Mütter - Liebchen - Heroinen: Propagandapostkarten aus dem Ersten Weltkrieg 9783412218393, 9783412224776


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Mütter - Liebchen - Heroinen: Propagandapostkarten aus dem Ersten Weltkrieg
 9783412218393, 9783412224776

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Rudolf Jaworski

Mütter – Liebchen – Heroinen Propagandapostkarten aus dem Ersten Weltkrieg

2015

Böhlau Verlag · Köln · Weimar · Wien

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: © Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien

© 2015 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Einbandgestaltung: Satz + Layout Werkstatt Kluth, Erftstadt Layout: Bettina Waringer, Wien Druck und Bindung: Finidr, Cesky Tesin Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-22477-6

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Dieses Buch widme ich meiner Mama, Lydia Jaworski, geb. Marczan (*am 16. 10. 1910 in Suceawa, † am 26. 11. 2007 in Konstanz /a. B.)

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Inhalt Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 Schutzengel und andere Geistwesen . . . . . . . . . . . . .

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2 Weibliche Allegorien als Kollektivkörper . . . . . . . . . . . 33 3 Militärische Bündnisse und weibliche Partnerschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4 Vielfacher Muttermythos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 5 Militarisierte Geschlechterbeziehungen . . . . . . . . . . . . 69 6 Frauen und Uniformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 7 Die Frau daheim – der Mann im Feld . . . . . . . . . . . . . . 95 8 Frauen arbeiten für den Sieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 9 Die Krankenschwester: Kameradin oder Objekt der Begierde? . . . . . . . . . . . . . 119 10 Andere Städtchen, andere Mädchen . . . . . . . . . . . . . . 131 11 Heldentod und Frauenleid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 12 Sieg und Niederlage in weiblicher Gestalt . . . . . . . . . . . 155 Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

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Vorbemerkung Die vorliegende Studie wird in enger Abstimmung mit Johannes van Ooyen und Peter Rauch publiziert, die dieses Projekt aktiv unterstützt, umsichtig betreut und zügig realisiert haben, wofür ich mich beiden zu großem Dank verpflichtet weiß. Zu danken habe ich ferner der Stuttgarter Bibliothek für Zeitgeschichte, die mir freundlicherweise einige Scans russischer Karten aus ihren Archivbeständen überlassen hat. Die Vielfältigkeit der hier zu berücksichtigenden Gesichtspunkte, Themenfelder und Sprachen legten es von vornherein nahe, mich nicht ausschließlich auf eigene Recherchen zu verlassen, sondern zusätzlich den Sachverstand zahlreicher Kolleginnen und Kollegen in Anspruch zu nehmen. Mit nicht nachlassender Geduld hat Jan Schlürmann (Kiel) bei der Identifizierung diverser Uniformen wie generell bei der Dechiffrierung der militärischen Zeichensprache geholfen. Wertvolle Hinweise zu diversen Detailfragen habe ich von Tatjana Barbje (Kiel), Dieter Beyrau (Tübingen), Francesca Bravi (Urbino), Moritz Csáky (Wien), Christa Hämmerle (Wien), Felix Konrad (Bern) und Oliver Stein (Berlin) erhalten. Meinem Kollegen von der Kunstgeschichte, Lars Olof Larsson (Kiel), verdanke ich die kritische Durchsicht des Manuskripts aus der Sicht einer Nachbardisziplin. Redaktionelle Anmerkungen und intensive Korrekturen hat Frau Marlene Hiller (Badenweiler) beigesteuert. Auch für diese mühevolle Arbeit sei an dieser Stelle herzlich Dank gesagt. Rudolf Jaworski Konstanz, August 2014

Zur Einführung

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lte Postkarten zählen international nach wie vor gewiss nicht zu den bevorzugt herangezogenen Quellengruppen der Historiker. Für diese anhaltende Zurückhaltung gibt es durchaus nachvollziehbare Gründe: Die seit Ausgang des 19. Jahrhunderts massenhaft produzierten und verbreiteten kleinformatigen Bildmedien und Kommunikationsmittel sind nämlich zumeist nur als Einzelexemplare erhalten geblieben und entziehen sich somit einer systematischen Bestandsaufnahme und Analyse. Auch rezeptionsgeschichtlich sind alte Postkarten schwer zu fassen, unabhängig davon, ob sie tatsächlich verschickt wurden oder als Sammlerobjekte überliefert sind. Da Archive von Postkartenverlagen meist nicht mehr vorhanden sind, fehlt es zudem an zuverlässigen Informationen über Produktionsbedingungen, Auflagenstärken und Verlagsstrategien. Einer ikonografischen Aufarbeitung steht wiederum im Wege, dass die Mehrzahl der Neuzeithistoriker trotz des inzwischen viel beschworenen „pictural turn“ weiterhin in einer kaum übersehbaren Distanz gegenüber Bildquellen verharren und sie hauptsächlich nur als Illustrationen und didaktische Hilfsmittel gelten lassen.1 Gravierend ist außerdem die Tatsache zu werten, dass es immer noch an zuverlässigen methodischen Konzepten und Strategien für derartige Untersuchungsgänge fehlt, zumal solche auch von der Kunstgeschichte und der Volkskunde bislang nicht entwickelt worden sind. Dem nach wie vor beklagenswerten Mangel an wissenschaftlicher Methodik und Aufarbeitung zum Trotz verfügen wir aber mittlerweile über ein thematisch breit gefächertes Angebot an publizierten, zumeist unkommentierten Dokumentationen alter Postkarten, deren Spannbreite von nostalgischen Alben bis hin zu wissenschaftlich hochwertigen Katalogen und Übersichtswerken reicht.2

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Zur Einführung

Das überwältigende Gros der produzierten und überlieferten alten Postkarten ist topografischer Natur und setzt sich aus Ansichten bestimmter Landschaften und Orte im Detail oder in Panoramen zusammen. Allein diese Kategorie wurde vor allem wegen ihrer denkmalpflegerischen Informationsgehalte systematisch in Museen und Archiven gesammelt. Der übrige Bereich der sogenannten Motivkarten (Feiertagsgrüße, Sprüche und Lieder, Ereignisse, Persönlichkeiten, Tiere u. ä. m.) ist demgegenüber vielfach nur in privaten Sammlungen vorhanden und dementsprechend der Öffentlichkeit und der Forschung weitaus weniger zugänglich. Dieser Befund gilt in besonderem Maße für politische Motivkarten jeglicher Art. Von allen politischen Karten stellen zweifellos die Propaganda­ post­karten des Ersten Weltkrieges die bislang mit Abstand am meisten beachtete Motivgruppe dar. Kaum eine Ausstellung oder Darstellung zum Ersten Weltkrieg scheint mittlerweile auf die Wiedergabe zeitgenössischer Bildpostkarten verzichten zu wollen. Zahlreiche Publikationen haben sich speziell mit dieser Thematik befasst, auch wenn das mehrheitlich nach wie vor in illustrativer Absicht geschieht.3 Diese Fokussierung ist nicht weiter verwunderlich: Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges erlebte die Postkarte europaweit noch einmal eine späte Blüte. In Deutschland und Österreich-Ungarn waren damals Schätzungen zufolge ca. 50.000 kriegsbezogene Bildmotive im Umlauf, die üblichen Ansichts- und Glückwunschkarten nicht mitgerechnet. Auf dem Gebiet der Doppelmonarchie wurde allein im Kriegsjahr 1915 schätzungsweise eine Million Postkarten versandt.4 Diese massenhafte Produktion zeichnete sich durch eine heutzutage längst verloren gegangene und kaum mehr vorstellbare Vielfalt an Motiven, Gestaltungs- und Druckpraktiken aus. Die knappe und behördlich leicht zu überwachende Mitteilungsform der offenen Postkarte begünstigte gerade unter Kriegsbedingungen die Verwendung dieses Kommunikationsmittels. Die Postkarte avancierte so zu einem wichtigen und viel genutzten privaten Verbindungsglied zwischen Heimat und Front. Zugleich eignete sie sich als Instrument zur patriotischen Mobilisierung der eigenen Bevölkerung, zu Feindbildkonstruktionen und zur Propagierung kriegs-

Zur Einführung

politischer Ziele. Aus eben dieser Mischung informell-privater Kommunikation und offiziell propagierter Kriegsideologie ergab sich die spezifische Bedeutung solcher Karten. Es war die einmalige Doppelund Scharnierfunktion zwischen Öffentlichem und Privatem, zwischen Visualisierung und Kommunikation, welche die Bildpostkarte vor allen anderen damals gebräuchlichen Bildmedien wie Plakaten, Filmen oder Zeitungsfotografien auszeichnete. Der Erste Weltkrieg war neben vielen anderen Neuerungen der erste groß angelegte Medien- und Propagandakrieg, der die Frontsoldaten wie die Frauen daheim gleichermaßen in seinen Bann gezogen und wesentlich zu einer kompromisslosen Konfrontation der streitenden Parteien beigetragen hat.5 Wenn hier von „Propaganda­ karten“ die Rede ist, so zielt diese Kategorisierung in erster Linie auf die ideologische, kriegsbejahende Aufladung dieser massenhaft kommunizierten Kleingrafiken sowie auf die Tatsache, dass ihre Produktion überall behördlich überwacht und zensiert wurde. Nur gelegentlich handelte es sich freilich um amtlich in Auftrag gegebene oder gesponserte Motive wie z. B. im Fall von Kriegsanleihen. Generalisierende Aussagen über mögliche oder tatsächliche Planungs- und Steuerungselemente offizieller und halboffizieller Schaltzentren sind kaum möglich, da diese in den einzelnen Staaten höchst unterschiedlich installiert wurden und funktioniert haben. Am frühesten und am konsequentesten wurde die Kriegspropaganda in England (War Propaganda Bureau) und in Frankreich (Maison de la Presse) organisiert.6 In Deutschland und Russland existierten demgegenüber keine vergleichbaren zentralen Einrichtungen, wogegen in ÖsterreichUngarn wiederum ein spezielles „Kriegspressequartier“ zu diesem Zweck eingerichtet worden war. Generell lässt sich feststellen, dass entsprechende Initiativen und Aktivitäten im Wesentlichen in den Händen privater Verlage und Organisationen geblieben waren, die mit der Herstellung und dem Vertrieb solcher Propagandakarten glaubten, ihrer vaterländischen Pflicht Genüge zu tun und nebenbei noch ein gutes Geschäft zu machen. In diesem Sinne vertrieben das Rote Kreuz und andere karitative Hilfsorganisationen solche Karten, ebenso diverse patriotische Frauenver-

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eine. Überblickt man die bislang vorliegenden Publikationen zu den Propagandapostkarten des Ersten Weltkrieges, so fällt zweierlei auf: In der Regel bleibt der Beobachtungshorizont auf einen der kriegsführenden Staaten beschränkt, und zudem wird in den meisten Fällen ein unspezifisches Kaleidoskop dieser bunten Bilderwelt erstellt. Hier soll nun einmal ganz anders vorgegangen werden: Die Aufmerksamkeit ist strikt auf Frauendarstellungen und daran gekoppelte Geschlechterbeziehungen fokussiert, zugleich wird die Perspektive international ausgeweitet. Ein solcher Ansatz garantiert eine thematisch zentrierte Dokumentation der Bildquellen und vermeidet eine beliebige Kompilation disparater Themenfelder. Die gleichzeitig europäisch geöffnete Perspektive erlaubt es außerdem, Parallelen, Übereinstimmungen und Differenzen der öffentlich kommunizierten Frauenbilder in den einzelnen Ländern sichtbar zu machen, denn bei allen Unterschieden und Gegensätzen hat der Erste Weltkrieg zu einer bemerkenswerten Internationalisierung politischer Bilderwelten beigetragen.7 Die hier präsentierte Auswahl von 134 Bildpostkarten stellt nur einen kleinen Ausschnitt des tatsächlich gesichteten und ausgewerteten Quellenmaterials von über 3000 Originalen und Kopien dar, ergänzt um zahlreiche Abbildungsvorlagen aus anderen Publikationen sowie durch Abgleichung entsprechender Motive auf Ansichtskartenbörsen, in einschlägigen Fachgeschäften und in letzter Zeit vor allem auf einschlägigen Internetseiten. Die Materialbasis für dieses Buch wurde im Laufe jahrzehntelanger Sammlertätigkeit zusammengetragen. Die genaue Themenstellung kristallisierte sich aber erst allmählich aus einem ursprünglich viel umfangreicher angelegten Kartenfundus zum Ersten Weltkrieg heraus.8 Ausschlaggebend für die Konzentration auf Frauendarstellungen war die sich ständig wiederholende und selbst bestätigende Beobachtung, dass diese in der Kriegspropaganda eine überaus prominente Rolle gespielt haben, sei es als Opfer männlicher Gewalt, sei es als „stille Heldinnen“ an der Heimatfront oder als Bannerträgerinnen des kriegerischen Aufbruchs. Frauenbilder dienten darüber hinaus der Aufmunterung für die kämpfenden Männer. Denn das Thema Frauen hatte bei den Soldaten neben Essen und Alkohol höchste Pri-

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orität. Während aber die beiden letztgenannten Bedürfnisse meist direkt befriedigt werden konnten, waren die Konsequenzen, die sich aus der prinzipiellen Abwesenheit von Frauen im Frontalltag ergaben, schon viel schwieriger zu bewältigen. Dies bot der Bildpublizistik im Krieg ein schier unerschöpfliches Reservoir visualisierter Kompensationsangebote und damit verbundener Manipulationsmöglichkeiten. Außer Rückgriffen auf bewährte Bildtraditionen wurden neue Frauentypen kreiert, die unmittelbar mit dem aktuellen Kriegsgeschehen zusammenhingen: so beispielsweise in den Werbekampagnen der österreichischen Kriegs-Unfall-Versicherung „Providentia“ oder bei der italienischen Kriegsanleihe „Prestito Nazionale“, Einrichtungen, die ebenfalls mit weiblichen Gemeinschaftsidealen operierten. Auf diese Weise ergab sich ein breites und tief gestaffeltes Spektrum an kollektiven Identifikationsangeboten. Auch wenn es sich bei den Frauenbildern auf Propagandapostkarten überwiegend um von außen herangetragene Rollenzuschreibungen handelte und weniger um authentische Zeugnisse weiblichen Selbstverständnisses, erlauben diese konventionellen und normativen Klischees dennoch einen Einblick in damals nicht nur für Männer relevante mentale Denk- und Sehweisen. Beobachtungen dieser Art führten unversehens zur Frage, welche Rolle Frauen im Krieg spielen konnten, und welche Erwartungen an sie gerichtet wurden. Auch wenn das Kriegshandwerk seit alters her als Männerdomäne galt, haben Frauen zu allen Zeiten und in unterschiedlichen Funktionen immer schon eine nicht zu unterschätzende Rolle im Kriegsgeschehen gespielt, sei es als Marketenderinnen in der frühen Neuzeit, als aktiv kämpfende Kombattantinnen im antinapoleonischen Krieg, im Amerikanischen Bürgerkrieg usw. Der Erste Weltkrieg machte hierbei keine Ausnahme.9 Das Weibliche wurde in allen Krieg führenden Ländern als eine unverzichtbare Ergänzung zur kriegerischen Männerwelt und als deren komplementärer Faktor verstanden. Frauenund Männerbilder bedingten sich folglich wechselseitig und sind darum durchgängig als zusammengehörige Korrelate zu sehen. Das Aufzeigen solcher Querverbindungen und wechselseitigen Bezüge war daher auch für diese Studie von grundlegender Bedeutung.

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Wie der hier angebotenen Auswahl an Postkartenmotiven leicht zu entnehmen ist, waren aufgrund unterschiedlicher Überlieferungsmodi und Beschaffungsmöglichkeiten gleichmäßige Proportionen und ausgewogene Relationen weder für die einzelnen Themengruppen noch für die verschiedenen europäischen Herkunftsländer zu realisieren. Das Gros der zusammengetragenen Frauendarstellungen ist französischer und deutscher Herkunft. Danach folgen mit abnehmender Anzahl österreichische, italienische, britische, russische und andere Bildbeispiele. Trotz dieser Staffelung in der Materialdichte wurde darauf geachtet, möglichst viele Länder zu berücksichtigen und auch kleinere Staaten wie Belgien oder die Schweiz nicht außer Acht zu lassen. Insbesondere werden die häufig vernachlässigten osteuropäischen Komponenten in einen gesamteuropäisch abgesteckten Betrachtungshorizont einbezogen. Mehrheitlich handelt es sich bei dem hier ausgebreiteten Kartenmaterial um „gestaltete“, d. h. gezeichnete, gemalte oder in irgendeiner Weise grafisch bearbeitete Bildpostkarten. Diese Machart erlaubte es nämlich, bestimmte Bildbotschaften unmittelbarer und gezielter umzusetzen und zu transportieren, als es auf den ebenfalls schon gebräuchlichen Fotopostkarten möglich gewesen wäre. Denn Letztere vermittelten trotz gleichfalls vorhandener propagandistischer Nebenabsichten insgesamt doch einen vergleichsweise realistischeren Eindruck vom tatsächlichen Kriegsgeschehen – egal ob es sich um Aufnahmen zerstörter Gebäude, um Schützengraben- und Lazarettszenen oder um gestellte Gruppenbilder handelte.10 Gleichwohl bleiben Fotomontagen und inszenierte Atelierfotos in die Betrachtung einbezogen, vermengten sich in ihnen doch traditionelle Perspektiven mit modernen fotografischen Techniken zu neuartigen theatralischen Kompositionen, die gerade für die Darstellung von Frauen eigene Maßstäbe gesetzt haben.11 Der geografisch weit gespannte Beobachtungshorizont dieser Bestandsaufnahme brachte es unweigerlich mit sich, dass auf eine systematische formale Erfassung der zitierten Bildbeispiele, d. h. auf eine genaue Bestimmung der verwendeten Druckarten (Buchdruck, Lithografie usw.) oder auf den Nachweis der Autorenschaft einzelner

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Kartenmotive ebenso verzichtet werden musste wie auf eine durchgängige Beachtung verlegerischer oder postalischer Hinweise. Letztere werden zusammen mit den dazugehörigen Stempeldaten nur dann thematisiert, wenn sie der besseren chronologischen wie ereignisgeschichtlichen Einordnung der betreffenden Postkarte als dienlich erschienen – und wenn sie überhaupt zu eruieren gewesen sind. Desgleichen wurde auf eine Unterscheidung künstlerisch wertvoller und verkitschter Motive verzichtet, weil eine solche ästhetisierende Differenzierung für die hier gewählte Fragestellung eher belanglos ist: Die ideologie- und mentalitätsgeschichtlichen Sachverhalte ­waren kaum entlang solcher formalen Kriterien konstruiert und sind darum nicht trennscharf auseinander zu halten. Unberücksichtigt bleibt ferner die Korrelation zwischen den Bildbotschaften der Kartenvorderseite und den handschriftlichen privaten Mitteilungen auf der Rück- und Adressenseite, nachdem Stichproben ergeben hatten, dass kaum nennenswerte Bezugnahmen und Wechselwirkungen festzustellen waren, sondern beide Sphären offensichtlich weitgehend unverbunden nebeneinander existierten. Denn die privaten Einträge enthielten größtenteils nur knappe Informationen zum Erhalt bzw. Versand von Briefen, Karten und Päckchen, Verabredungen für den nächsten Fronturlaub, Sehnsuchtsbeteuerungen und Äußerungen anderer Befindlichkeiten, aber in der Regel höchst selten politische Bekenntnisse, also defätistische Meinungsäußerungen oder umgekehrt patriotische Willenskundgebungen. Letztere waren offensichtlich entweder mit dem Erwerb und dem Versand der betreffenden Propagandakarte abgegolten oder blieben für die privaten Mitteilungen überhaupt ohne Belang. Die bemerkenswerte Zweigleisigkeit von privater Mitteilung und offizieller Propaganda ist unbedingt einzukalkulieren, will man nicht zu einer Überschätzung des Bekenntnischarakters solcher Karten gelangen.12 Im Fokus der Untersuchung steht also eine vergleichend angelegte Betrachtung der Bildbotschaften, wie sie auf den Vorderseiten der Kriegspostkarten angeboten wurden, d. h. ihre Erfassung, Beschreibung, Ausdeutung und Einordnung in die jeweiligen Problemzusammenhänge. Auf hier nicht wiedergegebene Kartenmotive wird nur

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dann Bezug genommen, wenn es der Abrundung und Vertiefung der zu verhandelnden Sachverhalte dienlich erscheint. Die trügerische Hoffnung, solche Bildpostkarten sprächen für sich selbst und bedürften daher keiner zusätzlichen Erläuterung, lässt sich bei näherem Zusehen nicht aufrechterhalten. In Wirklichkeit handelt es sich vielmehr in vielen Fällen um verschlüsselte Such- und Rätselbilder, die ihre zeitgebundenen Botschaften samt der darin enthaltenen Subtexte erst nach eingehender, manchmal auch erst nach mehrfacher Befragung freigeben. Dechiffrier- und Kontextualisierungsarbeiten der Bildinhalte bestimmten daher den Verlauf der Untersuchungen. Dabei war stets darauf zu achten, dass sich die Darstellung nicht in ein Sammelsurium von Details verlor, sondern dass sich die verschiedenen Elemente zum Schluss wie ein Puzzle zu einem Ganzen zusammenfügten. Ein allzu starkes Eingehen auf Einzelaspekte hätte der Architektur der vorliegenden Studie widersprochen, die darauf basiert, bei ständig wechselnden Referenzrahmen eine thematisch wie geografisch möglichst breit gefächerte Palette von Frauenbildern auf Propagandakarten des Ersten Weltkriegs aufzuzeigen und für eine vergleichend angelegte Zusammenschau verfügbar zu machen. Genauso aufwendig gestaltete sich die Freilegung inhaltlicher wie struktureller Querverbindungen zwischen den einzelnen Bildbeispielen und Motivgruppen, wobei es das Ziel war, einerseits Länder übergreifende Grundmuster herauszuarbeiten, andererseits aber unangemessene Pauschalisierungen und interpretatorische Überdehnungen möglichst zu vermeiden. Abschließend sei noch ein persönlicher Hinweis gestattet: Dass dieses Buch von einem Mann verfasst wurde, hat meines Erachtens nicht nur Nachteile. Denn die meisten der hier vorzustellenden Frauenbilder wurden von Männern geschaffen und waren für Männer­ augen bestimmt, wie überhaupt Frauenbilder in Kunst, Reklame und in der Propaganda immer noch überwiegend dem Bild entsprechen, das sich Männer von Frauen machen. Es sind in erster Linie Ängste, Träume und Sehnsüchte von Männern, die in solchen Bildnissen festgehalten werden.13 Dieser Umstand bestärkte mich in der Zuversicht, dass eine wissenschaftlich gezähmte und altersbedingt abgemilderte

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maskuline Sehweise hie und da vielleicht sogar eher geeignet sein könnte, bestimmte visuelle Schlüsselreize und Signale dieser Frauenbilder direkter und vielleicht sogar sensibler zu erfassen als ein feministisch geschulter Röntgenblick. Aber das müssen letztlich die Leserinnen und Leser dieser Studie entscheiden.

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nmitten des von Männern geführten Ersten Weltkrieges spielten Frauenfiguren in unterschiedlichster Gestalt und Funktion in der Bildpropaganda jener Jahre eine erstaunlich prominente Rolle. Ausschlaggebend waren dabei überkommene Vorstellungen von als typisch weiblich erachteten Eigenschaften und Fähigkeiten im Symbolhaushalt und in der öffentlichen Meinung der europäischen Länder, die nun zu Propagandazwecken mit kriegsbedingten Situationen in Verbindung gebracht wurden. Zwar variierten solche „Images“ von Land zu Land, ließen aber andererseits durchaus ähnliche Wahrnehmungsmuster erkennen, sodass es sich auf jeden Fall lohnt, sie unter vergleichender Perspektive zu betrachten. Im Zuge derartiger Wertungen und Zuschreibungen wurden Frauen unter anderem zu überirdischen Geistwesen verklärt, auf die man sich dann im Nachhinein wieder als hilfreiche Schutzgeister berufen konnte. Umgekehrt wurde immateriellen Idealen, Kräften und Mächten gerne eine weibliche Gestalt gegeben, um sie auf diesem Wege begreifbarer, akzeptabel und sinnlich nachvollziehbar zu machen. Wenn Frauenfiguren auf Kriegspostkarten visualisiert wurden, so handelte es sich nur in den seltensten Fällen um konkrete Einzelpersonen, sondern meistens um Typisierungen, vielfach aber auch um idealisierende Überhöhungen und um die Verkörperung abstrakter Werte- und Idealvorstellungen. Das heißt aber in letzter Konsequenz: Die dargestellten Frauen wurden nicht um ihrer selbst willen ins Bild gesetzt, sondern standen stets für etwas, das sie zu repräsentieren und zu veranschaulichen hatten. Solche Instrumentalisierungen und Stellvertretungen hatten in ganz Europa eine lange

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Tradition und waren keineswegs nur in Kriegszeiten üblich. Denn der weibliche Körper wurde seit der Antike als besonders geeignet erachtet, allgemeine, abstrakte und kollektive Ideale und Wertvorstellungen zu versinnbildlichen.14 Um aber als formales Gefäß komplexer Vorstellungsinhalte dienen zu können, bedurfte es einer weitgehenden Entindividualisierung und gelegentlich sogar einer Entfeminisierung solcher Frauengestalten, die darum manchmal ausgesprochen geschlechtslos, wenn nicht sogar viril wirkten, unbeschadet ihrer weiblichen Körperkonturen. Doch nur als solche ich-losen und neutralisierten Gefühlswesen konnten sie allegorisch mit anderen Bedeutungsinhalten aufgefüllt werden. Schon zu Friedenszeiten im öffentlichen Gebrauch wurden sie im Krieg zu wichtigen Bedeutungsträgern und Instrumenten der Propaganda und kollektiver Identitätsstiftung. Als höchste Schieds- und Appellationsinstanz über das aktuelle Kriegsgeschehen hinaus wurde die Geschichte selbst in Gestalt der „Clio“ angerufen, der antiken Muse der Heldendichtung und Geschichtsschreibung. Eine klar konturierte schwarz-weiße Federzeichnung lässt Clio mit versteinert-unerbittlichem Blick in die Ferne schauen, über den Wolken auf einer Bergkuppe thronend, in einer Hand einen Griffel, die andere auf eine Tafel mit den Jahreszahlen 1871 und 1914 gestützt (Abb. 1). Der Beginn des Ersten Weltkrieges war damit aus deutscher Sicht in einen größeren historischen Zusammenhang gestellt und enthielt implizit eine Warnung an Frankreich, dass sich dessen Niederlage von 1871 wiederholen könnte. Eine 1

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historische Rechnung ganz anderer Art machte eine französische „L’Histoire“ auf, ihrem äußeren Habitus nach mit ihrer deutschen Konkurrentin durchaus vergleichbar: Die französische Geschichtsgöttin zerrt Wilhelm II. wie einen widerborstig ungezogenen Bengel durch ein Gräberfeld mit den zivilen Opfern deutscher Gräueltaten, darunter ein Grabmal für die Opfer des 1915 von einem deutschen ­U-Boot versenkten amerikanischen Passagierdampfers Lusitania (Abb. 2). In beiden Fällen wurde wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass „die“ Geschichte gar nicht umhin konnte, den jeweils eigenen Standpunkt einzunehmen – nicht aus Parteilichkeit, sondern um der historischen Wahrheit und Gerechtigkeit willen. Jede der Krieg führenden Parteien nahm für sich in Anspruch, das Recht als solches auf ihrer Seite zu wissen und das Gute gegen das Böse zu verteidigen. Folgerichtig war die schon in der Antike gebräuchliche und anerkannte Personifikation der Gerechtigkeit, die „Justitia“, ein probates Mittel, derartige Ansprüche sichtbar zu machen.15 Auffallend häufig tauchte dieses Motiv auf Propagandakarten der Alliierten auf. Nur gelegentlich erschien die „Justitia“ auch auf Karten der Mittelmächte, wie in der ungarischen Darstellung einer

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überlebensgroßen Gerechtigkeitsgöttin, die eine Waage in die Höhe hält, auf welcher die alliierten Soldaten trotz ihrer Überzahl im Unterschied zu denjenigen des Dreibundes als zu leicht empfunden werden (Abb. 3). Allen diesen Justitia-Darstellungen gemeinsam war, dass es ihnen nicht um eine ausgleichende Gerechtigkeit ging, sondern um eine strafende Exekution im Sinne des Richtschwertes, das seit dem Mittelalter als Kennzeichen dieser Göttin zur Waage hinzugekommen war. Gestützt auf die liberalen Traditionen in England und auf die Ideale der Französischen Revolution scheinen Personifizierungen allgemeiner Ideale wie Humanität, Zivilisation, Freiheit, Vernunft, Gerechtigkeit usw. vor allem aufseiten der alliierten Kriegspropaganda bemüht und gegen die „deutsche Barbarei“ ins Feld geführt worden zu sein.16 Ein vergleichbarer Anspruch der Kulturüberlegenheit wurde von den Mittelmächten höchstens an der Ostfront gegenüber den Russen erhoben, die als verlaust, unkultiviert und ständig unter Alkoholeinfluss stehend karikiert wurden. Im Unterschied zu den weiblichen Sinnbildern hehrer Menschheitsideale bei den Alliierten dominierten in Deutschland wie in Österreich-Ungarn angriffslustige Walküren, also der nordischen Mythologie entnommene Geistwesen, die patriotische Bilderwelt. Sollte die Wehrbereitschaft der eigenen Truppen aufgerufen werden, so waren es oftmals weniger männliche Heldenfiguren oder konkrete Heerführer, die ihnen anfeuernd vorangestellt worden sind, als vielmehr eben solche wehrhafte Frauengestalten. Auf einer in Goslar verlegten Karte (Abb. 4) führt eine walkürenartige Heroine zusammen mit dem deutschen „Aar“ eine kombinierte Infanterie- und Ka-

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vallerieformation zum Sturmangriff. Mit wehenden blonden Haaren, goldenem Brustpanzer und gezücktem Schwert stößt sie rückwärts gewandt in ein langgezogenes Horn. Die eingedruckten Anfangszeilen „Es braust ein Ruf wie Donnerhall“ des im Kaiserreich viel gesungenen Liedes „Die Wacht am Rhein“ unterstreichen den draufgängerisch-patriotischen Charakter dieses Kampfappells. Engel in unterschiedlichster Funktion – Schutz-, Rache-, Friedensoder Siegesengel, manchmal sogar mit kombinierter Aufgabenstellung – gehörten zum unerlässlichen Repertoire der Bildpublizistik in nahezu allen Krieg führenden Ländern.17 Sie wurden stets in weiblicher Gestalt dargestellt, wobei diese Geschlechtszuschreibung einem ikonografischen Trend folgte, der sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchzusetzen begonnen hatte. Engel jeglicher Art überstrahlten das Elend des Krieges, verliehen ihm Glanz und einen höheren Sinn. Sie waren dazu ausersehen, allen Beteiligten an und hinter der Front das Gefühl zu vermitteln, nicht auf sich allein gestellt in ihrer Not und Bedrängnis da zu stehen, sondern jederzeit auf verlässlichen Beistand aus himmlischen Sphären bauen zu können. Dieses letztlich religiös fundierte Versprechen wurde ergänzt um eine ideologisch verbrämte Sinnkonstruktion: Der Krieg wurde demnach zwar vordergründig auf Erden geführt, gelenkt und bestimmt wurde

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er aber in Wirklichkeit von höheren Gewalten. Von diesen wurde freilich erwartet, dass sie ähnlich wie die „Geschichte“ oder die „Justitia“ ausschließlich für die jeweils „eigene Sache“ tätig wurden. An erster Stelle ist der universalgeschichtlich verbürgte Schutzengel zu nennen, der den kämpfenden Soldaten an allen Fronten zur Seite gestellt wurde, um ihn – verwundet oder nicht – vor der drohenden Todesgefahr zu retten und ihm eine sichere Heimkehr in Aussicht zu stellen, wie etwa einem tschechischen Infanteristen in k.u.k. Uniform auf nächtlichem Wachposten an einem Flussufe (Abb. 5). Gelegentlich war diese Schutzfunktion freilich mit durchaus offensiven Signalen kombiniert wie z. B. auf einem Motiv, das in Genf verlegt und am 14.9.1915 in Chambésy (Kanton Genf) abgestempelt wurde (Abb.  6). Darauf ist

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eine Artilleriestellung mitten im Feuergefecht zu sehen. Über den Kanonen schwebt ein Schutzengel mit weit ausgebreiteten Flügeln und gezücktem Schwert, der den Kanonieren mit vorwärts weisender Geste, den Weg zum Sieg weist: „Klangvoll kündigt Euch der Sieg seine Ankunft an“, heißt es aufmunternd in der abschließenden Zeile einer eingedruckten Reimdichtung. Dieser Engel beschützt nicht nur, sondern treibt zum Angriff. In diesem Fall handelte es sich um eine profranzösische Stellungnahme innerhalb des innenpolitisch ausgetragenen Grabenkrieges zwischen der Deutschschweiz, welche die Mittelmächte favorisierte, und der gegenteilig orientierten französischsprachigen Westschweiz. Auch Heilige wurden als Schutzpatroninnen gegen den Feind mobilisiert. In Bayern, Österreich und Italien war es beispielsweise die heilige Barbara, die als Schutzheilige der Kanoniere verehrt wurde. Auf einer Karte des österreichischen Kriegsfürsorgeamtes steht diese Heilige in mittelalterlicher Tracht vor schweren Mörsern einer deutsch-österreichischen Artilleriestellung, einen Siegerkranz in der Hand und neben zwei überdimensionalen Granaten platziert (Abb. 7). Im Unterschied zu der legendären heiligen Barbara handelte es sich bei der „heiligen Theresia vom Kinde Jesu“, um eine schon zu Lebzeiten als Heilige verehrte französische Karmeliterin von Lisieux, die 1897 verstorben war und zu Kriegsbeginn in Frankreich noch in lebendiger Erinnerung gewesen ist. Eine französische Karte in der Manier eines fein gestrichelten alten Stiches gehalten und von der Machart her eher einem Heiligenbildchen als einer Propagandakarte gleichend, zeigt die Schwester Theresia kniend, die Hände beschwörend gegen Himmel gerichtet, mitten in einem

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Schlachtengetümmel, vor ihr kämpfende und strauchelnde Soldaten, hinter ihr Geschütze, die ihren Namen tragen und über ihr der Himmel voller Explosionswolken (Abb. 8). Beiden Darstellungen gemeinsam war der fehlende Bezug zu den absolut friedfertigen Lebensgeschichten der Heiligen sowie das – auch anderweitig zu beobachtende – skrupellose Einspannen religiöser Gefühle und Überzeugungen zur Erzeugung kriegsbereiter Stimmungen. Im Gefolge eines schier unausrottbaren Irrglaubens, das Weibliche sei immer schon und grundsätzlich mit Frieden und Friedfertigkeit konnotiert, das Männliche dagegen stets mit Krieg und Gewalt gleichzusetzen,18 wurden im Ersten Weltkrieg diverse Bildpostkarten publiziert, auf denen Frauen als Friedensengel dem männlichen Kriegsgott Mars entgegengestellt waren, der zudem meistens mit dem Feind identifiziert wurde. Auf einer Schweizer Allegorie kniet ein solcher Friedensengel vor dem brandschatzenden Kriegsgott Mars und fleht ihn dringend an, von seinem unsäglichen Treiben abzulassen (Abb. 9). Ein anderer Engel hat schon resignierend die Hände vor das Gesicht geschlagen und wendet sich entsetzt von einem roten Flammenmeer in seinem Rücken ab (Abb. 10). In diesem Fall handelt es sich um ein Motiv, das in Krakau verlegt worden war und auf der rückwärtigen Adressenseite den Titel „Friedensengel“ gleich in fünf Sprachen wiedergab (polnisch, deutsch, französisch, russisch und englisch), seine Botschaft also bemerkenswerterweise Länder und sogar Lager übergreifend formulierte. Das Gros der Propagandakarten war demgegenüber mehr oder weniger kriegerisch programmiert und eindeutig Partei nehmend

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auf das eigene Land bzw. das eigene Bündnissystem bezogen. Ein schönes Beispiel für einen nur scheinbar neutralen Friedensappell bietet eine in Mailand herausgegebene italienische Allegorie, auf

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der sich ein lichtdurchfluteter Friedensengel schützend vor alle Völker Europas stellt, die durch ihre verschiedenen Uniformträger gekennzeichnet sind, und mit einem Flammenschwert die Herrscher der Mittelmächte in die Verbannung schickt (Abb. 11). „Friede auf Erden allen Menschen, die guten Willens sind“, heißt es versöhnlich

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im Untertitel. Doch die allgemein gehaltene menschenfreundliche Friedensbotschaft trügt, denn bei näherem Zusehen fällt auf, dass die kriegstreibenden Machthaber der Alliierten von dem Bann ausgenommen sind. Somit fällt es schwer, diese Allegorie als ein unvoreingenommenes pazifistisches Manifest zu interpretieren. Auf jeden Fall blieb der Frieden auf allen Kriegspostkarten durchgängig weiblich konnotiert. Wenn Friedenssehnsüchte visualisiert wurden, wurden sie allerdings selten um ihrer selbst willen thematisiert, sondern waren meistens mit weniger friedlichen Absichten verknüpft. Weitaus häufiger als der Frieden ist nämlich ein Sieg als einzig denkbare Option schon während des Krieges mithilfe weiblicher Allegorien beschworen worden. Militärische Teil- und Etappensiege wie z. B. der französische Sieg in der Marneschlacht wurden dementsprechend schon frühzeitig als die entscheidenden Wendepunkte und als Ende aller Kampfhandlungen gefeiert. Ein dauerhafter Frieden schien aus dieser Perspektive immer nur als ein Siegfrieden denkbar und wünschenswert gewesen zu sein. Auch wenn der Krieg oft als antiker Kriegsgott Mars erschien und damit männlich codiert war, konnte er gelegentlich auch als weibliche Kriegsfurie imaginiert werden. Dies belegt unter anderem eine deutsche Federzeichnung mit dem Untertitel „Weltkrieg 1914“: Darauf ist eine hässliche und bösartige Erinnye, also eine Rachegöttin aus der griechischen Mythologie, zu sehen. Mit weit aufgerissenen Augen bringt sie den Völkern Europas den Krieg – in einer Hand eine Brandfackel, mit der anderen die Schlangen der Rachsucht an ihren Busen gepresst (Abb. 12). So kriegsächtend diese Bildaussage auf den ersten Blick auch daherkommt, so unübersehbar ist doch zugleich wieder die darin enthaltene Polarisierung und Feinderklärung: Es sind die Symboltiere der Alliierten, der englische Löwe, der französische Hahn und der russische Bär, die sich von der Kriegsfurie antreiben lassen, wogegen der deutsche Aar sonnenumstrahlt aus luftigen Höhen erst nachträglich zu dem Geschehen hinzustößt. Die Bildbotschaft lautete unmissverständlich: Der Krieg ist schrecklich, aber unvermeidlich, weil aufgezwungen, denn die Aggressoren sind die anderen.

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Weibliche Allegorien als Kollektivkörper

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aren die aufgeführten überirdischen Frauengestalten vor allem dazu bestimmt, den kriegführenden Parteien moralischen Beistand zu leisten, so verfolgte die Visualisierung weiblicher Allegorien als Kollektivkörper schon viel konkretere Ziele, unbeschadet der Tatsache, dass auch diese in ihrem äußeren Erscheinungsbild oftmals kaum von den Heroinen und Engeln zu unterscheiden gewesen sind. Die Verwendung weiblicher Allegorien als Repräsentantinnen von Gemeinwesen lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen. Am Anfang standen urbane Identifikationsfiguren (Roma), in der frühen Neuzeit kamen zusätzlich Personifikationen der Länder (Tyrolia) hinzu, und spätestens seit dem 19.  Jahrhundert wurden dann komplette Staaten und Nationen in weiblicher Gestalt in ganz Europa dargestellt.19 Weibliche Figuren dieser Art standen für die unverwechselbare Besonderheit, für die Eigenart und das Wesen der durch sie verkörperten Kollektive.20 Männergestalten waren solchen weiblichen Identifikationsfiguren – wenn überhaupt – lediglich als ausführende Organe oder als volkstümliche Typen zur Seite gestellt, gelegentlich selbst in allegorischer Gestalt wie im Fall des deutschen Michels oder des britischen John Bull.21 Obwohl es zu Beginn des Ersten Weltkrieges in Europa etliche Dynastien mit männlichen Regenten an der Spitze gegeben hat, wurden diese offensichtlich nicht für repräsentativ genug gehalten, immer stellvertretend für das Volks- bzw. Staatsganze zu fungieren. Dasselbe galt für so überaus populäre Heerführer des Ersten Weltkrieges wie die erfolgreichen Generäle Joseph Joffre auf französischer oder Paul Hindenburg auf deutscher Seite. Es wa-

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ren vielmehr zumeist weibliche Kollektivfiguren, welche die ansonsten kaum darstellbare abstrakte Idee der Nation oder des Staates verkörperten. Weiblich waren die Allegorien deshalb, weil ihnen ein immenses Integrationspotenzial unterstellt wurde, auf das keine der kriegsführenden Parteien glaubte verzichten zu können. Ihr schon vor Kriegsbeginn vorhandener hoher Wiedererkennungswert bot zudem die Gewähr, dass sie schnell und kommentarlos kommuniziert werden konnten. Zentrale Kollektivfigur für das Deutsche Reich war die „Germania“, der „deutsche Michel“ fungierte demgegenüber eher als ihr ethnisches Substrat, Sankt Michael wiederum flankierend als Schutzpatron der Deutschen.22 Erste bildliche Darstellungen lassen sich bis in die römische Kaiserzeit zurückverfolgen, zur alles überstrahlenden Identifikationsfigur avancierte die „Germania“ freilich erst nach dem gewonnenen deutsch-französischen Krieg von 1870/71, zahlreiche Siegesdenkmäler bestätigen das ebenso wie die offizielle Briefmarkenserie, die seit 1900 ihr Konterfei zierte. Ihr äußeres Erscheinungsbild erhielt dabei die Züge einer hochgerüsteten, kämpferischen Walküre. Vorbild war vor allem das 1883 fertig gestellte Niederwalddenkmal bei Rüdesheim am Rhein; ihm folgend wurde die „Germania“ immer wieder mit Kaiserkrone, Reichsadler, Eichenlaub, Brustpanzer, Schwert und Schild dargestellt, so auch auf einer Karte aus dem Jahr 1916, die sie an der Seite eines Infanteristen zeigt – ihr Schwert angriffsbereit zur Front hin ausgesteckt, das Schild schützend vor friedlich arbeitende Bauern haltend (Abb. 13). Im Unterschied zu der solchermaßen standardisierten „Germania“ war das Image der mit ihr verbündeten „Austria“ weniger eindeutig fixiert. Sie war in den vorausgegangenen Jahrzehnten zu einer ziemlich blassen und kraftlosen Repräsentationsfigur Zisleithaniens verkümmert und hatte auf die auseinanderstrebenden Nationalitäten – einschließlich der „Monarchiedeutschen“ – kaum noch eine inte­grierende Wirkung gezeigt.23 Diesem Bedeutungsverlust ist zwar mit Kriegsbeginn nachdrücklich entgegengesteuert worden, ohne dass das zugrunde liegende Glaubwürdigkeitsproblem behoben werden konnte. Österreich-Ungarn war schließlich ein Vielvöl-

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kerreich. Ein gesamtstaatlich supranationaler Vertretungsanspruch Österreichs war allein deswegen zum Scheitern verurteilt, weil in der „Austria“ die ungarische Reichshälfte, die mit der „Hungaria“ über eine eigenständige Symbolfigur verfügte, gar nicht enthalten bzw. zumeist subsumiert war.

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Wollte die Austria wirksam zum Kampf gegen die äußeren Feinde aufrufen, so musste sie es in verschiedenen Sprachen tun. Diese Notwendigkeit bestätigt eine „Austria“, die vor einer Balustrade sitzt, auf welcher die Wappen der verschiedenen Kronländer zu erkennen sind (Abb. 14). Mit Lorbeer bekränzt, trägt sie unter einem mit Hermelin besetzten Mantel einen Brustpanzer und stützt sich auf ein Schwert und ein Schild mit dem Doppeladler. „Alle Achtzehner nach vorn!“, feuert sie in tschechischer Sprache das traditionsreiche 18. Infanterieregiment aus Königgrätz an. Seitlich eingefasst wird die Szene von den Staatsfarben der Habsburger – Schwarz-Gelb. Aber die proklamierte Eintracht zwischen Thron und tschechischen Untertanen war längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Denn obwohl der Großteil der tschechischen Truppenverbände bis 1918 loyal den Dienst in der k.u.k. Armee verrichtete, formierten sich im Ausland nach und nach militärische Verbände, die für einen selbstständigen demokratischen Staat der Tschechen und Slowaken kämpften und somit eigenständige Ziele verfolgten. So veröffentlichte gegen Kriegsende eine tschechisch­na­ tio­nale Hilfsorganisation in Cleveland/Ohio ein Motiv mit einer republikanischen „Čechie“. Diese schwebt über den Wolken, das böhmische Wappentier auf ihrer Phrygiermütze und eine Fahne mit den böhmischen Landesfarben in der Hand, und ruft fünf bewaffneten uniformierten Turnern der tschechischnationalen Turnerorganisation Sokol zu: „Vorwärts für die Heimat!“ (Abb. 15) Hauptkontrahentin der „Germania“ blieb während der gesamten Kriegszeit die französische „Maria­n ne“. 24 Hervorgegangen

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aus einem volkstümlichen Mädchennamen wurde sie im Zuge der Französischen Revolution zu einem Sy­nonym für die französische Nation. Ihr herausragendes Charakteristikum war bei aller Kampfbereitschaft nicht unbedingt ein martialischer Habitus. Denn selbst wenn sie gerüstet und kampfbereit auftrat, haftete ihr im Unterschied zu der schwer gepanzerten Germania stets etwas leicht Beschwingtes an. Dazu trug gelegentlich auch ihre leichte Gewandung bei, wie auf dem Bildbeispiel, das sie mit erhobenem Schwert und umgeben von Soldaten der Alliierten zeigt (Abb. 16). Unter der Parole: „Nieder mit den Barbaren!“ feuert sie die kampfbereiten Franzosen, Russen, Engländer und Belgier an, die sich mit ihren Gewehren schützend vor sie stellen. Im Gegensatz zur alternativlosen Gestalt der Germania sowie zu den meisten anderen eindimensional stilisierten weiblichen Allegorien europäischer Staaten und Nationen war die „Marianne“ durchaus nicht die einzig mögliche Identifikationsfigur Frankreichs, sondern koexistierte mit anderen weiblichen Gestalten. So wurde die französische Nation wiederholt durch die legendäre Jeanne d’Arc mit Pagenkopf, wehrbereit und in Ritterrüstung repräsentiert, etwa in aufrechter Wächterposition auf einer Mauerbrüstung stehend, mit der brennenden Kathedrale von Reims im Hintergrund (Abb. 17). Manchmal posierte eine Personifikation der französischen Nationalhymne, der „Marseillaise“, für die Gesamtheit der französischen N ­ ation und für die Integrität des französischen Territoriums, gelegentlich übernahm diese Rolle einfach „La République“. Zudem war die vorrevolutionäre Kollektivfigur „La France“ weiterhin in Gebrauch. Sie wurde hauptsächlich außenpolitisch gegen Deutschland in Stellung gebracht oder

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wohlgerüstet den Verbündeten als verlässliche Partnerin empfohlen. Sehr häufig waren alle diese Varianten in Erinnerung an die Französische Revolution mit einer roten Phrygiermütze ausgestattet.25 Die zweite bedeutende Gegnerin der „Germania“ war neben der „Marianne“ zweifellos die „Britannia“, eine der ältesten Symbolfiguren dieser Art, sowohl was ihre Entstehungsgeschichte als auch was ihr äußeres Erscheinungsbild anbelangt, auch wenn sie sich erst im Laufe des 18. Jahrhunderts als Kollektivfigur Großbritanniens fest etablieren konnte und längst nicht so populär war wie die „Germania“ oder die „Marianne“.26 Die Figur der „Britannia“ ging unmittelbar auf antike Vorbilder zurück und war häufig der griechischen Göttin Athene nachempfunden. Gelegentlich mit einem dem Meeresgott Poseidon entlehnten Dreizack ausgerüstet, verkörperte sie die sich seit dem 16. Jahrhundert entfaltende maritime Machtstellung des Vereinigten Königreiches. Auf einer als Postkarte reproduzierten Federzeichnung aus dem traditionsreichen englischen Satireblatt „Punch“ schreitet eine solche „Britannia“ vor düsterem Hintergrund aufrecht und selbstbewusst vom Meer zum Festland, in einer Hand die britische Flagge, in der anderen mit ausgestrecktem Arm ein Schwert angriffsbereit vor sich haltend, in eben dieser klassischen Gewandung und mit einem antiken Vorbildern nachempfundenen Helmschmuck (Abb. 18). Im Unterschied zu vielen anderen Kollektivfiguren wurde bei der „Britannia“ weitgehend auf spezifisch englische Attribute verzichtet, wenn man von der Flagge oder einem Löwen einmal absieht. Mit dieser unbestimmten Ausstattung verband sich ein universeller und gleichsam zeitloser Geltungsanspruch sowie ein weltweit abgesteckter Handlungshorizont der Weltmacht Großbritannien.

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Für Russland posierte die Gestalt der „Rossija“, eine der vergleichsweise jüngeren Kollektivfiguren dieser Art. Sie repräsentierte das russische Großreich jenseits ethnisch-kultureller Binnengliederungen. Bei aller ihr zugeschriebenen Fürsorge für das russische Volk blieb sie stets eine mit der „Britannia“ vergleichbar abgehobene imperiale Erscheinung.27 Meist war sie in lange, reich verzierte altrussische Gewänder gehüllt und häufig mit einem Kokošnik, einem

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traditionellen diademartigen Kopfschmuck, gekrönt. Auf der hier wiedergegebenen Bildkomposition trägt die „Rossia“ die altrussische, pelzbesetzte Zarenkrone und ist in einen farbenprächtigen, hermelinbesetzten Mantel gehüllt. Sie hält eine Friedenstaube und Lilien als Zeichen der Reinheit und der Friedfertigkeit empor (Abb. 19). Ihr zu Füßen liegen die Fahnen und Herrschaftszeichen der Mittelmächte. Am oberen Bildrand taucht die Hagia Sophia in Konstantinopel mit einem leuchtenden orthodoxen Kreuz an der Spitze und wankenden Minaretten auf. Im Begleittext wird aus der Weissagung des Pskover Mönchs Filofei aus dem 16. Jahrhundert zitiert, wonach Moskau als das „dritte Rom“ dereinst „das Kreuz auf der Heiligen Sophia“ errichten und alle Feinde überwinden werde. Diese ursprünglich apokalyptisch verstandene Prophezeiung war hier unmissverständlich machtpolitisch und imperial ausgedeutet, wie auch mit dem doppelköpfigen Adler an der Seite der „Rossija“ der rechtmäßige Anspruch auf das Erbe Byzanz zusätzlich hervorgehoben wurde. Es waren keinesfalls nur die europäischen Großmächte, die auf diese Weise personifiziert und visualisiert wurden, sondern durchaus auch kleinere und mittlere Staaten wie z. B. Serbien. Selbst am Kriege nicht beteiligte Länder wie Dänemark (Abb. 20) oder die Schweiz wurden auf diese Weise versinnbildlicht. Viele Darstellungen der „Helvetia“ zeigten diese als zivile, unbewaffnete Patronin und Beschützerin in Bedrängnis geratener Flüchtlinge. Auf der hier abgebildeten Karte tritt sie freilich gepanzert und damit der Germania nachempfunden auf, bereit, das „große Völkerringen“ von der Friedensinsel Schweiz mit gezücktem Schwert fernzuhalten28  (Abb. 21).

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Desgleichen bedienten sich unselbstständige, nichtdominante Nationalitäten weiblicher Identifikationsfiguren, wie bereits im Fall der „Čechie“ aufgezeigt werden konnte. Auch das seit Ende des 18. Jahrhunderts dreigeteilte Polen verfügte in der „Polonia“ über eine eigene Kollektivfigur, deren Bedeutung im Ersten Weltkrieg insofern zunahm, als sich nun nach über hundert Jahren Fremdherrschaft auf einmal die Chance einer Wiedervereinigung der polnischen Territorien eröffnete. Eine in Krakau herausgegebene und am 15. 2. 1917 abgestempelte Karte zeigt eine an einen steinernen Thron gefesselte „Polonia“ mit Dornenkrone, die altehrwürdige polnische Königskrone Kasimirs des Großen auf ihrem Schoß (Abb. 22). Über ihr schwebt das polnische Wappentier, der weiße Adler, im Hintergrund ist die Silhouette des Krakauer Königschlosses Wawel zu sehen. Vor ihr kniet ein polnischer Soldat in österreichischer Uniform und schwört ihr, sein Leben für Polen einsetzen zu wollen. 29

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Alle diese weiblichen Kollektivfiguren symbolisierten komplette Staaten und Nationen, die sich nicht mehr in einzelnen Herrschergestalten repräsentiert sahen, sondern modernen, kollektiv definierten Gemeinschaftszielen verpflichtet wussten. Vergleicht man die weiblichen Personifikationen der einzelnen Staaten und Nationen, so wird deutlich, dass sie sich bei aller Betonung ihrer jeweiligen Besonderheit in ihrer Grundstruktur nicht wesentlich unterschieden haben.30 Mit Ausnahme

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der „Rossija“ und „Germania“ waren sie überwiegend in Gewänder der klassischen Antike gehüllt und nur durch bestimmte Accessoires von einander unterschieden – die „Marianne“ durch die Phrygiermütze, die „Italia“ durch die Mauerkrone und einen Stern usw. Mit dem Rekurs auf die Antike war zugleich ein exklusiv verstandener Anspruch auf das europäische Kulturerbe angemeldet. Doch nur wenige Karten reflektierten das gesamte Kriegsgeschehen aus einer abgehoben europäischen Perspektive. „Europa trauert“, lautet der Titel eines in Basel verlegten, aber am 7. 12. 1915 in Dresden abgestempelten Panoramas, auf dem sich eine „Europa“ entsetzt von dem Kriegsgetümmel abwendet, das von der linken oberen Bild­ecke aus durch eine Feuer speiende Furie mit Fackel und Schwert angetrieben wird (Abb. 23). Die „Europa“ lagert zwischen den Trümmern der in der Antike begründeten europäischen Kultur, umgeben von verzweifelten Frauen, Kindern und verwundeten Uniformträgern aller Konfliktparteien. Komprimierter und zugespitzter erscheint dieselbe Bildbotschaft auf einer britischen Bildpostkarte: „,Europa 1916. Bin ich noch nicht zivilisiert genug?“ Die „Europa“ hängt in zerrissenem Gewand an

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das Rad eines schweren Artilleriegeschützes gefesselt (Abb. 24). Im Unterschied zu dem zuerst vorgestellten Europa-Motiv, das wie der überwiegende Teil der Propagandapostkarten des Ersten Weltkrieges in einem plumpen historistischen Realismus ausgemalt war, besticht diese britische Europakarte durch ihr ausgesprochen modernes Design. Beiden Beispielen gemeinsam war eine bemerkenswert radikale Kritik am Krieg und seinen Folgen, wodurch sie sich wohltuend vom hohlen Pathos vieler anderer Kriegspostkarten abhoben.

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eibliche Kollektivfiguren wurden auf Propagandapostkarten nicht nur separat imaginiert, sie interagierten außerdem auf verschiedenartige Art und Weise mitund gegeneinander, wie beispielsweise in einer fiktiven Zweikampfszene zwischen „Germania“ und „Marianne“. Eine herausragende Bedeutung kam bei solchen Konstellationen den internationalen Bündnissen und Koalitionen zu, also denjenigen Machtkonstellationen, die sich in ihren Grundzügen bereits vor 1914 herausgebildet hatten, im Laufe des Krieges aber diverse Veränderungen und Erweiterungen erfuhren. Bekanntlich ist der Erste Weltkrieg überhaupt erst aus Rücksichtnahme auf solche Allianzen in Gang gekommen Ursprünglich zur Stabilisierung der internationalen Beziehungen geschaffen, entfalteten sie eine zerstörerische Eigendynamik, die den Erhalt solcher Bündnisse zuletzt über die Wahrung des Friedens stellte.31 Es ist darum nachvollziehbar, dass die Bildpublizistik diesen Aspekt des Kriegsgeschehens nicht außer Acht lassen konnte. Um aber die komplizierten Zusammenhänge der internationalen Politik optisch aufzubereiten und plausibel zu machen, wurden solche Verbindungen wiederholt vermenschlicht und als innige persönliche Beziehungen zwischen Schwestern und Freundinnen visualisiert. Im Gegensatz zu dem viel einfacher und vordergründiger strukturierten Vorstellungskomplex kumpelhafter Männerfreundschaften und der Kameraderie verbündeter Soldaten, war mit dem nach außen abgeschirmten, geheimnistuerischen Tuscheln von Frauen eine wesentlich intimere, private Gefühlsqualität ins Spiel gebracht, die sich

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genau genommen durch eine extreme Politik- und Militärferne auszeichnete.32 Mit der bildlichen Übersetzung komplexer militärischer Bündnissysteme auf die Ebene vertraulicher weiblicher Beziehungsmuster sollten demnach die eingegangenen vertraglichen Bindungen als natürlich vorgegeben und sympathisch ausgewiesen werden. Eben diese Wirkung wollte eine in Berlin verlegte Karte hervorrufen, auf welcher drei huldvoll lächelnde Grazien zu sehen sind, die an ihren Diademen, den Farben ihrer Dekolleté-Schärpen und nicht zuletzt an ihrer unterschiedlichen Haarfarbe leicht als „Austria“, „Germania“ und „Turcia“ zu identifizieren sind (Abb. 25). Trotz der massiv aufgetragenen und mehrfach wiederholten kollektiven Merkmalszuschreibungen handelte es sich letztlich um drei ziemlich gleichförmige und harmlos-liebe Puppengesichter, die jedem Kaffeekränzchen Ehre gemacht hätten, aber kaum den Eindruck kampfbereiter Amazonen erweckten. Wenig kriegslüstern wirkt auch ein beschwingter Reigen alliierter Kollektivfiguren, leicht geschürzt in die jeweiligen Staatsfarben gewandet, auf einer französischen Karte mit „Marianne“ in der Mitte (Abb. 26). Nicht einmal das Schwert wirkt in ihrer Hand sonderlich furchterregend, sondern es könnte fast als Taktstock des

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anmutig gestiefelten Damenballetts gelten. Mit Gemeinschaftsbildern dieser Art wurden die Konsequenzen bestehender Militärbündnisse heruntergespielt und die Friedfertigkeit des jeweils eigenen Lagers unterstrichen. Es fehlte freilich nicht an Kompositionen, in denen die entsprechenden Kollektivfiguren ihren gemeinschaftlichen Kampfeswillen durchaus energisch und militant zur Schau stellten. In multinational zusammengesetzten Reichen begannen derartige Solidarisierungen schon innerhalb der eigenen Staatsgrenzen. Auf einem russischen Bildbeispiel (Abb. 27) hält eine „Rossija“ mahnend ein Kreuz, bemerkenswerterweise ohne den sonst üblichen russisch-orthodoxen schrägen Querbalken, in die Höhe und in der anderen Hand ein blankes Schwert, über ihr schwebt der doppelköpfige russische Reichsadler, dahinter weht die russische Trikolore. Ihr zur Seite stehen flankierend auf einer blitzumzingelten Anhöhe eine folkloristisch gekleidete „Ukrai­na“ und eine „Polonia“ in katholischem Priestergewand, Letztere an der Rogatywka, einer vierkantigen Mütze, unschwer zu erkennen. Auf der Rückseite dieser von einer traditionsreichen zaristischen philanthropischen Hilfsorganisation herausgegebenen Postkarte ist zu lesen: „Kommt zur Vernunft ihr Angehörige ein- und derselben

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Sprach(famili)e, solange Gott mit uns ist!“ Mit dieser eindringlichen Aufforderung wurde die durchaus nicht selbstverständliche slawische Einheit und Solidarität von Russen, Polen und Ukrainern als schwesterliche Gemeinschaftspflicht beschworen.33 Ihre außenpolitische Fortsetzung fand dieser Appell an slawische Gemeinschaftsgefühle in dem russisch-serbischen Bündnis, das ja beim Kriegsausbruch eine nicht unerhebliche Rolle gespielt hatte. Auf der hier wiedergegebenen und in Moskau herausgegebenen Karte hält ein russischer Doppeladler seine Schwingen schützend um zwei südslawische Trachtenträgerinnen, die ihre Köpfe einander zuneigen (Abb. 28). Auf der Rückseite ist ein russisches Gedicht („Oh, Serbia“) eingedruckt, in dem Serbien in geradezu hymnischen Tönen gefeiert, der Heldenmut des serbischen Volkes in der Vergangenheit gerühmt und Serbiens Bedeutung in der Gegenwart als „Lichtstrahl auf dem Balkan“ bejubelt wird.

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Einträchtigen Zusammenhalt bekundete desgleichen eine weitere offiziöse Karte aus Russland, welche das Bündnis Russlands, Frankreichs und Englands zum Inhalt hatte, die seit 1907 in der Triple Entente zusammengeschlossen waren. Drei prächtig gewandete Frauengestalten liegen sich freundschaftlich in den Armen, England und Russland mit Kronen, das republikanische Frankreich stattdessen mit einem Lorbeerkranz im Haar – ein verfassungsmäßiger Unterschied, der nicht nur auf dieser Karte geflissentlich überspielt wurde (Abb. 29). Im Hintergrund paradieren zahlreiche beflaggte Kriegsschiffe der verbündeten Flotten, und in der jugendstilartigen Einrahmung sind die Staatswappen der drei Mächte nochmals gesondert eingetragen. Diese Karte, am 10. 4. 1916 abgestempelt, dürfte gleich zu Kriegsbeginn oder vielleicht sogar schon kurz zuvor veröffentlicht worden sein, als noch in ganz Europa die Auffassung vorherrschte, der Krieg würde in entscheidendem Maße zur See entschieden werden, eine Erwartung, die insbesondere für die russische Flotte bekanntlich niemals zugetroffen hat. Gerade bei Zweierkonstellationen wurde gerne auf das Motiv unzertrennlicher Schwesternpaare zurückgegriffen. So erscheinen

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beispielsweise „Francia“ und „Italia“ auf französischen wie auf italienischen Kriegspostkarten wiederholt als streitbare „lateinische Schwestern“ (frz.: sœurs latines). Der gemeinsame katholische Glaube, die romanische Sprachverwandtschaft – hier in deutlicher Parallele zu Russland und Serbien – sowie die sich daraus ergebenden kulturellen Affinitäten, dazu die politische Gegnerschaft gegen die Mittelmächte bildeten das solide Fundament für eine solche Sehweise. Eine französische Spendenkarte für Kriegswaisen veröffentlichte zu diesem Thema eine prägnante Federzeichnung (Abb. 30): Unter einem Lorbeerbaum schreiten „Italia“ und „Francia“, beide in antike Gewänder gekleidet, beide mit gezückten Schwertern zum Kampf bereit, die schwarz gelockte „Italia“ mit einem Lorbeerkranz auf dem Haupt, die gezopfte „Francia“ oder „Marianne“ mit der typischen Phrygiermütze und einem Langschild, auf dem das

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Kürzel für die Republik Frankreich zu lesen ist. Körpersprache und Gesichtsausdruck beider Frauen strahlen Selbstbewusstsein, Kampfbereitschaft und eine uneingeschränkte Siegesgewissheit aus. Eine historische Einordnung der aktuellen italienisch-französischen Waffenschwesternschaft leistet eine italienische Bildpostkarte von 1915, also aus dem Jahr, als Italien definitiv zum westlichen Bündnis überwechselte (Abb. 31). Die eingedruckten Jahreszahlen 1859 und 1915 stellten das Ereignis in eine Traditionslinie mit der Schlacht bei Solferino, als die verbündeten Italiener und Franzosen den Österreichern eine empfindliche Niederlage zugefügt und sie aus italienischen Territorien verjagt hatten. Diese Reminiszenz wird in einer Szene aufgegriffen, in welcher die mit Brustpanzern gerüsteten „Francia“ und „Italia“ einen gestrauchelten österreichischen Grenadier in der Uniform des 19. Jahrhunderts (blaue Gamaschenhosen, Tschako und weißer Waffenrock) mit Schwertern und einer Fahnenstange bedrohen. Der Zusammenhalt der Schwestern „Austria“ und „Germania“ zählte zu den visuell wohl am häufigsten beschworenen Gemeinschaftsidealen während des Ersten Weltkrieges, wie ein internationaler Vergleich zeitgenössischer Propagandapostkarten zu erkennen gibt.34 Im Laufe des Krieges avancierte dieses Schwesternpaar zu den zentralen Bildchiffren der beiden Mittelmächte und ihres Militärbündnisses. Sicher ist die deutsch-österreichische Waffenbrüderschaft auch anderweitig beschworen worden, etwa mithilfe von Porträts beider Kaiser oder als kumpelhafte Männerfreundschaft zwischen dem deutschen „Landser“ und seinem österreichischen „Kamerad Schnürschuh“. Doch immer dann, wenn es um das Grundsätzliche und um das vermeintlich Wesentliche des deutsch-österreichischen Bündnisses ging, wurde in der Regel auf das Schwesternpaar „Austria“ und „Germania“ zurückgegriffen. Auf manchen Bildpostkarten sind die beiden Schwestern schwer bewaffnet auf einer Anhöhe oder einem Felsblock zu sehen, Seite an Seite oder Rücken an Rücken, stets in entschlossener Abwehrbereitschaft und in Siegerpose. Zu ihren Füßen sieht man öfter die zwei Reichsadler mit einem Kopf (für das deutsche Reich) bzw. mit

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zwei Köpfen (für Österreich-Ungarn), im Hintergrund gelegentlich auch Kampfgetümmel. Auf dem hier wiedergegebenen Bildbeispiel (Abb. 32) schweben die Frauen mit der österreichischen und der

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deutschen Kaiserkrone in engem Schulterschluss über einem Wolken umkränzten Berggipfel, die „Germania“ ein klein wenig blonder als ihre Schwester „Austria“, eine Nuance, mit welcher vermutlich der ethnischen Vielfalt des habsburgischen Vielvölkerreiches Rechnung getragen werden sollte. Auf lange Schwerter und Schilder gestützt, ist ihr Blick wachsam, aber furchtlos in die Ferne gerichtet: „Deutschland und Österreich in Treue gesellt/Zerbrechen die Ränke der neidischen Welt“, heißt es zuversichtlich auf der Bildunterschrift. In pseudogermanische Gewänder gehüllt, illustrieren die beiden Frauen die schon 1909 nach der bosnischen Annexionskrise von Reichskanzler Bülow formulierte und im Ersten Weltkrieg wiederholt propagierte Parole von der „Nibelungentreue“. In diesen und ähnlich gelagerten Konstellationen ging es also stets darum, zwischenstaatliche Bündnisbeziehungen in personalisierter und optischer Verdichtung für breite Bevölkerungskreise vorstellbar und damit akzeptabel zu machen. Es verwundert daher nicht, dass solche Karten vor allem in den ersten Kriegsjahren Konjunktur hatten. Eine zusätzliche Unterkategorie stellten in dieser Motivgruppe Schutzverhältnisse dar, die gleichfalls in solidarischen Frauenkoalitionen ausgedrückt wurden. Stellvertretend sei hier auf Belgien eingegangen, das als erstes Ziel der deutschen Westoffensive ein Dauerthema zahlreicher Bildpostkarten aus England, Frankreich und der Schweiz war. Neben der Flagge und dem belgischen Tiersymbol des Löwen wurde dieses Land häufig als eine Frau imaginiert, wenn auch nicht unbedingt mithilfe einer standardisierten weiblichen Figur. Belgien in weiblicher Gestalt bedeutete vielmehr in erster Linie die Visualisierung seiner Schutzbedürftigkeit. In diesem Sinne suchte eine durch Tracht oder Nationalfarben gekennzeichnete Belgierin alternierend bei der „Britannia“, der „Helvetia“ oder der „Francia“ Schutz und wurde von diesen hilfsbereit gestützt. Stellvertretend wurde eine Schwarz-Weiß-Zeichnung ausgewählt, die eine Belgierin mit gesenktem Kopf und zerborstenem Schwert an der Seite einer erzürnten „Francia“ zeigt (Abb. 33). Wutentbrannt hält diese ihr Schwert vor ihre belgische Schwester oder Freundin und ballt die andere Hand zur Faust. Im Hintergrund ist der Grund

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für ihre Empörung zu sehen: die brennende Stadt Leuven, die bereits im August 1914 deutschen Kriegsgräueln ausgesetzt gewesen war und den Mittelmächten eine schwere propagandistische Niederlage in der Weltöffentlichkeit eingebracht hatte. „Geschlagen ja, besiegt niemals!“, lautete die trotzige Unterschrift unter dieser in Paris verlegten Karte. Und der belgische Wappenspruch auf dem Gewand der Belgierin: „Einigkeit macht stark“, ursprünglich innenpolitisch auf Flamen und Wallonen gemünzt, erhielt unter diesen dramatischen Umständen einen völlig neuen Sinn: Er diente in diesem Fall der Beschwörung eines französisch-belgischen Schutz- und Trutz-Bündnisses im Angesicht der deutschen Aggression. Der deutsche Überfall auf Belgien hatte gleich zu Kriegsbeginn einen Flüchtlingsstrom von Zivilisten in die Schweiz, nach Frankreich und vor allem nach England zur Folge.35 Diese unübersichtlichen und bildlich nur schwer darstellbaren Vorgänge wurden auf einer britischen Karte in zwei Symbolfiguren zusammengefasst: Eine unbewaffnete, strauchelnde belgische Frauengestalt, mit einer zu Boden gesenkten, beschädigten belgischen Trikolore, klammert sich Hilfe suchend an eine aufrecht stehende „Britannia“ mit Helm und Brustpanzer, die sie fürsorglich in den Arm nimmt, ihr Halt gibt und ihren imperialen Beistand zusichert (Abb. 34). Zusammenfassend stellt sich die Frage, wie die visuelle Beschwörung internationaler Bündnisse und Schutzverhältnisse mit dem zutiefst nationalistischen Grundzug der Kriegspropaganda in den einzelnen Ländern in Einklang zu bringen war. Es ist aber in Rechnung

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zu stellen, dass die Einbettung und Verknüpfung länderspezifischer Kriegsziele in internationale Allianzen ja keineswegs eine Relativierung oder gar Verleugnung patriotischer Ideale bedeutete, wie die zitierten Bildbeispiele durchgängig belegen. Sich international einzuordnen, erlaubte es vielmehr, die jeweils eigene nationale Position als bündnisfähig auszuweisen, sie außenpolitisch abzusichern und auf diesem Wege zusätzlich zu rechtfertigen und zu legitimieren. Oder anders ausgedrückt: Mithilfe derartiger Querverweise bestätigte man sich selbst sowie Freund und Feind, in diesem Krieg nicht allein und – was vielleicht noch viel bedeutsamer war – „auf der richtigen Seite“ zu stehen. Dass hierzu neben Fahnen, Soldaten, Heerführern und Politikern der verbündeten Staaten in erster Linie allegorische Frauengestalten bemüht wurden, sollte dazu dienen, den emotionalen Charakter solcher Konstellationen glaubhaft zu machen.

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Vielfacher Muttermythos

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ie Visualisierung von Ideen und Schutzgeistern sowie die Personalisierung ganzer Staaten und Nationen mithilfe weiblicher Allegorien waren wichtige Bauelemente und Facetten einer viel umfassender angelegten Versinnbildlichung und Instrumentalisierung des weiblichen Faktors im Kriegsgeschehen. Denn neben der symbolischen Verdichtung abstrakter Inhalte und der Verkörperung kollektiver Identitäten kam es darauf an, in umgekehrter Richtung real existierende und nachvollziehbare Frauenrollen in einer Weise zu überhöhen, dass sie als allgemeinverbind­ liche und -verständliche Idealvorstellungen für die Mobilisierung von Männern wie von Frauen herangezogen werden konnten. Allen voran eignete sich der Muttermythos für diese Aufgabe, ein Mythos, der an elementare Erfahrungen anknüpfte und dementsprechend in ganz Europa allgegenwärtig war, wenngleich in Ländern wie England oder Frankreich sicherlich weniger stark ausgeprägt als beispielsweise in Russland, Deutschland oder Italien.36 Die schlichte und biologisch begründete Tatsache des Gebärens und der Mutterschaft wurde seit jeher zum Ausgangspunkt weitreichender moralischer, religiöser, aber eben auch politischer Sinnstiftungen gemacht. Unter den existenzbedrohenden Umständen des Krieges war es nur zu verständlich, dass der Mutter als „Lebensspenderin“ in besonderer Weise gehuldigt wurde. Schließlich waren ein erheblicher Teil der von den Soldaten in der Heimat zurückgelassenen Frauen Mütter. Diesen Umstand machte sich auch die Bildpropaganda des Ersten Weltkrieges zunutze. Und wieder gab die männliche Perspektive den Ausschlag, wonach Frauen sich vor allem durch einen angeborenen „Mutterinstinkt“ und eine lebenslange „Mutterliebe“ auszeichneten, die über die Fürsorge neugeborener und kleiner Kinder hinaus

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letzte Zuflucht in bedrängten Situationen garantierte.37 Mütterverehrung im Krieg bedeutete so besehen für die kämpfenden Soldaten die tröst­ liche Erinnerung an Geborgenheit im Angesicht des drohenden Todes. Die Frau als Mutter galt zudem gleichermaßen als Hüterin von Heim und Herd sowie der Tradition und als Garantin der Zukunft, denn Mutterschaft stand schließlich für die Produktion einer nachwachsenden Soldatengeneration. Religiös überhöht wurde die „Gottesmutter“, die „Mutter aller Mütter“, wiederholt in katholischen Ländern wie Frankreich, Italien oder Polen angerufen, um Schutz für die Lieben daheim oder für den Vater oder Sohn im Felde zu erflehen.38 Weniger defensiv ausgerichtet waren indes Marienbilder, welche die Gottesmutter Maria zu aktiver Unterstützung der eigenen Truppen gegen den Feind aufforderten. „Maria vom Siege“ ist eine in Bayern am 15. 10. 1916 verschickte Zeichnung in neobarocker Manier untertitelt, die eine strahlenumkränzte Maria umgeben von schweren Mörsergeschützen zu ihren Füßen zeigt, mit dem Jesuskind auf einem Arm, die andere Hand zum Segnen ausgestreckt (Abb. 35). Exklusiv national vereinnahmt war die Gottesmutter desgleichen auf einer Schlachtszene an der norditalienischen Adria, in der links unter der italienischen Nationalflagge eine Marien- und Jesusdarstellung eingeblendet ist (Abb. 36). Maria war auch hier für Kriegsziele eingespannt, denn die Beherrschung der Adria zählte bekanntlich zu den erklärten Kriegszielen Italiens. Vergleichbare Instrumentalisierungen lassen sich auch auf französischen Karten nachweisen, von denen eine ausgewählt wurde, auf welcher eine barocke Madonna mit Jesuskind zu sehen ist, das ein (aufgeklebtes) textiles Fähnchen in den französischen National-

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farben schwenkt (Abb. 37). Die zahlreichen Fürbitten enden mit einem Appell an „Unsere Liebe Frau der Siege“ (frz.: Notre Dame des Victoires), Frankreich beizustehen und zu Sieg und Frieden zu führen. Unterhalb der abgehobenen religiös-sakralen Sphäre waren es weibliche Kollektivfiguren sowie Herrscherinnen aus Vergangenheit und Gegenwart, die als mütterliche Schirmherrinnen der Soldaten wie der Zivilbevölkerung angerufen wurden. Wohl in keinem zwei-

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ten europäischen Land war der Muttermythos so stark ausgeprägt wie in Russland, was schon in der Bezeichnung „Matuška Rossija“ zum Ausdruck kommt, wobei bereits die Verkleinerungsform „Mütterchen“ Vertrautheit signalisierte. Mütterlichkeit wurde dergestalt

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zum Synonym und zum Charakteristikum für ein ganzes Riesenreich erhoben. Zahlreiche Bildpostkarten aus dem Ersten Weltkrieg bestätigen dieses Phänomen. Stellvertretend ist hier ein Bildbeispiel wiedergegeben, das mit der mittelalterlichen Figur der „heiligen Olga“ eine historische Konkretisierung des „Mütterchens Russland“ zum Inhalt hatte (Abb. 38). In prächtige Gewänder gehüllt, nimmt sie zwei verängstigte kleine barfüßige Kinder schützend unter ihren Mantel, während um sie herum gefährliche Flammen züngeln und am Himmel Geschützwolken zu sehen sind. Bemerkenswert an dieser Postkarte ist, dass sie noch ganz im Stil der traditionellen „Lubki“ (wörtlich übersetzt: Lindenholztäfelchen) gehalten ist, wodurch der volkstümliche Charakter dieser Bildkomposition zusätzlich unterstrichen wird. Auch in anderen Ländern wurden „Landsmütter“ sowohl allegorisch als auch leibhaftig zum Kriegsdienst verpflichtet und dementsprechend imaginiert. So hält die belgische Königin Elisabeth, selbst deutscher Abstammung, auf einer fein gestrichelten Zeichnung mit entschlossener Miene und energischer Handbewegung den Ansturm deutscher Soldaten auf und bietet zugleich persönlichen Schutz für drei verschreckte Kinder, die in den Falten ihres Gewandes Zuflucht gefunden haben und mit weit aufgerissenen Augen den grimmigen Deutschen entgegen starren (Abb. 39). Diese nicht datierte, aber vermutlich gleich zu Kriegsbeginn herausgegebene Karte ist in unmittelbarem Zusammenhang mit den Massakern an Zivilpersonen im Zuge des deutschen Überfalles auf das neutrale Belgien im August 1914 zu sehen. – Weitaus entspannter nimmt sich demgegenüber eine helmbewehrte „Hungaria“ aus, die in ruhiger Sitzposition von Kindern unterschiedlichen Alters umgeben wird, während im Hintergrund das Kampfgetümmel des Krieges schemenhaft hinter den Wolken zu erahnen ist (Abb. 40). Weniger beschaulich klingen allerdings die rückseitig eingedruckten Worte aus ihrem Munde: „Ich trockne die Tränen der Witwen und Weisen“, womit indirekt auf die unruhige Kriegslandschaft im Bildhintergrund und deren bittere Konsequenzen für die Zivilbevölkerung Bezug genommen wird. Vor Selbstbewusstsein strotzt eine strohblonde und gezopfte „Allmutter Germania“ mit deutscher Kaiserkrone, deren Thron von

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zwei kampfbereiten Soldaten flankiert wird. In einer Hand hält sie ein blankes Schwert, die andere ergreift schützend den Arm eines kleinen Jungen vor ihrem Schoß, der seinerseits auf einen verletzten Krieger herabsieht (Abb. 41). In der rechten unteren Bildecke füllen gebefreudige Hände ein großes Spendengefäß, das von stilisierten Adlerskulpturen getragen wird. Es handelt sich um einen Aufruf zur neunten und letzten Kriegsanleihe im September/Oktober 1918, der großformatig auch als Plakat erschienen ist. In Kontrast und zugleich als komplementäre Ergänzung zu dieser hehren Mutterfigur erscheint die „Germania“ auf einer Stuttgarter Humorkarte als treu sorgende wohlbeleibte Wirtsfrau im „Gasthaus zur Mutter Germania“: Eine süddeutsch stilisierte, korpulente „Mutter Germania“ serviert zwei Landsern ihre aufgespießten Feinde zusammen mit dampfenden Knödeln (Abb. 42). Ein vergleichbar spielerisch-satirischer Umgang mit eigenen weiblichen Kollektiv- und Identifikationsfiguren

war in anderen Ländern eher eine Seltenheit. Dass dies in Deutschland ohne Achtungsverlust möglich war, lässt auf ein besonders stabiles Ansehen dieser Idealfigur schließen. Eine Unterkategorie derselben Motivgruppe bildeten MutterTochter-Konstellationen, wie sie bevorzugt für umstrittene Grenzregionen zur Charakterisierung legitimer Gebietsansprüche herangezogen wurden, die schon zu Friedenszeiten ständig für nachbarschaftliche Spannungen gesorgt hatten.39 Die angestrebte Angliederung der österreichisch beherrschten Landesteile Trient und Triest an Italien sind in diesem Sinne wiederholt in Szene gesetzt worden,

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ebenso die Vereinigung der Hafenstadt Fiume mit Italien. „Italia“ als „Unsere Mutter“ (ital.: Madre Nostra) wurde auf diversen Kartenmotiven in enge Beziehung zu ihren „Töchtern“ Trient und Triest gebracht,

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zu Territorien also, die bis zum Kriegsende unter habsburgischer Herrschaft standen und darum als „unerlöst“ galten. Auf einer in Verona verlegten farbenprächtig ausgestatteten Allegorie thront eine sonnenumstrahlte „Mutter Italia“ mit Mauerkrone zwischen zwei exotischen Schönheiten, die wohl Italiens Kolonien repräsentieren sollten. Ihr zu Füßen schauen zwei weitere Frauengestalten, Triest und Trient, an ihren Wappen leicht zu erkennen, erwartungsvoll zu ihr auf (Abb. 43). In analoger Weise wurden Elsass und Lothringen auf französischen Allegorien wiederholt als gewaltsam und widernatürlich von ihrer Mutter Frankreich getrennte und an die Stiefmutter „Germania“ gefesselte Töchter dargestellt. Bildkompositionen dieser Art waren allesamt darauf ausgelegt, Zuversicht auf Wiedervereinigung mit dem „Mutterland“ zu wecken und zu verheißen. Daneben machte es sich die Bildpublizistik zur Aufgabe, die Vereinbarkeit von der Liebe zur eigenen Mutter mit der Liebe zum jeweiligen Mutterland zu propagieren: „Kind vergesse nie, dass auch Frankreich Deine Mutter ist!“, hieß es mahnend auf einer vom 28. 9. 1914 datierten Postkarte (Abb. 44). Eine mit Schwert bewaffnete „Francia“ weist darauf einem noch zivil gekleideten Sohn, der vor einem abfahrbereiten Zug Abschied von seiner Mutter nimmt, den Weg zur Front, während Geschütze und aufmarschierende Truppen schemenhaft und in Pulverdampf gehüllt am Horizont auftauchen. Von einer ähnlichen Gesinnung zeugt eine britische Karte mit englischen und französischen Aufdrucken (Abb. 45). Ein englischer Soldat, das Marschgepäck griffbereit zur Seite gestellt, kniet achtungsund liebevoll vor seiner alten Mutter im Lehnstuhl, um sich von ihr zu verabschieden. Die Gestalt der Mutter war damit von der abgehobenen Sphäre der Symbolfiguren und hochgestellter Frauenpersönlichkeiten in ein konkretes, alltägliches Rollen- und Genrebild transformiert. Ein beigestellter Korb mit Strick- und Handarbeitsgerät weist in dieselbe Richtung. Der Soldat versichert seiner Mutter zum Abschied: „Für mein Land, meine Liebe, und für Dich“, während die französische Aufschrift die Parole etwas variiert und im Geist der zuvor besprochenen französischen Karte als Mahnung formuliert: „Das Vaterland ist auch eine Mutter“. Der Bezug zur konkreten Mutter war da-

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mit wieder zugunsten einer patriotischen Sinngebung relativiert. Einen gedanklichen Schritt weiter ging eine Formulierung, die auf einer italienischen Bildpostkarte einem Soldaten als Refrain eines Gedichtes an seine „Mamma“ zugeschrieben wurde: „Indem ich das Vaterland verteidige, verteidige ich Dich“ (ital.: difendo la patria mamma, difendo te).40 Das feminine Geschlecht vieler Vaterlandsbezeichnungen (franz.: la patrie; ital.: patria; russ.: rodina, poln.: ­ojczyzna usw.) begünstigte allein sprachlich derartige Gleichsetzungen.

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Die Grundaussage solcher Propagandakarten zielte darauf ab, den eben noch beschworenen Mutterinstinkt zugunsten patriotischer Gefühle aufzugeben bzw. in eine Richtung umzubiegen, welche es erlaubte, die eigenen Söhne für den Krieg freizugeben und gegebenenfalls auf dem „Altar des Vaterlandes“ zu opfern. Eine österreichische Spruchkarte enthielt eine solche patriotische Verzichtserklärung. Unter der Überschrift: „Österreichs Töchter“ hieß es unter anderem: „Der Kaiser braucht Dich! Geh mit Gott mein Kind/und halt dich brav, weil so viel Feinde sind.“ Die Übertragung familiärer Mutterbindungen auf das Vaterland war ein häufiger und sicherlich geschickter Schachzug in der Kriegspropaganda, um eine unbedingte Loyalität in der Heimat wie an der Front einfordern zu können. Bei dem eingesehenen Bildmaterial fiel auf, dass insbesondere betagte Soldatenmütter auf deutschen Karten häufiger thematisiert wurden als in anderen Ländern – und zwar in verschiedenen Funktionen: Sie segnen ihre Söhne, bevor diese an die Front ziehen, sie beten für sie in ihrem stillen Kämmerlein, sie stricken warme „Liebesgaben“, sie spenden für das Rote Kreuz und passen liebevoll auf ihre Enkel auf. In Anbetracht der abwesenden Väter lagen diese Aufgaben ohnehin ausschließlich in weiblichen Händen, womit den betreffenden Frauen eine schwere Verantwortung übertragen war. Bildpublizistisch verharmlost erschienen alle diese Sorgen und Mühen gewöhnlich als ein idyllisiertes Warten auf die gesunde „Rückkehr des Vaters“. Andererseits wurde aber auch all derjenigen Frauen gedacht,

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die noch keine Mütter waren, es aber werden konnten und sollten. Derartige Motive waren von einem unverhohlenen Aufforderungscharakter geprägt, was in einem gewissen Widerspruch zu der gleichzeitigen Erwartung stand, die Frauen hätten unter Kriegsbedingungen auch im Erwerbsleben „ihren Mann zu stehen.“41 Die im Krieg generell rückläufigen Geburtenraten hatten sich beispielsweise in Frankreich besonders dramatisch ausgewirkt und sorgten für entsprechend alarmierte Kommentare und Kampagnen. Die Gründe für diese Entwicklung waren unterschiedlicher Natur. Zum einen setzte sich ein Trend fort, der sich bereits vor Kriegsbeginn bemerkbar gemacht hatte, zum anderen hatte der Krieg den überwiegenden Teil der zeugungsfähigen Männer an die Front verbracht und außerdem bei den zurückgelassenen Frauen grundsätzliche Zweifel aufkommen lassen, ob es unter den gegebenen unsicheren Umständen überhaupt sinnvoll war, Kinder in die Welt zu setzen. Eine am 14. 10. 1916 abgestempelte deutsche Feldpostkarte wollte diesem Trend scherzhaft gegensteuern. „Kinder, füttert die Störche, der Kaiser braucht Soldaten“, lautete der Untertitel zu einer Szene mit zwei vornehmen Damen zwischen Störchen, Fröschen und abholbereit aus dem Gras blinzelnden Babyköpfen42 (Abb. 46). Mutterschaft wurde demnach nicht um ihrer selbst willen propagiert, sondern als patriotische Pflicht eingefordert, wie auch die Kinderlosigkeit nicht nur aus einer allgemein bevölkerungspolitischen Sorge heraus beklagt wurde, sondern vor allem mit Blick auf die aktuellen Erfordernisse des Krieges. Die kategorische Gleichsetzung von Frau-Sein und Mutterschaft gehörte ebenso zum festen Repertoire der Kriegsrhetorik wie die nicht minder rigoros verfochtene Auffassung, jeder „echte“ Mann müsse unbedingt ein Soldat sein, wobei beide Rollen als natürlich vorgegeben verstanden wurden und bei nicht vorhandener Korrelation mit Zweifeln an der Weiblichkeit bzw. Männlichkeit der betreffenden Person belegt werden konnten.43

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owohl die Mobilisierung symbolischer Frauenfiguren als auch die parallel dazu verlaufende Nutzung des Muttermythos liefen auf eine mentale Rekrutierung der Frauen hinaus, d. h. auf eine Komplettierung der „Nation in Waffen“. Die Totalisierung des Krieges machte die Einbeziehung der Frauen in den deutschen „Burgfrieden“ ebenso wie in das „Heilige Bündnis“ (frz.: l’union sacrée) der Franzosen unerlässlich. In einer Zeit, in welcher die Parole „Leben heißt Kämpfen“ als oberste Handlungsmaxime galt, wurde sehr bald deutlich, dass diese nicht nur an der Front von existenzsichernder Bedeutung war, sondern zugleich den Überlebenskampf im Hinterland bestimmte. Davon waren wiederum in erster Linie die Frauen betroffen, die schließlich die Mehrheit der Zivilbevölkerung ausmachten. Die damit einhergehende militärisch-patriotische Ausrichtung des gesamten zivilen Sektors brachte nicht nur die weitgehende Kontrolle staatlicher Einrichtungen durch militärische Aufsichtsbehörden mit sich, sondern zugleich die Reglementierung der öffentlichen Meinung durch Zensur und reichte letztendlich bis in mentale Dispositionen der Zivilbevölkerung hinein.44 Alle Lebensbereiche wurden militärischen Zweckmäßigkeiten untergeordnet und nach militärischen Gesichtspunkten beurteilt. Das konnte nur deshalb funktionieren, weil entsprechende Dispositionen schon viel früher eingeübt worden waren. Die schon zu Friedenszeiten spürbare Dominanz militärischer Wertvorstellungen und Denkweisen in vielen europäischen Staaten und Nationen erfuhr mit Kriegsbeginn lediglich eine weitere Steigerung und zusätzliche Legitimierung, sie stellte also nicht etwas

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grundsätzlich Neues dar. Zu diesem Komplex zählten u. a. das Denken und Handeln in hierarchischen Strukturen, eine nicht hinterfragte Bereitschaft zu Unterordnung, die Faszination militärischer Zeichen und Rituale, die Übernahme militärischer Begriffe in den allgemeinen Sprachgebrauch. Selbstverständlich variierte das Tableau militärischer Einflüsse in den verschiedenen Nationalkulturen, die Grundtendenz war aber überall gleich.45 Im Zuge dieser Entwicklung wurde das gesamte Geschlechterverhältnis zwischen Mann und Frau militärischen Kategorien unterworfen und dementsprechend codiert. Wohl um die tief greifende und allumfassende Bevormundung der Gesellschaft durch das Militär im Krieg gesellschaftlich plausibler und damit erträglicher zu machen, wurden private Beziehungsmuster zwischen Mann und Frau auf die Ebene des Militärischen und umgekehrt militärische Standards auf Liebesverhältnisse übertragen. Der Fantasie und den Peinlichkeiten waren dabei keinerlei Grenzen gesetzt. So wurde etwa der mörderische „Grabenkrieg“ als eine Fortsetzung häuslicher Auseinandersetzungen zwischen Mann und Frau dargestellt, wie zum Beispiel auf einer ungelenken Amateurzeichnung, die 1917 am schlesischen Truppenübungsplatz Neuhammer angefertigt, gedruckt und verschickt worden ist. Auf der linken Bildhälfte ist eine

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„Nahkampf“-Szene mit Handgranaten zu sehen, auf der rechten Seite eine wütende Hausfrau, die ihren angetrunkenen Mann an der Haustür mit einem Kochlöffel bewaffnet empfängt und mit einem Pantoffel nach ihm wirft (Abb. 47). Man kann ziemlich sicher davon ausgehen, dass dem Zeichner dieser als humorvoll verstandene Vergleich spätestens beim ersten Fronteinsatz im Schützengraben nicht mehr ganz so komisch vorgekommen sein dürfte. Besondere Bedeutung kam bei solchen Übertragungen Wortspielen zu. So wurden auf einer französischen, aber auf Russland bezogenen Karte die militärischen Begriffe „Sieg“ und „Besiegtsein“ im Sinn von „Erobern“ und „Hingabe“ für die Beschreibung eines privaten Liebesgeplänkels verwendet: „Wenn Du siegst, gehört mein Herz Dir“, versichert eine russische Trachtenträgerin einem schwer bewaffneten Kosaken, ein Versprechen, das von dem männlichen Part mit einem nicht weniger eindeutigen Angebot gekontert wird: „Wenn Du besiegt sein wirst, erhältst Du ein Souvenir von mir“ (Abb. 48). In ähnlicher Weise wurden auch andere militärische Fachausdrücke auf private Geschlechterbeziehungen angewandt und ins Bild gesetzt. So erschienen beispielsweise in verschiedenen Ländern Karten unter dem Titel „Kreuzfeuer“. Zu sehen war dann entweder ein Soldat, der von zwei hübschen Frauen eingekreist wurde, oder eine weibliche Schönheit, die von zwei Soldaten gleichzeitig umworben wurde. Eine umfangreiche deutsche Postkartenserie der Oldenburger Kunstverlagsanstalt setzte solche Analogien in ein ganzes Bildprogramm um und veröffentlichte Karten, die unter Titeln wie „Belagerung“,

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„Vorposten“, „Unterstand“, „Attacke“, „Horchposten“, „Schleichpatrouille“ usw. auf individuelle Paarbeziehungen abzielten. Stellvertretend wurde aus dieser Serie das Motiv „Sperrfeuer“ ausgewählt, auf dem eine streng dreinschauende Anstandsdame eine kontaktfreudige junge Frau und einen etwas verschüchtert wirkenden Soldaten auseinander hält (Abb. 49), die ihre wechselseitige Zuneigung unter diesen widrigen Umständen lediglich in Form von zwei in den Sand gezeichneten Herzen auszudrücken vermögen. Auf einer zweigeteilten, hier nicht wiedergegebenen französischen Karte waren ein französischer Offizier flankiert von zwei aufgetakelten vollbusigen Damen zu sehen und dazu im Kontrast auf der rechten Seite Soldaten, die gerade dabei waren, schwere Granaten auf einen Lastwagen zu laden. Die gemeinsame Überschrift lautete sinngemäß „Es gibt solche und solche Bomben“ (franz.: il y a bombe & bombe). Abermals waren die militärische Sphäre und die Ebene der Geschlechterbeziehung sprachlich wie bildlich kurzgeschlossen. Auch wenn sich die Witzigkeit derartiger Wortspiele samt ihrer optischen Umsetzung heute nur noch schwer nachvollziehen lässt, beeindrucken derartige Anleihen aus dem militärischen Wortschatz schon allein wegen der damals offensichtlich selbstverständlichen Geläufigkeit, mit welcher sie für die Privatsphäre genutzt und offensichtlich auch verstanden und geschätzt wurden. Auffallend häufig sind Frauen in Deutschland, Frankreich und England in Verbindung mit Artilleriegeschützen abgebildet worden, was insofern erstaunlich ist, weil damit das „zarte Geschlecht“ ausgerechnet mit der wohl mörderischsten Waffengattung des Ers-

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ten Weltkrieges optisch in unmittelbaren Zusammenhang gebracht wurde. So posierten Frauen vor oder neben Geschützen oder saßen sogar rittlings auf Kanonenrohren. Die Frauen dienten hierbei häufig als zusätzliches lebendiges Dekor. Ein extremes Beispiel unangemessener Verknüpfung von privatem Liebesglück mit einem solchen Kriegsgerät bot eine französische Karte, auf welcher sich ein Pärchen in dem Kanonenrohr einer schweren Haubitze ein Liebesnest eingerichtet hatte. In Anbetracht der schon den Zeitgenossen durchaus bewussten verheerenden Folgen, welche durch Artilleriebeschuss hervorgerufen werden konnten, wirken derartige Bildkompositionen aus heutiger Sicht besonders irritierend. Damals erfüllten sie aber wohl einen bestimmten Zweck: Die imponierend großen Kaliber der Kanonen und Granaten wurden der Weiblichkeit gegenüber drohend und werbend zugleich als Sexualsymbole in Stellung gebracht, wie z. B. in einem französischen Boudoir, wo ein französischer „Poilu“, so die umgangssprachliche Bezeichnung für die französischen Frontsoldaten, einer halbbekleideten Dame stolz ein Geschoss des hochmodernen französischen 75-Zentimeter-Geschützes entgegenstreckt, während diese ihre Brüste als Granaten präsentiert (Abb. 50). Auf deutscher Seite waren es wiederum Kaliber‑42‑Geschosse, die in ähnlicher Absicht für phallische Prahlerei genutzt wurden.

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Es kam freilich durchaus vor, dass umgekehrt reale militärische Eroberungen mithilfe privater genderspezifischer Bildmetaphern visualisiert wurden. Wie zu Beginn dieser Studie bereits hervorgehoben, wurde der Frauenkörper in vielen Darstellungen auf Kriegspostkarten als formales Gefäß benutzt, das mit beliebigen ideologischen Inhalten aufgefüllt werden konnte. Dazu zählte unter anderem seine Territorialisierung, also die Gleichsetzung der Frau mit einem zu erobernden oder zu verteidigenden Territorium: Die „Jungfrau Heimat“ oder das „Mutterland“ war demzufolge heiliger, unberührter und unberührbarer Boden, der unbedingt vor äußeren Eindringlingen zu schützen war. Feindesland galt dagegen als zu eroberndes Gebiet.46 „Jungfer Lüttich“ war eine in mehreren Varianten erschienene deutsche Kriegspostkarte überschrieben, auf welcher der angreifende deutsche Befehlshaber „Herr [Otto] von Emmerich“ bei der Stadtpatronin zunächst artig um Einlass bittet: „Jungfer mach den Laden auf. Heißgeliebte Jungfer Lüttich, lass mich ein zu dir, ich bitt’ dich, Hochzeitsgäste warten drauf“47 (Abb. 51). Nach deren Weigerung schlägt der Bittsteller andere Töne an: „Aber sprach der Herr von Emmrich: ,Deine Hochzeitstür, die stemm ich‘“, und verschaffte sich gewaltsam Zugang zu der Stadt: „Herr von Emmerich mag nicht

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spaßen, tat sie um die Taille fassen; Fräulein Lüttich schrie vor Lust. Und sie hat sich ihm ergeben, in dem Jahr in dem wir leben, an dem siebenten August.“ Besonders ungehörig, aus der Vergewaltigerposition heraus aber durchaus folgerichtig, waren die unterstellten Lustschreie der Jungfer Lüttich, die sich in der Tat – um im Bild zu bleiben – zunächst erbittert und durchaus erfolgreich zur Wehr gesetzt hatte. Mit diesem frühen Aggressionsakt, von dem insbesondere auch die Zivilbevölkerung betroffen war, hatte Deutschland erstmalig nahezu die gesamte Weltöffentlichkeit gegen sich aufgebracht. Das war längst nicht das einzige Motiv, welches dezidierte Feindbeziehungen als Geschlechterbeziehung visualisierte. Aus alliierter Sicht ohrfeigt z. B. eine Belgierin einen deutschen Soldaten, der schon mit ausgestreckten Händen nach ihren Hüften greifen will, und protestiert damit schlagkräftig gegen den deutschen Überfall auf das neutrale Belgien (Abb. 52). Zahllos sind ferner französische Bildpostkarten überliefert, auf denen Marianne Wilhelm II. immer wieder eine brüske Abfuhr erteilt und damit stets einen respektablen Kampfeswillen demonstriert, selbst dann, wenn sie weniger martialisch ausstaffiert war als ihr geharnischtes Gegenüber. Auf die Spitze getrieben war diese Konfrontation einer weiblichen Symbolfigur mit einem real existierenden Regenten in einer Darstellung

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Mariannes als moderne Salome. Wie immer leicht gekleidet und elegant auf hohen Hakenschuhen dahertänzelnd, präsentiert sie den abgeschlagenen Schädel Wilhelms II. auf einem Tablett und erwidert dessen hasserfüllten Blick mit einem zufrieden mitleidigen Lächeln

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(Abb. 53). Dabei korrespondieren auf dieser farbenfroh gestalteten Grafik das Rot der französischen Trikolore, der Phrygiermütze und die erregte Gesichtsfarbe Mariannes in bemerkenswerter Weise mit dem Blut Wilhelms II. auf dem Tablett sowie an der Spitze des Mordwerkzeugs, wodurch bei aller Schrecklichkeit der Tat ein harmonischer Gesamteindruck entsteht. Das Schema der Geschlechterverhältnisse ließ sich dergestalt mühelos auf die Ebene der internationalen Politik übertragen, sodass komplexe Zusammenhänge in von jedermann nachvollziehbaren, leicht verständlichen zwischenmenschlichen Beziehungsmustern ausgedrückt werden konnten.48 Eine russische Federzeichnung karikierte beispielsweise den „Flirt“ der „Romania“ mit Wilhelm II. und Franz Joseph I. (Abb. 54). Diese undatierte Karte dürfte wohl gleich zu Kriegsbeginn herausgegeben worden sein, als der rumänische König Carol I. kurzfristig eine Unterstützung der Mittelmächte erwogen und damit einige Irritationen bei der russischen Regierung und Militärführung ausgelöst hatte, bildete Rumänien doch einen wichtigen Puffer an der Südwestflanke Russlands. Eine andere missglückte Werbeszene war auf einer französischen Karte festgehalten, die im Mai/Juni 1915 erschienen sein muss, d. h. unmittelbar vor oder nach dem definitiven Wechsel Italiens zu den Westalliierten. Darauf widersteht eine folkloristisch gekleidete Italienerin den Werbebemühungen Kaiser Franz Josephs I., der sie mit dem im Hintergrund abwartenden Wilhelm II. verkuppeln möchte, indem sie ihm spöttisch „eine lange Nase“ dreht (Abb. 55). Die Konsequenzen dieser Abwendung sind auf einer italienischen Karte festgehalten. Hier kündigt eine Ita-

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lienerin ihre Dienstmagdstellung bei den Mittelmächten auf, die sich anschicken, die Erdkugel germanisieren zu wollen, wie einer Landkarte im Hintergrund zu entnehmen ist. In zwei Bündeln nimmt sie die Provinzen Trient und Triest als Handgepäck mit zu ihrer „neuen Arbeitsstelle Entente“ (Abb. 56). In analoger Manier wurden desgleichen schon bestehende und intakte Bündniskonstellationen als Geschlechterbeziehungen visualisiert, wobei dem stärkeren Partner in der Regel eine männliche Beschützerrolle zugeordnet war, wogegen der machtpolitisch schwächere Bündnispartner meist als schutzbedürftige Frauengestalt präsentiert wurde. Eine undatierte englische Postkarte lässt einen britischen „Tommy“ freudig strahlend dem Ruf zu den Waffen folgen, treibt ihm der Waffendienst doch eine Belgierin und eine französische Mari-

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anne in die Arme (Abb. 57). Beide junge Frauen, mit ihren Nationalfarben geschmückt, schmiegen sich hingebungsvoll und schutzsuchend an den Briten. Was hier wie ein Flirt aller Beteiligten aussieht, war alles andere als eine Fiktion, sondern entsprach der Realität.

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Schließlich operierten britische Expeditionskorps während des gesamten Kriegsverlaufs unterstützend in Frankreich wie in Belgien. Es waren also sowohl Freund- wie Feindbeziehungen, die in der Bildpropaganda des Ersten Weltkrieges als Geschlechterbeziehungen visualisiert wurden. Abschließend sei zu diesem Themenkomplex noch eine vom 7. 10. 1919 datierte französische Karte angeführt, welche beide Konstellationen gleichermaßen zur Darstellung bringt und für das Elsass in historischer Rückschau konkretisiert (Abb. 58). Auf der linken Kartenseite wehrt sich eine Elsässerin in ihrer landestypischen Tracht 1870/71 vergeblich gegen den gewaltsamen Zugriff eines preußischen Soldaten mit Pickelhaube, also gegen einen Zustand, der bis zum Ersten Weltkrieg andauern sollte. „Du hältst mich, aber ich gehöre dir nicht“, lautet ihr empörter Einspruch, wie dem dazugehörigen Untertitel zu entnehmen ist. Auf der rechten Bildseite liegt dieselbe Elsässerin 1919 einem französischen „Poilu“ bereitwillig in den Armen und versichert ihm: „Du hältst mich und gehöre dir für immer.“

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enn bislang von einer Militarisierung des zivilen Sektors und insbesondere der Frauen vor und während des Ersten Weltkrieges die Rede war, so bedarf ein wichtiger Teilaspekt noch einer zusätzlichen, gesonderten Beachtung. Gemeint ist die Einstellung von Frauen zu Uniformen. Dabei geht es einmal um die weibliche Sicht auf uniformierte Männer, dann aber auch um die mehr oder weniger fantasievolle Uniformierung von Frauengestalten auf Bildpostkarten als Mittel ihrer optischen Vereinnahmung für den Krieg. „Alle Mädchen schwärmen für das liebe Militär“, verkündete eine blumengeschmückte Spruchkarte aus dem Deutschen Reich. Dieselbe Behauptung findet sich nahezu wortgleich auf einem englischen Pendant (Abb. 59). Und wenn im Untertitel einer vergleichbaren französischen Karte vom „Prestige der Uniform“ die Rede war, so wies diese Aussage in dieselbe Richtung. Der Gleichklang solcher Parolen deutet darauf hin, dass derartige Vorstellungen schon zu Friedenszeiten geläufig gewesen sein müssen. Die außerordentlich hohe Wertschätzung von Uniformträgern lässt sich somit nicht allein auf ein kriegsbedingtes Schutzbedürfnis der Frauen reduzieren, sondern basierte auf älteren, europaweit verbreiteten Einstellungsmustern. Militärparaden, Marschmusik und militärisch eskortierte Nationalfeierlichkeiten gehörten schon vor 1914 beispielsweise in Frankreich und in Deutschland zu beliebten Erscheinungen des öffentlichen Lebens und brachten in beiden Ländern eine freiwillige, d. h. keineswegs von oben aufgezwungene „Militärfolklore“ hervor, deren Wirkungsradius nicht allein auf die Männerwelt beschränkt geblieben war.49 In diesem Geist erzogen Frauen als Mütter mehrheitlich ihre Söhne und leisteten so auf ihre Weise schon vor Kriegsbeginn einer

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mentalen Militarisierung und Kriegsvorbereitung Vorschub. Außerdem machte sich beispielsweise in Deutschland um 1900 eine merkliche Zunahme an militärischer Metaphorik in Texten patriotischer

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Frauenvereine bemerkbar sowie eine Erweiterung des herkömmlichen Weiblichkeitsideals um amazonenhafte Züge.50 Daneben existierten freilich weiterhin traditionell geprägte Vorstellungskomplexe, die – bei aller Faszination des Militärischen – männliche und weibliche Geschlechterrollen auseinander hielten. Dies bestätigen die längst vor Kriegsausbruch überaus populären und auf Kriegspostkarten mehrfach illustrierten Soldatenlieder wie „Wenn die Soldaten durch die Stadt marschieren, öffnen die Mädchen die Fenster und die Türen“. Stellvertretend wurde hier eine kolorierte Grafik ausgewählt, die im Stil einer naiven Kinderbuchzeichnung ausgeführt ist. Während im Hintergrund ein Liebespärchen eng umschlungen den Blick in die Ferne schweifen lässt, schleppen im Bildzentrum zwei resolute Frauen einen Soldaten ab, den sie eingehakt in ihre Mitte genommen haben und mit Wurst und Weinflasche bewaffnet offensichtlich zu seinem Glück zwingen wollen (Abb. 60). Dazu passte der einem populären Couplet nachempfundene Begleittext: „Der Soldate, der Soldate, ist der schönste Mann im ganzen Staate“. Noch aufdringlicher als ihre deutschen Geschlechtsgenossinnen gebärden sich vier Französinnen, die einen „Poilu“ handgreiflich in die Mitte nehmen. Dieser streckt ratlos die Hände von sich – wohl unentschlossen, welcher Dame er letztlich den Vorzug geben soll

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(Abb. 61). Eine weitere Steigerung weiblicher Zudringlichkeiten illustriert eine italienische Cartolina Postale, auf welcher sich ein Uniformträger – bereits ohne Gürtel – auf einem Sofa den Liebkosungen zweier leicht bekleideter liebestoller Verehrerinnen kaum zu erwehren weiß (Abb. 62). Diese gewiss nicht als sonderlich kriegerisch zu bezeichnende Boudoirszene war bei aller Anzüglichkeit nicht frei von politischen Anspielungen, denn im Untertitel hieß es doppeldeutig: „In Erwartung der Wiedervereinigung“ und damit war zweifellos die erstrebte Eroberung der noch unter österreichischer Herrschaft stehenden italienischen Territorien gemeint. Bemerkenswert an allen angeführten Bildbeispielen ist der Umstand, dass die Initiative zu einer amourösen Kontaktaufnahme stets von weiblicher Seite erfolgte. Mit dieser Akzentuierung war einerseits der Tatsache Rechnung getragen, dass Partner „im besten Mannesalter“ während des Krieges „Mangelware“ waren und die Beziehung zu einem Uni-

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formträger für viele Frauen ein unerfüllter Traum bleiben musste. Andererseits wurde mit aufreizenden Bildern dieser Art sicherlich dem Wunschdenken vieler Frontsoldaten entsprochen. Ihnen wurde in Aussicht gestellt, dass sich ihr lebensgefährlicher Einsatz lohnen werde, da zu Hause liebeshungrige Frauen warteten, um ihnen nach siegreicher Heimkehr bereitwillig zur Verfügung zu stehen. Die Faszination, die Uniformträger auf Frauen ausübten, war auf den ersten Blick sicherlich ästhetischer Natur. Die Ausgeh- und Paradeuniformen insbesondere der Offiziere zeichneten sich vor Kriegsbeginn noch in vielen Ländern durch augenfälliges Dekor und ausgesprochene Eleganz aus. Es darf davon ausgegangen werden, dass dieses Erscheinungsbild seine Wirkung auf die Damenwelt nicht verfehlte, selbst dann nicht, als die Farben- und Formenpracht im Ersten Weltkrieg in zunehmendem Maße praktischen Überlegungen zum Opfer fiel.51 In Kombination mit allen dem Militär sonst noch unterstellten Attributen von Stärke, Männlichkeit und Macht ergab sich daraus ein kaum zu überschätzendes Potenzial an Attraktivität, wenn nicht sogar ein ausgesprochener Sexappeal. Von Uniformen jeglicher Art gehen bekanntlich bis zum heutigen Tage erotisierende Anreize aus, die sich u. a. damit erklären lassen, dass Uniformen bis zu einem gewissen Grad entindividualisierend wirken. Das uniformierte Gegenüber kann als ein anonym verfügbares Objekt wahrgenommen werden, womit einer Fetischisierung Vorschub geleistet wird. Gesellschaftliche und andere Unterschiede sind durch Uniformen absichtlich ausgeschaltet bzw. unsichtbar gemacht. Der Uniformträger erscheint so besehen auf sein männliches Geschlecht reduziert und dem weiblichen Begehren sind damit keinerlei Schranken mehr auferlegt – eine Wirkung, die umgekehrt genauso von uniformierten Frauen auf Männer festgestellt werden kann. Lässt sich die Anziehungskraft, die von Soldatenuniformen auf Frauen ausging, mühelos in die Vorkriegszeit zurückverfolgen, so gilt dies nicht im selben Maße für die Wahrnehmung uniformierter Frauen. Als Dienstmädchen oder als Krankenschwestern waren zivil uniformierte Frauen zwar bekannt, nicht aber in militärischer Gewandung. Sicher hatte es schon vor dem Krieg gelegentlich Karten

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mit uniformierten Frauen gegeben, z. B. solche, auf denen die Uniformträgerinnen mit Knödeln statt mit Handgranaten um sich warfen. Doch solche Juxkarten waren vornehmlich dazu gedacht, eine „verkehrte Welt“ zu karikieren. Mit Kriegsbeginn wurde das Thema „Frauen in Uniform“ selbst in seinen humoristischen Aspekten schon viel ernsthafter traktiert, obwohl uniformierte Frauenabteilungen in den Armeen im Ersten Weltkrieg eine eher marginale und zudem späte Ausnahmeerscheinung geblieben sind, u. a. deswegen, weil die Militärführungen der Krieg führenden Länder eine Störung der militärischen Ordnung befürchteten. In Russland nach der Februarrevolution und in Großbritannien wurden solche Einheiten erst im vorletzten Kriegsjahr aufgestellt,52 in Deutschland waren sie dagegen bis zum Kriegsende nicht erwünscht. Anders stellte sich die Situation innerhalb derjenigen Nationalitäten dar, für welche dieser Krieg mit Befreiungsbestrebungen verbunden war, wie die Aufstellung uniformierter Einheiten von Polinnen und Ukrainerinnen in der k.u.k. Armee deutlich machte.53 Ansonsten blieb die Präsentation uniformierter Frauen größtenteils militaristische Maskerade und entsprach bis zu einem gewissen Grad der Darstellung von Kindern in Uniform.54 Die militärische Uniformierung diente unter anderem als sichtbares Unterscheidungsmerkmal der Frauen in den Freund- und Feindstaaten. Ähnlich wie Bündnisse als weibliche Partnerschaften in allegorischen Konstellationen imaginiert wurden, konnten sie als ein Kostümball buntscheckig uniformierter Frauen ins Bild gesetzt werden.55 Diesen Eindruck vermittelt zumindest eine russische Karte mit dem Trio einer englischen, französischen und russischen Uniformträgerin, die gut gelaunt und in engem Schulterschluss der Welt eine bessere Zukunft in Frieden verheißen (Abb. 63). Von einer vergleichbar harmlosen Heiterkeit erweist sich eine Porträtkomposition mit vier Uniformträgerinnen der Mittelmächte, deren entwaffnend liebreizende Gesichter den martialischem Untertitel „immer feste druff“ entweder Lügen strafen oder ihm zumindest einen amourösen Unterton beimischen (Abb. 64).

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Kostümierungen dieser Art waren in der Postkartenpropaganda aller kriegsführenden Länder gebräuchlich, deswegen aber noch lange nicht gleichförmig. Sie wurden teilweise sehr plump und aufgesetzt vorgenommen, wie bei den variantenreichen Atelierfotos eines „Fräulein Feldgrau“ in Deutschland (Abb. 65). Ebenfalls gestellt, aber deutlich lockerer wirkt das französische Konterfei einer uniformierten Italienerin mit Karabiner vor einem gemalten Alpenpanorama (Abb. 66), die mit keckem Blick „die Herren Österreicher“ in Schach hält. Sie trägt den breitkrempigen Hut der Bersaglieri mit schwarz-grünen Hahnenfedern, eine Kopfbedeckung, die im Zeitalter von Massenvernichtungswaffen und zermürbenden Stellungskriegen

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kaum kampftauglich gewesen sein dürfte, als dekoratives Element für Frauen in Uniform aber nicht zu übertreffen war. Um die solchermaßen ausstaffierten Frauen in Uniform zusätzlich mit einem militärischen Nimbus zu umgeben, wurden derartige Karten in Deutschland teilweise mit markigen Sprüchen wie „Donnerwetter Tadellos“ oder „Immer feste druff“ aufgerüstet.56 Aufs Ganze besehen funktionierte aber der in sich widersprüchliche Doppelauftrag nicht, die dargestellten Uniformträgerinnen einerseits als martialische Kämpferinnen auftreten zu lassen und sie gleichzeitig als begehrenswerte Weibchen zur Schau zu stellen, d. h. den Soldaten an der Front, und an diese Zielgruppe waren diese Motive hauptsächlich gerichtet, zum einen das Gefühl weiblicher Solidarität und Kameradschaft zu geben und ihnen zum anderen den erfreulichen Anblick attraktiverer Frauengestalten zu bieten. Häufig blieb darum ein Aspekt auf der Strecke. So konnte der Helm einer Französin in gesticktem Kleid und

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mit Rosenschmuck im Ausschnitt wohl kaum von deren kriegerischen Qualitäten überzeugen und sie als ernstzunehmende Kampfgefährtin ausweisen (Abb. 67). Auch das treuherzig pausbäckige Gesicht einer Polin in der Uniform der polnischen Ulanen lässt Zweifel an ihrer militärischen Einsatzfähigkeit aufkommen (Abb. 68). „Hübsch die Ulanin, nicht wahr“, lautet anerkennend der handschriftliche Zusatz und lenkt damit die Aufmerksamkeit unmissverständlich auf die Frau. Die Uniform spielte dabei wie auf ähnlichen Karten eher die nachgeordnete Rolle eines dekorativen Elements und war in erster Linie dazu gedacht, die Schönheit der dargestellten Frauen in zeitgemäßem Licht erstrahlen zu lassen. Das war wohl auch das primäre Anliegen einer in England erschienenen, französisch-englisch untertitelten Bildpostkarte, die aus einer Serie stammte, welche verschiedene verbündete Nationen auf ähnliche Weise porträtiert hatte (Abb. 69). Salutierend und mit dem aufreizenden Augenaufschlag eines Pin-up-Girls fordert die Sergeantin über ihre linke Schulter hinweg dazu auf, sich einzureihen und ihr zu folgen. Beim Betrachten dieses Bildes fällt es schwer sich vorzustellen, dass dieser Appell unmittelbar oder ausschließlich an die Front führen sollte. Während aber im Falle dieses Porträts höchstens von einem dezent angedeuteten Verführungsakt die Rede sein kann, bot eine in Mailand verlegte, aber zugleich in Frankreich und England vertriebene Karte dem Betrachter noch ganz andere, viel freizügigere Reize an: Eine schlanke rotblonde Frau mit Helm und Gewehr stürmt auf Stöckelschuhen im Laufschritt ins Bild, die zurückgeschlagenen Schöße ihres leichten Kleidchens geben den Blick auf ihre nackten Oberschenkel, Strapse und schwarzen Strümpfe frei. An der Spitze des Bajonetts ist das blutende Herz eines ihr hoffnungslos ergebenen Verehrers aufgespießt (Abb. 70). Die Uniform und die Waffe sind in diesem Fall zum bloßen zeittypischen Beiwerk reduziert, und von einer „Kameradin“ kann wirklich nicht mehr die Rede sein. Vergleicht man diese erotische, leichtfüßige Herzensjägerin mit dem bereits besprochenen biederen deutschen „Fräulein Feldgrau“, so wird die enorme gestalterische Spannbreite erkennbar, die es bei der Visualisierung von Frauen im Kriege gab, so wie die zugrunde liegenden unterschiedlichen kulturellen Prägungen und Codes in den

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einzelnen Ländern. Mit den beiden zuletzt betrachteten Frauenbildern war ein Punkt erreicht, an dem die Hervorhebung weiblicher Attraktivität uneingeschränkt im Vordergrund stand. Im Sinne der Kriegspropaganda konnten derartige Darstellungen höchstens indirekt als Mobilisierungsanreize funktionieren, um die eigenen Soldaten bei Laune zu halten. Insgesamt kann man behaupten, dass die Faszination, welche Uniformträger auf die Frauenwelt ausübten, in der Regel überzeugender vermittelt wurde als umgekehrt die Visualisierung weiblicher Uniformträgerinnen. Letzteres wirkte immer nur dann einigermaßen glaubwürdig, wenn Uniformen nicht als militärischer Selbstzweck, sondern zur Unterstreichung weiblicher Vorzüge herangezogen wurden. Das funktionierte insbesondere bei Uniformen, die so körperbetonte Schnitte und auffällige Verzierungen aufwiesen wie z. B. diejenigen der ungarischen Honvéd-Einheiten innerhalb der k.u.k. Armee, oder so aufwendige Kopfbedeckungen wie der bereits erwähnte Federhut der italienischen Bersaglieri. Frauen in Uniformen gehörten mithin zum bildpublizistischen Standardrepertoire des Ersten Weltkrieges. Was das hier ausgebreitete Kartenmaterial freilich nicht erahnen lässt, ist die teilweise spöttische, teilweise offen kritische Reaktion der Öffentlichkeit auf reale Uniformträgerinnen. In Großbritannien wurde beispielsweise das weibliche „Khaki-Fieber“ solange hingenommen, wie es sich auf männliche Uniformträger konzentrierte. Als aber die britische Militärführung 1916 erstmals die Uniformierung von Frauen innerhalb der Armee erlaubte, kam das zwar dem Wunsch patriotisch gesinn-

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ter Bewerberinnen nach größerer Anerkennung in Staat und Gesellschaft entgegen, löste aber zugleich einen Proteststurm aus, weil Frauen in Uniform als eine geschmacklose Profanierung und Parodierung der militärischen Traditionen angesehen wurden.57

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ilder von Frauen in Soldatenuniformen waren, wie bereits ausgeführt, im Ersten Weltkrieg größtenteils Maskeraden, die mit der Wirklichkeit im Allgemeinen wenig zu tun hatten, sondern vor allem dazu dienten, eine gefühlsmäßige Nähe und Verbundenheit zwischen Front und Heimat zu beschwören und optisch zum Ausdruck zu bringen. Ansonsten galt in der Regel eine klare Unterscheidung beider Sphären mit eindeutiger Aufgabenteilung und Rollenzuschreibung: Obwohl der Krieg zahlreiche Überschneidungen von Front und Heimat mit sich brachte und beide Sphären nicht scharf zu trennen waren, wie schon der im Ersten Weltkrieg geprägte Begriff „Heimatfront“ (engl. home front) nahelegte, gab es genügend amtliche Anweisungen sowie zahlreiche schriftliche und bildliche Darstellungen, die eben diese Trennung mit allem Nachdruck aufrecht zu erhalten suchten.58 Kämpferische Tatkraft der Soldaten an der Front und „stilles Heldentum“ der Frauen in der Heimat blieben dennoch eng aufeinander bezogen.59 Im realen wie im medial propagierten Zusammenspiel von Heimat- und Kriegsfront wurde den Frauen während des gesamten Kriegsverlaufs ein zentraler Platz und eine wichtige Scharnierfunktion eingeräumt. Auf den Punkt gebracht war die als vorrangig erachtete Aufgabenstellung der Frauen auf einer österreichischen Spruchkarte. Unter dem Titel „Österreichs Töchter“ hieß es: „Wir können nicht kämpfen für Kaiser und Land/Und den Feind, den grimmen, zertreten/Nur freudig bieten die helfende Hand/Und mit gläubigen Herzen zu beten“. Die Frauen hatten danach in erster Linie eine unterstützende Funktion zu erfüllen und wurden als „Heldinnen der

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Liebe“ apostrophiert.60 Während die Stellung der Männer innerhalb dieses Systems eindimensional auf den bewaffneten Kampf festgelegt war, wurde den Frauen daheim eine Vielzahl unterschiedlichster Pflichten und Funktionen zugewiesen, zu denen traditionell von Frauen ausgeübte Tätigkeiten wie Haushaltsführung und Kindererziehung ebenso zählten wie neue kriegsbedingte Herausforderungen, so etwa der häufig aus der Not heraus erzwungenen Eintritt ins Erwerbsleben. In der Kriegspropaganda wurde die mühevolle und aufreibende Alltagsarbeit der Frauen aber nicht wirklich gewürdigt, sondern eher idealistisch verklärt und ideologisch instrumentalisiert, um sie für alle Beteiligten akzeptabler zu machen: Während die Männer an der Front dem groben Alltagsgeschäft der Vaterlandsverteidigung nachgingen, wurde den Frauen das hehre „Priesteramt“ übertragen, „Heim und Herd“ zu hüten. Ihnen war damit die verantwortungsvolle Aufgabe übertragen, die Substanz der jeweiligen Staats- und Volksgemeinschaft zu wahren. Im krassen Gegensatz zu dermaßen überzogenen Erwartungshaltungen, die mit dem Alltag der Frauen im Krieg herzlich wenig zu tun hatten, waren Kartenmotive, welche den Trennungsschmerz und die Sehnsucht nach dem Partner bzw. nach der Partnerin zum Inhalt hatten, viel eher geeignet, reale Gefühlslagen zu artikulieren: „Komm siegreich und gesund nach Haus! Das wünscht Dir Deine kleine Maus“, war auf einer deutschen Bildpostkarte zu lesen, und mit diesem naiven Appell war zugleich ein Grundakkord aller zwischen Heimat und Front hin- und herwechselnden Kartengrüße angeschlagen. Auch wenn wir über keine genauen statistischen Angaben verfügen, ist davon auszugehen, dass diese „Herz-Schmerz-Karten“ insgesamt das Gros der Bildpostkarten im Ersten Weltkrieg ausgemacht haben dürften, wenn man nur einmal die überlieferten Motive in England, Deutschland, Frankreich, Russland oder Österreich-Ungarn vergleichend in Betracht zieht. Es waren Karten solch sentimentalen Inhalts, die von Frauen und Männern gleichermaßen bevorzugt wurden und entsprechend zahlreich produziert, verschickt oder aufbewahrt worden sind. Vermutlich gibt es auch keine zweite Motivgruppe, in

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welcher die inhaltlichen wie gestalterischen Übereinstimmungen international derart groß waren wie bei dieser Kategorie. Teilweise reichten diese bis in die Formulierungen der eingedruckten Bildunterschriften hinein: „Ich denke an Dich!“ – „Je pense à toi“ oder „Gott schütze Dich!“ – „God bless You!“. Das Übergewicht sehnsuchtsvoller Liebesbezeugungen in der Kartenproduktion des Ersten Weltkrieges lässt sich leicht erklären. Schließlich berührten solche Szenen, so kitschig sie im Einzelnen auch ausgemalt sein mochten, ein reales, zentrales und länderübergreifendes zwischenmenschliches Problem. Nach einem über die Ländergrenzen hinweg beliebten und weit verbreiteten Schema war der Bildinhalt solcher Motive dichotomisch aufgeteilt in eine idyllisch ausgemalte Szene mit einer wartenden Frau im „trauten Heim“, die mit oder ohne Kinder verträumt in die Ferne blickt, und auf der anderen Seite mit einem Soldaten, der einsam in einer feindlich-fremden Umgebung auf Posten steht (Abb. 71), wobei beide sich in Sehnsucht verzehren. Erotisch zugespitzt erscheint dieselbe Konstellation auf einer französischen Karte. Dabei telefoniert eine in aufreizende Dessous gekleidete junge Dame mit ihrem Partner der Front – sie in einem gepflegten Interieur, er im behelfsmäßig eingerichteten Unterstand eines Schützengrabens (Abb. 72). Sie lässt ihn wissen, dass sie nach Liebe dürstet (frz.: J’ai soif d‘amour) und fordert ihn auf, so schnell wie möglich zu ihr zu kommen, was dieser prompt zusagt. Weitaus nüchterner und verhaltener nimmt sich demgegenüber die britische Darstellung einer vergleichbaren Situation aus, die aber der Realität derartiger Fern-

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beziehungen eher entsprochen haben dürfte. Ein britischer Soldat und seine Geliebte stehen trotz inniger Verbundenheit Rücken an Rücken. Sie drückt sein letztes Schreiben an ihre Brust, während er seine Hände erwartungsvoll und zugleich hilflos ins Leere streckt (Abb. 73). Zur gleichen Motivgruppe gehören Karten, auf denen der abwesende Partner als Fata Morgana erscheint. So erspäht beispielsweise ein russischer Beobachtungsposten mit Fernrohr nicht den Feind, sondern ein Frauenporträt über einer Flusslandschaft und stöhnt: „Ach, egal wo ich nur hinschaue, in die Ferne oder in die Nähe, überall erblicke ich sogleich meine Ge-

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liebte.“ Und während eine ungarische Briefschreiberin am Schreibtisch sitzend das Bild ihres Angebeteten betrachtet: „Dein Bild ist mein Heiligtum. Nur das tröstet mich jetzt“, taucht dieser schemenhaft mit Tornister und Gewehr im Halbdunkel auf (Abb. 74). Umgekehrt wird auf einer französischen Bildkarte ein Soldat im Schützengraben vom Geist seiner Frau besucht, die ihn tröstend umarmt und ihm zärtlich ins Ohr flüstert, dass sie in ihrem Herzen und mit ihren Gedanken stets bei ihm sei (Abb. 75). Gerade französische Karten lassen freilich Zweifel aufkommen, ob die Gefühle der Poilus umgekehrt immer auf eine einzige Liebe daheim fokussiert waren. Schützengrabenvisionen mit gleich mehreren Frauengestalten erwecken jedenfalls einen ganz anderen Eindruck. Sehr häufig waren Bildpostkarten, die Abschied und Wiedersehen zum Inhalt hatten, wobei auch in solchen Szenen Propaganda und private Emotionen vermischt worden sind. So steht beispiels-

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weise der sorgenvolle Blick zweier Frauen, die aus einem geschützten Innenraum auf eine draußen abziehende Soldatenformation in einem gewissen Spannungsverhältnis zu der patriotisch forschen und in großen Buchstaben hinzugefügten Parole: „Britische Frauen sagt – Geh!“ (Abb. 76). Mehr Einfühlungsvermögen und emotionale Glaubwürdigkeit vermittelt ein vom „Nationalen Frauendienst Mainz“ herausgegebener kolorierter Holzschnitt (Abb. 77): Eine Bauersfrau mit Kopftuch und Schürze steht wie angewurzelt am Wegrand vor einem Baum, während von ihrem davonreitenden Mann nur noch der Rücken, die Hinterhand seines Pferdes und der Wimpel seiner Lanze zu sehen sind. Betrübt und mit hilflos verschränkten Händen bleibt ihr nur übrig, Gott um Beistand zu bitten. Abschiedsszenen stellten zwar einen wichtigen, weil überaus schmerzlichen, aber eben doch nur einen Teilbereich der zahllosen Trennungsgeschichten dar. Im Kontrast dazu und gewissermaßen

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zum Ausgleich wurde verständlicherweise auch die nicht minder bewegende Wiedersehensfreude beim Fronturlaub der Soldaten in Kartengrüßen festgehalten. Eine vom 12. 11. 1917 datierte französische Karte stellte beide Situationen nebeneinander (Abb. 78). Während der Abschied mit einem letzten eiligen Kuss am Bahnhof besiegelt wird, findet das Wiedersehen mit der halb entkleideten Herzensdame zu Hause in entspannter Atmosphäre vor einem Himmelbett statt. Weniger freizügig nahmen sich die Heimkehrszenarien auf deutschen Kriegspostkarten aus. Hier dominierten Motive, auf welchen die Soldaten als siegreiche Rückkehrer öffentlich bejubelt oder aber im trauten Kreise der ganzen Familie empfangen wurden. In einem noch viel schärferem Kontrast zu den zahlreichen lasziven französischen Bettszenen steht ein russisches Kartenmotiv mit einer idyllisch ausgemalten Wiedervereinigungsvision, die wie eine Illus­ tration zu einem alten russischen Volksmärchen anmutet (Abb. 79). Der uniformierte Heimkehrer hält seine Auserwählte zärtlich in den Armen, während diese verträumt auf eine friedliche Flusslandschaft blickt, in deren Hintergrund sich die Silhouette eines Städtchens abzeichnet. Einmal mehr wird an dieser ungleichen Behandlung einund derselben Thematik deutlich, in welchem Maße unterschiedlich geprägte Bildtraditionen, Klischees und Idealvorstellungen für die

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konkrete Ausgestaltung der Karten von Bedeutung waren. Dabei war es relativ belanglos, ob sich die Heimkehr der Soldaten in Frankreich im Einzelfall immer so wild und stürmisch oder in Russland immer so brav und unbedarft abgespielt hat. Reale wie ersehnte Heimkehrszenen zählten zweifellos zu den Höhepunkten im Gefühlshaushalt und in den insgesamt seltenen Kontakten zwischen Frontkämpfern und daheim gebliebenen Frauen. Sie auf Postkarten festzuhalten machte darum für alle Beteiligten Sinn: Den Soldaten sollte auf diese Weise aufmunternd in Aussicht gestellt werden, dass sich ihr lebensgefährlicher Einsatz an der Front lohne und nach Kriegsende mit der Rückkehr in eine idyllische Heimat den verdienten Lohn finden würde. Den daheim gebliebenen Frauen wiederum sollte signalisiert werden, dass die Trennungszeiten vorübergehender Natur waren und irgendwann zu einem Happy End führen würden. Der komplementäre Charakter der weiblichen Heimatfront zur männlichen Kampffront wurde aber nicht nur als ideelle Einheit beschworen, sondern auch ganz konkret an praktischen Tätigkeitsfeldern festgemacht. Frauen aller Altersgruppen wurden als Spendenund Metallsammlerinnen abgebildet oder als fleißige Strickerinnen

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für „die Tapferen“ (Abb. 80) draußen an der Front, wie beispielsweise auf einer dezent in den französischen Nationalfarben kolorierten französischen Grafik: Eine Frau mit Schürze und Strickzeug sitzt am offenen Fenster, während ihre Gedanken bei den kämpfenden Soldaten weilen, die vorwärts stürmend und in Pulverdampf gehüllt in ihrer Stube auftauchen. Frauen und Männer sind damit abermals klar umrissenen und voneinander getrennten Szenarien und Aufgabenbereichen zugeordnet. Verbindendes Element bleiben freilich die Farben Blau-Weiß-Rot, die für eine patriotische Gesinnung stehen. Eine Karte analogen Inhalts, herausgegeben vom „Zentralkomitee der deutschen Vereine vom Roten Kreuz“, hob den generationenübergreifenden Selbstauftrag der Frauen beim Stricken hervor, indem sie Großmutter, Mutter und Tochter beim gemeinsamen Stricken für die „Feldgrauen“ darstellte. Derlei Aktivitäten wurden aber nicht nur individuell ausgeübt, sondern wie in Deutschland, Österreich oder Italien von patriotischen Frauenvereinigungen organisiert, kollektiv produziert oder gesammelt und dann als „Liebesgaben“ an die Front geschickt. Neben den legendären Strickwaren wie Socken, Handschuhen und Ohrenschützern wurden Rauchwaren aller Art zusam-

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mengetragen, dazu haltbare Backwaren und Würste. Insbesondere zu Weihnachten erfreuten sich diese Gaben offensichtlich größter Beliebtheit, wie entsprechende Dankesbriefe belegen.61 Eine französische Besonderheit stellten sogenannte „Kriegspatinnen“ (frz.: marraines) dar, deren Vorbild aber auch in Italien nachgeahmt wurde. Dabei handelte es sich um Frauen, welche die Patenschaft für einen möglichst unverheirateten Soldaten übernahmen, mit ihm korrespondierten und sich im Fronturlaub mit ihm trafen.62 Wie präsent diese Einrichtung in der französischen Öffentlichkeit war, belegt eine kolorierte französische Grafik, die eine solche Patin Arm in Arm mit einem „Poilu“ zeigt (Abb. 81). Ihr prall gefüllter Picknickkorb macht deutlich, wie sehr ihr das leibliche Wohl ihres „Schützlings“ am Herzen liegt. Die Vermittlungsbüros dieser teilweise sehr weit gehenden Betreuung gerieten ins Zwielicht, als sich herausstellte, dass die ursprünglich rein patriotisch-familiär abgesteckten Aufgabenbereiche der „Kriegspatinnen“ deutlich überschritten wurden, und der Verdacht aufkam, dass es sich hierbei schlichtweg um Kuppelei handelte. Je länger der Krieg dauerte, desto unverblümter trat hinter den vordergründig optimistischen Propagandaparolen die reale Mühsal des Kriegsalltags an der „Heimatfront“ hervor, wie sie beispielsweise der notorische Mangel an männlichen Arbeitskräften auf dem Lande und die sich ständig verschlechternde Ernährungslage z. B. in Deutschland und ÖsterreichUngarn mit sich brachten, die auch durch die Vergabe von Lebensmit81 telmarken sowie andere ordnungs-

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politische Maßnahmen nicht wirklich zu beheben waren.63 Zusammen mit dem Konterfei einer vor dem Herd stehenden Hausfrau wurden solche Engpässe auf einer deutschen Spruchkarte unter dem Titel: „Bürgerliches Kochrezept“ parodiert: „Man nehme eine

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Fleischkarte, wälze sie in der Eierkarte und brate sie in der Butterkarte schön braun“. In den Städten war die Situation besonders angespannt und erforderte viel Einfallsreichtum und Improvisationskunst. Um die Versorgung halbwegs zu gewährleisten, mussten die Frauen teilweise zu ungewöhnlichen Praktiken greifen, wie z. B. zum Anlegen von Gemüse- und Kartoffelbeeten in der Wohnung und im Keller (Abb. 82) oder wie etwa in Wien sogar in öffentlichen Parkanlagen. Das Aufzeigen solcher Überlebensstrategien hatte nichts mehr mit den schmachtenden „Herz-Schmerz-Karten“ gemeinsam und dem ihnen beigemengten patriotischen Pathos. Heroisch war bei der wohlgenährten deutschen Hausfrau mit Schürze und Gießkanne höchstens ihr unverdrossener Wille, allen Widrigkeiten des Krieges zu trotzen. Dass sich solche und ähnliche Motive im Laufe des Krieges häuften, machte klar, dass die Dringlichkeit der angedeuteten Probleme ständig zunahm und somit auch bildpublizistisch nicht mehr gänzlich zu verschweigen war oder doch zumindest humoristisch behandelt werden musste.

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n dem Rollenschema „Die Frau daheim – der Mann im Feld“ nahm der Sektor Frauenarbeit verständlicherweise einen prominenten Platz ein.64 Schließlich war damit der Gegensatz und zugleich der komplementär verstandene weibliche Aufgabenbereich zum Kriegshandwerk der Männer an der Front prägnant umrissen. Nicht mit der Waffe in der Hand, sondern mit Schaufel, Hammer, Pflug und anderem Gerät, das traditionell Männerfäusten zugeordnet war, sollten die Frauen in der Heimat ihren eigenständigen Beitrag zum Sieg leisten. Zugleich handelte es sich bei diesem breit gefächerten Themenfeld um ein damals als spektakulär empfundenes Phänomen, das auch in der Postkartenproduktion seinen Niederschlag fand. In Deutschland und in Österreich-Ungarn erschienen beispielsweise ganze Postkartenserien mit Serientitel wie „Die Frau im Kriege“, „Die Frau im Beruf“ oder „Das deutsche Weib in Vertretung des Mannes im Weltkrieg“. Sicher hatte es bereits zu Friedenszeiten Frauen im Erwerbsleben gegeben wie z. B. im gesamten Dienstleistungssektor oder in der Textil- und Bekleidungsindustrie. Doch der kriegsbedingte Eintritt vieler Frauen in Berufszweige, die vordem als exklusive Domäne der Männer gegolten hatten, erregte in der Öffentlichkeit großes Aufsehen und erweckte schon bei den Zeitgenossen zuweilen den unzutreffenden Eindruck, als ob die Frauen nun massenhaft in das Erwerbsleben eindringen würden.65 In Wirklichkeit nahm die Zahl lohnarbeitender Frauen während des Krieges aber nicht generell zu, sondern lediglich in bestimmten Branchen, vornehmlich in solchen, die für die Kriegswirtschaft und deren Zuliefererbetriebe relevant waren, wie z. B. in der Metall- und Rüstungsindustrie. Wahrnehmung und statistische Fakten drifteten demnach auseinander. Generell kam es allerdings zu

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bemerkenswerten Verlagerungen traditionell weiblicher Tätigkeitsfelder im Erwerbsleben. Fortan bestimmten nicht mehr das Dienstmädchen und die Büroangestellte, sondern die Lokführerin und die Munitionsarbeiterin das Image der berufstätigen Frau im Krieg. Nunmehr sichtbarer zutage tretend, erfuhr die Erwerbstätigkeit von Frauen seit Kriegsbeginn eine deutliche Aufwertung in der Öffentlichkeit. Am wenigstens galt dies für Bäuerinnen und Landarbeiterinnen, obwohl der Krieg auch im Agrarsektor einschneidende Veränderungen mit sich brachte. Aber dass Frauen in der Landwirtschaft tätig waren, überraschte nicht wirklich. Schließlich waren sie schon zu Friedenszeiten als mithelfende Familienmitglieder tätig gewesen. Neu und erschwerend hinzugekommen war allerdings, dass sie alle Arbeiten jetzt weitgehend auf sich gestellt verrichten mussten.66 Da die Arbeitsleistung der Landfrauen die Ernährung für die gesamte Bevölkerung garantierte, war es nur folgerichtig, dass auch deren Tätigkeit bildpublizistisch gewürdigt wurde, zumal schon bald nach Kriegsbeginn in vielen Ländern erhebliche Versorgungsengpässe auftraten. Auf einer 1916 abgestempelten französischen Karte sieht man beispielsweise „Ährenleserinnen“ bei ihrer strapaziösen, nur gebückt auszuführenden Arbeit (Abb. 83), während im

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linken oberen Bildrand hinter einer Wolke ihre Männer unter der französischen Trikolore im Sturmangriff dem Feind entgegen eilen. Folgt man dem Wortlaut der eingedruckten Parole – „Alle arbeiten für das Wohl Frankreichs“ –, so nahmen sie diese Mühen bereitwillig auf sich, um einen eigenen Beitrag zur Vaterlandsverteidigung zu erbringen. Nackte Existenzsicherung war damit unversehens in eine patriotische Tat umgemünzt. In dieselbe Richtung zielte der Rahmentext „Wir halten durch – in der Heimat“ einer 1917 abgeschickten deutschen Federzeichnung (Abb. 84), die eine ländliche Idylle mit drei Landfrauen und spielenden Kindern vor einem Kirchturm im Hintergrund ausmalt, eine Frau beim Rechen, zwei beim Kartoffelernten. Von Hunger und anderen kriegsbedingten Einschränkungen und Beschwernissen ist nichts zu bemerken – und vom Krieg erst recht nichts. Doch eben dieser Eindruck einer heilen Welt sollte wohl vermittelt werden, um die Kampfmoral an der Front und den Durchhaltewillen im Hinterland aufrecht zu erhalten. Im Straßenbild der Städte fiel vor allem die verstärkte Präsenz berufstätiger Frauen in den kommunalen Einrichtungen und staatlichen Betrieben auf: Weibliche Angestellte der Straßenreinigung,

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Straßenbahnschaffnerinnen, Postbotinnen, Weichenstellerinnen und andere weibliche Bahnbedienstete wurden beispielsweise auf deutschen wie auf österreichischen Bildpostkarten wiederholt zur Dar-

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stellung gebracht. Da diese Berufsgruppen ähnlich wie die Krankenschwestern häufig uniformiert waren, schienen sie allein von ihrem äußeren Erscheinungsbild her besonders geeignet, eine optische und gedankliche Verbindung zu den männlichen Uniformträgern an der Front herzustellen. So schulterte beispielsweise eine österreichische Fensterputzerin ihre Leiter wie ein Gewehr (Abb. 85). Die Leiter war wie der Eimer in ihrer anderen Hand in den Staatsfarben SchwarzGelb gestrichen, womit selbst dieser profanen Tätigkeit noch ein patriotisches Sigel aufgedrückt war. Um das Engagement und die Leistungskraft erwerbstätiger Frauen hervorzuheben, wurden sie nicht selten in Berufen abgebildet, die wegen der erforderlichen Kraftanstrengung bis dahin ausschließlich Männern vorbehalten gewesen waren. So empfängt auf einer in Leipzig herausgegebenen Karte eine „Frau Klempnermeister Blechschmied“, mit Rohren und Werkzeug beladen, im Hosenanzug einen deutschen Soldaten an der Türschwelle (Abb. 86). Ihr Blick ist freudig überrascht auf den Heimkehrer gerichtet, doch ihr selbstbewusster Habitus macht zugleich deutlich, dass sie auch ohne männliche Hilfe gut klar kommt, alles im Griff hat und sich zu Recht als ein vollwertiges Mitglied des „Heimatheeres“ fühlen darf. Noch drastischer wird die neu erlangte Eigenständigkeit berufstätiger

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Frauen auf einer Karte der „Ostpreußenhilfe“ unterstrichen (Abb. 87): Eine Frau mit Kopftuch, Lederschurz und aufgekrempelten Hemdsärmeln schwingt in einer Schmiede kraftvoll den Hammer, um ein Hufeisen zu schmieden, während ihr Mann oder ein Gehilfe im Hintergrund aufgrund einer Kriegsverletzung lediglich dazu imstande ist, mit seinem gesunden Arm die Esse zu betätigen. Auch in diesem Fall war klar zum Ausdruck gebracht, dass es keine noch so schwere Tätigkeit gab, die nicht auch von Frauen übernommen werden konnte. Ein in der Öffentlichkeit viel beachtetes Phänomen stellte die große Zahl ungelernter oder nur halbausgebildeter Industriearbeiterinnen dar, die in manchen Ländern wie Frankreich oder ÖsterreichUngarn zu Kriegszeiten bis zu 40 % der Belegschaft ausmachten. Aus der Perspektive der kriegstreiberischen Propaganda war es darum nur logisch, ihr Augenmerk auf die Arbeiterinnen in Rüstungsbetrie-

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ben zu richten. Das hatte unter anderem zur Folge, dass sich bei der Thematisierung dieser Berufsgruppe auf Bildpostkarten ein erstaunliches Höchstmaß an Übereinstimmung feststellen lässt. Eine zentral ins Bild gesetzte britische Rüstungsarbeiterin in heller Arbeitsmontur hält eine Kartusche wie eine Bonbonniere in ihren Händen, ein Produkt, das im offiziellen „Auftrag seiner Majestät“ (O.H.M.S.) hergestellt worden war (Abb. 88). Das Präsent ist für „Jack“ und „Tommy“ bestimmt, so die populären Sammelnamen für die amerikanischen und britischen Soldaten. Der werbende Blick dieser Munitionsarbeiterin in Verbindung mit der halbfertigen Granate, von der sie nur die Hülse erwartungsvoll vorzeigt, verrät den erotischen Subtext der gesamten Komposition – unbeschadet der Tatsache, dass im Hintergrund zahlreiche Kolleginnen bei der Arbeit zu sehen sind. Auf einer anderen britischen Karte schiebt ein „Munition Girl“ eine Palette Granaten „für den Sieg“ aus dem Produktionsraum und erfüllt so die im Untertitel angemahnte vaterländische Pflicht britischer Frauen (Abb. 89). Im Unterschied zu dieser zupackenden Munitionsarbeiterin in graublauen Overall nimmt sich die zierliche „Munitionette“ auf einer kolorierten französischen Federzeichnung trotz Berufskleidung eher wie ein Mannequin aus, das versehentlich oder zu Werbezwecken an eine Drehbank geraten war (Abb. 90). Dass Rüstungs- und Munitionsarbeiterinnen in Industrieländern wie England und Frankreich auf Kriegspostkarten zur Schau gestellt wurden, war zu erwarten gewesen, dass sie aber auch im überwiegend agrarisch geprägten Russland für die Propaganda eingesetzt wurden, war schon auffälliger. Doch auch hier hatte die Fabrikarbeit der Frauen seit Kriegsbeginn merklich zugenommen, insbesondere in der von Männern dominierten und gut bezahlten Petrograder Metallindustrie, in der die Zahl der weiblichen Arbeitskräfte bis 1916 immerhin auf 20 % anstieg.67 Eine auch als Plakat verbreitete Petrograder Werbung für die russische Kriegsanleihe 1916 zeigt vor einem blutrot gefärbten Hintergrund eine junge Frau mit Kopftuch und Arbeitskittel an der Drehbank einer Munitionsfabrik (Abb. 91). Die eingedruckten Parolen: „Alles für den Krieg“ und „Schreibt Euch ein für die Kriegsanleihe 5 ½ %“ werden auf der Adressenseite wei-

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ter konkretisiert: „Alle 100 Rubel, die gezeichnet werden, sind drei Schrapnellschüsse. Unsere Armee soll mit Euren Schrapnellen [Artilleriegranaten] die Deutschen in ihren Schützengräben überschüt-

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ten.“ Die Dringlichkeit dieses Appells ergab sich aus der Tatsache, dass Russland zwar über die zahlenmäßig stärkste Armee in Europa verfügte, in der Rüstung aber hoffnungslos hinter den anderen europäischen Mächten herhinkte und einen dementsprechend großen Nachholbedarf hatte. Von den miserablen Arbeitsbedingungen, der schlechten Bezahlung und den sexuellen Übergriffen in den Rüstungsbetrieben wie von der zunehmenden Streikbereitschaft der Fabrikarbeiterinnen war in all diesen schönen Bildern wenig zu sehen. So unbeschwert die Frauenarbeit auf Bildpostkarten hingestellt wurde, so wenig entsprachen solche Darstellungen dem Kriegsalltag. Zunächst einmal war Frauenarbeit im Krieg weniger eine patriotische Tat, sondern diente in erster Linie der Existenzsicherung. Frauen arbeiteten weniger für den Sieg als für ihr eigenes Überleben und das ihrer Kinder. Dieser Zwang betraf insbesondere die aus unteren Schich-

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ten stammenden ungelernten Fabrikarbeiterinnen, die damit aber längst noch nicht von ihren häuslichen Pflichten entbunden waren, was unweigerlich zu einer schweren Doppelbelastung führen musste und die betroffenen Frauen in zusätzliche Nöte versetzte, zumal die staatlichen Finanzhilfen für die Frauen der eingezogenen Soldaten trotz wiederholter Aufstockungen in der Regel unzureichend waren. Der heilen Welt der Bildpostkarten widersprachen demnach die von Not und Armut gekennzeichneten Erfahrungen erwerbstätiger Frauen auf der ganzen Linie, wie aus zeitgenössischen Fotos, Briefen und amtlichen Berichten unmissverständlich hervorgeht. Solche negativen Begleiterscheinungen der Frauenarbeit passten aber nicht in die patriotisch getrimmten Bildprogramme der Postkartenverlage während des Krieges. Eine bemerkenswerte Ausnahme machte eine Wiener Postkartenserie, die auf Realfotos unter anderem sogar Nischen- und Gelegenheitsarbeiten von Frauen wiedergab: eine Bratkartoffelverkäuferin neben einem Laternenmast oder eine ältere Frau mit Kopftuch in gebückter Haltung, die vor einem Treppenaufgang Schuhe putzt. Diese nicht unerhebliche Grauzone weiblicher Erwerbstätigkeit, die es in ähnlicher Form freilich schon vor Kriegsbeginn gegeben hatte, taugte wohl am wenigsten dazu, patriotisch ausgedeutet zu werden. Ähnliches lässt sich von der vermehrten erwerbsmäßigen Prostitution in allen Krieg führenden Ländern sagen. Doch auch diese Segmente sind zu berücksichtigen, wenn von Frauenarbeit im Ersten Weltkrieg die Rede ist. Obwohl die Motivgruppe „Frauen arbeiten für den Sieg“ im Vergleich zu den meisten anderen Frauenbildern im Postkartenformat dem Alltagsgeschehen im Hinterland mit am nächsten war, spiegelten sie die tatsächlichen Lebensbedingungen also kaum wider. Doch diese Kartenmotive waren nicht dazu bestimmt, die Wirklichkeit ungeschminkt abzubilden, sondern wollten Stimmung machen und für den Krieg mobilisieren. Suggeriert wurde eine intakte Infrastruktur in der Heimat, eine schier unbegrenzte Einsatzbereitschaft der Frauen und damit letztlich eine in sich geschlossene, d. h. geschlechterübergreifende Willensgemeinschaft der betreffenden

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Gesellschaft. Den Männern an der Front sollte damit bedeutet werden: Macht Euch keine Sorgen, seht her, „wir halten hier die Stellung“ und „stehen unseren Mann“. Genau das war wohl auch der Sinn einer öster­reichischen Kriegspostkarte, die eine ganze Phalanx weiblicher Arbeitskräfte – angefangen von der Bäuerin bis hin zur Schornsteinfegerin – aufmarschieren ließ, Frauen, die ihren verschiedenen Tätigkeiten offensichtlich frohen Mutes nachgingen und gemeinsam versprachen: „Wir halten durch“ (Abb. 92). Die patriotisch glatt polierte Fassade solcher Bilder verriet nichts von den gleichzeitig öffentlich und kontrovers geführte Diskussionen, die dem Anwerben, dem publizistischen Beifall und dem tatsächlichen Eintritt weiblicher Arbeitskräfte ins Erwerbsleben kritisch, wenn nicht sogar ablehnend gegenüberstanden. In der Publizistik war gelegentlich sogar von einer drohenden „Entweiblichung“ berufstätiger Frauen die Rede, die es zu stoppen gelte.68 Ähnliche Befürchtungen wurden auch aus behördlicher Sicht geäußert. Frauenarbeit außerhalb des häuslichen Bereichs passte nicht zu der herkömmlichen Geschlechterordnung und widersprach im Grunde dem gleichzeitig propagierten Muttermythos, wonach die Frauen sich am heimischen Herd um die Familie und die Kinder zu kümmern hatten. Auch wurde in der Erwerbstätigkeit von Frauen grundsätz-

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lich eine Gefährdung exklusiv männlich besetzter Berufsfelder gesehen. In diesem Sinne betonten selbst Gewerkschaften den behelfsmäßigen und temporären Charakter der Frauenarbeit; Frauen wurden vielfach nur als „vorübergehende Lückenbüsserinnen“ geduldet.69 Andererseits war erwerbsmäßige Frauenarbeit in bestimmten Branchen durchaus erwünscht und teilweise sogar unabdingbar geworden, sei es, um den Mangel an männlichen Arbeitskräften auszugleichen, sei es, um den kriegsbedingten Mehranforderungen in der Produktion, aber auch im Dienstleistungssektor Genüge zu tun. Dieser Zielkonflikt sollte den ganzen Krieg über andauern und konnte weder durch staatliche Regulierungsversuche noch durch publizistische Kampagnen wirklich aus der Welt geschafft werden. In der Kriegspropaganda war verständlicherweise kein Platz für derartige Widersprüchlichkeiten. Hier kam es vielmehr darauf an, berufstätige Frauen als wertvolle und unersetzliche Mitglieder der Volksgemeinschaft auszuweisen, ohne deren Hilfe dieser Krieg gar nicht zu bestehen, geschweige denn zu gewinnen war.

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uf dem zuletzt besprochenen österreichischen Gruppenbild berufstätiger Frauen marschieren in vorderster Reihe zwei Krankenschwestern mit Rot-Kreuz-Binden am Arm. Damit war deren größtenteils ehrenamtlicher Einsatz besonders hervorgehoben. Wie wohl kaum eine zweite Frauengruppe wurden die Krankenschwestern als leuchtende Beispiele weiblichen Patriotismus im Krieg gefeiert und wurden in der Kriegspropaganda dementsprechend hofiert, mehr jedenfalls als ihre männlichen Kollegen im Sanitätsdienst. Bildpublizistisch wurden sie in unmittelbare Nähe zu den kämpfenden Männern an der Front gerückt. Wie diese waren sie uniformiert, was schon rein äußerlich eine gewisse Nähe ausdrückte und sie darum als Kameradinnen oder sogar als „zweites Heer“ (ital.: l‘altro esercito) bezeichnet werden konnten.70 Aufgrund ihrer Tätigkeit waren sie teilweise unmittelbar mit den Ereignissen an der Front verbunden, verrichteten sie ihren Dienst doch oftmals hinter den Kampflinien. „Das Schlachtfeld, wo aus Männermorden/Blutrot erblühen Schmerz und Leid/Es ist ein Saatfeld auch geworden/Der heilenden Barmherzigkeit“. Mit diesem Spruch auf einer deutschen Kriegskarte waren das Ethos und das Idealbild der Krankenschwestern unter Kriegsbedingungen treffend zusammengefasst. Sie galten als Inbegriff weiblicher Opferfreudigkeit und engelsgleicher Fürsorglichkeit. „Deutschland küsse ihnen den Saum ihrer Gewänder, sie sind in den Kriegen Deine Engel“ – hatte Detlev von Liliencron, einer der bekanntesten Dichter im Wilhelminischen Deutschland, mit Blick auf den deutsch-französischen Krieg von 1870/71 geschrieben. Diese Worte

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waren auf einer Postkarte mit dem Brustbild einer blonden Krankenschwester im Ersten Weltkrieg abgedruckt und geben einen beredten Eindruck vom Ausmaß der ehrfurchtsvollen Verherrlichung, die den Krankenschwerstern nicht nur in Deutschland entgegengebracht wurde. Idealtypisch verklärt war der Stand der Krankenschwestern auch auf einer in Genf verlegten und vom Internationalen Roten Kreuz herausgegebenen Lithografie, die zugleich auf die schweizerischen Ursprünge des Roten Kreuzes hinwies, indem sie eine Krankenschwester an die Seite einer „Helvetia“ stellt. Die gleiche Blickrichtung, ein ähnliches Profil sowie das Farbspiel der Kreuze – rot-weiß auf dem Gewand der Krankenschwester und weiß-rot auf dem Kleid der „Helvetia“ – betonen die Seelenverwandtschaft und enge Verbundenheit beider Frauengestalten (Abb. 93). Neueren Berechnungen zufolge waren in Frankreich 60.000, in Deutschland 92.000, in England 80.000 Frauen hinter und an der Front als Krankenschwestern tätig.71 Dabei handelte es sich größtenteils nicht um ausgebildete Fachkräfte, sondern um schnell angelerntes Hilfspersonal, teils aus gehobenen Gesellschaftskreisen. Der Dienst war vielfach ehrenamtlich und somit nicht bezahlt, was gelegentlich zu gewissen Spannungen mit den professionellen Krankenschwestern führen musste. Der harte Berufsalltag und die schockierenden Erfahrungen der Krankenschwestern mit den teilweise schrecklich zugerichteten Verletzten und Toten war selbstverständlich nicht Gegenstand der optimistisch auf Siegesgewissheit programmierten Kriegspropaganda.72 Stattdessen wurde in allen Ländern ein eindimensional heroisch-geschöntes Bild der Krankenschwester verbreitet. In der Realität hatten diese indes höchst widersprüchliche Aufgaben zu erfüllen: Einerseits waren sie dazu aufgerufen, das Leben der ihnen anvertrauten Kranken und Verwundeten zu retten und sie gesund zu pflegen, andererseits hatte eben diese Tätigkeit zum Ziel, deren Kriegstüchtigkeit für einen erneuten Kampfeinsatz wieder herzustellen. Sie waren also nicht nur humanitäre Helferinnen, sondern zugleich nützliche Funktionselemente in der grausamen Kriegsmaschinerie.73 Insofern bewegte sich das Ideal der Krankenschwestern auf einer schmalen Gratwanderung

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zwischen dem traditionellen weiblichen Selbstverständnis der Lebenserhaltung und dem zumeist männlich konnotierten Prinzip des Kampfeinsatzes bis zum Tode, wobei die Krankenschwestern diese Gratwanderung mit Militärseelsorgern, Ärzten und Sanitätern teilten.

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Besuche verwundeter Soldaten wurden im Rahmen der allgemeinen Wohlfahrtspflege vielfach zu einer Angelegenheit hochgestellter Damen der Gesellschaft, wie z. B. weiblicher Angehörige der jeweiligen Herrscherhäuser. Diese wurden propagandistisch ausgewertet, um die enge Verbindung zwischen den Herrscherhäusern und den „gemeinen“ Soldaten zu betonen. Das betraf beispielsweise die älteste Zarentochter Olga Nikolaevna, die als Krankenschwester in russischen Lazaretten arbeitete, oder die deutsche Kaiserin Auguste Viktoria, die öffentlichkeitswirksam Krankenbesuche absolvierte. Ihre Porträts zierten diverse Postkarten aus dem Bereich der militärischen Krankenpflege und trugen stellvertretend zum hohen Ansehen der Krankenschwestern im öffentlichen Bewusstsein bei. Berühmt wurde die Britin Edith Cavell, die schon vor dem Krieg in Brüssel gearbeitet hatte und sich nach dem deutschen Überfall auf Belgien im Untergrund engagierte, bis sie wegen Spionageverdacht und Fluchtbegünstigung von Kriegsgefangenen festgenommen und am 12. 10. 1915 erschossen wurde. Ganze Postkartenserien haben diese Krankenschwester daraufhin in Frankreich wie in Großbritannien als aufrechte Märtyrerin gefeiert.74 Auf dem hier ausgewählten englischen, aber in Paris verlegten Bildbeispiel ist dieses Ereignis in einem düsteren, schwarz umrandeten Szenarium festgehalten, das einzig durch die darniederliegende Lichtgestalt der Erschossenen und den Schriftzug „Remember“ etwas aufgehellt wird (Abb. 94). Als besonders frevelhaft und barbarisch wurde die Tat in der alliierten Propaganda vor allem deswegen angeprangert, weil sie ausgerechnet gegenüber einer Krankenschwester begangen worden war. Die anhaltende Aufmerksamkeit und Wertschätzung, welcher sich die Krankenschwestern in der Bildpublizistik aller Länder im Ersten Weltkrieg erfreuten, hatte hauptsächlich mit ihrer vermittelnden Zwischenstellung zwischen Heimat und Front zu tun. Sie wurden gleichsam als menschliche Brücke zwischen beiden Sphären verstanden.75 Für die Soldaten im Feld erklärt sich die Idealisierung der Krankenschwestern einmal daraus, dass sie oftmals die einzigen weiblichen Wesen waren, welche die Soldaten über längere Zeitstrecken hinweg überhaupt zu Gesicht bekamen. Schon dieser Umstand

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für sich genommen machte sie attraktiv. Die Krankenschwestern wurden als Schutzengel der kämpfenden Soldaten stilisiert, wie im Falle eines vorstürmenden italienischen Fahnenträgers, gefolgt von einer Rot-Kreuz-Schwester, die ihm den Rücken frei hält, „vereint in der Liebe zum Vaterland“ (Abb. 95). Die entschlossenen Mienen der dicht beieinander stehenden, von der italienischen Trikolore umwehten und durch diese symbolhaft zusammengehaltenen Gestalten illustrieren außerdem den häufig proklamierten Kameradschaftsgedanken zwischen Soldaten und Krankenschwestern. Eine analoge russische Bildpostkarte ging noch weiter und ließ eine heldenhafte Krankenschwester sogar als Anführerin an der Spitze ihrer Landsleute zum Sturmangriff auf deutsche Soldaten marschieren. Das war aber nur die eine, politisch korrekte Seite des Krankenschwesternkultes. Daneben existierte noch eine libidinös aufgeladene Faszination, die sich in dem überlieferten Kartenmaterial ebenfalls nachweisen lässt und die mentalitätsgeschichtlich betrachtet wahrscheinlich den interessanteren Aspekt ausmacht: die Krankenschwester als Objekt der Begierde.76 Obwohl die Krankenschwestern in ihrer Tätigkeit grundsätzlich für alle ihnen anvertrauten verwundeten Soldaten zuständig und somit für den einzelnen Patienten prinzipiell unerreichbar waren und obwohl ihre Tracht Distanz und

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das Weiß Reinheit verhieß, blieb es nicht aus, dass sie von den männlichen Lazarettinsassen mitunter als heimliche Objekte der Begierde verehrt und begehrt wurden. Es war wohl genau die nicht auflösbare Spannung zwischen Unnahbarkeit und physischer Nähe, welche auf die liebeshungrigen Soldaten eine schier unbegrenzte Anziehungskraft ausübte. Eine in London erschienene Postkarte porträtierte einen solchen „Engel in Weiß“ (siehe Abb. 96), der mit unwiderstehlich verführerischem Augenaufschlag mehr als bloße Krankenpflege verspricht, unbeschadet des Roten Kreuzes im Hintergrund, das doch prinzipiell für ganz andere Ziele und für ein anderes Berufsethos stand. Kaum weniger attraktiv wurden gelegentlich ihre französischen Kolleginnen ins Bild gesetzt, wie in einer fiktiven Pariser Hospitalszene, wo zwei elegant gekleidete Krankenschwestern mit hochhackigen Pumps einem kopfverletzten „Poilu“ eine dampfende

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Suppe servieren und ihm lockend und anspielungsreich zugleich einen Apfel entgegenhalten (Abb. 97). Folgt man den einschlägigen Postkartenmotiven, so gingen manche Männerfantasien indes viel weiter und kreisten gelegentlich um mögliche, in Wirklichkeit aber selten realisierte Heiratsvisionen mit einer solchen properen, hübsch gestylten und dabei stets verfügbaren Krankenschwester. In eben diese Richtung wies eine Federzeichnung aus der Donaumonarchie. (Abb. 98) Auf einer deutschtschechisch untertitelten Werbekarte für das Desinfektionsmittel „Lysoform“ beugt sich eine junge Krankenschwester fürsorglich über einen Soldaten. Die geradezu intime Zweisamkeit der beiden, die mit dem hektischen Getriebe in den Lazaretten wenig zu tun hatte, suggeriert eine enge Beziehung, ebenso das Schwesternhäubchen, das ein wenig an einen Brautschmuck erinnert. Noch um einiges direkter war die Möglichkeit einer ehelichen Verbindung im Doppelporträt einer deutschen Krankenschwester und eines kopfverletzten Ordensträgers in Aussicht gestellt (Abb. 99). Deren inniges Miteinander enthält rein optisch bereits alle Anzeichen einer Paarbeziehung. Die augenscheinliche Nähe und die Mimik der einander zugewandten Gesichter waren von Vertrautheit, Fürsorge sowie von verzehrendschmachtender Hingabe gleichermaßen gekennzeichnet. Diese emo-

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tionale Gemengelage gebündelt ins Bild zu setzen, war sicher kein Zufall und dürfte im Einzelfall den Wunschvorstellungen verwundeter Soldaten entsprochen haben. Nicht zufällig war desgleichen die Verknüpfung zwischenmenschlicher Anziehungskraft der Geschlechter mit der patriotischen Übereinstimmung des Eisernen und des Roten Kreuzes. Im Kriegsalltag waren derartige Verbindungen oder auch nur Verbindungsversuche indes verboten, auf jeden Fall aber unerwünscht und wurden folglich auch verfolgt. Wie überhaupt eine allzu große Nähe und Einbindung der Krankenschwestern in die militärischen Strukturen mit größtem Argwohn verfolgt wurde, weil darin eine mögliche Aufweichung militärischer Hierarchien und Ordnungsprinzipien gesehen wurde. Allen übereinstimmenden Merkmalen zum Trotz, werden an den zahlreich überlieferten einschlägigen Kartenmotiven aber durchaus länder- und nationenspezifische Besonderheiten sowie größer

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geschnittene Kulturmuster sichtbar. So waren die Krankenschwestern auf englischen wie auf französischen Postkarten nicht selten als „Engel der Verführung“ mit einem kaum verhohlenen Sexappeal ausgestattet, wogegen ihre Kolleginnen in Zentral- und Osteuropa weitaus züchtiger und entsexualisierter ins Bild gesetzt wurden. Letzteres trifft in besonderem Maße auf die russischen Krankenschwestern zu, deren Uniform kaum von einer Nonnentracht zu unter100 scheiden war, was unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass die gesamte Krankenpflege in Russland in ihren Strukturen an klösterlichen Vorbildern orientiert war.77 Wie eine dezent kolorierte Grafik mit einer total verhüllten russischen Krankenschwester am Bett eines Schwerverwundeten vor Augen führt, konnte eine solchermaßen neutralisierte weibliche Pflegekraft sehr wohl mütterliche Fürsorge ausstrahlen, war aber im Unterschied zu ihren bildpublizistisch ganz anders herausgeputzten französischen Kolleginnen allein von ihrer Schwesterntracht her betrachtet kaum geeignet, irgendwelche Begehrlichkeiten männlicherseits zu provozieren (Abb. 100). Ob nun angehimmelt, verehrt oder respektvoll geschätzt, blieben die Krankenschwestern aller Krieg führenden Länder in den meisten Fällen doch in der Regel kaum erreichbare Objekte der Begierde. Zudem wurden Krankenschwestern realiter ja durchaus auch in ihren mütterlichen Funktionen erlebt. Insbesondere die hilflosen Schwer-

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verwundeten in den Feldlazaretten waren teilweise wie Kinder auf emotionale Zuwendungen von Krankenschwestern angewiesen: Sie waren es, die tröstend die Hände der verwundeten Soldaten hielten, ihnen vorlasen etc. Die Krankenschwester als Mutter und der verwundete Soldat als Sohn ist auch das Thema einer in Graz erschienen kolorierten Federzeichnung, welche diese Konstellation in einer pietaähnlichen Pose festhält, wobei das leuchtende Rote Kreuz auf der Armbinde der Schwester und am Horizont freilich Genesung verheißen (Abb. 101). Die nicht auflösbare Diskrepanz zwischen dem Idealbild einer fürsorglichen Mutter- oder Schwesterfigur – beide mit dem Inzestverbot belegt –, und den erotischen Wunschvorstellungen der betreuten Soldaten machte das besondere Reizklima in den Lazaretten aus. Manche Darstellungen suchten diesem Dilemma dadurch zu entgehen, dass sie die asexuelle Reinheit und Unnahbarkeit der Krankenschwestern absolut setzten, indem sie diese zu überirdischen Wesen stilisierten. Eine dreisprachig (tschechisch, deutsch und ungarisch) betitelte Bildpostkarte aus der Habsburgermonarchie zeigt eine solche „Göttin der Barmherzigkeit“, die in weißen Schleiern eingehüllt, ihre heilenden Hände über dem Kopfverband eines erschöpften Soldaten hält (Abb. 102). Auch wenn sie mit dieser Geste einen

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konkreten Beistand leistet und im Hintergrund ein Schlachtfeld zu sehen ist, gleicht ihre durchgeistigte Erscheinung doch eher einer Madonna als einer irdischen Krankenschwester.

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Die in der Kapitelüberschrift aufgeworfene Frage, ob die Krankenschwestern als verlässliche Kameradinnen oder als begehrenswerte Lustobjekte dargestellt und angesehen wurden, bleibt also offen und ist anhand des vorliegenden Bildmaterials nicht eindeutig zu beantworten. Beide Varianten lassen sich gleichermaßen nachweisen. Die dazugehörige männliche Perspektive wurde einerseits von bestimmten landeseigenen Kulturmustern bestimmt und wechselte außerdem situationsabhängig: Im Extremfall schwerster Verwundung und Frontnähe dürfte der Kameradschafts- und Mütterlichkeitsaspekt überwogen haben. In der ruhigeren Atmosphäre der Etappe und in den Männerfantasien kamen jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erotische Erwartungen und Wünsche mit ins Spiel.

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uf den ersten Blick fällt es schwer, sich vorzustellen, dass dieser erste Massenvernichtungskrieg mit seinen erbarmungslosen Materialschlachten, seinem Massensterben und dem Elend der betroffenen Zivilbevölkerung in irgendeiner Weise dazu angetan sein konnte, erotische Stimmungen zu erzeugen und eine entsprechende Abenteuerlust zu stimulieren. Doch gerade die angespannte Atmosphäre des Krieges, die erzwungene Trennung von Frauen und Männern und die daraus resultierende Abwesenheit tatsächlicher oder potenzieller Partner und Partnerinnen trug allen widrigen Umständen zum Trotz zu einer Überhitzung sexueller Fantasien und Begehrlichkeiten bei.78 Jedenfalls scheinen solche Aspekte im öffentlichen Bewusstsein eine nicht unerhebliche Rolle gespielt zu haben, wie u. a. entsprechende Motive auf zeitgenössischen Bildpostkarten sichtbar machen. Liebesbeziehungen zwischen Mann und Frau ausschließlich auf legitime Partnerschaften innerhalb der jeweiligen Gesellschaft zu fokussieren, mochte im Sinne der Kriegspropaganda sein und den guten Vorsätzen der Soldaten sowie den Wünschen der daheim gebliebenen Frauen entsprochen haben. Strikt durchhalten ließ sich diese Maxime aber nicht, da sie von gegenteiligen, vornehmlich männlichen Wunschvorstellungen und sexuellen Notständen konterkariert und Lügen gestraft wurde. Man braucht in diesem Zusammenhang nur an die zahlreichen, speziell für Soldaten eingerichteten Feldbordelle unmittelbar hinter den Frontlinien zu erinnern, an die florierenden Bordellbetriebe in der Etappe sowie an die unkontrollierte Prostitution, zu der sich verarmte Frauen in der Heimat wie in den

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besetzten Gebieten genötigt sahen, um den Unterhalt für sich und ihre Kinder zu bestreiten. In Anbetracht des rasanten Anstiegs venerischer Krankheiten waren darum die Klagen staatlicher Gesundheitsbehörden in den einzelnen Ländern über eine zunehmende sittliche Verwilderung mehr als bloß moralisierende Appelle.79 Alle diese Erscheinungen waren mit gesellschaftlichen Tabus behaftet und wenig geeignet, auf öffentlich kommunizierten Bildpostkarten thematisiert zu werden. Dort wurde vielmehr ein idealisiertes Kontrastprogramm zwischengeschlechtlicher Beziehungsmuster hochgehalten und die Gleichsetzung von Treue zum Vaterland und zur Liebsten daheim beschworen. Damit war jedoch immer nur eine Seite möglicher Sehnsüchte nach dem anderen Geschlecht artikuliert. Daneben existierten kriegsbedingte Begehrlichkeiten, die nicht in dieses Schema passten. Die Abwesenheit der an die Front eingezogenen Männer und der Arbeitseinsatz vieler Frauen in den Fabriken trugen zweifellos zu einer Lockerung der herkömmlichen Sexualmoral bei den daheim gebliebenen Frauen bei, auch wenn die Auswirkungen schichtenspezifisch und in den einzelnen Krieg führenden Ländern unterschiedlich ausfielen. Generell ist jedoch in Rechnung zu stellen, dass die Frauen daheim einer viel rigideren sozialen Kontrolle unterworfen waren als die Männer an der Front, die in fremder Umgebung und unter außergewöhnlichen Lebensbedingungen ihre sexuellen Fantasien und Begierden viel ungenierter auszuleben imstande waren. Infolgedessen fiel der Widerspruch zwischen den schwülstigen Treueversprechen den daheim gebliebenen Frauen gegenüber und dem geheimen Verlangen oder tatsächlichem Sexualverhalten der Soldaten in der Fremde besonders krass aus. Der Erste Weltkrieg brachte viele Männer wie Frauen außerdem erstmalig in Kontakt zu fremden Ländern, Kulturen und Menschen. Soldaten machten diese Erfahrungen in den eroberten Gebieten, Frauen im Kontakt mit den Eroberern wie etwa in Belgien und auf dem Balkan oder mit Kriegsgefangenen in Deutschland. In Anbetracht des notorischen Männermangels ergaben sich daraus mitunter offiziell nicht gern gesehene und sogar behördlich verfolgte zwischenmenschliche Verbindungen von Frauen

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mit Angehörigen befreundeter wie nicht befreundeter Staaten und Nationen. Solche und andere Partnerbeziehungen sind in der Postkartenpropaganda wiederholt thematisiert worden, wenngleich

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sorgsam darauf geachtet wurde, dass sie nicht in Widerspruch zur Kampfmoral an der Front und zum Durchhaltewillen in der Heimat gerieten. Erlaubt war indessen die Hervorhebung besonderer Reize fremdländischer Frauen. Hierzu ist anzumerken, dass kriegsbedingte Kontakte mit fremden Völkern stets von einem touristischen Blick und von der Suche nach Exotik geprägt waren – und Frauen waren hierbei seit jeher begehrte Zielobjekte.80 Je andersartiger die Frauen aussahen, je weniger eine unmittelbare sprachliche Verständigung möglich war, desto weniger wurden sie als individuelle Personen wahrgenommen, desto objekthafter und begehrenswerter erschienen sie und desto mehr waren sie gleichzeitig passiv auf ihre Geschlechtlichkeit reduziert. Die Attraktivität „anderer Mädchen“ in „anderen Städtchen“ war darum geeignet, den Eroberungswillen in feindlichen Territorien bzw. die Verteidigungsbereitschaft in befreundeten Staaten zu stärken. Vorläufer solcher Männerfantasien waren schon zu Friedenszeiten bei der Kombination von Marinesoldaten und kaum bekleideten dunkelhäutigen Schönheiten der Kolonien auf Bildpostkarten üblich gewesen. Eine französische Karte aus dem Ersten Weltkrieg übertrug dieses Beuteschema auf Italien, wo französische Flottenverbände für die Sicherung der Schifffahrtsverbindungen im Mittelmeer zuständig waren. Inhalt dieser farbigen Grafik ist die Begegnung eines französischen Marinesoldaten mit einer jungen Neapolitanerin, die auf dem Kopf einen Korb mit Mandarinen trägt, die den Franzosen aber sichtlich nicht interessieren. Er fragt vielmehr dreist nach dem Preis der zwei nicht gepflückten Mandarinen in der Bluse seines Gegenübers (Abb. 103). Wesentlich zurückhaltender und indirekter war die Bildbotschaft einer britischen Postkarte formuliert: Darauf schlendert eine hübsche italienische Trachtenträgerin mit einer bauchigen Weinflasche im Arm allein an der Mittelmeerküste unterhalb des Vesuvs entlang. Das gesamte Motiv hätte ebenso gut einem unpolitischen Reiseprospekt entnommen sein können. Auch der Untertitel: „Italy. The land, where our dreams come true“ (Italien, das Land, in dem unsere Wünsche wahr werden), kam einer allgemeinen touristi-

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schen Werbeformel gleich und deutete von sich aus nicht darauf hin, dass seit November 1917 ein britisches Expeditionskorps auf italienischem Boden operierte. Doch erst vor diesem Hintergrund gewinnen Bild und Text eine kriegsrelevante Bedeutung, die als aufmunternder Appell an die britischen Soldaten zu verstehen ist. Deutsche wie österreichische Karten enthielten vielfach geografisch und ethnisch nicht näher spezifizierte Darstellungen von Frauengestalten, die mehrheitlich in östlichen ländlichen Trachten gekleidet waren. Ein schönes Beispiel dieser Art bietet ein am 31. 10. 1915 abgeschicktes Motiv aus Wilna, dessen Titel als Vorlage für die Überschrift dieses Kapitel gedient hat (Abb. 104). Die darauf abgebildete junge Frau, von zwei Landsern interessiert und neugierig gemustert, könnte von ihrer Kleidung her verschiedenen osteuropäischen Regionen zugeordnet werden, wo deutsche und österreichische Truppenverbände zeitweilig oder dauerhaft stationiert waren. Der Ziehbrunnen im Hintergrund hilft für eine genauere Identifizierung auch nicht weiter, war er doch als visuelle Kennmarke für ganz Osteuropa in Gebrauch. Weitaus ungenierter verhalten sich drei deutsche Landser bei ihrer Begegnung mit „Jungfern der Zivilbevölkerung“ – so die handschriftliche Bildunterschrift – im eroberten Russisch-Polen auf einer undatierten, privaten Originalfotografie, die aber als Postkarte vervielfältigt worden war. Darauf nähern sich drei Landser mehreren barfüßigen Frauen vor einem strohgedeckten Holzhaus. In der Bildmitte ist ein direkter Kontakt festgehalten: Ein deutscher Soldat nestelt am Kopftuch einer offensichtlich genierten jungen Frau, während seine Kameraden genüsslich in die Kamera grinsen. Diese hier nicht wiedergegebene Aufnahme dokumentiert in eindrucksvoller Weise den kolonialistischen Habitus der Eroberer, für die fremde Frauen zur selbstverständlichen Beute gehörten. Sie belegt außerdem, dass solche männlichen Begehrlichkeiten keinesfalls nur fantasievolle Kopfgeburten waren, sondern durchaus der Wirklichkeit entsprochen haben. Verführerisch aufgeladen ist die Begegnung eines deutschen Ulanen, der an der Weichsel „gegen Osten“ hoch zu Ross mit einem „schönen Mädchen“. zusammentrifft, das ihm einen Blumenstrauß

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überreicht und erwartungsvoll zu ihm hinaufschaut. Der Reitersmann lässt sich darauf ein und ist zum Absteigen bereit: „Küssen muss ich dich auf Posten/Sollt es gleich mein Leben kosten/Ei, so mag uns Gott bewahren vor so vielen Feindesscharen“, heißt es doppeldeutig in den Abschlusszeilen des gleichnamigen Volksliedes aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Bemerkenswert ist, dass es sich hierbei um die deutsche Variante eines polnischen Liedes aus der Zeit des polnischen Freiheitskampfes von 1830/31 gegen die russische Vorherrschaft handelte. Die Konstellation „Soldat und schönes fremdes Mädchen im Krieg“ wurde nun, wenn auch geografisch und zeitlich versetzt, vom nationalistischen „Verein für das Deutschtum im Ausland“ (VDA) für ein Postkartenmotiv verwendet (Abb. 105). Der Berliner Verlag der „Lustigen Blätter“ brachte eine eigene Bildpostkartenreihe zum Thema exotische Frauen heraus. Auf ei-

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nem dieser Motive raucht ein deutscher Offizier mit drei bunt gekleideten glutäugigen Zigeunerinnen – vermutlich in Rumänien – eine Zigarette (Abb. 106); und wieder diente ein militärischer Begriff: („Feuerstellung“) zur Charakterisierung der für den Deutschen „brenzligen“ Situation. Dieselbe Serie enthielt freilich auch Frauenbilder, die sich eindeutiger zuordnen lassen, wie etwa im Falle einer Brunnenszene mit zwei Bulgarinnen in Anwesenheit eines bulgarischen Soldaten (Abb. 107). Die Faszination, die von diesem temperamentvollen Frauentypus ausging, muss bei den in Bulgarien stationierten deutschen Soldaten und Offizieren groß gewesen sein, auch wenn direkten Kontakten wegen der Zurückhaltung der traditionsgebundenen Bulgarinnen enge Grenzen gesetzt waren.81 Aus der mondänen Welt von Konstantinopel stammt eine Straßenszene mit einer halbverschleierten osmanischen Schönheit in einem kaftanartig geschnittenen blau-gelben Oberkleid (Abb. 108). Dabei handelt es

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sich offensichtlich um eine romantisierend-orientalisierende Darstellungsweise – der Untertitel spricht gleichfalls für diese Annahme –, war es doch eher zweifelhaft, ob eine Dame in der Hauptstadt damals derartig gewandet aufgetreten wäre. Hinter ihr stehen zwei türkische Offiziere mit dem charakteristischen „Kalpak“ auf dem Kopf und Ordensbändern an der Uniform. Eine direkte optische Verbindung zwischen der Osmanin und einem Deutschen wurde folglich nicht hergestellt. Diese Zurückhaltung dürfte den Verbündeten gegenüber geschuldet sein und wohl auch der Realität entsprochen haben. Im Unterschied zu den teilweise übersexualisiert dargestellten Frauentypen gegnerischer Nationen, wurden die Frauen verbündeter Staaten anscheinend trotz ihrer Reize zu Tabuzonen deklariert. Bloße Wunschvorstellung sollte ein „Gruß aus Paris“ bleiben, auf dem zwei deutsche Landser mit zwei kurvenreichen Pariserinnen in tief ausgeschnittenen Kleidern vor dem berühmten „Moulin Rouge“ das Tanzbein schwingen (Abb. 109). Welche genüsslichen Nebeneffekte mit solchen Erwartungen verbunden wurden, ist auf der am 15. 12. 1914 abgestempelten Postkarte unschwer zu erkennen. Paris wurde aber bekanntlich während des ganzen Krieges niemals besetzt, trotz teilweise gefährlicher Vorstöße deutscher Truppenverbände und wiederholter Luftangriffe auf die französische Hauptstadt. Auf den Straßen von Paris flanierten unterdessen bis zur Oktoberrevolution elegant gekleidete russische Verbindungsoffiziere und stellten den nicht minder schick ausstaffierten Pariserinnen nach, wenn man einer französischen Bildpostkarte Glauben schen-

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ken darf (Abb. 110). Am 4. 7. 1917 paradierten dann schon US-amerikanische Truppen in Paris und wurden von der Bevölkerung jubelnd empfangen. Auf die Ebene einer Paar­b eziehung projiziert, stellte sich das französisch-amerikanische Verhältnis als das vertrauliche Miteinander eines Yankees mit einer Pari­serin dar, die ihm dankbar eine Rose überreicht (Abb. 111). Mit der Kategorie „andere Städt­ chen, andere Mädchen“ ist eine nicht unwesentliche, bislang aber noch viel zu wenig beachtete Facette von Männerfantasien im Ersten Weltkrieg erfasst, die sich schlichtweg aus dem geheimen Wunsch der Soldaten nach einer jederzeit und vorbehaltlos verfügbaren Geliebten herleitete.82 Wäh-

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rend in den Heroinen, Schutzengeln oder den Krankenschwestern unerreichbar schöne Ideale ins Bild gesetzt waren und in den HerzSchmerz-Karten der ewig treuen Gattinnen und Liebchen gedacht

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wurde, dienten exotisch anmutende fremde Mädchen und Frauen als willkommene visuelle Anreize für die Soldaten, ihren sexuellen Notstand wenigstens visuell zu befriedigen. Wie aus der Geschichte der Okkupationsgebiete in allen Teilen Europas hervorgeht, lagen hierbei Faszination und Gewaltbereitschaft nah beieinander. Eine italienische Federzeichnung skizziert einen Moment, in welchem beide Aspekte sich noch in etwa die Waage halten (Abb. 112) Unter der eher nüchternen militärischen Meldung: „Der Kern der russischen Streitkräfte droht, die Bukowina zu betreten“, werfen zwei aus dem Gebüsch heraus vorwärts drängende russische Soldaten gierige Blicke auf die verlockende Rückenansicht einer Bukowinerin – welcher Nationalität auch immer –, die gerade mit Garten- oder Feldarbeit beschäftigt ist und offensichtlich noch nicht ahnt, wer sich ihr mit welchen Absichten von hinten nähert. Was hier noch einigermaßen humorvoll skizziert wurde, entsprach der bitteren Realität. Die mehrfache Besetzung der Bukowina durch russische Truppen war regelmäßig mit Vergewaltigungen verbunden. Unmittelbare Gewaltanwendungen gegen Frauen im Krieg haben bekanntlich eine unsäglich lange, bis heute nicht abgeschlossene Tradition in der Geschichte der Geschlechterbeziehungen, sie sind auch im Ersten Weltkrieg nicht ausgeblieben, wenngleich sie damals

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kein Massenphänomen gewesen sind. Hinter solchen grausamen und menschenverachtenden Taten standen aber seit jeher nicht in erster Linie entfesselte sexuelle Triebkräfte, sondern vielmehr Vorstellungen, den weiblichen Körper als Teil des feindlichen Territoriums zu begreifen und darum selbstverständlich in Anspruch nehmen zu können.83 Mit solchen Gewaltakten sollte außerdem dem feindlichen männlichen Gegenüber unmissverständlich bedeutet werden, dass seine Niederlage definitiv und total sei. Die Kehrseite dieser Auffassung war wiederum eine selbst auferlegte Schutzverpflichtung aller Soldaten der „jungfräulichen“ Heimaterde gegenüber – ein Denkmuster, das gleichfalls in Bildmotiven umgesetzt worden ist.

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Heldentod und Frauenleid

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n den fünf Jahren des Ersten Weltkrieges fielen an allen Fronten mehr als zehn Millionen Soldaten oder starben an ihren Kriegsverletzungen, d. h. mehr als doppelt so viele wie in allen anderen vorausgegangenen Kriegen zwischen 1790 und 1914.84 Dabei sind in dieser ungeheuer großen Zahl die zivilen Opfer noch nicht einmal mitgerechnet. Nie zuvor hatte ein Krieg solch verheerende Folgen gezeitigt und einen so hohen Blutzoll gefordert, wenn man stellvertretend nur an die ebenso gigantischen wie zermürbenden Materialschlachten an der Westfront denkt, in deren Verlauf Hunderttausende oft nicht viel mehr als Kanonenfutter waren. Was hier mit den Soldaten passierte, hatte mit dem Ideal einer ritterlich ausgetragenen Fehde mit quasi sportlich ausgetragenen Mann-gegen-Mann-Gefechten schon längst nichts mehr zu tun. Viele Soldaten waren aber genau mit solchen Vorstellungen in den Krieg gezogen und wurden nun, mental unvorbereitet, plötzlich und auf brutale Art und Weise eines Schlimmeren belehrt.85 Der massenhafte Soldatentod zog auf allen Seiten schwerwiegende und nachhaltige Konsequenzen nach sich, die das Kriegsende überdauern sollten. Er trug nicht nur zur allmählichen Desillusionierung oder Demoralisierung der Soldaten bei, sondern dezimierte die Gesamtbevölkerung de facto auf lange Sicht und brachte viel Leid für die Angehörigen mit sich, allen voran für die hinterbliebenen Frauen. Deren Trauer über den Verlust des Ehepartners, des Vaters, Sohnes, Onkels stellte aber längst nicht die alleinige Dimension derartiger Katastrophen dar. Denn der Wegfall des Ernährers der Familie stürzte viele Frauen samt ihren Kindern darüber hinaus vielfach auch in große materielle Not und bescherte ihnen eine ungewisse Zukunft, zumal sich staatliche Unterstützungsmaßnahmen dauer-

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haft als unzureichend erweisen sollten. Obschon diese dunkle Seite des Krieges von Anfang an präsent war und mit jedem Kriegsjahr an Brisanz zunahm, konnte es nicht im Interesse der Kriegspropaganda liegen, das Thema in den Vordergrund zu stellen, und vor allem nicht daran, es realistisch auszuleuchten, waren doch alle kriegführenden Mächte darauf bedacht, den Kampfeswillen ihrer Soldaten unter allen Umständen aufrechtzuerhalten und nicht durch Bekanntgabe deprimierender Verlustbilanzen zu mindern. Obwohl z. B. sehr viele Kriegsfotografen an allen Fronten unterwegs waren, gelangten aus diesem Grund Aufnahmen von gefallenen Soldaten vergleichsweise selten an die Öffentlichkeit.86 Wenn diese heikle Problematik dennoch in der Bildpublizistik aufgegriffen wurde, so geschah dies stets in einer Art und Weise, die letztlich einer Verhöhnung der individuell erduldeten Leiderfahrungen gleichkam. Die geringsten Skrupel bestanden offensichtlich, Leichen gefallener Soldaten des Gegners summarisch zur Darstellung zu bringen. Sie wurden bezeichnenderweise meist in großer Zahl und gesichtslos auf Schlachtengemälden abgebildet – im Kontrast und als Negativfolie zu den immer vorwärts stürmenden eigenen Truppenverbänden. Die eigenen Gefallenen wurden demgegenüber stets als achtungsgebietende und verehrungswürdige Einzelpersonen visualisiert, als ob das Massensterben im Ersten Weltkrieg lediglich die Feinde betroffen hätte und für die eigenen Gefallenen immer noch das Ideal des individuellen Heldentodes seine volle Gültigkeit behalten hätte. Mit pietätvoller Trauer hatte dieses Verfahren relativ wenig zu tun. Vielmehr ging es darum, dem sinnlosen Massensterben mit markigen Durchhalteparolen nachträglich noch eine Legitimation und einen Sinn zu verleihen – allen tagtäglich an der Front erlebten gegenteiligen Erfahrungen zum Trotz. Der „Heldentod“ auf dem „Feld der Ehre“ wurde als letzte Konsequenz patriotischer Pflichterfüllung gerechtfertigt, getreu der schon im Römischen Kaiserreich gebräuchlichen und schon damals falschen Parole, wonach es „süß und ehrenvoll“ sein sollte, für das Vaterland das Leben zu lassen. Dass im Zeitalter moderner Massenvernichtungswaffen wie z. B. schwerer Artillerie, Gasbomben,

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Minen und Maschinengewehren das Ideal eines individuellen Heldentodes überhaupt nicht mehr zu rechtfertigen war, weil der Mut des einzelnen Soldaten unter den Bedingungen einer anonym mordenden Kriegsmaschinerie gar nicht mehr von ausschlaggebender Bedeutung sein konnte, wurde der Öffentlichkeit gegenüber tunlichst verschwiegen. Sprachlich wurde dieser Tatsache jedoch teilweise dadurch Rechnung getragen, dass in Anbetracht steigender Menschenverluste immer häufiger vom „Opfertod“ statt vom „Heldentod“ die Rede war. Was unter den Soldaten an der Front Unmut, Schrecken, Verzweiflung oder Abstumpfung auslöste, wurde an der Heimatfront oftmals unverdrossen weiterhin proklamiert: Der Soldatentod wurde im Geiste eines abgehobenen Heldenkultes ästhetisiert und verherrlicht – und patriotisch gesinnte Frauenverbände waren an der Aufrechterhaltung dieser unhaltbaren, weil menschenverachtenden ideologischen Fassade durchaus mitbeteiligt.87 Die Notwendigkeit, sinnlose Menschenopfer als Heldentod umzudeuten, sollte aber nicht nur die Kampfbereitschaft der lebenden Soldaten erhalten, sondern war zugleich dazu gedacht, den hinterbliebenen Ehefrauen, Müttern, Schwestern und Geliebten eine vermeintliche moralische Hilfe bei der Bewältigung ihrer individuellen Leiderfahrung bereitzustellen. Den betroffenen Frauen wurde mit derlei Ansinnen aber mehr aufgebürdet als geholfen. Wie schon lange vor Kriegsausbruch üblich, wurden Frauen aufgrund der ihnen zugeschriebenen besonderen Gefühlskompetenz als besonders geeignet erachtet, Kummer und Leid auszudrücken und zu verkörpern. Der Habitus weiblicher Trauer wurde somit als geschlechtsspezifische Rollenzuweisung verstanden und dementsprechend kultiviert. Vorläufer und Muster für den Trauerkult der Frauen im und nach dem Ersten Weltkrieg lieferten u. a. die weiblichen Grabmalskulpturen, wie sie seit dem 18. Jahrhundert auf den Friedhöfen aufgestellt worden waren. Dabei handelte es sich um ebenso anonyme wie gefühlsbetont stilisierte weibliche Figuren, die Trauer und Abschied verkörpern sollten.88 Wieder waren es Engel, die auf dem Schlachtfeld zur Stelle waren, um den Toten die letzte Ehre zu erweisen, nachdem ihre Schutzfunk-

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tion zuvor offensichtlich versagt hatte. „Ruhm den Helden“, lautete die Unterschrift einer undatierten französischen Karte, auf welcher ein in weite weiße Gewänder gehüllter weiblicher Engel Siegespalmen auf einem düsteren, völlig zerstörten und mit Grabkreuzen übersäten Schlachtfeld verteilt (Abb. 113). Für das Gros der überlieferten Trauerkarten lassen sich grob zwei verschiedene Blickwinkel unterscheiden: Einmal war es die Sicht des sterbenden Helden, dessen letzte Gedanken um seine Frau und seine Kinder kreisen, die ihm ein letztes Mal in einer Vision am Himmel erscheinen, wie auf dem hier wiedergegebenen deutschen Bildbeispiel (Abb. 114). Die zweite und sicherlich zahlreichere Gruppe thematisierte die Perspektive der trauernden Frauen, womit keinesfalls nur die Kriegerwitwen gemeint waren. Abermals wurde „die Mutter aller Mütter“, die Gottesmutter Maria, als höchste trostspendende Instanz angerufen. Es kam sogar vor, dass ihr in der Bildtradition der Pieta ein gefallener Soldat der jeweils eigenen Armee in den Schoß gelegt wurde. Eine kolorierte Zeichnung aus Toulouse präsentierte eine Mater Dolorosa in Nonnentracht, die ihre Hand mitfühlend auf die Schulter einer trauernden irdischen Mutter legt (Abb. 115). Den gekreuzigten Heiland im Rücken, gibt Maria der Trauernden zu verstehen, dass sie deren Schmerz aus eigener Erfahrung nachempfinden

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kann, fordert sie aber zugleich auf, sich ihrem Schutz anzuvertrauen. War eine solche religiöse Rückbindung weiblicher Trauer noch bis zu einem gewissen Grad angemessen und nachvollziehbar, so kam dagegen das hohle patriotische Heldenpathos vieler Kriegskarten einer bewussten Ignorierung der Gefühlslage trauernder Frauen gleich. Trauerbezeugungen für die Gefallenen wurden beispielsweise von den weiblichen Kollektivfiguren der einzelnen Länder vorgenommen. So entbietet eine kniende „Francia“ dem vor ihr liegenden gefallenen Soldaten einen letzten Abschiedsgruß und breitet auf offenem Feld die französische Trikolore über seinen Leichnam (Abb. 116). Mit dieser Geste gewinnt die Szene geradezu den Charakter eines Staatsaktes. Auf einer am 15. 1. 1916

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in Wien abgestempelten Karte ist wiederum das 1915 auf dem Wiener Zentralfriedhof errichtete überlebensgroße Kriegergrabmal zu sehen, zu dessen Füßen eine trauernde Austria einen Lorbeerkranz

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niederlegt (Abb. 117). Ihr wie allen anderen trauernden Frauen sind folgende Worte in den Mund gelegt: „Vorm Kriegerdenkmal Leid durchdrungen, denkst du der vielen Braven nun, die für ihr Vaterland gerungen, gefallen – hier in Frieden ruh’n. Blick auf zum Grabmal ohne Klagen, quillt dir vom Auge auch die Zähre – nur ein Gedanke muss Dich tragen: Mehr als das Leben gilt die Ehre!“ – In vergleichbarer Geste agiert eine trauernde „Germania“, die vor einer Eiche stehend einen Kranz über ein Soldatengrab hält, über das ein deutscher Adler mit einem Eisernen Kreuz im Schnabel schwebt (Abb. 118). In den hinzugefügten Reimen ist ebenfalls von „freudig hingegebenem Leben“, vom „Dank des Vaterlandes“ und von treuem Gedenken

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die Rede. Geehrt wurden immer nur und ausschließlich die eigenen Helden, wie auf einer weiteren deutschen Karte mit einem wohl eben erst gefallenen deutschen Soldaten (Abb. 119), dem eine „Germania“ einen Siegeskranz entgegenhält. Der nur wenige Meter weiter liegende Franzose, den offensichtlich das gleiche Schicksal ereilt hatte, bleibt dagegen von der Totenehrung ausgenommen. Der länderübergreifende Einsatz weiblicher Kollektivfiguren zur Versinnbildlichung der Trauer für die Gefallenen verwischte nicht nur die Grenzen zwischen öffentlich zelebriertem Gedenken und privatem Trauern, sondern ersetzte eines durch das andere. Denn wenn „Francia“ eine Trikolore über einen gefallenen französischen Soldaten ausbreitet und „Germania“ einen Lorbeerkranz über einen deutschen Soldaten hält, dann hat das mit tief empfundener Trauer relativ wenig, mit Heldenkult dagegen sehr viel zu tun. An diesen Bildbeispielen wird ersichtlich, dass nicht nur der Heldentod, der in Wirklichkeit nur mehr ein massenhaftes und „namenloses Sterben“ war, in unzutreffender Weise als persönlich erbrachtes Opfer fürs Vaterland hingestellt wurde, sondern gleichzeitig auch das daraus resultierende Frauenleid auf eine patriotisch-heroische Art und Weise uminterpretiert und damit gerechtfertigt wurde. Der individuelle Leidensdruck der Frauen wurde solchermaßen vergemeinschaftet und in einen kollektiven Glauben an die Sinnhaftigkeit der Kriegsopfer umgemünzt.89 Nationalistische Frauenvereine taten ein Übriges, um ihre Geschlechtsgenossinnen in Wort und Bild dazu anzuhalten, ihren individuellen Schmerz über den Verlust ihrer Männer, Väter und Brüder als einen notwendigen Beitrag für den Ruhm und den Erhalt des Vaterlandes zu begreifen und in diesem Sinne zu akzeptieren. Von den hinterbliebenen Frauen wurde demnach erwartet, dass sie sich nicht ihrem individuellen Schmerz und ihrer Trauer hingaben, sondern sich nun umso eifriger den fortbestehenden Gemeinschaftsaufgaben an der Heimatfront widmen sollten. Damit war die wohl extremste Form seelischer Selbstausbeutung eingefordert und der Missbrauch privater Gefühlslagen auf die Spitze getrieben. Abweichend von solchen massiven ideologischen Vorgaben nennt der mehrsprachige Untertitel einer Trauerkarte aus der Habsburger-

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monarchie das Problem der verwitweten Frauen ungeschminkt beim Namen: Im Zentrum einer in düsteren Farben ausgemalten Friedhofsszene liegt eine Frau ausgestreckt und „verlassen“ auf dem Grab ihres gefallenen Mannes (Abb. 120). Weniger theatralisch und darum eindrucksvoller war die viel bescheidenere und lebensnahe Bildbotschaft einer 1917 vom Bayerischen Landeskomitee des Roten Kreuzes herausgegebenen, dezent kolorierten Künstlerkarte: Unter der kargen Überschrift „Opfertag“ kauert eine in sich zusammengesunkene Frauengestalt auf einer Grabumrandung, den Kopf auf ihre Knie gesenkt und die Beine mit beiden Händen umklammernd. Grabstein mit Eisernem Kreuz und Lorbeerkranz sind keinesfalls zentral gesetzt, sondern dienen lediglich der Erläuterung der dargestellten Gefühlslage (Abb. 121). Schlichter und zugleich eindrucksvoller war die Verzweiflung von Witwen kaum ins Bild zu setzen. Das Frauenleid beschränkte sich indes nicht allein auf die Ver-

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arbeitung des vermeintlichen Heldentodes der gefallenen Männer, sondern fand seine Fortsetzung in der deprimierenden Konfrontation mit den Kriegsinvaliden, die in großer Zahl nach Hause zurückkehrten und dauerhaft auf Hilfe angewiesen waren.90 Eine Münchner Werbekarte der „Ludendorff-Spende für Kriegsbeschädigte“ machte auf dieses in ganz Europa präsente Phänomen aufmerksam (Abb. 122). Obwohl das Hilfswerk den Namen eines der angesehensten deutschen Generäle trug und dieser auch den Ehrenvorsitz inne hatte, ist es eine weiß gekleidete Frau, die sich um die Versehrten kümmert – eine Kompetenzverteilung zwischen Mann und Frau, die nicht nur in diesem konkreten Einzelfall durchaus den damaligen Gegebenheiten entsprach. Realitätsnäher als die eingangs präsentierten Trauerkarten waren auch Motive, die sich mit der großen Zahl der Kriegswaisen befassten. Dieses Thema wurde bereits in den ersten Kriegsjahren so

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wichtig, dass es in der Öffentlichkeit nicht einfach verschwiegen werden konnte. Geistliche Einrichtungen, private Wohltätigkeitsorganisationen, spezielle Hilfskomitees, aber auch staatliche Initiativen wie z. B. der 1916 ins Leben gerufene deutsche „Zentralausschuss für Kriegspatenschaften“ suchten die größte materielle Not zu mildern. Für die belgischen und französischen Opfer engagierten sich auf internationaler Ebene unter anderen britische, amerikanische und schweizerische Einrichtungen durch Schaffung von Waisenhäusern. Hauptakteure waren wieder in erster Linie Frauen, die ihre karitative Tätigkeit weit über das Kriegsende hinaus fortsetzten. Teilweise wurden solche Hilfsaktionen für die Hinterbliebenen eines bestimmten Regimentes organisiert, wie eine tschechischsprachige Reklamekarte für einen Unterstützungsfonds belegt. (Abb. 123) Eine in der französischen Schweiz herausgegebene Karte demonstriert wiederum den hohen Anteil an Nonnen bei der kirchlich organisierten Waisenbetreuung, die auf diesem Gebiet bereits zu Friedenszeiten tätig gewesen sind und dementsprechend über einschlägige Erfahrungen verfügten. (Abb. 124) Die Leiden und die Konsequenzen des Krieges waren also für Frauen vielfältiger Natur und keineswegs nur mit dem Soldatentod verbunden. Auch diese zusätzlichen Aufgabenbereiche und Tätigkeitsfelder entsprachen wiederum einer traditionellen Rollenzuschreibung, die aber nur deswegen funktionieren konnte, weil sie von einem entsprechenden Rollenverständnis vieler Frauen mitgetragen bzw. geduldet wurde.

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ekanntlich haben der Ausgang und die Folgen des Ersten Weltkrieges das Gesicht des alten Europas total verändert: Altehrwürdige Imperien sind auseinander gebrochen, eingespielte Machtkonstellationen waren hinfällig geworden und zahlreiche neue Staaten erschienen plötzlich auf der politischen Landkarte des Kontinents. Alle diese gravierenden Veränderungen mussten symbolpolitisch verarbeitet werden und erforderten zwingend eine Neujustierung kollektiver Identitäten. Weibliche Allegorien, die gleich bei Kriegsbeginn eine große Rolle gespielt hatten, gewannen in diesem Zusammenhang abermals an Bedeutung. Die Auseinandersetzung mit den höchst unterschiedlichen Ergebnissen und Konsequenzen des Kriegsausgangs für die einzelnen Länder und Völker Europas folgte dabei altbekannten Mustern. So wenig die Berufung auf weibliche Identifikationsfiguren und personifizierte Ideale eine Erfindung des Ersten Weltkrieges gewesen ist, so wenig waren entsprechende symbolpolitische Praktiken mit dem Ende des „großen Völkerringens“ plötzlich außer Kraft gesetzt. Sieg und Niederlage wurden weiterhin nicht so sehr mit Persönlichkeiten aus Militär und Politik in Verbindung gebracht, sondern mithilfe weiblicher Allegorien inszeniert. Hierbei ist noch einmal daran zu erinnern, dass der Frieden in Gestalt eines weiblichen Engels schon während des Krieges in ganz Europa wiederholt beschworen worden war. Doch selbst nach Kriegsende wurde der Frieden größtenteils als „Siegfrieden“ verstanden. Auf einer in London veröffentlichten, aber in Rumänien beschrifteten Karte wird der alliierte Sieg machtbewusst zelebriert (Abb. 125). Im Zentrum thront ein Siegesengel auf einem

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Globus, umgeben von 16 Staatsflaggen und eingerahmt von Lorbeerblättern und einer Siegespalme. Die Farbenpracht der Fahnen kon­ trastiert dabei nicht zufällig zum schlichten Grauton einer weiblichen „Victory“, deren Farbgebung zweifellos die Zeitlosigkeit dieses Sieges markieren sollte. Die Möglichkeit einer Niederlage war während des Krieges in keinem der beteiligten Staaten öffentlich thematisiert worden. 1918/19 galt es aber, Bilanz zu ziehen und Sieg oder Niederlage je nach konkreter Ausgangslage zu benennen und zu bewerten. Das brachte zwangsläufig eine Zweiteilung der patriotischen Bildprogramme in Europa mit sich. Am einfachsten stellte sich die Situation für die Siegerstaaten dar, denn hier konnten die im Krieg gesetzten Ziele nach 1918 unverändert übernommen, die darin ausgedrückten Visionen ungebrochen fortgesetzt und der Kriegsausgang als Bestätigung schon zuvor bezogener Positionen gefeiert werden.91 Auf symbolpolitischer Ebene erlaubte dies in der bildpublizistischen Praxis, dass nationalegoistische Interessen weiterhin guten Gewissens mit allgemeinen Idealen wie Humanität, Gleichheit, Gerechtigkeit gleichgesetzt und damit kaschiert werden konnten. Eine grafische Meisterleistung bot eine offiziöse, von der italienischen Armee am Kriegsende herausgegebene Postkarte: Keine

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„Italia“ im engeren Sinne, sondern eine geisthaft durchsichtige Sieges- und Freiheitsgöttin – „Italien in Freiheit“ in klassisch antiker Rüstung drückt Kopf und Schulter des geschlagenen Kaisers Wilhelm II. auf eine Tischplatte und zwingt ihn, den Frieden zu unter-

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schreiben (Abb. 126). Fast mitleidig ruht dabei ihr Blick auf dem deutschen Kaiser. Bemerkenswert ist vor allem die souveräne Leichtigkeit der Siegerpose. Eine ähnliche Attitüde weisen nach 1918 fast alle weiblichen Symbolisierungen der Siegerstaaten auf. Auf einer französischen Karte gruppieren sie sich in Gestalt von insgesamt sieben Elfen um Frankreich als ein heiterer Reigen, die in weißen Gewändern gehüllt in den Lüften schweben und sich wechselseitig zujubeln (Abb. 127). Die jeweilige Nationalität ist durch Wappen mit den Staatsfarben als Brustschmuck hinreichend kenntlich gemacht, der Anlass zur gemeinsamen Freude wird mit Lorbeerzweigen unterstrichen. Bemerkenswert sind die durchsichtigen Gewandungen der Sieges- und Friedensengel, die ihre im Krieg als unverzichtbar erachteten Körperpanzerungen abgestreift haben und somit ein neues Lebensgefühl ausdrücken sollten: „Der Frieden ist in der Welt endlich wiederhergestellt“, hieß es voller Genugtuung auf dem Eindruck der rückwärtigen Adressenseite. Triumphiert wurde desgleichen in kleineren Staaten und Nationen, wie zum Beispiel am 22. 11. 1918, als der belgische König mit seiner Armee und alliierten Truppen in Brüssel einmarschierte. Das kleine neutrale Land war im August 1914 angegriffen worden und

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danach ununterbrochen von Kriegshandlungen und deutscher Besatzung betroffen gewesen. Eine handkolorierte Karte feierte das Ende dieser Schreckenszeit. Eine „Belgia“ oder einfach nur eine belgische Jubelfrau hält in der einen Hand eine Fahne mit der belgischen Trikolore und in der anderen einen Lorbeerkranz über das Porträt des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson, der in seinem 14-Punkte-Programm ausdrücklich die „Wiederherstellung der ungeschmälerten Souveränität Belgiens“ gefordert hatte (Abb. 128). In Italien wurde wiederum hauptsächlich der Sieg über Österreich-Ungarn gefeiert. Noch vor Abschluss der Friedensverträge hatten italienische Truppen mit der Besetzung des Trentino, Südtirols, von Görz, Triest und Istrien begonnen. Am 4. 11. 1918 verkündete der Oberkommandierende der italienischen Streitkräfte, General Armado Diaz, in einem letzten Aufruf an Volk und Armee (ital.: Bollettino

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della Vittoria), feierlich das Ende Österreichs (finis Austriae). Der Text dieses in Italien vielfach reproduzierten und veröffentlichten Dokuments bildete auch den Ausgangspunkt für eine Bildpostkarte (Abb. 129), auf der sich eine „Italia“ mit typischer Mauerkrone und stolzer, unerbittlicher Miene vor einem goldenen Hintergrund auf ein Langschwert stützt und somit gleichsam im Habitus einer Scharfrichterin auftritt. In den unteren Bildecken sind die Wappen der während des Krieges unablässig beanspruchten und jetzt hinzugewonnen Provinzen Trentino und Triest eingeblendet. Grund zu grenzenloser Freude und Genugtuung gab es gleichfalls im wiedererstandenen und vereinten Polen. In einer möglicherweise noch kurz vor Kriegsende in Krakau herausgegebenen patriotischen Freiheitsvision entsteigt eine dornengekrönte „Polonia“ nach über hundert Jahren andauernder Fremdherrschaft unter dem polnischen weißen Adler ihrem Verlies, von drei Kindern begleitet, die wohl die drei ehemaligen Teilungsgebiete symbolisieren sollen (Abb. 130). Die früheren Kerkermeister, ein preußischer Soldat und ein russischer Kosak liegen eingequetscht unter der niedergerissenen Gefängnistür. Die österreichische Herrschaft in Galizien wird in dieser Allegorie bewusst nicht erwähnt, stellte sie doch im Vergleich zu den anderen Teilungsmächten das kleinere Übel dar. Kritischer wurde der habsburgische Vielvölkerstaat dagegen auf einer tschechischen Postkarte unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie bewertet. Unter der in alttschechischen Lettern stilisierten Parole „Freiheit“ erhebt eine barbusige „Čechie“, also eine nationaltschechisch beanspruchte „Bohemia“, die gesprengten Fesseln noch an ihren Handgelenken, kniend ihre Arme zur aufgehenden Sonne, während der österreichisch-ungarische Doppeladler besiegt am Boden liegt (Abb. 131). Zusammen mit der funktionslos gewordenen österreichischen Kaiser- sowie der ungarischen Stephanskrone stehen diese Insignien für die überwundene Ära des zerfallenen „Völkerkerkers“.92 Diese hatte für die böhmischen Länder mehrere Jahrhunderte gedauert, und entsprechend euphorisch wurde ihr Ende bejubelt.

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Während die siegreichen Staaten der Entente und ihre Verbündeten ihren Triumph mit strahlenden weiblichen Lichtgestalten ausschmückten, waren die Repräsentantinnen der Verlierer mit al-

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len Attributen des Schmerzes und der Trauer ausgestattet und somit den Trauerkarten für die gefallenen Helden sehr ähnlich: Eine „Germania“ hängt beispielsweise in zerfetzten Kleidern und gefesselt mit gesenktem Haupt an einen Marterpfahl, der wohl das als Schmach empfundene Versailler Vertragswerk symbolisieren soll (Abb. 132). Krone, Schwert und Schild liegen am Boden, und wilde Bestien in Gestalt von Wölfen oder Hyänen umschleichen in feigem Abstand den Ort der Schande. Der sich am Horizont abzeichnende schmale Hoffnungsschimmer in den Farben Schwarz-Rot-Gold trägt wenig zur Aufhellung der Szene bei, sodass der Trostspruch im Untertitel eher von Verzweiflung zeugt als eine wirklich zufrieden stellende Zukunftsperspektive in Aussicht stellt. In Ungarn, das infolge der Verträge von Trianon fast zwei Drittel seines Staatsterritoriums an neu gegründete Nachbarstaaten hatte abtreten müssen, gehörte die ritualisierte Trauer um die verloren gegangenen Gebiete während der gesamten Zwischenkriegszeit gleichsam zur Staatsraison. Auf einer ungarischen Bildpostkarte sammeln sich Ungarn unterschiedlichen Alters, Geschlechts und Standes ehrfurchtsvoll um ein altarartiges Denkmal mit der ungarischen Königskrone auf einem steinernen Sockel. Hinter grauen Wolken erscheint ihnen überlebensgroß eine goldenfarbige „Hungaria“ an ein Antoniuskreuz geschlagen, das auch als ein großes T(= Trianon) gelesen werden kann (Abb. 133). Zu den Verlierern von Krieg und Revolution zählte zweifellos die Ukraine, der es im Unterschied zu vielen ihrer Nachbarn nicht beschieden war, ihre staatliche Unabhängigkeit gegenüber verschie-

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denen Interventionsmächten dauerhaft durchzusetzen und die stattdessen über das Ende des Ersten Weltkrieges hinaus zu einem blutigen Schlachtfeld rivalisierender Kräfte wurde. Auf einer Karte der „Stiftung für erkrankte Mitglieder des Verbandes Ukrainischer Journalisten und Schriftsteller“ ist eine „Ukraina“ in zerfetzter Trachtenbluse zu sehen, die hilflos an ein Kreuz gefesselt ist. Wie im Fall der „Hungaria“ wurde auch hier, einem christlichem Tabu folgend, vermieden, eine Frauengestalt in unmittelbarer Analogie zum gekreuzigten Heiland auf einem Passionskreuz darzustellen. Verängstigte Kinder umklammern die Beine der „Ukraina“. Im Hintergrund gehen Kirchen und Häuser in lodernde Flammen auf, und über dem Kreuz kreisen Unheilsraben, die an ihren Kopfbedeckungen als Polen, Russen, und Rumänen identifiziert werden können (Abb. 134) .Auf der Adressenseite werden der „Ukraina“ bitter anklagende und zugleich hoffnungsvoll-prophetische Worte in den Mund gelegt und an die fremden Eindringlinge gerichtet: „Schießt, hängt auf, verhängt die Todesstrafe/Herrscht in den Dörfern und Städten/Verbündet euch/ Und schlagt auch ans Kreuz“ – und an das eigene Volk gewandt: „Das Korn, das zur Zeit eines Unwetters gesät/Wird blühen wie blutiger Mohn/Möge das Volk die Freiheit erlangen/Und die Sonne golden untergehen.“ Zusammenfassend lässt sich feststellen: Trotz unterschiedlicher Inhalte und konträrer Ausgangspositionen wurde am Kriegsende visuell auf bewährte Darstellungsmuster zurückgegriffen, wenn es darum ging, das Dauerhafte und Wesentliche, also die Substanz von Staaten und Nationen sichtbar zu machen. Während aber in den Siegerstaaten hierzu wie schon zu Kriegszeiten häufig Heroinen mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit bemüht wurden, war für die Verlierer ein Rekurs auf die länderspezifischen Kollektivfiguren charakteristisch. Dazu gehörte auch, dass die trauernden Symbolfiguren der unterlegenen Staaten und Nationen stets einzeln dargestellt wurden, wogegen die Repräsentantinnen der Siegerstaaten oftmals kollektiv in Gruppenbildern auftraten. Grundsätzlich ist freilich anzumerken, dass der ursprüngliche Appellationscharakter und die Integrationskraft, die von solchen weiblichen Personifikationen ganzer Staaten

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und Nationen vor und während des Ersten Weltkrieges ausgegangen waren, nach 1918 allmählich zurückgedrängt wurden und fortan hauptsächlich nur noch in erklärt nationalistischen Kreisen gepflegt wurden. Sehr deutlich lässt sich diese Entwicklung am öffentlichen Ansehensschwund der „Germania“ ablesen, deren imperialer Habitus nach 1918 nicht mehr glaubhaft mit der Niederlage, den Gebietsverlusten und Reparationszahlungen in Einklang zu bringen war. Und noch etwas dürfte der vordem geradezu epidemischen symbolpolitischen Verwendung von Frauenfiguren entgegengestanden haben. Auch wenn man den Ersten Weltkrieg schwerlich als Wegbereiter der Frauenemanzipation bezeichnen kann, hatte er doch die Weichen für einen langfristigen Wandel des Frauenbildes gestellt. Die Bewertung ihrer Stellung in der Gesellschaft war darum nicht mehr umstandslos nach den Kriterien der Vorkriegszeit zu gestalten, auch wenn derartige Bestrebungen hie und da zunächst Erfolg zu haben schienen, auch wenn die Frauenbewegung in Ländern wie in Frankreich oder England durch den Krieg einen empfindlichen Rückschlag erhalten hatte und es nach Kriegsende mancherlei Bestrebungen gab, die Handlungsspielräume der Frauen wieder einzuengen wie beispielsweise in Deutschland oder England.93 Dennoch hatte die Frauenfrage in Europa wieder stärker an Eigendynamik gewonnen und ließ sich nicht mehr ohne weiteres patriotisch vereinnahmen. Nicht Symbolisierungen, sondern konkrete Forderungen nach Gleichberechtigung in Politik und Gesellschaft bestimmten fortan die öffentliche Diskussion.94 Mit derartigen Bestrebungen wurde einerseits die Zielrichtung der Frauenbewegung vor 1914 wieder aufgenommen, andererseits aber auch an Kriegserfahrungen angeknüpft, die den Frauen in allen Ländern Europas trotz vielerlei Entsagungen doch auch gewisse Handlungsfreiheiten gebracht hatten, wenn man stellvertretend nur an die gestiegene Anerkennung der Frauen in der Öffentlichkeit denkt, an die Selbstverständlichkeit, mit welcher seit Kriegsbeginn die zu Friedenszeiten noch häufig als unnatürlich diffamierte weibliche Lohnarbeit gutgeheißen wurde oder ganz praktisch an die selbstständige Verfügungsgewalt über das Haushaltsbudget während der

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Kriegsjahre. Alle diese Erfahrungen konnten nach 1918 vielleicht kurz- oder manchmal sogar mittelfristig zurückgedrängt werden, um die alte Geschlechterordnung aufrecht zu erhalten – die auch im Krieg niemals wirklich außer Kraft gesetzt worden war. Langfristig war aber an eine einfache Rückkehr zur den Vorkriegsverhältnissen nicht mehr zu denken.

Schlussbemerkung

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ie hier ausgebreiteten Propagandapostkarten dürften in anschaulicher Weise die herausragende Rolle bestätigt haben, die Frauenbilder im Ersten Weltkrieg gespielt haben und welch vielfältige Funktionen den Frauen dabei zugeschrieben bzw. zugemutet wurden. Zugleich dürfte die präsentierte Auswahl aber auch die trügerische Evidenz solcher Images bestätigt haben.95 Einerseits dokumentieren sie gesellschaftlich tief verankerte wie politisch gewollte Frauenbilder, andererseits hatten sie mit der Realität des Kriegsalltags oftmals wenig zu tun. Außerdem blieben sie weitgehend ohne nennenswerte Gegenpositionen, die es zwar auch hin und wieder gegeben hat, die aber in jenen Jahren mit keiner größeren Resonanz rechnen konnten und sich erst gegen Kriegsende durchzusetzen begannen.96 Das hier angebotene Tableau von Frauenbildern im Postkartenformat wurde nach thematischen Gesichtspunkten geordnet, um den Überblick über die Vielfalt der einschlägigen Motive zu erleichtern und einen Gesamteindruck dieser Bilderwelt zu ermöglichen. Dem muss freilich ergänzend hinzugefügt werden, dass nicht alle aufgeführten Varianten zwischen 1914 und 1918 gleichmäßig Konjunktur hatten. So waren weibliche Symbolfiguren und Bündniskonstellationen mit Sicherheit vornehmlich zu Kriegsbeginn gefragt, als es darum ging, Kriegsbegeisterung im Geiste von Identitäts- und Solidaritätsbezeugungen zu wecken. Heldentod und Frauenleid wurden demgegenüber erst im weiteren Kriegsverlauf zu einem vordringlichen Thema, als die Konsequenzen des Krieges immer offensichtlicher wurden und mit einem lautstarken Hurra-Patriotismus nicht mehr zu übertönen waren. Trotz nachweislicher Relevanz von Frauenbildern in der Kriegspropaganda und trotz nicht zu bestreitender Erosionserscheinun-

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gen patriarchalisch dominierter Gesellschaftsstrukturen im Verlauf des Krieges, etwa durch die Lockerung der Sexualmoral, durch die kriegsbedingt erzwungene größere Eigenständigkeit der Frauen, der Erweiterung ihrer Handlungs- und Entscheidungsräume, ihren verstärkten Eintritt in vordem ausgesprochene Männerberufe etc., kann nicht davon die Rede sein, dass dieser Krieg zu einer grundlegenden Veränderung der Geschlechterrollen geführt hätte.97 Eher das Gegenteil war der Fall: Die sich vor Kriegsbeginn auf verschiedenen Ebenen abzeichnenden international vorgetragenen Emanzipationsbestrebungen von Vorkämpferinnen der Frauenbewegung und ihrer Organisationen waren mit Kriegsausbruch bis auf wenige Ausnahmen sozialdemokratischer bzw. pazifistischer Provenienz jäh unterbrochen und mussten einer patriotisch konformen Ausrichtung Platz machen. Sämtliche Ideale, Tugenden und Tätigkeiten der Frauen wurden nunmehr als komplementär zum heldenhaften Kampf der Männer interpretiert und diesem Ziel nachgeordnet. Der männliche Held blieb folglich unangefochten das alles überragende Idealbild im Krieg.98 Der Erste Weltkrieg bedeutete so besehen für die Frauen die Übernahme vaterländischer Pflichterfüllung an der Seite – genauer: im Rücken – ihrer Männer, auch wenn sich manche Aktivistinnen patriotischer Frauenorganisationen gewünscht hatten, mehr staatsbürgerliche Rechte durch den aufopferungsvollen „Dienst am Vaterland“ erringen zu können.99 Insofern hatte dieser Krieg eine konservierend wirkende Festungsmentalität begünstigt und damit zugleich die überkommene Geschlechterordnung zumindest vorübergehend zementiert. Langfristig waren aber die alten Gesellschaftsstrukturen erschüttert und die Weichen für umfassende Umwälzungen in Gesellschaft, Politik und Kultur gestellt worden. Die Frauenfrage war davon nicht ausgenommen, auch wenn das Frauenwahlrecht längst nicht in allen Ländern Europas nach Kriegsende sofort durchgesetzt werden konnte. Wie deutlich wurde, waren die Frauen nicht nur Opfer des Krieges, sondern haben ihn teilweise aktiv mitgestaltet und mental vorbereitet. Es waren schließlich auch Frauen, die – neben der Schule und dem Militär – schon zu Friedenszeiten die Ideale von Vaterlands-

Schlussbemerkung

liebe, Heldentum und Tod in die Herzen ihrer Söhne pflanzten, die dann mit solchen Vorstellungen in den Krieg zogen. Während des Krieges sorgten Frauen insbesondere aus gehobenen Gesellschaftsschichten auf unzähligen Tätigkeitsfeldern für die moralische Aufrüstung und Mobilisierung ihrer Länder und ließen sich in durchaus militanter Eigeninitiative großteils freiwillig in die Kriegspropaganda einspannen. Es wäre darum falsch, die hier aufgefächerten Frauenbilder allesamt als den Frauen aufgezwungen zu betrachten. Richtig ist vielmehr: Frauen wurden als Opfer und Leidtragende des Kriegsgeschehens wahrgenommen, sie wurden als Werbeträgerinnen des Krieges eingesetzt und als aktiv handelnde Kriegsteilnehmerinnen an der „Heimatfront“ gefeiert. Welche Facette im Einzelnen hervorgehoben wurde, hing von der jeweiligen Situation und den jeweiligen Beweisabsichten ab. Man kann darum durchaus behaupten, dass keine andere Bevölkerungsgruppe, die Soldaten eingeschlossen, während des Ersten Weltkrieges in vergleichbar verschiedenartigen Facetten und Funktionen ins Bild gesetzt wurde.100 Die Palette der präsentierten Visualisierungen von Weiblichkeit unter Kriegsbedingungen belegt ferner, dass diese zwar einerseits Frauen als Kontrapunkte zum Ideal der kämpfenden Männerwelt konstruierten, andererseits aber durchaus darauf angelegt waren, den Unterschied der Geschlechter unter Kriegsbedingungen zu überspielen, den komplementären Charakter von militärischer Front und Heimatfront zu unterstreichen und vor allem Übereinstimmungen in der patriotischen Grundhaltung herauszustellen. Insofern widerlegt das hier ausgebreitete Kartenmaterial einmal mehr die längst als unhaltbar erwiesene, aber immer noch kolportierte These, wonach der Krieg grundsätzlich männlich und der Frieden weiblich zu konnotieren sei.101 Rückblickend hat sich der europaweite Betrachtungshorizont allein deswegen gelohnt, weil auf diese Weise ein hohes Maß an Übereinstimmung oder zumindest an Ähnlichkeiten in der Wahl der Themenfelder, Darstellungsformen und Bewertungsmaßstäbe sichtbar gemacht werden konnte. Dabei handelte es sich keinesfalls nur um analoge Entwicklungstrends, sondern gerade bei verbündeten Staaten gelegentlich auch um direkte Übernahmen einzelner Mo-

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Schlussbemerkung

tive und sogar ganzer Postkartenserien, wie beispielsweise im Fall Englands und Russlands bis zur Revolution.102 Zugleich sind aber selbst bei identischen Themenfeldern erhebliche länderspezifische Unterschiede in der Darstellungsweise zu Tage getreten, die sich wiederum auf unterschiedliche kulturelle Prägungen und Bildtraditionen zurückführen lassen. Besonders krass erwiesen sich die Unterschiede zwischen französischen und russischen Frauenbildern. Zeichneten sich erstere durch ein Höchstmaß an geradezu frivoler Freizügigkeit aus, so blieben ihre russischen Pendants in Kleidung und Habitus noch weitgehend einer traditionellen Zurückhaltung verhaftet. Wichtig ist festzuhalten, dass es sich bei dem ausgebreiteten Kartenmaterial durchgängig um normative Frauenbilder handelt, welche die Realität eher unfreiwillig und verzerrt widerspiegelten. Schließlich enthalten sie kaum Informationen über die Alltagsnöte der Hausfrauen in Anbetracht zunehmender Versorgungsprobleme, schon gar nicht über die schweren psychischen Belastungen der Krankenschwestern inmitten verstümmelter Menschenleiber oder zum Druck, unter dem zahllose Fabrikarbeiterinnen arbeiteten, zur Verzweiflung der trauernden Witwen usw. Dennoch wird man die Wirksamkeit und Akzeptanz solcher öffentlich wie privat kommunizierter Frauenbilder im Postkartenformat nicht unterschätzen dürfen, kamen in ihnen doch Rollenerwartungen zum Ausdruck, die von Männern und Frauen gleichermaßen geteilt wurden. Was die Bilder­ welt der Kriegspostkarten anzubieten hatte, war zwar eine durch und durch idealisierte Scheinwirklichkeit, die damit verbundenen Botschaften waren aber insofern nicht ohne Realitätsbezug, als man ihnen ihre meinungsprägenden Qualitäten schwerlich absprechen kann. Wenn darum wiederholt darauf hingewiesen werden musste, dass die grausame Realität des Ersten Weltkrieges mit der teils geschönten, teils verzerrenden Bilderwelt der Propaganda recht wenig zu tun hatte, heißt es also noch lange nicht, dass die hier präsentierten Visualisierungen von Frauengestalten allesamt in das Reich der Fantasie und der gelenkten Kriegsideologie zu verweisen wären. Denn

Schlussbemerkung

die Bildbotschaften der hier gezeigten Karten lassen sehr wohl Rückschlüsse auf damals relevante Befindlichkeiten, Wertvorstellungen, Ideale und Erwartungen zu – und zwar bei Männern wie bei Frauen, selbst dann, wenn sie soziale und andere Unterschiede geflissentlich übergingen. Die gezeigten Frauenbilder basierten auf konventionellen und somit durchaus realen Vorstellungskomplexen, die sich nicht auf kurzfristige Indoktrination „von oben“ zurückführen lassen. Wäre dem nicht so gewesen, hätten die Postkartenhersteller und Vertreiber schon aus purem Geschäftsinteresse ihre Motivwahl anders gestaltet. Die Annahme einer durchgängigen Dichotomie zwischen Propagandalügen in Wort und Bild auf der einen und einer ganz anderen, „wahren“ Wirklichkeit im Kriegsalltag lässt sich somit nicht aufrechterhalten.103 Erst wenn man das Ineinandergreifen beider Sphären in Rechnung stellt, gelangt man zu einem annähernd aussagekräftigen Gesamtbild damals virulenter Befindlichkeiten und Einstellungen. Insofern stellen die untersuchten Karten ein kaum zu überschätzendes und noch kaum genutztes Reservoir und Hilfsmittel für die Rekonstruktion mentaler Dispositionen, Stimmungslagen und Vorstellungswelten während des Ersten Weltkrieges dar. Sie regen ferner zu Beobachtungen und Reflexionen an, die über eine deskriptive Erfassung der diversen Bildbotschaften hinausgehen. Auch im Zweiten Weltkrieg hat es wieder Frauendarstellungen auf Bildpostkarten gegeben. Sie sind aber mit dem hier besprochenen Material weder quantitativ noch qualitativ zu vergleichen. So gab es zwar abermals Heimweh-Karten, aber kaum noch weibliche Symbolgestalten. Aufseiten der Alliierten waren die Frauendarstellungen teilweise offen sexistischer als ihre Vorläufer aus dem Ersten Weltkrieg, damit aber auch weit entfernt von deren anspielungsreicher Pikanterie. Thematisch wie formal waren sie weniger bunt, einförmiger und in gewisser Weise auch einfallsloser.104 Es fehlte ihnen der im Ersten Weltkrieg noch vorherrschende, geradezu unbegrenzte Fantasiereichtum und die enorme Spannbreite an formalen Gestaltungsvarianten, die von ausgesprochenem Kitsch bis zu hochwertigen Künstlerdarstellungen gereicht hat. Desgleichen entbehrten

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Schlussbemerkung

sie des oftmals spielerischen Umgangs mit ihren Sujets, wie er für die gesamte Postkartenproduktion im Ersten Weltkrieg noch charakteristisch war und eine unbeschwert-naive Heroisierung sowie Glorifizierung des weiblichen Kriegsfaktors erlaubte. Viele deutsche Herz-Schmerz-Karten aus dem Zweiten Weltkrieg wirken daher wie ein schaler Abklatsch ihrer einfallsreichen Vorläufer. Die Gründe für diese Unterschiede waren unterschiedlicher Natur, hatten aber vor allem mit den bitteren Erfahrungen des vorangegangenen Krieges zu tun, die längst noch nicht vergessen waren.



Anmerkungen Zur Einführung 1

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Vgl. u. a. Rudolf Jaworski: Alte Postkarten als kulturhistorische Quellen. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 51 (2000), 2, S. 88–102. – Seit dieser Bestandsaufnahme hat sich die Situation nur wenig geändert, auch wenn inzwischen viele neue einschlägige Veröffentlichungen vorliegen. Für die hier vorrangig interessierende Zeit des Ersten Weltkrieges seien nur einige anspruchsvoll konzipierte Ausstellungskataloge angeführt: Günter Düriegl (Hg.): „So ist der Mensch.“ 80  Jahre Erster Weltkrieg. Sonderausstellung der Stadt Wien. Wien 1994; Rolf Spilker/Bernd Ulrich (Hg.): Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte Krieg 1914–1918. Bramsche 1998; Rainer Rother (Hg.): Die letzten Tage der Menschheit. Bilder des Ersten Weltkrieges. Berlin 1994. Aus der Fülle der Literatur hier stellvertretend einige Monografien: Christine Brocks: Die bunte Welt des Krieges. Bildpostkarten aus dem Ersten Weltkrieg 1914–1918. Essen 2008; Claudia Friedrich: Propaganda im Ersten Weltkrieg. Die Postkarte als Propagandamedium in Österreich-Ungarn. Graz 2002 (unveröffentl. MA-Arbeit); Brigitte Hamann: Der Erste Weltkrieg. Wahrheit und Lüge in Bildern und Texten. München 2008; Tonie Holt/ Valmai Holt: Till the Boys Come Home. The picture postcards of the First World War. Newtown 1977; Marie-Monique Huss: Histoires de famille. Cartes postales et culture de guerre. Paris 2000; Katrin Kilian: Bildpostkarten aus dem Ersten Weltkrieg. In: Der Erste Weltkrieg in deutschen Bildpostkarten, hg. v. Deutschen Historischen Museum. Berlin 2002 [CD-ROM], S. 1–70 (Digitale Bibliothek 66); François Pairault: Images de Poilus. La Grande

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Anmerkungen

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Guerre en cartes postales. Paris 2002; Hans Weigel/Walter Lukan/Max Demeter Peyfuss (Hg.): Jeder Schuss ein Russ, jeder Stoss ein Franzos. Literarische und graphische Kriegspropaganda in Deutschland und Österreich 1914–1918. Wien 1983; dazu die Literaturangaben in Anm. 2. Und zum Folgenden Peter Fischer: Die propagandistische Funktion von Bildpostkarten im Ersten Weltkrieg. In: Der Erste Weltkrieg als Kommunikationsereignis, hg. v. Siegfried Quandt u. Horst Schichtel. Gießen 1993, S. 63–75; Friedrich: Propaganda im Ersten Weltkrieg. Graz 2002, S. 48–53; Gerhard Schneider: Kriegspostkarten des Ersten Weltkrieges als Geschichtsquellen. In: Stationen einer Hochschullaufbahn. Festschrift für Annette Kuhn zum 65. Geburtstag, hg. v. Udo Arnold. Dortmund 1999, S. 148–196. Vgl. den Grundsatzartikel von Michael Jeismann: Propaganda. In: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, hg. v. Gerhard Hirschfeld u. a. Paderborn 2003, S. 198–209. Und zum Folgenden Jozo Džambo: Musen an die Front! Schriftsteller und Künstler im Dienst der k.u.k. Kriegspropaganda 1914– 1918. 2 Bde. München 2003; Friedrich: Propaganda im Ersten Weltkrieg. Graz 2002, S. 13–21; Michael L.Sanders/Philip M. Taylor: British Propaganda during the First World War, 1914–1918. London 1982, S. 15–97; 101–136. Vgl. dazu Rudolf Jaworski: Zur Internationalisierung politischer Bilderwelten im Ersten Weltkrieg – am Beispiel russischer Plakate und Propagandapostkarten. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 63 (2012), 7/8, S. 465–477; Hubertus F. Jahn: Patriotic Culture in Russia during World War I. Ithaca 1995; Stephen M. Norris: A War of Images. Russian Popular Prints, Wartime Culture, and National Identity 1812–1945. DeKalb 2006. Mit Ausnahme der Abbildungen Nr. 29, Nr. 38, Nr. 79 und Nr. 100, deren Vorlagen aus dem sogenannten „Zarenarchiv“ der Stuttgarter Bibliothek für Zeitgeschichte stammen und von dort freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurden, beruht das übrige Kartenmaterial auf der privaten Sammlung des Autors,

Anmerkungen

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von denen große Teile inzwischen an das Heeresgeschichtliche Museum und an das Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien abgetreten wurden. Siehe dazu beispielsweise Martin van Creveld: Frauen im Krieg. München 2001; Claudia Opitz: Von Frauen im Krieg zum Krieg gegen Frauen. In: L‘Homme 3 (1992), 1, S. 31–44; Jean Bethke Elshtain: Women and War. Chicago 1995, S. 163–218; Franz Seidler: Frauen zu den Waffen? Marketenderinnen, Helferinnen, Soldatinnen. Koblenz 1978. Vgl. in diesem Zusammenhang Diana Condell/Jean Liddiard: Working for Victory? Images of Women in the First World War, 1914–1918. London 1991; Thilo Eisermann: Pressephotographie und Informationskontrolle im Ersten Weltkrieg. Hamburg 2000; Anton Holzer: Die andere Front. Fotografie und Propaganda im Ersten Weltkrieg. Darmstadt 2007. Vgl. dazu allgemein Susanne Holschbach: Vom Ausdruck zur Pose. Theatralität und Weiblichkeit in der Fotografie des 19. Jahrhunderts. Berlin 2006, S. 33–44, 192f. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Ute Daniel: Informelle Kommunikation und Propaganda in der deutschen Kriegsgesellschaft. In: Der Erste Weltkrieg als Kommunikationsereignis, hg. v. Siegfried Quandt u. Horst Schichtel. Gießen 1993, S. 76–94; Aribert Reimann: Die heile Welt im Stahlgewitter. Deutsche und englische Feldpost aus dem Ersten Weltkrieg. In: Kriegserfahrungen. Studien zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte des Ersten Weltkrieges, hg. v. Gerhard Hirschfeld u. a. Essen 1997, S. 129–145; außerdem die 12-seitige Bibliografie zu Feldpostbriefen als historische Quellen. In: http://www.phFreiburg.de/sozialgeschichte/personal//schneider/Feldpost.doc (Zugriff am 19.4.2005); und die Fallstudie von Christa Hämmerle: „... wirf ihnen alles hin und schau, daß du fort kommst“. Die Feldpost eines Paares der Geschlechter(un)ordnung des Ersten Weltkrieges. In: Historische Anthropologie 6 (1998), 3, S. 431–458. Dazu grundsätzlich Georges Duby: Frauenbilder. In: Geschichte der Frauen im Bild, hg. v. Georges Duby. Frankfurt/M. 1995, S.

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Anmerkungen

14–18; Werner Hofmann: Eva und die Zukunft. In: Eva und die Zukunft. Das Bild der Frau seit der Französischen Revolution, hg. v. Werner Hofmann. München 1986, S. 13; Michael Weisser: Die Frau in der Reklame. Bild- und Textdokumente aus den Jahren 1827–1930. Münster 1981; speziell für die Erfahrungen im Ersten Weltkrieg die zeitgenössischen Illustrationen bei Klaus Theweleit: Männerphantasien. 2 Bde. Frankfurt/M. 1977.

1 Schutzengel und andere Geistwesen

14 Und zum Folgenden Ulrike Gall: Weibliche Personifikationen in Allegorien des Industriezeitalters. Motivhistorische Studien zu Kontinuität und Wandel bildlicher Verkörperungen 1870–1912. Konstanz 1999, S. 102–128; Marina Warner: In weiblicher Gestalt. Die Verkörperung des Wahren, Guten und Schönen. Reinbek bei Hamburg 1989, S. 13–96; Silke Wenk: Versteinerte Weiblichkeit. Allegorien in der Skulptur der Moderne. Köln 1996, S. 75–123. 15 Vgl. dazu umfassend Barbara Degen: Justitia ist eine Frau. Geschichte und Symbolik der Gerechtigkeit. Opladen 2008. 16 Siehe dazu Jessica Bennett/Mark Hampton: World War I and the Anglo-American imagined community. Civilization vs. barbarism in British propaganda and American newspapers. In: Anglo-American Media Interactions 1850–2000, hg. v. Joel H. Wiener u. Mark Hampton. New York 2007, S. 155–175; Ines Kaplan: „Die abgehackte Hand“. Ein Beitrag zur Ikonographie der französischen Hetzkarikatur als Teil der antideutschen Propaganda während des Ersten Weltkriegs. In: Bildpropaganda im Ersten Weltkrieg, hg. v. Raoul Zühlke. Hamburg 2000, S. 93–123; Sanders/Taylor: British Propaganda during the First World War. London 1982, S. 137–150. 17 Siehe dazu den Überblick von Heinrich Krauss: Die Engel. Überlieferung, Gestalt, Deutung. München 2000. 18 Vgl. zu dieser Debatte u. a. Tordis Batscheider/Susanne Lang/ Ilse Petry: Kriegerische Männer – Friedliche Frauen? Feministische Anmerkungen zu einem falsch verstandenen Gegensatz. In:

Anmerkungen

Friedensforschung Aktuell (1990), 24, S. 1–7; Lizzi Rosenberger: Women’s Role in Aggression. In: Psychological Bases of War, hg. v. Heinrich Z. Winnik, Rafael Moses u. Mortimer Ostow. New York/Jerusalem 1973, S. 43–58; Saskia Stachowitsch: Gendering of War. Warum Krieg als männlich gilt und dennoch eigentlich nichts mit Männlichkeit zu tun hat. In: Historische Sozialkunde 37 (2007),3, S. 20–27.

2 Weibliche Allegorien als Kollektivkörper

19 Und zum Folgenden Gall: Weibliche Personifikationen in Allegorien des Industriezeitalters. Konstanz 1999, S. 65–69;102–128; George L. Mosse: Nationalismus und Sexualität. Hamburg 1987, S. 111–121; Wenk: Versteinerte Weiblichkeit. Köln 1996, S. 15–127. 20 Vgl. dazu Silke Wenk: Gendered Representation of Nations Past and Future. In: Gendered Nations, hg. v. Ida Blom. Oxford 2000, S. 63–77. 21 Vgl. dazu u. a. Roy T. Matthews: Britannia and John Bull. From Birth to Maturity. In: The Historian, 22. Juli 2000. S. 799–820; Kerstin Wilhelms: Michel und Germania – ein deutsches Geschlechterverhältnis. In: Der weibliche multikulturelle Blick, hg. v. Brita Baume u. Hannelore Scholz. Berlin 1995, S. 36–51. 22 Und zum Folgenden aus der Fülle der Literatur Lothar Gall: Die Germania als Symbol nationaler Identität im 19. und 20. Jahrhundert. In: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen aus dem Jahre 1993, phil.-hist. Klasse. Göttingen 1993, S. 37–88; Michael Werner: Die „Germania“. In: Deutsche Erinnerungsorte, hg. v. Étienne François u. Hagen Schulze, Bd. III. München 2001, S. 569–586. 23 Vgl. dazu grundlegend Selma Krasa-Florian: Die Allegorie der Austria. Wien 2007; außerdem Rudolf Jaworski: Austria im Zerrbild. Deutsche, tschechische und polnische Karikaturen der späten Habsburgermonarchie. In: Ročenka textů zahraničních profesorů 3 (2009), S. 227–245. 24 Vgl. zum Folgenden vor allem Maurice Agulhon: Marianne au

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Anmerkungen

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combat. L’imagerie et la symbolique républicaines de 1789 à 1880. Paris 1979; Maurice Agulhon: Marianne au pouvoir. L’imagerie et la symbolique républicaines de 1880 à 1914. Paris 1989; Maurice Agulhon: Marianne en 14–18. In: Guerre et cultures, 1914–1918, hg. v. Jean Jacques Becker u. a. Paris 1994, S. 373–384; außerdem in größeren Zusammenhängen auch die einschlägigen Beiträge in Marie-Louise von Plessen (Hg.): Marianne und Germania 1789–1889. Frankreich und Deutschland, zwei Welten – eine Revue. Berlin 1996. Siehe in diesem Zusammenhang Richard Wrigley: Transformations of a Revolutionary Emblem. The Liberty Cap in the French Revolution. In: French History 11 (1997), 2, S. 131–169. Vgl. dazu vor allem Magde Dressler: Britannia. In: Patriotism. The Making and Unmaking of British National Identity. Bd. III, hg. v. Raphael Samuel. London 1989, S. 26–49. Vgl. aber neuerdings Tatjana Barbje: Visualisierung der Rossija. Zur Entwicklung und Wirkung. (unveröffentl. MA-Arbeit). Kiel 2014; Oleg V. Rjabov: „Rossija Matuška“: Istorija vizualizacii. In: Granicy. IvGU. Ivanovo 2008 (http://cens.ivanovo.ac.ru/almanach/riabov-2008.htm); Oleg V. Rjabov: Rossija-Matuška. Nationalizm, gender i vojna v Rossii XX veka. Stuttgart 2007; Linda Ėdmondson: Gender, mif i nacija v Evrope. Obraz matuški Rossii v evropejslom kontekste. In: Pol, Gender, Kul’tura, hg.v. Elizabeth Šore u. Karolin Chaijder. Moskva 2003, S. 135–162. Siehe dazu übergreifend Angelika Stercken: Enthüllung der Helvetia. Die Sprache der Staatspersonifikation im 19. Jahrhundert. Berlin 1989. Siehe dazu Anna Myślińska(Hg.): Historia i Polonia. Katalog wystawy. Kielce 2009,besonders S. 242–255. Vgl. in diesem Zusammenhang noch einmal allgemein Stercken: Enthüllung der Helvetia. Berlin 1989, S. 71–79.

3 Militärische Bündnisse und weibliche Partnerschaften

31 Vgl. dazu u. a. James Joll: Die Ursprünge des Ersten Weltkrieges. München 1988, S. 60–97.

Anmerkungen

32 Vgl. in diesem Zusammenhang Eva Labouvie (Hg.): Schwestern und Freundinnen. Zur Kulturgeschichte weiblicher Kommunikation. Köln 2009. 33 Siehe dazu u. a. Džošua Sanborn: Besporjadki sredi prizyvnikov v 1914 g. i vopros o russkoj nacii: novyj vzgljad na problemu. In: Rossija i Pervaja mirovaja vojna, hg. v. Nikolaj N. Smirnov. Sankt Peterburg 1999, S. 202–215; Mark fon Chagen: Velikaja vojna i isskustvennoe usilenie etničeskogo samosoznanija v rossijskoj imperii. In: Rossija i Pervaja mirovaja vojna, hg. v. Nikolaj N. Smirnov. Sankt Peterburg 1999, S. 385–405. 34 Siehe dazu Rudolf Jaworski: Zwei Schwestern ziehen in den Krieg. Austria und Germania auf Bildpostkarten im Ersten Weltkrieg. In: Damals 43 (2011), 5, S. 60–63. 35 Vgl. dazu Michael Amara: Belgische Flüchtlinge in Westeuropa im Ersten Weltkrieg. In: Enzyklopädie Migration in Europa. Vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, hg. v. Klaus Bade. Paderborn 2007, S. 407–409. 4 Vielfacher Muttermythos

36 Siehe für Italien neuerdings Marina d‘Amelia: La mamma. Bologna 2005; für Russland Joanna Hubbs: Mother Russia. The feminine Myth in Russian Culture. Bloomington/Indianapolis 1988; für Deutschland Barbara Vinken: Die deutsche Mutter. Der lange Schatten eines Mythos. Frankfurt/M. 2007; und aus nordamerikanischer Sicht mit allgemeinen Schlussfolgerungen auch Shari Thurer: Mythos Mutterschaft. München 1995. 37 Vgl. dazu und zum Folgenden u. a. Margaret H. Darrow: French Women and the First World War. Oxford 2000, S. 58–71; Suzan R. Grayzel: Women’s Identities at War. Gender, Motherhood and Politics in Britain and France during the First World War. London 1999, S. 86–120; Thomas Sandkühler/Hans-Günther Schmidt: „Geistige Mütterlichkeit“ als nationaler Mythos. In: Nationale Mythen und Symbole in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hg. v. Jürgen Link u. Wulf Wülfing. Stuttgart 1991, S. 237–255.

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Anmerkungen

38 Und zum Folgenden Duby: Frauenbilder. In: Geschichte der Frauen im Bild, hg. v. Duby. Frankfurt/M. 1995, S. 27–29. 39 Und zum Folgenden Angelo Ara/Eberhard Kolb (Hg.): Grenzregionen im Zeitalter der Nationalismen. Elsaß-Lothringen/Trient–Triest 1870–1914. Berlin 1998. 40 Vgl. in diesem Zusammenhang noch einmal d‘Amelia: La mamma. Bologna 2005, S. 169–207. 41 Vgl. auch zum Folgenden Susanne Michl: Im Dienste des „Volkskörpers“. Deutsche und französische Ärzte im Ersten Weltkrieg. Göttingen 2007, S. 99–111. 42 Siehe für Deutschland Ute Daniel: Der Krieg der Frauen 1914– 1918. Zur Innenansicht des Ersten Weltkrieges in Deutschland. In: „Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch...“. Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, hg. v. Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich u. Irina Renz. Essen 1993, S. 137–141; für Frankreich Marie-Monique Huss: Pronatalism and the Popular Ideology of the Child in Wartime France. The Evidence of the Picture Postcard. In: The Upheaval of War. Family, Work and Welfare in Europe 1914–1918, hg. v. Richard Wall u. Jay Winter. Cambridge 1988, S. 329–367. 43 Siehe Grayzel: Womens Identities at War. London 1999, S. 2–4. 5 Militarisierte Geschlechterbeziehungen

44 Siehe für Deutschland umfassend Wolfram Wette: Militarismus in Deutschland. Geschichte einer kriegerischen Kultur. Darmstadt 2008, S. 35–64; 111–114. 45 Siehe auch zum Folgenden für Deutschland und Frankreich Jakob Vogel: Nationen im Gleichschritt. Der Kult der „Nation in Waffen“ in Deutschland und Frankreich 1871–1914. Göttingen 1997; René Schilling: „Kriegshelden“. Deutungsmuster heroischer Männlichkeit in Deutschland 1813–1945. Paderborn 2002, S. 169–248; außerdem Hendrik L. Wesseling: Soldier and Warrior. French Attitudes Toward the Army and War on the Eve of the First World War. Westport. 2000.

Anmerkungen

46 Vgl. auch zum Folgenden Grayzel: Women’s Identities at War. London 1999, S. 50–85; Andrew Parker u. a. (Hg.): Nationalisms and Sexualities. New York 1992, S. 5–12. 47 Vgl. dazu auch Sabine Giesbrecht: Deutsche Liedpostkarten als Propagandamedium im Ersten Weltkrieg. In: Lied und populäre Kultur 50/51 (2005/06), S. 86f. 48 Damit wiederholte sich eine Praxis, die schon bei der Gleichsetzung militärischer Bündnisse mit weiblichen Partnerschaften zu beobachten gewesen ist. Vgl. dazu noch einmal Kapitel 3, S. 45–56. 6 frauen und Uniformen

49 Und zum Folgenden Ute Frevert: Männer in Uniform. Habitus und Signalzeichen im 19. und 20. Jahrhundert. In: Männlichkeit als Maskerade. Kulturelle Inszenierungen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, hg. v. Claudia Benthien u. Inge Stephan. Köln 2003, S. 277–295; Hans Magnus Hirschfeld/Andreas Gaspar (Hg.): Sittengeschichte des Ersten Weltkrieges. Hanau [1966], S. 68–72; Elisabeth Hackspiel-Mikosch/Stephan Haas (Hg.): Die zivile Uniform als symbolische Kommunikation. Kleidung zwischen Repräsentation, Imagination und Konsumption in Europa vom 18. bis zum 21. Jahrhundert. Stuttgart 2006, S. 1–32. 50 Siehe Karin Bruns: Das moderne Kriegsweib. Mythos und nationales Stereotyp heroischer Weiblichkeit 1890–1914. In: Frauen, Literatur, Politik, hg. v. Annegret Pelz u. a. Hamburg 1988, S. 134– 140; und zum Folgenden Giesbrecht: Deutsche Liedpostkarten. In: Lied und populäre Kultur 50/51 (2005/06), S. 67f.; 71–74; Silke Göttsch: „Der Soldat, der Soldat, ist der erste Mann im Staat.“ Männerbilder in volkstümlichen Soldatenliedern 1855–1875. In: Volkskunde im Spannungsfeld zwischen Universität und Museum, hg. v. Ruth-Elisabeth Mohrmann u. a. Münster 1997, S. 109– 124. 51 Vgl. dazu beispielsweise Jürgen Kraus: Die deutsche Armee im Ersten Weltkrieg. Uniformierung und Ausrüstung 1914 bis 1918.

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Wien 2004; Stefan Rest (Hg.): Des Kaisers Rock im 1. Weltkrieg. Uniformierung und Ausrüstung der österreichisch-ungarischen Armee von 1914 bis 1918. Wien 2003; Matthias Judex: Uniformen, Distinktions- und sonstige Abzeichen der gesamten Österreichisch-Ungarischen Wehrmacht. Wolfenbüttel 2010. Vgl. für England Elizabeth Ewing: Women in uniform through the Centuries. London 1975, S. 90–116; Dorothee Platz: We had been the Women’s Army – Women’s Army Auxiliary Corps (WAAC). Kriegserfahrungen von Frauen im Hilfsdienst der britischen Armee des Ersten Weltkrieges. Frankfurt/M. 2005. Siehe dazu Angelique Leszczawski-Schwerk: Amazonen, emanzipierte Frauen, „Töchter des Volkes“. Polnische und ukrainische Legionärinnen in der österreichisch-ungarischen Armee im Ersten Weltkrieg. In: Glanz, Gewalt, Gehorsam. Militär und Gesellschaft in der Habsburgermonarchie (1800 bis 1918), hg. v. Laurence Cole, Christa Hämmerle u. Martin Scheutz. Essen 2011, S. 55–76. Vgl. für Frankreich Huss: Histoire de famille. Paris 2000, S. 167– 181; Pirault: Images de Poilus. Paris 2002, S. 88–90. Siehe dazu auch die Abbildungen in Kapitel 3, S. 46f. Und zum Folgenden die zahlreichen Abbildungen auf 9 Internetseiten: Historische Bildpostkarten der Universität Osnabrück. Galerie 15: Heimat und Front 1914–1918 /15.7.1 Frauenparolen: http://www.bildpostkarten.uni-osnabrueck.de/index. php?cat=126 (Zugriff 5.3.2011). Platz: We had been the Women’s Army – Women’s Army Auxiliary Corps (WAAC). Frankfurt/M. 2005, S. 44; 87f.

7 die Frau daheim – der mann im feld

58 Vgl. in diesem Zusammenhang Herrad-Ulrike Bussemer: Der Frauen Männerstärke. Geschlechterverhältnisse im Krieg (1914–1918). In: Der Tod als Maschinist, hg. v. Spilker u. Ulrich. Bramsche 1998, S. 191–201; Grayzel: Women’s Identities at War. London 1999, S. 11–49; Christa Hämmerle: Heimat/Front.

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Geschlechtergeschichte(n) des Ersten Weltkrieges in Österreich-Ungarn. Wien 2013; Anne Lipp: Heimatwahrnehmung und soldatisches Kriegserlebnis. In: Kriegserfahrungen. Studien zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte des Ersten Weltkriegs, hg. v. Gerhard Hirschfeld u. a. Essen 1997, S. 225–242. Vgl. dazu George L. Mosse: Das Bild des Mannes. Zur Konstruktion der modernen Männlichkeit. Frankfurt/M. 1997, S. 12–23. Vgl. dazu u. a. Heidrun Zettelbauer: „Die Liebe sei Euer Heldentum“. Krieg und Geschlecht im deutschnationalen Diskurs im Ersten Weltkrieg. In: Aggression und Katharsis. Der Erste Weltkrieg im Diskurs der Moderne, hg. v. Petra Ernst. Wien 2004, S. 193f. Vgl. dazu Gerhard Kaufmann/Birte Gaethke (Hg.): Liebesgaben für den Schützengraben 1914–18. Hamburg 1994; Christa Hämmerle: „Wir strickten und nähten Wäsche für Soldaten.“ Von der Militarisierung des Handarbeitens im Ersten Weltkrieg. In: L‘Homme. 3 (1992), 1, S. 88–128. Und zum Folgenden Darrow: French Women and the First World War. Oxford 2000, S. 79–88; Katja Gerhartz: Le madri della Patria. Bürgerliche Frauenbewegung, Nationalismus und Krieg in Italien. Düsseldorf 2003, S. 189; Jean-Yves le Naour: Les marraines de guerre. L’autre famille des soldats. In: Les chemins de la mémoire, Nr. 181 (2008), S. 7–10. Vgl. dazu u. a. Belinda J. Davis: Heimatfront. Ernährung, Politik und Frauenalltag im Ersten Weltkrieg. In: Heimat – Front. Militär und Geschlechterverhältnisse im Zeitalter der Weltkriege, hg. v. Karen Hagemann u. Stefanie Schüler-Springorum. Frankfurt/M. 2002, S. 128–145; Birthe Kundrus: Kriegerfrauen. Hamburg 1995, S. 124–141.

8 frauen arbeiten für den sieg

64 Vgl. zum folgenden Kapitel vor allem Gail Braybon: Women Workers in the First World War. The British Experience. London 1981; Ute Daniel: Frauen. In: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, hg.

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Anmerkungen

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v. Hirschfeld u. a. Paderborn 2004, S. 116–134; Darrow: French Women and the First World War. Oxford 2000; Wall/Winter (Hg.): The Upheaval of War. Cambridge 1988, S. 249–326. Und zum Folgenden Ute Daniel: Fiktionen, Friktionen und Fakten – Frauenlohnarbeit im Ersten Weltkrieg. In: Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse, hg. v. Wolfgang Michalka. München 1994, S. 530–534; Zettelbauer: „Die Liebe sei Euer Heldentum“. In: Aggression und Katharsis, hg. v. Ernst. Wien 2004, S. 188f. Vgl. dazu u. a. Christine Bard: Die Frauen in der französischen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts. Köln 2008, S. 20. Vgl. zur Situation der russischen Frauen im Ersten Weltkrieg Barbara Alpern Engel: Women in Russia 1700–2000. Cambridge 2004, S. 128–133. Und zum Folgenden Darrow: French Women and the First World War. Oxford 2000, S. 169–217; Braybon: Women Workers in the First World War. London 1981, S. 112–161. Daniel: Der Krieg der Frauen. In: „Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch...“, hg. v. Hirschfeld, Krumeich u. Renz. Essen 1993, S. 132–135; 147.

9 die krankenschwester: kameradin oder Objekt der begierde?

70 Siehe beispielsweise Gerhartz: Le madri della Patria. Düsseldorf 2003, S. 128. 71 Und zum Folgenden Darrow: French Women and the First World War. Oxford 2000, S. 133–168; Helga Schreckenberger: Frauen an der Front. Der Erste Weltkrieg und seine Folgen für weibliches Selbstverständnis. In: Krieg und Literatur XII (2006), S. 135–145; Regina Schulte: Die Schwester des kranken Kriegers. Krankenpflege im Ersten Weltkrieg als Forschungsproblem. In: Bios 78 (1994), 1, S. 83–100; Zettelbauer: „Die Liebe sei Euer Heldentum“. In: Aggression und Katharsis, hg. v. Ernst. Wien 2004, S. 205–208. 72 Siehe für Österreich-Ungarn Christa Hämmerle: „Mentally bro-

Anmerkungen

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ken, physically a wreck …“ Violence in War Accounts of Nurses in Austro-Hungarian Services. In: Gender and the First World War, hg. v. Christa Hämmerle u. a. New York 2014, S. 96–100. Auch die oftmals wenig angenehmen Erfahrungen der verwundeten Soldaten wie des weiblichen Pflegepersonals konnten freilich geschönt werden. Siehe dazu jetzt Wolfgang U.Eckart: Die Wunden heilen sehr schön. Feldpostkarten aus dem Lazarett 1914–1918. Stuttgart 2013. Vgl. dazu Wette: Militarismus in Deutschland. Darmstadt 2008, S. 117–120. Siehe in diesem Zusammenhang auch Darrow: French Women and the First World War. Oxford 2000, S. 276–284. Und zum Folgenden die zahlreichen Bildbeispiele bei Michael Zwerdling: Postcards of Nursing. A Worldwide Tribute. Philadelphia 2004. Und zum Folgenden Hirschfeld/Gaspar: Sittengeschichte des Ersten Weltkriegs. Hanau [1966], S. 121–138; Theweleit: Männerphantasien. Bd. 1. Frankfurt/M. 1977, S. 161–175; Zettelbauer: „Die Liebe sei Euer Heldentum“. In: Aggression und Katharsis, hg. v. Ernst. Wien 2004, S. 207f. Vgl. zum Folgenden Alon Rachamimow: „Female Generals“ and „Siberian Angels“. Aristocratic Nurses in the Austro-Hungarian POW Relief. In: Gender and War in Twentieth-Century Eastern Europe, hg. v. Nancy Wingfield u. Maria Bucur. Bloomington 2006, S. 23–46; Nina K. Zvereva: Avgustejšie sestry miloserdija. Moskva 2006; Pavel Ščerbinin: Voennyj faktor v povsednevnoj žizni russkoj ženščiny v XVIII – načale XX v. Tambov 2004, S. 409–444.

10 Andere Städtchen, andere Mädchen

78 Vgl. dazu aus psychoanalytischer Sicht Hirschfeld/Gaspar: Sittengeschichte des Ersten Weltkriegs. Hanau [1966], S. 49–62. 79 Siehe dazu u. a. Grayzel: Women’s Identities at War. London 1999, S. 121–156; Hirschfeld/Gaspar: Sittengeschichte des Ersten Weltkriegs. Hanau [1966], S. 231–304.

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Anmerkungen

80 Siehe dazu auch Holzer: Die andere Front. Darmstadt 2007, S. 204; 220–225. 81 Diesen Hinweis verdanke ich einer E-Mail von Oliver Stein (Berlin) vom 18. 9. 2011. 82 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Robert L.Nelson: Deutsche Kameraden – slawische Huren. In: Heimat – Front, hg. v. Hagemann u. Schüler-Springorum. Frankfurt/M. 2002, S. 98–102; außerdem noch Weisser (Hg.): Die Frau in der Reklame. Münster 1981, S. 11. 83 Vgl. dazu u. a. Parker u. a. (Hg.): Nationalisms and Sexualities. New York 1992, S. 5–12; Bard: Die Frauen in der französischen Gesellschaft. Köln 2003, S. 27f.; und zum Folgenden Grayzel: Women’s Identites at War. London 1999, S. 50–85. 11 heldentod und frauenleid

84 Und zum Folgenden Jens Peter Franke: Die Kriege 1900–1994. Chronologie und Zahlen. In: „So ist der Mensch…“, hg. v. Düriegl, Bd. 2. Wien [1994], S. 139; George L. Mosse: Gefallen für das Vaterland. Nationales Heldentum und namenloses Sterben. Stuttgart 1993, S. 9–11; Hans-Martin Schwarzmaier: Heldenpathos und anonymer Tod. Kriegsalltag 1914–1918 im Spiegel von Bildpostkarten. In: Archiv und Geschichte, hg. v. Klaus Oldenhage u. a. Düsseldorf 2000, S. 560–594; Jay Winter: Some Paradoxes of the First World War. In: The Upheaval of War, hg. v. Wall u. Winter. Cambridge 1988, S. 12–35. 85 Und zum Folgenden grundsätzlich Bernd Hüppauf: Über den Kampfgeist. In: Der Feind, den wir brauchen oder: muß Krieg sein? hg. v. Anton-Andreas Guha u. Sven Papcke. Königstein 1985, S. 71–97; Mosse: Gefallen für das Vaterland. Stuttgart 1993; für die Trauerkultur in Frankreich Françoise Thébaud: La guerre et le deuil chez les femmes françaises. In: Guerre et cultures, hg. v. Jean-Jacques Becker. Paris 1994, S. 103–110. 86 Und zum Folgenden Holzer: Die andere Front. Darmstadt 2007, S. 89f.; 272–295; Klaus Latzel: Vom Sterben im Krieg. Wandlun-

Anmerkungen

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gen in der Einstellung zum Soldatentod vom Siebenjährigen Krieg bis zum II. Weltkrieg. Warendorf 1988, S. 57–79, hier S.70. Vgl. dazu in einem größerem zeitlichen Horizont Schilling: „Kriegshelden“. Paderborn 2002, S. 252–288. Vgl. Norbert Fischer/Sylvina Zander: Tod, Trauer und Weiblichkeit in der Grabmalkultur des 18. bis frühen 20. Jahrhunderts. In: Ohlsdorf. Zeitschrift für Trauerkultur 85 (2004), 2, unter: http:// fof-ohlsdorf.de/thema/2004/85s05_weiblickeit.htm (Zugriff: 11. 6. 13). Siehe dazu u. a. Gerhartz: Le madri della Patria. Düsseldorf 2003, S. 221–223. Vgl. in diesem Zusammenhang Deborah Cohen: The War Come Home. Disabled Veterans in Britain and Germany 1914–1939. Berkeley 2001; Sabine Kienitz: Beschädigte Helden. Kriegsinvalidität und Köperbilder 1914–1923. Paderborn 2008.

12 sieg und niederlage in weiblicher gestalt

91 Einen überaus lebendigen und authentischen Eindruck solcher Stimmungen vermitteln beispielsweise die zahlreich erhalten gebliebenen Fotopostkarten, in denen voller Stolz die Siegesfeierlichkeiten und -paraden in Paris im Jahr 1919 festgehalten sind. 92 Vgl. dazu Rudolf Jaworski: Vitězná Čechie – Weibliche Allegorien zur Staatsgründung der ČSR. In: 1918. Model komplexního transformačního procesu, hg. von L. Kostrbova u. J. Malinská. Praha 2010, S. 277–285. 93 Vgl. dazu u. a. Christine Bard: Les filles de Marianne. Histoire des féminismes, 1914–1940. Paris 1995, S. 129ff.; Condell/Liddiard: Working for Victory? London 1987, S. 157. 94 Vgl. dazu noch einmal Warner: In weiblicher Gestalt. Reinbek bei Hamburg 1989, S. 396 mit ihrer treffenden Beobachtung: „Wenn Frauen eine Stimme oder das Wahlrecht gehabt hätten, wäre Marianne als allgemein gültige Gestalt des Ideals [der Freiheit – R. J.] wohl kaum zu akzeptieren gewesen.“

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Anmerkungen

schlussbemerkung

95 Und zum folgenden Rainer Rother/Ursula Breymayer: Bilder des Ersten Weltkrieges. In: Geschichte in Bildern. Von der Miniatur bis zum Film als historische Quelle, hg. v. Irmgard Wilharm. Pfaffenweiler 1995, S. 107–109. 96 Vgl. dazu Bard: Die Frauen in der französischen Gesellschaft. Köln 2003, S. 89–124; Kristine Schulz: Sozialistische Frauenorgansiationen, bürgerliche Frauenbewegung und der Erste Weltkrieg. Nationale und internationale Perspektiven. In: Historische Zeitschrift 298 (2014)H.3, S. 672-685. 97 Vgl. in diesem Zusammenhang vor allem Françoise Thébaud: Der Erste Weltkrieg. Triumph der Geschlechtertrennung. In: Geschichte der Frauen. Bd. 5, hg. v. Françoise Thébaud, Georges Duby u. Michelle Perrot. Frankfurt/M. 1995, S. 33–91. 98 Siehe dazu Jürgen Reulecke: Vom Kämpfer zum Krieger. Zur Visualisierung des Männerbildes während des Ersten Weltkrieges. In: Der Erste Weltkrieg, hg. v. Quandt u. Schichtel. Gießen 1993, S. 158–175. 99 Siehe dazu Gerhartz: Le madri della Patria. Düsseldorf 2003, S. 137–143, 179, passim; Maureen Healy: Becoming Austrian. Women, the State and Citizenship in World War I. In: Central European History 35 (2002), 1, S. 1–35; Susan Kingsley Kent: The Politics of Sexual Difference. World War I and the Demise of British Feminism. In: British Studies 27 (1988), 3, S. 232–253. 100 Siehe u. a. Holt/Holt: Till the Boys Come Home. Newtown 1977, S. 128–152. 101 Vgl. u. a. Richard J. Evans: Comrades and Sisters. Feminism, Socialism and Pacifism in Europe 1870–1945. Sussex 1987, S. 121–156 sowie noch einmal die Literaturangaben in Anm. 18. 102 Vgl. dazu noch einmal die englische Abschiedskarte „Britische Frauen sagt, ,Geh!“, Abb. 76, und die russische Kriegsanleihekarte „Alles für den Krieg“, Abb. 91, die samt Untertitel in der jeweiligen Originalsprache des Herkunftslandes sowohl in Russland wie in England herausgegeben worden sind.

Anmerkungen

103 Siehe dazu beispielsweise die auch anderweitig vertretene, aber dennoch unhaltbare Prämisse von Hamann: Der Erste Weltkrieg. München 2008, S. 12f. 104 Siehe für Deutschland Otto Volz: Wir kommen und schlagen in Scherben. Die Bildpostkarte als Dokumentation eines Zeitgeistes. 2. Weltkrieg 1939–45. Wien 1985.

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CHRISTA HÄMMERLE

HEIMAT/FRONT GESCHLECHTERGESCHICHTE/N DES ERSTEN WELTKRIEGS IN ÖSTERREICHUNGARN

Die Katastrophe des Ersten Weltkriegs zeigt sich erst dann umfassend, wenn die engen Verschränkungen zwischen „Front“ und „Heimatfront“ als Voraussetzung moderner Kriegsführung berücksichtigt werden. Auf der Basis einer großen Bandbreite von Selbstzeugnissen macht das Buch die Militarisierung der gesamten Gesellschaft – von Männern wie von Frauen und Kindern – sowie verschiedene Kriegsalltage und Gewalterfahrungen sichtbar. Es handelt von k. u. k. Mannschaftssoldaten und Offi zieren ebenso wie von Armeeschwestern und Rotkreuzhelferinnen, den „Liebesgaben“ für die Soldaten herstellenden Schulmädchen und in der „Kriegsfürsorge“ engagierten Frauen. Insgesamt bietet der Band neben einer kritischen Forschungsbilanz eine facettenreiche Frauen- und Geschlechtergeschichte des Ersten Weltkriegs in Österreich-Ungarn. 2014. 279 S. 8 S/W-ABB. BR. 135 X 215 MM. | ISBN 978-3-205-79471-4

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BURCU DOGRAMACI (HG.)

IN DER SCHLACHT BRIEFE DES JÜDISCHEN KÜNSTLERS BRUNO JACOB AUS DEM ERSTEN WELTKRIEG

Nur wenige Tage nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete sich der 21-jährige Kunststudent Bruno Jacob als Freiwilliger. Wie viele andere Künstler seiner Generation wechselte er begeistert Feder und Pinsel gegen Gewehr und Soldatenleben. Von der Front schrieb er regelmäßig an seine Geliebte , die Künstlerin Lieselotte Friedlaender , die wie er bei dem Expressionisten Georg Tappert studierte. Die Briefe und Postkarten sprechen von Enthusiasmus und Siegeshoffnungen , enthalten jedoch zunehmend drastische Schilderungen von Gewalt , Kampf und Tod. Kurz vor Kriegsende fiel Bruno Jacob. Er gehört damit zu den mindestens 12.000 deutschen Juden , die für das Kaiserreich als Soldaten ihr Leben ließen , und zu den jung verstorbenen Künstlern , deren Werk unvollendet blieb. Durch glückliche Umstände sind seine Briefe aus den Kriegsjahren 1914 und 1915 fast vollständig erhalten. Die hier erstmals publizierten , bewegenden Schriftstücke vermitteln einen intensiven Eindruck von den gescheiterten Hoffnungen einer im Auf bruch befindlichen Künstlergeneration im frühen 20. Jahrhundert. 2014. 240 S. 21 S/W- UND 19 FARB. ABB. FRANZ. BR. 135 X 210 MM. ISBN 978-3-412-22407-3

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