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German Pages 384 [394] Year 2015
R EINHARD LOOCK Idee und Reflexion bei Kant
SCHRIFTEN ZUR TRANSZENDENTALPHILOSOPHIE Band 12
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
REINHARD LOOCK
Idee und Reflexion bei Kant
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
Meinen Eltern
Im Digitaldruck »on demand« hergestelltes, inhaltlich mit der ursprünglichen Ausgabe identisches Exemplar. Wir bitten um Verständnis für unvermeidliche Abweichungen in der Ausstattung, die der Einzelfertigung geschuldet sind. Weitere Informationen unter: www.meiner.de/bod.
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. ISBN: 978-3-7873-1358-7 ISBN eBook: 978-3-7873-2851-2 © Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1998. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier, hergestellt aus 100 % chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de
INHALT
EINLEITUNG
.......................................................................................... . . .
ERSTER TEIL
Die Vernunftidee der Freiheit und das praktische Selbstbewußtsein . . . . . .
15
1. Zur Architektonik und Methode der praktischen Vernunft
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15
.. .. ...... . . . . .... .
17 24
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a) Die Richtschnur der Kritik allen Vernunftgebrauchs b) Theoretische und praktische Methode
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2. Das Ideal der Einbildungskraft
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3. Das Faktum der Vernunft
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. a) Das Prinzip der Glückseligkeit b) Die technisch-praktische Vernunft der Glückseligkeit .....
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a) Das Selbstbewußtsein der praktischen Vernunft b) Die absolute Reflexion der praktischen Vernunft . . . . . . . . . . . . .. . ... . . . . . . . . c) Die Undeduzierbarkeit des Grundverhältnisses . .... . . . . .
............................
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4. Das Subj ekt der praktischen Vernunft
..................
a) Archetypische und ektypische Natur b) Das Dasein des Sittengesetzes c) Das vernünftige Subj ekt .
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5. Der Gegenstand der praktischen Vernunft und die Ideen
....................
a) Die Grundantinomie der praktischen Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Selbstbegrenzung der praktischen Vernunft ..... ................ ... ... c) Der reine Vernunftglaube ....................................................... . . . .... .
.
34 34 43 48 48 54 62 67 67 71 78 83 84 92 98
ZWEITER TEIL
Die ästhetische Urteilskraft und die Genesis zur produktiven Vernunft . 1 03 .
1 . Das Prinzip der reflektierenden Urteilskraft
. ... ... . . . . . . . . . . . . . 1 03
...................
a) Die Konstellation des produktiven Vernunftgefüges b) Heautonomie und Zweckmäßigkeit
.
...................
......................................
..
.
1 05
.. ........ 110
VI
Inhalt
. c) Ä sthetische und teleologische Urteilskraft d) Die reflektierende Vermittlung von Natur und Freiheit ..............
2 . Die Analytik des Schönen a) b) c) d)
Die Die Die Die
.................. . ...
............. . . . . .
...................................................................
Qualität oder das Gefiih l des Schönen Quantität oder die Anschauung des Schönen Relation oder der Begriff des Schönen Modalität oder die Reflexion des Schönen
.....................
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... . .........
. . ...... . .... . ..... . . .
3. Die transzendentale Reflexion des Schönen
......
. . . .
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...
a) b) c) d)
...............
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......
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4. Das Mathematisch-Erhabene
. . . . .
. . . .................... . . . . ...
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131 . 1 35 1 38 1 43
..... . .
.
a) Die produktive Vernünftigkeit des Schönen b) Die theoretische Vernünftigkeit des Schönen c) Die praktische Vernünftigkeit des Schönen
.....
. . . ...
Die Quantität oder die unendliche Anschauung des Erhabenen Die Qualität oder das erhabene Gefühl der Grenze .................... . Das Gefiih l der Bestimmbarkeit ............................................... Die Heautonomie des Erhabenen und das Schöne .. ................... .... .
...
......
. . ...
...................
.
......
.
.
.. .
........
...
.
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......
.. . b) Der dynamisch-erhabene Gegenstand . . . . c) Die Relation oder der Begriff der erhabenen Persönlichkeit ......... d) Die Modalität oder die moralische Reflexion des Erhabenen . ................
...............
..
.....
...............
..
..
................
.
...
6 . Die ästhetische Reflexion und die Ideen
1 48
. 1 49 . 1 53 1 56
................................ . . . . . . . .
5 . Das Dynamisch-Erhabene .. ... a) Der Übergang zum Dynamisch-Erhabenen
1 30
...............
...... ....................
..............
1 18 1 25
... . .
. . .................. .......... ...............
1 63 1 64 1 73 1 79 1 83 191 1 92 202 210 220 226
a) Die ästhetisch reflektierte Einheit der Vernunft 228 b) Die ästhetische Synthesis von Freiheit und Natur . . 235 c) Die Genesis zur produktiven Vernunft .. .......................... 244 .............................
.
.......
....
........ ...........
........
DRITTER T E I L
Die teleologische Urteilskraft und die produktive Idee ........................... 249 .
1 . Das teleologische Reflexionsgefii g e ................................................... 249 a) Der Übergang zur produktiven Idee .. . . . 25 0 b) Der teleologische Gegenstand . . 25 5 c) Die teleologische Reflexion .... ... . . . . . 25 9 .
...........
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....
........................
....
...........
.................................
2 . Die Analyse des Naturzwecks
..
.
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. . .... . ..............
.
....
a) Die Spezifikation des teleologischen Prinzips
.....
.
.................
... . ...............
.....
.
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...............................
. . . . . . . . . . ................... . . .
264 268
VII
Inhalt
b) Der Begriff des Naturzwecks c) Die Maxime der teleologischen Erfahrung
......................................................
............
3. Die transzendentale Reflexion des Naturzwecks
.
................
.
...
.. . . .
.
..
.......................... . ......
a) Die Antinomie der teleologischen Urteilskraft b) Zweckbegriff und intuitiver Verstand c) Teleologie und Mechanismus . .
...............................
.............................................
.......................
4. Die Natur als System der Zwecke
...
..................... . . . . . . . .
........................... .......................... . .
27 1 276 28 1 283 289 302 308
a) Der letzte Zweck der Natur 309 b) Die Kultur der Reflexion ............................................................. .. 3 1 5 c) Die technisch-praktische Vernunft 321 .............................................................
.
........................................... . .. . ..
5 . Der Endzweck der Welt
................... ............................ ........ . ..
a) Die Krise der reflektierenden Urteilskraft b) Moralische Teleologie und Moraltheologie c ) Die Grenze der reflektierenden Urteilskraft
...
. . ......
....................... ......
6. Die teleologische Reflexion und die Ideen
.
. . . 327 335 344 ...
..
.
................................. . ..
...................................
..........................................
a) Der Glaube der reflektierenden Urteilskraft b ) Das Vernunftsystem der reflektierenden Urteilskraft c ) Produktive Idee und Reflexion
............ ....................
.
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................ . .. . .
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LITERATURVERZEICHN I S
. 326
.
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35 1 352 367 3 76 381
EINLEITUNG
Die Ideen Gott, Freiheit und Unsterblichkeit als die »unvermeidlichen Auf gaben der reinen Vernunft selbst« (KrV B 7) 1 bezeichnen das Gebiet, inner halb dessen sich das Vernunftwissen in der kritischen Philosophie Kants ent faltet. Unvermeidliche Aufgaben sind die Vernunftideen in zweifacher Hinsicht: Sie entspringen allein der reinen Spontaneität der Vernunft, näm lich der bestimmenden Tätigkeit ihres Schließens, so daß die Vernunft durch ihre selbstgegebenen Gegenstände unvermeidlich beansprucht wird. Zu gleich stellen die Ideen die Vernunft vor wesentliche Probleme, welche nur ihre kritische Selbstdurchdringung auflösen kann. Denn sie enthalten jeweils ein schlechthin Unbedingtes, und das Augenmerk der Kritiken besteht in der Frage, wie dieses dreifaltige Unendliche für die endliche Form der Reflexion da ist. Vernunftideen sind demnach Aufgaben der Vernunft, weil sie ihrem schließenden Wesen entspringen und dieses systematisch vollständig aus schöpfen. Indem sie die Gewißheit der endlichen Reflexion verlangen, stel len sie ebenso Aufgaben for die Vernunft dar. Unter dem Titel Idee und Reflexion geht die folgende Untersuchung dem hier angezeigten Selbstver hältnis nach. Sie versucht mit ihrer Problemstellung, den Vernunftort zu be wahren, den Kant als die Eigentümlichkeit des transzendentalphilosophi schen Wissens gekennzeichnet hat: das Vorrecht der Vernunft nämlich, die aus ihr entsprungenen Probleme auch vollständig durchdringen zu können, »weil eben derselbe Begriff, der uns in den Stand setzt zu fragen, durchaus uns auch tüchtig machen muß, auf diese Frage zu antworten, indem der Ge genstand außer dem Begriffe gar nicht angetroffen wird [ . . . ]« (KrV B 505).2 Als wesentliche Prämisse liegt dieser Untersuchung die Auffassung zu grunde, daß j ede Kritik j eweils eine Vernunftidee zu ihrem Bestimmungs grund hat: die KrV die theoretische Idee der erkennenden Seele, die KpV die 1 Hinweise zur Aufschl üsseJ ung der Abkürzungen und zur Zitierweise finden sich im Lite raturverzeichnis. 2 Im Unterschied zu den »Naturfragen« müssen alle Fragen, die die reine Vernunft auf wirft, beantwortbar sein, »Weil uns hier nicht von der Natur der Dinge, sondern allein durch die Natur der Vernunft und lediglich über ihre innere Einrichtung die Fragen vorgelegt wer den . >Wenn demnach dasjenige, was in der Sinnenwelt als Erscheinung angesehen werden muß, an sich selbst auch ein Vermögen hat, welches kein Gegenstand der sinnlichen An schauung ist, wodurch es aber doch die Ursache von Erscheinungen sein kann : so kann man die Causalität di eses Wesens auf zwei Seiten betrachten , als intel ligibel nach ihrer Handlung als eines Dinges an sich selbst, und als sensibel nach den Wirkungen derselben als einer Er scheinung in der Sinnenwel t.« (Kr V 8 566). 26 >>Man muß wohl bemerken: daß wir hi edurch nicht die Wirklichkeit der Freiheit als ei nes der Vermögen, welche die Ursache von den Erscheinungen unserer Sinnenwelt enthalten, haben darthun wollen. [ . . . ] Ferner haben wir auch gar nicht einmal die Möglichkeit der Frei heit beweisen wollen; denn di eses wäre auch nicht gelungen, weil wir überhaupt von keinem Realgrunde und keiner Causalität aus bloßen Begri ffen a priori die Möglichkeit erkennen können .« ( KrV 8 5 85/6).
Architektonik und Methc.de der praktischen Vernunft
21
Während von der theoretischen Vernunft gilt, daß ihr um ihrer obj ektiven Realität willen Gegenstände gegeben sein müssen, vermag die praktische Vernunft sich selbst ihre obj ektive Realität zu geben. Im Unterschied zur produktiven Kausalität wiederum liegt weder ihre objektive Realität noch ihr Bestimmungsgrund in einem Anderen. Beide Unterscheidungen gründen auf derselben Voraussetzung: daß sich nicht mehr nur die Nicht-Unmöglichkeit, sondern die Wirklichkeit der Freiheit in der menschlichen Vernunft beweisen läßt. Ein solcher Beweis würde zugleich implizieren, daß die Vernunft nicht nur unbedingt praktisch ist, sondern daß sie sich - weil die Idee als absolute Totalität den Beweisgrund dieser Unbedingtheit darstellt - an ihr selbst von aller sonstigen, d.h. sowohl von der theoretischen wie auch von der empi risch-praktischen Bestimmung unterscheidet. Die Aufgabe der Kp V besteht also darin, die objektive Realität der prakti schen Vernunft darzustellen, nämlich so, daß die Wirklichkeit der Idee der Freiheit als ihr unbedingter Bestimmungsgrund erkannt wird, durch den sie sich an ihr selbst von allen anderen Formen der Vernünftigkeit unterscheidet. Es liegt nun auf der Hand, daß mit dieser so gestellten Aufgabe auch die phi losophische Darstellung eine tiefgehende Veränderung erfährt. Indem näm lich die absolute Selbstbeziehung der Vernunft darzustellen ist, entfällt die (rationalistische) Beziehung auf eine zugrundeliegende absolute Substanz ebenso wie der Anhalt an das (theoretisch) Gegebene oder (produktiv) Her vorzubringende . Vielmehr verschränkt sich die methodische Darstellung untrennbar mit der Sachhaltigkeit des Vernunftprinzips. Sie kann diesem Prinzip nur dann adäquat sein, wenn sie ihrerseits alle Ä ußerlichkeit zu ihm tilgt und ihre Bestimmungen sich insgesamt als dessen Selbstbestimmungen erweisen lassen. Die Methode zeigt sich damit zwei Erfordernissen unterworfen : Einerseits kann sie in der Darstellung der Wirklichkeit der reinen praktischen Vernunft kein begründendes Deduzieren sein, weil diese Wirklichkeit sich der schlechthin unbedingten Idee der Freiheit verdankt. In dieser Hinsicht wird sich die Darstellung auf einen einzigartigen Modus des Sichzeigens der Idee zusammenziehen. Andererseits ist die praktisch-absolute Selbstbeziehung die Wirklichkeit der einen, in ihrem Gebrauch unterschiedenen Vernunft. Nach dieser Seite ergibt sich die Notwendigkeit einer begründenden Unterschei dung, durch welche das unbegründbare Sichzeigen für die kritische Einsicht der Vernunft transparent wird. Die Selbstbeziehung der Vernunft bleibt darin allerdings nur insofern gewahrt, als das, wogegen sie sich unterscheidet, sich jeweils seinerseits als eine Gestalt der Vernunft und somit als für die Ver nunft durchdringbar erweist.
22
Erster Tei l Freiheit und praktisches Selbstbewußtsein ·
Beide methodische Erfordernisse verwandeln den Begriff der Kritik gegenüber der bereits geleisteten theoretischen Kritik grundlegend. Diese Verwandlung ist es auch, worauf der merkwürdige, im Titel der Einleitung enthaltene Ausdruck »Idee einer Kritik« hinweist. Kant sagt nämlich: »Folg lich werden wir nicht eine Kritik der reinen praktischen, sondern nur der praktischen Vernunft überhaupt zu bearbeiten haben. Denn reine Vernunft, wenn allererst dargethan worden, daß es eine solche gebe, bedarf keiner Kri tik. Sie ist es, welche selbst die Richtschnur zur Kritik alles ihres Gebrauchs enthält.« (Kp V 30) Zweierlei ist in dieser verwandelten Bestimmung der Kritik angezeigt: Zum einen hat die kritisch-praktische Einsicht allein darzulegen, daß es reine Vernunft gibt, und um dieses begründet tun zu können, verfährt sie unter scheidend gegen j eden Vernunftgebrauch, der sich nicht durch die freie Selbstbestimmung auszeichnet. Ist die Wirklichkeit der praktischen Vernunft einmal zum Vorschein gekommen, dann bedarf es nicht mehr einer kriti schen Begrenzung gegen einen möglichen transzendenten Gebrauch. Denn ein dialektisch-betrügender Schein ist nunmehr augeschlossen, weil mit die ser Darlegung die Wirklichkeit und obj ektive Realität der Idee der Freiheit erwiesen ist. Die kritische Einsicht beschränkt sich also auf die unterschei dend-begründende Hinftihrung zum undeduzierbaren Prinzip (sowie auf die Beziehbarkeit des zuvor Unterschiedenen, die erst durch das Prinzip möglich wird). Die zweite Kritik als die einer reinen praktischen Vernunft zu betiteln, würde also die Einsicht hintergehen, die sie selbst hervorbringt. 27 2 7 Beck ( 1 974, 53 ff.) kommt in seinen Überlegungen hinsichtlich des Titels der KpV zu dem Ergebnis, daß sie ebensogut auch » Kritik der reinen praktischen Vernunft« hätte heißen können , wie es auch die Vorrede zur GMS nahelegt (vgl . AA IV, 3 9 1 ). Er verkennt dabei aber Kants Interesse an einer Asymmetrie zum Titel der KrV. Es besteht darin, die praktische Ver nunft als reine Wirklichkeit der Frei heit zu denken und gegenüber den problematischen Ideen der theoretischen Vernunft auszuzeichnen. Der Fokus der skizzi erten Aufgabe liegt im >>Fak tum der Vernunft>daß, wenn sie vol l endet sein soll, ihre Einheit mit der speculativen in einem gemeinschaftlichen Princip zugleich müsse dargestellt werden können, weil es doch am Ende nur eine und dieselbe Vernunft sein kann, die bloß in der Anwendung unterschieden sein muß.« (AA IV, 3 9 1 ) Die ganze Konstel lation verschiebt sich, kurz gesagt, mit oder nach der KpV so, daß die Einsicht in das Faktum die Notwendigkeit einer Deduktion aufhebt, aber zugleich auch die Deduktion der ganzen
Architektonik und Methode der praktischen Vernunft
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Zum anderen erschöpft sich der Begriff der Kritik nicht in der kritisch unterscheidenden Darlegung der reinen Realität der praktischen Vernunft, die an ihr selbst keiner Kritik bedarf. Vielmehr liegt die entscheidende Ein sicht darin, daß die kritisch ausgewiesene Reinheit der Vernunft ebenso die »Richtschnur« zur kritischen Einsicht alles ihres Gebrauchs enthält. Damit ist zunächst die Unmöglichkeit eines praktischen Scheins wiederaufgenom men. Weil aber auch die theoretische Vernunft, wie ihre Kritik erwiesen hat, rein verfährt, läßt sich schließen, daß die praktische Vernunftrealität zugleich in bestimmter Hinsicht den Grund ihres theoretischen Gebrauchs enthält. Und indem weiterhin das praktische Prinzip und seine Methode untrennbar miteinander verschränkt sind, begründet die reale Idee der Freiheit auch noch die methodische, d.h. transzendentale Einsicht in die theoretische Vernunft. 28 Es zeigt sich also, daß die »Idee einer Kritik der praktischen Vernunft« sich zunächst ganz auf die Wirklichkeit der Idee der Freiheit zusammenzieht, daß diese sich aber ebenso, und zwar sowohl sachlich wie methodisch, zum Grund der Vernunft überhaupt entfaltet. Somit fällt die Idee ihrer Kritik mit der Philosophie selbst bzw. mit ihrem systematischen Standpunkt zusammen. Die Idee der Freiheit ist jenes Ganze, aus dem die vernünftigen Teile in ihrer wechselseitigen Beziehung aufeinander abgeleitet und zur systematischen Einheit der einen Vernunft verknüpft werden. 2 9 Diese doppelte Funktion der
Philosophie aus »einem gemeinschaftlichen Princip« unmöglich macht und dadurch die Auf gabe einer dri tten Kritik entspringen läßt, welche die diesem gemeinschaftlichen Prinzip ei gentümliche Erkenntnisart (die Reflexion) durchsichtig werden läßt. 28 Die hier angesprochene Rückbindung der theoretischen an die praktische Vernunft muß ftir alle Kant-Interpretationen anstößig sein, die in der KrV eine Erkenntnistheorie (womög lich eine philosophische Begründung der newtonseben Physik) und in der KpV eine Moral oder Handlungstheorie, j edenfalls Begründungsversuche verschiedener Disziplinen der Philo sophie bzw. elementarer Phänomene des menschlichen Daseins, erbl icken, zu denen die KU eine nachträgliche Ergänzung und Vermittlung liefere. Daß Ka11t dagegen in der KpV theore tische und praktische Vernunft aus derjenigen systematischen Einheit denkt, die die Vernunft selbst ist, verdeutl icht sogleich die Vorrede, in der es heißt, der Begri ff der Freiheit mache »den Schl ußstein von dem ganzen Gebäude eines Systems der reinen, selbst der speculativen Vernunft ausdas Werk selbst durchaus nach synthetischer Lehrart abgefaßt sein mußte, damit die Wissenschaft alle ihre Articulationen, als den Gliederbau eines ganz besondern Er kenntni ßverrnögens, in seiner natürl ichen Verbindung vor Augen stelle« (AA IV, 263 ; vgl . auch 274). 3 1 »in einer transeendentalen Logik isoliren wir den Verstand (so wie oben in der tran scendentalen Ä sthetik die Sinnlichkeit) ( . . . ]« (Kr V 8 87). 3 2 Der Unterschied von theoretischer Vernunft und reinem Verstand ist hier so aufgefaßt, daß dieser die apriorische Beziehung auf den Gegenstand konstituiert, während jene, wie die schon ziti erte Stelle Kr V 8 25 im Zusammenhang mit 8 80 deutlich macht, di ese Konstitution -
Architektonik und Methode der prakti schen Vernunft
25
Von diesem höchsten Punkt her konkretisiert sich der reine Verstand in sei ner synthetischen Tätigkeit durch den Schematismus der produktiven Einbil dungskraft und entfaltet sein konkretes Wissen im System seiner synthe tischen Urteile a priori . Die Darstellung dieses Systems vollendet sich ihrer seits in den Postulaten des empirischen Denkens überhaupt. Diese binden das dargelegte Wissen an das theoretische Selbstbewußtsein zurück, indem sie es modalisieren und dadurch implizit in den Verstand reflektieren. Denn die in den Postulaten konkretisierten Modalkategorien haben gegenüber allen anderen Kategorien die Eigentümlichkeit, daß sie die »Bestim mung des Obj ects nicht im mindesten vermehren, sondern nur das Verhältniß zum Erkenntnißvermögen ausdrücken. « (KrV B 266)33 Der (im engeren Sinn) analytische Teil der KrV umfaßt also die beiden (methodischen) Abstraktionen und wendet sich mit der ursprünglichen Apperzeption um in das synthetische Verfahren. Um die innere Konsequenz des abstrakt-analytischen Beginns aufzuhellen, sei zunächst die Spontaneität der ursprünglichen Apperzeption charakterisiert. 34 Sie ist zwar an ihr selbst reine, sogar absolute Spontaneität, doch in dieser Reinheit nicht nur bewußt los, sondern etwas, was als solches schlechthin nicht zu Bewußtsein kommen kann (schlechthin unvorstellbar ist), weil das Bewußtsein immer schon bestimmtes Bewußtsein ist. Die ursprüngliche Apperzeption hat darum den gegenwendigen Charakter, einerseits als reine Tätigkeit alle Bewußtseins tätigkeiten überhaupt erst begründend zu ermöglichen35, und zwar in der Weise des Bestimmens, andererseits sich aber auch erst in diesem Bestim men zu konkretisieren und zu reflektieren. Die Apperzeption als theoreeigens transzendental reflektiert und ins Wissen hebt. Eine solche Interpretation bleibt, zumal im Vorblick auf die praktische Vernunft, der von Kant gedachten prinzipiellen Einheit der Vernunft angemessen, ohne den Unterschied von Vernunft und Verstand aufzulösen, und vermeidet dabei die zuletzt notwendig dogmatische Ansetzung gegeneinander selbständiger » VermögenReine Vernunft ist flir sich al lein praktisch und giebt (dem Menschen) ein allgemeines Gesetz, welches wir das Sitten-
62
Erster Teil Freiheit und praktisches Selbstbewußtsein ·
Kants Darstellung des Vernunftstandpunkts der Philosophie kann folgen dermaßen zusammengefaßt werden: Über das mögliche Wechselverhältnis von gesetzgebender Form und freiem Willen hinaus, das als mögliches noch dem theoretischen Selbstbewußtsein analog bleibt, erreicht Kant mit dem Faktum der Vernl!nft das Prinzip des ganzen Vernunftsystems. Daß reine Vernunft für sich allein praktisch ist, erweist sich in der Wirklichkeit des Sittengesetzes, welches das Selbstbewußtsein der praktischen Vernunft dar stellt. Aus dem Sittengesetz rückschließend, läßt sich die reine Vernunft als absolute Reflexion denken, als diej enige Spontaneität, die ihre Form unmittelbar zu ihrer eigenen Materie macht 106 und sich dadurch absolut selbstbestimmt Insofern fällt die reine Vernunft mit der Idee der Freiheit zu sammen. Diese unerkennbare reine Identität, gleichsam die absolute Thesis der Vernunft, gibt sich in der Synthesis a priori des Sittengesetzes zu erken nen. Das Sittengesetz ist die bewegte, in sich reflektierte Identität des prakti schen Selbstbewußtseins, deren innere Differenz sich in der Bestimmung des Sollens anzeigt. Wesentlich ist also, daß Kant den Grund prinzipiell als sich zeigendes Grundverhältnis denkt. Dieses Grundverhältnis legt der Begriff des Faktums nach verschiedenen Hinsichten aus : Es ist Faktum der Vernunft (Bestimmen) und für die Vernunft (Reflektieren), hervorgebracht durch die Vernunft und dem Selbstbewußtsein gegeben, somit ratio essendi des Sitten gesetzes und ebenso ratio cognosendi der unerkennbaren Idee der Freiheit.
c) Die Undeduzierbarkeit des Grundverhältnisses Das spekulative Prinzip (im Sinne von speculum, nicht in der kautsehen Ab leitung von specula) seines ganzen Vernunftsystems denkt Kant im Begriff des einzigen Faktums der Vernunft. Dieses Prinzip ist spekulativ gedacht, weil die Vernunftidee der Freiheit nicht allein als absoluter Grund bestimmt ist, sondern als derj enige Grund, der sich im faktischen Bewußtsein des Sit tengesetzes als solcher zeigt und manifestiert. Genau dieses Sich-Zeigen gesetz nennen. « (KpY 56) Schlechthin unverständlich bleibt dagegen die Überlegung Höffes ( 1 983), der sogar im Faktum selbst eine Di fferenz etabliert und dann allerdings konsequent von der paradoxen Situation Kants und vielleicht jeder Ethik spricht: »Reflektiert wird auf das, was im moralischen Bewußtsein [ . . . ] immer schon gegeben ist, also auf ein Faktum, ein Ist, und doch soll die Reflexion zu einem Moralprinzip, dem Grund und Maßstab des Sollens, fUhren .« (202/3 ). 1 06 Der Unterschied von Form und Materie ist dabei offensichtlich schon ein Ausdruck der Reflexion, der im Grunde der Unmittelbarkeit der hier zu denkenden Identität unangemessen ist.
Das Faktum der Vernunft
63
kommt in der Doppelseitigkeit des Faktums zum Vorschein : Es ist Tat und Manifestation der reinen Vernunftidentität Es ist aber ebenso das praktische Selbstbewußtsein, das die in sich reflektierte Identität des Sollens in ihren reinen Vernunftgrund reflektiert. Mit dem Faktum wird also die spekulative Wechselbeziehung von Vernunft und Selbstbewußtsein durchdacht. Genau genommen enthält diese Deutung aber eine Antizipation. Kant hatte zunächst, nach der Unterscheidung gegen das praktische Bewußtsein, das Wechselverhältnis von gesetzgebender Form und freiem Willen (oder, wie sich nunmehr gezeigt hat, von Selbstbewußtsein und reiner Vernunft) als Grund der Möglichkeit praktischer Gesetze bestimmt. Der im § 7 übergangs los, weil als Faktum angeführte kategorische Imperativ übersetzt diese Mög lichkeit in die Wirklichkeit, jedoch nur erst nach der Seite der gesetzgeben den Form oder des Selbstbewußtseins . Gegenüber der Wirklichkeit des rei nen Sollens enthält eigentlich erst der § 8 die Bestimmung der Vernunftwirk lichkeit und somit das vollendete Grundverhältnis der praktischen Vernunft. Das kategorische Sollen des Grundgesetzes bestimmt den Willen unab hängig von jedem vorausgesetzten äußeren Zweck, der, weil er jederzeit empirisch gegeben sein muß (§ 2), notwendig Naturzweck ist. Der Wille ist aber überhaupt Vermögen der Zwecke, so daß seine von jedem vorausgesetz ten äußeren Zweck unabhängige Bestimmung nur dadurch möglich ist, daß der Wille sich selbst zum Zweck hat. Das Wollen ist die praktische Vernunft selbst, insofern die Vernunft es durch die bloße Vorstellung ihrer Form be stimmt. Das kategorische Sollen in seiner aufzuhebenden Differenz von Maxime und Gesetz ist also nur dadurch möglich, daß es in seiner Unab hängigkeit von äußeren Zwecken zugleich durch die reine Bestimmung des Willens begründet ist, d.h. an sich reines Wollen ist. »Also drückt das mora lische Gesetz nichts anders aus, als die Autonomie der reinen praktischen Vernunft, d.i. der Freiheit [ . . . ]« (KpV 59). Damit ist nun das ganze Verhältnis der reinen Vernunft in seiner Wirk lichkeit gedacht: Das Unbedingte der hypothetischen Synthesis, die Idee der Freiheit, stellt sich ftir die Vernunft (als ratio essendi) dar im kategorischen Faktum des Sittengesetzes. Das kategorische Faktum (als ratio cognoscendi) läßt die Wirklichkeit der Freiheit als notwendig denken. Das Wechselverhält nis von kategorischem Faktum und hypothetischer Idee ist die ganze Ver nunft als die Wirklichkeit des absoluten Grundes, der an sich und ftir Ande res Grund ist und sich in diesem Grundsein absolut reflektiert. Das Medium dieser Reflexionsbewegung ist die Bestimmung der Maxime durch die bloße gesetzgebende Form. Die gesetzgebende Form der Maximen ist die Form der reinen Vernunft; die reine Vernunft wiederum ist das Sein der Freiheit. Des-
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Erster Tei l Freiheit und praktisches Selbstbewußtsein ·
halb fährt Kant an der oben zitierten Stelle fort: » [ . . . ] und diese [die Freiheit] ist selbst die formale Bedingung aller Maximen, unter der sie allein mit dem obersten praktischen Gesetze zusammenstimmen können.« (KpV 59) Denkt man das Faktum allein aus der Wirklichkeit des Wechselverhältnis ses, das die reine Vernunft selbst ist, dann wird deutlich, daß es, obgleich es ein synthetisches Urteil a priori ist 107, gleichwohl einer Deduktion nicht nur nicht fähig, sondern demzuvor einer solchen nicht bedürftig ist. Ob man die se Synthesis als die notwendige Verknüpfung des bloßen Willens mit der Tat 1 08 oder als die des guten Willens mit der Maxime unter dem Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung betrachtet 109: Sie bedarf jedenfalls dann keiner Deduktion ihrer obj ektiven Realität, wenn sie selbst, wie in der KpV (und nicht schon in der GMS) geschehen, im Faktum allein als obj ektive Realität der Vernunft selbst gedacht wird. Sie ist ebenso ftir sich selbst diese Realität, indem sie sich in ihren Seinsgrund der Freiheit reflektiert. 1 10 Weil das prakti sche Selbstbewußtsein rein durch die Vernunft bestimmt ist und sich als sol ches und damit in seiner Reinheit weiß, entfällt ftir es eine Deduktion, die ftir die theoretische Vernunft wegen der Beziehung der reinen Kategorien auf mögliche Erfahrung notwendig war. I I I Hinsichtlich der Möglichkeit und Notwendigkeit einer Deduktion besteht der grundlegende Unterschied also darin, daß die reine Reflexion des prakti schen Selbstbewußtseins unmittelbar in ihren Vernunftgrund reflektiert und darum an ihr selbst wirklich ist. Die reine Spontaneität des theoretischen Selbstbewußtseins dagegen findet ihre Realisierung erst im Bezug auf ihr Anderes. Insofern hat die theoretische Deduktion aus der Perspektive der praktischen Vernunft selbst den Charakter eines Surrogats : »Denn was den Beweisgrund seiner Wirklichkeit von der Erfahrung herzuholen bedarf, muß den Gründen seiner Möglichkeit nach von Erfahrungsprincipien abhängig sein, ftir dergleichen aber reine und doch praktische Vernunft schon ihres
1 07 1 os 1 09 1 1o
Vg l . KpV 5 6 . Vgl . AA IV, 420 . Vgl . ebd . , 447 . Scheier ( 1 986) hat gezeigt, daß erst im Faktum als einem undeduzierbaren syntheti schen Satz a priori das schon in der KrV anerkannte Primat der praktischen Idee realisiert wird, weil erst in ihm das Prinzip nicht allein Grund ist, sondern sich als Grund rechtfertigt. »Daß es kein factum brutum, sondern Faktum der Vernunft, sich selbst als Grund rechtferti gender Grund ist, erhellt daraus, ,daß die Freiheit allerdings die ratio essendi des moralischen Gesetzes, das moralische Gesetz aber die ratio cognoscendi der Freiheit sei ' « (392). Vgl . Scheier ( 1 992, 305). I I I Vgl . KrV B 1 95 und dazu KpV 7 3 .
Das Faktum der Vernunft
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Begriffs wegen unmöglich gehalten werden kann.« (KpV 8 1 ) 1 12 Ihre Syn thesis a priori hat den (Beweis-) Grund der Wirklichkeit nicht in der Erfah rung, sondern in der Manifestation der absoluten Thesis der Freiheit. Wenn für den kategorischen Imperativ die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Deduktion entfallt, weil der Grund im Faktum selbst schon als Grund verhältnis gedacht ist, dann ist gleichwohl nicht zu verkennen, was in der Kp V an die Stelle einer solchen Deduktion tritt. Pointiert gesagt, ist die me thodische Bewegung der ganzen Analytik selbst diese Deduktion, die ihrer seits in drei Teile zerfallt. Der erste Teil ist die Bewegung des Aufstiegs zum Prinzip. Er zeigt zuerst die unmögliche Begründung praktischer Gesetze durch das praktische Bewußtsein ( § § 1 -3), sodann den Grund ihrer Möglichkeit im praktischen Selbstbewußtsein, das sich aber als nicht schlechthin ursprüng lich erweist, vielmehr des Seinsgrunds in der Idee der Freiheit bedarf ( § § 4-- 6 ). Der zweite Teil schließt sich mit der Lehre vom einzigen Faktum über gangslos an diese negative Deduktion an. Er zeigt im spekulativen Wechsel verhältnis von Idee und Selbstbewußtsein, von ratio essendi und ratio cogno scendi den undeduzierbaren Grund aller Deduktionen ( § § 7-8). Der dritte Teil, den Kant im zweiten, vor allem aber im dritten Hauptstück der Analytik darstellt, enthält erst das eigentliche Pendant zur theoretischen Deduktion. Anders als diese kann die praktische Katabasis nicht die Aufgabe haben, die obj ektive Realität des reinen Begriffs zu erweisen. Denn die praktische Vernunft enthält die objektive Realität in sich selbst. Aber die praktische Gesetzgebung ist objektiv-allgemein (KpV 35), und zu deduzieren ist nunmehr, inwiefern die undeduzierbare Tat der Vernunft zugleich ihre subjektiv-einzelne Realität hervorbringt - eine Aufgabe, die Kant durch die Bestimmung des Geftihls der Achtung löst. Damit wird deutlich, daß die methodische Bewegung der »Deduktion« ihrerseits durch die Abfolge von wissenschaftlicher ratio cognoscendi, dem undeduzierbaren Wechselver hältnis von ratio cognoscendi et essendi und schließlich der Darstellung der ratio essendi im natürlichen Bewußtsein charakterisiert ist. Das Problem, das den Übergang in den dritten Teil der »Deduktion« macht, läßt sich am besten mit folgender Erinnerung einführen: Das Faktum des Sittengesetzes zeigt nicht nur, daß reine Vernunft ftir sich allein praktisch ist, sondern daß das ganze Vernunftsystem überhaupt praktisch bestimmt ist. Denn nur in ihrer praktischen Bestimmung hat die Vernunft für sich selbst reine Wirklichkeit. Dieser Prinzipcharakter legitimiert erst die Sachhaltigkeit 1 1 2 Zum Problem der Deduktion und ihrem Verhältnis zur GMS vgl . die kritisch abwägen den Ü berlegungen Gunkels ( 1 989, 1 97-2 1 8).
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des Unterschieds von theoretischer und praktischer Vernunft, der für die kritisch untersuchende Vernunft am Problem der Deduktion einsichtig wird. Prinzipiell praktisch zu sein, heißt ftir die Vernunft aber, daß ihr Prinzip das Telos seiner Realität nicht in einer reinen Einsicht haben kann. 1 1 3 Vielmehr bemißt sich ihre Spontaneität daran, daß sie als bestimmendes Formieren nicht zugleich die Materie ihres Bestimmens hervorbringt. Umgekehrt wurde die Einsicht in die Prinzipialität der Vernunft ja gerade durch die Unter scheidung der gesetzgebenden Form von ihrer Materie gewonnen. Damit liegt aber in der praktischen Bestimmung des Prinzips zugleich die Not wendigkeit, die reine Vernunftwirklichkeit zu materialisieren oder, mit Kants Unterscheidung der Realität, die Form, die sich selbst zu ihrer eigenen Materie macht, zur Erscheinung zu bringen: »Das Gesetz dieser Autonomie aber ist das moralische Gesetz, welches also das Grundgesetz einer über sinnlichen Natur und einer reinen Verstandeswelt ist, deren Gegenbild in der Sinnenwelt, aber doch zugleich ohne Abbruch der Gesetze derselben existiren soll. « (Kp V 74/5 ; Hervorh. vom Vf. ) 1 14 1 1 3 Vgl. KU 4 1 0/ 1 . 1 1 4 Man kann vielleicht noch weiter gehen und sagen, daß erst die Einsicht in die Wirk lichkeit der rein praktischen Bestimmu n g der Vernunft die Unterscheidung von Ding an sich und Erscheinung begründet, weil positiv bestimmt (vgl . KpV 1 89/90). Diese Überlegung er laubt einen Seitenblick auf die Deduktion der GMS, die in ihrem Beweisgrund gerade diesen praktisch gesollten Unterschied als seienden voraussetzt (AA IV, 453), wozu sie allein durch die negative Bestimmung dieses Unterschieds durch die KrV berechtigt sein kann. Darin scheint mir zugleich auch die Rahmenbestimmtheit der Deduktion im Kontext der ganzen GMS zu liegen, deren methodische Entwicklung von der gemeinen Menschenvernunft zur analytischen Bestimmung ihres moral ischen Prinzips »Und wiederum zurück von der Prüfung dieses Princips und den Quellen desselben zur gemeinen Erkenntniß, darin sein Gebrauch an getroffen wird, synthetisch den Weg nehmen wil l . « (AA IV, 392) Dieser methodische Weg aus der daseienden Sittlichkeit zur Einsicht und Rechtfertigung ihres Prinzips wäre dann selbst eine Einsicht der noch theoretisch bestimmten Vernunft, die darum j ene Unterschei dung zu Recht, weil nämlich durch die KrV gerechtfertigt, zugrundelegen könnte. Den Rah men der Deduktion bildete dann von vornherein die negative Bestimmung der Idee, und ihr Resultat wäre eben eine theoretische Rechtfertigung des kategorischen Imperativs in dem Sinne, daß seine in der gemeinen Menschenvernunft aufgewiesene Realität ihrem Seinsgrund in der Idee (der positiv bestimmten Freiheit) nach zu denken nicht unmöglich ist. Diese Begrenzung der Deduktion auf die Einsicht durch die theoretische Vernunft, die auch durch die KpV bestätigt wird (vgl . KpV 8 1 /2), würde sie gegen die fast durchgängig vorgebrachte Behauptung ihres Scheiteros (vgl . vor allem die Analysen Patons ( 1 962, 3 02 ff. ) und H enrichs ( 1 975)) ebenso verteidigen wie ihren prinzipiellen Unterschied zur Konzeption des kategorischen Imperativs aus dem Wesen der Vernunft in der KpV festhalten . Methodisch gesehen, wäre also an die Deduktion der GMS als kritischer Maßstab nicht die Deduktion der Grundsätze, sondern die Transzendentale Dialektik anzulegen, wie es auch die Idee der Frei heit als das Dritte dieser Synthesis nahe legt.
Das Subj ekt der praktischen Vernunft
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4. Das Subjekt der praktischen Vernunft
Das Verhältnis von moralischem Gesetz und seinem Gegenbild in der Sinnenwelt abzuleiten, ist die Aufgabe insbesondere des dritten Hauptstücks der Analytik, dessen Überschrift Von den Triebfedern der reinen praktischen Vernunft lautet. Um die Katabasis aus dem Prinzip einsichtig zu machen, seien zunächst einige Ü berlegungen zum Verhältnis von theoretischer und praktischer Vernunft vorangestellt, die verdeutlichen können, inwiefern sich das praktische Prinzip in die gegebene Sinnlichkeit des Subj ekts vereinzelnd einbildet (a). Die konkrete Darstellung der bestimmend-reflektierenden Ver nunft im Anderen ihrer selbst zeigt sich dann in zwei, notwendig unterschie denen Schritten: Zuerst als bestimmende Einbildung des praktischen Selbst bewußtseins in das Gefühl der Achtung (b ), sodann als die Reflexion des einzelnen Subjekts in seinen absoluten Vernunftgrund oder in die konkret gewordene Freiheit der reinen Persönlichkeit (c). Erst mit diesem syn thetischen Doppelschritt bewährt sich das allgemeine Vernunftprinzip der höchsten Synthesis als konkrete Einzelheit und bildet darin seine absolute Reflexivität vollkommen aus.
a) Archetypische und ektypische Natur Die Kritik hat nicht allein bewiesen, daß die reine Vernunft ftir sich allein praktisch ist, sondern daß sie nur in ihrer praktischen Vernunftwirklichkeit als Prinzip zu begreifen ist. Diese Einsicht entspringt dem unmittelbaren und unauflöslichen Wechselverhältnis von Vernunftidee und praktischem Selbst bewußtsein, in dem die Vernunft ihre Realität ftir sich selbst auslegt. Der praktische Charakter der Vernunft enthält weiterhin die Bestimmung, ihre Realität als Gesetz der Autonomie in der Realität der Erscheinung darzustel len. Das Gemeinsame beider Realitäten ist ihr Charakter als Natur oder als Existenz der Dinge unter Gesetzen. 1 1 5 Das Verhältnis dieser Naturen charak terisiert Kant so : »Man könnte jene die urbildliehe (natura archetypa), die wir blos in der Vernunft erkennen, diese aber, weil sie die mögliche Wirkung der Idee der ersteren als Bestimmungsgrundes des Willens enthält, die nach gebildete (natura ectypa) nennen.« (KpV 75) Der praktische Charakter dieses Bestimmungsverhältnisses tritt darin eigens hervor, daß die ur- oder vorbildliche Natur die nachgebildete nicht 1 1 5 Vgl . KpV 74.
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erschafft, sondern deren gesetzliches Bestimmtsein zu respektieren hat. Die nachgebildete Natur ist durch die Gesetze bestimmt, die der reine V erstand der Natur vorschreibt, der in dieser Funktion der Natur gegenüber also sei nerseits vorbildend ist. Ohne daß diese theoretischen Gesetze aus der prakti schen Vernunft abzuleiten wären, ist ihr Gebiet jedenfalls das einer nicht absolut vorbildenden, sondern einer im V orbitden nachgebildeten Natur. Denn nur die praktische Vernunft erbringt durch ihre positive Bestimmung der intelligiblen Natur zugleich auch den Unterscheidungsgrund beider Natu ren. Diese Unterscheidung bildet die Erscheinungen überhaupt erst zu der Totalität einer Welt aus, die der Urspünglichkeit des theoretischen Selbst bewußtseins adäquat ist. Diese Totalität wäre durch den nur negativen Ge brauch eines theoretischen »Grenzbegriffs« 1 1 6 nicht hinreichend legitimiert. Insofern kann Kant sagen, daß die Realität der Freiheit den Schlußstein des ganzen Vernunftsystems ausmache 1 1 7, wobei die bestimmte Gestalt dieses Systems sich aus dem praktischen Charakter ihres Prinzips ergibt. Als Zugang zur Klärung des Verhältnisses von archetypischer und ektypi scher, von schlechthin vorbildender und im Vorbilden nachgebildeter Natur erweist sich somit die Frage : Inwiefern ist das theoretische Selbstbewußtsein durch das praktische begründet? Zunächst macht sich die systematische Ein heit der Vernunft darin geltend, daß die reine Spontaneität sowohl des theo retischen wie des praktischen Selbstbewußtseins in ihren Produkten bei sich bleibt. Denn das reine Beziehen des Selbstbewußtseins zeigt sich jeweils als Grund der Bezogenen. 1 1 8 Das theoretische Selbstbewußtsein ist gleichwohl vom praktischen folgendermaßen unterschieden: Es entfaltet sich zwar als absoluter Einheitspunkt der Verstandesbegriffe und der reinen Sinnlichkeit vermittels der produktiven Einbildungskraft in das rein spontane Wissen der Grundsätze, weiß das objektive Wissen aber nicht zugleich als Entfaltung seiner selbst. Vielmehr fällt dieses Wissen der transzendentalen Erkenntnis anheim, die auf die ursprüngliche Reflexion reflektiert. Das praktische Selbstbewußtsein ist eine ebenso reine Spontaneität, die sich in ihrem Be stimmen j edoch zugleich notwendig als solche weiß, indem sie die obj ektive Realität der Vernunft selbst ist und sich darum unmittelbar in ihren Ver nunftgrund reflektiert. 1 16
Vgl . KrV B 3 1 1 /2 . Vgl . KpV 4 . 1 1 s Die methodische Entfaltung di eses Selbstbewußtseins im Abstoß von und als Verwand l ung der cartesisch-spinozi sch-leibni zschen Metaphysik, und zwar zentral durch die Tilgung der sachhalti gen Ex istenz der Pri nzipien, hat Scheier ( 1 973) dargestel lt. Vgl . insbesondere 9 1 /2. 117
Das Subjekt der praktischen Vernunft
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Nun ist die transzendentale Erkenntnis des reinen Beziehens im theore tischen Selbstbewußtsein dadurch möglich, daß ihr ein »indirekter Gegen standsbezug« 1 1 9 zukommt. Sie wird nämlich durch die theoretische Vernunft selbst vollzogen, die sich nicht auf Erfahrung, sondern auf den Verstand be zieht und dessen Erkenntnissen Vernunfteinheit gibt. 1 2 0 Die Möglichkeit der transzendentalen Erkenntnis gründet also in der spontanen Erzeugung oder Setzung der Ideen durch die theoretische Vernunft. Weil diese aber ihren Ideen nicht durch sich selbst obj ektive Realität zu verleihen vermag, bleibt das Daß des Vollzugs der transzendentalen Reflexion von eben der Funktion der Vernunft abhängig, in der sie mit der Wirklichkeit ihrer Ideen zusam menfällt. Die Idee der Freiheit ist also insofern Schlußstein des ganzen Vernunft systems, als ihre Wirklichkeit in der praktischen Vernunft der ganzen Ver nunft den Charakter einer absoluten Reflexion verleiht. Dadurch stellt sie über den Grund der Möglichkeit (theoretische Idee) hinaus erst den Grund der Wirklichkeit der transzendentalen Erkenntnis dar. Hinsichtlich des theo retischen Selbstbewußtseins bedeutet dies, daß es bezüglich seiner apriori schen Konstitution des objektiven Erkennens erkannt wird, sich aber über die unmittelbare Gewißheit des Ich bin hinaus nicht in dem erkennt, was es an ihm selbst ist. Vielmehr hat es sich in dieser Erkenntnis jeweils nur als Erscheinung zum Gegenstand. 1 2 1 Darin manifestiert sich das Wesen des theo retischen Selbstbewußtseins : Es hat die Wirklichkeit seiner reinen Reflexion nicht an ihm selbst, sondern immer nur in der Beziehung auf die in der Empfindung gegebene Materie seines Vorstellens. Es beweist seine Ver nünftigkeit an sich, indem es ein System synthetischer Urteile a priori her vorbringt, das den Grund des Gegenstandsbewußtseins ausmacht, und sich in dessen Modalgrundsätzen implizit selbst reflektiert. Daß es aber als vernünf tiges Selbstbewußtsein erkannt wird und sich darin erkennt, beruht erst im praktischen Selbstbewußtsein, das allem Gegenstandsbezug zuvor in sich und seine Vernunftwirklichkeit reflektiert ist. Die Beziehung von archetypischer und ektypischer Natur hat also im all gemeinen das Problem zu lösen, wie die schlechthin vorbildende praktische Natur sich in der nachgebildeten Natur erhält. Im besonderen, so ergibt sich aus dem Unterschied von theoretischem und praktischem Selbstbewußtsein, besteht die Aufgabe nun darin zu zeigen, daß das praktische Selbstbewußt1 1 9 Metz ( l 99 1 , 1 76). 1 2o Vg l . Kr V 8 3 5 9 . 1 2 1 Vg l . KrV 8 1 5 7/8 .
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Erster Teil
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sein in der natura ectypa nicht nur vorbildend ist, sondern sich hier auch als dieses Vorbilden erkennt. Für das theoretische Selbstbewußtsein war eine solche Erkenntnis aufgrund des schlechthin äußerlichen Materials der Emp findung unmöglich. Die praktische Möglichkeit bemißt sich offenbar daran, was nunmehr als Materie der ektypischen Natur zu denken ist. Für den Fortgang der KpV von ihrem Prinzip ins Triebfedern-Kapitel ist entscheidend, daß das theoretische wie das praktische Selbstbewußtsein ihre Materie nicht zu erschaffen vermögen. Die Selbstbezüglichkeit des prak tischen Selbstbewußtseins beruht zwar darauf, daß die unmittelbar reflektie rende Vernunft ihre Form zu ihrer eigenen Materie macht. Aber ihre prak tische Bestimmung verlangt zugleich, diese Vernunftwirklichkeit zur Er scheinung zu bringen, d.h. Gegebenes zu formieren. Dieses praktische For mieren des Gegebenen kann sich aber nicht auf das Material der Empfin dung, sondern muß sich demzuvor, der reinen Selbstbeziehung entsprechend, auf das Subjekt selbst als gegebenes beziehen, d.h. das reine Selbstbewußt sein in die Totalität des Subj ekts entfalten. Drei Bedingungen dieser Entfal tung lassen sich j etzt schon antizipieren: Erstens nimmt sie die Sinnlichkeit des praktischen Subj ekts in Anspruch. Zweitens macht sie an dieser Sinn lichkeit den Charakter des reinen Selbstbewußtseins geltend. Und drittens stellt sie das reine Selbstbewußtsein im einzelnen Subjekt dar. Denn die Bestimmung zum Handeln ist Sache des Einzelnen. Der Fortgang der Analy tik in die ektypische Natur steht also genauer vor dem Problem, wie die obj ektiv-allgemeine Gesetzgebung zugleich als subjektiv-einzelne gedacht werden kann. Deutlich wird damit zugleich die architektonische Symmetrie der Analytik: Während im ersten Schritt der Anabasis die einzelnen Maximen der Glück seligkeit, die sich gegen die Allgemeinheit des Gesetzes verschließen, abge stoßen werden, erreicht der Gedanke am Ende seiner Katabasis wiederum die Einzelheit. Diese wird nun kraft des Durchgangs durch die Realität des praktischen Prinzips im Faktum als wahre Einzelheit begriffen. Der Schritt der Besonderung, den Kant in der Typik der reinen praktischen Urtheilskraft durchdenkt, kann hier außer Betracht bleiben. Von ihrem methodischen Ort läßt sich immerhin sagen : Indem das Naturgesetz des theoretischen V erstan des diese Typik ausmacht, korrespondiert sie dem zweiten Schritt der Ana basis. Denn dort hatte der Gedanke mit dem möglichen Wechselverhältnis von gesetzgebender Form und freiem Willen die Stufe erreicht, die dem theoretischen Selbstbewußtsein analog ist.
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b) Das Dasein des Sittengesetzes Wie vereinzelt sich also das allgemeine Sittengesetz im Subj ekt? Die Rück sicht auf das Gegebensein des Subj ekts kommt für diej enigen vernünftigen Wesen in Betracht, für die das Sittengesetz kraft ihrer Vernünftigkeit zwar obj ektiv-, nicht aber subj ektiv-notwendiger und hinreichender Bestim mungsgrund ist. Diese bedürfen eigens einer Triebfeder ihres Willens. 1 22 Das Sittengesetz ist j edoch praktisches Gesetz und objektiv-allgemein nur inso fern, als die gesetzgebende Form der Vernunft allein den Willen bestimmt. Die Moralität einer Handlung oder ihre sittliche Güte 1 23 erfordert also, daß das Sittengesetz selbst auch subj ektiv hinreichender Bestimmungsgrund oder Triebfeder ist. Die subj ektive Realität des Gesetzes als Triebfeder ist zwar ebensowenig zu deduzieren wie seine obj ektive Realität oder die Möglich keit eines freien Willens. A priori zu bestimmen ist aber die Gestalt dieser Triebfeder, in der sich das Vernunftgesetz versinnlicht »Also werden wir nicht den Grund, woher das moralische Gesetz in sich eine Triebfeder abge be, sondern was, so fern es eine solche ist, sie im Gemüthe wirkt (besser zu sagen, wirken muß), a priori anzuzeigen haben. « (KpV 1 28) Indem also die Möglichkeit einer genetischen Deduktion der Triebfeder entfällt, bemißt sich die Wahrheit ihrer apriorischen Darstellung allein daran, daß sie alle Momente des praktischen Gesetzes oder des Selbstbewußtseins ins Medium der Sinnlichkeit übersetzt. Nun ist das Subj ekt insofern gegeben, als es seiner Naturbestimmung nach (und diese ist das für uns Erste) seinen Neigungen unterworfen ist, nämlich seinen empirisch-materialen Bestimmungsgründen. Ihre Totalität besteht im Ideal der Einbildungskraft und ihre eigentümliche Reflexion im Gefühl der Lust und Unlust. Das Gesetz als Triebfeder bezieht sich also auf das Gefühl überhaupt. Wie die Einsicht in die obj ektiv-gesetzliche Form praktischer Grundsätze die Unterscheidung vom Ideal der Glückseligkeit erfordert hatte, so richtet sich auch die praktische Triebfeder unterscheidend auf das Gefühl . Weil nun aber die subj ektive Realisierung der Selbstbeziehung des reinen Selbstbewußseins diese Bestimmung hervorbringt, kann es sich hier nicht mehr, wie bei der praktischen Bewußtseinsbeziehung, um eine Unterschei dung von Anderem handeln. Vielmehr erfordert die Einbildung des Selbst bewußtseins in das Gefühl dessen qualitative Unterscheidung in sich . Die 1 22 Vgl . KpV 1 27 . 1 2 3 Denn diejenige Handlung i s t gut, d i e allein der rein vernünftigen Bestimmung des Wil lens durch das Sittengesetz entspringt; vgl . KpV 1 09 .
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praktische Triebfeder manifestiert sich also zuerst als ein negatives Geftihl, indem den geftihlten Neigungen ein Abbruch geschieht. Darin ist dieses Ge fühl der negativen Freiheit analog, die sich ftir die Vernunft aus ihrer Unter scheidung vom Ideal der Glückseligkeit ergeben hatte. 124 Anders als das pathologische Gefühl, das sich um der Lust willen in die jeweils vorgestellte Wirklichkeit des Objekts reflektiert, ist das Gefühl, in welchem sich das praktische Selbstbewußtsein zur Triebfeder bestimmt, in sich reflektiert. Das negative Moment der Unlust in diesem Geftihl hat darum keine pathologische Bedeutung. Es entspringt nicht der Abwesenheit des Erhofften. Vielmehr ist das Gefühl nur deshalb Triebfeder, weil es ein oder das V ernunftgeftihl ist, und Vernunftgeftihl kann es nur dadurch sein, daß es in die Anwesenheit seines positiven Bestimmungsgrundes reflektiert ist. »Da dieses Gesetz aber doch etwas an sich Positives ist, nämlich die Form einer intellectuellen Causalität, d.i. der Freiheit, so ist es, indem es im Gegensatze mit dem subj ektiven Widerspiele, nämlich den Neigungen in uns, den Eigendünkel schwächt, zugleich ein Gegenstand der Achtung und, indem es ihn sogar niederschlägt, d.i. demüthigt, ein Gegenstand der größten Achtung, mithin auch der Grund eines positiven Geftihls, das nicht empi rischen Ursprungs ist und a priori erkannt wird. Also ist Achtung ftirs mora lische Gesetz ein Geftihl, welches durch einen intellectuellen Grund gewirkt wird, und dieses Gefühl ist das einzige, welches wir völlig a priori erkennen, und dessen Nothwendigkeit wir einsehen können.« (KpV 1 30) Mit der Aufhellung dieses rein intellektuellen Ursprungs hat Kant zu nächst ein der Vernunft vorhergehendes Gefühl - im Sinne der englischen moral sense-Philosophie - ausgeschlossen. Mit einem reinen praktischen Selbstbewußtsein wäre ein solches Geftihl nicht vereinbar. Vielmehr zeigt sich, daß die Realität des Sittengesetzes Grund eines in sich unterschiedenen Geftihls ist, in dessen gegenwendiger Bewegung sich die praktische Trieb feder konstituiert. Ist die Achtung also ein der Sittlichkeit nachfolgendes
1 2 4 Diese Analogie erstreckt sich noch weiter, indem der Abbruch der Neigungen, sofern sie auf dem Prinzip der Eigenl iebe (nicht des Eigendünkels) beruhen, ähnlich wie die Unter scheidung von der Glückseligkeit nicht Entgegensetzung bedeutet, sondern Einschränkung auf »vernünftige Selbstl iebe>Diese ist also nur alsdann moralisch ächt, wenn sie auf dem bloßen Interesse, das man an der Befolgung des Gesetzes nimmt, beruht.« (KpV 1 4 1 ) Wenn also Freiheit als Idee die formale Bedingung aller moralischen Maximen ist (vgl . KpV 59), dann materi alisiert sich die Freiheit gewissermaßen im Geflihl der Achtung.
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Das Gefühl der Achtung wird also, in genauer Analogie zum praktischen Selbstbewußtsein, durch die Einheit von Bestimmen und Reflektieren konsti tuiert. Und es ist nicht nur dem Selbstbewußtsein analog, sondern es ist nichts anderes als das Selbstbewußtsein im Medium der Sinnlichkeit. Denn die Achtung ist »nicht Triebfeder zur Sittlichkeit, sondern sie ist die Sittlich keit selbst, subj ectiv als Triebfeder betrachtet, indem die reine praktische Vernunft dadurch, daß sie der Selbstliebe im Gegensatze mit ihr alle An sprüche abschlägt, dem Gesetze, das j etzt allein Einfluß hat, Ansehen ver schafft.« (KpV 1 34) 1 28 Darin zeigt sich, daß die sich im Faktum bekundende Vernunft der Grund des gefühlten Unterschieden- und Bezogenseins auf das Gesetz ist. Erst indem die Sittlichkeit selbst als Triebfeder gedacht wird, vermag diese freie Triebfeder zu sein. Denn in ihr vereinzelt sich die Freiheit des Selbstbewußtseins. Nimmt man die einzelnen Momente zusammen, dann wird j etzt deutlich: Die Achtung ist nichts anderes als das durch sich selbst versinnlichte prakti sche Selbstbewußtsein, das in der Sinnlichkeit als seinem Anderen voll kommen bei sich bleibt. Das praktische Selbstbewußtsein versinnlicht sich in der Achtung, und deshalb ist die Achtung Triebfeder zur sittlichen Selbst bestimmung. Dieses Gefühl folgt weder dem Selbstbewußtsein noch geht es ihm vorauf, sondern ist mit ihm unteilbar zugleich, eben weil es selbst das versinnlichte Selbstbewußtsein ist. Es ist (nach der Seite des Bestimmens) Achtung des Gesetzes und ebenso (nach der Seite des Reflektierens) Ach tung für das Gesetz. Gerade in diese bestimmend-reflektierende Verdoppe lung hatte sich auch das Faktum der Vernunft auseinandergelegt und die Wirklichkeit des Wechselverhältnisses von Vernunft und Selbstbewußtsein manifestiert. Darin liegt der Wahrheitsmaßstab dieser subjektiven »Deduk tion>Das heißt: das Erkennen des moral i schen Gesetzes ruft ineins (occasionell ) ( ! ) das Geftihl der Achtung als von der Ver nunft >selbstgewirktes< Gefühl hervor [ . . . ]« ( 5 8 ) . 1 3 1 Vgl . K p V 1 40 .
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den, ist nun die Achtung fürs Gesetz. Das Gesetz, was diese Achtung fordert und auch einflößt, ist, wie man sieht, kein anderes als das moralische [ . . . ] « (KpV 1 43). Bestimmungsgrund der Achtung ist das moralische Gesetz, das sich in der Achtung auf sich bezieht, indem es sie für sich fordert und zu gleich einflößt. Indem es Achtung fordert und einflößt, weiß sich der Wille, der nicht notwendig mit dem objektiven Gesetz subj ektiv übereinstimmt, dem Gesetz, das seine Realität von sich her immer schon geltend gemacht hat, unterworfen. Er weiß sich näher frei unterworfen. Denn die Unter werfung beruht auf der Achtung als Triebfeder bzw. auf dem praktischen Interesse am Gesetz132 als der reflektierten Triebfeder, während das Gesetz selbst die Manifestation der Freiheit ist. In der Tat wäre ein solches Interesse am Gesetz und damit die Möglichkeit einer freien Unterwerfung sinnlos, wenn nicht die Realität des Gesetzes sich von sich her schon manifestiert hätte. Die Achtung als gebrochene Mitte legt sich auseinander in die negative Seite dieses Gefühls, nach der den Neigun gen Abbruch geschieht (die bestimmende Gewalt des Gesetzes über die Sinnlichkeit), und die positive Seite, in der diese Gewalt als die des vernünf tigen Selbstbewußtseins erkannt wird (die Reflexion der vernünftigen Sinn lichkeit in ihren Bestimmungsgrund). Und alle diese Momente fügen sich nur deshalb in ein Bewußtsein der Achtung, weil die Achtung das Dasein des bestimmend-reflektierenden Selbstbewußtseins ist. Kant begreift die Einbildung der archetypischen in die ektypische Natur im Gefühl der Achtung. Im Unterschied zum Vorbilden des theoretischen Subjekts weiß sich das praktische Gefühl kraft seines unmittelbar bestim mend-reflektierenden Doppelcharakters in der nachgebildeten Natur als schlechthin vorbildend. Einmal davon abgesehen, daß nur durch ein solches Gefühl angesichts eines drohenden Dualismus das sittliche Handeln in der Erscheinungswelt möglich ist, kommt hier, zumindest an sich, der grundle gende Sinn dessen zum Vorschein, was bei Kant das Subjekt ist: Subjekt ist derjenige, der sich frei dem selbstgegebenen Gesetz seiner Freiheit unterwirft (subj iziert). Das theoretische Subjekt für Obj ekte ist davon gleichsam nur eine Abstraktion, die sich daran kenntlich macht, daß seine vorbildende Be stimmung nicht unmittelbar für es ist. Insofern markiert das Gefühl der Achtung zugleich die Möglichkeit der Transzendentalphilosophie überhaupt, weil es der einzigartige Ort ist, in dem sich die vernünftige Selbstbeziehung vollkommen ins natürliche Bewußtsein übersetzt.
1 3 2 Vgl . KpV 1 44.
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Freiheit und prakti sches Selbstbewußtsei n
c) Das vernünftige Subj ekt Das Sittengesetz ist Faktum und bedarf keiner Deduktion, weil es unmittel bares Selbstbewußtsein der Realität der reinen Vernunft und die Reflexion in diesen Vernunftgn.md ist. Der Vernunftgrund ist die Idee der Freiheit und enthält die Forderung, die Vernunftrealität zur Erscheinung zu bringen. Sie erscheint im Handeln gemäß der Idee der Freiheit. Handeln wiederum ist Sa che des Einzelnen. Was also als notwendige Aufgabe einer Kritik der prakti schen Vernunft an die Stelle der Deduktion des Moralprinzips tritt, ist der Beweis, daß das obj ektiv-allgemeine Prinzip zugleich subj ektiv-einzelner Bestimmungsgrund des Handeins ist. Diese »Deduktion« ist nun geleistet, indem sich gezeigt hat, daß das praktische Selbstbewußtsein sich nach allen seinen Momenten in der vereinzelnden Sinnlichkeit als Gefuhl der Achtung darstellt. Die Achtung konstituiert erst das einzelne Vernunftsubj ekt Denn anders als das Subj ekt der Glückseligkeit, das in die übergängliche Vielheit seiner Maximen zerstreut ist, subj iziert es seine Einzelheit unter die All gemeinheit des reinen Selbstbewußtseins. So hat die Katabasis in der Analytik der KpV die Einbildung des prakti schen Selbstbewußtseins in das V ernunftgefuhl durch den Weg dargestellt, auf dem der Gedanke vom objektiv-allgemeinen Moralprinzip über die Besonderung der Urteilskraft zur subj ektiven Einzelheit des Gefuhls der Achtung fortschritt. Gleichwohl können weder die genaue Symmetrie von Anabasis und Katabasis mit der Spiegelachse des Faktums noch Kants schematische Einteilung der Kritik in Analytik, Dialektik und Methodenlehre darüber hinwegtäuschen, daß auch hier der Gedanke nicht sein eigentüm liches Telos erreicht hat. Vielmehr beginnt noch am Ende der Analytik unscheinbar eine zweite Bewegung von Anabasis und Katabasis, die sich erst in der Dialektik vollendet. Der Grund für den Neubeginn läßt sich so charakterisieren: Im Gefuhl der Achtung versinnlicht sich das praktische Selbstbewußtsein in genauer Ana logie zur Manifestation der reinen Vernunftidee im Selbstbewußtsein, die Kant als das einzige Faktum der Vernunft bestimmt hatte. Die Wahrheit der apriorischen Bestimmung des Vernunftgefuhls bemißt sich daran, daß es ebenso durch das Sittengesetz (Selbstbewußtsein) bestimmt wie in es reflek tiert ist. Was hier noch ungedacht bleibt, ist die Einzelheit desj enigen Sub jekts, das nicht nur in sein reines Selbstbewußtsein, sondern ebenso in dessen Vernunftgrund reflektiert ist. Es liegt auf der Hand, daß die j etzt darzustel lende zweite Anabasis in dieser Reflexion die Vernunftidee ihrerseits in den Modus der Einzelheit verwandelt. Insofern ist das praktische Subj ekt nicht
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mehr nur als einzelnes Selbstbewußtsein, sondern als einzelne Vernunft auf gefaßt Darin vollendet sich der Begriff des praktischen Subjekts, der im Gefühl der Achtung erst an sich da ist. Die zweite Katabasis dagegen fällt in die Dialektik der praktischen Vernunft und ist Gegenstand des folgenden Kapitels. Wie begründet Kant also das vernünftige Subjekt? Das einzelne Subj ekt bringt die V emunftrealität zur Erscheinung, wenn es sich unabhängig von allen materialen Bestimmungsgründen allein durch das Vernunftgesetz zum Handeln bestimmt. Die objektive Realität des Bestimmens durch das einzel ne praktische Subjekt ist die Pflicht. Diese definiert sich als diej enige Nöti gung zur Handlung, in der das Sittengesetz gegenüber aller Naturbestimmt heit ebenso objektiv wie subjektiv hinreichender Bestimmungsgrund zur Handlung ist. »Der Begriff der Pflicht fordert also an der Handlung objectiv Übereinstimmung mit dem Gesetze, an der Maxime derselben aber subj ectiv Achtung ftirs Gesetz, als die alleinige Bestimmungsart des Willens durch dasselbe.« (KpV 1 44) In der Pflicht realisiert sich die Vernunft, weil das Gesetz ebenso Grund wie Zweck des Handeins ist und insofern das reine Vemunftwollen, das sich selbst zum Zweck hat, reflexiv abbildet. Die Pflicht ist dieses reine Vernunftwollen aber nur in dem unaufuebbaren Modus des Sollens, d.h. in der Nötigung zur Überwindung eines Widerstan des. Das Subjekt kann die Pflicht nur dann als rein vernünftiges Bestimmen erfassen, wenn es den Zweck seines Handeins als das Ansich der Vernunft denkt. Es bezieht also die je einzelne Handlung aus Pflicht auf die schlecht hin unbedingte Vernunfttotalität seiner Handlungen. Das rein moralische Handeln des endlichen Subj ekts steht also unter der praktischen Idee 133 bzw. wegen seiner Einzelheit unter dem Ideal (der individuierten Idee) eines heili gen Willens, welches »Ideal der Heiligkeit von keinem Geschöpfe erreich bar, dennoch das Urbild ist, welchem wir uns zu näheren und in einem un unterbrochenen, aber unendlichen Progressus gleich zu werden streben sollen.« (KpV 1 49) Dieser unendliche Progress bedeutet keinen Einspruch gegen die Gegen wart der Vemunftrealität, die je und je im rein moralischen Handeln aus Pflicht da ist. Er bedeutet in seiner Unendlichkeit ebensowenig eine hetero nome Bestimmung durch die angestrebte Zukunft, wie das flir das Ideal der Glückseligkeit der Fall ist. Vielmehr ist das unendliche Streben zum Über gang der Pflicht in Liebe die praktische Bestimmung des endlichen Ver-
1 33 Ygl. KpV 5 8 .
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nunftwesens, die zeitlose Vernunftgegenwart zur Erscheinung zu bringen, d.h. zu verzeitlichen. Steht also das vernünftige Bestimmen aus Pflicht, durch das sich das end liche Vernunftwesen praktisch-objektive Realität gibt, an sich unter der Idee des reinen Bestimmens, dann ist dieses Verhältnis ebenso ftir die Reflexion des Subj ekts. Denn die praktische Vernunft ist unmittelbar von ihrem Selbst bewußtsein begleitet. Mehr noch: Dieses Verhältnis ist nicht nur ftir das Subjekt, sondern es ist geradezu sein Selbstverhältnis. Denn die Pflicht ist nichts anderes als die obj ektive Realität des praktischen Subj ekts. Dem entsprechend fragt die Analytik an ihrem Ende nach dem »Ursprung« (KpV 1 54) der Pflicht, um durch diese Frage den Vernunftgrund der obj ekti ven Realität des Subj ekts zu erhellen. Und es ist keineswegs bloße Rhetorik, sondern sachlich überaus genau, wenn Kant diese Fragestellung mit der personifi zierenden invocatio »Pflicht ! du erhabener, großer Name [ . . . ] « (Kp V 1 54) einleitet. »Es kann nichts Minderes sein, als was den Menschen über sich selbst (als einen Theil der Sinnenwelt) erhebt, was ihn an eine Ordnung der Dinge knüpft, die nur der Verstand denken kann, und die zugleich die ganze Sinnenwelt, mit ihr das empirisch bestimmbare Dasein des Menschen in der Zeit und das Ganze aller Zwecke (welches allein solchen unbedingten prak tischen Gesetzen als das moralische angemessen ist) unter sich hat.« (KpV 1 54/5) Der Ursprung der Pflicht ist dasj enige, was den Menschen als Teil der Sinnenwelt über sich erhebt, was ihn also nicht einfach von der Sinnenwelt, sondern an ihm selbst und von ihm selbst unterscheidet. Das Unterscheidende ist die Vernunft1 34, die den unterschiedenen Menschen in eine intelligible Ordnung der Dinge versetzt. Insofern die Unterscheidung sich aber an der Sinnenwelt vollzieht, ist die intelligible Ordnung umgekehrt als Grund für diese zu denken. Die Vernunft in ihrem Charakter der Totalität verleiht der Sinnenwelt, dem für sich Ein zelnen, den Charakter eines Ganzen, und zwar eines nicht schon Bestimm ten, sondern Bestimmbaren. Der Ursprung ist auf doppelte Weise übersinn licher Grund des Bestimmbaren: Einerseits enthält er als reiner theoretischer Verstand die Gesetze des empirisch bestimmbaren Daseins und weiß sich daher das sinnliche Dasein des praktischen Subj ekts in seiner Bestimmbar keit durchsichtig zu machen. Andererseits bestimmt er als reine praktische Vernunft das Ganze empirischer Zwecke kategorisch durch den einen Zweck des Moralgesetzes. 1 34 Vgl . AA IV, 452.
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))Es ist nichts anderes als die Persönlichkeit, d.i. die Freiheit und Unab hängigkeit von dem Mechanism der ganzen Natur, doch zugleich als ein Vermögen eines Wesens betrachtet, welches eigenthümlichen, nämlich von seiner eigenen Vernunft gegebenen reinen praktischen Gesetzen, die Person also, als zur Sinnenwelt gehörig, ihrer eigenen Persönlichkeit unterworfen ist, so fern sie zugleich zur intelligibelen Welt gehört [ . . . ]« (KpV 1 5 5). Der Ursprung der Pflicht ist also der positive und der negative Begriff der Freiheit1 35 oder die moralische und transzendentale Freiheit. Diese werden nun aber nicht mehr als reine praktische Vernunft und als reiner Verstand, sondern als Persönlichkeit gedacht, weil mit dem Ursprung der Pflicht das Subj ekt der Vernunft im Blick steht. Die Persönlichkeit ist die zum reinen Subjekt gewordene Idee der Freiheit. 136 Wie die Idee der Freiheit ratio es sendi des Sittengesetzes ist, das sich im Gefühl der Achtung versinnlicht, so ist die als reines Subj ekt gedachte Idee, die Persönlichkeit, Ursprung der Pflicht, indem sie Grund der Person ist, nämlich desj enigen vernünftigen Subj ekts, das zugleich der Sinnenwelt angehört. 137 Weil die vernünftige Person sich aufgrund ihrer Achtung gemäß dem mo ralischen Gesetz zu einer Handlung aus Pflicht bestimmt, weiß sie sich allein ihrer eigenen Persönlichkeit unterworfen. Denn die in der Persönlichkeit rei nes Subj ekt gewordene Vernunft ist der Seinsgrund, der durch die Pflicht unvorgreiflich die Person ebenso bestimmend beansprucht, wie er sich selbst für deren Reflexion zum Zweck alles ihres Handeins setzt. Und wenn das notwendig auf das Ideal des heiligen Willens und seiner Liebe bezogene Handeln aus Pflicht ))die unnachlaßliche Bedingung desjenigen W erths ist, den sich Menschen allein selbst geben können« (KpV 1 54), dann liegt der
1 3 5 Vgl . KpV 5 8/9. 1 3 6 Deshalb kann Kant die Persönlichkei t auch selbst eine Idee nennen (vgl . KpV 1 5 6). 1 3 7 In einem Exkurs zu Kants Begriff der Menschheit hat Wimmer ( 1 990) den intell igibel phänomenalen Doppelcharakter der Person herausgehoben: »Person und Persönlichkeit, Mensch und Menschheit entsprechen auch hier einander: Das erste Glied eines j eden Be gri ffspaars meint den homo phaenomenon, oder besser noch : die konkrete Ganzheit, die ein j eder Mensch nach seiner phänomenalen und seiner noumenalen Seite hin ist, das zweite Glied den (besonderen Apekt des) homo noumenon .« ( 1 27) Es ist aber mißverständlich, die Persönlichkeit als >>besonderen Aspekt>völlig in den Hintergrund« ( 1 66) trä te . Dagegen hat Boeder ( 1 980) die Persönlichkeit als Gipfelpunkt des ganzen kantschen Sy stems herausgestellt: >>Die >Achtung erweckende Idee der Persönlichkeit< [ . ] ist die konkrete Idee der Freiheit - diese durch das Gesetz mit der Person zusammengeschlossen. Was zuerst als das objekti v Allgemeine des Gesetzes gedacht werden mußte, hat sich ebenso und zu höchst als das subjektive Al lgemeine der Persönlichkeit erwiesen. Das wesentlich moralische Sel bstbewußtsein der Person ist sich selbst durchsichtig geworden , hat sich begri ffen. Dieser Begri ff ist der höchste Punkt der Kantischen Metaphysik als Wissenschaft.« (500). 1 4 1 Vgl . KpV 1 62. . .
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als doppelter Schluß : In der ersten Sequenz von Idee, Selbstbewußtsein und Geftihl bestimmt sich die obj ektive Allgemeinheit zur subjektiven Einzelheit, während die folgende, genau symmetrisch gebaute Anabasis von der Person über die Mitte der Pflicht in der subj ektiven Allgemeinheit der Persönlichkeit resultiert. Damit wird auch der grundlegende sachliche Unterschied zum theoreti schen Subjekt deutlich. Dieses vermag sich über die Gewißheit des Ich bin hinaus in seiner konstitutiven Beziehung auf das Gegebene nicht seinem Ansichsein nach zu begreifen. Dadurch ist wiederum die methodische Gren ze bedingt, daß die Erkenntnis dieses konstituierenden Subj ekts einer trans zendentalen Reflexion durch die theoretische Vernunft überlassen bleibt, die vom unmittelbaren Subj ekt unterschieden ist. Dagegen erscheint in der KpV das Sich-Begreifen des Subjekts immanent als das konkrete Resultat der kri tischen Einsicht in das Wesen der Vernunft: Die wissenschaftliche Reflexion (und die Transzendentalphilosophie überhaupt) ist möglich, weil sich die Vernunftrealität a priori im Gefühl des natürlichen Bewußtseins versinnlicht hat, und eben deshalb vermag sich das Subjekt in seinem Ansichsein als reine Persönlichkeit zu begreifen. Mit diesem Resultat läßt sich der innere Bau der praktischen Vernunft in den kreisförmigen Zusammenhang dreier Verhältnisse zusammenziehen. Sie ist erstens das spekulative Verhältnis der reinen Vernunftidentität der Idee, die sich in der in sich reflektierten Identität des Selbstbewußtseins als Grund manifestiert. Die praktische Vernunft entfaltet sich zweitens im Ge ftihl der Achtung zur Versinnlichung des reinen Selbstbewußtseins in seinem Anderen. Und sie kehrt drittens im Verhältnis zwischen dem Subj ekt, das im Gefühl zum Einzelnen geworden ist, und der konkreten Idee der Persönlich keit zu sich selbst zurück.
5. Der Gegenstand der praktischen Vernunft und die Ideen
Das höchste Gut oder die Verknüpfung von Tugend und Glückseligkeit ist der begriffene Gegenstand der praktischen Vernunft. Seine Darstellung innerhalb einer Dialektik verweist auf das Interesse, zugleich eine Grenz bestimmung der praktischen Vernunft zu leisten, die ihrerseits das innere Ge fuge des Vernunftsystems transparent werden läßt. Einen Hinweis darauf, wogegen hier eine Grenze gezogen wird, gibt die Beobachtung, daß am Ende der KpV, ebenso wie an ihrem Beginn, die Naturbestimmung zur Glück seligkeit durchdacht wird. In der Hinsicht auf ihren ganzen Bau kann die
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zweite Kritik als eine Verwandlung der Bestimmung gelesen werden, die die Glückseligkeit im Durchgang durch das praktische Prinzip erhält. Näher hatte die anfängliche Unterscheidung vom Ideal der Glückseligkeit den Sinn, die Vernunft gegen ihren technisch-praktischen, d.h. produktiven Charakter freizusetzen, um ihr rein praktisches Prinzip bestimmen zu könn nen. Im folgenden soll deshalb die These erwiesen werden, daß die dialek tische Darstellung des höchsten Guts eine erneute, nunmehr aber synthetisch gekennzeichnete Grenzziehung der praktischen gegenüber der produktiven Vernunft zu ihrer Aufgabe hat. Die Plausibilität dieser These hängt allerdings davon ab, ob die Dar stellung des höchsten Guts überhaupt eine echte Dialektik enthält. Dagegen spricht nämlich unmittelbar, daß ihre Thesis »schlechterdings unmöglich« (KpV 204) ist. Ein erster Schritt zeigt deshalb : Kants Gegenüberstellung von Thesis und Antithesis ist zwar formal durchaus gerechtfertigt, doch die Grundantinomie selbst fällt nur in die Antithesis und entfaltet dort ihre Dialektik. Folgt man dieser These, dann wird mit der Auflösung der Grundantinomie die genannte Grenzbestimmung evident (a). Dementspre chend läßt sich die Postulatenlehre als die konkrete Selbstbegrenzung der praktischen Vernunft lesen. Sie vollzieht sich als Ausdifferenzierung des Vernunftsystems zwischen seinem praktischen Bestimmungsgrund und seiner theoretischen sowie produktiven Idee (b ). Die abschließenden Über legungen zur praktischen Reflexion des höchsten Guts, dem reinen Ver nunftglauben, verdeutlichen, daß die praktische Vernunft bis in ihre äußer ste Grenze an die Einheit von Bestimmen und Reflektieren gebunden bleibt. Gerade diese Grenzbestimmung macht aber auch den Ü bergang in die KU einsichtig, insofern das Vernunftsystem erst dann vollständig entfaltet ist, wenn auch die produktive Idee als Prinzip vernünftiger Reflexion gedacht ist ( c ).
a) Die Grundantinomie der praktischen Vernunft Um die dialektische Selbstdurchdringung der praktischen Vernunft und ihre Grundantinomie in den Blick zu bekommen, soll zunächst die Frage gestellt werden : Warum und unter welchen Bedingungen hat - was zunächst paradox scheint - die schlechthin autonome Vernunft überhaupt einen Ge genstand, und warum kann sie ihn haben, ohne fremdbestimmt zu werden? Dieses Problem läßt sich am einfachsten exponieren, wenn zunächst noch einmal die innere Geschlossenheit der Analytik vergegenwärtigt wird.
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Ihre Unterscheidung vom »technischen« Ideal der Glückseligkeit setzt das rein praktische Wesen der Vernunft frei, das sich prinzipiell in ihrem Faktum manifestiert. Das einzige Faktum der Vernunft beweist den praktischen Charakter ihrer Realität. Praktischer Vernunft kommt das Bestimmen, nicht das Hervorbringen ihrer Materie zu. 142 Die praktisch gedachte reine Ver nünftigkeit impliziert die Forderung, ihre Realität zur Erscheinung zu brin gen. Das Faktum der Vernunft ist deshalb, wenn es nicht allein an ihm selbst als Prinzip, sondern in seinem Prinzipiieren gedacht wird, die schlechthin undeduzierbare Realität eines Sollens, das a priori die natura archetypa als Vorbild auf die natura ectypa als deren Nachbild bezieht. Diese Ein-Bildung zeigt sich darin, daß das reine Selbstbewußtsein sich a priori mit seiner eigenen ektypischen Natur in Beziehung gesetzt hat, in sofern es sich im Gefühl der Achtung versinnlicht Diese Versinnlichung ist aber nur dann die eines vernünftigen Selbstbewußtseins, wenn sie bzw. das durch sie konstituierte Subj ekt sich in den Vernunftgrund reflektiert weiß. In dieser Reflexion wird die konkrete Vernünftigkeit als das Verhältnis von Person und Persönlichkeit ftir sich. Und in dieser konkreten Bestimmung hat die Kritik das absolut reflexive Wesen der praktischen Vernunft, die ihre Form zu ihrer eigenen Materie macht und sich in diesem absoluten Formie ren von sich her zum Dasein bringt, vollständig erschöpft. Die Geschlossenheit der Analytik beruht also darin, daß die praktische Vernunft sich erstens absolut selbstbestimmt, indem sie ihre Form zu ihrer eigenen Materie macht, und daß sie zweitens diese Unbedingtheit im beding ten Subj ekt immer schon zur Darstellung gebracht hat. Welche Aufgabe verbleibt damit noch der Dialektik? Sie stellt den notwendigen Gegenstand der praktischen Vernunft dar. Wenngleich diese sich ohne Voraussetzung einer Materie absolut selbstbestimmt, ist sie doch praktisch wiederum nicht ohne alle Materie. Denn praktische Vernunft ist Wille, und der Wille muß eine Materie (einen Zweck) haben. 143 Die praktische Vernunft ist also erst dann in der Totalität ihrer Vernünftigkeit dargestellt, wenn sie diese auch hinsichtlich ihrer von ihr unterschiedenen Materie beweist. »Also die bloße Form eines Gesetzes, welches die Materie einschränkt, muß zugleich ein
1 4 2 Deshalb l äßt sich gerade von der praktischen Vernunft her ihre Einheit mit der theoreti schen denken, nämlich in ihrem gemeinsamen Unterschied von einer hervorbringenden Ver nunft. Auch die praktische Vernunft bringt, wie im folgenden gezeigt werden soll , ihre Mate ri e nicht hervor. Der Unterschied zur theoretischen Vernunft liegt nur darin, daß in dieser die Rezepti vität gleichursprünglich mit der Spontaneität ist. 1 43 Vgl . KpV 60.
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Grund sein, diese Materie zum Willen hinzuzufügen, aber sie nicht voraus zusetzen. « (KpV 6 1 ) Das Problem, das die Darstellung dieses Gegenstands zu lösen hat, liegt auf der Hand : Der Gegenstand ist einerseits nur dann Gegenstand der Ver nunft, wenn diese ihn bestimmt und sich darin zu reflektieren vermag. Er wird deshalb den Charakter einer unbedingten Totalität annehmen. Um ande rerseits von ihr unterschiedener, als Zweck erst zu realisierender Gegenstand zu sein, wird er ebenso das Moment des Gegebenseins und der Bedingtheit an sich haben. Die Vernunft reflektiert sich also in dem durch sie bestimmten Gegenstand, wenn dieser als das Unbedingte relativ auf das gegebene Bedingte gedacht wird. »Sie sucht als reine praktische Vernunft zu dem praktisch Bedingten (was auf Neigungen und Naturbedürfniß beruht) eben falls das Unbedingte, und zwar [ . . . ] die unbedingte Totalität des Gegenstan des der reinen praktischen Vernunft, unter dem Namen des höchsten Guts. « (KpV 1 94) Damit ist der Rahmen angegeben, innerhalb dessen die Vernunft in sich realisierte Autonomie sein und zugleich die Aufgabe eines zu realisierenden Zwecks haben kann : Der Zweck und seine ausstehende Realisation trägt dann keine Heteronomie in die Vernunft hinein, wenn diese in ihrem Zweck bei sich zu bleiben vermag. Und dies zeichnet sich hier insofern ab, als der Zweck genau die Beziehung von Unbedingtheit und Bedingtheit als zu rea lisierende enthält, die in der Vernunft und ihrem Subj ekt immer schon reali siert ist. Das Verhältnis von Analytik und Dialektik wäre dann am einfach sten so zu fassen, daß es die Adäquation der in sich unterschiedenen Vernunft mit ihrem von ihr unterschiedenen Zweck als vollkommene Ver nunfttotalität zur Darstellung bringt. Welche Konsequenzen ergeben sich nun aus dem skizzierten Verhältnis von vernünftiger Selbstbeziehung und Zweckbeziehung? Abstrakt gesehen, entspringt der Begriff des Vernunftgegenstands allein dem Bestimmen der praktischen Vernunft. Diese ist dadurch Bestimmungsgrund, daß sie ihre Form zu ihrer eigenen Materie macht und so Grund alles Beziehens auf sich selbst ist. Soll diese Selbstbeziehung als Grund der Gegenstandsbestimmung gedacht werden, dann ergeben sich zwei negative Bedingungen: Der Ge genstand kann weder selbst dieses reine Bestimmen sein, weil er dann vom Subjekt ununterscheidbar wäre, noch kann er ein Objekt im Sinne eines blo ßen Gegebenseins bedeuten, weil sich die absolut spontane Vernunft dann nicht in ihm zu reflektieren wüßte. Vielmehr vermag die Vernunft diese Re flexion erst zu vollziehen, wenn in ihrem Gegenstand ihr eigenes Bestimmen in dem Modus vergegenständlicht ist, in welchem es sich auf das gegebene
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praktisch Bedingte bezieht. Der Gegenstand ist also eine Beziehung, nämlich die des Bestimmtwerdens des praktisch Bedingten durch das Sittengesetz. Nur als diese Beziehung ist er sowohl das vernünftige Bestimmen selbst als auch dessen Gegenstand. Damit ist zunächst gerechtfertigt, daß die vernünftige Selbstbeziehung in ihrem notwendigen Gegenstand nicht heteronom bestimmt wird. Unklar ist aber geblieben, inwiefern der praktische Gegenstand überhaupt Zweck, d.h. Bestimmungsgrund eines vernünftigen Willens ist. Es stellt sich also die Frage, wie dieser Gegenstand nun seinerseits als Bestimmungsgrund des rei nen Willens angesehen werden kann, ohne dessen reine Selbstbestimmung aufzuheben. Nun ist in der Tat in diesem Gegenstand die Selbstbestimmung nicht aufgehoben, weil er nichts anderes als die reine Selbstbestimmung in ihrer bestimmenden Beziehung auf das gegebene Bedingte ist: »Es versteht sich aber von selbst, daß, wenn im Begriffe des höchsten Guts das morali sche Gesetz als oberste Bedingung schon mit eingeschlossen ist, alsdann das höchste Gut nicht blos Object, sondern auch sein Begriff und die Vorstellung der durch unsere praktische Vernunft möglichen Existenz desselben zugleich der Bestimmungsgrund des reinen Willens sei : weil alsdann in der That das in diesem Begriffe schon eingeschlossene und mitgedachte moralische Ge setz und kein anderer Gegenstand nach dem Princip der Autonomie den Willen bestimmt. « (KpV 1 97) Faßt man nun die Form als Wirklichkeit, die Materie aber als Möglichkeit auf, dann ist der Begriff dieses Gegenstands der »einer möglichen Wirkung durch Freiheit« (Kp V 1 00). Praktische Freiheit geht aber notwendig auf Realisierung aus, so daß die erwiesene Unmöglichkeit des höchsten Guts zugleich die Haltlosigkeit des Sittengesetzes selbst erweisen müßte. 144 1 44 Vgl . KpV 205 . Zu dem in der Kantforschung eine lange Tradition aufweisenden Zwei fel nicht allein an den internen Bestimmungen, sondern sogar am systematischen Sinn der Lehre vom höchsten Gut vgl . z.B. Beck ( 1 974, 225 ff.) . In der Tat fügt das höchste Gut zu der Verpflichtung der Person durch den kategorischen Imperativ nichts hinzu. Es bleibt dennoch daran festzuhalten, daß das Sittengesetz die objektive Real ität der reinen praktischen Vernunft ist - und di ese erfordert als praktische (nicht hervorbringende) ebenso einen Gegenstand, wie sie als Vernunft diesen Gegenstand im Sinne einer Totalität denken muß. Diese zugrundeliegende Vernunftrealität ermöglicht und bedingt erst die Notwendigkeit (vgl . KpV 203), das höchste Gut hervorzubringen. Denn das höchste Gut kann innerhalb einer vernünftigen Dialektik nur von dieser Vernunftrealität und nicht erst von den bestimmten Zwecken des endlichen Willens her der Gegenstand sein. Deshalb tri fft auch der Einwand Düsi ngs ( 1 97 1 ), der die Veränderung der Konzeption des höchsten Guts bis zur rei fen Positi on Kants in der KpV und ihre sachlichen Motive untersucht hat, nicht zu, wenn er vorschl ägt, das höchste Gut sei sinnvol ler als eine regulative Idee aufzufassen (4 1 ) . Die treffendste Be-
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Wie also die Vernunft sich selbst ihren Zweck bestimmt, so ist umgekehrt der Zweck Bestimmungsgrund des vernünftigen Handelns. Die ganze Span nung der praktischen Vernunft liegt darin, daß sie sich als Selbstzweck nur realisiert, indem sie den von ihr unterschiedenen Zweck des höchsten Guts realisiert. Aufgabe der Dialektik ist es also, den adäquaten Gegenstand der prakti schen Vernunft zu bestimmen, und es hat sich gezeigt: Er ist erstens über haupt Gegenstand, weil er die Beziehung auf das praktisch gegebene Beding te enthält. Er ist zweitens Gegenstand der Vernunft, weil der Grund dieser Beziehung das Sittengesetz selbst ist. Schließlich ist er praktischer Gegen stand, d.h. Zweck und seinerseits Bestimmungsgrund des Willens, insofern seine Unmöglichkeit der Irrealität des Sittengesetzes selbst gleichkäme. Ist damit der Unterschied zwischen der praktischen Vernunft und ihrem Gegenstand sowie die Möglichkeit ihrer Adäquation entfaltet, so gilt es nun am Begriff des höchsten Guts vorläufig zu zeigen, inwiefern dessen dialek tische Darstellung zugleich eine Grenzbestimmung der praktischen Vernunft unternimmt. Konkret zeigt sich die Vernunfttotalität der Beziehung des freien Bestim mens auf die gegebene praktische Materie als das Verhältnis von Tugend, die in ihrer Unbedingtheit an ihr selbst Vernunfttotalität ist, und Glückseligkeit als der Totalität der gegebenen praktischen Zwecke. Nun hatte bereits die A nalytik gezeigt, daß das moralische Prinzip in seiner Reinheit nur durch die Unterscheidung vom Ideal der Glückseligkeit einsichtig werden kann. Tugend und Glückseligkeit implizieren einander also nicht, ihr Verhältnis ist vielmehr synthetisch. Mehr noch: Indem das höchste Gut reiner Vernunft gegenstand ist, vollzieht sich die Einsicht in ihr Verhältnis im Rahmen einer Synthesis a priori . 145 Die Befugnis zu einer solchen Deduktion ist schon da durch gegeben, daß diese Synthesis allein auf der schlechthin ursprünglichen Synthesis des Faktums der Vernunft beruht. Wenn Kant die Bestimmung der Synthesis, anders als die des Moralprin zips selbst, im Rahmen einer Dialektik der Vernunft entfaltet, dann ist er da zu aus folgendem Grund berechtigt: Der Gegenstand enthält die Beziehung des Unbedingten zum gegebenen Bedingten und unterliegt deshalb dem nastimmung der Idee des höchsten Guts scheint mir Kant in der KU gegeben zu haben, wo er sagt, daß die praktische Vernunft »zugleich ein subjectiv-constitutives (sc. Prinzip) in dem Begri ffe eines Objects an die Hand [gebe], welches nur Vernunft denken kann, und welches durch unsere Handlungen in der Welt nach jenem Gesetze wirklich gemacht werden sol l . Das Quasi-Gebiet der auf ihre eigene Gesetzgebungsweise refl ektierenden Ver nunft, d.h. der refl ektierenden Urteilskraft, ist [ . . . ] die Vernunft selbst.« (3 1 6/7) Ä hnlich stell t
Das Prinzip der reflektierenden Urteil skraft
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Zwar bedingt die Unerkennbarkeit der Idee die Subjektivität der Reflexion und die unaufhebbare Differenz von ästhetischer und teleologischer Urteils kraft. Aber gerade indem die reflektierende Urteilskraft das Vernunftsystem ganz in die erscheinende Natur versenkt, kommt etwas zum Vorschein, was man die höchste Synthesis des kantschen Vernunftsystems nennen könnte. Das reflektierte und erscheinende System verhält sich nämlich zum theore tisch und praktisch begriffenen System wie die Anschauung zum Begriff. Diese Vermittlung des Vernunftsystems mit sich selbst ist das positiv ge dachte Ganze, das die reflektierende Urteilskraft in ihrem doppelten Über gang der »Denkungsart« resultieren läßt. Aus dieser Vorzeichnung der Grundkonzeption ftir die dritte Kritik ergibt sich die methodische Perspektive der Textanalyse. Es soll versucht werden, die häufig bestrittene systematische und architektonische Einheit der KU da durch herauszuarbeiten, daß der Zusammenhang der einzelnen Reflexions bestimmungen als eine fortlaufende Konkretisierung des produktiven Prin zips in der selbstbewegten heautonomen Reflexion begriffen wird. Das Telos dieser Bewegung ist die vollständige Erscheinung des begriffenen Vernunft systems, und die Konkretisierung wird sich daran bemessen, ob sie den » Übergang der Denkungsart« nicht ihrerseits nur vorstellt, sondern kraft ih res logischen Bewegungsprinzips selbst vollzieht. Daraus ergeben sich ftir die folgende Darstellung grundsätzlich zwei me thodische Gesichtspunkte : 1 . Die vernünftige Logik der Heautonomie bedingt, daß in jeder konkreten Gestalt das ganze dreigliedrige Reflexionsverhältnis enthalten ist. Weil diese Logik aber mit der aufgelösten Einheit von obj ektiver und reflexiver Bezie hung in sich different ist, stehen die Momente in einem asymmetrischen und nur impliziten Verhältnis. Das heautonome Setzen treibt deshalb eine Bewe gung aus sich heraus, in der jede einzelne Gestalt an ihr selbst in eine neue übergeht. Ein Hauptaugenmerk besteht deshalb darin, mit der konkreten Bestimmung der Momente zugleich die j eweilige Grenze einer Reflexions gestalt präzise zu markieren. Auf diese Weise sollen alle Teile ebenso als Teile des Ganzen wie auch ihrerseits als (relative) Ganze zum Vorschein ge bracht werden.
auch Heintel ( 1 970) im Blick auf die beiden ersten Kritiken fest: »Anders könnten wir aber schl ießlich auch nicht j ene Selbstbewegung der philosophischen Reflexion verstehen, die ein gesehen hat, daß ein phi losophisches System in sich vermittelt sein muß, keine Teile flir sich allein bestehen lassen darf, sondern alle Begri ffe systematisch aufeinander zu beziehen hat.« (3) Zur Kri tik an der Darstell ung dieser Konzeption vgl. aber Bartuschat ( 1 97 1 , 1 8 1 -88).
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Ä stheti sche Urtei l skraft und produktive Vern u n ft
2 . Der vermittelnde Ü bergang zwischen theoretischer und praktischer Vernunft, zwischen Natur und Freiheit durch die produktive Idee schließt ein, daß in j eder Reflexionsgestalt das theoretische, praktische und das pro duktive Vernunftmoment miteinander verschränkt sind. Um dieser Kom plexität gerecht zu werden, dienen der Analyse implizit drei Fragen als me thodischer Leitfaden : Wie ist jeweils die theoretische Selbstreflexion des in sich vermittelten Vernunftsystems gekennzeichnet? Welche Gestalt nimmt die Gewißheit über die Realisierbarkeit des praktischen Endzwecks in der Natur an? Welche Bestimmtheit hat schließlich das Wechselverhältnis, in dem sich der produktive Charakter der zugrundeliegenden Idee manifestiert?
2. Die A nalytik des Schönen
Das folgende Kapitel stellt die Analytik des Schönen als erste Konkretion des heautonomen Reflexionsgefüges dar, das bislang nur abstrakt charakterisiert wurde. Kants Analyse des Geschmacksurteils ist kategorial geordnet. Das scheint zunächst dem schönen Gegenstand ganz unangemessen zu sein, gibt aber einen ersten Hinweis auf die Eigenart seiner Darstellung. Es fällt nämlich auf, daß in der ganzen Analytik die Existenz der schönen Natur als etwas Gegebenes vorausgesetzt ist. Diese Voraussetzung ist ganz legitim, denn anders als die teleologische ist die schöne Natur transzendental zu antizipieren : Ohne die formale Zweckmäßigkeit der besonderen Natur wüßte sich der Verstand in sie nicht zu finden und keine Einheit der Erfah rung hervorzubringen. 1 95 Die kategoriale Gliederung des Geschmacksurteils und das Gegebensein des Schönen verweisen somit darauf, daß die reflek tierende Urteilskraft in ihrer Unmittelbarkeit an den erkennenden Verstand gebunden ist. Andererseits erfordert ihre prinzipielle Selbständigkeit ebenso den Unter schied gegen den theoretischen Verstand. Das erste Moment der Analyse betrifft deshalb das Gefühl des Schönen, näher - um der Heautonomie des Reflektierens willen - die reine Selbstbeziehung des Selbstgefühls. Der An fang der KU ist insofern durch die unmittelbare Differenz von heautonomer Reflexion (Selbstgefiih l) und gegebenem Besonderen (Naturschönheit) ge kennzeichnet. Anders als die statische Ordnung der vier Momente des Geschmacksurteils zunächst vermuten läßt, stellen diese weder vier Definitionen noch vier Hin1 95 Vgl. KU L I LI.
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Die Analytik des Schönen
sichten der Schönheit dar. Vielmehr sind sie tatsächlich vier Momente des einen Geschmacksurteils über das Schöne, und ihre Ordnung ist die einer in neren Bewegung, in der sich das produktive Reflexionsgefüge erstmals verwirklicht. Die transzendentale Kritik »soll das subjective Princip des Ge schmacks, als ein Princip a priori der Urtheilskraft, entwickeln und rechtfer tigen. « (KU 1 44; Hervorh. vom Vf.) Entwickelt ist das Prinzip dann, wenn die unmittelbare Differenz von heautonomer Reflexion und gegebener Schönheit vermittelt ist. Diese Vermittlung stellt Kant in der Sequenz der Momente des Ge schmacksurteils dar, die untereinander folgendermaßen verknüpft sind: Das unmittelbare Selbstgefühl des Schönen (a) erweist sich in einer zweiten Re flexion als begründet durch das freie Spiel von Verstand und Einbildungs kraft. Kraft der anschauenden Einbildungskraft bezieht sich das unmittelbar nur sich selbst fühlende Subjekt auf den schönen Gegenstand (b ) Die dritte Reflexion bestimmt die Gegenstandsbeziehung durch den Begriff der sub j ektiven Zweckmäßigkeit. Indem hier erstmals das Prinzip der reflektieren den Urteilskraft zum Vorschein kommt, ist das Reflexionsgefüge bereits vollständig entfaltet (c). Das letzte Moment reflektiert das ganze Urteil in das Subj ekt und exponiert mit dem sensus communis die ästhetische Urteilskraft als solche . Daß der sensus communis seinerseits erst durch Kultivierung her vorzubringen ist, verweist zugleich darauf, daß das Urteil über das Schöne nur die erste Stufe im Bildungsprozeß der reflektierenden Urteilskraft dar stellt, auf der sie ihrer transzendentalen Begründung noch nicht inne zu wer den vermag (d). Gegenüber der Entwicklung des subjektiven Geschmack sprinzips fällt seine Rechtfertigung erst einer transzendentalen Reflexion über das Schöne anheim, die im dritten Kapitel dargestellt wird. .
a) Die Qualität oder das Gefühl des Schönen Im Unterschied zu den Grundsätzen des theoretischen Verstands beginnt die A nalytik des Schönen nicht mit dem Moment der Quantität, sondern mit dem der Qualität. In dieser Veränderung manifestiert sich die eigentümliche Spannung der reflektierenden Urteilskraft, einerseits ihren Urteilen ein trans zendentales Prinzip zugrundezulegen, andererseits das Gegebene nicht als zu Formierendes (durch die bestimmende Spontaneität), sondern als von sich her Besonderes aufzufassen. Für den theoretischen Verstand ist das Material der Empfindung schlechthin gegeben. Die Grundsätze beginnen deshalb mit der Quantität, weil die in diesem Moment dargestellte Anschauung als
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Zweiter Tei l Ästhetische Urteilskraft und produktive Vernunft ·
apriorische Bedingung auch noch dieses Gegebenseins ausgewiesen werden kann. Die Grenze, die schon clie Transzendentale isthetik gegenüber der Empfindung gezogen hatte 196 , bewahrt hier den apriorischen Charakter der Sinnlichkeit überhaupt. Indem die KU dagegen mit der Qualität oder der Empfindung anfangt, stellt sie sich genau in diese Grenze. Sie vermag dies, zunächst negativ, weil sie das Gegebene nicht als zu formierendes Material, sondern als von sich her bestimmtes Besonderes auffaßt. Damit verwandelt sich aber auch der qualitative Charakter der Empfindung gegenüber dem theoretischen Urteil. Die A nalytik des Schönen kann mit der Qualität nur beginnen, weil das äs thetische Urteil trotz seiner Rückbindung an die logischen Urteilsfunktionen gerade auf der qualitativen Empfindung beruht. 1 9 7 Die spezifisch ästhetische Empfindung faßt Kant terminologisch auch nicht mehr als Empfindung, son dern als Geftihl ' 98, und zwar genauer als das Geftihl der Lust und Unlust. Die Bestimmung des Geftihls leitet sich her aus dem Unterschied gegen über der apriorischen Antizipation im theoretischen Urteil, das die Emp findung auf das Reale des Gegenstands bezieht. 199 Das ästhetische Refle xionsurteil hat nur dann prinzipielle Bedeutung, wenn es die in der Vorstel lung enthaltene Empfindung nicht objektiv, sondern subjektiv bezieht: »Alle Beziehung der Vorstellungen, selbst die der Empfindungen aber kann ob j ectiv sein (und da bedeutet sie das Reale einer empirischen Vorstellung); nur nicht die auf das Geftihl der Lust und Unlust, wodurch gar nichts im Objecte bezeichnet wird, sondern in der das Subject, wie es durch die Vor stellung afficirt wird, sich selbst ftihlt. « (KU 4) Durch den Vorrang der Qualität gelingt es Kant, von vornherein die heautonome Reflexionsstruktur des ästhetischen Urteils zu exponieren : Das reine Selbstgefühl bezieht sich heautonom auf das gegebene, von sich her bestimmte Schöne . Zu beachten ist allerdings, daß gerade das Moment ihrer Beziehung in der unmittelbaren Qualität ausgeschlossen zu sein scheint. Wenn gegenüber den theoretischen Urteilen der unmittelbare Bestim mungsgrund des ästhetischen Urteils im lustvollen Selbstgefühl des Subj ekts 1 96 >>Raum und Zeit sind die reinen Formen derselben (sc. der »Receptivität unserer Sinn lichkeit>Uns selbst irgend woraus ei nen Gegenstand der Lust zu machen.«
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daß das Subjekt sich auf sich selbst bezieht, bewahrt es die Form des Gegen stands in ihrem Sosein : »Dagegen ist das Geschmacksurtheil bloß contem plativ, d.i. ein Urtheil, welches, indifferent in Ansehung des Daseins eines Gegenstandes, nur seine Beschaffenheit mit dem Gefühl der Lust und Unlust zusammenhält.« (KU 1 4) Das unmittelbar qualitative Selbstgefühl enthält also an sich die Kontemplation oder die anschauliche Beziehung auf den Gegenstand. Sie gilt es, durch das zweite Moment des Geschmacksurteils zu bestimmen. b) Die Quantität oder die Anschauung des Schönen Die Qualität des Geschmacksurteils exponiert die unmittelbare Differenz von heautonomem Selbstgefühl und gegebenem Schönen. Kraft seiner Interesse losigkeit bezieht sich das Selbstgefühl an sich auf den Gegenstand. Um diese Anschauungsbeziehung darlegen zu können, bedarf es einer Reflexion auf j ene erste Reflexion und deren Freiheit, die im Bewußtsein der Interesse losigkeit besteht. An dieser neuen Reflexion tritt die Quantität des ästheti schen Urteils hervor. Denn die Reflexion auf das interesselose Wohlgefallen verdeutlicht, daß dieses Gefühl in seiner Abstraktion vom Materiellen der Empfindung die Vereinzelung durchbricht, die der Lust an einer Empfindung notwendig an haftet.205 Ist das ästhetische Urteil nicht bloß ein einzelnes, sondern jeder mann zuzumuten, so beruht diese Allgemeinheit allerdings nicht auf einem Begriff. Eine begriffliche Begründung widerstreitet nämlich der Einsicht in den qualitativen Bestimmungsgrund der gefühlten Lust, von der diese neue Reflexion abhängt. Die logische Quantität des ästhetischen Urteils ist also die Einzelheit, die ästhetische Quantität dagegen die subjektive Allgemein heit, und diese bedarf in ihrer Begrifflosigkeit eines ihr eigentümlichen Grundes der Verbindlichkeit: Das ästhetische Urteil »sinnt nur j edermann diese Einstimmung an, als einen Fall der Regel, in Ansehung dessen es die Bestätigung nicht von Begriffen, sondern von anderer Beitritt erwartet. Die allgemeine Stimme ist also nur eine Idee [ . . . ] « (KU 26). Nun haben die bisherigen Überlegungen zur Quantität nur eine einleitende Funktion. 206 Sie exponieren erst das eigentliche Problem, das im Zusammen-
20 5 Denn eine solche Lust ist die »Empfindung einer Empfindung« (Fricke ( 1 990, 24)) und deshalb ohne allgemeines Moment. 206 Der Charakter der Vorläufigkeit zeigt sich schon daran, daß Kant die Erörterung der >> Idee>Die Zweckmäßigkeit kann also ohne Zweck sein, sofern wir die Ursachen dieser Form nicht in einem Willen setzen, aber doch die Erklärung ihrer Möglichkeit nur, indem wir sie
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Die ersten beiden Reflexionen hatten zunächst das unmittelbare Selbstver hältnis des Gefühls der Lust im ästhetischen Urteil und dann ihren subj ekti ven Grund im produktiven Wechselverhältnis, im freien Spiel von Einbil dungskraft und Verstand, zum Vorschein gebracht. Das Reflexionsgefüge verlangt aber, diese Reflexion in sich mit einer Reflexion in den gegebenen Gegenstand zusammenzudenken, ohne daß die gefühlte Unmittelbarkeit der Reflexion aufgehoben wird. Denn im Moment der Relation sind bislang die heautonome Selbstreproduktion des freien Spiels und die Zweckmäßigkeit des Besonderen zum Vorschein gekommen, nicht aber ihre Beziehung. Das ästhetische Urteil bestimmt deshalb den Gegenstand nicht schon durch eine bloße formale Zweckmäßigkeit, indem es von jedem begriffenen Zweck als der Materie des nexus finalis abstrahiert. Darüber hinaus ist die formale Zweckmäßigkeit wesentlich subjektive Zweckmäßigkeit. Denn erst die subj ektive Zweckmäßigkeit des Gegenstands ermöglicht eine Rückbin dung der Gegenstandsbestimmung bis in die Grenze der Urteilskraft über haupt, die in der Unmittelbarkeit des Selbstgefühls liegt. »Also kann nichts anders als die subjective Zweckmäßigkeit in der Vorstellung eines Gegen standes ohne allen (weder obj ectiven noch subjectiven) Zweck, folglich die bloße Form der Zweckmäßigkeit in der Vorstellung, wodurch uns ein Ge genstand gegeben wird, sofern wir uns ihrer bewußt sind, das Wohlgefallen, welches wir ohne Begriff als allgemein mittheilbar beurtheilen, mithin den Bestimmungsgrund des Geschmacksurtheils ausmachen.« (KU 3 5 ) Mit dem Begriff der subjektiven Zweckmäßigkeit gelingt es Kant also, die reine Selbstbeziehung des freien Produzierens, die sich im unmittelbaren Selbstgefühl des Subj ekts manifestiert, mit der Bestimmtheit der Form des Gegenstands zu vermitteln. 2 1 3 Diese Vermittlung hebt weder die Freiheit der Einbildungskraft auf noch bringt sie den Gegenstand unter einen bestimmen den Begriff. Vielmehr handelt die produktive Einbildungskraft am gege benen Gegenstand, als ob sie nicht bloß reine, sondern absolute oder schöp ferische Spontaneität wäre, und bewahrt gerade dadurch die genuine Be-
von einem Willen ableiten, uns begrei flich machen können. [ . . . ] Also können wir eine Zweckmäßigkeit der Form nach, auch ohne daß wir ihr einen Zweck (als die Materie des ne xus finalis) zum Grunde legen, wenigstens beobachten und an Gegenständen, wiewohl nicht anders als durch Reflexion bemerken.« (KU 33/4). 2 ! 3 Durch diese konstitutive Rückbindung an das unmittelbare Selbstgefühl unterscheidet sich die subj ektive Zweckmäßigkeit von den in der KrV korrespondierenden Analogien der Erfahrung, die als Grundsätze des objektiv bestimmenden Verstandes »Grundsätze der Be stimmung des Daseins der Erscheinungen in der Zeit« (KrV 8 262) sind, also obj ektive Syn thesen leisten.
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stimmtheit des Besonderen: » [ . . . ] s o läßt sich doch noch wohl begreifen: daß der Gegenstand ihr gerade eine solche Form an die Hand geben könne, die eine Zusammensetzung des Mannigfaltigen enthält, wie sie die Einbildungs kraft, wenn sie sich selbst frei überlassen wäre, in Einstimmung mit der Verstandesgesetzmäßigkeit überhaupt entwerfen würde. « (KU 69) 2 1 4 Erst durch die subjektive Zweckmäßigkeit ist das Reflexionsgefii g e der ästhetischen Urteilskraft vollständig entfaltet: Die unmittelbare Reflexion in sich des Gefühls wird durch die produktive Freiheit der Einbildungskraft begründet, sofern sie sich am unbestimmten Verstandesbegriff begrenzt und dadurch die Reflexion in den Gegenstand ermöglicht. Die Reflexion wird aber erst dadurch konkret, daß der Verstand diese Gegenstandsbeziehung durch den Begriff der Zweckmäßigkeit ohne Zweck2 1 5 bestimmt und zu gleich durch deren subjektiven Charakter an das Gefiih l der Lust zurückbin det. 2 16 Das Urteil über das Schöne zieht sich also insgesamt in den Begriff der subj ektiven Zweckmäßigkeit zus amme n, und die erreichte Vollständig keit des Urteils manifestiert sich darin, daß die reflektierende Urteilskraft hier in der konkreten Darstellung erstmals ihr vorausgesetztes Prinzip er reicht. 2 1 4 Kulenkampff ( 1 978) hat Kants »Theorie der schönen FormGeist in ästhetischer Bedeutung heißt das belebende Princip im Gemüthe. Dasj enige aber, wodurch dieses Princip die Seele belebt, der Stoff, den es dazu anwendet, ist das, was die Gemüthskräfte zweckmäßig in Schwung versetzt, d . i . in ein solches Spiel , welches sich von selbst erhält und selbst die Kräfte dazu stärkt. Nun behaupte ich, dieses Princip sei nichts anders, als das Vermögen der Darstell ung ästhetischer Ideen [ . . . ]>Das Vermögen der Darstell ung ästhetischer Ideen muß demnach darin bestehen, einerseits die sinnliche Erfah rungs fülle soweit wie möglich zu erweitern, also suggestive Wirkungen zu erzielen, anderer-
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Einbildungskraft zu fixieren und mitteilbar zu machen. So »besteht das Ge nie eigentlich in dem glücklichen Verhältnisse, welches keine Wissenschaft lehren und kein Fleiß erlernen kann, zu einem gegebenen Begri ffe Ideen auf zufinden und andrerseits zu diesen den Ausdruck zu treffen, durch den die dadurch bewirkte subj ective Gemüthsstimmung, als Begleitung eines Be griffs, anderen mitgetheilt werden kann. Das letztere Talent ist eigentlich dasj enige, was man Geist nennt [ . . . ]« (KU 1 98).233 Das Geschmacksurteil, so hatte sich gezeigt, verweist an sich auf ein übersinnliches Substrat der Einheit von vernünftiger Subjektivität und Natur, also auf die produktive Idee. Die transzendentale Reflexion vermag wegen der Verstandesbestimmtheit zwar nicht die produktive Idee als Grund des Geschmacksurteils zu kennzeichnen. Sie zeigt aber die Einheit von natürli cher und künstlerischer Produktivität im künstlerischen Subj ekt auf. Dabei wird deutlich, daß die schaffende Einbildungskraft das Moment des gegebe nen Besonderen in die produktive Darstellung der ästhetischen Ideen zu rücknimmt. Auf diese Weise kommt die Einheit von harmonisch-freiem Spiel und unvorgreiflichem Besonderen, also die ganze Beziehung des Ge schmacksurteils, in der Einbildungskraft selbst zum Vorschein. Insofern zieht die transzendentale Reflexion die produktive Idee in die schaffende Einbildungskraft zusammen und weist diese als die produktive Vernünftig keit des Schönen aus.
b) Die theoretische Vernünftigkeit des Schönen An den ästhetischen Ideen hebt Kant noch auf eine andere Seite ab, nämlich auf ihren Zusammenhang mit den intellektuellen Ideen der Vernunft. Die Mannigfaltigkeit des Besonderen in der ästhetischen Anschauung entzieht sich nicht nur der Bestimmtheit des Begriffs, sondern erweitert auch umgeseits muß sie auch in der ZügeJung der Assoziation bestehen, damit das Werk als Darstellung eines bestimmten Gegenstands faßbar bleibt.« (74). 2 33 Die Seite der Darstell ung und der allgemeinen Mitteilbarkeit der ästhetischen Ideen bringt das Moment der Reflexion im Genie zum Tragen, das durch seine bloße Natur unter bestimmt bliebe. Wenn sich im Geschmacksurteil die Produktivität der Natur, der zweckmä ßig scheinenden Dinge reflektiert, so sind hier gleichfalls Unmittelbarkeit und Reflexion in der Bestimmung des Künstlers zusammengedacht Auf diese Reflektiertheil des Genies hat Kaulbach ( 1 984) besonders aufmerksam gemacht: »So hebt er [der Produzierende] die N atur in sich auf die Stufe der Freiheit. Jetzt ist nicht mehr eigentlich die Natur im Genie als Quell der Regeln anzusprechen, sondern dieses gibt selbst als Einheit von Freiheit und N atur die Regeln der Kunst.« (244).
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kehrt den Begriff selbst »auf unbegränzte Art« : » [ . . . ] so ist die Einbildungs kraft hiebei schöpferisch und bringt das Vermögen intellectueller Ideen (die Vernunft) in Bewegung, mehr nämlich bei Veranlassung einer Vorstel lung zu denken (was zwar zu dem Begriffe des Gegenstandes gehört), als in ihr aufgefaßt und deutlich gemacht werden kann . « (KU 1 94/5) Dieser Zusammenhang zwischen anschaulicher Mannigfalt des Besonde ren und den intellektuellen Vernunftideen klingt zunächst einigermaßen überraschend. Er leuchtet aber ein, wenn man bedenkt, daß weder ästheti sche noch Vernunftideen zu Erkenntnissen werden können, und zwar aus umgekehrten, einander ergänzenden Gründen: Die Vernunftidee ist ein Be griff, »dem niemals eine Anschauung angemessen gegeben werden kann«, die ästhetische Idee dagegen eine Anschauung, »der niemals ein Begriff ad äquat gefunden werden kann« (KU 240). Indem die ästhetische Idee j eden Verstandesbegriff übertrifft, tritt sie gleichsam an die Stelle der unmöglichen Anschauung einer Vernunftidee. Weil sie auf diese Weise »Gegenstück (Pendant) von einer Vernunftidee« (KU 1 93) ist, stellt sie den einzigartigen Fall nicht bloß einer Versinnlichung (das gilt auch ftir das Gefühl der Ach tung), sondern sogar einer Veranschaulichung der Vernunft dar. Wenngleich davon natürlich nur im Sinne einer Analogie die Rede sein kann, so liegt hier doch zumindest der Hinweis, daß die ästhetische Anschauung die Differenz von theoretischer Vernunft und Verstand vermittelt bzw. aufhebt. Die theoretische Vernünftigkeit des Schönen erläutert Kant durch die transzendentale Reflexion auf das Geschmacksurteil, die sich in der Dialektik der ästhetischen Urtheilskraft findet.234 Ebenso wie die ästhetische Idee ent zieht sich das ästhetische Urteil dem Begriff. Denn es ist eine einzelne Vor stellung, die auf dem Gefühl der Lust beruht. Gleichwohl ist in ihm dialek tisch »eine erweiterte Beziehung der Vorstellung des Objects (zugleich auch des Subj ects) enthalten, worauf wir eine Ausdehnung dieser Art Ortheile als nothwendig ftir jedermann gründen: welcher daher nothwendig irgend ein Begriff zum Grunde liegen muß [ . . . ]« (KU 235). Die Dialektik gründet dem nach im Widerspruch zwischen der unbeweisbaren Einzelheit des Gefühls und der Anmutung einer notwendigen Beistimmung anderer, die über die bloße Privatgültigkeit des Geschmacksurteils hinausgeht.
2 34 Der Übergang der ästhetischen Idee von der Kunst- zur Naturschönheit, die das Para digma des Geschmacksurteils ist, ist hier deshalb möglich, weil beide Schönheiten als Aus druck ästhetischer Ideen gedacht werden können. Sie unterscheiden sich nur durch den (unbestimmten) Begri ff, welcher der Kunstschönheit zugrundeliegt, vgl . KU 204.
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Dieser Widerspruch ist nun so aufzulösen, daß der Grund der Verbind lichkeit des Urteils in einem unbestimmten und durch keine Anschauung bestimmbaren Vernunftbegriff gedacht wird. Seine Unbestimmtheit ermög licht das Festhalten an der Einzelheit des ästhetischen Gefühls, während sein Begriffscharakter die Aufforderung zur Übereinstimmung legitimiert. Die Analytik des Schönen hatte den Grund der Verbindlichkeit so gefaßt, daß die Möglichkeit des freien Zus amme nspiels von Einbildungskraft und Verstand in jedem Menschen ebenso vorauszusetzen sei wie diese Vermögen selbst. Weil die Vermögen in j edem bestimmten Urteilsvollzug nur in einer jeweils bestimmten Proportion auftreten können, beziehen sich die ästhetischen Urteile auf das Ideal der Schönheit, das die Idee ihres Maximums darstellt. Gegenüber dieser Vergegenständlichung nimmt die transzendentale Reflexi on den Grund des Urteils in das Subjekt selbst zurück. Der Anspruch auf Verbindlichkeit setzt die Beziehung auf einen übersinnlichen Grund der Einheit der Urteilskraft, auf das »übersinnliche Substrat der Menschheit« (KU 2 3 7) voraus, um j ene Verbindlichkeit überhaupt erst legitimieren zu können. Demnach ist die transzendentale Reflexion des ästhetischen Urteils genö tigt, »über das Sinnliche hinaus zu sehen und im Üb ersinnlichen den Verei nigungspunkt aller unserer Vermögen a priori zu suchen: weil kein anderer Ausweg übrig bleibt, die Vernunft mit sich selbst einstimmig zu machen« (KU 239).235 Das übersinnliche Substrat bezeichnet die Einheit des ganzen theoretischen Vernunftvermögens, die dem ästhetischen Urteil zugrundeliegt Und umgekehrt enthüllt erst das ästhetische Urteil, daß theoretische Vernunft und V erstand nicht in einer prinzipiellen Differenz zueinander stehen, sondern sich durch die Mitte der ästhetischen Ideen gleichsam unendlich an nähern. In dieser Einsicht der transzendentalen Reflexion realisiert sich der theoretische Modus der reflektierenden Urteilskraft. Sie setzt sich in ihrem konkreten Setzen zugleich als Vernunftvermögen, d.h. reflektiert sich in ihren V ernunftgrund. Die konkrete Gestalt des übersinnlichen Substrats ist die lustvolle Har monie von Einbildungskraft und Verstand im ästhetischen Urteil. Nach der Seite der Einbildungskraft bezeichnet sie die produktive Vernünftigkeit des 2 3 5 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang Kants abschließende Bestimmung des Genies, in der die der Kunst regelgebende Natur als das gedacht wird, »Was bloß Natur im Subj ecte ist, aber nicht unter Regeln oder Begri ffe gefaßt werden kann, d . i . das übersinnliche Substrat aller seiner Vermögen [ ... ]« (KU 242). Die exemplarische Gültigkeit der Werke des Genies verdankt sich zuletzt der Idee des Subj ekts selbst, die sich in seinen Werken konkret darstellt. Die regelgebende Natur ist an sich Geist.
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Schönen, indem sich die Mannigfalt des Besonderen als ihr eigenes Moment erweist. Die theoretische Vernünftigkeit des Schönen beruht dagegen in ei ner Gestalt des Verstandes, der ohne bestimmendes Formieren angesichts des Gegebenen vollkommen einstimmig mit sich ist. In der reinen Kontem plation des Schönen zeigt sich der Verstand selbst als theoretische Vernunft. Denn diese theoria hebt ebenso die Heterogenität des Gegebenen für den Verstand wie die Anschauungslosigkeit der Vernunft auf. Die transzendentale Reflexion enthüllt die zweckmäßige Einheit des gan zen theoretischen Vernunftvermögens. Seine Zweckmäßigkeit besteht in der produktiven Erweiterung des Begriffs durch die Einbildungskraft und der theoretischen Einschränkung auf seine Unbestimmtheit. Darin liegt aber zu gleich die Notwendigkeit, das ästhetische Urteil nicht allein auf das theore tische Vernunftvermögen zu beziehen, sondern ebenso auf dessen Bestim mung. c) Die praktische Vernünftigkeit des Schönen Die ganze Vernunft ist bei Kant insgesamt praktisch bestimmt. Die Reflexi on auf die praktische Vernünftigkeit des Schönen steht deshalb im Zusam menhang mit der wesentlich praktischen Aufgabe der KU, die Gewißheit über die Einbildung der natura archetypa in die natura ectypa hervorzubrin gen. Damit kommt ein Moment zum Vorschein, das als Bestimmungsgrund des Urteils gerade auszuschließen war, um seine reine produktive Selbstbe züglichkeit zu gewährleisten: nämlich das Interesse am Dasein des Schönen. Dieses kann sich als reines Interesse nur legitimieren, wenn es sich aus dem Grund alles reinen Vernunftinteresses, nämlich der Realisierung des vernünftigen Endzwecks, herleiten läßt. Muß dann aber nicht die Heauto nomie der reflektierenden Urteilskraft aufgegeben werden? Die Heautono mie und das Interesse am Dasein des Schönen können j edenfalls nicht unmit telbar, sondern nur als in einem Dritten verbunden gedacht werden.23 6 Dieses Dritte ist ebenso durch Reinheit gekennzeichnet wie auf ein Wohlgefallen (das Interesse weckt) bezogen, hat also den Charakter reiner praktischer Vernunft. Im Problem des Interesses am Schönen steht demnach die V erbin-
2 3 6 »Diese Verbindung [des Interesses mit dem ästhetischen Urteil] wird aber immer nur indirect sein können, d . i . der Geschmack muß allererst mit etwas anderem verbunden vorge stellt werden, um mit dem Wohlgefallen der bloßen Reflexion über einen Gegenstand noch eine Lust an der Existenz desselben (als worin alles Interesse besteht) verknüpfen zu können.« (KU 1 62).
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dung des reinen Geschmacks mit der praktischen Vernunft im Blick. Die Indirektheil ihrer Verbindung verweist zugleich darauf, daß sie methodisch nur durch eine transzendentale Reflexion ausgelegt werden kann. Dementsprechend hat die Analytik des Schönen gezeigt, daß das Interesse kein Moment des reinen Geschmacksurteils sein und sich nicht unmittelbar auf die qualitative Bestimmtheit der Form richten kann. Dennoch ist es die Formbestimmtheit des Schönen, die zwischen selbstbezüglichem Geschmacksurteil und dem praktisch begründete Interesse am Dasein des Schönen vermittelt. Die subj ektive Zweckmäßigkeit impliziert nämlich, die unmittelbare Wirklichkeit des Schönen übersteigend, einen Begriff, der als Ursache die Wirklichkeit des Gegenstands hervorbringt. Indem die subj ekti ve Zweckmäßigkeit Moment des Geschmacksurteils ist, verweist sie zu gleich über das Urteil hinaus auf den Grund der Wirklichkeit des Schönen. Die qualitative Bestimmtheit des Schönen vermag demnach nur insofern zu interessieren, als sie in den produktiven Grund der Natur reflektierbar er scheint. »Daß die Natur jene Schönheit hervorgebracht hat: dieser Gedanke muß die Anschauung und Reflexion begleiten; und auf diesem gründet sich allein das unmittelbare Interesse, was man daran nimmt.« (KU 1 67) Das mögliche Interesse des ästhetischen Urteils bezieht sich ausschließlich auf das Hervorgebrachtsein der Form des Schönen. Inwiefern steht dieses Interesse mit der praktischen Vernunft im Zus ammenhang? Die praktische Vernunft allein bringt ein unmittelbar reines, weil durch die bloße Form (der Maximen) begründetes Interesse hervor. Denn das Gefühl der Achtung ist notwendig an der objektiven Realität der Vernunftidee interessiert. Diese objektive Realität vermag die praktische Vernunft als solche aber nicht ein zusehen. Sie ist darauf beschränkt, die dem moralischen Gesetz adäquate Bestimmbarkeil der Natur zu postulieren. Zeigt sich nun im ästhetischen Urteil die Üb ereinstimmung der Naturpro dukte mit einem interesselosen Wohlgefallen, so nimmt die praktische Ver nunft paradoxerweise gerade an dieser Interesselosigkeit ein Interesse. Kraft der Analogizität von moralischem und ästhetischem Wohlgefallen237 - beide sind rein formal begründet - überträgt die praktische Vernunft den zweck mäßigen Grund der Natur, der ftir die ästhetische Reflexion gegenwärtig ist, auf ihr notwendiges Interesse an der Realisierung des Endzwecks. »Da es aber die Vernunft auch interessirt, daß die Ideen (ftir die sie im moralischen 2 37 Diese Analogie ist die »wahre Auslegung der Chi ffreschri ft [ . . . ], wodurch die Natur in ihren schönen Formen figürlich zu uns spricht« (KU 1 70). Zu ihrer konkreten Durchfll h rung als Symbolik des Schönen sei auf KU 259/60 verwiesen.
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Gefühle ein unmittelbares Interesse bewirkt) auch objective Realität haben, d.i. daß die Natur wenigstens eine Spur zeige, oder einen Wink gebe, sie enthalte . in sich irgend einen Grund, eine gesetzmäßige Übereinstimmung ihrer Producte zu unserm von allem Interesse unabhängigen Wohlgefallen (welcht!s wir a priori für jedermann als Gesetz erkennen, ohne dieses auf Beweisen gründen zu können) anzunehmen: so muß die Vernunft an jeder Äußerung der Natur von einer dieser ähnlichen Übereinstimmung ein Inter esse nehmen; folglich kann das Gemüth über die Schönheit der Natur nicht nachdenken, ohne sich dabei zugleich interessirt zu finden.« (KU 1 69) Das ästhetische Interesse an der Naturschönheit, das Kant zunächst als Faktum eingeführt hatte, erweist sich somit seinerseits als durch die prakti sche Vernunft begründet. Denn die ästhetische Urteilskraft hat, für sich ge nommen, keinen Grund, über die Bestimmung der subj ektiven und formalen Zweckmäßigkeit hinauszugehen. Erst das praktische Interesse an der Realität der Vernunftidee veranlaßt eine Reflexion, die sich vermittels der formalen Bestimmtheit zugleich auf das Dasein des Naturschönen und dessen Grund richtet. Geschmack und praktische Vernunft stehen demnach miteinander in Wechselwirkung. Die praktische Vernunft begründet das Interesse am Schö nen, während der Geschmack der praktischen Vernunft eine Reflexionsge wißheit über die Wirklichkeit der zweckmäßigen Natur verschafft, die ihr als solcher (wie auch der theoretischen Vernunft) verschlossen bliebe. Gleich wohl bleiben moralisches und ästhetisches Interesse auch unterschieden: Ge nau genommen interessiert nicht unmittelbar die dem Naturschönen bei gesellte moralische Idee, die als Zweck nämlich gerade die Heautonomie des ästhetischen Urteils aufheben würde. Vielmehr sind Geschmack und prakti sche Vernunft nur hinsichtlich derjenigen Wirklichkeit der Natur verbunden, die die Beziehung auf eine moralischen Idee ermöglicht, d.h. die Einbildbar keit der moralischen Idee in die Natur für eine konkrete Anschauung dar stellt. »Man wird vielleicht sagen, daß dieses [ein Zweck als Grund des In teresses] auch der Fall sei, wenn ein Obj ect der Natur durch seine Schönheit nur in sofern interessirt, als ihr eine moralische Idee beigesellt wird; aber nicht dieses, sondern die Beschaffenheit derselben an sich selbst, daß sie sich zu einer solchen Beigesellung qualificirt, die ihr also innerlich zukommt, interessirt unmittelbar.« (KU 1 7 1 ) Das ästhetische Urteil beruht auf dem interesselosen Wohlgefallen an der Form der subj ektiv zweckmäßigen Natur. Es zeigt sich ebenso am Dasein der schönen Natur interessiert, sofern dieses auf den produktiven Grund der Natur verweist, der mit dem Endzweck der praktischen Vernunft konform
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ist. Damit stellt sich die Frage : In welcher Gestalt geht diese Vermittlung in die Struktur der ästhetischen Reflexion selbst ein? Wie kann die Reflexion das Schöne auf die moralische Idee beziehen, ohne daß dadurch ihre Heau tonomie aufgehoben wird? Die Unmittelbarkeit der ästhetisch reflektierenden Urteilskraft erfordert, daß die moralische Idee nicht als reiner Vernunftbegriff, sondern in der Form der Besonderung, d.h. als Versinnlichung der Idee in den B lick kommt. Der Modus dieser Versinnlichung kann weder in einer unmittelbaren Darstellung der Vernunftidee (die an sich unmöglich ist) noch in einem Schematismus (der der bestimmenden Urteilskraft angehört) bestehen. Vielmehr ist die der ästhetischen Urteilskraft eigentümliche symbolische Versinnlichung dem Schematismus zwar darin analog, daß sie einen reinen Begriff darstellt. Die se Darstellung geschieht jedoch in der formalen Reflexion über ein gegebe nes Besonderes, das nicht zu einer direkten, wohl aber zu einer indirekten, reflektierten Darstellung des Begriffs dient. Die symbolische Versinnlichung enthält demnach ebenso ein bestimmendes wie ein reflektierendes Moment. Wesentliches Merkmal des symbolisierenden Verfahrens ist es, daß in ihm gegenüber der Unmittelbarkeit des ästhetischen Urteils eine Verdoppelung der Reflexion eintritt. Sie besteht darin, »erstlich den Begriff auf den Gegen stand einer sinnlichen Anschauung und dann zweitens die bloße Regel der Reflexion über jene Anschauung auf einen ganz andern Gegenstand, von dem der erstere nur das Symbol ist, anzuwenden.« (KU 25 6) Das bedeutet nichts weniger, als daß das Symbolisieren bestimmende und reflektierende Urteilskraft vereinigt. Die ästhetische Urteilskraft übersetzt im ersten Schritt den Aktus der be stimmenden Urteilskraft, der eine Synthesis von Anschauung und Begriff enthält, in ihre Formalität (»bloße Regel der Reflexion«). Sie wendet dann diese formale Reflexion im zweiten Schritt auf die Idee (»einen ganz anderen Gegenstand«) an. Dabei fungiert die ganze Reflexionsbeziehung als das ge gebene Besondere, zu dem sich die Idee als das aufzusuchende Allgemeine verhält. Der übersinnliche Vernunftbegriff ist also deshalb sinnlich darstell bar238, weil das Symbol sich durch das Zus amme nspiel von reflektierender und bestimmender Urteilskraft als ein einzigartiges Besonderes erweist: Es ist durch den V erstand bestimmt und scheint doch durch die Einbildungs kraft frei produziert zu sein. Das freie Schema mit seinem unbegrenzten und nicht durch den Verstand entwickelten Stoff, das gleichwohl in der Be-
2 3 8 Vgl . dazu AA XX, 279/80.
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stimmtheit des Begriffs erscheint, macht also den positiven Sinn des Sym bols aus, der es zur Darstellung einer Idee qualifiziert.239 Wenn Kant dieser allgemeinen Charakterisierung des Verfahrens der Ur teilskraft im Symbolisieren seine eigentliche These folgen läßt: »Nun sage ich: das Schöne ist das Symbol des Sittlich-Guten [ . . . ]« (KU 258), dann ist das allerdings zunächst überraschend. Denn das ästhetische Urteil als reines Reflexionsurteil enthält kein bestimmendes Moment und zeichnet sich gerade durch die Unmittelbarkeit der Reflexion aus. Es ist aber daran zu erinnern, daß hier im § 59 wie in den vorhergehenden Betrachtungen das ästhetische Urteil transzendental reflektiert wird. Diese Reflexion gilt der Vernünftigkeit des Urteils über das Schöne. Fraglich ist demnach, inwiefern die unmittelbare Reflexion zugleich dem heautonomen Prinzip der reflektie renden Urteilskraft, d.h. dem Setzen als durch sich gesetzt, unterliegt. Genau dieses Problem nimmt Kant auf, wenn er zur Begründung seiner These fortfährt: »ln diesem Vermögen [des Geschmacks] sieht sich die Ortheilskraft nicht, wie sonst in empirischer Beurtheilung einer Heteronomie der Erfahrungsgesetze unterworfen: sie giebt in Ansehung der Gegenstände eines so reinen Wohlgefallens ihr selbst das Gesetz, so wie die Vernunft es in Ansehung des Begehrungsvermögens thut [ . . . ] « (KU 258). Das Schöne ist insofern Symbol des Sittlich-Guten, als die ästhetische Urteilskraft in ihrer Heautonomie sich selbst das Reflexionsgesetz gibt, dessen Erfüllung das rei ne ästhetische W obigefallen hervorbringt. Mit dem W obigefallen bleibt die Unmittelbarkeit des Urteils erhalten; daß das W obigefallen seinerseits auf dem heautonomen Reflexionsgesetz beruht, macht das (selbst-) bestimmende und vermittelte Moment aus. Das ästhetische Urteil vollzieht sich unmittel bar in der produktiven Anschauung des gegebenen Schönen, das in seiner Zweckmäßigkeit durch einen Begriff bestimmt erscheint. Transzendental re flektiert, erweist es sich dagegen als selbstbezügliches Setzen. Die Heauto nomie dieser Reflexionsbeziehung kann deshalb auf die Autonomie der praktischen Gesetzgebung übertragen werden. Der ästhetisch angeschaute Gegenstand erscheint somit zugleich als symbolische Darstellung des Sitt lich-Guten oder der praktischen Idee.240 2 39 Der Symbol-Begri ff ist trotz seiner exponierten Stellung am Ende der Kritik der ästhe tischen Urteilskraft rel ati v selten untersucht worden. Flach ( 1 982) stellt zwar die die Symbo lik konstitui erende Funktion der doppelten Reflexion heraus ( 457), übergeht aber die zentrale Frage, was das Symbol zur Darstellung einer Idee quali fiziert. 2 4 0 Hier wird besonders deutlich, daß das zunächst paradox anmutende Verhältnis der Bestimmungen in der Analytik des Schönen, die die Reinheit des ästhetischen Urteils durch seine Unterscheidung vom Begri ff des Guten herausheben ( § § 4, 5, 7, 1 7), zu denen in der
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Die praktische Vernünftigkeit des Schönen beruht in einer symbolischen Anschauung, die die Realisierung des Sittlich-Guten in der Welt vorscheinen läßt. Sie realisiert sich in einer Reflexionsstruktur, die gegenüber der Unmit telbarkeit des ästhetischen Urteils durch die Verdoppelung und Selbstbezüg lichkeit des Setzens ausgezeichnet ist.24 1 Wenn in der Analytik die ästhetische Urteilskraft als solche im Voraussetzen des sensus communis und seiner Kultivierung zum Vorschein kam, dann erftillt sie erst in der transzenden talen Reflexion der Symbolik ihr Wesen, »sich selbst subj ectiv Gegenstand sowohl als Gesetz« (KU 1 48) zu sein. Nach der Kennzeichnung der Einbil dungskraft als produktiver Vernunft und des Verstands als theoretischer Vernunft zeigt diese dritte Reflexion auf das Geschmacksurteil die Vernünf tigkeit der reflektierenden Urteilskraft an ihr selbst: Sie setzt sich in der Reflexion auf das gegebene Schöne als durch sich selbst gesetzt. Deshalb leuchtet auch ein, daß die praktische Symbolik erstmals die Auf gabe der KU erftillt, den Übergang zwischen theoretischer und praktischer Vernunft darzustellen. Denn von ihr her kann sich die Reflexivität der UrDeduktion und in der Dialektik (§§ 42, 59), die die Verbindung des Schönen und des Guten darlegen, in der Sache selbst begründet ist. Die Heautonomie des ästhetischen Urtei ls unter scheidet sich von und verbindet sich zugleich mit der praktischen Vernunft. Mehr noch: Gera de dadurch, daß das ästhetische Urteil sich vom Sittlich-Guten unterscheidet und seine Heau tonomie freisetzt, verbindet es sich mit der praktischen Vernunft. Diesen S achverhalt hat Recki ( 1 992, 29) stark hervorgehoben. Daß Kant diesem sachlichen Unterschied von implizi tem und explizitem Vollzug der Heautonomie im Urteil über das Schöne durch eine Trennung der Analytik des Schönen von den übrigen Teilen der Analytik der ästhetischen Urtheilskraft Rechnung getragen hat, darf nicht zu der häufig vertretenen These führen, Kants Bestimmun gen des Interesses am Schönen und seiner Symbolik seien nachträgliche und inkonsistente Hinzufligungen. Paradigmatisch flir diese Verkennung eines Zusammenhangs sich konkreti sierender Bestimmungen ist in j üngerer Zeit Kulenkampffs ( 1 978) Arbeit, in der er von einer Ü berformung des reinen Geschmacksurteils durch eine Deutung des Naturschönen seitens der Vernunft spricht. Er verstellt damit nicht nur die Vernünftigkeit der Urteilskraft, sondern vor allem den systematischen Ort ihrer Kritik, >>da es sich jedenfalls nur um Deutungsleistungen eben der rationalen Spekulation handelt«, die die »Gewißheit einer Einheit von Natur und Freiheit« ( 1 76) nicht leisten könnten. Ebensowenig scheint mir zutreffend, daß die »sachlichen Aussagen über die Struktur des Geschmacksurteils [ . . . ] von dem Systemgedanken gänzl ich unabhängig sind« (28). Dagegen hat Vossenkuhl ( 1 992, 95 und 1 02 ff.) den syste matischen Zusammenhang zwischen ästhetischem Urteil und moralischer Gesetzgebung in der vernünftigen Autonomie klar herausgearbeitet. 24 1 Entscheidend für eine adäquate Auslegung der Symbolik scheint mir zu sein, daß beide Seiten, die freiheitliche Natur und die heautonome Reflexion, gemäß der Struktur der reflek ti erenden Urteilskraft zusammengebunden bleiben. Darin liegt auch ein Einwand gegen Rek kis ( 1 992) glänzende Analyse des »Guten am Schönen«, die die »Freiheit der Geflihls Reflexion« (28) in ihrer Übereinstimmung mit der sittlichen Freiheit gegenüber der symbo l isch aufscheinenden Wirklichkeit der Natur vereinseitigt.
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teilskraft, ihr Einblick in das gegliederte Gefüge der ganzen Vernunft, entfal ten. Zum einen verschafft nämlich erst die Symbolik dem theoretischen Ver nunftvermögen Einstimmigkeit mit sich selbst. Insofern sie die ästhetische Urteilskraft teleologisch24 2 auf die praktische Vernunft ausrichtet, entzieht sie die heautonome Reflexion allen Widersprüchen mit der bestimmenden Funktion der theoretischen Urteilskraft. Zum anderen verweist die Symbolik dadurch, daß sie die Kontemplation eines bestimmten Naturdings mit der praktischen Vernunft verbindet, auf einen übersinnlichen Grund, »in wel chem das theoretische Vermögen mit dem praktischen auf gemeinschaftliche und unbekannte Art zur Einheit verbunden wird.« (KU 259) Der Übergang, den das Schöne zwischen theoretischer und praktischer Vernunft schafft, wurzelt also genau in der produktiven Idee, die der ganzen KU zugrunde liegt. Die unbestimmbare Einheit und Wurzel der Vernunft, die sich in ihren theoretischen und praktischen Gebrauch unterscheidet, präsentiert sich weder der theoretischen noch der praktischen Vernunft als solcher. Nur die Refle xion der Urteilskraft im Angesicht der schönen Zweckmäßigkeit der Natur bringt sie zum Vorschein. Und umgekehrt präsentiert sich diese schöne Zweckmäßigkeit der Reflexion nur, insofern diese sich auf die gegliederte Ideenbestimmtheit der Vernunft bezogen weiß : nämlich durch die ästheti schen Ideen auf ihre produktive Gestalt und durch das übersinnliche Substrat des Subjekts auf ihre theoretische Gestalt. Die Symbolik schließlich enthüllt die praktische Teleologie der ganzen reflektierenden Urteilskraft.243 Obgleich die transzendentale Reflexion die dreifaltige Vernünftigkeit des Schönen analysiert, bildet doch im engeren Sinn der theoretische Modus die primäre Vernunftgestalt des Naturschönen. Allein die Bestimmung des kon ternplierenden Verstandes als theoretische Vernunft koinzidiert nämlich mit der Analytik; das übersinnliche Substrat des erkennenden Subj ekts ist nichts anderes als die explizite Reflexion der konkreten Wechselbestimmung von 242 »Das [Sittlich-Gute] ist das Intelligibele, worauf [ ] der Geschmack hinaussieht, wozu . . .
nämlich selbst unsere oberen Erkenntnißvermögen zusammenstimmen, und ohne welches zwischen ihrer Natur, verglichen mit den Ansprüchen, die der Geschmack macht, l auter Wi dersprüche erwachsen würden .« (KU 2 5 8 ; Hervorh . vom Vf. ) An dieser Üb ereinstimmung der theoretischen Vernunft mit sich selbst in ihrem bestimmenden und reflektierenden Gebrauch kraft des praktischen Endzwecks zeigt sich noch einmal die herausragende Funktion des Symbolisi erens, das den bestimmenden und den refl ektierenden Akt in sich verbindet. 2 43 Deshalb kann Kant auch in seiner letzten Definition den Geschmack als »ein Beurthei lungsvermögen der Versinnlichung sittlicher Ideen (vermittelst einer gewissen Analogie der Reflexion über beide)die« nach »Zusammenfassung« hinzugesetzt hat (vgl . AA V, 5 3 3 ) . 2 5 2 Ohne diese apriorische Vernunftbestimmung z u r Totalisierung bliebe ihre Funktion hinsichtlich einer subj ektiven Zweckmäßigkeit der Einbildungskraft, und somit ihre ästheti sche Dimension, unbegrei flich. Alle Interpretationen, die nicht von der Aufgabe einer Syn thesis von Vernunft und Einbildungskraft ausgehen, müssen auf einen schlechten Dualismus hinauslaufen. Mare-Wogau ( 1 93 8 ) hat den Grund der Möglichkeit ihres ästhetisch zweckmäßigen Verhältnisses zutreffend bestimmt: »Die Idee des Ganzen tritt als ein von der Einbildungskraft zu real isi erender Zweck auf, und das Verhältnis der Einbildungskraft zu die ser Idee ist dasj enige der Zweckmäßigkeit.« ( 1 60) Er verkürzt allerdings die Negativität und
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ist einerseits dieser Aufgabe unangemessen. Andererseits könnte ihr die Aufgabe aber auch nicht zukommen, wenn sie nicht kraft ihrer unendlichen Progressivität an sich über alle Grenzen hinausginge. Die Eigentümlichkeit dieses Verhältnisses liegt also darin, daß die Einbildungskraft gerade und nur in ihrer Unendlichkeit ihrer Bestimmung unangemessen bleibt. Genauer ge sagt, bringt diese Unangemessenheit die Unendlichkeit der Einbildungskraft überhaupt erst zum Vorschein. Ohne die Bestimmung durch die Idee würde die endliche Komprehension nämlich alles, was über ihre Grenze hinausliegt, nur durch Reproduktion anderer endlicher Komprehensionen auffassen. Die Einbildungskraft trägt die geforderte Synthesis von Endlichkeit und Unendlichkeit nur im Modus des Widerspruchs aus. Er ist dadurch gekenn zeichnet, daß die Einbildungskraft durch die Vernunftidee zum Streben nach einer Komprehension bestimmt wird, die nicht realisieren zu können über haupt erst ihre Unendlichkeit als Unendlichkeit freisetzt.253 Im festgehaltenen Zugrundegehen der Einbildungskraft an ihrer Vernunftbestimmung tritt damit zugleich ihr wahrer, weil von seinem Grund her gedachter Gegenstand hervor. Auf dessen eigentümliche Negativität hatte bereits seine Charakteri sierung als Unform verwiesen: » [ . . . ] so muß diej enige Größe eines Naturob j ects, an welcher die Einbildungskraft ihr ganzes Vermögen der Zusammen fassung fruchtlos verwendet, den Begriff der Natur auf ein übersinnliches Substrat (welches ihr und zugleich unserm Vermögen zu denken zum Grun de liegt) führen, welches über allen Maßstab der Sinne groß ist und daher nicht sowohl den Gegenstand, als vielmehr die Gemüthsstimmung in Schät zung desselben als erhaben beurtheilen läßt.« (KU 94) Kant hatte zunächst das Erhabene als das schlechthin Große für die Ein bildungskraft definiert, um sodann im ästhetischen Charakter dieser Bezie hung den festgehaltenen Widerspruch von Endlichkeit und Unendlichkeit hervorzutreiben. Im Resultat haben sich beide Glieder so verdoppelt, daß sie in dieser Verdoppelung einander korrespondieren: Das Sich-Vernichten der Einbildungskraft läßt die theoretische Vernunft mit ihrer Idee einer absoluten das Dial ektische dieses Verhältnisses, wenn er bereits im vernunftbestimmten Streben der Einbi ld ungskraft, »die Schranken der Sinnlichkeit zu durchbrechen, um zur Darstellung der Idee zu gelangenim Gemüthe des Urtheilenden, nicht in dem Naturobjecte>Darstellung von Ideen>WO die Vernunft der Sinnlichkeit Gewalt anthun muß«. Das gilt ebenso für die reflektierende Urteilskraft, >>nur daß im ästhetischen Urtheile über das Erhabe ne diese Gewalt durch die Einbildungskraft selbst, als durch ein Werkzeug der Vernunft, aus geübt vorgestellt wird.« (KU 1 1 6/7). 2 73 Lazaroff ( 1 980) hat die These vertreten, daß das Gefühl des Erhabenen nicht einem rein ästhetischen Urteil entspringe, sondern auf einem religiösen Gefühl beruhe, das Kant in
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d) Die Heautonomie des Erhabenen und das Schöne Das Gefl.ihl des Schönen ist unmittelbar, weil es auf der Harmonie von Ein bildungskraft und Verstand beruht, und diese Harmonie wiederum verdankt sich der Übereinstimmung des Subjekts mit der zweckmäßigen Bestimmtheit des Schönen. Die verständige Anschauug des Schönen bleibt in die gegebene Bestimmtheit der Natur versenkt. Aufgrund der Unmittelbarkeit des ganzen seiner >>extreme rationalization of the religious feeling« (2 1 6) auf das ästhetische Geflihl re duziert habe. Sein Einwand gegen die Reinheit des ästhetischen Urteils beruht - neben einem wenig schlagkräftigen Hinweis auf Kants Beispiele und auf die vermeintliche Inkonsequenz in der kategorialen Ordnung der Analytik, die inzwischen von Busche ( 1 99 1 , 5 2 5 ff.) überzeu gend rekonstruiert wurde - wesentl ich darauf, daß das Urteil über das Erhabene, anders als das über das Schöne, mit Interesse verbunden sein könne (Lazaroff 1 980, 204/5) . Dagegen sei j edoch festgehalten, daß nur ein Interesse als Bestimmungsgrund des ästhetischen Wohlgefal lens dessen Reinheit ausschließt, während gerade das durch das Naturschöne erweckte Inter esse (KU § 42) die vernunftsystematische Bedeutung des Schönen erschließt. Die Grundkonzeption der ästhetischen Urteilskraft, daß nämlich allein die Reinheit ihrer Heautonomie die Einsicht in eine unbegrei fliche Zweckmäßigkeit der Natur flir das Subj ekt gewährt und dadurch den Übergang von der theoretischen zur praktischen Vernunft ermög licht, ist deshalb bei der Analyse der einzelnen Reflexionsbestimmungen festzuhalten . Ohne diese Einsicht gerät die Interpretation leicht auf zwei entgegengesetzte Abwege. Einerseits legt sich nach der Seite des Schönen dann nahe, Kant in seinen Bestimmungen vorzuwerfen, daß er dem >>Geschmack jede Erkenntnisbedeutung abspricht« (Gadamer ( 1 975, 40)), oder aber das dem freien Spiel von Einbildungskraft und Verstand korrespondierende Schöne, wie Schmitz' ( 1 989) wuchtige Vorstöße suggerieren wollen, als bloßes >>Vehikel flir psychogym nastische Freiübungen der Erkenntniskräfte« ( 1 66) zu deuten, an dem sich das >>Fehlen einer Semantik des Schönen« ( ! ) ( 1 68) räche. Andererseits zeigt Lazaroffs Depotenzierung der Reinheit des ästhetischen Urteils nach der Seite des Erhabenen, daß das von Kant vermeint lich im ästhetischen Gefühl sublimierte religiöse Gefühl nur um den Preis zweier Mi ßver ständnisse zu erkaufen ist: Das Erhabene der Natur sei zum einen nicht Gegenstand des äs thetischen Urteils, >>but is only i ts occasion, i . e . , what arouses it« (209). Dagegen erschließt sich der Sinn der Reflexion des erhabenen Gegenstands in die Erhabenheit der Vernunftbe stimmung des S ubj ekts erst darin, daß die Vernunftbestimmung das Andere der Natur nicht allein (theoretisch) subsumierend unter sich hat, sondern es (ästhetisch) als Anderes seiner selbst in seiner Zweckwidrigkeit zweckmäßig finden kann, nämlich zweckmäßig flir den An spruch der Idee >>als auf eine reelle«: >>Man kann das Erhabene so beschreiben : es ist ein Ge genstand (der Natur), dessen Vorstellung das Gemüth bestimmt, sich die Unerreichbarkeil der Natur als Darstell ung von Ideen zu denken.« (KU 1 1 5) Zum anderen verkennt Lazaroff die spezi fische Gegenwart und Immanenz der Vernunftidee im ästhetischen Urteil , wenn er das Erhabene so definiert: >>Sublimity therefore is primarily a dual Contradietory emotion caused by tension between our sensible and supersensible natures, and anything which makes us aware of the inadequacy of the former and the transcendence of the latter is therefore indirect ly called sublime.« (2 1 4 ; Hervorh. vom Vf. ) Eine solche Transzendenz der übersinnlichen Natur dürfte den Autor der KrV kaum zu einer transzendentalen Begründung der Urteilskraft angehalten haben .
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Verhältnisses kann das heautonome Prinzip des Reflektierens, das das Urteil begründet, nicht als solches hervortreten. Darin liegt die innere Notwendig keit des Fortgangs von der A nalytik des Schönen zur A nalytik des Erha benen. 274 Daß dieses Prinzip gleichwohl unabdingbares Moment des Urteils über das Schöne ist, verdeutlicht nicht allein seine transzendentale Reflexion. Schon in der A nalytik selbst kennzeichnete Kant die notwendige Beziehung der je bestimmten Harmonie von Einbildungskraft und Verstand auf das Ideal der Schönheit, das in einer »unbestimmten Idee der Vernunft von ei nem Maximum« (KU 54) beruht. Sie hat im Urteil über das Schöne regulati ve Bedeutung. Im Urteil über das Erhabene wird sie zu einem konstitutiven Prinzip, das nicht allein den focus imaginarius ftir die produktive Einbil dungskraft bildet, sondern deren Produzieren selbst bestimmt. Indem sich das vernunftbestimmte Produzieren am Widerstand der über großen Natur bricht, tritt die unmittelbare Einheit des Schönen auseinander. Einbildungskraft und Begriffsvermögen werden durch die produzierte Gren ze ebenso different gehalten wie das ganze Subj ekt und die angeschaute Natur. In der durchgängigen Differenz der Momente zeigt sich nun erst die beziehende Tätigkeit der reflektierenden Urteilskraft als solche. Ihre Heauto nomie manifestiert sich darin, daß das unmittelbare Setzen der anschauenden Einbildungskraft sich als ein durch die Vernunft gesetztes erweist.
2 74 Diese innere Notwendigkeit des Fortgangs der KU anzunehmen, scheint im Wider spruch zu Kants ei genen Einschätzungen des Erhabenen zu stehen. So zögert er in der Ersten Einleitung, dem Urteil über das Erhabene eine eigenständige Bedeutung innerhalb der KU zuzuerkennen, weil es keine besondere Technik der Natur voraussetze, und legitimiert seine Darstellung sehr vorsichtig: »Gleichwohl würde das Urtheil über das Erhabene in der Natur von der Eintheil ung der Ä sthetik der reflectirenden Urtheilskraft nicht auszuschließen sein, weil es auch eine subjective Zweckmäßigkeit ausdrückt, die nicht auf einem Begriffe vom Objecte beruht.>daß das Schö ne flir die Darstellung eines unbestimmten Verstandesbegriffs, das Erhabene aber eines der gleichen Vernunftbegri ffs genommen zu werden scheint.« (KU 75).
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begriffs und sind in dieser Inexponibilität gleichsam sinnliche Analoga, der »Anschein« indemonstrabler Vernunftideen.277 Denn auch diesen kann nicht die objektive Realität einer begriffenen Anschauung zukommen. Die Analogie des Mathematisch-Erhabenen zu den ästhetischen Ideen des Schönen wäre demnach so zu charakterisieren: Hier wie dort erweitert sich die Einbildungskraft, indem sie sich der Verstandesbestimmtheit entzieht und sie übertrifft, zur Darstellung des Anscheins bzw. zur indirekten Darstel lung der Vernunftideen. Kant faßt denn auch die erweiterte Einbildungskraft jeweils unter den Begriff »Geist« . Geist ist ebenso das »Vermögen der Darstellung ästhetischer Ideen« (KU 1 92), wie das Geschmacksurteil »als aus einem Geistesgefuhl entsprungenes, auf das Erhabene bezogen wird« (KU XLVII1).278 Die ästhetischen Ideen bleiben aber in einer prinzipiellen Harmonie mit dem Verstand, den sie nur graduell übertreffen. Sie übertreffen, als An schauungen und nicht selbst als reine Begriffe (Ideen), die Bestimmtheit des Verstands, ohne die Beziehung auf dessen Begriff aufzuheben. Die ästheti sche Größenschätzung im Mathematisch-Erhabenen kommt dagegen nur da durch zustande, daß sie sich der Verstandesbestimmtheit der Einbildungs kraft eigens entgegensetzt. Dieser Unterschied beruht darauf, daß der reine Begriff im Mathematisch-Erhabenen seine bestimmende Macht gegenüber der Einbildungskraft als Negativität geltend macht. Die Einbildungskraft geht also da vom Schönen zum Erhabenen über, wo ihr freies Übertreffen der begrifflichen Bestimmtheit an einem Gegenstand schlechthin versagt. Dort findet sie sich ihrerseits unter einer Bestimmung, die »kein Spiel, son dern Ernst in der Beschäftigung der Einbildungskraft« (KU 75) fordert. Denn der Grund der Möglichkeit (das Verhältnis von Einbildungskraft und Ver stand) und die Wirklichkeit der Erfahrung (der zweckmäßig-schöne Gegen stand) fallen hier nicht mehr unmittelbar beglückend zusammen. Das Streben der Einbildungskraft nach dem ästhetischen Ideal ebenso wie ihre theoretische Funktion hatten sich als Momente erwiesen, die im Mathe matisch-Erhabenen negativ gesetzt, aber gerade deshalb immanent in ihm 2 77 »Eine ästhetische Idee kann keine Erkenntniß werden, weil sie eine Anschauung (der Einbildungskraft) ist, der niemals ein Begriff adäquat gefunden werden kann. Eine Ver nunftidee kann nie Erkenntniß werden, weil sie einen Begriff (vorn Üb ersinnlichen) enthält, dem niemals eine Anschauung angernessen gegeben werden kann. Nun glaube ich, man könne die ästhetische Idee eine inexponible Vorstellung der Einbildungskraft, die Vernunftidee aber einen indernonstrabeln Begri ff der Vernunft nennen.« (KU 240). 2 7 8 In der Ersten Einleitung nennt Kant die Analytik des Erhabenen sogar eine »Kritik des Geistesgeflihls« (AA XX, 250; vgl . 25 1 ).
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enthalten sind. Gilt dies gleichermaßen für die ästhetischen Ideen und das Schöne selbst? Zunächst scheint dieser Gedanke ganz widersinnig zu sein. Denn die Einbildungskraft ist im Mathematisch-Erhabenen ihrer Freiheit be raubt 27 9 und gelangt gerade nicht zu einer Harmonie mit dem (Vernunft-) Begriff. Jedoch im Ganzen der Reflexionsbewegung des Erhabenen gesehen, steht die Einbildungskraft vor der Aufgabe, eine Totalität der Anschauung zu produzieren, die nicht durch einen Begriff bestimmt oder bestimmbar ist. Umgekehrt soll sie zum Grundmaß alles begreifenden Bestimmens der To talität der Natur dienen. Die Aufgabe der Einbildungskraft besteht also darin, eine ästhetische Idee der Natur selbst zu bilden, nämlich die unendliche Mannigfalt ihrer Teilvorstellungen in einer begrifflich unbestimmbaren An schauung zusammenzufassen28 0 und somit zuletzt die ganze Natur als schön anzusehen. Die Unmöglichkeit einer solchen Aufgabe und das notwendige Scheitern der Einbildungskraft an ihr28 1 bedeuten nun aber nicht das unmittelbare Ver schwinden der ästhetischen Idee der Natur überhaupt. Vielmehr hält die Dialektik von vernunftnotwendiger Aufgabe und ihrer unmöglichen Erfül lung diese ästhetische Idee in ihrem Verschwinden, nämlich als Grenze und Augenblick, fest.282 Erst dadurch ist die erhabene Gemütsstimmung als erha bene Natur anschaulich und die erhabene Lust ein Zugleich von Lust und Unlust. Ohne die Berührung von Vernunftbestimmung und Anschauung in der Grenze gäbe es überhaupt nicht die Möglichkeit der »Subreption [ . . . ] 2 79 So exponiert Kant in den einleitenden Passagen zum Erhabenen, die noch der »Subreption« seiner Bestimmung unterliegen, den erhabenen Gegenstand geradezu durch die Aufhebung der Freiheit der Einbildungskraft, indem er >>der Form nach zwar zweckwidrig flir unsere Urtheilskraft, unangemessen unserm Darstel lungsvermögen und gleichsam gewaltthä tig ftir die Einbildungskraft erscheinen mag, aber dennoch nur um desto erhabener zu sein geurtheilt wird . « (KU 76; Hervorh. vom Vf.). 2 80 Entsprechend bestimmt Kant die ästhetische Idee als eine >.Vorstellung der Einbil dungskraft, welche mit einer solchen Mannigfaltigkeit der Theilvorstellungen in dem freien Gebrauche derselben verbunden ist, daß flir sie kein Ausdruck, der einen bestimmten Begri ff bezeichnet, gefunden werden kann [ . . . ]« (KU 1 97). 28 1 Schon die Auflösung der I . Antinomie hatte ergeben : >>Mithin sind nur Erscheinungen in der Welt bedingterweise, die Welt aber selbst weder bedingt, noch auf eine unbedingte Art begränzt. Eben um deswillen und da die Welt niemals ganz und selbst die Reihe der Bedin gungen zu einem gegebenen Bedingten nicht als Weltreihe ganz gegeben werden kann, ist der Begri ff von der Weltgröße nur durch den Regressus und nicht vor demselben in einer col lectiven Anschauung gegeben .« (KrV B 55 0/ l ). 2 8 2 Zur geschichtl ichen Wirksamkeit des Mathematisch-Erhabenen ftir die nachkantschen Bestimmungen der Reflexionsstruktur vgl . Scheier ( 1 990, 69170) und insbesondere zu Fichte Scheier ( 1 992, 3 1 0).
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einer Achtung für das Obj ect statt der für die Idee der Menschheit in unserm Subjecte« (KU 97). Insofern konstituiert sich das Geftihl des Erhabenen durch die reine Pro duktion des Schönen im Augenblick seiner Vernichtung. In diesem Augen blick ist die Produktion ganz in ihren Vernunftgrund zurückgenommen und wird deshalb als Prinzip der Produktion des Schönen reflektiert. 283 Das Schöne ist dem Erhabenen ebenso immanent, wie seine sich unmittelbar vollziehende Produktion überhaupt erst auf der Reflexionsstufe des Erhabe nen, nämlich durch die gesetzte Differenz und die Unterscheidbarkeit der Momente des Subjekts, als solche reflektierbar wird.284 Die Einbildungskraft des Schönen ist nach der Seite ihres Strebens, ihrer theoretischen Funktion und ihrer ästhetischen Ideen dem Mathematisch Erhabenen ebenso immanent wie in ihm j eweils negativ gesetzt. Die erhabe ne Einbildungskraft unterscheidet sich von ihr dadurch, daß sie weder in Harmonie zum Verstand steht noch ihn graduell durch die Approximation an die Vernunftideen übertrifft. Vielmehr wird sie gerade durch die Vernich tung ihrer Verstandesbindung augenblicklich in eine Unendlichkeit erweitert. Diese Unendlichkeit kann aber nur deshalb eine Unendlichkeit der Einbil dungskraft sein, weil ihre Anschauung im Augenblick der Vernichtung, d.h. in der Grenze festgehalten wird. Nur deshalb kann es eine ästhetische Lust am Erhabenen geben, die wesentlich im Wohlgefallen »an der Erweiterung der Einbildungskraft an sich selbst« (KU 83) besteht.285 28 3 Es leuchtet ein, daß dieses Produktionspri nzip nicht im je bestimmten Vollzug der Pro duktion an einem schönen Gegenstand, sondern nur durch eine dem Prinzipcharakter entspre chende Totalität, also durch die ästhetische Idee der Natur reflektiert werden kann . 28 4 Dieses immanente Enthaltensein des Schönen im Erhabenen ist in der Forschung fast vollständig unbemerkt geblieben. Kaulbach ( 1 984) sieht diesen Zusammenhang, wenn er im Durchgang durch das Erhabene die Berechtigung findet, wiederum vom Schönen zu sprechen. Anstau diesen Zusammenhang aber im immanenten Gefüge der Reflexionsbestimmungen zu erblicken, löst er ihn in den einer »Geschichte« auf: »Diese Schönheit der ästhetischen Idee findet auf einer Stufe statt, unterhalb derer sich schon einmal ein naiveres Schönheitserlebnis ereignet hat, welches aber durch eine Enttäuschung der Gunst der Natur in der Begegnung mit maßlosen Erscheinungen hinfallig geworden ist und vom Erlebnis des Erhabenen abgelöst worden ist.« ( 1 8 1 ). 28 5 Diese Zweiseitigkeil der Lust am Erhabenen festzuhalten, scheint mir deshalb so wich tig, weil ohne sie unverständlich bleiben müßte, daß das Erhabene ein Gegenstand der reflek tierenden Urteilskraft ist, deren Grundcharakter das Beziehen ist. Um dieses Beziehens wi llen darf die Einbildungskraft nicht als gleichsam verschwindende Mitte aufgefaßt werden, die zur Erweckung des Gefühls des Übersinnl ichen diene, sondern muß als die eine Seite des Ver hältnisses erhalten bl eiben, zu dem der reine Vernunftbegri ff die andere Seite und zugleich das Ü bergreifende der ganzen Beziehung bildet. Wird die Konkretheil des Urteils über das
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Das Mathematisch-Erhabene konkretisiert das Schöne, indem es die theo retische Vernunftidee, die in der schönen Harmonie an sich vorhanden ist, als konstitutives Moment in das Urteil eingehen läßt. Gegenüber dem Ver weilen in ihrem Ansichsein wird die Idee hier für sich, insofern sie sich durch die negative Bewegung der Einbildungskraft vermittelt. Diese Bewe gung verleiht der Einbildungskraft die der Idee adäquate Unendlichkeit. Auf diese Weise konkretisiert sich das immanente Prinzip des Schönen in einem Geftihl, das durch die Differenz seiner Momente explizit auf dieses Prinzip zu reflektieren vermag. Kraft dieser Differenz ist ebenso die bewußtlose Anschauung der Einbil dungskraft zu einem unterschiedenen und reflektierten Moment erhoben. Diese Erhebung kennzeichnet die entwickeltere Reflexionsstufe des Erhabe nen. Beide Seiten zus amm e n, die explizite theoretische Vernunft und die re flektierte Einbildungskraft, bringen durch ihre Differenz die Heautonomie des Reflektierens als solche zum Vorschein. Die wie im Schönen unmittelbar anschauende Einbildungskraft wird durch ihr Scheitern in den Vernunft grund ihrer Anschauung reflektiert. In dieser Bewegung erftillt sich genau das Prinzip des heautonomen Reflektierens, das im Setzen eines Besonderen dieses Setzen als durch sich selbst gesetzt erweist. Das Mathematisch-Erhabene insgesamt läßt sich insofern als die Repul sion aus der Versenkung in die Anschauung des Naturschönen lesen. Die zweite konkrete Gestalt der reflektierenden Urteilskraft nimmt die unmittel bare Anschauung und ihr unmittelbares Selbstgefühl, die Ununterschieden heit zwischen dem Gefühl des Schönen und dem Schönen selbst, in das ver nünftige Subjekt als Bedingung der Möglichkeit dieser Anschauung zurück. Indem das Mathematisch-Erhabene das Subj ekt gewinnt und durch die Anschauung in die Natur proj iziert, verliert es zugleich die Wirklichkeit des Schönen. Das Prinzip der reflektierenden Urteilskraft verlangt aber, das heautonome Setzen ebenso an der Wirklichkeit der Natur zu bewähren. Des halb geht die B ildungsgeschichte der ästhetischen Urteilskraft zur Refle xionsgestalt des Dynamisch-Erhabenen über.
Erhabene, die im Wechselverhältnis von Einbildungskraft und Vernunft beruht, in die Ab straktion der bloßen Vernunftbestimmung aufgelöst, die die Versinnlichung der Vernunft nicht zu fassen vermag, dann liegt es nahe, das Erhabene als » Ä sthetik des Scheiteros der Ä sthetik« (Marquard ( 1 962, 369)), sein Ich als »transcendence« (Lazaroff ( l 980, 2 1 4)) und seine Lust als »kompensatorisch erzeugte Lust« (Busche ( 1 99 1 , 527)) zu deuten.
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5. Das Dynamisch-Erhabene
Hauptgesichtspunkt der folgenden Darstellung ist, das Dynamisch-Erhabene als diejenige Reflexionsgestalt auszuweisen, in der sich die Bildungsge schichte der ästhetischen Urteilskraft vollendet. Von einer Vollendung kann deshalb gesprochen werden, weil diese Reflexion in der Tat alle Momente des Reflexionsgefüges - die sich setzende Reflexion, das gegebene Besonde re und den Beziehungsgrund in der Idee - vollständig und zugleich entfaltet. Der entscheidende Schritt über die unendliche, proj izierende Anschauung des Mathematisch-Erhabenen hinaus besteht nämlich darin, daß das heauto nome Reflektieren sich als solches setzt, indem es zugleich das Gegebene in seiner unaufhebbaren Differenz zum Reflexionsprinzip setzt. Offensichtlich gerät die ästhetische Urteilskraft hier in ihre äußerste Spannung: Das Refle xionsgefüge erweist sich einerseits als transzendental prinzipiiert, und doch ist die Wirklichkeit der Natur andererseits als etwas gesetzt, das sich dieser Prinzipiierung wesentlich entzieht. Diese Spannung bliebe unauflöslich, wenn im Dynamisch-Erhabenen nicht die konkrete moralische Autonomie in die Form der heautonomen Reflexion einträte. Allein die moralische Auto nomie vermag nämlich eine Unterscheidung der Wirklichkeit im ganzen zu legitimieren. Um das Dynamisch-Erhabene als Vollendungsgestalt der äs thetischen Urteilskraft darstellen zu können, versuche ich zunächst den sy stematischen Zusammenhang zu rekonstruieren, aus dem sich die innere Notwendigkeit des Übergangs zum Dynamisch-Erhabenen ergibt. Als ent scheidend erweist sich dabei, daß im Mathematisch-Erhabenen zwar die Vernunftbestimmung der ästhetischen Urteilskraft zum Vorschein kommt. Das differente Gegebene erscheint j edoch nur im Modus einer projizierenden Anschauung des Subj ekts. Damit ist die innere Notwendigkeit bezeichnet, das ganze Reflexionsgefüge aus der Anschauung in die Wirklichkeit zu übersetzen (a) . Genau diese Übersetzung leistet Kant selbst am Anfang des § 28 durch seine Bestimmung des dynamisch-erhabenen Gegenstands. Besonderes Augenmerk verdient dabei das Verfahren der Einbildungskraft, in welchem sie den Widerstand der dynamischen Natur zum ästhetischen Gegenstand umbildet. Als wesentliches Moment erweist sich hier die Totalisierung der dynamisch-erhabenenen Natur. Diese Totalisierung gelingt aber nur, indem das Mathematisch-Erhabene seinerseits als immanentes Moment der neuen Reflexionsgestalt erscheint (b ). Tatsächlich verdeutlicht die Darstellung des Dynamisch-Erhabenen, daß erst die zur Totalität ausgebildete Natur den Unterschied zur Natur im
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ganzen und somit den praktisch-vernünftigen Bestimmungsgrund des ästhe tischen Urteils freisetzt. Dem unmittelbar eintretenden Problem der Auf lösung des Ä sthetischen in die Moralität entgeht Kant dadurch, daß er die Moralität nicht von der vernünftigen Allgemeinheit des Sittengesetzes her, sondem durch die konkrete Allgemeinheit der moralischen Persönlichkeit auffaßt. Allein die Persönlichkeit vermag in die heautonome Reflexion einzutreten und so auch die Freiheit der Einbildungskraft zu bewahren, weil sie an ihr selbst als bei sich bleibende Beziehung auf ihr Anderes zu denken ist (c). Schließlich stellt die in der Modalität des Erhabenen eigens reflektierte Rückbindung an das moralische Gefühl heraus : Das Urteil über das Erhabe ne ist in seiner Verbindlichkeit vernunftsystematisch begründet, seine Wirk lichkeit aber bedarf einer kultivierten Urteilskraft. Kultiviert ist sie dann, wenn die bewußtlos-proj izierende Anschauung der Einbildungskraft zum Bewußtsein der heautonomen Urteilskraft erhoben ist. Insofern läßt sich die ses letzte Moment der ästhetischen Urteilskraft als eine Bewährung der The se lesen, daß sich das ästhetische Reflexionsprinzip als Bildungsgeschichte der bewußtlos produzierenden Einbildungskraft konkretisiert und im Dyna misch-Erhabenen vollendet (d).
a) Der Übergang zum Dynamisch-Erhabenen Um den Übergang zum Dynamisch-Erhabenen aus dem bislang entwickelten vernunftsystematischen Zusammenhang zu exponieren, sei zunächst daran erinnert: Die Begründung der ästhetischen Urteilskraft durch ein transzen dentales Prinzip bliebe unterbestimmt, wenn das Schöne und das Erhabene sich nur als Arten einer gemeinsamen Gattung begreifen ließen. Ihre Ein gliederung in das System der selbstbewußten Vernunft bemißt sich erst dar an, ob sie als Realisierungsformen des einen heautonomen Prinzips gedacht werden können. In dieser Hinsicht wurden die Urteilsmomente des Schönen und des Erha benen als Bestimmungen erörtert, die sich aus dem Reflexionsgefüge der he autonomen Urteilskraft selbst ergeben. Sie unterscheiden sich j eweils nach der impliziten oder expliziten Reflektiertheit286 der spontanen Produktionen 286 Zur Verwendung der Termini »implizit« und »explizit« sowie ihre Bedeutung flir die Interpretation der KrV vgl . die grundsätzlichen Überlegungen bei Metz ( 1 99 1 , 1 08/9, Anm. l 2) .
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des Ich. Insofern J assen sich Beziehung und Unterschied zwischen dem Schönen und dem Erhabenen nicht durch den Gegenstand287, nicht durch die Erfüllung oder Enttäuschung der Perspektive unserer ästhetischen Freiheit288, und auch nicht durch die dem Schönen und Erhabenen gemeinsame Grund lage der Moralität289 zureichend charakterisieren. Beziehungs- und Unter scheidungsgrund sind vielmehr dasselbe : der Unterschied zwischen dem unmittelbar produzierenden Setzen des Schönen, das sich in seinem Vollzug nicht als Prinzip erkennt, und demj enigen Produzieren, das sich als ver nunftprinzipiiertes erkennt. Hier verdoppelt die reflektierende Urteilskraft alle Bestimmungen und vermag in deren Negativität ihr Beziehen als solches zu setzen. 290 Was die Verdoppelung des Setzens im Erhabenen betrifft, so macht sie sich unmittelbar an der Negativität der drei Momente des Reflexionsgefüges kenntlich : an der negativen Lust, an der Unform des erhabenen Gegenstands sowie an der indirekten Darstellung der Idee. Alle drei Termini erfahren aber in der Durchftihrung des Mathematisch-Erhabenen selbst eine Verwandlung, die erst den Unterschied zum Schönen vollständig aufzuklären vermag. Erstens verwandelt sich die Bewegung der Reflexion, die im lustvoll unlustvollen Gefühl unmittelbar bewußt ist, zu einer Reflexion in sich. In ihr vollzieht sich die Totalisierung der Sinnlichkeit vermittels der Einbildungs-
28 7 So Trebels ( 1 967, 8 6 ff.), der sich insbesondere auf KU 76 beziehen kann, aber zu gleich konstatiert, daß Schönsein keine Eigenschaft eines Gegenstands ist, so daß die Ent gegensetzung von Schönem und Erhabenem »in gewisser Weise unverständlich« (88) sei. 288 V gl. Kaulbach ( 1 984, 1 7 1 /2). 28 9 Damit soll keineswegs gesagt sein, daß die praktische Bestimmung nicht die innere Teleologie der KU kennzeichnete; im Gegenteil. Diese praktische Bestimmung kann aber, insbesondere hinsichtlich der ästheti schen Urteilskraft, nur dann begrei flich werden, wenn Ä sthetik und Moral nicht vermischt oder aufeinander reduziert werden. Die strikte Unter scheidung i hrer Sphären und der Gedanke, daß erst die bewahrte (He-) Autonomie des Ä sthe tischen die Verbindung mit dem praktischen Gebrauch der Vernunft ermöglicht, ist Crawford ( 1 974) entgangen, wenn er schreibt: »And consequently, because of its ultimate basis, the beauti ful becomes the symbol for morality in that it expresses the necessary supersensible basis for moral ity. The idea of the supersensible underlying the sublime is thus the same as that underlying the beauti ful, though we become aware of it in a different way.>Erhaben ist das, was durch seinen Widerstand gegen das Interesse der Sinne unmittel bar gefal lt.« (KU 1 1 5 ). 294 »Das gegebene Unendliche aber dennoch ohne Widerspruch auch nur denken zu kön nen, dazu wird ein Vermögen, das selbst übersinnlich ist, im menschlichen Gemüthe erfordert. Denn nur durch dieses und dessen Idee eines Noumenons, welches selbst keine Anschauung verstauet, aber doch der Weltanschauung, als bloßer Erscheinung, zum S ubstrat untergelegt wird, wird das Unendliche der Sinnenwelt in der reinen intellectuellen Größenschätzung unter einem Begri ffe ganz zusammengefaßt, obzwar es in der mathematischen durch Zahlenbegri ffe nie ganz gedacht werden kann .« (KU 92/3 ; vgl . 1 1 617).
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vermittelt die Unform erhabener Gegenstände diejenige Unterscheidung, die für die ästhetische Urteilskraft erst die Totalität einer Welt eröffnet. 2 95 Drittens erscheint das Erhabene unmittelbar als etwas, was der indirekten Darstellung der Idee dient. »Wir können nicht mehr sagen, als daß der Ge genstand zur Darstellung einer Erhabenheit tauglich sei, die im Gemüthe an getroffen werden kann [ . . . ] « , obwohl oder gerade weil er »gleichsam ge waltthätig flir die Einbildungskraft erscheinen mag« (KU 76). Die Entfaltung der Negativität der Idee fUhrt jedoch zu der Einsicht, daß nicht der Gegen stand diese Gewalt ausübt. Vielmehr konkretisiert die vernunftbestimmte Einbildungskraft selbst die Negativität der Vernunft, welche die Selbstunter scheidung des Ich begründet. Anders als die unmittelbare Gewalt der prakti schen Vernunft gegen die Sinnlichkeit wird im »ästhetischen Urtheile über das Erhabene diese Gewalt durch die Einbildungskraft selbst, als durch ein Werkzeug der Vernunft, ausgeübt vorgestellt« (KU 1 1 6/7) . D i e Selbstentfaltung der vernünftigen Negativität i m Medium der Einbil dungskraft läßt sich genauer verdeutlichen, wenn man noch einmal auf die Stellung der Idee im Urteil über das Schöne zurücksieht Als Ideal der Ein bildungskraft hat sie die regulative Funktion, das je bestimmte Urteil auf die angestrebte vollkommene Selbstbeziehung zu beziehen. Dagegen erhält sie 2 95 Diese Unterscheidung von Welt und Natur deckt sich nicht mit derjenigen, die Kant in der Vorstellung des Systems der kosmologischen Ideen »in engerer Bedeutung« (KrV B 447/8) tri fft, nämlich am Leitfaden des Unterschieds von mathematischen und dynamischen Kategorien. Sie ist vielmehr daran orientiert, daß das auf die Natur als Natur bezogene, also interessierte ästhetische Urteil über das Schöne von dem Gedanken begleitet sein muß, daß >>die Natur j ene Schönheit hervorgebracht hat« (KU 1 67 ; Hervorh . vom Vf.). An der Zweck widrigkeit des Erhabenen verwandelt sich dagegen die Natur in eine Welt, die durch den Un terschied des Intelligiblen und der Erscheinungen konstituiert ist und dementsprechend nicht auf das Hervorgebrachtsein , sondern vermittels der Zweckwidrigkeit auf einen Unterschied des Hervorbringens und seiner Zwecke hin begri ffen werden muß. Wenn Kant also sagt, daß die Zweckmäßigkeit des Erhabenen »aus der Theorie desselben einen bloßen Anhang zur äs thetischen Beurtheilung der Zweckmäßigkeit der Natur macht« (KU 78), dann ist die gefühlte Zweckmäßigkeit des Subj ekts nicht dahingehend mißzuverstehen, daß das Erhabene einen »Absprung ins Üb ersinnliche« (Schmitz ( 1 989, 1 70)) ermögliche. Vielmehr eröffnet das Er habene der ästhetisch reflektierenden Urteilskraft überhaupt erst die Totalität einer Welt, die der unter dem Prinzip der subjektiven Zweckmäßigkeit gedachten (schönen) Natur verschlos sen bleiben muß (hier sei bereits auf eine analoge Unterscheidung flir die teleologische Ur tei lskraft hingewiesen, die sich durch den Begri ff des letzten Zwecks der Natur vollzieht; vgl . KU § 8 3 ) . Erst die Totalität der unterschiedenen Welt ist der praktischen Bestimmung der KU angemessen, die Realisierbarkeil der archetypischen in der ektypischen Natur begrei fbar zu machen: die Real isierbarkeil nämlich des »das Ganze aller Zwecke unter einem Princip befas senden Endzwecks (eine Welt als das höchste auch durch unsere Mitwirkung mögliche Gut) ( . . . ]« (AA VIII, 280).
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im Erhabenen insofern eine konstitutive Funktion, als sie nicht allein Bezie hungs-, sondern darüber hinaus Bestimmungsgrund des Strebens der Einbil dungskraft selbst ist. Die Idee ist nicht bloß das, worauf die Einbildungskraft sich in ihrem freien Produzieren bezieht, sondern das Beziehende selbst: nicht allein die angestrebte Identität der Selbstbeziehung, sondern das, was die ganze Beziehung von Einbildungskraft und erhabenem Gegenstand konstituiert und übergreift. Während also unmittelbar die Idee im Erhabenen bloß dargestellt zu werden schien, erweist sie sich im Fortgang zu demj eni gen verwandelt, was sich selbst vermittels der Einbildungskraft im erhabenen Gegenstand darstellt. Diese Beobachtungen zeigen: Das Schöne und das Mathematisch Erhabene unterscheiden sich nicht nur wie das bewußtlose und das zum Be wußtsein erhobene Produzieren der Vernunft im Medium der Einbildungs kraft. Die Momente des mathematisch-erhabenen Reflexionsgefüges bilden sich vielmehr als Seele, als Welt und als Idee in konstitutiver Bedeutung ih rerseits zu expliziten Vernunftgestalten aus. Bedingung dieser Ausbildung ist allerdings, daß der ästhetische Gegenstand nicht als von sich her bestimmt erscheinen darf. Um die den Gegenstand übergreifende Vernunftbeziehung zu manifestieren, sieht die ästhetische Reflexion von der schönen Bestimmt heit des Gegenstands ab und empfindet an der formalen Unbestimmtheit des selben Lust. Damit wird aber auch deutlich, daß und warum das Mathematisch Erhabene das Prinzip der ästhetischen Urteilskraft nicht erschöpfen kann. Die Idee tritt hier zwar konstitutiv in die Reflexionsbeziehung ein und mani festiert darin das Prinzip des Reflektierens als solches. Zu beachten ist aber, was es für das Reflexionsprinzip bedeutet, wenn die formale Unbestimmtheit des Gegenstands als erhabene Größe in der Anschauung gegeben ist. Die an geschaute Größe fungiert zunächst als der Widerstand, der die Reflexion in das unmittelbare Gefühl des Subjekts zurücktreibt. Sie ist sodann dasj enige Bild, in das die produktive Einbildungskraft die vernünftige Unendlichkeit des Ich proj iziert. Nach beiden Seiten ist die reflektierende Urteilskraft also »mit dem möglichen Gebrauche ihrer Anschauungen« (KU 7 8 ; Hervorh. im Original) in die produktive, am Widerstand reflektierte und in ihn sich proji zierende Spontaneität des Subjekts versenkt. Das Mathematisch-Erhabene bringt also das vernünftige Subjekt als solches zum Vorschein, doch ver deutlicht der Modus der proj izierenden Anschauung, daß der erhabene Ge genstand hier nicht als von sich her Besonderes zu erscheinen vermag. Obgleich diese Versenkung ins Subjekt einseitig bleibt, ist sie für die Ent faltung des Reflexionsprinzips notwendig. Anders als das Schöne erweist sie
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die Vernunft als konstitutiven Grund des ästhetischen Urteils. Explizit ver nünftig ist die ästhetische Anschauung erst als Anschauung des Unendlichen oder die Einbildungskraft als Organon der Vernunft. An dieser Stelle drängt sich allerdings ein weitreichender Einwand auf: Kann überhaupt von einer Anschauung des Unendlichen legitimerweise gesprochen werden? Es liegt nämlich auf der Hand, daß die Anschauung des Mathematisch Erhabenen in der Bestimmtheit gegenwärtig ist, die Kant in der KrV durch die 1 . Antinomie ausgelegt hatte. Deren Antithetik in Ansehung des Anfangs und der Anfangslosigkeit der Welt in Raum und Zeit entspringt dem dialekti schen Schein, »daß man die Idee der absoluten Totalität, welche nur als eine Bedingung der Dinge an sich selbst gilt, auf Erscheinungen angewandt hat, die nur in der Vorstellung und, wenn sie eine Reihe ausmachen, im succes siven Regressus, sonst aber gar nicht existiren.« (KrV B 534) Eben aufgrund dieses dialektischen Scheins erweisen sich Thesis wie Antithesis als falsch.296 Gleichwohl liegt dem Mathematisch-Erhabenen legitimerweise die Idee zugrunde . Denn im ästhetischen Urteil wird die Idee nicht bestimmend auf ihre Realität in einer möglichen Erfahrung bezogen297, stellt somit keine ob j ektiv unbedingte Synthesis dar. Ganz im Gegenteil reflektiert die Urteils kraft die Idee in das Subj ekt, das sich insofern ästhetisch als Grund der An tinomie enthüllt. Es entgeht zugleich dem dialektischen Schein, indem es kraft seines gegenwendigen Gefühls die Unterscheidung von denkender Vernunft und anschauender Einbildungskraft selbst vollzieht. 298 Gerade die Einseitigkeit der Versenkung ins Subjekt und der Projektionscharakter der Anschauung ermöglichen somit die Selbstbegrenzung gegen den dialek tischen Schein. 2 9 6 Vgl . KrV B 5 1 4/5 . 2 97 >>Mögliche Erfahrung ist das, was unseren Begri ffen allein Realität geben kann ; ohne das ist aller Begri ff nur Idee, ohne Wahrheit und Beziehung auf einen Gegenstand .das Ganze in der empirischen Anschauung gegeben worden« ( KrV B 540) (2. Antinomie). Dieser Unterschied beleuchtet zugleich die weltbildende Bedeutung des Mathematisch Erhabenen, weil die 2 . Antinomie auf das Unbedingte der Dinge in der Welt geht, während die I . Antinomie die Welt selbst hinsichtlich ihres Anfangs bzw. ihrer Anfanglosigkeit denkt. Während die qualitative Synthesis die progressiv bildende Einbildungskraft nicht erreicht, kommt der Gehalt der 4. Antinomie flir die ästhetische Anschauung nicht in Betracht, weil sie die Einbi ldungskraft übersteigt. Denn >>die Reihe, welche wir vor uns haben, [ist] eigentlich die von Begri ffen und nicht von Anschauungen, in so fern die eine Bedingung der andem ist.« ( KrV B 5 8 7 ) Die Intelligibilität der Freiheit in der 3 . Antinomie dagegen bliebe der ästhe tischen Anschauung deshalb zugänglich, weil sie als notwendig >>ZU Erklärung derselben [der Erscheinungen] anzunehmen« (KrV B 472) gedacht wird.
Das Dynamisch-Erhabene
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von Ding an sich und Erscheinung beruht. Die grundlegende systematische Verschiebung besteht aber darin, daß bereits das Mathematisch-Erhabene j ene Unterscheidung der Welt im Sinne der theoretischen Vernunft erbracht hat. Der Sinn dieser Verschiebung kann demnach nur darin bestehen, daß die 3 . Antinomie zwar den Leitfaden fiir das Dynamisch-Erhabene abgibt, aber zugleich aus der Sphäre der theoretischen Vernunft herausgelöst und in die der praktischen Vernunft gesetzt wird.302 Es hat sich bislang gezeigt, daß die vom Reflexionsprinzip erforderte Übersetzung des Erhabenen in die Wirklichkeit zunächst die Welt in eine Totalität der notwendigen Verknüpfung von Ungleichartigem verwandelt. Diese Verwandlung zieht sodann die der theoretischen in die praktische Idee nach sich. Weiche Bestimmtheit ist schließlich fiir das reflektierende Subjekt zu antizipieren, das im Mathematisch-Erhabenen als vernünftige Seele zum Vorschein gekommen war? In die Sphäre der Existenz gesetzt, kann die erhabene Bewegung der Selbstunterscheidung nicht mehr das Verhältnis von Vernunft und Anschau ung betreffen. Sie richtet sich vielmehr auf die Existenz des Subj ekts selbst, auf seine daseiende Vernünftigkeit. Näher bestimmt sich die daseiende Ver nünftigkeit durch die notwendige Synthesis von Ungleichartigem, auf die sie in ihrer vernünftigen Selbstbeziehung reflektierend bezogen ist. Damit ist angezeigt, daß hier offenbar die Beziehung von Anschauung und Gefiih l eine Verwandlung erfahrt. Während sie im Mathematisch-Erhabenen der ver nunftbestimmten Einbildungskraft zukommt, die das erhabene Gefiih l in die ästhetisch-unendliche Welt proj iziert, erfordert nun die Notwendigkeit der Verknüpfung die Bestimmtheit eines Begriffs . Auch die begriffliche Bestimmtheit des Subj ekts ist schließlich der Eigen art der dynamischen Synthesis zu entnehmen. Denn die notwendige Ver3 02
Es besteht also in der methodischen Entwicklung der Analytik des Erhabenen ein ge wisses Paradox darin, daß diese Entwicklung sich anhand des theoretischen Unterschieds von mathematischen und dynamischen Kategorien (Grundsätzen, Ideen) vollzieht, ohne ihn am Leitfaden der theoretischen Vernunft durchzuflihren. Diese Paradoxie löst sich, wenn man bedenkt, daß die reflektierende Urteilskraft als solche ihrer Form nach eine theoretische Funktion ausübt und somit auf die Natur bezogen ist, dem Gehalt ihres Prinzips nach aber theoretische und praktische Vernunft vermittelt. Deshalb muß sie über die theoretische Ver nunft hinausgehen und ebenso die Realität der praktischen Vernunft in ihre Form aufnehmen. Daß die reflektierende Urteilskraft nicht nur ihrer systematischen Konzeption nach, sondern gerade in ihrer konkreten Durchflihrung systematisch auf die beiden ersten Kritiken bezogen ist, liegt daran, daß sie ohne bestimmendes Prinzip und somit ohne eigenes Selbstbewußtsein nur dann genuiner Teil des Systems der selbstbewußten Vernunft sein kann, wenn sie ihre Reflexionsbestimmungen mit der obj ektiven Realität der Vernunft zu vermitteln wei ß.
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Zweiter Teil · Ästhetische Urteilskraft und produktive Vernunft
knüpfung, die das ästhetische Urteil um der Konkretheit seines Prinzips wil len austragen soll, läßt nur eine Kategorie zu : »Die Nothwendigkeit betrifft also nur die Verhältnisse der Erscheinungen nach dem dynamischen Gesetze der Causalität und die darauf sich gründende Möglichkeit, aus irgend einem gegebenen Dasein (einer Ursache) a priori auf ein anderes Dasein (der Wir kung) zu schließen. Alles, was geschieht, ist hypothetisch nothwendig [ . . . ] « (KrV B 280). Insgesamt ist das Subjekt des Dynamisch-Erhabenen mithin als daseiende Vernünftigkeit zu antizipieren, die kraft ihres Begriffs die trans zendente Synthesis zur hypothetischen Notwendigkeit der Erscheinungen darstellt. Das Unbedingte zur hypothetischen Notwendigkeit der Natur be ruht aber in der moralischen Freiheit. Die Übersetzung des Erhabenen von der Anschauung in die Wirklichkeit zieht sich somit in das einfache Verhältnis zus amm e n, das durch die Welt als hypothetische Notwendigkeit, durch das Subjekt der Freiheit und durch die praktische Idee konstelliert ist. Die Umwendung aus der proj izierenden An schauung des Mathematisch-Erhabenen bedeutet aber zugleich, daß der er habene Gegenstand nicht mehr bloß Widerstand und Bild des unendlichen Subjekts sein kann, sondern kraft seiner Notwendigkeit von sich her be stimmt ist. Dementsprechend beruht auch das Gewaltverhältnis nicht allein im Verhältnis von Vernunft und Einbildungskraft. Es bildet sich vielmehr zu einem realen Wechselverhältnis zwischen Subjekt und erhabenem Gegen stand aus. Mit der Erörterung dieser Beziehung leitet Kant seine Darstellung des Dynamisch-Erhabenen ein.
b) Der dynamisch-erhabene Gegenstand Weil die ästhetisch-dynamische Synthesis der daseienden Vernunft wesent lich in die Sphäre notwendiger und kausaler Verknüpfungen fallt, kann die Darstellung des Dynamisch-Erhabenen mit der Kategorie der Relation be ginnen. 303 Genauer gesagt, muß sie sogar so beginnen, wenn anders alle Bestimmungen der KU nicht Auslegungen der »Phänomene« des Ä sthe-
3 ° 3 Explizit tritt die Relation, anders als die übrigen drei Kategorien, nicht in einer Kapitel überschri ft auf. Der fragliche § 28 ist vielmehr überschrieben : »Von der Natur als einer Macht>ZU betonen, daß sich hier die Urteilskraft durch eine Annahme nur ihr eigenes Verfahren ermöglicht«, wie es bei Fleischer ( 1 984, 1 3 1 ) hei ßt, die dann auch im Blick auf KrV A 1 25 die Nähe Kants zu Nietzsche konstatiert. Engfer ( 1 98 1 , 1 3 2; vgl . 1 5 6) hat dagegen die genannte Wechselseitigkeit deutlich hervorgehoben. 337 Dieser Aspekt drückt sich auch in der häufig nur nach ihrem ersten Teilsatz zitierten Re flexion 1 820 a aus: »Die Schöne Dinge zeigen an, daß der Mensch in die Welt passe und selbst seine Anschauung der Dinge mit den Gesetzen seiner Anschauung stimme.« (AA XVI, 1 27).
Ästheti sche Reflexion und die Ideen
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die moralische Selbstbestimmung zweckmäßig. Im Schönen manifestiert sich beglückend eine Natur, die vernünftigerweise so angesehen werden kann, als sei sie zur Realisierung der Freiheit eingerichtet. Indem die erhabene Natur unmittelbar zweckwidrig ist, erhält das Zweck mäßigkeitsverhältnis eine grundlegende Wendung. Durch die Anschauung der zweckwidrigen Natur vermittelt, findet das Subj ekt den Grund aller Zweckmäßigkeit »in Ansehung der Gegenstände, ihrer Form, ja selbst ihrer Unform nach, zufolge dem Freiheitsbegriffe« (KU XL VIII) in seiner eigenen Bestimmung. Die ästhetisch beurteilte erhabene Natur erscheint deshalb mittelbar als subj ektiv zweckmäßig, weil ihre Anschauung die Zweckmäßig keit des Subj ekts ftir die Natur, d.h. seine Bestimmung als Weltwesen her vortreibt. Daß Natur und Freiheit in ihrem höchsten Widerspruch durch die Einbildungskraft zugleich festgehalten werden, gibt dem Subj ekt die lustvoll geftihlte Gewißheit, seine moralische Bestimmung auch gegen den Wider stand der Natur realisieren zu können. Die Synopse von schöner und erhabener Zweckmäßigkeit enthüllt die volle Bestimmtheit der ästhetischen Zweckmäßigkeit der Natur. Sie erftillt beglückend das in Ansehung ihrer zufallige transzendentale Prinzip mit kon kreter Realität. In diesem unerwarteten Übereinstimmen wird sie zu einem präsenten Symbol j ener absoluten Selbstübereinstimmung, die der morali schen Autonomie eigen ist. Die Natur verweist aber auch noch in ihrer furchterregenden Unform auf Zweckmäßigkeit, denn die Unform läßt erst das Subjekt in seiner moralischen Zweckbestimmung als den Grund dieses Prinzips zum V arschein kommen. Gleichwohl ist es auch in der höchsten Zweckwidrigkeit das Naturmoment eines Glücksgeftihls, in welchem sich die Präsenz der moralischen Bestimmung des Subjekts bekundet. Der Begriff einer subjektiven Zweckmäßigkeit beruht näher darauf, die Natur als durch einen Verstand auf das Subjekt hin angeordnet anzusehen.338 Der Grund der konkreten Zweckmäßigkeit der Natur liegt somit in »ihrem übersinnlichen Substrat« (KU LVI).339 Die präsente Realität der Synthesis von Freiheit und Natur ftir die ästhetische Urteilskraft wäre dementsprechend an der Bestimmung dieses intelligiblen Substrats zu bemessen. Von vom herein besteht allerdings eine gewisse Zweideutigkeit darin, daß das intelli-
33 8 Vgl . KU XXVII / XXVIII. 339 In der Ersten Einleitung spricht Kant expl izit davon, daß die ästhetischen Urteile >>von so besonderer Art sind, daß sie sinnliche Anschauungen auf eine Idee der Natur beziehen, deren Gesetzmäßigkeit ohne ein Verhältniß derselben zu einem übersinnlichen Substrat nicht verstanden werden kann ( . . . ]« (AA XX, 247).
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Zweiter Tei l Ästheti sche Urtei lskraft und produktive Vernunft ·
gible Substrat, wie Kant an der zitierten Stelle hinzufügt, »in uns sowohl als außer uns« aufzufassen ist. Die Unterscheidung des übersinnlichen Grunds in die Seiten des Subj ekts und der Natur legt die Vermutung nahe, daß die subjektive Zweckmäßigkeit wesentlich durch das Substrat in uns bestimmt wird. Bewährt sich diese Vermutung, dann erbrächte sie eine weitere Spezi fizierung der nur relativen Totalität, welche die ästhetische Sphäre darstellt. Es leuchtet ein, daß die Reflexion auf das intelligible Substrat im Schönen erst in der transzendentalen Reflexion des unmittelbaren Urteils auftreten kann. Ihr systematischer Ort ist die Antinomie des Geschmacksurteils. Sie dient dazu, die Möglichkeit eines verbindlichen Geschmacksurteils zu be gründen, enthält dabei aber die natürliche Dialektik, um der Verbindlichkeit willen auf einen Begriff zurückzugreifen, um der Erkenntnislosigkeit willen einen Begriff aber ebenso auszuschließen. »Nun fallt aber aller Widerspruch weg, wenn ich sage : das Geschmacksurtheil gründet sich auf einem Begriffe (eines Grundes überhaupt von der subj ectiven Zweckmäßigkeit der Natur ftir die Urtheilskraft) [ . . . ] « (KU 236). Die subj ektive Zweckmäßigkeit der Natur, die in ästhetischen Urteilen er scheint, ist verbindlich, weil sie übersinnlich begründet ist. Zugleich hält sich diese Begründung in den Grenzen des ästhetischen Urteils, sofern das Substrat als an sich unbestimmbar und unerkennbar gedacht wird. Damit läßt sich zwar der dialektische Schein auflösen. Aber es bedarf auch einer Bezie hung des Natursubstrats auf die Urteilskraft selbst, um die Realisation der natürlichen Zweckmäßigkeit im subj ektiven Urteil einsichtig zu machen. Das Geschmacksurteil »bekommt aber durch eben denselben [Grund überhaupt] doch zugleich Gültigkeit ftir jedermann (bei j edem zwar als einzelnes, die Anschauung unmittelbar begleitendes Urtheil): weil der Be stimmungsgrund desselben vielleicht im Begriffe von demj enigen liegt, was als das übersinnliche Substrat der Menschheit angesehen werden kann . « (KU 23 6/7) Wenngleich also das Natursubstrat unmittelbar zugrundeliegt, bleibt es doch ohne den übersinnlichen Bestimmungsgrund des Subjekts nicht nur unbestimmbar, sondern haltlos. Was mithin die Synthesis von Frei heit und Natur anlangt, so ist ihre Präsenz hier durch die Beziehung beider übersinnlicher Substrate ausgewiesen. Deutlich wird aber auch, daß die re flektierende Bestimmung dieser Beziehung nur vom übersinnlichen Substrat der Menschheit ausgehen kann.340 34 0 Analog flillt die Bestimmung des übersinnlichen Substrats aus, die Kant anläßtich des »SO reinen Wohlgefallens« in der Symbolik des Sittlich-Guten gibt. Die Urteilskraft sieht sich hier >>sowohl wegen dieser innern Möglichkeit im Subjecte, als wegen der äußern Möglichkeit
Ästheti sche Reflexion und die Ideen
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Die Reflexion auf das intelligible Substrat der Natur im Erhabenen treibt dann die Bestimmbarkeit durch die Idee der Menschheit a fortiori hervor. Denn die Natur wird hier in ihrer unmittelbaren Zweckwidrigkeit ange schaut. Das Mathematisch-Erhabene entdeckt zunächst die Natur in ihrer absoluten Totalität, deren Idee als Substrat der Weltanschauung als bloßer Erscheinung zugrunde gelegt werden muß.34 1 Wenngleich die Idee des Natursubstrats hier explizit der vernünftigen Subjektivität entspringt, ist es doch die Natur selbst, die durch die Größe ihrer Erscheinungen diese Idee im urteilenden Subj ekt erst hervorruft. Auch hier bleibt demnach die Beziehung von Menschheit und Natur erhalten, wird sogar als solche expliziert. Genau genommen fuhrt das Mathematisch-Erhabene deshalb »den Begriff der Natur auf ein übersinnliches Substrat (welches ihr und zugleich unserm Vermögen zu denken zum Grunde liegt) [ . . . ]« (KU 94). Das Dynamisch-Erhabene präzisiert sodann, in welchem Sinne die ma thematisch-erhabene »Achtung für unsere eigene Bestimmung« (KU 97) als Präsenz der Synthesis von Freiheit und Natur zu denken ist. Die erhabene Natur ist durch das übersinnliche Substrat in ihrer subjektiven Zweckmäßig keit insofern begründet, als sie durch ihre zweckwidrige Erscheinung an sich selbst auf die Vernunft- und Freiheitsbestimmung des Menschen verweist. »Eben dadurch werden wir auch erinnert, daß wir es nur mit einer Natur als Erscheinung zu thun haben, und diese selbst noch als bloße Darstellung einer Natur an sich (welche die Vernunft in der Idee hat) müsse angesehen wer den.« (KU 1 1 6) Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß die Synthesis von Freiheit und Natur in allen ästhetischen Reflexionsgestalten manifest ist, und zwar sowohl in der Sphäre der erscheinenden Zweckmäßigkeit wie auch in der ihrer übersinnlichen Begründung. Jeweils ermöglicht die Wirklichkeit der Natur eine Reflexion des Subj ekts in seine Freiheit. Dabei erfährt die Synthesis aber eine innere Fortbestimmung, die an der Verschiebung im Verhältnis der Zweckmäßigkeit abtesbar wird: In dem Maße, in dem die erscheinende Zweckmäßigkeit der Natur zurückgeht, manifestiert sich die übersinnli che Zweckmäßigkeit des Subjekts. Die Synthesis ist also präsent und doch
einer damit übereinstimmenden Natur auf etwas im Subj ecte selbst und außer ihm, was nicht N atur, auch nicht Freiheit, doch aber mit dem Grunde der l etzteren, nämlich dem Ü bersinn lichen, verknüpft ist, bezogen>Nun kennen wir kein anderes inneres Princip einer Substanz, ihren Zustand zu verändern, als das Begehren und überhaupt keine andere innere Thätigkeit als Denken mit dem, was davon abhängt, Gefühl der Lust oder Unlust und Begi erde oder Willen.« (AA IV, 544). 345 Vgl . KU 37.
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Zweiter Tei l · Ä sth eti sche Urte i l s kraft und produktive Vern u n ft
Zwar legt sich der Einwand nahe, daß die Hemmung der Bewegung oder der schnelle Wechsel von Anziehen und Abstoßen desselben Obj ekts346 die reine Selbstbewegung der Seele zumindest partiell aufhebt. Aber dieser Ein wand ist nicht stichhaltig. Die Analyse des erhabenen Gefiih l zeigt nämlich, daß die Hemmung ihrerseits nur im Hinblick auf eine Tätigkeit der Einbil dungskraft möglich ist, die kraft ihrer Vernunftbestimmung ins Unendliche strebt. Der Charakter der Selbstbewegung bleibt im Erhabenen somit nicht nur erhalten, sondern steigert sich zu einer unendlichen Bewegung. Das unmittelbare Beisichsein der erkennenden Seele entfaltet sich durch das Er habene in die Vernünftigkeit der denkenden Seele, die in sich erzittert, ohne unruhig zu sein. Das Dynamisch-Erhabene schließlich beruht auf ebendieser Selbstbewegung, enthüllt in der Freiheit der moralischen Persönlichkeit aber zugleich ihren absoluten Bestimmungsgrund. Die ganze ästhetische Urteils kraft legt demnach eine Theorie der Seele dar, die sich im Gefiih l ihrer Bestimmbarkeit durch die vernünftige Freiheit vollendet. In diesem Resultat ist offenbar genau j ene Verknüpfung der Freiheitsidee mit dem Postulat der Seelenidee erreicht, die die praktische Vernunft als Bedingung des höchsten Guts begreift. Ein Vergleich mit der theoretischen und praktischen Auffassung der Seele mag die Eigenart ihrer ästhetischen Reflexion näher verdeutlichen. Die Vergleichbarkeit ergibt sich daraus, daß die Seele j eweils im Modus einer schematisierten Idee, also j eweils im Medium der Einbildungskraft aufgefaßt wird. Schon die Transzendentale Analytik der KrV käme ohne die Beziehung von Seele und Einbildungskraft als transzendentales Wissen nicht zustande. Nimmt man nämlich die KrV als Auslegung der denkenden und erkennenden Seele (als Subj ekt, nicht als Substanz), dann ist ihre transzendentale Reflexi on nur dann als Erkenntnis möglich, wenn sie durch Einbildungskraft voll zogen wird. Ohne dieses Organ wäre die transzendentale Einheit der Apper zeption mit ihren synthetischen Konstitutionen der Gegenständlichkeit uneinsehbar, weil sie kein Gegenstand der Erfahrung sein kann.347 34 6 So charakterisiert Kant die erhabene Bewegung in KU 9 8 . 3 4 7 Diese Verhältnisse h a t Metz ( 1 99 1 ) überaus erhel lend dargelegt: » [ . . . ] s o g i l t auch vom Vollzug der Transzendentalphilosophie selbst, daß zu ihm produktive Einbildungskraft nötig ist. Zwar ist die reine Vernunft als solche von jeder sinnlichen Restriktion frei , doch ihre transzendentale Selbst-Erkenntnis würde ins Leere stoßen, wenn sie sich nicht mit dem S i nn lichen reflexiv/produkti v zusammenhalten würde, um sich als ursprünglich-synthetische Ein heit der Apperzeption, d.h. als syntheti sch Konstituierendes allen Bewußt-Seins gewahren zu können. Indem wir Vernunft und Sinnl ichkeit reflektierend zusammenhalten, vol lziehen wir die Transzendental -Philosophie, bringen wir die reine Vernunft-Wissenschaft als wirkliche
Ästhetische Refl e x i on und d i e I deen
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Auch das Unsterblichkeitspostulat der praktischen Vernunft hat die Gestalt einer durch die Einbildungskraft schematisierten Idee, insofern die Seele hier um der Möglichkeit ihrer Vervollko mmnung willen wesentlich im Modus einer Verzeitlichung gedacht wird.348 Trotz ihres praktischen Kontextes muß sie durch die Einbildungskraft gleichsam theoretifiziert werden. Denn nur dadurch kann die Seelenidee von der praktischen Vernunft in gegenständ licher Bedeutung, d.h. innerhalb der theoretisch-praktischen Logik eines Postulats gedacht werden. Daß die schematisierte Unendlichkeit der mit ihrer Freiheit verknüpften Seele dabei gegenüber der rein praktischen Freiheit sekundär bleibt, verdeutlicht Kant, wenn er die begriffene Freiheit als die »wahre Unendlichkeit« (KpV 289) der Persönlichkeit bezeichnet. Anders als ftir das theoretische Erkennen und das praktische Denken durch die reine Vernunft ist die Seele in der ästhetischen Reflexion kein Vernunft gegenstand. Vielmehr ist die Seele im Medium der Einbildungskraft selbst da und verschafft sich durch die Einbildungskraft ein indirektes Bild ihrer selbst. Ihr Dasein ist zwar wie im praktischen Postulat durch die Verknüp fung mit der Freiheitsidee ausgezeichnet. Indem sich die Seele aber in der bewußtlosen Spontaneität der Einbildungskraft manifestiert, erscheint sie sich nicht in ihrer Vernunftbestimmung, sondern so, wie sie durch die Ver nunft zweckmäßig bestimmbar ist. Das bedeutet allerdings zugleich, daß die Seele ohne bestimmendes Selbstbewußtsein da ist und sich in allen Bestimmungen in der Unmittelbar keit des Geftihls hält. Gegenüber den obj ektiv-notwendigen Bestimmungen des Selbstbewußtseins ereignet sich die ästhetische Erfahrung der Seele je und je in einem spezifischen Augenblick. Im Unterschied zum Grund der Möglichkeit der Erfahrung und zur Bedingung im höchsten Gut lassen sich die Reflexionen der ästhetischen Urteilskraft nun folgendermaßen kenn zeichnen : Sie sind Manifestationen des Gefo hls der augenblicklichen Wirk lichkeit der Seele in ihrer Bestimmbarkeil durch die Freiheit. 349
Erkenntnis hervor. [ . . . ] so giebt auch die Unwider stehlichkeit ihrer [der N atur] Macht uns, als N aturwesen betrachtet, zwar unsere physische Ohnmacht zu erkennen, aber entdeckt zugleich ein Vermögen, uns als von ihr unabhängig zu beurtheilen, und eine Ü berlegenheit über die Natur [ . . . ] > VermögenDenn durch das Ich als einfache Vorstellung ist nichts Mannigfaltiges gegeben; in der Anschauung, die davon unterschieden ist, kann es nur gegeben und durch Verbindung in ei nem Bewußtsein gedacht werden. Ein Verstand, in welchem durch das Selbstbewußtsein zu gleich alles Mannigfal tige gegeben würde, würde anschauen ; der unsere kann nur denken und muß in den Sinnen die Anschauung suchen . « (KrV 8 1 3 5 ; vgl . KU 352).
Die transzendentale Reflexion des Naturzwecks
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Damit werden aber die teleologischen Urteile selbst nicht entbehrlich. Sie sind vielmehr gerade wegen der Endlichkeit des Vernunftvermögens unab dingbar. Diese Beschaffenheit kommt hier in der »Verbindung der Erfahrung mit den obersten Principien der Vernunft« (KU 3 3 5 ) ins Spiel. Die Vernunft idee eines Zwecks ist zwar weder empirisch zu erkennen noch in ihrer ob j ektiven Realität transzendental zu deduzieren. Gleichwohl stellt sie eine schlechthin notwendige Maxime für den Erfahrungsgebrauch der Vernunft dar. Um an den organisierten Naturwesen, die sich weder mechanisch erklä ren noch teleologisch bestimmen lassen, die Vernunftforderung nach syste matischer Einheit der Erfahrung zu bewähren, betrachtet die reflektierende Urteilskraft sie unter der Idee eines zweckmäßig hervorbringenden Wesens. Ihre transzendentale Selbstdurchdringung verlangt aber, diese Maxime auf die spezifische Beschaffenheit der Erkenntnisvermögen einzugrenzen und sie nicht für alle vernünftigen Wesen als verbindlich anzusehen. Teleologische Urteile sind demnach möglich, weil sie die Vereinbarkeit von mechanischem und teleologischem Prinzip im übersinnlichen Substrat zugrundelegen. Sie überschreiten die Grenze zur bestimmenden Urteilskraft aber nur dann nicht, wenn sie die Notwendigkeit des übersinnlichen Substrats mit seiner Zufal ligkeit hinsichtlich unseres Erkenntnisvermögens zusammenhalten. Die Grenzziehung selbst richtet sich darauf, die verständige Weltursache nicht zu einer causa prima zu hypostasieren. Die kritische Selbstbegrenzung der teleo logischen Urteilskraft besteht somit darin, »daß, wenn wir doch wenigstens nach dem, was uns einzusehen durch unsere eigene Natur vergönnt ist (nach den Bedingungen und Schranken unserer Vernunft), urtheilen sollen, wir schlechterdings nichts anders als ein verständiges Wesen der Möglichkeit j ener Naturzwecke zum Grunde legen können: welches der Maxime unserer reflectirenden Urtheilskraft, folglich einem subjectiven, aber dem mensch lichen Geschlecht unnachlaßlich anhängenden Grunde allein gemäß ist.« (KU 3 3 8/9)392 39 2 Mertens ( 1 975, 1 5 5 ff.) hat an Kants Konzeption der teleologischen Urteile - wie sie in der Ersten Einleitung dargelegt und durch den Text der KU zu erhellen ist - kritisiert, daß ihr durchgängig eine unstatthafte Trennung von Zweck und Absicht zugrunde liege, die eine grundsätzliche Schwäche der transzendentalen Begründung der Teleologie ( 1 70/ 1 ) zum Vor schein bringe. »Im teleologischen Urteil bleibt das Dilemma, daß durch den immanenten Ge brauch des Begri ffs Naturzweck überhaupt nichts erklärt wird, daß der transzendentale Ge brauch hingegen nach den Voraussetzungen von Kants Vernunft- und Naturbegriff verboten ist. Kants Lösung, die Frage nach der Absicht einzuklammern, will nicht recht überzeugen . « ( 1 73) Dagegen i s t darauf hinzuweisen, d a ß erst die Dialektik, die Mertens a l s solche nicht i n d e n Blick nimmt, die Notwendigkeit der kritischen Restriktion erläutert und durch d i e Einsicht in den transzendental-subj ektiven Ursprung des Zweckbegri ffs allerdings j ene Di fferenz von
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Dritter Tei l Tel eologische Urtei lskraft und produktive Idee ·
Mit dieser kritischen Restriktion entzieht sich die teleologische Urteils kraft dem dialektischen Schein. Teleologisch bestimmend zu urteilen ist unmöglich. Das teleologische Reflexionsurteil dagegen beruht in seiner Ver nunftnotwendigkeit auf der Idee des übersinnlichen Substrats, in dem zu gleich die teleologische und die mechanische Maxime als vereinbar gedacht werden. Obwohl beide Maximen in einer unauthebbaren Differenz stehen, verbürgt das übersinnliche Substrat, daß sie einander nicht widersprechen. Die Einheit und Differenz beider Maximen verweisen dabei gleichermaßen auf die endliche Verfaßtheit unseres Erkenntnisvermögens. Dieser Rückver weis zeigt die transzendentale Dimension der kritischen Selbstbegrenzung an. Sie vermag aber den Schein noch nicht stillzustellen, weil sein Ursprung unbestimmt geblieben ist. 2. Die Frage nach dem Ursprung des Scheins versucht aufzuklären, warum die Urteilskraft natürlicherweise teleologische Urteile als bestimmende auf faßt. Nun beruht die Notwendigkeit der Restriktion auf Reflexionsurteile im allgemeinen darauf, daß der hier zugrundeliegende Begriff als Idee un erkennbar ist. Diese Begründung kommt mit der Behandlung des Scheins in der theoretischen Dialektik überein. Deshalb wird die spezifische Bestimmt heit des teleologischen Scheins erst durch den Unterschied zum theore tischen Verhältnis von Vernunft und Verstand deutlich. Im Hinblick auf die theoretische Vernunft erinnert Kant daran393, daß die endliche Vernunft der unauthebbaren Differenz von Begriff und Anschauung unterliegt. Wird diese Einsicht modalisiert, dann entspricht ihr die unum gängliche Unterscheidung von Möglichkeit und Wirklichkeit. Um diese Un terscheidung als solche überhaupt einsehen zu können, legt sich die Vernunft die Idee eines notwendig existierenden Wesens zugrunde. Insofern diese Idee der Sache nach zwar den Unterschied von Möglichkeit und Wirklichkeit aufhebt, als Begriff der endlichen Vernunft aber zugleich dieser Unterschei dung unterliegt, kann sie nicht objektiv realisiert werden. »Was unserm Ver stande aber so beschwerlich fallt, der Vernunft hier mit seinen Begriffen es gleich zu thun, ist bloß : daß für ihn als menschlichen Verstand dasjenige Naturzweck und Absicht, die Mertens als ausschließenden Gegensatz ansieht, zu vermitteln vermag. In der Tat ermöglicht und erfordert der Durchgang durch die transzendentale Refle xion des Unterschiedes von reflektierender und bestimmender Urteilskraft, daß »nach der Be schaffenheit des menschlichen Verstandes für die Möglichkeit organischer Wesen in der Na tur keine andere als absichtlich wirkende Ursache könne angenommen werden, [ . . ] ohne doch dadurch in Ansehung der Möglichkeit solcher Dinge selbst durch diesen Grundsatz entschei den zu wollen.« (KU 360). 393 Vgl . KU 3 3 9 ff. .
D i e tran szen denta l e Reflexion des N aturzwecks
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überschwenglich (d. i. den subjectiven Bedingungen seines Erkenntnisses unmöglich) ist, was doch die Vernunft als zum Object gehörig zum Princip macht.« (KU 342) Die Notwendigkeit, die Idee zu setzen, und die Unmöglichkeit, sie zu rea lisieren, konstelliert die theoretische Dialektik. Ihr Schein entspringt daraus, daß der vergegenständlichende Verstand die notwendigen Denkbestimmun gen der Vernunft zu realen Bestimmungen des Gedachten hypostasiert. Ob gleich die Dialektik der teleologischen Urteilskraft, wie gesagt, sich im all gemeinen diese Denkfigur zu eigen macht, stellt sich ihr der Ursprung des Scheins doch in einer eigentümlichen Umkehrung dar. Denn ihre Idee enthält das einzigartige Charakteristikum, daß sie als Grund des in der Erfahrung gegebenen Naturzwecks gedacht wird.394 »Mit dem Begriffe eines Naturzwecks verhält es sich zwar eben so, was die Ursache der Möglichkeit eines solchen Prädicats betrifft, die nur in der Idee liegen kann; aber die ihr gemäße Folge (das Product selbst) ist doch in der Natur gegeben, und der Begriff einer Causalität der letzteren, als eines nach Zwecken handelnden Wesens, scheint die Idee eines Naturzwecks zu einem constitutiven Princip desselben zu machen: und darin hat sie etwas von allen andern Ideen Unterscheidendes.« (KU 345) Was also in der theo retischen Vernunft gerade den dialektischen Schein hervorruft, erscheint ftir die teleologische Urteilskraft als eine legitime Beziehung: das Gegebensein der Idee in der Erfahrung. Allerdings differenziert Kant das Verhältnis von Idee und Erfahrung noch einmal durch das von Ursache und Folge. Erst da durch kann die Aufklärung der Notwendigkeit des Scheins mit seiner Still stellung einhergehen. Einsichtig wird hier zunächst das Verfahren, in welchem sich das bestim mende Urteil konstituiert. Die teleologische Maxime nimmt natürlicherweise den Schein eines bestimmenden Urteils an, weil die Idee in der Erfahrung gegeben ist. Selbst wenn sie als Maxime der reflektierenden Urteilskraft auf gefaßt wird, trägt sie die Beziehung von empirisch Gegebenem und Idee aus . Sie tritt demnach von sich her in ein Verhältnis zur bestimmenden Urteils kraft, weil diese die Bedingungen möglicher Erfahrung enthält. Der dialek tische Schein entspringt also, indem die bestimmende Urteilskraft notwendig
394 Theoretische Ideen können in keiner möglichen Erfahrung gegeben sein. Die prakti sche Idee ist zwar gegeben, aber nicht in einer Erfahrung, sondern im reinen Selbstbewußtsein des kategorischen Imperati vs. Allein die produktive Idee ist in der Erfahrung des Naturzwecks gegeben. Genau deshalb muß die Dialektik aber das Gegebensein und ebenso die Reflexion unterscheiden, für welche die Idee gegeben ist, wenn sie dem Schein entgehen will.
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Dritter Tei l · Tel eologische Urtei l skraft und produktive Idee
zur teleologischen Reflexion hinzutritt und die Idee in der Erfahrung gege ben vorfindet. Ihrem genuinen Verfahren gemäß verwandelt sie die Idee »ZU einem constitutiven Princip«, unter das sie das Naturprodukt subsumiert. Der natürlichen Genesis des dialektischen Scheins kann sich die teleologi sche Urteilskraft nur durch die Einsicht entziehen, daß in der Tat nicht die Idee selbst als Grund oder Ursache in der Erfahrung gegeben ist. Gegeben sind vielmehr nur die Produkte, welche »die ihr gemäße Folge« darstellen. Nur kraft dieser Unterscheidung ist der dialektische Schein ebenso aufzulö sen, so daß sich die teleologische Urteilskraft gegen ihren Trieb, über das subjektive Reflektieren zum objektiven Bestimmen hinauszugehen, zu be grenzen vermag. Offen geblieben ist hier aber nach der Seite der Natürlich keit des Scheins, wie das Verhältnis von bestimmender und reflektierender Urteilskraft transzendental auszulegen ist. Und nach der Seite seiner Auf lösung stellt sich ebenso die Frage, wie die postulierte Unterscheidung von Ursache und Folge transzendental entspringt. 3 . Die Auflösung der Antinomie legt erstens die Unmöglichkeit bestim mender teleologischer Urteile und die notwendige Restriktion auf Refle xionsurteile dar. Indem sie zweitens den natürlichen Ursprung des dialekti schen Scheins analysiert, stellt sie, gegenläufig zu ihrer Unterscheidung, den immanenten und notwendigen Zusammenhang von bestimmender und re flektierender Urteilskraft heraus. Damit wird ein dritter Schritt erforderlich, der ebenso die Einheit der ganzen Urteilskraft wie die notwendige Differen zierung ihrer Funktionen transzendental reflektiert. Offensichtlich fuhrt diese Reflexion ins Innerste der produktiven Vernunft, weil sie die Idee des voll kommenen Verhältnisses von Allgemeinem und Besonderem darstellt. Daß reflektierende und bestimmende Urteilskraft sich immanent aufeinan der beziehen, ist bereits auf doppelte Weise zum Vorschein gekommen. Zum einen sind Naturzwecke in der Erfahrung gegeben, unterliegen also den all gemeinen und konstitutiven Bedingungen möglicher Erfahrung. Zum ande ren und wichtiger noch stellt sich die produktive Idee selbst, im Unterschied zu allen anderen Ideen, in der Erfahrung dar. Wenn beide Funktionen der Urteilskraft sich wesentlich aufeinander beziehen, ohne ihre Differenz auf heben zu können, dann verweist dieses Verhältnis auf die spezifische Be stimmtheit und Endlichkeit unseres Vemunftvermögens. Die transzendentale Reflexion hat die Aufgabe, die grundlegenden Bedingungen dieser Endlich keit in den Blick zu bringen.395 395 Gegenüber der transzendentalen Begründung des N aturzwecks im Hinblick auf ein mögliches System der Erfahrung zeichnet sich für die anstehende Erörterung eine Vertiefung
Die transzendentale Reflexion des Naturzwecks
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Was zunächst die bestimmende Urteilskraft betrifft, so zeigt sich ihre Endlichkeit genau in dem Problem, durch das schon die Einleitung die Not wendigkeit einer dritten Kritik exponiert hatte. Die Grundsätze der bestim menden Urteilskraft konstituieren die obj ektive Natur im allgemeinen, ohne die Mannigfalt ihrer besonderen Gesetze antizipieren zu können. Die syste matische Einheit der Erfahrung erfordert aber eine Homogenität der Natur auch im besonderen, »welche Zusammenstimmung unter solchen Umständen sehr zufällig und ftir die Urtheilskraft ohne bestimmtes Princip sein muß. « (KU 3 4 8 ) D a s objektive Bestimmen verfallt nur deshalb nicht i n den Abgrund seiner Endlichkeit, weil das realisierte transzendentale Prinzip der reflektierenden Urteilskraft die durchgängige Einheit der besonderen Erfah rung verbürgt. Die Endlichkeit der reflektierenden Urteilskraft wiederum manifestiert sich insofern, als ihr Begriff nur in einer Grenze, gleichsam im Schweben über einem Widerspruch real ist. Organische Naturprodukte müssen »von uns ihrer Möglichkeit nach als absichtlich und als Zwecke erzeugt betrachtet werden, ohne doch darum zu verlangen, daß es wirklich eine besondere Ur sache, welche die Vorstellung eines Zwecks zu ihrem Bestimmungsgrunde hat, gebe [ . . . ] « (KU 346). Die Widersprüchlich einer Absichtlichkeit ohne Absicht - oder, wie schon die Einleitung formuliert, einer Zweckmäßigkeit ohne Zweck - zeigt schon am Reflexionsbegriff selbst seine Endlichkeit und die Abwesenheit seiner objektiv-bestimmenden Bedeutung an. Kant fahrt deshalb an der zitierten Stelle fort, damit werde nicht ausgeschlossen, »daß nicht ein anderer (höherer) Verstand, als der menschliche auch im Mecha nism der Natur [ . . . ] den Grund der Möglichkeit solcher Producte der Natur antreffen könne. « (ebd.) Für einen höheren Verstand bleibt nicht nur die Einsicht in die mecha nische Erzeugung organischer Naturprodukte möglich, also auch die Auf hebung des Unterschieds beider Funktionen der Urteilskraft. Seine Idee ermöglicht ebenso die transzendentale Einsicht in diesen Unterschied, dessen
in das Innere der Transzendentalität insofern ab, als der Naturzweck nicht mehr nur auf seinen Begri ff hin, sondern von seinem Ursprung in der transzendentalen S ubj ektivität her in den Blick kommt. Deshalb setzt Kant nun, wenn er das Ziel dieser Erörterung bezeichnet, den Naturzweck nicht mehr unmittelbar mit dem System der Erfahrung, sondern mit der Beschaf fenheit des Verstandes in Beziehung, »damit man sagen könne: gewisse Naturproducte müs sen nach der besonderen Beschaffenheit unseres Verstandes von uns ihrer Möglichkeit nach als absichtlich und als Zwecke erzeugt betrachtet werden, ohne doch darum zu verlangen, daß es wirklich eine besondere Ursache, welche die Vorstellung eines Zwecks zu ihrem Bestim mungsgrunde hat, gebe [ . . . ]« (KU 346).
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Notwendigkeit in der Endlichkeit unseres Erkenntnisvermögens gründet. Wird nämlich im Anhalt an die Idee eines nichtdiskursiven Verstands auf den Unterschied beider Funktionen reflektiert, so läßt sich ihre Ergänzungs bedürftigkeit auf einen und denselben Grund zurückfuhren. Der diskursive Verstand unterliegt mit der Heterogenität seiner Erkenntnisquellen der wesentlichen Differenz von Allgemeinem und Besonderem, insofern der Allgemeinheit des Verstandesbegriffs gegenüber die Mannigfalt des Beson deren, das in der Anschauung gegeben ist, unbestimmt bleibt. Und indem es der Urteilskraft zukommt, das Allgemeine und Besondere subsumierend oder reflektierend zu beziehen, ermöglicht die Idee eines nichtdiskursiven Ver stands tatsächlich, die notwendige Differenz ihrer beiden Funktionen in eins zusammenzuziehen. Allerdings leuchtet diese transzendentale Begründung nur für die bestim mende Urteilskraft unmittelbar ein. Hinsichtlich der reflektierenden Urteils kraft bedarf es dagegen noch einer Differenzierung, die erst den transzenden talen Ursprung ihrer Endlichkeit einsichtig zu machen vermag. Diese Differenzierung leitet sich aus einer genaueren Gegenüberstellung von diskursivem Verstand und der Idee eines nichtdiskursiven, d.h. intuitiven Verstands her. Aufgrund der Heterogenität seiner Erkenntnisquellen ist der diskursive Verstand wesentlich durch die analytische Allgemeinheit der Begriffe ge kennzeichnet. 396 Sie kommen durch Abstraktion vom Besonderen zustande und erfordern deshalb umgekehrt die Subsumtion des in der Anschauung Gegebenen, um obj ektive Realität zu erhalten. »Unser Verstand nämlich hat die Eigenschaft, daß er [ . . . ] vom Analytisch-Allgemeinen (von Begriffen) zum Besandem (der gegebenen empirischen Anschauung) gehen muß [ . . . ] « (KU 3 4 8 ) . Weil e r i n seiner Analytizität aber das Besondere notwendig un bestimmt läßt, kann er die Verbindung der Teile zum Ganzen nur im Modus der Zufälligkeit begreifen. Das Subsumtions- und das Zufälligkeitsverhältnis bedingen gemeinsam, daß der Verstand »von den Theilen als allgemeingedachten Gründen zu ver schiedenen darunter zu subsumirenden möglichen Formen als Folgen fortge hen muß . « (KU 349) Der Verstand abstrahiert in seiner analytischen Allge meinheit notwendig von der Komplexität des Besonderen. Deshalb ist das Verhältnis von Teilen und Ganzem in seinen Gegenständen zufällig. Auf grund dieser Zufälligkeit geht das Begreifen des Ganzen von seinen Teilen aus, gewinnt analytisch Teilbegriffe und stellt sie als allgemeine Gründe der 39 6 Vgl . zum folgenden KU 348/9.
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aus ihnen resultierenden Form des Ganzen vor. Die Zufälligkeit des Ganzen manifestiert sich dann darin, daß es selbst nur in der heterogenen und zu sub sumierenden Anschauung gegeben ist. Das reale Urteilsprinzip des diskur siven Verstandes lautet deshalb folgendermaßen : »Nach der Beschaffenheit unseres Verstandes ist [ . . . ] ein reales Ganze der Natur nur als Wirkung der concurrirenden bewegenden Kräfte der Theile anzusehen. « (KU 349)397 Die Idee eines intuitiven Verstands ist dagegen negativ durch die Aufhe bung der Heterogenität von Allgemeinem und Besonderem ausgezeichnet. Positiv bestimmt er sich mithin als ein Verstand, der »vom Synthetisch Allgemeinen (der Anschauung eines Ganzen als eines solchen) zum Besan dem geht, d.i. vom Ganzen zu den Theilen; der also und dessen Vorstellung des Ganzen die Zufälligkeit der Verbindung der Theile nicht in sich enthält, um eine bestimmte Form des Ganzen möglich zu machen [ . . . ]« (KU 349). Die synthetische Allgemeinheit des intuitiven Verstands beruht auf der abso luten Spontaneität seiner Anschauung, d.h. er erfaßt intellektuell anschau end398 das Ganze unmittelbar als synthetische Einheit und bedarf deshalb nicht der vermittelnden Subsumtion durch die Urteilskraft. Der intuitive Verstand bewahrt demnach die Teile in ihrer vollständigen Komplexität, und sein Ganzes besteht nur in dieser wechselseitig sich verbindenden Komplexi tät der Teile. Ohne daß ein Verhältnis von Grund und Folge dazwischenträte, geht die spezifische Bestimmtheit der Form des Ganzen unmittelbar aus der angeschauten Synthesis hervor. Diese Gegenüberstellung bietet die Grundlage, nun auch die Endlichkeit des Reflexionsbegriffs in ihrem transzendentalen Ursprung aufzuklären. Es ist nämlich ersichtlich, daß dem Reflexionsurteil über organisierte Naturwe sen gerade die Idee eines intuitiven Verstandes zugrundeliegt Nur sie gibt der Reflexion den Idealgrund, durch welchen der erste Anfang in der wech selwirkenden Selbstproduktion des Naturzwecks gedacht werden kann. Ganz in diesem Sinne scheint Kant auch das Grundproblem der reflektierenden Urteilskraft aufzulösen, wenn er die entscheidende Passage mit den Worten einleitet: »Wollen wir uns also nicht die Möglichkeit des Ganzen als von den Theilen, wie es unserm discursiven Verstande gemäß ist, sondern nach Maß gabe des intuitiven (urbildlichen) die Möglichkeit der Theile (ihrer Beschaf397 Dieses Urteilsprinzip ist nichts anderes als die konkrete Definition der mechanischen Maxime: »Wenn wir nun ein Ganzes der Materie seiner Form nach als ein Product der Theile und ihrer Kräfte und Vermögen sich von selbst zu verbinden (andere Materien, die diese ein ander zufUhren, hinzugedacht) betrachten : so stellen wir uns eine mechanische Erzeugungsart desselben vor.« (KU 3 5 1 ). 39 8 Vgl . KU 3 5 2 .
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fenheit und Verbindung nach) als vom Ganzen abhängend vorstellen [ ] « (KU 349). Es wäre nun zu erwarten, daß Kant hier in der Tat nach dieser Maßgabe den Idealgrund als das Ganze kennzeichnet, von dem die Möglichkeit der Teile abhängt. Genau das würde aber verkennen, daß es sich hier um eine Reflexion handelt, die durch die spezifische Endlichkeit des diskursiven Verstands bedingt ist. Wäre tatsächlich das Ganze Reflexionsgrund der Teile, dann müßte konsequenterweise die mechanische Kausalität in ihrem entgegengesetzten Begründungsverhältnis suspendiert werden. Das ganze Problem besteht also darin, die Idee des intuitiven Verstandes zugrundezule gen, ohne die Endlichkeit des diskursiven Verstands aufzuheben. Nur indem die Idee selbst durch die Form der Endlichkeit modifiziert wird, bezieht sich die Reflexion legitimerweise auf sie. Kant fahrt deshalb fort: »[ . . ] so kann dieses nach eben derselben Eigen thümlichkeit unseres Verstandes nicht so geschehen, daß das Ganze den Grund der Möglichkeit der Verknüpfung der Theile (welches in der discursi ven Erkenntnißart Widerspruch sein würde), sondern nur daß die Vorstellung eines Ganzen den Grund der Möglichkeit der Form desselben und der dazu gehörigen Verknüpfung der Theile enthalte. « (KU 349/5 0; Hervorh. im Orig.) Nicht das Ganze, sondern die Vorstellung des Ganzen begründet die Form und somit die Wirklichkeit des Produkts. Darin liegt gegenüber der reinen Unmittelbarkeit der Idee der Unterschied, daß die Vorstellung (Möglichkeit) und die Realisierung (Wirklichkeit) des Ganzen einer prinzi piellen Differenz unterliegen. Sie eröffnet dem diskursiv-analytischen Ver stand die Möglichkeit, sich im Urteil über das realisierte Ganze des Produkts geltend zu machen. Wie unterscheiden sich die Idee des intuitiven Verstands und ihre endliche Form konkret? Die Differenzierung von Möglichkeit und Wirklichkeit, von Grund und Folge kennzeichnet die Endlichkeit der Form. Ihre konkrete Bestimmtheit liegt dagegen allein darin, daß der Möglichkeitsgrund als Vorstellung gedacht wird, daß also »das Product [ . . . ] einer Ursache, deren Bestimmungsgrund bloß die Vorstellung ihrer Wirkung ist, ein Zweck heißt« (KU 3 50). Was demnach an sich die Idee eines intuitiven Verstandes ist, erhält als Reflexionsprinzip des diskursiv-endlichen Verstandes die konkrete Bestimmtheit des Zweckbegriffs . Mit dieser einfachen Überlegung schließt sich im Grunde schon die trans zendentale Reflexion des Naturzwecks. Befragt man sie auf ihre systemati sche Bedeutung, so ist zunächst hervorzuheben, »daß es bloß eine Folge aus der besondern Beschaffenheit unseres Verstandes sei, wenn wir Producte der . . .
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Natur nach einer andem Art der Causalität, als der der Naturgesetze der Ma terie, nämlich nur nach der der Zwecke und Endursachen, uns als möglich vorstellen, und daß dieses Princip [ . . . ] nur die unserem Verstande mögliche Beurtheilung derselben [Dinge] angehe. « (KU 3 50) Damit wird zunächst deutlich, daß die ganze Üb erlegung ebenso den transzendentalen Ursprung des Zweckbegriffs selbst wie auch den der heautonomen Reflexion auslegt: Sie entspringen, indem die reine produktive Idee eines intuitiven Verstandes in die notwendige Form der endlichen Diskursivität eintritt. Unvermerkt lösen sich durch diese Einsicht die noch offenstehenden Pro bleme der Dialektik. Die Aufklärung des transzendentalen Ursprungs des Naturzwecks zeigt zugleich die Notwendigkeit einer Differenzierung von bestimmender und reflektierender Urteilskraft, wobei Kant gerade die Be wahrung der bestimmenden Urteilskraft in der teleologischen Reflexion zum zentralen Argument macht. Ebenso rechtfertigt die transzendentale Reflexion die schwebende Widersprüchlichkeit einer Absichtlichkeit ohne Absicht, in dem sie den Naturzweck an die Endlichkeit des Verstandes zurückbindet Und schließlich leitet diese Ursprungsreflexion genau die Differenz von Grund und Folge ab, durch welche allein der dialektische Schein still gestellt werden kann: der natürliche Schein nämlich, der aus der Einzigartigkeit ent steht, daß die produktive Idee in der Erfahrung gegeben ist. Vergegenwärtigt man sich den bisherigen Gang in der Auflösung der An tinomie, so beweist Kant zunächst am Verhältnis von Notwendigkeit und ZuHilligkeit in der Idee die Unmöglichkeit eines teleologisch bestimmenden Urteils. Seine kritische Einschränkung auf Reflexionsurteile geht mit der ge genläufigen Einsicht einher, daß der dialektische Schein aus dem immanen ten Verhältnis von bestimmender und reflektierender Urteilskraft entspringt. Nun zeigt sich: Das Verhältnis von bestimmender und reflektierender Ur teilskraft erzeugt nicht nur den Schein, sondern seine transzendentale Durch dringung bedeutet zugleich die einzige Möglichkeit, ihn aufzulösen. Denn wegen ihrer Bestimmung zur Einheit der Erfahrung ist die bestim mende Urteilskraft notwendig an der Idee des Naturzwecks interessiert - und umgekehrt die reflektierende Urteilskraft um ihrer eigenen Möglichkeit wil len am diskursiven Verstand. Beide Interessen treffen gerade in der trans zendental reflektierten Grenze zusammen, in der der Begriff des Zwecks und so die reflektierende Urteilskraft selbst dadurch entspringen, daß der Gehalt der reinen produktiven Idee in die Form des endlichen Verstandes eintritt. Die Dialektik zeigt also zuletzt, daß der Grund der Unterscheidbarkeit von reflektierendem und bestimmendem Gebrauch auf der Einsicht in den trans zendental-subj ektiven Ursprung des Zweckbegriffs beruht, daß diese Ein-
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sieht aber zugleich, und nur sie399, ihre Beziehbarkeit begründet. Das Ver hältnis von Notwendigkeit und Zuflilligkeit geht hier in die Reflexion zu rück, indem der Zweckbegriff als notwendiges Reflexionsprinzip erscheint und doch aufgrund seiner explizit diskursiven Form zufällig ist. Weil der § 77 den Zweckbegriff selbst transzendental reflektiert, geht seine systematische Bedeutung weit über die Auflösung der Antinomie hinaus. Er stellt in einer immanenten Reflexion das Prinzip der ganzen KU dar, das die Einleitung erst antizipiert hatte. Diese transzendentale Einsicht ist ihrerseits nur möglich, wenn sie durch die Vernunft vollzogen wird. Nur sie vermag als Vermögen der Ideen die endliche Diskursivität als solche einzusehen. Dagegen bliebe die Dialektik unterbestimmt oder sogar unmöglich, wenn sie bloß den Begriff des Naturzwecks aus der Endlichkeit des Verstandes er wiesen hätte.400 Vielmehr zeigt die Vernunft als Subjekt der hier vollzogenen Einsicht an, daß das eigentliche Problem der Dialektik in der Auslegung des Verhältnis ses von Vernunft und endlicher Diskursivität besteht. Zieht man die bishe rigen Überlegungen zusammen, dann läßt sich dieses Verhältnis so charak terisieren : Die heautonome Reflexion der Urteilskraft entspringt, indem die produktive Idee eines intuitiven Verstands in die Endlichkeit des diskursiven Verstands eintritt. Die heautonome Reflexion erscheint so als das Dasein der produktiven Idee . Der § 77 stellt deshalb die zentrale Passage der ganzen KU dar, weil er die vernünftige Bedingung ihrer eigenen Möglichkeit zum Vorschein bringt.40 1 3 99
>>Hieraus läßt sich auch das, was man sonst zwar leicht vermuthen, aber schwerlich mit Gewißheit behaupten und beweisen konnte, einsehen, daß zwar das Princip einer mechani schen Ableitung zweckmäßiger Naturproducte neben dem teleologischen [Prinzip] bestehen, dieses letztere aber keinesweges entbehrlich machen könnte [ . . . ]« (KU 3 5 2/3 ). 400 So schreibt auch Düsing ( 1 968), dessen Analyse des § 77 (89 ff.) unter den vorl iegen den Darstell ungen die m . E . erhellendste ist: >>Nur in diesem teleologischen Verhältnis von Begri ff und einzelnem Gegenstand kann sich also unser diskursiver Verstand ein Ganzes den ken, das vor den Teilen vorhergeht. Dies hat Kant aus der Endlichkeit unseres Verstandes erwiesen .« (98) Die Frage muß dabei doch die sein, warum ein Ganzes, das seinen Teilen vorhergeht, überhaupt transzendental analysiert werden soll . Die transzendentale Begründung rückt den Gedanken gleichsam eine Stufe höher auf die Frage nach dem Verhätnis von Ver nunftidee und Reflexionsprinzip. Die Berufung auf das Faktum der organischen Natur hilft hier deshalb nicht wei ter, weil darin bereits der Begri ff des Naturzwecks vorausgesetzt ist. 4 0 1 Entgegen nahezu der gesamten Forschungstradition sei noch einmal herausgestellt, daß hier wie überhaupt Kants Transzendentalphilosophie nur von den Ideen als den unvermeidli chen Aufgaben der Vernunft her gedacht werden kann. Deshalb scheint mir die Grundkonstel l ation der reflektierenden Urteilskraft in der Frage zu bestehen, wie der Modus aufzufassen sei, in dem die produktive Idee für die endliche Vernunft da ist. Kants Antwort auf diese Fra-
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Zwar scheint e s auf den ersten Blick merkwürdig, daß die transzendentale Bedingung dieses Textes erst so spät reflektiert wird. Darin liegt aber kein wirklicher Einwand, eher eine Bestätigung der hier rekonstruierten Architek tonik. Denn nur die Vernunft kann diese transzendentale Einsicht vollziehen. Ihrerseits vermag sie dies aber erst, wenn die Einbildungskraft sich durch die Geschichte ihrer Reflexionen zur produktiven Vernunft gebildet und ihre Vernünftigkeit am gegebenen Naturzweck bewährt hat. Der Rückverweis auf die Bildungsgeschichte der Einbildungskraft hat hier auch noch in einer anderen Hinsicht seinen genauen Ort. Das Verhältnis von unmittelbarem Naturzweck und seiner transzendentalen Reflexion am Maß stab der produktiven Idee kommt nämlich gut mit den entsprechenden Aus legungen des Schönen überein. Dort verdankt sich das ästhetische Gefühl zunächst der begrifflosen Harmonie von Einbildungskraft und V erstand. Die transzendentale Reflexion des Schönen setzt dagegen die Vernünftigkeit der Einbildungskraft frei, die in ihrer Produktion ästhetischer Ideen j ede begriffliche Bestimmtheit übertrifft. Ebenso zeigt sich im unmittelbaren Naturzweck der Zweckbegriff ganz in das produktive Wechselverhältnis des Dings eingesenkt, gleichsam als verdinglichtes Verhältnis des Schönen. Sei ne transzendentale Begründung bindet ihn dann an die Idee des intuitiven Verstands zurück, die sich erst kraft der Diskursivität in das Verhältnis von Begriff und Anschauung auseinanderlegt Per analogiam läßt sich demnach der intuitive Verstand als die Vernunftidee einer objektiven Einbildungskraft bestimmen. Die Verwandlung des Gehalts der produktiven Idee in die Form der endlichen Vernunft bedingt die Differenz, die der Zweckbegriff zwischen dem Begriff als Ursache und seiner Realisierung in einem Ding etabliert. Mit dieser Differenz öffnet sich einerseits die produktive Reflexion dem theore tischen diskursiven Verstand. Andererseits liegt in der Bewahrung der bestimmenden Urteilskraft zugleich der Grund, warum die produktive Ver-
ge lautet: Sie kann nur flir die Reflexion da sein, und deshalb ist ihre Konkretion in besonde rer Weise auf Erfahrung angewiesen. Dementsprechend gibt fiir uns das Problem der Einhei t der besonderen Erfahrung den Zugang zur Bestimmung dieses Verhältnisses. Dagegen ist es unzureichend anzunehmen, daß das Problem der besonderen Erfahrung die Urteilskraft veran laßt, sich eine Idee zu entwerfen. In diesem Sinn schreibt Fleischer ( 1 984) hinsichtlich der organisierten N aturprodukte: »Mag das ein Nachklang davon sein, daß früher einmal die Din ge als wahr gedacht wurden, so ist wieder zu betonen, daß sich hier die Urteilskraft durch eine Annahme nur ihr eigenes Verfahren ermöglicht.« ( 1 3 1 ) N icht die Urteilskraft - so zeigt sich in der Dialektik ist die Möglichkeit der Idee, sondern die Idee ist die Möglichkeit der Ur teil skraft. -
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nunft, anders als die theoretische und die praktische, kein eigentümliches Selbstbewußtsein ausbildet. Gleichwohl bedeutet der Rückgang auf eine nur subj ektive Reflexion, ver nunftsystematisch gesehen, keine Reduktion, sondern eine konkrete Bedin gung ftir die Einheit der Vernunft. Wäre die produktive Reflexion nämlich ein obj ektiv bestimmendes Selbstbewußtsein, dann müßte die ganze Natur als organische Totalität angesehen werden. Damit wäre nicht allein der theoretische Verstand in seiner konstituierenden Funktion bestimmungslos, sondern ebenso die praktische Vernunft ihres Primats beraubt. Die formierende Beziehung ihrer reinen Selbstbeziehung auf das Gegebe ne, in welchem sie sich zur Erscheinung bringt, müßte hinter einer Bestim mung der Vernunft zurückstehen, die sich als absolute Produktion mit ihren Produkten zusammenschließt. Insofern würde nicht mehr die praktische Idee der Freiheit den absoluten Grund des Vernunftsystems und seiner inneren Teleologie darstellen. Oder positiv formuliert: Weil das Vernunftsystem praktisch bestimmt ist, Praxis aber wesentlich Formieren eines Gegebenen bedeutet, kann der produktiven Idee kein bestimmendes Selbstbewußtsein zugeschrieben werden. Schließlich bewährt sich die These, daß der § 77 den Ursprung der reflek tierenden Urteilskraft selbst darstellt, auch insofern, als sich hier das ganze formale Gefüge der Reflexion rekonstruieren läßt. Die diskursive Form der produktiven Idee manifestiert sich in der Differenz zwischen vorgestellter Möglichkeit und dinglicher Realität, in die sich der Zweckbegriff auseinan derlegt Deshalb wird das gegebene Besondere in der Reflexion zwar als vernunftdifferentes, jedoch nicht als heteronomes Moment gesetzt. Die Re flexion selbst entzieht sich einer heteronomen Bestimmung, indem sie ihre gegenständliche Beziehung zugleich als heautonome setzt, d.h. das gesetzte Andere zur Reflexion als ihre eigene Setzung ausweist. Die Einheit dieses ganzen Verhältnisses wird schließlich als produktive Idee gedacht. Um die Trennung von Produktion und Produkt zu bewahren, erscheint sie jedoch nicht als Bestimmungs-, sondern allein als ein Beziehungsgrund ftir die Re flexion, der an ihm selbst (praktisch) bestimmbar bleibt.
c) Teleologie und Mechanismus Die Dialektik hat zwar ihren Gipfelpunkt erreicht, aber die Antinomie noch nicht positiv aufgelöst. Der Begründung der Unmöglichkeit teleologischer Urteile folgt zunächst das Postulat der Vereinigung von bestimmender und
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reflektierender Urteilskraft. Die transzendentale Reflexion auf den Ursprung des Zwecksbegriffs zeigt, daß der Unterschied beider Funktionen fiir die endliche Vernunft notwendig ist, aber auch keinen ausschließenden Gegen satz bedeutet. Insofern die produktive Idee somit zugleich die Möglichkeit ihrer Vereinigung enthält, gilt es nun noch, die Antinomie positiv aufzulösen und die wirkliche Vereinigung von mechanischer und teleologischer Kausali tät darzulegen.402 Dazu braucht Kant nur noch die Einsichten der Dialektik zusammenzuziehen, weil die transzendentale Reflexion des Zweckbegriffs sich schon im Verhältnis des Reflektierens auf den diskursiven Verstand bewegt. Der § 78 löst die Antinomie der Maximen positiv auf, indem er dem Schein ihrer unmittelbaren Widersprüchlichkeit sukzessiv die Möglichkeit, Notwendigkeit und Wirklichkeit ihrer Vereinigung entgegensetzt. Beide Maximen sollen vereinigt werden, weil sie zu ihrer Konkretisierung wech selseitig aufeinander angewiesen, wenngleich nicht ineinander aufzulösen sind. Die Möglichkeit ihrer Vereinigung beruht im Gedanken eines über sinnlichen Substrats, denn »das gemeinschaftliche Princip der mechanischen einerseits und der teleologischen Ableitung andrerseits [ist] das Übersinn liche, welches wir der Natur als Phänomen unterlegen müssen. « (KU 3 5 8) Im übersinnlichen Substrat der Natur wird die objektive Vereinigung von mechanischem und teleologischem Prinzip gedacht. Weil es jedoch un erkennbar ist, bleiben beide Maximen different und können widerspruchsfrei nur in der Sphäre der reflektierenden Urteilskraft bestehen. Was nun die postulierte Notwendigkeit der Verbindung betrifft, so ist zu nächst noch einmal daran zu erinnern, daß die Antinomie nicht etwa der me chanischen Maxime, sondern dem Schein teleologisch bestimmender Urteile entspringt. Ihre Unmöglichkeit beruht transzendental auf der Verwandlung, 4 02 L öw ( 1 980, 206) sieht den Aufbau der Dialektik als ein Nebeneinander eines älteren ( § § 76-78) und eines j üngeren Entwurfs ( § § 69-75) an, ohne auch nur die Frage zu stellen, warum Kant sich denn eines solchen merkwürdigen Verfahrens bedient haben soll . Dadurch kommt er zu einer Reihe m. E. abwegiger Resultate, wobei bereits die Üb erschri ft des § 76: >>Anmerkung« eine solche Einteilung wenig wahrscheinlich macht. Im ))älteren« Entwurf sieht Löw reflektierende und bestimmende Urteilskraft ins Verhältnis gesetzt (209), was sich allein auf § 77 beziehen kann, in dem Kant j edoch nur den Grund des Scheins aufklärt, der entsteht, wenn die teleologische Maxime sich dialektisch in ein konstitutives Prinzip verwandelt. Im ))j üngeren« Entwurf erkennt Löw zwar zwei Maximen der reflektierenden Urteilskraft, be hauptet aber eine Unvereinbarkeit mit dem konstitutiven Prinzip der Kausalität, um derentwil len Kant den einheitlichen Erfahrungsbegri ff der KrV preisgeben müsse (2 1 1 ). Auch diese These leuchtet nicht ein, wenn man beachtet, daß die 2. Analogie nicht, wie die mechanische Maxime, die Möglichkeit der Dinge, sondern das konstitutive Prinzip ihrer Veränderung betri ffi.
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der die produktive Idee in der diskursiven Form des Zweckbegriffs unter liegt. Dementsprechend enthält der Zweckbegriff für die subj ektive Reflexi on eine Absichtlichkeit, die aber nicht objektiv als Absicht gedacht werden darf. Die reflektierende Urteilskraft realisiert dieses gegenwendige Prinzip nur, wenn sie beide Momente festzuhalten, d.h. wenn sie den Naturzweck zugleich als Naturprodukt aufzufassen vermag. Genau diese Zusammenhänge fuhrt Kant in dem großen Bogen aus, durch den er die notwendige Verbindung beider Maximen darlegt. »Da nämlich dieser [teleologische Grundsatz] nur eine Maxime der reflectirenden, nicht der bestimmenden Ortheilskraft ist, daher nur subjectiv für uns, nicht ob jectiv für die Möglichkeit dieser Art Dinge selbst gilt (wo beiderlei Erzeu gungsarten wohl in einem und demselben Grunde zus ammenhängen könn ten) [ . . . ]« (KU 3 60). Dieser Teilsatz setzt zunächst die transzendentale Notwendigkeit der teleologischen Maxime voraus, die auf der Unzulänglich kelt der mechanischen Kausalität zur Beurteilung organisierter Naturwesen beruht. Die Einsicht in den transzendental-subjektiven Ursprung des Zweck begriffs legt die Vereinbarkeit beider Maximen zugrunde, begrenzt damit die Teleologie aber auch zu einer subjektiven Reflexion. Gegenüber der Notwendigkeit und den Grenzen einer Beurteilung der Natur nach Zwecken kommt nun die andere Seite, die des Naturprodukts, in den B lick, wenn Kant fortfahrt: »[ . . . ] da ferner ohne allen zu der teleo logisch-gedachten Erzeugungsart hinzukommenden Begriff von einem dabei zugleich anzutreffenden Mechanism der Natur dergleichen Erzeugung gar nicht als Naturproduct beurtheilt werden könnte [ . . . ] « (ebd.). Der transzen dental notwendige Zweckgedanke vermag nicht, sich selbst obj ektive Reali tät zu geben, sondern bleibt empirisch zufällig. Er bezieht sich um seiner Konkretion willen auf die Erfahrung und steht deshalb in einer unauflös lichen Verbindung mit dem mechanischen Kausalitätsgesetz der bestimmen den Urteilskraft. Aber darüber hinaus realisiert sich der teleologische Begriff in seiner inneren Widersprüchlichkeit nur, wenn der Absichtlichkeit im Zweck keine Absicht unterstellt wird, wenn also die Zweckkausalität zu gleich als natürliche aufgefaßt wird. Die transzendentale Bestimmung der Zwecks selbst ist es, welche die mechanische Maxime erfordert. Ohne diese wäre der Naturzweck nicht als »Naturproduct« zu reflektieren. Die transzendentale Notwendigkeit der mechanischen Maxime - wohlge merkt: sie ist eine Maxime der reflektierenden Urteilskraft - beruht also ih rerseits in der teleologischen, und so kann Kant mit den Worten schließen: »[ . . . ] so führt obige Maxime zugleich die Nothwendigkeit einer Vereinigung beider Principien in der Beurtheilung der Dinge als Naturzwecke bei sich,
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aber nicht um eine ganz, oder in gewissen Stücken an die Stelle der andern zu setzen.« (ebd.) In ihrer ersten Formulierung konnte es scheinen, daß die beiden gegensätzlichen Maximen deshalb widerspruchsfrei seien, weil in be sonderen Fällen der Natur über den Mechanismus hinaus das teleologische Prinzip herangezogen werden müsse. Hier zeigt sich dagegen, daß der teleo logischen Maxime schon in ihrer transzendentalen Begründung das mecha nische Prinzip, unerachtet ihrer notwendigen Differenz, immanent ist. Keine Maxime kann die andere ersetzen, sie wechseln einander auch nicht ab, sondern sie ermöglichen nur in ihrer Vereinigung teleologische Urteile. Damit läßt sich nun leicht nachvollziehen, wie Kant auch die wirkliche Vereinigung der Maximen an den Zweckbegriff zurückbindet Die Form sei ner Endlichkeit macht sich an der Differenz zwischen der Zweckvorstellung, die den Grund des Naturprodukts bezeichnet, und ihrer Realisierung im Ding geltend. Diese Differenz erlaubt nun, den Mechanismus auf der Seite der Realisierung als eigenständiges Prinzip zu bewahren und das genuin teleo logische Moment der Zweckvorstellung zuzuschreiben. Der Mechanismus ist zwar universal gültig, aber der Zweckbegriff impliziert darüber hinaus eine systematische Totalität. Deshalb bildet sich ihre wirkliche Verbindung zu einem Subsumtionsverhältnis aus. ))Denn wo Zwecke als Gründe der Möglichkeit gewisser Dinge gedacht werden, da muß man auch Mittel annehmen, deren Wirkungsgesetz ftir sich nichts einen Zweck Voraussetzendes bedarf, mithin mechanisch und doch eine untergeordnete Ursache absichtlicher Wirkungen sein kann . « (KU 3 6 1 ) Immerhin könnte e s noch s o scheinen, als ftihrte zuletzt das Verhältnis von Zweck und Mittel doch noch in einen schlechten Dualismus. Dagegen ist daran zu erinnern, daß Kant wohlweislich schon in der Analytik mit seiner empirischen Maxime den Naturzweck als etwas definiert hatte, ))in welchem alles Zweck und wechselseitig auch Mittel ist. « (KU 296) Genau dieses im manente Verhältnis von Zweck und Mittel im Naturzweck selbst verdeut licht, daß die universale Gültigkeit des Mechanismus nicht neben, sondern ohne Dualismus in der teleologischen Beurteilung bestehenbleibt Die Dialektik der teleologischen Urtheilskraft gilt nur zum geringeren Teil dem widerspruchsfreien Verfahren der empirischen Naturwissenschaften. Ihre systematische Bedeutung innerhalb der ganzen KU ist vielmehr dadurch ausgezeichnet, daß die hier vollzogene transzendentale Selbstdurchdringung der produktiven Vernunft den Ursprung ihres Reflexionsprinzips durchsich tig macht. Im Kontext der heautonomen Selbstbewegung des Prinzips be steht ihre Aufgabe zuletzt darin, die unmittelbare Bestimmung des Natur zwecks transzendental zu reflektieren.
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Denn die Analytik kann den Naturzweck zwar als Moment der heautono men Urteilskraft ausweisen. Sie verdichtet sich aber wesentlich in die Über tragung der Reflexion auf das Ding, während die Heautonomie nur im gege benen Idealgrund eines unbestimmten Zweckbegri ffs zum Vorschein kommt. Dagegen zeigt erst die erneute Reflexion auf dieses Reflexionsverhältnis, daß und wie der Zweckbegriff als Dasein der produktiven Idee in der end lichen Diskursivität entspringt. Über sein bloßes Gegebensein hinaus ermög licht die Ableitung des Zweckbegriffs, die in den Naturzweck entäußerte heautonome Reflexion vollständig in das transzendentale Subjekt zu reflek tieren. Insofern kann die Dialektik auch als Modalisierung der grundsätzlichen Spannung gelesen werden, welche die Analytik zwischen der transzenden talen Notwendigkeit des teleologischen Prinzips und der empirischen Zufäl ligkeit seiner Realisierung austrägt. Dialektisch erscheint dieses Verhältnis zunächst an der Idee des übersinnlichen Substrats, die als natürlicher und als übernatürlicher Grund die Naturnotwendigkeit und zugleich die Zufälligkeit »in Beziehung auf bloße Gesetze der Natur« (KU 3 3 1 ) zusammenfassen soll. Notwendig ist sodann für die Reflexion das Prinzip des Zwecks, und doch verdeutlicht sein Ursprung aus der diskursiven Modifizierung des intuitiven Verstands, daß es hinsichtlich der Möglichkeit der Dinge selbst zufällig bleibt. Schließlich ließe sich der existierende Naturzweck nicht einmal als Naturprodukt ausweisen, wenn nicht das zufällige teleologische Prinzip an der Notwendigkeit des Mechanismus seinen Gegenhalt fände. Was also in der Analytik zwischen Prinzip und Ding spielt, nimmt die transzendentale Reflexion der Dialektik in den Grund der Möglichkeit des Zweckbegriffs selbst zurück. Daß die Dialektik tatsächlich die entäußerte Reflexion der Analytik in ih ren Grund reflektiert, bestätigt die architektonische Parallelität ihrer j eweils drei Schritte. Die Analytik schließt zuerst in einer vollständigen Unterschei dung die Ä ußerlichkeit eines Grunds für den Naturzweck aus. Ebenso legt die Dialektik in einer vollständigen negativen Unterscheidung die Unmög lichkeit teleologisch-bestimmender Urteile dar. Dem Prinzip teleologischer Urteile kommt keine obj ektive Realität zu, weil es nicht in einer äußeren Er fahrung gegeben sein kann. Im zweiten Schritt bestimmt sich dort der Naturzweck als produktiver Wechsel zwischen der Idee des Ganzen und den sich wechselseitig hervor bringenden Teilen. Um die Natürlichkeit des Naturzwecks zu bewahren, ist es aber erforderlich, die Idee als Idealgrund für die heautonome Reflexion aufzufassen und den Realgrund in das Naturding selbst zu setzen. Die ent-
Die transzendentale Reflexion des Naturzwecks
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sprechende transzendentale Reflexion zeigt: Die unmittelbar produktive Identität von Allgemeinem und Besonderem in der Idee des intuitiven Ver stands läßt in der Form des diskursiven Verstands den Begriff des Na turzwecks entspringen, ftir den die Differenz von Begriff und Realität konsti tutiv ist. Der dritte Schritt schließlich übersetzt in der Analytik das teleologische Urteilsprinzip durch das Verhältnis von Zweck und Mittel in eine Maxime der Erfahrung. Transzendental begründet ist diese Erfahrung aber erst durch die kritische Durchdringung des Verhältnisses von bestimmender und re flektierender Urteilskraft. Das Mittel des Mechanismus läßt sich nämlich mit dem teleologischen Zweck nur dann in einem Subordinationsverhältnis vereinigen, wenn das Mechanische als Seite der Natur am Naturzweck der Teleologie selbst immanent ist. Die Dialektik reflektiert aber nicht nur den unmittelbaren Naturzweck, sondern konkretisiert dadurch auch das ganze Reflexionsverhältnis. Sie be gründet die Heautonomie der Reflexion, die zunächst ganz äußerlich im Sin ne einer bloßen Geltungsbestimmung aufzutreten scheint, indem sie den Ur sprung des Zweckbegriffs in der transzendentalen Subjektivität aufklärt. Ebenso erscheint die Idee nicht mehr nur im Sinne eines unbestimmten Zweckbegriffs, sondern kommt transzendental reflektiert - und das ist ein zigartig in der KU - in der produktiven Idee des intuitiven Verstands als sol che zum Vorschein. Schließlich gewinnt auch der existierende Naturzweck erst durch die immanente Vereinigung von Mechanismus und Teleologie seine konkrete Bestimmtheit. A nalytik und Dialektik reflektieren und begründen die Technik der Natur durch den Begriff des Naturzwecks, durch die Absichtlichkeit einer Wirkung ohne Absicht. Absichtliche Wirkungen sind zuhöchst Zweckbestimmungen aus Freiheit. Zwar vermag die teleologische Reflexion ihren Gegenstand nicht zu erkennen. Doch eröffnet sie die Natur zu einer Präsenz, in der die Realisierbarkeit der Freiheit aufscheint, ohne mit ihrer Bestimmung als Me chanismus im Widerspruch zu stehen. Die Fortentwicklung dieser Realisier barkeit der Freiheit kann nun - das macht die Parallelität von Analytik und Dialektik einsichtig - an das anknüpfen, worauf bereits das Ende der Analy tik verwiesen hatte : an den Fortgang vom einzelnen Naturzweck zur Totalität der Natur als System der Zwecke .
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Dritter Tei l Teleologische Urteilskraft und produktive Idee ·
4. Die Natur als System der Zwecke Schon das Ende der Analytik der teleologischen Urtheilskraft hatte einsichtig gemacht: Die teleologische Beurteilung eines Naturzwecks schreitet vermit tels der produktiven Idee notwendig fort zur Reflexion über die ganze Natur als System der Zwecke. Obgleich die konkrete Darstellung des Systems der Zwecke in den §§ 82 und 83 überaus gedrängt ist, bleibt ihre Bedeutung für den methodischen Zusammenhang der KU unverzichtbar.403 Im folgenden soll gezeigt werden, daß der letzte Zweck der Natur in ihrer Bestimmung zur Kultur dazu dient, die vorausgesetzte Freiheit der Reflexion, also die spezifi sche Tätigkeit der reflektierenden Urteilskraft selbst zu begründen und zu begrenzen. Um diese These plausibel zu machen, wird zunächst durch einen Rück blick auf den hier erreichten methodischen Ort der Übergang in das zweite teleologische Reflexionsverhältnis dargestellt. Gegenüber der unmittelbaren Reflexion in sich des Naturzwecks erweisen sich nunmehr alle Termini als Formen des Unterschieds und der Negativität. Deren konkrete Bestimmung liegt nun darin, daß nicht allein die Urteilskraft verständig über die Natur re flektiert, sondern daß umgekehrt und demzuvor die Reflexion selbst in ihrer Vernünftigkeit letzter Zweck der Natur ist (a). Letzter Zweck der Natur zu sein, erweist sich j edoch nicht als eine natür liche Bestimmtheit, sondern als eine Bestimmung, die durch die Arbeit des Unterscheidens realisiert werden muß. Die Reflexion kann sich zum Telos der Natur nur dann ausbilden, wenn sie zwar innerhalb der Grenzen der Natur bleibt, aber zugleich nicht selbst durch die Natur bestimmt wird. Nur in der produktiven Kultur der Reflexion selbst realisiert sich das System der Zwecke. Mit dieser inneren Unterscheidung der Reflexion erreicht die Kultur die Grenze der Natur und stellt die letzte, zugleich höchste Bestimmung der physischen Teleologie dar. Sie faßt somit in ihrer konkreten Gestalt der schönen Künste und der Wissenschaften den ganzen bisherigen Fortgang der KU zusammen (b ). Deshalb beruht die herausragende methodische Bedeutung des Systems der Zwecke darauf, daß in ihm die heautonome Logik des freien Sich Setzens angesichts der differenten Natur mit der konkreten Reflexionsgestalt
4 03 Die Bedeutung dieses Tei ls ist am besten von Kernlein ( 1 993) herausgearbeitet worden. Er hat überzeugend gezeigt, daß die §§ 82 und 83 das 2. Buch der teleologischen Urteilskraft enthalten, welches die ursprüngliche Einteilung in der Ersten Einleitung (vgl . AA XX, 25 1 ) angekündigt hatte.
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der Kultur vollkommen koinzidiert. Insofern stellt die Grenze zwischen Natur und Freiheit, zwischen gesittetem Naturwesen und sittlichem Welt wesen das Dasein des Übergangs dar, dessen Bewegung die KU im ganzen kennzeichnet. Retrospektiv erweist sich der innere Zus ammenhang aller bis herigen Reflexionsgestalten somit als die Kultivierung der reflektierenden Urteilskraft selbst, die nunmehr auch als solche gesetzt wird. Diese Einsicht ermögi icht zugleich, mit der technisch-praktischen Vernunft Kants konkrete Bestimmung der produktiv reflektierenden Urteilskraft auszuweisen (c).
a) Der letzte Zweck der Natur Um den systematischen Ort der nun anstehenden Darstellung des Systems der Zwecke angemessen charakterisieren zu können, sei zunächst die Bedeu tung des Naturzwecks im Ganzen der KU beleuchtet. Die Reflexionsbe wegung der ästhetischen Urteilskraft konnte als Genesis der produktiven Vernunft charakterisiert werden, die es überhaupt methodisch ermöglicht, die Natur unter der Bestimmtheit der produktiven Idee teleologisch zu betrach ten.404 Umgekehrt wurde aber auch deutlich, daß erst die teleologische Ur teilskraft ein Moment zu begründen vermag, dem das Prinzip der subj ektiven Zweckmäßigkeit nicht genügen kann. Zwar entdeckt die subjektiv zweckmäßige Reflexion durch das Schöne einen Begriff der Natur, in welchem die Erscheinungen »nicht bloß als zur Natur in ihrem zwecklosen Mechanism, sondern auch als zur Analogie mit der Kunst gehörig beurtheilt werden müssen« (KU 77). Sie setzt j edoch das Schöne als schlechthin gegeben voraus, ohne die Möglichkeit seiner Form reflektieren zu können. Diese Begründung leistet erst die teleologische Beur teilung der Naturzwecke. Insofern dem Begriff des Naturzwecks die Mög lichkeit der Form immanent ist, bedingt auch umgekehrt die teleologische die ästhetische Urteilskraft. Demnach läßt sich nun das Verhältnis von ästhetischer und teleologischer Urteilskraft seinerseits als ein Wechsel-
4 04 Diese vorbereitende Funktion der ästhetischen flir die teleologische Urteilskraft kommt bereits in der Einleitung zum Vorschein, wenn Kant sagt, daß die teleologische Urteilskraft, »ohne ein Princip dazu a priori in sich zu enthalten, in vorkommenden Fällen (gewisser Pro ducte), um zum Behuf der Vernunft von dem Begri ffe der Zwecke Gebrauch zu machen, die Regel enthält, nachdem j enes transeendentale Princip [der ästhetischen Urteilskraft] schon den Begri ff eines Zwecks (wenigstens der Form nach) auf die Natur anzuwenden den Ver stand vorberei tet hat.