilling] gen Bern als der Hertzog von Burgonn selbs umbkommen sin sollt“, zit. nach Hübner, Botenwesen, S. 184. 137 „Item a Dietrich le messagier de Berna pour lez novallez […] ordonne per messr. – 20 S[chilling]“, Büchi, Freiburger Akten, S. 76. 138 „Primo a Hanns Umbscheiden trammis a gruyere pourter l[ett]res ou conte por ly signiÀer le bonnes nouvelles de Nancy […]“, zit. nach Hübner, Botenwesen, S. 184, Anm. 82. 139 Wörtlich wiedergegeben bei Vischer u. a., Basler Chroniken 3, S. 106 f. 140 Interessanterweise siegelte der lothringische Herzog den Brief mit dem Siegel des gefangenen Halbbruders Karls des Kühnen: „Dier brieff ist durcht den hertzogen von Lutringen besiglet mit Anthonii des basthartz von Burgund insigle, und ist die geschrifft umb das ingesigel alsus: Sigillum Anthonii b. de Bore conte de La Roche“, ebd. 141 AMS AA 293, fol. 64. 142 AMS AA 293, fol. 16.
2. Informationskontrolle
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dem Kühnen etwas zugestoßen sein musste. Das beweist ein Brief König Ludwigs XI. an den Rat von Besançon, der im Schloss Plessis-les-Tours verfasst wurde.143 Dieser enthielt die Nachricht enthielt, dass Karl der Kühne möglicherweise „gefangen oder tod“ sei.144 Gleichlautende Briefe gingen am selben Tag nach Dijon und Poitiers.145 Zwischen dem Schlachtfeld von Nancy und Tours liegen rund 500 Kilometer, und da im Brief des Königs an Besançon noch nichts vom Tod des Herzogs zu lesen ist, kann dieser spätestens am Abend des 5. Januar abgefasst worden sein. Noch wahrscheinlicher scheint der 6. Januar, so dass den reitenden Boten, die dem französischen König die Neuigkeit überbrachten, drei bis vier Tage zur Übermittlung zur Verfügung standen. Die Mehrzahl ist dabei bewusst gewählt, da ein Bote allein kaum die gesamte Wegstrecke zurückgelegt haben kann. Wahrscheinlich setzte die Nachricht eine Botenstafette in Gang, bei der den reitenden Eilboten Pferdewechsel zur Verfügung standen. Nur so erklärt sich die immense Leistung von rund 125 Kilometern pro Tag, die deutlich wird.146 Die Beispiele offenbaren die Bedeutung der Übermittlungsgeschwindigkeit. Doch wird zugleich deutlich, dass ein Ereignis wie der Tod des burgundischen Herzogs eine InformationsÁut provozierte und als frühes „Medienereignis“ zu bewerten ist. Bestätigte und unbestätigte Meldungen wechselten sich ab, bis sich bei den untersuchten Führungsgremien allmählich ein Bild der Ereignisse von Nancy verdichtete. Diese InformationsÁut zu bewältigen und in geordnete Bahnen zu lenken, stellte die Kanzleien und die Wissensträger der untersuchten Städte gleichermaßen vor große Aufgaben. So ist beispielsweise davon auszugehen, dass sich die Berner Führung erst dann mit einem „ofÀziellen“ Brief an ihr Territorium wandte, als die Information durch weitere Quellen tatsächlich bestätigt war. Dem entsprechen gleichermaßen die intensiven Bemühungen der Räte um Informations- und Wissenshoheit. Wenn die Berner damit erfolgreich waren, führte das maßgeblich zur Stärkung ihrer herausgehobenen Position und der ihrer Verbündeten.
143 Wörtlich wiedergegeben bei Vischer u. a., Basler Chroniken 3, S. 125. 144 Als zeitgenössische Übersetzung beÀndet sich dieser Brief bei Vischer u. a., Basler Chroniken 3, S. 125. 145 Vaesen, Lettres 6, Nr. 947, S. 107 ff. u. Nr. 950, S. 112 ff. 146 Von Seggern, Herrschermedien, S. 107, der in der von ihm wiedergegebenen Tabelle eine Tageskilometerleistung von 91–106 Kilometern angibt, die ein reitender Eilbote mit Pferdewechsel zurückgelegt hat. Diese Angabe verdeutlicht umso mehr, wie hoch die Leistung der Boten einzuschätzen ist. Die Bedeutung dieser Zahl wird gesteigert, bezieht man das oben wiedergegebene Beispiel des im Oktober/November 1473 nach Frankreich reitenden Boten ein. Die Entfernung zwischen Bern und dem Hof Ludwigs XI. beträgt rund 500 Kilometer, was einer Tageskilometerleistung von 25 Kilometern entspricht. Da die Übermittlung des Berner Briefes in Friedenszeiten erfolgte, konnte er sich mehr Zeit lassen und brauchte für dieselbe Entfernung zwanzig Tage. Zu vergleichbaren Ergebnissen für Freiburg i. Ue. kommt auch Hübner, Botenwesen, S. 199–205; zu Stafetten vgl. ebd., S. 185–189; Jörg, Kommunikative Kontakte.
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E. Informationsübermittlung und Informationskontrolle
Exkurs: Das Problem der „Nebengeschrifften“ Worauf die Kontrollbemühungen der Räte abzielten, illustriert ein Ende Juli 1475 verfasster Brief des empörten Straßburger Rats an seine Hauptleute, die sich damals vor der Festung La Grange in der Freigrafschaft Burgund befanden.147 Das Schreiben offenbart zudem, wie weit die Literalität in spätmittelalterlichen Städten fortgeschritten war und verdeutlicht, dass die städtischen Boten unerlaubterweise zusätzliche Aufträge von Privatpersonen entgegen genommen haben müssen.148 Die städtischen Führungsgruppen taten alles, um die Versendung der von der bisherigen Forschung noch nicht untersuchten und von ihnen als „nebentgeschrifften“ bezeichneten Schreiben zu unterbinden, die man heute am ehesten mit Feldpost umschreiben könnte. Schließlich ging mit diesen Briefen stets die Gefahr eines Kontrollverlusts einher. Im erwähnten Brief bedankte sich der Rat zunächst für die Mitteilung der Eroberung von Stadt und Schloss L’Isle-sur-le-Doubs und betonte, dass man leider noch nicht wisse, was die Truppen nun zu tun gedächten. Dies jedoch gehe aus dem Schreiben ihres Feldschreibers hervor, den dieser an seine in Straßburg lebende Ehefrau gerichtet habe und den man ihnen als Beweis in einer Abschrift mitschicke. Da es ihrer Meinung nicht sein dürfe, dass eine Ehefrau früher als der Rat von den weiteren Plänen der Straßburger Hauptleute in Kenntnis gesetzt werde, befahlen sie diesen, darauf zu achten, dass ihr Schreiber künftig „nyemant anders“ als ihnen schreibe. Erschwerend komme hinzu, so die Räte, dass der letzte aus dem Feld kommende Bote insgesamt 46(!) Briefe mit sich geführt habe, von denen der Großteil von Privatpersonen verfasst worden sei, die ihren zu Hause wartenden Familien „von dem handel da oben“ berichtet hätten. Derartige „nebentgeschrifften“, sorgten nach Meinung der Räte einerseits für Irritationen, was die Hauptleute sicherlich verstünden, andererseits würden die städtischen Boten dadurch an einer möglichst schnellen Zustellung der Briefe beim Empfänger gehindert. Zudem erachte man es als überaus wichtig, dass Neuigkeiten vom Kriegsschauplatz nicht „uff den gassen geseit werdent“. Beim erwähnten Feldschreiber handelte es sich um den späteren Verfasser der so genannten „Burgundischen Historie“, Hans Erhard Düsch.149 Da die Straßburger Führung ihren Hauptleuten dessen Brief an seine Ehefrau mitschickte, ist auch dieser erhalten und wurde am 20. Juli 1475 verfasst.150 Ihr hatte er mitgeteilt, dass es den Straßburger Truppen gut gehe, und man am Tag der Abfassung des Briefes Stadt und Schloss L’Isle-sur-le-Doubs eingenommen und dabei zahlreiche Feinde getötet und gefangen genommen habe. Düsch hielt es für möglich, dass der Ort nun geschleift werde. Der weitere Weg führe sie nun vor ein anderes Schloss oder eine 147 AMS AA 275, fol. 26. 148 Bulst, Politische Dimensionen, S. 28–36, betont die Bedeutung der Geheimhaltung für die städtischen Räte am Beispiel von Nürnberg; vgl. auch Huntebrinker, Herrschaftswissen. 149 Zu Biographie Düschs vgl. Berger, Düsch; Kully, Clärlein; Schanze, Düsch; die so genannte „burgundische Legende“ ediert bei: N. N., Légende bourguignonne; Tüsch, Chronique. 150 AMS AA 281, fol. 24.
2. Informationskontrolle
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weitere Stadt, und er sei sich sicher, dass sie auch diese „glucksamlich erobern“ würden. Es stellt sich die Frage, wie der Brief in die Hände des Rats gelangte. Einen Hinweis darauf bietet das Schreiben selbst. Denn zuletzt hatte Düsch seine Frau noch um die Ausrichtung von Grüßen an einige Kanzleimitarbeiter sowie um Schreibutensilien gebeten, die der nächste ins Feld laufende Bote mitbringen sollte. Aufgrund dessen begab sich seine Frau in die Kanzlei, um den Wünschen ihres Mannes zu entsprechen, wo man sich über ihre Informationen vom Kriegsschauplatz gewundert und der städtischen Führung davon berichtet haben wird. Diese wiederum war darüber mit Sicherheit sehr empört, da sie gerade in Krisenzeiten an einer umfassenden Kontrolle des InformationsÁusses interessiert war. Derartige „nebentgeschrifften“ waren nicht singulär im Untersuchungszeitraum. Das belegt ein weiterer Brief von Düsch, den er nur einen Tag später an den Straßburger Jakob Ber richtete.151 Laut Düschs eigenen Aussagen könne er ihm „diesmal“ (!) nicht Neues schreiben, da er auch nicht mehr wisse als das, was die Hauptleute aus L’Isle-sur-le-Doubs geschrieben hätten. Sobald er aber etwas erfahre und die nötige Zeit zum Schreiben Ànde, werde er ihn sofort darüber in Kenntnis setzen. Daran offenbart sich zugleich, dass der InformationsÁuss zwischen den beiden auch zukünftig aufrechterhalten werden sollte. Düsch informierte Ber darüber, dass ihm der Beutemeister ein Buch geschenkt habe, welches die Truppen bei der Eroberung von L’Isle-sur-le-Doubs gefunden hätten. Da dieses lange Zeit im Wasser gelegen sei, habe er es getrocknet und sende es Ber zur Verwahrung, um nach seiner Rückkehr darin zu lesen. Auch Ber wurde zuletzt um Ausrichtung von Grüßen an Kanzleimitarbeiter sowie an Düschs Ehefrau gebeten und darüber informiert, dass die Straßburger Truppen nun vor La Grange rücken würden. Es stellt sich die Frage, warum der Feldschreiber Privatbriefe an Verwandte und Bekannte verfasste. Dass er möglicherweise mit ihrer Hilfe die später von ihm verfasste Chronik über die Burgunderkriege vorbereiten wollte, scheint durchaus plausibel. Schließlich lag sein Hauptaugenmerk darin auf den Ereignissen in der Freigrafschaft Burgund, wo er als Augenzeuge dabei gewesen war. Ein weiterer Brief veranschaulicht, welche Art von Informationen die städtischen Führungsgruppen besonders unterbinden wollten. Er stammt aus der Feder des in Straßburger Diensten stehenden Befehlshabers Konrad von Mittelshausen und war an dessen in Straßburg lebenden Vetter gerichtet.152 Nachdem er diesem am 25. Juli 1475 zunächst über die Einnahme von L’Isle-sur-le-Doubs informierte, drückte er seine Hoffnung aus, dass der Kriegszug nicht mehr lange dauern werde und er sich sicher sei, dass die Truppen bald zurück nach Straßburg kämen. Überdies bat er seinen Vetter, er möge einem gewissen „Jakob von Kolmar“ mitteilen, dass ihn die Straßburger „Amptlüte gar weydlich beschissen“ hätten. So gebe man den Truppen „gar übel zu essen“, und er habe zu wenig Sold ausbezahlt bekommen. Dass überdies die Eidgenossen in diesen Tagen alle Vorteile für sich verbuchten, führte zu großen Unmut innerhalb der oberrheinischen Truppen. Auch er lässt sei151 AMS AA 281, fol. 23. 152 Zu Mittelshausen vgl. Kindler-Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch 2, S. 93 ff. Der Brief Àndet sich in AMS AA 281, fol. 25.
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E. Informationsübermittlung und Informationskontrolle
nen Vetter zuletzt Grüße an Verwandte ausrichten, wodurch der weitere InformationsÁuss unberechenbar wurde. Vor diesem Hintergrund wird auch die später erfolgte und von der Straßburger Kanzlei durchgeführte thematische Informationsverdichtung aller den Feldzug nach Blamont betreffenden Dokumente verständlich. Denn Mittelshausen war kurz darauf einer der ersten, der mit den ihm unterstellten Truppen vorzeitig und zur Empörung der Straßburger Führung das Feld verlassen hatte.153 3. ZUSAMMENFASSUNG Die Führungsgremien aller drei untersuchten Städte unterhielten organisierte Botenwesen, die sie in die Lage versetzten, wichtige Informationen an ihre Bündnispartner sowie andere Herrschaftsträger zu übermitteln. In Stadtfarben gekleidet, waren die Boten Stellvertreter ihrer Heimatstädte beim jeweiligen Empfänger. Doch zeigte sich, dass ihnen weitaus mehr Aufgaben als nur die reine Übermittlung von Briefen zukamen. Vielmehr bewegten sie sich in einem interessanten Spannungsverhältnis zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Besonders deutlich wird das an der Tatsache, dass die Stadtoberen ihnen neben den eigentlichen Briefen zusätzliche Informationen mit auf den Weg gaben, die sie den Empfängern bei ihrer Ankunft mündlich übermitteln sollten und auf deren Geheimhaltung sie durch ihren Eid verpÁichtet wurden. So trugen sie in einem erhöhten Maße zur Kohäsion zwischen den Städten sowie zum Aufbau, zur Konsolidierung und Etablierung von Vertrauen unter den (späteren) Bündnispartnern bei. Daher sind sie zu den am besten informierten städtischen Amtsträgern zu zählen, was sie vor allem in Kriegszeiten häuÀg zu Opfern von Überfällen werden ließ. Dass sie neben ihren eigentlichen Aufgaben auch mit der Informationsbeschaffung beauftragt wurden, unterstreicht zusätzlich ihre Bedeutung im Kommunikationsprozess und resultierte aus ihrem berufsbedingten Spezialwissen um Straßen, Wege und Grenzen. Im Zuge ihres Wunschs nach einer weitgehenden Informations- und Wissenshoheit bemühten sich die städtischen Führungen um eine möglichst umfassende Kontrolle der ein- und ausgehenden Briefe. Wenn ihnen das gelang, trug es im Idealfall zum Erhalt und Ausbau ihrer herausgehobenen Stellung und der ihrer Bündnispartner bei. Das betraf neben der Überwachung der Übermittler selbst und der Übermittlungspraxis vor allem die Übermittlungsgeschwindigkeit, die insbesondere in Kriegszeiten wichtig war. Hinzu gesellten sich zahlreiche Maßnahmen in den Briefen, die sicherstellen sollten, dass diese tatsächlich beim Empfänger ankamen. Ebenfalls eng damit zusammen hing die Verwaltung und Archivierung sowohl der versandten als auch der empfangenen Briefe. Des Weiteren betraf das aber auch die Inhalte der Schreiben. Schließlich man kann sich vorstellen, dass die Räte un153 Vgl. die Ende August 1475 durchgeführte Vernehmung von Zeugen im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Abbruch des Feldzuges nach Blamont, AMS AA 281, fol. 20–22. Dort: „[D]o zugent über der houbtlüte wille hinweg wider heim: Cunrat von Myttelshus mit den Lichtenbergschen“.
3. Zusammenfassung
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terbinden wollten, dass beispielsweise Informationen über die Kriegsmoral innerhalb der eigenen Truppen an eine unerwünschte Öffentlichkeit gelangten.
F. INFORMATIONSBESCHAFFUNG 1. OKKASIONELLE INFORMATIONSBESCHAFFUNG Dass gerade im Krieg jede Information nützlich sein konnte, war auch den Räten der untersuchten Städte bewusst. Damit ist die gezielt betriebene Informationsbeschaffung angesprochen, die nun im Vordergrund steht und mit deren Hilfe es ihnen möglich war, an Informationen zu gelangen, die man sonst nur schwer erhalten hätte. Obwohl sich für den höÀschen Kontext Veröffentlichungen zur Nachrichtenund Informationsbeschaffung1 sowie zur Spionage Ànden2, lässt sich eine derartige Untersuchung für die Erforschung von Städten als Desiderat bezeichnen3. Beispielsweise werden in einer 2003 herausgegebenen Bibliographie zur „Espionage in the Ancient World“ in einem eigenen Kapitel zahlreiche Arbeiten zur Spionage im Umfeld von hochrangigen Potentaten aufgeführt, doch keine, die sich mit dem Funktionieren und den Organisationsformen der Spionage städtischer Herrschaftsträger auseinandersetzt.4 Dieses Desiderat verwundert in mehrfacher Hinsicht: Denn wenn man die Informationsverbreitung als wesentlichen Aspekt der Legitimation von Herrschaftsträgern ansieht, kommt dem ihr vorgeschalteten Aspekt der Informationsbeschaffung eine zentrale Bedeutung zu.5 Zwar wird in zahlreichen Veröffentlichungen vorausgesetzt, dass (städtische) Führungsgremien stets sehr interessiert an Neuigkeiten und Nachrichten gewesen seien und Personen
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Vgl. die instruktiven Ansätze von Colin Richmond zum „information-gathering“: Richmond, Ruling Classes; ders., Hand and Mouth; für Burgund vgl. die exzellente Vorarbeit von von Seggern, Herrschermedien, S. 339–376; für die Mailänder Sforza vgl. Lazzarini, L’informazione politico-diplomatica; für Venedig vgl. Vivo, Information and Communication. Krieger, Geheimdienste, darin ders., Einleitung, S. 7–19; Allmand, Spionage; für das mittelalterliche Papsttum vgl. Weiss, Papsttum; für den Dogen von Venedig: Epstein, Secrecy; Davis, Shipping and spying; für Frankreich: Thomas, Französische Spionage; Lelièvre, Espionnage; für England: Archer, Souvereignity; Arthurson, Espionage; Allmand, Intelligence; Allmand, Spies and Spying; für Burgund: Paravicini, Spion; Ballard, Etienne Fryon; vgl. zur Informationsbeschaffung des Markgrafen Albrecht Achilles: Walser, Botenwesen, S. 409–430 u. S. 448–458. Das stellt auch von Seggern, Herrschermedien, S. 339 f., fest. Vgl. einzig die Ansätze für den Untersuchungszeitraum bei Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 354– 357; Sporhahn-Krempel, Nürnberg. Sheldon, Espionage (besonders das Kapitel The Medieval World, S. 161–189). Gleiches trifft auch auf den ebenfalls 2003 von Krieger herausgegebenen Sammelband „Geheimdienste in der Weltgeschichte“ zu; Krieger, Geheimdienste. Olive Coleman hat sich zu diesem Aspekt bezüglich der englischen Krone geäußert, vgl. Coleman, Some Thoughts; interessante Überlegungen Ànden sich auch bei Novák, Source du savoir; vgl. auch Walter, Urban Espionage.
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F. Informationsbeschaffung
bezahlt hätten, die in ihrem Auftrag arbeiteten, doch mangelt es auf diesem Gebiet noch an Untersuchungen.6 In diesem Kapitel soll beantwortet werden, auf welche unterschiedlichen Kanäle die Räte zurückgriffen beziehungsweise -greifen konnten, um an für sie relevante Informationen zu gelangen und welche Orte sie zu diesem Zweck aufsuchten beziehungsweise aufsuchen ließen. Schließlich war grundsätzlich jede Person als Informant prädestiniert, da man ständig in Berührung mit Informationen kam. Doch lassen sich in den erhaltenen Quellen bestimmte Berufsgruppen und Orte ausmachen, für die beziehungsweise an denen es besonders einfach war, etwaig relevante Nachrichten zu erhalten. Im ersten Teil dieses Kapitels werden einige als „okkasionell“ bezeichnete Arten der Informationsbeschaffung im Vordergrund stehen. Doch muss vorweg betont werden, dass eine klare Unterscheidung, ob sich der Rat gezielt und bewusst an bestimmte Orte begab beziehungsweise an bestimmte Personenund Berufsgruppen herantrat und einen ofÀziellen Auftrag zur Informationsbeschaffung an sie richtete, oder ob sich gar einzelne Personen aus freien Stücken mit Informationen an den Rat wandten, nicht immer leicht fällt. 1.1. KauÁeute und Märkte Begehrten die städtischen Führungsgruppen beispielsweise Informationen über getätigte Einkäufe des burgundischen Herzogs, die vor allem im Vorfeld von kriegerischen Auseinandersetzungen interessant waren, konnten sie auf die außerhalb der Städte tätigen (Fern-)Händler und KauÁeute zurückgreifen.7 Gerade bedeutende Handelsstädte wie Straßburg oder Basel, in deren Räten zahlreiche Personen saßen, deren Familien ehemals am Handel partizipiert hatten beziehungsweise noch im Untersuchungszeitraum partizipierten, konnten solche Informationsnetze problemlos nutzen. Auf Märkten und den Reisen zu diesen Àel es den KauÁeuten leicht, Zugang zu Informationen und Nachrichten zu erhalten, die für ihre Führungsgremien wichtig waren.8 Denn auf Märkten kamen die unterschiedlichsten Personen- und Berufsgruppen zusammen. Hier gab es sowohl Gespräche über die angebotenen Waren als auch über die politische Lage, und es wurden Gerüchte kolportiert und Diskussionen geführt. Hinzu kamen die weitreichenden Beziehungsnetze 6
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Ausnahmen in diesem Zusammenhang, die in Ansätzen die Bedeutung von Informationen für spätmittelalterliche Städte herausgestellt haben, sind: Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 354 ff.; Hübner, Botenwesen, S. 261 ff.; Jucker, Gesandte; Bullard, Secrecy; Zeilinger, Lebensformen, S. 129 f.; vgl. dort auch die Transkription des Verhörprotokolls eines Spions S. 219ff. Einzig für die italienischen Städte, wie beispielsweise Venedig, existieren Untersuchungen, vgl. Burke, Venice, S. 389–419; Coleman, Some Thoughts. Zu den Spionagediensten von KauÁeuten vgl. Allmand, Spionage, S. 100f; Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 354; vgl. auch Schmitt, Städtische Gesellschaft, S. 2 99 ff.; Lindemann, Nachrichtenübermittlung; Denzel, Wissensmanagement; vgl. Walter, Spionage; ders., Urban Espionage; ders., Kundschaftersysteme. Zu Märkten als Knotenpunkt der Kommunikation vgl. Hoock, Markt; vgl. auch Schneider, Bedeutung von Kontoren.
1. Okkasionelle Informationsbeschaffung
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der KauÁeute, die sie mit Kollegen aus anderen Ländern und Städten verbanden, die ebenso über interessante Informationen verfügen konnten.9 Des Weiteren ist an ihre Mehrsprachigkeit zu denken. Diese erleichterte ihnen einerseits die Abwicklung von Geschäften, versetzte sie aber andererseits in die Lage, auf den Märkten infolge von Gesprächen mit ihren Kunden an Nachrichten zu gelangen, die sonst nur schwer zu erhalten gewesen wären. Dabei konnte es sich unter anderem um berufsspeziÀsche Angaben handeln, wie das folgende Beispiel belegt. Unter der Überschrift „Nüwe mehren uß Flanndern“ Ànden sich in die Jahre 1471/72 gehörende Aufzeichnungen, die entweder von einem Kaufmann selbst verfasst oder aber nach seiner Rückkehr nach Straßburg von einem Mitarbeiter der Straßburger Kanzlei aufgeschrieben wurden.10 In ihnen wird unter anderem angegeben, dass ein Markt in der Áandrischen Stadt Ypern stattgefunden habe. Dort habe der Herzog von Burgund durch seine Mitarbeiter „Heringe, ander ungesaltzen Vische vnd proviande“ kaufen lassen. Da die eingekauften Mengen derart groß gewesen seien, habe die rund „70 Wagen“ umfassende Ladung von einer bewaffneten Eskorte begleitet werden müssen. Doch hätten französische Söldner die Wagen nur wenig später aufgehalten und die Eskorte „niedergeworffen“. Auf dem Marktplatz von Ypern habe der burgundische Herzog öffentlich ausrufen lassen, dass auf allen Märkten in Flandern Zollfreiheit herrschen solle, was „nye kein mann me gehört noch gelept“ habe, so der Berichterstatter. Auch habe der Herzog seinen Untertanen unter Androhung von Strafe verboten, Handel mit französischen KauÁeuten oder deren Verbündeten zu treiben. Es „ganngent die gemein reden“, dass der burgundische Herzog nun abzuwarten gedenke, bevor er militärisch aktiv werde. Andere Informationen hatte der Händler Thoman Strubel, der den Straßburger Rat im Februar 1476 über Begebenheiten auf dem Markt von Colombier-Fontaine, rund vierzehn Kilometer westlich von Montbéliard, informierte.11 In diesen Ort seien rund 200 Söldner eingefallen, zu dem dort gelegenen Schloss gezogen, hätten dieses erobert und dabei ca. „18 erstochen und wol 200 gefangen“. Bei den Gefangenen habe es sich größtenteils um KauÁeute und einheimische Bauern gehandelt.12 Auch habe man im Schloss eine Frau gefunden, die den Soldaten eintausend Gulden für ihren Schmuck und das, was sie am Körper trug, angeboten habe. Zudem sei viel Tuch, Korn und „Specereyen“, sechshundert Stück Vieh sowie zweihundert Ackerpferde erbeutet worden. Brisante Informationen referierte ein Berner Kaufmann den Räten seiner Heimatstadt nach seiner Rückkehr von der Genfer Messe im Februar 1475. Sie Ànden
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Zu den Nachrichtennetzen der KauÁeute vgl. Bauer, Gemain sag, S. 40–52; Häberlein, Handelsgesellschaften; ders., Brüder. 10 AMS AA 266, fol. 30. 11 AMS AA 292, dol. 17: „Es sy ein jormerckt gewesen in eym Áecken, genant Fontany, lige 8 mylen weges von Mümpelgart in Burgund […]“. 12 „Deren sy einteil koufÁüt von Bisantz, einteil von andern enden uß Burgondie, die dohin weren züm merckt komen, ouch einteil bureslüte […]“, ebd.
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F. Informationsbeschaffung
sich in einem Brief überliefert, den die Berner Räte an Freiburg i. Ue. richteten.13 Darin teilten sie ihrem Bündnispartner mit, dass einer ihrer Bürger, eben jener Kaufmann, vor kurzem aus Genf zurückgekehrt sei. Dieser habe berichtet, dass er von Kollegen dergestalt gewarnt worden sei, dass ein paar Tage zuvor päpstliche Legaten, der Sohn des Königs von Neapel sowie Gesandte des Dogen von Venedig, der Herzogin von Savoyen und andere Abgeordnete beim Herzog von Mailand zusammengekommen seien. Resultat ihres Treffens sei der Abschluss eines „Pund[s] und früntschafft“ gewesen, der gegen „die Tütschen“ und insbesondere die Eidgenossen gerichtet sei. Erschwerend komme hinzu, dass sie bereits Feldhauptleute bestimmt und in ihre Dienste genommen hätten, über deren Gehalt der Kaufmanngenau unterrichtet sei und ausgesagt habe, dass der Herzog von Mailand den Anwesenden unter anderem Gold, Pferde und Seidengewänder geschenkt habe. Auch werde der Sohn des Königs von Neapel bald mit zahlreichen Berittenen nach Genf kommen, um dort mit Karl dem Kühnen zusammenzutreffen und dessen Tochter zu heiraten. In der Stadt kursiere überdies das Gerücht, dass die erwähnten Potentaten bald vor die Stadt Bern ziehen würden, diese dem Erdboden gleichmachen und mitten in der Stadt ein Schild aufstellen wollten, auf das sie schreiben würden: „Hie was einest ein statt, die hies Bernn!“. Aufgrund der Aussagen des Kaufmanns seien sofort „Kuntschafften“ ausgesendet worden, von denen man aber leider noch nichts vernommen habe. Sobald diese aber zurückkämen, werde man sie umgehend informieren. Bei dem erwähnten Bündnis handelte es sich um den am 30. Januar 1475 zwischen Mailand, Burgund und Savoyen geschlossenen „Vertrag von Moncalieri“, der Bern und seine Bündnispartner vor große Probleme stellte.14 Denn dieses war eindeutig gegen die Eidgenossenschaft und den französischen König gerichtet, da die Vertragspartner sich zur militärischen Unterstützung des jeweils anderen verpÁichtet und einander versprochen hatten, dass jeder den anderen zukünftig in jeden Waffenstillstand, Frieden oder jedes Bündnis einbeziehen solle.15 Es wurde deutlich, wie wichtig den untersuchten Städten die über ihre Kaufleute zugänglichen Informations- und Nachrichtennetze waren. Möglicherweise kann vor diesem Hintergrund auch erklärt werden, warum sich beispielsweise die Berner Räte im Untersuchungszeitraum an zahlreiche auswärtige Potentaten wandten, um sich für die Belange von KauÁeuten einzusetzen. Beispielsweise schrieben sie Ende Januar 1474 einen Brief an den burgundischen Herzog, in dem sie ihn aufforderten, einem Mitglied der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft geraubte Waren wieder zurück zu erstatten.16 In einem anderen Brief verwendeten sie sich Anfang November 1474 beim französischen König für „Jos Hundpiss von Ravensburg“17 und seine Mitarbeiter, ebenfalls Mitglieder der Handelsgesell-
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Büchi, Freiburger Missiven, Nr. 21, S. 31 f. Der Vertragstext Àndet sich in Lenglet Du Fresnoy, Memoires Commines, S. 356. Zur Einschätzung des Bündnisses vgl. Dürr, Sforza, S. 291–298. StABe Lt. Miss. A, fol. 244 (24. Januar 1474). Zur Familie Hunpiss vgl. von Kindler-Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch 2, S. 163–175.
1. Okkasionelle Informationsbeschaffung
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schaft.18 Doch auch die KauÁeute selbst wurden aktiv, und in den Abschieden der Versammlungen der Eidgenossen Ànden sich zahlreiche Einträge, in denen deutlich wird, dass gerade sie auf die Sicherheit von Straßen und Wegen angewiesen waren und sich deswegen vielfach an die Eidgenossen wandten.19 Schließlich waren sie die ersten, die Repressionen zu spüren bekamen. So beklagte sich die Basler Führung bei den Räten von Besançon und beim Kaiser im Sommer 1474 darüber, wie in der Freigrafschaft Burgund mit KauÁeuten aus der „Niederen Vereinigung“ umgegangen werde.20 Diese Bemühungen der untersuchten Städte lassen sich auf drei Interessenhorizonte zurückführen: Einerseits hatten sie ein großes Interesse an einem reibungslosen und funktionierenden Handel, da sie gerade in KonÁiktzeiten auf die problemund gefahrlose Zufuhr von wichtigen Gütern wie Nahrungsmitteln, aber auch von Waffen und Munition dringend angewiesen waren. Sieht man sich die Zusammensetzung der Ratsgremien an, ist andererseits vorstellbar, dass sie sich und ihre Handel treibenden Verwandten vor stets im Raum stehenden Übergriffen seitens ihrer jeweiligen politischen Gegner schützen wollten. Damit ist man zudem beim Eigeninteresse angelangt, das zuletzt noch auf einer anderen Ebene eine Rolle gespielt haben könnte. Denn die Führungsgremien konnten, wie deutlich wurde, nie wissen, ob und wofür sich die KauÁeute und deren Nachrichten und Informationen noch verwenden ließen. 1.2. Wirte und Wirtshäuser Neben KauÁeuten und Märkten lässt sich im Zusammenhang mit Informationsbeschaffung überdies an Wirte und Wirtshäuser denken. Schließlich lagen Wirtshäuser zumeist an zentralen Straßen, Wegen, Übergängen und Pässen. In ihnen wurde nicht nur gegessen, getrunken und geschlafen, sondern es wurden auch Söldner angeworben, Zeugen befragt, Verträge diskutiert, politische Verhandlungen geführt sowie Neuigkeiten und Gerüchte ausgetauscht.21 Zudem dienten sie als Versammlungsraum für Ratsherren, die nach ihren Sitzungen noch bei einem so genannten
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Abgedruckt bei Heyd, Ravensburger Handelsgesellschaft, Anhang A, Nr. 7, S. 65. Beispielsweise Segesser, Abschiede Nr. 697d (Versammlung in Luzern am 24. Februar 1473). Dort Àndet sich ein Begehren von KauÁeuten an die Eidgenossen, man möge trotz des drohenden Krieges für die Sicherheit der Straßen sorgen. Ein anderes Beispiel ist die Anfang Oktober formulierte Klage der in Bern versammelten Eidgenossen an die Herzogin von Savoyen. In diesem Schreiben kommt zum Ausdruck, dass eidgenössische KauÁeute auf dem Weg zu den Genfer und Lyoner Messen schlecht behandelt worden sein müssen (vgl. Segesser, Abschiede Nr. 662). StABas Missiven A 13, fol. 300 vom 19. Juli 1474 (an Besançon) und fol. 301 (an den Kaiser) (vgl. Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 115). Vgl. dazu Kümin, Wirtshaus; Teuscher, Bekannte, S. 193–201; für die Frühe Neuzeit vgl. Rau, Gastlichkeit; für das 16. und 17. Jahrhundert: Kümin, Verkehr; ders., Inns.
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F. Informationsbeschaffung
„Schlaftrunck“ weiter diskutieren wollten.22 Damit fungierten sie als eine Art „Knotenpunkt“23 für die unterschiedlichen Personen-, Berufs- und Gesellschaftsgruppen und lassen sich als Foren der „informellen Gruppenbildung“24 bezeichnen. Das Àndet seine Bestätigung in den vorgestellten Briefen, die im Auftrag des amtierenden Schultheißen Nikolaus von Scharnachtal im Berner Wirtshaus „Zur roten Glocke“ abgefasst wurden.25 Dass sich die städtischen Führungsgremien darum bemüht haben, in Kontakt zu Wirten zu treten, erscheint vor diesem Hintergrund nur verständlich. Es könnte aber auch sein, dass sich die Wirte selbst als Informanten den städtischen Führungsgruppen angeboten haben, weil sie sich von der Übermittlung von möglicherweise relevanten Informationen einen Ànanziellen Vorteil beziehungsweise Prestigegewinn erhofften. Eine derartige Unterscheidung fällt mitunter schwer, wie das folgende Beispiel offenbart. Im Mai des Jahres 1473 schrieben die beiden Straßburger Störtzer und Kolhase einen Brief an den Rat ihrer Heimatstadt.26 In diesem berichteten sie, dass sie sich derzeit in Breisach aufhalten würden, wo sie einen Zettel von einem Wirt namens Werlin Krungen erhalten hätten. Den Inhalt dieses Zettels teilten Störtzer und Kolhase den Räten daraufhin in einer Abschrift mit. Krungen hatte angegeben, dass sein Vetter in seinem Haus erschienen sei und ihn nach Neuigkeiten gefragt habe. Dies habe er bejaht und berichtet, dass die Bürgermeister von Laufenburg und Säckingen am Donnerstag „vor der Crútzwuchen“ zum Abendessen in seinem Wirtshaus erschienen seien und dort bei einigen Mitgliedern der Breisacher Führung um Rat gefragt hätten. Der Grund dafür sei gewesen, dass zuvor an einem Stadttor von Laufenburg vierzig berittene burgundische Söldner Einlass begehrt hätten. Diesem Wunsch sei zunächst entsprochen worden, doch als einige Tage später sechshundert Söldner das Gleiche gewünscht hätten, sei diesen zu verstehen gegeben worden, dass man nur einhundert von ihnen in die Stadt lassen könne. Daraufhin seien die „Frömbden“ zornig geworden und hätten gesagt, sie würden nun dorthin ziehen, wo der burgundische Herzog sie haben wolle. Ihr nächstes Ziel sei ein Dorf in der Nähe von Laufenburg gewesen, wo sie sich noch immer aufhalten würden, womit der Zettel des Wirtes endete. Diese Angaben wurden den beiden Straßburgen von einem Adligen bestätigt, der sie darüber in Kenntnis gesetzt habe, dass tatsächlich siebenhundert burgundische Söldner in der Nähe von Säckingen lagerten. Dieser habe die Burgunder zudem gefragt, was sie zu tun gedächten, die ihm daraufhin geantwortet hätten, man werde bald „frembde mer“ vernehmen. Zuletzt gaben sie noch an, dass sie der Straßburger Führung weitere Neuigkeiten „so tag, so nacht“ berichten würden.
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Teuscher, Bekannte, S. 193–201; auch Tlusty, Public House; Jucker, Geheimnis, S. 80 f.; Würgler, Boten und Gesandte, S. 294 ff.; Selzer, Trinkstuben; speziell zum zitierten „schlaftrunck“ mit Beispielen aus dem Untersuchungszeitraum vgl. Teuscher, Bekannte, S. 196. Kümin, Wirtshaus, S. 342. Teuscher, Bekannte, S. 199; S. 195. Zu den „alternativen Abfassungsorten“ siehe Kapitel D 1. AMS AA 264, fol. 30.
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Auch Adam Kolber aus Kestenholz führte einen Wirt als Informanten an, als er den Räten von Straßburg Mitte Dezember 1473 Informationen über den Aufenthalt des burgundischen Herzogs im Elsaß mitteilte.27 Er berichtete zunächst vom Treffen Karls des Kühnen mit dem Herzog von Lothringen in Nancy, wo die beiden übernachtet hätten, und erzählte, er habe den Burgunder mit eigenen Augen gesehen.28 Nähere Informationen über dessen weiteren Weg habe er einerseits von einem Boten aus dem lothringischen Bergart, andererseits habe er einen „Wirt“ in Saint-Nicolas-de-Port gebeten, ihn sofort zu unterrichten, falls der Herzog sich ins Elsaß begebe.29 Etwas anders verhielt es sich mit dem noch vorzustellenden professionellen Straßburger Informationsbeschaffer Kaspar Michel, der den Straßburger Räten in einem seiner Ende Dezember 1476 entstandenen Berichte zahlreiche Informationen aus dem damals umkämpften Herzogtum Lothringen übermittelte.30 So sei er beispielsweise am „Krystag“ nach Nancy gekommen, wo er im Wirtshaus „Zur Glocken“ sein Pferd untergestellt habe. Dort habe er verschiedene lothringische Adlige angetroffen, mit denen er gemeinsam am Tisch eine Mahlzeit eingenommen habe und ins Gespräch gekommen sei. Dabei hätten einige gesagt, man würde sie Lügen strafen müssen, wenn der burgundische Herzog noch im Land sei. Um zwei Uhr mittags sei der Herzog von Burgund jedoch tatsächlich in Nancy erschienen. Michel gibt im weiteren Verlauf seines Berichtes genaue Information darüber, wie Karl der Kühne gekleidet gewesen sei, wer ihn begleitet und worüber er gesprochen habe. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass sich Kaspar Michel gezielt in das Wirtshaus begeben haben muss, um an Informationen zu gelangen. 1.3. Geistliche und Pilger Die nun vorgestellte Berufs- beziehungsweise Personengruppe der Priester, Ordensgeistlichen und Pilger war wegen ihrer Unantastbarkeit prädestiniert für die Wahrnehmung von Aufgaben als Kundschafter.31 Auch in den untersuchten Quellen Ànden sich Hinweise auf Informationen, die von Pilgern, Priestern oder Geistlichen eingeholt und den Räten übermittelt worden sind. Das traf beispielsweise auf den Weißenburger „Priester“ Nikolaus Crüwe zu, der dem Straßburger Rat eingehend von Ereignissen berichtete.32 So habe er in Neuenstadt „für war“ gehört, dass die Truppen des böhmischen Königs mit 900 Pferden vor eine Stadt gezogen seien, die zuvor von den „Crützern“ eingenommen worden sei. Diese sei von ihnen den 27 28 29 30 31
32
AMS AA 264, fol. 45. Ebd.: „Morndes an Fritag sahe ich den Hertzogen von Burgundien oben an eym venster liegen“. Ebd.: „[S]o wil er es mich lossen wissen“. AMS AA 293, fol. 24v; zu Michel siehe Kapitel F 2.3. Schon Christine de Pizan spricht davon, dass sich als Pilger verkleidete Personen vorzüglich als Spione eignen würden, zit. bei Allmand, Spionage, S. 101f.; vgl. zu diesem Aspekt auch Schmitt, Städtische Gesellschaft, S. 300 ff. AMS AA 253, fol. 19r.
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ganzen Tag lang bestürmt worden, woraufhin die „Crützer“ die Stadt verlassen und lange mit den böhmischen Truppen gekämpft hätten. Dabei seien zahlreiche von ihnen erschlagen und rund fünfhundert Pferde erbeutet worden. Crüwe teilte weiterhin mit, dass er dort rund vierhundert „mannspersonen auß der Styrmarck und von anderen anstossenden lands“ gesehen habe, die zur Unterstützung der böhmischen Truppen angereist seien und insgesamt achtunddreißig Wagen bei sich gehabt hätten. Unter den Soldaten seien viele Gelehrte sowie „Priester und ander geistlich personen“ gewesen. Im weiteren Verlauf seines Berichtes gab er an, wie die Truppen geordnet gewesen seien und wie sie sich kenntlich gemacht hätten. Am vorangegangenen Montag sei ein Dominikanermönch in Neuenstadt aufgetaucht. Dieser sei eine „cleyn person“, den man das „heilige Mennel zu Saltzburg“ nenne und der vor fünfhundert Menschen gepredigt habe. Daraufhin hätten sich am nächsten Morgen rund dreihundert Bewaffnete zusammengefunden, die nun ins Feld zögen. Etwas anders verhielt es sich mit den Geistlichen, die ein Gesandter aus dem lothringischen Dieuze im September 1475 den in Straßburg versammelten Abgeordneten der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition als mögliche Informanten empfahl.33 Neben zahlreichen Informationen über die wechselnden Aufenthaltsorte des burgundischen Herzogs berichtete er, dass er von Franziskaner-Observanten im lothringischen Bergart wisse, die eine Niederlassung in „Myrrot“ hätten. Es erschien ihm plausibel, dass man aus den Franziskanern insgesamt vier Mönche rekrutiere, von denen sich je zwei auf unterschiedlichen Wegen zum Herzog begeben könnten, um daraufhin mitzuteilen, wo er sich momentan aufhalte. Doch der Gesandte wusste nicht nur von Mönchen als Informanten zu berichten. Er gab weiterhin an, er kenne einen Priester, „genannt Bruder Diethrich“, den man ebenfalls für derartige Aufgaben in Betracht ziehen könne. Jener „Diethrich“ habe sich sowohl im Heer des burgundischen Herzogs als auch in dem des Kaisers aufgehalten und kenne sich überdies mit der Topographie Lothringens gut aus. Zuletzt gab er noch an, er kenne den Bruder des Sekretärs des lothringischen Herzogs sehr gut, bei dem es sich ebenfalls um einen „Priester“ handle. Dieser habe sich bereits bereit erklärt, zwecks Informationsbeschaffung in das lothringische Bergart zu reiten. Ähnlich verhielt es sich mit zwei „Priestern“, die den Hauptleuten des Bündnispartners Freiburg i. Ue. wichtige Informationen über die Pläne des burgundischen Herzogs unmittelbar nach der Schlacht von Murten im Juni 1476 mündlich mitteilten. Schriftlich wiedergegeben Ànden sich ihre Informationen in einem Brief, der eine eindrucksvolle Nachrichtenkette in Gang setzte, bis er als Abschrift in die Kanzlei der Stadt Straßburg gelangte.34 Versucht man den Weg des Briefs bis nach Straßburg zu rekonstruieren, ergibt sich das folgende Bild: Nachdem die beiden Priester ihre Nachrichten den Freiburger Hauptleuten mündlich berichtet hatten, erachteten diese die Nachrichten für so wichtig, dass sie sie verschriftlichten und einen Brief an die Räte ihrer Heimatstadt richteten, den diese als Abschrift sofort einem Brief an die Führungsgruppe des Bündnispartners Bern beilegten. Von 33 34
AMS AA 261, fol. 9v, erwähnt bei Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 355, Anm. 39. AMS AA 286, fol. 9.
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dort gelangten die Informationen weiter nach Basel an die dortigen Räte, die ihrerseits eine Abschrift des Briefs der Freiburger Hauptleute anfertigten ließen und noch am gleichen Tag an ihre Amtskollegen in Straßburg übermittelten. Es scheint durchaus vorstellbar, dass auch der Straßburger Rat seinerseits Kopien des Briefs der Hauptleute von Freiburg anfertigen ließ und weiterleitete, doch lässt sich das leider nicht nachweisen. Die vorgestellten Beispiele offenbaren, warum sich die städtischen Führungsgremien bevorzugt an Klöster wandten. Da zahlreiche Mitglieder der hier im Vordergrund stehenden Familien ihre Kinder ebenfalls in diesen unterbrachten, konnten sie auf diese Weise an deren erweitertem Informations- und Nachrichtennetz partizipieren.35 Schließlich verfügten die einzelnen Niederlassungen über engen Kontakt untereinander.36 Daneben wird deutlich, dass man sich um Kontaktpersonen bemühte, die sich mit den topographischen Gegebenheiten auskannten. Denn das stellte vor allem dann, wenn der Krieg nicht in bekannten Gebieten stattfand, eine unbedingte Notwendigkeit für den Erfolg der Informationsbeschaffung dar. Wahrscheinlich unfreiwillig in Kontakt mit Informationen gekommen, doch ebenso interessiert an diesen waren zwei Pilger, die in Kolmar im April 1474 von Neuigkeiten aus der Freigrafschaft Burgund berichteten.37 Von ihrem Bericht erfuhr auch ein Straßburger Bote, der den Räten seiner Heimatstadt mitteilte, „daz zwene Pilgerin uß Burgunden“ in Kolmar angekommen seien. Diese hätten berichtet, dass man dort „vast rüste“. Informationen wie diese waren für die eidgenössisch-oberrheinische Koalition besonders wertvoll, da es in jenen Tagen zur Gefangennahme des burgundischen Landvogtes gekommen war, weswegen man am Oberrhein und in der Eidgenossenschaft mit Sanktionen seitens Burgunds rechnete. An der Mitteilung der Pilger zeigt sich, dass im Kontext von kriegerischen Auseinandersetzungen jede Bewegung des Feinds interessant sein konnte. Auch die Einwohner der untersuchten Städte scheinen um die Bedeutung derartiger Informationen gewusst zu haben, sonst hätten die beiden Pilger sicher nichts von den in Burgund stattÀndenden Rüstungen berichtet. Zudem tritt deutlich hervor, wie leicht es den städtischen Boten Àel, an Informationen zu gelangen, zu deren Mitteilung sie durch ihren Boteneid verpÁichtet waren. Auch der in Basel lebende Domvikar Johannes Knebel verfügte nicht nur über Informanten in Basel selbst und im direkten EinÁussgebiet der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition, sondern hatte auch in Rom, Ungarn und am Hof des französischen Königs Gewährsleute, die ihn mit Informationen versorgten.38 Seine aktiv betriebene Sammlung und Verdichtung von Informationen hatte zumindest auf den ersten Blick keinen eigentlichen praktischen Nutzen für die Politik seiner Heimat35 36 37
38
In Ansätzen dazu Schmitt, Städtische Gesellschaft, S. 300–304. Zum Botenwesen der Klöster vgl. Gerteis, Boten, S. 21. Dieses Beispiel erwähnt auch Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 355, Anm. 40. Schreiber, Urkundenbuch Freiburg, S. 539. Dabei handelt es sich um die Kopie des Berichts des Boten, die die Straßburger Führung an Freiburg i. Br. mit einem Brief schickte. Zu seinem Briefnetz vgl. Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 324 f. u. S. 355, mit Anm. 46.
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stadt. In erster Linie diente sie seinem privaten Vorhaben, eine Chronik über die Burgunderkriege zu schreiben. Es erscheint plausibel, dass sich der Rat jedoch seiner Kontakte bediente, und es könnte sein, dass er diesem gezielt Informationen gab und von ihm im Gegenzug mit Briefen versorgt wurde, die an die Stadt Basel gerichtet waren. Das würde auch erklären, warum sich zahlreiche „ofÀzielle“ Schreiben in der Chronik Ànden, die von ihm verfasst wurde. In dieser berichtete er an verschiedenen Stellen, er habe vom Basler Stadtschreiber Nikolaus Rüsch Briefe zum Lesen und Abschreiben erhalten.39 1.4. Gefangene und Überläufer Eine weitere Personengruppe, die über Informationen verfügte, die mitunter von großem Nutzen sein konnten, sind die in den Quellen sporadisch auftauchenden Gefangenen. Von ihrer Existenz erfährt man nur dann, wenn sie Geld kosteten. Dies war beispielsweise dann der Fall, wenn die Städte für Verwahrung und VerpÁegung der Gefangenen aufkommen beziehungsweise sogar selbst Hinrichtungen durchführen mussten. Zudem Ànden sich Hinweise auf sie in den untersuchten Briefen, die beispielsweise von den Hauptleuten an ihre Heimatstädte gerichtet wurden. Darin werden sie meist als anonyme Gruppe beschrieben, die lediglich zahlenmäßig bekannt war. Doch wie konnten die städtischen Führungsgremien sich sicher sein, ob die den Gefangenen meist unter Folter abgepressten Aussagen nicht Falsch- und Fehlmeldungen und somit gezielte Desinformation enthielten? Letzteres traf auch auf einen Gefangenen zu, den die Basler am 30. August 1474 als Gewährsmann für wichtige Informationen am 30. August 1474 in einem Brief an Mülhausen anführten.40 Im Schreiben wird deutlich, dass die Basler Räte ihren Kollegen schon zuvor einige Aussagen des Gefangenen mitgeteilt haben müssen. Doch habe man diesen am Tag der Abfassung des vorliegenden Schreibens noch eingehender befragt, woraufhin er „etwas mer verriehen“ habe. Nachlesen könnten die Mülhausener seine Aussagen in einem „zedel“, den sie im Brief „verslossen“ fänden.41 Ein anderes Bild offenbart ein in Basel zwischen dem 18. und 24. Dezember 1474 durchgeführtes Verhör von achtzehn namentlich aufgeführten lombardischen Söldnern, die in burgundischen Diensten standen und während des Feldzugs nach Héricourt gefangen worden waren.42 Im Verhör bekannten sich die später Hingerichteten angeblicher homosexueller Taten für schuldig, doch gaben sie, zumindest laut den erhaltenen Protokollen, keine Informationen preis, die Taktiken, Anzahl
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40 41 42
Vgl. beispielsweise Vischer u. a., Basler Chroniken 2, S. 286, Z. 19, S. 292, Z. 27 u. S. 393, Z. 5. Dazu auch der Brief des Rektors der Universität Basel, Peter von Andlau, an Knebel am 31. März 1476, abgedruckt bei Ochsenbein, Urkunden Murten, S. 86 ff. (Missive Nr. 116). Mossmann, Cartulaire 4, Nr. 1760. Gemeint ist mit Sicherheit eine „Cedula inclusa“; zu diesen Schriftstücken vgl. Kapitel G 1. AMS AA 261, fol. 29 (abgedruckt bei Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, Anhang Nr. 16, S. 430 ff.). Zum Ablauf der Befragung und der Verhandlungen im Vorfeld vgl. ebd., S. 143–149.
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oder Bewaffnung ihrer Truppen betrafen. Sie waren aber nicht die einzigen Gefangenen, denn insgesamt fünf weitere Söldner wurden verschont: Während zwei von ihnen der Befragung standhielten, wurde einer von einem Basler Bürger geschützt. Zu diesen gesellten sich ein Junge sowie ein „alter gelepter man“, der anscheinend zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war.43 Dass man sich in Basel zunächst nicht sicher war, ob es sich beim Letztgenannten möglicherweise nicht doch um einen Spion handelte, verdeutlichen zwei Briefe von Basel an Zürich und Bern.44 Diese offenbaren, dass man auch ihn verhört hatte, um an Informationen zu gelangen. Doch muss man im Verlauf des Verhörs erfahren haben, dass er lediglich in die umkämpften Gebiete gesandt worden sei, um „ettlick kuntschafften“ wegen einer Pfründe einzuholen. Um sich völlig sicher zu sein, habe man auch die anderen Gefangenen kurz vor ihrer Hinrichtung über den Mann befragt. Diese jedoch seine Angaben bestätigt, weswegen man sich letztlich für seine Freilassung entschieden habe. Anonym blieben auch zwei deutsche Söldner aus dem Heer des burgundischen Herzogs, von denen Bern seinem Hauptmann im Feld vor Murten, Adrian von Bubenberg, am 4. Juni 1476 berichtete.45 Wie aus dem zu diesem Tag gehörenden Berner Ratsprotokoll hervorgeht, wurden diese schon auf der Sitzung des Berner Führungsgremiums besprochen.46 Demnach seien die beiden „Tütschen“ am Vortag nach Bern gebracht und dort ins Gefängnis geworfen worden. Dort habe man sie befragt und festgestellt, dass der eine von ihnen aus Schwäbisch-Gmünd komme, während der andere aus Geislingen stamme. Es muss offen bleiben, ob sie während des Verhörs gefoltert wurden oder nicht. Die Informationen, die man aus der Befragung gewann, sandte Bern seinem Hauptmann in einem gesonderten und in den Brief eingelegten Zettel. Ähnlich wurde mit einem Burgunder verfahren, der den Berner Truppen kurz zuvor in die Hände gefallen war.47 Ein Ende Mai 1476 in Bern entstandenes Sitzungsprotokoll des Kleinen Rats verdeutlicht, dass man dem Berner Hauptmann befohlen haben muss, „den geuangenen von Ynss“ nach Bern bringen zu lassen. Der Grund dafür sei, dass man ihn in der Stadt eingehender vernehmen wolle. Namentlich bekannt hingegen war der Gefangene (oder Überläufer?) „Johan Pain de Tremgayon“, den die Berner Hauptleute Mitte März 1476 in der Nähe von Romont in der Waadt aufgegriffen hatten. Das verdeutlicht ein Schreiben des Berner Rats an Basel, in dem unter anderem angegeben wurde, dass es sich bei diesem um einen Diener des Adligen „Jacop do Pont“ handle.48 Der Gefangene gab den Bernern eingehende Informationen über den Aufenthaltsort, die Ausrüstung und die Befehlsstrukturen innerhalb der burgundischen Truppen. Eine 43 44
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Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 148. StABas Missiven A 14, fol. 28, abgedruckt bei Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, Anhang Nr. 18, S. 433 bzw. Anhang Nr. 19, S. 434. Beide Briefe datieren auf den 31. Dezember 1474. StABe Dt. Miss. C, fol. 895. StABe RM 20, fol. 33. Ochsenbein, Urkunden Murten, S. 217. „Cedula inclusa“ zu einem Brief Berns an Basel, abgedruckt bei Ochsenbein, Urkunden Murten, S. 36 f. (Missive Nr. 49).
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genaue Zusammenfassung hiervon sandte man den Basler Räten in einem ihrem Brief beigelegten Zettel mit. Neben den Gefangenen waren Überläufer sehr interessant im Hinblick auf den Erhalt von Informationen. Von letzteren stellt ein gewisser „Peter Jordan“ einen interessanten Fall dar. Seine Aussagen gaben die Berner Hauptleute am Mitte Juni 1476 in einem Brief aus dem Feld vor Murten an ihre Heimatstadt wieder, aus dem deutlich hervorgeht, dass der Hauptmann von Freiburg i. Ue. ihnen kurz zuvor („in diser stund“) den erwähnten Jordan gebracht haben musste.49 Dies sei geschehen, weil die Berner Hauptleute mit Jordans Unterstützung zahlreiche Informationen über den burgundischen Herzog erfahren wollten. So habe er unter anderem berichtet, er stehe seit mittlerweile fünf Jahren in burgundischen Diensten und sei vier Nächte zuvor gemeinsam mit einem anderen Söldner aus dem burgundischen Lager desertiert und nach Freiburg i. Ue. geÁohen. Jordan konnte sehr genaue Informationen über die Stärke der burgundischen Truppen, ihre Lagerplätze und Bewaffnung machen. Laut seinen Aussagen unterhielt Karl der Kühne insgesamt rund 50.000 Mann im Feld, von denen 20.000 direkt um Murten herum sowie 30.000 in der Umgebung der Stadt „in der hochy mitten in den Reben“ lagerten, um dort den Beginn der Schlacht abzuwarten. Überdies seien an drei Stellen rund zwanzig Schlangenbüchsen aufgestellt worden. Auch hielten sich zur Bewachung des Herzogs seine besten Leute direkt in seiner unmittelbaren Umgebung auf, und dieser habe ein Statut erlassen, nach dem jeder, der versuche, von „im ze Áiehen oder Áuchten zu machen“, gehängt werden solle. Zuletzt berichtete Jordan, er habe kurz nach seinem Aufbruch nach Freiburg i. Ue. den Ausbruch eines großen Gefechts mitbekommen, doch „konne er nit wissen, was daruß worden oder wie es gangen sy“. Am Schluss ihres Briefes baten die Hauptleute ihre Kleinräte, den Inhalt der Aussagen des Deserteurs Basel und anderen Bündnispartnern „snelliclich“ mitzuteilen. Dieser Bitte kam man nach, denn nur so erklärt sich, warum sich der Brief noch heute in Basel beÀndet.50 Die Beispiele offenbaren den Grund für die Verschriftlichung und Archivierung der geheimen Informationen: Sie wurden aufgehoben, weil sie wichtig für das gemeinsame außenpolitische und militärische Vorgehen der Bündnispartner waren, überdies für eine verstärkte Kohäsion zwischen diesen sorgten und auf diese Weise zur Bildung und Etablierung von Vertrauen unter ihnen beitrugen.
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Ochsenbein, Urkunden Murten, S. 273 ff. (Missive Nr. 389). Ochsenbein, Urkunden Murten, S. 279f. (Missive Nr. 396, datiert auf den 17. Juni 1476). Ochsenbein nennt als Aufbewahrungsort das Basler Archiv.
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1.5. Gefangene Boten und das Erbeuten von Briefen Aufgrund ihrer Bedeutung für die Informationsübermittlung stellten Überfälle auf Boten ein probates Mittel dar, um an Informationen zu gelangen.51 Während, wie gesehen, Befragungen von Gefangenen und Überläufern stets mit der Unsicherheit seitens der städtischen Führungen einherging, ob diese die Wahrheit sagten oder sogar gezielt falsch informierten, vertraute man dem geschriebenen Wort in Form von Briefen anscheinend mehr. Falls die fremden Boten ihre Briefe nicht inkognito an den oder die Empfänger überbrachten, waren sie aufgrund ihrer Kleidung weithin sichtbare Vertreter ihrer Städte. So erklären sich auch die häuÀg vorkommenden Entschuldigungen für verspätete Nachrichten mit reduzierten Inhalten. Beispielsweise schrieb der damals in Lyon weilende Vertraute der Eidgenossen und Rat des französischen Königs, Jost von Silenen, Mitte April 1476 einen Brief an den Berner Rat, in dem er über zahlreiche Neuigkeiten und kolportierte Gerüchte informierte.52 Am Schluss gab er noch an, er würde ihnen noch gern mehr schreiben, doch lasse es die außenpolitische Lage derzeit nicht zu, da momentan alle „Botten gefangen“ würden. Das sei auch der Grund, warum der von ihm geschickte Bote „nitt me brieffe tragen“ könne. Wie Briefe von der burgundischen Gegenseite verdeutlichen, handelte es sich bei den gefangenen Boten nicht um Einzelfälle. Besonders deutlich wird das in einigen Schreiben des mailändischen Gesandten D’Appiano, die er an den mailändischen Herzog richtete. D’Appiano hielt sich während der gesamten Eroberung von Murten 1476 in unmittelbarer Nähe des burgundischen Herzogs auf und versorgte seinen Herren, den Herzog von Mailand, ständig mit Neuigkeiten und Informationen über das Tagesgeschehen. In einem Brief, den er Ende April in Lausanne schrieb, beklagte er sich über die immer häuÀger vorkommenden Übergriffe auf Boten und stellte seinem Herrn die Frage, was man tun könne, wenn selbst berittene Boten getötet würden.53 Wahrscheinlich spielte er dabei auf einen Boten an, den savoyische Trompeter kurz zuvor tot gefunden hatten. Zumindest spricht er davon in einem kurz danach abgefassten Schreiben, das er Anfang Mai ebenfalls in Lausanne schrieb. Darin wird deutlich, dass die burgundischen Boten wegen dieser Gefahren sehr verunsichert gewesen sein müssen.54 Doch war den entsendenden Führungsgremien die erhöhte Gefahrenlage für ihre Übermittler bewusst. Dementsprechend berichtete D’Appiano dem Herzog, man habe insofern Vorkehrungen getroffen, als ab sofort jeder Bote von zwei burgundischen Bogenschützen begleitet werden sollte.55 51 52 53
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Vgl. dazu, wenn auch ohne Beispiele, Jucker, Trust; ders., Vertrauen; Groebner, Gefährliche Geschenke, S. 89; siehe auch Kapitel E 1.4. Abgedruckt bei Ochsenbein, Urkunden Murten, S. 125 (Missive Nr. 178). D’Appiano an den Herzog von Mailand, Gingins La Sarra, Dépêches, S. 89ff. (Missive Nr. 180): „Signore mio, poiche cavallari non possone venire ne ritornare che non siano tagliati a pezze non so que dire?“, ebd., S. 89). D’Appiano an den Herzog von Mailand, Gingins La Sarra, Dépêches, S. 106 (Missive Nr. 185): „Del ultima cavalaro morto qual se trovato per li trombetti del prefato Monsignore et Madama […]. Questi altri tutti sono impauriti […]“. Ebd.: „Quantunque sia facta bona provisione de fargli accompagnare da qui a la posta d’Agnone [gemeint ist Nyon, d. Verf.] et da la posta qui per li arceri de Monsignore […]“.
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Welche Informationen Briefe enthalten konnten, die bei überfallenen Boten gefunden wurden, zeigt das Protokoll einer Sitzung des Kleinen Rats von Bern, die am 15. Mai 1476 stattfand.56 Unter den beschlossenen Briefen Ànden sich auch zwei Schreiben, die an den Landvogt Tierstein und den Bündnispartner Basel gerichtet waren. Darin teilte man mit, dass einige ihrer in Burgund operierenden Söldner einen burgundischen Boten aufgegriffen hätten, bei dem man zahlreiche „tütsch brieff“ gefunden hätte. Da diese Schreiben den Burgundern „Warnungen“ geben würden, war es nach Ansicht der Berner Räte sehr wichtig „uff einen grund der dingen zu komen“, weswegen sie ihre Basler Kollegen zu Gesprächen einluden. In die gleiche Richtung deuten Briefe, die lothringische Soldaten Mitte Oktober 1475 bei einem burgundischen Boten fanden.57 Diese Schreiben wurden daraufhin übersetzt und den Bündnispartnern in Kopie zugesandt. In ihnen konnten die Mitglieder der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition nachlesen, dass ein Adliger namens „Walribe von Birtsch“ die Rückkehr in sein Schloss in der Nähe von Dieuze geplant hatte. Da dies aber von burgundischen Truppen belagert und eingenommen worden sei, habe er mit seinen Truppen zunächst die Vertreibung der Burgunder vorbereitet, doch sei das Schloss bei ihrer Ankunft bis auf einige Burgunder „lere“ gewesen. Von diesen seien daraufhin etwas über zwanzig getötet und dreizehn gefangen worden, die man nun nach Dieuze überführe. Unter ihnen habe sich auch der erwähnte Bote befunden, der aus Flandern komme und zahlreiche Briefe bei sich getragen habe. Da diese „gar bose welsche geschrifft“ enthielten, habe man sie in die deutsche Sprache übersetzt und den Bündnispartnern mitgeteilt. Demnach hatte der Verfasser eines Briefs gehört, dass der Herzog von Burgund mit dem französischen König über einen Waffenstillstand diskutiert habe. Man kann sich leicht vorstellen, dass derartige Informationen für die Koalitionspartner überaus wichtig waren, hoffte man doch auf französische Unterstützung bei dem seit rund einen Monat gemeinsam mit dem Herzog von Lothringen geführten Kampf gegen Karl den Kühnen.58 Laut der Übersetzung muss man den Boten zudem noch eingehend befragt haben. Demnach hatte er sich einige Tage zuvor in einem Schloss aufgehalten, wo er auf einen „Gesellen“ getroffen war, der der „lange Pet“ hieß. Dieser berichtete, dass die „sachen übel“ stünden, da der französische König den Herzog von Lothringen „verroten und verkouft“ habe, weil Ludwig XI. sich mit dem burgundischen Herzog „vereyniget“ habe. Pet besitze nähere Informationen über die Modalitäten der Vereinigung, von denen eine die Freilassung des „Connetable“ vom französischen König beinhalte. Als Informanten führte er einen Adligen an, der sich am Hof des burgundischen Herzogs aufgehalten und dort die französischen Gesandten mit eigenen Augen gesehen habe. Bei seinem Bericht sei Pet eine „trene die back ab“ gelaufen. Eng mit dem gezielten Abfangen von Boten hing die systematische Suche nach Briefen des Feinds zusammen. Aus den untersuchten Quellen wird ersichtlich, dass die eidgenössisch-oberrheinischen Truppen nach Eroberungen von feindlichen 56 57 58
StABe RM 19, fol. 205. AMS AA 261, fol. 79 f. Vgl. zu diesem Zeitraum Witte, Lothringen und Burgund 1, S. 79–100.
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Städten, Burgen und in Lagern gezielt nach Schriftstücken suchten. Während sich die bisherige Forschung hinsichtlich eventueller erbeuteter Schriftstücke überwiegend mit geistlichen und weltlichen Büchern und Handschriften befasst hat, ist das Erbeuten von Briefen noch nicht Gegenstand von Untersuchungen gewesen.59 Das ist umso bemerkenswerter, als gerade die von den Feinden geschriebenen beziehungsweise an sie gerichteten Briefe aufgrund ihres hohen Informationsgehalts interessant für ihre politischen Gegner waren. Das belegt ein Brief, den die Berner Räte Ende Mai 1476 an Köln schrieben und in dem deutlich wird, dass sich Köln zuvor über den Kriegsverlauf informiert haben muss.60 In ihrer Antwort berichtete Bern zunächst, Karl der Kühne sei momentan krank und beÀnde sich noch immer in Lausanne. Daraufhin kam man auf dessen Flucht aus einem seiner Lager zu sprechen, in das die eidgenössisch-oberrheinischen Truppen eingefallen seien. Dabei hätten sie leider auf keine „Schrifften Acht genohmen“. Dies tue ihnen außerordentlich leid, betrachte man den großen „Nutzen“, den sie und die Kölner daraus hätten ziehen können. Es seien aber zahlreiche andere Stücke erbeutet worden, die sich noch bei ihnen befänden. Darunter seien auch einige Bücher sowie eine burgundische Ordonnanz. Ein anderes Beispiel von erbeuteten Briefen sorgte im Untersuchungszeitraum für Aufsehen. Als die eidgenössisch-oberrheinischen Koalitionstruppen im November 1474 auf ihrem ersten gemeinsam unternommenen Feldzug in die Freigrafschaft Stadt und Schloss Héricourt eroberten, fanden sie dort ein Bündel von Briefen, die der Statthalter von Héricourt in der Eile zurückgelassen hatte.61 Bei ihnen handelte es sich um rund zwanzig Schreiben, von denen der überwiegende Teil an den Statthalter und einen Adligen namens von Chateauguyon, den Vogt von Aval, gerichtet war. Als Verfasser erscheinen unter anderem der Abt von Casanova und Saint-Claude, ein Rat des Herzogs von Burgund sowie die Parlamente von Beaune und Dijon.62 Der von den Schreiben abgedeckte Zeitraum reicht vom 20. Oktober bis zum 8. November 1474, also bis kurz vor der Eroberung der Festung. Dass die Koalitionstruppen ein starkes Interesse an den Briefen gehabt haben, zeigt deren Mehrfachüberlieferung, die sich heute sowohl im Basler als auch im Straßburger Archiv beÀnden. Deswegen kann man davon ausgehen, dass die Koalitionspartner 59
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Zur Burgunderbeute allgemein vgl. Deuchler, Burgunderbeute. Darin Àndet sich in einem eigenen Kapitel eine AuÁistung der von den Koalitionstruppen erbeuteten Bücher und Handschriften (ebd., S. 344–350). Doch geht der Verfasser leider nicht auf Briefe als Beutestücke ein. Vgl. auch das Habilitationsprojekt von Michael Jucker (Luzern) über das mittelalterliche Beutewesen sowie ders., Stolen Goods; ders., Raub; ders., Plünderung; ders., Butin. Ein Auszug aus dem Brief Àndet sich in N. N., Schultheiß und Rath (über die möglichen Beweggründe für die Informationsweitergabe an Köln siehe Kapitel G 2.2.) Karl Bittmann gibt den Inhalt derselben auszugsweise wieder, vgl. Bittmann, Ludwig XI., S. 732 ff. Beim Abt von Casanova handelte es sich um den Piemonteser Agostino de Lignana, der seit ca. 1472 als Rat und Kammerherr des burgundischen Herzogs nachzuweisen ist, nachdem er zuvor in Diensten des savoyischen Herzogs Amadeus VIII. gestanden hatte. Lignana war der burgundische Spezialist für Verhandlungen mit den Eidgenossen und war vor allem ein Vertrauter der Stadt Bern (zu ihm vgl. Ehm, Burgund, S. 255 ff.; Vaughan, Charles the Bold, S. 216).
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die Schreiben untereinander austauschten.63 Geschehen war das höchstwahrscheinlich auf der bereits erwähnten Versammlung des „Kreyß der Vereinigung“ Mitte Dezember 1474 in Basel, wo Wissensträger der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition zusammengekommen waren64. Dort erhielten die Abgeordneten neben dem Versammlungsprotokoll und der in dieser liegenden und von Basel angefertigten Kostenaufstellung für den Zug nach Héricourt auch Übersetzungen der ursprünglich in französischer Sprache gehaltenen Briefe, die mit: „Die geschrifften hinder den Burgundern zü Ellicordt nydergelegen sint und von welsch zś Tutsch braht“ überschrieben sind.65 Am Ende der Übersetzungen zitierte der Übersetzer der Briefe aus der „Ars amatoria“ des Ovid, was auf seinen hohen Bildungsgrad verweist.66 Er verfasste zudem einen kurzen Kommentar für die, die seine „Dolmetschung sehen oder hören werden“ und bat sie, ihm seine zahlreichen Fehler zu verzeihen, doch habe er die Übersetzung aufgrund der gebotenen Eile sehr schnell anfertigen müssen. Betrachtet man den Inhalt der Schreiben, wird der Grund für das gesteigerte Interesse der eidgenössisch-oberrheinischen Führungsgruppen schnell klar. Denn sie lieferten einen intimen Einblick in die burgundische Sicht auf die ersten Kriegswochen. In ihnen konnten die Räte beispielsweise nachlesen, dass der Präsident des Parlaments von Beaune bereits am 18. Oktober die Warnung erhalten hatte, nach der der Angriff der eidgenössisch-oberrheinischen Truppen in die Freigrafschaft Burgund bevorstehe.67 Dort ging man davon aus, dass sie sich gegen die savoyische Waadt oder Pontarlier wenden würden, weswegen die Burgunder bereits am 24. Oktober ein allgemeines Aufgebot in den Grenzgebieten erlassen und dem Adel befohlen hatten, sich bewaffnet in Pontarlier zu sammeln. Erschwerend war für sie hinzugekommen, dass sie zunächst geglaubt hatten, dass auch der französische König sofort in die Kampfhandlungen eingreifen und vor Dijon rücken werde. Dies hätte sie vor große Schwierigkeiten gestellt, da die besten Truppenteile des Herzogs vor Neuß eingesetzt waren, so dass von diesen nach Meinung des Abts von Casanova auch keine Hilfe zu erwarten war.68 Zudem war man in Burgund davon ausgegangen, die eidgenössisch-oberrheinischen Truppen würden sich zunächst
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Basel: StABas Politisches G 1, 3: Burgunderkriege, Abscheide und Richtungen (1474–1477), fol. 6r–11v. Straßburg: AMS AA II/9, Faszikel 1, fol. 6r–11v. Es ist davon auszugehen, dass alle in Basel versammelten Abgeordneten Kopien der Briefe mit nach Hause genommen haben. Segesser, Abschiede Nr. 769, S. 518 ff. Vgl. die Versammlung zusammenfassend Bittmann, Ludwig XI., 758 f. Der Abschied im Straßburger Archiv ist auch mit „Basel abscheit, der ander. Straßburg“ überschrieben, vgl. AMS AA II/9, Faszikel 1, fol. 1r–4r. Die Übersetzungen Ànden sich in AMS AA II/9, Faszikel 1, fol. 14. Sowohl im Basler als auch im Straßburger Exemplar war es der gleiche Schreiber, der Übersetzungen und Abschriften anfertigte. „In sunder bitt ich den verseln des allerbescheidensten Ovidij: Carmina lector commendet dulci qualiacumque sono. Valete“: „Der Leser soll mit angenehmer Stimme alle Lieder preisen. Lebewohl“, Auszug aus Ovid, Ars amatoria, Buch II, Vers 283 und 284. Ebd. fol. 6r. So beispielsweise der Abt von Casanova an den Vogt von Aval am 1. November 1474, ebd., fol. 7v.
1. Okkasionelle Informationsbeschaffung
261
Richtung Besançon begeben. Es erschien für die Burgunder durchaus möglich, dass die Eidgenossen dort auf ein Entgegenkommen hoffen könnten, da die Einwohner der Stadt schon lange der burgundischen Herrschaft überdrüssig seien. Zudem wussten sie von geheimen Verbindungen zwischen einzelnen Bürgern Besançons und den oberrheinischen Reichsstädten. Gleichzeitig sahen sie auch eine Gefahr in Savoyen auf sich zukommen, wo Philipp von Bresse, der in allen ihren Briefen als Parteigänger Berns bezeichnet wird, seine Brüder zu einer Versammlung geladen habe.69 Zudem offenbarten die Briefe, dass man in Burgund bereits früh von den Ergebnissen der in Feldkirch getroffenen Vereinbarungen erfahren hatte. Schon drei Tage nach den dortigen Verhandlungen war die im Raum stehende Summe von 20.000 Franken, die König Ludwig XI. den Eidgenossen versprochen hatte, burgundischen Amtsträgern bekannt. Auch wurde den Bündnispartnern beim Lesen der Briefe deutlich, dass die Burgunder den Berner Wissensträger Nikolaus von Diesbach auf seinem Weg nach Frankreich auf jedem seiner Schritte verfolgt und Kenntnis vom Grund seiner Mission hatten: Für sie war es dessen Hauptaufgabe, Ludwig XI. zum Eingreifen in den Krieg gegen den Herzog von Burgund zu bewegen.70 Ihre gesteigerten Sorgen sprechen auch aus einem Brief, den der Statthalter von Blamont Ende Oktober an den Vogt von Aval richtete, indem er ihn aufforderte, möglichst schnell zur Hilfe zu kommen, da die eidgenössisch-oberrheinischen Truppen nun im Land seien.71 Am Vortag seien zwei Boten der Koalition in Blamont angekommen, die ihm einen offenen Brief überreicht hätten, in welchem dem Herzog von Burgund der Krieg erklärt wurde. Mit diesem offenen Brief war nichts anderes als die Kriegserklärung gemeint, die das Berner Führungsgremium auf seiner Sitzung am 25. Oktober 1474 im Namen der Bündnispartner verfasst hatte.72 Mit den knappen Worten „Das gelt tut es alles!“ begann ein Schreiben des Abts von Casanova, das dieser am 1. November 1474 aus Genf an den Vogt von Aval richtete.73 Casanova informierte ihn darin über seinen Besuch in Freiburg i. Ue., wo ihm noch kurz zuvor einige Ratsmitglieder versprochen hätten, nicht von Burgund abzurücken. Doch hätten die Freiburger Räte in der Zwischenzeit ihre Meinung geändert, was auf die französischen Pensionen zurückzuführen sei. Bereits dreihundert Freiburger seien gemeinsam mit den Berner Truppenteilen unterwegs Richtung Basel. So kann die Weigerung Freiburgs, mit in den Krieg zu ziehen, erklärt werden.74 Nicht weniger wichtig war die Information, nach der jemand, den Casanova als „guten frund des Landes“ bezeichnete, berichtet hatte, dass die meis69 70 71 72 73 74
Ein Unbekannter an den Vogt von Aval (undatiert, ebd. fol. 6v und 7r). Zur besonderen Stellung Philipps von Bresse gegenüber dem Berner Führungsgremium vgl. Walter, Kontore. Ebd., fol. 8r. Ebd,. fol. 9r. StABe RM 15, fol. 15 bzw. Dt. Miss. C, fol. 313. AMS AA II/9, Faszikel 1, fol. 7v und 8r. Nachweislich war es der Rat der Stadt Bern, der seine Wissensträger Diesbach und Fricker unmittelbar nach der Versammlung von Feldkirch nach Freiburg i. Ue. geschickt und die dortige Führung zudem am 24. Oktober 1474 in einem Mahnbrief eindringlich zur Beteiligung am Krieg gegen Karl den Kühnen aufgefordert hatte, StABe Dt. Miss. C, fol. 309.
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F. Informationsbeschaffung
ten Bewohner der Eidgenossenschaft nur mit Unwillen in den Krieg zögen. Das könne dazu führen, dass Soldaten ihre Hauptleute bei jedem kleinsten Widerstand in „stucke zerhśwen“ wollten. Zuletzt gab der Geistliche noch an, er habe einen Kundschafter nach Basel entsandt. Dieser solle in Erfahrung bringen, welchen Weg die eidgenössisch-oberrheinischen Truppen einzuschlagen gedächten. Die wiedergegebenen Schreiben verdeutlichten den eidgenössisch-oberrheinischen Verbündeten, dass der burgundische Feind zahlreiche Spione ausgesandt hatte, um seinerseits Informationen über ihre Truppenstärken, Bewaffnungen und Aufenthaltsorte zu erhalten. Auf diese Weise belegen die wiedergegebenen Schreiben eindrücklich, wie gut die Burgunder über das politische Geschehen und Meinungsgefüge am Oberrhein und in der Eidgenossenschaft informiert waren. Gleichzeitig sind sie in der Lage aufzuzeigen, warum die eidgenössisch-oberrheinischen Truppen explizite Anweisungen hatten, in den eroberten Lagern des Feindes nach Briefen zu suchen. Denn diese Briefe verrieten, wie der militärische Apparat des Feindes funktionierte. Mit diesem Wissen ließen sich bei Bedarf eventuell Präventionsmaßnahmen ergreifen, was gerade in Kriegszeiten zwingend notwendig war. Exkurs: Ein Spion der Gegenseite: Diebold Benedicti In den Briefen, die sie erbeuteten, fanden die eidgenössisch-oberrheinischen Truppen auch die Abschrift des Berichts eines burgundischen Spions namens Diebold Benedicti.75 Man erfährt von seinem Spionageritt aus einem Brief, den die burgundische Rechnungskammer in Dijon am 5. November an den Vogt von Aval richtete.76 Darin kündigten die Verfasser an, dass sie ihrem Schreiben einen Kundschaftsbericht beilegten, der zahlreiche „nuwen meren“ zum Inhalt hatte. Der Bericht lässt es zu, sich die Kriegsvorbereitungen der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition aus Sicht der Burgunder genau anzusehen. Er wurde nach Benedictis Ritt von einem Mitarbeiter der Zentralbehörde aufgezeichnet und umfasst den Zeitraum vom 27. Oktober bis zum 2. November 1474. Wahrscheinlich war es die Zentralbehörde, die ihn mit der gezielten Beschaffung von Informationen aus dem Grenzgebiet Burgund-Savoyen-Eidgenossenschaft beauftragt hatte. Benedictis Route führte ihn durch eine Landschaft, die in jenen Tagen in intensiven Kriegsvorbereitungen steckte. Ausgangspunkt war am 27. Oktober 1474 das im Waadtländer Jura gelegene und zum Herzogtum Savoyen gehörende SainteCroix. Von dort aus begab er sich in das rund 65 Kilometer entfernte und mit Bern verbündete Freiburg i. Ue., wo er am Morgen des 28. Oktober nach seiner Schätzung 120 Soldaten sah, die im Laufe des Tages zu Berner Kontingenten stoßen wollten. Die Freiburger Truppen seien „bescheidenlich gerüst“ und „gewappnet“, zwar mit „langen lantzen, hellbarten, hantbuchssen und armbrosten“ ausgestattet 75
76
Der Bericht von Diebold Benedicti Àndet sich im AMS AA II/9, Faszikel 1, fol. 11r und 11v (eine Transkription des Berichts von Benedicti Àndet sich bei Walter, Urban Espionage, S. 144 f.). AMS AA II/9, Faszikel 1, fol. 10v.
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gewesen, doch hätten sie keine „blechhentschuche oder dutsche ysenhute“ getragen. Zu ihnen gesellten sich „23 gesellen“ aus Murten sowie zwölf aus Payerne. In Freiburg i. Ue. habe er überdies den Berner Schultheißen Nikolaus von Diesbach gesehen, der eine Musterung der Truppen des Bündnispartners vorgenommen habe. Am 29. Oktober begab sich Diebold für zwei Tage ins siebzehn Kilometer entfernte Murten, um dort ebenfalls „nüwe mer zu erfaren“. Dort teilte ihm jemand mit, ein Teil der insgesamt 21.000 Soldaten umfassenden eidgenössisch-oberrheinischen Truppen plane sich in Bern, ein anderer Teil in Basel zu treffen und erfuhr nähere Einzelheiten über die Bewaffnung derselben. Demnach würden Bern, Basel und Straßburg jeweils ein großes sowie zahlreiche kleinere Geschütze mit ins Feld führen. Da Bern plane, durch das Gebiet des Markgrafen von Baden-Hachberg zu ziehen, habe dieser sich kurz zuvor in die Stadt begeben, um dort um Schonung seiner Ländereien zu bitten. Nach einem Zwischenhalt im vierzig Kilometer entfernten Moudon am 31. Oktober, ritt Benedicti zurück nach Sainte-Croix, wo er am Morgen des 1. Novembers ankam.77 Seine letzte Station war schließlich die 150 Kilometer entfernte burgundische Rechnungskammer in Dijon, wo er seinen Bericht ablieferte. Insgesamt legte er in sechs Tagen annähernd 320 Kilometer zurück. Ein Blick auf die Karte verdeutlicht, wie gezielt und strategisch geschickt er bei seinem Ritt vorging. Denn man erkennt, dass er das von ihm auszukundschaftende Gebiet kreuzförmig bereiste. Auf diese Weise ging er sicher, möglichst viel zu sehen und zu hören. Interessanterweise werden annähernd alle Informationen, die Benedicti beschaffte, durch Sichtung von Quellen aus den untersuchten Städten bestätigt. So ist nicht nur der Aufenthalt des Berner Schultheißen Diesbach in Freiburg i. Ue. für den von Benedicti angesprochenen Tag bezeugt, sondern auch die schlechte Bewaffnung und die Anzahl der Soldaten der Stadt, über die sich beispielsweise Bern bei seinem Bündnispartner beklagte, lässt sich nachweisen.78 Gleiches gilt auch für die Angaben, die er über die Zahl und Größe der Geschütze der eidgenössischoberrheinischen Truppen machte und die in Quellen aus Basel, Bern und Straßburg veriÀziert werden.79 Des Weiteren wählten die Berner Truppen tatsächlich die Route durch das Territorium des Markgrafen Rudolf von Baden-Hachberg, was zu ersten KonÁikten zwischen den Führungsgremien von Bern, Straßburg und Basel und zu seinem Aufenthalt in Bern geführt hatte.80
77 78
79 80
Zu Moudon vgl. Fontannaz, Moudon; Bouquet, Moudon. Zu dem tatsächlichen Aufenthalt des Berners Nikolaus von Diesbach und des Berner Stadtschreibers Thüring Fricker in Freiburg zu diesem Zeitpunkt siehe Kapitel B 2.1.1. sowie Kapitel C 2.1. Bernoulli, Basels Antheil 1 (mit Quellenangaben). Auch das Àndet sich in Berner Quellen bestätigt.
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F. Informationsbeschaffung
2. PROFESSIONELLE INFORMATIONSBESCHAFFUNG Wenn nun die professionelle Informationsbeschaffung im Vordergrund steht, wird damit im Hinblick auf spätmittelalterliche Städte ein Forschungsdesiderat gefüllt. Denn während der Bereich der militärischen Informationsbeschaffung in der Frühen Neuzeit seit einigen Jahren Gegenstand von Untersuchungen ist, betritt man im Hinblick auf das Mittelalter Neuland.81 Vor allem in Kriegszeiten waren alle Herrschaftsträger auf Informationen über Feindbewegungen, mögliche Ansammlungen von fremden Truppen, deren Anzahl, Ausrüstungen und Aufenthaltsorte angewiesen. In erster Linie waren es Machthaber, deren Territorium direkt an die Gebiete fremder und verfeindeter Herrschaftsträger grenzten, nah am Kriegsschauplatz lagen oder in die Kampfhandlungen involviert waren, die ein gesteigertes Interesse an der Beschaffung derartiger Informationen hatten. Und das traf im Kontext der Burgunderkriege auf die Führungsgremien aller drei untersuchten Städte zu. Vorweg ist zu sagen, dass die (städtischen) Amtsträger, die man heute Spione nennt, im Untersuchungszeitraum nicht so bezeichnet, sondern von ihren Zeitgenossen „Kundschafter“ und die von ihnen eruierten Informationen mit dem dazugehörenden Hauptwort „Kundschaft“ benannt wurden.82 Es bereitet Schwierigkeiten, die Gruppe dieser Amtsträger zu deÀnieren, was in erster Linie mit den zahlreichen Bedeutungen von „Kundschaft“ zusammenhängt. Darauf machten schon die Bearbeiter des Grimmschen Wörterbuches aufmerksam, wenn sie feststellten, der Begriff sei „ein jahrhunderte lang vielgebrauchtes und vielseitiges wort“83. Doch welche unterschiedlichen Gebrauchszusammenhänge und Bedeutungen machten sie aus? Zunächst bedeutete für sie das Wort „Kundschaft“ schlicht von oder über etwas oder jemanden Kenntnis, sprich Kunde, zu haben. Weiterhin lässt sich eine enge Verbindung des Begriffs im Kontext von Bekanntschaft, Verwandtschaft und Freundschaft feststellen. So konnte seine Bedeutung vom bloßen Kennen einer Person bis zu einer von Vertrauen geprägten Freundschaft mit dieser reichen. Weiterhin waren „Kundschaften“ im Bereich des Gerichtswesens angesiedelt. Dort wurden sie zum einen mit Weistümern gleichgesetzt, zum anderen aber – damit eng zusammenhängend – wurde unter Kundschaft die Befragung von (vereidigten) Zeugen in einer Strafsache verstanden. Doch hieß nicht nur das Ablegen eines Zeugnisses Kundschaft, sondern auch das dadurch festgestellte Recht.84 Kundschaften konnten in diesem Zusammenhang sowohl mündlich eingeholt als auch schriftlich festgehalten werden. Weiterhin Àndet sich der Begriff auch im Bereich von KauÁeuten,
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Für die (militärische) Informationsbeschaffung in der Frühen Neuzeit vgl. Anklam, Augenmaß; De Vivo, Information and Communication. Sieber-Lehmann erwähnt, dass „die städtische Verwaltung […] während der Burgunderkriege […] Männer und Frauen für Spitzeldienste“ anheuerte, Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 357. Vgl. dazu Walter, Spionage; ders., Bons amis; ders.; Urban Espionage; ders., Kundschaftersysteme. Hildebrand, Kundschaft. Ebd., Sp. 2642; so auch Zedler, Kundschafft.
2. Professionelle Informationsbeschaffung
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deren Abnehmer als „Kundschaft“ bezeichnet werden. Schließlich verband und verbindet man noch heute Kundschaft mit dem Verb „erkunden“, was den Begriff in die unmittelbare Nähe der vorliegenden Arbeit rückt.85 So war er vor allem im Kontext von Kriegen sehr geläuÀg und beschrieb zum einen die Arbeit von Kundschaftern, die schon die Bearbeiter des „Grimmschen Wörterbuchs“ mit Spionage gleichsetzten. Zum anderen bedeutete Kundschaft das mündliche oder schriftliche Ergebnis ihrer Arbeit, ihren Kundschaftsbericht. Bereits diese verschiedenen Gebrauchszusammenhänge verdeutlichen, dass eine Unterscheidung zwischen den einzelnen vorgestellten Bereichen zu treffen mitunter schwer fällt.86 Das Àndet auch in „Zedlers Universallexikon“ seinen Niederschlag. Dieses jedoch wird hinsichtlich der Tätigkeitsfelder von Kundschaftern etwas genauer.87 Dort wird unter Kundschaft „eine im Kriege eingezogene Nachricht von dem Zustande des Feindes“ verstanden. Das Einholen derselben geschehe „entweder öffentlich, welches man recognosciren nennet, oder heimlich“. Die „Kundschaffter“ oder „Espione“ werden in diesem Zusammenhang als „Waghälse“ beschrieben, „die sich in verstelleter Weise in feindliche Orte begeben, und entweder eine Verrätherey unterhalten, oder sonst Nachrichten einziehen, daraus dem Feinde Schade entstehet“. Für ihre Arbeit sei in den „Feld Caßen gewöhnlich eine ansehnliche Summe“ vorgesehen, doch da ihre Tätigkeiten derart geheim seien, werde „davon keine deutliche Rechnung geführet“88. Im Folgenden werden unter Kundschaftern (männliche oder weibliche) Personen verstanden, die in einem Dienstverhältnis zu den städtischen Führungsgremien oder einzelnen Amtsträgern standen. Im Gegensatz zu den oben vorgestellten Trägern der okkasionellen Informationsbeschaffung handelten sie in einem ofÀziellen Auftrag, wurden von den Führungsgremien vereidigt und bezahlt und sind als professionelle Amtsträger anzusehen, denen zentrale Aufgabenbereiche in der Informationsbeschaffung und militärischen Aufklärungsarbeit zuÀelen, die wichtig für die Führungsgremien waren. Schließlich wurden sie von den städtischen Führungsgruppen in strategisch wichtige Gebiete geschickt, um dort den Feind auszukundschaften. Die Übermittlung der von ihnen beschafften Informationen erfolgte auf mehreren Wegen. So war es einerseits möglich, dass sie den jeweiligen Führungsgremien erst nach ihrer Rückkehr mündlich eingehend Bericht erstatteten. In diesem Fall war es dann die städtische Kanzlei, die ihre Berichte aufzeichnete. Andererseits standen sie nachweislich schon zuvor in Briefkontakt mit den Räten und teilten diesen in Abständen Neuigkeiten über ihren Aufenthaltsort und das von ihnen Gesehene und Gehörte mit. Bei der dritten Möglichkeit schrieben die Kundschafter bereits auf ihren Missionen einen Tätigkeitsbericht, den sie den Räten, die zu Hause auf Informationen warteten, bei ihrer Rückkehr aushändigten. Bei dieser Alternative ist davon auszugehen, dass die Kundschafter den Inhalt ihrer Berichte münd85 86 87 88
Zedler, Kundschafft, Bd. 8, Sp. 1596. Hildebrand, Kundschaft, Sp. 2639. Zedler, Kundschafft, Bd. 15, Sp. 2130. Ebd.
266
F. Informationsbeschaffung
lich erweiterten und aktualisierten. Diese Möglichkeiten verdeutlichen, dass auf dem Gebiet der Spionage mit Schriftlichkeit gearbeitet wurde. Zudem sind die Berichte der Kundschafter zum Teil so detailliert, dass sie kaum Wünsche offen lassen und zeugen von dem großen Vertrauen, das die städtischen Führungen in sie setzte und setzen musste.89 2.1. Personengruppen und Bezahlung Es lassen sich nur selten Anhaltspunkte für die Bezahlung von Kundschaftern Ànden. HäuÀg gelangt man nur über Umwege und durch Sichtung weiterer Quellen zu Hinweisen darauf. Einer von diesen beÀndet sich möglicherweise in den Basler Wochenausgabebüchern.90 Hier werden am Anfang jeder Wochenliste drei stets wiederkehrende Posten aufgeführt. Diese fassten die in der jeweiligen Woche gemachten Ausgaben für das Gerichtswesen („Judicio“), das Bauwesen („EdiÀcio“) sowie für nicht näher bestimmte geheime Dinge („Causae secrete“) zusammen. Im Zusammenhang der vorliegenden Arbeit könnte diesem letzten Posten eine Bedeutung zukommen. Denn es ist auffällig, dass der dafür veranschlagte Betrag einerseits in Zeiten von regen diplomatischen Aktivitäten zunahm. Das könnte daraufhin deuten, dass mit den in den Jahresrechnungen „Heimlichsach“ genannten Ausgaben vielleicht besondere Zahlungen wie beispielsweise Schmiergelder o. ä. gemeint waren. So tauchen vergleichsweise hohe Beträge bei den diplomatischen Aktivitäten des Basler Unterschreibers immer dann auf, wenn dieser sich im Auftrag der Stadt auf diplomatische Missionen begeben hatte.91 Zudem lässt sich eine enge Verbindung des Anstiegs bei Aktivitäten von drei als „Soldner“ bezeichneten Amtsträgern beobachten. Diese scheinen so etwas wie berittene Personenschützer gewesen zu sein, die wichtige und hochrangige Personen auf dem Weg nach beziehungsweise von Basel zu ihren Zielorten begleiteten.92 Ihnen kamen anscheinend aber noch weitere Aufgaben zu, wovon die Wochenausgabebücher Zeugnis ablegen. So begab sich beispielsweise einer der Söld89
90 91 92
Seine Entsprechung Àndet das in einem am 4. Juni 1476 geschriebenen Brief der Berner Räte an den Vogt von Erlach in Neuenburg. Darin befahlen sie von Erlach, dass er die Rückkehr eines von ihm ausgesandten Kundschafters abwarten solle. Sei dieser zurück, so solle er ihn „grundlich“ erkennen und ihn, falls er ihm in irgendeiner Form „argwönig“ vorkomme, fangen und in die Hände der Berner Stadtoberen übergeben, StABe Dt. Miss. C, fol. 894. Vgl. auch den auf der Sitzung des Kleinen Rates von Bern am gleichen Tag gefassten Beschluss: „An vogt zu Erlach zu Nüwenburg, das er der kuntschaft so er us gesandt hat, warte und bedunkt er Inn argwönig, wann er dann kommt, das er Inn vach, zu Handen miner herrn“, StABe RM 20, fol. 32. Zu den Basler Wochenausgabebüchern vgl. Groebner, Gefährliche Geschenke, S. 37–49. Beispielsweise StABas WAB 10, fol. 607 (Ende Juni 1473 Mission nach Augsburg) oder 609 (Anfang Juli 1473 Mission nach Frankfurt). Die Bezeichnung „Soldner“ deutet vermutlich auf eine Bewaffnung hin. Dementsprechend waren es ebenfalls „Soldner“, die den Rat des österreichischen Herzogs, Hans von Eberstein, Ende Februar 1473 begleiteten (StABas WAB 10, fol. 588). Diebold holte Ende Dezember 1470 zwei Doktoren aus Freiburg ab und führte sie nach Basel (StABas WAB 10, fol. 466).
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ner namens Rudolf Anfang November 1470 nach Kolmar, wo er im Auftrag des Rats „erfarung“ über eine Versammlung einholte, die dort stattgefunden hatte. Neben einem geringen Betrag für Mahlzeiten gab Basel in dieser Woche für „Heimlichsach“ insgesamt sechs Pfund aus.93 Eine Woche später begab sich der erwähnte Rudolf gemeinsam mit seinem Kollegen Diebold auf eine längere Mission „umb kuntschafft“94. Während sie für die eigenen Mahlzeiten sieben Pfund zurückerhielten, stieg der Betrag für „geheime Dinge“ in dieser Woche auf über zwölf Pfund an.95 Diese Beobachtungen rücken die Söldner in die Nähe von professionellen Kundschaftern. Eigentlich als Geleitschützer angestellt, kannten sie sich mit den topographischen Begebenheiten, Wegen, Straßen und Grenzen gut aus, was sie zur Wahrnehmung von zusätzlichen Aufgaben prädestiniert haben könnte. Während sie in ihrer Funktion als Personenschützer in Stadtfarben gehaltene Dienstkleidung trugen, legten sie diese wie die Boten bei Kundschaftermissionen höchstwahrscheinlich ab. Weitere Amtsträger, die in Basel Aufgaben von Kundschaftern übernommen haben könnten, waren die „Heimlicher“ und ihre Knechte. Schließlich lag es in deren Aufgabenbereich, das Umland der Stadt auszukundschaften und sowohl Stimmungen in der Bevölkerung als auch Informationen über feindliche Truppenbewegungen einzuholen. Wie die Basler gab auch die Berner Führung viel Geld für die Arbeit von professionellen Kundschaftern aus. Darauf deuten zahlreiche Briefe der Aarestadt an ihre Bündnispartner hin. Diesen teilten sie zahlreiche Informationen mit, die zuvor von Kundschaftern eingeholt worden waren. Dabei betonten sie stets, das dies „nit ohn grosse und mergliche Costen“ geschehen sei.96 Einen Hinweis auf die Bezahlung von Kundschaftern in Straßburg enthält ein Brief des Rats an den Bischof der Stadt.97 Darin wird ein kurz zuvor in Dienst genommener „Knecht“ erwähnt, der sich im Auftrag des Rats angesichts des damals bevorstehenden Kriegsausbruchs gegen Lothringen Mitte April 1473 über Bewegungen von lothringischen Truppenkontingenten informiert hatte. Die Räte berichteten einerseits über die Informationen, die sie von diesem erhalten hatten, andererseits erwähnten sie, dass er „jeklichs jar“ sieben Gulden sowie Sommer- und Winterkleidung als Lohn erhalten sollte. Die Bezahlung von Kundschaftern in Straßburg deutet sich auch in einem Brief des ehemaligen Ammeisters Riffe an, den er Mitte Juli 1475 an seinen Amtsnachfolger Amelung schrieb98. Darin beklagte er sich über die hohen Kosten, die er sowohl „öffenlich“ als auch „heimelich“ während des Feldzugs in die Freigrafschaft Burgund getätigt habe. Dort habe er zahlreiche Boten bezahlen müssen, die sich in seinem Auftrag über die Bewegungen der burgundischen Truppen informieren sollten. Neben den eigentlichen Boten der Stadt spielte er wahrscheinlich auf die Arbeit von Kundschaftern an. 93 94 95 96 97 98
StABas WAB 10, fol. 460 (Anfang November 1470). Dieser Diebold begab sich zudem Anfang Oktober 1473 nach Metz, „umb erfarung“ einzuholen, StABas WAB 10, fol. 455. StABas WAB 10, fol. 461 (Mitte November 1470). Ochsenbein, Urkunden Murten, S. 84 (Missive Nr. 114, datiert auf den 31. März 1476). AMS AA 263, fol. 2r (11. April 1473). AMS AA 273, fol. 65.
268
F. Informationsbeschaffung
Einen Überlieferungszufall hingegen stellt die Abrechnung des noch vorzustellenden Straßburger Kundschafters Kaspar Michel dar, der der Stadt für den Zeitraum vom 30. August bis zum 4. Oktober 1476 drei Gulden und sechs Schilling in Rechnung stellte.99 Seine Abrechnung enthält zahlreiche Aufschlüsse über die Arbeitsweise von Kundschaftern. So gab er zunächst an, er sei von den Straßburger Hauptleuten mit der Beschaffung von Informationen beauftragt worden, die ihm vor seiner Abreise versichert hätten, für alle Kosten aufzukommen. Es wird deutlich, dass er nicht allein unterwegs war, sondern zeitweise einen Knecht mit sich führte, der ebenfalls Aufklärungsarbeit leistete. Betrachtet man die Abrechnung genauer, lässt sich der Gesamtbetrag in verschiedene Posten aufteilen: So können einerseits Ausgaben festgemacht werden, die seinen Lebensunterhalt während seiner Kundschaftertätigkeiten betrafen. Andererseits muss er weitere Personen, auch den bereits erwähnten Knecht, selbständig zum Einholen von Informationen beauftragt haben und war für deren Bezahlung er ebenfalls zuständig. Des Weiteren wird deutlich, dass er zahlreiche namentlich genannte Informanten aus Metz zu gemeinsamen Mahlzeiten eingeladen hatte. Das unterstreicht die Bedeutung von informellen Kontakten und betont, welche Funktion diesen Essen zukam. Mit ihrer Hilfe war es den Kundschaftern und damit auch den städtischen Führungsgruppen und ihren Verbündeten möglich, an militärische und außenpolitische Informationen zu gelangen. Wie gesehen, bot sich die Stadt Metz aufgrund ihrer geographischen Lage besonders für die Informationsbeschaffung an.100 2.2. Befehlsstrukturen Zur Frage, wer die Kundschafter beauftragte, geben unter anderem zahlreiche Briefe und Berichte Auskunft, die von ihnen verfasst wurden. So gab der bereits erwähnte und in den Straßburger Quellen häuÀg auftauchende Kundschafter Kaspar Michel im Oktober 1475 in einem Brief an die Straßburger Räte an, er habe sich gemäß ihres Auftrags nach Lothringen begeben, um sich über burgundische Truppenbewegungen zu informieren.101 Ebenfalls die Räte erscheinen als Auftraggeber für Kundschafter in zahlreichen Briefen, die von ihnen an ihre Bündnispartner verfasst wurden. In diesen berichteten sie häuÀg, dass sie durch ihre Kundschafter dies oder jenes erfahren hätten.102 In Straßburg und Basel waren es überwiegend die für Diplomatie und militärische Angelegenheiten zuständigen Dreizehner, die Kundschafter mit der Informationsbeschaffung beauftragten. Kundschafter konnten auch von einzelnen Räten herangezogen werden. Das beweist ein Brief, den der Straßburger Altammeister Hans von Berse im Juli 1470 99 AMS AA 291, fol. 131. 100 Diese Tatsache offenbart sich auch in zahlreichen weiteren Quellen, wie der bereits vorgestellte Briefwechsel des Straßburger Stadtschreibers Johannes Meier mit dem Metzer Martin von Ingenheim zeigt, siehe Kapitel D 2.2. 101 AMS AA 293, fol. 86 (25. März 1477). 102 Ochensbein, Urkunden Murten, S. 195 (Missive Nr. 275, Bern an Basel am 11. Mai 1476) oder StABe Dt. Miss. C, fol. 884 (28. Mai 1476): „[…] dann das unser kuntschaft sagt“.
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an seinen Kollegen Peter Schott schrieb. Berse befand sich zum Zeitpunkt der Abfassung auf einer diplomatischen Mission im Auftrag seiner Heimatstadt. In seinem Schreiben berichtete er Schott, dass er am Morgen jemanden ausgesandt habe, der in Erfahrung bringen sollte, wo die feindlichen Truppen ihr Lager aufgeschlagen hätten. Als dieser in Dambach-la-Ville angekommen sei, habe man ihm dort mitgeteilt, dass die Burgunder derzeit in der Nähe von Hundesheim lagern würden, um dann weiter nach „Danckroßheim“ zu ziehen. Auf eine andere eng mit der Dreizehnerstube zusammenhängende Befehlsstruktur deutet ein Brief hin, den der Straßburger Michel an den Hauptmann der Stadt, Hans von Kageneck, richtete.103 Darin berichtete er, dass er sich auf Befehl von „Herrn Hansen, dem statschriber“, nach Metz begeben habe, um sich dort über etwaige Neuigkeiten zu informieren.104 Da der Stadtschreiber bei den Sitzungen der Dreizehner anwesend war, oblag es daher ihm und seinen Mitarbeitern, die Kommunikation mit den Kundschaftern der Stadt aufrechtzuerhalten und sie mit der Beschaffung von Informationen zu beauftragen. Schließlich gingen in der Kanzlei deren Berichte und Briefe ein, und es oblag den Kanzleiangestellten, die Räte über die Ergebnisse und Inhalte derselben in Kenntnis zu setzen, diese in Wissen umzuwandeln und außenpolitische und militärische Handlungsoptionen zu entwickeln. Mit Michels Schreiben ist eine weitere Instanz angesprochen, die Kundschafter mit der Beschaffung von Nachrichten beauftragen konnte: die Hauptleute. Gerade diese waren auf eingehende Informationen über Bewegungen feindlicher Truppen, deren Aufenthaltsorte und mögliche Bewaffnung zwingend angewiesen. Das schlägt sich auch in den untersuchten Quellen nieder, in denen sich zahlreiche Briefe der Kundschafter an sie Ànden. Davon spricht unter anderem ein weiterer Brief Michels, den er Anfang Oktober 1476 an den Straßburger Hauptmann Kageneck richtete.105 Darin wird deutlich, auf welche Art von Informationen Kundschafter achten sollten. Das ist umso interessanter, als der Brief nur sieben Zeilen umfasst. So berichtete er, die burgundischen Truppen hätten sich dazu entschlossen, nach Nancy zu ziehen und seien am Tag der Abfassung seines Schreibens schon bis auf zwei Meilen näher gekommen. Zu dieser genauen Einschätzung sei er gelangt, weil er sie bereits am Vortag ausgekundschaftet habe („dann ich sy uff gestern gelossen hab“). Daraufhin nannte er drei Dörfer, in denen die burgundischen Truppenteile die Nacht verbringen würden. Diese lägen „ein halb mil von Thetschij“106 entfernt und die Burgunder hätten sich mit Proviant für sich und ihre Pferde eingedeckt. Zuletzt versicherte er dem Hauptmann, er werde ihn den nächsten Tagen mit weiteren Informationen versorgen und gab an, er habe auch den Herzog von Lothringen über die burgundischen Truppenbewegungen informiert. Eine weitere (indirekte) Möglichkeit zum Aussenden von Kundschaftern konnte aus einem Befehl der städtischen Führungsgruppen an ihre Befehlshaber im 103 AMS AA 291, fol. 131 (Abrechnung Kaspar Michels für den Zeitraum vom 30. August bis 8. Oktober 1476). 104 AMS AA 293, fol. 90r (undatiert, aber aufgrund des Inhalts in diese Zeit gehörend). 105 AMS AA 292, fol. 20. 106 Dieser Ort ist leider nicht zu eruieren, lag aber vermutlich unweit der Stadt Nancy.
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F. Informationsbeschaffung
Feld resultieren. Das wird deutlich, wenn man die Beschlüsse des Berner Kleinen Rats während der Eroberung von Murten betrachtet. So befahlen die Kleinräte den städtischen Hauptleuten in zahlreichen Briefen, sie sollten beispielsweise „tag und nacht […] ir kuntschaft“ aussenden.107 Da das Gerücht kursiere, der Herzog von Burgund wolle Murten angreifen, stelle das in diesem besonderen Kontext eine dringende Notwendigkeit dar. Eine letzte vorzustellende Möglichkeit zur Aussendung von Kundschaftern konnte darin liegen, Bündnispartner um Aussendung ihrer Kundschafter zu bitten. Das war meistens dann der Fall, wenn deren Territorium näher an dem auszukundschaftenden Gebiet lag. Das beweisen zahlreiche Briefe, die die Berner Kleinräte an das verbündete Freiburg i. Ue. richteten, in denen sie eindringlich darum baten, unbedingt ihre Kundschafter auszusenden.108 Daran deuten sich zudem die Grenzen der Arbeit von Kundschaftern an. Denn die Berner äußerten solche Wünsche meist dann, wenn es um die Beschaffung von Informationen im Grenzbereich Freiburgs i. Ue. und Savoyen ging, wo die Freiburger über genauere topographische Kenntnisse als sie selbst verfügten. Da man jedoch dringend auf Informationen angewiesen war, betraute die Stadt ihren Bündnispartner mit dem Einholen derselben.
2.3. Tätigkeitsfelder und Gefahren Dieses Beispiel soll dazu dienen, einen Blick auf die Fähigkeiten der professionellen Kundschafter zu werfen.109 So mussten sie erstens des Lesens und Schreibens mächtig sein. Dies war wichtig, da sie Briefe und Berichte zu schreiben hatten, um den städtischen Führungsgruppen und Hauptleuten ihre Informationen mitzuteilen. Zweitens war es zwingend nötig, dass sie sich mit den topographischen Gegebenheiten auskannten und Spezialwissen besaßen, beispielsweise das Abschätzen von Entfernungen.110 Das geht auch aus einer „Cedula inclusa“ hervor, in der wahrscheinlich die Straßburger Räte ihren Hauptleuten Angaben zu möglichen Kundschaftern machten. Denn vor allem die genaue Kenntnis des vor Ort herrschenden Wege- und Straßennetzes („wege oder die nebentwege“) konnte ihre Arbeit ungemein erleichtern. Damit hing drittens eng zusammen, der Sprache des Landes mächtig zu sein („ouch die sproch konnent“), in das sie zum Einholen von Informationen geschickt wurden. Dies erleichterte ihnen den Kontakt zur einheimischen Bevölkerung, um sich über die Stimmung im Land zu informieren sowie gezielt 107 StABe RM 19, fol. 104 f. (Sitzung des Kleinen Rats von Bern am 2. April 1476). 108 Büchi, Freiburger Missiven, S. 34 f., Brief Nr. 24. 109 Diese Zusammenstellung ist exemplarisch und, wo nicht anders vermerkt, vorwiegend aus den Briefen und Berichten des Straßburger Kundschafters Kaspar Michel zusammengestellt (vgl. dazu Walter, Urban Espionage). 110 Vgl. beispielsweise die folgende Cedula, bei der leider nicht mehr exakt zu bestimmen ist, zu welchem Brief sie ursprünglich gehörte: „Ouch obe unser louffen botten, so ir by üch haben, keyber gon Nansey komen kan, so fundent ir zü Bergart vil knecht, die den weg oder die nebent wege gon Nansey wol wissent, ouch die sproch konnent. Do gebent eym deste me by dem ir botschafft gon Nansey tünt zü erfaren, wie es doselbs gange“, AMS AA 261, fol. 77.
2. Professionelle Informationsbeschaffung
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nach Orten zu suchen. Das konnte sowohl auf Märkten und in Wirtshäusern als auch auf dem Land und in fremden Orten und Städten geschehen. Zum anderen ermöglichte ihnen die Sprachkenntnis, das Gespräch mit fremden Söldnern zu suchen, um diese über etwaige militärische Pläne zu befragen. Zudem versetzte sie die Sprachkenntnis in die Lage, vor Ort gehörte Orts- und Flurbezeichnungen möglichst genau wiedergeben zu können. Damit hing viertens eng zusammen, dass die Kundschafter die landesüblichen Sitten kennen mussten und sich diesen anpassen konnten, um sich möglichst unauffällig zu bewegen. Fünftens mussten sie unbedingt in der Lage sein, politische Zusammenhänge zu verstehen, was ihnen in einem nächsten Schritt ermöglichte, politische Einschätzungen und Meinungen abzugeben. Sechstens war es sehr wichtig, dass sie sich mit der militärischen Ausrüstung und den von den Feinden verwendeten Waffen auskannten und einzuschätzen in der Lage waren, wie weit beispielsweise eine bestimmte Kanone schießen konnte, welche Durchschlagskraft eine bestimmte Waffe hatte etc. Bei derartigen Angaben verglichen die Kundschafter sehr häuÀg die feindlichen Waffen mit den einheimischen, was eine Kenntnis von diesen voraussetzte. Siebtens mussten sie in der Lage sein, Kontakte zu Informanten und Kontaktmännern zu unterhalten, die sie und damit auch ihre Führungsgruppen mit Informationen versorgten. Diese Punkte verdeutlichen, warum die Arbeit der professionellen Kundschafter vor allem in Kriegszeiten hoch geschätzt wurde und sie so sehr gefragt und begehrt waren. Bei alldem ist zu betonen, dass ihre Arbeit nicht ungefährlich war, da sie sich ständig der Gefahr ausgesetzt sahen, von den Feinden entdeckt und enttarnt zu werden. Das beweist ein abenteuerlich anmutender Bericht der Berner Räte an ihre Amtskollegen in Basel vom 17. Mai 1476.111 Während die Berner im Brief selbst lediglich meldeten, dass einige ihrer Kundschafter wieder nach Bern zurückgekehrt seien, wurden sie in einer in den Brief eingelegten „Cedula inclusa“ genauer. Laut dieser seien die von den Kundschaftern eingeholten Informationen wichtig für das weitere militärische Vorgehen der Koalitionstruppen, weswegen man sich entschlossen habe, ihren Bündnispartnern „der selben Red und Sag Substantz“ mitzuteilen. Demnach hätten sie insgesamt drei Kundschafter in „das burgundisch Here“ gesandt, von denen der eine nach seiner Rückkehr berichtet habe, dass sich Karl der Kühne derzeit in Lausanne aufhalte. Im Heer selbst habe er gehört, dass der Herzog als nächstes nach Murten oder Freiburg i. Ue. zu ziehen gedenke, was wichtig für die Bündnispartner sei. Überdies hätte es im burgundischen Lager einen Streit zwischen den lombardischen und englischen Söldnern gegeben, dessen Folge rund dreißig Tote gewesen seien. Der zweite Kundschafter hingegen sei an der Ausführung seines Auftrags gehindert und in Yverdon von burgundischen Truppen aufgegriffen worden, die ihn als feindlichen Spion enttarnt und in einen „Turn geworffen“, also gefangen gesetzt hätten. Im Gefängnis habe der Berner dann seine „kleider zerhöwen“, diese „aneinander gebunden“ und dann versucht, von oben aus dem Turm herunterzuklettern. Auf halber Strecke aber „brachen die kleider“, und er sei aus großer Höhe heruntergefallen, doch sei ihm nichts gesche-
111 Ochsenbein, Urkunden Murten, S. 206 f. (Missive Nr. 289).
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hen. Ein dritter Kundschafter schließlich sei am Vorabend zurückgekehrt. Dieser habe berichtet, Herzog Karl mustere seine rund 60.000 Mann starken Truppen, die schon seit langem auf ihren Sold warteten und die nicht eher loszögen, bis sie diesen ausbezahlt bekämen. Soldzahlungen betreffende Informationen Ànden sich sehr häuÀg in den Kundschafterberichten, da man mit deren Hilfe etwas über die Moral der feindlichen Truppen erfahren konnte. Ebenfalls wichtig waren waffenspeziÀsche Nachrichten. Laut Aussage des dritten Kundschafters befänden sich im burgundischen Heer neben zahlreichen Frauen auch „vier hoptbuchsen“ und zahlreiche kleine Geschütze. Von gesteigertem Interesse war auch die persönliche Anwesenheit des Herzogs im Heer und dessen Gesundheitszustand. Diesen selbst habe der Kundschafter nicht gesehen, wohl aber seinen Halbbruder. Um Näheres zu erfahren, würden sie ihn abermals dorthin senden und den Baslern dann die erhaltenen Informationen zukommen lassen. Von ganz anderen Schwierigkeiten spricht ein Informant, der dem Straßburger Hauptmann Kageneck Ende 1476 aus Metz berichtete.112 Dieser schien bewusst anonym bleiben zu wollen, unterschrieb er den Brief doch mit folgenden Worten: „Üwer gutwilliger diener etc.“ und betonte am Ende Folgendes: „Min name belibet uß“. Schriftvergleiche zeigen jedoch, dass es sich bei diesem „diener“ um den Straßburger Kundschafter Michel handelte, der dem Hauptmann aus Metz Informationen übermittelte. Dass er sich dezidiert nur an diesen wandte, offenbart die Adresszeile, in der der Kundschafter angab, der Brief solle Kageneck „in sin hant“ übergeben werden. Es ist davon auszugehen, dass Kageneck die Informationen dem Rat seiner Heimatstadt zur Verfügung stellte, da sich der Brief sonst nicht im Straßburger Archiv Ànden würde. Mit Sicherheit ging Kaspar Michel davon aus, dass der Hauptmann um seine Identität wusste. Entweder wusste der Empfänger, wer ihm da schrieb, oder der Informant wollte zusätzlich dissimulieren, indem er lediglich davon sprach, er habe das Schreiben in Metz „uff mendag zu der zehenden stunden vor mittentage anno 76“ verfasst.113 Bereits der Beginn des Schreibens offenbart, dass der Kundschafter dem Hauptmann schon zuvor geschrieben hatte, da er hoffte, dass diesem sein letzter Brief gegeben worden sei. Schließlich seien die Wege und Straßen derzeit unsicher und der von ihm ausgesandte Bote bisher noch nicht zurückgekommen. Daran wird klar, dass sich Michel vor seiner Abreise nach Metz bei den Hauptleuten aufgehalten haben muss und damit von ihnen mit dem Einholen von Informationen beauftragt worden war. Er berichtete, dass sich die burgundischen Truppen noch immer in der Nähe des Dorfes „Fyrffer vnd darumb“ aufhalten würden und er zudem vernommen habe, dass in den vorangegangenen Tagen rund 25 burgundische Söldner aus dem Lager gekommen seien, von denen momentan zwei in Metz wären. Diese hätten ihm während der gemeinsamen Mahlzeit zahlreiche Informationen über die Zusammensetzung des burgundischen Heeres und dessen Befehlsstrukturen gegeben. Er sei sich aber sicher, dass sie nicht gemerkt hätten, wen sie da vor sich hatten. Daraufhin gab er weitere militärstrategische Einschätzungen ab und sprach sich 112 AMS AA 292, fol. 5. 113 Zu diesen „Techniken der Informationsverwaltung“ siehe Kapitel C 3.
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dafür aus, die Koalitionstruppen müssten gerade jetzt unbedingte Disziplin halten und dürften sich in kein „gereysse oder scharmützel“ verwickeln lassen. Positiv sei, dass drei Tage zuvor rund einhundert burgundische Söldner aus dem herzoglichen Heer desertiert seien und er deswegen davon ausgehe, dass es noch mehr Desertionen geben werde. Anscheinend plante der Kundschafter, gemeinsam mit einigen Metzer Kollegen gegen ein Uhr mittags in die feindlichen Lager zu reiten, um zu „erfaren […], was zu erfaren ist und was not ist“. Zuletzt gab er noch an, er habe „grossen mangel an botten“. Das liege daran, dass sie sehr häuÀg aufgegriffen würden, was die bereits erwähnten Gefahren für diese städtischen Amtsträger belegt. Doch habe er einen Mann getroffen, der auch „gut lottringisch“ sei und mit dem er sich unterhalten habe. Dieser habe ihm angeboten, dass er, falls er „bottschafften in das her“ senden wolle, sich an ihn wenden könne. So sei es auch einer von dessen Boten, der Kageneck den vorliegenden Brief überbringe. Jenem solle er „wol etwas schencken“, damit er ihm auch zukünftig zu Diensten sei. Dass Kundschafter anonym bleiben wollten, war zumindest in der Korrespondenz zwischen ihnen und ihren Führungsgremien unüblich. Denn diese legten im internen Gebrauch sehr viel Wert auf deren Namen sowie die ihrer Informanten. Auch Ànden sich häuÀg Beschreibungen des Aussehens der Informanten, und es werden explizit die Orte genannt, an denen die Kundschafter Informanten angetroffen hatten. Demgegenüber fehlen solche Angaben in den Schreiben an die Bündnispartner völlig, und die Informationen werden ohne Nennung des Namens der Gewährsleute oder ihres Aussehens mitgeteilt. Dort heißt es dann, ein „guter frund“, ein „glouplich man“ oder ein „verswigen knecht“ habe dies oder jenes berichtet. Auf diese Weise versuchten die städtischen Führungen, ihre Informationsquellen geheim zu halten und den Schutz der Informanten zu wahren. Es stellt sich die Frage nach dem Grund für die Auffälligkeiten. Dieser könnte einerseits rein pragmatisch sein, da die Aufzeichnung der Namen den Wissensträgern einerseits ermöglichte, sich immer wieder an dieselben vertrauenswürdigen Personen zu wenden, um an relevante Informationen zu gelangen. Andererseits konnte die explizite Namensnennung die Arbeit von später ausgesendeten Kundschaftern vorbereiten. Weiterhin scheint es auch möglich, dass die Führungsgruppen bei nachweislich falschen Informationen die Informanten entweder zur Rechenschaft ziehen konnten oder sie einfach nicht mehr aufsuchten. Vor diesem Hintergrund können die Bitten einer anonymen Person verständlich werden, die den Straßburger Stadtschreiber im Jahr 1476 mit wichtigen Informationen aus den Herzogtümern Bar und Lothringen versorgte. In allen drei von ihm erhaltenen Briefen bat er um Folgendes: „Rissent disen brieff, wann ir in gelesent!“ Es war wahrscheinlich der Straßburger Stadtschreiber, der dieser Bitte sehr pragmatisch nachkam, indem er die unter den Briefen stehende Unterschrift ausschnitt.114
114 Alle drei Briefe mit den herausgeschnittenen Unterschriften sind aufgrund ihres Schriftbilds einem einzigen Verfasser zuzuordnen und Ànden sich im AMS AA 292, fol. 29 (21. April 1476), fol. 30 (16. März 1476) sowie fol. 31 (6. März 1476). Abgefasst wurden sie in Dieuze im Herzogtum Lothringen; vgl. dazu auch Walter, Spionage.
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2.4. Kaspar Michel: Unterwegs mit einem Spion 2.4.1. Ende August bis Anfang Oktober 1476 Am Beispiel des erwähnten Straßburger Kundschafters Kaspar Michel sollen nun mögliche Befehlsstrukturen, Tätigkeitsfelder und Organisationsformen des Kundschaftersystems dieser Stadt vorgestellt werden. Das geschieht unter Hinzunahme der bereits erwähnten und von ihm angefertigten Abrechnung für die Tätigkeiten, die er im Zeitraum zwischen dem 30. August und dem 4. Oktober 1476 im Auftrag der Straßburger Führung beziehungsweise Hauptleute ausführte.115 Letztere befanden sich ab August dieses Jahres im Herzogtum Lothringen, um den Herzog bei seinem Kampf gegen Karl den Kühnen und seine Verbündeten zu unterstützen.116 Laut Abrechnung hatte sich Michel am 30. August 1476 im Auftrag der Hauptleute aus der Nähe von Nancy nach Metz begeben, die ihm sowohl ein „nachgelt“ zugesagt als auch versprochen hatten, für alle weiteren von ihm getätigten Ausgaben für Mahlzeiten aufzukommen. Dort habe er vier Tage später mit einem seiner Gehilfen die burgundischen Feinde beobachtet, die sich im fünfzig Kilometer von Metz entfernten Esch-sur-Alzette aufhielten. Nach seiner Rückkehr informierte er die Hauptleute über den Aufenthaltsort und die Stärke der burgundischen Kontingente. Die Hauptleute entschlossen sich sechs Tage später dazu, ihn abermals nach Metz zu schicken und ihm einen Brief mitgaben, den er nach „Theschy“117 transportieren sollte. Dieses Schreiben habe er „eim botten“ zur Überbringung an den Empfänger überreicht. In diesen acht Tagen habe er Geld für zwei weitere Kundschafter namens „Mol“ und „Nittin“ ausgegeben, die er „im geschefft“, sprich in der Feindaufklärung, „gebruchet“ hatte. Dieser Posten verdeutlicht Michels besondere Rolle, der zum einen Befehle der Hauptleute erhielt. Zum anderen war er anscheinend bevollmächtigt, selbständig Befehle an andere Kundschafter zu erteilen. Das lässt vermuten, dass er eine operative Leitungsfunktion innerhalb des Straßburger Kundschaftersystems innehatte und im Auftrag der Hauptleute und des Rats Personen beschäftigte, die eigens von ihm mit der Informationsbeschaffung betraut wurden. Das tritt auch im nächsten Posten in Michels Ausgabenrechnung deutlich hervor. Demnach hatte er am 21. September 1476 Geld dafür ausgegeben, dass er „Merttin und Bartholmeus, der Siben Herren knehtt und zweyen diennern der stat Metz“, die vom Hof des französischen Königs in Orly zurückgekehrt waren, zum Essen eingeladen habe. Dies bezieht sich mit Sicherheit auf Michels Aufenthalt in Metz, wo es ein den Straßburger und Basler Dreizehnern vergleichbares und als „Siebener“ bezeichnetes Gremium gab, das für Diplomatie und Kriegsangelegenheiten zuständig war. Der Siebenerschreiber war der vorgestellte Martin von Ingen115 AMS AA 291, fol. 131. 116 Zum politischen Kontext im Herzogtum Lothringen im betrachteten Zeitraum vgl. Witte, Heinrich, Lothringen und Burgund 1/2; vgl. auch ders., Geschichte der Burgunderkriege (Lothringen). 117 Dieser Ort lässt sich leider nicht lokalisieren, liegt aber vermutlich in der Nähe von Metz.
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heim, der den Straßburger Stadtschreiber Meier im Untersuchungszeitraum mit detaillierten Informationen aus Metz versorgte.118 Mit Sicherheit ist dieser mit dem in der Rechnung genannten „Merttin“ gleichzusetzen, was die Bedeutung der informellen Kontakte in militärischen Zusammenhängen und der Informationsbeschaffung unterstreicht. Michel gab an, er habe von den genannten Personen einiges über die Ansammlungen des burgundischen Feinds erfahren, die sie auf ihrem Rückweg aus Orly gesehen hätten. Danach muss er sich zurück zu seinen Hauptleuten begeben haben, die ihn am 30. September 1476 abermals nach Metz geschickt haben müssen. Dort habe er die „ernslich sage“ vernommen, nach der die burgundischen Truppen in naher Zukunft „zuzihen“ würden, weswegen er sofort einen seiner Knechte mit der Einholung von Kundschaften (Michel spricht in diesem Zusammenhang von „der worheit“) beauftragt habe. Nach dessen Rückkehr habe er ihn für seine Tätigkeit genauso wie am Folgetag „eim diener von Metz“ zu einem Abendessen eingeladen. Am 2. Oktober habe er sich dann gemeinsam mit diesem über die burgundischen Truppen, ihre Stärke und ihre Bewaffnung informiert und sei am Tag darauf wieder bei den Straßburger Hauptleuten gewesen. Um zusätzliche Informationen zu erhalten, habe er einen seiner Knechte mit dem bezeichnenden Namen „Hase“ nach Thionville geschickt, wo sich in diesen Tagen alle burgundischen Hauptleute aufgehalten haben müssen. Während sich „Hase“ über den weiteren Weg der burgundischen Kontingente informieren sollte, war Michel selbst nicht untätig und lud abermals Martin von Ingenheim und eine weitere Person zu einer Mahlzeit in „Zellenbergs husz“ ein. Besitzer desselben war der Söldner Hans von Basel, genannt Zellenberg, der seit 1470 für Straßburg arbeitete und das Vertrauen der Räte genoss. Insgesamt stellte Michel dem Straßburger Rat über drei Gulden in Rechnung. An seiner Abrechnung offenbart sich ein engmaschiges Kontaktnetz, das er und damit auch die Räte zu einzelnen Personen in Metz unterhielten. Mit der PÁege dieses Netzes war der Kundschafter beauftragt, und es basierte wesentlich auf gegenseitigem Vertrauen. Da Teile der Metzer Führung auf der Seite Burgunds, andere wiederum auf der Seite Habsburgs standen, war es für das benachbarte Straßburg besonders wichtig, sich über Stimmungen in Metz zu informieren. Dabei war man vor allem auf Personen wie Martin von Ingenheim oder den erwähnten Hans von Basel angewiesen, zu denen bereits seit längere Zeit vertrauensvolle Beziehungen bestanden. Diese versorgten die Straßburger Kundschafter mit Informationen, schwiegen über ihre Aufenthalte in Metz und unterstützten die habsburgische Position. Das schwächte im Idealfall den burgundischen Gegner und seine Verbündeten, stärkte aber im Gegenzug die Stellung Straßburgs und seiner Verbündeten erheblich. Die topographische Lage von Metz zwischen den Herzogtümern Lothringen, Bar und Luxemburg tat ihr übriges, um die Stadt zu einem strategischen Verteilerpunkt von Informationen werden zu lassen. Und dies nutzten die Straßburger geschickt, in dem sie den Kontakt zu den zentralen Schaltstellen innerhalb der Metzer Führung suchten.
118 Zu dem Briefwechsel zwischen den beiden siehe Kapitel D 2.2.
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Michels Abrechnung ermöglicht überdies einen interessanten Einblick in die internen Befehlsstrukturen und Hierarchien innerhalb des Straßburger Kundschaftersystems: Selbst mit Aufträgen von den Hauptleuten und den notwendigen Ànanziellen Mitteln ausgestattet, lag es in den Händen des Kundschafters Kaspar Michel, in Eigenregie Personen anzuwerben, diese mit dem Einholen von Informationen zu beauftragen und zu bezahlen. Auf diese Weise gelangte er an Neuigkeiten, die für die städtischen Entscheidungsträger und ihre Verbündeten sonst nur schwer zu beschaffen gewesen wären. Diese wiederum hatten die Aufgabe, die Informationen in Wissensbestände zu transformieren, die im Idealfall in politische Handlungsoptionen mündeten und so zu ihrer herausgehobenen Position beitrugen. Zuletzt verdeutlicht die Abrechnung abermals die Bedeutung der Reziprozität im Kommunikationsprozess, die hier unter anderem durch gemeinsame Mahlzeiten mit den Informanten sichergestellt wurde. Aber auch die Informanten und ihre Führungsgremien hatten etwas von dieser Praxis, erhielten sie doch gleichsam Zugang zu Informationen. 2.4.2. Anfang Dezember 1476 bis Anfang Januar 1477 Wie Kundschafter in der Praxis arbeiteten und auf welche Informationsquellen sie zurückgriffen und Wert legten beziehungsweise legen mussten, soll nun anhand einiger Briefe sowie eines Berichts des Straßburger Kundschafters Michel vorgestellt werden.119 Alle diese Dokumente wurden von ihm während seiner Tätigkeiten verfasst und bieten durch die in ihnen genannten Orte und Daten überdies die Möglichkeit, seine Aufenthaltsorte exakt zu verfolgen. Sie sind umso interessanter als sie einen detaillierten Einblick in die letzten Tage Karls des Kühnen gewähren. Einen ersten Brief richtete Michel wahrscheinlich am 10. Dezember 1476 an den Straßburger Hauptmann in Lothringen, Hans von Kageneck.120 In ihm wird deutlich, dass er diesem bereits zuvor einen Brief geschrieben hatte. Kurz nach der Übermittlung desselben, habe jemand nach ihm „geschigkt“, so Michel. Bei diesem habe es sich um einen prolothringischen Grafen gehandelt, der ihm zahlreiche Informationen aus dem lothringischen Heer mitgeteilt habe. Diese habe der Graf von einem seiner Knechte, der zuvor im Heer des Herzogs vor Nancy gewesen sei. Bereits diese Informationskette verdeutlicht, wie kompliziert mitunter die Wege hin zu einer brauchbaren und verdichteten Information und wie viele Personen an der Eruierung derselben beteiligt sein konnten. Demnach plane der burgundische Herzog, sein Lager in einem Dorf bei Nancy aufzuschlagen. Die Tatsache, dass dieses mit sehr viel Wasser umgeben sei, könnte den Truppen der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition die Einnahme Schwierigkeiten bereiten. Dadurch werde es allerdings auch dem burgundischen Herzog und seinen Verbündeten nicht leicht fallen, Unterstützung und Proviant in den Ort 119 Der Bericht Àndet sich im AMS AA 292, fol. 24. 120 AMS AA 292, fol. 6r (das genannte Abfassungsdatum ergibt sich aus den im Brief gemachten Angaben).
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zu bringen. Daher habe Karl der Kühne am vorangegangenen Dienstag mit seinen Truppenteilen gesprochen, sie eindringlich zur Unterstützung gemahnt und angekündigt, sie Mitte Dezember 1476 zu bezahlen. Überdies stünden ihm nur zwei Furten zum Transport von Waffen, Proviant und Truppenteilen zur Verfügung, von denen eine bei dem oben genannten Dorf, die andere unmittelbar bei Nancy liege. Michel entschloss sich daher dazu, zwei seiner Kollegen in das burgundische Lager zu schicken, die sich dort näher umsehen sollten und gab zuletzt an, er habe von einem „guten gönner“ Straßburgs vernommen, der burgundische Herzog erhalte bald Unterstützung. Michel gab an, er habe diese Information von einem Mann, der den Burgundern geholfen habe, die Wagen mit den Waffenlieferungen zu beladen. Laut dessen Meinung stehe der Herzog vor der Schwierigkeit, dass seine Söldner reihenweise desertierten, obwohl er dies unter Androhung von Strafen verboten habe. Mitte Dezember 1476 richtete der Kundschafter einen weiteren Brief an den Rat von Straßburg und berichtete, dass er einen seiner Kollegen in Metz zurückgelassen habe, damit dieser dort auf eine weitere Person warte.121 Nach deren Rückkehr nach Metz hätten sie übereinstimmend angegeben, dass sich nichts Besonderes ereignen werde. Daraufhin habe sich sein Kollege ins lothringische Dieuze begeben, während er selbst in Metz verblieben sei, um dort mit einigen Räte zu sprechen. Diese seien ihm gegenüber zuvorkommend gewesen und hätten im Verlauf des Gesprächs versprochen, dass den Straßburger Truppen ihre Schlösser und Orte offen sein sollten, was nach Michels Einschätzung im Fall eines burgundischen Angriffs überaus nützlich sei. Dem burgundischen Herzog sei seit seiner Abreise aus Metz keine Unterstützung zugekommen. Vielmehr würden im Gegenteil immer mehr Soldaten sein Heer verlassen, obwohl er das unter Androhung der Todesstrafe verboten habe. Ebenso habe er vernommen, der Herzog von Lothringen habe gegenüber Karl dem Kühnen angegeben, Nancy in zwei Wochen aufzugeben. Michel machte deutlich, dass er es als verwerÁich empfand, dass der Metzer Bischof gute Beziehungen zu Burgund pÁege, indem er dem Burgunder Geschenke zukommen lasse. Überdies habe der Bischof in der Stadt verkünden lassen, er wisse aus gut unterrichteten Kreisen, dass die Eidgenossen die oberrheinischen Truppen nicht gegen Karl den Kühnen unterstützen würden. Der Straßburger Rat könne sich vorstellen, woher der Bischof diese Informationen habe, so der Straßburger Kundschafter, der sich zuletzt zu der Meinung veranlasst sah, dass es seiner Meinung nach keinen besseren Zeitpunkt gebe, um gegen den burgundischen Herzog vorzugehen. Denn es sei überaus günstig, dass der in burgundischen Diensten stehende Söldnerführer Campobasso mit seinen Truppen zum französischen König übergelaufen sei. In Nancy selbst sei die Stimmung noch positiv, und solange sie dort wüssten, dass bald Rettung komme, könnten sie problemlos einen weiteren Monat überleben. Daher schlug Michel den Räten vor, ihre Wissensträger mit dem Auftrag nach Nancy zu senden, der Stadt Unterstützung zuzusichern.122
121 AMS AA 292, 6v und 7r. 122 AMS AA 292, fol. 8r.
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Doch nun zu seinem Bericht, dessen Format bereits etwas über seine Funktion verrät.123 Denn höchstwahrscheinlich um ein möglichst kleines Format herzustellen, faltete der Kundschafter die Papiere mehrfach, wodurch er sie problemlos verstecken konnte. Derartige Praktiken scheinen bei den Berichten der Kundschafter üblich und notwendig gewesen zu sein, da ihre Aufzeichnungen nur für sie beziehungsweise ihre Absender bestimmt waren. Die Berichte fungierten als Tätigkeitsund/oder Rechtfertigungsberichte der Kundschafter, die sie nach ihrer Rückkehr den städtischen Führungsgruppen aushändigen mussten beziehungsweise von einem Boten überbringen ließen. Leider stellen derartige Aufzeichnungen einen Überlieferungszufall dar und wurden nur aufgrund ihrer außenpolitischen und militärischen Relevanz aufbewahrt. Die Notizen Michels besitzen insofern eine gesteigerte Bedeutung, als er sich in den Tagen vor der entscheidenden Schlacht gegen den burgundischen Herzog im Auftrag Straßburgs nach Lothringen begeben hatte. Damit ist der Inhalt seines Berichts in der Lage, die Stimmung wiederzugeben, die damals in Lothringen vorherrschte. Bereits der Beginn seiner Aufzeichnungen verdeutlicht, worüber er sich informieren sollte. Demnach musste er sich darüber erkundigen, welche lothringischen Herrschaftsträger noch Lehen vom burgundischen Herzog innehatten. Mithilfe dieser speziÀschen Informationen waren die Straßburger Hauptleute und ihre Verbündeten in der Lage, etwaige Rücksicht auf bestimmte Adlige zu nehmen sowie die Routen und das Vorgehen ihrer Truppenkontingente zu koordinieren. Anhand des Auftrags an Michel lässt sich aufzeigen, dass für die untersuchten Städte Grenzen und Unterscheidungen zwischen „innen“ und „außen“ vor allem in Kriegszeiten besonders wichtig wurden. Um die gewünschten Informationen zu erhalten, begab sich Michel im Dezember 1476 zunächst nach Metz, wo ihm einige Räte berichtet hätten, dass bis auf ein paar Ausnahmen mittlerweile alle Lehen in lothringischem Besitz seien. Michels Meinung nach sei es eine „groß thorheit“ des burgundischen Herzogs sich tatsächlich gegen eine Stadt wie Metz zu stellen. Schließlich habe die Stadt einÁussreiche Verbündete, womit er eindeutig auf seinen Arbeitgeber Straßburg und die eidgenössisch-oberrheinische Koalition rekurrierte. Am 25. Dezember erreichte Michel mit Unterstützung eines Adligen Nancy, wo der Herzog von Burgund vier Tage zahlreiche Truppenteile musterte. Ihre Anzahl überschlug er auf 3.000 Mann und reiste daraufhin am 27. Dezember in die lothringische Stadt Saint-Nicolas-de-Port sowie in zwei Dörfer in deren Umgebung, wo nach seinen Angaben 2.000 weitere burgundische Söldner lagerten. In der darauffolgenden Nacht hätten ihm in „Vischeffeley“ neben dem Sohn des Markgrafen Rudolf von Baden-Hachberg zahlreiche weitere Adlige mehr berichtet, als er schreiben könne. Dass er in diesem Zusammenhang angab, er werde den Räten bei seiner Rückkehr eingehend davon berichten, verrät etwas von der Bedeutung von Mündlichkeit im Prozess der Informationsbeschaffung und -übermittlung. Da die Straßen in Richtung Nancy sehr unsicher gewesen seien, habe ihm jemand geholfen, in die Stadt zu gelangen, wofür er diesem Geld gegeben habe. Der Sohn des
123 AMS AA 292, fol. 24.
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Markgrafen von Baden-Hachberg habe ihm „für wor“ berichtet, dass der burgundische Herzog einen Angriff auf das Heer des französischen Königs plane, um dann weiter ins Herzogtum Burgund und in den Sundgau zu ziehen. In Nancy vernahm Michel weiterhin, dass sich die betreffenden Truppenteile momentan in Savoyen aufhielten, weswegen er von Nancy aus nach Pont-à-Mousson und dann wieder zurück nach Metz geritten sei, wo er am 3. Januar 1477 angekommen und auf einen Diener des Metzer Bischof gestoßen sei. Dieser habe ihm mitgeteilt, Karl der Kühne werde tatsächlich in das Herzogtum Burgund ziehen und wolle deswegen bald von Nancy aufbrechen. Diese Information veranlasste Michel, gemeinsam mit einem Kollegen abermals nach Nancy zu reiten. Auf dem Weg dorthin seien sie auf burgundische Truppenteile gestoßen. Diese hätten angegeben, dass ihnen der burgundische Herzog angeblich einen Monat Urlaub gegeben habe. Bei seiner Ankunft in Nancy stellte Michel nach seinen Angaben zunächst sein Pferd in einer Herberge unter, in der er überdies einige lothringische Herrschaftsträger getroffen habe. Bei einer gemeinsamen Mahlzeit mit ihnen habe einer von ihnen gesagt, dass man ihn Lügen strafen solle, wenn der Herzog noch im Lande sei. Daraufhin ritt Michel mit einem Kollegen in das burgundische Lager, um nach Karl dem Kühnen Ausschau zu halten und bekam ihn anscheinend tatsächlich zu Gesicht. Dieser sei von seinem Halbbruder begleitet worden und habe mit seinen Hauptleuten gemeinsam gegessen. Daraufhin muss Michel gemeinsam mit zwei Lothringern das burgundische Heer „besehen“ haben, das sie auf rund 2.000 Soldaten schätzten. Als Michel in die Herberge zurückgekehrt war, habe man dorthin einen kurz zuvor gefangenen Verwandten des Herzogs gebracht. Er habe berichtet, dass der französische König zahlreiche Burgunder habe köpfen lassen. Gehe es nach ihm, so Michel, drohe das gleiche Schicksal auch dem burgundischen Herzog, wenn man in die Hände bekomme. Damit endet sein Bericht, den er einem Boten zum Transport nach Straßburg übergab. Einen Tag später starb Karl der Kühne in der Nähe von Nancy, und Michel schrieb erst am 10. Januar 1477 einen Brief an den Straßburger Rat.124 Darin setzte er das Wissen der Räte um den Tod des Herzogs voraus. Demnach hatte er sich auf Befehl des Straßburger Stadtschreibers zum Einholen von „erfarung“ unter anderem abermals nach Metz begeben und vernommen, die luxemburgische Ritterschaft habe zahlreiche Schlösser in Besitz genommen. Hintergrund seiner Missionen könnten also die Folgen des Tods Karls des Kühnen gewesen sein, denn Michel berichtet weiterhin, sowohl Metz als auch der Herzog von Lothringen hätten einen Gesandten zum französischen König entsandt, wo sie sehr gut aufgenommen worden seien.125 Da mit dem Tod Karls auch der Krieg gegen Burgund beendet war, hoffte Michel, auch weiterhin für die Straßburger Führung tätig sein zu dürfen. Das verdeutlicht der letzte Satz seines Briefs, der sich wie ein Programm seiner Tätigkeiten liest. In ihm versicherte er den Straßburger Wissensträgern folgendes: „[…] wöllent, daz ich ritte, sullent ir mich willig Ànden, weß ich dann von uch, minen 124 AMS AA 293, fol. 90. 125 Ein Bericht dieses Gesandten Àndet sich als Abschrift im Archiv von Straßburg, AMS AA 293, fol. 87.
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F. Informationsbeschaffung
herren, in befehl hab oder ir mir furter beuelehnt – es sige in welichs land – daz werde ich bereit zu vollfüren mit der helff gotts, des almechtigen“. 3. ZUSAMMENFASSUNG Vor allem im Kontext von kriegerischen Auseinandersetzungen besaßen die Führungsgremien der untersuchten Städte ein verstärktes Interesse am Erhalt von Informationen und Nachrichten. Eine wertvolle Hilfestellung bot ihnen die okkasionelle Informationsbeschaffung. Schon die Zusammensetzung der Räte, die sich zu einem beträchtlichen Teil aus Familien rekrutierten, die zuvor beziehungsweise noch im Untersuchungszeitraum aktiv am Handel partizipierten, schuf zahlreiche Möglichkeiten, Nachrichten zu erhalten. Neben den KauÁeuten und den von ihnen besuchten Märkten waren es Wirte und deren Wirtshäuser sowie Pilger, Ordensgeistliche und Priester, die sich aufgrund der vorgestellten Eigenschaften besonders zur Informationsbeschaffung eigneten. Bei allen drei Gruppen ist es nicht immer einfach zu entscheiden, ob sie sich aus eigenen Stücken an die Führungsgremien wandten oder von diesen beauftragt wurden. Innerhalb dieser Gruppen existierten bereits Kommunikationsnetze, auf die die städtischen Führungen gezielt zugreifen konnten. Etwas anders verhielt es sich mit den anderen drei vorgestellten Gruppen der Gefangenen, Überläufer und fremden Boten sowie dem Erbeuten von Briefen. In diesen Fällen gingen die städtischen Führungen gezielt vor, um an relevante Informationen zu gelangen. Das geschah zum einen mit Hilfe von Verhören, zum anderen werteten sie die gefundenen und erbeuteten Briefe im Hinblick auf möglicherweise wichtige Nachrichten systematisch aus und übersetzten sie gegebenenfalls für ihre Verbündeten. Dass sie dabei erfuhren, dass auch der Feind alles daran setzte, um an Informationen über sie zu gelangen, trug in einem Folgeschritt zu einer erhöhten Alarmbereitschaft sowie zu Präventionsmaßnahmen bei. Ausdruck derselben und zugleich deren Ergebnis war, dass auch die Bevölkerung im Kontext von kriegerischen Auseinandersetzungen besonders sensibilisiert für Nachrichten war, was von den Räten durch eine gezielte Informationspolitik noch verstärkt wurde. Neben okkasionellen Maßnahmen bedienten sich die Städte eines professionellen Instrumentariums, um an Informationen zu gelangen. Dabei handelte es sich um die Entsendung von Kundschaftern. Diese Experten wurden vor allem in Kriegszeiten vom jeweiligen städtischen Führungsgremium damit beauftragt, sich in strategisch wichtige Gebiete zu begeben, um sich über die Aufenthaltsorte und geplanten Wege sowie die Größe und Bewaffnung feindlicher Truppenkontingente zu informieren. In ihren Aufgabenbereich Àel weiterhin die Einholung von Nachrichten über die Stimmungen im Heer des Feindes beziehungsweise in dem Gebiet, in das sie zur Informationsbeschaffung geschickt wurden. Dabei griffen sie entweder auf bereits bestehende Kontakte zurück oder sie knüpften neue Netze, für deren PÁege und Intensivierung sie gleichermaßen zuständig waren. Während ihrer Missionen standen sie ständig in Kontakt mit ihren Heimatstädten beziehungsweise deren Hauptleuten, fertigten Briefe und Berichte über das von ihnen Gesehene und Gehörte an und unterrichteten ihre Auftraggeber nach ihrer Rückkehr zusätzlich
3. Zusammenfassung
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mündlich. Daran wird deutlich, dass auf dem Feld der Spionage fraglos mit Schriftlichkeit gearbeitet wurde. Die geheimen Tätigkeitsbereiche der Kundschafter bedingten, dass sich über ihre Bezahlungen und möglicherweise von ihnen zu leistenden Eide häuÀg nur Mutmaßungen anstellen lassen, und ihre Aufzeichnungen sind nur erhalten, weil sie wichtig für das außenpolitische und militärische Vorgehen der untersuchten Städte und ihrer Bündnispartner waren. Mit ihrer Hilfe waren die Führungsgruppen in der Lage, dieses strategisch zu planen, zu koordinieren und durchzuführen und ihre Stellung zu etablieren. Gelang ihnen in enger Zusammenarbeit mit den Kanzleien durch die Verarbeitung und Systematisierung der Informationen deren Transformation in Wissen, schufen sie außenpolitische und militärische Handlungsoptionen, die maßgeblich zur Konsolidierung ihrer Stellung und der ihrer Verbündeten beitrugen. Sieht man die Verbreitung von Informationen als einen wesentlichen Aspekt an, der Herrschaftsträger legitimierte, kommt dem der Verbreitung vorgeschalteten Aspekt der Beschaffung eine gesteigerte Bedeutung zu. Im besonderen Maß gilt das für Informationen und Nachrichten, die von in städtischen Diensten stehenden Experten wie dem vorgestellten Straßburger Kundschafter Kaspar Michel eingeholt wurden.
G. INFORMATIONEN ALS WÄHRUNG UND PROPAGANDAINSTRUMENT In diesem Kapitel soll es um den Austausch von wichtigen Informationen und Nachrichten zwischen den Bündnispartnern als auch von diesen zu einem erweiterten Empfängerkreis gehen. Während Formen und Funktionen (städtischer) Briefund Korrespondenzwesen in zahlreichen Veröffentlichungen eingehend untersucht und analysiert wurden,1 wird in der vorliegenden Arbeit insofern Neuland betreten, als Informationen als Währung und Propagandainstrument aufgefasst werden. Mit dem Informationsaustausch sowie der Art und Weise desselben verfolgten die Wissensträger der untersuchten Städte bestimmte Absichten. In diesem Zusammenhang wird es zunächst um die in den Korrespondenzen feststellbaren Maßnahmen zur Sicherung von geheimen Mitteilungen vor unerwünschten Lesern gehen.2 Hier wird mit den „Cedulae inclusae“ eine Quellengattung vorgestellt, die von der bisherigen Forschung nur in Ansätzen untersucht wurde.3 Welche Möglichkeiten den untersuchten Städten zur Verfügung standen, um es ihren Feinden zu erschweren, die in den Schreiben übermittelten Informationen einem bestimmten Absender beziehungsweise Empfänger zuzuordnen, wie die Übermittlung der zuvor beschafften Informationen und Nachrichten geschah oder was sich die Absender von ihrer Mitteilung erhofften, sind Fragen, die dabei gestellt werden. Ob die Informationen, die die Räte der untersuchten Städte ihren Bündnis- und Kommunikationspartnern mitteilten, wirklich so geheim und nur für sie bestimmt waren, steht daraufhin im Vordergrund. Wenn man nämlich betrachtet, wie die städtischen Führungsgruppen mit bestimmten Informationen umgingen, erhält man ein differenzierteres Bild. In den untersuchten Quellenbeständen lassen sich zahlreiche Briefe Ànden, in denen zuvor als „geheim“ kodierte Nachrichten an Herrschaftsträger übermittelt wurden, die nicht unmittelbar in den Krieg gegen den burgundischen Herzog und seine Verbündeten involviert waren. In diesen Fällen Ànden sich die Informationen außerdem nicht auf den „Cedulae inclusae“, sondern in den eigentlichen Briefen selbst. Dabei offenbaren sich interessante und erweiterte Kommunikations- und Informationsnetze, die von dem gesteigerten Interesse an Neuig1
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Verwiesen sei hier auf die Arbeiten von Jucker, Vertrauen; ders., Gesandte, S. 195–225; zum Korrespondenzwesen weiterhin vgl. Grolimund, Basler Ratsbriefe; ders., Kommunikationsform Brief; Koch, Urkunde; Bláhóva, Korrespondenz; Herold, Interpretation; Meier, Städtische Kommunikation; Schmitt, Städtische Gesellschaft. Ansätze einer Untersuchung von „Geheimpolitik“ Ànden sich bei Jucker, Secrets; ders., Geheimnis. Für die Verwendung von „Scedulae“ im 12. Jahrhundert und zur Geschichte des Begriffs vgl. Hartmann, Studien, S. 102 ff.; für die fürstlichen Cedulae inclusae vgl. Holzapfl, Kanzleikorrespondenz, S. 273–280 (mit weiterführenden Literaturnachweisen). Dieser gibt an, dass die Cedulae „besonders für die Fürstenkorrespondenz charakteristisch“ gewesen seien, ebd., S. 273; vgl. auch Walter, Spionage; ders., Kundschaftersysteme; ders., Technique.
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G. Informationen als Währung und Propagandainstrument
keiten bei Nichtinvolvierten zeugen. Vor diesem Hintergrund scheint es, als ob die untersuchten Wissensträger Informationen als Propagandainstrument nutzten. 1. INFORMATIONEN ALS WÄHRUNG: DIE CEDULAE INCLUSAE 1.1. Verwaltung und Archivierung Während sich in den Briefen, die zwischen den Bündnispartnern ausgetauscht wurden, im vorliegenden Zeitraum keine Chiffrierungen, Geheimsprachen, Abkürzungen oder andere Verschleierungstechniken nachweisen lassen, verwendeten die untersuchten Städte eine interessante Technik, um ihre Mitteilungen zu anonymisieren und damit vor einem unerwünschten Leserkreis zu schützen. Besonders in Kriegszeiten, in denen Boten ständig der Gefahr von Überfällen ausgesetzt waren, stellte das eine besondere Notwendigkeit dar. Dementsprechend Ànden sich nahezu alle Informationen, die beispielsweise von Kundschaftern beschafft wurden, nicht in den eigentlichen „ofÀziellen“ Schreiben. Zwar wird in diesen sehr häuÀg auf deren Arbeit verwiesen, doch geschieht das zumeist ohne genau auf die Inhalte und Erfolge ihrer Missionen einzugehen. Derartige Informationen Ànden sich beinahe ausschließlich in so genannten „Cedulae inclusae“ oder „Cedulae insertae“, für die bisher vier mögliche Gebrauchsfunktionen ausgemacht wurden, die sich aber nicht gegenseitig ausschließen. So wurde erstens in vielen Cedulae eine Betonung dergestalt festgestellt, dass bei den Absendern kurz vor Fertigstellung des Briefes Informationen eingegangen waren, die sie den Empfängern, wie es häuÀg heißt, „unverkünt nit lassen“ wollten und sich dann ausführlich erst in den Cedulae wieder Ànden.4 Die Inhalte derartiger Cedulae erinnern von ihrem Informationsgehalt häuÀg an Flugblätter oder Zeitungen, weswegen sie zweitens vor dem Hintergrund „einer publizistisch verstandenen Kommunikationsgeschichte“ untersucht wurden.5 Im Gegensatz zu den hier betrachteten Cedulae enthalten jene mit Zeitungscharakter in einigen Fällen das Abfassungsdatum.6 Die anderen beiden Gebrauchsfunktionen hängen eng mit dem Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit zusammen und deuten auf besondere Funktionszusammenhänge hin. Mithilfe der Cedulae wurden drittens ofÀzielle von persönlichen Inhalten getrennt.7 Es liegt in der Funktion der Cedulae begründet, dass sie so selten erhalten geblieben sind. Denn sie waren der Ort, an dem sich die Kommunikationspartner viertens die wichtigsten, vertraulichsten und geheimsten Informationen mitteilten, politische Einschätzungen abgaben und taktische Überlegungen anstellten.8
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Steinhausen, Geschichte, S. 33 f.; vgl. Walter, Technique. Holzapfl, Kanzleikorrespondenz, S. 277. Vgl. dazu etwa die Cedula in AMS AA 267, fol. 2 (4. Juli 1473). So etwa Teuscher, Privatbriefe, S. 374; Steinhausen, Geschichte, S. 33 f. Von dieser Geheimhaltungsfunktion der Cedulae spricht auch Holzapfl, Kanzleikorrespondenz, S. 277 ff.
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Für den besonderen Funktions- und Gebrauchszusammenhang der Cedulae spricht, dass sich in ihnen keine Datumsangaben Ànden lassen, und lediglich in einigen darauf verwiesen wird, dass sie am gleichen Tag wie der eigentliche Brief verfasst wurden („datum ut in littera“ oder „datum ut supra“9). Auch enthalten die Cedulae keinerlei Unterschriften, Adressaten- und Absendervermerke oder Siegel, weswegen sie nur in Zusammenschau mit den eigentlichen Briefen einem bestimmten Absender zugeordnet werden konnten beziehungsweise können.10 Da ihre Inhalte wichtig für das außenpolitische und militärische Vorgehen der untersuchten Städte und ihrer Verbündeten waren, bemühten sich die städtischen Führungsgremien und ihre Kanzleien darum, diese und die zu ihnen gehörenden Briefe stets zusammen zu verwalten. Das gelang mithilfe bestimmter Techniken der Informationsverwaltung, von denen sich drei in den untersuchten Archivbeständen fassen lassen: Bei der ersten schrieb der jeweilige Kanzleimitarbeiter, der Brief und Cedula entgegen nahm, sowohl den Namen des Absenders des Briefes über die dazugehörende Cedula als auch in einigen Fällen das genaue Datum, an dem beide Schriftstücke eingetroffen waren.11 Mit der zweiten Technik verhielt es sich anders. Denn setzt man voraus, dass die Cedulae lediglich in die Briefe eingelegt und nicht mit diesen verbunden waren, verwundert es, dass sich zahlreiche Schreiben Ànden, an die zu ihnen gehörende Cedulae mithilfe einer Schnur festgebunden worden sind.12 In diesen Fällen war es wiederum die Kanzlei, die beide nach dem Erhalt miteinander verband und so ein (besseres) WiederaufÀnden (überhaupt erst) ermöglichte. Bei der dritten Ordnungs-, Verwaltungs- und Archivierungsmöglichkeit der Kanzleimitarbeiter schrieben diese sowohl den Brief als auch die zu ihm gehörende Cedula ab, um sie damit – sei es lose, sei es in speziell für den Zweck von Briefkopien angefertigten BüEin Beispiel für „datum ut in littera“ Àndet sich bei Ochsenbein, Urkunden Murten, S. 92 (Missive Nr. 125, Cedula in einem Brief Berns an Ulm am 2. April 1476) oder in der Cedula eines Briefes, der wahrscheinlich von Basel an Straßburg verfasst worden war, AMS AA 261, fol. 73; ein Beispiel für „datum ut in littera“ in StABe Dt. Miss. C, fol. 323 (Cedula posterior in einem Brief Berns an seine Hauptleute im Feld vor Héricourt am 7. November 1474) oder die Cedula eines Briefes von Basel an Straßburg, AMS AA 269, fol. 32 (Brief) u. fol. 21 (Cedula). 10 Holzapfl, Kanzleikorrespondenz, S. 276. 11 Der Name des Absenders Àndet sich beispielsweise in AMS AA 265, fol. 6. Dabei handelte es sich um eine Cedula, die ursprünglich zu einem Brief des Pfalzgrafen bei Rhein gehörte. Das vermerkte ein Kanzleimitarbeiter mit der Notiz „Pfaltzgraf“ über der Cedula. Dass es sich bei dem Kanzleimitarbeiter um einen Straßburger handelte, wird durch zahlreiche Schriftvergleiche erkennbar. So Àndet sich diese Hand auf zahlreichen Akten im Straßburger Archiv wieder. Ein anderes Beispiel Àndet sich in AMS AA 266, fol. 58, bei dem es eine Cedula handelt, die zu einem Brief der Stadt Mülhausen an Straßburg gehört hatte. Das geht aus einer Notiz hervor, die von dem gleichen Kanzleimitarbeiter wie im oben wiedergegebenen Beispiel verfasst wurde. Das Datum des Eintreffens Àndet sich beispielsweise in AMS AA 276, fol. 25 (ca. 1475). Hier vermerkte ein Mitarbeiter der Straßburger Kanzlei Folgendes: „Diser zedel kam vigilia Thome Apostele“. Ein weiteres Beispiel stellt eine Cedula dar, auf der derselbe Kanzleimitarbeiter vermerkte, sie sei „Esto Michi 75“ eingegangen. 12 Als einige Beispiele von zahlreichen weiteren seien hier erwähnt AMS AA 286, fol. 5; AA 269, fol. 13 (Brief); fol. 11 (Cedula 1) und fol. 12 (Cedula 2). 9
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chern – auf Dauer beieinander zu haben.13 Dies verdeutlicht, das verstärkte Interesse der städtischen Führungen an der Ordnung und Archivierung der Cedulae, das höchstwahrscheinlich aus deren Inhalten resultierte. Gleichzeitig scheint abermals die besondere Rolle der Kanzleien bei der Umwandlung von Informationen in Wissen und von diesem in politische Handlungsoptionen auf. 1.2. Übermittlung und Format Ein Hinweis auf die technische Übermittlung der Cedulae enthält ein Brief des Straßburger Rats an seinen Wissensträger Konrad Riffe, der sich im Oktober 1475 auf einer Versammlung der eidgenössisch-oberrheinischen Bündnispartner in Luzern aufhielt.14 Darin teilte man ihm mit, dass man ein Schreiben an die Eidgenossen verfasst habe und ihm zur Übergabe an dieselben mitschicke. Zudem gab man an, dass man in dasselbe „ein zedel“ mit den neuesten Informationen über den Krieg im Herzogtum Lothringen „gestecket“ habe. Deswegen bat man Riffe, diesen „Zedel“ aus dem Schreiben zu „ziehen“ und nach dem Lesen sofort wieder in den Brief hinein zu „stossen“. Dieser Brief stellt einen Überlieferungszufall dar. Er beweist, dass die Cedulae in die zusammengefalteten und versiegelten Briefe gelegt wurden. Trotzdem scheinen sowohl die Entnahme aus den als auch das Einlegen in die bereits versiegelten Briefe(n) problemlos möglich gewesen zu sein. Diese Ansicht wird dadurch erhärtet, dass sich in zahlreichen untersuchten Cedulae keinerlei Löcher oder andere Hinweise Ànden lassen, die auf eine ursprüngliche Befestigung am jeweiligen Brief hindeuten.15 Ihr kleines Format ermöglichte dem jeweiligen Empfänger oder dem Boten, der den Brief überbrachte, sie bei drohender Gefahr problemlos zu entnehmen, zu verstecken oder zu vernichten, ohne dabei das Siegel beziehungsweise die Faltung des eigentlichen Briefs zu zerstören. Ein weiterer Vorteil des Formats war, dass man sie nach ihrem Erhalt schnell an Personen weiterreichen konnte, die der Inhalt betraf.16 Hinzu gesellte sich die besondere Faltung der Cedulae, die man in den erhaltenen Quellenbeständen nachweisen kann und die durch den Beschreibstoff ermöglicht wurde. Denn fast alle Cedulae Ànden sich auf Papier, während man die Briefe selbst überwiegend auf Pergament abfasste, was ebenfalls ein Hinweis auf eine ursprünglich fehlende Verbindung mit dem Brief sein könnte. Auf eine solche Verbindung, die von der Empfängerkanzlei nachträglich durchgeführt wurde, deutet hin, dass stets, wenn die Cedulae an den Brief gebunden sind, sich die Bindung an der glei13
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AMS AA 286, fol. 13. Dabei handelte es sich um einen Brief von Solothurn an Basel mit einer Cedula inclusa des Hauptmanns von Neuenburg. Beides, sowohl den Brief als auch die Cedula, leitete Basel dann an Straßburg weiter, die sie von der Kanzlei abschreiben und somit archivieren ließ. AMS AA 271, fol. 9 (20. Oktober 1475). Demgegenüber fand HolzapÁ in den Cedulae, die er untersuchte, „Spuren der Fixierung“, Holzapfl, Kanzleikorrespondenz, S. 275. Das betraf aber größtenteils die Cedulae, deren Inhalt nicht besonders vertraulich oder geheim war, vgl. dazu Holzapfl, Kanzleikorrespondenz, S. 279.
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chen Stelle beÀndet, nämlich am unteren rechten Rand der Briefe. Klappte der Leser dann die Cedula weg, konnte er problemlos den gesamten Brief lesen. Weiterhin verwendete zumindest die Straßburger Kanzlei stets sehr ähnliche Schnüre, deren Enden in allen Fällen mithilfe von zwei Knoten zusammengebunden wurden. Eine Cedula aufgrund ihres Inhalts zu vernichten, konnte fraglos eine Notwendigkeit darstellen. Das beweist eine Cedula, die man keinem Brief exakt zuordnen kann.17 Mit Sicherheit gehörte sie zu einem Schreiben, das die Straßburger Hauptleute im Lager vor Blamont kurz nach dem Tod des Berners Diesbach Anfang August 1475 an ihren Rat geschrieben hatten.18 In ihr berichteten sie, dass man derzeit großen Hunger leide und den Befehl zur Eroberung von Blamont erhalten habe. Da es um Blamont sehr gebirgig sei, baten sie ihre Räte, ihnen schnellstmöglich „Meister Wernhers“ Geschütz mit seinem Zubehör zukommen zu lassen, damit „die dinge dester ee zü ende bracht“ werden. Daraufhin konkretisierten sie in einer genauen AuÁistung von Waffen, Ausrüstung und Munition, woran sich die besondere Funktion der Cedula offenbart. Denn man kann sich leicht vorstellen, dass ihre genauen Wünsche lediglich für den Rat bestimmt waren.19 Dass ihre Inhalte sehr geheim und nur für die Augen des jeweiligen Empfängers bestimmt waren, geht aus zwei an einen Brief gebundenen Cedulae hervor, den Bern Ende März 1476 an Straßburg richtete.20 Im eigentlichen Schreiben dankten sie ihren Kollegen lediglich für ihre Unterstützung und baten sie, die Ergebnisse einer kurz zuvor in Basel abgehaltenen Versammlung an weitere Verbündete weiterzuleiten. Zudem sprachen sie sich in deutlichen Worten gegen die Politik des burgundischen Herzogs („des wütenden bluotvergiessers“) aus und drückten ihre Hoffnung auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit aus. In den Cedulae wurden sie präziser. So berichteten sie in der ersten, der Herzog von Lothringen habe ihnen militärische Unterstützung versprochen. Die zweite Cedula führt klar vor Augen, dass die in ihr gegebenen Informationen nur für die Straßburger gedacht waren. Laut dieser hatte Bern ihren Knechten im „Sibental und anderen gegonnen […] erloubt“, die Feinde „zuo beschädigen“. Hätte der burgundische Feind die Cedula gelesen, wäre ihm ein militärtaktischer Vorteil erwachsen. 17 18 19
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AMS AA 274, fol. 82r. Darauf deutet die erste in der Cedula gegebene Information hin, nach der ihnen eine „botschafft“ aus Porrentruy berichtet habe, dass Diesbach tot sei (AMS AA 274, fol. 82r). Demnach hatten sie Bedarf an insgesamt 60 Eisensteinen, 50 normalen Steinen und die zu diesen gehörende Pulvermenge. Um die Ladung zu transportieren, würde man ihnen daher den „cleynen Bulferwagen“ zukommen lassen. Daneben bräuchte man unbedingt noch siebzehn weitere Zentner Pulver, zweihundert Klötze für die Schlangen- und sechshundert Klötze für die Hakenbüchsen, fünfzig Steine für die Steinschleuder, 4.000 Pfeile („die halben mit hocken“), Zündpulver und -hölzer, sechshundert Eisennägel zum Beschlagen der Lastpferde, 1.850 weitere Nägel und Wachslichter. Weiterhin würden noch drei Wagen voll mit Steinen für die große Steinschleuder sowie dreißig Streitäxte benötigt, so die Hauptleute. Zuletzt berichteten sie noch von einem gewissen Jakob Blumenau, der ohne ihr Wissen das Heer verlassen hätte. Während sein Knecht kurz darauf wieder zurückgekehrt sei, sei Blumenau selbst nicht wieder aufgetaucht. Da sie nicht wussten, wie sie mit dem Knecht verfahren sollten, baten sie die Räte ihrer Heimatstadt diesbezüglich um Rat (AMS AA 274, fol. 82r). AMS AA 288, fol. 39 (Brief vom 21. März 1476), fol. 36 (Cedula 1) und fol. 38 (Cedula 2).
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G. Informationen als Währung und Propagandainstrument
1.3. Funktionen Wie angedeutet, enthielten die Cedulae keine Absender- oder Adressatenvermerke, kein Siegel und Datum. Die so anonymisierten und leicht zu verbergenden Informationen führten in einem viel stärkeren Maß als die ofÀziellen Briefe zur Kohäsion zwischen und zu Vertrauen unter den Kommunikationspartnern.21 Mit ihrer Hilfe ließ der Sender den jeweiligen Empfänger an seinem Wissen teilhaben. Beispielsweise schrieben die Berner Räte Anfang Juni 1476 einen Brief an Straßburg, in dem sie im letzten Satz ankündigten, dass die Straßburger einen Bericht über den Kriegsverlauf in dem „ingeschlossenen zedell“ nachlesen könnten.22 Im Berner Missivenbuch Àndet sich dieser unter dem eigentlichen Schreiben und enthielt die angekündigten Informationen. Wahrscheinlich aufgrund der Inhalte gab es auch für die Cedulae eine Empfangsbestätigung. Davon zeugt ein weiterer Brief von Bern, den es ebenfalls Anfang Juni an Freiburg i. Ue. schrieb. Demnach hatten die Räte das letzte Schreiben der Freiburger „mitt der kuntschafften sag darinn verslossen“ erhalten und sprachen ihnen dafür ihren Dank aus.23 Damit bestätigten sie, dass sie die Cedula erhalten hatten, was für den Freiburger Rat sicherlich wichtig war. Die Cedulae ließen es zu, die Kommunikationspartner suggestiv zu beeinÁussen, und die behandelten Städte scheinen mit dieser Funktion gespielt zu haben. Das offenbart sich an den einleitenden Worten einiger Cedulae: Wenn das Berner Führungsgremium beispielsweise in einem Brief an Straßburg betonte, sie hätten „in diser stund von einem […] guten frunnd“ erfahren, dass der König von Frankreich in die Kampfhandlungen einzugreifen gedenke.24 Auch, wenn Basel Straßburg berichtete, dass man „in dirre stund, datum dis zedels“, das im selben verständlicherweise nicht genannt wird, „durch ihre diener, die solichs gesehen und gehort hand“, Nachrichten erhalten hätte, nach denen burgundische Truppenkontingente vor Rheinfelden stünden, verfolgten die Räte mit der Mitteilung dieser Informationen auf einer Cedula bestimmte Absichten.25 Das Phänomen der suggestiven BeeinÁussung lässt sich besonders dann beobachten, wenn die Städte ihre Verbündeten, Freunde oder Kollegen unbedingt von einem bestimmten und vor allem gemeinsamen Vorgehen überzeugen wollten. Insbesondere lässt sich das in den Cedulae Berns nachweisen und erklärt sich möglicherweise aus der Tatsache, dass es vor allem den Wissensträgern dieser Stadt zuzuschreiben ist, dass sich die übrigen Eidgenossen letztlich zu einem Krieg gegen den burgundischen Herzog und zu einem Zusammenschluss mit Österreich, Frankreich und den oberrheinischen Reichsstädten bereitgefunden hatten. Zudem waren Bern wie die beiden anderen untersuchten Städte ein bedeutendes Informationszentrum, das seine Verbündeten beinahe täg21 22 23 24 25
Zur Vertrauensetablierung durch „ofÀzielle“ Briefe allgemein vgl. Jucker, Gesandte, S. 195– 225; ders., Trust; ders, Vertrauen, der jedoch die Cedulae inclusae nicht berücksichtigt. StABe Dt. Miss. C, fol. 891. StABe Dt. Miss. C, fol. 896. AMS AA 266, fol. 34 (Cedula inclusa eines Briefes der Berner an Straßburg, wahrscheinlich November 1474). AMS AA 266, fol. 39 (Cedula inclusa eines Briefes der Basler an Straßburg, April 1473).
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lich mit Neuigkeiten versorgte und so die Kohäsion zwischen sich und den Bündnispartnern verstärkte. Besonders deutlich tritt das in einer Cedula hervor, die die Berner Räte kurz vor der Schlacht von Murten in einen Brief an Straßburg legten.26 Im Schreiben selbst dankten sie den Straßburgern lediglich für deren letzten Brief, kündigten an, nun mit aller Kraft gegen Karl den Kühnen vorzugehen und äußerten die Hoffnung, den Krieg mit „hilff gotts, der ihre brüderlich lieb zu Iren guten begirden fürdere“ zu gewinnen. In der Cedula wurden sie genauer und übermittelten Informationen, die zuvor einer ihrer Kundschafter beschafft hatte und welche die besondere Funktion der Cedulae verdeutlichen: Demnach habe der Herzog kurz zuvor seine 60.000 Soldaten gemustert, unter denen sich zahlreiche deutsche Söldner befänden. Karl der Kühne, der nach einer Krankheit noch immer eine sehr ungesunde Gesichtsfarbe habe und wegen der engen Zusammenarbeit der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition mit dem französischen König besorgt sei, habe sich daraufhin in den Ort Jurten begeben, der rund eine Meile vom alten Lager entfernt im Gebirge liege. Er führe zwei große Hauptbüchsen sowie rund einhundert Schlangenbüchsen mit sich, die aber in einem desolaten Zustand seien. Als die Berner Kontingente am Vortag dem Feind entgegen gerannt wären, seien die burgundischen Truppen geÁohen und man habe große Beute gemacht. Am Ende dieser interessanten und inhaltsreichen Cedula wandten sich die Berner in eindringlichen Worten an die Straßburger und bezeichneten sie als ihre „getrüwlichen Brüderlichen frünnd“27. Demnach wisse man in Bern weder, wann Karl der Kühne genau aufzubrechen gedenke, noch wohin er als nächstes ziehen werde. Doch würden sie ihnen das so schnell wie möglich berichten und „daruff täglichs kuntschafft“ haben, um dann mit den anderen Verbündeten „Ritterlich“ gegen ihn vorzugehen. Die Straßburger könnten sich sicher sein, die burgundischen Truppen seien „in großer forcht“ vor ihnen, und dass man auf einer in diesen Tagen in Luzern stattÀndenden Versammlung der Eidgenossen alles daran setzen werde, damit der Zug gegen Karl den Kühnen seinen Fortgang Ànde. Vom französischen König habe man vernommen, auch er rüste verstärkt auf und sammle seine Truppen. Alles Weitere würde sie ihnen als ihren „liebsten brüderlich Hertzfrünnden“ Tag und Nacht berichten. Bereits die Wortwahl in der Cedula verdeutlicht, dass diese den Absendern in viel stärkerem Maße als die ofÀziellen Briefe den Versuch ermöglichte, die Empfänger von einem bestimmten Handeln zu überzeugen.28 Schließlich waren die übermittelten Informationen bedeutsam für das weitere militärische Vorgehen der Bündnispartner. Mit ihrer Hilfe konnten sie die Routen ihrer Truppen taktisch planen und sich auf die Geschütze der feindlichen Truppen einstellen. Die verwendeten Begriffe „Gemeinschaft“ und „Brüderlichkeit“ verstärkten überdies das Zusammengehörigkeitsgefühl der eidgenössischoberrheinischen Koalitionstruppen. 26 27
StABe Dt. Miss. C, fol. 891 f. Zum Brüderlichkeitsdiskurs der Eidgenossen vor allem im Krieg vgl. Jucker, Freundschaft; Schmid, Liebe Brüder. 28 Dazu Holzapfl, Kanzleikorrespondenz, S. 278 f.; Walter, Spionage; ders., Bons amis; ders., Kundschaftersysteme.
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G. Informationen als Währung und Propagandainstrument
Problematisch an den Cedulae ist ferner, dass ein Großteil von ihnen von anderen Schreibern als die eigentlichen Briefe verfasst wurde.29 Da ein Brief auf dem Weg zur Absendung meistens durch mehrere Instanzen ging – in Straßburg ist beispielsweise an die Dreizehner, Fünfzehner oder die Einundzwanziger zu denken – könnte das die unterschiedlichen Schreiber erklären. Es erscheint aber auch genauso möglich, dass die Verfasser mithilfe der unterschiedlichen Schreiber eine gezielte Anonymisierung betrieben, was bei der Mitteilung von besonders vertraulichen Informationen durchaus vorstellbar ist. Sehr häuÀg lassen sich unterschiedliche Schreiber nämlich in Cedulae belegen, in denen die Verfasser Informationen mitteilten, die zuvor auf okkasionellen oder professionellen Wegen beschafft worden waren. Auffällig ist weiterhin, dass die Cedulae, die von einem anderen Schreiber als der eigentliche Brief geschrieben wurden, häuÀg Formulierungen aus dem Wortfeld „geheim“ beziehungsweise „Geheimnis“ enthalten. So auch im folgenden Beispiel: Seit Ende Juli 1474 belagerte Karl der Kühne die am Niederrhein gelegene Stadt Neuß, womit bekanntlich die Burgunderkriege begannen.30 Zur gleichen Zeit fand in Basel eine Versammlung der oberrheinisch-eidgenössischen Koalition statt, an der neben dem österreichischen Herzog auch württembergische Abgeordnete, Vertreter der oberrheinischen Reichsstädte und bischöÁiche Gesandte teilnahmen. Ihren Wissensträgern Schott und Völtsche schickten die Straßburger Räte am 24. Juli 1474 einen Brief nach. Darin teilten sie ihren Diplomaten mit, am Morgen seien „ettliche nüwe meren“ in Straßburg angelangt, die die Gesandten dort vorbringen sollten, wo es ihnen vorteilhaft und nützlich erschien.31 Die Räte verwiesen auf einen „ingeslossenen zedel“, der sich heute an den Brief gebunden Àndet und von jemand anderem als dem Briefschreiber angefertigt wurde. Darin gab die Straßburger Führung an, dass ein „glouplich man uß dem lande von Lothringen“ ihren Räten „in einer geheimd“ vorgesprochen und sie darüber informiert habe, dass Karl der Kühne dem Pfalzgrafen im Kölner Bistum mit einer großen Anzahl von Soldaten zu Hilfe kommen werde.32 Im Gegenzug erwarte er mit der Unterstützung des Pfalzgrafen die Rückeroberung der ehemals an ihnen verpfändeten
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Als die Straßburger Führung am 1. November 1474 einen Brief an seine auf dem Weg nach Héricourt beÀndlichen Hauptleute richtete, legten sie diesem Schreiben zwei Cedulae bei. Alle drei Schreiben jedoch wurden von unterschiedlichen Schreibern verfasst, AMS AA 269, fol. 8 (Brief), fol. 7 (Cedula 1) und fol. 6 (Cedula 2). Der Grund dafür lag in dem KonÁikt um den Kölner Erzbischofsstuhl. Infolge eines Streits zwischen der Stadt Köln und dem damals amtierenden Erzbischof Ruprecht von der Pfalz, Bruder des Pfalzgrafen bei Rhein und ein entfernter Verwandter des burgundischen Herzogs, war Erzbischof Ruprecht von den Kölner Bürgern vertrieben worden. Als man Hermann von Hessen an seine Stelle wählte, suchte Ruprecht von der Pfalz Unterstützung bei Burgund, die ihm – um EinÁuss auf die Reichspolitik zu nehmen – auch gerne gewährt wurde (zur Belagerung von Neuss vgl. Metzdorf, Bedrängnis; Cauchies, Charles le Hardi; Gilliam, Neusser Krieg; Brüning, Reaktion der Reichsstände. AMS AA 269, fol. 5. AMS AA 269, fol. 4.
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Gebiete am Oberrhein, was bei den Räten der untersuchten Städte sicherlich für große Aufregung sorgte. Einige Quellen deuten an, dass anonymisierte „Zedel“ sogar „ofÀzielle“ Briefe in Ausnahmefällen vollständig ersetzt haben könnten. In diesen werden bestimmte Schreiben mit dem Begriff „Zettel“ umschrieben, was sie semantisch in die Nähe der Cedulae rückt. Auch sie enthielten überwiegend keinerlei Unterschriften (höchstens Abkürzungen), keine Siegel, Datumsangaben oder sonstige Hinweise auf den Verfasser. Bei ihrer näheren Betrachtung erkennt man, dass die untersuchten Städte sich ihrer bedient haben könnten, um ihren Kommunikationspartnern Informationen zu übermitteln. Beispielsweise beauftragten die Berner Räte ihre Kanzlei Ende April 1476 damit, einen „Zedel“ an Biel zu verfassen. In diesem sollte dem Bündnispartner befohlen werden, seine Truppen schnellstmöglich nach Neuenburg zu verlegen, da sich Karl der Kühne als nächstes gegen diese Stadt richten werde.33 Ähnlich wichtig scheinen Nachrichten gewesen zu sein, die Bern Mitte April 1473 „in einem zedel“ an Solothurn übermittelte.34 Wahrscheinlich handelte es sich dabei um die Mitteilung, dass die zwei Wochen zuvor gefangen genommenen eidgenössischen KauÁeute befreit worden waren, weswegen die zuvor erlassene Mobilisierung zurückgenommen wurde. Aufschlussreich im Hinblick auf die möglichen Funktionen derartiger Zettel ist ein äußerst kleinformatiges Schriftstück, das sich heute im Straßburger Archiv beÀndet.35 Warum und wie es dorthin gelangte, bleibt unklar, da es weder Siegel noch Adressatenvermerk besitzt. Unterschrieben ist es nur mit der Abkürzung „J.“. Unter ihm vermerkte der Empfänger, dass „diser Zedel […] post Thome Apostele“, also im Dezember, welches Jahr ist unklar, angekommen war. Jedoch scheint unbedingte Geheimhaltung für den Verfasser des Zettels äußerst wichtig gewesen zu sein, sonst hätte er kaum angegeben, dass er „diesen zedel […] in der aller grosten heimlichkeit“ geschrieben habe. Überdies bat er den Empfänger, er möge ihn nach dem Lesen sofort „brechen [und] niemant zeigen“. Daraufhin berichtete er, ein gewisser „Doctor Philips“ habe „mit munde“ berichtet, dass der französische König, „den bunt, den er het mit den Switzeren“, nur dann halten werde, wenn sie die verpfändeten Gebiete ohne seine Ànanzielle Unterstützung wieder auslösten. Im Gegensatz zu Kriegszeiten lassen sich in Friedenszeiten vergleichsweise wenig Cedulae in den untersuchten Quellenbeständen Ànden. Das könnte die These unterstützen, dass die Kommunikationspartner sich ihrer vor allem dann bedienten, wenn sie besonders vertrauliche oder geheime Informationen mitteilen wollten. Wie gesehen, traf das in besonderem Maße auf Nachrichten zu, die für ein gemeinsames außenpolitisches und militärisches Vorgehen relevant waren. Es stellt sich die Frage, ob die in Friedenszeiten abgefassten Cedulae im Umkehrschluss nur belanglose Informationen enthielten. Eine Antwort auf diese Frage fällt schwer, da 33 34 35
Das geht aus den aus auf dieser Kleinratssitzung besprochenen Punkte hervor, StABe RM 19, fol. 155–159. StABe RM 12, fol. 107f.: „Antwurt den von Solloturn in einem zedel, wann die sach der geuangnen betragen werd, so well man ir bitt ingedenck sin“. AMS AA 276, fol. 25 (undatiert).
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G. Informationen als Währung und Propagandainstrument
die erhaltenen Cedulae möglicherweise nur die Spitze des Eisberges der insgesamt verfassten Schriftstücke dieser Art darstellen. Und tatsächlich berichteten die Verfasser in Friedenszeiten in den Cedulae häuÀger von Ereignissen, die auf den ersten Blick keinerlei Relevanz für die Kohäsion zwischen den Kommunikations- und/ oder Bündnispartnern besaßen.36 In einer Cedula, die zu einem Brief gehörte, den der Rat von Bern Mitte Oktober 1473 an Straßburg und Basel richtete, Àndet sich die Schilderung eines Zwischenfalls, der sich bei Feldkirch ereignet hatte.37 Laut dieser wollten österreichische Truppen dort den Rhein über eine Furt überqueren und hatten zu diesem Zweck einen ihrer Knechte vorgeschickt, um die Tiefe des Wassers auszuloten. Als dieser nach einigen Schritten versunken sei, wäre ihm sofort ein Hauptmann nachgeritten und dabei so ungünstig vom Pferd gefallen, dass er an den Folgen der Verletzung gestorben sei. Nicht minder kurios mutet eine zweite Cedula an, in der ein unbekannter Verfasser in eindringlichen Worten von einem schweren Gewitter berichtete.38 Durch dieses sei eine Kirche in einem nicht genannten Ort in Brand geraten und vollständig zerstört worden. Während das KruziÀx gerettet worden sei, habe ein Blitz „dem Patronen […] am lettener“, jedoch „sinen mantel“ völlig verbrannt. Derartige Schilderungen sind den später aufkommenden Zeitungen und Flugblättern ähnlich, und es scheint möglich, dass sie zur Weiterleitung an einen erweiterten Empfängerkreis gedacht waren. Doch besaßen sie nur auf den ersten Blick keine Relevanz für die Kohäsion zwischen den Kommunikationspartnern. Führt man sich vor Augen, dass die Empfänger auch hier um die Übermittlung von Neuigkeiten gebeten wurden, erhielt man auf diese Weise der KommunikationsÁuss aufrecht und verstärkte das Vertrauen unter sich. 2. INFORMATIONEN ALS PROPAGANDAINSTRUMENT 2.1. Fehlinformationen und verspätete InformationsÁüsse Die Reziprozität der Kommunikation führte zu einem erhöhten Vertrauen unter und einem engeren Zusammenrücken zwischen den Kommunikations- und Bündnispartnern. Damit ist gleichzeitig angesprochen, dass man vom Gegenüber erwartete, dass auch er seinerseits Informationen und Neuigkeiten mitteilte, schließlich verlangte jede Information nach Gegeninformation.39 Eine Verweigerung derselben konnte zu Unstimmigkeiten, Missmut und mitunter zu Vertrauensverlust führen. Deutlich wird das beispielsweise in einem Brief Berns an Freiburg i. Ue., der Mitte Februar 1475 geschrieben wurde. Darin teilten die Räte die Aussage eines ihrer aus Genf zurückgekehrten KauÁeute über das „Bündnis von Moncalieri“ mit.40 Gleich36 37 38 39 40
Holzapfl, Kanzleikorrespondenz, S. 279 f.; vgl. auch Walter, Technique. StABe Dt. Miss. C, fol. 111 f. (14. Oktober 1473). AMS AA 276, fol. 21r. Vgl. dazu Jucker, Gesandte, S. 210 f. Büchi, Freiburger Missiven, S. 32, Nr. 21.
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zeitig berichteten sie, einer ihrer Wissensträger habe sich auf dem Weg zu einer Versammlung der Eidgenossen nach Luzern begeben. Diesem hätten sie gern „etwas [ihrer] antwurt gemeldt“, die die Freiburger Räte Bern ja geben sollten. Doch sei diese bisher nicht eingetroffen. Daher baten die Berner ihre Freiburger Kollegen, sie so schnell wie möglich zu übermitteln. In ihrer auf diesen Brief folgenden ersten Antwort gaben die Freiburger an, dass sich bisher nichts getan habe, weswegen man auch noch keine Neuigkeiten senden könne.41 Wie aus einem weiteren Schreiben des Berner Rats an Freiburg hervorgeht, waren dort Mailänder Gesandte erschienen, welche die Gründe für das „Bündnis von Moncalieri“ darlegen wollten.42 Darin gab man zudem an, dass man nichts Näheres über die Gründe der Mission der Mailänder wisse, da man noch auf Informationen aus Freiburg warte. Schließlich plane man die Koordination einer gemeinsamen Außenpolitik. Tags darauf verfassten Freiburger ein Schreiben an Bern, in dem sie die Ankunft der Mailänder Diplomaten bestätigten.43 Diese hätten aber lediglich berichtet, dass der Herzog von Mailand nun mit der Herzogin von Savoyen verbündet sei. Zuletzt betonten sie noch, dass kein böser Wille hinter dem Ausbleiben der Informationen stecke. Die städtischen Führungsgruppen standen vor dem Problem, die jeweiligen Empfänger von einer bestimmten Qualität und Glaubwürdigkeit der mitgeteilten Informationen überzeugen zu müssen. Schließlich konnten Falschmeldungen, beispielsweise über den Aufenthaltsort von burgundischen Truppenteilen, gravierende Folgen haben. Das beweisen zwei Briefe der Berner Räte an ihre Amtskollegen in Basel, die beide am 4. April 1476 geschrieben wurden. Schon die Sitzung des Kleinen Rats von Bern an jenem Tag war von großer Unruhe geprägt. Anscheinend hatte man die Warnung erhalten, dass der burgundische Herzog plante, sich mit seinen Truppen von Lausanne aus in Richtung Freiburg i. Ue. und Bern zu begeben. Dementsprechend beschlossen die Kleinräte, Briefe an ihre oberrheinischen Bündnispartner sowie den österreichischen Landvogt zu schreiben, um sie über die gewachsene Bedrohung zu informieren.44 Laut dem Schreiben an Basel hatte Karl der Kühne mit seinen Truppen bereits Lausanne verlassen, Payerne eingenommen und alle dort verbliebenen Männer und Frauen „in kilchen und an allen andern enden getödt und ermört“45. Da er nun plane, mit aller Macht gegen die Eidgenossen und ihre Verbündeten zu ziehen, bat Bern diese dringend um sofortige militärische Unterstützung. Doch noch am gleichen Tag sahen sich die Berner Räte gezwungen, einen weiteren Brief an Basel zu richten, in dem sie auf ihr wenige Stunden zuvor verfasstes Schreiben Bezug nahmen.46 Denn in der Zwischenzeit hätten sie „warlichen“ erfahren, dass die von ihnen geforderte schnellstmögliche militärische Hilfe doch nicht 41 42 43 44 45 46
Freiburg i. Ue. an Bern am 19. Februar 1475, Büchi, Freiburger Missiven, Nr. 23, S. 33 f. Bern an Freiburg i. Ue. am 23. Februar 1475, ebd., Nr. 24, S. 34 f. Freiburg i. Ue. an Bern am 24. Februar 1475, ebd., Nr. 25, S. 35 f. Vgl. StABe RM 19, fol. 108–111 (Sitzung des Kleinen Rats von Bern am 4. April 1476). Ochsenbein, Urkunden Murten, S. 95 (Missive Nr. 131). Ebd., S. 95 f. (Missive Nr. 132).
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so nötig sei. Daher baten sie die Basler dringend darum, vom Auszug abzusehen, doch trotzdem in erhöhter Alarmbereitschaft zu bleiben. Dies habe man auch dem Basler Bischof und dem österreichischen Landvogt geschrieben. In einer Notiz unter dem Brief gaben die Berner Räte an, dass es ihnen „ernnstlich bange“ sei, da sie Straßburg, Kolmar und Schlettstadt in Briefen ebenfalls dringend zur Unterstützung aufgefordert hätten. Für sie hatte man in Bern bereits Schreiben vorbereitet und dem Boten mit nach Basel gegeben. Diese sollten die Basler entgegennehmen und auf Berner Kosten einen Boten „angends“ zu den genannten Adressaten schicken, damit auch sie ihre Truppenkontingente zurückriefen. Dieses Beispiel von Fehlinformation verdeutlicht das große Vertrauen, dass die Räte in die Arbeit ihrer Kundschafter setzen mussten, und offenbart, wie die städtischen Führungsgruppen mit Falschmeldungen umgingen und dieser Gefahr begegneten. Jedoch muss betont werden, dass es ihnen mit der Streuung von Gerüchten möglich war, ihre Bündnispartner in Alarmbereitschaft zu halten.47 Beispielsweise war es im Zuge der Gefangennahme der eidgenössischen KauÁeute auf dem Rhein im April 1473 für Straßburg bereits frühzeitig klar, dass es die Belagerung von Geroldseck abbrechen würde.48 Doch teilten die Straßburger diesen Entschluss den alarmierten Bernern erst drei Tage später mit.49 Weitere zwei Tage vergingen, bis Bern Briefe an Solothurn, Schwyz und Luzern verfasste, die eine Rücknahme der zuvor geforderten Mobilisierung enthielten50. Vergegenwärtigt man sich, dass die Übermittlung eines Briefes in Krisenzeiten zwischen Bern und Straßburg innerhalb von ein, maximal zwei Tagen vonstattengehen konnte, erstaunt der verspätete InformationsÁuss. Es kommt der Eindruck auf, als hätte Straßburg den späteren Bündnispartner Bern bewusst in Unkenntnis bezüglich der Belagerung Geroldsecks gelassen. Das könnte sich tatsächlich bestätigen, betrachtet man die Zusammenstellung von Dokumenten in einer Instruktion für Johannes Keller, der die Straßburger im Fall ihres Streits mit den beiden Geiselnehmern vor dem Kaiser vertreten sollte. In dieser wurde Keller angewiesen, dass er, falls Geroldseck und Heudorf Straßburg des Landfriedensbruchs bezichtigen würden, sagen solle, die Straßburger hätten gut daran getan, die Eidgenossen lange hinzuhalten. Denn hätten diese in das Geschehen eingegriffen und wären ebenfalls ausgezogen, um militärisch gegen Geroldseck vorzugehen, wäre allen Beteiligten „ein verderplicher schaden entstanden“51. Daran werden die Gründe für den verspäteten InformationsÁuss deutlich, der mit Sicherheit von den untersuchten Städten gezielt eingesetzt wurde. 47 48 49
50 51
Zur gezielten Streuung von Gerüchten durch französische Gesandte während der Mailänderkriege (1495) vgl. Jucker, Geheimnis, S. 84. Straßburg an Basel am 16. April 1473, AMS IV 45, fol. 39. Bereits in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1473 hatten die Berner Räte eine Mobilisierung des gesamten Territoriums veranlasst, StABe SR 2, fol. 26. Der Brief Straßburgs an Bern Àndet sich als Regest bei Krieger, Regesten Baden-Hachberg, Nr. 10417, S. 327 f. Noch am 20. April hatte die Berner Führung zahlreiche Amtsträger in ihrem Territorium um die Zusendung von Kriegsgerät gebeten, StABe RM 12, fol. 133. AMS III 178, fol. 20 ff. „[D]ie eitgnossen, die solicher geschicht halb an den iren uff Rine in und uß Schutter bescheen, uff den beinen und in willen waren, mit gantzer macht herab in das lant zu ziehen“.
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2.2. „Kundschafften“ und „Nuwe Meren“ Die untersuchten Quellen zeugen von einem gesteigerten Bewusstsein der Zeitgenossen für bestätigte und unbestätigte Informationen. Bereits in sprachlicher Hinsicht bedienten sie sich kleiner, aber feiner Unterschiede in der Wortwahl, die für den jeweiligen Empfänger Abstufungen in der Qualität der Information zuließen. Zunächst wird sich den von den Kundschaftern eingeholten Informationen und Nachrichten zugewendet, die in nahezu allen untersuchten Quellen als „Kundschaften“ umschrieben wurden. Im Verwendungskontext dieses Begriffs konnten die städtischen Kanzleien auf ein großes Repertoire bestimmter Attribute zurückgreifen, um die Glaubwürdigkeit ihrer Informationen zu betonen. Das war beispielsweise dann der Fall, wenn die Berner an Basel schrieben, bei ihnen seien „zwo gewüss kuntschafften“ eingegangen, die sie für „warlich“ hielten. Dass sie in diesen Brief eine Cedula legten, die sie mit „Gewiß Kuntschaft“ überschrieben, verstärkt den Eindruck, dass man den Kommunikationspartner durch die suggestive Kraft bestimmter Worte zu beeinÁussen versuchte.52 In einem weiteren Mitte April 1476 verfassten Schreiben berichteten sie zwar beispielsweise Luzern, dass sie am Tag der Abfassung desselben durch „gewiß kuntschafft warlich“ vernommen hätten, dass zusätzliche Truppen zur Unterstützung beim burgundischen Herzog angekommen seien.53 Eine Steigerung der Glaubwürdigkeit erreichten die Berner weiterhin, wenn sie angaben, dass ihnen etwas „in diser stund durch gewiß und träffenlich kuntschafft warlich verkündt“ worden sei.54 Neben den Kundschaften tauchen in den untersuchten Quellen sehr häuÀg Informationen auf, die als „Mären“ bezeichnet wurden.55 So schrieb beispielsweise Basel Anfang Dezember 1473 an Straßburg, man habe in „lantmärs wise“ vernommen, dass sich der Herzog von Burgund nach dem gescheiterten Treffen von Trier auf direktem Weg ins Elsaß begeben werde.56 Im gleichen Brief brachte Basel zum Ausdruck, dass man sich näher über den Weg des Herzogs informieren werde und das Gleiche von Straßburg erwartete. Ähnlich verhielt es sich mit einem Mitte Februar 1472 geschriebenen Brief von Bern an seine Wissensträger Nikolaus und Wilhelm von Diesbach, die damals am französischen Königshof weilten. Darin berichtete sie, sie hätten „in lantmerß wise“ gehört, dass sich eine militärische Auseinandersetzung zwischen Ludwig XI. und dem burgundischen Herzog anbahne, und baten sie, sich deswegen einmal umzuhören.57 Die erwähnten „Lant-
52 53 54
55 56 57
Beide Beispiele bei Ochsenbein, Urkunden Murten, S. 38 (Missive Nr. 52, 16. März 1476). Ochsenbein, Urkunden Murten, S. 113 (Missive Nr. 160, 12. April 1476). So Bern an Basel am 13. April 1476, Ochsenbein, Urkunden Murten, S. 116 (Missive Nr. 165). Diese enthält die Meldung, dass Karl der Kühne in naher Zukunft das verbündete Freiburg i. Ue. anzugreifen plane. Ansatzweise bei Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 356 f. AMS AA 264, fol. 1 (8. Dezember 1473); zu den „lantmeren“ vgl. auch Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 356. StABe Dt. Miss. A, fol. 916.
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meren“ können mit unbestätigten Meldungen oder Gerüchten gleichgesetzt werden.58 Dass auch die Zeitgenossen unter „Lantmeren“ Gerüchte verstanden, zeigen die häuÀg in ihrem Kontext gemachten Angaben der Absender, nach denen sie sich noch eingehender informieren wollten. So auch in einem Brief Berns, der Anfang Mai 1476 an Basel geschrieben wurde.59 Demnach hatte man ihnen bereits zuvor berichtet, dass der burgundische Herzog gestorben sei. Diese Meldung qualiÀzierten die Berner als „landtmer red“ ab und gaben unverhohlen zu, dass man es zwar schön fände, wenn die Meldung tatsächlich wahr sei. Doch hätten sie von ihrem Hauptmann in Neuenburg vernommen, es sei zwar richtig, dass der Herzog insgesamt fünf Tage nicht im Heer gesehen worden sei. Das habe jedoch nicht an seinem vorzeitigen Ableben, sondern an einer Krankheit gelegen. Eine etwas andere Bedeutung hatten die in den untersuchten Quellen vielfach vorkommenden „Nüwen meren“. Unter diesen verstanden die Zeitgenossen bedeutende Nachrichten. Vor allem in Krisenzeiten, wenn täglich Neuigkeiten in den Städten ein- und von diesen ausgingen, machten die „nüwen meren“ einen beträchtlichen Teil der Gesamtkorrespondenz aus. Sie im Auftrag der städtischen Führung zusammenzustellen, zu verschriftlichen und gezielt zu verbreiten, war ein wichtiger Tätigkeitsbereich der Kanzleien.60 Denn wie gesehen trug die Kontrolle über die ein- und ausgehenden Informationen wesentlich zur Legitimation von Herrschaftsträgern bei und konsolidierte im Idealfall ihre politische Stellung. Vor diesem Hintergrund lassen sich die „Nüwen meren“ am ehesten mit einer frühen Form von Zeitungen oder Flugblättern gleichsetzen.61 Von den Führungsgruppen verfasst und zensiert, vermittelten sie ihren Lesern ein konstruiertes Bild bestimmter Ereignisse und dienten dem Zweck, eine größere Öffentlichkeit anzusprechen, und erinnern in der Form an öffentliche Verlautbarungen. Das war vor allem dann der Fall, wenn sie wie beispielsweise in Bern in Form von so genannten „offenen Briefen“ in die Städte und Orte des Territoriums gesandt wurden und die Bevölkerung durch Ausrufer informiert wurde.62 Damit waren die Führungsgremien in der Lage, das gerade in Krisenzeiten stark ausgeprägte Informationsbedürfnis der Bewohner ih58 59 60 61
62
Laut Grimm, Deutsches Wörterbuch 12, Sp. 125, verstand man unter „Landmären“ ein „allgemeines gerücht“. Ochsenbein, Urkunden Murten, S. 164 f. (Missive Nr. 235, 2. Mai 1476). In Bern scheint das eine zusätzliche Aufgabe für die Kanzleien gewesen zu sein, wie die zahlreichen Einträge in den Stadtschreiberrodeln zeigen. Studt, Neue Zeitungen; Brunner, Niuwe maere; zu diesen vgl. auch Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 356. Sie gehören zu den Schriftstücken, die in der englischsprachigen Forschung als „news-bills“ bezeichnet werden, vgl. dazu Richmond, Hand and Mouth, S. 237, mit Bezug auf Armstrong, England, S. 100f. Armstrong unterscheidet dabei zwischen den erwähnten „news-bills“ und den von ihm so bezeichneten „news-letters“. Unter letzteren fasst er die zwischen Privatleuten ausgetauschten Informationen und Neuigkeiten, ebd. Vgl. beispielsweise den folgenden Eintrag im Berner Stadtschreiberrodel: „Geschriben 37 offen brieff in all stet vnd länder, die erobrungen Gransson und Orbe, wie sich die mit handlungen begeben hat“, StABe SR 2, fol. 83. Zur Praxis des Ausrufens vgl. Offenstadt, Crieurs publics; ders., Pratiques du cri.
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res Territoriums zu befriedigen und ihnen ein von ihnen konstruiertes Bild der Ereignisse zu vermitteln, um so für den nötigen Rückhalt im eigenen Territorium zu sorgen. Das stellte eine dringende Notwendigkeit dar, waren doch große Teile der männlichen Bevölkerung als Soldaten im Krieg gegen den burgundischen Herzog und seine Verbündeten eingezogen worden. Gleichzeitig versuchten sie auf diese Weise etwaig kursierenden Gerüchten den Nährboden zu entziehen. Verdeutlicht werden kann das anhand des Berner Stadtschreiberrodels, in dem beispielsweise allein für das Kriegsjahr 1475 rund 120 Einträge stehen, die „nüwe meren“ beinhalten.63 Vor allem die Ereignisse um den im Juni/Juli 1475 erfolgten Abbruch der Belagerung der Stadt Neuß machten einen Großteil der versendeten „nüwen meren“ aus. Eine nähere Betrachtung ihrer Entstehungszusammenhänge und Verbreitung zeigt eindeutig, dass ihnen zumindest in Kriegszeiten (fast) immer Briefe vorausgingen, die der Berner Rat von seinen Hauptleuten erhalten hatte. Als Empfänger lassen sich neben Bündnispartnern, den im Territorium gelegenen Orten und Städten sowie befreundeten Herrschaftsträgern auch die eigenen Wissensträger ausmachen. Beispielsweise bekam der Berner Abgeordnete Wabern Abschriften der „nüwen mer“ aus Frankreich, Savoyen und aus Neuß mit, als er sich auf eine diplomatische Mission nach Freiburg i. Ue. begab.64 Die zusätzlichen Aufgaben der Kanzleien schlagen sich auch in den Kommentaren der Schreiber in den Stadtschreiberrodeln nieder. So gab der Berner Unterschreiber Schilling in einem Eintrag an, er habe „die nüwen meren von Nüß“ bereits „zem dritten mal“ abgeschrieben, nicht ohne zu betonen, dass ihn dies viel „mühe“ gekostet habe.65 Das Bedürfnis nach „nüwen meren“ war verständlicherweise gerade im Kontext von KonÁikten sehr groß. Beispielsweise wandte sich Basel Ende September 1470 an Straßburg, um zu berichten, dass sie „von gloubhafftigen luten“ gehört hätten, dass zahlreiche burgundische Söldner ins Elsaß einzufallen gedächten. Da man in Basel nicht wusste, wohin diese nun ziehen würden, bat der Rat die Straßburger Führung, ihm Informationen zu übermitteln und bot eine Kostenübernahme dafür an.66 Ähnliche Angebote Ànden sich in zahlreichen Briefen, die zwischen Straßburg, Basel und Bern ausgetauscht wurden. Sie zeugen von einem gesteigerten Interesse an Neuigkeiten und Informationen.67
63 64 65 66 67
Das ergab eine Auszählung des Stadtschreiberrodels für das Jahr 1475. StABe SR 2, fol. 87: „Denne dem von Wabren die nüwen mer vom Kúng, hertzog Philippen und von Núß ouch abgeschriben gon Friburg zś füren“. StABe SR 2, fol. 86. AMS AA 260, fol. 14 (26. September 1470). Vgl. beispielsweise auch AMS AA 222, fol. 42 (Basel an Straßburg am 12. April 1474).
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2.3. Mitteilungen an Nichtinvolvierte: Die Informationsnetze Berns und Basels Ein gesteigertes Interesse an Nachrichten und Informationen lässt sich nicht nur bei den Herrschaftsträgern feststellen, die hier untersucht und direkt in die Kampfhandlungen involviert waren. Auch auf den ersten Blick Nichtinvolvierte hatten ein Bedürfnis an Neuigkeiten von den Kriegsschauplätzen.68 Es ist jedoch nicht immer einfach zu entscheiden, ob sich diese mit Bitten um Nachrichten an die behandelten Führungsgremien wandten oder vielmehr von diesen gezielt mit Nachrichten versorgt wurden. Beispielsweise reagierten die Berner Mitte Juni 1476 kurz nach der erfolgreichen Eroberung von Grandson in einem Schreiben auf eine Anfrage ihrer Amtskollegen in Frankfurt.69 Diese hatten Anfang des Monats um Neuigkeiten vom Krieg gegen den burgundischen Herzog gebeten.70 Als Begründung dafür gaben sie an, dass sie das Bedürfnis der Frankfurter Räte nach Informationen stillen wollten. Demnach sei es ihr Anliegen, dass die Frankfurter nicht allen „reden“, Gerüchten, die bei ihnen kursierten, Glauben schenken sollten, „sunder die rechten waurheit vermerckt werde“. Daraufhin berichteten sie von der Einnahme Grandsons und der Flucht des burgundischen Herzogs und seiner Truppen nach Lausanne, die zur Folge gehabt habe, dass die Koalitionstruppen „sin hab, silber, gold und costbare kleynod mit unsaglichem gut und sin waugenburg“ erbeutet hätten. Danach jedoch habe der Herzog wieder seine Truppen um sich gesammelt und sei vor Murten gezogen, das er nun „mit gantzer macht“ belagere. Zur Entsetzung der Stadt hätten sie ihre Verbündeten um Verstärkung gebeten, und sobald diese angekommen sei, werde man sich Karl dem Kühnen „ritterlich mitt getúrstigen und käcken hertzen“ entgegenstellen. Das Verhalten Herzog Karls sei gegen die gesamte „Tutsche nation“ gerichtet, die er ihnen „mit siner grimmikeit“ aus den Händen reißen wolle. Von Anfang April 1476 Ànden sich drei Briefe, die Bern an Nürnberg, Nördlingen und Ulm richtete.71 Darin berichteten sie eingehend vom Schlachtverlauf und -ausgang von Grandson und informierten ihre Adressaten darüber, dass der burgundische Herzog wieder aufrüste, sie sich ihm mit ihren Verbündeten jedoch mit aller Macht entgegenstellen würden.72 Auch in diesen drei Schreiben betonten die Berner Räte, das Verhalten des Herzogs und seiner Truppen sei gegen die „Tütsch Nation“ gerichtet. Der Brief an Ulm macht zudem deutlich, dass sich diese zuvor bei Bern über den Kriegsverlauf informiert hatte. In ihrer Antwort mutmaßten die Berner, Karl der Kühne plane, sie und „all tütsch Nation zu vertrucken“, und baten 68
Zur Propaganda im Mittelalter vgl. Studt, Neue Zeitungen; Brunner, Niuwe maere; Doering-Manteuffel, Informationsstrategien; Hrúza, Propaganda, S. 209–222; SieberLehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus; Bauer, Gemain sag; Burke, Venice; ders., ReÁections; Infelise, Merchants‘ letters. 69 Janssen, Frankfurts Reichscorrespondenz, S. 377, Nr. 531 (Bern an Frankfurt). 70 Ebd., Nr. 530 (Frankfurt an Bern). 71 Abgedruckt bei Ochsenbein, Urkunden Murten, S. 91ff., Missiven Nr. 124 (an Nürnberg), Nr. 125 (an Ulm) und Nr. 126 (an Nördlingen). 72 Zur Schlacht von Grandson vgl. den Sammelband von Reichel, Grandson; Bernoulli, Basels Antheil 2.
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zuletzt um Zusendung von Büchsen und Schießpulver. Vielleicht lag es an dem erkennbaren Interesse Ulms oder an dem besonderen Anliegen der Berner, das sie dazu veranlasste, eine Cedula in den Brief zu legen. In dieser berichteten sie, dass sie dem Herzog in den letzten Tagen sehr nahe gekommen seien. Auch habe man die Stadt Murten gesichert, und falls der Herzog einen Angriff auf die Stadt plane, werde man sich ihm mit Gottes Hilfe und der Bündnispartner „mannlich“ entgegenstellen. Diese Cedula ist in mehrfacher Hinsicht interessant, weil einerseits die Briefe an die anderen beiden Empfänger keine Cedula enthalten, dieselbe Information, aber andererseits mit annähernd gleichen Worten, im Brief an Nürnberg wiedergegeben ist.73 Darin variierte der Schreiber die Formulierung und ersetzte dort, wo er Ulm versicherte, sich dem Herzog „mannlich“ entgegenzustellen, im Brief an Nürnberg durch ein „ritterlich“. Daran tritt hervor, dass sich die Kanzlei dem jeweiligen Empfänger in der Wortwahl anpasste.74 Es scheint, als habe Bern mithilfe der Cedula einen vertraulichen Kommunikationsraum schaffen wollen, schließlich wünschte man sich Bewaffnung und Munition. Wie zahlreiche Briefe belegen, betrieb die Aarestadt auch mit Köln einen regen Informationsaustausch.75 In den Briefen wird erkennbar, dass Köln ein verstärktes Interesse an Nachrichten von den Kriegsschauplätzen hatte, da der größte Teil der Briefe Antwortschreiben der Berner Räte darstellen.76 Dieses resultierte mit Sicherheit aus Belagerung der Stadt Neuss, die den Kölnern die Motive des burgundischen Herzogs und seiner Verbündeten vor Augen geführt hatte. Ende Mai 1476 bedankten sich die Berner beispielsweise bei ihren Kölner Kollegen für die Übermittlung von Informationen über die Eroberung Grandsons und versprachen, nähere Details zur selben zu geben77. Daraufhin berichteten sie eingehend von der großen Beute, die sie in Grandson gemacht hatten, in der sich unter anderem zahlreiche Bücher und eine Hofordnung des burgundischen Herzogs befänden, die noch im Besitz der Berner seien. Außerdem teilten sie den Kölnern den aktuellen Aufenthaltsort des burgundischen Herzogs mit, der ihrer Meinung nach noch immer „geturstig“ sei, sich ihnen zu „nächern“. Und obwohl er eine Zeit lang krank gewesen sei, erwarte man in der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition, dass er bald wieder die Kampfhandlungen gegen sie aufnehmen werde. Komme es dazu, würde man sich ihm „ritterlich und mit mannsmśt“ entgegenstellen und den Kölnern vom Ausgang berichten, so die Berner zuletzt. Knapp zwei Monate später wandten sich die Berner Räte in einem Brief erneut an Köln.78 Darin wird deutlich, dass nicht nur sie die Stadt über die neuesten po73
74 75 76 77
78
Zu Nürnberg als Nachrichtenzentrum vgl. Buchholzer-Rémy, Ville; Sporhan-Krempel, Nürnberg; Polivka, Nürnberg; Bláhóva, Korrespondenz; Wüst, Süddeutsche Reichsstädte; ders., Reichsstädtische Kommunikation. Vgl. dazu auch Herold, Interpretation, S. 122; Möller, Schreibsprachen. Jörg, Kommunikative Kontakte; vgl. auch Schmitt, Städtische Gesellschaft, S. 288–291. Vgl. Sieber-Lehmann, Spätmittelalter Nationalismus, S. 129. Laut dem Brief der Berner Führung muss ein Kölner Bote bei der Eroberung von Grandson dabei gewesen sein, der den Kölner Räten vom Schlachtverlauf berichtet hatte, StABe Dt. Miss. C, fol. 880. StABe Dt. Miss. C, fol. 930 (6. Juli 1476).
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litischen Ereignisse – in diesem Fall handelte es um die erfolgreiche Schlacht von Murten – informiert hatte; auch die Berner Hauptleute müssen in diesen Informationsaustausch mit Billigung ihrer Führungsgruppe, vielleicht sogar auf deren ausdrücklichen Wunsch hin, eingebunden gewesen sein. So wird der Hinweis der Berner Führung verständlich, nach dem Köln bereits aus Briefen von den Berner Hauptleuten vom Erfolg in Murten erfahren haben müsste. Die Räte sprechen weiterhin davon, dass auch zwei Kölner Bürger mit eigenen Augen gesehen hätten, wie „ritterlich“ die eidgenössischen Truppen gekämpft hatten. Der Herzog sei momentan in der Nähe von Salins, wo er seine Truppen mustere und sich auch die savoyische Herzogin, „gegen iren willen“, aufhalte.79 Leider wisse man nicht, was das nächste Ziel des Herzogs sei, doch könne man wegen der großen Verluste, die ihm die Eidgenossen zugefügt hätten, sicher sein, dass ein Angriff von ihm sobald nicht zu erwarten sei. Das letzte nun vorgestellte Schreiben der Räte Berns an Köln von Mitte Dezember 1476 belegt die Anwesenheit eines Kölner Läufers in der Aarestadt zum Zeitpunkt der Abfassung.80 Dieser hatte sich anscheinend mit einem Brief der Kölner Führung und der Bitte nach neuen Informationen über den Kriegsverlauf dorthin begeben. Dass sich dessen Rückkehr so lange verzögert habe, liege, so die Berner, an ihren Wissensträgern, die erst kurz zuvor aus Frankreich zurückgekehrt seien und berichtet hätten, dass sich die eidgenössisch-oberrheinischen Truppen der Unterstützung des französischen Königs stets sicher sein könnten. Auch sei die savoyische Herzogin wieder an der Macht. Deswegen Ànde eine Versammlung in Genf statt, von deren Ergebnis man aber noch nichts wisse. Auch habe der Herzog von Lothringen die Eidgenossen zur Entsetzung von Nancy aufgerufen, und man rede immer häuÀger über Frieden, so die Berner zuletzt. Auch die Basler Führungsgruppe tauschte mit ihren Kölner Kollegen zahlreiche Briefe aus und berichtete ihnen in losen Abständen Neuigkeiten vom Kriegsschauplatz. Diese Tatsache tritt deutlich in einem Brief Kölns an Basel hervor, der Mitte Januar 1475 geschrieben wurde und später Eingang in das Tagebuch des Basler Domvikars Knebel fand.81 Das Schreiben stellte eine Antwort auf einen Brief von Basel dar, in dem der Rat kurz zuvor „von den geschichten […] in Hohen Burgund und von eroberung des keyserlichen slossz Franckmont“ berichtet hatte.82 Für die Mitteilungen dankten die Kölner ihren Basler Kollegen und berichteten im Gegenzug von Ereignissen bei der Belagerung von Neuss durch den burgundischen 79 80 81
82
Zur Bedeutung von Salins als wichtiges Salzbergwerk und Expansionsziel der Berner vgl. Dubois, Le Téméraire; Guggisberg, Salzhandel, S. 7–17. StABe Dt. Miss. D, fol. 38. Vischer u. a., Basler Chroniken 2, S. 159 ff. Es wäre ein lohnenswertes Unterfangen, die im Tagebuch Knebels deutlich werdenden Informationsnetze zu analysieren. Denn er bezog seine Informationen nicht nur aus eigenen Kanälen, sondern wurde von der Basler Führung (Stadt und Bischof) ständig mit Briefen versorgt, die er in sein Tagebuch „einbaute“ und von den Informationsnetzen seiner Heimatstadt ein eindrückliches Zeugnis ablegen (zur Einschätzung von Knebel vgl. die Ausführungen von Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 30–33). StABas Missiven A 14, fol. 23 f. (20. Dezember 1474).
3. Zusammenfassung
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Herzog, woran sich abermals der reziproke Charakter des Informationsaustauschs offenbart. Wie ein Blick in die Basler Missivenbücher belegt, ist die Kommunikation zwischen den beiden Städten am Rhein im Untersuchungszeitraum kein Einzelfall; so sind insgesamt sechs Briefe Basels an Köln erhalten. Das gleiche gilt für den Kontakt von Basel mit Nürnberg, der sich in vier Briefen zwischen 1474 und 1477 niederschlägt. Ebenfalls auf ein erweitertes Informationsnetz deuten die folgenden umfangreichen Berichte des vorgestellten Basler Wissensträgers Peter Rot an Erfurt und Lübeck hin83, in denen er die Ereignisse im Elsass von der Verpfändung der am Oberrhein gelegenen österreichischen Besitzungen bis kurz vor dem entscheidenden Sieg der Koalitionstruppen gegen Karl den Kühnen zusammenfasste.84 Laut dem Herausgeber der Basler Chroniken umfasst der Originalbericht insgesamt mehr als dreißig Folioseiten und enthält eine genaue Beschreibung der Kampfhandlungen aus oberrheinischer Perspektive, der gemachten Beute sowie die Anzahl der getöteten Feinde.85 Wie aus einem Ende August 1476 abgefassten Schreiben Basels an Erfurt hervorgeht, müssen beiden Städte schon zuvor in Briefkontakt miteinander gestanden haben.86 Demnach muss Erfurt gezielt an die Basler Führung herangetreten sein, um nähere Informationen über den Krieg gegen den burgundischen Herzog zu erhalten. Um ihrem Wunsch zu entsprechen, teilte Basel ihren Kollegen die „substantz“ desselben mit. Als Begründung für den Krieg gegen den burgundischen Herzog gaben sie wie die Berner an, er werde zum Schutz des „Heiligen Richs“ und seiner Verbündeten geführt, und man sei dazu aufgrund des Verhaltens des burgundischen Herzogs geradezu „genotdrengt“ worden. 3. ZUSAMMENFASSUNG Die vorgestellten „Cedulae inclusae“ boten den städtischen Führungsgruppen eine efÀziente Möglichkeit, um ihren Empfängern wichtige Informationen mitzuteilen. Mit ihrer Hilfe waren sie in der Lage, sich als Absender zu verschleiern und die gegebenen Nachrichten vor einem unerwünschten Leserkreis zu schützen. Das offenbart erstens die Tatsache, dass sich in den Cedulae keine Siegel, Unterschriften etc. Ànden lassen. Dass sie zweitens meist von einem Schreiber verfasst wurden, der nicht den eigentlichen Brief schrieb, trug ebenfalls zu einer weitgehenden Anonymisierung bei. Da sie drittens nur lose in die Briefe eingelegt wurden, könnte das unter anderem mit dem Wunsch der Absender nach Vernichtung derselben im Bedarfsfall zusammenhängen. Vor allem in Kriegszeiten war ein solches Vorgehen besonders notwendig, weswegen der Großteil der betrachteten Cedulae in den Kon83 84 85 86
Ochsenbein, Urkunden Murten, Nr. 547, S. 390 ff. Vischer u. a., Basler Chroniken 2, S. 159 f., Anm. 1. Ochsenbein gibt jedoch den Ausschnitt wieder, der die Eroberung Murtens behandelt. Dort heißt es: „Uwer schriben und begere uns des burgunschen hertzogen halb Ergangen und an welichen ende bescheen sind, alsdann das uwer brieff mit mehr worten antzoigt etc. haben wir verstanden […]“, Ochsenbein, Urkunden Murten, Nr. 547, S. 392 f.
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G. Informationen als Währung und Propagandainstrument
text der kriegerischen Auseinandersetzungen der untersuchten Städte und ihrer Führungsgremien mit dem burgundischen Herzog gehört. Die festgestellten Informationsverwaltungstechniken deuten zudem an, dass die Informationen, die in den Cedulae übermittelt wurden, schon von den Zeitgenossen als archivierungswürdig erachtet wurden. Das betont abermals die besondere Rolle der städtischen Kanzleien in der Umwandlung dieser Informationen in Wissen und von diesem in politische Handlungen. Mithilfe der Cedulae waren die Führungsgruppen zudem in der Lage, einen erweiterten Kommunikationsraum zu schaffen und zu etablieren, in dem die Kohäsion zwischen und das Vertrauen unter den Bündnispartnern ungemein gestärkt wurde. Übergeordnet wird daran der Charakter der Information als Währung deutlich: Mit der gezielten Verbreitung von Informationen und Nachrichten war man in der Lage, Vertrauen bei den jeweiligen Empfängern zu erwerben. Verstärkt und gewährleistet wurde das durch die in fast allen Cedulae erfolgte Betonung, nach der die übermittelten Informationen besonders wichtig, dass sie auf geheimen Wegen gewonnen wurden, vertraulich und nur für die Empfänger bestimmt seien. Die Verfasser forderten die Empfänger zu einem sensiblen Umgang mit den gegebenen Informationen auf und baten sie ihrerseits um Neuigkeiten, woran die Reziprozität der Kommunikation deutlich wird. Zudem ermöglichten die Cedulae, die Empfänger von bestimmten Anliegen und Meinungen zu überzeugen und sie suggestiv zu beeinÁussen. Die sehr häuÀg als „geheim“ kodierten Informationen, die in Cedulae mitgeteilt wurden, waren für die Koordination einer gemeinsamen Außenpolitik vor allem in Kriegszeiten besonders wichtig. Damit erscheinen sie als Basis von kollektiver Identität und charakterisieren die Personen, die das Geheimnis teilten, als Gruppe.87 Indem die Sender die Empfänger an ihrem Wissen teilhaben beziehungsweise partizipieren ließen, verstärkten sie gleichermaßen das Zusammengehörigkeitsgefühl. Das wiederum stellte die Basis ihrer Stellung dar und war gleichermaßen Ausdruck derselben. Gleiches galt aber auch für den umgekehrten Fall, wenn nämlich der InformationsÁuss bewusst verzögert wurde: Denn auch die Zurückhaltung von Informationen oder ihre verspätete Mitteilung war ein wichtiges Instrumentarium für die untersuchten Führungsgruppen, mit dessen Hilfe sie ihre Kommunikationspartner unter anderem in Alarmbereitschaft halten konnten. Die betrachteten Städte unterschieden zwischen wichtigen Informationen und unbestätigten Gerüchten, Nachrichten und Neuigkeiten. Hilfestellungen boten ihnen in diesem Zusammenhang sprachliche Nuancen, die von allen Kommunikationspartnern verstanden wurden und eine graduelle Abstufung der Qualität der jeweils übermittelten Information zuließen. Man kann sich leicht vorstellen, dass in einer Stadt wie Bern vor allem in Kriegszeiten Unmengen von Informationen eingingen, von denen die erhaltenen wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs dar87
Hahn, Geheim, besonders S. 26 ff.; zu vergleichbaren Ergebnissen im Hinblick auf die „ofÀzielle“ Kommunikation kommt auch Jucker, ohne jedoch auf die „Cedulae inclusae“ einzugehen (vgl. Jucker, Geheimnis; ders., Secrets); zur Theorie des Geheimnisses vgl. allgemein den Sammelband Assmann/Assmann, Geheimnis; zum Briefgeheimnis vgl. Bohn, Soziologie des Briefgeheimnisses; Bullard, Secrecy; Doering-Manteuffel, Informationsstrategien.
3. Zusammenfassung
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stellen. Alle drei untersuchten Städte nahmen im Untersuchungszeitraum zentrale Funktionen als Multiplikatoren für Informationen und Nachrichten ein.88 An den vorgestellten Informationsnetzen Berns und Basels offenbaren sich die Gründe für die bewusste Streuung von Informationen an befreundete Städte sowie an Herrschaftsträger, die nicht direkt in die Kampfhandlungen involviert waren: Die Führungsgruppen nutzten die Informationen als Propagandainstrument und verfolgten mit deren Mitteilung das Ziel, die eigene Position zu stärken, zu legitimieren und Gerüchten vorzubeugen, die möglicherweise kursierten. Vor allem dann, wenn sie betonten, dass der Krieg sich eindeutig gegen die „Tütsche Nation“ oder das „Heilige Rich“ richte und in allen Einzelheiten die Gräueltaten der Burgunder gegen die Zivilbevölkerung beschrieben, konnten sie sich des Rückhaltes anderer Reichsstädte sicher sein. Gleichzeitig waren sie durch die Mitteilung von derart zensierten Informationen in der Lage, das Bild Karls des Kühnen und seiner Amtsträger zu diskreditieren, gezielt antiburgundische Ressentiments zu streuen und eine eigene Sicht auf die Dinge zu propagieren.89 Derartige Briefe enthielten daher auch seltener als sonst Aufforderungen, nach denen die Empfänger ebenfalls Informationen oder Nachrichten übermitteln sollten. Man gab seine Informationen aus freien Stücken und umsonst, und interessanterweise war meist ein gewisser Zeitraum verstrichen, bevor man sie an Nichtinvolvierte übermittelte. Empfänger wie Köln oder Nürnberg konnten aufgrund der genannten Eigenschaften wichtige Funktionen in der (Weiter-)Verbreitung von Informationen einnehmen. Berichteten Bern oder Basel diesen beispielsweise von den Kriegsereignissen, waren sie sich sicher, dass die Nachrichten schnell Grenzen überwanden. Dass das auch geschah, zeigt ein Brief der Kölner Räte, den sie kurz nach dem Überfall Stefans von Hagenbach in den Sundgau im August 1474 an Lüttich schrieben.90 Darin berichteten sie ihren Lütticher Kollegen ausführlich über die Untaten der burgundischen Söldner im Sundgau. In Lüttich fanden sie mit Sicherheit Gehör, schließlich war die Stadt 1468 vom burgundischen Herzog beinahe völlig zerstört worden.91 Daran wird zugleich deutlich, dass man nicht nur in den in der vorliegenden Arbeit untersuchten, sondern auch in anderen Städten den Wert bestimmter Informationen einzuschätzen in der Lage war und wusste, wie man sie – gezielt als Propagandainstrument eingesetzt – verwenden konnte.
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Zu der „Multiplicatio“ vgl. Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 358 f.; Bauer, Gemain sag; zu Berns besonderer Stellung im Untersuchungszeitraum vgl. auch in Ansätzen Jucker, Gesandte, S. 231. Dazu vgl. Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 171–204 u. S. 353–362. Erwähnt bei Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 129. Dazu vgl. Boone, Monde urbain, S. 188–196.
H. WAS HAT DER SCHOTTISCHE AUTOR WALTER SCOTT MIT DEM BERNER CHRONISTEN DIEBOLD SCHILLING ZU TUN? EINE ZUSAMMENFASSUNG Die vorliegende Arbeit untersuchte den Zusammenhang zwischen Informationen, Wissen und Macht und seine Bedeutung für das Verständnis und das Funktionieren städtischer Außenpolitik im Kontext der Burgunderkriege. Informationen wurden dabei als bedeutende Bausteine von Wissen verstanden, das wiederum als Basis von Macht angesehen wurde. Ausgangspunkt war die These, dass die herausgehobene Stellung der drei untersuchten Städte in dem gegen den burgundischen Herzog Karl den Kühnen und seine Verbündeten gerichteten Prozess wesentlich auf dem hohen Informations- und Wissensstand ihrer Amts- und Funktionsträger basierte. Zudem wurde davon ausgegangen, dass sich Bündnisse wie die zwischen den Eidgenossen und den oberrheinischen Reichsstädten im April 1474 und gegen Burgund und seine Verbündeten geschlossene Koalition über Menschen konstituierten, mithilfe eines auf Reziprozität basierenden Informationsaustauschs aufrechterhalten wurden und eine Verstetigung und Verfestigung erfuhren. Daraus ergab sich der für die Arbeit gewählte Ansatz, der die außenpolitischen Akteure in das Zentrum der Betrachtung rückte. Diesem Ansatz folgend, standen zunächst die konkreten Akteure und ihre politischen und persönlichen Motivationen in dem gegen den burgundischen Herzog und seine Verbündeten gerichteten Prozess im Vordergrund. Ihre wichtigsten Aufgaben lagen in der Systematisierung und Verarbeitung von Informationen und deren Transformation in Wissen, um aus diesem im Idealfall politische Handlungsoptionen abzuleiten, die als Ausdruck ihrer herausgehobenen Position gelten können und diese gleichzeitig stützten. Vor diesem Hintergrund wurden die Akteure als Wissensträger verstanden, die ihren Wissensstand durch den stetigen Umgang mit Informationen ständig erweiterten. Auf diese Weise konnten sie ihre eigene politische und gesellschaftliche Stellung genauso ausbauen wie sie damit in der Lage waren, die Position ihrer Heimatstädte und ihrer Verbündeten zu konsolidieren. Förderlich sowohl im Hinblick auf die Etablierung einer einheitlichen außenpolitischen Linie als auch hinsichtlich einer Institutionalisierung von Außenpolitik waren Gremien, die in den untersuchten Städten bereits vorhanden waren und deren Mitgliedern zentrale Aufgaben bei der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Außenpolitik zukamen. Denn sie erlaubten es den Wissensträgern, sich auf bestimmte politische Ressorts zu spezialisieren und ihren Wissensstand in bestimmten Sachfragen zusätzlich zu erhöhen. Die Analyse dieser Personen, die einen großen Anteil der städtischen Führungsgruppen ausmachten, zeigt, dass in allen drei Städten Personen an der Macht partizipierten, die zuvor oder noch im Untersuchungszeitraum Anteil am (Fern-)Handel hatten. Als Schlüssel zum Verständnis der von ihnen verfolgten und gegen Burgund gerichteten Politik können daher neben
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dem Wunsch, ihren bereits vorhandenen (besonders bei Straßburg und Basel) beziehungsweise für die Zukunft projektierten (insbesondere bei Bern) politischen EinÁuss in den seit Mai 1469 an den burgundischen Herzog verpfändeten Gebieten nicht zu verlieren, merkantile Interessen ausgemacht werden. Vor diesem Hintergrund werden ihre Reaktionen einerseits auf den in der Einleitung erwähnten Überfall des burgundischen Parteigängers Bilgeri von Heudorf verständlicher, schließlich waren dessen Opfer eidgenössische KauÁeute. Andererseits wird klar, dass sie von dem von Karl dem Kühnen erlassenen Handelsembargo unmittelbar betroffen waren. Doch lässt sich die Trennlinie zwischen persönlichen und politischen Interessen nur schwer ziehen. Als ein wichtiges Ergebnis lässt sich festhalten, dass man außenpolitische Ausrichtungen nur verstehen kann, wenn man die Personen kennt, die sie maßgeblich prägten, beeinÁussten und letztlich entsprechend ihrer Spezialkenntnisse und -interessen und ihrer Wissensbestände durchführten. Dass nahezu immer die gleichen Wissensträger auf den Versammlungen der eidgenössisch-oberrheinischen Koalition anwesend waren, trug wesentlich zum Aufbau von Vertrauen unter ihnen bei und sorgte für eine verstärkte Kohäsion zwischen ihnen. Gleichzeitig machten sie sich so unentbehrlich, da man auf ihr Wissen vom Stand der Verhandlungen und ihre persönlichen Beziehungen sowohl auf den Versammlungen selbst als auch zu Hause dringend angewiesen war. Wertvolle Hilfestellungen bei der Systematisierung und Verarbeitung von Informationen und deren Transformation in (außen-)politische und militärische Wissensbestände boten den Wissensträgern die städtischen Kanzleien und ihre Mitarbeiter. Als zentrale Knotenpunkte zwischen der städtischen Innenpolitik und ihrer Außenpolitik waren es diese hochprofessionellen Amtsträger, denen wichtige Aufgaben bei der Herstellung, Verwaltung und Archivierung des aus- und eingehenden InformationsÁusses zukamen. Vor diesem Hintergrund können die Kanzleien als Wissensspeicher beschrieben werden, aus denen die Wissensträger schöpfen konnten und die damit eine bedeutende Basis für die herausgehobene Stellung ihrer Heimatstädte waren. Denn es waren die Stadtschreiber und ihre Mitarbeiter, welche die jeweils aktuell geforderten Wissensbestände in der richtigen Form zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stellten. In Zusammenarbeit mit den Wissensträgern strukturierten sie die Außenpolitik vor, koordinierten sie und bereiteten sie nach. Auf diese Weise prägten sie diese in erheblichem Maß mit, waren maßgeblich an der Konsolidierung der Position ihrer Heimatstädte und deren Verbündeten beteiligt und sorgten durch ihre Arbeit ebenfalls für den Aufbau und die Etablierung von Vertrauen unter und einer Kohäsion zwischen den Bündnispartnern. Für das Vertrauen und die Kohäsion weiterhin förderlich waren die persönlichen Beziehungen zwischen einzelnen Räten aus unterschiedlichen Städten, die weitreichenden Kontakte ihrer Stadtschreiber sowie etwaige Kontaktforen, wie die vorgestellte „Stube zum Narren und Distelzwang“ in Bern. Denn diese boten erweiterte Möglichkeiten zur BeeinÁussung der Kommunikationspartner sowie zur Beschaffung und Weitergabe von Informationen neben dem eigentlichen Verhandlungstisch. Gleichzeitig konnte mithilfe der informellen Kontakte eine gemeinsame Außenpolitik besser koordiniert und durchgesetzt werden. Doch offenbarte die Analyse der Kontakte, dass man im Untersuchungszeitraum informell schwerlich
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mit inofÀziell gleichsetzen kann, da man noch nicht eindeutig zwischen Amt und Person unterschied. Vielmehr wurde die Knüpfung und Intensivierung dieser Kontakte vor allem in Krisenzeiten von ofÀzieller Seite sogar gefordert und unterstützt. Daher lassen sich informelle und inofÀzielle beziehungsweise ofÀzielle und formelle Kommunikation eher als zwei Seiten einer Medaille, denn als Gegensatzpaar beschreiben und interpretieren. Im Anschluss an dieses Kapitel standen Techniken im Vordergrund, die es den untersuchten Wissensträgern erlaubten, ihre herausgehobene Stellung zu halten beziehungsweise auszubauen. Eine Hilfestellung boten allen drei Städten ihre Informationsübermittler, die Boten. Diese hochspezialisierten Amtsträger spielten als weithin sichtbare Stellvertreter ihrer Führungen eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung der Beziehungen zwischen den Bündnis- und Kommunikationspartnern und standen in einem interessanten Spannungsverhältnis zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Auch beschränkte sich ihre Rolle nicht allein auf die bloße Übermittlung von Nachrichten, sondern sie nahmen mitunter wichtige Aufgaben bei der Informationsbeschaffung ein. So verwundert es auch nicht, dass sie verstärkt der Kontrolle ihrer Führungsgremien unterworfen waren, die als Ausdruck des Strebens der Wissensträger nach möglichst umfassender Informations- und Wissenshoheit verstanden und interpretiert werden kann. Doch umfasste diese Kontrolle nicht nur die Boten, ihre Arbeitsweise und Übermittlungsgeschwindigkeiten, sondern erstreckte sich auch auf die Inhalte der übermittelten Schreiben. Schließlich war vor allem in Kriegszeiten ein sensibler Umgang mit Informationen gefordert. Denn die Wissensträger wussten aus eigener Erfahrung, dass jede Information über den Feind wichtig für das eigene Vorgehen sein konnte. Daher standen anschließend Maßnahmen im Vordergrund, die ihnen die Beschaffung von Informationen ermöglichten. Um ihr Bedürfnis nach Informationen zu stillen, griffen die Führungsgremien einerseits auf zahlreiche okkasionelle Kanäle, wie beispielsweise KauÁeute, Wirte oder Geistliche, zurück. Während diese Kanäle häuÀg von ihren persönlichen Beziehungen und vom Zufall beeinÁusst waren, verhielt es sich mit den Kundschaftern anders. Bei diesen handelte es sich um hochprofessionelle Amtsträger, deren Aufgaben in der gezielten Beschaffung von Informationen über den politischen Feind lagen. Die Informationen, die die Führungsgremien so erhielten, verwalteten und systematisierten sie in Zusammenarbeit mit den Stadtschreibern und transformierten sie in Wissen. Dieses wiederum kann als Basis ihrer (außen-)politischen und militärischen Handlungen angesehen werden, die sie allein oder gemeinsam mit ihren Bündnispartnern erfolgreich gegen den burgundischen Herzog und seine Verbündeten richteten. Eine interessante Technik, die sie im Zusammenhang mit der Informationsübermittlung nutzten, waren die „Cedulae inclusae“. Diese anonymisierten Schriftstücke wurden in die eigentlichen Briefe gelegt und dienten als Träger von Inhalten, die meist als geheim umschrieben und kodiert wurden. Dadurch schufen ihre Verfasser einen erweiterten Kommunikationsraum, in dem sie mit Hilfe von Informationen Vertrauen erwerben, den Empfänger von bestimmten Anliegen überzeugen und das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken konnten. Zugleich trugen die in den
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Cedulae gemachten und auf diese Weise geteilten geheimen Wissensbestände maßgeblich zur Koordination der Zusammenarbeit der gegen Burgund gerichteten Koalition bei. Bestätigung fand diese Sicht auf Informationen als Kohäsionsmittel auch im umgekehrten Fall, wenn nämlich der InformationsÁuss bewusst verzögert wurde, um den Empfänger beispielsweise in Alarmbereitschaft zu halten. Vor diesem Hintergrund lassen sich Informationen, ihre Mitteilung und ihre Zurückhaltung als wichtige Instrumentarien beschreiben, die wesentlich zur herausgehobenen Position der untersuchten Städte beitrugen. So wird auch verständlich, warum nicht nur die Bündnispartner als Empfänger von Informationen fungierten, und man diese nach Ablauf einer vom jeweiligen Kontext abhängigen Frist auch an Herrschaftsträger mitteilte, die nicht unmittelbar in die Kampfhandlungen gegen den burgundischen Herzog involviert waren. Die Inhalte und Betonungen, die in diesem Zusammenhang gewählt und gesetzt wurden, offenbarten eine weitere Bedeutung von Informationen, die gezielt gestreut als Propagandainstrument dienen konnten. Diese Funktion lässt mich zu den in der Einleitung wiedergegebenen Schilderungen des Überfalls auf die eidgenössischen KauÁeute auf dem Rhein vom Berner Unterschreiber, Chronisten und Zeitgenossen des Geschehens, Diebold Schilling, zurückkehren. In seiner Chronik über die Burgunderkriege widmete er diesem Ereignis insgesamt fünf Kapitel und stellte es in einen interessanten Kausalzusammenhang: Obwohl der Überfall im April 1473 stattfand, ordnete Schilling diesen unmittelbar nach dem Regierungsantritt des burgundischen Landvogts Peter von Hagenbach in den verpfändeten Gebieten 1469 und genau vor insgesamt sieben Kapitel ein, die in chronologisch ungeordneter Reihenfolge das Verhalten der Burgunder gegenüber Schillings Arbeitgeber Bern und ihren oberrheinischen Bündnispartnern in den verpfändeten Gebieten zum Inhalt hatten.1 Das ist nur ein Beispiel von vielen chronologisch wie inhaltlich offensichtlich „falschen“ Darstellungen in den Werken des Zeitgenossen der Ereignisse, die dieser kurz nach den Burgunderkriegen verfasste.2 Während die Gründe für die Diskreditierung der burgundischen Herrschaft am Oberrhein bereits Gegenstand von Veröffentlichungen waren, wird zuletzt insofern Neuland betreten, als nun die Arbeitsweise des Chronisten und deren Folgen im Vordergrund stehen soll.3 Denn das Beispiel des Chronisten Schilling führt einen Zusammenhang von Informationen, Macht und Wissen vor Augen, der die Bewertung des Geschehens und die Forschung bis in die Gegenwart beeinÁusst hat. 1
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Tobler, Berner Chronik, S. 89–147: Kapitel 61 (Regierungsantritt Hagenbachs); Kapitel 62– 66 (Gefangennahme und Befreiung der KauÁeute); Kapitel 67–73 (Vergehen Hagenbachs gegenüber Bern und seinen Verbündeten und in den Pfandlanden). Weitere Beispiele bei Walter, Symbolische Kommunikation; Paravicini, Hagenbachs Hochzeit; Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus. Zum Werk Diebold Schillings und seiner Rezeption vgl. Ladner, Schilling; Walder, Drei Redaktionen; Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 37–44; zuletzt Schmid, Geschichte, S. 64–67 und S. 94–99. Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus (mit weiterer Literatur); Paravicini, Hagenbachs Hochzeit; Walter, Symbolische Kommunikation.
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Als Unterschreiber der Stadt Bern und Stubengenosse der vorgestellten „Stube zum Narren und Distelzwang“, deren Mitglieder ihn überdies mit der Abfassung der Chronik beauftragt hatten, genoss Schilling deren Vertrauen und zugleich vollständigen Zugriff auf die Informations- und Wissensbestände, welche die Berner Kanzlei in ihrer Funktion als Wissensspeicher beherbergte.4 Dies ermöglichte ihm in wertender Rückschau eine (Vor-)Auswahl der Dokumente zu treffen, zeitliche Abfolgen zu verändern und zu variieren, Ereignisse zu verschweigen und bestimmte, in diesem Fall antiburgundische Betonungen zu setzen. Das erreichte er mithilfe der Akten aus dem Wissensspeicher der Berner Kanzlei, die ihm zur Verfügung standen. So gab er beispielsweise zahlreiche Briefe von seiner und an seine Heimatstadt mitunter stark verkürzt oder verändert wieder, zitierte nur aus Bündnisurkunden, die zu seiner Gesamtaussage passten und bezog weiteres städtisches Schriftgut unter Hinzufügung von interessegeleiteten Informationen ein. Zudem konnte er in der Stube zum Distelzwang die maßgeblichen Berner Wissensträger des erfolgreich beendeten Kriegs gegen Burgund zu den Ereignissen befragen, und es ist davon auszugehen, dass sie als Auftraggeber derartige Befragungen sogar einforderten, zumal Schilling ihnen nachweislich bereits fertiggestellte Episoden aus seiner Chronik vorlas. Dadurch ermöglichte er ihnen, einen zensierenden und korrigierenden EinÁuss auf den Inhalt zu nehmen.5 Nachdem Schilling seine stark von antiburgundischen Ressentiments geprägte Chronik im Jahr 1483 fertiggestellt hatte, übergab er sie den Mitgliedern des Distelzwangs, die sie ihrer Heimatstadt (und damit auch sich selbst) in einem feierlichen Akt überreichten. Die Räte wiederum legten das nach Schillings Aussagen den „raeten und gemeinen burgern ze Bern und iren Ewigen nachkomen“ gewidmete Werk „in das gewelb zuo anderen briefen und schetzen“6 und beauftragten ihren Stadtschreiber Thüring Fricker Anfang Juli 1487 unter Hinzunahme der in der Stadt vorhandenen Chroniken und damit auch Schillings Werk, eine Zusammenfassung der Ereignisse des Kriegs gegen Karl den Kühnen und seine Verbündeten anzufertigen, wobei sie in erster Linie an die Schlacht von Murten dachten.7 Der Grund dafür lag in dem Wunsch der maßgeblichen Berner Wissensträger, der Bevölkerung ihrer Heimatstadt diese Zusammenfassung alljährlich am Tag der 10.000 Ritter (22. Juni) im Berner Münster öffentlich zu verkünden.8 Dadurch wurde die von den vorgestellten Berner Wissensträgern in Zusammenarbeit mit Schilling konstruierte „Geschichtsschreibung der Sieger“ in das kulturelle Gedächtnis der Berner Bürger und der nachfolgenden Generationen übertra-
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Zu den Mitgliedern des Distelzwangs als Auftraggeber Schillings vgl. Walder, Drei Redaktionen, S. 87; Walter, Symbolische Kommunikation. Vgl. dazu Walder, Drei Redaktionen. Schilling selbst spricht davon, das Werk sei „von raeten und burgern verhoert und corrigiert worden“, Tobler, Berner Chronik 2, S. 277. Tobler, Berner Chronik 2, S. 277. StABe RM 56, fol. 53, zit. nach Tobler, Berner Chronik 2, S. 361. Ebd.: Im entsprechenden Ratsmanual heißt es, Fricker solle „us den kroneggen den Murtenstrit kurzlichen zuo begriffen und minen hern den zuo lesen, damit der in der kilchen iaerlichen geofnet und verkunt werd“.
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gen.9 Dieses bestimmte noch Jahrhunderte später die Sicht auf Hagenbach und auf die Herrschaft des burgundischen Herzogs am Oberrhein.10 Schließlich boten die von Schilling gegebenen Schilderungen zahlreichen Personen und Gruppen, später auch Nationalstaaten und in deren Diensten stehenden Wissenschaftlern, erweiterte Möglichkeiten zur Instrumentalisierung des Wissens, das sie bei Schilling vorfanden und ermöglichte deren Anpassung in den jeweils geforderten, meist antifranzösischen machtpolitischen Kontext.11 Dass beispielsweise der schottische Autor Walter Scott in seinem 1829 veröffentlichten Roman „Anne of Geierstein; or, The Maiden of the Mist“ Hagenbach als grausamen Tyrannen beschrieb,12 hatte damit seinen Ursprung in dem hohen Informations- und Wissensstand Schillings, Frickers und der maßgeblichen Berner Wissensträger. Denn diese wussten, wie sie Informationen bearbeiten und systematisieren mussten, um sie in kollektive Wissensbestände zu transformieren.13 Auf diese Weise gelang es ihnen, sowohl das Wissen als auch ihre herausgehobene Stellung und die ihrer Bündnispartner im Kontext der Burgunderkriege auch für die Zukunft zu sichern und zu konservieren.14
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Neben den wegweisenden Arbeiten von Jan und Aleida Assmann zum kulturellen und kollektiven Gedächtnisses vgl. für die städtische Chronistik Rau, Erinnerungskultur. 10 Zur Rezeption von Schillings Werk vgl. Tobler, Berner Chronik 2, S. 361 f.; Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 40–44; Schmid, Geschichte, S. 204–214 u. S. 226–263; Himmelsbach, Renaissance. 11 Namentlich war es Hermann Heimpel, der Hagenbach im Jahr 1942 als „Geßler am Oberrhein“ beschrieb, Heimpel, Verfahren, S. 321 und ihn noch nach dem Ende des Nationalsozialismus im Vorwort von Hildburg Brauer-Gramms Hagenbach-Biographie als „Schatten Karls des Kühnen“ bezeichnet (Brauer-Gramm, Peter von Hagenbach, Geleitwort, vgl. dazu Paravicini, Hagenbachs Hochzeit, S. 28–31, vor allem die Anmerkungen 79–98; Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus, S. 61–67. 12 Scott, Anne of Geierstein. Als ein Beispiel von vielen seien in diesem Zusammenhang Scotts Schilderungen von Hagenbachs Hinrichtung wiedergegeben: „The free citizens of Bâle have acted for themselves, as the fathers of Swiss liberty set them an example; and the tyrant, de Hagenbach, has fallen by the same rigth which put to death the tyrant Geysler. We bore with him till his cup was briming over, and then we bore no longer“, Scott, Anne of Geierstein, S. 326 (eine Übersetzung in die deutsche Sprache erfolgte noch im selben Jahr in Stuttgart und trug den Titel „Anna von Geierstein, oder: Die Tochter des Nebels. Historische Novelle“). 13 Vgl. dazu Landwehr, Diskurs, S. 113: „Das Wissen von sich, von den anderen, von der Ordnung insgemein, ist immer mit der Frage der Macht über dieses Wissen verbunden“. 14 In diesem Zusammenhang muss nach „Orten, Prozessen und Erzählungen“ gefragt werden, was eine Reihe von neuen Einsichten in das Funktionieren von (spät-)mittelalterlicher Historiographie verspricht. Vgl. dazu Studt/Rau, Einleitung; Bihrer, Orte.
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REGISTER Das Register enthält in alphabetischer Reihenfolge die im Haupttext und in den Anmerkungen vorkommenden Orts- und Personennamen. Hohe kirchliche und weltliche Funktionsträger sind nach ihrem Vornamen erfasst. Bf. = Bischof, Btm. = Bistum, d. = der, d. Ä. = der Ältere, d. J. = der Jüngere, Ebf. = Erzbischof, Ehefr. = Ehefrau, Fam. = Familie, gen. = genannt, Gf. = Graf, Gf.in = GräÀn, Gfn. = Grafen, Gft. = Grafschaft, Hzg. = Herzog, Hzt. = Herzogtum, i. = im, Kg. = König, Kl. = Kloster, Ks. = Kaiser, Mgfn. = Markgrafen, s. = siehe, v. = von Aachen 218 Aarau 135 Aargau 12, 28, 42, 122 f., 128, 154 f., 210 Albrecht VI., Hzg. v. Österreich 11 f. Alshausen 179 Altkirch 90 Amadeus VIII., Hzg. v. Savoyen 43, 56, 259 Amadeus IX., Hzg. v. Savoyen 39, 48 v. Amelung, Jakob 82, 90 f., 101–103, 178, 192, 217, 225, 234 Ammersweiler 227 f. v. Andlau, Fam. 118 – Peter 254 d’Appiano, Giovanni 54, 257 Aragon 37, 40 v. Arberg, Wilhelm 209 Archer, Anton 33 Arge, Heinrich 81 f., 88 d’Arney, Claude 54 f. d’Aubrion, Jean 205 Augsburg 87, 90 f., 102 f., 122, 169, 266 Baden (Stadt) 53, 97 Baden-Hachberg-Rötteln, Mgfn. v. 18, 172, 209 – Philipp 18, 167, 172, 278 f. – Rudolf 18, 33, 93–95, 101, 164 f., 167, 181 f., 187, 208 f., 263, 278 Baden, Mgfn. v. 172, 209, 223 – Karl 27, 88, 123, 209 Balsthal 136 Bar, Hzt. 202, 273, 275 Barcelona 17, 61, 153 v. Bärenfels, Fam. 122 – Arnold II. 122 – Hans 58, 90, 109, 120–126, 128, 131, 138, 143, 191–193
– Lüthold I. 122 – Lüthold III. 123 – Magdalena, Ehefr. v. Hans v. Bärenfels 122 – Werner II. 122 – Werner III. 123 Barpfennig, Kaspar 194 f. Bartholomäus, Knecht d. Sieben in Metz 274 f. Bär, Hans 141 Basel SDVVLP v. Basel gen. Zellenberg, Hans 275 Baumgartner, Klaus 81 f., 99–101, 121, 148 de Beauffremont, Jean 67 Beaune 259 Belfort 90, 93 v. Belfort, Heinrich 216 Belp 61 Benedicti, Diebold 262 f. Ber, Jakob 241 Bergart 251 f., 270 Bergheim 101 f. Bern passim Beromünster 49, 123, 208 v. Berse, Hans 82, 88, 195, 268 Besançon 67, 141, 239, 247, 249, 261 v. Betschold, Wilhelm 84 – Margaretha, Ehefr. v. Wilhelm v. Betschold 84 Biberach 167 Biel 53, 237, 291 v. Birtsch, Walribe 258 Blamont 52–54, 69, 94, 97 f., 123, 157, 177, 195, 206 f., 217, 221, 261, 287 v. Blumenau, Jakob 287 Bock, Friedrich 92, 94 Böhmen 162 Bomgarter, Walther 11, 128
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Register
v. Bonstetten, Fam. 195–197, 208 – Albrecht 24, 160, 195–200, 208 – Roll 208 v. Brandis, Freiherren 208 Brant, Sebastian 153 Breisach 86, 90, 121, 126, 132, 136, 180, 250 Bremenstein, Fam. 134 – Hans 109, 121, 130, 134–137, 189 – Klara, Ehefr. v. Hans Bremenstein 134 de Bresse, Philippe 38–40, 42, 44, 48, 52 f., 55, 165, 220, 261, 297 Brugg 154 f., 166 Brugger, Anna, s. Fricker, Anna Brügge 48 Brüggler, Ludwig 35 Brüssel 203 v. Bubenberg, Fam. 31, 35, 44, 65, 67, 70, 72, 206 – Adrian 31, 36, 39, 53, 62 f., 65–72, 189, 210, 214, 255 – Adrian II. 72 – Anna, Ehefr. v. Heinrich v. Bubenberg 65 – Heinrich 65 – Jakobea, 1. Ehefr. v. Adrian II. v. Bubenberg 66 – Johanna, 2. Ehefr. v. Adrian II. v. Bubenberg 66, 70 f., 214 Buchholz (Westfalen) 167 Burgdorf 37 Burgund, Freigft. 53, 73, 95–97, 116, 118, 176, 195, 225, 234, 240–242, 249, 253, 260, 262, 267 Burgund, Hzt. 41, 73, 88, 169, 262, 279 v. Casanova, Abt, s. de Lignana, Agostino Chur 42 v. Cöllen, Susanna, s. Schott, Susanna Colombier-Fontaine 247 v. Colombier, Heinrich 234 de Commynes, Philippe 15 Como 161, 196 Crüwe, Nikolaus 251 v. Cyro, Peter 167 Dachstein 74, 81 Dagsburg, Gfn. v. 238 Dambach-la-Ville 269 v. Daun, Johann 135 Delsberg (Délémont) 135 Deutsch, Niklaus Manuel 167 Diebold (Basler Bote) 221, 267 f. v. Diesbach, Fam. 31 f., 35, 37, 41, 44 f., 56, 62, 66, 149, 157, 162, 206
– Anastasia, 3. Ehefr. v. Wilhelm v. Diesbach 43 – Anna, 1. Ehefr. v. Nikolaus v. Diesbach 42, 44, 155 – Barbara, 2. Ehefr. v. Nikolaus v. Diesbach 33, 42, 62, 123 – Christina 37 – Clewi (Nikolaus I.) 36, 162 – Dorothea, 1. Ehefr. v. Wilhelm v. Diesbach 42, 123 – Helena, 2. Ehefr. v. Wilhelm v. Diesbach 42 – Loy (Lucius) 37 – Ludwig I. 37, 43, 120 – Ludwig II. 33, 37, 39 f., 44 f., 51 f., 219 f. – Nikolaus (II.) 12 f., 28, 30, 33, 36–58, 60 f., 63–66, 68, 70, 72, 92, 96 f., 99 f., 120, 123, 126, 132 f., 135, 148 f., 155, 157 f., 161–165, 187–191, 196–198, 210, 261, 263, 287 – Peter 42 – Wilhelm 37, 40–44, 47, 53, 61, 126, 149 Dieuze 237, 252, 258, 273, 277 Dijon 44, 65, 259 f., 263 Düsch, Hans Erhard 172, 176, 240 f. Eberler, Matthis 141 v. Eberstein, Hans 266 v. Effringen, Fam. 118, 120 – Henmann 119 – Ursula, s. Rot, Ursula Einsiedeln, Kl. 48, 195 f. Emmental 208 v. Endingen, Fam. 191 – Hans Rudolf 96, 102, 191–193 Eningen 228 f. Ensisheim 60, 64, 85, 90 f., 96, 100, 103, 121, 126 f., 133, 136, 143–146, 170 f., 171, 173, 221 v. Eptingen, Fam. 118 – Hans Bernhard 144 – Hermann 181 Erfurt 301 v. Erlach, Fam. 35, 56, 65 Esch-sur-Alzette 274 v. Falkenstein, Thomas 136 Farnsburg 143 Faur, Gervatius 51–53 Feldkirch 51, 60, 65, 126, 159, 164 f., 224, 261, 292 Ferdinand I., Kg. v. Neapel 248 Flandern, Gft. 73, 204, 246, 258 Foix, Gft. 40 f.
Register Foix, Gfn. v. 40 f. Frankfurt 11, 83, 93, 127 f., 131, 141 f., 170, 266, 298 Fränkli, Fam. 33, 162 – Hans 33, 162 Frankreich 38–41, 43 f., 47, 51 f., 56 f., 68, 73, 103, 164, 169, 194, 201, 209, 222, 232 f., 238, 245, 261, 297, 300 v. Freiberg, Helena, s. v. Diesbach, Helena Freiburg i. Br. 87, 89, 121, 128, 155, 195, 225, 253, 266 Freiburg i. Ue. 12, 27, 38 f., 53, 59, 71, 73, 160, 165, 185, 221, 224, 235, 237–239, 248, 252 f., 256, 261–263, 270 f., 288, 292 f., 295, 297 Freiburger, Georg 33 – Verena, Ehefr. v. Georg Freiburger 33 Fricker, Fam. 154 – Anna, 2. Ehefr. v. Thüring Fricker 167 – Elisabeth 167 – Hieronymus 167 – Johann 154 – Margaretha, 1. Ehefr. v. Thüring Fricker 167 – Niklaus 39, 44, 154 f., 173 f. – Thüring 24, 30, 35, 52, 60, 62, 65 f., 97, 126, 135, 152, 154, 167, 171–175, 182–184, 186–188, 195–200, 206, 210, 261, 263, 306 f., 309 f. Friedrich III., Ks. 13, 15, 59 f., 58, 63, 67, 86–88, 90 f., 93, 95 f., 101–103, 120 f., 124, 128, 146, 159, 170 f., 193, 202 f., 205, 218, 226, 232, 249, 252 Friedrich I. der Siegreiche, Pfalzgf. bei Rhein 14, 47, 58 f., 63, 86, 88, 91, 93, 95 f., 135, 182, 209, 285, 290 Fürstenberg, Konrad Gf. v. 228 f. Gaza 43 Geiler v. Kaisersberg, Johannes 85 Geislingen 255 Geldern, Hzt. 202 Genf 38, 70, 103, 247–249, 261, 292, 300 Georg v. Baden, Bf. v. Metz 277, 279 v. Geroldseck, Diebold 11, 22–24, 115, 177, 294, 308 Glockengiesser, Hans 175, 237 Göldlin, Heinrich 132 Gorze, Kl. 202 Grandson 70, 199, 207, 296–299 Graubünden 42 Greifenstein, Burg 238 Greyerz (Gruyères), Gfn. v. 208 f. – Franz I. 208 f., 238
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Grieb, Fam. 130 – Lienhard 130 v. d. Gruben, Hans 33, 43 Gruber, Anna, s. v. Scharnachtal, Anna Gsell, Ludwig 141 Hagenau 151, 201 v. Hagenbach, Peter 14, 18, 27, 49, 51, 63–65, 67, 85, 89–91, 101 f., 121 f., 126, 129, 133, 135 f., 140, 142–146, 170, 173, 187, 190, 203, 210, 220, 225, 253, 308–310 – Stefan 51, 65, 91, 133 Halbeisen, Fam. 37 – Lorenz 118 v. Hallwil, Fam. 44, 118, 123 – Dietrich 44 f. – Dorothea, s. v. Diesbach, Dorothea – Walther 169 Hase (Straßburger Kundschafter) 275 Heidelberg 86, 155 Heinrich v. Neuenburg, Bf. v. Basel 105 Hensel (Bote v. Peter v. Hagenbach) 225 Héricourt 92–95, 97, 116–118, 126, 223, 254, 259 f., 285, 290 Hermann v. Breitenlandenberg, Bf. v. Konstanz 12, 48 Hermann v. Hessen, Ebf. v. Köln 290 Hetzel v. Lindenach, Fam. 189 – Ludwig 57 f., 121, 136, 138, 189 f. v. Heudorf, Bilgeri 11–13, 22–24, 27, 49, 59, 102, 115, 177, 294, 306, 308 Holzach, Eucharius 119 Homburg 143 Hugstein 227 f. Humpiss, Jost 163, 248 Hundesheim 269 v. Hunwil, Heinrich 57, 196–198 Hutzschin, Balthasar 136, 141 Iberische Halbinsel 40 v. Ingenheim, Martin 201–205, 268, 274 f. Ingold, Fam. 84, 193 – Hans 85, 193 – Klaus 130, 193 f. – Konrad 193 f. Innsbruck 125, 222 Interlaken 160 f. Irmi, Fam. 37, 137–140 – Bertha, s. Kilchmann, Bertha – Hans d. Ä. 137 – Hans d. J. 13, 118, 121 f., 126–128, 137–142, 146 – Regula, Ehefr. v. Hans Irmi d. J. 138
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Register
Iselin, Fam. 118, 126 – Heinrich 13, 90, 109, 113, 119, 121, 124, 126–130, 138, 143 – Jakob 129 – Margarethe 126 – Rudolf 126 – Susanna 126 Italien 73, 103, 159 f., 164 Jerusalem 43, 57 Johann Ludwig v. Savoyen, Bf. v. Genf 70 Johann Senn v. Münsingen, Bf. v. Basel 105 Johann V. v. Venningen, Bf. v. Basel 50, 89, 104, 121, 125, 127, 135 f., 144, 185, 210, 216, 223, 237, 294, 300 Jordan, Peter 256 Jungermann, Elisabeth, s. Zeigler, Elisabeth – Heinrich 138 v. Kageneck, Fam. 102 – Hans 86, 90, 102, 236 f., 269, 272, 276 Karl VII., Kg. v. Frankreich 38 Karl der Kühne, Hzg. v. Burgund 13–16, 18 f., 23, 27 f., 35 f., 40–42, 44–46, 48–52, 57–60, 63 f., 66–68, 70, 87–92, 95, 98–100, 103, 115 f., 121, 124, 131–134, 138–142, 144–151, 158–160, 163, 165 f., 170 f., 173, 181, 183, 185, 187, 189, 191, 197, 199–204, 209 f., 218, 220–223, 226, 232, 234, 236–239, 247–252, 256, 258–261, 270–272, 276–279, 287, 289–291, 293, 295–301, 303, 305–310 Kehl 73 Keller, Johannes 87, 102, 178, 294 Kentzingen 93, 100 Kestenholz 85, 89, 251 v. Kilchen, Fam. 37 – Werner 37 Kilchmann, Konrad 118 – Ludwig 119 – Bertha, Ehefr. v. Ludwig Kilchmann 119 Kistler, Peter 34–36 Kleinbasel 122 Klingenau 179 Knebel, Johannes 129, 170, 237, 253, 300 Kolber, Adam 251 Kolhase, Hans 250 Kolmar 50, 59, 88, 96, 100, 125, 133, 170, 185, 221, 223, 236, 253, 267, 294 v. Kolmar, Jakob 241 Köln 37, 92, 218, 259, 290, 299–301, 303 Königsfelden 154 Köniz 208
Konstanz 12, 43, 48 f., 63 f., 67, 74, 89, 115, 125, 127–129, 133, 136, 154, 158, 181, 196 Kreuzingen 100 Kreuzlingen 229 Krungen, Werlin 250 Kürsheim 179 L’Isle-sur-le-Doubs 97, 175, 179, 235, 240 f. La Grange 97, 240 f. v. La Sarraz, Fam. 70 f. – Johanna, s. v. Bubenberg, Johanna – Nicod 71 – Wilhelm 70 f. Landser 169 Laufen 11 Laufenburg 13, 132, 165, 190, 250 v. Lauffen, Fam. 118, 130 – Bernhard 118, 131 – Hans 118, 143 Lausanne 54, 70, 154, 160, 162, 196, 257, 259, 271, 293, 298 Leopold III., Hzg. v. Österreich 122, 216 Liestal 221 de Lignana, Agostino 232, 259–261 Lombach, Jakob 187 Lothringen, Hzt. 50, 89, 93, 96, 143, 169, 192, 202–204, 217, 225, 236 f., 251 f., 267 f., 273–276, 278, 286, 290 Lübeck 301 Ludres 87, 90 Ludwig XI., Kg. v. Frankreich 13–15, 18, 23, 36, 38 f., 41, 43–57, 60 f., 63, 65–69, 90, 92, 96, 133 f., 136, 149, 156–158, 163–166, 173, 191, 197, 199–202, 207, 209, 214, 224, 230, 232–234, 239, 253, 257 f., 261, 279, 288 f., 291, 295, 297 zum Luft, Ulrich 131 Lumbart, Hans 82 Lupfen, Gfn. v. 179, 228 f. v. Lupfen, Regula, s. Irmi, Regula Lüttich 303 Luxemburg, Hzt. 18, 204, 275 v. Luyrieux, Fam. 40, 45 – Amadeus 40 – Claude 40 – Wilhelm 40, 45 Luzern 53, 57–60, 67, 73, 91 f., 96, 99, 109, 121, 128 f., 131–133, 135–138, 140, 154, 158, 160 f., 185, 191, 196–198, 221, 249, 286, 289, 293–295 Lyon 52, 103, 197, 249, 257 Mailand, Hzt. 14, 43, 57, 137–142, 156, 160, 162, 164, 195–200, 233, 248, 257, 293
Register Maria v. Burgund 14, 50 Martin (Bote des Basler Bf.s) 237 Masmünster 90 Matter, Fam. 35, 62 Matthias Corvinus, Kg. v. Ungarn 198 f., 253 Maximilian I., Ks. 50 Mecking, Gerhard 167 f. Medici, Fam. 137 Meier, Johannes 151, 175 f., 178 f., 201–205, 218, 226, 268 f., 273, 306 f. Meltinger, Fam. 138 Metz 86, 94, 151, 201–205, 267, 269, 272–279 Meurin, Baude 44 f. Michel, Kaspar 175 f., 251, 268–270, 272, 274–281 Mieg, Fam. 84 – Jakob 84 – Peter 84 v. Mittelshausen, Konrad 291 f. Mol (Straßburger Kundschafter) 274 Molsheim 91 Mümpelgart (Montbéliard) 90 f., 247 Morges 72 v. Mörsberg, Hans 180 – Konrad 235 Moudon 263 v. Muleren, Fam. 65 – Urban 33, 35 Mülhausen 12 f., 15, 27, 47, 49 f., 57–60, 62 f., 68, 84, 88–90, 100, 104, 121, 125, 128 f., 132, 135 f., 138, 146, 149, 158, 168–171, 173 f., 182 f., 187–192, 203, 209–201, 223 f., 230 f., 254, 285 v. Mülinen, Fam. 122 f. – Hans Friedrich 123 – Magdalena, s. v. Bärenfels, Magdalena v. Mülnheim, Philipp 86, 88 Münchenstein 143, 221 Münster 218, 227 f. Murbach, Abt v. 227 f. Murhans (Straßburger Bote) 226 Murten 71, 252, 255–257, 263, 270 f., 289, 298–301, 309 Nancy 236–239, 251, 269 f., 274, 276–279, 300 Neapel 248 Neckarburg 228 f. Neidingen 228 Neuchâtel 39 de Neuchâtel-Urtières, Tibaut 38 Neuenburg 100, 234, 266, 286, 296
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Neuenburg-Valangin, Jakobea Gf.in v., s. v. Bubenberg, Jakobea Neuenstadt 251 f. Neuss 93, 116, 118, 179, 260, 290, 297, 299 f. Nidau 37, 62 Nittin (Straßburger Kundschafter) 274 Nördlingen 298 Nürnberg 73, 103, 162, 224, 238, 240, 298 f., 301, 303 Nyon 257 Oberlin, Hans 227 Obernehnheim 227 f. Obersiebental 287 Offenburg, Fam. 131 – Peter 118, 172 Orbe 70, 296 Orléans 233 Orly 274 f. Ortenberg 87, 89, 101 Ottenheim 49 Ovid 260 Palästina 37, 43, 57, 65 Panigarola, Giovan-Pietro 43 Paris 201, 232 Pavia 155 f., 160 f., 196–198, 200 Payerne 263, 293 Péronne 45 PfefÀngen 227 f. PÀrt, Gft. 13 Philipp der Gute, Hzg. v. Burgund 65, 236 Piccolomini, Enea Silvio 107 Piemont 43 Pietro Mocenigo, Doge v. Venedig 248 Pignerol 44 Pikardie 204 Plessis-les-Tours 239 Pletz, Dietrich 228 f. Polen 162 Pont-à-Mousson 229, 279 do Pont, Jakob 255 Pontarlier 207, 260 Pruntrut (Porrentruy) 53 f., 124, 230, 287 Prechter, Fam. 84 Pyrenäen 40 v. Rappoltstein, Wihelm 227 f. Rapperswil 136 Rappoltsweiler 228 v. Raron, Freiherren 208 Ravensburg 162 f., 248 Regensburg 58, 103, 124, 127 v. Regisheim, Kaspar 131 – Klaus 109
350
Register
Reinhard v. Lothringen, Hzg. v. Lothringen 96, 102, 192, 225, 234, 236–238, 258, 267, 269, 274, 277–279, 287, 300 zu Rhein, Kaspar 171, 230 f. Rheinau 11 Rheinfelden 13, 124, 127, 132, 144–146, 165, 168, 190, 221, 288 Richen, Jakob 237 Riffe, Konrad 82, 99, 148, 178–180, 192, 267, 286 v. Ringoltingen, Fam. 31, 35, 56, 62, 206 – Thüring 33, 38, 210 Rom 12, 79, 160–164, 171, 196, 253 Romont 165, 255 v. Romont, Jakob 27, 48, 62 f. v. Rosenegg, Anna, s. v. Bubenberg, Anna Rosheim 227 f. Rot, Fam. 120, 142 – Hans 37, 120 – Margaretha, 1. Ehefr. v. Peter Rot 120 – Peter 37, 113, 120–126, 128, 136, 138, 144–146, 301 – Ursula, 2. Ehefr. v. Peter Rot 120 Rötteln 95, 127, 146, 221 Rottweil 228 f. Rudolf (Basler Söldner) 267 Rümlang, Margarethe v., s. Rot, Margarethe Ruprecht, Pfalzgf., Ebf. v. Köln 290 Ruprecht v. Simmern, Bf. v. Straßburg 50, 66, 89, 125, 185, 237, 267 Rüsch, Fam. 168 – Lawlin 168 – Nikolaus 128, 152, 167–172, 181, 183 f., 306 f. v. Rüsseck, Fam. 42 – Anna, s. v. Diesbach, Anna Säckingen 13, 132 f., 165, 190, 221, 250 St. Blasien, Abt v. 228 f. St. Blasien, Kl. 12, 228 f. Sainte-Croix 262 f. St. Gallen 36 St. Georgien im Schwarzwald, Abt v. 228 f. St. Georgien im Schwarzwald, Kl. 228 f. St. Jakob an der Birs 14 Saint-Nicolas-de-Port 236, 251, 278 Saint-Omer 13–15, 22, 27 f., 46, 51, 73, 124, 135 Salins 300 Sargans 130 f. Sausenberg 95 Savoyen, Hzt. 14, 27, 37–39, 41, 43, 45, 48, 50, 62–66, 70–72, 165, 192, 197, 199, 209, 224, 248 f., 261 f., 270, 279, 297
Schad, Andreas 168 v. Schad, Margaretha, s. Fricker, Margaretha Schaffhausen 11 f., 99 v. Scharnachtal, Fam. 31, 35, 41 f., 56, 61, 206 – Anna, Ehefr. v. Nikolaus II. v. Scharnachtal 57 – Barbara, s. v. Diesbach, Barbara – Hans-Rudolf 56, 61 – Jakob 56 – Kaspar 42, 56 – Konrad 56, 62 – Nikolaus 12, 33, 36, 39, 42, 44, 49 f., 52, 56–65, 91, 99 f., 121, 126, 128, 132, 148 f., 157, 169, 173, 187–191, 210 Schilling, Fam. 194 f. – Diebold 11 f., 25, 53, 64, 71, 96 f., 126, 161, 172, 176, 188, 194 f., 206 f., 230 f., 297, 308–310 – Margarethe, s. Zeigler, Margarethe Schlettstadt 50, 59, 88 f., 125, 133, 153, 170, 185, 203, 221, 294 Schlierbach, Fam. 143 – Rudolf 128 Schneider, Hans 175, 179 Schneider, Lorenz 179 Schönkind, Fam. 118, 142 f. – Agnes, Ehefr. v. Peter Schönkind 143 – Jörg 143 – Margarete, s. Iselin, Margarete – Peter 118, 124, 126, 130, 140, 142–147, 195 Schopfer, Peter 33, 35 – Verena, s. Freiburger, Verena Schopfheim 228 f. Schott, Fam. 83 – Margaretha, s. v. Betschold, Margaretha – Peter d. Ä. 33, 35, 53, 65, 82–99, 101, 148, 180, 235, 269, 290 – Peter d. J. 84 – Susanna, Ehefr. v. Peter Schott d. Ä. 84 f. Schuttern 11, 102, 177, 294 Schwaben 42, 65, 221 Schwäbisch-Gmünd 255 Schwarzwald 12 f. Schwend, Anastasia, s. v. Diesbach, Anastasia Schwert, Lorenz 225 Schwyz 129, 133, 137, 185, 196, 294 Scott, Walter 95, 305, 310 Senlis 51, 232 v. Sennheim, Jakob 131 Sforza, Bianca Maria 198 f.
Register Sforza, Galeazzo Maria, Hzg. v. Mailand 43, 47, 54, 57, 118, 137–142, 156, 160, 164, 196, 200, 233, 245, 248, 257, 293 Sigmund von Tirol, Hzg. v. Österreich 12–15, 23, 27 f., 36, 42, 46, 48–51, 53, 58, 60, 64, 66, 71, 87, 89 f., 92, 115, 124 f., 128 f., 133, 139, 143, 160, 164 f., 169, 177, 199, 224, 266, 288, 290 Sigismund, Ks. 36, 160 v. Silenen, Jost 49, 51 f., 54, 123, 165, 199 f., 208 f., 257 Simmental 57 Sinai-Halbinsel 43 f. Sinner, Niklaus 154 Sitten, Btm. 187 Sixtus IV., Papst 160–163, 171 Solothurn 12, 15 f., 27, 47, 50, 57, 59, 62 f., 65, 89, 96, 99, 125, 134, 136, 138, 143, 169, 173, 175, 185, 189, 209 f., 224, 230, 235, 238, 291, 294 Spanien 37, 40 Speckel, Hans 179, 235 Speyer 73 f., 92, 96 Spiegel, Walther 178 Spiegelberg, Konrad 62 f. Stall, Hans vom 16, 57, 59, 96, 169, 189 v. Stein, Fam. 35, 43, 56 – Benedicta, Ehefr. v. Hartmann v. Stein 62 f. – Brandolf 43 – Hartmann 58, 63, 210 – Kaspar 62 Störtzer, Jakob 250 Straßburg passim Strubel, Thoman 247 v. Sultz, Friedrich 83 Sulz, Johann Gf. v. 228 f. Sumiswald 208 Sundgau 12 f., 15, 27, 44, 51, 65, 84, 91 f., 99, 104, 133, 138, 169, 210, 279, 303 Sürlin, Fam. 118, 120, 143 – Bernhard 120 – Thoman 118 f. Thann 124, 140, 143 f., 146 Thionville 202 Thun 57 Thurner, Jakob 227–229 Tierstein 142 f. Tierstein, Gfn. v. 143 – Hans 143 – Oswald 88, 100, 143, 227, 258 Tours 47, 239 v. Trapp, Jakob 12
351
Trier 86–88, 94, 202 f., 218, 221, 232, 295 Tübingen 168 Turckheim 185, 227 f. Ulm 68, 285, 298 f. Umscheiden, Hans 238 Unterwalden 68, 133 Uri 137, 185, 197 Valangin 209 Valangin, Gfn. v. 208 Valendis, Gfn. v. 99 Veltin, Jakob 118 Venedig 43, 245 f. de Villarez, Peretta, s. v. Wabern, Peretta Volmar, Hans 225 Völtsche, Hans 90, 290 Waadt 27, 37, 48, 53, 62, 70, 255, 260 v. Wabern, Fam. 31, 35–37, 42, 61, 66 – Benedicta, s. v. Stein, Benedicta – Peretta, Ehefr. v. Petermann v. Wabern 42, 62 – Petermann 28, 35, 42, 48–50, 52, 57 f., 60–65, 72, 100, 126, 136, 148, 164 f., 173, 189, 297 – Petermann (I.) 61 – Petermann (II.) 61 Walcker, Hans 238 Waldshut 12–14, 44, 165, 188, 190 Wallis 185, 187, 208 Waltenheim, Fam. 126, 131 – Hans 126 – Jakob 131 v. Waltenheim, Kaspar 220 Walther Supersaxo, Bf. v. Sitten 187 WandÁuh, Anton 47 Weilertal 85, 87, 89 Weissenburg 86, 220, 251 Werdenberg, Haug Gf. v. 86 f. Werder, Urs 208 Werner, Stadtarzt v. Basel 54 Wetzel, Hans 218, 225 Wien 128 v. Wippingen, Rudolf 165 Wolf v. Renchen, Fam. 83 Wolfen, Peter 131 Worms 205 Württemberg, Gfn. v. 90 Wurmser, Erhart 118 Yolantha, Hzg.in v. Savoyen 27, 48, 53 f., 62–66, 141, 209, 248 f., 293, 300 Yverdon 271 Ypern 247 Zabern 179
352
Register
Zeigler, Fam. 130 f. – Enneli 130 – Heinrich 85, 90, 109, 121, 124 f., 127, 130–134, 136, 138, 143, 190 f. – Elisabeth, Ehefr. v. Lux Zeigler 131 – Lux 131 – Margarethe, Ehefr. v. Heinrich Zeigler 130 – Wilhelm 131 ZoÀngen 155
Zorn v. Bulach, Fam. 84 Zscheckabürlin, Fam. 119, 130, 138, 193 – Hans d. Ä. 119, 126 f., 130 f., 193 f. – Hans d. J. 113, 119, 141 – Ludwig 119 Zug 160 Zürich 27, 43, 53, 58, 73, 109, 129, 131–133, 137 f., 144, 180 f., 185, 195, 221, 255
V I E R TE L J A H R S C H R I F T F Ü R S O Z I A L U N D W I R T S C H A F T S G E S C H I C H TE – B E I H E F TE
Herausgegeben von Günther Schulz, Jörg Baten, Markus A. Denzel und Gerhard Fouquet.
Franz Steiner Verlag
ISSN 0341–0846
160. Kristina Winzen Handwerk – Städte – Reich Die städtische Kurie des Immerwährenden Reichstags und die Anfänge der Reichshandwerksordnung 2002. 206 S., kt. ISBN 978-3-515-07936-5 161. Michael Pammer Entwicklung und Ungleichheit Österreich im 19. Jahrhundert 2002. 318 S., kt. ISBN 978-3-515-08064-4 162. Bernhard Löffler Soziale Marktwirtschaft und administrative Praxis Das Bundeswirtschaftsministerium unter Ludwig Erhard 2002. 658 S., geb. ISBN 978-3-515-07940-2 163. Markus A. Denzel / Jean Claude Hocquet / Harald Witthöft (Hg.) Kaufmannsbücher und Handelspraktiken vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert / Merchant’s Books and Mercantile Pratice from the Late Middle Ages to the Beginning of the 20th Century 2002. 219 S., kt. ISBN 978-3-515-08187-0 164. Manuel Schramm Konsum und regionale Identität in Sachsen Die Regionalisierung von Konsumgütern im Spannungsfeld von Nationalisierung und Globalisierung 2002. 329 S., kt. ISBN 978-3-515-08169-6 165. Rainer Metz Trend, Zyklus und Zufall Bestimmungsgründe und Verlaufsformen langfristiger Wachstumsschwankungen 2002. XVIII, 533 S., geb. ISBN 978-3-515-08238-9 166. Jürgen Schneider (Hg.) Natürliche und politische Grenzen als soziale und wirtschaftliche
167.
168.
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Herausforderung Referate der 19. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte vom 18. bis 20. April 2001 in Aachen 2003. 299 S., kt. ISBN 978-3-515-08254-9 Albert Fischer Luftverkehr zwischen Markt und Macht (1919–1937) Lufthansa, Verkehrsflug und der Kampf ums Monopol 2003. 367 S., kt. ISBN 978-3-515-08277-8 Bettina Emmerich Geiz und Gerechtigkeit Ökonomisches Denken im frühen Mittelalter 2004. 334 S., kt. ISBN 978-3-515-08041-5 Günther Schulz / Christoph Buchheim / Gerhard Fouquet / Rainer Gömmel / Friedrich-Wilhelm Henning / Karl Heinrich Kaufhold / Hans Pohl (Hg.) Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Arbeitsgebiete – Probleme – Perspektiven. 100 Jahre Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 2003. 661 S., geb. ISBN 978-3-515-08435-2 Christine Reinle Bauernfehden Studien zur Fehdeführung Nichtadliger im spätmittelalterlichen römisch-deutschen Reich 2003. 589 S., geb. ISBN 978-3-515-07840-5 Bernd Fuhrmann Konrad von Weinsberg Ein adliger Oikos zwischen Territorium und Reich 2004. 388 S., kt. ISBN 978-3-515-08456-7 Thomas Hill Die Stadt und ihr Markt Bremens Umlands- und Außenbeziehungen
im Mittelalter (12.–15. Jahrhundert) 2004. 423 S. mit 29 Abb., geb. ISBN 978-3-515-08068-2 173. Susanne Hilger „Amerikanisierung“ deutscher Unternehmen Wettbewerbsstrategien und Unternehmenspolitik bei Henkel, Siemens und DaimlerBenz (1945/49–1975) 2004. 314 S. mit 16 Abb. und 7 Graf., geb. ISBN 978-3-515-08283-9 174.1 Gerd Höschle Die deutsche Textilindustrie zwischen 1933 und 1939 Staatsinterventionismus und ökonomische Rationalität 2004. 369 S., kt. ISBN 978-3-515-08531-1 174.2 Michael Ebi Export um jeden Preis Die deutsche Exportförderung von 1932 bis 1938 2004. 268 S., kt. ISBN 978-3-515-08597-7 174.3 Christoph Buchheim (Hg.) German Industry in the Nazi Period 2008. 214 S. mit 9 Abb. und 1 Faltkte., kt. ISBN 978-3-515-09150-3 174.4 Jonas Scherner Die Logik der Industriepolitik im Dritten Reich Die Investitionen in die Autarkie- und Rüstungsindustrie und ihre staatliche Förderung 2008. 320 S. mit 62 Tab. und 26 Schaubildern, kt. ISBN 978-3-515-09152-7 174.5 Ulrich Hensler Die Stahlkontingentierung im Dritten Reich 2008. 183 S. mit 9 Abb. und 21 Tab., kt. ISBN 978-3-515-08985-2 175. Rolf Walter (Hg.) Geschichte des Konsums Erträge der 20. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte vom 23. bis 26. April 2003 in Greifswald 2004. 452 S., kt. ISBN 978-3-515-08540-3 176. Georg Altmann Aktive Arbeitsmarktpolitik Entstehung und Wirkung eines Reformkonzepts in der Bundesrepublik Deutschland 2004. VI, 289 S., kt.
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186.
187.
188.
189.
190.
191.
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Vom Wert des Notwendigen Preispolitik und Lebensstandard in der DDR der fünfziger Jahre 2006. 320 S., kt. ISBN 978-3-515-08860-2 Irmgard Zündorf Der Preis der Marktwirtschaft Staatliche Preispolitik und Lebensstandard in Westdeutschland 1948 bis 1963 2006. 333 S. mit 11 Graf., kt. ISBN 978-3-515-08861-9 Torsten Fischer “Y-a-t-il une fatalité d’hérédité dans la pauvreté?” Dans l’Europe moderne les cas d’Aberdeen et de Lyon 2006. 236 S., kt. ISBN 978-3-515-08885-5 Rolf Walter (Hg.) Innovationsgeschichte Erträge der 21. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte vom 30. März bis 2. April 2005 in Regensburg 2007. 362 S. mit 40 Abb. und 3 Ktn., kt. ISBN 978-3-515-08928-9 Sebastian Schmidt / Jens Aspelmeier (Hg.) Norm und Praxis der Armenfürsorge in Spätmittelalter und früher Neuzeit 2006. 233 S. mit 14 Graf. und 1 Kte., kt. ISBN 978-3-515-08874-9 Michel Pauly Peregrinorum, pauperum ac aliorum transeuntium receptaculum Hospitäler zwischen Maas und Rhein im Mittelalter 2007. 512 S. mit 2 fbg. Abb., 40 fbg. Ktn. und CD-ROM., geb. ISBN 978-3-515-08950-0 Volker Manz Fremde und Gemeinwohl Integration und Ausgrenzung in Spanien im Übergang vom Ancien Régime zum frühen Nationalstaat 2006. 360 S. mit 9 Tab., kt. ISBN 978-3-515-08969-2 Markus A. Denzel / Hans-Jürgen Gerhard (Hg.) Wirtschaftliches Geschehen und ökonomisches Denken Ausgewählte Schriften von Karl Heinrich Kaufhold aus Anlaß seines 75. Geburtstages 2007. 572 S., geb. ISBN 978-3-515-09017-9
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Diese Arbeit steht in einer Reihe von Untersuchungen zur neuen Diplomatiegeschichte, die seit einigen Jahren verstärkt die außenpolitischen Akteure und Praktiken in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt haben. Am Beispiel der Städte Bern, Straßburg und Basel und ihren Auseinandersetzungen mit dem letzten burgundischen Herzog Karl dem Kühnen in den Jahren 1468–1477 geht Bastian Walter der Frage nach, wie städtische Außenpolitik im Spätmittelalter funktionierte, wer sie aus- und durchführte und welche Tech-
niken von den Akteuren angewendet wurden. Neben städtischen Gesandten, Kanzleien und Boten stehen die informellen Kontakte der städtischen Führungsgruppen und deren Versuche um Erlangung einer möglichst umfassenden Wissenshoheit im Fokus. Weiterhin behandelt der Autor mit der Spionage den überaus wichtigen, doch bisher nur wenig erforschten Aspekt der Beschaffung von Informationen und zeigt, wie sie im Spätmittelalter gezielt als Propagandainstrument eingesetzt werden konnten.
www.steiner-verlag.de Franz Steiner Verlag
ISBN 978-3-515-10132-5