In der Schlacht: Briefe des jüdischen Künstlers Bruno Jacob aus dem Ersten Weltkrieg 9783412224073, 3412224073


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German Pages 240 [241] Year 2014

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In der Schlacht: Briefe des jüdischen Künstlers Bruno Jacob aus dem Ersten Weltkrieg
 9783412224073, 3412224073

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Burcu Dogramaci (Hg.)

In der Schlacht Briefe des jüdischen Künstlers Bruno Jacob aus dem Ersten Weltkrieg

2014 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Diese Publikation wurde gefördert durch die: Konrad-Krieger-Stiftung, Wesel Nicolas-Benzin-Stiftung, Frankfurt am Main

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http ://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildungen : Vorne: Bruno Jacob als Schüler der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule, 1914, Brief vom 7. Juli 1915 mit Selbstporträt des Künstlers Hinten: Collage aus verschiedenen Schriftstücken Bruno Jacobs

© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts­gesetzes ist unzulässig.

Korrektorat : Claudia Holtermann, Bonn Einbandgestaltung : Satz + Layout Werkstatt Kluth, Erftstadt Druck und Bindung : Theiss, St. Stefan im Lavanttal Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-22407-3

»Über zerschossener Städtetrümmern und Ruinen der Menschen, über Gräbern und verkohlten Feldern weben die Lerchen weltverloren und harmlos ihre Lieder fort, weil sie nur diese Waffe und nur dieses Leben haben.«1 Theodor Lessing, 1914

Inhaltsverzeichnis 9 Einleitung

»Ein Schlachten war’s, nicht eine Schlacht zu nennen.« Feldbriefe des Berliner Künstlers Bruno Jacob aus dem Ersten Weltkrieg 43 Tafelteil 63 Edition der Briefe und Postkarten von Bruno Jacob

aus den Jahren 1914 und 1915 65 August 1914 78 September 1914 98 Oktober 1914 119 November 1914 124 Dezember 1914 145 Januar 1915 154 Februar 1915 164 März 1915 175 April 1915 178 Mai 1915 185 Juni 1915 193 Juli 1915 199 Anmerkungen 228 Dank 230 Bibliografie 238 Abbildungsnachweise 239 Personenregister

»Ein Schlachten war’s, nicht eine Schlacht zu nennen.« Feldbriefe des Berliner Künstlers Bruno Jacob aus dem Ersten Weltkrieg

1  Bruno Jacob, Brief vom 7. Juli 1915 mit Selbstporträt als Soldat

Nur wenige Tage nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs und der Kriegserklärung des Deutschen Kaiserreiches an Russland und Frankreich meldete sich der Kunststudent Bruno Jacob2 zum freiwilligen Dienst an der Waffe. Jacob unterbrach damit seine Ausbildung im Atelier des Expressionisten Georg Tappert an der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbe­ schule und wechselte wie viele andere Künstler seiner Generation begeistert Feder und Pinsel gegen das Gewehr und ein vermeintlich siegreiches Soldatenleben. Von der Front schrieb Jacob regelmäßig an seine Geliebte, die Künstlerin Lieselotte Friedlaender, die wie er bei Tappert studierte. Diese Briefe und Postkarten sprechen von Enthusiasmus und Siegeshoffnungen. Noch 1914 heißt es : »Wir sind das letzte Bataillon, das ausrückt, Wir haben Fahnen, Girlanden, Eichenlaub zum Schmücken. Um 842 geht der Zug. Liebe Kleine, es ist ein seltsames

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Gefühl, so hinauszufahren ins Ungewisse und nicht zu wissen, ob man auch zurückkehrt. Aber doch voller Freude, daß es endlich fortgeht gegen den Feind.«3 Zunehmend enthalten die Briefe jedoch drastische Schilderungen von Gewalt, Kampf und Tod. So schreibt Jacob 1915 aus Savigny unter Verwendung eines Schiller-Zitates aus der Jungfrau von Orleans : »In den 3 Tagen, die wir in Stellung lagen, wurde das Regiment zusammengeschossen. Ein Schlachten wars, nicht eine Schlacht zu nennen. Vor uns im Graben liegt der Gegner verschanzt, 20–30 Meter. Wir könnten uns guten Tag sagen. Da fliegen die Handgranaten und Minen, da fliegen Köpfe und Körper. Es ist grausam, Lieselott. Vor uns liegen Berge von Leichen. Viele von uns; aber meist Franzosen. Sie liegen seit 3 Monaten, unbegraben, verwest, zerfetzt. Wenn man einen Graben aushebt, stößt man in 50 cm Tiefe auf verweste Körper. Das war unser Leben hier.«4 Jacob überlebte diesen ersten großen globalen Maschinenkrieg nicht, sondern starb bereits am 20. Juli 1915 an der Ostfront. Er gehörte damit zu den vielen jungen Männern, die sich freiwillig meldeten und für das Kaiserreich als Soldaten ihr Leben ließen, und er war einer jener jung gefallener Künstler, deren Werk unvollendet blieb. Spuren seines Lebens lassen sich aus den erhaltenen Feldbriefen rekonstruieren. Die Geschichte des Ersten Weltkriegs ist auch eine Geschichte verschriftlichter Erfahrungen. Die Zahl der von der Front in die Heimat und wieder zurück geschickten Briefe beläuft sich vermutlich auf 28 Milliarden,5 Indiz der optimierten Nachrichtenübermittlung, die selbst Briefe an die entlegensten Kampfschauplätze in absehbarer Zeit transportieren konnte. Dagegen nimmt sich die Zahl der hier behandelten 125 Briefe und Postkarten des Künstlers Bruno Jacob klein aus, was jedoch nicht die zeithistorische Bedeutung der Schriftstücke schmälert. Jacobs Briefe aus dem Krieg, die er in den Jahren 1914 und 1915 an seine Briefpartnerin Lieselotte Friedlaender schrieb, sind fast vollständig erhalten und schildern detailliert seine militärische Ausbildung und die Kriegserlebnisse, sprechen von seinen Gedanken und Ideen, Idealen und Überzeugungen. Ebenso überlieferte sich in der Obhut Friedlaenders ein schmales Konvolut an expressiven kolorierten Federzeichnungen aus der Hand Jacobs, die einen Eindruck vom Talent des Künstlers vermitteln, das sich jedoch durch das Kriegsgeschehen nicht weiter entfalten konnte.6 Denn die Kriegshandlungen hielten Jacob fern von seiner künstlerischen Arbeit

und involvierten ihn in verschiedene Schlachten des Ersten Weltkriegs, da er innerhalb einer kaum einjährigen Dienstzeit sowohl an der Westwie auch der Ostfront kämpfte. Die nun erstmals publizierten Briefe und Postkarten Jacobs vermitteln einen intensiven Eindruck von den gescheiterten Hoffnungen einer im Aufbruch befindlichen Künstlergeneration im frühen 20. Jahrhundert. Zudem ist die individuelle Perspektive eines jungen Soldaten auf die Kriegsgeschehnisse zwar ein isoliertes Fallbeispiel, kann also einerseits für sich stehen, jedoch andererseits auch in einem übergreifenden Kontext in der Zusammenschau verschiedener Einzelperspektiven einen umfassenden Eindruck über kollektive Hoffnungen, Erlebnisse und Enttäuschungen geben, so wie beispielsweise »Endzeit Europa« als kollektives Tagebuch deutschsprachiger Intellektueller im Ersten Weltkrieg oder »1913« von Florian Illies versuchten, die Gleichzeitigkeit des Alltäglichen und Spezifischen darzustellen.7 Obgleich Jacobs Briefe einen unverwechselbaren Sprachduktus und eine ganz besondere Sicht der Kriegsgeschehnisse artikulieren, die – trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Tragik und Grausamkeit der Ereignisse – mit oftmals saloppen und komischen Beschreibungen einhergeht, sind doch Parallelen zu weiteren überlieferten Kriegs- und Fronterfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg vorhanden. Wie Jacob begaben sich viele andere bereitwillig an die Kriegsfront, um dort ein unfassbares Schlachten zu erleben; so kämpften und starben aus dem weiteren Bekanntenkreis Bruno Jacobs und seiner Freundin Lieselotte Friedlaender neben Otto Braun, Sohn der Frauenrechtlerin Lily Braun, auch Stefan Lepsius, Sohn des Malerehepaares Reinhold und Sabine Lepsius, und Peter Kollwitz, dem seine Mutter Käthe Kollwitz Jahre später ein Gefallenendenkmal widmen sollte.8 Ähnlich wie Otto Braun, der sich bereits in jungen Jahren dichterisch hervortat und sowohl Kriegstagebücher als auch -briefe hinterließ, oder der begabte Zeichner Peter Kollwitz war auch Bruno Jacob ein junges künstlerisches Talent, das jedoch keinem bildungsbürgerlichen oder intellektuellen Elternhaus erwuchs. Bruno Jacob entstammte einer jüdischen Familie, die in der Droysenstraße 13 in Berlin-Charlottenburg lebte, einem seit Ende des 19. Jahrhunderts neben Wilmersdorf bevorzugten Wohngebiet von Juden der sozialen Mittelschicht – um 1910 lebten in Charlottenburg 22. 000 Juden und damit ca. 20 % der Berliner

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jüdischen Bevölkerung.9 Brunos Vater, Salli Jacob, war als Fondsmakler wie 9,75 % aller Berliner Juden in den Berufszweigen Handel und Banken tätig.10 Diesen Beruf übte Salli Jacob als Privathandelsmakler aus und war als Vermittler von Obligationen und Aktien selbstständig. Für diese Geschäfte erhielt er Provisionen.11 Auch Bruno Jacobs Bruder, Franz Jacob, arbeitete als Fondsmakler. Noch 1931 wird Salli Jacob im Jüdischen Adressbuch als wohnhaft in der Droysenstraße geführt,12 1935 lebte die Familie dann in der Niebuhrstraße 7113 und blieb damit jedoch in Charlottenburg – obgleich Bruno Jacob in seinen Briefen erwähnte, dass die Familie sich nach einer erschwinglicheren Wohngegend umsehen wolle. Salli Jacob überlebte die Machtübernahme Hitlers um zwei Jahre und verstarb 1935 im Alter von 83 Jahren. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee mit der Bestattungsnummer 91596 beerdigt.14 Die Mutter Bruno Jacobs, Leopoldine Jacob, geborene Strohmeyer, war katholischen Glaubens. Auch Bruno Jacob selbst war christlicher Konfession. In seinen Briefen erwähnt er Kirchenbesuche und die Teilnahme am Abendmahl. Jacobs Eltern waren also eine »Mischehe« eingegangen, die seit 1875 in Deutschland legalisiert war, wobei der Anteil zunächst gering blieb; 1903 heirateten nur 8,5 % der jüdischen männlichen Eheschließenden eine nicht jüdische Frau, zwischen 1911 und 1915 waren es jedoch bereits 22 %.15 Von den aus diesen Ehen hervorgegangenen Kindern wurden – wie im Fall von Bruno Jacob auch – weniger als ein Viertel jüdisch erzogen. Inwieweit sich Bruno Jacob mit dem jüdischen Glauben beschäftigte und ihn dies in seiner Selbstwahrnehmung beeinflusste, lässt sich heute nicht endgültig konstatieren, zumal sich in seinen Briefen kein Hinweis darauf finden lässt. Allerdings beschrieb ihn seine Geliebte und Briefpartnerin Lieselotte Friedlaender, selbst jüdischer Herkunft, stets als »jüdischen Künstler«, sodass die Familiengeschichte väterlicherseits offensichtlich zumindest zwischen den beiden thematisiert wurde.16 In der Forschung herrscht keine Einigkeit darüber, wie »deutsches ­Judentum« oder »deutsche Juden« korrekt zu definieren sind. Neben Religion, Nation oder Geschichte können auch Herkunft und Selbstbewusstsein durchaus Parameter einer Definition sein. Moshe Zimmermann hat ausführlich auf die Probleme einer Beschränkung auf das »Bekenntnis­ judentum« verwiesen und vor ethnischen Kategorisierungen gewarnt,

aber auch Forschungen erwähnt, die Konvertiten oder »Mischlinge« zu Juden zählen.17 Auch Shulamit Volkov verweist auf die Problematik der Definition der Begriffe »deutsch« und »jüdisch« und den uneinheitlichen wissenschaftlichen Umgang beispielsweise mit konvertierten oder getauften Juden; besonders für die Zeit nach Ende des 19. Jahrhunderts konstatiert sie ein »schwindendes jüdisches Selbstverständnis«, das die Forschung vor große Herausforderungen stellt : »Sollten die vollständig akkulturierten Juden, die ihrem angeblichen Jüdischsein keine Bedeutung mehr zumaßen und nichts mit ihr zu tun haben wollten, dennoch in die deutsch-jüdische Geschichte einbezogen werden ? Sollte man die Meinung der Antisemiten völlig ignorieren – selbst für Zeiten, in denen ihre Definitionen und ihre Einstellungen den Ton angaben ? Und die Getauften, von denen sich einige am Ende weder hier noch dort wiederfanden – sollen wir sie einschließen oder ausschließen ?«18 Volkov empfiehlt, jeden Fall individuell und jeweils neu zu beurteilen. Nach intensiven Überlegungen wird Bruno Jacob in diesem Buch als jüdischer Künstler gefasst. Diese sich auch im Titel der Arbeit spiegelnde Wahrnehmung resultiert nicht aus einer Homogenisierung19 der multiplen Lebens- und Glaubensformen deutscher Juden, sondern versucht, sich differenziert mit den Koordinaten der jüdischen Existenz B ­ runo ­Jacobs vor der Folie eines assimilierten und säkularisierten deutschen Judentums auseinanderzusetzen. Wichtig erschienen die Profession des Vaters und Bruders, als Hinweis auf die »relativ geschlossene Sozialund Berufsstruktur«20 jüdischer Bürger, außerdem auch das jüdisch geprägte Wohnviertel21 der Familie, der Bestattungsort des Vaters sowie die Wahrnehmung seiner Geliebten Lieselotte Friedlaender, die sich an ihre erste Liebe als »jüdischen Künstler« erinnerte und diese Erinnerungen in Form der erhaltenen Briefe und Zeichnungen konservierte. Ohne Lieselotte Friedlaender und ihre Wertschätzung gegenüber dem früh verstorbenen Jacob hätten sich die ohnehin blassen Spuren dieses Künstlers vermutlich unter der Last der historischen Ereignisse verflüchtigt. So aber ist es möglich, über die zeithistorischen Bedeutungen dieser Dokumente hinaus, auch einen Künstler der Moderne wiederzuentdecken.

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Studium bei Georg Tappert. Jacob an der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule

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Bruno Jacobs Feldbriefe und deren Adressatin verweisen auf einen Dritten, der die Existenz dieser Egodokumente eigentlich erst ermöglichte, da er die Lebenswege der beiden Künstler zusammenführte. Seit April 1913 leitete der expressionistische Künstler Georg Tappert die Ateliers für »Graphik und ornamentale Schrift« an der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule.22 Vorausgegangen war dieser Tätigkeit eine mehrjährige Lehrtätigkeit in Worpswede, bei der er unter anderem seinen wohl prominentesten Schüler Wilhelm Morgener ausbildete – der wie später B ­ runo Jacob zu den gefallenen Künstlern des Ersten Weltkriegs gehören sollte. Seit Ende 1909 lebte Tappert in Berlin und suchte zunächst erfolglos nach Arbeitsmöglichkeiten als Kunstlehrer. Weitaus erfolgreicher sind seine eigenen künstlerischen Aktivitäten. So organisierte der damals 30-jährige gemeinsam mit anderen Künstlern seiner Generation die Gründung der »Neuen Secession«, einer Abspaltung der Berliner Secession, die sich unter dem Impressionisten Max Liebermann gegenüber jüngeren Positionen unaufgeschlossen zeigte. Tappert war neben Max Pechstein einer der führenden Köpfe der »Neuen Secession«, die beispielsweise 1911 erstmals die beiden prägenden expressionistischen Bewegungen – die »Brücke« und die »Neue Künstlervereinigung München«, aus der sich wenig später »Der Blaue Reiter« gründete – in einer Ausstellung zusammenbrachte.23 Gemeinsam mit Käthe Kollwitz war Tappert in jenen frühen 1910er Jahren im Vorstand der »Vereinigung bildender Künstler Berlins« und nahm an zahlreichen Ausstellungen in Deutschland teil. Ab 1912 verbesserte sich auch seine finanzielle Situation, als er in gleich drei Berliner Institutionen als Lehrer Arbeit fand, so am »Staatlichen Seminar für Handfertigkeitslehre«, als Lehrassistent für Werkunterricht und dekoratives Gestalten an der Königlichen Kunstschule Berlin sowie als Lehrer für Grafik an der bereits erwähnten privaten Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule. Hier begegnete Tappert dem jungen Künstler Bruno Jacob, der eine Ausbildung in seinem Atelier begonnen hatte. Über die Schule schreibt Fritz Hellwag im »Kunstgewerbeblatt« : »In einer Unterrichtsmethode beides, das Gewerbliche und das Künstlerische wieder zum Kunstgewerblichen vereinigt zu haben, ist das Verdienst der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule.«24 Damit nahm

die Privatschule eine Position zwischen der gewerblich ausgerichteten Städtischen Kunstgewerbeschule in Charlottenburg und der künstlerisch orientierten Unterrichtsanstalt des Königlichen Kunstgewerbemuseums ein. Von Tapperts pädagogischer Begabung sprechen Bestätigungen und Empfehlungsschreiben von Künstlerkollegen und Vorgesetzten. Heinrich Vogeler notierte in einem Gutachten von 1910 über Tappert, dass dieser »besondere Begabung als Lehrer habe und diesen Beruf mit grossem Ernst und Sorge für seine Schüler ausfüllt«.25 Das Direktorium der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule bescheinigte ihm »ausgezeichnete Erfolge, die frei von jeder Schablone das Persönliche in jedem Schüler zu steigern und zu vollständig eigenem künstlerischem Schaffen anzuregen vermochten«.26 Die Mehrzahl der Studierenden bestand aus jungen Frauen, die es sich finanziell leisten konnten, die Privatschule zu besuchen, und denen es noch nicht gestattet war, ein Kunststudium an den Kunsthochschulen oder Akademien aufzunehmen. Von Anbeginn seiner pädagogischen Tätigkeit in Worpswede hatte Tappert das Modell- und Aktstudium für beide Geschlechter angeboten, und auch an der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule war das Aktzeichnen ein Bestandteil seines Unterrichts. Tappert ließ seine Schüler und Schülerinnen nach Modellen beiderlei Geschlechts zeichnen.27 Dagegen war gerade das Aktstudium ein Argument für den Ausschluss der Frauen aus dem akademischen Unterricht, galt es doch als unschicklich, »junge Mädchen überhaupt den nackten Manneskörper studieren«28 zu lassen. Neben der klassischen Proportionslehre in akademischer Tradition vermittelte Tappert seinen Schülern auch neue künstlerische Methoden der Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper, so etwa die Praxis des »Viertelstundenaktes«, die auf die direkte und schnelle Erfassung des Bewegungsausdrucks zielten.29 Bruno Jacob hat nur ein äußerst schmales Werk hinterlassen : 19 postkartengroße kolorierte Federzeichnungen in den Maßen 14 × 9 Zentimeter ( siehe die Farbtafeln in diesem Buch ), die allesamt Porträtköpfe zeigen und sich im Besitz Lieselotte Friedlaenders erhalten konnten. In den Profilbildnissen und den Porträts in Frontalansicht akzentuiert Jacob mit der Feder die Konturen, wobei er den extrovertierten Habitus der Frauen, ihre expressive Kleidung und Schminke betont. Der Einfluss seines Lehrers Tappert offenbart sich sowohl im Sujet als auch stilistisch. Varieté und Tanz gehörten seit 1909 zu den zentralen Motiven des Expressi-

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2  Georg Tappert mit

der Fahne des Deutschen Kaiserreiches, um August 1914 3  Georg Tappert : „Neue

Graphik“. Einladung I. B. Neumann, 1914

4  Zeugnis für Georg

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Tappert mit Briefkopf der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule, 1914

5  Georg Tappert und seine Grafikklasse an der Berlin-Wilmersdorfer

Kunstgewerbeschule, 1914, in vorderster Reihe die 5. v. l. : Lieselotte Friedlaender

6  Georg Tappert und seine Grafikklasse an der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbe­

schule, 1914, vorn Bruno Jacob und Lieselotte Friedlaender, hinten mit Bart : Georg Tappert

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onisten, wobei er die Formen stark vereinfachte und neben der Malerei nie die Zeichnung oder Grafik vernachlässigte.30 Ähnlich wie Tappert betonte auch Jacob die auffällige Erscheinung seiner Frauenköpfe durch leuchtende Farben. Obgleich der Hintergrund abstrakt blieb, wird deutlich, dass die Porträtierten einem großstädtischen Milieu und hier der Welt des Theaters, Varietés und Tingeltangels entstammen – jener Hemisphäre also, die Tappert in den 1910er Jahren zu seinen zentralen Schöpfungen inspirieren sollte. Dabei ist Jacob kein Epigone, sondern formuliert illustrativer, feiner in der Linie und weniger abstrahierend in der Umsetzung der Figur. Tappert schätzte und förderte, so wird ihm auch in zeitgenössischen Beurteilungen bescheinigt, die Begabungen seiner Schüler, ohne ihnen seine künstlerische Auffassung aufzuzwingen. Ein Schreiben der Königlichen Kunstschule aus dem Jahr 1914 hob diesen didaktischen Ansatz besonders hervor : »Ohne Einseitigkeit versuchte Herr Tappert den verschiedenen Begabungen der Schüler und Schülerinnen Rechnung zu tragen. Er war auch bestrebt, einen soliden Grund zu legen, sowohl zeichnerisch, als auch nach der Seite der Farbe hin.«31 Von Tapperts über Jahrzehnte fortgesetzter Lehre – seit 1924 hatte er eine Professur an der Staatlichen Kunstschule Berlin inne – sind zahlreiche Gruppenfotografien erhalten, die ihn im Kreis seiner Schülerinnen und Schülern bei Ausflügen, im Atelier oder bei Festivitäten zeigen. Diese Aufnahmen überliefern das Bild eines empathischen Lehrers, der wenig kontaktscheu mit seinen Studierenden interagierte. In der Zeit des Nationalsozialismus musste Tappert mit der Malerei aufhören und widmete sich nach Kriegsende intensiv nur noch seiner Lehrtätigkeit. Dies ist Ursache dafür, dass er lange Zeit von der Forschung nicht als Künstler, sondern vor allem als »bedeutender Lehrer und großer Pädagoge«32 wahrgenommen wurde. Viele der fotografischen Aufnahmen, die Tappert als Lehrer zeigen, bilden Schülerinnen und Schüler ab, die ihm noch über Jahrzehnte gewogen waren und deren Kondolenzschreiben nach seinem Tod sich im Nachlass Tapperts finden. Tappert besaß vermutlich mehrere Kameras, darunter auch eine 13x18-cm-Plattenkamera, mit denen er einige Hundert Fotografien aufnahm, die er für Modellstudien, etwa zum Anfertigen von Vorlagen für Gemälde oder grafische Arbeiten, einsetzte, jedoch auch Gruppenbilder seiner Schülerschaft erstellte.33 Eine Serie an Aufnahmen ist Ausflügen gewidmet, die Tappert

mit Schülerinnen und Schülern der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule im Frühling oder Frühsommer 1914 unternahm.34 Unter den wenigen fotografierten Männern befindet sich auch Bruno Jacob, der im Gegensatz zu den anderen keine Anzugjacke trägt, sondern die Ärmel seines weißen Hemdes aufgekrempelt hat; eine schwarze Krawatte ist die einzige Konzession an eine klassische bürgerliche Kleidung. Jacob tritt hier im Kontext der sorgfältig gekleideten Mitschüler äußerst leger in Erscheinung – die jungen Damen, die erkennbar aus der gehobenen Mittelschicht oder sogar aus großbürgerlichen Kreisen stammten, tragen weiße, bodenlange Kleider und Röcke und haben zumeist Hochsteckfrisuren, wie sie in den zehner Jahren in Mode waren. Eine weitere Fotografie bestätigt den Eindruck, dass Jacob als Bekleidungsstil den intellektuellen Dandy-Look bevorzugte; zu sehen ist der junge Künstler mit den Händen in den Hosentaschen, erneut sind die Hemdsärmel bis zum Ellenbogen hochgekrempelt. Zwischen den Zähnen hat Jacob eine Zigarette und lächelt den Fotografen – vermutlich Tappert selbst – mit einem breiten Lächeln an. Der Blick ist selbstbewusst und zeugt zugleich von einem humorvollen Umgang mit der eigenen Wirkung. Auf einer der Gruppenfotografien sitzt dicht neben Jacob eine junge Frau, eigentlich noch eine Jugendliche, die zur wichtigen Adressatin seiner Briefe aus dem Ersten Weltkrieg werden sollte : Es ist die damals wohl gerade 16-jährige Lieselotte Friedlaender, die wie Jacob bei Georg Tappert Grafik studierte. Beide verband eine enge Liebesbeziehung, die bis zu Bruno Jacobs Kriegstod andauern sollte. Als Adressatin der hier versammelten Briefe des Malers gebührt ihr größere Aufmerksamkeit, zumal ihr künstlerisches Schaffen spätestens seit einer Retrospektive im EphraimPalais Berlin im Jahr 1998 und einer wenige Jahre später erschienenen Monografie in den Blickpunkt gerückt ist.35

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7  Bruno Jacob als Schüler

der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule, 1914, Fotografie : Georg Tappert

8  Georg Tappert als

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Soldat, 13. Oktober 1915

9  Lieselotte Friedlaender,

Selbstbildnis, 1913 / 14, Bleistift und Öl auf Papier, 61 ×  44 cm, Berlin

10 Lieselotte

Friedlaender : Modezeichnungen für das »Ullstein-Album für Masken«, 1921

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Briefbeziehung auf Zeit. Lieselotte Friedlaender und Bruno Jacob

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Lieselotte Friedlaender36 (1898–1973 ) entstammte einer jüdischen, intellektuellen Familie. Ihr Großvater Ludwig Heinrich Friedländer war Altphilologe in Königsberg und Verfasser der in zahlreichen Neuauflagen und Übersetzungen erschienenen »Darstellungen aus der Sittengeschichte Roms« (1862 ). Friedlaenders angeheirateter Onkel war der Kunsthistoriker Georg Dehio, der an der Universität in Straßburg lehrte, ein anderer naher Verwandter der Chemiker und Entdecker des Indigo-Farbstoffes, Paul Friedländer. Der Vater der Künstlerin, Konrad Friedländer, machte indes Karriere bei der kaiserlichen Marine, wo er es zum Korvettenkapitän brachte. Lieselotte Friedlaender ging als uneheliches Kind aus einer nicht standesgemäßen Beziehung zwischen Konrad Friedländer und Louise Madrian, Tochter eines Bremerhavener Fuhrwerkbesitzers, hervor. Obgleich ihre Eltern später und trotz familiärer Widerstände heirateten, blieb die Ehe unglücklich und wurde bereits nach drei Jahren geschieden. Lieselotte Friedlaender hatte jedoch durch den Umzug nach Berlin 1907 erstmals näheren Kontakt zur Familie und dem Freundeskreis ihres Vaters, zu dem Intellektuelle und Künstler wie das Malerpaar Sabine und Reinhold Lepsius, der Dichter Stefan George oder die Künstlerin Käthe Kollwitz gehörten. Konrad Friedländer förderte das Zeichentalent seiner Tochter schon früh und vermittelte ihr wichtige Kontakte, so auch zu den ihm freundschaftlich verbundenen Künstlerinnen. In seinem 1917 eröffneten Testament verfügte Konrad Friedländer : »Für die [ … ] künstlerische Ausbildung bitte und wünsche ich, den Rat von Dr. K. Kollwitz, Berlin Weissenburgerstr. 25, und von Frau Prof. Sabine Lepsius, Westend, Ahornallee 31, zu befolgen.«37 In Postkarten von Konrad Friedländer an seine Tochter sind immer wieder Hinweise auf Treffen mit der renommierten Grafikerin und Bildhauerin Kollwitz zu finden, und auch die Künstlerin selbst nannte Lieselotte Friedlaender in ihren Tagebüchern : »Wenn ich vergleiche : meine Zeichnungen aus meinem 15. Jahr und so manches von Rele [ d. i. Regula Stern, Nichte von Käthe Kollwitz ], Sabine Lepsius und Lieselotte Friedländer aus derselben Zeit. Peinlich dilettantisch, d. h. geschmacklich dilettantisch sind meine Sachen dagegen.«38 Die hier erwähnten Personen finden auch im Briefwechsel zwischen Bruno Jacob und Liese-

lotte Friedlaender Erwähnung. In seinen Postkarten und Briefen aus seiner militärischen Ausbildungszeit in einer Berliner Kaserne und von den Kriegsfronten erkundigte sich Jacob regelmäßig nach dem Alltagsleben und den sozialen Kontakten Friedlaenders. »Warst Du auch wieder bei Käthe Kollwitz, Lieselott ?«,39 schreibt er 1915. Und auch Sabine Lepsius die Jüngere, Tochter der Malerin Sabine Lepsius, wird in den Briefen Jacobs erwähnt : So lässt er immer wieder »Bienchen« grüßen. Mit Sabine Lepsius verband Lieselotte Friedlaender eine enge, lebenslange Freundschaft, beide wurden Künstlerinnen. Käthe Kollwitz machte Lieselotte Friedlaender vermutlich mit ihren späteren Lehrern Hermann Sandkuhl und Georg Tappert bekannt, mit denen sie im Vorstand der Berliner »Juryfreien Kunstschau« saß. Nach Zeichenstunden bei Sandkuhl im Jahr 1912 begann Friedlaender ein Jahr später ihr Studium bei Georg Tappert, zeitnah zu seinem Eintritt in die Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule : »In den Jahren 1913 bis 1914 war Frau Friedlaender meine Schülerin an der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule. Bereits in dieser Zeit zeigte sie eine ausgesprochen große Begabung für Mode und Werbegraphik«,40 schreibt der Künstler Georg Tappert, der das gebrauchsgrafische Talent seiner Schülerin schon damals erkannte und sie vermutlich ermutigte, auf den Beruf der Gebrauchsgrafikerin hinzuarbeiten. Tappert und Friedlaender trafen sich auch außerhalb des Unterrichts, beide hatten bis zu Tapperts Tod im Jahr 1957 Kontakt. In einem Brief vom Januar 1915 schreibt der Tappert-Schüler Bruno Jacob an seine Freundin Lieselotte : »Was macht die Malerei und Tappert ? Hat er Dich gemalt ? – warst Du bei ihm im Atelier ?«,41 heißt es am 30. Dezember 1914. Im Januar 1915 fragt Jacob dann erneut : »Wie gehts Dir denn jetzt, Kleines ? – Schuftest Du fleissig ? Schreib mir doch wirklich mal, wie Dirs mit Tappert erging. Hat er Dich gemalt ? Grüss ihn mal von mir.«42 Tatsächlich schuf Tappert eine Porträtlithografie seiner Schülerin, von der heute noch mehrere Abzüge existieren.43 Außerdem fanden sich im Nachlass der Künstlerin einige Arbeiten Tapperts, die dieser seiner Schülerin wahrscheinlich noch zu Schulzeiten schenkte.44 Auch Jacobs Lehrer Georg Tappert verließ die Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule, als er im September 1915 in den Kriegsdienst eintrat. Nach einer Ausbildung in Lothringen wurde Tappert in die Fliegertruppe aufgenommen und bei Berlin stationiert. Es gelang ihm durch die Tätigkeit fernab der Fronten, auch in Kriegszei-

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ten seine künstlerische Arbeit aufrechtzuerhalten. Im selben Jahr 1915 verließ Lieselotte Friedlaender die Kunstgewerbeschule, um ihre künstlerische Ausbildung an anderen Orten fortzusetzen. Friedlaender lebte von 1916 bis 1918 in Kassel und besuchte Kurse an der Kasseler Kunstakademie, die sich als eine der wenigen deutschen Kunsthochschulen bereits vor 1919 für weibliche Studierende geöffnet hatte. Nach dem Krebstod ihres Vaters kehrte Lieselotte Friedlaender nach Berlin zurück, beendete ihre künstlerische Ausbildung an der Charlottenburger Kunstgewerbeschule als Meisterschülerin von Edmund Schäfer und trat anschließend ins renommierte Grafikatelier von Lucian Zabel ein. Mit ihrem feinen, filigranen Zeichenstil konnte sie sich in der erblühenden Medienlandschaft Berlins recht rasch einen Namen als Presse- und Modegrafikerin machen. Friedlaender zeichnete seit 1921 für Schnittmusterhefte des Ullstein-Verlags, für Witzblätter wie die »Lustigen Blätter« und erfolgreich für renommierte Modezeitschriften. In der »Eleganten Welt« wie auch dem bibliophilen Journal »Styl« erschienen Friedlaenders Modezeichnungen. Mit der Übernahme der künstlerischen Leitung des »Moden-Spiegels«, einer wöchentlichen Beilage der angesehenen Tageszeitung »Berliner Tageblatt«, gestaltete Lieselotte Friedlaender seit 1922 als eine der prägenden Modezeichnerinnen der Weimarer Republik die visuelle Kultur jenes Dezenniums. Ihre eleganten wie humorvollen Zeichnungen mit den überlängten Figuren waren anekdotisch angelegt und künstlerisch anspruchsvoll. Sie verkehrte in Künstler- und Intellektuellenkreisen, illustrierte Bücher, entwarf Werbeanzeigen und prägte bis 1933 das Erscheinungsbild aller Ausgaben des »Moden-Spiegels«. Bereits im März des Jahres wurde der jüdische Mosse-Verlag gleichgeschaltet und jüdische Mitarbeiter entlassen. Der »Moden-Spiegel« erschien seit Juni 1933 unter dem neuen Namen »Frauen-Spiegel« und zeigte sich in Aufmachung, Ästhetik und Frauenbild deutlich reaktionär. Auch Lieselotte Friedlaender konnte seit 1933 als sogenannte »Vierteljüdin«, Teil einer prominenten jüdischen Wissenschaftlerfamilie und Redaktionsmitglied eines liberalen Verlagshauses kaum mehr künstlerisch tätig sein. Sie veröffentlichte unter falschem ­Namen und überlebte die Bombenangriffe auf Berlin durch Flucht in ländliche Regionen. An ihre beruflichen Erfolge konnte sie auch nach Kriegsende nicht mehr anknüpfen, verwahrte jedoch bis an ihr Lebensende die Briefe von Bruno Jacob sowie dessen bislang bekannte und

erhaltene Werke. Dass dieses Konvolut an schriftlichen Zeugnissen für wertvoll erachtet wurde, zwei Kriege überdauerte und erhalten blieb, ist vermutlich Indiz der Wertschätzung, die Lieselotte Friedlaender ihrem damaligen Freund entgegenbrachte – und dies, obgleich beide, bereits kurz nachdem ihre Beziehung begann, durch die historischen Ereignisse immer wieder über längere Zeit getrennt waren. Der intensive Briefwechsel – bisweilen schrieb zumindest Bruno Jacob gleich mehrmals täglich –, der emotionale Grundton und die dichte Beschreibung der Tagesabläufe und Geschehnisse mögen diese Trennung zumindest in den ersten Monaten nach Kriegsausbruch kompensiert haben. Dennoch sind viele Passagen bestimmt von Unsicherheiten, ob die Beziehung tatsächlich andauern werde. Immer wieder bittet Jacob, dass ihm Friedlaender häufiger schreiben möge, es kommt zu Trennungssituationen – und nur wenig später zu erneuten Liebesbezeugungen. Die den Briefen zu entnehmende emotionale Zerrissenheit zwischen vaterländischer Pflicht, euphorischer Abenteuerlust, Trennungsangst und Sehnsucht nach einem friedvollen ( hier künstlerischen ) Leben nach Kriegsende kann sicherlich stellvertretend für viele andere Lebensgeschichten des Ersten Weltkriegs stehen.

In den Krieg : Kriegsbegeisterung und Kriegsvorbereitung Nach dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau durch serbische Nationalisten geriet das fragile politische Gleichgewicht in Europa aus den Fugen.45 Die Welt sollte den ersten von zwei Kriegen des 20. Jahrhunderts erleben, der in nie dagewesener Weise den europäischen Kontinent zum Schauplatz eines Maschinen- und Stellungskriegs werden ließ. Am 28. Juli erklärte Österreich-Ungarn nach Nichterfüllung seines Ultimatums den Krieg an Serbien, zwei Tage später befahl der russische Zar die Generalmobilmachung. Am 31. Juli erfolgte die Generalmobilmachung ÖsterreichUngarns, nur einen Tag später die Verkündung der Mobilmachung des Deutschen Reiches. Der deutschen Kriegserklärung an Russland folgte am 3. August diejenige an Frankreich. Die Reichsleitung erweckte in öffentlichen Erklärungen den Eindruck, durch Grenzverletzungen russischer Truppen und Mobilmachungen Frankreichs und Belgiens förmlich

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in den Krieg gezwungen worden zu sein. Noch nach Kriegsende wurde in Publikationen der Eindruck aufrechterhalten, das Kaiserreich habe sich einer lange vorbereiteten Aggression und Einkreisung durch die Mächte der Entente erwehren müssen : »Frankreich – der geschlagene Gegner Deutschlands [ gemeint ist Frankreichs Niederlage im DeutschFranzösischen Krieg von 1870 /  71 ] – sann auf Revanche. Zähe und unermüdlich baute es seine Kriegsmacht aus, erzog seine Jugend planmäßig zum Vergeltungskampf gegen den verhaßten Besieger und suchte nach Verbündeten. Schrittweise, aber zielbewußt vollzog es seine Annäherung an England, und beide verstanden es, Rußland auf ihre Seite zu ziehen. In seinem Kampf um die Vorherrschaft auf dem Balkan war Rußland der natürliche Gegner des mit Deutschland im Dreibund zusammenstehenden Österreich-Ungarn. In der Entende cordiale schufen sich die drei Reiche ein gewaltiges Machtinstrument, von vornherein dazu bestimmt, Deutschland den Platz an der Sonne streitig zu machen. War dieses Ziel nicht auf diplomatischem Wege oder durch Einschüchterung zu erreichen, so war man gewillt, es auf die gewaltsame Auseinandersetzung ankommen zu lassen. Gewaltige Rüstungen, vor allem in Frankreich und Rußland, ließen keinen Zweifel darüber.«46 Diese Rhetorik einer vermeintlich unvermeidbaren Abwehr machthungriger Aggressoren und Suggestion eines Verteidigungskriegs beflügelte im August 1914 viele Deutsche.47 Auf den Befehl zur Mobilmachung und nach der deutschen Kriegserklärung an Russland meldeten sich am ersten Mobilmachungstag ( 2. August 1914 ) nicht nur zahlreiche Reservisten, sondern auch unzählige Kriegsfreiwillige aus allen Gesellschaftsschichten. An eben diesem Tag notiert der erst 17-jährige Otto Braun, der sich wenige Tage später zum Kriegsdienst melden sollte : »Mag auch alles so verhängt und dunkel sein, daß wir nicht in die Zukunft zu blicken vermögen, das Eine ist mir sicher : Deutschland kann nicht untergehen. Und ich gründe diesen Glauben nicht wie die Prahler auf die Überzeugung von unserer Vollkommenheit und unseren Leistungen, sondern gerade aus dem Bewußtsein, daß wir uns noch nicht erfüllt haben, erwächst mir diese Gewißheit. Das Deutschland, das wir im Herzen tragen, ist noch nicht Gestalt, noch nicht Form geworden. […] In diesem Sinne, für dieses Ziel will ich hinaus, das heiligste Gut zu schützen : Deutschland. Verächtlich und töricht scheint es mir, sich zu sparen, sich zu schonen.«48

Unter den Kriegsfreiwilligen, die sich schon in den ersten Kriegswochen zum Dienst an der Waffe meldeten, waren auch viele deutsche Juden. Diese folgten den Aufrufen, die in Presseorganen wie dem »Israelitischen Familienblatt« oder der »Jüdischen Rundschau« erschienen, an Vaterlandsliebe und Patriotismus appellierten und zum Kampf gegen Russland und England aufriefen.49 Es schien, als könnten die an die Freiwilligen ausgegebenen neuen grauen Uniformen der preußischen Armee tatsächlich soziale, kulturelle oder religiöse Unterschiede nivellieren – ganz wie es Kaiser Wilhelm II. in seiner Ansprache zum Kriegsausbruch proklamiert hatte : »Wenn es zum Kriege kommen soll, hört jede Partei auf, wir sind nur noch deutsche Brüder.«50 Zwar gab es, wie in der jüngeren Forschung thematisiert, sicherlich keine einheitliche, rauschhafte Kriegsbejahung, sondern ein breites Spektrum an verschiedensten Reaktionen, jedoch lässt sich eine vielerorts in Deutschland vorhandene emotionale Anspannung am 1. August 1914 nicht negieren : Auf die offizielle Ankündigung der Mobilmachung am späten Nachmittag dieses Tages reagierten die Menschen auf den Straßen der Großstädte mit Jubel, patriotischen Rufen und Vaterlandsliedern.51 In den ersten Augusttagen meldete sich auch Bruno Jacob in Berlin als Kriegsfreiwilliger und kam am 13. August zur Ausbildung in die Kaserne. Jacob gehörte wie zahlreiche junge Künstler und Intellektuelle seiner Zeit zu den Kriegsbegeisterten, die den Krieg und das Soldatendasein als Befreiung wahrnahmen – »Befreiung von bürgerlicher Enge und Kleinlichkeit, von Schulzwang und Büffelei, von den Zweifeln der Berufsentscheidung und von alledem, was wir – bewußt oder unbewußt – als Saturiertheit, Stickluft, Erstarrung unserer Welt empfunden […] hatten«,52 wie es der Schriftsteller Carl Zuckmayer beschrieb. Etablierte Schriftsteller wie Rainer Maria Rilke, Hugo von Hofmannsthal oder Stefan Zweig, renommierte Maler wie Otto Dix oder Ernst Ludwig Kirchner, aber auch Künstler wie Wilhelm Morgner, Hermann Stenner oder Franz Nölken begeisterten sich für den Ausbruch des Krieges und meldeten sich freiwillig zu den Waffen.53 Angetrieben von einer »Bereitschaft zur klärenden, reinigenden, das Volk auf seine urtümliche Kraft zurückwerfende Katastrophe«,54 aus Angst vor einer technisierten und beschleunigten Welt, in der alte Werte keinen Platz hatten, oder aber aus Begeisterung für die Möglichkeiten des Fortschritts und die Kraft der Maschinen, wie sie die Futuristen feierten, setzten viele auf eine Tabula rasa durch

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Krieg. Einfluss auf die positive Einstellung zum Krieg hatte, wie Steffen Bruendel schreibt, einerseits die dominante Stellung des preußischen Militärs in der wilhelminischen Gesellschaft und die außenpolitische Situation : Als Mitglied des Dreibunds zwischen Deutschland, ÖsterreichUngarn und Italien gegenüber der »Entente Cordiale« aus Großbritannien, Frankreich und Russland wuchs das Gefühl, von Feinden umringt zu sein.55 Diese Ängste fanden Ausdruck im Motto »Feinde ringsum«, das Kaiser Wilhelm II. nach Kriegsausbruch geprägt hatte und das wiederum den Maler und Bildhauer Franz von Stuck zu seiner gleichnamigen Plastik (1916 ) inspirierte.56 In Bruno Jacobs Briefen findet sich jene nationale Gesinnung und Solidarität, die für viele Künstler in jenen Anfangsmonaten charakteristisch war. Sie wollten ihren Beitrag zum deutschen Sieg leisten, sei es, diesen mit Pinsel und Feder zu führen wie beispielsweise Max Liebermann, der für Kriegszeitungen zeichnete, oder aber wie Otto Dix, der sich freiwillig meldete und mit der Waffe für das Vaterland kämpfen wollte. Diese patriotisch gestimmte Euphorie mischte sich mit einer Abneigung dem »Feind« gegenüber. Bruno Jacob wurde von einer fast heiteren Kriegs- und Abenteuerlust angetrieben, der Jargon ist in Bezug auf die Kriegsgegner England, Frankreich oder Russland zunächst vor allem salopp, so als ginge es eher um ein kindliches Kriegsspiel als um einen realen Kampf um das Leben. Noch in der Ausbildung schreibt Jacob : »Wir müssen noch viel lernen, bis wir die Russen verhauen können.«57 Lapidar betont Jacob, dass es für ihn kaum einen Unterschied mache, ob er sein Gewehr auf russische oder französische Gegner richte : Kriegsfeind blieb Kriegsfeind. Vom Truppenausbildungsplatz Döberitz übermittelt der junge Rekrut folgende Nachricht : »Und meine Ruhe verliere ich nicht, das ist sicher. Obs nun Franzosen sind oder Russen, die wir abschießen, ist doch ganz gleich.«58 Und später notiert Jacob abenteuerlustig, kurz vor der ersten Schlacht : »Wir sind jetzt hier im Quartier in der Nähe von Brügge und sollen morgen früh die Engländer verhauen. Ich freue mich riesig drauf. Endlich ran an den Feind.«59 Diese Verharmlosung der militärischen Handlungen und der Auseinandersetzung ist kein Sonderfall, vielmehr gehörte es zum Ausdruck auch anderer Soldaten. So schreibt der Künstler Wilhelm Morgner : »Die Hauptsache ist, die Welt verwalkt sich. Egal wer Keile bekommt. Ich freue mich immer nur, wenn

11  Postkarte der Kaserne des Königin Elisabeth

Garde-Grenadier-Regiment Nr. 3, Berlin-Charlottenburg, undatiert

12  Besuch des Kaisers Wilhelm II. an der Westfront, Vouziers, März 1915

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ich höre, ein neues Volk prügelt sich jetzt wieder. Jetzt auch die Italiener. Das wird eine ganz famose Weltpelzerei. Nur noch toller muß es werden. Niemand darf zu Hause gelassen werden. [ … ] Mir geht es immer noch so, wie sich das gehört, ganz ausgezeichnet.«60 Dabei werden in den Briefen Jacobs trotz alledem Unterscheidungen zwischen den Lagern getroffen : Engländer und Russen werden als gewissenlose Söldner beschrieben, während Jacob für Belgier und Franzosen ein gewisses Maß an Empathie empfindet : »Die Engels hassen wir alle, aber mit den französischen u. belgischen Gefangenen teilten wir unsere Liebesgaben, die wir während der Fahrt kriegten. Die verteidigen doch wenigstens ihr Land, aber die englischen Söldner. Pfui Teufel. In Belgien selbst hatten die Einwohner mehr Angst vor ihren Verbündeten als vor uns.«61 Seine militärische Ausbildung absolvierte Bruno Jacob binnen weniger Wochen in der Berliner Königin-Elisabeth-Kaserne und gehörte damit zu den »Elisabethern«.62 Das Königin Elisabeth Garde-GrenadierRegiment Nr. 3 wurde 1860 gegründet und residierte seit den 1890er Jahren auf der Grenze zwischen Charlottenburg und Westend unweit des Schlosses Charlottenburg. In der Kasernenanlage, die ästhetisch an die deutsche mittelalterliche Baukunst anschloss, mit dem weitläufigen Exerzierplatz erlebte Bruno Jacob seine ersten Tage und Wochen als Soldat.63 Einige seiner Briefe wurden auf dem regimentseigenen Briefpapier mit dem Signet der Elisabether verfasst; es zeigt ein verschlungenes »E« mit Krone – als Hinweis auf die Anbindung des Regiments an das preußische Herrscherhaus und die Schirmherrin, Königin Elisabeth. Intensiviert wurde diese Ausbildung auf dem Truppenübungsplatz ­Döberitz nahe Berlin, der in den 1890er Jahren zu einem wichtigen Ausbildungsplatz der kaiserlichen Armee ausgebaut worden war. Die Heereserweiterung 1913 führte zur Vergrößerung des Barackenlagers, ein Jahr später schloss sich auf angekauftem Land ein Kriegsgefangenenlager an – Jacob schreibt in seinen Briefen von englischen Soldaten, die zur Reinigung der Unterkünfte herangezogen wurden.64 In Döberitz wurde Jacob einer intensiven Ausbildung in Gefechtssituationen unterzogen, lange Fußmärsche und strapaziöse Wachdienste gehörten ebenso dazu wie Übungen im Scharfschießen. Auf die medizinhygienische Versorgung der preußischen Armee verweisen Jacobs Kommentare zu Impfungen, denen er sich regelmäßig unterziehen musste, deren Verabreichung schmerzhaft war und die starke Nebenwirkungen wie Fieber

und Schmerzen im Arm nach sich zogen. Jacob wurde – dies lässt sich aus Textpassagen in den Briefen ersehen – gegen Typhus, Pocken und Cholera geimpft. Fortschritte in der Bakteriologie führten zu verbesserten und umfassenden präventiven Maßnahmen, die den Ausbruch von Kriegsseuchen auch unter hygienisch schlechten Bedingungen wie an der Kriegsfront, in den Schützengräben und den Lazaretten eindämmen helfen sollten. Der Einsatz von Impfstoffen war Teil einer strategisch ausgerichteten Kriegshygiene, die Krankheitsfälle in den Reihen der Soldaten minimieren sollte, um die Truppenstärke konstant hoch zu halten.65 Der harte militärische Alltag und die Erziehung zum Kampf an der Front wurde unterbrochen von wenigen Stunden der Freizeit : Noch bis Oktober konnte Bruno Jacob seine Freundin Lieselotte Friedlaender bei seinen Wochenendbesuchen regelmäßig sehen. In das Abenteuer der Ausbildung vermengten sich zunehmend Blicke in die nahe Zukunft und die Ungewissheit, an welche Front Jacob wohl geschickt werden würde : »Wenns nach Lemberg geht, dann mache ich jetzt schon mein Testament. Dann kannst Du, falls ich bleibe, alle meine Zeichnungen holen und die Briefe, die von Euch sind und in meinem Pult liegen. Heute kriegen wir unsere Totenmarken, Die sind echt patriotisch auf schwarzweißer Schnur aufgezogen und werden um den Hals getragen. Bei den Toten werden dann die Nummern rausgezogen und in der Liste nachgesucht, da steht dann die Nummer und dahinter Name u. Adresse.«66 Doch immer wahrscheinlicher wurde ein Truppentransport an die Westfront und die belgische Frontlinie. Über das umkämpfte Antwerpen sollte es nach Jacobs Willen direkt im Siegeszug nach Paris gehen. Am 13. Oktober 1914 brach Jacob mit seinem Korps aus Döberitz tatsächlich mit dem Zug Richtung Belgien auf. Der Truppentransport erfolgte bereits seit den ersten Kriegstagen planmäßig organisiert, als täglich 550 Züge ins linksrheinische Gebiet fuhren, um Soldaten, Sanitäts- und Nachschubpersonal, Pferde und Waffen ins Kriegsgebiet an die Westfront zu transportieren.67 Diese Transporte hatten also schon eine gewisse Routine, als Jacob mitsamt seinem Bataillon in Richtung Belgien ausrückte. Die umkämpfte belgische Front am Fluss Yser war das Ziel; dort hatte Jacob sein erstes leibhaftes Kriegserlebnis, das ihn zwar erschütterte, jedoch seinen Glauben an den Sinn dieser kriegerischen Auseinandersetzung nicht verlieren ließ.

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Der deutsche Generalstabschef Alfred Graf von Schlieffen hatte bereits 1905 Ideen für einen schnellen Angriffskrieg gegen Frankreich formuliert. Nach einer raschen Entscheidungsschlacht gegen französische Truppen sollte in einem zweiten Einfrontkrieg – Schlieffen ging von einer längerfristig angenommenen Mobilisierung der russischen Armee aus – dann die Masse des Westheeres in den Osten verlegt werden. Der gegen Frankreich notwendige Marsch durch neutrales belgisches, niederländisches und luxemburgisches Gebiet kalkulierte den Kriegseintritt Großbritanniens mit ein.68 Schlieffens Nachfolger Moltke verzichtete zwar auf die Neutralitätsverletzung der Niederlande, stellte jedoch Belgien vor das Ultimatum, den Durchmarsch deutscher Truppen zu gestatten – was abgelehnt wurde und zum Kriegseintritt Belgiens führte.

In der Schlacht : Vom Töten und Sterben

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Die Kriegsbriefe von Bruno Jacob enthalten Beschreibungen von militärischen Auseinandersetzungen, die von Waffengewalt, Technisierung und zugleich archaischen Überlebensszenarien bestimmt sind. Einerseits wird von langen Stellungskriegen mit hochgerüsteten Waffen geschrieben, andererseits erläutert Jacob immer wieder detailliert, unter welch widrigen Lebensbedingungen die Soldaten an der Front ausharren mussten. Schlamm und Hunger, Kälte und Erschöpfung prägten den Soldatenalltag, der zudem häufig von tagelangen Gefechten bestimmt war. Der Pazifist Theodor Lessing hat dem unmenschlichen Maschinenkrieg Essays gewidmet, für die er im kriegstrunkenen Deutschland unaufhörlichen Attacken ausgesetzt war : »In diesem Kriege sind Metzger- und Abschlachtetechniken zur Welt geboren, gegen die alles Menschenmorden der Vorwelt schamhaft verblaßt. Bomben aus Luftschiffen auf ahnungslose Städte niedergeschleudert. Mit elektrischen Hochströmen geladene Stacheldrähte, Sprengstoffe, heimlich unter dem Boden vergraben, genug, um Reiterregimenter arglos darüberhinstürmender Husaren in die Luft zu sprengen. Vergiftete Fliegerpfeile. Dumdumgeschosse, künstlich abgeplattet, um unheilbare innere Zerreißungen zu bewirken. Minenstreuer, feuerflüssige Benzolmassen, in Schützengräben geleitet. Kochendes Wasser, siedendes Öl. Maschinengewehre, mechanisch Hunderte tötend. Handgranaten, um den Gegner in hunderte Stücke zu zerreißen.«69 Dass diese fern

der Kriegsgeschehen verfassten Zeilen dennoch realistisch waren, zeigt sich in den Gefechtsschilderungen Jacobs. Als frisch ausgebildeter Rekrut wurde Jacob gleich ins Zentrum des Kriegsgeschehens verbracht und kämpfte an der Westfront zunächst in Belgien, später in Frankreich. Der Ankunft am Bahnhof Alost folgte ein langer Fußmarsch, der ihn durch bereits umkämpftes Terrain führte. Durch zerstörte Städte, vorbei an brennenden Windmühlen und Flüchtlingsströmen,70 marschierte Jacobs Regiment 203 in Richtung des belgischen Dixmuide, das unmittelbar an der Kriegsfront lag und ein Zentrum des Stellungskriegs war, der im Oktober /  November 1914 einsetzte. Am 15. Oktober waren belgische Truppen am Fluss Yser angelangt und begannen sofort, sich dort einzugraben. Die deutsche Heeresleitung wollte im Westen Land machen und bis zum Ärmelkanal vorstoßen und kämpfte an der Yser gegen belgische, französische und englische Truppen. Bruno Jacob, der seit dem 15. Oktober mit seiner Truppe in Belgien stationiert war, schreibt von grausamen Kriegsgefechten, von Schrapnells und Verwundeten bei der Schlacht um Dixmuide : »Liebe ­Lieselott, der Krieg ist doch nicht so schön, so herrlich. Hier hat man Gelegenheit die furchtbaren Wunden zu sehen, die die Schrappnells und Granaten schlagen. In der Front, wenns frisch drauflosgeht, da ist fein, aber da sieht man nicht rückwärts und bemerkt nicht die Wunden und Toten, die auf dem Feld geblieben sind.«71 Erschwert wurde der Kriegsfortgang durch ein taktisches Manöver der Belgier, die die Deiche der Yser am 25. Oktober 1914 durchstießen und die Region unter Wasser setzten. Zwar wurden auf diese Weise auch viele Einheimische um ihr Hab und Gut gebracht, doch konnte der Vorstoß der deutschen Streitkräfte gebremst werden.72 In einem Feldpostbrief eines anonymen deutschen Soldaten sind die mit der Flutung verbundenen Herausforderungen beschrieben : »Jetzt ist mal wieder schlimm, der Feind hat scheinbar die Dämme bei Dixmuiden durchstossen, sodass das Wasser lustig in die Schützengräben laufen kann. Es steht ca. ½ Meter hoch und kann noch beliebig steigen bis der Graben überläuft und man schwimmen kann.«73 Das Scheitern des Schlieffenplans, der von einem raschen Sieg gegen Frankreich und Einmarsch in Paris ausgegangen war, führte zum Erstarren der westlichen Kriegsfront in einem Stellungs- und Grabenkrieg, der von zermürbenden Materialschlachten geprägt war.

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Ein schwerer rheumatischer Schub zwang Jacob, sich zumindest für einige Zeit aus dem Kriegsgeschehen zu verabschieden und Anfang November wieder nach Deutschland zurückzukehren, wo er in der Berliner Charité therapiert und später in Spandau stationiert wurde. Zwar hatte er hier wieder die Möglichkeit, Lieselotte Friedlaender regelmäßig zu treffen. Doch der harte und triste militärische Alltag in der Kaserne sowie die geringe Wertschätzung auch fronterfahrenen Soldaten gegenüber motivierten Jacob, sich bereits im Dezember 1914 erneut freiwillig an die Front zu melden. Im französischen Douai war Jacob zunächst hinter der Frontlinie und als Reservist stationiert, wurde dann jedoch zum Kampf im Schützengraben gegen französische Truppen eingesetzt. Der vermeintliche »Wettlauf zum Meer« prägte das Kriegsgeschehen Ende 1914, als deutsche und Truppen der Entente sich immer wieder gegenseitig zu umfassen suchten und dabei in Richtung Küste bewegten. Flandern und Nordfrankreich wurden durchquert; das Ziel der britischen Truppen war es, die Deutschen vor der Eroberung belgischer Küstenstädte abzuhalten, um ein Übersetzen über den Ärmel­kanal und den Angriff auf England zu verhindern. Obgleich beide Seiten Mitte Oktober die Küste erreichten, fraß sich der Krieg nun in einem Stellungskrieg fest. An der Kriegslinie von St. Quentin bis zum Ärmel­kanal wurde auch Bruno Jacob eingesetzt und kämpfte in Stellungen bei Arras, später bei Vouziers und Savigny.74 Jacobs drastische Beschreibungen verwester Soldatenkörper, die er beim Ausheben von Schützengräben sah, oder zweier schlafend erscheinender Toter spiegeln die allgegenwärtige Todeserfahrung an der Front wider. Das ständige Gefühl der Todesnähe und die damit verbundenen Belastungen bestimmten das Leben der Soldaten : »Es gab hier weder Anfang noch Ende einer Schlacht im traditionellen Sinne und damit auch keine Markierungen, von denen sich eine relative Sicherheit hätte ableiten lassen.«75 Dabei sollten die im Ersten Weltkrieg millionenfach vergebenen militärischen Auszeichnungen vermutlich dazu beitragen, die seelischen und körperlichen Verausgabungen zumindest teilweise zu mildern und zu relativieren. Ende Januar 1915 erhielt auch Bruno Jacob das Eiserne Kreuz. Einige schwere Gefechte in den Januar- und Februartagen 1915 überlebte Jacob wohl nur mit Glück, seine Briefe berichten von Gewehr- und ­Granatenbeschuss : »Bis auf ein paar Meter vorm Graben platzen die

Granaten. Der Boden wackelt wie bei einem Erdbeben. Schuß auf Schuß. Die Luft heult direkt. Die Splitter singen wie Kanarienvögel oder Orgeln. [ … ] 2 mal haben wir beide, mein Freund und ich, eine Privatsendung von dem Postboten bekommen. Wir gingen nämlich am hellen Tag durch den Graben weiter und sahen dann drüber weg, um uns den Granatschaden im Wald zu betrachten. Wir hatten keine 4telminute unseren Kopf hoch, Da kommsts Ssssssss-Bumm-sssssssss-Bum. Wir liegen sofort ganz platt im Graben und über unsere Schädel der ganze Regen an Splittern und Kugeln weg.«76 Diese Schilderung verdeutlichen, dass die Kriegshandlungen durch massive Geräuschentwicklungen zusätzlich zu schweren psychischen und physischen Belastungen führten. Soldaten wurden im Krieg mit ganz neuen, zerstörerischen Waffen konfrontiert : »Leichte und schwere Artellerie, Maschinengewehre, Giftgas, Flammenwerfer, Flugzeuge und schließlich die ersten Panzer«,77 was nicht nur zu schwersten Verletzungen führen konnte, sondern viele auch psychisch traumatisierte. Granatenbeschüsse, wie sie Jacob eindringlich beschreibt, konnten, selbst wenn die Soldaten überlebten, durch Lärm und brachiale Gewalt zu nachhaltigen Schäden führen. In einem Artikel der »Wiener Medizinischen Wochenschrift« zeigte sich der deutsche Psychiater und Militärarzt Konrad Alt 1917 besorgt über die »überaus große Gruppe der Zittterer, Schütteler und Torkeler, die man jetzt vielfach auf den Straßen größerer Städte herumgehen oder auch im Rollstuhl herumfahren sieht. Die einen zittern und wackeln bloß mit dem Kopf, manche nach links, andere nach rechts, oder auch auf- und abwärts, wieder andere rütteln und schütteln mit einem oder beiden Armen, tänzeln, hüpfen, schlürfen, torkeln beim Gehen und so mehr«.78 Jacobs Briefe sprechen wiederholt von den durch Waffen ausgelösten Kriegsgeräuschen, für die es kaum eine adäquate Sprache zu geben schien. Um dennoch einen Eindruck vermitteln zu können, griff er zu »lautmalerischen Beschreibungen«79 wie dem »Ssssssss-Bumm-sssssssss-Bum«, das die spezifische Dramaturgie der Waffengeräusche übersetzte. Die Erlebnisse an der Westfront zeigen deutliche Spuren in den Briefen, da Jacob nunmehr kaum von einer abstrakten Abenteuerlust beflügelt war, sondern die realen Kampfhandlungen und Strapazen des Waffenkriegs erlebte. Aus Frankreich schreibt Jacob Ende Januar : »Seit 4 Tagen habe ich nicht ein Auge zugetan und nichts Warmes gegessen. Bin aber trotzdem nicht müde. 4 Tage und 4 Nächte gewacht !

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Nachts dürfen wir nicht schlafen, weil die Franzosen immer Durchbrüche versuchen. Je 2 Mann rauchen, die anderen 2 arbeiten; Schippen, hacken, Deckungen u. Unterstände bauen. Alle Augenblicke steigen Leuchtkugeln hoch. Dann ist alles Taghell erleuchtet und dann geht ein Geschiesse los, wie die Hölle. Die Kugeln singen, pfeifen, sausen über einen weg. Öfter arbeiten wir oben am Graben, ohne Deckung. Da sind schon verschiedene schwerverwundet worden. Ich hab noch nix abgekriegt. Es hat gefroren, da ist es kalt. Ich hab gleich am 2ten Tag die Stiefel voll Wasser gekriegt und habe nun bannige Eisbeine. Am Tag sollen oder können wir schlafen. [ … ] Wer nicht beten gelernt hat, der lernt es hier und auch Du kannst für mich beten, daß ich heil aus dem Hexenkessel komme.«80 Jacobs Briefe vermitteln einen intensiven Eindruck vom Gefechtsalltag und dem Leben in den Schützengräben, die den Kampf an der Westfront prägten. In bis zu neun Meter tiefen Gräben, die mit Holz, Steinen oder Erde überdacht waren und Regen und Schnee nur notdürftig abhielten, verlebten die Soldaten oft in knietief stehendem Wasser, in das sich Kot und Urin mischten, ihre Tage und Nächte.81 Trotz der nur knapp überstandenen Kämpfe und des strapaziösen Lebensalltags in den Schützengräben sind Bruno Jacobs Briefe zu dieser Zeit noch von Fatalismus geprägt. Kämpfe in den Schützengräben und Tage ohne besondere Vorkommnisse in der Etappe gaben den Rhythmus des Lebens an der Westfront vor. Besondere Episoden wie der Besuch des Kaisers in Vouziers am 3. März 1915, bei dem Jacob als Träger des Eisernen Kreuzes in der ersten Reihe stand, aber auch Begegnungen mit Prinz Eitel, Sohn Wilhelms II., der als Offizier an denselben Orten wie Bruno Jacob tätig war, finden, teilweise ironisch kommentiert, Erwähnung. Erst nachdem Jacobs Truppe im April 1915 von der West- an die Ostfront verbracht wurde, mischen sich unter die Textzeilen zunehmend zaghafte Formulierungen, die ein baldiges Kriegsende herbeisehnen. Ursächlich sind besonders schwere Entbehrungen, Hunger, Kälte und erbarmungslose Gefechte gegen die russische Armee. An der Ostfront standen sich Russland und die Mittelmächte gegenüber, wobei die Oberste Heeresleitung sich zunächst auf die Westfront konzentrierte und die Kriegsführung vor allem den k. u. k. Bündnispartnern überließ. Einerseits hatte Russland in Reaktion auf den deutschen Einmarsch in Belgien Armeen in Ostpreußen eingesetzt, andererseits marschierten

österreichische Truppen in Russisch-Polen ein. Bereits im August 1914 hatten die mit der Führung der 8. Armee in Ostpreußen beauftragten Hindenburg und Ludendorff bei der Schlacht zu Tannenberg einen wichtigen Sieg gegen die russische Armee erlangt.82 In den folgenden Monaten kam es zu Vor- und Rückstößen sowohl russischer Truppen als auch der Mittelmächte. Im März 1915 war das dem Kronland Galizien zugehörige polnische Przemyśl von russischen Truppen eingenommen worden. In der Folge wurden zur Unterstützung der österreichischen Armee weitere preußische Truppenteile an die österreichisch-russische Front beordert; am 27. April begann die große Offensive der Mittelmächte an der gesamten Ostfront ( Große Offensive ), in die auch Bruno Jacob involviert war, der Ende April 1915 nach Polen gelangte und hier in den entscheidenden Schlachten kämpfte, die zur Rückeroberung von Przemyśl führten. Im Mai 1915 schreibt Bruno Jacob : »Nun tobt hinter uns die Artellerie los. Schuß auf Schuß in die Russen, ein Maschinengewehr arbeitet. Nach 10 Minuten ist Ruhe. Wir kommen rauf. Kein Russe ist zu blicken, ausgekniffen ! So gehts jeden Tag und jede Nacht. Zum Auswachsen ! – Meine Lieselott, wenn nur der Quatsch erst zuende wäre. Nun muß ich schließen.«83 Nur wenige Wochen später heißt es aus Przemyśl : »Ja Lieselotte, ich möchte nur, daß die Sache bald alle wird. Am 11.11. soll Frieden sein. Paß auf : 70 /  71 war der Frieden am 10. Mai (10. 5. ), daß kommt so raus : 1870 + 1871 = 3741, also 3741, die Hälfte, davon 3. 7. /  4.1. und addiert 3+7 = 10 /  4+1 = 5, also 10. 5. stimmts ? nun : 1914 + 1915 = 3829, die Hälfte 38 /  29, 3+8=11 2+9=11 : Frieden am 11.11.! ! Wenn nun die Verhandlungen noch früher anfangen, haben wir vielleicht bald Ruhe. Hoffentlich ist der Frieden noch früher da.«84 Die Briefe von der Ostfront unterscheiden sich deutlich von jenen, die Jacob von belgischen und französischen Kriegsstationen schrieb. Dem Stellungskrieg im Westen, der von tage- und nächtelangen Beschüssen und Angriffen geprägt war, stand der Bewegungskrieg im Osten in einem unübersichtlich großen Territorium gegenüber.85 Der militärische Alltag schien rauer, die Kämpfe erbarmungsloser, vor allem aber schien der Osten Europas für viele Soldaten eine Terra incognita, ja ein dunkler Kontinent gewesen zu sein : »Dort blickte der deutsche Soldat mit weit aufgerissenen Augen in eine fremde Welt, auf fremde Menschen und neue Horizonte und er spürte, daß diese Begegnung ihn

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13 Letzter

Brief Bruno Jacobs von der Ostfront, 13. Juli 1915,

geschrieben sieben Tage vor seinem Tod

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ebenfalls veränderte und zwar durch das, was er hier sah und tat.«86 Dieses Gefühl der Fremdheit und des Befremdens spricht auch aus den Briefen, die Bruno Jacob aus den polnischen Städten Jarosław und Przemyśl im Karpatenvorland und später aus Russland schickte. Jacob berichtet von dunklen Wäldern, in denen sich die Feinde verschanzten, und von mannshohen Roggenfeldern, in denen er fürchtet, verletzt zu verenden; er beobachtet Bauern, die zwischen den Fronten ungerührt ihre Arbeit verrichten, schreibt von Kosaken, die ihr eigenes Land plündern. Schmutz und Chaos, die von abziehenden russischen Truppen praktizierte »Politik der verbrannten Erde«, Krankheiten und Lausbefall – all dies begegnet dem Leser in den Briefen Jacobs. Und immer wieder bestimmen Nahrungsentzug und Hungersnot die Briefzeilen – seine Bitte um finanzielle Unterstützung begründet Jacob mit den Worten : »Ich verhungere hier nämlich. Bitte Dich um etwas Schokolade, Keks oder reinen Würfelzucker. Nimms nicht übel, wenn ich Dich anschnorre, aber ich bin in Galizien. Du weißt nicht, was das bedeutet.«87 Hatten es die deutschen Truppen in Nordfrankreich und Belgien mit industrialisierten Ländern zu tun, so trafen sie im Osten oft auf ländliche Regionen, auf ihnen unbekannte Landschaften, Kulturen, Sprachen und Traditionen. In seinen Briefen äußert sich Bruno Jacob, dessen Vater Salli auch ein Einwanderer aus Osteuropa gewesen sein könnte, nicht über etwaige Begegnungen mit Ostjuden, die bei einigen deutschen Soldaten jüdischen Glaubens oder familiärer osteuropäischer Herkunft zu heftigen Reaktionen führte, ihnen ihre eigene nicht assimilierte Vergangenheit vor Augen führte, sie zutiefst verunsicherte und ihr Verhältnis zum ( eigenen ) Judentum maßgeblich beeinflusste.88

Kampf und Kriegstod. Vom Erinnern und Vergessen Bruno Jacobs Briefe von den Fronten des Ersten Weltkriegs endeten am 13. Juli 1915. Heute lässt sich rekonstruieren, dass nicht etwa die Beziehung zwischen Jacob und seiner Briefpartnerin zerbrach, sondern dass Jacob nur sieben Tage nach seinem letzten Brief getötet wurde. Zunächst als Mitglied des 3. Garde-Regiment zu Fuß, 1. Kompanie, dem er damals angehörte, vermisst gemeldet, erfolgte 1917 die offizielle Gewiss-

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heit : Jacob wurde in den Verlustmeldungen des preußischen Heeres als Gefallener registriert, gestorben am 20. Juli 1915, wenige Tage nachdem das 3. Garde-Regiment über den Fluss San gesetzt und gegen die sich zurückziehenden russischen Truppen gekämpft hatte.89 Es ist nicht zu rekonstruieren, warum Jacob zunächst und für zwei Jahre als vermisst galt und erst 1917 endgültig als gefallen erklärt wurde. Denkbar ist, dass Jacob, der sich schon mehrmals fast leichtsinnig bei nächtlichen Streifzügen in Gefahr brachte, vielleicht in größerer Entfernung zu seinen Truppenteilen getötet wurde. Vermutlich fand sich erst viel später seine Erkennungsmarke oder ein Kreuz mit seinem Namen. Jacob starb als einer von zehn Millionen Soldaten, die den Kämpfen des Ersten Weltkriegs zum Opfer fielen, zugleich war er auch mitverantwortlich am Tod anderer jenseits der Frontlinie. In ihm fällt die große Tragödie aller Kriege zusammen, die Täter und Opfer zu zwei Seiten ein und derselben Medaille werden lässt. Der Feind, so viel lässt sich aus den Briefen rekonstruieren, war gesichtslos, niemals ein Individuum, sondern Vertreter der verfeindeten Nation : So wünschte Jacob den Engländern, Franzosen, Russen oder Belgiern den Tod, ohne dass er offensichtlich die Menschen und deren Schicksale vor Augen hatte. Waffen wie Maschinengewehre, Schrapnells und Granaten schufen Distanz zum Gegner und anonymisierten das Töten.90 Der kämpferische Einsatz für das Vaterland ließ Bruno Jacob keine Zeit, seine künstlerische Ausbildung fortzusetzen oder ein größeres Konvolut an Werken zu schaffen. So starb er, noch bevor er sich als Künstler einen Namen machen konnte. Im Gegensatz zu Künstlern wie Hermann Stenner oder Wilhelm Morgner, die bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht und sich als Maler etabliert hatten, stand Jacob bei Kriegsausbruch noch in seiner Ausbildung zum Künstler und konnte sich, da er als Soldat an den verschiedenen Kriegsfronten im Einsatz war, künstlerisch nicht weiter betätigen oder fortbilden. So hinterließ Jacob nach heutigem Erkenntnisstand ein nur schmales Œuvre, das aus kleinformatigen Papierarbeiten besteht, bislang privat verwahrt wurde und somit bis heute keine Aufmerksamkeit erhielt. Zudem fehlte Jacob vermutlich ein Umfeld, das sich um ihn und seine Arbeit auch nach dem frühen Tod bemüht hätte. 40

14  Auszug aus der Verlustliste der Preußischen Armee, 18. Oktober 1917

Für den 1917 gefallenen Wilhelm Morgner, der übrigens wie Bruno ­Jacob bei den Elisabethern in Berlin seine Militärausbildung erhalten hatte, war der Künstler Georg Tappert eine wichtige Bezugsperson, da er auch nach seinem dreimonatigen Studium in Worpswede Kontakt zu ihm hielt. Noch kurz vor seinem Tod schrieb Morgner an seinen ehemaligen Lehrer Tappert von der Westfront : »Mich selbst packt vor mir der unglaublichen Bestie das Grauen. Und doch wieder grenzenlose Sehnsucht nach weiter, weiter Ferne.«91 Nach Morgners Tod bemühte sich Tappert um dessen künstlerisches Erbe92 und verfasste ein Nachwort für ein 1920 erschienenes Buch über den Gefallenen. Darin schreibt Tappert : »Obgleich er Worpswede bald wieder verläßt, bleibt das Schülerverhältnis bestehen, welches sich später zu einem Freundschaftsverhältnis von seltener Herzlichkeit entwickelt. […] Die Zeichnungen aus den Jahren 1912 / 13 sind Morgners eigentliches künstlerisches Vermächtnis, gleichsam als ob er seinen frühen Tod vorgeahnt, wandelt er in diesen noch einmal alle Themen ab, die ihn beschäftigen [ … ]. Die Radierung ›Kreuzigung‹ ist sein letztes Werk, die Platte wurde bei seinen Sachen im Graben gefunden. Unfaßbar und unerklärbar wie vieles in seinem Schaffen und in seinem menschlichen Wesen ist auch sein Fortgang.«93 Tappert trug dazu bei, dass Morgners Werk nicht ganz in Vergessenheit geriet und synthetisierte die bereits vor Kriegsausbruch ansetzende Hinwendung Morgners zu religiösen Motiven mit den Kriegserlebnissen. Wie Tappert andeutet, befand sich das letzte, christlich konnotierte Werk des Künstlers im Gepäck – eine auf einer mitgeführten Konser-

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vendose angebrachte Radierung. Künstler wie Franz Marc oder August Macke, die bereits vor 1914 sehr bekannt waren, erhielten durch ihren frühen Kriegstod gar mythischen Nimbus, fielen doch in ihrem Schaffen Haupt- und Spätwerk in eins. All dies ist Bruno Jacob nicht widerfahren, blieb und bleibt doch sein Leben und Werk nur bruchstückhaft zu rekonstruieren. Bruno Jacob war einer von vielen talentierten Kulturschaffenden einer Generation, die sich in den Krieg begaben und deren früher Tod zum Vergessen ihres Wirkens und Lebens führte. Diese Publikation ist ein Versuch, ihn sowohl als Autor eindrucksvoller Briefe als auch als Künstler zu würdigen.

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TAFELTEIL

Farbtafel 1–19  Bruno Jacob, Porträts ( o. T. ), 1913 /  14, Maße ca. 14 × 9 cm, Gouache, Bleistift und Feder auf Papier, Privatbesitz

Edition der Briefe und Postkarten von Bruno Jacob aus den Jahren 1914 und 1915

Zur Textgestalt Die orthografischen Eigenheiten sind weitgehend beibehalten worden und die originale Interpunktion nur dort korrigiert, wo die Lesbarkeit und das Verständnis gefährdet schienen. Fehlende oder unleserliche Wörter werden durch eckige Klammern ersetzt, ebenso Ergänzungen, beispielsweise bei Abkürzungen, Auslassungen oder rekonstruierten Daten. Streichungen werden durch gestrichene Wörter kenntlich gemacht. Die Fragezeichen in der Datumszeile der Briefe stammen von Jacob, der in der Eile womöglich das genaue Datum nicht erinnerte.

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AUGUST 1914

15  Lieselotte Friedlaender,

um 1915 16  Bruno Jacob, Brief vom 31. August 1914 mit dem bekrönten

»E« des Königin Elisabeth-GardeGrenadier-Regiments Nr. 3

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CH. d. ? 8.14 [ 13. 8.14 ]1

Meine liebe Lieselotte ! Ich bin glücklich hier angelangt, vorläufig noch kein strenger Dienst, aber Urlaub werde ich jetzt noch nicht bekommen. Wir werden wahrscheinlich 4–6 Wochen ausgebildet. Dann eventl. abgeschickt. Ich glaube nach Russland. Der Kasernenhof sieht aus wie eine Irrenanstalt. Alles läuft Durcheinander, rennt sich um, wird angeschnauzt u.s.w. Kommst Du wirklich in Pension ? Und hast Du gestern Krach bekommen ? ? – Schreibe mir bitte bald. – Meine Adresse ist An den Grenadier B. J. 2tes Rekruten-Dépot Königin-Elisabeth-Garde-Grenadiere Kaserne Schloßstrasse 2

Ich werde Dir leider nicht so oft schreiben können, da es 1tens nicht statthaft ist, zweitens keine Zeit nich is, drittens die Pausen dazu verwendet werden, um die Stube zu kehren, Staub zu wischen, zu scheuern, Maul u. Augen aufzusperren, Instruktionen, u.s.w. Auf unserer Stube ist alles gemütlich, zwei Betten übereinander, ich schlafe oben, kann mir also keiner auf den Kopf spucken. Ich werde vielleicht etwas Urlaub, ( 2 Stunden ), kriegen, das reicht leider nicht aus, dich zu besuchen; nimm es nicht übel, Kleine, u. Denk an mich, hörst Du ! ? Nachts werde ich mich mit der Tierwelt unseres Paradieses bekannt machen. Sonst ist nischt vorgefallen, in 10 Tagen üben wir schon mit’s Schießgewehr; das soll manchmal losgehen, hat der Oberst gesagt. also schreibe mir bald, Kleine, aber nicht so oft, sonst kommt man beim Feldwebel in schlechten Ruf. bis Dahin viele, viele Grüße Dein Bruno Grenadier Empfehlung an Deine wt. Fr. Mutter

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[ Einschub ]: Die Russen sind alle Verbrecher. Sie gehör’n in ein finsteres Loch.

Die Franzosen, die sind noch viel frecher. Aber Dresche, Aber Dresche krieg’n se doch. aus : Wie einst im Mai3

15. 8. [ 1 ]4

Liebe kleine Lieselotte ! Eine Nacht und einen Tag in der Kaserne : Erst Schlafen. Ich hab mir was anderes vorgestellt, wir haben bis Mitternacht gelacht, bis unser Gefreiter geschnauzt hat. dann Totenstille. Die Wanzen haben noch nicht mobil gemacht. hip, hip, hurra. Es lebe das Elisabetherregiment. Um 5 Uhr bimmelt der Wecker, rasselt, klingelt, bis einer aufwacht. Dann kriecht einer nach dem andern aus seinem Käfig. Erst Bett machen, dann waschen, dann Stube fegen, scheuern, scheuern, scheuern. bis genug gescheuert ist. Dann gibts »Kaffee«, Ich habe noch nie so’n Kaffee gesehen, macht wenigstens keine Flecke. Dazu Schnecken von 70,71. Antreeten ! ! ! ! Wir sollen mit zwei Wagen nach der Grenadierkaserne fahren, Sachen holen; fahren ? Ich freu mich schon darauf, das wir fahren dürfen. Schit mit Ries, 5 Mann vorspannen !; und wie ­Pferde müssen wir den Wagen ziehen, um das olle Dreck Drillzeug zu holen. Jetzt sehen wir aus wie Sträflingen, keiner erkennt den andern. Panik. Wie die Idioten rennen alle durcheinander, Ich immer mitten mang. Dem einen sind die Hosen zu kurz, der andere fährt mit dem Kopf durch ein Loch im Ärmel u.s.w. Dann exerzieren. – X. Weiter weiß ich noch nichts. es ist Mittagspause. Essen Spack mit Arbsen. oder so. – Denkst Du noch an mich, und an das, was Du mir gesagt hast ? Das Du mir verziehen hast, ganz ! Schreib bitte bald, Kleine. Ich muß so oft an Dich denken. An den Gr. B. J. 2tes Rekruten-dépot König. El. Garde. Gren Reg. Kaserne Schlossstr. bis dahin ( viele )2 Grüße und K. Dein Bruno, Sträfling 67

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Ch. d. 16. 8.14 B. J. M. R.4 Liebe Lieselotte ! Hast Du meine beiden ersten Briefe schon erhalten ? Und kannst Du mir bald schreiben ? Jetzt ist ja Landsturm aufgeboten und bei uns wird die Sache beschleunigt. Wir sollten erst in 10 Tagen Gewehre bekommen, jetzt haben wir gestern schon mit geübt und Montag werden Felddienstübungen gemacht. Heute haben wir keinen Dienst, aber können auch nicht fort. Wir bekommen jetzt Tuchanzüge, Stiefel u.s.w. Ich muß heut immer an dich denken. Ohne Beschäftigung wird man sehr leicht melanklütrig.5 Es war so schön, wie wir noch so oft zusammenkamen und mein Benehmen aus den letzten Tagen tut mir jetzt noch mehr leid. Kann’s ja jetzt nicht ändern, Kleine. Aber Du vergißt mich doch nicht sobald, nicht. Das wäre das schlimmste für mich. Hoffentlich läßt Du bald was von Dir hören. An Urlaub ist jetzt glaube ich, nicht zu denken. Wir werden so bald wie möglich in die Front geschickt werden. ? – ? – ? – ? Aber ich muß Dich noch sehen, Baby. Lieselott, und wenn ich auskneifen müßte. Und schickst Du mir eine Locke ? ? Nachdem, was vorgefallen ist, darf ich Dich eigentlich nicht bitten. Aber ich hoffe immer noch, daß Du mir ganz verzeihen wirst. Es soll später schön werden, Kleine, wenn ich rauskomme. [ Streichungen ] Ich muß jetzt immer so oft dran denken. Also schreibe bald, Kleines. Und recht viel. Empfehle mich auch deiner wt. Fr. Mutter. Aber lies den Brief nicht vor und zeige ihn auch nicht weiter. Ich [ Streichung ] darf Dir ja nicht sagen, wie sehr ich Dich vermisse. Nur wenn strammer Dienst ist, darf muß ich aufpassen. [ Streichung ] Meine Klaue mußt Du entschuldigen. aber ich muß schnell machen. Also, lebwohl, Lieselotte und denk an mich Dein Bruno Königin-Elisabeth-Garde-Grenadiere 2tes Rekruten-Dépot Kaserne Schloßstr.

Ch. 17. 8.14 Kleine Lieselotte ! WARum schreibst Du mir denn garnicht ? Hast du mich jetzt schon vergessen ? Ich freue mich Doch so Darauf, Dich zu sehen. Hoffentlich gehst Du mit mir. Mein Rock ist nämlich 6te Garnitur, dito Hose. Sehe aus, als wäre ich schon aus dem Feldzug zurückgekehrt. Also schreib mir mal, ob Du mich in Gnaden aufnimmst. Augenblicklich habe ich nix zun [ zu tun ], von 11–3 ist Ruhe hier. Auf unserer Stube haben wir 2 Mandolinen, ( Wandervögel ) und 1 Zitter. Abends von 7 Uhr ab ist kein Dienst mehr, Da polieren wir unsere Knöpfe und putzen Stiefel, Gewehre u.s.w. Dann wird gespielt. Fußball, Laufen auf Dem Hof u.s.w. Also, Kleine ist’s noch nicht so schlimm mit Dem Schliff. Um 9½ alles ins Bett. Mit viel Klamauk. Dann kommt der Gefreite vom Dienst und brüllt, daß alle wieder aufwachen : alles zu Haus ? Der Stubenälteste steht im Zimmer im Hemd stramm ( Wenn er noch eins anhat, und brüllt wieder : Alles zu Haus ! ! ! ! ! ! Dann knallt die Tür zu, und man fängt an, zu schlafen. Einer beginnt : Meine Herren, hier ist zu sehen die verschiedenen Tiere und andere ­Sachen. Immer herein, immer herein. Abteilung 1. Die Riesenschlange sie mißt vom Kopf bis Schwanz 50 Meter von Schwanz bis Kopf 60 Meter immer soll sie noch länger sein. Abteilung 2. Der Löwe. Meine Herren, er heißt Löwe, weil er in der Wüste rumlöft. Seine Jungen heissen Löwisohn. Abteilung 3. Hier ist zu sehen das Afrikanische Zebra, wie es sich seine Streifen an einem Gummibaum abradiert. – Von der Riesenschlange ist folgendes zu sagen : Wenn sie alt wird und eine Brille tragen muß, nennt man sie Brillenschlange. Wird sie noch älter und klapprig, nennt man sie Klapperschlange. u.s.w. FORTSETZung FOLGT. Schreib mir mal, Kleine. Ich möchte Dich bald sehen. mit vielen Grüßen Dein Bubi [ Hinzufügung unten ] Du brauchst nicht frankieren schreib rauf : Soldatenbrief

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[ Hinzufügung seitlich ] Hast Du mich noch lieb ? Also ich glaube Dir. Sonst schreibe nicht mehr.

[ Datum fehlt, wohl 17. 8.14 ]6 Liebes Baby ! Hast Du denn immer noch keine Nachricht von mir ? Das wäre doch ausgeschlossen. Ich hab’ schon 4 Briefe an Dich geschrieben. Im Schweisse meines Angesichts. Ich muß schuften wie ein Pferd, aber es macht Spaß. Instruktion, Felddienstübungen und Mittagessen. Das letzte ist die größte Arbeit für mich. Erbsen mit Spack. Bohnen mit Spack. Erbsen mit Ochsenfleisch, Bohnen mit Ochsenfleisch. Dürft Dich aber nicht interessieren. Was gibts draussen ? Wir sind hier abgeschlossen von aller Welt. Urlaub haben wir uns auch verscherzt, wenigstens vorläufig. Schreib mir doch endlich, ich weiß garnicht, was mit Dir los ist. Aber schreib die Wahrheit ! Bei uns ist ein Tag wie der andere. Also kann ich Dir jetzt nichts Neues schreiben. Entschuldige, wenn der Brief etwas kürzer ist, wie die andern, aber ich kann Dir erst mehr schreiben, wenn ich von Dir mehr weiß. Im Fall, daß Du meine Adresse verloren haben solltest, schicke ich sie Dir nochmal. Du schreibst rauf : Soldatenbrief unfrankiert An den Grenadier B. J. 2tes Rekruten-Depot Königin-Elisabeth-Garde-Grenadiere Kaserne Schloßstr Adieu, Kleine und auf Wiedersehen Hoffentlich hab ich bald Urlaub Viele Grüße Dein Bruno Schreibe bald ! 70

CH. d. 18. 8.14 Meine kleine Lieselotte ! Entschuldige vielmals für den Brief von gestern, aber ich war schon ganz unruhig und wußte nicht, was mit Dir los sei. Vielen Dank für Deinen Brief, ich hab ihn schon sehr oft gelesen. José [ … ] will wieder anfangen; Ich denke, er ist in Brasilien ? Ich vertraue Dir. Du weißt, was Du mir versprochen hast. Vielleicht krieg ich schon Sonnabend Urlaub, wenn auch nur ein paar Stunden. Ich würde Dir dann genauer schreiben, wo du mich treffen könntest, Wenn Du willst, kannst Du ja in Die Nähe Der Kaserne kommen, Das schreibst Du mir jetzt, nicht ? Mir geht es sehr gut, bis auf nur möchte ich Dich noch öfter sehen können. Vergiß mich nur nicht. Zum Ausgehen bekommen wir eventuell doch noch eine Garnitur. Meine andere ist nämlich mau. Ich bin jetzt furchtbar müde. Wir sind eben von einer Übung zurück gekommen. Wir üben jetzt feuern, mit 2 Parteien, aufeinander knallen mit Übungspatronen. Dann Hurrarufen, auf Den Gegner stürzen, angeschnauzt werden u.s.w. Und das alles in der Kluft, in der wir ausgehen sollen. In der Pause muß ich Dann den Dreck wieder rausputzen und Knöppe polieren bis ich verrückt werde; wenn Dazu noch eine Lungenentzündung kommt ….. Die Gefreiten beginnen bei uns aus der Haut zu fahren. »Wenn Ihr Deutschland verteidigen sollt, könn’ wa schon einpacken ![ « ] Siehste, da haste de Kiste. bis dahin viele, viele Grüße und Küsse Dein Bruno.

[ Undatiert, wohl 19. 8.14 ]7 Eigentlich ist es kohl, daß ich Dir heut schreibe : Da ich Dir aber versprochen hab, täglich zu schreiben, so kriegst Du einen. Ich bin eben vom Feldwebel aus dem Schlaf geweckt worden, hab garnicht gemerkt, daß er kam. Auch haben wir wieder Löhnung gekriegt. 3,30, wenig aber herzlich. Meine Laune mußt Du entschuldigen. Ich bin noch ganz verschlafen. Jetzt muß ich Knöppe putzen. scheuern. Verflucht. Ich bin müde. Wir sind heute geimpft worden.8 Einer ist in Ohnmacht gefallen. Schreib bitte noch auf Das Couvert : 2te Inspektion Stube 78

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Ch. d. 20. 8.10 [ 14 ] Meine Lieselotte ! Ich weiß noch nicht, ob Du heute kommen wirst, Ich hoffe es doch. Ich hab nur noch 5 Minuten Zeit. Solltest Du aus einem dringenden Grund nicht kommen können, so schreib es nur mal, sonst bist Du da n’est-ce-pas ? Liebe Kleine, ich weiß gar nicht was ich Dir über uns schreiben soll. Den einen Teil kennst Du, Den ander sag ich Dir mal. den dritten darf ich überhaupt nicht sagen. Ich hab Dich furchtbar lieb. Vergiß mich noch nicht. Hoffentlich kommst Du heute. bis dahin viele herzliche Grüße Ich kann nicht mehr schreiben, weil jedes Schwein hier ein anderes Lied singt. Grüß auch Dein wt. Frau Mutter9 von mir; Und Käthe10 u. Hutloff.11 Ich hab ihnen noch nicht geschrieben. Goodby. Dein Bruno.

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Ch. d. 20. 8.14 Meine Lieselotte ! Hast Du alle meine Briefe erhalten. Wir hatten heute Schießen auf dem Exerzierplatz. Meine Beine sind durch das Tuch scheuert bannig. Vielleicht hab’ ich morgen Urlaub, vielleicht heut schon. Heute könnte ich Dich, glaub ich, nicht mehr besuchen, da wir erst von 7 ¼ Urlaub haben bis 9 ½. Also furchtbar wenig. Wenn du willst sei morgen am 21. um ¾ 8 bei mir oder am Bahnhof Charlottenburg, Ecke Droysen und Gervinusstr., wo wir uns damals trafen. Aber pünktlich, denn ich kann nicht warten. Sei bitte da. ¾ 8, hörst Du ? Sollte ich nicht da sein, so muß irgend eine Schweinerei dazwischen gekommen sein, daß ich nicht hab abkommen können; dann sei bitte nicht böse, Kleine. Man ist hier von jedem Kuli abhängig. Dann sehen wir uns Sonntag bestimmt; näheres schreib ich noch. Hier ist ein Tag wie der andere. Ich vermisse Dich furchtbar. Denkst Du oft an mich. Wirst Du kommen.

Schade, daß ich nicht länger Zeit habe. Jetzt sehe ich erst, wie lieb ich Dich hab’, wir Dürfen nicht auseinanderkommen. Japan soll ja jetzt gegen uns sein;12 Nancy ist genommen, Belfort brennt, alles Gerüchte, die zu uns kommen.13 Zeitungen sollen wir nicht lesen. Ist was wahr Dran ? Also komme morgen um ¾ 8, Kleine, am Bahnhof oder bei mir. Innigst Dein Bruno

Ch. d. 26. 8.14 abends 9 Uhr Kleine Lieselotte ! Das ist der 3te Brief, den Du hoffentlich morgen schon kriegst. Sei bitte Freitag, um ¼ 9 ( viertel neun ) am Bahnhof, wo wir uns immer treffen. Ich weiß nicht mehr, ob ich Dir’s schon geschrieben hab, sonst doppelt hält besser. Ich muß immer an Dich denken. Also wir bleiben vielleicht doch noch eine Woche hier. Hoffentlich sehe ich Dich noch so oft wie möglich. Da wirst Du vielleicht 3 Briefe bekommen, wenn der 2te in den Kasten gesteckt worden ist. Den hab ich nämlich einem Zivilisten zum Einstecken gegeben; wenn er ihn unterschlagen hat, kriegst Du ihn nicht. Dieser war aber eigentlich ungültig, da er der erste war, den ich geschrieben habe. Deine Mutter wird sicher sagen, daß wir Elisabether14 viel Zeit haben; Is aber Essig ! Ich hab heut nicht geschlafen, um Dir zu schreiben. Da ich wieder Stubendienst hab, Sachenempfang u.s.w. Es ist ½ 10, Kleines, ich muß schließen Viele, viele Grüsse u. Küsse Dein Bruno Schreib oder komme morgen pünktlich u. allein. ohne Zeugen. Auf Wiedersehen Kleine

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Ch. d. 27. 8.14 Meine kleine Lieselotte ! Ausser diesem Briefe wirst Du wohl den von gestern empfangen. Ich komme also heut wirklich nicht fort. Morgen, Freitag, sehen wir uns um ¼ 9 ( viertel neun ) bestimmt. Ich werde alles dran setzen, daß ich kommen kann, und wenn ich zum Lieutenant gehen müßte. Sei Du so pünktlich wie möglich, denn es ist vielleicht das letzte Mal, daß wir uns sehen. Höchstens noch Sonnabend auf kurze Zeit. Denn Montag sollen wir, wenn keine andere Order kommt nach Döberitz15 ins Quartier, da die Kaserne von neuen Rekruten besetzt werden soll. Kleine, ich hab’ Dich so lieb. Vergiß mich nur nicht, auch wenn ich Dir nicht jeden Tag schreiben kann. Denn Der Dienst ist jetzt sehr stramm. – Sei Freitag bestimmt Da. Wir gehen wahrsch. erst noch zu uns, da ich auch dort Abschiednehmen muß. Vielleicht kriegen wir noch Galgenfrist, ist aber nicht wahrscheinlich. Denkst Du oft an mich. Ich mußte heut immer an Dich Denken, sogar beim Schiessen. Bedingungen glatt erfüllt. Ich krieg Doch noch eine Locke von Dir. Oder willst Du nicht mehr. Wir haben schon so eine Ahnung, dass wir so auf 2–3 Jahre in Russland verbringen, bis alle Armeekorps ihre Keile weg haben. Schön aber unglücklich. Neulich stand drin, daß ein Schrappnell 72 Tote gefordert hat.16 einen Schuss von vorne denke ich mir viel schöner. Schreib mir recht oft, Mädel. Wenn wir bloß am Feind wären. Diese Himmelhunde werden schon lackiert werden. Ob wir von Döberitz noch Urlaub kriegen, weiß ich noch nicht. Aber vorm Ausrücken seh ich Dich noch, nicht wahr Lieselotte. Grüße Käte und Hutloff von mir. auf Wiedersehen, Freitag den 28. ? Mit vielen Küssen / Dein Bruno.

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28. 8.14 Liebe kleine Lieselotte ! Trotzdem wir uns wahrscheinlich heut sehen, schreibe ich Dir Doch. Du selbst wirst ja hoffentlich nachkommen ( im Schreiben ), wenn ich erst im Quartier bin. Die besten sollen jetzt bald einrücken; hoffentlich komm ich mit, denn unser Halbzug ist zum 2ten mal der beste im Scharfschies-

sen geblieben, und ich bin linker Flügelmann. Das einzig schlimme für mich ist, daß ich Dich dann nicht mehr sehe. Du Denkst dann doch noch an mich. Meine Kleine, morgen, am Sonnabend, sehen wir uns wahrscheinlich nicht, da ich mich mit meinen Eltern und einigen Verwandten treffen soll. Familienklatsch, mein Ideal. Ich werde zu Hause fragen, ob ich Dich nicht doch treffen kann. Sonntag hab ich mich um 5 mit Käthe Schück verabredet. Hoffentl. bin ich Montag noch Da, ich glaub aber in Döberitz. – Wenn ich erst zurückbin, wirds fein werden, nicht, Kleine ? Ich muß immer an unser Atelier denken. Obs was wird ? Ich hoffe doch. Dann kann ich noch mal von vorn anfangen mit Malen. Von unserm Regiment sollen viele vor Lüttich gefallen sein.17 Ein Kompanie aufgerieben. Die Reserve soll in Schlesien liegen. Wir kommen nach Russland. überall »Elisabetter« Wir werden das Ding schon drehen. Wenn wir uns heut sehen, werde ich Dir einen Vortrag über Dum-DumGeschosse halten. Der letzte Satz ist Quatsch. Denn wenn Du meinen Brief erhältst hast Du den Vortrag schon verdaut. Denn ich sehe Dich ja heut, nicht ? Sonnabend ist Vereidigung. Heut hatten wir einen Angriff auf feindl. Infanterie zu machen, 2 Stunden Schlacht. Strengt an, aber ist sehr fein. Jetzt muß ich ins Bett. Bettruhe ist Dienst. Auf baldig Wiedersehen Lieselotte ! Dein Bruno

Ch. d. 30. 8.14 3 Uhr Meine liebe Lieselotte ! Ich bin eben nach Haus gekommen nach langem Schuften und Mühsalen. Wir sind neu eingeteilt worden, ich bin jetzt 9te Kompanie des Linienregiments 203, 2te Korpalschaft Stube 44. Aber schreib mir noch nicht, da wir wahrscheinl. Mittwoch nach Döberitz sollen, weil kein Platz mehr ist. Ich bin heute früh umgezogen, d. h. 2 Treppen tiefer ! mit Sack und Pack. Verfluchte Schweinerei. Wir haben neue Offiziere bekommen. Ich danke für Backobst ! geschunden ist kein Ausdruck. Ich bin ramponiert, ruiniert, kaputt – – – – – –

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Und morgen, Montag darf ich nicht raus, Der Unteroffizier : »Ich verbitte mir ganz energisch diese Ausschweifungen. Ich sah da neulich verschiedene Kavaliere mit einem Mädel am Ohrm. Das hört jetzt auf ! ! ! ! ![ « ] Liebe Kleine, seh ich Dich Montag nicht, so doch Dienstag, und wenn Dienstag nicht, einandermal. Ich werde Dich nie vergessen. Aber wir werden jetzt geschliffen. Meine Haare stehen zu Berge. Meine Lieselotte, Denkst Du noch an mich ? Am Sonnabend ? Ich wäre am liebsten ganz bei Dir geblieben. Ich habe Dich so lieb. – Käte Schück treffe ich jetzt vielleicht, wenn sie kommt. Also auf Wiedersehen, liebes Kind und vergiß mich nicht Dein Bruno

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Ch. d. 30. 8.14 Meine kleine Lieselotte ! Ich bin also jetzt Füsilier18 der 9ten Kompanie des Linienregiments 203. 2te Corporalschaft, Stube 44. Heute, Montag darf ich nicht mehr fort, da ich wieder mal Stubendienst habe. Gestern traf ich Käte Sch. um 5 Uhr. Sie mußte zu ihrem Onkel nach Dahlem. Um 7 Uhr trennten wir uns Ich ging nach Haus. traf unterwegs einen Landwehrmann vom Regiment Alexander.19 Mit dem trank ich Schnaps, Kakao und Brüderschaft. Um 8 Uhr war ich zuhaus. Ich hoffte Dich irgend wann zu treffen. Liebe Kleine, sollten wir uns nicht mehr sehen, wenigstens jetzt auf 14 Tage, so schreibe ich Dir meine Adresse aus Döberitz. Denn wir gehen Freitag od. Mittwoch raus. 10 Tage Scharfschiessen und Nachtübungen. Am 25 sollen wir nach Russland. – Bekomme ich eine Locke von Dir ? / Jetzt muß ich die Stube fegen. Dann scheuern, Sachen putzen u.s.w. – Mein Briefpapier mußt Du entschuldigen. Es ist aus der Kantine. 5 Bogen mit Couvert Umschlag 10 ₰.20 Ist unser Zeichen drauf. Hauptsache. Liebe Kleine, ich möchte Dich morgen, Dienstag, noch mal sehen. Ich weiß nur nicht ob ich fort darf, da unser Feldwebel uns diese Ausschweifungen verboten hat. Willst Du bitte um ¼ 9 Pünktlich an unserer Stelle sein ? Warte bitte bis ½ 9. Ich denke aber, daß ich bestimmt da

bin. Ich muß eben fort. Was machst Du sonst ? Komme morgen, Dienst. Kleine. Ich warte drauf. Ich komme gerade vom Üben. Mein Helm hat mir den Schädel zusammengequetscht und das Wasser lief mir runter. Wir sind schon um 6, ausgerückt. Liebe Lieselotte, morgen sehe ich Dich. Bis dahin auf Wiedersehen. Willst Du Käthe mitbringen oder sollen wir allein sein Mach, was Du willst. Dein Bruno

[ vermutlich 31. 8.14 ] Mont. abends Aber liebe Lieselotte ! Warum kannst Du denn nicht mehr kommen ! Eben am Montag Abend bekomme ich Deinen lieben Brief, in dem Du mir mitteilst, daß Du mich nicht mehr sehen willst. Was ist denn geschehen ? Hast Du Krach bekommen, kannst Du nicht mehr oder willst Du nicht ? Schreib mir, wenn Du nicht willst, noch einmal. Ich weiß ja gar nicht was los ist. Wenn Du willst, komme doch morgen, Dienstag ¼ 9 an unsere Stelle. Oder hat Deine wt. Fr. Mutter die Briefe gelesen ? Ich ahne so was. Und es hätte doch so schön werden können. Dein Brief war wohl für Sonntag bestimmt, Kleine. Ich wäre nämlich ganz sicher gekommen, da ich um ½ 8 schon zu Hause war, aber der Brief kam ja erst Montag, jetzt Es wäre schlimm, wenn Du nicht mehr kämst. Ich weiß gar nicht warum. Komme bestimmt, Lieselotte, sonst schreibe mir sicher. Meine Adresse ist Soldatenbrief An den Füsilier B. J. Reserve-Infanterier. 203 2te Corporalschaft In eigener Angelegenheit des Empfängers Stube 44 Komme oder schreibe. Dein Bruno 77

SEPTEMBER 1914 Ch. d. 3. 8.14 [ wohl 3. 9.14 ]21 Meine liebe kleine Lieselott ! Jetzt sprich Dich mal aus. Willst du mir wirklich den Abschied geben ? Von meiner Seite aus kann ich Dir sagen, daß ich Dich sehr, sehr lieb habe. Willst Du es mir nicht ins Gesicht sagen, so schreib mir noch einmal. Jetzt ist noch Zeit dazu. Ist’s aber zwischen uns wie früher, so komm morgen pünktlich um ¼ 9 an die Brücke. ( Freitag ). Kommst Du nicht und schreibst Du nicht, so muß ich annehmen, daß Du nicht mehr willst. Warum hast Du dann aber damals angefangen, Kleine ? Vergessen könnte ich Dich nicht. Ich müßte es tragen, so schwer es fällt. Aufdrängen kann ich mich nicht. Komme nur, wenn Du wirklich Lust hast, sonst hätte es keinen Zweck für mich und Du hättest Zeit verschwendet. Also nur, wenn Du mich wirklich gern hast. Bis Dahin viele, viele Grüsse Dein Bruno.

Ch. d. 3. 9.14 [ wohl in der Nacht zum 4. 9. verfasst ]

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Meine kleine Lieselotte ! Ich weiß jetzt noch nicht, ob ich Dich heut abend sehe. Davon hängt für mich jetzt alles ab. Ob wir uns noch mal sehen oder nicht mehr. Am 25. kommen wir nach Thorn.22 – Ich traf gestern Tappert. Er sagte mir, daß Du bei ihm wärst. Käte Br.23 soll auch da sein u. ein Neuer. Es gibt also doch noch Männer. Vielleicht gefällt er Dir, wenn wir uns trennen müssen. Doch hoffe ich, daß ich Dich doch heute treffe. Dann ist ja alles gut. Meine Lieselotte; jetzt sollen wir Montag ausrücken, beschwören kann ichs nicht. Wenn Du heute kommst, also Freitag, Dann besuche ich Dich mal über Mittag in der Schule. Ich war gestern über 2 Stunden zuhaus. – heut ist Scharfschiessen 300 m liegend. Ich erfülle sicher, dann hab ich Sonntag vielleicht länger Urlaub. Aber ich soll ja Sonntag nach Hernsdorf zu meinen Verwandten. Ich weiß noch nicht, wie ichs anstellen soll, daß ich hierbleiben kann. –

Liebes Mädel, ich hoffe, daß Du heut kommst, ich hab Dich sehr lieb. Kommst Du, und erhältst den Brief später, so betrachte ihn als ungeschrieben. Denn dann hab ich umsonst gezweifelt, daß Du nicht mehr magst und mich nicht verstehen kannst. Sonst sehen wir uns nicht mehr und wenn es mir noch so schwer fiele. Also wenn Du heut kommst, hab ich den Brief nicht geschrieben und stecke ihn auch nicht ein. Also auf Wiedersehen, wenns Dir möglich ist und Du willst, sonst lebe wohl, Lieselotte, Ich vergesse Dich nicht. Bruno

[ Undatiert, wohl 4. 9.14 ] Meine süsse, kleine Lieselott ! Warum hast Du mir denn kein einziges Mal geschrieben. Wenn Du auch etwas schreibfaul bist, hättest Du doch mal an mich schreiben können, Du weißt doch, wie gerne ich etwas von Dir gehabt hätte. Ich kann Dir heute nicht viel schreiben. Ich habe ziemlich starkes Fieber und muß gleich ins Bett. Wir wurden heute gegen Typhus geimpft, Da wurde uns so eine Glasspritze under die Haut gebohrt und 1½ cbcm Lösung runtergespritzt. Es tat ziemlich weh. Daher kommt auch das Fieber.24 Mit Sonntag wird vielleicht nichts werden, wenn ich weiter unwohl bin. Also, wenn Dus nicht riskieren willst, zu warten, so verabrede Dich. Es wäre aber sehr schade, wenn ich Doch käme und Dich nicht treffen würde. – Liebe Lieselotte, entschuldige, wenn ich jetzt schon schließe, Aber mein Schädel brennt. Ich muß noch diesen Brief zum Bahnhof bringen und einstecken, damit Du ihn rechtzeitig erhälst. Grüße bitte alle von mir, die Du siehst und vergiß mich nicht sobald. Schreib doch mal. Lieselotte, ich bitte Dich darum. Auf Wiedersehen liebe Kleine Ich hab Dich furchtbar lieb Dein Bruno Freitag Abend

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d. 5. 9.14 Liebe, liebe Lieselotte ! Ich habe noch immer keine Post von Dir bekommen. Schreib doch mal, oder warte, ich sags dir mündlich. Wenn Du diesen Brief kriegst, – Ich denke Sonntag früh, dann kommst Du gleich zu mir in die Droysenstr,25 denn wir bekommen wieder mal Urlaub. – Mein Fieber ist gut, doch kann ich den linken Arm kaum heben. Jetzt gehts etwas besser. Wir kriegen neue Koppeln u Affen.26 Eben höre ich, daß ich einen Anschnauzer zu erwarten habe, weil ich Karikaturen auf die Rückseite unserer Landkarte gemalt habe. Hoffentlich verpatzen sie mir nicht den Urlaub. Wenns geht, komme ich am Sonnabend abend schon. Ich möchte gerne noch mal baden u. schlafen. Aber der Soldat denkt und der Herr Feldwebel lenkt, bestimmt kann ichs nicht sagen. Jetzt muß ich Schluss machen, denn wir müssen noch den Saal säubern. Also komme Sonntag zu mir, so früh Du kannst. ( Vor 9 stehe ich nicht auf. ) also um 10 od. 11 Uhr. Bis dahin viele, viele Grüße u. Küsse Dein Bruno

Ch. d. 7. 8.14 [ wohl 7. 9.14 ]27

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Meine liebe, kleine Lieselotte ! Ich freue mich, daß es jetzt zwischen uns wieder so ist, wie früher. Du auch ? Trotzdem ich Dich heut, Montag, sehe, schreibe ich Dir doch, damit Du morgen, wenn wir uns nicht sehen, auch was von mir hast. Morgen kommt ein langer Marsch, mit kochen, schlafen in der Scheune, 3 mal Alarm. Da werd’ ich wohl nicht zum Schlafen kommen. – heute hatten wir Gefecht.28 Klappt garnicht. Wir wären alle glatt runtergeknallt worden. Sind gelaufen wie Wiesel, immer an die verkehrte Stelle. Gottseidank wurde unsere Gruppe erschossen, d. h. wir brauchten nicht mehr mitmachen. Ich hatte 2 t Sand in meinen Stiefeln. Jetzt hab ich mich gewaschen. Eine Erholung, man ist noch mal so frisch. Heute komme ich nicht in die Schule.29 Du bist Doch nicht da. Wir sehen uns wahrscheinlich erst Mittwoch Abend. oder aber erst Donnerstag. Ich schreib Dir noch mal. Unser Nachtgefecht wird sicher ne Witznummer. Wir müssen noch viel lernen, bis wir die Russen verhauen können. Es macht aber Spaß, wenn man auch schuften muß. Ich hal-

te glatt durch. Wenn wir wiederkommen gibts ein frohes Wiedersehen, nicht ? Ob ich noch auf die Schule gehe, weiß ich noch nicht. Wenn’s sich machen ließe, möchte ich lieber zu einer Kanone gehen. Gehst Du denn nicht zu Gipkens ?30 Ich möchte sehen, daß ich da ankomme. Liebe Lieselotte, Denke recht oft an mich. Ich vergesse Dich auch nie. – Hoffentlich kriegen die Russen jetzt bald was auf die Pfoten, Daß ihnen die Frechheit vergeht. Nächster Tage fällt die Entscheidung. Mögen die verfluchten Schufte alle in die ewigen Jagdgründe fahren.31 Schaden kanns ihnen sicher nischt. Wenn Du mal wieder in die Schule gehst, dann grüsse alle von mir und sag ihnen, daß ich bald Liebesgaben entgegennehme. »Ein armer Krieger bittet um eine kleine Unterstützung.« Denke aber nicht daß ich euch anschnorren will. Im Gegenteil, Herr Direktor. Ich esse nur sehr gerne Keks und Schokolade. Wenn wir bloß erst ausrücken, dann weiß man wenigstens, wodran man ist. – In Thorn,32 wo wir ja hinkommen sollen, kanns ja nicht schlimm sein und Russland ist ein bischen kühler. Ich schreib Dir dann aus Petrogard einen Feldpostbrief. Jeder Schuss ein Russ. Ich hab jetzt die heilige Wut auf diese Hunde. Wir werden schon die Zivilisation mit Pulver und Spitzkugeln den Russen einimpfen. – Ich muß jetzt ins Bett. Bettruhe ist Dienst. Und daßs Papier ist zuende. Ich würde Dir gerne noch mehr schreiben. Aber das andere sag ich Dir heut mündlich. Auf Wiedersehen, Kleine, Ich schreib Dir noch aus Gatow,33 wenns geht. Denk an mich viele, viele Grüsse Dein Bruno Füsilier Linienregiment 203 [ Seitlich ] Ich bin bannig müde

Ch. d. 9. 8. [ wohl 9. 9.14 ]34 Abends Meine einzige Lieselotte ! Vielleicht wunderst Du Dich, daß ich noch nicht geschrieben hab ! Ich konnte aber noch nicht. Wir sind erst jetzt Mittags, vom Marsch zurückgekommen. Eine Strapaze, wie ich sie mir garnicht vorgestellt habe.

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Stundenlang in der Sonne auf einem Pflaster zu marschieren, das von anno 70 stammt, bergauf, bergab in glühender Sonne, mit 50 Pfund Gepäck und Schuhen, die kneifen. Ich war so kaput, daß ich mich gerade noch halten konnte. Aber aufgeben gabs in unserer Sportkompanie nicht. Alle haben durchgehalten, wenn auch einzig halb zusammengekloppt mit blauen Lippen. Oft konnten wir nicht atmen; der Tornister zieht in die Lungen, es staubt, daß man nix sieht. Die Sonne brennt und der Hauptmann sagt : »singt mal tüchtig, Kerls, nur noch 2 Stunden zu marschieren.« Näheres erzähle ich Dir : Vom Kochen und vom Quartier, vom Alarm u.s.w. Jetzt muß ich schließen, denn meine Augen fallen von alleine zu. Liebe kleine Lieselotte ! Warst Du bei Lilli H. ?35 Habt sie Dir wieder mitgeteilt, was ich fürn schlechter Mensch bin : ein schwerer Junge, den nur die Eisenkugeln abhanden gekommen sind ? – Und bist Du wieder behext ? Ich erwarte Dich bestimmt um ¼ 9 ( ¼ 9 ), Donnerstag, am Bahnhof, wo wir uns immer treffen, sei bitte recht, recht pünktlich, ich hab Dir viel zu erzählen. Heut bin ich fertig, kann kaum noch sitzen. Wir waren die beste Kompanie im Bataillon. Hauptmann gedankt für unsere Marschleistung. Ich danke für Backobst. ( Das sag ich. ) In 14 Tagen müssen wir felddienstfähig sein. Jetzt, heute bin ich so heiser, daß ich kein Wort sagen kann, ich leg mich auch jetzt gleich ins Bibabett. Gottseidank, wieder 2 Tage Soldat gewesen. Ha, welche Lust, Soldat zu sein. – Du kommst doch bestimmt ? ! bis dahin viele Grüße u. Küsse Dein Bruno ( Ich erwarte Dich ) [ Einschub seitlich auf der 3. Seite des Briefes ] Laß Dir nichts einreden von L.

Ch. d. 9. 9. 1436

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Meine kleine Lieselotte ! Ich schreib Dir, trotzdem Du mich heut sehen willst. Ich bin total kaput. Trotzdem mußten wir marschieren. Es war Regimentsbesichtigung. 4 Bataillone mit Musik, Trommlern, Pfeifern waren im Haselhorst versammelt,

das Regiment wurde von einem neuen Oberst übernommen. »Siegen oder sterben«, das waren die Worte die der Rede zugrundegelegt waren. Ein Kaiserhoch, und unter den Klängen der Nationalhymne wurde präsentiert. Es war sehr feierlich. Das dicke Ende kam aber nach. Wir mußten nämlich gleich zum Scharfschiessen nach der Jungfernheide. Meinen Segen, ich konnte grad noch krauchen. Meine Füssen brennen wie Feuer. Es geht am Kanal die staubige Chaussee lang. Endlich da; Ich bin vorletzter im Zug, komme sonst also sehr spät zum Schiessen. »Heute schiessen die letzten zuerst.« Gott sei dank. Ich schiesse als 2ter. Erfülle glatt. Kaum bin ich weggetreten und will in die Kantine flüchten, da kriegt mich ein Feldwebel. »Haben Sie schon geschossen ?« – »Jawohl, Herr Feldwebel.« – »Kommen Se man mit in Deckung« – Und jetzt kann ich 3 Stunden in Deckung liegen, Scheiben wechseln Schüsse anzeigen und kurbeln, kurbeln – aufpassen in der Hitze im Staub, die Schüsse knallen neben der Deckung in die Balken. Ich fluche, meine Complicen dito. Ich ziehe mich langsam aus, es hitzt wie im Wurschtkessel. Endlich Schuss. Ich geh’ raus, will mein Gewehr holen. Der Leutnant kommt : Sind Sie aus meiner Kompanie ? – Jawohl ! Herr Leutnant.« »Dann räumen sie bitte den Stand 7 ab.« – Ich muß arbeeten. – O Godde. – Jetzt sitz ich hier und schreibe. Denk an mich, ich muß immer an Dich Denken. Ich seh’ Dich ja heut. Auf Wiedersehen. Dein Bruno.

[ undatiert, vermutlich 12. 9.14 ]37 Meine kleine Lieselotte ! Ich schreibe Dir wieder, trotzdem ich Dich heut sehe. Morgen ist Sonntag, ich habs nötig, mich mal auszuruhen. Wir sehen uns Mo Sonntag natürlich, wenn Du Lust hast. So um 4 Uhr, willst Du ? Da haben wir Zeit bis ½ 10 Uhr. Ich freu mich schon darauf. Heut wars nicht so schlimm, man muß nur die Zähne aufeinanderbeißen. Jetzt ist noch Untersuchung, dann Revierreinigen, Baden, Parole. Und dann seh ich Dich wieder. Vielleicht rücken wir schon früher aus. Wir haben sehr viele neue Rekruten bekommen. Ein paar Schulfreunde von mir sind auch darunter. Hier kommt alles zusammen. Heut hab ich Dich ganz für mich, Kleine. Und Sonntag auch. – Ich bin wieder bannig müde. – Ich weiß garnicht mehr, was ich Dir erzählen soll. Ich seh dich ja heute. – Also, Auf Wie-

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dersehen Kleines, und komme Sonntag um 4 Uhr zum Bahnhof, wo wir uns immer treffen. Bis dahin liebe Grüsse und K. Dein Bubi

[ Undatiert, wohl 13. 9.14 ] Meine einzige, kleine Lieselotte ! Soeben kommen wir vom Exerzieren. Da kommt ein Telegramm. Es ist ½ 1 Uhr. »Heute abend ausrücken.« Kein Mensch darf die Kaserne verlassen. Endlich wirds uns erlaubt, bis 1 wegzubleiben. Ich renne nach Hause. Ich habe keine Wäsche, kein Geld, nichts. Ich sag’ Bescheid. Meine Mutter kommt in die Kaserne und bringt mir das Nötigste. – Ich muß runter zur Parole. – 1 Stunde später Hurra, Kleine, wir dürfen nochmal nach Haus. Da sehe ich Dich ja heute. Und wir bleiben auch nicht immer in Döberitz, sondern wir kommen erst nach Haus u. rücken von hier ins Feld. – Morgen ein Marsch von 10 km mit allem Gepäck. Näheres sag ich Dir heute. Bis Dahin auf Wiedersehen Kleine. [ selber Brief ] Auf Wiedersehen, Kleine. Vergiß mich die Zeit nicht. Und sollten wir uns doch nicht mehr sehen, so grüße und küsse ich Dich heut zum letztenmal. – Ich schreibe auf dem Fensterbrett, daher die Schrift. Viele, viele Grüße Dein Bruno

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[ selber Brief ] Sag Tappert und Berger, daß ich Sonntag nicht zum Crey38 kommen kann, und wenn Ihr wollt, feiern wir nächstens Abschied. Dann schreibe Crey bitte ob. Er wohnt Moabit Melanchthonstr. 4 bei Frl. Liebmann

13. 9.14 Meine liebe kleine Lieselotte ! ich schreibe Dir hier von Creys Wohnung aus. Ich konnte ja wirklich nicht erwarten, daß Du bei dem Wetter kommen würdest. So wartete ich von 4–¾ 5 auf Dich. Dann fuhr ich zu Crey.39 Ich war total durch, als ich ankam. Liebe Kleine, wann sehen wir uns nun. Es ist sehr schade, daß uns grad der Sonntag, andem wir soviel freie Zeit hatten verregnen mußte. Für nächsten Sonntag habe ich mit Crey einen Abschiedstee verabredet, Du kommst doch ? tu mir den Gefallen. Wir wollen Tappert, ( Beyer )?, Käte u. Hutloff einladen, nicht ?40 Ich bringe Kommisbrot41 und Zigaretten mit, Crey verpflichtet sich zu Bier und Aufschnitt. Tappert, Beyer und Hutloff werde ich schon beschäftigen. Der Abschiedstee ist um 5 angesetzt. Wir wollen uns früher treffen, damit ich Dich noch für mich alleine hab. Jetzt hab ich eben Kaffee und Kuchen gegessen. Mir ist sauwohl. Draußen gießst’s. Das einzige, was mich ärgert, ist, daß wir heut nicht zusammensein konnten und Morgen gehts auch nicht. Aber sei Dienstag bitte bestimmt um ½ 9 ( Ich komme wahrscheinlich nicht früher raus ), also um halb neun am Bahnhof. Das Gefecht morgen wird ein Moorbad werden. Meine Erkältung wird Fortschritte machen. Wir bleiben von ½ 6 morgens bis durch die Nacht bleiben. – Wenn ich Dich doch wiedersehen kann. Den ganzen Abend und Morgen habe ich mich gefreut, Dich so früh treffen zu können und nun hat sich Petrus mit den Franzosen verbündet und verdirbt einem die ganze Sache. – Jetzt kommt Trude, Creys Freundin. Sie hat Abendbrot besorgt. – Der Tee kocht. Ich vermisse nur Dich. Auf Wiedersehen, Lieselotte, am Dienstag abend. Denk an mich Dein Bruno Es gibt Leberwurst und Pökelfleisch – Eben kommt eine Boulette auf den Tisch. Lebenwohl, Lieselotte, B.

Ch. d. 14. 9.14 Meine süsse, kleine Lieselotte ! Ich sitze hier noch einmal, vielleicht das letzte Mal in der Erfrischungshalle unserer Kaserne. Wir gehen erst ein bischen später nach Döberitz. Das Klavier spielt einen Schlager nach dem andern. Die Stimmung ist glänzend : Parole Petrograd ! Liebe Lieselotte, Ich hab Dich sehr, sehr

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lieb. Ich schreib’ Dir sooft wie möglich aus Döberitz. Wir werden wahrscheinlich zurück kommen und noch einmal Abschied nehmen dürfen. Dann sag ich Dir das letzte Mal, wie lieb ich Dich hab. Heute mußten wir unsere Adresse angeben, damit sie unsere Eltern von unserem Tode benachrichtigen können. So ungefähr hieß es. – Sehr gefühlvoll. – Nun, jede Kugel trifft ja nicht, Wenn jede 100. Kugel ihren Mann ausser Gefecht setzt ist schon gut geschossen. – Also keene Bange nicht. – Ich entwickele jetzt eine ganze Portion Galgenhumor; Du würdest wieder frivol sagen. Aber was schadets denn, wenn man seine Kugel kriegt. Wozu ist denn der Krieg ? – Wozu hat der Soldat seinen Kopp ? – Damit der Helm raufkommt’ – Wozu ist der Helm ? – Damit er geputzt wird u.s.w. – Wenn wir ausrücken, gibts ein großes Wehklagen in Schl[ … ]dorf. –

nachmittags

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– Liebe kleine Lieselotte, Jetzt sind wir in Döberitz.42 Wir haben eine neue Halle bezogen. Die Engländer haben alles saubergemacht.43 Sie haben Uniformen wie unsere Müllkutscher. Wir hielten sie erst für Russen. Alle, die wir sahen, sind kleine, haben Vollbärte und sehen ziemlich zufrieden aus. – Der Marsch war sehr lang u. das Gepäck schnitt mächtig ein. Ich ging wie im Dusel die ganze Zeit. Wir haben noch keine Betten. doch der Fußboden ist sehr hart. Geistreich ? Ich bin aber furchtbar müde. Morgen sollen wir um ½ 4 geweckt werden. Es sollen Gefechtsübungen bis 10 Uhr sein. Wir sollen 14 Tage hierbleiben. Ich glaubs noch nicht. Hast Du mich immer lieb, Kleine. Schreib mir bitte bald. Meine Adresse ist : An den Füselier B. J. Reserve-Infanterie-Regt. N 203 zur Zeit Döberitz 9te Companie 2te Corpalschaft Schreib recht bald und recht viel. Güsse Tappert und Beyer und Hutloff von mir. Ausserdem Käte Sch. und Käte Br. und wen Du sonst noch siehst.

Hoffentlich sehe ich Dich nochmal. Bis dahin viele, viele Grüsse u. Küsse dein Bruno.

Döberitz. Restaurant Prinz Heinrich [ undatiert, wohl 14. 9.14 abends ] Meine liebe, kleine Lieselotte ! Jetzt sollen wir uns solange nicht wiedersehen. Da schreib ich Dir solange es noch geht. Wir liegen hier im Restaurant »Prinz Heinrich«. Die ganze Kompanie in einem Saal. – Wenn Du kommst, so besuche mich doch mal über Mittag. Aber ich glaube, es hat doch keinen Zweck, denn wir verpassen uns wahrscheinlich, da hier alles rumkrümelt und 2tens werden die Mädels, die sich hier befinden, immer als Allgemeingut betrachtet. Das mag ich nicht; die Redensarten widern mich an; Sonst herrscht ein ganz leidlicher Ton hier. – Wenn ich Dich erst wiederhätte, Kleine. Aber wir stehen ja jetzt erst am Anfang unserer Laufbahn. Der Marsch war im 1ten Teil ganz schön. Bevor wir ausrückten, umstand schon eine dicke Menge das Kasernenenb. Wir schmissen Troddeln, halbe Kommisbrote, Mützen u.s.w. raus. Unten tobte dann der Kampf, wer das Stück ganz in seine Hände bekommen sollte. Es gab blutige Köpfe und wir freuten uns wie die Römer zur Zeit Neros bei ­einem Christengemetzel. Ein Haufen »junger Damen« bevölkerte die Kaserne, um die Krieger wie Pfingstrosen zu schmücken, einige waren direkt wandelnde Blumengärten. Im Helm, an den Patronentaschen, in den Knopflöchern rankten sich Blumen. Eine Jungfrau hatte den Grunewald nach Eichenlaub geplündert. Wir steckten das Gemüse oben in die Gewehre. Bald war die Musik versammelt. »In Gruppen rechts schwenkt marsch« und die Tore öffneten sich. – Feldgrau ist eine große Mode;44 Die Musik spielt, einige Damen heulen beim Anblick des Kanonenfutters. Schokolade, Bonbons, Blumen werden verteilt. Eine dicke alte Frau rennt mit einer geheimnisvollen Kiste rum. Sie verteilt etwas unter die vorderen Gruppen. Hinten hofft alles auf etwas essbares. – Nee, Kuchen, Mundharmonikas waren drin damit wir Musik im Feld haben. Jetzt sitzen wir hier, vielleicht noch auf 8 Tage. – Schreibe bitte bald, liebe Lieselotte, und wenn Du mir etwas schicken willst, dann tu es gleich, später kommt

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doch nichts nach. Schicke mir besonders ein Andenken mit, eine Photographie am liebsten, damit ich etwas von Dir im Feld habe. Meine Adresse ist An den Füselier B. J. Reserve – Infanterie – Regt. N. 203 zur Zeit Döberitz 2te Corporalschaft Grüsse alle von mir, schreibe bald. Auf ein glückliches Wiedersehen Dein Bruno [ Zusatz : ] Empfehle mich Deiner wt. Frau Mutter und Denk recht oft an mich.

2ter Tag in D. [ wohl 15. 9.14 ]

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Meine Lieselotte. Ich hab den Brief gestern nicht abschicken können, da hier noch gar keine Verbindung war. Ich hab den Umschlag wieder aufgemacht und schreib noch etwas von heute rein. Wir bekamen Bettsäcke, die teils die Engländer, teils wir selbst gestopft haben.45 Es ist sehr fidel. Am Morgen kann ich mich kaum bewegen. Alle Glieder sind klamm, ich lag die halbe Nacht auf einer Patronentasche. – Es geht zum Gefecht. Das Gelände ist landschaftlich sehr schön, Laubwald, Ginsterbüschen und sehr, sehr wellig, aber mit vollen Tornister durch zum Sturm zu laufen, ist weniger angenehm. Es weht hier ein Wind. Windstärke 10. Man kann kaum atmen. Den letzten Sturm auf die Windmühle habe ich kaum geschafft; die stand auf einem hohen Hügel; dazu ist hier aufgeweichter Lehmboden. Die ganze Nacht hat’s geregnet. Endlich ist auch das überstanden. Wir ziehen ab; Beim Erklettern eines Hügels entfällt meinem Vordermann eine dicke Wurst. ( Aus dem Kochgeschirr natürlich ) Hab’ sie ihm aber wiedergegeben. Am Nachmittag gießts in Strömen, Dazu weht ein Wind, daß wir uns kaum senkrecht halten können. Es geht zum Scharfschiessen. 800 M Entfernung. Wir sehen kaum was. Es gießt und der Sturm peitscht uns den Regen direkt ins Gesicht. Dazu liegen wir im nassen Lehm auf dem Bauch. Beim ersten Schuß springt in der feindlich markierten Schützenlinie ein Hase auf. Grosse Kavallerie. Einer schießt

in den See geradeaus, weils so schön spritzt. Eine Ente, die auffliegt wird wieder aufs Korn genommen. Vom Feind sieht man doch nichts. Wie von Deckung bekannt wurde, ist auch nicht eine Scheibe getroffen worden. Da wir schon total durch waren, wurde das Schiessen abgebrochen. Wegen Regen u. Sturm findet das Gefecht im Saale statt. Wir sollen zum Einkleiden nach Berlin kommen von da nach Wustermark zum Brigadeexerzieren und dann hoffentlich ins Feld. – Ich bin so erkältet, dass ich kaum sprechen kann. Dann schreib ich so viel. – Denkst Du an mich ? Kleine ? Jetzt merk ich erst recht wieder, wie lieb Du mir bist. Ich muß Dich noch mal sehen. Jetzt muß ich schließen. ( Schreib bald, Viele, viele Grüsse und Küsse Dein Bubi Vergiß mich nicht. [ Zusatz : ] Eben gesagt worden → Schreibe nicht, eben geändert, wir kommen vielleicht morgen zurück

D. 22. 9.14 Meine einzige Lieselotte ! Ich muß Dir heut noch einen Brief schreiben. Benachrichtige mich bitte gleich, welchen Du zuerst erhalten hast. Ich hab den ersten nämlich in einen anderen Kasten geworfen. Eben erhalte ich einen Brief von Käte Schück. Sie ist also jetzt bei Tappert. Wenn ich wiederkommen sollte, seid ihr vielleicht nicht gar nicht mehr da. Du bist schon bei Gip46 oder einem andern und ich kann wieder von vorne anfangen. Der Kleine kriegt mich auch bald über. Liebe Kleine, Denkst Du oft an mich ? Ich muß immerzu an Dich Denken. Wir haben strengen Dienst gehabt. – Übrigens hab ich den ersten Brief nicht stempeln lassen. Wenn Du Strafporto zahlen mußt, schreib es mir bitte, aber bestimmt. Meine Adresse will ich Dir nochmal schreiben. An den Füselier B. J. Döb z. Zeit Döberitz Reserve-Infanterie-Regt. 203 9te Kompanie 2te Corporalschaft

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[ Einschub ] nicht vergessen Eigene Angelegenheit des Empfängers ) [ selber Brief ] Meine kleine Lieselotte, Bald gehts raus und hoffentlich auch ins Gefecht. – Wahrscheinlich kommen wir nach Belgien. 8–10 Tage bleiben wir noch hier. Kannst Du mir nicht eine Photographie von Dir schicken ? – Ich möcht so gern eine von Dir haben. – Papa Bräuer hat mich geknipst, wie ich da war, wenns was geworden ist, schicke mir bitte ein paar Aufnahmen; ab sag der Kati meine Adresse. Und auch den andern teile sie mit. Ich hab’ so wenig Zeit, daß ich nicht gleich jedem schreiben kann. Vielleicht, aber sehr vielleicht komme ich Sonnabend nach Berlin, um noch einmal in der Kirche das Abendmahl zu nehmen, hab ich Zeit, dann hole ich Dich ab.47 Sonst lebe wohl, dann sehen wir uns in besseren Zeiten wieder. Die werden hoffentlich nicht so fern liegen. – Meine Füsse sind etwas kaputt, das Pflaster ist hier schauderhaft. – Die Engländer und die Balletratten wimmeln hier überall rum, wo man hinspuckt, liegen Zelte mit diesen Leuten rum. Aber Tommy Atkins hat hier nischt zu sagen.48 Unsere Landwehrleute passen gut auf. Jetzt muß ich Schluß machen, Meine Zeit ist abgelaufen. Auch bin ich furchtbar müde. Unsere Flohs Strohsäcke sind sehr solide und dauerhaft, sonst nischt. Schreibe bitte gleich, wenn Du diesen Brief und den anderen kriegst. Grüße alle Ich hab Dich lieb Dein Bubi

Ch. d. 23. 9.1449

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Meine kleine Lieselotte ! Ich komme Sonntag früh noch mal nach Berlin, um das Abendmahl in der Kirche zu nehmen. Bitte komme doch zu mir; sei um ½ 9 bei mir; oder, wenn Du nicht zur Kirche willst, komme um 11 Uhr am Nachmittag will ich Käthe Schuck besuchen. Nächste Woche solls losgehen, der Teufel lacht dazu. Hoffentlich ists mal wahr. Ich denke den ganzen Tag nur an Dich. Heut hatten wir einen Riesenmarsch. Das ganze Regiment marschierte. Wir immer hinten weg. Endlich konnten wir uns hinlegen. Die Gewehre wurden zusammengesetzt. Unglücklicherweise wars

eine Pflaumenallee; Es war natürlich streng verboten, welche runterzuschlagen. So suchten wir nach Fallobst, es fiel aber nicht viel. Auf dem Feld entdeckten ein paar Kavaliere Kohlrüben. »An die Gewehre«, Seine Exzellenz kommt. Ein Riesengetümmel. Als Seine Exzellenz vorbeireitete, stehen wir da; einer hat 3 Gewehre, einer keines; vor mir steht einer ohne Knarre. Dafür hält er eine große Kohlrübe in der Hand. Exzellenz sieht nischt. »Morgen, Füseliere«, und »Guten Morgen, Herr Exzellenz[ « ], brüllt unsere Gruppe. – Endlich ist der Dienst beendet. – Nachmittag ist nicht viel los. – Zielen, Beim Gewehrputzen brüllen alle wie Zahnbrecher das schöne Lied »Morgenrot«, Es ist 7 Uhr abends. – Eben habe ich mir einen Topp Marmelade gekauft. Mein Geld ist alle. Wie soll das im Krieg werden. Sei bitte Sonntag bestimmt um ½ 9 da. – Wenn Du Dir das Abendmahl durchaus verkneifen willst, so schreibs mir rechtzeitig, dann erwarte ich Dich um 11 Uhr. Aber komme ruhig mal mit in die Kirche, damit Du sie mal von innen siehst. Dann schicke mir bitte nichts, sondern gib mir ein Andenken persönlich. Jetzt muß ich Schluß machen. Liebe kleine Lieselotte, schreib mir bis Sonntag noch mal, Wenn du diesen Brief aber erst Freitag kriegst, so erwarte ich keine Antwort mehr. Grüße bitte alle von mir, besonders Käte Schück, die Dich jetzt viel netter findet. Käte Brömer und Karlos, sowie die anderen grüsse auch von mir. Eine Empfehlung an Deine wt. Frau Mutter. Komme Sonntag. Viele, viele Grüsse und Küsse Dein Bruno

Donnerstag [ undatiert, wohl 24. 9.14 ] Meine liebe, kleine Lieselotte ! Ich komme Sonntag bestimmt nach Berlin; als ½ 9 bei mir. Unser tägliches Pensum, das wir zu verdauen haben, ist immer dasselbe; bloß, daß wir jeden Tag in eine andere Ecke von Döberitz geführt werden; Doch hab ich mich schon an die Anstrengung des Tornistertragens gewöhnt. – Wenn’s doch nur bald losginge. Um so schneller bin ich dann bei Dir. Die Aaserei geht ja dann in Belgien oder Rußland weiter. Ganz gerne möchte ich nach England, vielleicht läßt sich die Überfahrt noch machen; die Tat des wackeren Unterseebootes U9 läßt alles wahrscheinlich werden.50 Liebes Kind, Ich muß leider jetzt schon schliessen,

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erstens ist Fußappel, 2tens weiß ich garnicht, was ich Dir schreiben soll. Ich freue mich nur auf Sonntag, daß ich Dich noch einmal wiederhab. – Mein Feldgrau wird immer grauer.51 Es eignet sich die Farbe des Bodens von Döberitz an. Die Stiefel werden immer enger, mein Besteck und die anderen Dinge verschwinden allmählich von der Bildfläche. Ein »Kamerad« wird sie aus Versehen eingesteckt haben. In Berlin werde ich meine Vorräte erneuern besonders Schokolade muß ich überall auftreiben. – Trinken gewöhne ich mir ganz ab. Nur Bier ( Malze ) Brause, Limonade und Kaffee genieße ich täglich. Doch ich will Dich nicht langweilen mit den Schilderungen dieser Herrlichkeiten. – Ich sehe Dich ja Sonntag früh. Was macht Berlin ohne die 203er. Das wird verschiedentlich ein besoffenes Wiedersehen werden. Manche trainieren jetzt schon darauf. – Liebe Kleine, kommst Du auch bestimmt ? Ich muß Dich doch einmal sehen. Es ist schade, daß wir nicht die letzte Zeit noch in Berlin geblieben sind. Dann hätte ich Dich doch jeden Tag gehabt. – Nun aber Schluß, auf fröhliches Wiedersehen am Sonntag. Dein Bruno

D. d. Donnerstag 9.14 [ wohl 24. 9.14 ]52

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Meine einzige, kleine Lieselotte ! Du wirst die Briefe wohl alle empfangen haben; Gestern konnte ich Dir nicht schreiben, dafür wirst Du wohl heut 2 Briefe empfangen haben. Jetzt geht alles hier im Galopp. Die letzten Befehle werden gegeben. Wir kochen zur Übung im Freien. Eine furchtbar umständliche Sache. Dienstag solls wieder mal losgehen. Antwerpen wird ja bis bis dahin gefallen sein.53 Dann können wir gleich Quartier beziehen. Wir haben jetzt alles noch mal durchgekaut. – Heut muß ich schon wieder schließen. In einer Stunde geht das Nachtgefecht los. Wir sind kaum ausgeruht. Wenn ich doch bloß draußen wäre. Vielleicht, wenn wir doch Urlaub kriegen könnten, hole ich mir noch eine Locke von Dir. Jetzt muß ich schon wieder rennen, Tornister packen u.s.w. Denke recht oft an mich, Lieselotte. Ich will Dir immer schreiben. Auf Wiedersehen, Kleine Vergiß mich nicht Dein Bubi

D. d. 28. 9.14 Meine kleine Lieselotte ! Ich habe mich gestern sehr gefreut, daß wir den ganzen Tag zusammenwaren. Ich hätte Dich nur gern noch länger für mich allein gehabt. Als ich am Abend in D. ankam, berührte mich der Ton und das Treiben im Lager ganz seltsam. Es ist doch ein großer Unterschied im Ton hier und bei Euch. Aber im Ganzen gehts ja noch. – Vielleicht ?, aber sehr vielleicht komme ich nächsten Sonntag nochmal, aber freu Dich noch nicht zu sehr drauf, nachher ists Essig. Ich hab’ Dich ja so lieb, Kleine. Nach dem Krieg solls fein werden. Hoffentlich gewinnen wir die Sache so, daß es für lange Zeit alle mit den feindlichen Rüstungen ist. Wir werden dann zusammen fleißig arbeiten, nicht, Lieselotte ? Heute gießt es und stürmt mächtig. Man kann sich kaum senkrecht halten. Meine liebe Mutter kommt um 1 Uhr. Ich kriege wieder Wollsachen; Ich muß schon was verschenken. Ich habe Strümpfe, Pulswärmer, Ohrenklappen, Shawls u.s.w. Als ob das nischt wiegt. Wenn ich zurückkomme, habe ich doch nix mehr davon. Wenn wir nur wüßten, wann wir fortkommen und wohin. Das Ungewisse ist schrecklich. Alle Stunde kommt ein anderes Gerücht. Danach hätten wir schon sämtliche Kriegsschauplätze besuchen können. Na, sehen werde ich ja genug, wenn wir rauskommen. Und schreiben werde ich Dir auch so oft wie möglich. Wenn ich Dich doch nur noch einmal sehen könnte. Aber der Abschied verlängert sich dadurch immer mehr. Es war mir gestern wieder ganz Melanklölrig,54 als wir abfuhren. Mein Gegenüber stellte sich als Apotheker und Aktmodell vor und wir quatschten bis Döberitz in einer Tour. Dafür habe ich aber den ganzen Abend an Dich gedacht. Wenn ich Dich doch erst ganz wiederhätte. Dann trennen wir uns nicht mehr. Und wenn wir später nicht zusammen ankommen, so wollen wir doch zusammen in einem Atelier arbeiten. Wenn das Wörtchen »wenn« nicht wäre, Kleine, dann könnt ich Dir garnicht so viel schreiben. Ich baue immer Luftschlösser und hoffe, daß sie in Erfüllung gehen mögen. Und das werden sie. Ich kann nicht glauben, das ich eine Kugel kriege und wenn, so braucht sie ja nicht gleich das Lebenslicht auszublasen. Hat doch ein Offizier 14 Schuss bekommen und keiner lebensgefährlich. Und jede Kugel trifft ja nicht. Schreib mir recht bald Lieselotte. Und Denk an mich. Viele Küsse Dein Bruno. ( Schicke mir eine Locke von Dir, Kleine, bitte, bitte. )

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D. 31 ?.9.14 [ wohl 29. o. 30. 9.14 ]55

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Meine kleine Lieselott ! Heut schreib ich Dir schon am Vormittag. Wir hatten eben einen langen Marsch mit Gefecht. Das Essen war unzureichend. ein wenig Fleisch, dazu Wasser mit Kartoffeln und künstlichen Fettaugen. Heut ist mir nicht ganz gut. Ich bin stark verkühlt und müde. Nachmittags ist kein strenger Dienst. Ich hab noch keine Nachricht von Dir, Kleine. Schreib mir doch wenigstens einmal, wies Dir geht und was Du treibst. Bei uns gehts immer in einer Nacht weiter. Über den Dienst darf ich nichts schreiben. Wenn wir doch nur erst fort wären. Urlaub gibts nicht mehr. Also nach Berlin kommen darf ich nicht mehr und hier langweilt man sich sträflich. besonders, da ich nicht Skat spiele und mich nicht rumhaue. Schreib mir doch bald, Kleine. Ich werde hier stumpfsinnig, fürchte ich. Nischt zu lesen, als meine eigenen Briefe. Die langen Märsche mit dem Feldgepäck. – durch dick und dünn stumpfen ab. Man sieht geradeaus oder runter. Nichts interessiert einen mehr. Ob die Landschaft malerisch oder öde ist, obs regnet oder die Sonne scheint, ist alles schnuppe. Bloß wenns hinlegen heißt, gehts etwas schneller; dann taut man auf, bis es heißt Auf ! Gewehr über. dann hastet alles weiter. Das Gewehr- und Maschinengewehrfeuer regt einen nicht mehr so auf wie früher, die Kommandos klingen mechanisch im Ganzen. Nur wenns geblasen wird : Haalt, auch »die Herren berittenen Offiziere«, atmet alles auf; dann ist das Gefecht zu Ende und beim Blasen : in die Quartiere gehts mit Gesang zurück. Ein bisschen Instruktion und Gewehreinigen bringt Abwechslung rein. Ich bin bloß neugierig, wie sich die Freiwilligenregimenter im Feld bewähren.56 Die schnelle Ausbildung bringt einen großen Kräfteverfall mit sich und wenn die Leute auch während der Übung nichts merken, so spürt man die Anstrengung nachher desto mehr. Besonders morgens beim Abrücken die Kälte und mittags die Hitze machen schlapp. Aber das ist nicht zu ändern. Im Krieg wie im Kriege. Ich bin jedenfalls noch obenauf und werde es bleiben. also schreib nur bitte, Lieselotte. Ich hab Dich immer lieb und Denke an Dich. Vergiß auch Du mich nicht. Viele, Viele Grüsse, auf ein baldiges Wiedersehen, Dein Bubi

10 Uhr D. den 29. 9.14 Meine süsse Lieselotte ! Ich muß Dir nochmals schreiben; ich hab Dich furchtbar lieb. Ich hab eben 2 Briefe an die B. W. K.57 losgelassen. Ich bin direkt beschwipst. dabei hab ich nichts getrunken. Die Musik spielt fortgesetzt. Schlager aus den Zeiten, wo wir noch zusammen die Schule besuchten. Sie erinnern mich immer daran, wie schön es war, wenn Die Hofkapelle spielte. Ins Soldatenlager passen die Sachen ja gerade nicht. Aber man vergißt doch ein wenig die Müdigkeit, die einem am Tag gekommen ist. Jetzt gehts gleich ins Bett. Die Musik dauert sicher noch fort. – Ich möchte bei Dir sein, Kleine. Hörst Du, vergiß mich nicht. Nie. Ich denke auch immer an Dich. Jetzt haben wirs noch fein. Bald sind wir im Feld. Da wirds nicht immer so gemütlich sein. Und sollten wir ins Gefecht kommen, was ja sicher der Fall sein wird und die ersten Freunde fallen, dann wird auch die Freude herabgedämpft werden, Dann schreit alles nach Rache. Wenn wir doch erst draußen wären. – Du bist ja immer bei mir. Sollte ich was abkriegen, werde ich doch noch wiederkommen. – Ich muß schließen Kleine, schreib mir bitte gleich Dein Bruno

D. d. 30 ?.9.14 Meine kleine Lieselotte ! Jetzt solls wirklich fortgehen. In dieser Woche noch und immer noch nicht in Feindesland. Es gehen Gerüchte, daß wir Sonnabend nach Cöln a / Rhein kommen, um dort weiter [ … ] zu werden. Das ist für die Rheinländer zwar sehr gut, aber ich ginge lieber gleich ins Ausland und wenns nach Russland wäre. Nun, ich schreibe Dir ja so oft wie möglich; wenns geht, kriegst Du jeden Tag einen Brief. Liebe Lieselotte, wenn Du nur halb so viel an mich denkst, wie ich an Dich, dann bin ich schon zufrieden. Vergiß mich nicht, Lieselotte. Und schicke mir eine Locke von Dir, wenns keine Photographie sein kann. Ich möchte doch so gern ein Andenken an Dich haben. Wir müssen angestrengt arbeiten, aber es ist ja auch notwendig, denn wir wollen ja auch was fürs Vaterland tun. Und ohne Ausbildung gehts ja nicht. Liebe Kleine ich weiß heut garnicht, was ich Dir schreiben soll. Wir hatten eben schiessen,

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sehr gute Resultate, aber meine Ohren dröhnen jetzt noch. Vormittags hatten wir Brigadebesichtigung und eine Gefecht. Wir sind wieder wie verrückt rumgerannt. Jetzt gehe ich gleich schlafen. Ich Denk an Dich und hoffe, Du schreibst mir gleich. Schicke bitte nach Donnerstag keine Briefe an mich ab, da ich höchst wahrscheinlich nicht mehr da sind. Also auf Wiedersehen, Kleines und vergiß mich nicht. Schreibe gleich. Ich grüsse u. küsse Dich Dein Bruno

D. 30. 09. Abends 8 Uhr Liebe, liebe Lieselotte ! Ich fange den Brief schon jetzt an, da ich morgen nicht viel Zeit haben werde. Der erste Brief steckt schon im Kasten, den wirst Du schon empfangen haben, wenn ich diesen hier in den Kasten werfe. Ich bin todmüde, habe ja lange Zeit nicht ausgeschlafen, jeden Morgen um 4 oder ½ 5 aufstehen und dann bei schlechtem Essen den ganzen Tag angestrengt arbeiten, geht allmählich an die Nerven. Aber ich schufte gerne, denn ich tus ja auch für Dich. Wenn ich Dich erst wiederhätte. Morgen ist Divisionsübung. Du glaubst garnicht, wieviel Mann jetzt beisammen sind. Es geht gegen einen markierten Feind, den eine bis 2 Kompanien vorstellen. Von allen Seiten schlängeln sich dann die ­Kolonnen heran. Wie riesige Würmer kriechts vorbei. Grau in Grau. Kavalleriespitzen reiten voraus. Meldereiter, Rathenow Husaren58 sausen vorbei. Eine ganze Batterie Artellerie fährt auf. Dann kommt der Sturm auf die Höhen, die Gewehre knattern. Die Maschinengewehre arbeiten rasend schnell. Der Feind zieht sich zurück, endlich wird mit Hurra die letzte Stellung genommen. Dann kommt das Signal : »Das Ganze !« und »Halt !« und dann ist Schluß, so gehts jeden Tag, bis es endlich heißen wird »ausrücken !« Es soll wirklich erst nach Cöln gehen. Hoffentlich nicht. Für heute genug. Morgen schreib ich zuende. Lebe für heute wohl, Kleine. Ich denk an Dich. Gute Nacht. [ selber Brief ] 96

Am 1ten Liebe, kleine Lotte, Das Gefecht ist zuende. Wir lagen in Reserve und griffen erst ein, als das Gefecht entschieden war. Ich hatte elend zu ar-

beiten, da ich mir den Magen verkolkst59 habe und ich kaum laufen konnte. Jetzt gehts mal wieder. Das Essen war einigermaßen. Eine undefinierbare Wurstart mit Weißkohl und Kartoffeln. Vorher habe ich Pfannkuchen und Schokolade und 6 Schrippen gegessen. Jetzt wird mein Magen wohl wieder in Ordnung kommen. Wir sollen uns jetzt photographieren lassen. Auf Wiedersehen, Lieselotte. Heut ist Löhnung. Gott sei Dank. Mein Geld war alle. Die Pfannkuchen sind teuer hier. Aber so lange ich Geld hab, muß ichs verpuffen. Später will ich aber nicht so leichtsinnig sein. Da arbeite ich ja für Dich. [ selber Brief ] Abends Wir haben jetzt auf Wunsch unseres Lieutenants einen Kompaniehund angeschafft. Da der bestellte in Berlin unentbehrlich ist ( ein guter Dobermann ) klapperten unsere Leute einfach Döberitz nach Hunden ab. Ein bestochener Spitz kam gleich ins Quartier; Er bekam eine Kompanietroddel. Nachdem er sich mit allen angefreundet hatte, und sich sattgefressen, verschwand er. Bald darauf kam ein Gefreiter mit einem tadellosen Dobermann an. Er hatte ihn am Bahnhof gesehen und gleich mitgeschleift. So hat die »Neunte« einen Kompaniehund. Hoffentlich wird er uns nicht fortlaufen. Halte Dir noch den Sonntag frei, Kleine. Beschwören kann ichs nicht, aber vielleicht komme ich am Sonntag nach Berlin. Dann hole ich Dich von deiner Wohnung ab. Willst Du. Dann gucke am Vormittag, so jede Stunde mal raus. Ich pfeife unten. Aber wie gesagt, bestimmt weiß ich noch nicht. Wenn Du also Lust hast, Kleine und noch nicht verabredet bist, ( nur dann ) dann warte mal. Und warum schreibst Du denn garnicht, Lieselotte. Ich warte täglich auf ein Zeichen von Dir. Ich bekomm aber rein garnichts. Vergessen hast Du mich doch nicht, aber ermanne Dich mal, Kleines und schreib. Ja ? Jetzt muß ich ein Croquis zeichnen. Eine Karte von unserer Stellung. Grüße alle von mir. Mit vielen Grüssen und Küssen Dein Bubi

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OKTOBER 1914

17  Bruno Jacob, Postkarte aus Brüssel, 15. Oktober 1914

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18  Güterbahnhof in Alost, den Bruno Jacob im Oktober 1914 auf dem Weg an die

Westfront erreichte. Aus einem Fotoalbum des Reserve-Infanterie-Regiments 203

19  Kriegszerstörte Straße in Dixmuide, 1914.

Aus einem Fotoalbum des Reserve-Infanterie-Regiments 203

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20  Bruno Jacob, Karte aus

21  Schützengraben in Flandern, 1914.

Thourout, 25. Oktober 1914. Jacob

Aus einem Fotoalbum des Reserve-Infanterie-

lag hier nach einem Kampfeinsatz in

Regiments 203

Dixmuide im Lazarett (Rückseite unten)

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[ Undatiert, wohl 5.10.14 ]60 Meine süsse Lieselotte ! Ich hab Dir am Sonntag nicht alles sagen können, auch nicht wollen. Ich hoffte Dich nächsten Sonntag allein sprechen zu können. Jetzt hats sich geändert, Mittwoch spätestens Donnerstag werden wir verladen. Wir kommen nach Antwerpen. Ob wir den Sturm mitmachen, was ich hoffe, oder erst nach Cöln u. dann als Besatzung hinkommen, wissen die Götter.61 Ich wollte Dir nur sagen, daß Du mich bei Tappert entschuldigen sollst, [ Einschub : ] Eben erhalte ich Deinen Brief ! ! ! [ Fortsetzung : ] Du weißt doch wegen der Briefe. Ich hab’ Tappert geschrieben, daß ich beschwipst war.62 Dir sag ich u. Du kannst es auch Käte Sch. sagen, daß ich eine Stimmung gehabt habe, wo ich alle Wege hinter mir abbrechen wollte, auf diese blödsinnige Weise war ja nicht nötig, aber damals [ fehlende Teile ]. Sag das, und denk nicht, daß ich gemein geworden bin. Ich glaube Du fühltest das am Sonntag, denn Du warst zurückhaltender wie sonst. Nimm mir nichts übel, Lieselott. Grüsse Käte Sch. und sage Tappert und Beyer, daß ich mich entschuldige und bereue, solchen Kohl geschrieben zu haben. Ich schreibe Dir erst wieder aus dem Felde. Lebewohl auf [ fehlendes Briefende ]

D. d. 7.Okt.14 Bubi Fritz Ziemer63 Meine süsse, kleine Lieselotte ! Wir sitzen wieder wie vorher im Dunkeln. Jetzt solls losgehen. Jeden Tag Appell oder Besichtigung, aber immer noch nichts Bestimmtes, nur einen Anschnauzer vom Hauptmann, daß wir verbummelt wären. Die Sauferei ! Ich male mir immer aus, wie schön es werden soll, wenn wir

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erst wieder gesund zurück sind. Und das hoffe ich doch, daß ich nischt abkriege. Wenn, nun denn. Ich weiß ja, daß Du mich immer lieb haben wirst und das verläßt mich nicht, Du bleibst meine Lieselotte. Eine Locke habe ich nun doch nicht bekommen Wenn Du magst, schicke mir eine, aber recht bald. Ich muß gleich schließen, Lieselotte. Da ich zum Appell muß, Lebe wohl, Kleine, Denke recht oft an mich. Grüsse alle von mir. Ich hab Dich immer in Erinnerung, Du schreibst mir noch, nicht ? Auf ein glückliches Wiedersehen Dein Bubi.

Freitag [ vermutlich 9.10.14 ]64

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Meine kleine Lieselotte ! Das ist wohl der letzte Brief, den ich Dir aus D.65 schreibe. Morgen, so ist ein Befehl gekommen rücken wir aus. Ob wir nun gleich Sonnab. verlassen werden od. Sonnt., weiß ich nicht. Wir hatte heute von 2 Uhr nachts bis morgens Gefecht. Hauptsächlich ballerte die Artellerie dazwischen. Wir aber lagen im Nebel im nassen Gras von 4–½ 7 auf derselben Stelle. Ich konnte zuerst kein Glied bewegen. Meine Erkältung schreitet einigermaßen fort. Das schadet aber nix. – Wenn ich gesund zurückkomme, dann werde ich mich neben der Arbeit mal anständig erholen, besonders auf den Schlaf freue ich mich. Vorläufig habe ich ja noch nie ausgeschlafen. Wenn ein anständiger Mensch aufsteht, dann sind wir schon mit unserem Üben fertig. Wie solls erst im Winter werden ? Da müssen wir stundenlang im Schnee liegen. Wenn ich mir auch was schöneres denken kann, so bin ich nur froh, daß es rausgeht. Mit dem Urlaub ist’s auch nix. Ich hätte Dich gerne noch mal gesehen. Ich hab Dich sehr, sehr lieb. Auf den langen Märschen denke ich immer an Dich. Vergiß auch Du mich nicht. Hoffentlich kann ich Dir bald eine Ansichtskarte aus Antwerpen schicken. Vielleicht ists da wärmer wie hier. Nichts ist schlimmer, als so erhitzt im Gras liegen. Dann kühlt man sich wieder ab u. rennt dann weiter. – Liebe Lieselotte, wenn wir uns wiedersehen, dann bleiben wir für immer zusammen, nicht ? Auf Wiedersehen, Kleines u. vergiß mich nicht. Dein Bubi

D. Sonnabend, d. 10. 9.14 [ eigentlich 10.10.14 ]66 Meine süsse, kleine Lieselotte ! Es gibt keinen Urlaub mehr. Ich habe immer noch gehofft, Dich zu sehen. – Jetzt ist Antwerpen gefallen.67 Die Züge sind bestellt. Der Himmel weiß, ob wir hinkommen. Heute werden wir wieder geimpft, Der Teufel hole das Impfen. Dann Instandsetzung aller unserer Sachen. Schuhe putzen, Anzug bürsten, u.s.w. Alle Sachen einpacken, Appell im Ausrückanzug, fix u. fertig. Instruktion, wie wir uns im Zug verhalten sollen. »Verboten ist das Aussteigen während der Fahrt.« – Es ist nämlich passiert, das die Züge so langsam gingen, daß die Soldaten ausstiegen und nebenher spazierengingen – Sekundärbahn. Wir dürftens nicht. Auch Alkoholtrinken ist verboten. Gottseidank sonst hätten wir wieder Besoffene im Zug. – Gestern wurde bekanntgegeben, d. h. nicht offiziell, daß in Posen Quartier bestellt sei und wir nach Lemberg kämen.68 Dann wurden »offiziell« Leute verlangt, die Russisch od. Polnisch sprechen. Das war schon deutlicher, aber ich glaubs nicht. Nach Galizien, Pfui Deibel. – Als wir schwer im Bett lagen, d. h. ich und verschiedene andere, wurde die Nachricht vom Fall Antwerpens bekanntgegeben. Der Jubel war unbeschreiblich. Allgemein wurden die Musiker verlangt. – Wir haben nämlich jetzt ein paar Blechpuster mit riesigen Trompeten. Die üben meist abends, wenn wir schlafen wollen. – Wenn Du mir mal schreiben solltest ( Ich glaub noch nicht recht dran, Kleine ), so nummeriere die Briefe 1, 2, 3 u.s.w., damit ich weiß, ob ich alle empfangen habe, sags auch Käte S. u. denen, die mir mal schreiben wollen. In erster Linie erwarte ich aber Nachricht von Dir, Lieselotte und nicht wahr, Du wirst mir ( oft ) schreiben ? – Du weißt, ich hab Dich so lieb und wenn wir nach Antw.69 kommen, ist ja Aussicht, daß wir uns wiedersehen. – Wenns nach Lemberg geht, dann mache ich jetzt schon mein Testament. Dann kannst Du, falls ich bleibe, alle meine Zeichnungen holen und die Briefe, die von Euch sind und in meinem Pult liegen. Heute kriegen wir unsere Totenmarken, Die sind echt patriotisch auf schwarz-weißer Schnur aufgezogen und werden um den Hals getragen.70 Bei den Toten werden dann die Nummern rausgezogen und in der Liste nachgesucht, da steht dann die Nummer und dahinter Name u. Adresse. Also sehr einfach. – Liebe Kleine, schreib mir bitte recht bald. – Eben kommt meine liebe Mutter aus Berlin. Mein Tornister ist gepackt. Ich habe neue Stie-

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fel bekommen. Jetzt kanns losgehen. Überall wird eingeladen. Artellerie, Train, Bagage steht rum. Meine Mutter hat gehört, es soll diese Nacht losgehen. Meinen Segen. Denk an mich, Denke recht oft daran, daß wir uns wiedersehen werden, Dein Bubi. [ selber Brief, vermutlich etwas später ] Liebe, Liebe Lieselotte ! Lache nicht, aber es war schon wieder falscher Alarm. Wir sollen jetzt erst Dienstag ausrücken, nächsten Sonntag haben wir leider keinen Urlaub, doch es ändert sich bei uns alles so schnell. Wir hatten gestern einen Marsch mit Gefecht, der 12 Stunden, von 4 Uhr morgens bis nachm ¼ 5 dauerte, danach kam die Kritik, daß unsere Infanterie reif sei, um gegen den Feind zu kämpfen, aber die Kavallerie noch nicht. – Ich habe Dich furchtbar lieb, Lieselotte. Es ist doch seltsam, deinen Namen höre ich, wenn auch getrennt, bei jedem Gefecht. Nimms nicht übel, Kleine, aber die beiden Hauptmannspferde heißen Liese u. Lotte. Da fragt der Hauptmann, wo ist denn meine Lotte od. Liese ? je nachdem er die Pferde reitet. Ich denke jetzt immer an Dich. – Heute habe ich einen ganz neuen Browning71 bekommen. Leider nur 14 Kugeln. Doch hoffe ich, es wird 14 Franktireurs das Lebenslicht ausblasen.72 Ich schreibe Dir noch oft, Lieselott ! viele viele Küsse. Denke an mich. Ich habe Dich so lieb. Grüsse K. S. u. Engel u. alle anderen von mir. Auf Wiedersehen, Dein Bubi. [ auf kleinem Extrazettel ] Diesen Brief steckt meine Mutter in Charlottenb. ein, da hier die Briefe aufgemacht werden.

Sonntag d. 11? 9.14 [ Monat unleserlich, wohl 11.10.14 ] 73 Döberitz Meine kleine Liselotte ! 104

Ich will Dir so oft schreiben, wie’s möglich ist. Jetzt kann ich ja noch auf richtige Beförderung hoffen. Aber sag, warum schreibst Du mir denn

nie, Kleine ? Täglich erwarte ich einen Brief von Dir und nie ist was dabei. Du weißt doch, wie gerne ich etwas von Dir hätte. Was machst Du denn eigentlich ? – Ich höre ja gar nichts von Euch, Meine Mutter hat den gestrigen Brief mit nach Charlottenburg genommen und will ihn dort einwerfen. Hier werden die Briefe nämlich oft aufgemacht. – Wie lieb ich Dich habe, brauch ich Dir ja nicht immer zu schreiben, das weißt Du ja, Kleine. Hoffentlich komme ich ganz zurück, sonst hätte es ja keinen Zweck. Als Krüppel rumlaufen will ich nicht. In Antwerpen werden wir wahrscheinlich nicht lange bleiben. Dann kommen wir höchstwahrscheinlich zur Kluckschen Armee. Den Einzug in Paris möchte ich gar zu gern mitmachen.74 – Heute ist mir immer noch nicht ganz gut. Gestern hatte ich wieder starkes Fieber von dem dämlichen Impfen. Heut kann ich den Arm kaum hochheben, Wenn wir heute ausrücken, kann ich keinen Tornister tragen. – Wart mal Kleine, jetzt ist Parole – [ selber Brief ] Liebe Lieselotte ! Wegen unserem schlechten Befinden oder ich weiß sonst was sollen wir erst vor Donnerstag rauskommen. So ein Quatsch. Wenn man sich mal freut, ist’s wieder Essig. Ich könnte die Wände hochklettern, wenn ich eine Strickleiter hätte. – Ich soll Dich auch von Reinwald grüßen.75 Familie R. ist jeden Tag hier. Der kleine Bruder hat gestern Nacht sogar hier geschlafen. Auf einem Strohsack mitten zwischen uns. – Wenns bloß früher rausginge. Mein Geld ist alle. Ich habe jetzt nur noch 6 M, Das wird für einen Fels[ … ] nicht reichen. Sooft ich kann, u. ich kann immer, kaufe ich mir Kuchen. Ich vertrage ungeheure Mengen, Aber mein Geldbeutel nicht. Heute ist Löhnung, da werden wir ja wieder was kriegen. Jetzt gibts Schrippen, damit wir nicht verhungern. Ich esse vor lauter Wut meine sämtlichen Vorräte an Schokolade und Wurst auf. So eine Gemeinheit. Fügung des Schicksals. Wenn das so weiter geht, ist der Krieg aus. – Gestern hatten wir Scharfschiessen. Bei Regen u. Nebel. Distanz 750 m, Kopfscheiben. Resultat : wunderbar. Der Hauptmann sagte ausgezeichnet. Einige der Köpfe hatten 7–8 Treffer. Wenn wir diese Ruhe im »Krieg ebenfalls haben, werden wir die Sache schon machen« sprach der Kompaniechef. –

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Und meine Ruhe verliere ich nicht, das ist sicher. Obs nun Franzosen sind oder Russen, die wir abschießen, ist doch ganz gleich. – Gestern war großer Tanz hier. Ich lag schon im Bett, da ging die Musik los. Die alten Landwehrleute tanzten zusammen, der ganze Saal dröhnte. Ich bin aber sehr gut eingeschlafen und träumte vom Einzug in Berlin durchs Brandenburger Tor. Wenns so weiter geht, schaffen wirs ja. Wenn ich Dich erst wiederhätte, Lieselotte. Du vergißt mich nicht ? Ich habe Dich wahnsinnig lieb. Dein Bubi

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2 Stunden später Süsse Lieselott ! Ich muß Dir noch mehr schreiben, trotzdem nichts neues vorgekommen ist. Ich habe den Brief nochmal aufgerissen. Ich muß immer daran denken, wie wir uns kennen gelernt haben. Damals waren noch andere Zeiten, da dachte keiner daran, wie schnell sich alles ändern könnte. Und jetzt merke ich erst wie lieb ich Dich habe u. daß ich Dich nie hassen könnte. Du wirst mich aber auch nicht vergessen u. wenn ich lange Zeit draußen bleiben sollte, nicht, Lieselott ! Wenn Ihr jetzt in der B. W. K. arbeitet werde ich in Antwerpen oder sonstwo Wache schieben oder später im Schützengraben liegen. Dann werde ich wieder an Dich denken Kleine und wie schön es sein wird, wen ich erst wieder in D. bin. Ob wir dann noch beide die B. W. K. besuchen werden ? – Oder ob sie nicht mehr bestehen wird. Wer weiß ! – Sonntag ist bestimmt kein Urlaub, da ist Feldgottesdienst. So werde ich Dich und die anderen Freunde nicht mehr sehen und wielange werde ich von Charlottenburg fortsein ? – Das weiß der Teufel. Vielleicht komme ich gar nicht mehr. Aber ich denke doch, daß ich nicht gleich eine tödliche Pille kriegen werde. – Wäre doch schade um mich, nicht ? – Aber ich will nichts heraufbeschwören. Die Sache ist nur famos, daß wir bald rauskommen. Jetzt macht man eine Reise umsonst und wenn ich auch nicht viel Studien machen werde, so werde ich doch so viel Eindrücke heimbringen, ( Blechkopp ), daß ich lange danach arbeiten kann. Darauf freue ich mich am meisten, daß ich mit Dir zusammen wieder schaffen kann. Laufe nur nicht zuweit vor, sonst kann ich einpacken. Einen roten Hintergrund werden meine Plakate wohl alle haben. Doch ich will

nicht spinnen. Du hast mich lieb ( hoffe ich ), und ich Dich auch und wir werden uns wiedersehen. Viele, viele Grüsse u. Küsse Dein Bubi

Montag [ wohl 12.10.14 ] Liebe, liebe Lieselotte ! Gestern war hier solcher Betrieb, daß ich den Brief keinem zum Abgeben bringen konnte, weil hier alles preußischblau war.76 Weißt Du, Kleine, wir kommen gleich weg. Wenn Du diesen Brief kriegst, sind wir nicht mehr hier. Wir werden gleich Parole haben. Weißt du, wie lang wir fahren ? – 92 Stunden. Ich schrieb Käte S. 7 h. Das wäre nach Antwerpen. Wir kommen aber gleich ins Gefecht. Unsere Freude kannst Du Dir garnicht denken. Wir werden dann wohl den Einzug in Paris mitmachen. Ich hab jetzt eben von Käte Bräuer einen Brief bekommen. Ich hab aber kein Papier mehr. Sag ihr mal, ich hätte mich sehr darüber gefreut, daß sie nochmal geschrieben hat. Aber ich kann erst aus dem Feld antworten. Sie soll nur auf der Penne bleiben. Helferinnen werden vorläufig noch nicht verlangt, denn was die Krankenträger u.s.w. arbeiten, hielten die Mädels nie aus. Wenn Käte zu uns kommt, soll sie unsere Mietze grüßen. Ich lass ihr Lebwohl sagen. Liebes Mädel, Denke recht oft an mich, wenn ich draußen liege. Ich will Dich auch nie vergessen. Dein Bubi

Mont. Abend [ 12.10.14 ]77 Meine, süsse, kleine Lieselotte ! In der Hoffnung, daß Du mich noch nicht ganz vergessen hast, schreibe ich Dir heute nochmals aus D. Ich hätte so gerne noch einmal Nachricht von Dir gehabt, ehe ich losgehe. Aber nischt, rein garnischt von Dir. Einmal hättest Du doch wirklich schrieben können, Kleines. Unsere Fahrt wird ja wieder höchst fidel werden. 93 Stunden das sind so 4 Tage unterwegs. Alle Stunde Aufenthalt. Heut hab ich meinen Helm und alle glänzenden Teile an meiner Ausrüstung grau gestrichen, da-

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mit die verfluchten Kerls kein Ziel haben.78 Es ist doch komisch, daß ich überall die Nummer 13 erwische. Wir wohnen N. 13, zum Militär bin ich am 13. August gekommen, am 13. Dienstag rücken wir aus und meine Totenmarke ist N. 113. Da werde ich mal ausnahmsweise die 13 als Glücksnummer ansehen, etwas abergläubisch bin ich, glaube ich, doch. Unser Zug hat die Nr. 5656. Doch kommen wir ja nicht durch Berlin. Das würde wiedermal ein Hallo geben. Jetzt muß ich gleich schließen. Es ist Gewehrreinigen. Hab ich Dir heut nicht genug geschrieben, Lieselott. Und Du antwortest gar nicht ? – Das macht mich oft bange. Dann Denk ich immer, Du wirst mich bald vergessen. Das tust Du doch nicht, Kleine. Ich warte immer noch auf Antwort. Schreib mir doch, wenn ich Deine Dir meine Adresse geschickt hab’, daß Du mich noch lieb hast. Jetzt muß ich schließen. Auf Wiedersehen, Lieselotte. Ich küsse Dich noch mal in Gedanken Dein Bubi

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Dienst. 13.10.14, abends süsse, kleine Lieselotte ! Zum letzten Mal schreibe ich Dir aus Döberitz. Wir sind das letzte Bataillon, das ausrückt, Wir haben Fahnen, Girlanden, Eichenlaub zum Schmücken. Um 842 geht der Zug. Liebe Kleine, es ist ein seltsames Gefühl, so hinauszufahren ins Ungewisse und nicht zu wissen, ob man auch zurückkehrt. Aber doch voller Freude, daß es endlich fortgeht gegen den Feind. Ich hab bis zum letzten Augenblick auf eine Nachricht von Dir gewartet, doch nichts, garnichts ist gekommen. Das macht mich etwas traurig, wenn ich auch weiß, daß Du nicht gern schreibst. Liebe Kleine, vergiß mich nicht. ich habe Deine Adresse einigen meiner besten Freunde gesagt, im Falle daß …, man kann ja nie wissen. Und es ist mir angenehmer, daß Du dann rechtzeitig was erfährst. Ebenso meine Eltern und Madeleine. Aber Ich hoffe, das wird nicht nötig sein. Liebes Mädel, ich merke immer mehr, daß ich Dich nie lassen kann. Ich muß wiederkommen und Du mußt mein werden. Jetzt muß ich schließen, Lieselotte, denn die Briefe werden zum Stempeln geholt. Auf Wiedersehen, Kleine. Dein Bruno

Mittw. 14.10.14 Liebe, kleine Lieselotte ! Kann Dir von der Front nur Karten schreiben.79 Wir sind jetzt in Hannover. Die Fahrt ist tadellos. Wir werden überall verpflegt wie die kleinen Kinder.80 Denkst Du noch an mich ? Grüße alle. Auf ein fröhliches Wiedersehen. Dein Bubi [ Rückseite ] Bald sind wir draußen. Die Gegend u. das Wetter herrlich. Wir leben im Viehwagen wie Barone. Besser wünsch ichs mir garnicht.81

Mit. 10 Uhr [ 14.10.14 ]82 Liebe, liebe Lieselotte ! Eben habe ich Dir aus Hannover geschrieben. Du wirst die Karte wohl empfangen. Eine +Schwester83 wollt sie befördern Diesen Brief schreibe ich in der Bahn. Daher die Schrift. Also am Montag abend gings los. Es ist sehr gemütlich hier. Wir haben Fahnen und Girlanden am Zuge. Es wird gesungen. Die Musik spielt.84 Alles ist voller Begeisterung. Liebe Kleine, wenn Du sehen würdest, wie sich alles um uns bemüht. Auf jeden Aufenthalt gibts Kaffee und Schrippen. Schokolade u.s.w. Jetzt kommen wir nach Minden. Da geb ich den Brief zum Befördern. Als wir in Hannover mit Musik einliefen, kam von der anderen Seite ein Zug mit gefangenen Belgiern an. Ohne Sang und Klang fuhren sie vorbei. – Liebe Lieselotte, ich bin so glücklich, daß es endlich fortgeht, Die Nacht war eklich kalt. Der ganze Wagen stank nach Pferden. Wir fuhren 4 Tage. Ich hab mir noch Hausschuhe, Butter u. Wurst gekauft. Die Schuhe sind sehr praktisch, das andere war überflüssig. Ich habe nur noch 1 M. Nach, im Schützengraben nützt es ja doch nix. Liebes Mädel, Wie Du siehst, ist das Schreiben eine Qual. Denke nicht, daß ich beschwipst bin. Hier ist Alkoholverbot. Aber der Zug schaukelt wie ein Kamel. – Denkst Du noch oft an mich. Ich hab Dir jeden Tag geschrieben hast Du alles empfangen ? – Meine Adresse schreibe ich Dir erst, aus dem Endquartier, oder warte mal, sie ist

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an den Füs. B. J. 22. Reserve – Armeecorps 43. Reserve – Division

Res.-Infanterie-Regt 203 9te Kompanie

Wenn Du also willst kannst Du mir schreiben. Aber nur, wenn Dus gern tust. Doch ich hoffe, Kleines, daß Du mich noch lieb hast. Jetzt hält der Zug. Eine kleine Station. Den Brief schicke ich erst von Minden ab. Hoffent­ lich erhältst Du ihn. – Draußen ist jetzt schon Gebirge. – Die Musik spielt. – – Ich hab Dich sehr lieb, Lieselott. – Vergiß mich nicht. – Ich schreibe Dir noch aus allen Stationen an Ostende od. London, – ­Kleine, es ist zu schön.85 Ich hätte Dich nur gern noch gesehen und gesprochen. Nun, nach dem Krieg. Hier ist Wunstorf.86 Auf Wiedersehen. Liebes Mädel Dein Bubi

Dienstag abends [ wohl 14.10.14 ]87 Liebe kleine Lieselotte ! Ich schreibe Dir heute nochmals von meiner Rheinreise. Ich habe mindestens 5 mal Mittag bekommen. Jetzt gehts ins Bett, das heißt man tut so als ob man schläft. Ich habe heut viel gesehen : die Westfälische Pforte, das Wesergebirge und so viele Städte und Städtchen. Morgen schreib ich wieder, Kleine jetzt muß ich zum Zug. Lebwohl Lieselotte. Gute Nacht, Grüß alle Dein Bubi [ selber Brief ] Jetzt fahren wir noch 3 Tage ungefähr. Eine schöne Reise. Ich wünschte, wir beide machten später mal dieselbe Rheinreise zusammen. Wollen wir ? Na, mal erst gesund zurück. Dein Bubi. 110

[ Poststempel 14. 4.14 ] Viele Grüsse aus Hamm. Es geht mir sehr gut. Auf Wiedersehen nach dem Krieg, Dein Bubi

Dauersb. 15.10.14 Liebe, kleine Lieselotte ! Jetzt bin ich in Belgien.88 Um 620 überschritten wir die Grenze. Jetzt halten wir bei Verviers. Liebes Mädel, wenn Du doch hier wärst. Die Gegend ist wunderbar. Da bekommen wir eine schöne Provinz. Da wollen wir auch mal hin, Kleine. Bald sind wir Lüttich. Ich freue mich so, Lieselotte, Jetzt wollen wir zur Saison nach Ostende fahren. Denk recht oft an mich. Ich will Dich auch nie vergessen. Jetzt können wir noch eine ganze Tour hier warten. Alle Augenblicke hält der Zug. Überall sind Wiesen, Berge und Almen. Es sieht alles so friedlich aus. Nur die Landwehrleute mit aufgepflanzten Bajonett erinnern einen an den Krieg. Na, die Extratour und Studienreise ist ja sehr fein bis jetzt verlaufen. Schreib mir bald, Kleine. Grüsse alle von mir, Madeleine und Käte Bräuer u. alle andern. Ich habe jetzt kein Papier mehr. Denk also an mich. Viele Grüsse und Küsse aus Feindesland. Auf ein fröhliches Wiedersehen in Steglitz. Dein Bubi

d. 15.10.14 mittag Liebe, kleine Lieselotte ! Diese Karte schreibe ich während eines Aufenthalts vor Lüttich.89 Es ist wunderbar hier und urgemütlich. Wann Du diese Karte bekommst, weiß ich nicht, der Transport ist nicht so schnell wie von Döberitz. Schade, daß ich noch kein Skizzenbuch habe. Was macht Ihr denn jetzt in der B. W. K. ? – Die Karten werden jetzt von den Landwehrleuten abgenommen. Liebe Lieselotte, lebewohl. Denk an mich. G ­ rüße alle Dein Bubi 111

15.10.14 5 Uhr nachm

Meine Lieselotte ! Jetzt sind wir schon in Brüssel;90 wenns so schnell bis London geht, bin ich bald wieder bei Dir. Jetzt wollen wir erst mal nach Frankreich. Eben waren wir durch Löwen gekommen. Alles kaputt. Sieht schlecht aus.91 Auf Wiedersehen bis zur nächsten Station. Dein Bubi

[ … ], Sonntag, d. ?.10.14 [ wohl 18.10.14 ]92 Liebe Eltern !, liebe Lieselotte ! Wir sind jetzt hier im Quartier in der Nähe von Brügge und sollen morgen früh die Engländer verhauen.93 Ich freue mich riesig drauf. Endlich ran an den Feind. Mit Antwerpen ists Essig Wir sind bis Alost94 mit der Bahn gefahren und von da aus marschiert. ( Leider sind meine Füsse total kaputt. Ich hab mich geschleppt wie ne alte Frau ) Jetzt kann man sich mal waschen. Wir sind in 3 Tagen 130 km marschiert. Was das mit einem Affen bedeutet, der noch ? umlegt mit Patronen 50 Pfund wiegt, könnt Ihr Euch wohl denken.95 Nachts halten wir Wache in einer Scheune bei einem Franktireurdorf. Da stand ich 2 Stunden im Dunkeln und passte auf Franktireurs auf.96 Kam aber nix. Nur ein Köter, der rumlief, wurde angeschossen. – Jetzt ist hier alles Militär zusammen. Wir haben Quartier u. eine Wirtschaft. Mein Geld ist alle. Ich hab mir pumpen müssen. Schickt mir aber nix, es kommt doch nicht an. Hoffentlich sind meine Füsse morgen wieder ganz. Nächstens mehr. Und bitte, wenn Ihr diese Karte gelesen habt, schickt sie Lieselotte Friedländer,97 aber bestimmt. Ich hab nämlich kein Papier hier. Ich lasse Lieselotte viele, viele Male grüssen und hoffe, daß ich Euch alle gesund wiedersehe. Seid herzlichst gegrüßt und geküßt von Eurem Bruno. Adr. von Liesel. Steglitz Friesenstr. 1 112

[ selbe Postkarte ] Liebe kleine Lieselotte ! Du hast ja gelesen, wies mir geht. Schlafen und Essen ist Luxus. Wir rennen, rennen, rennen und die Gegner immer vorne weg. Jetzt haben wirn ja. endlich. Drücke Daumen, daß mir nix passiert. Denkst Du noch öfter an mich ? Ich hab leider kein Papier, sonst würde ich Dir extra ­schreiben. Vergiß mich nicht. Schreiben tu nicht. Ich bekomme hier doch nix. – Draußen fährt die Artellerie vorbei. Geht jetzt in Stellung. Nun lebwohl sei geküsst von Deinem Bubi.

Sonnt., den ?.10.14 [ wohl 18.10.14 ]98 Meine liebe, liebe Lieselotte ! Jetzt ist kritisch. Gottseidank. Ich sitze hier beim Glase Punsch und bin gewaschen. Morgen höchstwahrscheinlich verbolzen wir die Engländer.99 Stehen 15 km von unserem Quartier. Was sind 15 km, wo wir in 3 Tagen 130 km gelaufen sind. Ja, Kleine das gibt Muskeln. Aber Energie muß man aufbieten. Doch jetzt haben wir unsere Tagestour gemacht. Gestern Nacht habe ich vor dem Dorf [ … ] gestanden. 2 Stunden, die genügen aber. War nicht zu aufregend, da nur neunmal geschossen wurde. Ein Köter mußte sein Leben lassen. Liebes Mädel, es ist doch ein eigenes Gefühl im Feindesland rumzulaufen. Na, morgen gehts den Engländern an den Kragen. Jetzt muß ich schließen. Fußappell. Bitte, bitte denk noch an mich. Ich werde Dir ­schreiben, wie die große Schlacht verlaufen ist. Sei vielmals gegrüßt von Deinem Bruno. Grüsse alle anderen, Madeleine bes.

Sonnt., d. 25.10.14 Meine Lieselotte ! Verwundet bin ich nicht worden, doch mit knapper Not der französischen Gefangenschaft entgangen. Jetzt liege ich hier im Lazarett wegen einer Sehnenzerrung, die ich mir bei der letzten Anstrengung zugezogen habe, Das war beim Sturm auf das schöne Städtchen Dixmude.100

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Die Schlacht u. das andere erzähle ich Dir wenn ich wieder kommen sollte. War grausig. Hoffentlich bald in Ordnung. Auf Wiedersehen, Lieselotte, grüße alle Dein Bruno

Th ….… d. 28.10.14

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Meine einzige Lieselotte ! Ich habe gestern einen Brief an die B. W. K. geschrieben, in dem ich meine Erlebnisse in der Nacht des Angriffs schilderte. Du siehst also, daß wir doch nicht erst nach Anvers, sondern gleich in die Front gekommen sind. Hast also recht gehabt. Liebe Lieselotte, hoffentlich hab ich mich bald erholt, daß ich wieder nach vorn kann, jetzt kann ich noch nicht laufen. Ich hab hier bei der Erholung mächtig Schwein gehabt. Auf der Strasse trafen wir einen Rittmeister v. Woltersdorff aus Mecklenburg. Der fragt uns, wir waren 2 Mann, : [ » ]Na, Freiwillige aus Berlin ?« »Jawohl, Herr Rittmeister.« – [ » ]Na, denn kommt mal mit, Ich will Euch Obst geben, Na, und wenn Ihr schlecht schlaft, könnt Ihr hier liegen.« Und da zogen wir um. In das verlassene Haus eines Anvers. Dr. Martens, er lebe Hoch. Wir schliefen im Salon. Der Rittmeister und ein Bursche trugen mir noch ein Korbbett runter. Abends Gasglühlicht, warm, feines Geschirr. Es war wie im Märchen. Bis in der 3ten Nacht Alarm war. Der Herr Rittmeister und die Artellerie verschwand und wir waren allein. Am Morgen erschienen plötzlich 2 Individibums : ein Eingeborner und eine dicke, dicke Frau. Die standen im Halbkreis um uns rum und redeten alle beide. Was, weiß ich nicht. Ich sage : Mais je ne veux rien à manger, je ne veux que coucher ici ! ! ! Obs richtig ist, weiß ich nicht. Die beiden schrien um so lauter. Niex son essen, rien, jamais, Ingles, Franzos alles mitgenommen, nix schlafen hier, nix nix. Na, ich stoppte mir wenigstens die Taschen voll Obst, das war hier im Garten haufenweise. Dann nahm ich sämtlichen Zucker, den ich in allen Büchsen fand, in einem Säckchen mit. Das nennt man hier requirieren, und verschwand. Das edle Paar verschloß die Tür freudestrahlend hinter mir und ward nicht mehr gesehen. – Jetzt liege ich hier wieder im Stroh. – Übrigens, hier wird allerlei gemunkelt. 1tens Krieg von Italien an Frankreich. 2tens Ultimatum von Frankreich an

England. Ob was davon wahr ist, weiß ich nicht. – Liebe Kleine, Hoffentlich habe ich bloß eine Sehnen- und Muskelüberreizung, und nicht Rheumatismus oder Gicht. So als alter Mann neben Dir gehen, möchte ich nicht. Am Krückstock, in Filzparisern.101 Ach Lieselotte, wenn ich wiederkommen sollte, wirds fein. Darauf freue ich mich immer wieder. Und das hält mich immer aufrecht. Würdest Du Dich auch ein bischen freuen, wenn ich wiederkommen sollte ? – Leider Hab ich nichts mehr von euch gehört. – Und etwas ist von übel. Ich hab eure Briefe in meinem Affen verstaut. Als ich nun nicht mehr laufen konnte, nahmen mir die guten Sanitäter alles ab, und Roß und Reiter sah man niemals wieder. Na in den Briefen steht ja nix übles drin, aber ich hätte gern was von Dir gehabt und nun kommt die verfluchte Rettung und meine Sachen sind futsch. alle. Meine Strümpfe, Schuhe, Wollsachen, Wäsche, Riemen, nischt mehr da. Jetzt hab ich etwas von verwundeten Freunden, die nach der Heimat fahren bekommen, sonst sässe ich hier wie ein neugeborenes Kind. Gottseidank ist’s hier nicht kalt. Die Saison in Ostende ist hier fein. Jetzt gehts vielleicht nach Dünkirchen. Belagerung. Von hier aus hört man die kleinen Geschützen, die 21er, die österreichische Motorbatterie und die dicke Bertha brummen.102 Das heißt, augenblicklich ist’s ruhig. Dixmude soll genommen sein, aber der Feind soll sich dahinter verschanzt haben. Ich kann Dir nicht alles schreiben, aber komme ich wieder, dann will ich Dir was erzählen. Kleine, es war schlimm. Und diese Jammergesichter hier, diese Ansammlung von Verwundeten. Diese Wunden. Die Geschosse der Infanterie gehen ja noch. aber Die dummen Granatsplitter und Schrappnells ! ! Na, Schwamm drüber. – Schade, daß ich die dicke Bertha nicht schiessen gesehen habe. Die Geschosse sind schön blau gestrichen. Als das Vieh, die 42 cm Kanone nennen sie hier nämlich dicke Berta, durch Th ….103 rollte, fuhrs gegen den Rinnstein, als es wegrollte, war keiner mehr da. Auch die öster. Motorbatterie, die 32 cm schafft. Die dicke Berta schoß mit dem 2ten Schuss ein Haus vollständig weg, ein 2stöckiges Haus, mit dem 3ten die Kirche, mit dem 4ten das Pulvermagazin in Dixmude. Ich habs leider nicht gesehen, soll schaurig gewesen sein. Die Granaten überhaupt alle kommen heulend angeflogen. Ich hab sie oft genug über mich wegfliegen hören. 2 wurden Direkt auf unsere kleine Kolonie geschossen, waren beides Blindgänger, Ich erzähl Dir noch. Jetzt muß ich schließen.

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Liebe Lieselotte, wenn ich Dich wiedersehe … Ich freue mich schon jetzt furchtbar drauf. Gott gebs, daß ich durchkomme. Sei innigst gegrüßt und geküsst von Deinem Bubi.

Fr., d. 30.10.14 Liebe, liebe Lieselotte ! Ich habe Dir schon einen Brief aus dieser Stadt und ein oder 2 Karten geschrieben. Ich habe sie teils Kameraden, teils einem alten Landwehrposten zur Beförderung gegeben. Obs sie’s nun zur Feldpost gebracht haben, denn wir selbst dürfen das Lazarett nicht verlassen, oder nicht, weiß ich nicht, darum schreibe ich Dir so viel, jetzt habe ich Zeit; im Schützengraben bei Granatfeuer kann man durchaus nicht nachdenken. Das verdammte Nest soll immer noch nicht genommen sein. Es ist der Verzweiflungskampf der Belgier, gemischt mit Franzosen, Engländern, Turkos,104 kurz einem Haufen Mist. Entschuldige den harten Ausdruck, aber wenn man hier die Verwundeten sieht und es kommen täglich neue rein und hört, wie sich der Gegner benommen haben soll, dann kriegt man auch die blinde Wut. Ich habe Rheumatismus, kriege Pillen und hoffe bald wieder laufen zu können. Eine richtige Heilung kann ich ja erst nach dem Krieg machen. Vorläufig reichts noch. Aber Du brauchst keine Bange zu haben, es tut nur weh, sonst nix. Ich möchte Weihnachten gerne mit Euch, mit Dir feiern. Ob der Tanz bis dahin zuende ist, weiß ich nicht. Hoffe es aber. Liebe Lieselott, der Krieg ist doch nicht so schön, so herrlich. Hier hat man Gelegenheit die furchtbaren Wunden zu sehen, die die Schrappnells und Granaten schlagen. In der Front, wenns frisch drauflosgeht, da ist fein, aber da sieht man nicht rückwärts und bemerkt nicht die Wunden und Toten, die auf dem Feld geblieben sind.105 Wenn ich bloß wieder in der Front wäre. Die verd … Engländer !106 Wenn die erst die Jacke voll hätten, die können garnicht genug kriegen. Nun Lebwohl Lieselotte, denke an mich hier draußen im Feld. Auf ein glückliches Wiedersehen. Dein Bruno 116

Samst., [ … ]1.10.14 [ wohl 31.10.14 ]107 Meine, liebe, kleine Lieselott ! Ich hoffe doch, daß Du immer noch an mich denkst. Mir kommst so lang vor, daß wir uns nicht gesehen haben, und doch denke ich jeden Tag an Dich. Die verflixte Sache dauert doch länger als ich dachte, und Gelenkrheumatismus tut auch gehörig weh. Ich gehe immer noch, als ob ich von einer langen Krankheit aufgestanden bin. – »Ach was, Rheumatismus hab’n se alle«, sagt der Stabsarzt. Wenns auch kein Trost ist, so bin ich doch nicht der einzige, der ohne Wunden im Lazarett liegt. Na, bald wirds wieder so, sein, daß ich laufen kann. Dann gehts wieder in die Front, um die Kerle zu verdreschen. Liebe Lieselott, die Bande h­ älten sich mit einer Verzweiflung in der zerschossenen Stadt, daß es wirklich bewundernswert ist. – Und jetzt will ich Dir mal erzählen, wies im Lazarett zugeht. Wir werden hier sehr gut gepflegt. Alle sind freundlich, ohne die militärische Disziplin, ohne die’s ja nicht geht, ausser Acht zu lassen. Abends um 10 gehen wir schlafen, das heißt wir legen uns aufs Stroh, den Affen unterm Kopf und decken uns mit der Zeltbahn zu. Wir schlafen bis 7, ½ 8, ein Luxus, der uns im Schützengraben nicht beschieden war. Dann wird, nachdem wir uns alle im Hof gewaschen haben, gefrühstückt. Leider hab ich kein Geld mehr, um mir Butter zu kaufen; jetzt esse ich trocken Brot mit Salz, schmeckt auch; es gibt Kaffee dazu. Dann machen wir einen Morgenspaziergang um den kleinen Hof rum, politisieren. Einer sucht den andern zu beweisen, daß der Krieg ja garnicht mehr lange dauern könne. Es werden Gerüchte laut, obs wahr ist, weiß der Teufel, daß Italien an Frankreich, den Krieg erklärt hätte, falls es nicht mit uns Frieden schlösse, daß Holland an England, Amerika an Japan den Krieg erklärt hätte und soweiter. In unserem »Saal«, dem Zeichen- und Arbeitsraum der Nonnen, in dem ich übrigens einige sehr hübsche Stickmuster, Spitzenarbeiten und [ … ]papiere fand, sind die verschiedensten Stände vertreten, ein Jurist, ein Schuster, zwei Buchhalter, ein Zoologe, ein Beamter von der Hamburg-Amerikalinie, ein Bergmann u.s.w. Da hört man so mit Behagen, wenn der Mann von der H.-A. Linie von den Bequemlichkeiten auf einem Luxusschiff erzählt : Morgens Kaffee, Tee oder Schokolade, mit Kuchen und Sandwichs, dann ein Frühstück, Braten, Fisch, Wein, Suppe, dann Lunch mit 3,4 Gängen, dann um 3–4 Tee oder Kaffee mit Keksen und Kuchen, Abends Dinner,

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und man malt sich wenigstens die Wonne aus, die man beim Genuß aller dieser Dinge empfinden mag und kaut den ganzen Tag Kommisbrot, und freut sich wenn einem ein Sanitäter ein Stück Speck schenkt.108 Dann erzählt der Bergmann seine Erlebnisse in der Grube, Der Zoologe hält einen Vortrag über Kokken, Bazillen und Bakterien, über die schlimmsten Krankheiten und der Jurist ist ein eifriger Sportler, mit dem man sich sehr gut unterhält. Und während der Oberstabsarzt die Wunden untersucht, die Butter abwischt, die aus den Verletzungen kommt, auf den Tisch blutige Bandagen, blutige Watten und Pinzetten liegen, während der »Ober« eine Wunde näht, sitzen wir an demselben Tisch und essen friedlich unser Mittag, dabei erzählt ein Jäger, daß auf dem Schlachtfeld die Schweine, die hier überall frei rumlaufen, die Leichen unserer Krieger aufgefressen hätten; Ja, der Krieg stumpft furchtbar ab. Die ärgsten Verletzungen, selbst der Tod lässt einen ruhig, der Mensch wird kehrt zum Urzustand zurück. Liebe Kleine, wenn ich erst bei Dir wäre. Ich kann Dich nie vergessen. Denk auch Du an mich. Grüsse alle, Ich hab Dich so lieb. Lebwohl Dein Bubi [ Rückseite des Briefes ( Mitte )] Ich hatte leider kein anderes Briefpapier,109 da mußt Du mirs nicht übel nehmen, Ich wollte Dir so gern schreiben. Grüße Käte S., Käte Br., Hutloff und Engelchen sowie alle, die noch da sind. Auf ein glückliches Wiedersehen nach diesem Krieg.

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[ Rückseite des Briefes ( von links oben nach rechts unten )] Bald haben wir die Lumpen hier ganz in Klumpen gehauen. Die ganze Stadt brennt. Wenn ich bloß erst wieder vorn wäre.110 Die Jäger haben wenigstens schon Engländer aus der Nähe gesehen. Pardon wird nicht gegeben. Oder unsere Leute schlagen den Gefangenen die Zähne ein. Die Englischen haben sich auch zu gemein benommen. Als die Jäger angriffen und bis auf 300 Meter ran waren, hoben die Hunde die Hände hoch, darauf gingen unsere Jäger vor, bei 200 Meter nehmen die Gegner die Gewehre wieder auf und schiessen unsere Leute runter. Auch auf Verwundeten Transporte schossen sie Nachts aus den Bäumen, daher unser Hass auf diese Gegner. Soviel wie möglich runterknallen.

NOVEMBER 1914

Thourout111 d. 3.11.14 Meine Lieselott ! Ich kanns kaum noch hier aushalten. Wenns auch noch im Bein zieht, Ich dampfe ab. Nur meine Sachen hab ich immer noch nicht. – Eben war Untersuchung, Ich hab dem Arzt gesagt, ich möcht nach vorn zurück, Hip Hip Hurra, ich gehe, heute oder spätestens morgen. Hast Du mir mal geschrieben, Lieselott ? – Ich hab nämlich weder von Dir noch von einer anderen Menschenseele etwas gehört. Dafür Denk’ Ich an euch, das ist meine liebste Beschäftigung. Wenn der Tisch dröhnt vom Stockspiel der Jäger, dann leg ich mich ins Stroh und male mir aus, wies werden wird, wenn ich nach Berlin zurückkommen sollte oder ich denk an vergangene Zeiten, bis ich wieder Hunger kriege und eine Marmeladenstulle esse. Gestern war ich in der Stadt. Ein Wetter, warm und lind wie im Frühling. Nur Nachts ists kalt, doch ich freue mich wieder auf den Schützengraben. – Ich war in einem Café und trank wieder einmal Schokolade, ein Luxus, den ich wohl zu schätzen wußte. Dazu spielte ein Grammophon Opernmelodien und Märsche. Das ist mal was anderes in dem ewigen Einerlei im Lazarett. – Jetzt kommt Dünkirchen ran.112 Drücke den Daumen, daß ich nichts abkriege, ausgeschlossen ists ja nicht bei der blödsinnigen Schießerei der Franzosen. Lebewohl, Lieselotte, Auf Wiedersehen Dein Bubi

Werken, d. 5.11.14 Meine Lieselott ! Am Mittw. Mittag zog ich mit 8 Kameraden aus Thourout los. Wo unsere Truppen standen, konnte uns keiner sagen, auch auf dem Generalkommando nicht. Wir zogen also in die Gegend. Reg. 201, 3, 4, 5 u. 8 sind einer vom Seebataillon. Ein Offizier kommt vorbei : »2 Mann einsteigen.« Ich rein ins Auto und ein alter Landwehrmann neben mir. »Ich fahre bis Essen.« Jetzt geht die Deubelsfahrt113 los. Die Gegend saust

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vorbei. Das Auto schleudert. Ich denke alle 5 Minuten rauszufliegen. Dann hält die Kiste. Wir raus. 208 liegt nicht hier. 203 bei Werken. Wir freuen uns. Ich marschiere gemütlich ganz allein die Landstraße lang. Kanonendonner kommt immer näher. Dann höre ich Infanteriefeuer parallel zur Straße. Und da, auf der Straße eingewühlt, liegt eine Granate, noch nicht explodiert. 21 cm Caliber. Ich gehe weiter. Da kommts; huiiiüi bumm. 100 m von der Chaussee platzt eine Granate von den berüchtigten, die schwarzen Dampf lassen. Ein paar Wagen sausen vorbei. »Da an der Ecke ists nicht geheuer«, sagte ein Artellerie-­ Offizier, der vorbeikommt. Und richtig, als ich an der Ecke bin, kommt’s wieder bumm, sss sss, 2 Stück heulen durch die Luft und krepieren an der Straße. Ich höre die Splitter pfeifen. Denke, bevor ich zur Truppe komme, hats kein Zweck, abgeschossen zu werden und fang an zu rennen, nicht lange, denn mit einemmal hab ich wieder das Stechen im Bein und’s geht wieder nicht. Ein paar Dinger platzen dichte ein, dann komme ich noch ein paar Infanteriegeschosse zu hören. Ich übernachte bei der Artellerie, jetzt hab ich wenigstens unsere Bagage gefunden. Kann aber wieder nicht laufen. Schweinerei – Übrigens, Sandkuhl114 hats eiserne Kreuz, fein was ? Nächstens mehr. Denk an mich. Innige Grüße Dein Bubi

Berlin,115 d. 10.11.14

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Meine Lieselott ! Jetzt bin ich so nah bei Dir und möcht Dich sehen. Weiß aber nicht, ob Du kommen willst und Deine wt. Fr. Mutter es erlauben wird, daß du mich besuchst. Dieser alte Quatsch in den Kniegelenken und Füssen hat sich näml. verschlimmert. Ich lag doch in Thourout bei Ostende im Gelenkrheumatismus. Ich ging dann in die Front, da ich doch noch was mitmachen wollte bevor das achte Sumpfnest Dixmude fallen wollte.116 Es ging nicht nachdem ich 2 Tage u. 3 Nächte im Nebel auf dem nassen Stroh lag, bekam ich’s wieder in die Gelenke, daß ich nicht [ … ] konnte. Ich mußte zurück. Hoffentlich heilts recht bald, daß ich mich gleich nach England übersetzen lassen kann. Weißt Du wo ich liege ? In der Kgl. Charité, Schumannstr. 21, Abt. D. Meine Lieselott, wenn Du mich nicht besuchen darfst, schreibe doch. Ich habe noch

keine Post erhalten, solange ich fort bin. Aber komme doch, ich würde mich so freuen. Viele Grüße Dein Bubi

d. 12.11.14 Meine Lieselott. Ich weiß, Du wirst mich besuchen, nicht ? – Sonst schreibst, wenn Du nicht willst oder nicht darfst. Denn ich haue gleich wieder ab, sowie der Anfall ganz ex ist, und das scheint er ja zu sein. Obs wieder kommt, weiß ich nicht, denk ich auch garnicht. Die Engels117 hassen wir alle, aber mit den französischen u. belgischen Gefangenen teilten wir unsere Liebesgaben, die wir während der Fahrt kriegten. Die verteidigen doch wenigstens ihr Land, aber die englischen Söldner. Pfui Teufel. In Belgien selbst hatten die Einwohner mehr Angst vor ihren Verbündeten als vor uns. »Wenn Belgien deutsch, dann gut« sagte eine Bäuerin bei Woumen. Das denk ich auch. Ich freu mich schon, wenn Du kommst. Dein Bruno

[ wohl 15.11.14 ]118 Meine Lieselott ! Warum willst denn nicht mehr kommen. Verabredungen mit Tanten hast Du doch sonst nicht gehabt, da hast Du mir doch gleich gesagt, was wirklich los war. Ich bitt Dich, komm doch und laß mal eine Tante sausen. Willst Du aber nicht, Lieselott, so schreib mir bitte, bitte den Grund. Dann hau ich ohne Urlaub ab. Sei mir nicht böse, Lieselott, wenn Dir der Briefstil nicht gefällt. Ich hab heut schlecht geschlafen ( Magenerweiterung ), und bin in Sonntagsempfangstimmung. Ich habe Dir doch noch so viel zu erzählen. Du mir auch ? – Wenn Du nicht gleich am Montag od. Dienstag kannst, schreib mir doch, und wenns nur ein paar Zeilen sind. Du kannst Dir gar nicht denken, wie öde das Stillliegen ist. Ich hoffe, Du kommst. Dein Bubi

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Charité, 20.11.14 Meine Lieselott ! Du bist heut nicht gekommen. Käte wird’s Dir ja gesagt haben, daß meine alte Dame ….. es nicht gewünscht u.s.w. Ich hatte mich schon den ganzen Tag gefreut. Na, ich habs meiner Mère auch gesagt. Daß Du morgen kommst, weiß ich ja. Den Brief wirst Du wohl morgen um 500 bekommen. Trotzdem schreib ich ihn heut, da ich an Dich Denke, wenn Du auch nicht da warst. Ich habe ja daran keine Schuld. – Aber komme bitte recht früh. Liebe Lieselott, hast Du mich noch so lieb wie früher ? – Ich habe Dich immer lieber, wenns geht. – Komme, bitte recht bald. Viele Küsse Dein Bubi

Ch. é. 21.11.14

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Meine kleine Lieselott ! Wenn Du auch gesagt hast, daß Du am Montag nicht kommen willst, so bitte ich Dich doch darum. Ich möcht Dich jeden Tag sehen und nicht 2 Mal in der Woche. Oder hast Du keine Zeit von 2–3. Es ist ja allerdings eine verbaute Zeit, aber ich denke, Du wirst oft kommen. Und vor allen Dingen Montag, ja, Lieselotte ? – Hoffentlich kommt der Brief an, denn ich schreib ihn jetzt um 11 Uhr. Und wenn Du kommst, vergiß nicht ein paar Bücher von Reuter, der Martens fragt jedesmal danach. Auch mir kannst Du vielleicht was ganz Blutiges mitbringen, sonst verkomme ich vor Friedensstimmung und das wäre doch traurig nicht, Lieselott ? – Ich merke, ich werde zu dick. Ich weiß nicht, was tun. Essen muß ich immer, aber dicker werden möchte ich nicht. Wenn ich bloß draußen wäre. Meinst Du nicht auch, daß mir ein Spaziergang in frischer Luft mehr nützen würde, als Aspirin schlucken und das Bett hüten zu müssen ? – Gestern war ich etwas draußen. Bin bis zum Hörsaal gegangen. Feines Conzert ! ! – Teilweise tadellos, teilweise habe ich mir die Lippen abgebissen, weil ich nicht rausplatzen wollte. Zuerst sangen 3 Damen im Alter von 50–60, oder so rum : »Ich bete an die Macht der Liebe.« – Als sie ausgebetet hatten, sangen sie noch was, ich konnts nicht recht verstehen. Aber es muß sehr schön gewe-

sen sein, dann alle klatschten. Dann wurde Violine gespielt und Cello. Das war tadellos. Ein junger Künstler in Sametjoppe trat auf, da hatte ich schon mehr Angst. Und richtig : Er sang; er sang andauernd von Lülüüü ( soll Liebe heißen ), aber er konnte dafür tremolieren, mindestens eine Minute lang. Wieder Riesengeklatsche. Dann folgte ein junger Rezitator mit enormen Stimmmitteln begabt. Er trug sehr gut vor. Ein Rachegesang an England fand den meisten Beifall.119 Ein Gegröhle wie zur Hunnenzeit. Den Engländern hätten wohl die Haare zu Berge gestanden. Dann wieder eine Ballade u.s.w. Eine Dame sang das schöne Lied von der Uhr. »üch traage, wou üch gäfö-ö-, stöts eiiinä Uhr bäi mür.«120 Hat sehr gefallen. Mir auch. Den Schluß bildeten die Verse des ersten Liedes : »Hast Du ’ne Ahnung von Berlin.« Ende : Riesengegröhle, Getrampel, Hurrarufen, Pantoffelkloppen. Ich ging allein zurück und verlief mich. Ich endete in einer fremden Küche. Sehr peinlich. Zuletzt fand ich den richtigen Eingang. Ein bedeutungsvoller Tag, Viele Grüsse und Küsse. Komme bestimmt Montag Dein Bubi

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DEZEMBER 1914

22  Bruno Jacob, Brief vom 24. Dezember 1914, den er auf

seiner Fahrt an die französische Westfront schrieb

23 

Georg Tappert :

Porträt Lieselotte Friedlaender, Lithografie,

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1914 /  15

24  Bruno Jacob, Brief

und Briefumschlag des »Café des Mille Colonnes« in Douai, 29. Dezember 1914

(Rückseite unten)

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Spandau, Mittwoch [ wohl 2. ]12. 14121 Meine liebe, kleine Lieselott ! Ich sitze hier in Spandau im Café mit einigen Freunden und komme eben vom Major. Ich bin gleich felddienstfähig geschrieben. Etsch, Kleine, die Wette hätte ich gewonnen. Gestern war ich »auf Urlaub«, Es war schon spät, so konnte ich Dich noch nicht erreichen. Kati wird Dir wohl schon alles erzählt haben. Ich traf hier einen Unteroffizier, B. S.-[ … ] , gegen den ich früher mal gelaufen bin. Er kannte mich sofort. Er ist jetzt mein Korporalschaftsführer. Ich komme mit dem nächsten Transport weg. Der Unteroffizier hat für mich Urlaub eingereicht. Wann und ob ich ihn bekomme, ist nach der Ansicht einiger Kameraden fraglich. – bis hier hin bin ich am Vormittag gekommen, Lieselotte. Liebes, liebes Mädel ! Ich hab mich bannig gefreut, daß Du gestern hier warst. Heut werde ich wohl kaum zum Schreiben noch kommen, denn wenn ich blaue Kluft anhab’, muß ich Dienst tun. Hoffen wir das beste. Sonntag denk ich bestimmt einige Stunden bei Dir zu sein. Jetzt erst mal ein Bett finden. Es wird doch nicht belegt sein. Dann kann ich auf der Erde schlafen. Bettwäsche gibts überhaupt nicht. Liebe Lieselotte, ich muß schließen; was ich Dir zu sagen habe, daß ich Dich furchtbar lieb hab, das sag’ ich Dir am Sonntag. Grüß alle. Bis dahin auf Wiedersehen. Dein Bubi

Spandau, 3.12.14

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Meine liebe, liebe Lieselott ! Ich werde hier verrückt. Heut vormittag verschafften wir uns blaues Zeug und Mützen ….. Ich hab das kalte Kotzen bekommen : noch nass vom Schweiße soundsovieler Generationen, dreckig bis zur Unkenntlichkeit. Urlaub ist ausgeschlossen. Heute wurde ich gleich vom Feldwebel angebrüllt : »Wer sind Sie, kommen Sie mal her ! ! ! So kommen Sie hier rein. Wie’n Zivilist ? Machen Sie erst mal ihren Anzug in Ordnung ! ! ! ! Rrraus ! ! ! ! !« Da stand ich draußen. So behandelt man alte Krieger. Ich ließ mich nicht mehr sehen. Ich ging essen. 2 Paar Würstchen ohne Hufnägel. Schmeckten aber doch nach Schimmel oder Rappen.

Dann Schellfisch mit Mostrichsauce, Davon aß ich fast garnichts. Nachmittags Dienst. Langsam Schritt ! ! ! Schnellschritt u.s.w. Ne, ich halts nicht mehr aus. Wahrscheinlich bin ich am 15 oder 12 Dezember wieder weg nach Rußland. Ich will mich jetzt gleich als Freiwilliger beim Feldwebel melden. 1500 Mann sollen am 15. raus. Besser draußen frieren, als hier geisttötenden Dienst tun. Du nimmst es mir nicht krumm, Kleine, vielleicht wirst Du es verstehen. Noch eine Stunde, dann kommt die Entscheidung. Ich wäre so froh, Lieselott. – Am Sonntag hab ich keinen Urlaub nach Berlin. Ist streng untersagt. Liebe Lieselott, Wenn wir uns nun nicht mehr sehen sollten, so denk recht oft an mich und drücke Daumen, daß ich bald fort komme. Ich hab Dich so lieb, freue mich, wenn ich erst wieder ganz bei Dir bin. Jetzt heißt’s : Pflicht tun. Und ich tu’s so gern. Aber mich hier zu lang weilen, dazu ist mein Patriotismus zu schade. Nun lebewohl, meine Lieselott. Wenns geht sehen wir uns wieder Dein Bubi Meine Adresse ist ungefähr : Grenadier B. J. [ selber Brief ] Liebe Lieselott, ich weiß sie noch nicht, es ist zum Verzweifeln. Nur raus aus der Wasserhölle. Dein Bubi [ Einschub ] Sage Hamburger122 ich konnte nicht Sonntag kommen.

Charl. d. 7.12.14 Meine liebe, liebe Lieselotte ! Eben war ich mit meiner le. Mutter Besuche machen. Verabschiedete mich dann von Kati, ging zu meinem früheren Ordinarius und bin jetzt hier u. schreib an Dich. Also höre mal zu Kleine. Wegen der teuren Miete will mein alter Herr nach einem Vorort ziehen und ich hab ihm Steglitz als das einzig senkrecht geschildert.123 Gute Verbindung, Parkanlage und neue Strassen in der Gegend von der katholischen Kirche. Meine alte Dame124 war sofort mit einverstanden und wird nächster

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Tage sich nach Steglitz auf die Wohnungssuche machen. ’s wäre doch famos, wenn wir nächstes Jahr auch in der Friesenstrasse wohnten. Vielleicht besuchst Du mal meine Mutter oder und schilderst ihr die Vorzüge von Steglitz, kannst sie ja auch auf der Wohnungssuche begleiten. Das wär doch fein, wenn was draus wird, nicht, Lieselott ? – Jetzt werde ich noch ein paar Tage in Sp. schuften, hoffentlich nicht über Spano Weihnachten raus. Also bitte, bitte, Lieselott, sieh mal zu und red’ meiner alten Dame zu, daß sie nach Steglitz fährt. Würdest Du Dich nicht auch ein wenig freuen ? Ich muß jetzt schliessen Lieselott; denn’s gibt jetzt Abendbrot und dann muß ich gehen. Auf Wiedersehen, Kleine und empfiehl mich Deiner wt. Frau Mutter, falls ich nicht mehr Urlaub bekomme, mich ihr vorzustellen. Viele Grüsse und Küsse Dein Bubi.

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Spandau 8.12.14 Meine einzige Lieselotte ! Ich hab wieder keinen Dienst tun können ( Hm, hm ), da ich keine Sachen hab. So sitz ich hier im Speisesaal und denk an Dich. Mit Russland ist’s nichts; wir sollen warten, bis 203125 nach Belgien geht, und das dauert solange, bis wir eine Kompanie zusammen haben, also ungefähr bis Anfang od. Mitte Januar. Gemein, was ? – Da nehm ich mir Sonntag Urlaub, koste es, was es wolle. Denn ich muß Dich so oft wie möglich sehen. Jetzt gibts wieder so einen Abschied wie damals. Immer wieder erscheint man auf der Bildfläche. Zum Kotzen, ( entschuldige, aber’s ist wirklich so ). – Liebes Mädel, hoffentlich versprichst Du Tappert nichts, sodaß wir uns ruhig noch sehen können, nicht ?126 – Ich bin wütend. Die Nacht angekommen, keine Decke im Bett, sodaß ich mich so, wie ich war, hingelegt hab; dann um ½ 7 raus. Instruktion mitgemacht, angeschnauzt worden. O Lieselott, welche Lust Soldat zu sein. – Im Feld allein ist der Mann noch was wert. Hier ist man ein hammeliger Rekrut. »Mensch« rechnet als Schimpfwort, na überhaupt und so. Daß wir umziehen und hoffentlich nach Steglitz, hab ich Dir ja schon geschrieben. Liebe Kleine, es wird noch sehr, sehr schön werden. Wenn der Krieg zuende ist und ich mich allein durchschlagen muß. Keilen habe ich ja dann gelernt und draufgehen auch. Und mein Rest Talent, der mir auch

geblieben sein wird, muß ich dann verwetten. Wenn Du mir schreiben willst und ich hoffe, bald, so adressiere mal : An den Grenadier B. J. Ersatz-bateillon 5. Garde-Regt. zu Fuß Spandau. Moritzstr. Maschinengewehrkompanie Stube 39. Schreibe bitte recht bald, Lieselott, und wenns nur wenig ist. Auf ein recht fröhliches Wiedersehen, vielleicht schon am Sonntag. Gruß und Kuß Dein Bubi

Spandau, d. 10.12.14 Meine liebe, kleine Lieselotte ! Es geht wahrscheinlich doch vor Weihnachten fort und wieder nach Belgien. Von unseren Leuten in Gent sind viele krank geworden und das Regiment verlangt Ersatz. Es ist mein sehnlichster Wunsch, bald von hier fortzukommen. Wir kriegen wieder den richtigen Schliff. Etwas ist freilich fein. Wir kommen heut od. morgen in Bürgerquartier; Brauchen nicht mehr in der Kaserne zu schlafen, sondern bei Frau Müller oder Lehmann am Pferdemarkt. Inzwischen eine feine Abwechslung. Mein Geld geht sowieso auf die Neige. Ich kann nix dafür, aber mein Hunger ist nicht zu stillen. Eben treffe ich hier einen Freund, der beim 5 Garde-Regt. dient, in Belgien und Rußland war und jetzt wieder rausgeht. Dieser Jüngling hat sich nottrauen lassen. Schadet aber nix. Er wird jetzt Unteroffizier. Liebe, liebe Lieselott, Ich will Dir sooft schreiben, wies geht, aber ich kann nicht jeden Tag 4 Seiten fertigbringen, da ein Tag wie der andere verläuft. So mußt Du Dich mit 3 Seiten zufrieden geben. Ich habe noch keine Post von Dir. Schreib mir erst, wenn Du meine genaue Adresse bei Frau Müller oder Schulze weißt. Denn in der Kaserne krieg ich keine Post. Sag’s auch Madeleine und Kati, wenn sie das Bedürfnis haben sollten, an mich zu schreiben. Wir kriegen andere Feldwebel; hoffentlich geben die mir am Sonntag Urlaub,

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damit ich Dich bei mir zuhause sehen kann. – Heut bin ich wegen dreckiger Stiefel vom Spieß angeödet worden. Habe aber kein Geld um mir Putzzeug zu kaufen. Traurig, aber wahr. Heut haben wir Instruktionen bekommen, wie wir uns beim Transport nach Belgien zu verhalten haben. Gottseidank. Liebe Lieselott. Ich denk immer an Dich. Komme auf jeden Fall zu mir um ½ 4 od. 4 am Sonntag. Wenn ich komme, dann bin ich da. Sonst nimms nicht übel, wenn ich keinen Urlaub bekommen haben sollte. Auf Wiedersehen Dein Bubi Grüsse Madeleine von mir. Ich kann heut nicht mehr an sie schreiben.

Spandau, d. 11.11.14 [ wohl 11.12.14 ]127

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Meine liebe, kleine Lieselotte ! Eben komme ich vom Schießen. 1 Schuß daneben, die beiden andern gut. Wird Dich nicht weiter interessieren. Mit dem Sonntagsurlaub ist es sehr brenzlich bei mir. Ich habe nämlich Krach mit dem Kammerspieß gehabt. Nämlich ich erschien mit der Ausgehgarnitur beim Dienst, wurde von ihm erblickt. Er kam, sah und brüllte mich an, schrieb mich auf, ebenso einige Genossen und will die Sache beim Bataillon melden. Will, d. h. hat noch nicht. Sonst liebes Mädel, sei auf jeden Fall, auch wenn ich nichts bestimmtes schreiben sollte, um 4 Uhr am Sonntag bei mir; Wenns Urlaub gibt, kriegen wir erst die Zettel um 2 Uhr nachm. Dann fahren wir und ich bin um 3 Uhr zuhause, esse und bin um 4 Uhr fertig. Ich möchte Dich immer bei mir haben. Ich vermisse Dich furchtbar. Liebe Lieselott, vergiß nicht, zu kommen Auf jeden Fall. Nur wenn ich schreibe, daß ich bestimmt keinen Urlaub kriege, also daß es mir extra gesagt worden ist, bleib zu Hause oder verabrede Dich anderwärts. Jetzt haben wir von 4 :30 bis 5:30 Gesangstunde. Blödsinnig, aber fein. Liebe Lieselotte; ich hab Dir noch was zu beichten. Gestern nämlich war ich angeheitert. Nur etwas, aber ich schlief doch wunderbar. Wir waren zusammen ausgegangen und in ein Restaurant, wo Klavier gespielt wurde und Bier getrunken. Ich trinke nicht gern, hatte Durst. Kaum war das erste Glas leer, stand ein 2tes da, ein 3tes, dann ein Cognac.

Es ging ganz [ … ]mäßig zu, wir sangen Studentenlieder, patriotische u.s.w., dann kam der Abschiedsschnaps und wir zogen raus, gegenüber die nächste. Ich trank nur einen Cognac, denn es war 3 Minuten vor 9; um 9 sollten wir im Bett liegen. Es ging, aber heut habe ich einen Kater, einen allgemeinen u. einen moralischen, denn ich bin doch Antialkoholiker. Aber Du bist mir deshalb nicht böse, Kleine ? – Wir waren grad so lustig, und da macht man mal Dummheiten. Nun muß ich antreten. Auf Wiedersehen, Kleine, vergiß mich nicht und schreib mal. Sonntag hoffe ich bei Dir zu sein. Leb wohl so lange, und denk an mich. Ich küsse Dich in Gedanken. Ich hab Dich furchtbar lieb. Dein Bubi Meine Adresse ist : 5 Garde-Regt. 2 Fuß. 1 Rekrut – depot 2 Corporalschaft Infanterie Ortmann

Pichelsdorf, d. 11.12.14 Meine süsse, kleine Lieselott ! Ich schreibe Dir heute den 2ten Brief, stecke ihn aber erst morgen ein. Wir sollen einen Marsch machen und uns heut Sachen verpassen. Ich weiß von nix. Heut bin ich ganz allein ausgegangen und hab gedöst. Ich dachte an die schöne Zeit, die wir verlebt haben und an die Zukunft. Was wird das nächste Jahr uns bringen ? Ich wurde ein wenig melanchlöhrig,128 dachte auch an den Untergang unserer wackeren Kreuzer. Das schöne Geschwader.129 Bloß wieder raus, den Hunden von Engländern unsere Bonbons zu fressen geben. Ich habe so eine Ahnung, als ob es doch noch vor Weihnachten losgeht, so mit einemale. Heut früh erhielt ich einen Anpfiff : »Sie haben sich wohl noch nicht die Haare gekämmt. Meine schöne Tolle. Wie oft hast Du mir durchs Haar gefahren. Und jetzt paßt sie dem Feldwebel nicht. Und jetzt, wie ich einen Spieß grüsse, sagt er : »Wie hat er denn seine Mütze auf dem Kopf ?[ « ] Er ? Ich ? Blödsinn. – Aber so ist das Leben. – Bald hab ich Stubendienst, kann fegen, bürsten, scheuern ….…. Verd …. Liebe Lieselott ! Ich schließe für heute. Ich hab Dich furchtbar lieb. Vergiß mich nicht, Kleine. Sonntag muß ich Dich sehen. Wir haben Urlaub eingereicht. Sei um 4 Uhr bei mir, ja ? Dch will Dir nochmal sagen, wie lieb ich Dich hab. Gute Nacht Kleine. Morgen mehr. Dein Bubi

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[ selber Brief ] 12.11.14 [ 11.12.14 ] Liebe kleine Lieselott ! Ich bin totmüde heut. Wir machten einen Marsch von 25 km. Ich hatte mir keine Tornister u.s.w. nicht geholt. So machte ich den Marsch nur mit Gewehr. Hatte aber genug zu asten.130 Dann war Revierreinigen. Schrubben, scheuern. Ich habe als 1ter Stubendienst. – Heut ist der Spieß furchtbar schlechter Laune. Es regnet draußen, der Boden ist dreckig. »Antreten !« hieß es : Dem Spieß schien der Aufmarsch nicht zu gefallen. »Marsch, dann zu [ … ]. Verfluchte Kerle. Marsch, Marsch zurück. Unter Riesengegröhle laufen alle hin und her. Der Spieß wird immer wilder. Maul halten : Wir machen 3 × marsch, marsch und lachen. »Antreten« ! ! ! Alles stürmt zurück. – »Hinlegen« – Und wir müssen uns in den Dreck legen. »Auf« – »Hinlegen« »Auf« »Hinlegen« – Diese menschenfeindliche Behandlung der zurückgekommenen Krieger seitens des Spießes wird mit dem gewahrten Humor ertragen. Du siehst aber, was für eine Sorte die Feldwebel sind. Dann müssen wir Stiefel putzen. Ich verschwinde. – Muß aber Sachen nach der Kaserne bringen. In strömendem Regen. Mußten eine halbe Stunde mit den nassen Röcken im Regen stehen, ehe es dem Unteroffizier paßte, zu erscheinen. Na, auch recht. Sonntag komme ich sicher. Sei um 4 bei mir. Auf Wiedersehen, Kleine, Dein Bubi

[ wohl 12.12.14 ]131

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Meine liebe, kleine Lieselotte ! Entschuldige zuerst das blödsinnige Briefpapier, aber ich habe den Schlüssel zu meinem Schrank verlegt oder verloren und kann das andere nicht finden.132 Ich war gestern, wie Du weißt, wieder ausgekniffen und in der »wilden Ente« ! Dann waren wir im Ratskeller, wo ich für mein letztes Geld noch einmal feudal Abendbrot aß. Wir kamen glücklich wieder an, und ich schlief sehr gut. Heut dachten wir, der Dienst beginnt ? ? ? Wir gingen in die Kantine. Es wurde Klavier gespielt, gesungen, urgemütlich. Zuletzt erschien ein Tänzerpaar, 2 so impertinente Gesichter hab ich mein Leben noch nicht gesehen. Beide in den schö-

nen Mützen, die einen noch dümmer machen, wie man schon aussieht. Sie tanzten Schieber, Tango; Es war zum Heulen. Liebe Lieselotte, entschuldige. Ich sehe eben daß ich den Brief in Martini gelegt habe. Schadet doch nix ? – Dann hieß es : »antreten. 1. Kompanie.« »Wir sind alle 2te.« – »Ne, ich glaube, ich bin doch erste.« – So ging es einigemale. Jetzt sitzen wir noch in der [ … ] und qualmen. Um 4 Uhr gibts Geld. Die Feldwebel vom 5 G. R.z.F. haben einen Riesenhaß gegen 203. Die verdammten 203er und noch ganz anders heißt es hier. Warum ? Wir sind freilich nicht immer so [ … ] zu den Unteroffizieren und Feldwebeln wie die Rekruten, das wurmt sie am meisten ? ? Warum ? Ich bin die Unschuld selbst. Man kanns keinem recht machen. Dann : Schwamm drüber. Ins Bürgerquartier scheinen wir nicht zu kommen. Und heut wird gesagt, wir sollen bis Weihnachten hier bleiben. 1 oder 2 Tage Urlaub kriegen und dann abhauen. Es wird täglich 3 ­ erlei verschiedenes behauptet. Ich möchte Dich nur noch mal sehen, bevor ich rauskomme. Sei Sonntag um 4 Uhr da : bei mir. Wenn ich dann nicht komme willst Du vielleicht um 7 nochmal kommen ? Oder nein, sei um 4 Uhr da. Auf Wiedersehen, Kleine Dein Bubi

Montag, 14.12.14 Liebe, kleine Lieselott ! Heut bin ich ganz solid, esse auf meiner Bude Abendbrot und schreibe einen, hoffentlich recht langen Brief an mein Mädel. Das bist Du doch, nicht ? – Ich habe Halsschmerzen, Brustschmerzen, Fieber u.s.w., bin in trostloser Verfassung. Meinen Rock, den ich heute Morgen anziehe, war pitschnass vom Sonnabend. Und die Kälte draußen. Ich fror wie ein Hund. Dann wurden wir geimpft, daher die Schmerzen in der Brust. Wir kriegten wieder eine ganze Spritze reingestochen gegen Typhus. – Schlafen konnte ich nicht viel; Mein Mann über mir stürzte alle 5 Minuten aus dem Bett ans Fenster und gerbte raus. Du kannst Dir einen Zustand von seiner Betrunkenheit machen. Es stank nach Bier und Rauch. Die Grenadiere erzählten sich ihre Eroberungen, die sie diesen Tag

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gemacht hatten und rülpsten. Ja, es ist manchmal nicht sehr ästetisch in einer Mannschaftsstube. Liebe Lieselott. Ich habe Dich wohl gelangweilt ? – Wenigstens nachher. Ich konnte nicht mehr. Jetzt, wo ich weiß, wie’s draußen zugeht, wird mir der Abschied schwerer von Dir. – Heute habe ich nun extra noch sozusagen Sterbegedanken, weil mir alle Knochen und sonstige Teile wehtun. Rheumatismus spüre ich jedoch fast garnicht. Wir haben heut gekämpft bis zum Erbrechen. Nahmen eine feindliche Stellung nach der anderen mit Gebrüll lagen im Dreck auf dem Boden und froren. C’est la guerre. Mir gehts ausser dem sehr gut. Komme Sonntag, Lieselott, ich habe Dich furchtbar lieb. Schreib mir auch mal, Meine Adresse weißt Du ja Viele, viele Grüße u. Küsse Dein Bubi.

Donnerstag nachm. 17.12.14 Meine kleine Lieselotte ! Ich schreibe Dir jetzt einen Brief aus der Kantine. Meine Wache ist abgelaufen. Ich hab gegessen und bin sehr, sehr müde. – Was ist den in Dich gefahren, Kleine ? – Du warst so anders am Telefon. Oder nicht ? ? Hast Du wieder eine Pauke von T. bekommen ?133 Oder warst Du vom Weihnachtsfest müde ? Denn ich hab doch nix gemacht, daß Du böse auf mich sein könntest. Also, wenn ich Sonntag bei uns bin und Du kommst zu mir, dann sag mir, was Du hast, Kleine. Meine Wache war blödsinnig langweilig. – Nun, ich freue mich, wenn ich Dich erst sehe. Weißt Du, mit dem Weihnachtsurlaub solls Essig sein. Nur die Rekruten sollen kriegen und wir, die wir schon unsere Knochen zu Markte getragen haben sollen Wache schieben. Mist … Meine kleine Lieselotte, ich hab Dich so lieb, und Du warst heut so gleichgültig. Wir werden uns sprechen am Sonntag. Vielleicht hab ich mich geirrt und Du bist wieder mein liebes Mädel, nicht ? Nun auf Wiedersehen, Lieselotte, Ich stecke den Nachtbrief ein. Viele Küsse Dein Bubi 134

Spandau d. 18.12.14 Meine liebe, kleine Lieselott ! Heut’ bin ich einigermaßen hergestellt, obwohl noch todmüde, denn unser Unteroffizier vom Dienst, genannt Hindenburg, schmiß uns gleich morgens aus dem Bett. Warum er gerade Hindenburg heißt, weiß ich nicht, höchstens wegen seiner blendenden Taktik, alle reinzulegen, trotzdem er nur halb so groß ist, wie ich, haben alle einen Heidenrespekt vor ihm und rennen, wenn er auf der Bildfläche erscheint – man sieht ihn erst, wenn er dicht vor einem steht – von einer Ecke in die andere. Mich nannte er meschugge und total verrückt, weil ich abends »halbnackt« ( Ich hatte meine Halsbinde nicht um ) vor meinem Schrank stand. Seine Ausdrücke, etwas zweifelhaft, denn er stammt von Wedding, bringen uns beim Exerzieren zum Lachen, das wir natürlich nischt machen können. Dann wird er wild und brüllt : »Erst lache ick, denn lacht ne janze Weile jarnischt und denn kennt Ihr lachen, Ick wer euch schon schleifen, ihr Tränentiere, na watt man, meine pomadigen Herren, in die Ecke marsch, marsch, hierher marsch, marsch u.s.w.[ « ] Der Feldwebel hat Ausdrücke, die sich garnicht wiedergeben lassen und die immer das Gegenteil von dem bezwecken, was er will. Neulich ( Ich weiß nicht ob ich Dirs erzählen kann ) saß er auf dem Lokus und 2 Kadetten machten sich über Hindenburg lustig. Er erzählte das mit ­Flüchen und unbeschreibbaren Worten durchsetzt und wurde immer wilder, als er unsere verkniffenen Gesichter sah : »Ich habe leider die Hosen runtergehabt, sonst würde ich mir die Kerle schon gegriffen haben, in die Jauche hätte ich sie getaucht, wer mir noch in die Hände kommt. Verbrecher werden sowas, ins Zuchthaus gehören solche Kerle« und so brüllte er los bis X. Uns ließ die Pauke kalt wie Eiskaffee. Du siehst, wie wir hier behandelt werden. Es ist ja nicht schlimm gemeint, aber vom ästhetischen Standpunkt ….  ….… Pfui Teufel.. Nimm mir’s nicht übel, daß ich Dir so etwas schreibe, aber ich mußte mir mal Luft machen. Mein Fell wird immer dicker gegen derartige Reden. – Liebe Kleine, komm Sonntag ½ 4 Uhr bestimmt zu mir. ich habe bis jetzt große Chance, noch Urlaub zu bekommen, da ich nix verbrochen hab. Liebes Mädel, kommst Du auch bestimmt ? – Ich schreibe Diesen Brief bei einem Freund, der hier eine Bude gemietet hat. Ich muß jetzt schließen, Kleine

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Viele Grüsse und Küsse Dein Bubi

Spandau, d. 22.12.14 Meine liebe, kleine Lieselotte ! Ich bin wieder mal in der Kantine versammelt und ruhe mich aus. Wir hatten Gefechtsexerzieren bis zum Verrecken. – Jetzt spielte ein Kamerad auf dem Klavier und wir sind glücklich und zufrieden. – Um 1. ist Impfen. I Gitte ! Wieder eine Spritze Gift in den Leib. Zum Kotzen, Herr Major. Gestern war die halbe Stube bes. trunken; ich war nicht unter ­ihnen, hatte aber meinen lieben Freund zu beruhigen. Als wir im Bett ­lagen, stürzte er alle 5 Minuten raus und ans Fenster, wo er kräftig gerbte. Heute war der große Kater. Beim Unterricht schlief ein Kadett ein, sodaß er vom Unteroffizier ein paar Handschuhe an den Kopf bekam. – Die Mäuse vermehren sich, wie Sand am Meer. Heute früh fanden 2 Mann einen Maus unter ihrer Bettdecke. Die Jagd wird fortgesetzt. Auch Ratten kommen hier vor. – Liebe Lieselotte, Heiligabend ist wirklich Wache. Es soll Urlaub vom 25 abends–27 abends geben. Ich schreibe Dir aber noch bestimmtes. Wenn ich was so verbreche, gibts keinen Urlaub, Man sitzt wie auf Kohlen, steht wie versteinert und hat immer ein schlechtes Gewissen. Jetzt muß ich wienern, daß alles raucht. Koppel putzen, Helm abwischen, Schuhe wichsen u.s.w. Jetzt muß ich impfen gehen. Ich schreib Dir heute abend noch, Kleines; bis dahin auf Wiedersehen Dein Bubi

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[ selber Brief ] Meine kleine Lieselotte ! Der Schlag ins Contor ! Unsere Weihnachtsüberraschung haben wir weg. Der Feldwebel kommt : »Urlaub gibts nicht, Heiligabend rücken wir aus ![ « ] – Na, unsere Gesichter hättest Du sehen sollen. Liebes Mädel, wenn ich auch nicht bestimmt weiß obs wirklich losgeht, ich habe so eine Ahnung, daß wir uns nicht mehr sehen werden. Das wäre sehr schade, aber andererseits freue ich mich riesig, daß es rausgeht. – Stubenbefehl : »Heut abend zieht die ganze Stube zu Tante Heide und besäuft sich.[ « ] Angenommen. – Neuer Befehl : Urlaub gibts nicht. –

Endgültig. Ausrücken sollen Heiligabend nur die Truppen, die noch nicht im Felde waren. Also …. Der Teufel weiß, was wahr ist. Beruhig Dich und denk an mich. Ich habe Dich sehr, sehr lieb und werde Dich nie vergessen. Viele Grüsse und Küsse Dein Bubi

Spandau, d. 24.12.14 Meine liebe Lieselotte ! Ich kann Dir nur noch eine Karte schreiben; denn ich steh auf dem Bahnhof vor dem Zuge zum Verladen. Wahrscheinlich gehts nach Frankreich. Es wurden 14 Mann von den alten verlangt. Da meldete ich mich und wurde gleich eingekleidet und haue jetzt ab. Liebe Lieselott, Denk an mich und schreib mir mal. Gruß auch Madeleine von mir. So haben wir uns doch nicht mehr gesehen. Auf ein glückliches Wiedersehen und fröhliche Weihnachten Dein Bubi

Auf der Fahrt nach Frankreich Weihnacht 1914 Meine liebe, liebe Lieselott ! Ich wünsche Dir vor allem ein recht glückliches Weihnachten. Wenn Du diesen Brief erhältst, bin ich schon in Frankreich und vielleicht schon wieder im Gefecht. Ich bitte Dich, Denk an mich und daran, wie lieb ich Dich habe ! ! Ich will Dich nie vergessen, in welcher Lage ich mich auch befinde. Weißt Du Kleine, ich war einen Augenblick doch traurig, als ich daran dachte, daß ich nun Dich nicht mehr sehen sollte. Aber es ist eine eiserne Pflicht und als ich den Ruf hörte : Freiwillige vor, da zögerte ich nicht und dachte auch nicht an Urlaub und an Vergnügen. Sieh, es ist doch so schön hinauszurücken, gegen den Feind und sich selbst zu zeigen, wie weit man die Strapazen ertragen kann. Gestern hatte ich noch starkes Fieber, sodaß ich kaum exerzieren konnte. Heut ist mir so wohl wie noch nie, zwar friere ich, denn es ist nicht geheizt im Zuge. Doch das ist ja wohl warm gegen die Temperatur draußen. – Hoffentlich gehts gleich rein ins Gefecht, und nicht wieder so lange

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Märsche. Das ist so langweilig. – Hast Du mich lieb, Lieselotte ? – Mit dem Sprichwort : »Unkraut vergeht nicht« kommt man auch im Feld fort. So hoffe ich gesund wieder zu kommen und Dich zu küssen, Lieselotte ! Ich hätte Dich so gern noch einmal geküßt. Wir sind bald in Hannover. – Es ist elend kalt im Abteil. Ich will ein wenig schlafen. aber erst den Brief an meine Lieselotte. Bist Du meine ? – Wie anders ist diese Weihnacht als alle vorigen Feste. Man sitzt im Zug und denkt, wie alle in der Heimat um den Weihnachtsbaum versammelt sind. – Hast Du am brennenden Baum an mich gedacht ? Lieselotte ? Wirklich ? – Ich konnte Dir nichts mehr schenken, denn mein Geld war alle. Aber ich will Dir sagen, wie lieb ich Dich habe. Wenn wir uns erst wiedersehen ! In den Sternen steht geschrieben, wann und ob wir uns wiedersehen. – Jetzt werden die Lichter am Baume angezündet. Man singt : stille Nacht, heilige Nacht …. Laß Dir nur recht viel schenken. Läßt Du Dich von T. malen ? – Sieh Dich vor.134 – Ich habe Dich zu lieb. Viele Grüße und Küsse Dein Bubi

Cöln a/ Rh 25. Morgens [ 25.12.14 ]135 Meine liebe Lieselotte ! Viele Grüsse aus Cöln ! Jetzt wirds wohl nach Frankreich gehen. Ich schreibe Dir noch näheres. Wir müssen gleich einsteigen. Denk an mich, wenn ich draußen bin. Auf Wiedersehen Dein Bubi

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Aachen, d. 25.12.14 Meine liebe Lieselotte ! Ich wollte die Karte in Aachen in den Kasten werfen. Jetzt wird wohl Herbesthal, die Grenzstation drauß werden.136 Auf jedem Bahnhof gabs Weihnachtsüberraschungen ich bin so vollgestopft mit Pfefferkuchen, Zigaretten, [ … ] büchern, auch ein Dominospiel habe ich bekommen, daß ich mich kaum rühren kann. Ich habe mich eben umgezogen. Alles, was

ging hab ich angezogen, 1 Leibbinde, 1 Hemd, 1 Pelzweste, eine Wolljacke und dann die Uniform. Jetzt habe ich Eisbeine, denn an die Füße krieg ich nix. Jetzt sind wir gleich in Belgien. Es scheint also wieder in den Kessel zu gehen. Da kenn ich ja die Gegend. Hip, hip, Hurra, Lieselott. Auf ein glückliches Wiedersehen nach dem Kriege. Schreib mir auch ein bis 2 mal, wenn Du nicht mehr schreiben willst, Denk an mich. Dein Bubi

In Frankreich 26.12.14 Valenciennes 26.12.14 Meine süsse, kleine Lieselott ! Hast Du mich noch nicht vergessen ? – Jetzt bin ich in Valenciennes in Frankreich. Hab’ eben gemerkt, daß es nicht nach Belgien gegangen ist. Denn die Nacht war kalt und neblig. – Wir fahren, fahren und am Morgen waren wir in Frankreich. – Bald sind wir in Lille; dort gibts Munition. Nun werde ich gar nach Paris kommen. – Die Leute rufen : »Du pain«, sie schauen verhungert aus. Ganze Kommisbrote fliegen raus. – Die Gegend ist hier anders wie in Flandern. Viel mehr Wälder. – Überall stehen Landsturmposten. – Hurragebrüll, Schwenken von Tüchern und Weinflaschen. Wenn das so weitergeht, fängt noch der Zug an, zu schwanken. Wir fahren rückwärts. Was soll das vorstellen ? – Geht’s doch noch nach Belgien ? – Eine herrliche Schneelandschaft. Teilweise schon getaut. Die roten Dächer leuchten. – Nebenan spielt ein Moschkote137 auf dem Maulhobel. Scheusslich ! ! – Wieder ein Posten. – Alles Bayern. – Ein zerstörter Bahnhof – Ein Friedhof – Wieviele werden noch fallen ? – ­Entschuldige meine philosophischen Anwandlungen, doch ich bin jetzt wieder aufgewühlt. – Wir fahren durch einen Mischwald. Eichen und Birken. Ganz beweißt. Wie Zuckerwerk. Es ist ja Weihnachten. Der Himmel so blau und wolkenlos und die Sonne … Und doch so kalt. – Alle schreiben. Denken an die Heimat und an die, die sie verlassen und werden ruhig. Wir fahren immer noch zurück. – Keiner weiß warum. – Gehts nicht nach Toul.138 – Doch Kampf ist überall. – Wie wird’s mir jetzt ergehen ? – Uns allen ? – Jeder sagt : warum soll ich gerade fallen ? – So riefen sie es auch damals. Manch einen deckt fremde Erde. Und mancher liegt mit zerschossenen Gliedern in einem Lazarett irgendwo. – Weite Wiesen

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ziehen vorüber. – Ein Gehöft, ein Posten – fern eine Pappelallee. – Kahle dünne Äste. Als wir damals fuhren, war alles so grün. – Bald sind wir wieder im Gefecht. Werden wir den Gegner zurücktreiben. Es sind viele neue Truppen nach Frankreich gebracht worden. Sollen wir ihnen das Jahr 1915 einweihen. Es scheint so. Sie werden schon ihren Neujahrs­ segen bekommen. Der Zug fährt langsamer. Immer noch Wald. Sehr viel Unterholz. Und wieder Weiden und Wiesen. Dazwischen gefrorene Bäche und Heuschober. – Alles so friedlich. – Meine liebe Lieselott ! Ich will Dir sooft wie möglich schreiben. Und Du mußt entschuldigen, wenn ich träume und Sachen schreibe, die Dich nicht interessieren. So leb wohl, mein Mädel und denk an Deinen Grenadier. Ich wünsche Dir ein recht, recht frohes neues Jahr. Trink ein Glas Punsch für mich und ich will an Dich denken. Auf Wiedersehen meine kleine Lieselott. Empfiehl mich Deiner wt. Frau Mutter. Grüß Madeleine. Dein Bubi

Douai, 27.12.14

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Meine süsse, kleine Lieselott Viele Grüsse aus Douai.139 Wir sind schon wieder einen anderem GardeRegt. zugeteilt und zwar dem 3ten. Meine Adresse ist : Gr. B. J., 1. Compagnie 3tes Garde-Regt. z.F., Garde-corps, 1. Garde-Division, 1. GardeBrigade. Die Post ist schon abgegangen, Kleine, so will ich Dir morgen schreiben, denn es ist noch nix neues. Wir werden bei Arras kämpfen.140 Wir hören andauernd aber Kanonendonner. – Jetzt sitzen wir »Unzertrennlichen« bei Tante Meyer, unserem Stamm-Estaminet141 und trinken Kaffee mit Cognac und Grenadine. Wir unterhalten uns mit einigen Franzosen, kauderwelschen furchtbar, aber lernen schon was zu. Wir schlafen in einem verlassenen Haus auf Stroh, haben uns Brot, Butter und Wein besorgt und essen und trinken solange der Vorrat reicht.142 An Dienst hat noch keiner gedacht, denn wir haben bis jetzt weder Gewehre, noch Bajonetten noch Munition. Komisch, nicht. Nun gute Nacht, kleene Lieselotte. Denk an Bubi, wenn Du Dich ins Bett legst und davon, daß ich im Stroh ohne Heizung eklig friere. – Tante Meyer schimpft eben. Ich warte nur darauf, daß sie explodiert. Morgen mehr, Kleine Dein Bubi

[ selber Brief ] 28.12.14 Mein Mädel ! Ich hab ganz gut geschlafen, aber als ich reden wollte, merkte ich, es ging nicht. Ich habe eine Stimme wie ein Landsknecht. Wir gingen zu Tante Meyer, machten einen Rundgang durch die Stadt und als wir zurückkamen war die Kompanie zum Üben abgerückt. Da es regnete, passte es uns herrlich und wir legten uns wieder schlafen. Als die anderen zurückkamen, gingen wir gleich mit zum Essen. Wir aßen bei Tante Meyer. Draußen kommen andauernd Verwundete an. Auch ein paar Engländer. Wo die herkamen, weiß ich nicht. Über Arras hab ich mich erkundigt. Wir liegen vor und die Franzosen hinter der Stadt eingebuddelt.143 Die Artellerie schießt andauernd. Wers am längsten aushält, hat gewonnen. Vor Arras liegen wir ohne Vorteil schon seit Oktober. Stürmen hat keinen Zweck, kostet nur Leute. – Es regnet andauernd. Man wir nass bis auf die Haut. Das kann gut werden. Ich will mir einen Regenschirm requirieren. Meine Decke nehme ich mir sicher mit. – Sonst gehts mir sehr gut. Mein Geld wird immer weniger. Gestern hab ich eine Flasche Wein gekauft. Wir waren alle 4 drinnen. Als wir rauskamen warens 2 Flaschen ? ? ? Haben alle beide sehr gut geschmeckt. Wir schliefen wie Säcke. Wenn ich nur erst im Graben wäre, da fängt das Leben erst an. Man hört die Artellerie andauernd. Ich langweile mich sträflich. Da werde ich wohl Dienst tun. Da gibt man wenigstens kein Geld aus. Denk an mich, Kleene auch wenn Du nicht schreibst. Ich schreib, solange ich Zeit und Papier hab. Wie stehts mit Tap ? ? – ­Prenez-garde, mademoiselle ! ! !144 Dein Bubi

Le 29.12. 1914 Meine liebe, liebe Lieselotte ! Wenn Du diesen Brief bekommst, liege ich schon bei Arras im Graben. Bis jetzt hatten wir Ruhe, da die Stammmannschaften sehr geschwächt waren. Wir üben etwas am Vormittag : »Grüßen, Frontmarsch, Marschieren.« Heute gehen wir baden. Dann ist Gewehrappel. Wir amüsieren uns ganz gut. Das Papier habe ich mir aus einem Café vom Place d’Armes geholt.145 Brauchte wenigstens nichts zu bezahlen. Wir

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leben herrlich und in Freuden. Es ist hier nur ein ekliges Aprilwetter. Mal scheint die Sonne wie im Frühling, dann gießt es wieder und stürmt. Im Graben soll es dreckig und nass sein. Die Verwundeten, die alle Tag zurückkommen, sehen aus, wie durch den Dreck gezogen. Vollständig mit Lehm beschmiert. Die Gesichter haben dieselbe Farbe. Sie sehen aus wie Strauchdiebe. Verwildert, zerrissen und tragen stolz ihr Leid. Und die Bewohner schauen mitleidig und mit Grauen auf die Krieger. »Malheur, grande Malheur.« – Douai ist eine ganz nette kleine Stadt; zwar nicht so sauber, wie unsere Städte in Deutschland, aber doch ganz freundlich. Nur die Einwohner … Man sieht eigentlich nur Greise und Rinder, alte Weiber, manchmal auch ein junges; alle stark heruntergekommen. Die Reichen scheinen die Stadt verlassen zu haben. – Bei Tante Meyer sitzen die Männer, spielen Karten und spucken den Fußboden voll. Alles echt romanische Typen. – Großmutter sitzt am Fenster. Alt und schwerhörig, gestikuliert lebhaft, lacht vor sich hin und schnupft. Bietet uns auch von ihrem Tabak an. Wir kauderwelschen, geben zu, daß der Krieg ein Malheur ist, trinken Grenadine und verschwinden. Manche der Herrn versuchen mit einigermaßen gehenden »Damen« anzubändeln. Sie haben immer Glück. Und viele müssen büßen. – Jetzt scheint wieder die Sonne. Gleich müssen wir baden gehen. Wo, weiß ich nicht. – Ich bin schwer erkältet. Tut aber nichts zur Sache. Baden kann nix schaden. – Hier ist sonst nix neues. Essen kriegen wir reichlich. Abends ein großes Stück Butter und ein Stück Schmalz. – Nun muß ich schließen. Es ist ja doch nix neues. Da schreib ich Dir erst wieder aus dem Graben.146 Bis dahin lebe wohl, Lieselotte und vergiß mich nicht. – Wenn Du nicht gern schreibst, brauchst du ja nicht zu schreiben. Denn ich weiß ja, daß Du mich auch ohne Schreiben gern hast. Oder nicht ? Auf Wiedersehen, kleine, Empfiehl mich Deiner wt. Frau Mutter. Grüße Madeleine und die andern, Meine Adresse weißt Du ja. Dein Bubi

Douai, 30.12.14

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Meine liebe, kleine Lieselotte ! Wie geht’s Dir ? – Was macht die Malerei und Tappert ? Hat er Dich gemalt ? – warst Du bei ihm im Atelier ? – Ich bin neugierig, ob Du mir

mal antworten wirst. – Meine Adresse will ich Dir noch mal angeben : An den Grenadier B J. 1. Compagnie 3. Garde-Regt. z. Fuß 9. Corporalschaft Garde-Armeecorps 1. Garde-Infanterie-Division 1. GardeInfanterie- Brigarde. Ein wenig lang, doch hilft es nix. Heute hatten wir ein Übungsgefecht mit unserem neuen, aktiven Führer. Ist doch anderer Schwung als in Spandau. Das Wetter war tadellos. Die Sonne schien. Trotzdem wars ziemlich kalt. Der Boden war bereift und die Äcker festgefroren. Wir nahmen an, die Brücke läge im Schrappnellfeuer und rasten im Dauerlauf auf der Dreckchaussee rüber, an der anderen Seite in einen Graben. Dann nahmen wir wieder an, die Strohmieten147 in der Ferne seien vom Feinde besetzt und von uns im Sturm zu nehmen. Terrains, Acker, Rübenfelder, und Dreckige Landwege. Wir schwärmten aus. Die Sonne brannte schon eklig und verwandelte die festen Schuhe allmählich in Dreck und Kleister. »Hinlegen.« Alles rein in die Nässe. »Spring auf, marsch marsch !« »Übers Rübenfeld.« Die Schuhe kriegte man kaum aus dem Schlamm, dann die Tornister mit ihren 30–40 Pfund, und immer rein ins Vergnügen. Allmählich färbten sich die Knöchel, die Hosen und der Rock, Die Nässe ging an einigen Stellen durch. – Rechts steigen knatternd zwei kleine deutsche Rennmaschinen auf, verschwinden im Blau. – Wir üben weiter; da sind sie wieder und gehen steil nieder, verstummen. – Und da erscheinen wieder 2. – Langsam kommen sie näher. – »Achtung ! Volle Deckung.« »Wenn Bomben geworfen werden, nicht aufspringen.« Was ist das ? – Langsam kommen sie näher. – Französische Flieger. – Rattern über uns weg. – Scheinen was gesehen zu haben. Denn sie wenden und nocheinmal kreuzen sie über unserer Stellung. – Verschwinden dann auf etwas zu. – Und bald kommen die kleinen Deutschen Maschinen wieder empor und sausen davon. – Ein paar Wölkchen erscheinen am Himmel, 2, 3, 4, 5 können wir zählen. Da schiessen sie nicht Schrappnells auf die Flieger. – Wir üben weiter. Immer über die Äcker. – Zuletzt sammeln und abrücken in die Quartiere. Man schimpft über den Boden. Antwort : C’est la guerre. – Dann ist Gewehrreinigen, Stiefelputzen und s.w. – Ich lese ein Buch über die Werke von Watteau. D. h. zu lesen ist nicht viel. Mehr zum Ansehen. – Manche Leute halten mich für verrückt. Wenn ich das Buch wenigstens geklaut hätte. – aber sooo ! ? ! ? Unverständlich. Da sucht man sich doch lieber eine lebendige Dame aus, als gemalte.

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– Von 3 h. Instruktion. – In einem verlassenen Haus. – Ein Weihnachtsbaum steht darin und ein Klavier. Sonst leer. – Der Unteroffzier setzt sich hin und spielt. – Erst stille Nacht, heilige Nacht. – Dann einen Gassenhauer. Der Feldwebel knurrt. Benehmen vor dem Feind. »Druff wie Blücher !«148 – [ » ]Nur keene Angst !« – Die Rennberichte werden verlesen : – »Fortschritte im Osten, im Westen, in der Türkei.«149 Nichts besonderes. – Die Garde stirbt, doch sie ergibt sich nicht ! – Unsere Gegner im Schützengraben sollen sehr, sehr gute Schützen sein. Alpenjäger und Nationalgarde. Denn wo deutsche Garde kämpft, stellt der Franzose seine Elite hin. – »Nicht zu leichtsinnig, aber auch nicht feige.« – Heute brachten die Wagen vom roten +150 wieder Verwundete. Alles Kopfschüsse, blutrünstige Gesichter, verbundene Augen. Die Leute stehen rum. »Quel malheur !« Tante Meyer weint : »Vos camerades.« – Ja, Lieselotte, so geht’s. Viele, viele Grüsse und Küsse, Dein Bubi

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JANUAR 1915

Douai, d. 1.1.15 Meine liebe Lieselotte ! Wir liegen immer noch in Douai. Ich habe sicher noch zugenommen, denn mir werden hier direkt gemästet. Jeden Abend gibts Butter, Käse, Schmalz, Bisquits, Wurst und soviel, daß wir wirklich nichts alles schaffen. Gestern gabs zum neuen Jahr noch Punsch, und Münchner Bier, sodaß die ganze Brigade blau war. Nachts wurde wie wild geschossen und gebrüllt und das Neue Jahr eingeleutet. Heut ist kein Dienst. Wir gingen zur Kirche, genossen eine Predigt. – Ich habe seit 2 Tagen kein Mittag mehr gegessen, da ich etwas Halsschmerzen von der schlechten Luft bekommen habe und nicht recht schlucken kann. Es ist etwas besser. ich hab nur einen Haufen Kuchen gekauft und trinke hier im Café Kaffee dazu. – Wie hast Du Sylvester gefeirt ? – Bei v. Rosenbergs ?151 Oder mit der Schule zusammen ? wie geht’s mit Tap ? – Ich lasse ihn grüßen und wünsche ihm, daß, wenn er wirklich Schiffer wird, er zu uns käme, da hätte er wenigstens was zu arbeiten. Ich hätte beinahe meinen Schuh in dem Kleister verloren. Hier ist reiner Lehm und Kreideboden, sodaß man im Graben direkt kleben bleibt. – Wir schuften bis zum Erbrechen. Fürs Vaterland. Parademarsch auf Ackerboden ! ! ! – Es war furchtbar. Jetzt sitze ich schon stundenlang mit meinem Freund im Café und schreibe Karten. Briefe schreibe ich nur an Dich und Madeleine. Ich hab mir wieder Briefpapier »requiriert« – Bald ist’s Schluß mit dem Schlaraffenleben. – Dann kommt das Preisschiessen ran. Bis dahin, viele, viele Grüsse und Küsse Dein Bubi

Douai, d. 3.1.15 Meine Lieselotte ! Hast Du überhaupt schon eine Karte oder Brief von mir erhalten ? – Ich hab Dir bis jetzt 5–6 Mal geschrieben. Heute bin ich wieder auf dem Damm. Wir haben wieder Geländeübungen bis zum Erbrechen. Bald halt ich’s nicht mehr hinter der Front aus. Wir haben heute wieder Cacao, Wein und Käse eingefangen. Verhungern können wir bei

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der Garde nicht, aber schiessen auch nicht. Was nutzt uns Alarmbereitschaft, wenn nie Alarm ist. Selbst Sonntags Dienst ! ! ! – Ich sitze am Tisch bei Tante Meyer und denke über das Leben hier nach. Die ganze Stadt ist ein Nest voll Soldaten, Artellerie, Infanterie, Kavallerie. Mal läuten die Glocken, dann geht man zur Kirche. Oder man wird rausgetrommelt, rennt zum Exerzieren. Es regnet, die Sonne scheint, es regnet wieder. Hunde, kleine Kinder bevölkern die Straßen. Alte Damen im Alter von 50–70 stehen mit aufgehobenen Röcken im Rinnstein und reinigen die Straßen, dabei unterhalten sie sich laut oder schimpfen, denn jede alte Dame schimpft in Frankreich.152 Man rennt in der Freizeit rum, kauft ein, manche Herrn »amüsieren« sich und erzählen dann ihre Erlebnisse in den Quartieren, manche wichsen auch über den Zapfen und erscheinen dann zu nachtschlafender Zeit und bimmeln friedliche Soldaten aus dem Schlaf. Meistens gerben sie dann noch auf Treppen und Veranda oder sind so voll, daß man sie raufschleifen muß. Jetzt ist das Geld wieder etwas knapper und daher kommen diese Fälle sehr selten vor. In den Estaminets sitzen die Kerle und schreiben die Feldpost dusselig, oder spielen Karten und knallen auf die Tische, daß die Bewohner hier ängstlich aufhören, auf den Fußboden zu spucken und sich erstaunt ansehen. – Manchmal spielt die Musik auf der Straße oder ein Radfahrer fliegt von seiner Choise, alles Ereignisse die große Aufregung in Donai hervorrufen. – Die meisten von unseren Moschkoten schimpfen über die Franzosen; sie sind dumm, da sie weder Deutsch, noch das Kauderwelsch, das diese Herren für Französisch ausgeben, verstehen. Ich unterhalte mich sehr gut mit den hohen Spießbürgern der Stadt. Heute war besonders aufregend in unserer Straße, da eine Dame in einem Hausflur eine Sturzgeburt hatte. Entschuldige bitte, daß ( n’a plus ) ich Dir das schreibe, aber wir haben so wenig Erlebnisse hier. So darfst Du es mir nicht übel nehmen, denn ich will Dir alles schreiben, was ich weiß und sehe u. höre. Mir ist jetzt ganz heiß und etwas so so im Oberstübchen, trotzdem ich erst eine halbe Flasche Wein getrunken. Bis morgen ist alles wieder weg. Gerben werde ich wohl nicht. Wenn nur erst meine Erkältung weg wäre. – Wenn Du willst, schreib mir doch auch mal. Meine Adresse weißt Du ja. Nun gute Nacht, meine Lieselotte. Ich grüsse Dich innigst, Dein Bubi

Geschrieben, den 9.12. 1915 Meine liebe Lieselotte ! Morgen brauchen wir erst um 9 Uhr aufstehen. Man läßt uns noch etwas Schlaf. Ich hoffe, daß morgen kein Telegramm kommt, daß uns noch in Douai festhält. – Ich lerne hier alles essen. Selbst Ölsardinen. Mein Geld ist leider bis auf 2 Mark alle geworden. Bedauere mich. Grand Malheur, Gott strafe England. Ich kann noch garnicht das Ende des Krieges absehen, ob’s so glatt geht ? S’wird wohl ein Materialkrieg werden.153 Wers am längsten mit Geld und Munition aushält, hat gewonnen. – Heute ballern sie wieder das Blaue vom Himmel herunter. Dann regnet’s auch immer, Schuß auf Schuß und gestern durch und die ganze Nacht. Wenn da nur ein Drittel Treffer wären, könnten wir einpacken. Aber die Granaten sind Mist. Schrappnells sind gemeiner. Wenns hier nicht bald anders wird, kann ich Dir garnichts schreiben; Ein Tag ist wie der andere. Auf Wiedersehen, meine Lieselotte. Dein Bubi

Douai, d. 9.1.15 Meine liebe, liebe Lieselotte ! Jetzt gehts endlich los. Die Kriegsartikel sind verlesen, kleine Ratschläge in der Westentasche gegeben; nun kanns los gehen. Es gießt, was vom Himmel runter kam, jeden Tag und jede Nacht. Das ist hier der Winter. Es sollen morgen früh Badehosen für die Schützengräben verteilt werden; auch wird unentgeltlich Schwimmunterricht erteilt. Es ist widerlich, so stundenlang im strömenden Regen zu laufen. Vom Helm tropft einem alles in den Hals, am Gewehr läuft der Regen über die Hände, der Stoff wird steif kurz, zum Kotzen, Herr Major. Da hilft einzig und allein der Gesang und wir brüllen wie die Zahnbrecher, wenn wir vom Marsch kommen. Na, jetzt hört der Ernst auf und der Spaß fängt an. Und hör mal, Lieselott, ich habe gestern schon von Madeleine einen Brief gekriegt. Schreib’ mir also auch mal, wenns nur wenig ist, in meiner Lage freut man sich auch über den geringsten Gruß aus der Heimat. – Wie gehts Dir denn jetzt, Kleines ? – Schuftest Du fleissig ? Schreib mir doch wirklich mal, wie Dirs mit Tappert erging. Hat er Dich gemalt ? – Grüss ihn mal von mir. Hast Du alle Briefe von mir erhalten ? Ich habe Dir bis jetzt 4–5 geschrieben. Kati Brauer ist also nicht mehr ? – Ich gratuliere. Sie soll Kran-

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kenschwester werden. Hier in Douai sind auch ein paar. Vielleicht findet sie doch noch ein paar Männer, mit denen sie noch nicht »verlobt« war. Wir beide habens doch besser, nicht Kleine ? – Ich hab Vertrauen zu Dir, und wenn ich am Nordpol kämpfen müsste, hätte ich nie Angst, daß Du Dich mit einem anderen einliessest. Und Du kannst auf mich bauen. Das ist schön so und wird immer so bleiben. Hoffentlich kriege ich nicht so frühzeitig ein Stück Eisen verpaßt. Nach Deutschland käme ich ja doch nicht. Alle Verwundeten hier werden in französischen oder belgischen Hospitälern verpflegt. Kannst aber trotzdem Daumen drücken. Täglich kommen hier welche an, die eine Kugel haben und draussen ist doch nix besonderes los. Jetzt wollen die Bayern abgelöst werden.154 Ob unsere Brigade das tut, weiß ich nicht, scheint aber so. – draussen spielt wieder die Musik, täglich erscheint sie, ist tadellos eingespielt und spielt allerlei Märsche, »Untern Linden, Untern Linden ….«, Es war in Schöneberg und dergleichen klassische Stücke.155 Bringt wenigstens Leben in die Bude, : die Soldaten kommen angelaufen, die alten Weiber stehen in der Tür, die »Dame« öffnet ihr Boudoirfenster und streckt ihren Ponyfrisur raus und alles freut sich. – Nun muß ich schliessen. Noch ein oder 2 Nächte unter Dach u. Fach müssen ausgenutzt werden. Gute Nacht Kleine, Schlaf wohl und denk an mich. Dein Bubi

13.1.15 Meine Lieselotte ! Vorläufig die letzten Grüsse. In ein paar Stunden gehts in den Graben. Mit einem Fuß stand er im Graben, mit dem anderen nagte er am Hungertuch. Wir sind umgezogen. Nah dem [ … ] wenigstens dicht ran. Vor einem Monat komme ich nicht raus. Bis dahin viele, viele Grüsse, Denk an mich, auch wenn ich 4 Wochen nicht schreiben kann. Dein Bubi

in Frankreich, ? 14.1.15 148

Meine liebe, kleine Lieselott ! Viele, viele Grüsse aus dem Graben. Wir liegen augenblicklich im Reservegraben.156 Die Gewehrkugeln u. Granaten ballern aber auch hier

drüber weg. Wenn Du mich sehen würdest, glaub ich, würdest Du Dich entsetzt abwenden. Wir sind alle Höhlenbewohner geworden. An einem Abhang, der oben mit Bäumen bestanden ist, sind unsere Wohnungen.157 Ich wohne Fichtenallee Nr. 4. Es regnet von früh bis spät Ich hab natürlich wieder Wache ! – (  Jetzt abgelaufen ). – Der Lieutenant wohnt in der Friedrichstrasse, Villa »Ohne-Sorge«. Der Dreck steht über knöchelhoch. Gestern hatte ich fast meinen Stiefel verloren. Heut haben wir eiserne Öfen in unsere Hütten gekriegt. Abends lösen wir ab. Die Franzosen machen Sturmangriffe und werden kompanieweise gefangen. Sie stehen in 5 Staffeln hintereinander, schiessen wie die Blödsinnigen, ­besonders die Artellerie. An einigen Stellen sollen die Leute sich bis auf 20 Meter gegenüberstehen. Sie buddeln sich unter der Erde aneinander vom … Wir sehen jetzt schon aus wie die gesengten Säue. Bekalkt, bespritzt, ungewaschen. Essen gibts in Reserve abends. 1 Mal. In Stellung wahrscheinlich garnicht. Alle 2 Tage wird abgelöst, d. h. wir gehen in unsere Villen und die andern in den Graben. 3–4–5 Wochen sollen wir nun hier liegen. Wir bauen unsere Höhlen hübsch aus, haben Wellblech gekriegt, da es durchregnet und uns Nachts andauernd ins Gesicht läuft. Somit gehts tadellos hier. Ich schreibe Dir wieder, wenn ich aus dem Graben wieder in Reserve bin. Auf Wiedersehen, Kleine, Dein Bubi [ selber Brief ] d. 19.1.15 Mein liebes Mädel ! Jetzt bin ich wieder in Reserve. Wir lösten ab und statt 48 Stunden blieben wir 96 im Graben. Seit 4 Tagen habe ich nicht ein Auge zugetan und nichts Warmes gegessen. Bin aber trotzdem nicht müde. 4 Tage und 4 Nächte gewacht ! Nachts dürfen wir nicht schlafen, weil die Franzosen immer Durchbrüche versuchen. Je 2 Mann rauchen, die anderen 2 arbeiten; Schippen, hacken, Deckungen u. Unterstände bauen. Alle Augenblicke steigen Leuchtkugeln hoch. Dann ist alles Taghell erleuchtet und dann geht ein Geschiesse los, wie die Hölle. Die Kugeln singen, pfeifen, sausen über einen weg. Öfter arbeiten wir oben am Graben, ohne Deckung. Da sind schon verschiedene schwerverwundet worden. Ich hab noch nix abgekriegt. Es hat gefroren, da ist est kalt. Ich hab gleich am 2ten Tag die Stiefel voll Wasser gekriegt und habe nun bannige Eisbeine. Am Tag sollen oder können wir schlafen. Da

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gehts nicht. Die Französische Artellerie schießt sich ein. Bis auf ein paar Meter vorm Graben platzen die Granaten. Der Boden wackelt wie bei einem Erdbeben. Schuß auf Schuß. Die Luft heult direkt. Die Splitter singen wie Kanarienvögel oder Orgeln. Unsere Kompanie hat noch keine Tote. Dagegen die anderen ein oder mehrere. Die Artellerie schießt bis 5 Uhr nachmittags, dann sind wir so steif durch das Liegen, denn wir dürfen uns nicht zeigen, daß wir, um warm zu werden, wieder anfangen zu buddeln. Essen wird auf einem Weg geholt, der 1 ½ Stunden durch Laufgräben bis zur Küche führt. Wenn die Essenswehr hier ankommen, ist das Essen und der Kaffee eiskalt. Also Schlafens- und Essensluxus. Gestern Nacht kommen wir wieder im Lager an. Es gab abends noch warmes Essen. Wunderbar. Und heute morgen empfingen wir : Kaffee, Tee, Butter, Schmalz, Brot, Käse, soviel, daß ich nicht alles aufgekriegt habe. Das war eine feine Belohnung für die 4 Tage. Jetzt ist Gewehreinigen. Dann schreib ich den Brief zuende und hoffentlich kriegst Du ihn. Morgen abend gehts wieder in den Graben. – 2 mal haben wir beide, mein Freund und ich, eine Privatsendung von dem Postboten bekommen. Wir gingen nämlich am hellen Tag durch den Graben weiter und sahen dann drüber weg, um uns den Granatschaden im Wald zu betrachten. Wir hatten keine 4telminute unseren Kopf hoch, Da kommsts Ssssssss-Bumm-sssssssss-Bum. Wir liegen sofort ganz platt im Graben und über unsere Schädel der ganze Regen an Splittern und Kugeln weg. Wir sausen im Schweinsgalopp zurück. 2 Mal steck’ ich meinen Kopp nicht aus dem Graben. Die Hunde sehen alles und schiessen sehr gut mit der Artellerie. – Wer nicht beten gelernt hat, der lernt es hier und auch Du kannst für mich beten, daß ich heil aus dem Hexenkessel komme. Hast’ mich noch lieb. Schreib mir mal, Kleine. Empfehle mich Deiner wt. Fr. Mutter ! Viele Grüsse und Küsse Dein Bubi

Lager, M[ … ]gasse 24.1.15 150

Mein, liebes, liebes Mädel ! Endlich einen Brief von Dir, und so lang. Ich habe mich bannig gefreut. Es geht Dir also so gut und den Sommer wollen wir zusammen verleben.

Wie ich mich freue, jetzt bin ich wieder gern im Schützengraben, weil ich weiß, Du hast mich noch lieb. Ich habe in den beiden letzten Tagen so gelitten, daß ich mich kaum halten konnte. Es war furchtbar. Es stürmte, regnete und schneite die Nacht durch und den Tag. Unsere Unterstände stürzten ein, der Graben stand bis über die Knöchel voll Eiswasser. Die Kugeln pfiffen, Artellerie schoß und wir froren, froren. In der Nacht wurden Patrouillen verlangt. Ich meldete mich freiwillig und kroch in dem eiskalten Schlamm gegen die französische Stellung. Dann kam ich in ein Drahthindernis. Die Kugeln knallten links und rechts vor mir, dazu der Regen u. Wind. Ich war wütend. Ich hänge mit dem Rücken fest und unten mit den Knien. Ich reisse mich los. Knax, macht der Mantel. Oben reißt ein Fetzen aus und unten ist ein halber Meter weg. Ich bin frei, krieche in ein Granatloch. Mein Kamerad folgt, das Loch voll Wasser. Ist egal. Wir buddeln. Einer paßt auf. Die Franzosen kommen immer noch nicht. Nach 2 Stunden kriechen wir durch den Draht zurück.158 Weitere 2 Löcher. Ich erstatte Meldung. Nach 2 Stunden muß ich wieder vor und dann nochmals. Eine französische Patrouille kommt, doch nicht soweit, daß wir sie knipsen können. Die Nacht vorbei. Es regnete. Der Graben ist wie ein Kanal. Das Wasser rauscht durch. Ungemütlich ! ! Nächste Nacht Freiwillige Patrouille ! – mais – je icke gemeldet. Gut der Mann. Ich krieche mit einem Rekruten in ein Wäldchen und buddele mich ein.159 Sauwetter. Kugeln pfeifen. Leuchtkugeln. Knallerei. Kein Franzos. Muß wieder 3 mal vor. Ist zum Verzweifeln ! – Bin todmüde. Denke an meine Lieselott. Wenn Du mich jetzt sehen würdest. Triefend, dreckig, müde. O und man kann nicht schlafen. Luxus ! – Die 2 Tage sind vorbei. – Jetzt ist Ruhe. In nassen Sachen schlafen. Mit nasser Decke zudecken. Qual ! Wenn Die Tortour zuende wäre. Menschen sterben. Ohne Zweck. Es ist nur ein Hinziehen, kein Krieg mehr. – Ich bin wieder mal aufgefallen. »Der Kleine !« – »das kleine Mädchen ! kein Feldwebel od Lieutenant. – Was sagst Du dazu ? – Wenn wir wenigstens einen Sturm machen. Ich hab keine Angst vor Kugeln und Granaten. Nur vor diesem Vegetieren. Ich habe seit 4 Tagen Wasser in den Stiefeln. Sie gehen nicht mehr aus. Meine Füsse sind kaputt. Gott strafe England !160 Wenn ich nur Dich erst wiederhabe, meine Lieselott. Der Sommer muß schön werden. Ich hab Dich so lieb. Wie lange soll es noch dauern ? – Auf ein glückliches Wiedersehen nach dem Krieg. Dein Bubi Viel Glück auch sonst.

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Lager, M[ … ] ygasse 27.1.15

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Mein einziges Mädel ! Ich möchte Dich so gern noch wiedersehen. Bin aber jetzt immer leichtsinniger geworden. Jede Nacht kriech ich aus meinem Graben und amüsiere mich anderweitig. Patrouille, Schanzen, u.s.w. Und bis jetzt hat mich keine Kugel getroffen. Sie schlagen ringsum ein. Ich glaube an unseren Herrgott und er wird mich beschützen. Kaisers Geburtstag verlebten wir im Lager. Es gab Wein, Bier u.s.w. Ich war vom vielen Wachen eklig müde und legte mich bald wieder hin, werde geweckt und muß zum Stabsquartier. ? ? ? Komme an und finde unseren Oberleutnant v. Schulzendorff161 ( Leutl. ) Glupscht mich an und sagt : »Es ist von der Kompanie aus das Eiserne Kreuz162 für sie beantragt worden. Knöpfen sie den Mantel auf. – Sooo : und den 2ten Rockknopf;« – na, und da hatte ich dann das »Eiserne« baumeln. Freust Du Dich ? Mir war ganz Dudelich im Kopp und ich schnappte nach Luft. Er gratulierte mir und dann war ich draussen. Ist doch gar nicht schlimm, draussen rumzukriechen. Dafür das Kreuz ? – Sagte ich auch meinem Feldwebel. Soll mir ein schönes Andenken sein. Ich schick’ Dir ein Stück vom Band. Heb es gut auf und denk an mich dabei, Kleines. – Ausserdem ist unserem Reg. die Ehre wiederfahren, dass Generalfeldmarschall v. Hindenburg163 zum Chef des Regiments ernannt worden ist. – Fein, was. – Jetzt gesund nach Berlin kommen und alles ist gut. – Wie ist denn die Stimmung in Berlin. Gibts den neuen Frieden ? – Es ist so öde im Graben. – Wenn wir wenigstens stürmen. Aber wir sitzen und warten und die Franzosen auch. Ist gar kein Krieg. Sonst kann ich Dir garnichts neues mitteilen. Es ist immer dasselbe, wenn man sich keine Abwechslung sucht. Ich melde mich zu jedem Dreck, nur dass mich nicht die elende Langeweile frisst. Denk Dir, Du kannst in den Graben. Alle 5 Minuten eine Brustwehr. Gegen Artellerie. So gehen die Graben stundenlang dahin. Sieht man drüber weg, alles wie von weissen Linien durchzogen. ( Wir haben Kreideboden ) Zerschossene Wälder und Gräben, Gräben. Jedes Mal in dieselbe Gegend, in denselben Graben, in dasselbe Loch. – Nachts müssen alle wachen. Da liege ich entweder im Loch im Wald vor uns oder in einem Loch mitten auf dem Feld oder ich kann die Rekruten auf ihre Posten bringen oder führe unseren Lieutenant rum. – Bin jetzt immer im Dreck. – Liebes Mädel, ich möcht Dich recht, recht

bald wiedersehen. Wann, das weiß nur Gott. Hier hab ich wieder an ihn glauben gelernt. Wir sollen bald aus dieser Stellung raus kommen; da wirds wohl noch einen Sturm geben. – Bis jetzt bin ich wohlauf. Öfter erkältet, öfter Reissen. Ganz weg ist’s doch nicht. Wir erzählen uns immer abends von der Heimat, wie gut mans da hatte; ein warmes Bett, Gutes Essen; Man kann sich nicht waschen, die Kleider wechseln. Sollte ich nochmal nach Berlin kommen, so muß ich erst mein Jahr abduschen. Hab dann hoffentlich schon die Gurkenschalen und brauch mich nicht ankotzen zu lassen. Nun, leb, wohl Lieselotte, schreib an mich. Ich bin so glücklich. Mein Wunsch ist erfüllt. Nun kommt der erste, Dich ganz zu haben. Empfehle mich Deiner wt. Frau Mutter Dein Bubi

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FEBRUAR 1915

Geschrieben, den 1. 2. 1915 Meine liebe Lieselott ! Mein Briefpapier ist alle, Geld ist alle und ich hab eingesehen, daß ich mich zum Eiszeitmenschen und Höhlenbewohner nicht geeignet hätte. Schon naht das ganze Elend wieder. Es zwickt in den Fingern und ­Zehen. Die Kälte kriecht am Körper rauf und runter. Ich muß fluchen. Entschuldige ich muß. Hab im Schützengraben zu viel Ölsardinen gegessen und wurde schlecht. Konnte nicht auf Patrouille gehen. Gestern war ich bis auf 60 m an die Französkes ran. Hab sie gesehen. Sie rauchten, schippten und amüsierten sich und ich sollte sie nicht abknipsen.164 ­Gemein, was. Viele Grüsse Dein Bubi

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5. 2.15 Mein Mädel : Ich lebe noch, unser guter Herrgott hat mich wieder mal beschützt. Wir haben gelitten bis zum Zusammenbrechen, haben durchgehalten bis zur Ablösung. Ich sitze jetzt hier am Bergeshang bei Auve und denk an Dich und alle, die mir in der Heimat so nahe stehen. – Es ist so ruhig hier. Kein Gewehrfeuer, nur ganz in der Ferne donnern die Kanonen. Am 1. Februar nach einer stillen ? Nacht, die wir tadellos auf Patrouille verbrachten mit Keksen und einer Flasche Wein, ging um 11 Uhr ein Feuer los, wie es selbst die Alten noch nicht gehört hatten. Schuss auf Schuss, Granate auf Granate. Schreien, Bomben, Splittern. Ich lag platt am Boden, dachte nach und an Euch und gab keinen Sechser mehr für mein Leben. Am nächsten Tag dieselbe Sause. War wieder Patrouille, ewig Patrouille. Total kaputt, zum Sterben müde. Und dann der Heimweg. Der Dreck, halb, nur halb gefroren; er lief einem oben in den Stiefelschaft, war so zäh wie Leim und wir so müde. Rings knallten noch die Kugeln ins Gehölz. Alles Wurst, nur raus; der letzte Tag vorläufig im Schützengraben : – Die 92 lösten uns ab. – Jetzt bin ich in Ruhestellung in Auve. Wir kloppen Griffe und spielen »Dritten abschlagen« und »Schinkenklöppen«. – Ein Unterschied nach dem Todesgrauen im Schüt-

zengraben. – Liebes Mädel, wie seltsam, nach 4 Wochen Anstrengung, äußerster Anstrengung aller Muskeln u. Nerven diese Ruhe und Sicherheit. – Die Musik spielt »Puppchen, du bist mein Augenstern«165 und andere klassische Stücke. – Keiner denkt an die Toten und an den Hexenkessel. Wenn ich Dich erst wiedersehe. – Gestern hieß es, ich sollte nach Berlin zur Fähnrichprüfung und Ausbildung zum Reserveoffizier, aber es waren noch 3 ältere da, so daß ich zurückstehen mußte. Werde aber bald hier befördert werden. Auf ein glückliches Wiedersehen, Kleine, Schreib doch mal. Dein Bubi. Ich hab Dich so lieb.

Vazier,166 d. 13. 2.15 Mein liebes, liebes Mädchen ! Jetzt bist Du vielleicht böse, daß ich solange nicht geschrieben habe ? – Oder ist’s Dir gleich ? Aber es ging nicht. In Auve hatten wir keine Gelegenheit. Da war ich auch noch zu kaputt. Wir schliefen in einer Scheune, die überall offen war und nasses Stroh hatte. Dann die Kälte. Da wars im Schützengraben noch angenehmer. Endlich hieß es abrücken. Nun rannten wir wieder die halbe Nacht auf durchweichter Strasse bis, ich weiß den Namen nicht mehr, dort standen wir auf dem Bahnhof neben dem Zug mit vollem Gepäck und durften nicht einsteigen, Mal rückten wir 2 Abteile vor, dann wieder zurück. Die alten Umständlichkeiten. Die Preußen schiessen langsam. Endlich rein in den Viehwagen. Nun rollten wir die ganze Nacht durch und kamen endlich in Douai an. Marschierten in die Sonne hinein. Die Kapelle hatte gleich die Sache erfasst und unter den Klängen von »Wenn ein Mädchen einen Herrn hat«, gings durch die Stadt, dann kam »Puppchen« ran und der Einzugsmarsch, alles hübsch durcheinander.167 Dann sangen wir das neue Lied, das wir nächstens auch Prinz Eitel168 vorsingen müssen. Vielleicht interessierts Dich. Die Melodie ist ziemlich schwer. Wir haben 4stimmig eingeübt. Also 1. »Im Feldquartier auf hartem Stein streck ich die müden Glieder Und singe in die Nacht hinein Der Liebsten meine Lieder

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Nicht ich allein habs so gemacht, Annemarie Von ihrer Liebsten träumt bei Nacht, die ganze Kompanie. 2. Den nächsten Wiedersehenstag Kann ich Dir noch nicht sagen, Wir müssen und mit schwarzem Panzer in fremdem Land rumschlagen Vielleicht kann ich bald bei Dir sein, Annemarie, vielleicht scharrt man schon morgen ein die ganze Kompanie : 3. Und schießt mich eine Kugel tot, Kann ich nicht heimwärts wandern Dann wein Dir nicht die Augen rot, Und such Dir einen andern ! Nimm Dir ’nen Burschen hübsch und fein, Annemarie Es braucht ja nicht grad einer sein, Von meiner Kompanie.«169

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Das Lied wird mit Begeisterung gesungen. Hier im Estaminet, wo unsere Feldwebel liegen, sind 2 sehr nette Töchter, auf die diese Feldwebel scharf sind. Leider fehlt ihnen die französische Sprache und so kann ich den Dolmetscher spielen. Anstrengende Arbeit. Dann bezahlte der Feldwebel das, was ich getrunken habe, bon. – Ich kann ihnen klar machen, dass der Feldwebel ihnen Petroleum, Kaffee, Fleisch und Kohlen liefern will, dafür …. ? ! ! ! – Na, ich werde die Schn.. halten. – Frag ich die Kleinere, ob sie schon Deutsch gelernt hat, sagt sie »Ah, oui, kommen sie um 8 Uhr zu mir«, »geben Sie mir einen Guss ( Kuss )[ « ], »Wir wollen spazieren gehen am Kanal.« – Da kannst Du hören, was die Damen am meisten hören. Ich kann mich einigermassen mit ihnen unterhalten, die anderen nicht. »Votre commandes«, sagt sie, »Oh la la, come çi, come ça.” und andere Sachen, die ich nicht schreiben kann; Es ist meist sehr gemischt jetzt in dem Estaminet. Ich bin meistens nebenan bei meiner Wirtin, einer alten Dame Mme. Bernard und ihrer Tochter, deren Mann auch im Krieg ist. Wir versuchen uns zu verständigen, Es geht meist einigermaßen, aber ich muß aufpassen. – ­Morgen

ist Kirchgang, leider schon um 8 Uhr. Da muß ich um 7 Uhr aufstehen, Malheur, am Sonntag ! Dienst ist nicht viel. – Liebe Lieselott, nun schreib doch mal endlich, freust Du Dich denn garnicht über das Gebaumel. Ich hoffe noch was von Dir zu hören; mit Madeleine bist Du öfter zusammen, nicht ? – Und Du machst gute Sachen, hab ich gehört und bist zufrieden und lustig. Hoffentlich seh ich Dich noch wieder und recht bald. Je eher, desto besser. Da wirds fein, was Lieselott ? – Jetzt muß ich ins Bett, d. h. eine Federmatratze, die nach allen Seiten [ … ] und kippt. Nun gute Nacht, Kleine und schreib. Viele Grüsse und Küsse Dein Bubi

Waziers, d. 20. 2.15 Meine liebe, kleine Lieselott ! Ich habe mich bannig gefreut, als ich Deinen Brief kriegte. Ob ich Dich lieb hab ? Fragst auch noch ? – Immer, immer, Lieselott ! Und das Band, Lieselott. Ich habs Dir geschickt, dass Du etwas von mir in der Heimat hast. Ich würde Dir gern soviel schicken, wenns ginge. Ich halte Dich jetzt nicht mehr für oberflächlich und albern Lieselott. Ich vertraue dir auch überall. Denk nur recht oft an mich und besonders schreib recht, recht viel. Weisst Du, es ist so wunderschön, wenn die Post verteilt wird und es ist so viel für mich aus der Heimat da, von Dir und Madeleine und Pakete von meinen Eltern. Jetzt in Ruhestellung ist wieder richtiger Kasernenhofdienst und jetzt falle ich wieder auf. Nicht durch Strammheit. Brauchst nicht zu glauben, weil ich im Schützengraben rangehe, dass ich im Dienst besonders fleissig bin. Erstens hab ich viele Gegner jetzt durch das »Eiserne«, weil sich verschiedene Leute zurückgesetzt fühlen, 2tens dass ich Kriegsfreiwilliger bin und Einjähriger. Ich mache keine besonderen Griffe, das weiß ich alleine. Nun heisst es : natürlich der Kriegsfreiwillige, der Einjährige oder »Ein Ritter des Eisernen Kreuzes muß allen andern mit gutem Beispiel vorangehen«. Die Herren, die einem am meisten antworten hier, sind meistens im Graben nicht zu hören und zu sehen. Antworten darf man hier nicht, so denk ich mir meinen Teil. – Im Graben sagen sie doch wieder, dass ich ein guter Soldat bin. Also … Wie ichs gekriegt hab. – Na, ich will Dir noch mehr aus dem Graben erzählen. –

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Also hier ist die Reservestellung170 Da hatten wir kleine Unterstände : Erdlöcher mit Holz unten und mit Holz ausgezimmert, daß die Bude nicht einfällt. Von oben tropft der ganze Regen durch, das Holz ist nass. Der Ofen, wir haben auch Öfen drin, qualmt, also man huste oder spuckt ins Stroh, alles egal. Die Gewehre werden gereinigt ! Es gibt Schmalz, Butter, Wurst und Post. Alle 2 Tage müssen wir ablösen. Wir lösten immer die 12te Kompanie ab. Unsere Gegend hieß : der Hexenkessel, weil es so eklig drin zuging. Wir liefen ungefähr einen Stunde jeden Abend, bis wir in den Graben kommen und eine halbe schon im feindl. Feuer. Da hatten wir schon Tote, bevor wir im Graben waren. Na, und im Gaben, der war so weiter nischt und ein Unterstand oder eine Schiessscharte.171 Und dadrin sitzt man nun und soll sich totschiessen lassen. Eigentlich traurig. Wenns regnet, ist der Graben so aufgeweicht, dass man stecken bleibt und am letzten Tag ist uns der Dreck oben in den Stiefelschaft gelaufen, und wenn man mit 40 Pfund auf dem Rücken und dem Gewehr in der Hand durch den engen Graben im Dreck gebückt und im feindl. Feuer 2 Stunden laufen soll, so kannst Du Dir denken, wie kaputt man ist. Und kaum hat man abgehängt, da heissts : »Wer geht freiwillig auf Patrouille ?« Na, einer hat Zahnschmerzen und einer kann nicht recht laufen und einer sagte dem Feldwebel : »Ich hab Vater und Mutter zuhause !« ( Ist wirklich wahr ). Da ging ich eben. Mein Mantel blieb zwar im Drahtverhau hängen und riss in 3 Teile und wenn ich auf dem Bauch lag, wurde ich durch das Eiswasser nass bis auf die Knochen, aber da denkt man sich nix bei und flucht ein bisschen. Dann kommt eine Leuchtkugel und man drückt sich so lang man ist in den Dreck und lässt die Kugeln über sich wegsausen und wenn eine dichte bei geht, denkt man : verfl … Biester ! und kriecht weiter. Obs alle auf Patrouille so machen, weiß ich nicht. Na und 2 Stunden liegt man im Mist und stiert Löcher in die Luft und öfter passt man auch nicht auf und sagt : »Sie kommen doch nicht.[ « ] Hat man, wie meistens, einen Kameraden mit sich, so erzählt man ihm leise einen Witz. Oder man holt den Spaten raus und buddelt sich ein Loch zum reinlegen. Zuletzt hatten wir in einem Wäldchen ein tadellos gedecktes Loch und allmählich hat man auch Routine. Am 2ten Tag wieder freiwillige Patrouille. Das gefiel dem Herrn Zugführer und Herrn Lieutenant Dr. Primus. Regen. Dreckwasser, zuletzt schneite es. Oh, diese Eisbeine. Ich stellte mich ins Loch. Ganz egal, nur nicht

zu nass werden und wenn die Französkes mit Knallerbsen schiessen. Hat mich auch keine getroffen. Komme zurück und denke : Jetzt kannst Du mal 2 Stunden schlafen. Lieutenant Primus kommt auf den schlauen Gedanken, den Franzosen einen hübsches Ziel aufzubauen. Freiwillige vor ! : »Wer kriecht aus dem Graben und hilft eine künstliche Artelleriestellung bauen ?[ « ] – Ohhh ! Ich bin so müde. Na, noch einmal. Also trete ich vor. Recht so, Jacob ! – Ein Unteroffizier und noch einige Kerle kommen mit und dann fangen wir an zu schippen und alle 5 Minuten schmeissen wir uns platt hin, und lassen die Kugeln über uns weg sausen. Die Leuchtkugeln steigen auf und fliegen langsamer über uns weg. Ist ja sonst sehr schön, aber unangenehm, gesehen zu werden. Natürl. kommen wir, ohne angekratzt zu werden, zurück. Und kaum hat man 5 Minuten gestanden, da heissts : Gruppe Wallenborn muss den Pionieren schippen helfen. Und ich war Gruppe W. und konnte gleich wieder aus dem Graben rauskriechen und weiterarbeiten. Am Morgen schlief ich trotz Granaten und Schrappnells 2–3 Stunden fest. Jede Nacht und jeden Abend dasselbe Lieselotte, ich bin total fertig augenblicklich. Erkältet und jeden Abend Fieber. Am andern Tag soll man dann stramm exerzieren. Malheur, la guerre ! ! – Nun hab ich Schwein gehabt. Mein Quartier ist von den Leuten verlassen und wir haben nur 2 Matratzen für 4 Mann. Die Matratzen gehen auch wellenförmig und wenn mein Kamerad oben liegt, rolle ich friedlich ins Tal. Liegt er aber unten, dann werde ich auf einmal hochgehoben und liege ½ Meter über ihm. Die Leute werden nebenan allmählich sehr freundlich. Eine alte Frau und ihre verheiratete Tochter. Ihre beiden Söhne und der Mann der Tochter sind im Feld gegen uns. Da hat sie rausgefunden, dass ich ihren jüngsten Sohn Charles ähnele und nun hab ichs gut. Gestern bot sie mir ein Bett an und jetzt schlaf ich unten in der Küche. Zum ersten mal seit Weihnachten habe ich meine Kleider ausgezogen. Oha, Lieselott. Ich wollte garnicht aufstehen. Und es war so warm und schön. Und ich träumte von der Heimat. Von Dir, von allen, allen. Vom Sommer und ob ich nach Haus kommen werde. Ich lieb das Leben, aber das hier ist keins. Wenn ich wenigstens ganz gesund wäre. Aber gesund ist keiner mehr. Täglich kommen Kameraden ins Lazarett. Hohes Fieber, Typhusverdacht u.s.w. Die Gegend heisst übersetzt die »Lause-Champagne«. Alles ist dreckig und Läuse kriegt man auch. Bis jetzt war ich verschont. Aber schon manchen hats ge-

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fasst. Der sass dann trübsinnig abends im Unterstand und sucht u. fand. Und ob er fand, Kleiderläuse, Filzläuse. Entschuldige, dass ich sowas schreibe, aber das sind die Schrecken des Krieges und mehr gefürchtet, als Kugeln und Granaten.172 – Ich freu mich schon auf den Abend, auf mein Bett. Jetzt merkt man erst wie schön mans gehabt hat in Civil. Gestern traf ich einen Freund, einen Schulfreund hier im Ort, der als Artellerist eingetreten ist und jetzt auch in Ruhe liegt. Da plaudern wir von der Heimat und dann, entschuldige wurde auch der Brief nicht fertig, den ich gestern anfing. Ich hoffe, Du schreibst jetzt recht oft an mich. Und sag doch, warum Du zuerst nicht soviel schreiben konntest. Oder weisst Du bestimmt, dass ich zurückkomme. Wir haben noch viel vor. Der Stellungskrieg hat bald ein Ende und dann gehts drauf wie Blücher.173 Bald sind die Russen fertig, in 14 Tagen–4 Wochen. Dann kriegen wir die Kavalleriecorps und Infanteriedivisionen und besonders die schwere Artellerie hierher. – Ich hoffe, Pfingsten bei Dir zu sein, Kleine. Dann wird Aber gerudert und gearbeitet ! – Vielleicht, wenn mich der Stabsarzt in Berlin gesund schreibt, muß ich zuende dienen. Dann wird geschunden bis zum Umfallen. Es wäre sehr schön, wenn ich schon vor der Front stände bis dahin. Abwarten und Tee trinken. – Jetzt krieg ich grad ’ne Tasse Kaffee mit Cognac; schadet auch nix. Die Alte ist tadellos. Nur Brot gibts nicht mehr hier. Das ist traurig für die Leute und für uns. Etwas, was ich Dir auch sagen will, Du nimmst es mir nicht übel, Lieselott. Wir kriegen täglich einen Vortrag, selbst Sonntags in der Kirche : »Verkehrt nicht mit den Mädels hier. Jede zweite Frau oder Mädchen ist geschlechtskrank hier; das kommt durch die Unsauberkeit und durch das hergelaufne Volk in den Minen.[ « ] Hier arbeiten auch jetzt noch Italiener und allerlei streitsüchtiges Volk. Die jungen Burschen und Mädel verkehren hier zusammen von 12 Jahren an. Die kleinen Bengels sitzen jetzt in den Estaminet und rauchen, spucken und spielen Karten. – Und die meisten Soldaten hier sehen in den Mädels nur sowas wie Kriegsbeute. Die sind auch schon degeneriert, die Mädel hier, mein ich. Na, es ist eine Schande, wenn man wegen einer solchen Krankheit ins Lazarett oder gar als untauglich nach Deutschland muß. Jetzt lag mein altes Regiment »Elisabeth« in Douai. Da hatte das Regt. 100 Fälle an Geschlechtskrankheit aufzuweisen.174 – Gemein, was. Du musst es mir nicht übel nehmen Kleine, wenn ich Dir sowas schreibe. Vielleicht schickt es sich nicht, wenn ein »Bengel«, wie ich, einer jungen

Dame sowas schreibt. Ich halt Dich für verständig genug, dass Du sowas nicht falsch auffasst. Vielleicht schüttelt Madeleine den Kopf, dass ich Dir sowas schreibe. Aber ich will Dir nur unsere Lage hier schildern. Sonst ist ja nix los hier. Selbst die Klaviere und Grammophone sind zugeschlossen. »C’est la guerre.« – Meine Wirtin wundert sich, dass ich soviel schreibe. À votre maîtresse ? fragt sie ? – Heute ist unsere Feldküche kaputt. Wir müssen selbst kochen. Oh, ha ha. Ich lasse mir Pellkartoffeln machen. – Ja, liebes Mädel, das ist der Krieg; dieser verdammte Stellungskrieg, wobei man sich die Schwindsucht holt. So ideal, wie im Gedicht ist die Sache jedenfalls nicht. Nun muß ich schliessen. Ich freue mich jedenfalls schon auf Eure lieben Pakete. Wenn Du mal Geld hast, Kleines, schick mir mal Kekse oder gibts sowas nicht mehr in Berlin. Empfehle mich Deiner wt. Frau Mutter und Deinem alten Herren. Der ist ja jetzt auch mein Vorgesetzter.175 Viele, viele Grüsse und Küsse. Dein Bubi.

Monthois,176 d. 23. 2.15 Meine liebe, kleine Lieselott ! Wir sind schon wieder mal woanders in Frankreich. Liegen in einem Dorf in der Nähe unserer alten Stellung bei Perthes in einer kalten Scheune und denken : Wie schön wars in Waziers. Das kam so : Eines abends so um ½ 10 sitzen wir gerade beim Abendbrot bei Mme. Bernard, da geht die Türe auf und der Mann aus dem Alarmquartier feldmarschmäßig platzt rein : »Schnell alles packen, fertig machen; wir rücken ab.« Wir springen natürlich auf, die Frauen machen ängstliche Gesichter. Na Lieselotte, den halben Abend habe ich schon von meinem Bett geträumt. Denn ich hatte ja jetzt seit 2 Tagen ein eigenes Bett und nun Alarm ! – Da kommt schon der Feldwebel : »Fertig machen, bereit halten. Wir werden verladen.« Wie schade, da ist irgendwo ein Durchbruch oder sowas und nun brauchen sie uns wieder. Packen, fix u.fertig. In 10 Minuten. Unser Reis für morgen, unser Fleisch, alles steht da. Gerade hatte ich mit meiner Wirtin das Essen für morgen verabredet. Baignées177 und süssen Reis. Und nun bei nachtschlafender Zeit abrücken. Wir verabschieden uns sehr herzlich von Mme. Bernard und dann tritt die Kompanie an. Wir marschieren ins Dunkele. Dann steht ein Zug da. Verladen. Lichter blitzen, Kommandos, Pferde wiehern.

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Dann fahren wir. Die Nacht ist so lang. Am Morgen gucken wir raus. Verflixt, wieder die Gegend bei Perthes. Wir kamen in die alte Stellung ! Wir marschieren los. Monthois. Kompanieee haaalt ! ! ! Quartier ! Und nun liegen wir hier im Mist in Reserve. Anstatt in Waziers. Gemein, was ? Soldatenlos. Lange solls nicht dauern. Wir hoffen jetzt auf baldiges Ende. Vielleicht sehen wir uns noch, Lieselott. Ich hab Dich so lieb, Du ! Wenn ich nur erst zurück bin, nicht ? – Mein Jahr diene ich wahrscheinl. erst ab. Nun auf Wiedersehen, mein Mädel. Dein Bubi

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Vouziers, d. 25. 2.15 Liebe, liebe Lieselott ! Wir sind wieder mal woanders. Ich schrieb Dir vorgestern aus Monthois. Heute hatte wir exerzieren und sind kaum draussen, da kommt ein Bote geritten : »Das 1te Bataillon rückt ab nach Vouziers.[ « ]178 Na, es ist ja nicht weit ab vom Monthois, aber wenigstens ’ne Stadt. Also nun und das Säckelen geschnürt. Die Linienspatzen freuten sich. Wohnen da lang im Dreck, Mannschaft und Vorgestellte, da kommt die Garde ins Dorf. Nun auf einmal Strammheit, Paradedrill. Ich hatte nun die ganze Zeit unter diesen Bullen gelebt, alles die Riesenkerle, unter denen ich einer der kleinsten war; und nun kommt man unter die Linienknirpse ! Ach Lieselott. Es ist doch fein, Garde zu sein. Ich will nix sagen gegen die militärischen Leistungen der Linie, aber sonst – ! Die staunten hier Bauchlöcher, als die Griffe knallten. Nun hatten sie mehr Dienst, damit sie’s der Garde an Strammheit gleichtun sollten. Dafür betranken sich viele Kerle abends und rollten im Rinnstein rum. Es kam zu Keilerreien. Manche flogen vierkant in der Gegend rum. Das ist die Garde ! – Jeden Tag gabs Conzert vor der Kirche. Die alten Schlager, die ich so an 100 Mal jetzt bei jeder Gelegenheit gehört habe. Nur die Texte sind öfter anders, noch geistreicher. Under den Klängen des schönen Liedes : »Ich bin der Jup vom Kegelklub, ich schmeiss sie alle nöng …« wurden wir aus dem Dorf geleitet. Im Parademarsch, dass der Schmutz gegen die Fensterscheiben knallte : Nun sind wir seid 4 Uhr nachm. in Vouziers, einem kleinen Garnisonsstädtchen. »Herr, siehe Dein Volk an, es sind alles Zigeuner.« heisst’s bei uns. Alle 5 Minuten woanders. Wo’s brenzlich ist, wo’s was zu stürmen gibt, müssen wir hin. Unser Regiment

heisst das »Sturmregiment« hier. Ein schöner Name, aber wie viel Verluste ! – Vielleicht bleiben wir 2 Tage hier und dann gehts rein ins Vergnügen. Vielleicht bleiben wir auch noch und Dann will ich Dir recht, recht oft schreiben. Post habe ich seit Deinem lieben Brief vor 1 ½ Wochen keine bekommen. Aber schreib mal, Kleines. Ich Denk immer an Dich. Wenn nur der Blödsinn erst alle wäre. Gottseidank gibts schon schöne Tage. Viele Grüsse und Küsse Dein Bubi Empfehle mich bitte auch Deinen wt. Eltern.

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MÄRZ 1915

Vouziers i/ Ardennes 1. 3.15

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Mein einziges Mädel ! Ich laure jeden Tag auf eine Nachricht von Dir. Seit Deinem Brief vom 11. hab ich keine Nachricht von Dir. Hast viel zu tun, Kleine ? – Ich nämlich auch. Ich hab mir vorgenommen, ein Soldat zu werden. Jetzt falle ich auch nicht sooft auf. Ich verwende ungeheure Mengen von Spucke, um meine Stiefel zu putzen; habe jetzt auch Gamaschen in einem Haus »gefunden«. Ich wasche meinen Brotbeutel zum Appell und koche, nähe und stichele alles ganz, was nur gehen will. Die Gefreitenknöpfe, die ich mir damals in Auve besorgen sollte, trage ich aber immer noch in der Tasche ! Heute hatten wir Ausmarsch bei einem ekligen Schneesturm. Wir froren wie die Schneider. Dann schwärmten wir auf einen frischgepflügten Acker. Leider musste ich eine Gruppe übernehmen und nun in der Gegend rumhetzen. Kritik : »Sie müssen sich ihre zivile Höflichkeit abgewöhnen !« Immer laute Kommandos. Und dann hopste ich mit meinen 8 Mann weiter, schreie mich heiser und hörte immer nur den verfl … Unteroffizier : »Ich hör ja gar nischt !« Nun bin ich heiser wie ’ne olle Frau und dann Griffe kloppen : Kann ich so schon nicht ! Nun schneide ich mir noch in den Finger und gleich mit grosser Strammheit bis auf den Knochen durch. Lasse mir die Sache verbinden und kloppe bei jedem Griff nach. Melde mich beim Feldwebel, »Herr Feldwebel. Ich kann nicht greifen. Finger kaputt !« – »Wenn Sie kein Brot schneiden können, dann fressen sie eben keins !« – Liebe Lieselott, was soll ich nun essen ? – Bei der Feldküche scheinen sie jetzt auf die spartanische Einfachheit zurückgekommen zu sein. – Eine Brühe, oben ist garnichts, kein Fettauge, nischt. Guckst Du auf den Grund dieser Brühe, so entdeckst Du etliche Bohnen, Reiskörner, Grieskörner. Fleisch »n’a plus«. Ist aber was drin, so ist’s sehr wenig, meist Fett. Hast Du aber Schwein, so gibts einen sogenannten Kompanieknochen in die Hand gedrückt. Ein Knochen, an dem etwas Fleisch baumelt und an dem man so an 2 Stunden arbeiten kann. – Abends gibts meist noch Extraessen und siehe da, friedlich beisammen : Bohnen, Reis und

Grieskörner. Zur Abwechslung ist das Essen aber so stark gepfeffert, das einem die Tränen vor Rührung kommen. – Gestern hab ich zum erstenmal wieder Kunst getrieben und heut auch gleich einen Gruß vom Sr. königl. Hoheit Prinz Eitel179 bestellt gekriegt. Wir schmückten nämlich unser Heim aus. Wir liegen 7 Mann in einer kleinen Stube auf Stroh, haben einen feinen Ofen; nur raucht er wie ein Schlot. Nebenan liegen 8 Mann und oben in 3 Zimmern ungefähr ebensoviele. Nachdem wir das Haus sauber gemacht hatten, fingen wir an, die Front zu schmücken. Tannengirlanden, Gummibaum Primeln. Und zuletzt mußte ein großer Gardestern gemalt werden. »Wo ist ein Maler ?« [ » ]Natürlich der Kriegsfreiwillige !« Ich suche und finde in einem Haus Buntstifte, richtige Buntstifte. Ich malte den ganzen Abend und kriegte schliessl. einen großen Gardestern raus. Am andern Morgen hing das Ding über der Haustür mit einem Kranz von Tannenreisern rum. Schon kommt Eitel vorbei : »Wer hat den Stern gemacht ?[ « ] »Ein Kriegsfreiwilliger, 1. Comp !« – So, grüssen sie’n von mir ! – Jetzt brauch ich wieder nicht zu frühstücken ! – Eitel ist ein feiner Kerl. Kümmert sich um alles. – Wenn wir nur erst wüssten, wo’s hingeht. Wir kommen aus einem Dorf ins andere, werden alarmiert, kommen wieder zurück. Na, im Graben hab ich mehr Ruhe. Jetzt schreib mir aber bald, Kleine. Ich warte jeden Tag drauf. Gehts Dir denn gut jetzt. Wenn wir erst wieder zusammen sind, nicht Lieselott ? Nun auf Wiedersehen, empfehle mich Deiner wt. Fr. Mutter und Deinem Vater. Viele Grüsse u. Küsse Dein Bubi Wegen zu grosser Dunkelheit konnte ich den Brief nicht mehr durchlesen.

Vouziers / Ardennes 3. 3.15 Meine Lieselott ! Ich will Dir noch sooft wie möglich schreiben, denn wir liegen in erhöhter Alarmbereitschaft. Bei Perthes, wo wir doch einen Monat den Graben gehalten, wurden wir von den 92ern180 abgelöst – Die Brüder kamen aus einer Stellung vor Reims,181 wo sie dachten, sie wären im Frieden, denn sie kriegten kaum was bis dahin und der Hauptmann

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hatte sogar ein Bett im Schützengraben. Nun glaubten sie, daß es hier nicht anders sei, und nachts, wo wir alle auf dem Posten waren, schliefen die Herren. Sie wurden eines Nachts von den Franzosen überrascht und in den Unterständen mit dem Bajonett erstochen. Dann kamen die Franzosen weiter vor und nun mußte der erste Hieb alarmiert werden, um die Sache rauszureissen. Da wurden die Franzosen wieder weit zurückgedrängt, aber 500 Mann vom 2ten Hieb blieben. Und das alles durch die Schweinerei von einem Linienregiment. 800 Gefangene wurden gemacht. – Liebe Lieselott, unsere Alarmbereitschaft ist für ein paar Tage aufgehoben worden. – Wir hatten nur Besichtigung durch S. M.182 Auf dem Marktplatz die Musikkapelle; Wir mit dem Kreuz vorn angebaumelt, als Ehrenposten.183 Wir standen uns eine halbe Stunde die Beine in den Bauch. Dann S. M. Wurde von Prinz Eitel und Prinz Oskar begleitet.184 Die Musik spielte wütend. Oben in der Luft überall Flieger zur Abwehr gegen feindliche – Dann kam der Kaiser mit seinen Stäben an uns vorüber. Es sah vergrämt und blaß aus. Und nun kam das schönste : der Parademarsch der beiden Garderegimenter, des 1ten und 3ten Hiebes. O, Lieselott, das hättest Du sehen müssen. Erst Die Musik. Trommler- und Pfeifencorps, dann die Fahnen und dann im Parademarsch der Rest der beiden Garderegimenter. Die Strassen dröhnten, als die Kompanien vorbeizogen. Soviele Riesenkerle und die schlanken Offiziere, schon sehr viele Cavallerieoffiziere, »Dragoner« und Ulanen vorn an der Spitze.185 Dann folgte die Kritik und eine Stunde später fuhr S. M. wieder weiter. – Hier sind schon einzelne Regimenter aus Russland angekommen. Sonst ist hier nix neues. Ich mußte heut nachexerzieren zur Verdauung der eisernen Portion, die ich aufgefressen habe. Morgen ist Gewehrappell, da hab ich schon wieder Gewissensbisse. Jetzt ists schon dunkel im Zimmer und ich muß mich raussetzen. – Liebe, kleine Lieselotte, jetzt sitzt ich draussen auf einem Hof neben einer Autogarage. Jetzt kann ich besser sehen, als drinnen im Zimmer. Heut war ein ganz warmer Frühlingstag, da macht das Hinschmeissen beim Exerzieren mehr Spaß als im Schnee. Wir machten ein Gefecht nach dem anderen mit unzähligen Annahmen. Stürmten Batterien und feindliche Gräben, dann Parademarsch und Griffe kloppen. Am Nachmittag Spielen und Singen. Dritten abschlagen und Schinkenkloppen. Die alten Kerle freuen sich wie die Kinder. Wir haben noch einen Leutnant ge-

kriegt : Einen Ulanen, sehr netter Kerl. Nun muß ich schließen Kleine, denn ich kann nix mehr sehen. Schreib mal an mich Kleine, du wolltest doch öfter schreiben ! Ich muß jetzt sooft an Dich denken, grad’, wenn so schönes Wetter hier ist. Da wären wir in Berlin zusammengegangen, und ich hätte Dich nach Haus begleitet; wir hätten zusammen gezeichnet; aber jetzt ? – Du bist dort und ich bin hier und weiß noch nicht, was ich alles vor mir habe. Ob ich gesund nach Berlin komme oder ob ich ein Ding verpasst kriege. Vorläufig dürfen wir uns darüber keine Sorgen machen. Wir leben in den Tag hinein und nur für den Tag. Wer weiß, wie’s uns morgen geht. Gott wird uns schon helfen. Nun gute Nacht, Kleine. Denk an mich sooft Du kannst. Ich möchte Dich so gern noch einmal sehen. Viele, viele Grüsse und Küsse Dein Bubi

Vouziers / Ardennes 6. 3.15 Mein einziges Mädel ! Jetzt wirst Du wohl öfter Nachricht von mir gekriegt haben. Neues gibts ja hier nicht zu erzählen. Ein Tag ist so lang wie der andere und hat genau denselben Verlauf. Morgen ist Sonntag, da geh ich in die Kirche hier in Vouziers. Dann ist Stiefelappell, bei dem ich wohl nicht auffallen werde. – Hier heißt’s Italien hat an Österreich den Krieg erklärt. Das wäre sehr faul.186 Hoffentlich ist’s Unsinn. Wir dürfen nicht verzagen, wir müssen ja siegen. Und wenn wir alle fallen. – Doch es wäre schön, wenn uns Gott die Heimkehr, die siegreiche Rückkehr beschert. Wenn ich Dich erst wiederhätte, Lieselott ! – Hast mich noch lieb, das schreib mir mal. Ich warte so sehnsüchtig auf Nachricht von Dir. Es heisst, übermorgen oder Dienstag kommen wir nach Arras in unsere alte Stellung. Da liegen unsere Truppen seit Oktober vor. Bestimmt weiß ichs nicht. Aber es kann stimmen. Morgen gibts 50 Mann Ersatz. Dann wird wahrscheinlich gestürmt werden. Nun wie Gott will. Wenn wir nur den Frieden hätten. Allmählich wird man doch körperlich kaputt. Nun Lieselotte, schreib, schreib sooft Du kannst. Ich hab Dich bannig lieb, das weißt Du, Dein Bubi

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Savigny, 19. 3.15 Meine kleine Lieselott ! Sag mal, warum schreibst Du denn nicht. Bin schon so traurig, machst mich noch trauriger. Hast mich nicht mehr lieb. Hast mich vergessen ? Bin ja auch schon so lange fort. 3 Monate schon wieder. Ich habe glauben gelernt; Damals an Dich, jetzt an Gott. Er hat mich beschützt, als alles in die Luft flog, als die Minen explodierten. Wenige sinds, die unverwundet, wenige, die weggekommen. Oh, der Donner, die Wunden, die Toten. Greift der Franzose an, ist er betrunken, sonst kommt er garnicht. Auch die Zuaven187 werden besoffen gemacht. In den 3 Tagen, die wir in Stellung lagen, wurde das Regiment zusammengeschossen. »Ein Schlachten wars, nicht eine Schlacht zu nennen.[ « ]188 Vor uns im Graben liegt der Gegner verschanzt, 20–30 Meter. Wir könnten uns guten Tag sagen. Da fliegen die Handgranaten und Minen, da fliegen Köpfe und Körper. Es ist grausam, Lieselott. Vor uns liegen Berge von Leichen. Viele von uns; aber meist Franzosen, Turkos, Zuaven. Sie liegen seit 3 Monaten, unbegraben, verwest, zerfetzt. Wenn man einen Graben aushebt, stößt man in 50 cm Tiefe auf verweste Körper. Das war unser Leben hier. Ich will nicht mehr davon schreiben, Lieselott. Du bist zu jung, um das zu fassen. Man wird so gleichgültig, daß man alles wie ein Tier macht. Im Graben liegen welche, denen die Granaten die Hinterköpfe fortgerissen haben. Im Unterstand sitzen zwei Tote wie schlafend. Sie waren ermüdet eingeschlafen. Die Turkos haben sich rübergeschlichen und sie erstochen.189 – Sollte es Gott geben, daß ich Dich nochmals sehen werde, so kann ich Dir vielleicht was erzählen. Dann habe ich hoffentlich viel vergessen. Heut sind wir also in Savigny. Das Wetter ist so schön, so warm. Kein Schuß zu hören. Wir gehen an der Aisne lang. Es ist Frühling, die Kätzchen blühen. Anemonen und Gänseblümchen stehen im frischen Gras, die Kiebitze fliegen zu Haufen herum. Mein Mädel, sei nicht bös, ich muß für heute schließen. Ich muß nochmal hinaus auf die Wiese, in den Wald, ich will an Dich denken, aber schreiben kann ich heute nicht. [ selber Brief ]

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20. 3.15 Du liebe Lieselott ! Ich habe Deinen Kuß gespürt. Schreib, schreib, soviel Du kannst. Ich kam grad aus der Kirche, da kriege ich Deinen Brief. Wie schön ist

das Leben ! – Die armen Kameraden, die den Frühling nicht mehr erleben. Oh, wenn Gott solch morden nicht mehr zuließe. Es war ja so furchtbar. Und nun hört man keinen Schuß, garnichts. Heute haben wir wieder neuen Ersatz aus Berlin bekommen. Ich bin jetzt 6. Corporalschaft, wenn Du mir schreiben willst. – Wir hatten eben Appell und kriegten eine Belobigung von unserem Obersten für den Todesmut, mit dem wir unsere Stellung hielten. – Er wäre ja auch verloren gewesen, wenn die Franzosen durchgebrochen wären. 4 gegen 1 stand das Spiel. – Und unser Major, der gute Papa Grolman, auch ihn hätte dann das Schicksal ereilt.190 Ich war Ordermann eines Leutnants. So mußte ich Tag und Nachts die Befehle bringen. Lieselott es ist so seltsam, nachts ganz allein vom Graben durch den Laufweg an den Leichen vorbeizukriechen. In der ersten Nacht verlief ich mich und irrte übers Feld von einem Granatloch ins andere, bis ich auf einmal Feuer kriegte. Feuer von den eigenen Leuten. Ich war in der Dunkelheit vor die eigene Front gelaufen. Gott beschützte mich und ließ die Kugeln über mich weg gehen. Am Tage rannte ich ums Leben. Eilige Meldungen. Die Hunde hatten ein Maschinengewehr auf dem Laufgraben eingerichtet; kam ich durch, gings tack-tack-tack, so schnell wie eine Nähmaschine und dann lag ich platt auf dem Bauch. Wenns doch Kampf von Mann gegen Mann wäre, aber gegen so ein Maschinengewehr ? – Ich sah Kolonnen Turkos liegen, vom Maschinengew. niedergemäht. Drei, 4 auf einem Haufen. Mein Mädel, ich will Dich nicht beunruhigen. Denk Dir doch mal, wenn ich erst wieder bei Dir bin. Wenns doch schon im Frühling oder Sommer wäre, daß ich Dich sehe. Wenn ich auch nicht frei wäre, ich muß ja mein Jahr dienen, ich sähe Dich ja doch jeden Abend, denn Du würdest doch zu mir kommen, nicht ? Mein Mädel, es ist jetzt Concert. Ich will mich etwas auffrischen, denn ich muß immer an meine armen Kameraden denken. Lebe wohl solange, Kleine. Ich küsse Dich Dein Bubi. [ selber Brief ] Mein Mädel ! Ich ging mit zwei Freunden in den Wald, jetzt gehen wir angeln. Es ist der letzte freie Tag. Morgen ist Dienst. Hoffentlich ist uns St. Petrus günstig gesinnt. Meine Lieselott, ich habe Dich so lieb. Wenn ich nur erst bei Dir wäre. Heute ist wieder Kanonendonner zu hören. Wenn hier

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nicht bald aufgeräumt wird, gibts noch die Pest. Die Franzosen wollen keinen Waffenstillstand, um die Kadaver zu beseitigen. Ich vertraue auf Gott. Er wird helfen. Ich werde Dich wiedersehen, meine Lieselott. Nun auf Wiedersehen, morgen schreib ich Dir wieder. Ich küsse Dich nocheinmal Dein Bubi

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Launois, D. 25. 3.15 Meine liebe, liebe Lieselotte ! Ich habe sie gekriegt, die beiden Pakete, vielen, vielen Dank. Sie kamen grad richtig. Wir lagen doch nach den furchtbaren Schlachten vor Le Mesnil191 in Savigny, dann marschierten wir zum Bahnhof und fuhren bis Attigny; wie schön ist die Gegend. Ihr habt sicher viel Schnee in Berlin, nicht Kleines ? Und hier brennt die Sonne, die Blumen blühen, die Bäume fangen an zu grünen. So schön ist das Leben ! – Nun Lieselott, vielleicht sehe ich Deutschland bald wieder. Wenn sich bis dahin nichts ändert kommen wir nach Russland, um dort ein bischen zu kämpfen. Wir sollen jetzt bis 28 hier bleiben in Launois, dann nach Kolmar ( ? ).192 beschwören kann ich’s ja nicht. – Meine Lieselott, ich stoße mit Glühwein mit Dir an : »Auf ein recht glückliches Wiedersehen !« – Ich hab Dich so lieb, Du ! Hier in Launois hab ich mir hab ich mir mit einem Kameraden ein Zimmerchen »gemietet«. Letzte Nacht lagen wir in St. Loup Terrier.193 Überall sind hier kleine Holzkreuze am Weg : »Hier ruht ein französischer Krieger !« – »Hier schlafen den letzten Schlaf 6 Deutsche Krieger !«194 Aus Erdhügeln schauen Pferderippen und Schädel heraus. Aber die Spuren sind alt. Die Leute sind so nett und neugierig, Sie haben fast kein Militär gesehen. Der Krieg ging sehr schnell an Ihnen vorüber. Viele sind fort. Die Weinkeller sind noch unversehrt. ( Jetzt nicht mehr ). Wir kauften uns Eier, ließen sie kochen, tranken Most und Milch dazu ( abführend. ) Dann machte ich Das 2te Paket von Dir auf, Schokolade, Glühwein, Salicyl[ … ]: »Laß es Dir gut schmecken ![ « ] Stand oben drauf. Du liebes Mädel. Ich denk auch immer an Dich. Heut früh marschierten wir 4 Stunden immer Berg auf und ab. Doch die Gegend war so schön so friedlich. Ich wurde gar nicht müde. Jetzt spüre ich aber meine Füße. – Also ich hab ein Zimmerchen. Es ist vom gröbsten Dreck gereinigt. Hat 3 Eingänge ! durch alle 3 Eingänge gehen Kameraden ein

und aus, Einer steht immer offen. Es zieht so lieblich. Ich habe meinen Brotbeutel voll Kartoffeln geklaut. ( Entschuldigung. ) Jetzt haben wir Pellkartoffeln gekocht, ( Das Feuer schmökt, daß wir immer weinen müssen ), darum Kakao ( Ich muß mal raus, Luft schnappen ) – Also, Lieselott, es ist tadellos. Wenn ich wiederkomm, dann kann ich kochen, aufwischen, Stiefel putzen, sogar Brot schneiden ( aber noch nicht so gut ) Das soll ein Leben werden. Wir haben ausserdem eine schöne, kupferne Pumpe in der Stube, sie geht leider nicht, doch sie schmückt den Raum. Wir essen jetzt von schönen Porzellantellern. Ein ganzer Schrank voll steht hier. Für jede Kleinigkeit haben wir einen andern Teller genommen, ( Sieht sehr vornehm aus ) Und die Bude schmökt. Igitt; Ich hab ein paar Bauernholzschuhe an. gehe in Hemdsärmeln und suche in diesem Haus einen Keller. Denn Wein ist überall versteckt. Im Schloß schwimmt der Keller schon. Da sind sie glücklich dran geraten. – Na, meinetwegen. Wir sollen bis 28. hier bleiben, ist gesagt worden. Heut ist der 25te, da bleiben wir 3 Tage hier. Hoffentlich ist kein Dienst, denn ich muß erst lernen. Wenn nur der Mist nicht solange dauert. Ich hab solche Sehnsucht nach Euch. Nach Meinen Eltern, nach Dir. Weißt Du Lieselott. Ich gehe aber noch mal sogern ins Gefecht, weil ich weiß, daß Du an mich denkst, daß ich Menschen hab’, die für mich beten. Wir müssen siegen. Wie lang es auch dauern soll. Nun lebe wohl, Lieselott, viele innige Grüsse Dein Bubi

Launois, 27. 3.15 Meine Lieselott ! Jetzt erst, Abends gegen 11 Uhr, kann ich Dir schreiben. Ich hatte den schönen Auftrag, an unseren verwundeten Lieutenant einen Brief von 8 Seiten zu schreiben. – Am Nachmittag war ich mit 2 Kameraden spazieren gegangen. Soweit Du sehen kannst, stehen hier in Gärten, am Wege, auf der Wiese weiße Holzkreuze. Kein Name, nur Nummern stehen drauf. Wir gingen von einem zum anderen. Da fiel uns die Menge Wäsche auf, die überall rumlag. Deutsche Militärwäsche, Französische Käppis, Schanzzeug,195 Bürsten u.s.w. liegen auf dem Feld rum. Und hinter den Hecken in kleinen Abständen Häufchen von abgeschossenen Patronen. Teils deutsche, doch meist französische. Da liegt eine

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Zeltbahn,196 Schuß um Schuß durch. Das war ein Maschinengewehr. Hier muß eine Schlacht stattgefunden haben. Wir fragen einen Bauern. Am 28. August wars. Da kämpften hier Deutsche Truppen. Wir fanden wieder einen Mantel vom 178. Regt., auch die Stempel auf den Büchsen und Seitengewehren waren 178. Französische Käppis vom 49. Regt. und Uniformknöpfe von der französischen Marineinfanterie lagen rum. Es sollen hier 6. 000 Deutsche und 1. 500 Franzosen gefallen sein. – Von den Verlusten erfährt man ja garnichts, das kriegt man alles erst nach dem Krieg zu wissen. Weißt Du wenn bloß Schluß wäre. Ich hab’ schon Sehnsucht Nach der Heimat. Und nun sollen wir nach Russland kommen oder ins Elsaß an eine schöne, kitzliche Stelle. Ich kann garnicht an ein Wiedersehen glauben. Und nun ist Przemysl gefallen.197 Mein lieber Vetter aus Österreich ist auch drin. Hoffentlich lebt er wenigstens noch. Es sollen ja 50. 000 Österreicher gefangen sein. Das ist ein sehr sehr schwerer Schlag für uns. Nun, Schluß vom Krieg. Ich möcht Euch gern noch mal sehen ! Hoffentlich gehts nun nach Kolmar. – Heut haben wir fein gelebt. Selbst gekocht ! Braten, in weiß nicht, was für welcher. Bratkartoffeln. Eierkekse in Butter gebraten, Cognac, Wein, Kaffee mit Milch. Wir essen den ganzen Tag. Das Kochen macht Spaß. Wir amüsieren uns wie die kleinen Kinder. Manchen Leuten sind meine Knöppe ein Dorn im Auge ( Komische Sache ). Ist mir Wurst. Es geht mir tadellos jetzt. Auf ein glückliches Wiedersehen, Kleine Dein Bubi

Poix-Terron 30. 3.15

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Meine liebe, kleine Lieselott ! Hab’ vielen Dank für Deinen lieben Brief. Auch mir geht die Zeit so langsam hier. Weißt Du, wenn’s draußen so schön ist, wenn die Sonne so warm scheint, dann sehnt man sich immer mehr nach Haus. Ich sitze jetzt hier in Poix-Terron im Eisenbahnabteil.198 In einer halben Stunde fährt der Zug nach – Deutschland wahrscheinlich. Wir sollen 2 Tage fahren. Also kanns doch nur Deutschland sein, denn bis Paris gehts ja jetzt noch nicht.199 Draußen spielt die Kapelle die alten Schlager. »Puppchen«, »Wenn ein Mädel ….«, »Es war in Schöneberg«. Da muß ich wieder an die B. W. K. denken, da haben wir doch wohl diese schö-

nen Couplet’s gehört. Die armen Kameraden, die das nicht mehr erleben. Ich muß bei solchen Gelegenheiten immer an sie denken. Vielleicht sind sie noch nicht einmal alle begraben. Wir waren gestern so lange wach und erzählten uns von der Heimat. Vom Frieden, der bald kommen muß. – »Ich hatt einen Kameraden –«200 spielt die Kapelle draußen. Es ist ja so traurig. Man lernt einen netten Kerl kennen. Nach dem Gefecht sieht man ihn nicht mehr. Tot oder schwer verwundet oder vermißt. – Liebe Lieselott, es muß ja doch anders werden. – Jetzt fährt der Zug. Frankreich lebwohl. Hoffentlich auf Nimmerwiedersehen ! – Rußland, wenn wir dahinkommen ist noch mistiger. Nun vorläufig Schluß, Mädel, sonst kannst Du garnichts mehr lesen. [ selber Brief ] Sedan 5 Uhr nachm. Meine Lieselott ! Hier will ich den Brief einstecken. Ich hab während der Fahrt geschlafen, denn gestern war ich ja so lang auf. Eben haben wir gegessen. Draußen kommt der 2te Hieb an, da muß ich fix schreiben, denn jetzt werden wir wohl abfahren. Also lebwohl, Lieselott, denk an mich, jetzt am Osterfest. Das kann ich nur in der Heimat feiern. Auf ein recht glückliches Wiedersehen Dein Bubi

31. 3. Bahnfahrt Meine Lieselott ! Sende Dir viele Grüsse aus Zabern.201 Sind bald am Ziel. – Es geht tadellos jetzt. Nun Schluß jetzt. Auf Wiedersehen. Schreib bald wieder. Bubi

Barr / Elsaß 31. 3.15 Meine Lieselott ! ’S ist zwar nicht nach Kolmar gegangen, sondern bis Barr im Elsaß.202 Wir gingen zur Bahn, fuhren 2 Tage. Ich schrieb Dir einen kurzen Gruß

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aus Zabern; Es geht mir tadellos. Liebe Lieselott, wir kommen in Barr an. Überall Weinberge. Ich hab sie mir auch anders vorgestellt. Jetzt sieht man hier nur lauter, lauter Besenstiele, einer neben dem anderen, mit einem bissel Gerank rum. Mit Militärmusik und Hurra gings in die Stadt. Wie schön, wieder eine deutsche Stadt. Es ging durch viele Gassen, so winklig wie z. B. Nürnberg. Die Leut scheinen teils nicht freundlich, meist alte Weiber. Dagegen die jungen schauten sehr fröhlich drein : jetzt gibts Einquartierung : jeden Tag Musik ! Man muß das Leben nehmen wie’s ist. Ich darf nicht an den morgigen Tag denken. Vielleicht gehts morgen schon in den Graben. Es scheint sich hier was zu entwickeln. Für die allgemeine Entwicklung ist das vielleicht sehr gut, für uns weniger. Wir haben ja so schon nur die Hälfte Leute. Wir werden wohl am Hartmannsweiler Kopf oder darum arbeiten müssen. Das gesamte Garderegiment ist hierhergebracht. Mir schwant so was von einer allgemeinen Offensive. – Na, Gott wird auch hier helfen. – Am Marktplatz wird angetreten. Der Feldwebel hat eine Handvoll Zettel. »Poststraße 16« 2 Mann. Ich schnappe den Zettel und haue mit meinem Spezi ab. Wir gehen nach Portstraße 16 – Eine ehrwürdige alte Dame, sowie eine etwas jüngere, minder ehrwürdige öffnen und wir spazieren in eine nette kleine Stube. Wir kriegen warm Wasser zum Waschen, Mädel, – eine feine Suppe, Braten, Makroni, Kaffee und eine große Flasche Wein. Das ist ein Leben. Ja, das ist der Krieg. Mal Tod und Grauen, dann wieder so ruhig und schön. Man empfindet beides desto stärker. Nochmals, Kleines, schreib recht, recht oft. Empfiehl mich Deiner wt. Frau Mutter und vergiß mich nicht. Dein Bubi.

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APRIL 1915

Barr d. 2. 4.15 Meine liebe Lieselott ! Habe lang nix von Dir bekommen. Schreib mir doch wieder mal. Es geht mir jetzt ausgezeichnet. Ich werde wieder rund und ärgere mich über gar nix mehr. Eins muß ich Dir sagen : Wir haben jetzt eine strenge Zensur hier. Es ist verboten, militärische Sachen in dem Brief zu ­schreiben und ausserdem muß der Brief offengelassen werden. Nun, Lieselott. Was ich Dir zu sagen habe, weißt Du ja alles. Ich kann und mag nicht alles, was ich denke, zu schreiben, da ich weiß, daß die Briefe alle durchgelesen werden. Ich habe Dir ja viel zu sagen und ich hatte schon einen Brief an Dich geschrieben. Nun habe ich ihn wieder aufgerissen. – Was wir tun und treiben, kann ich Dir nun nicht schreiben, höchstens daß wir abends einen gemütlichen Stadtbummel machen und daß es hier sehr guten Wein gibt. Du brauchst nicht zu denken, daß ich oberflächlich bin. Aber wir müssen uns erholen. – Was macht die B. W. K. Mom hört ja gar nix von Euch. Warst Du auch wieder bei Käthe Kollwitz, Lieselott ?203 – Wie gehts Deinem alten Herrn jetzt ?204 Und sag mal, was macht Don Carlos ?205 Ich schrieb ihm in der ersten Zeit, kriegte aber nie Antwort. Da ließ ichs sein. Er ist doch noch an der B. W. K. ? – Und Kati ? – Schon wiedergekommen ? Oder trefft Ihr Euch nicht mehr ? – Hat mir auch lang nicht mehr geschrieben. Überhaupt ich kriege keine Post. Antworte nur recht bald, Lieselott ! Bis dahin viele, viele Grüsse Dein Bubi

Barr, d. 12. 4.15 Meine Lieselott ! Sag mal, warum schreibst Du denn garnicht ! ? Was ich von Dir höre, ist entweder von Madeleine, oder von meiner Mutter. Hast’ wirklich keine Zeit, Lieselott ? – Du bist also nicht mehr auf der B. W. K. – sondern auf

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der Charlottenburger Kunstgewerbeschule.206 Mußt mir auch mal was drüber schreiben. Du weißt ja, wie lieb ich Dich hab und wieviel ich von Dir hören möchte. – Mir gehts hier sehr gut. Jetzt ist wieder Geld da, nun wird anständig Kaffee getrunken, Kuchen gegessen. Wir vertilgen jetzt unendliche Mengen Kuchen. – Ich möcht mal in Charlottenburg mit Dir sein. Ich hab mich bannig gefreut, als ich mir sa von meiner alten Dame hörte, daß Du öfter bei ihr bist ! Besuche sie recht oft, Kleine. Kati war ja neulich auch da. Sie ist auch nicht mehr auf der B. W. K. Nun sind wir glücklich alle auseinander. Ach, weißt Du, ich könnte heut wieder mal alles an die Wand pfeffern. Schreiben kann ich Dir nicht, was ich will, geimpft werden wir heute auch noch. Lieselott, ich möchte erst bei Dir sein. – Wir rennen jetzt in der Stadt rum, trinken Kaffee, Wein, Bier, essen, schlafen. Dann ist der Tag rum. – Man wird auf die Art immer oberflächlicher. Weißt Du, kannst Du mir nicht mal ein nettes Buch schicken ? – Such nur selbst eins aus. Nur vom Krieg soll nix vorkommen drin. Den machen wir uns allein. Nun muß ich Schluß machen. »Antreten zum Impfen !«207 Schreib mir mal einen recht, recht langen Brief, ­Kleines. ich möcht doch auch mal was von Dir selbst hören. Leb wohl solange sei innigst gegrüßt von Deinem Bubi

In den Karpathen208 28. 4.15

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Mein einziges Mädel ! Solange durfte ich nicht schreiben ! Jetzt ist die Sperre aufgehoben.209 Zuerst meine innigsten Glückwünsche zu Deinem Geburtstag. Ich weiß nicht, wie die Post in dieser polnischen Gegend geht. Doch hoffe ich, daß Dich dieser Brief rechtzeitig erreicht. Ich wäre gern da gewesen und hätte Dir persönlich gratuliert. Aber nun gibts noch so viele Russen und die Österreicher werden nicht fertig.210 Wer muß ran ? – die preußische Garde ! Große Ehre. Der Russe wird Maul und Augen aufreissen, das Gewehr wegschmeissen und die Händchen hochheben. Wir fahren 4 Tage mit der Bahn. Überall Hallo, Gebrüll, Gepfeife. Begeisterung ! Bei Myslowitz211 über die Grenze. Servus, Servus, Kameraden. Drüben fährt ein Zug mit Österreichern ein. Heil, Heil, brüllen die Ker-

le und wir Hurraaaah ! Daß die Wände wackeln. Nachts werden wir ausgeladen, marschieren bis zum Blödsinnigwerden. Jeden Tag, jeden Tag. Gluthitze, Staub, kein Wasser, schlechte Chausseen, Berg rauf und runter. Dieses verf ….. Galizien. Der Affe zieht einen runter. Wir arbeiten bis zum Umfallen. Sind keine langen Märsche mehr gewöhnt. Gestern auf der Chaussee fängt der Unsinn an. Es saust, pfeift, platzt über uns. Knallt ! Schrappnells. So aus heiterem Himmel, Na, da merken wir, daß wir ziemlich nahe bei den Russen sind. Nun liegen wir hier 400 M hinter der österreichischen Stellung. Über uns weg pfeifen Infanteriegeschosse. Oben surren die Flieger, Schrappnells platzen ganz oben. »Wie im Frieden. Der Russe liegt 1200 M vor uns. Er spart Munition. Und denk Dir Lieselott, auf dem Feld zwischen uns und den Russen arbeiten die Bauern. – Die Ungarn erzählten uns gestern. Wenn die Österreicher zu doll schießen, kommt ein russischer Parlamentär rüber und beschwert sich. Ausserdem kommen tägl. 20–30 Russen rüber, die die Nase plein haben.212 Wenn wir das in Frankreich gemacht hätten. Denk an le Mesnil.213 Am hellen Tag laufen die Leute aus dem Graben und holen sich Kaffee und Essen aus den Küchen, die unten im Tal stehen. Na, es wird ja nicht lange so bleiben; Dann wird gestürmt ! Und dann werden die Russen merken, daß sie keine Österreicher vor sich haben ! – So lebe nun wohl, meine Lieselott ! Verbringe Deinen Geburtstag gut und Denk an mich. Dein Bubi Karpathenpollack

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MAI 1915

25  Lieselotte Friedlaender ( r. ) und Sabine Lepsius im Kimono, um 1915

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Auf der Russenjagd d. 6. 5.15 Mein Mädel ! Hurra, wir leben noch. Wie hast Du Deinen Geburtstag verlebt ? – Hast an mich gedacht ? – Ich liege hier auf einer Wiese in der Nähe des San :214 Die Batterien knattern, in der Luft surrt ein Flieger und wir sind alle glücklich und zufrieden, haben nur Riesenhunger. O diese Feldküchen. Unten arbeiten gefangene Russen. Eben hat man sie geschnappt, da drückt man ihnen einen Spaten in die Hand und sie müssen für die Artellerie Wege bauen. Ulkig ! Trotzdem sind sie sehr vergnügt. Sie sind ja jetzt in Sicherheit. Unsere beileifigen K. u. K. Bundesbrüder sind auch serr entzückt. Meist sind es Honvedtruppen,215 Ungarn, die kein Deutsch verstehen. – So leicht hätte ich mir ja die Sache nicht vorgestellt. – Kaum hauen unsere und K. u. K. Granaten ein, da kneifen sie aus oder verkriechen sich. Als der Sturm begann, schossen wenige. Die meisten saßen in den Unterständen und beteten. Fromme Leut, aber mit Beten allein kann man keine Gegner schlagen, Gott will auch die Tat sehen ! Die Gefangenen sehen alle sehr gut aus. Meist riesige Kerle. alles Gardemaß. Wenn sie sich gefangen geben, nehmen sie ihren Tabak und ihr Kochgeschirr, Wäsche u.s.w. mit. Gewehre u. Bajonett lassen sie hübsch liegen. Nun sind wir seit 6 Tagen ununterbrochen hinter den Russen her. Sie haben bis jetzt in 4 Tagen 71. 000 Gefangene, 115 Maschinengewehre und 50 Geschütze verloren. – Ja, so gehts in Russland. Wenn ich nur erst bei Dir wäre, Kleine. Schreib mir doch mal. Hier in diesem polnischen Land ist es ein wahrer Genuß, mal wieder was deutsches zu lesen zu kriegen. Also, schreibe, Lieselott. Ich hab solange nichts von Dir gehört. – Die Russen schmeissen jetzt mit Granaten. – Ich denk immer an Dich. Nun auf Wiedersehen. Meine Lieselott, schreibe Dir noch oft. Wie gefällts Dir auf der »Charlottenburger« ?216 Viele innige Grüsse Dein Bubi 179

1ter Tag Ruhe 13. 5.15. Mein Mädel ! Sitz hier mit einigen Kameraden in einem Baumhaus. Es ist 11 Uhr abends. Wir warten auf die Feldküche.217 Den ganzen Tag nix gegessen. Der Bauer gibt uns Kartoffelbrei. Schmeckt blendend heiß. –

[ selber Brief ] 13. 5.15. nach blödsinnigem Marsch.

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Liebe, liebe Lieselott ! Hab vielen Dank für Deinen Brief. Aber liebes Kindel, schreib mir doch bitte mal was ausführliches, oder hast Du für mich jetzt weniger Zeit, wie für Deine »plötzlich auftauchenden Verwandten« ?218 – Na, Kleines, also der nächste Brief wird länger. – Wir sitzen den Russen auf der Pelle von morgens bis abends, sie rennen, rennen und wir müssen hinterher. – Mit Berlin ist’s n’a plus, da mein Lieutenant zerschossen ist und ich bei dem neuen keine Nummer habe. Also warten wir ab, bis der Krieg zuende ist. Hoffentlich recht, recht bald, denn ich möchte doch mit Dir, meine Lieselott, noch rudern und rumtollen. Ich denk, wir sind bald mit den Russen zuende. Vorgestern wurde ein ganzes Regiment, 1 Geschütz und 4 Maschinengewehre ohne Widerstand gefangen genommen. Überhaupt die Russen. Viele haben jetzt nur eine Ausbildung von 14 Tagen ! Es sieht immer komisch aus, wenn nach der Kannonade in einer Feuerpause auf einmal überall weiße Fahnen geschwenkt werden und dann ganze Haufen Russen im »Marsch-Marsch« den Hügel runtertoben. »Wenn Ihr Germans nicht soviel schiessen würdet«, sagte neulich einer, »würden viel mehr überlaufen.[ « ] Doch auch dieser Kampf fordert Opfer. Schon sind viele durch die blöde Knallerei der Russen verwundet oder gar tot. Für ein paar Tage ist unser Hieb in Reserve. Wir schlafen nicht mehr auf freiem Feld, sondern in Scheunen. Weißt Du, neulich gingen wir über die Wislocka.219 Da zogen wir uns Schuh und Strümpfe aus. – Die Russen waren ja schon am Auskneifen, und gingen über den Fluß. Alles spitze Steine, der Fluß so 40 M breit und dann ist man das Böschungslaufen nicht gewöhnt. Da habe ich mir meine Füße kaputt gemacht. Ein paar Tage später kamen wir an den Wislock.220 Drüben auf einer Höhe saßen Russen und wir stürmten von einer anderen Höhe ins Tal. Die Hunde schossen wie rasend. Sinnlos hoch. Dann sausen wir über die Wiese mit Schuhen ins Was-

ser, planschen durch. Jetzt sind wir im toten Winkel; Das Heißt die Russen kriegen uns nicht mehr mit ihren Knarren. Nun tobt hinter uns die Artellerie los. Schuß auf Schuß in die Russen, ein Maschinengewehr arbeitet. Nach 10 Minuten ist Ruhe. Wir kommen rauf. Kein Russe ist zu blicken, ausgekniffen ! So gehts jeden Tag und jede Nacht. Zum Auswachsen ! – Meine Lieselott, wenn nur der Quatsch erst zuende wäre. Nun muß ich schließen. Viele innige Grüsse und K … Dein Bubi.

16. 5.15 Mein Mädel ! Bitte schreib mir doch mal wieder ! – Wir liegen augenblicklich ausgeschwärmt auf einer Wiese. Vom Feinde nicht bekannt. – Ich höre nur, daß die Artellerie die ganz unverschämt neben mir ballert, bis 5500 schießt. Da können wir immer noch 5 km rennen, bis wir die Russen haben. Es geht gleich weiter. Wir hatten 2 dicke Gefechte am 13. und 14. 221 – Gestern in Reserve. Zur Ruhe kommen wir wohl nicht mehr. Man ist kaputt, schlimmer kann mans ja nicht werden. Aber es ist eben Krieg. – Jetzt gibts Erdbeeren im Wald, bald sicher Brombeeren und Himbeeren, vielleicht auch Kirschen, dann gehts ja noch hier. Aber wir sollten nach Breslau in Ruhe kommen. Nun hat Italien den Krieg erklärt, da werden Truppen gebraucht und mit der Ruhe ist’s nischt und wir könnten sie sogut gebrauchen !222 – Es regnet schon wieder. Will Dir nachher weiterschreiben, Kleines

[ selber Brief ] 3 Stunden später 6 Uhr nachm.

Meine Lieselott ! Wir sind wieder 5 km vorgerückt. Jetzt hören wir Gewehrfeuer. Ich glaube nicht, daß wir heut abend noch das Gefecht einleiten werden. Gegessen haben wir seit gestern mittag nix. Mein Mädel, soll’s denn garnicht anders werden ? Das Feuer wird jetzt ganz wild. In diesem dichten Wäldchen hier kann man kaum laufen und noch weniger sehen. Und mittendrin ist dann ein russischer Graben, sind Maschi-

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nengewehre eingebaut. Und dann prasselt und kracht es auf einmal in den Wald rein. – Wenn nur die Küchen erst kämen. Ich hab einen Hunger. Du weißt garnicht, Lieselott, was Hunger ist. Ich dachte früher auch, ich wüsste es schon. Jetzt hab ichs kennen gelernt.223 – Die Russen schiessen jetzt mit Schrappnells und schweren Granaten, Aber näher, 1–2 km vor uns. – Gibts nicht bald Friedensverhandlungen ? Weisst Du, es ist nämlich garnicht schön, so in der Immerhitze rumzurennen. Immer durch Wiesen und Getreidefelder. Der Roggen steht schon Mannshoch. Ich möchte nicht verwundet im Roggen liegen. Da wird man nie gefunden. – Hoffentlich bleiben wir die Nacht hier im Dorf. Vor uns sind K. K. B. B. und Füseliere. – Liebe, liebe Lieselott, schreib mir so bald wie möglich und wie Du mit Lilli Henschel stehst damit ich beruhigt bin oder zur Offensive greifen kann. Hast mich noch lieb ? – Schreibs mir auch ! Nun muß ich schliessen, das Feuer hat aufgehört und wir gehen, glaube ich, doch noch weiter. Lebwohl, Lieselott und vergiß nicht Deinen Bubi

bei Jaroslow 21. 5.15

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Meine Lieselott ! Sag mal, was ist mir Dir eigentlich. Du weißt, ich würde mich doch so freuen über jede Nachricht von Dir. Schreib doch, Kleine. Oder bist Du so beschäftigt auf der Schule ? – Wir sollen jetzt wieder etwas Ruhe kriegen. Nach 4 Wochen Strapazen. Von unserer Beute wirst Du ja schon gelesen haben. Wenn unsere K. u. K. Bundesbrüder etwas mehr Courage hätte, wäre Russland bald fertig. So dauerts noch ne Weile. Italien soll nun auch noch angefangen haben. Es ist manchmal zum Verrücktwerden. Da möcht ich die Flinte ins Korn schmeissen oder allein einen Sturmangriff machen. Sag mal, was machst Du so den ganzen Tag ? – Denkst Du noch manchmal an mich ? Ich sitze augenblicklich unter einer Leiter und schreibe, unsere K. u. K. Bundesbrüder sitzen die ganze Zeit hinter der Front rum. fressen und saufen, pardon, und amüsieren sich. Wir sollen aufpassen, daß die Russen nicht durchkommen. Wenn ich nur erst bei Dir wäre. Hier ist’s ja ganz schön teilweise. Überall Obstbäume, frische Saat. Aber teils unsere teils die russi-

sche Artellerie schießt alles zusammen. Die Häuser brennen wie Zunder. Das Vieh verbrennt, die Saat wird zerstampft. Überall liegen Tote. Der Krieg ist schrecklich, Lieselott. Doch wir wissen, wofür wir kämpfen. Du auch ? Wenn der Russ erst ganz erledigt ist, wird wohl der Welsche224 auch Schluß machen. Mein Mädel, sollte ich zurückkommen, dann wirds schön werden. Wir wollen zusammen arbeiten und wieder spazieren gehen. Wie schön wars damals in der B. W. K. Komme ich zurück, dann gehe ich wohl auch auf die »Charlottenburger«. Jetzt muß man sich mit Russen und Ungeziefer rumschlagen. Also, hörst Du, Kleines, schreib bald und viel. Nun auf ein recht baldiges Wiedersehen. Dein Bubi

Vor Przemysl, im Unterstand, am 31. 5.15 Meine kleine Lieselott ! Jetzt hast Du mir einen so langen Brief geschrieben. Ich habe mich so gefreut drüber : hab vielen Dank. Ich adressier’ diesen Brief an Deine Adresse in Steglitz denn – ich kann nur entziffern, daß Du in Dresden bist, auch »Neustadt« habe ich rausgekriegt, aber was ist das für eine seltsame Straße : Generalkochstr ? Querallee ? ? Parallel ? ? ? Liebes Kindl, ich krieg sie nicht raus, wohldem ich die ganze Nacht Wörter gebildet habe, die ungefähr die Buchstaben haben, die Du da aufgeschrieben hast. Nun höre ich zu meinem furchtbaren Schrecken, – während des ganzen Feldkrieges habe ich keinen gehabt –, daß Du in Lillis Polypenarme gerannt bist, daß sie Dich fest und fester umklammert.225 Mein Gott ! Sie hat ja recht, Lieselott, ich bin verworfen und zwar nach Przemysl; wenn ihr das nicht verworfen genug erscheint, weiß ich nicht, was sie für Ansprüche stellt.226 Frag sie mal. Ihr nennt sie Klette, ausjezeichnet ! Liebes Mädel, ich mußte die Schrift zu einem Kreuz machen. Gestern fiel einer unserer Leute ! Jetzt will ich Dir weiter schreiben ! Du hast sicher in Bienchen227 eine sehr, sehr gute Freundin gefunden und brauchst Lilli nicht. Grüße Bienchen von mir und an Lilli Henschel erkläre ich den Krieg ! ! ! !

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Eben war Alarm ! Man kommt doch nicht zur Ruhe. Ich koche Kartoffeln. Da kommt der Adjutant : »1te Compagnie fertig machen !« Au Backe, meine Kartoffeln ! – Erst verbrenne ich mir die Finger, stürze mit dem Kochgeschirr zu meiner Hundehütte, packe, esse dazwischen, verbrenne mir die Schnut. Jetzt bin ich fertig : umgeschnallt, Helm auf, Gewehr und Kochgeschirr in die la main. Schnell essen. Ich merke, unten ist die Sache verkohlt, oben zu kalt. Ich schlinge das Kochgeschirr runter, heiß, heiß. Da kommt der Herr Oberst : Ich wollte nur sehen, in wieviel Minuten die Kompanie fertig ist. Verfl …. Darum esse ich verkohlte Kartoffeln und verbrenne mirs Maul ! Unerhört ! Siehst Du Lieselott, mit uns können sie’s ja machen. Aber eine Wut hatte ich. Nun habe ich Leibschmerzen und Durst dazu. Weißt Du Lieselott, wenn Du noch recht viel Geld hast, kannst Du mir bitte etwas schicken. Ich verhungere hier nämlich. Morgens Kartoffeln, nachmittags Erdäpfel, nachts Suppe und Kaffee. Bitte Dich um etwas Schokolade, Keks oder reinen Würfelzucker. Nimms nicht übel, wenn ich Dich anschnorre, aber ich bin in Galizien. Du weißt nicht, was das bedeutet.228 Nun lebewohl meine ­Lieselott, ich küsse Dich in Gedanken. Dein Bubi

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JUNI 1915

26 Das 3. Garde-Regiment zu Fuß, in dem

Bruno Jacob kämpfte, im Angriffskrieg in Russland, 1915

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Vor Przemysl, d. 5. 6.15 Meine Lieselott ! Servus und noch amal Servus ! Wir sind immer noch treu verbrüdert, und führen jede Offensive zusammen durch. Wir nach vorn, die K. K. B. B. nach hinten. Przemysl ist gefallen !229 Durch unser Hurragebrüll darüber im Schützengraben rissen die Russen aus den vordersten Gräben aus. Wenn die verfl …. Artellerie nicht wäre ! – Zwar würde ich noch immer schreien : »Viva la guerra !« Aber es wäre gemütlicher. Trotzdem ist unsere Stellung hier blendend. Wir haben jetzt Drahtverhaue und spanische Reiter, 2 Sappen230 mit je einem M. G. und Handgranaten. Nun soll der Russ kommen. Die K. K. B. B. schiessen die ganze Nacht aus Angst vor den Russen Leuchtkugeln ab, alle halbe Minute und wenns kitzlich wird alle 10 Sekunden. Alles strahlt und der Russ verkriecht sich in seinem Loch. Allmählich werde ich wieder runder. Wenns Dich interessiert, will ich Dir mal mitteilen, was ich esse. Morgens 6 Uhr Kaffee mit »trocken Karo«,231 8 Uhr nochmal. 10 –12 heisse Kartoffeln, so 2–3 Pfund, um 2 Uhr den Rest, um 4 Uhr Kaffee mit tr. Karo, dann längere Pause, da schlaf ich, um 8 kocht unsere Feldküche, 2 Kochgeschirre mit Essen, dann tr. Karo. Nachts je nach Bedarf. Jetzt kommen wieder Pakete, Also ess’ ich zwischendurch mal Schokolade, Bonbons und Kekse.232 So geht’s uns allen. Wir klagen mächtig über Hunger. Jedes Huhn, das über den Weg läuft, wird als russenfreundlich angesehen und unter Spionageverdacht abgemurkst. Wir haben jetzt große Routine darin. Darum kommt jetzt die Schweinejagd. Unsere Konkurrenz, die Artellerie, fängt uns zwar die meisten weg, doch kriegen auch wir genug Borstenvieh zu fassen. Die Dörfer sind ausgebrannt; der Bauer, an den wir zu zahlen hätten, gerade nicht da; jup ! wird ein Schwein erschossen oder erschlagen. Die Österreicher kriegen einen wunderschönen Begriff von uns. Sie behaupten, wir hausen noch schlimmer wie die Russen hier.233 C’est la guerre. Ich glaube zwar auch, daß manchem Russen die Haare zu Berge stehen würden, wenn er uns hier arbeiten sieht. Häuser werden systematisch in ihre Bestandteile zerlegt und daraus Brennholz, Holz zu unseren Unterständen, Kreuze für unsere Gefallenen u.s.w. zerlegt. Ja Lieselotte, ich möchte nur, daß die Sache bald alle wird. Am 11.11. soll Frieden sein. Paß auf : 70 / 71 war der Frieden am 10. Mai (10. 5. ), daß kommt so raus :

1870 + 1871 = 3741, also 3741, die Hälfte, davon 3. 7. / 4.1. und addiert 3+7 = 10 / 4+1 = 5, also 10. 5. 

stimmts ? nun : 1914 + 1915 = 3829, die Hälfte 38 / 29, 3+8 =11 2+9 =11 : Frieden am 11.11. ! ! Wenn nun die Verhandlungen noch früher anfangen, haben wir vielleicht bald Ruhe. Hoffentlich ist der Frieden noch früher da. Es grüße und küße Dich Dein Bubi

Donnerstag 10. 6.15 Meine Lieselotting ! Schreib mir doch mal ! Ich bin heute noch ganz trieselig im Kopf von unserer Feier. Man muß mal einen Grund haben zum Feiern, man kann doch den schönen Wein nicht so den Tag hinein ohnen Ursache saufen. Also feierten wir Przemsyl. Das 2te Bataillon, das den Sturm und den Einzug mitgemacht hatte, hatte für uns einen Riesenposten Wein besorgt. So fings an. Ich hatte schon vorher Cognack und Wein getrunken, hatte mir vom Marketender234 Flasche süssen Wein besorgt und nun noch der Siegeswein aus der Festung … Alles dreht sich. Ich bin die Achse und ich bin stolz darauf. Wir müssen siegen. Gott strafe Italien ! !235 Ich trinke, stoße an und auf ( Pardon ) Dein Wohl, Lieselott. Ich bin doch so verworfen, sagt Lilli H. – Seid Ihr Euch schon wieder seelisch näher gerutscht. Oder bleibst Du mit Bienchen im Bunde. Du siehst ja, was bei einem Dreibund rauskommt. Und wenn Sie dann zehnmal so rankommt und lispelt ( mit ihrem bekannten Augenaufschlag, Igitte ): Ich sei, gewährt mir die Bitte u.s.w. von Schiller oder Göthe. Dann sage : Nein, meine Liebe, is nicht : – Lieselott, wenn Du jetzt Dich doch mit ihr vertragen hast und sie kriegt den Brief in die Finger, erhebt sie sicher ein Wutgebrüll : Na siehste, dieses Scheusal, dieses verworfene, feldgraue, ungestüme, will uns schon wieder auseinanderhaben. – Ist ja nur ein böser Traum, aber ich weiß, Du läßt Dich von ihr so leicht überreden und dann redet sie und redet immerzu, tage- und nächtelang; ich bin ein Taugenichts, ein raffiniertes hinterlistiges Gestell …. Na ich danke für Backobst ! – Also machs wie ich, Nur nich unterkriegen lassen, Dazu bist Du zuschade. Schreib mir jetzt, aber bitte offen und ehrlich, wie Du jetzt mit Lili H.

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stehst. Seit ich weiß, das sich dieser Wandervogel an die »Charlottenburger« verflogen hat, hab ich wieder Angst um Dich bekommen. Morgen soll gestürmt werden. Ob wir oder das F-Bataillon weiß ich nicht. Gott wird helfen ! Von Madeleine hab ich gestern einen Brief bekommen. Seht Ihr euch denn garnicht mehr ? Jetzt blühen doch sicher die Rosen schon, nicht Lieselott ? – Hier in den Dörfern ist alles verbrannt und verkohlt. Nur auf der Wiese blüht alles. Wenn ich nur erst bei Dir wäre, überhaupt in Deutschland. Aber nicht, bevor wir den Krieg nicht erledigt hätten. Dann will ich mit Dir rasten, ja Kleines oder rumrennen. Will Dich abholen von der Charlottenburger : Es wird fein. Ich denke sooft an vieles, was vergangen und wieviel schöner es noch werden soll. Ich will leben, will schaffen. Empfehle mich Deinen Eltern. Ich bleibe Dein Bubi.

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20. 6.15 Mein einziges Mädel ! Sag Dir meinen innigsten Dank für Deinen lieben Brief und für Das Bild von Dir; wenn ich auch nicht gerade Bärbel Scheff heiße, so will ichs mir gut aufheben.236 Ganz bist Dus ja nicht, offengestanden. Bitte, bitte schicke mir noch mehr Photos von Dir, solche, wo Du drauf bist, ja ? Mir gehts heut sehr gut, da ich seit 4 Tagen wieder mal geschlafen habe. Waren jetzt andauernd im Gefecht. Gestern stürmten wir eine sehr schwere russische Stellung, 4–8 Reihen Drahtverhau, über eine glatte Höhe. Der Graben war mit 2 Maschinengewehren und einen Haufen Ruskis besetzt. Die Hunde schiessen mit Explosivgeschossen. Ich sah Leute von uns, denen ganze Teile aufgerissen waren. Aber das ist nix für Dich. Wir verloren 30 Mann von unserer Kompanie.237 Jetzt sind die Schufte wieder ausgerannt. Wir immer hinterher. Es war schrecklich. Man ist ganz kaputt. Ich hatte wieder mal Riesenglück. Erst renne ich in der Nacht, als wir wahnsinnig beschossen werden, in einer versteckten Schlucht lang und lande an der russischen Stellung. Zuletzt wurde ich von dem Geknalle noch dudelicher im Schädel und als noch ein paar Schrappnells in meiner Nähe platzten, machte ich kehrt und rase im Dunkel immer weiter, falle alle 2 Sekunden über Brombeergestrüpp, rutsche in einen Tümpel, falle einen Berg rauf, finde aber zuletzt das an-

dere Regiment unserer Brigade und endlich auch unsere Stellung. Überschrift : »Gefechtsordonnanz !« – Manchmal ist es ja ganz schön, Ordonnanz zu sein.238 Aber so. Jetzt hab ich einen blauen Fleck über den andern. Habe aber beim Fallen sicher alle Flöhe totgedrückt, die ich noch hatte. – Dann rannte ich am andern Tag auf eine Mine los und nur durch einen Pionier, der mich auf die Seite schmiß, wurde ich davor gerettet, zur Abwechslung in die Luft zu fliegen. So dusselt man durch die Gegend. Aber unser Herrgott beschützt einen alleweil. Auch unsere K. K. B. B. gingen ran wie Blücher. – Du lebst ja so, Lieselott. Dresden, Potsdam, Rundreise und ich muß hier asten, noch dazu in soner Sandwüste. Lilli ist also weg. Hip, hip hurra ! Nun lebwohl, Kleines, auf Wiedersehen. Dein treuer Bubi Aber bitte Photographien von Dir. Grüsse auch Bienchen von mir.

D. 22. 6.15 Meine kleine Lieselott ! Du bist’n Engel. Ich dank Dir vielvielmals. Erst ein Brief und nun schon wieder ein Paket. Besonders das Brausepulver war herrlich. Da es hier nur Dreckwasser in den Cisternen gibt, so sieht man erstens die Farbe nicht und zweitens schmeckt es wunderbar. Und dann die Schokolade. Vielen Dank, Lieselott. Mir gehts jetzt herrlich. Zwar die Läuse, entschuldige, aber ’s ist wahr, ich habe auch welche und bald haben sie mich. Wenn ich aber bedenke, daß auch unser Oberleutnant und selbst der Oberst händeringend dasitzen und nicht wissen, was sie dagegen tun sollen, es ist Krieg und man ist in Galizien. – Die ganze Kompanie ist abends da und krempelt die Hemden um. »Nu, ich hab ’ne janz große !« – sagt der eine. Und sofort schreien sie von allen Seiten : »Quatsch man bloß nicht, unsere sind viel größer.« Ja, es sind lausige Zeiten. – Die Russen sind getürmt ! 20–30 km. – Ich weiß nicht, was sie mit uns vorhaben; Fast die ganze Garde ist zurückgezogen und laust sich hinter der Front. Wir haben 2mal neuen Ersatz gekriegt; das deutet eigentlich darauf hin, daß wir wieder aus ihr gehen, aber es wird soviel von Ruhe und Ablösen gemunkelt ? ! ? ! – Russen kommen vorbei, Verwundete, Österreicher und Grenadiere. Den ganzen Tag ziehen Kolonnen vorbei. Die dicken 21iger und die Österr. Mörser rattern vorüber. Fuhrpark­kolonnen,

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Pioniere, ein Betrieb wie in der Friedrichstraße.239 Eine ungarische Kapelle spielt. Stück aus der »Keuschen Susanne«,240 »es war in Schöneberg«, »Puppchen« »Gott erhalte Franz den Kaiser«241 War wohl mal eine Kurkapelle in einem österreichischen Bad, denn sie spielen wunderbar. – Und das lässt auch unsere Kapelle nicht ruhig und dann hören wir den Targauer und Hohenfriedberger,242 unser Leibstück mit dem Refrain O Hannes, wat ’ne Haut !, das alles im Chorus mitgröhlt. Dann kommen Walzer und Operettentexte. Es ist eine Hurrastimmung wie noch nie. Lemberg gefallen, die Bahn frei. »Bald sind wir den Franzosen wieder auf der Pelle.« »Nun wird Russland schon Schluß machen müssen« und dergleichen hört man. Ich glaube, wir kommen bald weg von hier. Nun lebwohl, Kleines denk weiter an mich und sei geküßt von Deinem Lausbubi Empfehlung an Deine wt. Eltern ! Gruß an Bärbel Scheff und Bienchen

25. 6.15

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Liebe, liebe Lieselott ! Ich sitze hier in einem Panjehaus243 bei Licht und schreibe an Dich. Tisch ist nicht vorhanden. Vor uns eine Feldwache, damit uns die Kosaken nicht gerade gleich ins Haus fallen. Was sind die Russen heut getürmt ! Über 10 km. Nur die verflixten Kosakenpatrouillen durchstreiften den Wald. Wir sind noch höchsten 30 km von der russischen Grenze entfernt, dann …. noch ein paar Stürme und Galizien wird vom Feind frei. Und wir ? – Ohne Ruhe gehts hinter dem Feind her. Gestern hatte er eine Stellung, wie am 19. Wir dachten es gibt wieder ein wildes Gemetzel. Die Schiesserei war blödsinnig. Die Nacht schliefen wir ruhig und am andern Morgen, als unsere »Reserve« ein paar Schüsse rüberwichste kamen freudestrahlend 30 Russkis rüber und ergaben sich. 5 waren aus den Ostseeprovinzen und sprachen tadellos deutsch. Die nächste feste Stellung soll 4 km von der russischen Grenze entfernt sein. Da müssen wir noch bannig rennen. Mein liebes Mädel, wenn wir nur erst beisammen sind. Ich freue mich schon so darauf. Die Russen werden doch gnädig sein. Ich bin nun wieder mit Frankreich ein ½ Jahr im Kriege, seit 2. Mai ununterbrochen in Gefechten und Märschen und

immer hat mich Gott vor den Kugeln bewahrt. Von unserem Ersatz, der vorgestern eintraf, wurden gestern 2 verwundet, einer wird wohl schon tot sein, die Kugel ging oben zur Schulter rein und an der Hüfte raus, Also durch Lunge, Bauchfell und Eingeweide. Erst einen Tag im Gefecht und gleich solche Verwundung. Der Ersatz ist auch schlecht, so ungefähr Deutschlands letzte Hoffnung, doch wird der Jahrgang 1915 wohl wieder hübsch stramm werden. Bitte, Kleines, schreib recht, recht oft, ich hab Dich so bannig lieb, ich merk es immer wieder, aber dieser Krieg dazwischen und keiner weiß, wie lang es dauern wird. Ich hab nur so viel Vertrauen zu Dir, daß ich ganz ruhig hier mit machen kann, die Kosaken zu verarbeiten. Hast Du mich noch lieb, Lieselott ? Ach, wenn man nur wüsste, wie man die Sache beschleunigen könnte. Mit dem ? Weiß nicht, was ich schreiben wollte. Also Lieselott, stelle Dir mal vor : Der Krieg ist aus, Die Garde, 3tes G. Reg. z. F. hält ihren Einzug durchs Brandenburger Tor. Weg zur Kaserne. »Abhängen !« – Urlaub ! Ich flitze nach Haus ! Rührendes Wiedersehen. Dann auf die Bahn. Bis Berlin-Wilmersdorf. Mit der F ( ist doch F ) nach Steglitz, Friesenstr. 1. Raufgestürmt, Klingel abgerissen. »Frl., Lieselott ?« – »Fortgegangen !« – Runtergestürmt. Straßen abgeklappert. Endlich finde ich Lieselott; Wiedersehen, rührendes ? Ich mal’s mir immer aus, wenn wir durch diese Landwüste pendeln. 10 km immer Landweg, Landweg und dann der Affe, der drückt. Und dazu ne Hitze ! In der Schule würden wir sicher Hitzeferien gekriegt haben. Und ich als Gefechtsordonnanz stürme 2 km zurück mit ’ner Meldung.244 Ich war falsch,245 sag ich Dir. – Nun Gute Nacht, Kindel, denk an mich und schreib recht bald. Ich küsse Dich in Gedanken und bin Dein Bubi.

30. 6.15 Meine kleine Lieselott ! Nun bin ich also glücklich in Russland.246 Gluthitze, Marschieren bis zum Umfallen. Aber jetzt haben wir gut zu essen, sag ich Dir. Die Kosaken haben alles geklaut im eigenen Land. Pferde, Kühe, Schweine, Hühner. Und da unsere Husaren und Artellerie und Infanterie ihnen auf der Pelle saßen, ließen sie alles liegen. Wir haben Gänsebraten, Schweinefleisch, braten Schmalz aus, kurz führen bis aufs Laufen ein wunderbares Leben. Wir gingen am 28. unter Riesengebrüll über

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die Grenze, sodaß die letzten Kosaken im Galopp absausten. Dann ins Dorf, 24 Gänse starben den Heldentod, 7 Schweine wurden geschlachtet. Hühner wanderten in den Kochtopf. Meine Lieselott, seit 3–4 Tagen hab ich keine Russen mehr gesehen. Heut zum erstenmal wieder 8 Stück. Die hatten im Wald den Rückzug der anderen verschlafen, und als sie auf einmal rauskamen, da waren unsere schon da. Und da freuten sie sich mächtig. Heut kommen wir vor ein Dorf. Links im Graben Säcke, rechts Säcke mit Hafer, Gerste, Brot und Fleisch, ein paar Schweine, ein Kalb, überfahrene Hühner, Eimer, Waffen. Kurz es sah wüst aus; Kleidungsstücke, sogar Hosen lagen noch rum, ein paar Granatlöcher klärten uns auf, die Hunde sind beschissen worden. Wir gingen weiter, links in den Sumpf hatten sich 2 Feldküchen verfahren, rechts ein paar Patronenwagen, Maschinengewehrmunition, Krankenwagen. Alles durcheinand. Dann Konserven, Tomatenbüchsen, Fleischkonserven lagen rum. – Jetzt sollen sie 7 km vor uns eine sehr feste Stellung mit 8 Reihen Verhau haben. Na, wir werdens schon schaffen. Es heißt, Rumänien hätte an [ Abbruch, da Briefseite / n fehlt / en ]

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JULI 1915

Russl. Sonntag, 4. 7.15 Meine Kleine ! Bin wieder mal unverwundet aus einer Hölle, die sich an ’ner Kirchhofsmauer befand entwischt. Mir ist noch etwas dusselig im Kopf, aber schon normal. Wir waren nach einem Gefecht wieder bis an eine vollständig niedergebrannte Stadt gekommen. Die Kompanie verschanzt sich hinter einem Kirchhof und der »Kompaniestab«, Oberltnt [ … ], Entfernungsschätzer zum Beobachten hinter eine Kapelle. Es war nebelig, die Stadt qualmte. Noch sah man nichts. dann aber, als es Tag wurde, vor uns die schönsten russischen Stellungen. Und die Schufte hatten uns gesehen. Innerhalb 5 Minuten kam die erste Granate. Haut 4 m von uns zwischen die Gräber. Die 2te 2 Meter. Die 3te ein Treffer. Klamotten fallen runter, Staub, Qualm. Einem von den Lieutnants fällt die Bescherung auf die Beine, daß er kaum krauchen kann. So gehts weiter. Links und rechts hauen die Granaten in regelmäßigen Zwischenräumen ein. Jetzt kommt wieder eine. Ssssssssss, ratsch ! Die Kirche hat’n Loch in der Rückwand ! Der Dreck explodiert. Die Glasfenster sausen uns um die Ohren. Da wackelt die Wand, da spritzt der Kalk. Ich kann nicht in Ruhe meinen Schweinebraten essen, der Lieutnant schimpft, daß bei dem Radau keen Mensch anständig schlafen kann. Die Gäule ( aus Versehen mit in vorderste Linie genommen ) feuern aus und drängeln. Dazu die Nacht nicht geschlafen, langen Marsch gehabt. Es stinkt verdächtig nach Schwefel. »Wenn die Aaskröten nur mal mit den Granaten aufhörten.[ « ] Wirklich der Wunsch geht in Erfüllung. Dafür kommen Schrappnells, Die heulen und miauen noch blödsinniger und spritzen die Bleikugeln aufs Dach. Dagegen sind wir sicher. Und bald fängt Russki wieder mit Granaten an. Die Kirche kriegt noch ’n paar Löcher, wackelt weiter. Uns war gar nicht so fidel zu Mute, wie ich jetzt augenblicklich bin. Aber sie kriegten – Hurra, eben hab ich den Floh gefangen, der mich so gepiekt hatte, Also sie kriegten die andre Mauer nicht kaputt. Nun marschierten wir in einen Wald. Schliefen mächtig. Heute morgen aßen wir eine Büchse Prager Schinken in Burgunder, von Madeleine gestiftet, tranken Kaffee und Tee dazu, Kek-

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se und Orangen, die meine alten Herrschaften geschickt hatten, zum Nachtisch; Dann gabs Mittagessen an der Kirche Schweinefleisch mit grünen Erbsen. So kann man sich mal erholen. Seit 4 Tagen wieder mal gewaschen. Liebes Mädel, die verfluchten Russen werden garnicht alle, ich glaub, Du mußt noch eine bissel warten ehe Du mich siehst, aber dann, dann wird’s fein. Nur mußt Du mir jetzt sooft wie möglich schreiben und bitte, bitte noch ein paar Bilder von Dir. Jetzt ist von 1–3 »Bettruhe« angesetzt, d. h. wir legen uns ins Grüne und träumen. Ich will von Dir träumen, daß ich bei Dir bin; Krieg ich ’nen Kuß von Dir ? – In Gedanken ! Leb wohl, Schatzi, Denk an mich und schreib sooft Du kannst. Ich auch. Auf ein recht, recht baldiges Wiedersehen Dein Bubi

Russisch-Polen 7. 7.15

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Meine süße Lieselotte ! Tausend Dank für Deinen lieben Brief und besonders die Photographien. Bitte, bitte recht oft Aufnahmen von Dir. Dafür schicke ich Dir auch ein Bild von mir. – Das Bild von L. H.247 käme uns gerade recht. Wenn wirs hier im Schützengraben aufstellen, sind wir vor jedem Angriff sicher. Wir liegen heut in Reserve in einem Wald hinter unserer Stellung. Die Artellerie ballert; das merkt man aber nur, wenn man scharf aufpaßt, denn wir sind so daran gewöhnt, daß wir sie direkt vermissen, wenn sie nicht da ist. Es ist ein schöner schattiger Buchenwald. Wenn De willst, kannste Dich auch in die Sonne legen. Die anderen 3 Kompanien braten auf den Höhen in der Sonne. Heut abend müssen wir in die Stellung. Meine einzige Nahrung ist trocken Karo und Kaffee, darum liegt neben mir die letzte Backpflaume. die sehe ich mir an, und freue mich immer mehr auf den Moment wo ich sie aufesse. Überschrift : Selbsterziehung zum Ertragen von Hunger und Durst. Ich bin sehr müde, da ich gestern Nacht von 7–1 Uhr über alle Höhen und durch alle Wälder geklettert bin, um eine Reservekompanie vom F-Bataillon zu finden. Nischt gefunden. War beinahe bis zu den Russen. Die pennen aber genau so, wie unsere Leute. – Liebe Kleine ! Nun habe ich aus Versehen die Pflaume aufgegessen. Was mach ich nun. Da kann ich die Selbsterziehung nicht fortsetzen. – Du kommst also noch mit Käte Schück, Taps und Engelchen zusammen ? –

Und Walter v. Thuck-Thuck ist auch noch da. Grüß ’n schön von mir und sag ihm, hier im 3 G. R.248 ist noch ne Masse Platz. – Unser neuer Landsturmersatz ist nischt. Die Hälfte ist jetzt schon krank. Mein liebes Mädel, am Blinddarm bist Du auch repariert worden und hast keine Angst gehabt ? Fein von Dir ! Segeln möchte ich ja leidenschaftlich gern mit Euch. Geht aber nicht. Sogar rudern könnte man hier nicht. Die Affen drüben am Fluß haben mitten im Wasser Drahtverhaue gemacht, damit wir reinrennen sollen. Wenn ihnen nur die Sache nicht verrostet. Nun muß ich schließen. Leb wohl Schatzl, sei innigst geküßt von Deinem Bubi.249

Russ. Polen Sonntag, 11.07.15 Meine liebe, kleine Lieselott ! Ich hab Dich so lieb und ist immer noch kein Ende abzusehen in diesem Kriege. Hier sind wir immer noch nicht von der Stelle gekommen. Nun sitzt man hier und weiß nicht, was gespielt wird. Wenns doch nur weiter ginge, da sieht man doch einen Erfolg. – Ich will nicht sagen, daß ich mutloser geworden bin durch diesen Aufenthalt. Nur, wenn man immer ins Gefecht liegt, kommt man nicht so zum Nachdenken, und das ist besser so. Hier sitzt man jeden 2ten Tag in einer anderen Schlucht. Wunderschön sind diese Hohlwege, schattig, Buchenstämme, Blumen, Quellen : zum Aushalten ist’s ja schön, doch man liegt da im Grünen und denkt : Wie schön wärs jetzt, wenn Du zuhause sein könntest bei deinen Eltern, wenn Du dein Mädel hättest und nun mußt Du Dich hier von Granaten und Schrappnells beharken lassen, mußt Dich mit diesem stupiden Volk rumhauen, das von Kosakenknuten gegen Dich gehetzt wird. Ja, Kleines, werden wir uns denn diesen Herbst noch wiedersehen ? – Wenn uns Gott doch den Frieden schenkte. Noch im Sommer. Gar nicht zum Ausdenken wärs. Mädel, was würden wir anstellen ! Ich hab Dich ja so lieb, Du ! Schreib mir nur sooft Du kannst. Auch ich tu’s. Hast mich noch lieb ? – Sag mal, Krieg da ein Paket von meiner Mutti; schreibt mir : ­Käthe Br. wird Dir noch ein großes Geheimnis mitteilen. Nun warte ich sehnsüchtig auf das »große Geheimnis«. Hat sie sich vielleicht ›verlobt‹ ? Ich ahne sowas. Na, abwarten und Tee trinken. Kommst Du denn oft mit ihr zusammen ? Und mit Käte Schück und Engelchen ? – Jetzt ist’s 1 Uhr. Die Feldküche muß gleich kommen. Da will ich diesen Brief noch mitgeben.

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Es dauert ja doch ’ne Zeit bis Du ihn kriegst. Unterdessen hab ich schon wieder ein paar andere geschrieben. Wenns doch in Frankreich auch so schnell vorwärts ginge wie hier. Doch erst muß der russische Koloß fallen, ehe wir rübergehen.250 Und dann wird das Ende kommen ! Wir werden siegen ! – Und Du wirst dann wieder meine Lieselott und ich bleibe bei Dir. Immer, immer. – Ich freue mich auf diese Zeit. Ich will schaffen, arbeiten und nicht soviel rumbummeln wie früher. – Ob die Zeit kommen wird ? Ich glaube daran. – Ich glaube, daß mich Gott beschützen wird, daß ich zurückkommen werde. Besuche recht oft meine Mutter. Was macht das Katzel ? – Ich muß jetzt schliessen, Lieselott. Heut abend rücken wir in Stellung. Es ist alles gleich. Man liegt hier und liegt da. Wenns doch recht bald weiterginge ! –Also auf Wiedersehen, Kleines. Empfehlung an Deine wt. Eltern. Ich küsse Dich in Gedanken. Dein Bubi ! Schreib recht bald !

Russ.Polen 13. 7.15

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Liebe, liebe Lieselott ! Du bist doch so gut zu mir. Ich weiß gar nicht, wie ich Dir alles danken soll. Nun, wenn ich zurückkommen werden. Ich kriegte gestern 4 Pakete. Von Dir, von meinen Eltern und noch Madeleines. Dann hat mein Spezi, der Hornist, noch 3 Stück bekommen. Und heut Abend werden wir doch abgelöst von den K. K. Bundesbrüdern und sollen 18 km weiter nach links marschieren. Da haben wir die Nacht bis 12 im Unterstand gegessen. Hättens auch noch länger getan, wenn das Licht nicht ausgegangen wäre. Und wir hätten dann doch nicht gewußt, was wir zusammen essen. Napfkuchen mit Ölsardinen und Brausepulver darauf, kann nicht gut schmecken. Und auf die Stulle geschmierte Pralinees mit Salz auch nicht. So schmissen wir flink alles zusammen, legten uns mit dem Kopf drauf und schliefen. In meinem Magen rebellierte es ganz gräsig. Dann war draußen ne wüste Schiesserei am linken Flügel. Handgranaten wurden geworfen. Unsere Leute brüllten Hurra. Die Russen hatten angegriffen und brüllten, was sich aus unserem Unterstand so anhörte, als ob man auf einer Viehausstellung ist; dann noch ein paar Schüsse und tiefe Stille. Die Russkis

waren abgetobt. Wir hatten uns ja weiter nicht stören lassen. Kaum war ich ein bisschen eingeduselt, da weckte mich der Schiffer Tom im schönsten Hamburger Platt. Ist kaum 2 Uhr, fängt grad an zu dämmern. Soll mitgehen Wasserholen. Ich weiß, wo die Quelle ist, habe selber nix, lasse Schützengraben Schützengraben sein und verschwinde im Hintergrund. Schiffer Tom frierend und spuckend hinterher. Im Wald schreien die jungen Käuzchen, hört sich an, als ob ein Rehkitz nach der Mutter schreit. Der alte Kauz antwortet. Am Weg stehen 2 Kreuze. Artelleristen, die beim Auffahren gefallen sind, Daneben liegt ein Körper. Wir gehen hin. Vom 3ten Garde-Regt. Ein Landsturmmann scheint bei diesem Nachtgefecht gefallen zu sein. Wir gehen weiter immer die Schlucht lang. Hier stehen die Protzen, die Küchen mit ihren Pferden. Alles schläft, die Gäule stampfen und schütteln sich. Wir treffen 2 Mann, kommen uns entgegen. Auch 1te Kompanie. Endlich an der Quelle, bis über die Knöchel im Mod. Ich fi­ sche dicht an einem dicken Frosch mein Trinkwasser. Schmeckt herrlich. Wir trinken, füllen die Flaschen und sausen ab. Noch können uns die Russen nicht sehen. Ich leg mich hin, verschlafe die Morgenmeldung, die der Hornist für mich zum Bataillon bringt. Dann, um 6 Uhr, wach ich auf. Nun wird wieder gefrühstückt auf Deubel komm raus. Dann, als ich nicht mehr kann, lesen wir die »neusten« Zeitungen. 14 Tage sind zwar vergangen. In der Zeitung stehen wir noch vor M[ … ], aber es ist doch was zum Lesen. Wir feiern uns, das unsere Batterien, sei’s in Frankreich, Russland oder in der Türkei immer mit Erfolg schiessen, während die Gegner alles ohne Erfolg zerstören. Wir lesen, daß wir mit Heldenmut stürmen, daß die Russische Offensive sich nach rückwärts konzentriert und verschiedenes von der Kartoffelernte, dem guten Bienenhonig in diesem Jahr sowie Wohnungsofferten und Verlobungsanzeigen, Ausverkauf bei Tietz und Wertheim. Dann legen wir uns wieder hin bis der Mittagssegen in Form von Schrappnells, ( von 10 Stück 5 Blindgänger ) über uns kommt. – Ja, Lieselott, so ist’s hier bei uns in Russisch-Polen. Man erlebt doch allerhand. Draußen fangen die wieder fest an, zu pulvern. – Mal hören – Jetzt pfeift die Transirene von ­Lieutnant Stülpnagel :251 »Stopfen !« – War nix weiter los. Nun muß ich schließen, Kleines. Ich hab noch einen dicken Wunsch an Dich, da Du doch so lieb zu mir bist : recht viel Briefpapier; kann alles verschieden sein, nur Papier und Umschläge, Bitte nicht vergessen Lieselott. Und nun lebwohl. Ich hab Dich bannig lieb. Möchte recht bald bei Dir sein. Mit Kuß Dein Bubi252

197

Anmerkungen Einführung 1 Lessing 1997, S. 25. 2

Trotz intensiver Recherchen ließ sich das Geburtsjahr Bruno Jacobs nicht eruieren; heute steht fest, dass er am 24. November und vermutlich in den frühen 1890er Jahren in Berlin zur Welt kam. Jacob verstarb am 20. Juli 1915 an der Ostfront in der Nähe des Flusses San. Diese neuesten Erkenntnisse widerlegen die bislang vermuteten Lebensdaten ( 4. Juli 1893 bis 22. März 1918 ). Vgl. Dogramaci 1998, S. 24–26; Dogramaci / Weimar 2014, S. 10 f. Dabei handelt es sich ebenfalls um einen Soldaten mit Namen Bruno Jacob, der auch als Kunstmaler tätig war und an der Westfront fiel. Aus den überlieferten Krankenakten lässt sich jedoch eindeutig schließen, dass es sich bei dem in Frankfurt stationierten Kanonier Bruno Jacob nicht um den hier behandelten Urheber der Briefe handeln kann. Zudem geht aus den Verlustlisten des preußischen Heeres das Todesdatum 20. Juli 1915 hervor, wobei der Truppenteil ( 3. Garde-Regiment zu Fuß, 1. Kompanie ) mit den Angaben in den Briefen Jacobs übereinstimmt. Nicht zuletzt ergibt sich auch eine logische Verbindung zwischen dem Datum des letzten Briefes, der auf den 13. Juli 1915 datiert ist, und dem festgeschriebenen Todesdatum nur sieben Tage später.

3

Bruno Jacob : Brief vom 13. Oktober 1914.

4

Bruno Jacob : Brief vom 19. März 1915.

5

Schätzung bei Ulrich 1991, S. 22.

6

Briefe und künstlerische Werke erhielt die Verf. von der Adoptivtochter Lieselotte Friedlaenders, Ciliane Dahlen-Friedlaender (1921–2006 ), im Kontext ihrer Recherchen für ihre Dissertation.

7

Vgl. Walther 2008; Illies 2013. Zuvor hat bereits Hans Ulrich Gumbrecht in seinem Buch »1926. Ein Jahr am Rand der Zeit« ( Frankfurt am Main 2001 ) einen ähnlichen Weg beschritten. Vgl. auch Peter Englund : Schönheit und Schrecken. Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen, Reinbek 2011, der nicht prominente Einzelperspektiven zu einer Mentalitätsgeschichte des Ersten Weltkriegs fügt.

8

Otto Braun, Peter Kollwitz, Stefan Lepsius und Lieselotte Friedlaender gehörten einer Generation an und begegneten sich im Hause des Ehepaares Lepsius, das ein intellektuelles Zentrum im Berlin der Jahrhundertwende bildete. Zu Reinhold und Sabine Lepsius und ihrem Kreis siehe Dorgerloh 1996. Zu Otto Braun siehe Vogelstein 1920; zu Peter Kollwitz siehe Grober 1996.

9

Siehe Alicke 2008, S. 427; Metzger 2009, S. 13.

10

Salli Jacob gehörte wie 46,87 % der jüdischen Erwerbstätigen in Berlin zu den Selbstständigen. Zu Berufsgruppen der Berliner jüdischen Bevölkerung siehe Alexander 1995, vor allem S. 130–148. Zu den Berufsverhältnissen der Juden in Deutschland

vor 1933 siehe auch Silbergleit 1930.

199

11

Der Begriff des Fondsmaklers wird erklärt und definiert in Brockhaus’ Konversations-

12

Jüdisches Adressbuch für Gross-Berlin, Berlin 1931, S. 177.

13

Berliner Adressbuch, Berlin 1935, S. 1074. Es ist zu vermuten, dass der Umzug mit

Lexikon, Bd. 11 : Lechenich–Mori, Leipzig / Berlin / Wien 1902, S. 503.

der Machtübernahme der Nationalsozialisten und mit einer für Salli Jacob sich verschlechternden wirtschaftlichen Situation zusammenhing. 14

»Salli Jacob ( 25. Februar 1852 bis 29. April 1935 ) wurde mit der Bestattungsnummer 91596 im Gräberfeld G 3 in der Reihe 8 beerdigt.« Information des Jüdischen Friedhofs Weißensee, E-Mail an die Verf. vom 4. April 2014. Ich danke den Mitarbeitern für die Auskünfte über Salli, Leopoldine und Franz Jacob.

15

Vgl. Kaplan 2003, S. 337, die als Beispiel Victor Klemperers Eheschließung mit der nicht jüdischen Pianistin Eva Schlemmer anführt und die These aufstellt, dass es sich bei den »Mischehen« zumeist um Liebesheiraten gehandelt habe, da die Partner oftmals gesellschaftliche und religiöse Grenzen überwinden mussten. Siehe auch Richarz 1997, S. 19.

16

In Gesprächen der Verf. mit der Tochter der Künstlerin, Ciliane Dahlen-Friedlaender, von Ende der 1990er Jahre wurde Jacobs jüdische Herkunft häufig thematisiert. Zu ( konvertierten ) Berliner Christen jüdischer Herkunft siehe Schönfeldt / Konn-Saile 2009; vgl. auch Frisius / Kälberer 2008. Selbst wenn auch Salli Jacob nicht mehr

­jüdischen Glaubens war, so wurde er doch vermutlich aufgrund nationalsozialistischer, rassistischer Kategorisierung als Jude geführt und als solcher bestattet. 17 Zimmermann 1997, S. 80–82. Zimmermann verweist auf Werner Mosses Buch »The

German Jewish Economic Elite« ( Oxford 1989 ) und Werner T. Angress’ »Juden im politischen Leben der Revolutionszeit« ( in : ders. / Arnold Paucker [ Hg. ]: Deutsches Judentum in Krieg und Revolution, 1916–1923, Tübingen 1971, S. 137–319 ). 18 Volkov 2000, S. 85. 19

Dies in Abgrenzung zu antisemitischen Definitionen des deutschen Judentums als homogen, mit gleichen Sitten, Gebräuchen und Anschauungen, der Gleichsetzung von Assimilierten und liberalen oder konservativen Mitgliedern jüdischer Glaubensgemeinden sowie orthodoxen Ostjuden. Siehe dazu den Beitrag »Deutsche Juden oder ­Juden in Deutschland ?«, Plum 1996, besonders S. 35.

20 Herzig 2002, S. 17. Herzig fasst das »Anderssein« der deutschen Juden im wilhelmi-

nischen Kaiserreich nicht nur als konfessionellen Unterschied zu christlichen Konfessionen auf, sondern auch als soziale Differenz, die sich in der Zementierung bestimmter Berufsbilder äußerte. 21

Ein Pendant zu Berlin-Charlottenburg ist beispielsweise das Hamburger Grindelviertel, über das Herzig 2002, S. 18, schreibt, dass die Konzentration jüdischer Bürger in Wohnbezirken eine »intime Kultur« der Juden entstehen ließ.

22

»An der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule, Durlachterstr. 14, übernimmt vom 1. April 1913 der bekannte Maler Georg Tappert die Leitung des Ateliers für gra-

phische Arbeiten. Eine Ausstellung von Arbeiten Georg Tapperts und seiner Schüler findet vom Donnerstag, den 13. März bis Mittwoch den 16. April werktäglich von

200

10–3 Uhr statt.« Cicerone 1913, S. 263. 23

Vgl. Daemgen 2005, S. 29.

24 Hellwag 1912 / 13, S. 161. 25

Heinrich Vogeler, zit. in : Andrian-Werburg 2005, S. 32.

26 Zeugnis der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule Privat-Anstalt, Direktorium

Erich Ludwig Stahl u. a. 31. Januar 1914, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Deutsches Kunstarchiv, Tappert, Georg, Inv.-Nr. I, b–24. 27

Siehe Aktstudien im Œuvre von Tapperts Schülerin Lieselotte Friedlaender ( Dogramaci 2001, S. 34 ).

28 Lehmann 1914, S. 21. 29

Vgl. Bartholomeyczik 2008, S. 13 ff.

30

Zu Tapperts Werk der 1910er Jahre siehe Bartholomeyczik 2005.

31

Philipp Franck, Direktor der Königlichen Kunstschule Berlin, 1914, zit. in : AndrianWerburg 2005, S. 33.

32 Wietek 1995, S. 11. 33

Zu Tappert als Fotografen siehe Ausst.-Kat. Schleswig 2001; Aufnahmen seiner Schü-

34

Abzüge der Aufnahmen finden sich im Teilnachlass Georg Tapperts im Deutschen

lerschaft auch in Ausst.-Kat. Nürnberg 2005, S. 35–39. Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. Andere sind im Teilnachlass Lieselotte Friedlaender im Besitz der Verf. erhalten. Einige der Fotografien sind – uneinheitlich datiert – bereits publiziert in Ausst.-Kat. Schleswig 1995, S. 25, Abb. 21; Ausst.-Kat. Berlin 1998, S. 23; Ausst.-Kat. Schleswig 2001, S. 106, Abb. 106. Gegen eine Datierung um 1911 / 12, wie sie in den Schleswiger Katalogen zu finden ist, spricht, dass Tappert erst 1913 in die Kunstgewerbeschule eintrat. Zudem schwenkt Tappert auf einer der Aufnahmen die wilhelminische Flagge, die für eine Aufnahme im Kriegsjahr 1914 spricht. 35

Siehe Ausst.-Kat. Berlin 1998; Dogramaci 2001.

36

Die Künstlerin schrieb ihren Namen nach dem Zweiten Weltkrieg »Friedlaender«. Diese Schreibweise wird hier beibehalten, während ihre Familienmitglieder wie beispielsweise der Vater Konrad mit dem originalen »Friedländer« geschrieben werden.

37

Konrad Friedländer : Testament vom 27. Februar 1917, Teilnachlass Lieselotte Friedlaender. Friedlaender wurde 1914, obgleich bereits pensioniert, noch einmal als Seeoffizier einberufen. Als Pionier der Seefliegerei – Friedländer entwickelte Flugmaschinen, die von Schiffen starten konnten – beteiligte er sich bereitwillig, begeistert und siegesgewiss am Ersten Weltkrieg und schrieb 1917 an Lieselotte Friedlaender : »Nun ist der ganzen Welt bekannt, daß unsere Marine England zu Leibe geht und den Krieg beenden wird – und zwar bald – ( d. h. nicht Übermorgen, aber in drei bis vier Monaten etwa ! ) …« Konrad Friedländer an Lieselotte Friedlaender, Februar 1917, Nachlass Lieselotte Friedlaender. Konrad Friedländer erlebte das Kriegsende nicht mehr, da der an Krebs Erkrankte am 13. Mai 1917 verstarb. Vgl. Dogramaci 1998, S. 27 f.

38 Kollwitz 1989, S. 308. 39

Bruno Jacob : Brief vom 2. April 1915.

40

Tappert schreibt hier zwar 1913 bis 1914, doch aus Briefen im schriftlichen Nachlass der Künstlerin lässt sich schließen, dass Lieselotte Friedlaender bis 1915 seine Schülerin war. Georg Tappert : Erklärung, 8. September 1952, Nachlass Lieselotte Friedlaender.

201

41

Bruno Jacob : Brief vom 30. Dezember 1914.

42

Bruno Jacob : Brief vom 9. Januar 1915.

43

Im »Werkverzeichnis der Druckgraphik« von 1996, das Gerhard Wietek von Georg Tapperts Arbeiten erstellte, ist das Porträt noch »Mädchen mit langgelocktem Haar« tituliert und auf 1911 / 12 datiert. Abb. : Wietek 1996, Nr. 265. Die Identifizierung des Bildnisses als Porträt von Lieselotte Friedlaender und spätere Datierung erfolgte in Dogramaci 2001, S. 32.

44

Darunter auch die Arbeit »Scherzo« von 1909, die der Weihnachtszeitung 1914 der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule als signierter Handabdruck beigelegt war. Vgl. Wietek 1996, S. 98.

45 Zum Attentat und der Abfolge der Aktionen, die unweigerlich in den Kriegsaus-

bruch mündeten, sowie zur Interaktion der kriegsbeteiligten Entscheidungsträger im Juli 1914 siehe Clark 132014. 46 Bose 1932, S. 5. 47

Vgl. Jeismann 2009, S. 200; vgl. auch Mommsen 2002, S. 35 ff.

48

Otto Braun : Tagebucheintrag vom 2. August 1914, in : Vogelstein 1920, S. 115 f.

49

Zur Geschichte jüdischer Soldaten im Ersten Weltkrieg siehe u. a. Ausst.-Kat. Potsdam 1996.

50 Mommsen 2002, S. 35. 51

Vgl. Verhey 2009, S. 358 f.

52 Zuckmayer 1969, S. 168. 53

Zu einigen der genannten Künstler vgl. Dogramaci / Weimar 2014; siehe zum Thema Künstler und Erster Weltkrieg eine der ersten umfassenden Publikationen von Eberle 1989; siehe auch jüngst die Publikationen Ausst.-Kat. Bonn 2013 ( mit ausgezeichnetem Bildmaterial und informativen Texten von Uwe M. Schneede ) sowie Schubert 2013.

54 Eberle 1989, S. 12, der sich hier auf Thomas Mann und dessen Text »Gedanken im

Kriege« von 1914 bezieht. 55

Vgl. Bruendel 2014, S. 17.

56

Vgl. Ausst.-Kat. Bonn 2013, S. 38, 65.

57

Bruno Jacob : Brief vom 7. August 1914.

58

Bruno Jacob : Brief vom 11. September 1914.

59

Bruno Jacob : Brief vom 20. Oktober 1914.

60

Wilhelm Morgner an Georg Tappert, Russland / Polen, 29. Mai 1915, in : Peterlein

61

Bruno Jacob : Brief vom 12. November 1914.

62

Zur Vorgeschichte und Kriegsgeschichte des Königin Elisabeth Garde-Grenadier-Re-

63

Zur Baugeschichte und frühen Nutzung der Kaserne vgl. Schäche / Szymanski 2012,

2014, S. 89.

giments Nr. 3 siehe Rosenberg-Lipinsky 1935. S. 22–43. 64 Bruno Jacob : Brief vom 17. September 1914. Zu Döberitz siehe Deickert 1930,

S. 30 f.

202

65 Zur Kriegshygiene und den militärischen Strategien der Immunisierung des Heeres

durch Schutzimpfungen vgl. Winter 2013.

66

Bruno Jacob : Brief vom 10. Oktober 1914.

67

Vgl. Münkler 2013, S. 111.

68

Vgl. Stachelbeck 2013, S. 19 ff.

69

Theodor Lessing : Et sie omnes ego non : Krieg und Armut. Vorspiel der Philosophie der Not, 14. Oktober 1914, in : ders. : »Wir machen nicht mit !«. Schriften gegen den Nationalismus und zur Judenfrage, hg. v. Jörg Wallenberg, Bremen 1997, S. 40.

70

Wilhelm Führer hat in seinen Aufzeichnungen aus dem Reserve-Infanterie-Regiment 203 dieser Ankunft in Belgien, den Märschen durch zerstörte Städte und Landschaf-

ten lange Passagen einer patriotischen und dennoch aufschlussreichen Darstellung über den Oktober 1914 gewidmet : »Zunächst ging es durch Alost, das deutlich Spuren schwerer Kämpfe aufweist. Der eindringliche Geruch von verkohlten Balken macht sich zum ersten Male bemerkbar. An den Häusermauern sieht man zahlreiche Spuren von Infanteriegeschosseinschlägen. Auch die unzerstörten Häuser sind nur vereinzelt bewohnt. Die Bewohner sind zu Fuß und zu Wagen auf der Flucht. Hier ging der Kriegsgott vorüber. Die blutigen Spuren sind beseitigt, und dennoch ist der unvermittelte Anblick erregend, der zerstörte Ort, das Elend der in Toreinfahrten oder Chausseegräben oder auf Fahrzeugen und Karren hockenden Flüchtlinge.« Führer o. D., S. 6. Und : »Seitlich der Vormarschstrasse brennen Windmühlen. Eben wird ein Müller gefangen abgeführt, weil er von der Mühle aus feindlichen Patrouillen Zeichen gab.« Ebd., S. 12. 71

Bruno Jacob : Brief vom 30. Oktober 1914.

72

Detailliert werden die Kriegsgeschehen an der Yser beschrieben bei Kircheisen 1916.

73

Anonym : Feldpostbrief, in : Ulrich / Ziemann 2008, S. 36.

74

Vgl. Loebell 1926, S. 69–91, dessen Aufzeichnungen parallel zu Jacobs Briefen gelesen werden können, da sie die Bewegungen, Kämpfe und Einsatzorte von Jacobs Regiment aus der Sicht eines Augenzeugen im Detail beschreiben.

75 Leonhard 2014, S. 329. 76

Bruno Jacob : Brief vom 19. Januar 1915.

77 Wilding 2004, S. 169. 78

Zit. n. Hofer 2000, S. 219.

79 Dunkel 2014a, S. 44, die darauf verweist, dass das tatsächliche Kriegs- und Ge-

räuscherlebnis eigentlich unübersetzbar und somit den Briefadressaten nur in eingeschränktem Maße nachvollziehbar blieb. 80

Bruno Jacob : Brief vom 19. Januar 1915.

81

Vgl. Janz 2013, S. 91; vgl. auch Leonhard 2014, S. 330–333.

82

Vgl. Stachelbeck 2013, S. 29 ff.

83

Bruno Jacob : Brief vom 13. Mai 1915.

84

Bruno Jacob : Brief vom 5. Juni 1915.

85

Vgl. Liulevicius 2002, S. 22.

86

Ebd., S. 10.

87

Bruno Jacob : Brief vom 31. Mai 1915.

88

Vgl. Liulevicius 2002, S. 63, die z. B. Arnold Zweig nennt. Sieg 2007, S. 136, führt Leo Baeck an, den der Dienst an der Ostfront, die Erfahrung mit ihm fremden Landstrichen und Sprachen sowie die Begegnung mit dem »Ostjudentum« verunsicherte.

203

89 Folgende Einträge finden sich in den offiziellen Verlustlisten : Deutsche Verlustlisten, 692. Ausgabe, Preußische Verlustliste, 18. September 1915, S. 8836 : 3. Garde-­

Regiment zu Fuß, 1. Kompagnie : Gefr. Bruno Jacob – Berlin – vermißt. Deutsche Verlustlisten, 1674. Ausgabe, 18. Oktober 1917, S. 21199 : ( Preußische Verlustliste Nr. 966 ): Bruno Jacob, 24.11. Berlin – bisher verm.[ ißt ] gemeldet, gefallen 20. 7. 1915. Erfasst ist Jacobs Todestag auch in Loebell 1922, S. 7, einem Gedenk-

buch für die Gefallenen des 3. Garde-Regiments zu Fuß; dort wird er aufgeführt als »Gefreiter«, gefallen »im Osten«. Die Gefechtssituationen um den 20. Juli 1915 sind festgehalten in : Loebell 1926, S. 109–111; Eitel / Katte 1934, S. 99–101. 90

Vgl. Leonhard 2014, S. 328–330, der anschaulich über die Front als soldatischen

91

Brief an Georg Tappert, ohne Ort und Datum ( Serbien, 1917 ), in : Knupp-Uhlenhaut

Erfahrungsraum schreibt. 1984, S. 170. Zu Morgner als Künstler und Soldat siehe jüngst Peterlein 2014. 92

Vgl. Andrian-Werburg 2005, S. 32.

93

Georg Tappert : Über des Künstlers Schaffen, in : Frieg 1920, S. 13–15.

Edition 1

»Ch. d.« steht hier und in folgenden Briefen für »Charlottenburg, den«. Jacob war zur militärischen Ausbildung dem Königin Elisabeth Garde-Grenadier-Regiment Nr. 3 zugeteilt, das seit 1896 in Berlin-Charlottenburg / Westend in einem Bau von Joseph Wieczoreck untergebracht war. Zur Regiments- und Baugeschichte siehe RosenbergLipinsky 1935; Schäche / Szymanski 2012. Das vermutete Datum gibt darüber Aufschluss, dass Jacob sich gleich in den ersten Augusttagen freiwillig zum Kriegsdienst meldete. In seinem Brief vom 13. Oktober 1914 schreibt er, dass er sich am 13. August des Jahres gemeldet habe.

2

Lieselotte Friedlaender (1898–1973 ), die Adressatin der hier publizierten Briefe und Postkarten, war die Freundin und Liebe Bruno Jacobs. Beide hatten sich auf der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule kennengelernt, an der sie seit 1913 in der Klasse für »Graphik und ornamentale Schrift« des Expressionisten Georg Tappert studierten. Friedlaender wurde in den 1920er Jahren eine renommierte Modegrafikerin, die für den »Moden-Spiegel«, eine Beilage der Tageszeitung »Berliner Tageblatt« im Mosse-Verlag, zeichnete. Nach 1933 stand sie als sogenannte »Vierteljüdin«, Redaktionsmitglied einer liberalen Zeitung und Angestellte eines jüdischen Verlags im Fokus nationalsozialistischer Gleichschaltungs- und Verfemungspolitik. Sie veröffentlichte nur noch selten und anonym, nach 1943 floh sie vor der Bombardierung Berlins durch die Alliierten aufs Land. In späteren Jahren konnte sie nie wieder an ihre früheren Erfolge anknüpfen. Ausführlich zu Friedlaender siehe die Einführung und vgl. Dogramaci 1998; Dogramaci 2001.

3

Bruno Jacob paraphrasiert hier den Refrain des Marschliedes »Die Männer sind alle Verbrecher« aus der Operette Wie einst im Mai von Walter Kollo, die am 4. Okto-

204

ber 1913 am Berliner Theater ihre Uraufführung erlebte. Darin heißt es : »Die Männer sind alle Verbrecher, ihr Herz ist ein finsteres Loch, hat tausend verschied’ne Gemächer, aber lieb, aber lieb sind sie doch.« Siehe Kollo 1913.

4

Die im verwendeten Briefpapier eingeprägten Initialen »M. R.« wurden von Jacob gestrichen und durch seine eigenen Initialen »B. J.« ersetzt. Vermutlich hat Jacob hier das Briefpapier eines anderen Soldaten verwendet.

5

»Melanklütrig« steht für melancholisch.

6

Bruno Jacob fragt erst in dem Brief vom 18. August 1914 nicht mehr nach einer Antwort von Lieselotte Friedlaender, sodass eine Datierung des Briefes auf einen der Vortage wahrscheinlich ist. Auch wird erwähnt, dass Jacob bereits vier Briefe verfasst hat, was mit der Zahl der vorliegenden Briefe übereinstimmt. Oftmals verfasste er auch mehrere Briefe an einem Tag.

7

Zugeordnet aufgrund desselben Briefpapiers vom 18. und 20. August 1914.

8

Impfungen gehörten zu den routinemäßig durchgeführten Maßnahmen zur Präventi-

9

Lieselotte Friedlaender lebte bereits seit 1911 nur mit ihrer Mutter Louise Madrian, da

on vor Kriegsseuchen. die Eltern sich hatten scheiden lassen. Beide bezogen 1913 einen Neubau in der Friesenstraße 1 in Berlin-Steglitz, an die Bruno Jacob seine Briefe und Postkarten adressierte. Lieselotte Friedlaender wohnte in der Friesenstraße ( später umbenannt in Gritznerstraße [ 27 ]) bis an ihr Lebensende. Vgl. Dogramaci 1998, S. 18 f. 10

In seinen Briefen erwähnt Jacob auch an anderer Stelle Käthe oder Käte Schück, die vermutlich – wie Lieselotte Friedlaender – Mitschülerin an der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule war.

11

Gemeint sein könnte der Künstler Karl Hutloff. Über Hutloff ist nur wenig bekannt. Erhalten ist ein 1927 datiertes »Porträt des Malers [ Karl ] Hutloff« von Felix Nussbaum, The David and Alfred Smart Museum of Art, The University of Chicago. Jacob erwähnt Hutloff im weiteren Briefwechsel öfter im Kontext der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule. Vermutlich waren sie Kommilitonen. In den 1920er Jahren schuf Hutloff einige Buchillustrationen, u. a. zu E. T. A. Hoffmanns »Das öde Haus« ( Berlin : Axel Juncker Verlag 1920 ) und zu Richard Friedenthals »Der Fächer mit der goldenen Schnur. Eine chinesische Novelle« ( Berlin : Axel Juncker Verlag 1925 ).

12

Bereits zu Kriegsbeginn war Japan gegen die Mittelmächte in den Krieg eingetreten und hatte sogleich die deutschen Besitzungen auf dem chinesischen Festland und im Pazifik übernommen. Vgl. Mommsen 2002, S. 53.

13

Bruno Jacob meint hier die Offensive der deutschen Armee gegen die Franzosen in Ostfrankreich im damaligen Elsass-Lothringen seit dem 17. August 1914, die zunächst zur Einnahme Nancys und zu Kampfhandlungen in Belfort ( deutsch Beffert ) führte. Trotz starker Verluste konnte die französische 2. Armee Nancy in den folgenden Tagen zurückgewinnen, den deutschen Vormarsch vor der Linie der Festungen Verdun-Nancy-Belfort aufhalten. Vgl. Willmott 2004, S. 40 f.

14

»Elisabether«, da Jacob beim Berliner Königin Elisabeth Garde-Grenadier-Regiment

15

Die Infanterieschule Döberitz war seit den 1890er Jahren ein wichtiger Truppen-

Nr. 3 diente. übungsplatz der kaiserlichen Armee in Dallgow-Döberitz. Dort erhielten Tausende Soldaten nach der Mobilmachung ihre Ausbildung. Von Döberitz ging es dann zumeist direkt an die Front. Vgl. Deickert 1930, S. 30–33.

205

16

Das Schrapnell wurde im 19. Jahrhundert als Antipersonengeschoss der Artillerie eingeführt und bildete bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs die zentrale Munitionsausstattung der Feldartillerie. Als Streugeschoss, das kurz vor dem Ziel zur Detonation gelangte, konnte ein Schrapnell schwerste und mehrfache Verletzungen hervorrufen. Vgl. Storz 2009, S. 820.

17

Gleich bei Kriegsausbruch wurde Lüttich zum Schauplatz schwerer Gefechte. Deutsche Truppen eroberten am 5. und 6. August zwar die Stadt im Osten Belgiens, dennoch blieben die Forts um die Zitadelle wegen des heftigen Widerstands belgischer Truppen umkämpft. Die Einnahme der Forts dauerte unter der Leitung von Generalmajor Ludendorff, der eine Kolonne von 1. 500 Soldaten leitete, bis zum 16. August 1914 an. Vgl. Gerhards 2009, S. 686; Willmott 2004, S. 41; Münkler 2013, S. 113–117.

18 Schütze. 19

Das Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiment Nr. 1 ( verkürzt Alexander-Regiment ) gehörte zu den traditionsreichsten Regimentern der preußischen Armee und war – wie Jacobs Königin Elisabeth Garde-Grenadier-Regiment Nr. 3 – in Berlin stationiert. Zur Bedeutung des Regiments im Ersten Weltkrieg siehe die von Patriotismus getragene Publikation von Bose 1932.

20

Kürzel für Pfennig. Das Briefpapier findet sich tatsächlich zeitnah zu diesem Datum ( 31. August, 3., 12., 13. September ) insgesamt fünfmal im Briefnachlass Jacobs und zeigt das von Krone und Wappen umfasste »E« des Königin Elisabeth Garde-Grenadier-Regiments Nr. 3.

21

Jacob datiert den Brief auf den 3. August 1914, er trägt jedoch den Poststempel vom 3. September. Inhaltlich ist eine Datierung auf den 3. August ( also noch vor seiner An-

kunft in der Kaserne ) unwahrscheinlich. Er schließt an die Unstimmigkeiten zwischen dem Liebespaar an, die bereits im Brief vom 31. August artikuliert wurden. Auch soll der nächste Tag ein Freitag sein. Dies würde jedoch nur für den 3. September, nicht für den 3. August zutreffen. 22

Noch immer geht Jacob davon aus, dass er in Ostpreußen stationiert sein wird. Anfang September war soeben die Schlacht zu Tannenberg erfolgreich für die preußische Armee entschieden worden. In den ersten Septembertagen drangen die Deutschen nach Masuren vor, um die 1. russische Armee aus Ostpreußen zurückzudrängen. Vgl. Willmott 2004, S. 48 f.

23

Käte Bräuer. Die Identität konnte jedoch nicht ermittelt werden.

24 Fortschritte in der bakteriologischen Hygiene ermöglichten die effektive Bekämp-

fung von Seuchen wie Typhus, Fleckfieber und Cholera – Krankheiten, an denen besonders viele Soldaten im Ersten Weltkrieg erkrankten und vor denen die teilweise erst kurz zuvor entwickelten Impfstoffe, beispielsweise gegen Typhus, schützen sollten. Epidemien wie das Fleckfieber nahmen von Jahr zu Jahr zu; die Krankheit wurde durch Läuse von Mensch zu Mensch übertragen und war den schlechten hygienischen Bedingungen an den Kriegsstandorten und in den Gefangenenlagern geschuldet. Zur Medizin im Ersten Weltkrieg siehe Eckart / Gradmann 2009. Winter

206

2013, S. 63, schreibt, dass die Immunisierung des Heeres als »großangelegte Impf-

kampagne« im Oktober 1914 begann. Jacob schreibt jedoch seit August / September 1914 über Impfmaßnahmen. 25

Bruno Jacob wohnte mit seinen Eltern und seinem Bruder Franz in der Droysenstraße 13 in Berlin-Charlottenburg. Dort lebte die Familie bis in die 1930er Jahre; 1935 dann ist die Adresse Niebuhrstraße 27 im selben Stadtviertel nachgewiesen.

26

»Affe« ist die umgangssprachliche Bezeichnung für den beim Militär eingesetzten Tornister ( Kraus 1999, S. 326 f. ), der Gewicht, lange Märsche und extreme klimatische Bedingungen aushalten musste. Koppeln sind Leibgurte oder Riemen aus Leder oder Gewebe, an denen Ausrüstungen wie Patronentaschen befestigt werden können. Vgl. Kraus 1999, S. 296 f.

27

Als Wochentag wird im Brief »Montag« angegeben; der 7. August war jedoch ein Freitag, sodass der 7. September ( ein Montag ) wahrscheinlich ist. Zudem war Jacob am 7. August noch nicht beim Militär.

28

Die langen Märsche sollten die Soldaten auf die Frontrealitäten vorbereiten, bei de-

29

Gemeint ist die Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule, an der Jacob und Friedla-

30

Julius Gipkens (1883–1968 ) war ein renommierter Berliner Grafiker, der vor allem

nen Fußmärsche unter Gefecht zum Alltag gehören konnten. ender gemeinsam studierten, bis sich Jacob freiwillig zum Kriegsdienst meldete. auf dem Gebiet der Reklame und als Plakatkünstler erfolgreich war und für Auftraggeber wie die Zeitschrift »Simplicissimus«, den Sekthersteller Kupferberg oder das Warenhaus Wertheim entwarf. Seit 1908 war er für den Süßwarenhersteller Sarotti tätig und setzte mit seinen leuchtend bunten, die Zweidimensionalität betonenden Plakaten Maßstäbe für die Erneuerung der Plakatkunst. Seinen wohl bedeutendsten Entwurf lieferte Gipkens kurz vor Kriegsende : Zum 50-jährigen Jubiläum von Sarotti schuf er 1918 den »Sarotti-Mohren«, der mit seinem übergroßen Turban, den Pluderhosen und wehenden Rockschößen zum Markenzeichen der Firma wurde. Vgl. Gudermann 2004, S. 53–68. Jacobs Frage verweist darauf, dass Lieselotte Friedlaender bereits zu dieser Zeit eine künstlerische Ausbildung zur angewandten Grafikerin plante und bei Gipkens Unterricht nehmen wollte. Allerdings war Gipkens wohl 1915–1917 im Krieg, sodass sich die Pläne womöglich zerschlugen. 31

Die Generalmobilmachung in Deutschland ging mit der Kriegserklärung am 1. August 1914 an Russland einher. Argumentiert wurde mit russischen Grenzverletzungen, die einen Verteidigungskrieg unabdingbar gemacht hätten. Am 6. August erklärte dann Österreich-Ungarn Russland den Krieg. An der Ostfront standen sich in diesen frühen Augusttagen vor allem österreichische und zahlenmäßig überlegene russische Truppen gegenüber. Vgl. Mommsen 2002, S. 42 ff. Auf diese Situation bezieht sich Jacob, der zu dieser Zeit noch hoffnungsvoll war, dass die Schlachten im Osten zugunsten der Mittelmächte entschieden werden würden.

32

Auch in diesem Brief rechnete Jacob damit, an der Ostfront stationiert zu werden : Thorn ( polnisch Toruń ) lag in Ostpreußen und war seit dem 19. Jahrhundert zur Festung ausgebaut; es galt als Bollwerk gegen Russland.

33

Berlin-Gatow liegt im Süden des Bezirks Berlin-Spandau. Dorthin ging vermutlich der Marsch, den Jacob in seinem Brief erwähnt.

207

34

Der Brief knüpft direkt an den vom 7. September 1914 an. Die »lange« Schreibpause sowie die Marschübung dienen hierfür als Belege. Jacob verabredete sich für den Donnerstag mit Lieselotte, ein weiterer Beleg, dass der Brief vermutlich an einem Mittwoch (= 9. September ) formuliert wurde. Am 9. August war Jacob überdies noch nicht beim Militär.

35

Aufzulösen als »Lilli Henschel«, wie aus einem Brief vom 16. Mai 1915 hervorgeht.

36

Vermutlich in der Nacht zum 10. September formuliert, da die beiden für diesen Tag

37

Der Brief ist – wie der Brief vom 30. August – auf Briefpapier des Königin Elisa-

Leider konnten keine Informationen zu dieser Person recherchiert werden. verabredet waren. beth Garde-Grenadier-Regiments Nr. 3 verfasst, sodass eine Datierung auf Ende August / Anfang September 1914 naheliegt. Er ist an einem Samstag geschrieben; der 12. September wäre also ein mögliches Datum. 38

Die Identität von Crey, den Bruno Jacob auch in anderen Briefen erwähnt, konnte nicht ermittelt werden. Vermutlich handelt es sich um einen Mitschüler von der BerlinWilmersdorfer Kunstgewerbeschule.

39

Da Lieselotte Friedlaender zum vereinbarten Treffen nicht erschien, änderte Jacob augenscheinlich seine Pläne und besuchte doch seinen Freund Crey, in dessen Wohnung er diesen Brief formulierte. Dieses Schreiben veranschaulicht erneut, dass die Beziehung zu Friedlaender von Unsicherheiten und Phasen des Vertrauensverlustes geprägt war.

40

Hier sind mit Georg Tappert, Karl Hutloff, Käthe Schück und Beyer, dessen Identität nicht eruiert werden konnte, Schüler und Lehrer der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule gemeint.

41

Kommissbrot ist ein besonders haltbares Brot, das zur Grundversorgung von Solda-

42

Vermutlich der erste Tag, den Bruno Jacob in Döberitz verbrachte. Auf diesem großen

ten gehörte. Truppenübungsplatz der preußischen Armee wurden die Soldaten auf Gefechtssituationen und die Strapazen der Kämpfe an der Front vorbereitet. Nach einigen Wochen des Aufenthalts sollte es für Jacob von Döberitz aus an die Westfront gehen. 43

In Döberitz wurde 1914 ein Kriegsgefangenenlager errichtet. Im August kamen bereits die ersten Kriegsgefangenen, Engländer, an, die, wie es sich bei Jacob andeutet, zur Pflege und Ausstattung der Soldatenunterkünfte eingesetzt wurden. Zum Kriegslager in Döberitz siehe Deickert 1930, S. 30 f.

44 Die 1907 zu Tarnzwecken eingeführte feldgrauen Uniform wurden aufgrund massen-

haften Einsatzes im Ersten Weltkrieg zum Synonym für den Front- und deutschen Soldaten überhaupt – »feldgrau« wurde tatsächlich, wie auch Jacob feststellt, zum weitverbreiteten populären Begriff. Vgl. Kraus 1999, S. XVII. 45

Hier sind erneut die englischen Kriegsgefangenen gemeint, die schon im August 1914 das neu errichtete Kriegsgefangenenlager in Döberitz bevölkerten.

46

Gemeint ist hier der Reklamekünstler Julius Gipkens, bei dem Lieselotte Friedlaender

47

Dies ist ein Hinweis, dass Bruno Jacob christlicher Konfession und getauft war. In ei-

wohl Unterricht nehmen wollte.

208

nigen der folgenden Briefe ist von Kirchenbesuchen die Rede. Auch schreibt Jacob

über den Verzehr von Schweinefleisch, was bestätigt, dass er nicht jüdischen ( orthodoxen ) Glaubens war. Da Jacobs Mutter, Leopoldine Jacob, Katholikin war, kann davon ausgegangen werden, dass auch er katholisch war. 48

»Tommy Atkins« ist eine seit dem 18. Jahrhundert etablierte Bezeichnung für britische Soldaten. Vgl. Laffin 1966, S. xi–xiii.

49 Vermutlich bezeichnete Jacob diesen Brief versehentlich mit der Ortsangabe Ch.

(=Charlottenburg ) statt mit D. (=Döberitz ), wo er zu dieser Zeit stationiert war. 50

Das deutsche Unterseebot U9 wurde im Ersten Weltkrieg gegen die englische Flotte eingesetzt und versenkte am 22. September 1914 unter Kapitänleutnant Otto Weddigen – darauf bezieht sich Jacob in dieser Textpassage – nördlich von Hoek van Holland die drei britischen Panzerkreuzer HMS Aboukir, HMS Hogue und HMS Cressy, wobei 1. 459 Menschen starben. Vgl. Compton-Hall 1991, S. 129–132.

51

Die Entwicklung der Waffentechnik mit weitreichenden Geschützen und rauchschwachem Pulver gegen Ende des 19. Jahrhunderts verlangte nach neuen Konzepten zur Tarnung und Schutz der eingesetzten Soldaten. Für den Einsatz im Feld waren die traditionsreichen, bunten Uniformen nicht mehr geeignet. Inspiriert durch die Uniformen in den Kolonien wurden nun neue Kampfuniformen entwickelt : Die meisten Armeen der am Ersten Weltkrieg beteiligten Staaten verfügten bei Kriegsausbruch über Felduniformen, die sich tarnend an das Gelände anpassten, wie auch weiter oben schon erläutert wurde. Die Uniformen der deutschen Armee waren seit 1907 »feldgrau«. Kraus 1999, S. 19–26.

52 53

Wochentag und Inhalt lassen auf den 24. September 1914 schließen. Nach dem Fall der Stadt Lüttich Mitte August 1914 zog sich die belgische Armee mit 70. 000 bis 80. 000 Soldaten Richtung Antwerpen zurück. Nach der Marne-Schlacht

sollte Antwerpen ab Mitte September 1914 durch den Einsatz weiterer deutscher 120. 000 Soldaten zu Fall gebracht werden. Vgl. Ypersele 2009, S. 45 f. 54 Melancholisch. 55

Gegen die Datierung spricht, dass der Monat September nur 30 Tage hat. Der Brief lässt sich jedoch inhaltlich in die Briefe Ende September einfügen, da Jacob jeden Tag schwere Märsche und Gefechtsübungen zu überstehen hat und auf seine baldige Abreise an die Front hofft.

56 Diese skeptische Frage nach der Durchsetzungskraft der Freiwilligenregimenter

spiegelte die reale Situation : Nicht nur die Kriegsfreiwilligen, auch die seit Kriegsausbruch massenhafte Einziehung von gesamten Jahrgängen produzierte ganze Heerschaften ohne gründliche Ausbildung, zudem existierten Korps, in denen die erfahrenen Soldaten bei Weitem in der Unterzahl waren. Bei späteren Schlachten in Dixmuide, Bixschote oder Langmarck fielen besonders viele Kriegsfreiwillige und damit vor allem junge Soldaten. Vgl. Münkler 2013, S. 209 f. 57

Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule.

58

Das Brandenburgische Husaren-Regiment war seit 1851 in Rathenow stationiert. Dieses auch »Zieten-Husaren« ( nach Hans-Joachim von Zieten ) genannte Reiterregiment kämpfte im Ersten Weltkrieg. Zur Geschichte der Rathenow-Husaren siehe die patriotische Publikation von Czeszak 1993.

59 Verdorben.

209

60

Der Brief ist vermutlich an einem Montag verfasst worden. Jacob bezieht sich auf Briefe, die er angetrunken an Lehrer und Schüler der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule schrieb – diese sind am 29. September erwähnt. Somit kommt als Datum der nächste Montag, d. h. der 5. Oktober 1914 in Frage.

61

Seit dem 28. September 1914 beschossen die deutschen Truppen den Festungsgürtel der Stadt Antwerpen massiv – die Stadt galt als »Schanze der Nation« und hatte deshalb auch symbolische Bedeutung für die Belgier. Vgl. Willmott 2004, S. 58.

62

Diese Briefpassage zeigt, dass Jacob auch noch nach seinem Abschied aus der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule Kontakt zu seinem Lehrer Georg Tappert hatte. Tappert pflegte zeitlebens enge soziale Bindungen zu seinen Schülerinnen und Schülern, setzte sich beispielsweise nach dem Kriegstod seines Schülers Wilhelm Morgner dafür ein, dessen Werk an die Öffentlichkeit zu bringen.

63

Jacob benutzte hier vermutlich Briefpapier eines anderen Soldaten und strich dessen

64

Inhalt und Wochentag ( Freitag ) deuten auf die Datierung 9. Oktober 1914.

Namen aus. 65 Döberitz. 66 Der Brief ist zwar von Jacob auf den 10. September 1914 datiert, trägt aber den

Poststempel vom 10. Oktober 1914. Zudem ist er an einem Sonnabend geschrieben, was nur für die Datierung im Oktober zutrifft. Auch, dass der Brief aus Döberitz ( D. ) verschickt wurde, ist ein zusätzlicher Hinweis auf den Oktober. 67

Der Belagerung Antwerpens und der Beschuss durch schwerste Artillerie wie der »Dicken Bertha« führten zum Rückzug der belgischen Truppen. Am 7. Oktober 1914 verließen König Albert und die belgische Regierung die Stadt Richtung Ostende. Am 10. Oktober wurde Antwerpen durch deutsche Soldaten besetzt. Vgl. Willmott 2004,

S. 59; vgl. auch Münkler 2013, S. 202–205. 68

Posen gehörte zu Preußen. Lemberg lag als Hauptstadt des österreichisch-ungarischen Galiziens seit Kriegsausbruch im Mittelpunkt harter Auseinandersetzungen zwischen russischen und österreichischen Truppen. Im September 1914 mussten sich die österreichischen Truppen nach schwersten Verlusten zurückziehen.

69 Antwerpen. 70

»Recogniscierungs«- oder »Recognoscierungs«-Marken wurden mit Verordnung über das »Sanitätswesen der Armee im Felde« vom 29. April 1869 in der preußischen Armee eingeführt. Im Ersten Weltkrieg hatten die unter Befehl Wilhelms II. kämpfenden Truppen aus Preußen, Sachsen, Württemberg und Bayern unterschiedliche Erkennungsmarken. Es überwog jedoch das ovale Blechschild mit zwei Tragelöchern, an denen die Marke an einer Schnur am Körper getragen wurde. Die Marke enthielt die dem Inhaber in der Stammrolle seines Truppenteils zugeteilte Nummer und die Bezeichnung des Truppenteils. Die Erkennungsmarke ( die Jacob hier umgangssprachlich und lapidar als »Totenmarke« bezeichnet ) diente der Identifizierung verwundeter oder gefallener Soldaten. Vgl. Höidal 2005, S. 11–15, 21.

210

71

Waffe des US-amerikanischen Waffenbauers und -herstellers John Moses Browning.

72

Als »Franktireurs« wurden im Ersten Weltkrieg belgische und französische Heckenschützen bezeichnet. Das ihnen zugesprochene vorgebliche Schießen aus dem Hinterhalt ließ diese belgischen Partisanen zu Feindbildern deutscher Soldaten werden – in der

Forschung wird vom »Franktireurwahn« geschrieben. Diese Angst war ursächlich für besonders harte Vergeltungsmaßnahmen durch die deutschen Truppen. Zum Themenkomplex der »Franktireurs« ausführlich Horne / Kramer 2004, S. 137–197. 73

Wochentag ( Sonntag ) und Inhalt ( Antwerpen ) deuten auf die Datierung 11. Oktober 1914.

74

Alexander von Kluck (1846–1934 ), altgedient und kriegserfahren, wurde nach Kriegsausbruch Oberbefehlshaber der 1. Armee im Westheer und in dieser Funktion betraut mit der Offensive durch Belgien und der Umfassung von Paris vom Westen her. Becker / Krumeich 2010, S. 208. Bei Mons standen sich am 22. August 1914 erstmals deutsche ( unter Führung von Klucks ) und britische Truppen als Gegner gegenüber. Vgl. Janz 2013, S. 75.

75

Die Identität der »Familie Reinwald« konnte nicht ermittelt werden.

76

Preußischblau war die traditionsreiche Farbe des preußischen Heeres. Erst in den Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde schließlich zwischen dem bunten Parade- oder Ausgehanzug und der grauen Felduniform als Kampfanzug getrennt, wie weiter oben schon ausgeführt wurde. Vgl. Kraus 1999, S. XVII. Zu Feierlichkeiten, wie hier nach der Einnahme der Stadt Antwerpen durch die preußische Armee, dominierte dann das Preußischblau.

77

Der Briefumschlag trägt den Poststempel vom 13. Oktober 1914 ( Dienstag ), der Brief ist jedoch »Mont. Abend« überschrieben, sodass das Datum 12. Oktober 1914 sehr wahrscheinlich ist.

78

Da der klassische Mannschaftshelm der Fußtruppen eigentlich einen schwarzlackierten Helmkopf aus Leder hatte, muss davon ausgegangen werden, dass Jacob hier vermutlich von einem Metallhelm spricht. Der Bedarf an Helmen durch die Expansion der Armee zu Kriegsbeginn war enorm gestiegen. Deshalb wurden seit 1914 Ersatzhelme aus Metall oder Filz hergestellt. Vgl. Kraus 1999, S. 86–90. Die von Jacob erwähnten »glänzenden Teile« waren vermutlich das Messingschloss am Koppel ( Riemen ) und die Knöpfe.

79

Jacob schickte eine Kunstpostkarte, die eine Reproduktion des Gemäldes »Die fette Küche« von Jan Steen zeigt ( ca. 1660, Liechtenstein Museum, Wien ). Die Truppe wurde über Hannover und Minden an die belgische Front verbracht.

80

Dazu Führer o. D., S. 4, der diese Fahrt mitmachte : »67 Offiziere, 2. 846 Unteroffiziere und Mannschaften, 62 Fahrzeuge, 187 Pferde rollen in 3 Zügen gen Westen. Rathenow ist für alle Bataillone erste Verpflegungsstation, in Hannover befinden sich unter den Damen vom Roten Kreuz, die die Transporte betreuen, Frau von Hindenburg. Sobald der Zug hält, reichen freundliche Hände Erfrischungen, die Spenden der Liebesgaben sind so reichlich, dass die Neigung der Grenadiere und Füsiliere, auf den planmässigen Verpflegungsstationen ihren Schlag Essen in Empfang zu nehmen, mit der weiteren Entfernung von Döberitz immer mehr abnimmt.«

81

Detailierte Schilderung des Auszugs des Reserve-Infanterie-Regiments 203 von Wilhelm Führer, dessen maschinenschriftliche Aufzeichnungen im Bundesarchiv, Militärarchiv Freiburg ( Breisgau ) verwahrt werden. In Führer o. D., S. 1–4, ist beschrieben, dass die Mannschaften in Viehwagen transportiert werden.

211

82

Zugeordnet : Der Brief steht inhaltlich in unmittelbarer Nähe zur Postkarte, die Bruno Jacob am 14. Oktober 1914 aus Hannover an Lieselotte Friedlaender schrieb.

83 Rotkreuzschwester. 84

Die festliche Verabschiedung der ausziehenden Verbände gehörte in allen beteiligten Kriegsnationen zum Ritual. Siehe auch die bei Münkler 2013, S. 266, veröffentlichte Fotografie von Berliner Soldaten auf dem Weg zum Verladebahnhof.

85

Aus den Zeilen geht hervor, dass Jacob bis zuletzt im Unklaren belassen wurde, wo-

86

Gemeint ist Wunstorf bei Hannover.

87

Obgleich der Brief »Dienstag abends« überschrieben ist, kommt eigentlich nur der

hin die Reise gehen würde.

Mittwoch (14. April ) in Frage, da die Westfälische Pforte ( Porta Westfalica ), Wesergebirge, aus dem Osten kommend, erst nach Hannover und Minden folgt. 88

Das politisch eigentlich neutrale Belgien wurde durch ein Ultimatum Deutschlands in den Krieg gezogen, da der deutsche Kaiser am 2. August 1914 den Durchmarsch seiner Truppen nach Frankreich forderte. Diese ultimative Forderung wurde von Belgien als Angriff auf die eigene Neutralität empfunden. Als deutsche Truppen am 4. August belgische Grenzen überschritten, beschloss das Parlament die Verteidigung und den Aufmarsch belgischer Truppen. Nachdem das umkämpfte Lüttich fiel, besetzten die Deutschen Brüssel. Zwischen dem 10. und 16. Oktober 1914, als Bruno Jacob mit seiner Kompanie belgische Grenzen überschritt, fanden

Treffen zwischen der belgischen und der französischen militärischen Führung statt, in deren Zuge beschlossen wurde, dass Belgien die Front an der Yser halten sollte. Vgl. Ypersele 2009, S. 44 ff. 89

Jacob schickt eine Ansichtspostkarte mit dem Square Notger, Monument Montéfiore-

90

Die Postkarte zeigt vorn eine Fotografie der Porte de Hal in Brüssel.

91

In Löwen ( flämisch Leuven ) töteten deutsche Soldaten Ende August 1914 248 Zivilis-

Lévi, gare du Palais in Liège ( Lüttich ).

ten und zerstörten ein Sechstel der Gebäude. Dabei brannte die Universitätsbibliothek fast vollständig nieder. Diese Taten wurden weltweit bekannt als Indiz deutsche Kriegsgräuel, während die Oberste Heeresleitung die Zerstörung der Stadt als »gerechtfertigte Strafmaßnahme für einen Überfall belgischer Freischärler« abtat. Horne / Kramer 2004, S. 65–71. 92

Die eng beschriebene Postkarte trägt den Poststempel vom 20. Oktober 1914 ( Dienstag ), sodass die Karte auf den 18. Oktober zu datieren wäre ( da mit »Sonntag« überschrieben ).

93

Vermutlich lag Jacob in Ruddervoorde, nahe Brügge. Wilhelm Führer schreibt über den 18. Oktober 1914 : »15 Uhr erreicht das Regiment Ruddervoorde. [ … ] Major von Weyrauch befiehlt auf Grund gemeldeter feindlicher Kavallerie-Patrouillen und Panzerautos erhöhte Alarmbereitschaft. Schon beim Einrücken in Ruddervoorde werden Flaggensignale vom Kirchturm beobachtet, was dem Ortspfarrer die vorläufige Gefangennahme einträgt und Geiselgestellung erforderlich macht. [ … ] Wer in dieser Nacht nicht zur Wache eingeteilt ist, hat das grosse Los gezogen, denn für den

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überwiegenden Teil bedeutet diese Nacht für lange Zeit das letzte Bett und das letzte Dach über dem Kopf.« Führer o. D., S. 9.

94

Auch »Aalst« genannte und zwischen Gent und Brüssel gelegene Stadt, Endstation für das Reserve-Infanterie-Regiment 203 beim Transport nach Belgien. Von dort ging es zu Fuß weiter : »Nacheinander rollen die Transporte in Alost, der Endstation, ein. […] Das Ausladen vollzieht sich in beschleunigtem Tempo. Allerdings sind die Siebensachen nicht so schnell und kunstgerecht verstaut wie auf künftigen Kriegsmärschen, denn was heute unsere jungen Krieger in Tornister, Brotbeutel und als Anhängsel mitschleppen, haben sie erst einmal getragen, nämlich von den Döberitzer Baracken zum Bahnhof; sie befördern es jetzt zum zweiten Male, aus dem Zuge auf die flandrische Landstrasse, aber sie werden diesen Ballast nicht mehr weit und dann niemals wieder mitführen. I. und II. Btl. traten sofort ihren ersten Kriegsmarsch in Feindesland an. Nachdem scharf geladen und gesichert worden war, ging es mit Marschsicherungen, der Regimentsstab sofort hinter der Spitze, nunmehr auf den eigenen Beinen weiter gen Westen. Der Tag war warm und schwül, der Marsch wurde überaus beschwerlich, denn unsere junge Truppe war marschungewohnt, nach der langen Eisenbahnfahrt besonders steif, mit Gepäck durch eigenen Unverstand über Gebühr beladen.« Führer o. D., S. 5 f.

95

Ein Infanterist trug meist 30–40 Kilogramm Gepäck, darunter Gewehr, Bajonett, Munition und den Tornister; die Einheiten mussten – wie es Jacob auch beschreibt – bis zu 40 Kilometer am Tag zu Fuß zurücklegen, wobei auch Gefechte ausgetragen wurden. Vgl. Münkler 2013, S. 118.

96

Als »Franktireurs« bezeichnet Jacob hier erneut belgische Freischärler, die deutsche Soldaten angeblich aus dem Hinterhalt angreifen würden – so die in Deutschland verbreitete Annahme. Diese Vorstellung motivierte und entschuldigte zahlreiche Gewalttaten, die an Zivilisten begangen wurden. Vgl. Hole / Kramer 2004, S. 173–197.

97

Lieselotte Friedländer änderte ihren Namen nach dem Zweiten Weltkrieg in »Friedlaender«, sodass in den Kommentaren und in der Einführung zu diesem Buch diese Schreibweise benutzt wird. Derweil werden die anderen Familienmitglieder »Friedländer« geschrieben.

98

Auch diese Postkarte trägt den Poststempel vom 20. Oktober 1914, ist folglich am 18. Oktober entstanden. Vermutlich konnte Jacob doch noch Papier organisieren, um

Lieselotte Friedlaender eine eigene Postkarte zu schreiben. 99 Am 19. Oktober 1914 um 12.30 Uhr sollte das Reserve-Infanterie-Regiment 203 im

Wald von Wijnendaale erstmals »Feindberührung« haben, als man auf vermeintlich englische Söldner traf, die sich jedoch als belgische Kavalleristen herausstellten. Vgl. Führer o. D., S. 10. 100 Bruno Jacob verwendet hier die französische Schreibweise und nicht das flämische

»Diksmuide« oder das deutsche »Dixmuide« für die westflandrische Stadt in Belgien, die am Fluss Yser gelegen ist und 1914 im Frontbereich des Krieges lag. Die Schlacht um Dixmuide begann am 16. Oktober, wo die Deutschen den Yser-Kanal überwinden wollten. Vom 29. Oktober an setzten die Belgier das Gelände unter Wasser, die Region wurde geflutet, der Angriff kam zum Erliegen. Vgl. Münkler 2013, S. 210. In der Nacht vom 26. Oktober sollte um 1 Uhr Dixmuide im Sturm er-

obert werden, durch aufgeweichte Wege rückte die 9. Kompanie, der auch Jacob angehörte, durch feindliche Gräben im Süden Dixmuides vor : »Keine Hand ist vor

213

Augen zu sehen. Die Lungen kreischen. Der Fuss stolpert über die Leichen vor Sekunden Gefallener. Das konzentrische MG-Feuer vom Bahndamm fordert schwerste Verluste, die bei der Massierung der Kolonnen in wörtlichem Sinne ›Haufenweise‹ eintreten. Der Angriff bricht zusammen.« Ebd., S. 48 f. 101 Filzpantoffeln. 102 Das umgangssprachlich »Dicke Bertha« ( nach der ältesten Krupp-Tochter ) genann-

te 42-cm-Steilfeuergeschütz wurde unter strenger Geheimhaltung von der Rüstungsschmiede Krupp gebaut und bei der Zertrümmerung des Sperrforts von Lüttich eingesetzt. Dabei hatte die »Dicke Bertha« auch eine symbolische Wirkung für die Übermacht deutschen Ingenieurs- und Rüstungswesens. Vgl. Münkler 2013, S. 114 f. 103 Es ist sehr wahrscheinlich, dass Jacob hier, wie in späteren Briefen benannt, die bel-

gische Stadt Thourout ( auch Torhout ) meinte. 104 Mit »Turkos« meint Jacob die algerischen oder tunesischen Schützenregimenter des fran-

zösischen Heeres. In der deutschen Propaganda wurden die »Turkos« als besonders grausam gezeichnet; so hielt sich hartnäckig die Behauptung, Kolonialsoldaten würden barbarische Gewohnheiten haben und als Kriegstrophäen abgeschlagene Köpfe und Finger feindlicher Soldaten mit sich führen. Vgl. Koller 2001, S. 108–114. 105 Oft blieben die gefallenen Soldaten zwischen den Gräben liegen und konnten erst

nach vereinbarter Gefechtspause – meist erst nach Wochen und Monaten – geborgen werden. Vgl. Münkler 2013, S. 365. 106 Der Krieg wurde nicht nur gegen britische Soldaten geführt, sondern auch überge-

ordnet gegen die dekadente »Smokingkultur« Großbritanniens, gegen die man deutsche »Geradheit und Aufrichtigkeit« setzte. Vgl. Eksteins 1990, S. 146. 107 Der Brief schließt inhaltlich an den Brief vom 30. Oktober 1914 an, in dem Jacob

von seinem Lazarettaufenthalt und seinen rheumatischen Schmerzen schreibt. Auch der Wochentag, Samstag, bestätigt den 31. Oktober 1914. 108 Das Kommissbrot war ein lang haltbares Brot und wurde zur Versorgung des Heeres

nach Kriegsausbruch auch in Feldbäckereien massenhaft gebacken. Zur Geschichte dieser Feldbäckereien und der Kommissbrote siehe Müller 2003. 109 Als Briefpapier verwendet Jacob einen Ausschnitt aus einem belgischen Kirchenka-

lender. 110 Jacob nimmt hier Bezug auf die Ypern- oder Flandernschlacht in Westflandern, wo

sich Ende Oktober 1914 ein Frontalgefecht entwickelt hatte. Deutsche und britische Truppen standen sich hier gegenüber; 24. 000 Briten und 50. 000 deutsche Soldaten ließen allein bei der Ypern-Schlacht ihr Leben, darunter etliche Kriegsfreiwillige, die nur eine kurze Ausbildungszeit hinter sich gebracht hatten. Am Tag, als Jacob diese Briefzeilen schrieb ( 31. Oktober ), besuchte der Kaiser das bei Ypern angreifende XIV. Reservekorps. Vgl. Münkler 2013, S. 210–213. 111 In Thourout befand sich ein Kriegslazarett der deutschen Truppen an der Westfront,

ein Feldlazarett war in Ichteghem situiert, ein Verbandsplatz in Spermalie. Vgl. Namentliches Verzeichnis der Stäbe bei den Stationen des XXIII. Reservekorps und der benachbarten Stationen 1914–1915, BArch PH 6-II / 162.

214

112 Der »Wettlauf zum Meer« wurde intensiv ab 16. Oktober 1914 über die Flandern-

schlacht oder Ypernschlacht ausgetragen, als deutsche Einheiten Nieuwport am Är-

melkanal und die Stadt Dixmuide angriffen. Dem Angriff auf die nordfranzösische Stadt Dünkirchen stellte sich die Verteidigungslinie der Alliierten entgegen. Die Ypernschlacht fand bis tief in den November statt, wobei bei Langemarck 7. 000 deutsche Kriegsfreiwillige beim Angriff auf britische Stellungen ihr Leben ließen. Erst am 22. November 1914 wurde die Ypernschlacht von Falkenhayn abgebrochen. Vgl.

Janz 2013, S. 84–86; Münkler 2013, S. 194–213. 113 Teufelsfahrt. 114 Der Grafiker und Maler Hermann Sandkuhl (1872–1936 ) initiierte gemeinsam mit

Georg Tappert die »Juryfreien Kunstausstellungen«. Im Ersten Weltkrieg überlebte der begeisterte Soldat zahlreiche Flugzeugabstürze. Jacob und Lieselotte Friedlaender kannten Sandkuhl sicherlich über ihren Lehrer Tappert. Zu Sandkuhl siehe ­Titze / Sandkuhl / Sandkühler 1980. 115 Mit dieser Karte gab Jacob seine krankheitsbedingte Rückkehr von der Westfront

nach Berlin bekannt. Jacob kurierte seine rheumatische Erkrankung im Königlichen Charité-Krankenhaus aus. 116 Dixmuide lag im von Flussarmen durchzogenen Gebiet um die Yser und war ein

feuchtes und schwierig zu bewältigendes Kampfgebiet. Durch die Flutung der Deiche verschlechterte sich die Situation der Soldaten, die teilweise tagelang in nassen Kleidungsstücken und in gefluteten Schützengräben ausharren mussten ( siehe die Beschreibungen eines anonymen deutschen Soldaten in Ulrich / Ziemann 2008, S. 36 ). Die Kampfhandlungen an der Yser sind en detail beschrieben bei Kircheisen 1916. 117 Engländer. 118 Die Postkarte trägt den Poststempel vom 16. November 1914, Jacob schreibt von

»Sonntagsempfangstimmung«, sodass eine Datierung auf den 15.  November ( Sonntag ) wahrscheinlich ist. 119 England bot in der deutschen Öffentlichkeit gleich ein mehrfaches Feindbild, galt es

doch parallel auch den gewissenlosen Kapitalismus zu bekämpfen. Intellektuelle wie Max Scheler ( in seinem Buch »Der Genius des Krieges und der deutsche Krieg« von 1915 ) stilisierten die englischen Soldaten als »bloße Schrittmacher des Kaufmanns«,

Werner Sombart setzte in seinem Buch »Händler und Helden. Patriotische Besinnungen« (1915 ) die ökonomische Haltung Englands gegen eine heldische Grundeinstellung der Deutschen. Vgl. Münkler 2013, S. 245 f. 120 Liedzeilen in Hochdeutsch : »Ich trag, wo ich geh, stets eine Uhr bei mir.« Es handelt

sich um das von Carl Loewe vertonte Gedicht »Die Uhr« von Johann Gabriel Seidl. 121 Der Brief ist der erste einer Reihe von Briefen, die Jacob – nach Entlassung aus der

Charité – aus Spandau höchstwahrscheinlich von Mittwoch an, den 2. Dezember 1914, schrieb. 122 Hamburgers Identität konnte nicht geklärt werden. 123 Bruno Jacobs Vater, Salli Jacob, von dem hier die Rede ist, ist in den Berliner Adress-

büchern als Fondsmakler und wohnhaft in der Droysenstraße 13 ( Charlottenburg ) erfasst. Die Familie ist jedoch in ihrem Stadtteil Charlottenburg geblieben. 124 Jacobs Mutter, Leopoldine Jacob, war katholischen Glaubens, sodass die Nähe zu

einer katholischen Kirche für sie vermutlich wichtig war.

215

125 Gemeint ist hier Jacobs Reserve-Infanterie-Regiment 203. 126 Was Friedlaender ihrem Lehrer Georg Tappert nicht versprechen soll, lässt sich aus

den Zeilen nicht erschließen. 127 Es wird von einem Schreibfehler ausgegangen, da der Brief inhaltlich, von Schrift

und Briefpapier in die Briefe vom 8.–11. Dezember 1914 einzuordnen ist. 128 Melancholisch. 129 Britische Schlachtkreuzer versenkten am 8. Dezember 1915 in einem Seegefecht bei

den Falklandinseln ein deutsches Geschwader, das unter dem Kommando Maximilian von Spees gestanden hatte. Dabei fanden nicht nur von Spee und seine beiden Söhne, sondern auch 2. 200 deutsche Seeleute den Tod. Vgl. Leonhard 2014, S. 198. 130 Schleppen. 131 Der Brief lässt sich inhaltlich in die Spandauer Zeit einordnen. Zudem verwendete Ja-

cob dasselbe Briefpapier wie am 14. Dezember 1914, schrieb aber noch über die Verabredung vom Sonntag, sodass eine Datierung auf den 12.  Dezember ( Samstag ) naheliegt. 132 Jacob verwendet Papier mit dem goldenen Briefkopf des 5. Garde-Regiments zu Fuß. 133 Gemeint ist Friedlaenders Lehrer, der Künstler Georg Tappert. 134 Tatsächlich hat Georg Tappert eine Porträtlithografie von Lieselotte Friedlaender an-

gefertigt. Das »Sieh dich vor« und die bisweilen zu erahnende Eifersucht auf den Lehrer verweisen auf die enge Beziehung, die Tappert zu seinen Schülern und Schülerinnen einging – und die, wie bei seiner Schülerin Kathleen Bagot, auch zu einem Liebesverhältnis bzw. zur Eheschließung führen konnte. 135 Datum und Inhalt fügen sich in den Truppentransport an die Westfront nach dem 24. Dezember 1914. Der Transport der deutschen Truppen an die Westfront erfolg-

te – generalstabsmäßig von den ersten Kriegstagen an organisiert – mit dem Zug über Köln. Vgl. Münkler 2013, S. 110–112. 136 Herbesthal lag auf der Grenze zwischen Deutschland und Belgien, gehörte jedoch

damals zum Preußischen Reich. 137 Muschkote, von Musketier, bezeichnet aber hier wohl einen einfachen Soldaten. 138 Bei Nancy und Toul hatte der französische Oberbefehlshaber General Joffre die 2. Armee unter General de Castelneau stationiert; es kam im Folgenden zu schwe-

ren Kämpfen um die Festung Toul. Vgl. u. a. Becker / Krumeich 2010, S. 202. 139 Die nordfranzösische Stadt Douai stand unter deutscher Besatzung und diente als

Rückzugs- und Ruheort deutscher Truppen um die Jahreswende 1914 / 15. Zum Alltag gehörten die Reinigung der strapazierten Waffen und der Kleidung, der Exerzierdienst und Schießübungen. Bereits seit 10. Dezember lag hier das 3. GardeRegiment zu Fuß und erhielt am 26. des Monats Zuwachs, »einen Transport von 6 Unteroffizieren und 837 Mann […], der fast nur aus Rekruten bestand, die erst eine

kurze Ausbildungszeit hinter sich hatten.« Loebell 1926, S. 66. Von nun an war Bruno Jacob dem 3. Garde-Regiment zu Fuß zugeteilt. 140 In den später »Wettlauf zum Meer« bezeichneten Gefechtssituationen an der West-

front im Herbst / Winter 1914 versuchten sich die deutschen und die gegnerischen

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Truppen immer wieder zu umfassen und bewegten sich dabei in nördlicher Richtung durch Nordfrankreich und Flandern in Richtung Küste. Arras lag auf der Linie zwi-

schen St. Quentin und dem Ärmelkanal, an der die Entscheidung gesucht wurde. Vgl. Münkler 2013, S. 194–199. 141 Kneipe oder Kaffeehaus. 142 Aus den Erinnerungen an das 3. Garde-Regiment zu Fuß und die Ruhezeit in Douai :

»Den Kompanien wurden bestimmte Straßenzüge zugeteilt, und es war möglich, die Mannschaften einigermaßen unterzubringen, jedenfalls so, daß jeder Mann, wenn auch nicht ein Bett […] so doch wenigstens eine Matratze hat. Man konnte sich wieder einmal ausziehen und den Körper pflegen.« Loebell 1926, S. 66. 143 Arras lag seit den ersten Kriegstagen nahe der Kriegsfront. Während die Stadt im

September 1914 kurzzeitig von deutschen Truppen besetzt war, wurden diese wieder an den Stadtrand zurückgedrängt. Auch in folgenden Monaten und Jahren kam es immer wieder zu Kämpfen um Arras, darunter die große Schlacht von Arras im April / Mai 1917, die mit einer Pattsituation endete. Zur Kriegsfront im Westen September / Oktober 1914 vgl. Gilbert 2008, S. 18. 144 Auch aus diesen Zeilen spricht eine latente Eifersucht auf vermeintliche Avancen des

Künstlers Georg Tappert ( »Tap« ), dem Friedlaender als Schülerin und Modell verbunden war : »Prenez-garde, mademoiselle ! ! !«, übersetzt »Pass auf dich auf, Fräulein ! ! !«. 145 Das Briefpapier zeigt den Briefkopf des »Café des Mille Colonnes« in Douai. 146 Der Graben oder die »Kameradschaft der Gräben« ( Eksteins 1990, S. 321 ) gehörten

zum Frontalltag kämpfender Soldaten im Westen; in den Gräben und den Unterständen tief in der Erde kauernd wurden die Angriffe der Gegenseite abgewartet, oder es war das Ziel, aus den Gräben auszubrechen, um die Kriegslinie in Richtung Feind zu verschieben. Bereits nach dem Rückzug von der Marne hatten sich die Deutschen eingegraben, auch die Franzosen und Briten gruben sich ein, sodass die Westfront auf einer Länge von 700 Kilometern erstarrte : »Das potentielle Schlachtfeld war leer; nur wer es aus der Vogelperspektive betrachtete, konnte die Schützengräben, die Grabenbesetzungen, die bereitgestellten Reserven und die Artilleriestellungen erkennen.« Münkler 2013, S. 298 f. 147 Heuballen. 148 In Verweis auf den in den Befreiungskriegen erfolgreich offensiv kämpfenden Gene-

ralfeldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher. 149 Im Oktober 1914 war das Osmanische Reich an der Seite des wilhelminischen Kai-

serreiches in den Krieg eingetreten, vermutlich, um nach verlorenen Kriegen auf dem Balkan den Zerfall des Imperiums aufzuhalten. Dem Vorstoß im Kaukasus folgten herbe Verluste, im Gegenzug drang die russische Armee auf osmanisches Territorium und bis nach Erzurum vor. Am 22. Dezember 1914 starteten die Türken zunächst ihre Offensive gegen Sarıkamış auf russischem Gebiet ( dazu wohl auch der Kommentar von Jacob ), verloren die dortige entscheidende Schlacht jedoch im Januar 1915. Nahezu zeitgleich führten osmanische Offensiven über kurdisches Gebiet nach Täbris. Vgl. Münkler 2013, S. 321–326; Willmott 2003, S. 84 f. 150 ( Rotes ) Kreuz. 151 Vermutlich handelt es sich um die Rosenbergs aus dem Freundeskreis von Käthe Koll-

witz. Kollwitz’ Sohn Peter war mit Jean Rosenberg eng befreundet. Beide fielen im Ersten Weltkrieg. Vgl. Kollwitz 1989, S. 794.

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152 Im Brief ist diese Straßenszene in einer kleinen Bleistiftzeichnung nachempfunden. 153 Fürwahr führte die Erstarrung der Front im Westen zu einer Materialschlacht, bei

der es vorwiegend darum ging, den Gegner in eine Abnutzungsschlacht zu verwickeln, da ein Durchbruch mit zunehmendem Kriegsfortgang an der Westfront nicht mehr möglich erschien. Jacob nahm mit seiner Beobachtung eines Materialkriegs vorweg, was sich erst ein Jahr später, 1916 bei der Schlacht von Verdun, im vollem Umfang als deutsche Kriegstaktik manifestieren sollte : Getragen von der Überzeugung, dass der Gegner unter der Waffengewalt und technischen Übermacht der deutschen Armee in die Knie gezwungen würde, begann eine Auseinandersetzung, bei der sich Franzosen und Deutsche über mehrere Monate erbittert bekämpften. Erst nach sechs Monaten wurde die Schlacht von Verdun im Herbst 1916 nach enormen Verlusten auf beiden Seiten abgebrochen. Vgl. Mommsen 2002, S. 66 – 68. 154 Bei Kriegsausbruch 1914 existierte noch kein einheitlich organisiertes deutsches

Reichsheer, sondern es bestand aus vier Streitkräften der vier Königreiche, den preußischen, bayerischen, sächsischen und württembergischen Regimentern, die über autonome Generalkommandos verfügten. Auch die Uniformen der verschiedenen Divisionen unterschieden sich. Vgl. Willmott 2004, S. 28. Die Selbstständigkeit Bayerns zeigt sich beispielsweise auch daran, dass der am 31. Juli ausgerufene Kriegszustand, der einem Belagerungszustand entsprach, für das gesamte Reich galt – mit Ausnahme Bayerns. Dennoch war der Oberbefehlshaber des Heeres der Kaiser. Vgl. Janz 2013, S. 264. 155 »Untern Linden, Untern Linden« ist ein Marsch aus der Feder Walter Kollos und stammt

aus der Posse Filmzauber (1912 ). »Es war in Schöneberg« ist ein Lied aus der Operette Wie einst im Mai (1913 ) von Walter Kollo. 156 Die Westfront war bestimmt vom systematischen Ausbau der Schützengräben; Ende 1916 betrug die Länge der deutschen Schützengräben 16. 000 Kilometer, die der Al-

liierten 12. 000 Kilometer. Zwei bis drei Kilometer hinter der ersten Frontlinie wurden weitere Schützengräben ausgehoben, die dem feindlichen Artilleriebeschuss weniger ausgesetzt waren und in denen Reserven in Bereitschaft gehalten wurden. Vgl. Janz 2013, S. 91. 157 Bruno Jacob lag hier vermutlich in Stellung bei Perthes. Dazu aus den Erinnerungs-

blättern des 3. Garde-Regiments zu Fuß : »Die Ruhe- und gleichzeitig Reservestellung, Baraque genannt, lag an einem Abhang, einige hundert Meter südlich der Chaussee, die von Tahure nach Westen führt. In drei Reihen waren Erdlöcher, durch Bäume gegen Flieger gut gedeckt, gegraben, im unteren Teil sogar aus Holz und Sand kleine Häuschen gebaut worden. Bei Frostwetter gewährten diese Bauten guten Schutz, bei Tauwetter tropfte es aber so stark, daß die Decken noch einmal mit Zeltbahnen abgedichtet werden mußten.« Loebell 1926, S. 71. 158 Die vordersten Schützengräben waren mit einem oder mehreren Gürteln dichter Sta-

cheldrahtverhaue geschützt. Vgl. Janz 2013, S. 91. 159 Das Eingraben gehörte zu den zentralen Verteidigungstaktiken im Ersten Weltkrieg.

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Die Reichweite moderner Waffen zwang die Soldaten, in Deckung zu gehen. Auf diese Weise entstanden auch die ersten Schützengräben : Im Herbst 1914 began-

nen erschöpfte Soldaten, sich in Löcher einzugraben, um dort Schutz vor Beschuss zu suchen. Aus diesen zufällig entstandenen Gräben entstand dann das systematisierte Prinzip der miteinander verbundenen Schützengräben, die die Kämpfe an der Westfront mit bestimmen sollten. Vgl. ebd., S. 88. 160 Der Spruch »Gott strafe England !« ging aus dem »Haßgesang gegen England«

(1914 ) des Dichters Ernst Lissauer hervor. Die Kriegspropaganda adaptierte die Formel als zentralen Schlachtruf des deutschen Heeres, der rasche und enorme Verbreitung fand – wie auch dieses Zitat in Jacobs Brief zeigt. England wurde nach seinem Kriegseintritt am 4. August aufgrund der ihm zugeschriebenen bourgeoisen Charakteristika ( Materialismus, Heuchelei und Tyrannei ) zum »meistgehaßten Feind der Deutschen. »Gott strafe England« avancierte schnell zum Motto vieler deutscher, darunter sogar viele von denen, die noch vor dem Krieg eine gemäßigt Position vertreten hatten«. Eksteins 1990, S. 147. 161 Oberstleutnant Walther von Schultzendorff war um die Jahreswende 1914 / 15 Kom-

mandeur des 3. Garde-Regiments zu Fuß und wurde an Kaisers Geburtstag ( 27. Januar ) zum Oberst befördert – so wie auch Bruno Jacob an diesem Tag das Eiserne Kreuz erhielt. Vgl. Loebell 1926, S. 74. 162 Das Eiserne Kreuz II wurde im Ersten Weltkrieg inflationär verliehen, insgesamt an 5,2 Millionen Soldaten, also an fast jeden dritten ( Thoss 2009, S. 757 ), was die von

Bruno Jacob geschilderte, wenig festliche Verleihung dieser militärischen Auszeichnung zur Würdigung besonderer Verdienste erklären dürfte. 163 Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg (1847–1934 ) hatte als damals eigentlich

bereits im Ruhestand befindlicher Militär und Oberbefehlshaber der 8. Armee durch seinen Sieg in der Tannenbergschlacht ( 24.–31. August 1914 ) an der Ostfront, einer Kesselschlacht gegen die 2. russische Armee, den Status einer Legende erhalten. Zur Tannenbergschlacht unter Hindenburg siehe Janz 2013, S. 104 f.; Münkler 2013, S. 145–153. 164 Erschießen. 165 »Puppchen, du bist mein Augenstern« ist ein populäres Lied von Jean Gilbert aus dem

Jahr 1912. 166 Waziers muss hier gemeint sein, eine Stadt im Département Nord, im Arrondissement

Douai. 167 »Wenn ein Mädel einen Herrn hat« ist ein Lied von Walter Kollo, »Puppchen, du bist

mein Augenstern« von Jean Gilbert. 168 Eitel Friedrich von Preußen war der Sohn des deutschen Kaisers Wilhelm II. und wur-

de bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs Offizier des 1. Garde-Regiments zu Fuß. Vgl. Eitel 1922. 169 »Die ganze Kompanie« war ein im Ersten Weltkrieg populäres Lied von Gustav

Schreck. 170 Eine kleine Bleistiftzeichnung skizziert die Stellung der Gräben. 171 Hier folgt eine weitere Bleistiftzeichnung. 172 Läusebefall gehörte zu den Begleiterscheinungen des Kriegsalltags. Zugleich gehör-

ten Entlausungsprozeduren zu den Präventivmaßnahmen gegen das Fleckfieber, wur-

219

de doch wenige Jahre vor Kriegsbeginn die Laus als Überträgerin entlarvt. Vgl. Winter 2013, S. 77–79. 173 Gemeint ist hier Gebhard Leberecht von Blücher (1742–1819 ), der seine Truppen

als preußischer Generalfeldmarschall siegreich durch die Befreiungskriege führte und aufgrund seiner offensiven Taktik den Beinamen »Marschall Vorwärts« erhielt. In die Annalen ging Blücher durch seinen Sieg bei der Schlacht von Waterloo an der Seite Wellingtons gegen Napoleon ein. Vgl. Keubke 1993. 174 Die kriegsbedingte Trennung von Ehe- und Liebespaaren führte zu einer Veränderung

im Sexualverhalten und zur Aufweichung bürgerlicher Sexualmoral. Sexualkontakte der Soldaten, auch zu Frauen im Feindesland, standen im Blickfeld öffentlichen Interesses, nicht zuletzt auch weil die sich verbreitenden Geschlechtskrankheiten, auf die Jacob hier Bezug nimmt, negativen Einfluss auf die Wehrkraft vermuten ließen. Im deutschen Militär wurde der Appell auf sexuelle Enthaltsamkeit mit Vaterlandstreue begründet; kontrollierte Prostitution sollte ebenfalls die Infektion durch Geschlechtskrankheiten vermeiden helfen. Vgl. Sauerteig 1998. 175 Konrad Friedländer (1864–1917 ) trat bereits als 16-jähriger in die kaiserliche Marine

ein und wurde 1903 zum Korvettenkapitän ernannt. Bereits 1901 war er ins Reichsmarineamt nach Berlin berufen worden. Friedländer war ein Pionier der Seefliegerei. Obgleich pensioniert, wurde er 1914 als Seeoffizier einberufen und tat seinen Dienst auf dem letzten Segelschiff der kaiserlichen Marine, der »Charlotte«. Vgl. Dogramaci 1998, S. 27. Weshalb Bruno Jacob ihn hier auch als seinen Vorgesetzten bezeichnet, kann nicht gesagt werden. 176 Monthois liegt im Norden Frankreichs im Département Ardennes. Jacob wurde mit

seinem Bataillon am 21. Februar nach Monthois verlegt, wenig später, da die kleinen Ortschaften stark von Soldaten überfüllt waren, nach Vouziers beordert. Loebell 1926, S. 75. 177 Beignes, süße Teigkringel. 178 Vouziers liegt ebenfalls im Département Ardennes am Fluss Aisne. 179 Der Sohn Wilhelms II., Prinz Eitel Friedrich von Preußen, führte als Offizier das 1. Garde-Regiment zu Fuß nicht nur an der Westfront, sondern auch 1915 an der

Ostfront bei der Schlacht zu Garlice-Tarnow im Mai / Juni des Jahres. Zu Prinz Eitel im Ersten Weltkrieg siehe seine Erinnerungen an das 1. Garde-Regiment zu Fuß in Eitel 1922, hier besonders S. 63, die dem Aufenthalt des Regiments vom 20. Februar bis 3. März 1915 in Vouziers gewidmet sind, wo zur selben Zeit auch Jacob stationiert war. 180 »Am 4. 2. wurde das Regiment von dem R. I. R. [ Reserve-Infanterie-Regiment ] 92 ab-

gelöst.« Loebell 1926, S. 74. 181 Reims war eine vom Krieg gezeichnete Stadt : Als die 2. Armee sich nach der Nie-

derlage in der Marne-Schlacht auf dem Rückzug befand, näherte man sich September 1914 der Stadt Reims. Dort wurde die historische Kathedrale durch deutsche Artillerie massiv beschossen, Dach und Turm beschädigt. Diese Zerstörungen gingen als deutsche Gräueltaten in die Kriegsgeschichte ein. Deutschland verteidigte den Be-

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schuss mit der Begründung, auf dem Hauptturm der Kathedrale sei ein französischer Beobachtungsposten positioniert gewesen. Die Franzosen bestritten, die Kathedra-

le für militärische Zwecke genutzt zu haben. Vgl. Becker / Krumeich 2010, S. 189– 191; Horne / Kramer 2004, S. 326–238. 182 Seine Majestät Wilhelm II. 183 Träger des Eisernen Kreuzes ( wie Jacob ) standen in erster Reihe. 184 Eitel Friedrich von Preußen und Oskar von Preußen waren Söhne des Kaisers Wil-

helm II. Dieser Tag ist auch in den Aufzeichnungen Prinz Eitels festgehalten : »Am 3. 3. stand das Regiment auf dem Marktplatz von Vouziers in Parade vor seinem Al-

lerhöchsten Chef, der sich dankbar und lobend über die Tätigkeit seines Regiments aussprach und sich über den guten Parademarsch freute.« Eitel / Katte 1934, S. 78. 185 Dragoner ( mittlere Kavallerie ) und Ulanen ( leichte Kavallerie ) gehörten zu den zu

Pferd kämpfenden Truppen, die sich in der deutschen wie der österreichisch-ungarischen oder französischen Armee gleichermaßen fanden. Vgl. Willmott 2004, S. 310. 186 Hier spielt Bruno Jacob darauf an, dass Italien eigentlich als Mitglied des Dreierbun-

des verpflichtet war, den Mittelmächten beizustehen, jedoch nach Kriegsausbruch seine Neutralität erklärte – und in den folgenden Monaten jedoch mit den Alliierten über einen Kriegseintritt an deren Seite verhandelte. Vgl. Mommsen 2002, S. 51. 187 Zuaven waren in Nordafrika rekrutierte Söldner, die für die französische Armee im Ein-

satz waren. Seit Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich die Zuaven – benannt nach dem algerischen Stamm der Zouaoua – als elitäre reguläre Infanterietruppe der französischen Armee etabliert. Charakteristisch waren ihre exotischen Uniformen mit weiter Hose, kurzer, verzierter Jacke, Weste und Fez mit Turban. Vgl. Solka 2002, S. 5. 188 Jacob zitiert hier aus Die Jungfrau von Orleans von Friedrich Schiller (1801 ). 189 Turkos, die algerischen oder tunesischen Schützenregimenter des französischen Hee-

res, galten als besonders grausam. Vermutlich verbreitete die deutsche Kriegspropaganda derlei Schauergeschichten über den Feind, um den Kampfeswillen der eigenen Soldaten zu stimulieren. Ob Jacob hier einen tatsächlichen Hergang schildert oder das Berichtete auf Gerüchten beruht, lässt sich nicht feststellen. 190 Vermutlich ist hier Helmuth Wilhelm Otto von Grolman gemeint (1898–1977 ), der 1916 in die preußische Armee eintrat und bis 1918 im Ersten Weltkrieg kämpfte.

Grolman war im Zweiten Weltkrieg Chef des Generalstabes der Heeresgruppe Süd und wurde 1944 zum Generalleutnant befördert. Er war 1959–1961 der erste Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages. Vgl. Marienfeld / Baratta-Dragono 1999, S. 29. 191 Am 16. März 1915 fand eine der schwersten Auseinandersetzungen dieses Monats

statt, die das 3. Garde-Regiment zu Fuß gegen ( überlegene ) französische Verbände vor Le Mesnil bestritt. Selbst in den patriotischen Erinnerungen an das 3. Garde-Regiment zu Fuß sind die Erschütterungen dieser Kämpfe, die unter gegenseitigem Dauerbeschuss stattfanden, recht direkt wiedergegeben : »Die Leute waren von den furchtbaren Anstrengungen und den grauenhaften Bildern, die sich ihnen in dem Kampf geboten hatten, vollkommen erschöpft und teilweise so verwirrt, daß nur ein Teil von ihnen gleich wieder in Stellung gehen konnte.« Loebell 1926, S. 84. 192 Jacobs Regiment erreichte die Zwischenetappe Launois am 24. März 1915 und ver-

blieb dort bis zum 30. März. Jacob rechnete damit, anschließend nach Kolmar ver-

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legt zu werden, doch ging es wider Erwarten zunächst ins elsässische Barr und von dort an die Ostfront. Zu diesen Stationen siehe ebd., S. 92–94. 193 Saint-Loup-Terrier liegt im Département Ardennes. 194 Für gewöhnlich wurden die Gefallenen direkt auf dem Schlachtfeld begraben, die

Stelle wurde mit einem Holzkreuz markiert und auf einer Landkarte verzeichnet. Nach Kriegsende sollten einzelne Grabstätten zu Soldatenfriedhöfen zusammengelegt werden. 1916 wurde eine besondere Dienststelle der »Kriegsgräberfürsorge« begründet, die Erfassung und die Pflege der Einzelgräber an den Fronten verantwortete. Vgl. Behrenbeck 2009, S. 843 f.; vgl. auch Janz 2013, S. 354 f. 195 Mit dem Schanzzeug, also einem Spaten oder einer Axt, ließen sich kleinere Erd-

und Holzarbeiten verrichten, beispielsweise das Ausgraben von Schützengräben. Vgl. Willmott 2004, S. 28 f. 196 Als Zeltbahnen bezeichnet man Planen, mit denen sich Soldaten provisorische Zel-

te bauen konnten. Deutsche Soldaten führten diese tragbare Zeltausrüstung, die aus einem rechteckigen Stück wasserdichter Zeltleinwand bestand, mit sich, um sie sich entweder bei Regenwetter umzuhängen oder aus mehreren zusammengeknüpften Stücken ein Zelt zu errichten. Brockhaus’ Konversations-Lexikon, Bd. 16 : Turkestan–Zz, Berlin / Wien 1903, S. 947. 197 Die österreichisch-ungarische Armee kämpfte in den ersten Monaten des Kriegsjah-

res verlustreiche Kämpfe gegen die russische Armee und musste zunehmend Gebiet gegen die vordrängenden Russen verlorengeben. Der harte Winter, auf den die Österreicher nicht vorbereitet waren, da sie einen kurzen Krieg erwartet hatten, forderte seinen Tribut. In der eingeschlossenen Festung Przemyśl am San, einem zentralen und symbolträchtigen Ort der österreichischen Verteidigung Galiziens, kam es zu dramatischen Versorgungsengpässen. Auch der Einsatz deutscher Truppen schlug Anfang März aufgrund der Wetterverhältnisse fehl, Przemyśl musste am 22. März 1915 nach Sprengung der Festungswerke kapitulieren, 120. 000 Mann kamen in Ge-

fangenschaft. Vgl. Ortner 2013, S. 69; vgl. auch Münkler 2013, S. 311. 198 Poix-Terron ist eine französische Gemeinde im Département Ardennnes. 199 Jacob spielt damit auf den im Westen festgefahrenen Krieg an, der einen baldigen

Siegeszug deutscher Truppen unwahrscheinlich erscheinen ließ. 200 Dieses Lied von 1825, das aus den Befreiungskriegen stammt und dessen Text von

Ludwig Uhland stammt, wird noch heute bei militärischen Trauerzeremonien gespielt : »Ich hatt einen Kameraden, einen bessern findst du nit. Die Trommel schlug zum Streite, er ging an meiner Seite im gleichen Schritt und Tritt. Eine Kugel kam geflogen, gilt sie mir oder gilt sie dir ? Ihn hat es weggerissen, er liegt vor meinen Füßen, als wär’s ein Stück von mir.« Vgl. Ich hatt’ einen Kameraden. Trauermusik für Blechbläser, bearb. v. Gottfried Veit, München 1998. 201 Zabern ist der deutsche Name des elsässischen Saverne. 202 Das Elsass war das einzige reichsdeutsche Gebiet, auf dem während des gesamten

Krieges gekämpft wurde. Ohnehin ein umstrittenes Territorium und von jeher Grenzgebiet waren die Bewohner gespalten; auch diejenigen, die für Deutschland an der

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Front kämpften, standen bisweilen innerlich auf der Seite der Alliierten. Zahlreiche Ortschaften im Elsass wurden Ende 1914 geräumt, einige Teile wurden Etappenge-

biet. Von Barr aus – das nur eine Zwischenetappe war – wurden die Truppenteile in den Osten transportiert. Zum Elsass im Krieg siehe Mollenhauer 2009; Horne / Kramer 2004, S. 240–243. 203 Konrad Friedländer, Lieselottes Vater, und Käthe Kollwitz waren befreundet, sodass

er seiner Tochter ein Entrée im Haus der damals wohl bekanntesten deutschen Künstlerin verschaffen konnte. Aus Postkarten Konrad Friedländers an seine Tochter geht hervor, dass es öfter zu Besuchen bei Käthe Kollwitz kam, bei denen Lieselotte Friedlaender ihre Arbeiten zeigte. Im Januar 1915 schreibt er : »Außerdem habe ich Käthe Kollwitz geschrieben, ( deren Schwager gerade bei mir ist ) und sie gebeten dich und deine Zeichnungen am Sonntag Nachmittag um 4 h in ihrer Wohnung, Berlin N Weissenburgerstr. 25, zu empfangen !« Vgl. Dogramaci 2001, S. 25. 204 Die Frage bezieht sich vermutlich auf die seit 1915 angeschlagene Gesundheit Kon-

rad Friedländers. Bei ihm wurde Zungenkrebs diagnostiziert, er starb 1917. Vgl. Dogramaci 1998, S. 27 f. 205 Hier könnte der Künstler und Mitschüler Jacobs, Karl Hutloff, gemeint sein. 206 Die Charlottenburger Kunstgewerbeschule existierte bereits seit 1898 und bot einen

besonderen Fachunterricht für »Reklame und angewandte Graphik« an. Seit 1914 unterrichtete Edmund Schäfer, bei dem Lieselotte Friedlaender studierte, an der Schule Aktzeichnen, Kostümskizzieren und Illustration. Allerdings verließ Friedlaender Berlin im Januar 1916, vermutlich um an der Kunstakademie in Kassel, die sich bereits damals Studentinnen aufnahm, Kurse zu belegen und sich künstlerisch fortzubilden. Im April 1918, nach dem Tod ihres Vaters Konrad Friedländer, der ihre Ausbildung besonders förderte, kehrte Lieselotte Friedlaender erneut an die Charlottenburger Kunstgewerbeschule zurück, um ihr Studium bei Edmund Schäfer zu beenden. Vgl. Dogramaci 1998, S. 28 f. 207 Angeordnet war die regelmäßige Wiederholung der Schutzimpfungen; in besonders

gefährdeten Gebieten und bei Auftreten von Typhus wurde jeder Soldat alle sechs Monate geimpft – damals existierten noch keine verlässlichen Erhebungen über die Dauer des Impfschutzes. Vgl. Winter 2013, S. 63. 208 Der Stellungskrieg im Westen, der auf Defensive angelegt war, konnte auch mit weni-

ger Soldaten aufrechterhalten werden, sodass die Oberste Heeresleitung entschloss, frei werdende Truppenverbände im Osten einzusetzen. Ein Sieg gegen oder ein ­Separatfrieden mit Russland sollte nicht nur bislang neutrale Staaten an die Mittelmächte binden, sondern auch helfen, den Krieg für die Deutschen zu entscheiden. Vgl. Münkler 2013, S. 302–305. Jacob gehörte zu den Truppenteilen, die an die Ostfront verlegt wurden. 209 Vermutlich in Vorbereitung der Großoffensive in Galizien wurden Briefsperren erlas-

sen. Die österreichisch-ungarische Armee sollte gemeinsam mit den nach Galizien verbrachten deutschen Truppen von Gorlice-Tarnow aus in Richtung Osten vorstoßen, um die russische Armee zurückzudrängen. Vgl. Beikircher 2012, S. 37. Der Erfolg dieser Offensive hing davon ab, dass die Russen nichts von der Aktion erfuhren, da sie ansonsten ebenfalls ihre Truppen umstationiert hätten. Vgl. Münkler 2013, S. 343. Durch die Briefsperren, aber auch dadurch, dass die Truppen selbst über ihren Zielort nicht informiert wurden – Jacob nimmt noch während der Fahrt an, er würde in

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Frankreich stationiert werden – gelang es, die Angriffsvorbereitungen im Geheimen vorzubereiten. 210 Die österreichisch-ungarische Armee war nach dem harten Winter 1915 und schwe-

ren Verlusten gegen die russische Armee, beispielsweise bei der Schlacht um Przemyśl schwer angeschlagen. Da mit einem schnellen Kriegsende gerechnet worden war, trugen Engpässe bei der Verpflegung und Versorgung mit Waffen wie Munition entscheidend dazu bei, die Österreicher in eine Zwangslage zu bringen. Vgl. Stone 1975, S. 122–134. 211 Das schlesische Myslowitz ( polnisch Mysłowice ) gehörte damals zum Preußischen

Reich. 212 Die Nase voll haben und überlaufen zu den Deutschen. 213 Vermutlich bezieht sich Jacob hier auf die Frühjahrsoffensiven französischer Truppen

in der Champagne, bei denen im März 1915 auch schwere Kämpfe bei Le Mesnil ausgefochten wurden. Vgl. Willmott 2004, S. 102–104. 214 An diesem Fluss in Südostpolen verlief die österreichisch-russische Kriegsfront. Die

deutsche 11. Armee erreichte den San am 8. Mai 1915, in den Tagen zuvor hatten österreichische Truppen bei einer Großoffensive 30. 000 Russen in Gefangenschaft genommen. In Folge drängten die Mittelmächte die russischen Truppen zurück und konnten Galizien ( zurück )erobern. Ende August 1915 befand sich ein Großteil Polens in deutscher Hand. Vgl. ebd., S. 116 ff.; vgl. auch Liulevicius 2002, S. 28 ff. 215 Die Honvéd war die nationale Armee Ungarns – Teil der Doppelmonarchie Öster-

reich-Ungarn. Vgl. Willmott 2004, S. 69. 216 Gemeint ist hier erneut die Charlottenburger Kunstgewerbeschule, an die Friedlaen-

der nach der Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule gewechselt war. 217 Zu Versorgungszwecken der Truppen und um der zunehmenden Mobilität der Truppen-

teile gerecht zu werden, wurden im Ersten Weltkrieg transportable Feldküchen eingesetzt, die seit 1908 produziert wurden. Ohnehin war die Verpflegung der Soldaten an den verschiedenen Fronten des Krieges eine große logistische Herausforderung, die größtenteils mittels Eisenbahntransporten vor sich ging; die Distribution erfolgte durch Proviantämter, die Zwischenlagerung in Etappenmagazinen. Vgl. Hartmann 1917. 218 Als uneheliches Kind hatte Lieselotte Friedlaender zunächst kaum Kontakt zur Familie ih-

res Vaters Konrad Friedländer, zumal diese Louise Madrian, die Mutter Lieselottes, stets abgelehnt hatten. Spätestens 1915, vermutlich angesichts seiner sich verschlechternden Gesundheit, machte Konrad Friedländer seine Tochter mit den Familienmitgliedern seiner weit verzweigten und angesehenen Familie bekannt. Am 18. November 1916 schreibt er an Lieselotte : »Von meinem Kriegsneffen ( Mann von Käthe Dehio ) aus Straßburg erhielt ich Einladung, ich möchte mit Dir bald hinkommen, und der letzten Tante in Berlin habe ich dich photographisch vorgestellt, womit die offizielle Familieneinführung beendet ist ! Deine Sache ist es später, in alle die Herzen einzudringen, deren Türen ich Dir nach Möglichkeit geöffnet habe.« Vgl. Dogramaci 1998, S. 27 f. 219 Die Wisłoka liegt in den Ostkarpaten und ist ein Nebenfluss der Weichsel. 220 Der Wisłok ist ein Fluss in den Ostkarpaten im südöstlichen Polen.

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221 Am 13. Mai 1915 marschierten die Kompanien des 3. Garde-Regiments, dem Ja-

cob angehörte, über Markowa ( gelegen nur wenige Kilometer von der umkämpf-

ten Festung Przemyśl ) nach Przeworsk. Am 14. und 15. Mai 1915 fanden heftige Gefechte um Jarosław statt, in die Kompanien des 1. und 3. Garde-Regiments involviert waren und dabei unter Artilleriebeschuss durch russische Soldaten standen. Ausführliche Beschreibungen der Kampfhandlungen bei Loebell 1926, S. 106–108. 222 Im Londoner Vertrag vom 26. April 1915 wurde Italien für den Fall eines Kriegsein-

tritts an der Seite der Alliierten das Trentino, Südtirol bis zur Brennergrenze sowie Triest, Istrien und ein großer Teil Dalmatiens zugesichert. Dennoch zögerte Italien, tatsächlich in den Krieg einzutreten. Mitte Mai 1915 jedoch trieb eine nationalistische Kampagne, die von Intellektuellen wie Gabriele D’Annunzio getragen wurde, Italien in den Krieg. Vgl. Mommsen 2002, S. 53. Jacob schreibt seine Zeilen jedoch noch vor dem offiziellen Kriegseintritt Italiens am 23. Mai 1915 – vermutlich in Reaktion auf die benannte Kampagne. 223 Im Bewegungskrieg an der Ostfront litten Soldaten stärker unter Hunger als im Stel-

lungskrieg im Westen, wo die Versorgung leichter zu organisieren war. Jacobs Hinweis auf die Feldküchen deutet darauf hin, dass die mobilen Feldküchen, die von der Heidelberger Firma Senking und von Magirus in Ulm gefertigt wurden, noch nicht eingetroffen waren. Zu den Feldküchen siehe Dunkel 2014b, S. 50. 224 Mit »Welsch« sind hier vermutlich die Italiener gemeint. 225 Lilli Henschel schien Bruno Jacob gegenüber feindselig eingestellt gewesen zu sein, sodass Jacob ihren Einfluss auf seine Freundin fürchtete. 226 Die Festung Przemyśl war der Mittelpunkt und das Rückgrat der österreichischen Verteidigung Galiziens gegen russische Truppen, sodass die Wiedereroberung neben der kriegstaktischen Bedeutung auch symbolischen Wert hatte. Zu Przemyśl vgl. Münkler 2013, S. 311. 227 Mit »Bienchen« ist Sabine Lepsius die Jüngere (1899–1982 ) gemeint, Tochter des Malerehepaares Reinhold und Sabine Lepsius, die mit Lieselotte Friedlaenders Vater Konrad gut bekannt waren. In der Casa Lepsius in Berlin-Westend fanden regelmäßig Lesungen des Dichters Stefan George statt, zudem verkehrten dort auch Kunsthistoriker wie Heinrich Wölfflin und Ludwig Justi sowie Rainer Maria Rilke. Sabine Lepsius die Jüngere und Lieselotte Friedlaender waren eng befreundet, beide wurden Künstlerinnen – Lepsius arbeitete in den 1920er Jahren für die Königliche Porzellanmanufaktur Berlin. Vgl. Dogramaci 1998, S. 19 f. 228 Seit dem 18. Jahrhundert hatte das seit der ersten Teilung Polens 1772 zu Österreich gekommene Galizien den Ruf einer sich nur allmählich entwickelnden, in weiten Teilen ländlichen Provinz. Unter der Bevölkerung befanden sich sowohl eine deutsche Minderheit als auch die dominierende ukrainische Bevölkerung, die die Unabhängigkeit anstrebte. Der Kriegseinsatz in Galizien stellte zunächst die österreichischen Truppen, später auch die deutschen Verbände geografisch vor große Herausforderungen, da die Karpaten ein Zurückweichen erschwerten. Die Versorgungsnotstände betrafen indes nicht nur die österreichischen Truppen; auch die deutschen Soldaten waren – so spricht es aus Jacobs Briefen – im Osten weitaus mehr von Hunger betroffen als zeitgleich im Westen. Zu Galizien im Ersten Weltkrieg vgl. Jerabék 2009, S. 516 f.; Stone 1975, S. 70–91.

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229 Die Ende Januar 1915 eingeleitete Karpatenoffensive des österreichisch-ungarischen Heeres zog hohe Verluste nach sich. Am 22. März 1915 musste sich die strategisch wichtige Garnison Przemyśl den Russen ergeben. Von der Westfront abgezogene, kampferprobte Truppen, zu denen auch Jacob gehörte, wurden nun zur Unterstützung der Österreicher an die Ostfront verlegt. In der Schlacht bei Gorlice-Tarnow erfolgte dann der Durchbruch, die Mittelmächte drängten die russischen Truppen zurück. Przemyśl wurde am 3. Juni 1915 zurückerobert. Vgl. Mommsen 2002, S. 48 f.; vgl. auch Willmott 2004, S. 114 ff. 230 Stichgräben. 231 Karo steht hier vermutlich für Kaffeeersatz oder Kaffezusatz aus Getreide und Malz und kürzt »Kaffeesurrogatextrakt« ab. 232 Die Nahrungspakete, die Soldaten von ihren Familienangehörigen oder Bekannten an der Front erhielten, waren nicht nur eine willkommene Ergänzung zum oftmals einseitigen und dürftigen Speiseplan, sondern hatten, wie Franziska Dunkel schreibt, auch eine »emotionale Funktion« : »Die Zusendung von Essen diente nicht nur dazu, den Speisezettel mit ein paar Leckereien wie Wurst, Schokolade oder Kuchen aufzubessern. Die Esspakete stellten vielmehr ein wichtiges Band zwischen Heimat und Front dar.« Dunkel 2014b, S. 52 f. 233 Obgleich Plünderungen nach der Hager Landkriegsordnung von 1907 verboten waren, kam es im Ersten Weltkrieg regelmäßig zu wilden Brandschatzungen und Räubereien, wie sie auch Jacob hier beschreibt. Vgl. Dunkel 2014c, S. 92. 234 Händler und Händlerinnen, die Truppen mit Waren und Verpflegung versorgen. 235 Italien hatte am 23. Mai 1915 den Krieg an Österreich erklärt und war damit vom Mitglied des Dreibunds zum Kriegsgegner avanciert. 236 Die an Jacob geschickte Fotografie scheint Bärbel Scheff gewidmet zu sein, einer Kommilitonin der beiden. 237 Vom 17. bis zum 22. Juni 1915 kämpften die Verbände deutscher und österreichischer Truppen gegen die Russen um die Stadt Lemberg. Am 19. Juni kam es zu der von Jacob erwähnten Erstürmung einer besonders starken russischen Stellung – allerdings unter starken Verlusten. Eine genaue Beschreibung dieses Sturmes vom 19. Juni findet sich bei Loebell 1926, S. 126–129. 238 Ordonnanz meint hier einen dem vorgesetzten Offizier zugeteilten Soldaten, der, wie sich aus den Zeilen herauslesen lässt, vermutlich zum Überbringen von Nachrichten abkommandiert ist. 239 Die Friedrichstraße war schon damals eine der belebtesten Berliner Haupt- und Prachtstraßen. 240 Die keusche Susanne ist eine populäre Operette aus der Feder Jean Gilberts und erlebte 1910 ihre Uraufführung. 241 Kaiserhymne von Haydn (1797 ) auf Franz II., damals Kaiser des Heiligen Römischen Reichs, mit einem Text von Lorenz Leopold Haschka. Das Stück überdauerte das Regime Franz II. : »Die Hymne sollte die Tradition und den unveränderlichen Bestand des Reiches versinnbildlichen, unbeeinflußt von allen zeitbedingten Erscheinungen« –

226

die Hymne gehörte zum beliebten Repertoire von Militärkapellen, auch noch im Ersten Weltkrieg. Vgl. Biba 1982, S. 15 f.

242 Targauer und Hohenfriedberger waren populäre preußische Militärmärsche. 243 »Panjehaus« meint hier ein polnisches Gutshaus und rekurriert auf die polnische Anredeform »pan« ( Herr oder Gutsherr ). Vgl. Meyers Konversationslexikon, Bd. II,2 : OunPeli, Hildburghausen 1848, S. 355. Umgangssprachlich meinte »pan« damals den polnischen oder russischen Bauern. 244 Jacob war als Gefechtsordonnanz für die Übermittlung von Nachrichten zuständig, musste also schnell sein und war dadurch auch höheren Gefahren ausgesetzt. 245 »Falsch« wird hier im Sinne von »böse« oder »wütend« benutzt. 246 Mit der Großoffensive der Mittelmächte vom 2. Mai 1915 um Gorlice-Tarnow wurden die russischen Truppen innerhalb von sieben Wochen aus Galizien zurückgedrängt. In Verfolgungskämpfen wurden die sich rasch zurückziehenden russischen Verbände bis hinter die russische Grenze verfolgt. Dazu die Schilderungen der Gefechte des 3. Garde-Regiments zu Fuß, in dem auch Jacob diente, aus den Tagen 23. Juni bis 15. Juli 1915 vgl. Loebell 1926, S. 129–132. 247 Lilli Henschel. 248 3. Garde-Regiment zu Fuß. 249 In diesem Brief befindet sich eine Zeichnung, die Bruno Jacob als lorbeerbekränzten Soldaten zeigt. Dabei handelt es sich weniger um ein heroisches Bildnis als vielmehr um ein ironisierendes Selbstporträt, das mit karikierendem Gestus gezeichnet ist. 250 Teile der Obersten Heeresleitung wie die Generale Hindenburg und Ludendorff waren überzeugt, dass ein Sieg über Russland wahrscheinlicher zu erringen sei als ein rascher Erfolg gegen Frankreich. Falkenhayn, der eigentlich keine Truppenverbände aus dem Westen abziehen wollte, musste angesichts der katastrophalen Situation der österreichischen Truppen nachgeben. Vgl. Janz 2013, S. 106. Jacobs Worte beziehen sich auf die offizielle Rhetorik eines Sieges im Osten, der eine Rückkehr der Truppen an die Westfront und den Gesamtsieg ( gegen Frankreich ) nach sich ziehen sollte. 251 Carl-Heinrich von Stülpnagel (1886–1944 ) entstammte einem preußischen Adelsgeschlecht und machte wie bereits sein Vater Karriere beim Militär. Im Ersten Weltkrieg führte von Stülpnagen als Oberleutnant zunächst die 12. Kompanie in die Schlachten an der Sermois und bei Raucourt, nahm 1915 / 16 am Feldzug in Serbien und Mazedonien teil. Im Herbst 1916 wurde von Stülpnagel zum Generalstabsoffizier im Karpatenkorps ernannt, kam jedoch im Frühjahr 1917 erneut an die Westfront, wo er als 1. Generalstabsoffizier der 18. Infanteriedivision im Rahmen der 2. Armee bei den Stellungskämpfen in Flandern im Einsatz war ( Bücheler 1989, S. 83 f. ). Von Stülpnagel kämpfte auch im Zweiten Weltkrieg, wurde 1939 zum General der Infanterie ernannt und führte die 17. Armee der Heeresgruppe Süd im Deutsch-Sowjetischen Krieg. Seine antisemitisch motivierten Handlungen nach der Besetzung Lembergs sind Gegenstand von Kontroversen in der Forschung ( siehe u. a. Koehn 2008 ). Stülpnagel war an der Verschwörung der Offiziere gegen Hitler am 20. Juli 1944 beteiligt und wurde am 30. August desselben Jahres in Plötzensee hingerichtet. 252 Dies ist der letzte Brief Bruno Jacobs an Lieselotte Friedlaender : Nur sieben Tage spä-

ter, am 20. Juli 1915, fiel er an der Ostfront, kurz nachdem sein Regiment den Fluss San überquert hatte.

227

Dank

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Dieses Publikationsprojekt begann mit einem Konvolut an Briefen und einiger postkartengroßer, kolorierter Porträtzeichnungen, die kaum Rückschluss auf ihren Urheber, den Berliner Künstler Bruno Jacob, zuließen und Ausgangspunkt für ein umfangreicheres Forschungs- und Editionsvorhaben waren. Obgleich trotz intensiver Recherchen keine noch lebenden Verwandten Bruno Jacobs oder ein Nachlass ausfindig gemacht werden konnte, gelang es mit Glück, Geduld und durch Hilfsbereitschaft einiger Institutionen, ein mosaikartiges Bild vom Leben und Schaffen des jungen, im Ersten Weltkrieg gefallenen Künstlers zu rekonstruieren. Mein Dank geht an die Mitarbeiterinnen folgender Archive und Institutionen, die mich bei meinen Forschungen zu Bruno Jacob unterstützten, mir teilweise wertvolle Informationen übermitteln konnten oder zumindest sehr bereitwillig auf meine Anfragen antworteten : Deutsches Kunstarchiv des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, Georg Tappert-Stiftung, Schloss Gottorf in Schleswig, Bundesarchiv, Abt. Militärarchiv in Freiburg i. Br., Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., Jüdischer Friedhof Weissensee in Berlin, Archiv der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum, Standesamt Charlottenburg-­ Wilmersdorf von Berlin ( Sterberegister ), Archiv der Charité, Berlin, Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Deutsche Dienststelle, Landesarchiv Berlin. Besonders danke ich Annika Schaarschmidt, die mit großer Sorgfalt die Abschriften der originalen Briefe und Postkarten besorgte. Ich danke dem Böhlau Verlag – und hier ganz besonders Elena Mohr –, die von Anbeginn großes Interesse und Begeisterung zeigten, die hinterlassenen Feldbriefe eines unbekannten Künstlers zu publizieren. Verfasst ist dieses Buch in Erinnerung an Ciliane Dahlen-Friedlaender (1921–2006 ), die Adoptivtochter Lieselotte Friedlaenders, die ich einst im Kontext meiner Forschungen für meine Dissertation kennenlernte. Sie überließ mir vertrauensvoll den Briefnachlass und künstlerische Arbeiten Bruno Jacobs, überzeugt davon, dass dem leider vergessenen Künstler und Briefautor eines Tages mehr Anerkennung und Beachtung zuteil

werden sollte. Die Edition der vorliegenden Briefe und Postkarten soll im Sinne Ciliane Dahlen-Friedlaenders nun einen umfassenderen Blick auf Bruno Jacob, seine Briefpartnerin Lieselotte Friedlaender und die Umstände seines Lebens, Wirkens und Sterbens im Kontext des Ersten Weltkriegs lenken.

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Bibliografie Andrian-Werburg 2005 Andrian-Werburg, Irmtraud Frfr. von : Der Maler und Lehrer Georg Tappert in Dokumenten, in : Georg Tappert : Deutscher Expressionist, Ausst.-Kat. Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 2005, S. 31–41 Alexander 1995 Alexander, Gabriel E. : Die jüdische Bevölkerung Berlins in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts : Demographische und wirtschaftliche Entwicklungen, in : Reinhard Rü-

rup ( Hg. ): Jüdische Geschichte in Berlin. Essays und Studien, Berlin 1995, S. 177–248 Alicke 2008 Alicke, Klaus-Dieter : Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, Bd. 1 : Aach–Groß-Bieberau, Gütersloh 2008

Ausst.-Kat. Berlin 1998 Lieselotte Friedlaender 1898–1973. Schicksal einer Berliner Modegraphikerin, Ausst.Kat. Jüdisches Museum Berlin / Ephraim-Palais, Berlin 1998 Ausst.-Kat. Bonn 2013 1914. Die Avantgarden im Kampf. Ausst.-Kat. Bundeskunsthalle Bonn, Köln 2013

Ausst.-Kat. Nürnberg 1995 Georg Tappert : Deutscher Expressionist, Ausst.-Kat. Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 2005 Ausst.-Kat. Potsdam 1996 Deutsche jüdische Soldaten : von der Epoche der Emanzipation bis zum Zeitalter der Weltkriege, Ausst.-Kat. Militärgeschichtliches Forschungsamt, Potsdam 1996 Ausst.-Kat. Schleswig 1995 Georg Tappert. Das Vermächtnis, Ausst.-Kat. Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloß Gottorf, Schleswig 1995 Ausst.-Kat. Schleswig 2001 Georg Tappert. Photographische Augenblicke eines Malers nach 1900, Ausst.-Kat. Stiftung Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum Schloß Gottorf, Schleswig 2001 Ausst.-Kat. Stuttgart 2014 Fastnacht der Hölle. Der Erste Weltkrieg und die Sinne, Ausst.-Kat. Haus der Geschichte Baden-Württemberg 2014 Bartholomeyczik 2005 Bartholomeyczik, Gesa : Georg Tapperts Menschenbilder, in : Georg Tappert : Deutscher Expressionist, Ausst.-Kat. Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 2005, S. 14–25 Bartholomeyczik 2008 Bartholomeyczik, Gesa : Weibsbilder. Die Frauendarstellungen von Georg Tappert, in : Georg Tappert. Frauen 1910–1933, Ausst.-Kat. August Macke Haus Bonn 2008, S. 9–64

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Becker / Krumeich 2010 Becker, Jean-Jacques und Gerd Krumeich : Der Große Krieg. Deutschland und Frankreich 1914–1918, Essen 2010 Beikircher 2012 Beikircher, Ivo Ingram : Tiroler Autopioniere im Ersten Weltkrieg. Galizien, Alttirol und der Vordere Orient in Fotografien und Briefen des k. u. k. Feuerwerkers Gustav Beikircher, Innsbruck 2012 Behrenbeck 2009 Behrenbeck, Sabine : Soldatenfriedhöfe, in : Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz ( Hg. ): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn u. a. 2009, S. 843–845 Biba 1982 Biba, Otto : Gott erhalte ! Joseph Haydns Kaiserhymne. Faksimile des Erstdrucks, 1797, München 1982 Bose 1932 Bose, Thilo von : Das Kaiser-Alexander Garde-Grenadier-Regiment Nr. 1 im Weltkriege 1914–1918, Thüringen 1932 Bücheler 2010 Bücheler, Heinrich : Carl-Heinrich von Stülpnagel. Soldat – Philosoph – Verschwörer. Biografie, Berlin / Frankfurt am Main 1989 Bruendel 2014 Bruendel, Steffen : »Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen«. Künstler und Dichter zwischen Kulturpessimismus und Erlebnissehnsucht, in : Burcu Dogramaci und Friederike Weimar ( Hg. ): Sie starben jung ! Künstler und Dichter, Ideen und Ideale vor dem Ersten Weltkrieg. Gorch Fock, Franz Marc, Wilhelm Morgener, Franz Nölken, Ernst Stadler, Hermann Stenner, August Stramm, Georg Trakl, Berlin 2014, S. 15–25 Clark 2014 Clark, Christopher : Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog, München 132014 Compton-Hall 1991 Compton-Hall, Richard : Submarines and the War at Sea 1914–18, London 1991 Czeszak 1993 Czeszak, Hans-Jürgen : Im Echo der Zieten-Husaren. Rathenow – Stölln – Göttingen – Wustrau. Brunne – Lüneburg – Stendal, Berlin 1993 Daemgen 2005 Daemgen, Anke : Georg Tappert – Initiator der Neuen Secession Berlin, in : Georg Tappert : Deutscher Expressionist, Ausst.-Kat. Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 2005, S. 26–30 Deickert 1930 Deickert, Paul : Döberitz. Betrachtungen und Bilder aus der Vergangenheit und Gegenwart des Truppenübungsplatzes Döberitz, Döberitz 1930 Dogramaci 1998 Dogramaci, Burcu : Das bewegte Leben einer Berliner Modezeichnerin. Lieselotte Friedlaender 1898–1973, in : Lieselotte Friedlaender 1898–1973. Schicksal einer Berliner

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Modegraphikerin, Ausst.-Kat. Jüdisches Museum Berlin / Ephraim-Palais, Berlin 1998, S. 13–65 Dogramaci 2001 Dogramaci, Burcu : Lieselotte Friedlaender (1898–1973 ). Eine Künstlerin der Weimarer Republik. Ein Beitrag zur Pressegraphik der zwanziger Jahre, Tübingen 2001 Dogramaci / Weimar 2014 Dogramaci, Burcu und Friederike Weimar ( Hg. ): Sie starben jung ! Künstler und Dichter, Ideen und Ideale vor dem Ersten Weltkrieg. Gorch Fock, Franz Marc, Wilhelm Morgener, Franz Nölken, Ernst Stadler, Hermann Stenner, August Stramm, Georg Trakl, Berlin 2014 Dorgerloh 1996 Dorgerloh, Annette : »Masken der Menschheit«. Das Künstlerpaar Sabine und Reinhold Lepsius und ihr Kreis. Studien zur Berliner Porträtmalerei um 1900, Diss. Berlin 1996 Dunkel 2014a Dunkel, Franziska : Lärm, in : Fastnacht der Hölle. Der Erste Weltkrieg und die Sinne, Ausst.-Kat. Haus der Geschichte Baden-Württemberg 2014, S. 44–47 Dunkel 2014b Dunkel, Franziska : Verpflegung, in : Fastnacht der Hölle. Der Erste Weltkrieg und die Sinne, Ausst.-Kat. Haus der Geschichte Baden-Württemberg 2014, S. 50–55 Dunkel 2014c Dunkel, Franziska : Versorgung, in : Fastnacht der Hölle. Der Erste Weltkrieg und die Sinne, Ausst.-Kat. Haus der Geschichte Baden-Württemberg 2014, S. 92–97 Eberle 1989 Eberle, Matthias : Der Weltkrieg und die Künstler der Weimarer Republik. Dix, Grosz, Beckmann, Schlemmer, Stuttgart / Zürich 1989 Eckart / Gradmann 2009 Eckert, Wolfgang U. und Christoph Gradmann : Medizin, in : Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz ( Hg. ): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn u. a. 2009, S. 210–219

Eitel 1922 Eitel Friedrich, Prinz von Preußen : Erstes Garde-Regiment zu Fuß, Berlin 1922 Eitel / Katte 1934 Eitel Friedrich, Prinz von Preußen und Rudolf von Katte : Das Erste Garderegiment zu Fuß im Weltkrieg 1914–1918, Berlin 1934 Eksteins 1990 Eksteins, Modris : Tanz über Gräben. Die Geburt der Moderne und der Erste Weltkrieg, Reinbek 1990 Englund 2011 Englund, Peter : Schönheit und Schrecken. Eine Geschichte des Ersten Weltkriegs, erzählt in neunzehn Schicksalen, Reinbek 2011 Frieg 1920 Frieg, Will : Wilhelm Morgner, Leipzig 1920 Frisius / Kälberer 2008

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Frisius, Hildegard, Marianne Kälberer u. a. ( Hg. ): Evangelisch getauft – als Juden verfolgt. Spurensuche Berliner Kirchengemeinden, Berlin 2008

Führer o. D. Führer, Wilhelm : Geschichte des Reserve-Infanterie-Regiments 203, maschinenschriftliches Manuskript, o. D., Bundesarchiv, Abt. Militärarchiv Freiburg i. Br., BArch PH 10 / II–202.

Gerhards 2009 Gerhards, Thomas : Lüttich, in : Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz ( Hg. ): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn u. a. 2009, S. 686–687 Gilbert 2008 Gilbert, Martin : The Routledge Atlas of the First World War, London / N ew York 3

2008

Grober 1996 Grober, Ulrich : Das kurze Leben des Peter Kollwitz. Bericht einer Spurensuche, in : Die Zeit, Nr. 48, 1996, http ://www.zeit.de / 1996 / 48 / Das_kurze_Leben_des_Peter_Kollwitz [ Abruf : 15. 5. 2014 ] Gudermann 2004 Gudermann, Rita : Der Sarotti-Mohr. Die bewegte Geschichte einer Werbefigur, Berlin 2004 Gumbrecht 2001 Gumbrecht, Hans Ulrich : 1926. Ein Jahr am Rand der Zeit, Frankfurt am Main 2001 Hartmann 1917 Hartmann, Fritz : Die Heeresverpflegung, Berlin 1917 Hellwag 1912 / 13 Hellwag, Fritz : Die Berlin-Wilmersdorfer Kunstgewerbeschule. In : Kunstgewerbeblatt, Bd. 24, Leipzig 1912 / 13, H. 9, S. 161 Herzig 2002 Herzig, Arno : Jüdische Geschichte in Deutschland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 22002 Hirschfeld / Krumeich / Renz 2009 Hirschfeld, Gerhard, Gerd Krumeich und Irina Renz ( Hg. ): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn u. a. 2009 Höidal 2005 Höidal, Jean : Deutsche Erkennungsmarken. Von den Anfängen bis heute. Mit den geheimen Codierungen ( MOB-Listen ) der Luftwaffe, Norderstedt 2005 Hofer 2000 Hofer, Hans-Georg : Nervöse Zitterer. Psychiatrie und Krieg, in : Helmut Konrad ( Hg. ): Krieg, Medizin und Politik. Der Erste Weltkrieg und die österreichische Moderne, Wien 2000, S. 15–121

Horne / Kramer 2004 Horne, John und Alan Kramer : Deutsche Kriegsgreuel 1914. Die umstrittene Wahrheit, Hamburg 2004 Illies 2013 Illies, Florian : 1913. Der Sommer des Jahrhunderts, Frankfurt am Main 2012 Janz 2013 Janz, Oliver : Der große Krieg, Frankfurt / New York 2013

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Jeismann 2009 Jeismann, Michael : Propaganda, in : Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz ( Hg. ): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn u. a. 2009, S. 198–209 Jerabék 2009 Jerabék, Rudolf : Galizien, in : Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz ( Hg. ): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn u. a. 2009, S. 516 f. Kaplan 2003 Kaplan, Marion : Konsolidierung eines bürgerlichen Lebens im kaiserlichen Deutschland 1871–1918, in : dies. ( Hg. ): Geschichte des jüdischen Alltags in Deutschland. Vom 17. Jahrhundert bis 1945, München 2003, S. 227–344 Keubke 1993 Keubke, Klaus-Ulrich : Gerhard Leberecht von Blücher – der »Marschall Vorwärts« im nationalen Befreiungskampf 1813–1815, in : Gerhard Leberecht von Blücher. Ein großer Sohn der Stadt Rostock. Lebenswerk, Vermächtnis und Erbe, Rostock 1993, S. 9–17 Kircheisen 1916 Kircheisen, Friedrich M. : Die Schlachten bei Ypern und Dixmude. Oktober und November 1914, Aarau 1916 Kitchen 2009 Kitchen, Martin : Michael-Offensive, in : Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz ( Hg. ): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn u. a. 2009, S. 712–715 Knupp-Uhlenhaut 1984 Knupp-Uhlenhaut, Christine ( Hg. ): Wilhelm Morgner – Briefe und Zeichnungen, Soest 1984

Koehn 2008 Koehn, Barbara : Carl-Heinrich von Stülpnagel. Offizier und Widerstandskämpfer. Eine Verteidigung ( Zeitgeschichtliche Forschungen, Bd. 34 ), Berlin 2008 Kollo 1913 Kollo Walter : Die Männer sind alle Verbrecher. Marschlied aus der Posse »Wie einst im Mai«, Berlin 1913 Koller 2001 Koller, Christian : »Von Wilden aller Rassen niedergemetzelt«. Die Diskussion um die Verwendung von Kolonialtruppen in Europa zwischen Rassismus, Kolonial- und Militärpolitik (1914–1930 ), Stuttgart 2001 Kollwitz 1989 Käthe Kollwitz : Die Tagebücher, hg. v. Jutta Bohnke-Kollwitz, Berlin 1989 Kraus 1999 Kraus, Jürgen : Die feldgraue Uniformierung des deutschen Heeres 1907–1918, Osnabrück 1999 Laffin 1966 Laffin, John : Tommy Atkins. The Story of the English Soldier, London 1966 Lehmann 1914

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Lehmann, Henni : Das Kunst-Studium der Frauen. Ein Vortrag, Darmstadt 1914

Leonhard 2014 Leonhard, Jörn : Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkriegs, München 2014 Lessing 1997 Lessing, Theodor : Krieg und Not : Vorbemerkung zu den Vorträgen im Winter 1914, undatiert, in : ders. : »Wir machen nicht mit !«. Schriften gegen den Nationalismus und zur Judenfrage, hg. v. Jörg Wallenberg, Bremen 1997, S. 25 f. Liulevicius 2002 Liulevicius, Vejas Gabriel : Kriegsland im Osten. Eroberung, Kolonisierung und Militärherrschaft im Ersten Weltkrieg, Hamburg 2002 Loebell 1922 Loebell, Egon von : Das 3. Garde-Regiment zu Fuß im Weltkriege, Bd. 3 : Den gefallenen Helden des 3. Garde-Regiments zu Fuß 1914–1918 zur Erinnerung !, Oldenburg 1922 Loebell 1926 Loebell, Egon von : Das 3. Garde-Regiment zu Fuß im Weltkriege, Bd. 1 : Das 3. Garde-Regiment zu Fuß im Verbande d. 1. Garde-Inf.-Div. von v. Ditfurth, Oldenburg 1926 Marienfeld / Baratta-Dragono 1999 Marienfeld, Claire und Mario von Baratta-Dragono : 40 Jahre Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 1959–99. Eine Chronik in Zitaten, Bonn 1999 Metzger 2009 Metzger, Karl-Heinz : Juden in Charlottenburg, in : Verein zur Förderung des Gedenkbuches für die Charlottenburger Juden ( Hg. ): Juden in Charlottenburg. Ein Gedenkbuch, Berlin 2009, S. 12–28 Mollenhauer 2009 Mollenhauer, Daniel : Elsaß-Lothringen, in : Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz ( Hg. ): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn u. a. 2009, S. 454–456 Mommsen 2002 Mommsen, Wolfgang J. : Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg 1914– 1918 ( Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 17 ), Stuttgart 2002

Müller 2003 Müller, Hermann : Die Feldbäckereien. Geschichte und Geschichten über das Kommissbrot, Wörthsee 2003 Münkler 2013 Münkler, Herfried : Der große Krieg. Die Welt 1914–1918, Berlin 2013 Ortner 2013 Ortner, M. Christian : Die k. u. k. Armee und ihr letzter Krieg, Wien 2013 Peterlein 2014 Peterlein, Nicole : Wilhelm Morgner : »Allein stehe ich als Fremdling«. Der Krieg als befreiende Perspektive aus provinzieller Enge und kreativem Unmut, in : Burcu Dogramaci und Friederike Weimar ( Hg. ): Sie starben jung ! Künstler und Dichter, Ideen und Ideale vor dem Ersten Weltkrieg. Gorch Fock, Franz Marc, Wilhelm Morgener, Franz Nölken, Ernst Stadler, Hermann Stenner, August Stramm, Georg Trakl, Berlin 2014, S. 81–92

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Plum 1996 Plum, Günter : Deutsche Juden oder Juden in Deutschland ?, in : Wolfgang Benz ( Hg. ): Die Juden in Deutschland 1933–1945. Leben unter nationalsozialistischer Herrschaft, München 41996, S. 35–74 Richarz 1997 Richarz, Monika : Die Entwicklung der jüdischen Bevölkerung, in : dies., Steven M. Lowenstein u. a. : Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit, Bd. 3 : Umstrittene Integration 1871–1918, München 1997 Rosenberg-Lipinsky 1935 Rosenberg-Lipinsky, Hans-Oskar : Das Königin Elisabeth Garde-Grenadier-Regiment Nr. 3 im Weltkriege 1914–1918, Zeulenroda 1935

Sauerteig 1998 Sauerteig, Lutz : Sex, Medicine and Morality during the First World War, in : Roger Cooter, Marc Harrison und Steve Sturdy ( Hg. ): War, Medicine and Modernity, Stroud 1998, S. 167–188

Schäche / Szymanski 2012 Schäche, Wolfgang und Norbert Szymanski : Vom königlichen Casernement zur Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Bonn 2012 Schönfeldt / Konn-Saile 2009 Schönfeldt, Edeltraud und Cristina Konn-Saile : Christen jüdischer Herkunft, in : Verein zur Förderung des Gedenkbuches für die Charlottenburger Juden ( Hg. ): Juden in Charlottenburg. Ein Gedenkbuch, Berlin 2009, S. 92–101 Schubert 2013 Schubert, Dietrich : Künstler im Trommelfeuer des Krieges 1914–18, Heidelberg 2013 Sieg 2007 Sieg, Ulrich : Das Judentum im Kaiserreich (1871–1918 ), in : Arno Herzig und Cay Rademacher ( Hg. ): Die Geschichte der Juden in Deutschland, Hamburg 2007, S. 122– 137

Silbergleit 1930 Silbergleit, Heinrich : Die Bevölkerungs- und Berufsverhältnisse der Juden im Deutschen Reich, Berlin 1930 Solka 2002 Solka, Michael : Die Zuaven des Amerikanischen Bürgerkrieges, Wyk auf Föhr 2002 Stachelbeck 2013 Stachelbeck, Christian : Deutschlands Heer und Marine im Ersten Weltkrieg, München 2013

Stone 1975 Stone, Norman : The Eastern Front 1914–1917, London / Sydney / Auckland / Toronto 1975 Storz 2009 Storz, Dieter : Schrapnell, in : Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz ( Hg. ): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn u. a. 2009, S. 820

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Thoss 2009 Thoss, Bruno : Orden / militärische Auszeichnungen, in : Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz ( Hg. ): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn u. a. 2009, S. 757 Titze / Sandkuhl / Sandkühler 1980 Titze, Monika, Lotte Sandkuhl und Stefan Sandkühler : Hermann Sandkuhl. Leben und Werk, Ausst.-Kat. Künstlergilde Buslat, Schloss Bauschlott, Karlsruhe 1980 Ulrich 1997 Ulrich, Bernd : Die Augenzeugen. Deutsche Feldpostbriefe in Kriegs- und Nachkriegszeiten 1914–1933, Essen 1997 Ulrich / Ziemann 2008 Ulrich, Bernd und Benjamin Ziemann : Frontalltag im Ersten Weltkrieg. Ein historisches Lesebuch, Essen 2008 Verhey 2009 Verhey, Jeffrey : Augusterlebnis, in : Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz ( Hg. ): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn u. a. 2009, S. 357–360 Vogelstein 1920 Vogelstein, Julie ( Hg. ): Otto Braun. Aus nachgelassenen Schriften eines Frühvollendeten, Berlin 1920 Volkov 2000 Volkov, Shulamit : Die Juden in Deutschland 1780–1918 ( Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 16 ), München 22000 Walther 2008 Walther, Peter ( Hg. ): Endzeit Europa. Ein kollektives Tagebuch deutschsprachiger Schriftsteller, Künstler und Gelehrter im Ersten Weltkrieg, Göttingen 2008 Wietek 1995 Gerhard Wietek : Georg Tappert. Wiederentdeckung eines Expressionisten, in : Ausst.Kat. Schleswig 1995, S. 11–15 Wietek 1996 Wietek, Gerhard : Georg Tappert. Werkverzeichnis der Druckgraphik, Köln 1996 Wilding 2004 Wilding, Peter : Krieg – Technik – Moderne. Die Eskalation der Gewalt im »IngenieurKrieg«. Zur Technisierung des Ersten Weltkrieges, in : Petra Ernst, Sabine A. Haring und Werner Suppanz ( Hg. ): Aggression und Katharsis. Der Erste Weltkrieg im Diskurs der Moderne. Studien zur Moderne 20, Wien 2004, S. 163–186 Willmott 2004 Willmott, Hedley P. : Der Erste Weltkrieg, Hildesheim 2004 Winter 2013 Winter, Marc C. : Erreger, Forscher, Ideologien. Die deutsche Kriegshygiene 1914– 1920, Freiburg 2013

Ypersele 2009 Ypersele, Laurence van : Belgien, in : Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich und Irina Renz ( Hg. ): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn u. a. 2009, S. 44–49

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Zimmermann 1997 Zimmermann, Moshe : Die deutschen Juden 1914–1945 ( Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 43 ), München 1997 Zuckmayer 1969 Zuckmayer, Carl : Als wär’s ein Stück von mir. Horen der Freundschaft, Frankfurt am Main 1969

Abbildungsnachweise Abb. 1, 2, 3, 5, 7, 9, 10, 13–17, 20, 22–25, Farbtafel 1–19 : Archiv d. Verfasserin Abb. 4, 6, 8 : Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Deutsches Kunstarchiv, Tappert, Georg, Inv.-Nr. IB 24 ( Abb.  4, 6 ); Inv.-Nr. II, c–10 ( Abb.  8 ) Abb. 11 :  Wolfgang Schäche und Norbert Szymanski : Vom königlichen Casernement zur Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Bonn 2012, S. 23 Abb. 12, 26 : Egon von Loebell : Das 3. Garde-Regiment zu Fuß im Weltkriege, Bd. 1 : Das 3. Garde-Regiment zu Fuß im Verbande d. 1. Garde-Inf.-Div. von v. Ditfurth, Oldenburg 1926, S. 80, 81 Abb. 18, 19, 21 : Bundesarchiv, Abt. Militärarchiv Freiburg i. Br., BArch PH / 10 / II–220

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Zimmermann 1997 Zimmermann, Moshe : Die deutschen Juden 1914–1945 ( Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 43 ), München 1997 Zuckmayer 1969 Zuckmayer, Carl : Als wär’s ein Stück von mir. Horen der Freundschaft, Frankfurt am Main 1969

Abbildungsnachweise Abb. 1, 2, 3, 5, 7, 9, 10, 13–17, 20, 22–25, Farbtafel 1–19 : Archiv d. Verfasserin Abb. 4, 6, 8 : Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Deutsches Kunstarchiv, Tappert, Georg, Inv.-Nr. IB 24 ( Abb.  4, 6 ); Inv.-Nr. II, c–10 ( Abb.  8 ) Abb. 11 :  Wolfgang Schäche und Norbert Szymanski : Vom königlichen Casernement zur Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Bonn 2012, S. 23 Abb. 12, 26 : Egon von Loebell : Das 3. Garde-Regiment zu Fuß im Weltkriege, Bd. 1 : Das 3. Garde-Regiment zu Fuß im Verbande d. 1. Garde-Inf.-Div. von v. Ditfurth, Oldenburg 1926, S. 80, 81 Abb. 18, 19, 21 : Bundesarchiv, Abt. Militärarchiv Freiburg i. Br., BArch PH / 10 / II–220

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Personenregister ( Der Name Bruno Jacob wird aufgrund seiner Häufigkeit nicht eigens aufgeführt ) Baeck, Leo  203 Bagot-Tappert, Kathleen May  216 Beyer, ?  85, 86, 101, 208 Blücher, Gebhard Leberecht von  144, 160, 189, 217, 220

Braun, Lily  11 Braun, Otto  11, 26, 199 Browning, John Moses  210 Crey, ?  84, 85, 208 Dahlen-Friedlaender, Ciliane  199, 200, 228, 229

Dehio, Georg  22, 224 Dehio, Käthe  224 Dix, Otto  27, 28 Eitel Friedrich, Prinz von Preußen  36, 155, 165, 166, 219–221

Falkenhayn, Erich von  215, 227 Franz II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches  190, 226 Franz Ferdinand, Thronfolger von Österreich-Ungarn  25

Goethe, Johann Wolfgang von ( Göthe )  187 Grolman, Helmuth Wilhelm Otto von  169, 221 Haydn, Joseph  241 Haschka, Lorenz Leopold  226 Hellwag, Fritz  14 Henschel, Lilli  82, 182, 183, 187, 189, 208, 225, 227

Hindenburg, Gertrud von  211 Hindenburg, Paul von  37, 152, 219, 227 Hoffmann, E. T. A.  205 Hofmannsthal, Hugo von   27 Hutloff, Karl  72, 74, 85, 86, 118, 205, 208, 223

Illies, Florian  11 Jacob, Franz  12, 200 Jacob, Leopoldine  12, 200, 209, 215 Jacob, Salli  12, 39, 199, 200, 215 Joffre, Joseph  216 Kirchner, Ernst Ludwig  27

Friedenthal, Richard  205

Klemperer, Viktor  200

Friedländer, Konrad  22, 201, 220, 223,

Kluck, Alexander von  105, 211

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Friedländer, Ludwig Heinrich  22 Friedlaender, Lieselotte  9–13, 15, 17, 19, 21–25, 31, 34, 65, 112, 124, 178, 199, 201, 202, 204, 205, 207, 208, 212, 213, 215–217, 223–225, 227–229

Friedländer, Paul  22

Kollo, Walter  204, 218, 219 Kollwitz, Käthe  11, 14, 22, 23, 175, 217, 223

Kollwitz, Peter  11, 199, 217 Lepsius, Reinhold  11, 22, 199, 225 Lepsius, Sabine ( die Ältere )  11, 22, 23, 199

Führer, Wilhelm  203, 211–213

Lepsius, Sabine ( die Jüngere )  22, 23,

Gilbert, Jean  165, 167, 240

Lepsius, Stefan  11, 199

Gipkens, Julius  81, 208

Lessing, Theodor  5 ,32

178, 225

Liebermann, Max  14, 28

239

Lissauer, Ernst  219

Schultzendorff, Walther von  219

Loewe, Carl   215

Seidl, Johann Gabriel  215

Ludendorff, Erich Friedrich Wilhelm  37,

Sombart, Werner  215

206, 227

Madrian, Louise  22, 205 ,224 Mann, Thomas  202 Moltke, Helmuth Johannes Ludwig von  32 Morgner, Wilhelm  27, 28, 40, 41, 210 Nölken, Franz  27 Nussbaum, Felix  205 Oskar, Prinz von Preußen  166, 221 Pechstein, Max  14 Reinwald, ?  105, 211 Rilke, Rainer Maria  27, 225 Rosenberg, Jean ( Johann Georg )  145, 217

Sandkuhl, Hermann  23, 120, 215 Schäfer, Edmund  24, 223 Scheler, Max  215 Schiller, Friedrich  10, 187, 221 Schlemmer, Eva  200 Schlieffen, Alfred Graf von  32, 33 Schreck, Gustav  219 Schück, Käte ( Käthe )  74, 76, 85, 86, 89, 91, 101, 103, 107, 118, 122, 194, 195, 205

240

Spee, Maximilian von  216 Stahl, Erich Ludwig  201 Steen, Jan  211 Stenner, Hermann  27, 40 Stern, Regula  22 Stuck, Franz von  28 Stülpnagel, Carl-Heinrich von  197, 227 Tappert, Georg  9, 14–20, 23, 41, 78, 84–86, 89, 101, 124, 128, 134, 138, 142, 147, 200–202, 204, 208, 210, 215, 216, 217

Vogeler, Heinrich  15 Weddigen, Otto  209 Weyrauch, Major von   212 Wilhelm II., Kaiser des Deutschen Reiches  27–29, 36, 166, 210, 219–221

Wieczoreck, Joseph  204 Zabel, Lucian  24 Zuckmayer, Carl  27 Zweig, Arnold  203 Zweig, Stefan  27